Der Aufstieg der Topmanagerinnen: Weibliche Rollenvorbilder aus fünf Wirtschaftsnationen über Erfolgswege zu Spitzenpositionen 9783110709322, 9783110709094

When over 110 top female managers from five nations reflect upon their careers and management styles within the scope of

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Der Aufstieg der Topmanagerinnen: Weibliche Rollenvorbilder aus fünf Wirtschaftsnationen über Erfolgswege zu Spitzenpositionen
 9783110709322, 9783110709094

Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung: Frauenkarrieren weltweit sind möglich – Frauen im Topmanagement aus fünf Wirtschaftsnationen als Rollenvorbilder
2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets
3. Chinesinnen in Europa: Managerinnen in der Dualität von Anpassung und eigenen Erfolgsmarkern
4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte
5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen
6. Deutsche Frauen: Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle
7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau
8. Die idealtypische Topmanagerin: Ein Resümee aus der globalen Analyse
9. Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen
Anhang
Über die Untersuchung: Das Global Woman Career Lab
Literaturverzeichnis

Citation preview

Bettina Al-Sadik-Lowinski Der Aufstieg der Topmanagerinnen

Bettina Al-Sadik-Lowinski

Der Aufstieg der Topmanagerinnen Weibliche Rollenvorbilder aus fünf Wirtschaftsnationen über Erfolgswege zu Spitzenpositionen

ISBN 978-3-11-070909-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070932-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-070941-4 Library of Congress Control Number: 2020942334 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Für alle weiblichen Führungskräfte aus Frankreich, Russland, Japan, China und Deutschland, die ihre Erfahrungen mit uns teilen

Inhalt .

Einleitung: Frauenkarrieren weltweit sind möglich – Frauen im Topmanagement aus fünf Wirtschaftsnationen als Rollenvorbilder 1

.

Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

.

Chinesinnen in Europa: Managerinnen in der Dualität von Anpassung und eigenen Erfolgsmarkern 84

.

Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen 100 Rollenkonflikte

.

Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

.

Deutsche Frauen: Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden 177 und Mutterrolle

.

Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

.

Die idealtypische Topmanagerin: Ein Resümee aus der globalen 255 Analyse

.

Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen

Anhang

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Danksagungen und Anmerkungen

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Über die Untersuchung: Das Global Woman Career Lab Literaturverzeichnis

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1. Einleitung: Frauenkarrieren weltweit sind möglich – Frauen im Topmanagement aus fünf Wirtschaftsnationen als Rollenvorbilder Das Thema Frauen in Führungspositionen wird weltweit breit diskutiert. Der Ruf nach mehr Frauen in Spitzenfunktionen der Wirtschaft, die als weibliche Rollenvorbilder fungieren können, ist laut. Obwohl Frauen in vielen Ländern heute die besseren Abschlüsse vorweisen und Frauen aus der globalen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken sind, bleibt die Frage nach ihrer Beteiligung „ganz oben“ in den Unternehmensleitungen aktuell. Denn obwohl die Anteile von Frauen im mittleren Management international zugenommen haben, konnte bisher in den gehobenen Leitungsfunktionen international keine Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht werden. Es gibt vielfältige Analysen und Perspektiven zu den Ursachen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es weltweit weiterhin an weiblichen Rollenvorbildern mangelt. Die Zahl der Frauen, die in Unternehmen wichtige Positionen an den Schaltstellen einnehmen, ist gering. Und doch gibt es sie! Frauen, die es geschafft haben, in die Spitzen von Unternehmen vorzudringen. Es gibt sie überall auf der Welt, diese faszinierenden Frauen, die mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen Rollenvorbilder für andere Frauen sein können und damit andere Frauen in ihren Karrieren unterstützen. Diese Rollenvorbilder liefern auch für Unternehmensleitungen einen wichtigen Erkenntnishintergrund, zu der Frage, welche Faktoren Unternehmen berücksichtigen sollten, wenn sie qualifizierte Frauen für ihre Leitungsebenen gewinnen möchten. Den folgenden Fragen widmet sich dieses Buch: Wie kommen Frauen in Spitzenfunktionen von Unternehmen in einer globalisierten Welt? Welche Fähigkeiten und Charakteristika unterscheiden diese erfolgreichen Frauen? Welche Schritte haben sie unternommen, um diese zu entwickeln? Und welche Erfolgsrezepte haben bei Topmanagerinnen auf ihren Karrierewegen in verschiedenen Ländern gut funktioniert, auch im Umgang mit Herausforderungen, die sich typischerweise nur für Frauen stellen? Das Buch lädt ein zu einer Reise, um Frauen in Topmanagementpositionen zu treffen- in Russland, China, Japan, Frankreich und Deutschland.

Mehr Frauen in Führungspositionen bedeuten Vorteile für Unternehmen und für die Wirtschaftskraft von Ländern Warum sollten sich Frauen aus aller Welt sich weiterhin mühen, nicht in der Mitte der Unternehmen zu verharren? Und warum ist es wichtig, dass Unternehmen qualifizierte Frauen auch in hohe Managementfunktionen fördern? Eine einfache Suche in Google nach den Vorteilen von Geschlechtergleichgewicht in den Spitzenpositionen von Unternehmen bringt fast 18 Millionen Ergebnisse. Einige davon verdeutlichen https://doi.org/10.1515/9783110709094-001

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Frauenkarrieren weltweit sind möglich

exemplarisch die Kernerkenntnisse für Unternehmen, die das Ziel haben, mit Frauen und Männern an ihren Spitzen noch erfolgreicher zu sein. Eine von Nolan vom Peterson Institute for International Economics durchgeführte Umfrage in 21.980 börsennotierten Unternehmen in 91 Ländern ergab, dass ein höherer Anteil weiblicher Führungskräfte in Unternehmen zu einer höheren Rentabilität dieser Unternehmen führt. Untersuchungen von McKinsey und Women Matter, Catalyst und Nordland zeigen, dass höhere Frauenanteile in den Unternehmensleitungen zu höheren Gewinnen und Umsatzrenditen sowie einer besseren allgemeinen Unternehmensperformance führen. Allein diese hier exemplarisch gewählten Forschungen fassen zusammen, was weitere Untersuchungen weltweit belegen. Vorreiter-Unternehmen auf der ganzen Welt haben bereits mehr Frauen in Führungspositionen und sind davon überzeugt, dass die Einbeziehung aller Geschlechter den Unternehmenserfolg erhöht.

Frauen sind die am wenigsten genutzte natürliche Ressource der Welt (CARE) Der richtige Mix von Frauen und Männern in den Top Führungsetagen bringt also messbare Vorteile für die Unternehmen, in dem weibliche und männliche Stärken harmonisiert werden und zielgerichtet zur Erreichung von Unternehmenszielen genutzt werden können. Unternehmen, die Frauen fördern, bekommen weltweit die besten Führungskräfte für ihre Spitzenfunktionen und nutzen die beste Mischung aus Erfahrungen von männlichen Führungskräften und denen, von erfolgreichen Frauen. Die Einbeziehung von talentierten Frauen signalisiert Mitarbeitern und Kunden, dass Frauen gleichwertig behandelt werden, und fördert Rollenmodelle für junge weibliche Talente. Schließlich garantiert die Gleichbehandlung von qualifizierten Frauen, dass alle Level der Unternehmenshierarchie mit den besten Führungskräften besetzt werden. Die Vorteile von effektiver Frauenförderung im Management für globale sowie lokale Unternehmen liegen angesichts des weltweiten Fachkräftemangels auf der Hand. Im globalen Kampf um die besten Führungskräfte sind Frauen für die nächsten Jahrzehnte quasi eine geeignete Wettbewerbswaffe. Es macht keinen Sinn, die Hälfte des Führungspotenzials zu vernachlässigen. Frauen haben bereits heute eine enorme Wirtschaftsmacht als Konsumentinnen und kontrollieren große Anteile der Konsumausgaben auf der ganzen Welt. In vielen Industriebereichen, wie zum Beispiel in den Märkten Automobil, Touristik und Wohnen, sind es Frauen, die die Hauptkaufentscheidungen treffen. Frauen sind also das größte Chancensegment der Welt. Die Wissenschaft belegt mannigfaltig, dass Unternehmen mit einem ausgewogenen Frauenanteil in den Spitzenfunktionen wettbewerbsfähiger sind und bessere Ergebnisse erzielen. Obwohl diese Erkenntnisse gerade in den letzten Jahren weltweit breit kommuniziert werden, gibt es weiterhin weltweit keine Parität von Frauen und Männern in den Spitzenfunktionen der Wirtschaft. Das bedeutet, dass Unternehmen das Erfolgspotenzial gemischter Führungsteams weiterhin weltweit nicht ausreichend nutzen. Es gibt weiterhin kein Land auf der Welt, in dem Frauen wirkliche Gleichstellung

Anteile von Frauen in Führungspositionen differieren auf der Weltkarte

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erreicht haben und die Barrieren, die Frauen im Management überwinden müssen, sind real. Ein erster Schritt zu mehr Parität könnte sein, diese spezifischen Barrieren für Frauen auf dem Weg in Spitzenfunktionen aufzudecken, besser zu verstehen und Strategien zu entwickeln, um diese erfolgreich zu überwinden. Dabei gibt es verschiedenen Ansätze, um mehr Frauenanteile in den Führungsetagen zu erreichen. Neben notwendigen politischen und legislativen Maßnahmen ist es ein wichtiger Schritt, Unternehmen weltweit auf ihrem Weg zu mehr Frauenförderung zu unterstützen. Der andere wichtige Ansatz liegt daran, talentierte Frauen darin zu unterstützen, ihre eigene Führungskraft im Hinblick auf Chancen im globalen Kontext auszubauen und zu stärken. Frauen, die aufsteigen wollen, und Unternehmen, die Frauen fördern wollen, brauchen mehr Erkenntnisse über weibliche Rollenvorbilder, um sich an deren Erfahrungen zu orientieren und von ihnen lernen zu können. Dazu will dieses Buch mit der zugrunde liegenden internationalen Forschung mit weiblichen Rollenvorbildern im Topmanagement in fünf Wirtschaftsnationen einen Beitrag leisten.

Anteile von Frauen in Führungspositionen differieren auf der Weltkarte Der weltweite durchschnittliche Anteil von Frauen an gehobenen Führungspositionen liegt laut der weltweiten Studie von Grant Thornton, die seit mehreren Jahren durchgeführt wird, im Jahr 2017 bei 25 Prozent und hat sich seit dem Jahr 2014 nur marginal verändert. Betrachtet werden hier die sogenannten C-Suite-Funktionen, die sowohl die Geschäftsleitung bzw. den Vorstand als auch die direkt folgende Entscheiderebene beinhalten. Forscher beobachten eine weltweite Zunahme der Beteiligung von Frauen im Management und die amerikanische Forscherin Eagly lässt sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass die Anteile von Frauen in den letzten Jahren „sky rocked“. Gemeint sind hier jedoch die unteren und mittleren Management Level, in denen die Beteiligung von Frauen in den meisten Ländern angestiegen sind. Auf den höchsten Rängen bleiben Frauen weltweit unterrepräsentiert. Vieler Orts werden weiterhin die „Pionier-Vorzeige-CEO-Frauen“ zelebriert und verdeutlichen das Ausmaß des wachsenden Stillstandes. Auch in der zweiten Führungsebene, den Executive Teams von Unternehmen, gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, wenn es um die Beteiligung von Frauen im Management geht. Einige Länder zeigen sich in den Statistiken fortschrittlicher als andere. Die in diesem Buch exemplarisch betrachteten Wirtschaftsnationen China, Russland, Japan, Frankreich und Deutschland bilden das obere, mittlere und untere Ende des weltweiten Rankings der Anteile von Frauen in Führungspositionen in Unternehmen ab. Daten zu Folge, auf die in den einzelnen Kapiteln eingegangen wird, stehen Russland und China weiter oben im weltweiten Ranking. Frankreich belegt im Vergleich einen guten Mittelplatz. Deutschland und Japan dagegen bilden den unteren Bereich der Beteiligung von Frauen an oberen Managementfunktionen unter den Wirtschaftsnationen ab. Im

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Frauenkarrieren weltweit sind möglich

Hinblick auf die Beteiligung von Frauen an oberen Managementfunktionen zeigt der Blick auf die Weltkarte, dass viele führenden Industrienationen hier keine Vorreiterrollen einnehmen, sondern eher kleinere Länder wie Georgien, Litauen und Polen, aber auch einige asiatische Länder wie die Philippinen besonders stark sind. Nun sind Statistiken Zahlenwerte, die je nach Ausgangslage und Interpretation zu veränderten Darstellungen kommen. Eines scheint gesichert zu sein. Der Fortschritt ist unten und in der Mitte beachtlich, wenn man bedenkt, dass Frauen historisch betrachtet überhaupt erst seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts an Managementfunktionen beteiligt sind. Ganz oben tun sich die Unternehmen weltweit weiterhin schwer. Oder sind es gar die Frauen in den verschiedenen Ländern selber, die einen Karriereverzicht üben? Auch darüber berichtet dieses Buch. Verschiedene politische Maßnahmen, wie die Quoten für Aufsichtsräte in Deutschland und Frankreich werden kontrovers diskutiert, zeigen aber gerade in jüngster Zeit positive Resultate. Im Rahmen des internationalen Women Forums im Jahr 2019 in Paris wurde verstärkt über die Erfolge von Quoten aufgeklärt und um Zustimmung aller Frauen für die Quoten geworben. Frauen in Frankreich wie auch in Deutschland wollen lieber keine Quotenfrauen sein, sondern aufgrund ihrer Leistungen an die Spitze kommen. Vor allem Frauen, die es bereits geschafft haben, weigern sich oftmals Quoten als Mittel zum Ziel zu akzeptieren. In China und Russland gibt es keine Quoten für Frauen in Unternehmen, sondern andere Mechanismen führen zu einer höheren Frauenbeteiligung. Und in Japan sind klare Absichtserklärungen der Regierung verbunden mit Wunschzielvorgaben Reaktion auf den andauernden Stillstand. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, dass eine höhere politische Beteiligung von Frauen in politischen Spitzenämtern nicht notwendiger Weise automatisch zu mehr Frauen in hohen Wirtschaftsfunktionen führt. Ein Beispiel dafür ist Deutschland, wo sich trotz Kanzlerin, in den Spitzen der Industrie in den letzten 15 Jahren eher wenig getan hat.

Frauen und Unternehmen brauchen Erkenntnisse aus der Forschung mit weiblichen Rollenvorbildern des internationalen Topmanagements Betrachtet man die zur Verfügung stehenden Forschungen und Veröffentlichungen zum Thema Frauen im gehobenen Management so fällt auf, dass sich die Karriereforschung im Bereich des Managements über lange Zeit ausschließlich an den Erfahrungen von Männern orientiert hat. Das liegt sicher unter anderem daran, dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Frauen im Topmanagement weltweit begrenzt war. Historisch betrachtet gibt es erst seit wenigen Jahren Management- und Karriereforschung, die sich ausschließlich mit Frauen beschäftigt. Noch weit in die 1990er Jahre hinein orientierten sich laut Powell Studien mit Frauen in Führungspositionen an männlichen Orientierungsrahmen. Wissenschaftler diskutieren bis heute weiterhin

Das Global Women Career Lab: Wissenschaftliches Sprachrohr

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kontrovers, ob es spezifischer Theorien und Konzepte bedarf, um die Karriereerfahrungen von Frauen vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und Herausforderungen zu untersuchen oder ob die auf Basis männlicher Erfahrungsmuster entwickelten Konzepte weiterhin für Frauen angewendet werden sollten. Mehr und mehr internationale Forscher wie beispielsweise O′Neil oder Lepine entwickeln frauenspezifische Ansätze, da sie davon ausgehen, dass Frauenkarrieren anderen Mustern als die von Männern folgen. Weitere Forscher argumentieren, dass Frauen bereits heute die Karrieremuster aufweisen, die die Veränderungen der Arbeitsmärkte in der nahen Zukunft widerspiegeln. Die Forscherin Rump beschreibt, wie wachsende Globalisierung, die Veränderungen durch die Digitalisierung von ganzen Industriebereichen, künstliche Intelligenz, Überalterung ganzer Nationen und Fragen der Ökologie Karrieren in Unternehmen in der Zukunft beeinflussen, weiter verändern, wenn nicht gar komplett auf den Kopf stellen. Weltweite Krisen, wie die Covid19 Pandemie, zeigen wie zerbrechlich traditionelle Arbeitsstrukturen sein können. Auch wenn heute noch die klassischen, an Hierarchie orientierten Karrieren in vielen Unternehmen der Welt überwiegen, lassen sich bei vielen Frauen bereits vielfältigere Muster beobachten, als es rein traditionelle Karrieren vorgeben. Das zeigen auch die Karrierewege der hier befragten Spitzenfrauen. Internationale Forschung zu Frauen in Topmanagementfunktionen gibt es im Vergleich zu rein lokalen Betrachtungen bisher selten. Oftmals konzentrieren sich Forscher darauf, die Situation von Frauen im Management zwischen zwei Ländern zu betrachten. Multinationale Betrachtungen sind weiterhin rar, was auch an der Komplexität der Datengewinnung liegt. Die Erkenntnisse von erfolgreichen Frauen jenseits der heimischen Grenzen bieten Frauen, die aufsteigen wollen, neue Perspektiven.

Das Global Women Career Lab: Wissenschaftliches Sprachrohr für weibliche Rollenvorbilder aus fünf Wirtschaftsnationen Für die dem Buch zugrunde liegende wissenschaftliche, empirische Untersuchung wurden bisher 110 weibliche Spitzenführungskräfte aus den fünf Ländern in qualitativen Tiefeninterviews interviewt. Die Besonderheit der Präsentation der wissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Buch ist, dass die weiblichen Spitzenmanagerinnen hier selber zu Wort kommen. Die authentischen Zitate der Topmanagerinnen geben sehr persönliche Einblicke in ihre Erfahrungen, Vorgehensweisen und Gedankenwelten. Die interviewten Frauen wussten beim Beitritt zu dieser Forschung, dass das primäre Ziel ist, andere Frauen zu unterstützen. Alle hier befragten Frauen sind als Führungskraft in leitenden Funktionen von global tätigen Unternehmen beschäftigt und wurden in einem vorher festgelegten Selektionsprozess nach theoretischem Sampling ausgewählt. Die gesammelten Daten bilden den Grundstein eines der umfangreichsten Forschungsprojekte weltweit mit Frauen in Führungspositionen, dem Global Women Career Lab. Die Auswertung und Analyse der empirischen Daten

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Frauenkarrieren weltweit sind möglich

erfolgte wissenschaftlich mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse und wurde in Teilen als Dissertationsarbeit begleitet von der Universität der Bourgogne in Frankreich. Warum nun gerade die Länder China, Russland, Japan, Frankreich und Deutschland? Es war Ziel erfolgreiche Frauen aus zentralen Wirtschaftsnationen zu befragen. Die Auswahl der Länder war auch davon bestimmt, dass die Autorin dort Zugang zu den richtigen Frauen hatte und, mit Ausnahme von Russland, in allen Ländern selber gelebt und gearbeitet hat. Frauen Karrieren entstehen im Spannungsfeld der wechselseitigen Beeinflussung von gesellschaftlicher Auffassung davon, welche Rollen Frauen spielen sollten, den Möglichkeiten für Frauen in Unternehmen und den Zielen und Ansprüchen der Frauen selber. Kontext auf verschiedenen Ebenen beeinflusst die Entwicklung von Karrieren von Frauen im Management. Forscher stehen vor der Herausforderung, die Komplexität von Frauenkarrieren unter Betrachtung verschiedener Einflussgrößen gerecht zu werden. Die Analyse im Global Women Career Lab folgt einem eigenen Rahmenmodel, dem FemCareer-Model (Al-Sadik 2017, s. auch Anhang), in welchem wichtige Bestimmungsfaktoren für Frauenkarrieren zusammengefasst sind. Dabei stehen drei Bereiche im Fokus- die externen Einflussbedingungen, die quasi von außen auf die Frauenkarrieren wirken, die individuellen Faktoren, die die Frauen als Führungskräfte beschreiben, sowie im Kern die Karrieremuster und -wege der Frauen, auf die die einzelnen Bestimmungsfaktoren wirken. Der Kontext der Länder und Heimatkulturen ist essenziell für jeden Bereich des Models. Unterstützung erfährt das Model durch bekannte Erkenntnisse der internationalen Forschung, die hier dazu genutzt werden, die Erfahrungen der Frauen in den Kontext bereits bekannter Wissenschaft zu setzen. Das Model war richtunggebend für die Durchführung der Interviews mit den Topmanagerinnen und für die Auswertung und Analyse und dient quasi als Landkarte für dieses Buch. Jede der 110 Frauen in den verschiedenen Ländern wurde mit Hilfe eines offenen Leitfadens interviewt, der auf dem Modell beruht. Für die Interpretation und Ergebnisse im Buch bedeutet das, dass die Karrieren der Frauen in China, Russland, Japan, Frankreich und Deutschland gezielt auf die gewählten Einflussfaktoren des Models hin untersucht wurden.

Was sich in den Länderkapiteln versteckt – Erfahrungen von Topmanagerinnen in unterschiedlichen kulturellen Rahmenbedingungen Die aus den Interviews gewonnen Erkenntnisse, die wie dargestellt dem FemCareerModel entsprechend erfragt wurden, werden in den Länderkapiteln folgenden zentralen Abschnitten zugeordnet: – Soziokulturelle und politische Rahmenbedingungen im Land sowie Anteile von Frauen an Führungspositionen – Vorstellung der jeweils befragten Topmanagerinnen

Was sich in den Länderkapiteln versteckt

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– Karrierestrategien der Frauen eines Landes – Individuelle Voraussetzungen der Frauen des jeweiligen Landes für das Erreichen einer Topmanagementposition – Karrierefördernde Faktoren für Frauen im Management – Herausforderungen und Umgang mit Barrieren – Sowie einige Ambivalenzen Leser können direkt in die einzelnen Länderkapitel eintauchen oder das Buch der Gliederung entsprechend lesen. Hier folgt eine kurze kapitelübergreifende Darstellung dazu, was bereits über die einzelnen Faktoren aus der Forschung bekannt ist. Die unterschiedliche soziokulturelle und politische Einbettung der Situation der weiblichen Führungskräfte in den einzelnen Ländern wird jeweils am Anfang des jeweiligen Länderkapitels dargestellt. Dabei werden je nach Land unterschiedliche Schwerpunkte gelegt, um die Unterschiede zu verdeutlichen und die nachfolgende Analyse einzubetten. So werden zum Beispiel für China und Russland die Transformationen der Wirtschaftssysteme und Auswirkungen auf Frauenkarrieren dargestellt. Deutschlands kulturelles Erbe und die Teilung und Wiedervereinigung des Landes bilden einen weltweit einzigartigen Rahmen für die Entwicklung von Frauenanteilen in den Führungsebenen. In Bezug auf Frankreich wird die oftmals gelobte Vorreiterrolle skizziert. Und für Japan werden die Schwierigkeiten von Frauen, im landestypischen Arbeitsmodel zu agieren, beschrieben. Die Bewertung der befragten Topmanagerinnen zur erlebten Gleichstellungssituation in ihren Umfeldern wird auf einer 10 Punkte Skala erfasst und zeigt die erlebte Perspektive zu den teilweise konträren veröffentlichen Zahlenwerten im jeweiligen Land. Die Frauen wurden befragt, wie sie die Gendersituation in ihrem Land aus ihrer individuellen Erfahrung und Sichtweise im Hinblick auf eine Managementkarriere beurteilen. Damit leistet das Buch das Angebot eines, wenn auch qualitativen, Abgleichs mit den publizierten Daten zur Beteiligung an Frauen an Führungsfunktionen. Interessant ist hierbei, dass unter gewissen Umständen sogar in Japan, dem Land mit dem niedrigsten Frauenanteil in Führungsfunktionen, von einigen Topmanagerinnen Höchstbewertungen vergeben wurden. Russland bleibt entgegen der hohen Frauenanteile im Senior Management, die in einer Vielzahl von Veröffentlichungen kommuniziert wurden, hinter diesen Erwartungen zurück. Und Deutschland und Frankreich unterscheiden sich in der Bewertung nicht so drastisch, wie man es annehmen würde. L. General Managerin, Frankreich: Ich würde Frankreich wahrscheinlich auf fünf setzen. Um ehrlich zu sein, ich denke, es gibt Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und bis zum mittleren Management, also denke ich, dass das mittlere Management wahrscheinlich acht ist. Das TopManagement fällt auf drei oder jetzt könnte man zwei sagen. Ich denke, der Durchschnitt liegt bei fünf.

Die Managerinnen agieren in sehr unterschiedlichen Arbeitsmärkten, die im Verlauf der im Durchschnitt 25- bis 30-jährigen Karriereverläufe zum Teil großen Umbrüchen ausgesetzt waren. Die Öffnung Chinas zum Weltmarkt mit vielen Chancen für Frauen,

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Frauenkarrieren weltweit sind möglich

sowie die Transition der ehemaligen Sowjet Union, die die Frauen als eine U-Kurve im Hinblick auf die Möglichkeiten von Frauen im Management beschreiben, sowie die Frage, ob nur in Deutschland eine kulturell stark verankerte Mutterrolle und das Bild der Rabenmutter präsent sind, sind Beispiele für diesen Teil der Betrachtungen. Die Zitate versprechen interessante Einblicke in die Karrierewelten von Frauen in den einzelnen Ländern. I., Country Manager, Russland: Es ist sehr ambivalent. Auf der einen Seite ein tief verankertes genetisches Gedächtnis in unserem Land, was Männer auf den ersten Rang hebt. Ich kenne Frauen, die sind der Big Boss und wenn sie nach Hause kommen, decken sie allein den Tisch. Andererseits, wenn wir geeignete Kandidaten suchen, dann finden wir nicht einen einzigen Mann, der gut genug ist. Ja, wir haben viele Frauen in Senior Positionen, weil wir es besser machen. Wenn eine Frau es wirklich will, kann sie alles erreichen.

Das Unterkapitel „Karrierestrategien“ bietet Einsicht in die Karrieremuster und -wege der Topmanagerinnen in den Ländern sowie ihre Hauptvorgehensweise beim Aufstieg. Die konkreten Wege der Frauen geben Aufschlüsse über Startpositionen, Aufstieg und zukünftige Karriereziele sowie Wechselentscheidungen. Dahinter verbergen sich auch Fragen beispielsweise zur Work-Life-Balance und geografischer Mobilität, die für viele Frauen eine Herausforderung darstellen. Beide- die dargestellten externen wie auch individuellen Faktoren- wirken auf Karriereentscheidungen im Zentrum des Models. Sie wirken im höheren oder geringeren Maße auf die Karrierewege der Frauen aus den verschiedenen Ländern. Der Frage, welche „Voraussetzungen Frauen in Topmanagementfunktionen“ mitbringen, widmet sich ein längerer Teil des Buches. Individuelle Determinanten sind in dem hier angewendeten Model die Faktoren, die spezifisch für die Untersuchungsteilnehmerinnen sind, verwurzelt in ihren persönlichen Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmalen. Individuelle Karrierevoraussetzungen sind hier definiert als die Herkunft, Ausbildungshintergründe, Managementfähigkeiten und die Aspekte der Persönlichkeit, die für eine gehobene Managementkarriere von Frauen besonders relevant sind. Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor ist die Fähigkeit der Frauen, Mitarbeiter zu führen und der damit verbundene Führungsstil. Verschiedene Forschungen zum Beispiel von Bourdieu zeigen auf, dass sich der Familienhintergrund auf spätere Karriereentwicklungen von Führungskräften auswirken kann. Die Berufe der Eltern und dabei vor allem der Beruf der eigenen Mutter, scheinen Frauen demnach in ihren späteren Karrieren zu beeinflussen. Vor allem europäische und deutschsprachige Untersuchungen von Hartmann zeigen außerdem einen Zusammenhang von sozialer Schicht und Karriere auf. Die Herkunftsfamilie der Frauen und prägende Rollenvorbilder in den Familien verdeutlichen elementare Unterschiede zwischen den Frauen aus den fünf Kulturen. Während in China mehrere Generationen von Müttern und Großmüttern bereits in Vollzeit tätig waren, sind solche Mütter in Frankreich, Japan und Deutschland Ausnahmeerscheinungen. Die Orientierung erfolgte dort eher an starken Vätern. In den einzelnen Länderkapiteln

Was sich in den Länderkapiteln versteckt

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schildern die Frauen, wie sie aufgewachsen sind und wie sich ihre Herkunft auf die spätere Laufbahn im Unternehmen auswirkte. M.M., Präsidentin, China: Ich bin in Peking geboren und meinen Eltern gehörten der Regierung an, aber während der Kulturrevolution wurde das alles dem Erdboden gleichgemacht, deswegen mussten wir Kinder sofort aufs Land. Ich wurde weit in den Norden geschickt und war zehn Jahre dort…Ja, das war schwierig. Von allen, die da aufs Land geschickt wurden, waren die Eltern in einer höheren Position. Insgesamt waren wir zwölf Mädchen, jeden Tag hat jemand geweint. Ich habe von Natur aus gewusst, dass weinen nicht hilft und man stattdessen gucken muss, was man machen kann. Nach nicht mal einem Jahr war ich Chefin der Gruppe. An., Direktorin, China: Mein Vater ist Buchhalter und meine Mutter war Leiterin eines Unternehmens. Sehr aktiv. Sie war früher Fabrikleiterin. Sie ist immer als weibliche Führungskraft aktiv. Sie ist sehr aktiv. Mein Vater ist nicht so ehrgeizig.

In den wissenschaftlichen Untersuchungen von Tharenou und Judge wird diskutiert, welchen direkten Anteil die Ausbildung einer Führungskraft an einem Karriereerfolg zugeschrieben werden kann. Betrachtet man die Ausbildung von Führungskräften, fällt auf, dass Männer weiterhin mehr von einer hohen Ausbildung zu profitieren scheinen als Frauen, was sich direkt im Gehalt niederschlägt. Unbestritten ist, dass erfolgreiche Abschlüsse an Prestige Universitäten, die Dauer und der Schweregrad eines Studiums sowie gegebenenfalls Auslandssemester spätere Karrierechancen begünstigen. In den betrachteten Ländern überholen derzeit vieler Orts Frauen ihre männlichen Kollegen im Hinblick auf Universitätsabschlüsse und Abschlussnoten. Jedoch gibt es Bereiche, in denen Frauen weiterhin weniger vertreten sind, die sogenannten MINT-Studienfächer. Die Analyse wird aufzeigen, dass Chinesinnen, Deutschen und auch die Russinnen zum Teil technische Abschlüsse mitbringen, wenn auch das Gros der befragten Frauen eher eine sprachliche Ausbildung mit zusätzlichen Managementqualifikationen vorzuweisen hat. In Frankreich fällt das Besuchen bestimmter nationaler Elite Universitäten, den Grandes écoles, stark in das Gewicht. Hinsichtlich der Managementkompetenzen der Frauen wurden auf Spezifikationen hin untersucht, die die Wissenschaftlerin Regnet als Ergebnisse der IBM Human Capital Studie mit 400 Unternehmen weltweit zusammenfasst. Das daraus entstandene Anforderungsprofil an Führungskräfte enthält die folgenden Faktoren: Motivationsfähigkeit, Lernbereitschaft und Employability, Teamarbeit, Management von Diversifikation, Kommunikationsfähigkeiten und Konfliktmanagement, Change Management, systematisches und holistisches Denken, Gesundheit und die Fähigkeit unter Stress zu arbeiten, Visionsvermittlung, Interkulturelle Führung. Alle Frauen dieser Untersuchung erfüllen dieses Anforderungsprofil in hohem Maße, jedoch ergeben sich aus den Eigenschilderungen tendenzielle Unterschiede in den Ausprägungen bestimmter Kompetenzen. So gibt es speziell ein Land, in dem die Frauen ihre interkulturellen Fähigkeiten im Schwerpunkt beschreiben. Und es gibt einen Bereich, bei dem sich fast alle Frauen der verschiedenen Länder selber Nachholbedarf bescheinigen, auch im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen.

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Frauenkarrieren weltweit sind möglich

M., Präsidentin, Japan: Wir sind Ausnahmeerscheinungen. Verstehen Sie? Die meisten Frauen in Japan denken noch nicht einmal daran, dass auch sie Managerinnen werden könnten. Ich meine sogar die untere und die mittlere Ebene. Es ist in ihrem Weltbild als Möglichkeit derzeit noch nicht vorhanden. Die Rahmenbedingungen der Gleichstellung? Natürlich haben wir diese in Japan. Es liegt daran, wie unsere Arbeitswelt organisiert ist. Das macht es für Frauen viel schwieriger. Ich selber aber habe für mich nie Grenzen gesehen.

Neben der Ausbildung und den Managementfähigkeiten kommt dem Bereich der Persönlichkeit von Führungskräften eine wesentliche Bedeutung zu, wenn es um erfolgreiche Laufbahnen im klassischen Sinne in Unternehmen geht. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Bereich sind vielfältig. Im Allgemeinen verstehen Wissenschaftler wie Mayrhofer unter Persönlichkeit in diesem Zusammenhang die Frage nach bestimmten Charakteristika, Einstellungen und Werten im Zusammenhang mit dem beruflichen Umfeld. Für den Erfolg einer Karriere im Management sind unter anderem Karriereorientierung und Karrieremotivation zentrale Aspekte. Wertehaltungen, Motive und konkrete Ziele hinsichtlich der eigenen Karriere bestimmen die Karriereorientierung.Vereinfacht gesagt, steht dahinter die Frage, ob und wie sehr Frauen überhaupt hohe Führungsverantwortung anstreben. Und, ob es kulturelle Unterschiede bei der Beantwortung der Frage gibt, wie sehr sie in das Topmanagement aufsteigen wollen. Die Frage des „Willen zur Karriere“ steht hier also im Zentrum. Die Antwort auf diese Frage, und das wird in den zahlreichen Interviews mit den engagierten Frauen rund um den Globus klar, ist angesichts der verschiedenen Rollenerwartungen, die speziell an Frauen gestellt werden, besonders wichtig für die daraus resultierenden Karriereziele und die Karrierestrategie. Frauen laufen ansonsten Gefahr, allen Rollenerwartungen gerecht werden zu wollen und für sich selber keine Balance zu finden. K., Vorstand, Deutschland: Männer überlegen schon eher genau was sie wollen. Frauen trauen sich oft nicht. Die muss man „zum jagen jagen“. E., General Managerin, Frankreich: Gleichberechtigung, das ist ein großes Thema. Wir sind schon ganz gut, aber noch lange nicht am Ziel. Es gibt bei uns noch viele verkrustete Traditionen, Männerbünde. Und Frauen sehen sich oft in Konkurrenz zueinander. Ich denke, es liegt viel an der einzelnen Frau. Und wie sehr sie wirklich Karriere machen will. Verstehen Sie mich nicht falsch. Jede kann ihre Wahl treffen. Aber, man kann nicht alles haben. Männer auch nicht. Es kommt darauf an, was man will und wie sehr man es will.

Forscher diskutieren in diesem Zusammenhang inwieweit sich die Karrieremotivation von Frauen und Männer unterscheiden. Untersuchungen zu den kulturellen Unterschieden zwischen Frauen zum Aspekt Karrieremotivation stehen bislang kaum zur Verfügung. Die Bedeutung und Wertigkeit von Arbeit sind den meisten Untersuchungen zur Folge für Frauen genauso potent wie für Männer. Karrieremotivation wird auch im kulturellen Kontext betrachtet. Hier ginge es dann beispielsweise darum, ob eine deutsche Topmanagerin eine andere Motivation zur Karriere beschreibt als eine Russin oder Japanerin. Die bekanntesten Konzepte zur Beschreibung von Management relevanten Aspekten von Persönlichkeit aus dem amerikanischen Raum sind die

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sogenannten „Big five“ nach Catell, das „Leadership motive pattern“, LMP nach McClelland und „Role motivation“ Theorien nach Miner. Aus dem deutschsprachigen Raum kommt das „Business Focused Inventory of Personality“ (BIP) von Hossiep, wonach Persönlichkeit so definiert wird, dass alle Verhaltensdispositionen und Motivationsstrukturen sowie Werte einer Person betrachtet werden. Neun der hier betrachteten Dimensionen tragen direkt zum Karriereerfolg einer Führungskraft bei. Die Eigenschilderungen der Frauen aus den Ländern dieser Untersuchung wurden bei der Analyse der Interviews über spezielle Codings pro Land entsprechend der BIP-Dimensionen geclustert und zugeordnet. Und es wurde danach geforscht, ob sich gegebenenfalls Unterschiede zwischen den Frauen darstellen lassen. Die berufliche Orientierung der Frauen wurde hier differenziert betrachtet hinsichtlich Leistungs-, Gestaltungs- und Führungsmotivation. Die Leistungsmotivation beschreibt dabei, wie hoch eigene Anforderungen einer Führungskraft an besonders hohe Leistungen sind. Frauen, die über eine hohe Gestaltungsmotivation verfügen, haben einen starken Willen durch ihre Tätigkeit gestaltend einzugreifen und zum Beispiel Missstände zu beseitigen und eigene Vorstellungen umzusetzen. Führungsmotivation besitzen Frauen, die zum einen Führungsverantwortung übernehmen wollen und dabei Mitarbeiter wirkungsvoll überzeugen können und auf andere mitreißend und begeisternd wirken. Bezüglich des Arbeitsverhaltens sind Faktoren wie Flexibilität, Gewissenhaftigkeit, also ein Grad von Perfektionismus, und Handlungsorientierung, also Zielorientierung und Entscheidungsfreude, besonders wichtig für einen Aufstieg in eine gehobene Führungsfunktion. Flexibilität beschreibt hier, ob eine Managerin sich gut auf neue Situationen einstellen kann, mit Uneindeutigkeit klar kommt und Methoden und Vorgehensweisen rasch an veränderte Bedingungen anpassen kann. Führungsverantwortung in internationalen Unternehmen bringen für Frauen bestimmte Anforderungen an die Konstitution mit sich. Lange Arbeitszeiten, das Arbeiten in unterschiedlichen Zeitzonen, internationale Dienstreisen sind nur einige Beispiele für Anforderungen, die Führungsverantwortung mit sich bringt. Bei Frauen kommt hinzu, dass sie durch die Anforderung weiterer Rollen oftmals stärker gefordert sind als Männer. Frauen übernehmen, und auch das ist wissenschaftlich vielfach untersucht, einen Großteil der Erziehungsarbeit und des Haushaltes zusätzlich zu ihrer beruflichen Rolle. Die emotionale Stabilität, Belastbarkeit und das Selbstbewusstsein sind die Faktoren, die die psychische Konstitution der Frauen beschreiben. Besonders breit kommuniziert und auch Kernthema in vieler Managementseminare ist die soziale Kompetenz von Führungskräften. Allgemein sagt man weiblichen Führungskräften nach, dass sie hier besondere Stärken haben. Es geht dabei um Teamorientierung, Sensitivität den Bedürfnissen anderer gegenüber, Kontaktfähigkeit und Durchsetzungsvermögen. Gibt es ihn- einen globalen weiblichen Führungsstil? Oder ist es so, dass auch bei den Frauen der Kontext den Führungsstil bestimmt. Die Literatur unterscheidet zwischen Mitarbeiter orientierter und zielorientierter Führung – oder transformationaler versus transaktionaler Führung. Transaktionale Führung weist Mitarbeitern klare

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Frauenkarrieren weltweit sind möglich

Rollen zu und setzt autoritäres Verhalten zwischen Belohnung und Bestrafung ein, um Ziele zu erreichen. Frauen wird in der Literatur beispielsweise bei Eagly, Rosner und Powell ein tendenziell transformationaler Führungsstil zugeschrieben, welcher über Motivation, persönliche Kontakte und Inspiration Mitarbeiter zu Leistungen anspornt. Frauen wählen auch öfter einen demokratischen Führungsweg, bei dem Mitarbeiter in Entscheidungen involviert werden. Wenn Frauen eher rein zielorientierte und transaktionale, autoritäre Führung zeigen, führt das in der Folge, so Ayman und Korabik, häufiger zu negativen Bewertungen ihrer Kompetenzen. Das kulturelle Umfeld der Frauen prägt, ob eher autoritäre oder demokratische Vorgehensweisen im Unternehmen akzeptiert werden. Russinnen und Chinesinnen berichten beispielsweise, wie sie versuchen, das jeweils Beste der einzelnen Stile einzusetzen. Gerade die Frauen, die in multinationalen Unternehmen arbeiten beherrschen die Klaviatur der Möglichkeiten sehr gut und berichten mit einem Augenzwinkern, dass sie beides können. In Deutschland dagegen finden sich in den Schilderungen kaum Hinweise auf autoritäre Führung. Viele der russischen Frauen beschreiben die Findung des Führungsstils als größte Herausforderung, auch vor dem Hintergrund der teilweise ambivalenten Erwartungshaltung des Umfelds an Frauen. N., CEO, Russland: Ich denke, dass ich sehr nett bin, aber ich bin sehr hart. Ich verstehe das Geschäft von beiden Seiten aus dem Front-Office und Back-Office. Sehr oft können Leute aus dem Front-Office ihren Kollegen aus dem Back-Office alles vormachen. Deshalb kann ich mir erlauben, härter zu werden, weil ich alle Geschäftsprozesse im Verkauf verstehe. Außerdem habe ich eine sehr, sehr gute technische Ausbildung. Ich glaube, dass die Hauptqualität eines guten CEO darin besteht, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, und ich weiß, dass ich das kann. Außerdem kann ich das Team inspirieren und dies ist auch die Hauptqualität für den CEO.

Die karrierefördernden Faktoren und hemmende Einflüsse auf die Laufbahnen der Frauen variieren in den Ländern. Besonders bedeutsam für das Lernen aus den Erfahrungen dieser Rollenmodelle ist dabei nicht nur, welche Faktoren es in dem jeweiligen Land gibt, sondern vor allem, wie die befragten Topmanagerinnen damit umgehen. Einige Faktoren bleiben dabei ambivalent, da sie sich innerhalb der befragten Gruppen nicht klar als positiv oder negativ im Hinblick auf ihre Wirkung auf den beruflichen Erfolg zuordnen lassen. Folgende wichtige Faktoren wurden für die einzelnen Länder untersucht: – Die Rolle der Ehemänner – Der Einfluss von Mutterschaft – Mentoring, Netzwerken und Coaching – Existenz einer Glasdecke – Das Image von Karrierefrauen in der jeweiligen Kultur – Diskriminierungen von Frauen im beruflichen Kontext Die Erkenntnisse der weltweiten Forschung zu diesen Determinanten sind vielfältig. Bezogen auf die eigene Familiensituation wird im Buch ausgeführt, welche Rolle den Ehemännern bei den hier erlebten Karrieren zukommt. Leben die Frauen in DualCareer-Beziehungen, in denen beide Partner Karrieren verfolgen, stecken die Ehe-

Was sich in den Länderkapiteln versteckt

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männer für ihre Partnerinnen zurück oder drehen sich hier traditionelle Rollenbilder gar um? Mangelnde oder gar fehlende Unterstützung durch den Partner bzw. Partnerin wird in der Forschung von Halpern als eine der größten Herausforderungen in Bezug auf Frauenkarrieren beschrieben. Dabei geht es um die konkrete Gleichverteilung von Aufgaben rund um Haushalt und Kinder, aber auch um die emotionale Einstellung von Ehepartnern zu einer Karriere ihrer Frauen. Was also berichten Frauen über die Rolle ihrer Partner bzw. Partnerin und gibt es zwischen Paris, Moskau, Tokio, Berlin und Schanghai elementare Unterschiede? Man könnte anhand der Schilderungen versucht sein, jungen Frauen Empfehlungen für die Partnerwahl zu geben. Und die hier befragten Topmanagerinnen geben ihre Empfehlungen ganz unverblümt. Das wichtige Thema wird in den Unterkapiteln näher beleuchtet. M, Präsidentin, Japan: Er ist wirklich ein Unterstützer. Ich denke, er ist ein einzigartiger japanischer Mann. Er wollte, dass ich arbeite. Er mag keine Hausfrau. Er sagte immer, dass Hausfrauen zu Hause bleiben und sich immer beschweren, und seine Mutter war auch eine berufstätige Frau, also wollte er, dass ich arbeite, und möglicherweise ist es ihm sehr wichtig, dass ich arbeite, was ich auch für ziemlich einzigartig halte. Er erledigt den größten Teil der Hausarbeit nicht. Wenn ich zu Hause bin, macht er nichts, aber er ist wirklich gut darin, auf meine Kinder aufzupassen. Er bereitet eigentlich kein Essen zu. Er macht nicht viel Hausarbeit, aber er kümmert sich gerne um meine Kinder. Wenn er gezwungen wird, kann er Hausarbeit auf dem Mindestniveau erledigen.

Der Einfluss von Mutterschaft auf Frauenkarrieren ist vielfältig untersucht und der Begriff „motherhood penalty“ zieht sich durch viele internationale wissenschaftlichen Veröffentlichungen wie unter anderem bei Budig. Mütter haben demnach Gehaltseinbußen zu verzeichnen und werden in vielen Gesellschaften als weniger qualifiziert angesehen. Die Antizipation von Mutterschaft allgemein ist eine Hürde bei Einstellungen und Beförderungen. Unternehmen befürchten aufgrund von Mutterschaftszeiten finanzielle Einbußen und bevorzugen männliche Bewerber. Mütter scheinen es also im Vergleich zu Männern und zu Nicht-Müttern schwieriger zu haben, eine Karriere aufzubauen. Sie brauchen spezielle Strategien, um den Spagat zwischen Karriere und Kind zu bewältigen. Oder gibt es hierzu zwischen den Kulturen andere Betrachtungsweisen? In Deutschland verzichten Managerinnen oftmals auf Kinder und der Anteil kinderloser weiblicher Führungskräfte liegt nach Holst bei über 71 Prozent. In China ergibt sich ein diametral umgekehrtes Bild, was wohl auch daran liegen mag, dass dort gerade Mütter, die beruflich erfolgreich sind, dem gesellschaftlichen Idealbild von Frauen entsprechen. Dieses Bild ergibt sich aus einer Umfrage von China Daily aus 2001 mit mehr als 2.000 Befragten. Insgesamt haben die Frauen der Untersuchung zu diesem Buch in der Mehrzahl Kinder und meistern den Spagat zwischen Kind und Karriere, teilweise wie in Frankreich sogar mit drei oder vier Kindern. Gibt es Anregungen der Frauen aus den Ländern, die andere Perspektiven aufzeigen, als die Schlussfolgerungen der deutschen Forscherin Regnet, die feststellt, dass es Männern und ihrem Engagement bei der Kinderbetreuung und täglichen Hausarbeit bedarf, um ein stärkeres berufliches Engagement von Frauen zu

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ermöglichen? Die Erfahrungen der befragten Frauen bieten eine Vielzahl von Reflexionsmöglichkeiten für Frauen, die vor der Frage Kind und Karriere stehen. M., Aufsichtsratsvorsitzende, Deutschland: Kind und Karriere? Immer noch ein Drahtseilakt. Ich hatte mal eine Mitarbeiterin bei mir, die weinte, als sie mir erzählt, dass sie nun schwanger sei. Das werde ich nie vergessen. Es ist eine echte Bremse in vielen Unternehmen. In meiner Generation war es schon für Frauen ohne Kinder eine totale Ausnahme ganz oben anzukommen. Ich glaube, es geht nicht wirklich- Karriere und Kinder. R., Member of the Executive Board, China: Diese vier Jahre trennte ich mich von meinem Ehemann, mein Ehemann war in Hongkong, fliegt um die ganze Welt, mein Sohn war in New York. Meine Eltern waren in Schanghai. Als wir weggingen, war meine Tochter so jung war, erst sieben Jahre alt. Ich machte das, weil ich an Vielfalt glaube. Bettina, Sie müssen das erwähnen, ich bin ein starker Förderer von Diversity. Ich stellte meine Schwester und ihren Mann ein, um mir in Deutschland zu helfen. Mit dem Kind und beim Autofahren. Das war eine große finanzielle Belastung. Ich war fest davon überzeugt, Vorbild zu sein, und gab mein angenehmes Leben in Schanghai dafür auf. Dort haben Sie einen Fahrer, Sie haben ein Kindermädchen 24 Stunden am Tag. Und fahren dann ohne all das nach Deutschland.

Drei wichtige Aspekte, die auch für Unternehmen von Bedeutung sind, die qualifizierte Frauen weiter fördern wollen, sind Mentoring, Netzwerke und spezielles Executive Coaching für Frauen. Mentoring ist für Männer Karrieren wichtig, für Frauen scheint es, so berichten Ragins und Burke, essenziell zu sein. Da die Barrieren für Frauen im Management vielfältig sind, profitieren sie von Mentoring durch erfahrene Führungskräfte, um diese zu überwinden. In den Darstellungen wird deutlich, welche Strategien die Frauen hinsichtlich der Nutzung von Mentorin entwickeln und ob sie eher aktiv oder passiver mit dem Aspekt umgehen. Die Chinesinnen entwickeln beispielsweise aktiv wechselseitige „mutual beneficial alliance“, bei denen Mentor und Mentee wechselseitig profitieren. In Einzelfällen ergeben sich dermaßen starke Mentorenbeziehungen, dass Karrierewege sich mit den Wegen der Mentoren verflechten. Die Russinnen berichten über die Schwierigkeiten von Mentoring. Im Unterschied zu Männern setzt bei Frauen die Gefahr von Mobbing und der sogenannte „schlechte Ruf“ dem Mentoring oftmals Grenzen. In diesem Zusammenhang wird auch das Thema Sponsoring, bei dem es in Abgrenzung zu Mentoring um gezielte Karriereförderung und weniger um den Aufbau von Expertise geht, beleuchtet werden. Gerade die deutschen Frauen berichten von sehr positiven Erfahrungen mit Executive Coaching in verschiedenen Karrierephasen und im Hinblick auf die Bewältigung unterschiedlicher Herausforderungen. Ein spezielles Coaching für Frauen in Führungspositionen macht Sinn, denn ihre Situation ist wie geschildert komplexer als die von Männern. Eigentlich sollte Coaching für Frauen im Management so selbstverständlich werden, wie der Gang zum Friseur, so die Empfehlung einer der interviewten Frauen. Is., General Managerin, Frankreich: Frauen haben die Bedeutung von Netzwerken und netzwerken nicht immer verstanden. Fragen Sie sie, ob sie sich in Netzwerken befinden. Und bestehen Sie darauf, weil Frauen die Wichtigkeit der Gruppierung nicht verstehen. Wir müssen auch darauf bestehen,

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dass Frauen zusammenstehen müssen, um einander zu helfen, genauso wie Männer. Manchmal stehen Frauen im Wettbewerb zueinander, und das ist eine Schande. Dies sind also Themen, die mit Frauen angesprochen werden sollten, damit sie das Interesse an einem Netzwerk verstehen, das gegenseitige Hilfe ist und nicht, um miteinander zu konkurrieren. Ich mache viele Dinge. Ich organisiere Events mit Frauen, die ich zu Hause einlade. Es gibt Jahre, in denen ich im Sommer drei Abendessen mit zwanzig Personen zu Hause habe. Ich bin sehr engagiert in Verbänden.

Von Männern ist bekannt, dass sie sich gegenseitig über starke Netzwerke unterstützen. In der Literatur liest man dann wie bei Rastetter von den sogenannten „old boys networks“. Für Frauen ist Netzwerken immer noch relativ neu und begnügt sich zumeist mit dem Austausch von Wissen und dem gemeinsamen Lernen. Jedoch beobachtet man gerade bei den Französinnen, bei denen landesweit von über 500 FrauenNetzwerken berichtet wird, aber auch bei den deutschen Frauen, wie Frauennetzwerke quasi wie Pilze aus dem Boden sprießen. Frauen versuchen hier Strukturen ähnlich denen der männlichen Kollegen aufzubauen, bei denen die gegenseitige Karriereunterstützung im Vordergrund steht. Allerdings mangelt es den Netzwerken an Rollenvorbildern, in sehr hohen Funktionen, und an der Kunst des gezielten Gebens und Nehmens. Französinnen berichten, wie sie die Männer im Land dabei beobachten private und berufliche Netze ganz gezielt zur Erreichung ihrer Ziele zu nutzen. Und lernen von ihnen. In China war das Thema Netzwerken so selbstverständlich, dass es der Erwähnung in den Interviews oft nicht mehr wert war. Das Netzwerken reicht weit in die Kultur des Landes und ist somit im alltäglichen Leben verwoben. Da wo unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen, in den multinationalen Unternehmen, bekommt es jedoch eine neue Relevanz. Im Widerspruch zu den Netzwerken von Frauen stehen Barrieren von Frauen gegen andere Frauen. Mangelnde Frauensolidarität oder positiv ausgedrückt, der Wunsch nach stärkerer Solidarität unter Frauen ist ein Aspekt, der aktuell in Frankreich sehr stark diskutiert wird und speziell in den französischen Interviews verstärkt auftaucht. Hierbei geht es um Frauen in höheren Positionen, die Karrierebarrieren für andere Frauen aufbauen. In der amerikanischen Forschung wird dieses Phänomen auch Bienenkönigin-Syndrom genannt. Bei einer Veranstaltung in Paris zum Weltfrauentag 2020 wurde um Verständnis für diese Frauen geworben, die sich ihren Weg als Pionierinnen in einer Männerdomäne hart erkämpfen mussten. Diametral gegenüber stehen die vielen Berichte von Frauen aus allen fünf Ländern über andere Frauen, die sie gefördert haben und über sehr starke Frauennetzwerke. M., Präsidentin, Japan: Sie befindet sich überall im Auswahlsystem für Aufgaben oder Beförderungen, da alle diese Systeme von aktuellen Managern betrieben werden, die Männer sind. Glasdecke existiert im männlichen Geist. Ich glaube nicht, dass sie es als Voreingenommenheit erkennen, aber es gibt eine unsichtbare Voreingenommenheit in ihrem Kopf. Sie kennen keine Managerin. Auf der Einstiegsebene gibt es heute schon einige Fälle, in denen Studentinnen besser im Interview abschneiden, bessere akademische Ergebnisse haben. Auf der Einstiegsebene denke ich, dass Frauen jetzt keine Schwierigkeiten haben.

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Die Existenz einer gläsernen Decke, also Barrieren, die sich im Management nur für Frauen ergeben, kann zum Karrierehindernis für Frauen werden. Das in der Wissenschaft viel diskutierte Phänomen „Glass Ceiling“, versucht Antworten zu geben auf die Frage, warum Frauen zwar weltweit im unteren und mittleren Management vertreten sind, es aber nur wenige Frauen schaffen, in das Topmanagement aufzusteigen. Eine unsichtbare Decke wird als Erklärungsansatz beschrieben, die Frauen, im Unterschied zu Männern, den Weg verstellt und für sie nur schwer zu durchdringen ist. Folgt man dem Ansatz, liegt einer der Gründe darin, dass Frauen aus den Zirkeln der Macht ausgeschlossen werden. Stereotype Verhaltenserwartungen, informelle Strukturen in Organisationen, die Frauen ausschließen, reine Männer Netzwerke und informelle Riten sind weitere Aspekte, die die gläserne Decke ausmachen. Laut Ragins wird die Existent einer Glasdecke von rund 92 Prozent der Executive Women in den USA bestätigt. Ganrose folgert aus ihren Untersuchungen über chinesische Frauen in Singapur, dass die Glass Ceiling nicht generalisiert für alle Frauen existiert, sondern abhängig vom Organisationstyp beschrieben werden muss. In Deutschland befragte Funken erfolgreiche Karrierefrauen, die trotz eines hohen Arbeitseinsatzes und Verzicht auf Kinder nicht über das mittlere Management hinauskommen. Diese Frauen berichten von geringer Wertschätzung, Mobbing und Ausschluss von Beförderungen. Was denken die interviewten Frauen des Global Women Career Labs über die gläserne Decke in ihren Umfeldern? Frauen in China diskutieren skeptisch, ob sie in den Wirtschaftsmetropolen des Landes überhaupt noch existiert. Frauen in Frankreich und Deutschland sind sich einig, dass es die gläserne Decke gibt und sie irgendwo unterhalb der höchsten Unternehmensfunktionen angesiedelt ist. In Japan dagegen setzt sie weitaus tiefer an. Ag, CEO, Frankreich: Sie existiert immer noch. Und ich weiß nicht, was man tun soll, damit sie explodiert, denn wir haben jahrzehntelang darüber gesprochen. Es gibt immer eine Glasdecke. Es gibt immer einen Moment, in dem junge Frauen Kinder haben, also einen anderen Rhythmus annehmen. Die Erklärung der Männer für die Glasdecke ist, dass Frauen sich dann ihren Kindern widmen. Aber andererseits kenne ich Frauen, die Top-Manager sind und vier Kinder hatten, und das hat sie nicht aufgehalten. Also funktioniert die Entschuldigung mit den Kindern für mich nicht. Es ist der Wille. Also, ich denke, dass Männer nicht danach streben Frauen zu fördern, das ist klar. Und andererseits schaffen Frauen es auch nicht, sie zu durchbrechen, sie geben sich selber nicht die Möglichkeit hindurch zu brechen. K., Head of HR, Japan: Mann dachte ich, ich kann dieses Team oder die Organisation besser führen, warum macht der das so, ich finde das nicht gut, wir sollten das anders machen. Ich schaute mir meinen Chef an und dachte, das kann ich besser, ich kann die Abteilung besser führen. Geld ist dabei sekundär für mich.

Im Zusammenhang mit dem Image von weiblichen Führungskräften stellt sich die Frage nach der generellen gesellschaftlichen Akzeptanz von Frauen im höheren Management. Kulturelle Stereotype werden oft als Ursache dafür benannt, dass Frauen im oberen Management immer noch weniger vertreten sind wie Männer. Die wohl bekanntesten Untersuchungen zum Image von weiblichen Führungskräften machte

Gibt es sie, die idealtypische Topmanagerin?

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Schein. Sie untersucht das von ihr benannte „Think manager- think male“ Phänomen seit dem Jahr 1970 kontinuierlich in verschiedenen Ländern. Die frühen Studien wiesen darauf hin, dass eine der ursächlichen Schwierigkeiten für Frauen Gender Stereotype in Bezug auf Topmanagementpositionen sind. Männer sahen Frauen im Corporate Umfeld danach als generell weniger qualifiziert an und förderten sie entsprechend selten. Für den Erfolg im Management notwendige Charakteristika wurden Männer zugeordnet. Die hier interviewten Frauen werden in diesem Kontext befragt, wie sie ihr Image als Topmanagerinnen in ihren Ländern einschätzen bzw. beschreiben würden. Die Schilderung sind gewaltig und reichen von „höchst respektiert“ bis hin zu „bitch“. Die nachfolgenden Kapitel werden auflösen, welches Image in welchem der Länder vorrangig empfunden wurde. N., CEO, Russin: Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass Frauen in Russland die besten sein müssen- im Haushalt, mit der Kindererziehung und, natürlich, die Beauty Queens. Und wir haben da diese Stereotype- sieht sie gut aus, ist sie zu dumm für das Upper Management. Wenn sie hässlich ist, geht das auch nicht. Tja.

Eine Führungspräsenz und die Bedeutung des Aussehens weiblicher Führungskräfte war in vielen Interviews ein Thema und vor allem bei vielen Französinnen und Russinnen sehr prominent. Die Literatur beschreibt dazu, wie zum Beispiel die Russinnen eine eigene feminine Identität als Führungskräfte entwickeln wollen, bei der sie weibliches Aussehen und Attraktivität mit ihrer Rolle als Topmanagerinnen harmonisieren möchten. Auch in Frankreich wollen Frauen ihre Weiblichkeit als Führungskraft im beruflichen Kontext betonen und diskutieren diesen Punkt lebhaft. Die Französinnen schildern landesspezifische Codes, die sich zu einem großen Teil im Aussehen inklusive Sprache, Körperhaltung und Umgangsformen widerspiegeln. Chinesinnen bewerten diesen Punkt zwar nicht ganz einheitlich, messen ihm aber eine andere Bedeutung zu. Deutsche Frauen gehen eher pragmatisch an das Thema und zielen auf eine primär berufliche Wirkung, die nur ab und an, und dann bewusst dosiert, erweitert wird.

Gibt es sie, die idealtypische Topmanagerin? Die hier skizzierten Einflussfaktoren auf die Karrierewege der 110 weiblichen Spitzenmanagerinnen werden im Folgenden pro Land analysiert und mit zahlreichen Original-Zitaten der Topmanagerinnen auf dieser Reise in die fünf Nationen bereichert. Unterschiede zwischen den Frauen eines Kulturkreises werden beleuchtet. Das Buch schließt mit der Frage nach der idealtypischen Topmanagerin. Welche Gemeinsamkeiten lassen sich bei allen Frauen aus den fünf Ländern als Erkenntnisgewinn für andere Frauen und interessierte Männer abbilden? Die Erfahrungen der Frauen im Global Women Career Lab bieten interessierten Leserinnen und Lesern einen Fundus an Wissen über weibliche Karriere und Führung in den jeweiligen

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kulturellen Kontexten an. Das Buch wendet sich primär an interessierte Frauen, die ihre Karrieren ausbauen möchten oder andere Frauen unterstützen. Interessierte Männer werden viele Einblicke erhalten, die sie in ihrer Rolle als Führungskräfte oder Mentoren von weiblichen Mitarbeiterinnen zur Förderung dieser einsetzen können. Darüber hinaus können Experten aus Unternehmen, die weibliche und männliche Stärken in den Unternehmensleitungen zur Lösung zukünftiger Unternehmensherausforderungen harmonisieren wollen, von den Berichten profitieren. Angesichts der weltweiten Veränderungen in Arbeitsmärkten und der Notwendigkeit die Zukunft gemeinsam zu gestalten, ist es Zeit, den weiblichen Rollenmodellen aus dem Management aufmerksam zu lauschen.

2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets Chinesische Topmanagerinnen sind anzahlmäßig die größte Gruppe der interviewten Frauen. Ihre Karriereerfahrungen geben Einblicke in die Aufstiegswege von faszinierenden Frauen, die flexibel, chancenorientiert und mit einer tiefen interkulturellen Fähigkeit ihr Ziel verfolgen.

2.1 Rahmenbedingungen hin zu Chancengleichheit Das Land China ist kulturell sehr reich und vielschichtig und die soziokulturellen Rahmenbedingungen für Frauen und ihre Karrieren bewegen sich zwischen sehr gegensätzlichen Einflüssen. So beschreibt Coler, dass eine der wenigen matriarchalen Kulturen der Welt, die Mosuo, mitten in China zu finden ist.Weitaus häufiger berichten Autoren wie Gangrose, Murphy und Li im Zusammenhang mit der Rolle der Frau in China über die konfuzianischen Traditionen, die einen großen Teil der kulturellen Prägung im Land ausmachen. Im Gegensatz dazu stehen die Einflüsse einer in vielen Bereichen auf Gleichstellung zielenden Politik.

Chinesische Frauen zwischen Traditionen und politischen Gleichstellung Erste feministische Bewegungen des Landes werden schon auf die Zeit von 1910 bis 1920 datiert, in denen laut der bekannten Genderforscherin Li bereits für die Rechte von Frauen gestritten wurden. Seit der Gründung der kommunistischen Partei Chinas lassen sich dann seit 1949 konkrete Maßnahmen zur Erreichung von Chancengleichheit beobachten. Der Staat nahm laut Cooke eine tragende Rolle ein, bei der Durchsetzung von mehr Gleichstellung, indem er das feudale System, welches Frauen nach übereinstimmender Meinung eher benachteiligte, ablöste. Mit legislativen, administrativen und wirtschaftlichen Mechanismen wurden verschiedene Schritte zur Erreichung dieses Zieles umgesetzt. Mao Zedongs Rede mit dem viel zitierten Satz „Women can hold half the Sky“ wurde zum Ausdruck dieser Gleichstellungsbewegung und ist kennzeichnend für die Entschiedenheit, mit der die chinesische Regierung dieses Ziel verkündete. Li erläutert, wie der Staat mit Artikel 6 der Gesetzgebung die Grundlage für die Anhebung des Status von Frauen etablierte: „Women shall enjoy equal rights with men in political, economical, educational and social life.“ Die zwei wichtigsten Gesetze wurden im Jahr 1950 verabschiedet- neben dem neuen Landrecht wurde ein neues Ehegesetz etabliert, welches unter anderem das Recht auf Scheidung zusicherte. Es war Teil eines Planes, der mehr Frauen in die Erwerbstätigkeit bringen sollte. https://doi.org/10.1515/9783110709094-002

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

In der Folge stieg die Erwerbstätigkeit von Frauen in China stark an. Die Arbeit der Regierung wurde durch die Gründung einer landesweiten Frauenorganisation unterstützt. Die All-China-Women′s Federation nahm im Jahr 1949 ihre Arbeit auf. Sie agiert als die offizielle Organisation der Frauenbewegung in China und ist verantwortlich für die Verbreitung staatlicher Vorgaben bei Frauen und für den Schutz der Frauenrechte in der Regierung. Der Staat engagierte sich kontinuierliche mit der Einführung von verschiedenen Regulativen und Gesetzen, die die Rechte von Frauen schützen bzw. neu etablieren und Chancengleichheit zum Ziel haben. Beispiele hierfür sind in den 1950er bis 1970er Jahren Mutterschutzmaßnahmen und quotenähnliche Schaffung von Stellen für Frauen, sowie die staatliche Planung von Stellen für weibliche Arbeiter nahe den Ehemännern. Kindergärten und Krippenplätze in ländlichen Regionen vervielfachten sich in dieser Zeit. Erreicht wurde ein hoher, fast gleicher Anteil von Frauen an der Erwerbstätigkeit, der auch in den Jahren der Kulturrevolution von 1966 bis ca. 1976 standhielt. Während der Zeit der kulturellen Revolution wurden Frauenfragen aus Sicht der feministischen Forschung vermännlicht. Frauen wurden, entgegen ihrer oft anderen Lebenssituation und entgegen ihrer eigentlichen Interessen, Männern gleichgemacht. Der Slogan „Whatever men can do, women can do too“ und Einheitskleidung für Männer und Frauen sind nach Wang Ausdruck der damals vorherrschenden Auffassungen. Für das heutige China kann man sagen, dass das Modell von der doppelten Erwerbstätigkeit gesellschaftlich akzeptierte Norm ist. Der hohe Frauenanteil an der Erwerbstätigkeit, der weit über anderen westlichen Industrienationen und dem Weltdurchschnitt liegt, kann als Ergebnis der letzten 50 Jahre staatlichen Engagements gesehen werden. Es bleibt die Fragen, inwieweit die in China gegebenen Gesetze und Regularien auch wirklich Umsetzung finden. Viele Untersuchungen, wie zum Beispiel von Korabik und Ayman, debattieren, inwieweit die Anwendung zur tatsächlichen Chancengleichheit beiträgt. Autoren wie Stockmann sehen in China größere Gleichberechtigung gegeben als in westlichen Nationen und beschreiben eine kontinuierliche Abnahme von Ungleichheiten seit dem Aufbau der kommunistischen Regierung Mitte der 1980er Jahre. „Chinesische Organisationen haben ein höheres Level an Geschlechter Gleichheit als Japan, UK und die USA, mit Vollzeitarbeitsverhältnissen als Norm für alle Erwachsenen und einem hohen Anteil von Gleichheit in den Familien Rollen“. Gegensätzliche Positionen beziehen sich auf die Unterrepräsentanz von Frauen in hohen Regierungsrollen und schließen unter anderem daraus, dass Frauen in China weiterhin nicht dieselbe Macht haben wie Männer.

Öffnung Chinas zum Weltmarkt: Frauenkarrieren zwischen zwei Wirtschaftsordnungen Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bildet den Rahmen der Karrieren der befragten chinesischen Frauen im Topmanagement und ist daher ein zentraler ex-

2.1 Rahmenbedingungen hin zu Chancengleichheit

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terner Einflussfaktor. Im Folgenden werden die wesentlichen Entwicklungen skizziert, die im Zeitverlauf den Rahmen für die Karriereentwicklungen der Befragten setzten. Prägend für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas war die Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einem Marktsystem unter der Führung der Kommunistischen Partei. Durch die Veränderungen in der Wirtschaft Chinas zur sozialen Marktwirtschaft und der einhergehenden Liberalisierung wurde der Einfluss des Staates auf die Fragen der Gleichberechtigung eingeschränkt. Die Arbeitslosenzahlen stiegen mit dem Wechsel von der Plan- zur sozialen Marktwirtschaft an. Vor allem Frauen waren besonders benachteiligt, da anteilsmäßig mehr von ihnen ihre Anstellung verloren und sie es schwerer hatten wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Der Erfolg einer solchen Transformation, und damit auch die Entwicklung der Wirtschaft, hängt u. a. davon ab, inwieweit die Führungskräfte dieser Herausforderung gewachsen sind. Generell lässt sich sagen, dass die Reform Chinas und die Liberalisierung das Wachstum der Wirtschaft voranbrachte und damit viele Stellen und Möglichkeiten für Frauen und ihre Karrieren geschaffen wurden. Bis zum Anheben der Reformbewegungen Ende der 1970er-Jahre war die chinesische Volkswirtschaft zuvor faktisch vollständig vom weltwirtschaftlichen Geschehen isoliert. Dreißig Jahre lang hatte der Staat das Außenhandelsmonopol und das Devisenmonopol dem Außenhandelsministerium unterstellt und damit den direkten Kontakt chinesischer Betriebe und Konsumenten mit dem Weltmarkt verhindert. Ausgangspunkt der Reformen im Arbeitsmarkt, die Tagscherer beschreibt, war das System der Eisernen Reisschüssel, tie fanwan. Das System stammt aus den 1950erJahren und war zum Schutz von Arbeitern erlassen worden, galt aber bald für alle städtischen Arbeitskräfte. Bis zum Jahr 1998 wurden Angestellte vom Staat in die einzelnen Organisationen und Unternehmen nach Quotenvorgaben in SOE′s oder kollektive Unternehmen COE′s platziert wurden. Das Arbeitsleben in China war durch work unit systems geprägt, die sogenannten Danweis. Die Beschäftigung war eine Anstellung auf Lebenszeit und die Beschäftigten wurden durch ihre Arbeitseinheit mit Sozialleistungen versorgt. Eine chinesische Besonderheit war dabei auch die Vererbung des Arbeitsplatzes, dingti. In den Danweis genossen die Mitglieder Arbeitsplatzsicherheit und verschiedene Vorteile, wie gesichertes Wohnen, gesundheitliche Absicherung und auch Kinderbetreuung. Es gab nahezu keine Möglichkeit zu wechseln und wenn nur nach Abstimmung mit den Vorgesetzten. Die zugeteilte Arbeitseinheit Danwei sorgte für die Haushaltszuteilung Huko, ein Haushaltsregistrierungssystem, welches seit dem Jahr 1958 die Wohnortverlegung im Land kontrollierte und verhinderte, mit dem Ziel die soziale Ordnung im Land zu gewährleisten. Um einen Wohnort zu verlegen, benötigte die Person eine behördliche Genehmigung. In den 1980er und 1990er-Jahren gab es eine Reihe von Bestimmungen und Maßnahmen, die zur Bildung eines Arbeitsmarktes beigetragen haben. Das Jahr 1978 kennzeichnet einen historischen Wendepunkt in der wirtschaftlichen Geschichte Chinas. Es begann eine radikale Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik und eine allmähliche Integration des Landes in die Weltwirtschaft. Als die drei Schlagwörter der neuen Ausrichtung gelten sozialistische Marktwirtschaft, Öffnung

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

gegenüber dem Ausland, sowie Führungsanspruch der kommunistischen Partei. Die Zielsetzung der Reformen erfuhr im Zeitablauf eine graduelle Ausweitung. Was am Anfang als Reparatur defekter Bereiche der bisher dominierenden Planwirtschaft begann, mündete in der Einbeziehung marktorientierter Reformelemente in die Errichtung einer geplanten Warenwirtschaft und schließlich im Jahr 1992 im Beschluss zum Aufbau eines neuen Marktsystems, der sozialistischen Marktwirtschaft. Erst Anfang der 1990er-Jahre konnten die Chinesen erstmals alleine über die Wahl ihres Arbeitsplatzes entscheiden und mussten sich dafür mit ihrem Arbeitgeber über die Auflösung ihres bisherigen Vertrages einigen, was anfangs nicht immer gewährt wurde. Wo vorher hauptsächlich Seniorität und politische Treue zählten, kamen von nun an Qualifikation und Motivation als Wettbewerbsfaktoren im Arbeitsmarkt hinzu. Besonders Frauen nutzten die Transformation im Arbeitsmarkt und gingen aktiv aus den sicheren, staatlichen Stellen hin in die neue, ihnen noch unbekannte Welt der multinationalen Unternehmen. Den formalen Höhepunkt der chinesischen Öffnungspolitik bildet im Jahr 2001 der Beitritt der Volksrepublik Chinas zur Welthandelsorganisation WTO, womit die Regierung ein verpflichtendes Programm zur weiteren Liberalisierung des Wirtschaftssystems und der vollständigen Öffnung des chinesischen Marktes nach den Regeln der WTO eingegangen ist. China ist von nun an Hauptzielland ausländischer Direktinvestitionen und löst im Jahr 2002 erstmals die USA von ihrem weltweit führenden Platz ab. Das Wirtschaftswachstum für Gesamt China geht im Zeitverlauf, abgesehen von Schwankungen der Asienkrise und der globalen Pandemie im Jahr 2020, weiter. China konnte sich zu einer der führenden Volkswirtschaften der Welt entwickeln und baut seine Wirtschaft im Zusammenspiel mit dem Ausland weiter aus. Frauen spielen dabei in verschiedenen Bereichen eine wichtige Rolle.

Anteile von Frauen an Positionen im gehobenen Management Chinas Untersuchungen zum Anteil Frauen im Management in China bleiben oft hinsichtlich Datenbasis und Interpretation widersprüchlich, wie bei allen weltweit veröffentlichten Daten zu den Frauenanteilen im Management in anderen Ländern auch. Dem zugrunde liegt die unterschiedliche Definition darüber, was eigentlich unter Führungspositionen bzw. Senior Management verstanden wird. Relativ einig sind die verschiedenen Datenquellen, dass der Anteil von Frauen an Führungspositionen in China in der internationalen Betrachtung vergleichsweise hoch ist. In 2014 lag die Beteiligung von chinesischen Frauen am Arbeitsmarkt bei 64 Prozent im Vergleich zu 74 Prozent bei den Männern. Obwohl die Zahl seit dem Jahr 2010, da waren es noch 74 Prozent, rückläufig ist, kann man von einer im weltweiten Vergleich sehr hohen Erwerbstätigkeit von Frauen in China sprechen. Das World Economic Forum 2010 weist für China einen Frauenanteil von mehr als 50 Prozent an allen beruflichen Startpositionen des Landes aus.

2.2 Vorstellung der Chinesinnen in dieser Untersuchung

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Betrachtet man Studien zur Beteiligung von Frauen an Senior Managementfunktionen, so nimmt China einen der weltweit führenden Plätze ein. Nach Thornton wurde für das Jahr 2013 ein Anteil von 39 Prozent errechnet, wonach China im Ranking direkt hinter Russland und einigen kleineren, baltischen und asiatischen Staaten die Weltrangliste in diesem Jahr mit anführte. Für die letzten acht Jahre ergibt sich für China danach ein durchschnittlicher Wert von 38 Prozent Frauenanteil in den Führungspositionen in den Unternehmen. Dieses Bild wird bestätigt durch eine Untersuchung von Hays aus dem Jahr 2015, wonach China einen Anteil von 36 Prozent von Frauen in Senior Managementfunktionen im Vergleich zum asiatischen Durchschnitt von 29 Prozent ausweist. Der Weltdurchschnitt des Anteiles von Frauen in Führungspositionen in der Untersuchung von Thornton liegt seit dem Jahr 2004 im Durchschnitt bei 22 Prozent. Die USA liegen in dieser Studie im Vergleich bei 20 Prozent und Deutschland nur bei 16 Prozent. Eine Studie von McKinsey aus dem Jahr 2012 verweist dagegen für China auf nur acht Prozent Frauenanteil in den Vorständen und neun Prozent Frauenanteil in den Executive Boards, die danach unten den in dieser Studie ermittelten Zahlen für Europa und die USA liegen. Andere Daten kommen zu einer Beteiligung von 21 Prozent Frauen in Chinas Boards im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von 19 Prozent. Aus diesen Daten lässt sich ableiten, dass die oberste Spitzenfunktion in Unternehmen auch in China noch selten mit Frauen besetzt ist und sich China hier in das generelle Bild einreiht, nach welchen die CEO und GM Funktionen weltweit weiterhin überwiegend mit Männern besetzt werden. Auffällig ist jedoch der für China ausgewiesene extrem hohe Anteil von Frauen in anderen sogenannten C-Suite Rollen, wie Chief Financial Officer (CFO) mit 81 Prozent und Human Ressource Direktor (HRD) mit 61 Prozent. Die verschiedenen Daten zeigen Folgendes: Im internationalen Vergleich ist China unter den Ländern mit sehr hohen Frauenanteilen im Senior Management vertreten. Die Beteiligung von Frauen in der obersten Leitungsebene (CEO) ist jedoch deutlich geringer. Der hohe Anteil ist in der zweiten Führungsebene direkt darunter zu finden und in sogenannten C-Suite Rolle wie den Executive-Team-Positionen, zu denen hier der CFO und HRD gerechnet wird. Die Aussage verschiedener Forscher wie Korabik, dass es weniger Frauen als Männer in das sogenannte „C“ Level schaffen, gilt somit für China nur noch für die Rolle des CEO.

2.2 Vorstellung der Chinesinnen in dieser Untersuchung Chinesische Frauen in Führungspositionen sind in der internationalen Forschung des Global Women Career Labs anzahlmäßig die größte Gruppe der fünf Länder. Die Gruppe bildet eine große Altersspanne ab und zeigt sowohl Karrierewege von älteren Frauen, die vor der Öffnung der chinesischen Wirtschaft zum Weltmarkt ihre Karrieren begonnen haben und auf keinerlei Erfahrungswerte über die Mechanismen von Karrieren in dieser neuen Welt zurückgreifen konnten, als auch Karriereentwicklungen von den jüngeren Frauen, die in einer Phase gestartet haben, wo die freie Wahl des

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

eigenen Karriereweges bereits längere Zeit im Land etabliert war. Die Mehrzahl der Frauen startete in der Übergangsphase der chinesischen Wirtschaft, die als Anpassungsphase an die eigenverantwortliche Arbeitsplatzsuche zu sehen sind. Der überwiegende Teil der Frauen der Studie, 72 Prozent, war zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 36 und 45 Jahre alt. Die älteste Teilnehmerin war 63 Jahre alt und trotz des durchschnittlichen Pensionsalters für Frauen in China, welches bei 55 Jahren liegt, weiterhin aktiv. Nur drei der Frauen waren jünger als 36 Jahre, die jüngste Teilnehmerin 32 Jahre alt. Von den Chinesinnen starteten 77 Prozent ihre Laufbahn in China und der Rest im Ausland, beispielsweise in Deutschland, UK oder Singapur. Zwei Drittel der Frauen, die ihre Laufbahn im Land begannen, starteten noch im alten Wirtschaftssystem und dabei in vom Staat zugeteilten Positionen. Die Frauen stammen aus verschiedenen Städten wie Wuhan, Xiandu, Guangzhou, Peking oder Nanjing und waren zum Teil am Beginn der Karriere an das „Hukko“ Wohnort-System gebunden. Fast alle Frauen in staatlich zugeteilten Stellen begannen als Englisch Lehrerin, Übersetzerin oder in einem Forschungsinstitut. Nur zwei von ihnen starteten direkt in Funktionen in staatlichen Unternehmen. Die Frauen, die zum Karrierestart bereits frei wählen konnten, starteten als Geschäftsleitungsassistentinnen, im Bereich Verkauf, Finanzen oder Administration. Die Positionen der Frauen zum Befragungszeitpunkt bilden die höchsten Führungsebenen in Unternehmen ab, also der Geschäftsleitung oder sind auf dem Level der Executive Teams angesiedelt. In wenigen Ausnahmefällen haben sie Funktionen mit sehr hohem Verantwortungsbereich in der Ebene darunter. Befragt wurden Chinesinnen mit den Titeln CEO, GM, Senior VP, VP, HRD, CFO und einigen weiteren Positionen der sogenannten C-Level. Anzahlmäßig gibt es viele nationale Personalleiterinnen unter den Befragten. Sie machen die größte Gruppe unter den Teilnehmerinnen aus und spiegeln den hohen Frauenanteil von 61 Prozent unter den Personalleitern in China wider. Ein Drittel der Frauen haben GM, President oder Vice President Positionen inne oder haben asienweite Verantwortung. Der größte Teil der Managerinnen arbeitet zum Zeitpunkt der Befragung in Schanghai. Die Karrierewege umfassen Städte wie Wuhan, Chiandu, Guangzhou, Beijing und Nanjing. Auf die Mobilität der Frauen außerhalb Chinas wird später noch eingegangen werden.Vorweg soll gesagt werden, dass 74 Prozent der Frauen im Ausland tätig waren und 34 Prozent im Ausland studiert haben. Die Frauen waren in einer Bandbreite von Industrien tätig und dabei in sowohl „frauentypischen“ Branchen, wie dem Luxussektor, der Mode-, Touristik-, Gesundheits- und Ernährungsbranche, als auch in Segmenten, die oftmals eher Männer dominiert sind, wie Stahl, Elektronik und materialverarbeitenden Unternehmen. Die Befragungsgruppe bildet daher einen guten Querschnitt durch sehr verschiedene Sektoren ab. Die Frauen kamen zum Befragungszeitpunkt aus deutschen, amerikanischen und französischen multinationalen Unternehmen.Vorherige Erfahrungen aus privaten chinesischen Firmen und staatliche Unternehmen fließen in die Berichte ein. Die Rekrutierung erfolgte schwerpunktmäßig über die Kontakte der Autorin aus ihrer Tätigkeit als Executive Coach und Managementtrainerin in China. Durch ein

2.3 Bewertung der Chancengleichheit in China

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Schneeballsystem von Empfehlungen konnte die bislang größte qualitative Untersuchungsgruppe gewonnen werden, die es mit chinesischen weiblichen Führungskräften aus dem Senior Management gibt.

2.3 Bewertung der Chancengleichheit in China vor dem Hintergrund von Tradition und Gegenwart In nahezu allen Veröffentlichungen zur Karriere chinesische Frauen im gehobenen Management wird Bezug zur historisch kulturellen Prägung der Gesellschaft und dabei im Schwerpunkt zum Konfuzianismus genommen. Dem gegenüber stehen die Gleichstellungsmaßnahmen der kommunistischen Partei und der Frauenorganisationen im Land.

Konfuzianische Werte und ihre Bedeutung für Frauenkarrieren in China Am engsten in Zusammenhang mit der chinesischen Kultur und der Situation von Frauen werden zum Beispiel von Frank, Liu oder Korabik die Lehren von Konfuzius gebracht. In der überwiegenden Mehrheit der Beschreibungen wird ein eher negativer Zusammenhang konfuzianischer Traditionen mit den Karrierechancen von Frauen in China beschrieben. In ihrer Argumentation folgern die Forscher, dass kulturelle Werte, die aus den konfuzianischen Lehren abgeleitet wurden, die Karrieren von Frauen weiterhin direkt negativ beeinflussen. Es werden in diesem Zusammenhang Auslegungen der konfuzianischen Werte beschrieben, die zu einer allgemeinen Unterdrückung der Frauen in China geführt haben. Nach Meinung mancher Forscher verhindert die daraus resultierende kulturelle Prägung der Gesellschaft und die vor diesem Hintergrund erfolgte Sozialisierung der Frauen auch heute noch die Chancen, für Frauen in das Topmanagement aufzusteigen. Diametral dem gegenüber werden allerdings die Bemühungen der Politik gewertet, die die Gleichheit von Mann und Frau in verschiedenen Gesetzgebungen manifestierte und diese durch vielfältige Maßnahmen zur Umsetzung brachten. Auch bei der Bewertung, inwieweit man in der jüngeren Zeit tatsächlich von Chancengleichheit im chinesischen Management sprechen kann, gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Ein großer Teil der Autoren weist auf weiterhin bestehende Ungleichheiten hin. Nur vereinzelt zeichnen andere Autoren wie Blanchard im Zusammenhang mit der Frage nach Konfuzius ein eher positiveres Bild bzw. heben die Bedeutung traditioneller Werte für heutige Managementpraktiken in China losgelöst von der Genderdebatte hervor. Wenige Autoren wie Arthur, Hall und Yuan konzentrieren sich in ihren Interpretationen auf die Frage der Relevanz von Konfuzius für heutige Management Praktiken und Werte, ohne dabei speziell auf die Frauenfrage einzugehen. Dabei liegt der Hauptfokus auf einer moderneren Interpretation der Beziehungskonstellationen, die Kernbestandteil der Lehren sind und deren positivem Ausdruck im Führungsstil. Befragt nach dem Einfluss konfuzianischer

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

Werte auf ihre Karriereentwicklung gibt es große mehrheitliche Übereinstimmung in der befragten Gruppe von chinesischen Topmanagerinnen. Die befragten Managerinnen sehen keinen direkten Zusammenhang mit ihrer eigenen Karriere und keinen negativen Einfluss auf ihre persönliche Karriereentwicklung. „Not relevant for my career“ ist die häufigste, spontane Aussage zu dieser Frage. Die Frauen argumentieren, dass der Teil der alten Traditionen, der sich auf die Rolle der Frau bezieht, von der jüngeren politischer Entwicklung des Landes, die sich für die Gleichbehandlung von Frauen einsetzte, überholt wurden. Die Kulturrevolution wird als Bruch mit dem Teil der konfuzianischen Traditionen gewertet, der die Rolle der Frauen in China betraf. Das Frauenbild hat sich seitdem grundlegend verändert. Das massive Vorgehen in der Zeit der Kulturrevolution, hat nach Meinung der Interviewten zu einer sehr schnellen Änderung in Bezug auf das Bild der Frauen geführt. Man wertet diese Veränderung übereinstimmend positiv. Aussagen wie „China, the most liberated country in the world“ setzen einen klaren Gegenpol der eher pessimistischen Bewertung der Situation von Frauen und Frauen im Management in China aus der Literatur. M.: Dies ist ein sehr, sehr kleiner Teil der sozialen Struktur, die aus dem frühen China stammt. Aber offensichtlich ist China aufgrund der Kulturrevolution das am meisten befreite Land der Welt. Vielleicht war die Kulturrevolution schlecht, aber eine gute Sache, die sie getan hat, ist die Befreiung des Frauenhirns. Sie zerstörten im Grunde die gesamte alte Kultur, einschließlich der alten konfuzianischen Dinge. Ich hatte also noch nie solche Meinungen im Kopf. S.: Während der Zeit von Präsident Mao hatten wir die Revolution. Die Kulturrevolution. Dank dieser wurden in dieser Zeit alle Theorien des Konfuzius als schlecht angesehen. Also waren all diese Leute, die Generation meiner Eltern, bereits einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Ich denke, dass es in ihrem Kopf schon nicht mehr so war. Die Männer sollten nicht höher sein als eine Frau. In gewisser Weise hat die Revolution dazu beigetragen, die Macht der Männer und Frauen besser ins Gleichgewicht zu bringen. H.: Ich denke, es existiert nebeneinander. Tief im Inneren ist die Gesellschaft mit dem Konfuzius, den chinesischen Traditionen, verbunden. In vielem immer noch sehr männlich dominiert. Aber ich denke, das Ironische ist, dass der kommunistische Einfluss auf die Kultur darin besteht, dass der Kommunismus zu einer breiten, perfekten Gleichstellung der Geschlechter geführt hat. Es ermutigt Frauen in der Revolution, genauso aktiv zu sein wie Männer. Ich denke, das ist der Einfluss des Kommunismus.

Damit schließen sich die Frauen, den Ausführungen in der Literatur an, die die Maßnahmen der chinesischen Politik beschreiben, um die Gleichstellung von Mann und Frau seit der Zeit nach 1949 vorantreiben. Sie bewerten den Einfluss dieser Maßnahmen auf ihre Karrieren höher als den Teil der konfuzianischen Traditionen, der in der Vergangenheit vermeintlich zur Schlechterstellung von Frauen in China geführt hatte. Jedoch werden bei dieser persönlichen Bewertung des Einflusses konfuzianische Werte auf Karriere auf regionale Unterschiede innerhalb von China verwiesen. Für große Städte und vor allem Schanghai spielen nach Meinung der befragten Frauen die alten diskriminierenden Auslegungen von Konfuzius keine Rolle mehr. Im Norden des Landes und in ländlichen Regionen könne der Einfluss auch heute noch gegeben sein.

2.3 Bewertung der Chancengleichheit in China

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S.: Konfuzius hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Er ist Philosoph des Verhaltens. Vielleicht wird er sagen, dass Frauen etwas mehr im Haus tun sollten. Männer sollten Dinge außerhalb des Hauses tun. Aber für unsere Generation glauben wir das nicht. Nicht so ein Unterschied für die Karriere. Vielleicht besteht eine Verbindung. Weil es ein traditionelles Sprichwort ist und traditionelle Philosophie immer noch Einfluss hat, aber ich nicht mehr in großen Städten – Schanghai, Peking, Guangzhou. Aber in den Kleinstädten der Nordregionen vielleicht, da haben Traditionen mehr Einfluss. Q.: Missverständnisse sind in der ursprünglichen Konfuzius-Idee enthalten; die Frau befindet sich in einer minderwertigen Position. Und ich denke, dass die Regierung eine bewusste Rolle bei der Beseitigung dieser alten Werte und Konzepte gespielt hat, um zu sagen, dass es falsch ist. Frau und Mann sind gleich. Frauen sollten auch arbeiten und unabhängig sein. Diese Idee der Minderwertigkeit ist also ein bisschen beseitigt. Aber sicher nicht ganz. Ich denke, in der Stadt ist das erledigt. Aber zum Beispiel in einer landwirtschaftlichen Umgebung gibt immer noch viele Probleme, um Frauen minderwertig zu machen. Aber ich denke, in der Stadt ist es ziemlich erfolgreich.

Im Kern der konfuzianischen Traditionen geht es für die Befragten um andere, sehr positive Werte, die für Männer und Frauen gleichermaßen gelten. Diese positiven Werte nehmen sie für ihr eigenes Leben und ihren Managementstil als Richtwerte an. Besonders betont werden die Aspekte Balance und Harmoniestreben, Respekt für ältere Menschen und Vorgesetzte sowie harter Arbeitseinsatz. Die Frauen interpretieren die konfuzianischen Werte generell als positiv und losgelöst von einer Genderdebatte. Es geht für sie um das Erreichen von Balance, Harmonie und Respekt. Das Streben nach diesen Werten sei für Männer und Frauen gleich und wird als Orientierungsmodell positiv bewertet. C.: Das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit dem Verhalten, Demut, Respekt vor Autorität und harte Arbeit. Es ist die jahrtausendealte Kultur, die unser Denken beeinflusst. Allgemeiner. Nicht speziell für Frauen.

Dieser Erklärungsansatz der Frauen, lässt sich auch in der Literatur wiederfinden. Autoren wie Arthur, Rousseau und Hall zeigen die Verbindung von chinesischen Business Werten mit den kulturellen konfuzianischen Werten auf. Drei Kernwerte stehen dabei im Mittelpunkt. Die Fähigkeit und Wille zu lernen, Pflege menschlicher Beziehungen, Entwicklung moralischer Reife und eine generelle „Care Orientierung“ werden den konfuzianischen Werten positiv zugeordnet. Die Frauen reflektieren in diesem Zusammenhang auch die Stärken und eventuellen Nachteile, die sich aus diesen Werten ergeben, wie zum Beispiel das Streben nach Harmonie und die Beachtung von „face“. Es wird deutlich, dass für die Frauen die konfuzianischen Traditionen eher Bedeutung für die allgemeinen Managementpraktiken haben und weniger im Kontext von Gender. J.: Eines der wichtigsten Dinge ist die Harmonie. Das haben wir auch von unserer Regierung gelernt. Wir möchten eine harmonisierende Gesellschaft, die gleich ist und nicht zu scharf ist. Dann wird dies natürlich einen großen Einfluss haben. Zum Beispiel, warum wir nicht mutig genug sind, um zu sagen, was wir wollen. Wenn Sie etwas Anderes wollen, als eine andere Person, dann gibt es keine

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Harmonie. Die andere Sache ist, dass die Mehrheit der Chinesen, nicht nur Frauen, Männer, gleich sind, nicht mutig genug sind oder nicht bereit sind, sich dem Konflikt direkt zu stellen, wenn es ein Problem gibt. Was auch immer Sie tun, ich stimme nicht zu. Aber das kann ich dir nicht sagen, weil es dann zu Konflikten führen würde, dann werde ich mit dir reden, aber ich sage das Problem nicht wirklich, aber ich versuche, eine Art Beziehung aufzubauen. Können wir zum Abendessen gehen? Plaudern? Wir hoffen, wir können ein bisschen private Beziehung aufbauen, dann gibst du mir ein Gesicht, ich gebe dir ein Gesicht. Dann kann ich den Konflikt sortieren. Sie gehen nicht wirklich direkt mit solchen Dingen um.

Die Frage einer möglichen, aus den Traditionen resultierenden Unterordnung der Frau unter den Mann, halten die Frauen entweder für einen nicht mehr aktuellen Aspekt oder argumentieren, dass dieser Punkt nur im Zusammenhang mit der Harmoniebildung in der Familie zu bewerten sei und sich daher im Management nicht und schon gar nicht diskriminierend bemerkbar mache. Sie ordnen die konfuzianischen Werte dem familiären Umfeld zu und sehen durch sie die Rolle der Frau innerhalb der Familie gestärkt. Die Frauen in dieser Untersuchung verweisen mehrheitlich darauf, dass für sie negative Auswirkungen konfuzianischer Lehren nicht spürbar sind. Sie werten den auf die Rolle der Frau bezogenen Teil der Lehren als eher vergangenheitsbezogen. Positiv werden die konfuzianischen Werte als generelle positive Verhaltensvorgabe für die gesamte Gesellschaft diskutiert. Außerdem berichten sie von den zumeist positiven Einflüssen der Traditionen auf ihren Führungsstil. Diesen gilt es in den multinationalen Unternehmen mit anderen westlichen Managementstilen in Einklang zu bringen.

Wie die Chinesinnen die Gendergleichheit im Land bewerten Die führende chinesische Genderforscherin Liu führt bei ihrem Vortrag im Salon Fu, deutsches Konsulat Schanghai im Jahr 2014 zu der Frage nach Chancengleichheit in China folgendes an: „Das Statement „Frauen sind die Hälfte des Himmels“ kann in zweierlei Richtung interpretiert werden. Zum einen, die Wichtigkeit des Beitrages von Frauen an der chinesischen Gesellschaft und ihrer Position im modernen China. Wenn man mich fragt, ob Frauen die Hälfte des Himmels tragen können, ist die Antwort ein klares Ja. Wenn Sie mich fragen, ob Frauen mehr als die Hälfte tragen sollten, dann zweifele ich. Frauen in China tragen bereits mehr als die Hälfte des Himmels, das muss gesagt sein. Wir kommen zu einem Punk wo wir uns fragen müssen, was dieses für die Gesellschaft und vor allem das Leben von Frauen bedeutet.“ Die chinesischen Managerinnen wurden, wie alle Befragten der internationalen Untersuchung, gebeten, ihre erlebte Bewertung für Chancengleichheit im Management für China und andere Länder, in denen sie im Laufe ihrer Karriere gearbeitet haben, einzuschätzen. Dafür wurden Noten auf einer Skala von null bis zehn vergeben, wobei null für keinerlei Chancengleichheit und zehn für vollkommene Chancengleichheit von Frauen im Management steht.

2.3 Bewertung der Chancengleichheit in China

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Chinesinnen, die ihre Karriere zum Zeitpunkt der Interviews in China verfolgen, bewerten China in puncto Chancengleichheit im Gruppendurchschnitt mit achtundeinhalb auf der Skala. Dabei wurde von 13 Frauen der Höchstwert zehn vergeben. Damit vergeben die Chinesinnen für ihr Umfeld die höchsten Werte im Vergleich zu allen anderen befragten Frauen aus den hier betrachteten Ländern. Die Frauen, die acht Punkte vergeben haben, erläutern die Lücke zum Höchstwert mit regionalen Unterschieden in dem riesigen Land und verweisen darauf, dass im Norden bzw. in ländlicheren Regionen eine Gleichstellung in diesem Maße noch nicht gegeben sei. Die hohen Werte beziehen sich danach auf Industriemetropolen wie Schanghai oder Peking und andere Mega-Citys. Die meisten Frauen fühlen sich Männern absolut gleichberechtigt und einige gaben an, dass sie als Frauen sogar Vorteile vor den Männern hätten. Vor allem der Faktor Vertrauen wäre in multinationalen Unternehmen ein erheblicher Vorteil für Frauen, da die ausländischen Führungskräfte in den Unternehmenszentralen Frauen eher vertrauten als Männern. M.: Es gibt keine einzelne Antwort. In großen Städten ist es sehr gleich. Auf dem Land gibt es weniger Gleichheit. In multinationalen Unternehmen sind beide gleich. J.: In einigen Fällen haben Frauen mehr Gleichheit. In den großen Städten ist es sehr gleich. A.: Ich glaube, es ist gleich, auch das Gehalt. In China bleiben Frauen nicht zu Hause wie in anderen Ländern. C.: Heute sind Frauen stärker als Männer in China. Auch die Mädchen sind besser, schon von der Schule an.

Neben den überwiegend positiven Einschätzungen für China werden vom kleineren Anteil der Frauen auch einschränkende Faktoren genannt, die zu wenigen Bewertungen von sechs bis sieben Punkten auf der Zehnerskala führen. An vorderster Stelle sehen sie, dass die CEO oder GM Rolle oft noch Ausländern vorbehalten sind. Außerdem führt eine Frau an, dass es oft noch daran hapere, dass Frauen eine Position im mittleren Management vorziehen, um den Anforderungen ihrer verschiedenen Rollen gerecht werden zu können. Eine weitere Meinung bezieht sich auf die Karriereverzögerungen, die man als Folge von Mutterschaft beobachten kann. C.: Es ist ziemlich gleich. Aber die Tatsache, schwanger zu werden, und der viermonatige Mutterschaftsurlaub könnte ein Problem sein, das dazu führt, dass Männer bevorzugt werden. CP.: Geschlecht ist kein Thema. Gleich wie in den USA. Es hängt wirklich davon ab, ob eine Frau Kinder hat und Unterstützung für ihre Erziehung erhält. Ich glaube nicht, dass Menschen kulturell voreingenommen sind, dass Frauen Männern unterlegen sind. Ich glaube wirklich nicht, dass diese Art von Mentalität in den USA oder hier existiert. Aber es ist die Erwartung, die die Familie an sie hat. Die sehr praktischen Probleme, die sie ausgleichen müssen.

Anders als in den meisten Untersuchungen und Veröffentlichungen werden die Chancen von Frauen in den Senior Executive Funktionen in der befragten Gruppe oftmals höher als die von Männern eingestuft. Die Rolle des zumeist ausländischen

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

CEO ist jedoch im Hinblick auf Chancengleichheit für chinesische Frauen umstritten. Dieses spiegelt sich auch in den Zahlen der Literatur, nach denen in China wie auch im Rest der Welt Geschäftsführerpositionen noch eher seltener von Frauen besetzt werden. Einschränkungen bei der Gleichheit ergeben sich für die Befragten aus der Rolle als Mutter und den sich daraus ergebenden speziellen Anforderungen an Frauen. Auch hier sind die Aussagen der Frauen in Übereinstimmung mit der Literatur. Insgesamt geben die Frauen dieser Studiengruppe ein insgesamt sehr viel positiveres Bild zu der Chancengleichheit von Frauen im Management ab, als es ausgehend von der publizierten Literatur zu erwarten war. Die Aussagen lassen sich jedoch nicht für gesamt China verallgemeinern, sondern beziehen sich primär auf die großen Städte. Das Umfeld für Karriere ist also danach speziell in den Metropolen Chinas für Frauen sehr positiv.

2.4 Karrierestrategien der chinesischen weiblichen Führungskräfte Die Karriere Strategien der Chinesinnen, die im Einzelnen in der Folge weiter vertieft werden, lassen folgende Vorgehensweisen erkennen, die miteinander verwoben sind: 1. Langfristplanung der eigenen Karriere 2. Aufbau von Expertise und lebenslanges Lernen auf hohem Niveau 3. Internationalisierung der Karriere bzw. Mobilität innerhalb Chinas 4. Chancen aktiv suchen 5. Nutzung des eigenen lokalen Potenzials 6. Gezielte Wahl von Industrie, Unternehmen und Funktionsfeld 7. Arbeit vor Privatleben stellen 8. Eigenverantwortung in der Auseinandersetzung mit Faktoren wie Glück und Rückschritten 9. Sichtbar sein und Verbündete suchen Wesentlich für den überwiegenden Teil der chinesischen Frauen ist, dass sie die Karrieren vom gewünschten Endpunkt her planten oder aber sich relativ ausführlich mit einer langfristigen Sicht ihrer Karriere beschäftigten. Einige Frauen geben an, sich von Anfang an strategisch mit ihrer Karriere beschäftigt zu haben, bei anderen setzte die Auseinandersetzung mit einer langfristigen Planung in den ersten Berufsjahren ein. Das Ziel stand dabei fest, eine hohe Funktion bzw. Verantwortung zu erlangen. In ihren Schilderungen nutzen die Frauen Beschreibungen wie „Ich fragte nach, ich hob meine Hand und meldete mich, ich war entschieden, ich bewarb mich“, die auf eine sehr aktive Karriereplanung und selbstbestimmte Vorgehensweise weisen. Einige Befragte erläutern ihre Motivation, die sie mit der Frage nach geplanten Karriereschritten verbinden. Antworten wie „höher wollen“, „Verantwortung ausweiten“ und „Position mit mehr Einfluss anstreben“ kamen bei den Chinesinnen vielfach. Bei allen befragten Frauen stand früh fest, dass sie in ihrer Karriere höher wollten, viel Verantwortung

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übernehmen wollten und ein hohes Level im hierarchischen System erreichen wollten. Die Ziele der Frauen waren ihnen demnach schon in der frühen Phase der Karriere klar. Die zweite Strategie, die alle Frauen verfolgen, ist, in ihrem Feld die Beste zu sein. Dazu gehört die Planung von Ausbildung und Weiterbildung, wie auch die Wahl von Funktionen, um gezielt Expertise aufzubauen. Alle Befragten strebten die maximal höchste Ausbildung an, um sich dadurch von anderen abzugrenzen. Dazu gehört auch geplantes lebenslanges Lernen, welches als Werteorientierung fester Bestandteil der chinesischen Kultur ist. Die älteste Teilnehmerin machte ihren MBA erst spät in ihrer Karriere, als sie bereits CEO war. Die Frauen in der Studie, die im Ausland studiert haben, geben an, diesen Schritt sehr genau geplant zu haben, da ein Abschluss aus dem Ausland und die Erfahrung in der fremden Kultur ihre späteren Karrierechancen erhöhen würde. Einige wählten sehr bekannte Universitäten wie Harvard, INSEAD oder Stanford, um ihre Chancen auf eine spätere Führungsposition zu steigern. Die Frauen, die in China studiert haben, versuchten in chinesische Elite-Universitäten einzutreten. Die Wahl einer Top-Universität war dabei teilweise wichtiger als die Wahl der Studienrichtung. MI: Ich habe es vielleicht gemerkt, als ich sechs oder sieben Jahre alt war. Ich habe viel geplant, als ich sechs, sieben Jahre alt war. Ich habe allen mein Notizbuch gezeigt. Sie waren schockiert. Sie glaubten nicht, dass dies von einem kleinen Mädchen kam, das so reife Sachen schrieb, aber ich war irgendwie frühreif, als ich jung war. LI: Der Plan war, da zu sein, wo ich heute bin. Ich war ziemlich aggressiv im Vergleich zu anderen in meinem Alter. Keine sehr klare Zeitleiste, aber damals sagte ich mir, dass ich mit 35, 36 oder 40 Jahren, dass ich der Chef sein möchte. Ich möchte wirklich die Nummer 1 in der Gegend sein. Vielleicht OD Nummer eins in China oder HR-Leiter, aber ich habe kein sehr klares Konzept über Macht. Es ist mir im Grunde egal. Aber ich wollte mit einer Art Kompetenz in der gleichen Branche im Vergleich zu meinen Kollegen oder meinen Freunden wirklich wettbewerbsfähig werden. Das war klar. Eines war auch ganz klar: Ich wollte nicht in ein sehr großes Unternehmen eintreten. Das ist auch klar und geplant. Selbst heute oder in den letzten Jahren, wenn große Unternehmen auf mich zu kommen, sage ich immer nein. MO: Ich denke, alles ist geplant oder nicht geplant, um ehrlich zu sein. Ich denke, das Ergebnis ist nicht geplant, aber das, was ich machen wollte, ist geplant. Zum Beispiel, als ich eigentlich am Anfang in XY einsteigen wollte, wusste ich nichts über die Firma. Ich wusste nichts darüber, da es zu diesem Zeitpunkt nur begrenzte Informationen gab. Als wir anfingen zu lernen, wussten wir dann nach einer Weile, wie sich die Karrieren entwickeln und wie wir im Unternehmen arbeiten müssen. Im Grunde war es eigentlich mein Plan, was ich im Unternehmen tun möchte. Ich wollte eine Finanzanalyse durchführen. Ich wollte einen besseren Job machen. Ich möchte mehr lernen und befördert werden. Schließlich habe ich mir nie ein Ziel gesetzt, das ich in 2 oder 3 Jahren befördern möchte. Aber ich plante, dass ich diesen oder jenen Job machen wollte. Ich möchte in das jeweilige Level hineinwachsen. Irgendwann kommt es dann.

Der Aufbau von Expertise wurde vom Berufsstart an kontinuierlich und strategisch mit Plan verfolgt. Dementsprechend wurden Positionen und auch Unternehmen ausgewählt. Vor allem am Start der Karriere, lagen Wechselgründe immer im Zusammenhang mit dem Wunsch sich schnell weiterzuentwickeln und nicht zu sta-

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gnieren. Bei der Wahl einer neuen Position waren die Entwicklung der eigenen Expertise eng verknüpft mit der Steigerung des Marktwertes. Daneben waren Prestige und zwischenmenschliche Beziehung die am häufigsten genannten Gründe für die Wahl einer Position. AN: Eigentlich ist es irgendwie lustig zu sagen. Wenn ich mich verändern wollte, betrachtete ich mir meine Fähigkeiten quasi wie einen Kuchen mit verschiedenen Stücken. Dann sehe ich, welche Bereiche mir noch fehlten. Es geht mir eher darum, wie ich meinen Lebenslauf innerlich oder für extern erstellen kann. So wähle ich Positionen aus. LI: Ich suchte kein Gleichgewicht. Ich war auf der Suche nach Dehnung und Herausforderung. Ich wollte wirklich von einer Supportrolle, einer netten Rolle, zu einer sehr geschäftlichen Rolle übergehen. Einfluss üben. Meine erste Rolle in XY war HR-Geschäftspartner. Meine Hauptaufgabe bestand darin, das Unternehmen für Personalfragen neu zu gestalten und das Unternehmen bei der Durchführung des Änderungsmanagements und bei Entlassungen zu unterstützen. All die harten Dinge. Dann wurde ich zum HR-Leiter China befördert. Zu dieser Zeit war dann alles unter mir: Operations, Strategie und die Partnerebenen.

Eine Kernkompetenz der chinesischen Frauen ist ihre Interkulturalität gepaart mit großer Mobilität. Insgesamt 74 Prozent der befragten Frauen geben an im Laufe ihrer Karriere Auslandserfahrungen gesammelt zu haben. Die Liste der genannten Länder reicht neben vielen anderen Ländern von Frankreich, der Schweiz über Schweden nach Südafrika und die USA. Die Auslandserfahrungen erfolgten in relativ frühen Phasen der Karriere und halfen den Frauen ihren strategischen Vorteil in den ausländischen Unternehmen in China auszubauen. ST: Das ist interessant. Ich hatte mehrere Jahre für eine großartige Firma gearbeitet. Und ich bin original aus Schanghai. Ich dachte, ich sollte etwas Lebenserfahrung sammeln und ins Ausland gehen. Den westlichen Stil sehen. Die Kultur tief verstehen. Auch das Essen. Einfach eine andere Erfahrung. Zu dieser Zeit muss ich es auch nur planen. Ich musste meinen Master-Abschluss machen. Für den Master-Abschluss habe ich mich an der Sydney University beworben in Australien. Deshalb bin ich nach Australien.

Die Frauen, die im Ausland studiert oder zu Beginn der Karriere gearbeitet haben, planten alle bewusst den späteren Aufstieg in China. Mehrfach wird auf die Frage nach geplanten Schritten geantwortet „wollte in China Karriere machen“. Mehrere Teilnehmerinnen berichten, wie sie im Ausland gezielt nach Unternehmen suchten, die Joint Ventures in China haben, um dort ihren interkulturellen Vorteil zu nutzen. Eine Teilnehmerin, die in Deutschland studiert hat, berichtet, wie sie gezielt ihre Diplomarbeit im Hinblick auf die spätere Position in China platzierte. Die geplante Strategie war also schon früh den Aufstieg in China vorzubereiten. Eine der älteren Frauen in der Studie beschreibt, wie sie gezielt einen Führungsjob in einer nicht so begehrten Lage in China suchte, weil sie ihre Chancen dort höher einstufte. Sie beschreibt ihren Plan so „ich wollte dahin gehen, wo man mich unbedingt braucht“. Die interkulturelle Kompetenz der Frauen wird im Abschnitt Karrierevoraussetzungen weiter vertieft.

2.4 Karrierestrategien der chinesischen weiblichen Führungskräfte

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J.: Ja, ich habe erst mal ein Grundpraktikum und ein Fachpraktikum bei Firma XY gemacht und dadurch hatte ich diese Beziehung dorthin und habe aber an unserem Maschinenbau-Lehrstuhl die Stellenanzeige gesehen, die suchten Blablabla. Und dann habe ich recherchiert und herausgefunden, dass sie gerade das erste Joint Venture in China bauen. Also ich habe damals schon sehr bewusst Unternehmen gesucht, die Geschäftsbeziehungen in China aufbauen. In den 90er-Jahren waren schon viele in der Anfangsphase. Deswegen war ich bei XY als Diplomand, habe meine Diplomarbeit dort geschrieben, gezielt mit dem Thema „Aufbau eines Joint Ventures“. Damals hatten wir schon das Joint Venture in Schanghai, dort wollten wir die Montageanlage installieren. Ich habe das ganze Konzept geplant unter Berücksichtigung verschiedener länderspezifischer Faktoren. Wir hatten weltweit Hochautomatisierung, Ohne-Automatisierung, Wenig-Automatisierung, da habe ich für Schanghai damals geeignete Montage-Konzepte ausgearbeitet. Natürlich bot sich dann diese Möglichkeit an, diese auch später umzusetzen und zu betreuen.

Innerhalb Chinas kann man die Gruppe der Frauen hinsichtlich ihrer örtlichen Mobilität in zwei Untergruppen teilen. Der eine Teil, mit ursprünglichem Schanghai Hukko, arbeitete tendenziell konstant in Schanghai, nahm aber im Karriereverlauf phasenweise Einsätze in anderen Städten in Kauf. Beispiele waren zumeist Fabrikeröffnungen der multinationalen Unternehmen, die Umzüge über kürzere, aber auch längere Perioden notwendig machten. Der andere Teil, mit Registrierung, Hukko, in einem anderen Ort, zeichnet sich durch eine große örtliche Mobilität innerhalb Chinas aus. Zu Beginn der Karriere stand hier der Erwerb eines Hukko, in einer der Metropolen mit mehr Chancen für die Karriere im Vordergrund. Es wurden also Positionen gewählt, die die Frauen in die Städte brachten, in denen die Chancen für den weiteren Berufsweg groß waren. Folgende Städte wurden als Orte auf den Berufswegen genannt: Wuhan, Yunnan, Nanjing, Xiandu, Sichuan, Beijing, Shenzhen, Tianjin, Guangzhou. Versetzungen zwischen Schanghai und Beijing wurden mehrfach berichtet. Die Frauen nahmen Ortswechsel in Kauf, die in der Folge bis zu zwei Jahre anhaltende Pendelsituationen zwischen ihnen und ihren Familien bedeuteten. Sie wurden quasi zu Wochenendpendlerinnen. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang die Dimensionen des Landes, die Entfernungen mit sich bringen, die vergleichbar sind mit regelmäßigem Pendeln zwischen Moskau und Madrid. Die örtliche Mobilität von rund 75 Prozent der Frauen in der Studie kann als sehr hoch eingestuft werden. Kennzeichnend für die Karrierestrategien der Chinesinnen ist, dass sie primär Chancen suchen und dahin gehen, wo sie die Chancen vermuten, um ihre aufstiegsorientierten Ziele zu erreichen. Die meisten der interviewten Frauen entscheiden sich bewusst in einer Zeit, in der das Land noch von zugeteilten, lebenslangen Berufslaufbahnen geprägt ist, für das Neue und Ungewisse in den multinationalen Unternehmen, da sie dort für sich selber Aufstiegs Chancen vermuteten. Der Schritt aus dem Umfeld der gesicherten staatlichen Stellen, die bis zu einem bestimmten Zeitfenster auch die gesellschaftliche Norm darstellten, in ein multinationales Unternehmen ist kennzeichnend die hohe Flexibilität dieser Frauen im Hinblick auf die Erreichung ihrer Ziele. Alle Frauen berichten von ihrer Neugierde, die Ausländer, ihre Arbeitsweisen und damit verbunden fremde Kulturen kennenzulernen. Von der Arbeit für die Ausländer versprachen sich die Frauen, mehr Wissen und mehr Fähigkeiten erwerben

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zu können. Initial standen also der Aspekt des Lernens und das Interesse an fremden Kulturen im Vordergrund bei der Wahl eines multinationalen Unternehmens. Die somit erworbene Kenntnis der anderen Kultur und Arbeitsweise in Verbindung mit der eigenen, heimischen Arbeitsweise brachten dann einen großen persönlichen Vorteil in der Karriere, auf den später noch vertiefend eingegangen wird. Die Beobachtung von wirtschaftlichen Trends und Planung der Karriere entsprechend der Markttrends ist eine weitere Strategie, die mehrfach in der Gruppe genannt wird. Beispiele hierfür waren, die frühe wirtschaftliche Entwicklung in China zu Beginn der Öffnung. Eine Frau beschreibt, wie sie gezielt den wachsenden ausländischen Investitionen regional von Shenzhen nach Schanghai folgte und Positionen entsprechend suchte. Eine andere beschreibt Entwicklungen in ihrem Industriezweig und wie sie mit Hilfe von Headhuntern gezielt in dem wachsenden Bereich eine Führungsrolle suchte. Die gezielte Wahl von Industrien und Unternehmen sowie die Planung des eigenen Funktionsfeldes waren wesentliche Planungsschwerpunkte. Die Mehrzahl der Frauen hat bisher in vier oder fünf verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Die Entscheidung für ein Unternehmen wird oftmals nach der Ursprungsnationalität des Unternehmens, sowie nach dem Bekanntheitsgrad des Unternehmens getroffen. Nur 17 Prozent der befragten Frauen, inklusive der wenigen Frauen, die nie das Unternehmen wechselten, machen ihre Karriere ausschließlich in derselben Branche. Die Mehrheit der Frauen wechseln die Branche mindestens einmal, viele mehrfach. Die Karrieren von 45 Prozent der Frauen sind auf einen bestimmten Unternehmensbereich fokussiert. Am häufigsten ist das bei Frauen im Personalbereich der Fall. Diese Frauen blieben dem einmal gewählten Bereich treu und arbeiteten sich hierarchisch an die Spitze des gewählten Bereiches. 55 Prozent der Frauen wechselten dagegen konsequent zwischen verschiedenen Unternehmensfunktionen und erwarben bereichsübergreifende Qualifikationen. Als Seitenwechsler kann man 31 Prozent der Frauen bezeichnen. Sie waren sowohl in Unternehmen tätig wie auch in Agenturen, bei Serviceanbietern, in Unternehmensberatungen, Instituten oder selbstständig. A: Und dann fühlte ich meinen Wert, dass was ich studiert hatte, ich habe mein Englisch benutzt. Ich dachte, ein kommerzieller Job wäre gut. Nachdem ich einen Job gefunden hatte, sprach ich mit meinen Schulleitern und sie sagen „Nein, kannst du nicht“. Du musst zurückkommen. Aber zu dieser Zeit, glaube ich, hat die Regierung des Landes gerade damit begonnen, dass man aus einem staatlichen Unternehmen ausscheiden konnte, und ich glaube, ich war die erste Person in meiner Region, die erste Person, die gekündigt hat. Es machte tatsächlich viel Lärm. Die Leute dort dachten: „Wie kann sie?“ Erstens hat damals niemand gekündigt, weil der Lehrer für viele Menschen immer noch ein Traumjob war. Sie konnten unterrichten und es war ein staatliches Unternehmen. Ihnen sind Rechte und menschenwürdige Arbeitsplätze garantiert. Dann kündigst du und arbeitest in einer abgelegenen Stadt, die du nicht kennst und die als Kapitalist bezeichnet wird. Wir haben gelernt, dass Kapitalisten immer die Menschen ausbeuten. Meine Eltern, meine Mutter war sehr besorgt. Sie sagte, dass ich mich dem Risiko aussetze. Ich hatte ungefähr einen Monat lang Probleme und ich konsultiere Leute und frage, weil in dieser Firma viele junge Leute aus verschiedenen Teilen des Landes waren. Leute ausgebildet wie ich. Die meisten von ihnen haben gekündigt, deshalb konsultiere ich sie, aber niemand gab mir die Antwort, dies und das ist richtig. Niemand kann garantieren. Für mich war es ein Risiko, aber es lohnte sich, es zu versuchen. Ich schrieb also ein Kün-

2.4 Karrierestrategien der chinesischen weiblichen Führungskräfte

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digungsschreiben. Dann habe ich gerade angefangen, auf mich selbst aufzupassen. Nicht mehr die Regierung. Ich wurde selbstverantwortlich. Das war 1990. Das ist mein zweiter Start in meine Karriere. KE.: Dann hatte ich diese Gelegenheit, es war mein erstes Angebot, das von einer Personalberatung. Die hat den Sitz in den USA und war zu diesem Zeitpunkt weltweit die Nummer fünf. Ich war sehr aufgeregt, als ich mir die Profile aller Kollegen ansah. Es ist eine sehr bekannte und wirklich eine großartige Gruppe. Eine Elite auf diesem Markt und ich wollte da hin. So bin ich zu dieser Firma gekommen. Begann mit der Executive Search. Zu diesem Zeitpunkt war es wirklich ein sehr neuer Markt in China. Niemand wusste wirklich, was es bedeutet. Headhunter war ein sehr neues Konzept auf dem chinesischen Markt. Ich denke, es war ein Glück, dass wir den Markt aufbauten. Das war der schöne Teil. Ich habe viele verschiedene Branchen erkundet und sogar bis zum Jahr 2000, das waren die .com-Jahre, in denen die Millionäre auftauchten. Obwohl es auf dem Markt eine Menge Blasen gibt, haben wir versucht, alle potenziellen Talente auszuloten.

Viele der Schilderungen der interviewten Frauen aus China verdeutlichen, dass die meisten von ihnen Entscheidungen für die Karriere vor private Entscheidungen stellen. Beispiele für eine vorrangige Entscheidung zugunsten von beruflichen Erwägungen sind mehrfach genannte Wechsel an Orte, die entfernt vom Familienwohnsitz lagen. „Das war total gegen meine Familienpläne“ so schildert eine Befragte ihre Entscheidung für eine höhere Position in Beijing, während ihre Familie in Schanghai blieb. Die chinesischen Frauen treffen unabhängige Karriereentscheidungen, anders als es in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen mit Frauen aus westlichen Nationen aufgezeigt wird, die in der Mehrheit berufliche Entscheidungen zugunsten von Familienbelangen abwägen. Die hohe Bedeutung von Karriere für die chinesischen Frauen drückt sich aus in ihrer klaren Karriereorientierung und hohen Karrieremotivation. E: Danach kam eine Zeit, als ich selbst beim CFO der Holding gefordert hatte, dass ich eine Änderung brauche. Ich wollte etwas Neues machen. Wir haben die verschiedenen Positionen besprochen und schließlich war es auch eine schwierige Entscheidung, diese Immobilienposition zu übernehmen, da sie nie auf meiner Tagesordnungsliste stand. Und es war wieder in Peking, was völlig gegen meine Familienplanung war. Weil ich damals schon eine Familie hier in Schanghai hatte. Aber wir haben uns schließlich für ein bestimmtes Arbeitsmodell entschieden. Und ich habe diese Position übernommen. Ich startete also in Peking, pendelte zu meiner Familie, später kam ich nach Schanghai zurück.

Ein weiterer Aspekt, den die chinesischen Frauen im Zusammenhang mit ihrer Karriere zeigen, ist das hohe Maß an Eigenverantwortung. Zwar messen sie Faktoren wie Glück oder eher zufällig aufkommenden Möglichkeiten bzw. dem Umstand zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein, eine Bedeutung im Karriereverlauf bei. Jedoch überwiegt bei den Schilderungen das proaktive eigene Handeln, die eigene Initiative und Planung, die sich ergebenden Chancen zu sehen und zu ergreifen. Diese Schilderungen sprechen für eine selbstbestimmte Karriereplanung, die im Gegensatz zu eher von außen angetragenen Karrieremöglichkeiten steht. Die Forscher um O‘Neil beschreiben diesen Gegensatz in den Konzepten als interner Karriereanker. Verweise, die auf einen eher externen Karriereanker, bei dem Aufstiegsmöglichkeiten von Dritten

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herangetragen werden, kommen in der Gruppe zwar auch, ordnen sich aber in der Gesamtbetrachtung immer der eigenen zielorientierten Karriereplanung und dem Willen aufzusteigen unter. E.: Ich sage nicht wirklich geplant, in jungen Jahren haben Sie bestimmte Wünsche und Karriereschritte und möchten dies planen. Es ist definitiv ein Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Bei meinem ersten Einsatz in Hongkong passierte es einfach, ich stand mit meinem asiatischen Gesicht da, zu der Zeit war niemand da und sie sahen mich plötzlich und sagten: „Oh, sie macht das Training und sie weiß es, vielleicht sollten wir darüber nachdenken.“ Viele Leute sagen, das sei Glück, aber wenn man wirklich zurückblickt, muss man auch seinen eigenen Wert mitbringen. Q.: Es ist schwer zu sagen, geplant. Weil es in beide Richtungen kommt. Das heißt, diese neue Gelegenheit kommt auf den Tisch und natürlich habe ich sie genutzt. Also in gewisser Weise die Gelegenheit, aber auch meine Wahl. Wenn Sie also „Geplant“ sagen, kann ich nur sagen, dass „Geplant“ Ja ist. Ich habe geplant, mehr Fortschritte in Bezug auf höhere Verantwortlichkeiten zu erzielen und sowohl den Umfang als auch den Job und die Geografie zu erweitern. In gewisser Weise war das der Plan, aber in gewisser Weise waren die Möglichkeiten immer gegeben. So wurde ich immer von einem Headhunter angesprochen oder von einem Freund. Auch dieser Umzug innerhalb der XY-Gruppe von Schanghai nach Singapur wurde von der Firma angeboten. Und ich habe angenommen. Wahrscheinlich, weil ich meinen Anwendungsbereich über das Marketing hinaus erweitert habe, Vertrieb, Markenführung und Erfahrung in der internationalen Organisation. Daher war mir klar, dass ich einen größeren Spielraum und eine höhere Verantwortung haben wollte. Und in Bezug auf die Geografie wurde mir auch klar, dass es auch eine Möglichkeit für mich ist, nachdem ich gesehen habe, dass Menschen auf dem Markt mobil sind.

Der letzte Aspekt, der bei den chinesischen Topmanagerinnen im Zusammenhang mit Planung der Karriere auffällt, bezieht sich auf die Möglichkeit, im Unternehmen sichtbar zu werden und Verbündete für den Aufstieg zu finden. Es wurden gezielt Positionen gesucht und angenommen, die viel Sichtbarkeit im Unternehmen versprachen. Sichtbarkeit vergrößerte ihre Chancen auf weiteren Aufstieg. Auch hier ergreifen die Frauen Initiative und planen, wie sie ihre Sichtbarkeit im Unternehmen maximal ausbauen können. In diesem Punkt ist die Gruppe jedoch heterogen. Einige berichten von Nachholbedarf im Hinblick auf die westlich geprägte Art der Selbstdarstellung. Kulturell verankert ist bei vielen eher der Wert von Bescheidenheit, der einer Selbstdarstellung im Wege steht. Die Chinesinnen suchen ihre „Bühne“ über die wichtigen Projekte, die sie aktiv anstreben. Darüber hinaus wurden wichtige Entscheider in den eigenen Karriereplan involviert und konstant daran gearbeitet ihre Unterstützung zu gewinnen und zu halten. Letzterer Aspekt wird später im Abschnitt zum Punkt Mentoring noch angesprochen. Die Frauen entwickeln wechselseitige Mentorenbeziehungen, bei denen auch der Mentor stark profitiert und katapultieren sich über vertrauensvolle Beziehungen zu Entscheidungsträgern, die auf sie angewiesen sind, in sehr hohe Funktionen. Auch diese Faktoren sprechen für eine selbstbestimmte Karriereplanung. T.: Ich denke, viele Dinge waren geplant. In gewisser Weise geplant, als ich mit meinem Unternehmen anfing, hatte ich eine Vision davon, funktionsübergreifend zu arbeiten, und das sagte ich immer meinem Chef und der Personalabteilung und meinen Kollegen und auch anderen Funktionen immer

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wieder, was zur Bekanntheit meiner Ziele geführt hat. So und in amerikanischen Firmen muss man viel über seine Karriere sprechen. Sie müssen die Leute einbeziehen und auch mit Ihrem Karriereplan in Verbindung bringen, damit sie mir etwas anbieten können. Vielleicht nicht genau immer die Dinge, die ich wollte, aber zumindest eine Tür, mehr Türen wurden geöffnet. Ich ergriff die Möglichkeiten, die ich mit XY hatte, auch in den Staaten, zu Senior Führungskräften Verbindungen zu knüpfen und zum Glück wollen diese zu dieser Zeit auch meinen Horizont öffnen und verschafften mir Sichtbarkeit.

2.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der Chinesinnen Im Folgenden geht die Analyse in Richtung der individuellen Faktoren, die den Aufstieg der Chinesinnen im Management unterstützten. Dazu gehören familiäre Faktoren, genauso wie Bildung, die Frage nach der für das Management relevanten Dimensionen Persönlichkeit der Frauen und ihr Führungsstil.

Einfluss der eigenen Herkunftsfamilie Der größte Teil der befragten Chinesinnen stammt aus Schanghai. Andere Frauen stammen aus anderen Städten Chinas, darunter Peking, Guangzhou, Hunan und Xian. Die Chinesinnen wachsen entsprechend des vorherrschenden Familienmodels in China mit zwei Vollzeit berufstätigen Elternteilen auf, die oftmals aus beruflicher Notwendigkeit abwesend waren. Großmütter, und in Einzelfällen Tanten, hatten neben den Eltern Hauptverantwortung für die Erziehung. Viele Frauen waren oft längere Zeit in ihrer Jugend von den Eltern getrennt, was gesellschaftliche Norm war. Die Mehrheit der Frauen hat Geschwister, da die Ein-Kind-Politik zurzeit ihrer Geburt noch nicht eingeführt war. Unter den Berufen der Eltern sind sowohl akademische, medizinische, politische und unternehmerische Berufe vertreten, wie auch Fabrik- und Landarbeiter. Anzahlmäßig überwiegen jedoch Berufe, die eher eine höhere Ausbildung erfordern. Die Mehrzahl der Frauen kommt also aus Familien mit hoher Bildung, jedoch sind auch Frauen aus Familien mit sehr einfachen Hintergründen vertreten. Die Rollenvorbilder der Chinesinnen sind Mütter und Großmütter, die beruflich engagiert und erfolgreich waren und in ihren Umfeldern respektiert und angesehen waren.Väter waren oft abwesend und werden nur in Einzelfällen als Vorbilder genannt. Die Mütter vermittelten ihren Töchtern Werte, wie harte Arbeit und Disziplin. Das westliche Modell der Hausfrau spielt in der Sozialisierung der Chinesinnen keine Rolle. Die Frauen wachsen in Situationen heran, in denen sie schnell Verantwortung übernehmen mussten und früh erwachsen wurden. Dabei lernten sie früh, Unbequemlichkeiten zu überwinden und sich durchzusetzen. Aus den Schilderungen zu den Herkunftsfamilien der Chinesinnen wird deutlich, dass ihre Mütter primär Rollenmodelle sind. Die Topmanagerinnen bekamen bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten wie zum Beispiel Disziplin, Fleiß und Durchsetzungsstärke sowie den Umgang mit Macht oder Geld in der Herkunftsfamilie

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vermittelt, die sich später in der Karriere als vorteilhaft herausstellten. Die frühe lange oder zeitweise Trennung von den Eltern, die für China als typisch bereits aus anderen Untersuchungen beschrieben wurde, führte aus der Wahrnehmung der Frauen zum frühen Erwerb weiterer Charakteristika wie Verantwortungsgefühl, Selbstständigkeit und Durchhaltevermögen. In dieser Untersuchungsgruppe überwiegen die geschilderten Charakteristika und Fähigkeiten, die aus dem Lebensumfeld der Eltern, aber auch aus Trennungssituationen bei diesen Frauen resultieren. Die Frauen werten diese Fähigkeiten als relevant für ihren Karriereerfolg. A: Mein Vater ist Buchhalter und meine Mutter war Leiterin eines Unternehmens. Sehr aktiv. Sie war früher Fabrikleiterin oder Firma. Sie ist immer als weibliche Führungskraft aktiv. Sie ist sehr aktiv. Mein Vater ist nicht so ehrgeizig. LI: Obwohl meine Mutter nicht sehr gut ausgebildet war, ist sie tatsächlich sehr aggressiv gegenüber dem Ziel und dem Ergebnis. Was ich meine ist, sie will das Beste erreichen. Egal, für sich selbst oder für ihre Kinder, sie wird nicht zufrieden sein. Sie wird immer wieder sagen, dass ich das nächste Mal die Nummer eins brauchen. So was in der Art. Sie gab mir immer ein höheres Ziel. Sie hat mich immer dazu inspiriert, diese Insel zu verlassen, weil sie bereits ihr halbes Leben auf der Insel verbracht hat. JE: Ich lebte mit meiner Familie im Hof, da waren viele Nachbarn. Grundsätzlich war meine Mutter, die mit dem höchsten Titel. Sie nannten sie immer nett. Professor Wu. Es ist ein bisschen wie ein Scherz, weil man normalerweise in der chinesischen Kultur niemanden mit dem Titel anruft, aber auf eine gute Art und Weise. Ich war sehr stolz. Ich profitierte auch vom Hintergrund meiner Mutter, sie ist Professorin, sie hat immer viele Studenten im gleichen Alter wie wir. Ich nenne sie große Schwester, großer Bruder. Meine Mutter versteht immer, wie die jungen Leute denken. Es ist nicht wirklich wie bei normalen Eltern, die sagen, dass man dies oder das tun muss. Ihre Schüler mögen uns irgendwie. M.M.: Ja, aufs Land. Ich bin in Peking geboren und meinen Eltern gehörten der Regierung an, aber während der Kulturrevolution wurde das alles dem Erdboden gleichgemacht, deswegen mussten wir Kinder sofort aufs Land. Ich wurde weit in den Norden geschickt und war 10 Jahre dort. Am Anfang habe ich Landarbeit gemacht, als normaler Bauer. Viele der Schülerinnen waren gerade in der Mittelstufe und wurden aufs Land geschickt. Wir waren viele Mädchen zusammen. Ich war 15 und habe ungefähr 10 Jahre auf dem Land gearbeitet. Da wurde man schon mal verletzt und ich bin da reingewachsen und stark geworden. Ja, das war schwierig. Von allen, die da aufs Land geschickt wurden, waren die Eltern in einer höheren Position. Insgesamt waren wir 12 Mädchen, jeden Tag hat jemand geweint. Ich habe von Natur aus gewusst, dass weinen nicht hilft und man stattdessen gucken muss, was man machen kann. Nach nicht mal einem Jahr war ich Chefin der Gruppe. ME: Ich denke, meine Eltern motivieren uns, selbst motiviert zu sein. Unsere Studien selber zu machen. Haben uns gesagt, dass sie nicht viel Geld haben. Aber sie könnten uns sicherstellen, dass wir genug Unterricht haben, sodass wir unser Studium fortsetzen können. Also waren wir selbstständig. Wenn wir nicht härter lernen, würden wir Landwirte werden, wie sie. Wir wären Bauern geworden. Dies ist ihre eigene Art, uns zu erziehen. Sie sagten uns, ihr braucht euch keine Sorgen um Geld zu machen. Ihr müsst euch keine Sorgen um den Unterricht machen. Sorgt euch nur um euer Studium. Das ist eure Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es, Geld für euch zu verdienen. Eure Aufgabe ist es, euer eigenes Studium zu verwalten. Meine Eltern arbeiten zweimal härter als andere Bauern in ihrem Alter, weil sie so viele Kinder hatten, die sie ernähren müssen. Und so viele Kinder, die zur Schule gingen. Das ist ungewöhnlich. Es ist ungewöhnlich, dass so viele Kinder in einer Familie zur Schule gehen. Normalerweise schickte man nur den Sohn zur Schule. Mein Vater ist sehr offen. Er denkt, Sohn und Tochter sind gleich, also behandelt er uns gleich.

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C: Als ich sehr jung war, musste ich meine Familie kümmern. Weil mein Vater sehr spät nach Hause kam, weil der Ort, an dem er arbeitete, sehr weit weg ist. Er nahm früher Busse. Er kam immer noch jeden Tag nach Hause, aber er kam sehr spät. Und meine Mutter war ziemlich lange krank im Krankenhaus. Es waren also nur ich und mein Bruder. Ich, als größere Schwester, musste auf meinen jüngeren Bruder aufpassen und auch für die Familie kochen, Wäsche für die Familie machen. Ich denke im Vergleich zu Leuten in meinem Alter, habe ich früh diese Rolle übernommen, mich viel früher um eine Familie zu kümmern.

Ausbildung und Studienabschlüsse der Chinesinnen Der Ausbildungsstand der Frauen ist hoch und lässt eine hohe Lernmotivation erkennen, da viele nach ihren ersten Abschlüssen im Verlauf der Karriere weitere Abschlüsse erworben haben. Betrachtet man die ersten akademischen Abschlüsse der Frauen, überwiegt der Bachelor. Neben den sprachlichen Abschlüssen in Englisch und Französisch ist eine breit gefächerte Auswahl von Bachelor Abschlüssen von chinesischen Elite Universitäten vertreten u. a. in Elektronik, Computer Science, Biologie, Chemie und Law. Nur 22 Prozent der Gruppe gab als höchsten und einzigen Studienabschluss einen Bachelor an, dagegen haben 78 Prozent zusätzlich einen Masterabschluss mit einer Mehrheit von MBA-Abschlüssen. Weitere Frauen machten ihren Masterabschluss in Science, Jura, Geschichte und Physik.Vier der Frauen verfügt über einen MBA äquivalenten Universitätsabschluss in Deutschland, darunter Diplom Kauffrau, Diplom Ökonomin und Diplom in Maschinenbau. Unter den genannten besuchten MBA-Schulen befinden sich weltweit bekannte Universitäten wie u. a. Harvard, ESSEC, Stanford und die in Schanghai ansässige Business School CEIBS. Fünf der Frauen verfügen über zwei oder sogar drei verschiedene Master Abschlüsse. In der Literatur ist der Zusammenhang von Prestige und Ansehen einer besuchten Universität mit dem späteren Karriereerfolg untersucht. Die Frauen wählten zielgerichtet prestigereiche lokale oder internationale Universitäten bzw. qualifizierten sich für diese. CE: Ich denke, dass es Harvard ist, nur um ehrlich zu sein. Ich denke, dass HBS weltweit eine stärkere Marke hatte. INSEAD hat vielleicht eine sehr gute Marke in Europa, aber dann hat HBS weltweit eine bessere Marke, also ging ich zu der besseren Marke.

Ein Drittel der befragten Chinesinnen haben im Ausland studiert. Eine Frau studierte sogar in zwei Ländern außerhalb von China und erlangte dabei auch beide Abschlüsse in den jeweiligen Ländern. Bei den gewählten Ländern für das Auslandsstudium führt Deutschland als günstiges Studienland vor UK, Frankreich, welches als das romantische Studienland gesehen wird, und Singapur. Die USA, Hongkong und Australien wurden von sieben Prozent der Frauen für ein Studium gewählt. In multinationalen Unternehmen in China kommt der Sprachfähigkeit einer Führungskraft große Bedeutung zu. Alle befragten Frauen sprechen Englisch verhandlungssicher und nutzen Englisch täglich in ihrem Arbeitsumfeld. Weitere Sprachen, die die Chinesinnen

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sprechen, sind Deutsch, Französisch, Japanisch und in wenigen Fällen Spanisch, Koreanisch und Italienisch. Die Befragung konnte aufgrund des hohen sprachlichen Niveaus der Frauen ohne Verständigungsprobleme auf Englisch durchgeführt werden. Vier der Teilnehmerinnen bevorzugten Deutsch als Interviewsprache, was ihre sehr guten Kenntnisse bestätigt. Auffällig ist, dass die Frauen, die in einem deutschen oder französischen Multinational arbeiten, auch zu einem großen Teil verhandlungssicher die Sprache des Head Office beherrschen. Die sprachlichen Fähigkeiten waren laut Aussagen der Befragten gerade zu Zeiten der Öffnung Chinas ein enormer Vorteil für potenzielle Führungskräfte, da sie ein Manko bei den ausländischen Führungskräften, die bis heute überwiegend kein Chinesisch sprechen, auffingen. Durch die verhandlungssichere Mehrsprachigkeit haben die Frauen einen Vorteil vor den ausländischen Führungskräften und die Möglichkeit allein über Sprache Entscheidungsspielräume zu gestalten bzw. das Machtvakuum zu nutzen, welches sich aus der sprachlichen Abhängigkeit der Ausländer ergibt.

Kompetenzen und Fähigkeiten der Chinesinnen- global mindsets Es fällt den befragten Chinesinnen sehr leicht eigene Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen zu benennen. Es wird zu diesem Punkt sehr viel berichtet, die Schilderungen kommen ohne Zögern und sehr ausführlich. Keine der Frauen wirkte zurückhaltend, bescheiden oder schüchtern. Superlativen in den Schilderungen waren keine Ausnahme. A: Ich bin die beste Personal-Expertin in China.

Die Chinesinnen nutzen Systemverständnis, also das Verstehen unterschiedlicher Interessensgruppen im Unternehmen und der globalen Strukturen als Karrierebaustein. Dazu gehört auch das richtige Auswählen von Mitarbeitern und Nachfolgern, um das eigene interne Netzwerk zu sichern. Die tiefe Expertise im China-Business in Verbindung mit globalem Expertenwissen, wird von ihnen als Wettbewerbsvorteil vor anderen Kollegen betont. Eng damit verbunden sind die Fähigkeit und der Wille zu lebenslangem Lernen. Sie besitzen einen Kommunikationsstil, den sie dem Umfeld anpassen können, sei es im chinesischen oder globalen Kontext. Die stärkste und herausragende Kompetenz der chinesischen Frauen im Senior Management, die sich aus der hier zugrunde liegenden Analyse ableiten lässt, ist ihr global mindset und die damit verbundene interkulturelle Kompetenz wie sie von Black und Tucker beschrieben wird. Gemeinsam ist den Frauen eine sehr offene, positive und neugierige Einstellung zu fremden Kulturen, der Wunsch viel über sie zu lernen und zu begreifen. „Initial idea of working with foreigners was the idea of freedom“ so beschreibt eine Teilnehmerin ihre ursprüngliche Erwartungshaltung an die Werte in einem Multinationalen Konzern. Dabei ist allen Frauen eine große Neugierde gemein, gemischt mit sehr positiven Annahmen und Erwartungen an die Ausländer und an deren Arbeits-

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weisen und Managementstile. Die Teilnehmerinnen formulierten häufig ihre Zielvorstellung im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Ausländern. Hier stand an vorderster Stelle das Ziel, mit anderen Nationalitäten gut zusammenarbeiten zu können und auch Mitarbeiter andere Nationalitäten gut führen zu können. Als weiteres Ziel wurde genannt, dass man von den Ausländern lernen wolle und sich daher auf ihre Stärken konzentriere. „Chinesische Frau zu sein unter Ausländern“ ist aus Sicht der befragten Frauen einer der größten Vorteile, den sie mitbringen, um ihre Karriere in Multinationalen Unternehmen in China auszubauen. Damit ist, über das reine Verständnis von Sprache und der Fähigkeit auf Unternehmensleitungsebene in mehreren Sprachen zu kommunizieren zu können, die Fähigkeit gemeint, sich in die Kultur der ausländischen Entscheider im Unternehmen nicht nur einfühlen, sondern auch adaptieren zu können. Ausgeprägt ist bei allen Frauen die Fähigkeit, sich auch der Kultur des Head Offices anzupassen. Am wichtigsten für den Karriereverlauf wird jedoch die Fähigkeit gewertet, zwischen den Kulturen „wandern“ und agieren zu können und diesen Vorteil strategisch für sich zu nutzen. Die Literatur spricht in diesem Zusammenhang von „moving easily between cultures“. Es ist eine besondere Fähigkeit der interkulturellen Flexibilität, die sich durch alle Mitglieder der Studiengruppe zieht und prominent aus den Beschreibungen hervorgeht. Die Chinesinnen haben diese Kompetenz als einzige unter den insgesamt fünf Ländergruppen dieser Forschung in diesem hohen Ausmaß. Sie besitzen das, was der Wissenschaftler Black meint, wenn er global Mindsets auf den verschiedenen Ebenen definiert- interkulturelle Business Expertise, Charakter, Perspektive und positive Neugierde. V: Meine Fähigkeit zu wissen, wohin das Geschäft geht, es zu antizipieren, meine Handlungen in die gleiche Richtung zu lenken, die kommenden Veränderungen zu riechen. M. M.: Ok, nach 5 Jahren wusste ich, dass ich viel geleistet hatte, aber auch, dass ich noch mehr kann. Und dann habe ich der Firma einen Vorschlag gemacht. Wir haben Papier in der Provinz produziert, aber auch in Deutschland. Warum sollten wir nicht auch Papier aus Deutschland nach Asien verkaufen und ich habe vorgeschlagen, in Hongkong ein Büro zu machen, welches ich neben dem Joint Venture auch leiten würde. Damit nicht nur unsere chinesischen, sondern auch unsere deutschen Produkte nach Asien verkauft werden. MI: Innovation ist nicht wirklich wichtig, aber visionär ist wichtig. Die Menschen müssen ein größeres Bild haben und sich vorstellen, wie Ihre nächsten 5 oder 10 Jahre aussehen sollen. Nicht nur auf Ihrem Karriereweg, sondern auch auf anderen Dingen, die Sie täglich erledigen. Im Unternehmen nicht in zu kleinen Bereichen bleiben. A: Sie müssen die Ursprungskultur entschlüsseln in einem multinationalen Unternehmen, sie verstehen.

Die Vielzahl und Genauigkeit der Beschreibungen kultureller Unterschiede, die die Frauen während ihrer bisherigen Karriere erleben und erlernen konnten, sind vielfältig. In den Interviews finden sich detaillierte Beschreibungen von kulturellen Besonderheiten im Arbeitsstil, der Kommunikation und von beobachteten Wertehaltungen. Die befragten Frauen haben eine große kulturelle Sensibilität und Beobachtungsgabe, denn sie können differenzierte Betrachtungen zu den Besonder-

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heiten unterschiedlicher Nationalitäten genauestens beschreiben. Die Beobachtungen beziehen sich auf den Managementstil, die Kommunikation, Arbeitsorganisation und persönliche Wertehaltungen. Es erfolgen Reflektionen zum eigenen Managementstil und zu Übereinstimmungen und Abweichungen mit einzelnen Nationalitäten und bei vielen Frauen im Vergleich zu mehreren Nationalitäten. Sie beschreiben die Stärken der Ausländer in Fähigkeiten oder Denkweisen im Vergleich zur eigenen Kultur und reflektieren Schwächen bzw. Überlegenheit der chinesischen Kultur. Auffällig ist dabei die durchgehend positive und auch humorvolle Art, mit der die Frauen kulturelle Besonderheiten wiedergeben. MI: Der Chinese sagt 70, der Deutsche 100 und der Amerikaner 120- für 100.

Es gelingt den Frauen, Unterschiede zwischen den Kulturen sehr detailliert zu erfassen und sich daraufhin zu adaptieren. Damit ist ihre größte Fähigkeit zwischen den verschiedenen Welten China und deren der Ausländer „wandern zu können“ und dieses mit Freude und unter Nutzung der positiven Stärken der jeweilig anderen Kultur. Das ist es, was interkulturelle Experten unter der Nutzung von Unterschieden verstehen. Es ist eine proaktive Haltung, die, wie Rosinski beschreibt, nach Juwelen in der einen Kultur sucht und nach Schätzen in anderen. Das Thema „Vertrauen“ wird in diesem Kontext immer wieder angesprochen, jedoch vermehrt bei den Frauen, die für deutsche Unternehmen arbeiten. Konkret äußern einige Teilnehmerinnen die Beobachtung, dass deutsche Führungskräfte eher Deutschen vertrauen, vor allem dann, wenn es um die Besetzung von Spitzenpositionen geht. Somit ist die eigene Nationalität, wenn es um das Thema Vertrauen geht, eher ein Wettbewerbsnachteil. Dieser Nachteil ist jedoch ausgeprägter gegenüber Männern und greift bei Frauen wohl erst ab der Geschäftsleitungsebene. Gegenüber ihren männlichen chinesischen Kollegen haben sie eindeutige Vorteile als Frau, da ihnen mehr Vertrauen geschenkt wird als männlichen Kollegen. Somit wird der Aufbau von Vertrauen als weitere wichtige interkulturelle Kompetenz der Frauen mehrfach beschrieben. Aus den Beschreibungen lässt sich auf eine große Fähigkeit zur Empathie für kulturelle Besonderheiten schließen. Außerdem ist eine hohe Anpassungsgabe an die jeweils benötigte Seite gegeben. Dazu kommt, das hohe Verständnis des eigenen Marktes und die Fähigkeit für die Ausländer Brücken zu bauen. Letztendlich ist es aber die Fähigkeit zur kulturellen Adaptation der Frauen oder, wie es interkulturelle Forscher definieren, die Fähigkeit zur kulturellen Transformation, die die besondere Fähigkeit der Frauen dieser Gruppe ausmachen. In anderen Worten: Die chinesischen Topmanagerinnen haben global mindsets.

Hohe Bedeutung von Karriere für die befragten Chinesinnen Karriereerfolg ist eine zentrale Dimension zur Beschreibung von Karrieren. Die Frage, welche Bedeutung Karriere für Frauen im Management hat, hängt im Wesentlichen

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auch damit zusammen, was sie unter Erfolg verstehen und wie zufrieden sie mit dem Erreichten sind. Bei den objektiven, von außen klar messbaren Erfolgskomponenten werden „gute Ergebnisse, Effizienz und das Erreichen hoher Ziele“ von den Chinesinnen als Begriffe zur Beschreibung verwendet. Begriffe, die dem subjektiven Karriereerfolg zugeordnet werden können, sind „Erfüllung, Freude und persönliche Zufriedenheit“. Der Einsatz für andere und die Unterstützung anderer steht bei den Chinesinnen zahlenmäßig an dritter Stelle der Nennungen im Zusammenhang mit ihrer Definition von Erfolg. Vor allem Single Frauen nennen hierbei auch soziales Engagement. Danach wird ein gutes Familienleben genannt, allerdings anzahlmäßig mit weit weniger Nennungen als die zuerst genannten Aspekte. Entsprechend der vier zentralen Konzepte von Karriereerfolg – Effektivität, Glück, Nutzen und Zufriedenheit- werten die Chinesinnen also Erfolgsfaktoren, die sich Aspekten von Effektivität zuordnen lassen, genauso hoch wie das subjektivere Konzept von Zufriedenheit und Glück. In Bezug auf ihre Karriereorientierung teilt sich die Gruppe zahlenmäßig gleich auf zwischen Frauen, die eindeutig den beruflichen Erfolg voranstellen und Frauen, die nach einer Balance von beruflichem und privatem Erfolg streben. Der Teil der Frauen, für den der berufliche Erfolg wichtiger ist, beschreibt seine Grundhaltung wie folgt: „zu Hause bleiben ist keine Option, ich wähle immer die Arbeit zuerst, Unabhängigkeit“. Erfolg wird von diesen Befragten tendenziell als rein berufliche Komponente gewertet. Arbeit wird als sehr wichtiger Faktor für Zufriedenheit und Glück gewertet. Kinder als alleiniger Lebensmittelpunkt sind für alle Frauen in der Studie nicht ausreichend. Der Selbstwert der Befragten ist eng verbunden mit ihrem Karriereerfolg. „Arbeit sei wichtiger, als es ihnen lieb sei“ und „man habe Blut geleckt“ sind Aussagen, die in diesem Zusammenhang fallen. Im Vergleich zu den Single Frauen der Gruppe stufen die Mütter die Familie zwar als Faktor für Glück und Zufriedenheit etwas höher ein. Tendenziell nimmt die Karriere doch bei allen Frauen dieser Studie einen sehr großen Stellenwert ein und ist essenzieller Bestandteil des Selbstwertes. Auch bei den Frauen, die sich für die Balance aussprechen, gibt es viele die schildern, dass sie in den frühen Phasen der Karriere nur den beruflichen Erfolg im Fokus hatten. Erst mit höherem Alter und ihrem Aufstieg sei ihnen bewusst geworden, dass auch Erfolge im eher privaten Bereich für sie eine Rolle spielen. C.: Ich denke, dass es für mich eher beruflichen als privaten Erfolg ist. Mein Privatleben ist sehr einfach. Ich habe keine eigene Familie. Ich habe meine Mutter und meinen Bruder und verbringe bisher nicht viel Zeit damit, mir Sorgen, um sie zu machen, nur manchmal. Ich habe eine sehr einfache Familie und ein einfaches Privatleben. Ich denke, mein privates ist mein kirchliches Leben. Ich versuche, ein Gleichgewicht zu halten, aber für mich ist Erfolg eher beruflichen Erfolg. X.: Um ehrlich zu sein, ich wollte in den letzten 20 Jahren ein sehr professioneller Manager in einem multinationalen Unternehmen sein, Fähigkeiten entwickeln, verschiedene Arten von Fähigkeiten. Nur in jüngerer Zeit denke ich manchmal, ich möchte eine gute Familie haben. Ich fing an, die Arbeit und meine Familie in Einklang zu bringen. Und darüber nachzudenken, ob ich beruflich nach Großbritannien oder in die USA gehen soll? Z.: Weil Hauptziel ist das Arbeiten und das Hauptziel in meinem Leben ist auch arbeiten. Ich habe gesagt, ich habe eine „Karte“ im Kopf und es macht mir Spaß, sie Stück für Stück zu erobern. Private

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Ziele habe ich nicht so viele. Private Hobbys habe ich auch nicht so viele. Außer regelmäßig Sportmachen und Reisen habe ich eigentlich keine privaten Geschichten. A.: Ich genieße meine Karriere sehr. Wirklich sehr. Deshalb fühle ich mich immer noch energiegeladen, wenn ich jeden Tag hierherkomme, um zu arbeiten. Ich genieße auch mein persönliches Leben sehr. Ohne mein persönliches Leben hätte ich wahrscheinlich nicht die Energie. Das wird immer wichtiger. Eines Tages erinnere ich mich, dass ich in einem Führungstraining war und der indische Meditationsmeister uns allen eine Frage stellte. Können Sie sich fünf Jahre, zehn Jahre später vorstellen, wie dann Ihr Büro aussieht? Interessant fand ich, dass mir ungefähr fünf Minuten später, als ich tief nachgedacht hatte, auffiel, dass in der Vergangenheit in meinem Büro in XY keine Familienfotos hatte. Alle XY Fotos der Unternehmensfeiern, XY Trophäen, XY Dinge, es sind alles XY Souvenirs überall. Sie hatten Recht. Als ich von XY wechselte, fing ich an, Familienfotos aufzustellen. Kleine, große Familienfotos. Die kleinen Notizen meiner Söhne und auch Grüße meiner Kollegen, Postkarten aus aller Welt. Und meine Trainingspartner schicken Weihnachtskarten und ich behalte jede. Ich habe noch ein oder zwei Trophäen, die mich an meine Karriere erinnern. Dies ist ein Teil meines Blutes, aber es sind nicht alles nur Unternehmenssachen. C.: Ich denke, das ist das Problem für die meisten Chinesen. Wir verbinden einfach unser berufliches und unser persönliches Leben. Ich glaube, ich hatte meine Definition von privatem Erfolg nicht. Ich dachte immer, dass Karriere das ist, was ich besser tun kann. Aber ich denke, seit dem letzten Jahr habe ich einige Veränderungen vorgenommen, kleine Veränderungen an mir selbst, die mich mit meinem Privatleben zufriedener machen. Ich habe ein Hobby aufgegriffen, die chinesische Kalligraphie. Dadurch fühle ich mich als Person besser, weil ich vorher kein Hobby hatte. Was Ausländer sehr seltsam finden. Weil wir so erzogen werden. Eltern bitten dich nur, dich auf dein Studium zu konzentrieren. Also ein sehr kleiner Schritt, aber eine große Bedeutung für mich, dass ich etwas habe, um mich zu identifizieren. Für das Privatleben denke ich, ich werde weiter darüber nachdenken und definieren, was Erfolg für mich bedeutet. Zuerst denke ich, dass ich beruflich und privat getrennt habe, jetzt denke ich darüber nach.

Dieses ist insofern interessant, als die meisten Frauen der Studie, die nicht im Ausland gelebt haben, nach heutigen westlichen Maßstäben relativ jung, also im Durchschnitt mit 23 – 25 Jahren, Mütter geworden sind. Mutter zu sein in jungen Jahren hat die Einstellung zur Karriere nicht geändert. Die Frauen beschreiben sich, in ihren jungen bis ca. Anfang vierziger Jahren, unabhängig von ihrer Mutterrolle als primär karriereorientiert. Die Chinesinnen ähneln mit dieser Gewichtung eher Männern, die sich lange Zeit ihres Lebens auf Karriere konzentrieren und oftmals dem Privatleben erst in späteren Lebensphasen einen größeren Stellenwert einräumen. Die Aussagen gehen in dieselbe Richtung wie eine von Gangrose zitierte Studie über Werte und sozialen Status, die 2001 von Readers Digest veröffentlicht und mit 1.550 chinesischen Frauen aus Taipei, Hongkong und Schanghai durchgeführt wurde. Mit 81 Prozent bewerteten hier vor allem die chinesischen die Frauen aus Schanghai die Bedeutung von Karriere als sehr hoch, vor den Frauen aus Taipei (66 Prozent) und Hong Kong (61 Prozent). Familie war jedoch bei allen Frauen dieser Befragung ein unumstrittener, hoher Wert. Es sind die Chinesinnen mit zwei Kindern, die Balance von beruflichem und privatem Erfolg als ihr Wunsch-Ziel angeben. An der Zeit, die sie mit den Kindern verbringen können, wird der private Erfolg oder Misserfolg gemessen. Eine Frau beschreibt das Konfliktfeld mit den Worten „man kann nicht alles haben“. Auffällig sind

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Gewissenskonflikten bei Frauen in der Studie, die längere Zeit in Deutschland gelebt haben oder einen ausländischen Partner haben. J.: Privat beschreibe ich mich nicht so erfolgreich, weil ich zu wenig für mein Kind da bin. Ich versuche, mir möglichst viel Zeit für meine Eltern zu nehmen, die sind beide über Siebzig. Mit denen fahre ich immer zusammen in Urlaub. Ich habe eine Wohnung für meine Eltern gekauft. Ich nehme die immer mit, wir waren zusammen in Hawaii. Ich finanziere komplett die Urlaube. Ich versuche immer, so oft ich kann, es zu ermöglichen. Also mein Sohn nennt mich immer noch eine gute Mutter. Ich versuche am Wochenende nicht ins Büro zu fahren und keinen Laptop mit nachhause zu nehmen. Ich versuche mir möglichst viel Zeit für ihn zu nehmen und ich gebe ihm sehr viel Freiheit. Die typische chinesische Mutter gibt nicht so viele Freiheiten. Ich diskutiere die Sachen mit ihm, denn mit sieben hat er schon viele eigene Ideen, eigene Gedanken. H.: Privater Erfolg finde ich für mich sehr einfach. Für mich ist es, für meine Kinder da zu sein. Ich bin sehr überzeugt, dass ich meine Kinder nicht delegieren will. Ich trainiere ihre Hausaufgaben. Ich stelle dafür keine Tutoren ein. Für mich ist das so, wenn man da nicht dabei ist, macht man einen Fehler. M.: Ich denke, beruflicher Erfolg hängt von der Arbeit ab. Hast du das Ergebnis geliefert? Hast du Leute motiviert? Die Leute arbeiten hier, arbeiten hart und arbeiten auch glücklich, denn ohne das wird es bedeutungslos. Ich möchte hart arbeiten und glücklich dabei sein. Solange Sie ein Ergebnis erzielen, genießen Sie den Prozess. Manchmal ist der Prozess schmerzhaft, aber sobald Sie das Ergebnis erreichen, fühlen Sie sich glücklich. Mit dem professionellen Ergebnis ist Gehalt verknüpft. Sie erhalten Ihr Gehalt, damit Sie einen Beitrag zur Familie leisten können. Für den Familienerfolg, das Glück der ganzen Familie. Einschließlich des Ehemanns, der Kinder und sogar der Schwiegereltern. Wir leben gerne zusammen. Besonders würde ich sagen, dass ich die meiste Zeit das Gefühl habe, dass mein Glück von meinen Kindern kommt und nicht von mir. Wenn ich sehe, dass sie glücklich sind, bin ich glücklich. Und ich versuche auch, zu verstehen, was sie brauchen und versuche zu bekommen, was sie brauchen.

Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit dem Thema Erfolg immer wieder auftaucht, wenn auch hier nicht an erster Stelle, ist die Anerkennung durch andere. Der Respekt von Mitarbeitern und Vorgesetzten ist für einige Frauen unmittelbar mit der eigenen Definition von Karriereerfolg verbunden. Im Hinblick auf ihre Zufriedenheit mit dem Karriereerfolg äußern sich die Befragten positiv und dankbar mit dem Erreichten und präzisieren ihre Zufriedenheit im Bereich von 80 – 100 Prozent. Sie sind also bis auf wenige Ausnahmen insgesamt zufrieden mit dem Erreichten. Bei vielen besteht allerdings der Wunsch, noch mehr zu erreichen. Dafür werden Beispiele genannt, wie etwa „den nächsten Schritt zu erreichen, noch mehr zu lernen, Verbesserungen im Unternehmen durchzusetzen oder höhere Umsätze zu erzielen“. Eine Frau reflektiert, dass sie das tun wolle, was sie bisher nicht umgesetzt habe. Mehr als die Hälfte der Chinesinnen, die ja bereits hohe Funktionen erreicht haben, benannten für die Zukunft ein weiteres hierarchisches Aufstiegsziel, verbunden mit klaren Positionswünschen wie z. B. CEO, Board Member oder eine hierarchisch hohe Rolle in der Unternehmenszentrale in Übersee, was wiederum die hohe Karriereorientierung verdeutlicht.

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C.: Ich sehr dankbar für das, was ich getan habe und ich denke, dass ich auch Glück hatte und bin sehr dankbar. Also, ich bin zufrieden und ich will mehr machen. Es ist in Ordnung, wenn ich mehr tun möchte, mehr tun, um auf größere Weise einen Beitrag zu leisten. S.: Privater Erfolg ist eine glückliche Familie. Familienmitglieder, die sich auf Sie verlassen. Dann hast du eine Verantwortung, die ich für gut halte. Im Berufsleben ist meiner Meinung nach vielleicht die richtige Position. Eine höhere Position. Sie könnten ihren Erfolg zeigen. Zweitens, dass Sie von den vielen Menschen wirklich anerkannt werden. Vom Chef, vom Top-Management gut angenommen und respektiert zu werden. Von den Kollegen. Von den Menschen. Ich denke, das ist Erfolg.

Führungsmotivation, Umgang mit Macht und Wettbewerb Bei den Beschreibungen der Frauen zur Führungsmotivation spielen die Aspekte Vorbild sein zu wollen, Verantwortungsbereitschaft und die Beeinflussung anderer, sowie die Wahrnehmung von Macht die primäre Rolle. Immer wieder nennen die Frauen das Erreichen einer respektierten Vorbildrolle als vorherrschende Motivation. S.: Ich denke, ich möchte eine Person sein, die meine Kollegen als sehr professionell ansehen, die sie unterstützt, von der man lernen kann, erfolgreich zu sein. Es ist mehr als nur Leistung. Die Person zu sein, die ihnen wirklich helfen kann, erfolgreich und sehr professionell zu sein.

Daneben spielt ehrliches und großes Interesse an den Mitarbeitern eine Rolle. Die Frauen sehen ihre Verantwortung in der Unterstützung der Mitarbeiter, damit diese sich entwickeln können. Außerdem wollen sie Mitarbeiter motivieren. Chen beschreibt traditionelle chinesische Führungsprinzipien, die Ursprung dieser geschilderten Motivation sein könnte. „Chinese leaders should establish himself by promoting the success of the follower and enrich followers by extending to them opportunities to build their careers“. Dieses steht im Einklang mit den Beschreibungen der Frauen, die andere fördern wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die Frauen Delegation, klare Vorgaben oder Coaching situationsgebunden ein. Die Antworten auf die Frage zum eigenen Verhältnis zur Macht und den Stellenwert des Umganges mit Macht auf die eigene Karriere lassen auf eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema schließen. Viele der Frauen glauben, dass weibliche Führungskräfte in China sehr gut mit Macht umgehen können und dabei besser sind als die männlichen Kollegen. Ein starkes, positives Verhältnis zur Macht wird wiederum auf die eigene Erziehung und Erfahrungen in der Jugend zurückgeführt. Eltern in Machtpositionen vermitteln danach schon früh, wie man später mit Macht umgehen kann. Dabei spielt den Schilderungen zu Folge ein angstfreier Umgang mit Macht eine wichtige Rolle. M.M.: Das kommt aus der Kulturrevolution. Meine Eltern kommen aus der Regierung, mein Vater hatte Macht und meine Mutter hatte Macht. Ich habe immer gesehen, wie kraftvoll die sind, auch wenn ich selbst keine Macht hatte. Ich habe immer sehr viele Menschen in höheren Positionen gesehen und gehört, das sind für mich normale Menschen. Ich hatte nie Angst vor dem großen Chef,

2.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der Chinesinnen

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weil ich den von klein auf gewohnt war. Alle sind für mich gleich. Manchmal stört das bei Firma XY auch wahrscheinlich, weil ich bei jedem großen Meeting einfach sagen kann, was ich denke. Hauptsache keine Angst. Meine Firma sagt, die Frau hat keine Angst, die ist zu mutig. Keine Angst. Ich habe keine Angst.

Die Frauen betonen in diesem Zusammenhang die Verantwortung, die mit Macht einhergeht. Einige stellen fest, weniger Macht zu haben als es Außenstehende und Unternehmensangehörige aufgrund ihrer Position annehmen, da das Unternehmenssystem mit seinen Regeln allgemein die Macht im System einschränkt und begrenzt. Auf der anderen Seite kamen Beispiele wie Entlassungen und Einstellungen als Beispiel für den großen Machtradius z. B. bei Personalleiterinnen und Geschäftsführerinnen. Als persönliche Zielsetzung geben die Frauen an, dass sie ihre Macht sensibel nutzen wollen und nicht ausnutzen wollen. Macht solle fair angewendet werden und transparent. Die Frauen unterscheiden hierarchische Macht bzw. Positionsmacht und Macht im Sinne von Kommunikationsfähigkeit und Durchsetzungsstärke. Sie nutzen hierarchische Macht und bezeichnen sie als eher unkompliziert, wollen sie aber nicht als primäres Instrument einsetzen. Hierarchische Macht wird von ihnen genutzt, wenn Dinge schnell entschieden werden sollen. Viele wollen hierarchische Macht eher selten anwenden, „nur wenn nichts anderes mehr geht“. Zu häufige Anwendung von hierarchischer Macht wird gleichgesetzt mit „nicht reifem Führungsverhalten“. Bei der den berufsbezogenen Dimensionen des Bochumer Inventar zur Persönlichkeitsbeschreibung von Hossiep, BIP, angelehnten Analyse der Transkripte der Interviews konnten die meisten verdichteten Selbstbeschreibungen der Chinesinnen den Bereichen Leistungsmotivation, Führungsmotivation, Flexibilität und Teamorientierung zugeordnet werden. Zahlenmäßig am meisten Nennungen der Frauen kommen aus der Dimension Leistungsmotivation. Unter Leistungsmotivation wird die Bereitschaft verstanden, sich an einem hohen Gütemaßstab zu orientieren, die eigene Leistung kontinuierlich zu messen, sich mit anderen zu vergleichen und sich gegebenenfalls zu steigern. Die Frauen der Studiengruppe beschreiben sich als ehrgeizig, mit hohen eigenen Zielen und Maßstäben und als sehr am Erfolg orientiert. Eine Frau bringt diese hohe Zielmotivation so auf den Punkt: J.: Ambition. Ich denke, dass ich eine sehr ehrgeizige Person bin. Ich möchte jemand sein, weil ich in XY mit vielen klugen Leuten gearbeitet habe. Ich möchte mein Chef sein. Das denke ich immer. Ich möchte am Ende des Tages mein Chef sein.

Die Ziele „die Beste zu sein“ und „außergewöhnlich zu sein“ werden zahlreich als Antrieb für die Karriere genannt. Die Frauen erläutern, dass der Ursprung hierfür ihrer Meinung nach in der Kindheit und ihrer Erziehung liege. Ziel der Erziehung in der Schulzeit war bei den Frauen die Nummer eins in der Klasse zu werden. Dabei wurden sie als besonders begabt identifiziert und weiter in Richtung Bestleistung von Lehrern und Eltern beeinflusst.

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

A: Das ist sehr interessant. Als ich jung war, war ich in den Augen des Lehrers immer eine gute Schülerin. Immer oben. Vielleicht sollte ich in den Augen meiner Lehrer so sein. Ich weiß es nicht. Alles, was ich tat, sollte hervorragend sein. Das ist vielleicht der Anfang, in der Kindheit. Ich sollte ein Vorbild sein. Wahrscheinlich beeinflusst mich das – bei allem, was ich tue, sollte ich ein Vorbild sein. M.: Ja, ich erinnere mich sehr gut, als ich 8 Jahre alt war. Ich sagte allen, ich wollte wie Marie Curie sein. Die Frau, die den Nobelpreis für Physik gewann, die Frau, die zusammen mit ihrem Ehemann in der Quantenphysik war. Ich wollte wirklich Wissenschaftlerin werden, ich wollte Physikerin werden, um viel zu forschen und die Regeln des Universums herauszufinden. Das oder eines Tages Professorin zu sein, das war mein ursprünglicher Traum. Und ich war sehr gut im abstrakten Denken, also las ich viel Physik, wie Einstein, als ich jung war. J.: Erstens, wollte ich schon immer was Besonderes machen. Der Grund, warum ich damals nach Deutschland wollte, war die Angst schon mit 20 vorhersehen zu können, wie mein Leben in den nächsten 20 Jahren verlaufen würde. Wie das meiner Eltern. Schule, Studium, Job. Ein relaxter Job, gut angesehen, nicht besonders gut bezahlt, aber auch nicht so, dass wir hungern mussten. Das wollte ich einfach nicht. Ich wollte einfach was Wertvolles, was Anderes haben.

In der Mehrheit berichten die Befragten, dass Wettbewerb für sie ein Antrieb sei. Wettbewerb wird von ihnen generell als sehr positiv bewertet. Wettbewerb ist, aus Sicht der Chinesinnen, Quelle eigener Inspiration, etwas, was sie stärker macht und wovon sie lernen. Viele benutzen den Begriff „angenehm aufgeregt über einen fairen Wettkampf“ bzw. interpretieren es als Wettbewerb mit sich selber, um besser zu werden. Stärke gewinnen, Durchsetzungskraft, aber auch eigene Härte werden als Ergebnis von Wettbewerbssituationen beschrieben. V.: Wettbewerb? Manchmal kann der Wettbewerb dich stärker machen. Der Konkurrent hat vielleicht irgendwie eine Stärke, die du nicht hast. Sie sollten sich und ihn ganz offen beobachten und wissen, was er besser macht, und Sie sollten von ihm lernen. Ich denke, der einzige Weg, sich der Konkurrenz zu stellen, besteht darin, sich selber stärker zu machen. Also Wettbewerb finde ich okay. Wenn Sie stärker sind, wirklich stärker, sollten Sie die höhere Position einnehmen.

Den Ursprung dieses positiven Umgangs mit Wettbewerb führen sie wiederum auf ihre Sozialisation zurück. Beispiele aus der Schulzeit und dem Studium werden gebracht. Schon hier wollten die Frauen „die Nummer eins“ sein. Gewinnen ist für sie sehr positiv besetzt, ein hoher Wert. Viele erzählen von Kinderspielen, wie Karten- oder Tischtennisspiele. Und sie beschreiben ihre Unfähigkeit als Verlierer hervorzugehen bzw. schildern Träume wie „ich wollte Tischtennis Weltmeisterin werden“. Bei vielen nahmen neben der Schule und anderer Kindergruppen die Eltern starken Einfluss auf die positive Einstellung zum Wettbewerb. Als Motivation zum Wettbewerb werden Erfolgswille und das Ziel, mehr Einfluss zu gewinnen genannt. Eine weitere Motivation wurde als das Glücksgefühl beschrieben, welches sich einstellt, wenn man gewinnt. Die Frauen wünschen sich, dass es ein fairer, guter Wettbewerb ist. Dieser hat dann gute Ergebnisse und Leistungen für das Unternehmen zum Ziel. Unfairer Wettbewerb wird von den Befragten abgelehnt. Dem Gewinner und fachlich Besseren gebührt Respekt und wird der Aufstieg gegönnt. Weniger als ein Viertel der Chinesinnen haben eine eher ablehnende Wertung zum Wettbewerb mit anderen. Typische

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Erklärungen lauten dazu beispielsweise, dass es ihnen unangenehm sei. Diese eher zurückhaltende Einstellung zum Wettbewerb bei dem kleineren Teil der Gruppe könnte auf kulturelle Hintergründe zurückzuführen sein, die sich nach Hofstede aus der eher kollektivistischen Orientierung in China zurückzuführen sein. Danach würde der Wunsch nach Wettbewerb eher nicht in Einklang stehen mit der traditionellen Orientierung an der Gruppe. C.: Das ist eine lustige Geschichte, aber sie hilft mir, meine Wettbewerbsseite zu erklären. Als ich klein war, spielten wir Karten. Wenn ich das Gefühl hatte, in diesem Spiel nicht zu gewinnen, würde ich aufhören. Ich würde nicht mehr mitmachen. Ich würde Gründe finden zu sagen, dass ich heute krank bin. Wenn es so aussah, als ob ich ein Spiel gewinnen würde, machte mich das sehr aktiv in der Teilnahme. Später in der Arbeit wollte ich immer der Beste sein. Ich möchte immer die höchste Punktzahl haben. Sei die Beste, um erkannt zu werden. Das war auch ein Teil des Problems, als ich eine Führungskraft wurde. Ich konnte die Menschen, die sich von mir unterscheiden, wahrscheinlich nicht wirklich schätzen. Ich würde die Leute ermutigen, sich Herausforderungen zu stellen und aggressiv zu sein. Ich konnte diese introvertierteren Stile wahrscheinlich nicht vollständig schätzen. Später habe ich natürlich dazu gelernt. Von Natur aus bin ich tatsächlich wettbewerbsfähig. Später habe ich gelernt, diese Seite von mir besser zu managen. Ich bin wirklich aufgeregt, wenn ich die Chance habe, an Wettkämpfen teilzunehmen. Aber das muss ich gut nutzen. H.: Was mich antreibt, ist, dass ich eine sehr wettbewerbsfähige Person bin. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, wie ich erzogen wurde. Die Erwartungen meiner Eltern an mich. Ich wollte erfolgreich sein. Ich wollte mehr Einfluss haben. Ich wollte mein Wissen anwenden. X.: Männer glaube ich, haben mehr Angst, das Gesicht zu verlieren, deshalb muss man vorsichtiger sein, weil sie Männer sind. Aber Frauen, einige Regionalmanagerinnen sind sehr hart nach meiner Beobachtung. Sie sind aggressiv. Andernfalls würden sie nicht in dieser Position sein. Sie sind sehr wettbewerbsfähig. Sehr, sehr wettbewerbsfähig. Sie erkennen nicht, dass sie sehr wettbewerbsfähig sind. Sie haben keine Angst, das Gesicht zu verlieren, weil sie so wettbewerbsfähig und aggressiv sind. Sie wehren sich und wollen gewinnen. Sie wollen immer gewinnen. Wenn man Frau und Mann in derselben Position ist, ist die Frau normalerweise 3x stärker als der Mann. Dies ist der Kommentar meines Chefs vor 10 Jahren. Wenn ich mir diese Frauen ansehe in meinem Team, werde ich sie daran erinnern, dass sie so wettbewerbsfähig sind und ihre Kollegen sich möglicherweise nicht so wohl fühlen, damit umzugehen. Ich werde sie daran erinnern. M.: Als ich älter wurde, war die Konkurrenz nicht mehr so offensichtlich. Niemand konkurriert noch mit mir um eine bestimmte Sache. Also konzentriere ich mich mehr auf mich. Mit anderen Worten, ich konkurriere jeden Tag mit mir selbst, ob ich besser sein kann als zuvor. Es ist auch die Reife des Alters. Im Ernst, man konkurriert mit niemandem mehr. Deshalb war meine erste Frage, mit konkurrieren? Q.: Für mich geht es mehr um Inspirationsquelle, weil ich immer gedacht habe, dass ich Dinge aus solchen Situationen lerne. Ich denke, dann hängt es davon ab, wie das Spiel gespielt wird. Die meiste Zeit bin ich positiv aufgeregt, wenn es ein faires Spiel ist, das die Person spielt. Wenn nicht, könnte ich mein Interesse verlieren. Fühle mich ein bisschen frustriert, wenn es nicht so ist, wie ich es erwartet hatte. Wie zum Beispiel, wenn ich mit Vernunft streite und die andere Person eher emotional ist, verliere ich das Interesse.

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

Finanzielle Motivation der Chinesinnen: Unabhängigkeit Im Rahmen der Äußerungen zu ihrer Karriere Motivation werden auch extrinsische Motive genannt. In diesem Zusammenhang kam bei einigen Interviews das Gespräch auf den finanziellen Anreiz des Aufstieges in höhere Positionen. Dieser Faktor wurde vor allem am Anfang der Karriere als einer der wesentlichen Motivationsfaktoren sehr offen benannt. Die Frauen betonen ihre gute Verhandlungssicherheit und eine hohe finanzielle Zielsetzung. Geld als Motivator im Zusammenhang mit Karriere ist in China gesellschaftlich akzeptiert. Alle Frauen gehen mit der Frage offen und direkt um. Wichtige Ziele im Zusammenhang mit der Steigerung ihres Gehaltes als Folge des Aufstiegs im Unternehmen sind die Absicherung der Familie, die eigene finanzielle Unabhängigkeit von anderen, und hier vor allem vom Ehemann, und die Stärkung der eigenen Position in der Familie. Die Frauen berichten von, entsprechend des rasanten Wachstums in China in den 1990er-Jahren, rasanten Steigerungen ihrer Einkommen ausgehend von niedrigen Einstiegskonditionen bei der Öffnung Chinas. Es wird von 16-fachen Steigerungen im Vergleich zur Startposition berichtet. Andere erzählen von erst 10-fachen und nochmalig fünffachen Steigerungen des Gehaltes in kurzer Zeit. Sie schildern, dass die Generation der 1970er-Jahre, zu der sich die meisten zählen, in China nicht wohlhabend war und das Einkommen der Frauen zur Familiengründung und Sicherung und Verbesserung des Lebensstandards benötigte. Die Generation der 1990er-Jahre habe ein anderes Verhältnis zum Geld und geht insgesamt von höheren Voraussetzungen aus. Gleichzeitig wird beschrieben, dass die Generation der 1970er-Jahre nicht sehr kämpfen musste und Gehaltssteigerungen quasi von alleine kamen, gute Arbeitsergebnisse vorausgesetzt. Generell beschreiben die Frauen ihren Jahrgang als leistungsorientiert und gleichzeitig finanziell motiviert. Die finanzielle Motivation nimmt mit dem Aufstieg in der Hierarchie an Bedeutung ab und andere intrinsische Faktoren nehmen dafür zu. J.: Wenn ich mir alle Schritte ansehe, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, denke ich, dass aus intuitiver Sicht etwas in meinem Körper ist- ich mag Geld wirklich sehr. Wenn ich mir all die Dinge ansehe, die ich getan habe, bin ich immer sehr unabhängig gewesen. Ich habe meine Mutter oder meine Eltern nie um finanzielle Unterstützung gebeten. Ich wollte jeden kleinen Cent verdienen, um mich selbst zu ernähren. Warum sage ich das? Denn als ich an der Universität war, hatte ich viele Teilzeitjobs. Einer war Nachhilfelehrer zu sein, für ein kleines Kind. Das brachte mir etwas Geld, um mich selbst zu ernähren. Ich wollte finanziell frei sein. L.: Ich denke Freiheit. Was ich meine, ist die Kontrolle über mein Leben. Das ist auch eine Motivation für mich. Ich spreche von Geld. Eigentlich ist mein Einkommen viel höher als das meines Mannes. Und mein Mann, sein Verdienst kann fast mein Familienleben unterhalten. Grundsätzlich hat mein verdientes Geld keinen Nutzen für meine Familie, es sei denn, wir möchten in etwas investieren. Aber wir planen die Investition nicht so gut. Ich habe die Freiheit, mein Geld zu verwalten. Ich genieße diese Situation, in der mich niemand kontrolliert. Als ich sehr klein war, ließen meine Eltern mich gehen, ließen mich frei, was auch immer du tust, du tust einfach, was du willst. Ich möchte nicht, dass mich jemand kontrolliert. Das ist meine Arbeitsmotivation Nummer eins. Ich verdiene das Geld. Ich verdiene mir die Freiheit.

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M.M.: …“ Was wollen, Sie denn, dass was wir Ihnen bezahlen, ist für Chinesen gut genug.“ …“ Ja, aber die Firma verdient wegen dieser Position viel Geld. Man zahlt für die Position, ob Frau oder Mann, ob Deutscher oder Chinese.“ Zum Schluss haben sie ja gesagt. Ich habe ein Festgehalt plus einen Gewinnbonus gefordert. Wenn der Gewinn steigt, dann verdiene ich mehr, wenn er sinkt, dann weniger. Das hat doch mit Leistung zu tun. Dann habe sie das auch so gemacht. Am Ende habe ich dann doch etwas verzichtet, weil es so viel Gewinn war, das hätten wir gar nicht gedacht. J.: Sowohl quantitativ als auch qualitativ höher würde ich in Bezug auf das Gehaltspaket, das XY hatte, sagen. Zweitens ist mir Anerkennung sehr wichtig, denke ich. Ich gehöre zu den Personen, die glauben, wenn ich genug Mühe und Beitrag investiere, werde ich das verdienen, was ich verdienen sollte, weil ich das wert bin. S.: Respekt. Auch Geld. Weil Sie eine leitende Position haben, verdienen Sie viel. Sie verdienen mehr als andere. Nun, meine Motivation ist Selbstzufriedenheit.

Nur ein kleiner Teil der Gruppe berichtet, dass Geld nicht so wichtig für sie sei. Diese Aussage wird jedoch relativiert mit Hinweisen darauf, dass man ja bereits hoch in der Karriere aufgestiegen sei und eine gute finanzielle Basis habe. Zwei Frauen berichten von bewusster Inkaufnahme von Gehaltseinbußen, zugunsten von Karriere Schritten, die sie bewusst bei weniger Gehalt wählten. Im breiteren Zusammenhang hierzu steht Status bei den Befragten in erster Linie für Erfolg und für Anerkennung durch die Familie. Die Frauen beschreiben, dass Status für sie bedeutet, dass ihre Eltern und Kinder stolz auf ihre Erfolge sind. Status ist für die Chinesinnen auch die Anerkennung im Unternehmen, im Netzwerk, bei Kollegen, als Expertin. Kurz gesagt, ein guter Ruf im Markt ist für viele Status. Genauso ist der gute Ruf des Unternehmens, bei dem sie arbeiten von Bedeutung, da dieser wiederum zur Anerkennung der Familie beiträgt. So ist es Status, bei einem Unternehmen der Top 500 zu arbeiten, und aus dem sozialen Umfeld dafür Bewunderung zu erhalten. Der eigene Titel wird in diesem Zusammenhang als einfaches Mittel zum Zweck beschrieben, um im Unternehmen Dinge einfacher durchzusetzen. Die Büros der weiblichen Führungskräfte sind einfach gehalten und mit keinen erkennbaren Statussymbolen ausgestattet. Lediglich die Größe der Büros unterscheidet sich bei den Geschäftsführerinnen und Präsidentinnen von denen der Direktorinnen. Status in der Gruppe der Chinesinnen bedeutet für die Frauen also in erster Linie gesellschaftliche Anerkennung und Anerkennung im Unternehmen. Äußerliche Statussymbole ließen sich im Rahmen der Interviews selten erkennen. M.M.: Das ist mir schon wichtig würde ich sagen, aber durch meine eigene harte Arbeit. Firma XY hat mich damals geholt und gefragt, wollen Sie ein großes Office? Dann habe ich gesagt: „Nein, zuerst verdienen wir Geld und dann machen wir das groß.“ Beim Joint Venture bekam ich zwar später einen Mercedes als Bonus, aber am Anfang hatte ich nur ein sehr altes Auto. Ich brauche es nicht, aber wenn die Firma gut verdient, dann will ich es schon. Wenn man einen Swimmingpool für die Mitarbeiter baut, dann will ich auch einen. Zuerst etwas machen, leisten, dann brauche ich es auch. MA: Ich war sehr stolz, denn als ich ging, gab mein nordasiatischer Präsident eine Abschiedsparty für mich und ein sehr teures Geschenk. Es ist etwas Kristall und sehr teuer. Über 3000 RMB damals schon, als Geschenk für mich. Und unsere ganze Personalabteilung ging nach Hangzhou und

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übernachtete für meine Party in einem Fünf-Sterne-Hotel. Dies war eine besondere Auszeichnung für meinen Abschied. Das ist wirklich erstaunlich. Ich habe viel Anerkennung bekommen.

Flexibilität als Teil des Arbeitsverhaltens der Chinesinnen In den Big-Five der Persönlichkeitstheorien unter anderem nach Catell und Judge wird Flexibilität als Dimension „Offenheit für neue Erfahrungen“ erfasst. Für die Karrierebildung ist dabei vor allem der Aspekt von Interesse, der sich auf die Offenheit für berufliche Veränderungen bezieht. Es geht dabei auch um die Fähigkeit, sich an häufig verändernde Arbeitsbedingungen anzupassen. Eine hohe Veränderungsbereitschaft und die Offenheit für neue Perspektiven und Methoden fallen in diesen Bereich. Für Frauen wurde wissenschaftlich ein Zusammenhang aufgezeigt, zwischen Flexibilität, verstanden als Möglichkeit sich beruflich unabhängig zu entfalten, und der erreichten Führungsebene. Die Nennungen der Chinesinnen, die sich dem Bereich der Flexibilität zuordnen lassen sind vielfältig. Sie beschreiben sich als flexibel, den Wandel und Veränderungen begrüßend. In den Werdegängen wird deutlich, dass die Frauen dieser Gruppe sich nicht nur durch eine hohe Flexibilität im Hinblick auf Arbeitsinhalte, Rollen und Erfahrungen auszeichnen, sondern auch durch räumliche Flexibilität im Sinne von Mobilität. Diese räumliche Mobilität zeigt sich örtlich, innerorganisatorisch und bei Unternehmenswechseln. Beispiele dafür sind eine Vielzahl von Umzügen und Pendelsituationen. K: Ich denke, das war für mich die größte Herausforderung, den unterschiedlichen Markt anderer Länder kennenzulernen. Malaysia erinnere ich. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir keine Personalabteilung. Das ganze Team war weg, als ich es übernahm. Das war sehr herausfordernd, da genau dieser Zeitraum unser Budgetierungszeitraum war. Ich habe keine Ahnung, wie das Gehalt berechnet wurde. Über was für ein Paket sprechen wir? Was sind die Vorteile? Paket, das wir in dieses Budget aufnehmen müssen? Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was die behördlichen und monetären Compliance-Anforderungen der Regierung sind. Ich hatte absolut keine Ahnung, aber ich musste dies in nur drei Tagen tun. Ich habe wirklich maximal drei Stunden pro Tag geschlafen. Ich ging dorthin und verbrachte mein ganzes Wochenende im Hotel. Ich habe die Website ihrer Regierungspolitik durchsucht. Studierte eins nach dem anderen. Und konsultierte meine externe Personalberaterin in Malaysia und bat sie, mir Anleitungen zu geben. Ich habe sie am Wochenende angerufen, ich habe mich entschuldigt, aber ich musste, bis ich selbst einen sehr genauen Budgetplan erstellt habe. C.: Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, welche Branche oder welches Unternehmen interessant sein würde. Ich habe ein Interview mit XY Company geführt und die Beraterrolle klang sehr herausfordernd, sehr interessant für mich, also bin ich zu XY gekommen. Es war eine gute Sache, weil ich vielen verschiedenen Branchen ausgesetzt war. Viele verschiedene geschäftliche Probleme. Es war natürlich anders in verschiedenen Branchen zu arbeiten. Ich denke, eine gute Sache heute bei YZ ist, dass wir mehrere Geschäftsbereiche haben. Es gibt immer noch ein bisschen verschiedene Branchen, in die ich schauen kann. Es ist also nicht so langweilig und das war gut so. Die Tatsache, dass YZ mir verschiedene Rollen gegeben hat und mich herausgefordert hat, finde ich auch gut.

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Die Frauen nehmen in Kauf häufig von ihren Familien getrennt zu sein und wenn es notwendig ist, auch über längere Phasen zwischen Arbeitsplatz und Familie zu pendeln, zum Teil über mehrere Tausend Kilometer. Beispiele für diese Flexibilität waren mit der Expansion der multinationalen Unternehmen verbunden, wie z. B. Fabrikeröffnungen, Aufbau neuer Unternehmensstandorte in China und Übernahme anderer Verkaufsregionen. Die Phase des Karriereaufbaus vieler Frauen entspricht der, der Phase von Expansion nach der Öffnung Chinas und die Frauen beschreiben mehrfach, wie sie die gebotenen Chancen annahmen. Voraussetzung hierfür, war innerliche wie örtliche Veränderungsbereitschaft bzw. die Flexibilität ihr Familienleben mit den neuen Herausforderungen neu zu organisieren. Mehrere Beispiele veranschaulichen dabei, dass auch unter erschwerten privaten Situationen, wie zum Beispiel die Erkrankung des Partners oder die Frage der Betreuung zweier kleine Kinder am Heimatort, eine große Flexibilität für die Belange der Unternehmen und damit für den Karriereaufbau vorhanden ist. C.: Ich habe immer zuerst die Arbeit gewählt. Im Jahr 2007 habe ich ungefähr zehn Monate in Schanghai gearbeitet habe. Ich reise jede Woche nach Peking zurück, weil mein Sohn und mein Mann noch in Peking waren. Ich bin nur hergekommen, um vorübergehend einen Kollegen zu ersetzen, der acht oder neun Monate ersetzt werden musste. Also nahm ich ihren Job an und behielt meinen Job auch. Zwei Jobs und dann jede Woche nach Peking reisen.

Die befragten Frauen beschreiben sich als risikobereiter und mutiger als andere Kollegen. Hierbei wird auch oft der Mut, Entscheidungen zu treffen, genannt. Dabei wird betont, dass sie keine Angst vor bestimmten Risiken hätten. Die genannten Qualitäten in diesem Zusammenhang werden als Optimismus, Begeisterungsfähigkeit und eine positive Grundhaltung der Veränderung gegenüber beschrieben. M.M.: Ich habe immer als Führungskraft gearbeitet in China, ich wusste, dass die Anerkennung in Deutschland schwierig wird, aber ich dachte, dass es irgendwann geht. Die dritte Firma war eine Papierfabrik in Rheinland-Pfalz, welche gerade ein Joint Venture in der Yunnan-Provinz aufbaute. Die Welt hatte einen Bericht über meine Karriere gemacht, den kann ich Ihnen schicken. Die wollten dort ein Joint Venture machen, aber Yunnan war nicht besonders kultiviert, sondern eine sehr arme Gegend. Es war schwer, dafür Leute zu finden. Mir war das egal, ich brauchte einen Job. Diese Firma war relativ klein, aber die brauchten jemanden. Für ein Joint Venture ist ein starker chinesischer Partner sehr wichtig. B: Ja meine Stärke, eine meiner Stärken ist definitiv, dass ich sehr zielstrebig bin und dass ich vor Hindernisse mich nicht abschrecken lasse. Und eine andere Stärke, ich habe keine Angst vor Veränderungen und suche selbst auch nach Veränderungen. Ich möchte viel neues Lernen und ich glaub auch, eine Stärke ist, dass ich das Gesamtbild sehe.

Als Hauptantrieb für die Flexibilität wird die Suche nach Herausforderungen genannt, der Wunsch sich weiterzuentwickeln und die Sorge, sich zu langweilen. Veränderungen werden von der überwiegenden Mehrheit dieser Frauen gesucht und begrüßt. Die Suche nach neuen Herausforderungen und Abwechslung stehen für die chinesischen Frauen im Mittelpunkt der beruflichen Entscheidungen. Langeweile, ausgelöst

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

durch zu viel Konstanz im Aufgabenfeld und beruflichen Umfeld, ist für sie ein klarer de-Motivator.

Chinesinnen, Konfliktbewältigung und Durchsetzungskraft Die eigene Konfliktfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit im Beruf stehen im engen Zusammenhang. Vor dem Hintergrund ihrer Sozialisierung und Erziehung würden Chinesinnen eigentlich Konflikte primär vermeiden. In der chinesischen Kultur stellen „Respekt“ und „Freundlichkeit“ hohe Werte dar. Dieses entspricht den Ausführungen von Chen, nach denen „He (Harmonie)“ im Zentrum des klassischen chinesischen Managements steht. Traditionell stellen die Wahrung guter persönlicher Beziehungen und die Achtung von „Face (Gesicht)“ auch im Konfliktfall die wesentlichen Werte chinesischer Manager dar. Die Nichtachtung dieser Werte, könne durch ausländische Vorgesetzte oft aus Unwissenheit zu drastischen Konsequenzen bis hin zur Kündigung bei chinesischen Managern führen. J.: Ich glaube, wenn ich mich selbst mal beurteile, meine Stärke ist die Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen. Es geht um sehr viel Kommunikation bei einem Joint Venture. Es ist nicht so, dass Firma XY zu hundert Prozent das Sagen hat, es läuft sehr viel über Überzeugungsarbeit zu deinem Partner. Ich denke, da habe ich mehr Vorteil durch meine Sprachkenntnisse und meine Überzeugungskraft. Es geht nicht, darum zu sagen „so ist es, ihr müsst es akzeptieren“, sondern es geht viel ums Überzeugen. M.M.: Das kann man schwer sagen. Als Frau glaube ich, kann ich gut überzeugen. Frauen können gut reden, gut überzeugen. Ich kann nicht gut logisch reden, aber durch ein paar Beispiele kann ich schon gut überzeugen. Der Nachteil ist, dass sie Frauen manchmal nicht ernst nehmen. Im Board Meeting zum Beispiel, wenn ich Ideen habe, nehmen die das am Anfang nicht ernst. Das scheint verrückt, weil viele innovative Ideen am Anfang schwierig zu akzeptieren sind. Das muss ich dann viel besser vorbereiten. Aber hier in China werde ich sofort akzeptiert. C.: Ich bin nicht wirklich gut darin. Wenn ich zum Beispiel einen Streit habe, habe ich nie wirklich die Erfahrung, mit einem Mann zu streiten. Bei XY besonders nicht, weil wir zu sanft miteinander umgehen. Wir streiten uns nicht viel miteinander. Aber bei YZ hatte ich ja eine wirklich schlechte Erfahrung. Jemand kam aus den USA und wir hatten einen Streit und er machte einen Narren aus mir vor einer Gruppe von Menschen. Ich habe hier geschwiegen. Und ich verstecke meine Gefühle, obwohl ich hier drinnen sehr verletzt war. Deshalb habe ich mich entschieden, zu gehen. Es gab keinen Platz mehr für mich. Wie, meine Mitarbeiter? Hier glaube ich nicht, dass sie vor mir kämpfen würden. Das machen sie nicht. Aber wenn doch, würde ich nicht Partei ergreifen. Ich würde nicht sagen, wer Recht hat und wer nicht. Ich würde das nicht sagen, selbst wenn ich das denken würde. Sicherstellen, dass hier niemand das Gesicht verliert.

Ein Teil der Chinesinnen begrüßen Konflikte und kommen aus ihrer Sicht damit eher dem direkt konfrontierenden amerikanischen Stil nahe. Die Beschreibungen weisen nicht darauf hin, dass dieser Teil der Gruppe sich ihr offenes Konfliktverhalten quasi aufgrund der interkulturellen Herausforderungen angeeignet hat, sondern es wird als originäres Persönlichkeitsmerkmal dargestellt. Viele schildern, wie sie Konflikte be-

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wusst an die Oberfläche bringen und dann nach Lösungen suchen. Von den Frauen wurden in diesem Zusammenhang häufig die Begriffe „aggressiv“ und „hart“ genannt. Die Frauen beschreiben sich als fähig, unangenehme Entscheidungen durchzusetzen. Das hierzu genannte Beispiel war mehrfach Entlassungen. Eigene Konfliktstärke wurde von einigen Frauen in diesem Zusammenhang explizit genannt. Daneben wurde der Begriff der „Beharrlichkeit“ sehr oft benutzt. Die Fähigkeit, in schwierigen Zeiten weiterzumachen und schwierige Entscheidungen zu treffen. Im Umgang mit Konflikten ist für die Chinesinnen wichtig, zuerst die emotionale Komponente zu beachten. Bei Konflikten unter Mitarbeitern wünschen sich die Frauen, authentisch zu sein, wie ein Freund. Menschlichkeit und Ehrlichkeit sind die am meisten beschriebenen Werte in diesem Zusammenhang. Andere Frauen betonen eine eher rationale Vorgehensweise, um zu Lösungsansätzen zu kommen. Sie wollen sich im Konfliktfall an Fakten orientieren und sich auf Inhalte beziehen. „Nicht aufgeregt“ wird bei diesen Frauen als Begriff häufig genannt. M.M.: Diese Entwicklung kam mit dem Alter. Am Anfang bei dem Joint Venture, als ich noch jung war, habe ich immer gekämpft ohne Ende bei Konflikten. Ich habe bis zum Schluss gekämpft und alles erreicht. Aber jetzt bin ich schon besser geworden und kompromissbereit. Kleine Sachen lasse ich, Peanuts. Bei kleinen Sachen bin ich locker, aber bei wichtigen Sachen kämpfe ich immer bis zum Schluss. Egal, bis zum CEO ich gehe überall hin. Man sagt, ich sei durchsetzungsfähig. C.: Ich denke, dass ich zuerst versuche, die Emotionen aus dem Thema herauszuholen. Weil die Konflikte zum Beispiel kürzlich einen sogenannten Konflikt hatten. Zuallererst nicht von den Emotionen überwältigt werden, weil die Emotionen einen verbrennen können. Zuallererst verstehen, dass die Emotionen da sind. Dann nehmen Sie sie beiseite und betrachten das Problem. Das Problem, das Sie finden, müssen Sie normalerweise akzeptieren, oder Sie können etwas dagegen tun. Wenn Sie es akzeptieren müssen, dann hilft nur akzeptieren. Sie müssen sich selbst helfen und Ihrem Team helfen, dies zu akzeptieren. Und wenn es etwas gibt, das Sie anders tun können, können Sie daran arbeiten. Nicht sich von den Emotionen verzehren lassen und nicht über die Fakten streiten, sondern über die Emotionen, die wahrscheinlich nicht sehr aussagekräftig sind. Manchmal streiten wir uns über Emotionen. Es gibt kein richtig oder falsch über Emotionen. Es ist etwas passiert und wie ich mich dabei fühle, unterscheidet sich sehr von Ihrer Meinung. Es macht keinen Sinn zu streiten, ob Ihre Gefühle richtig sind oder nicht. Es gibt kein Recht oder falsch dabei. Ich habe unterschiedliche Emotionen, du hast unterschiedliche Emotionen, jemand anderes hat unterschiedliche Emotionen. Es macht also keinen Sinn, über Emotionen zu streiten. Wenn ich das beiseite nehme und mir das Problem manchmal nur ansehe, akzeptieren ich auch, dass die Dinge nicht immer nach meinem Geschmack sein werden. Es wird nicht klappen. Jedes Mal, wenn ich nicht so arbeite, wie ich es möchte, und wenn sie nicht so funktionieren, wie ich es möchte, kann ich entweder noch etwas dagegen tun oder ich muss es akzeptieren. M.: Konflikte treten normalerweise auf, wenn Sie zu bestimmten Dingen unterschiedliche Meinungen haben. Und bei einem Job gibt es normalerweise immer Konflikte. Wie gehe ich damit um? Ich bin normalerweise eine sehr rationale Person. Ich sage viele Fakten, ich halte mich entweder an die Fakten, bis mich die anderen Leute überzeugen, dann gebe ich nach oder ich halte mich immer noch daran. Aber normalerweise werde ich nicht zu aufgeregt. Selbst wenn ich aufgeregt bin, versuche ich mich ein wenig zu beruhigen, zum Beispiel, wenn ich eine E-Mail schreibe, sende ich keine E-Mail sofort, ich halte sie einige Tage lang zurück, bis ich all diese Emotionen verarbeitet habe. Und dann sende ich die Dinge aus. Ich bin nicht so gut in sehr heißen Diskussionen, dann kann es auf meinem

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Gesicht erscheinen, dann ist meine Emotion ein bisschen weniger kontrolliert. Dann werde ich ein bisschen heiß. Daran muss ich im Allgemeinen noch arbeiten. Z: Man muss erstens die Person beobachten und was jeder von beiden kontrolliert. Wie derjenige auf deine Aktion reagiert. Also quasi erst mal den eigenen Gegner sehr genau beobachten. Das ist sehr, sehr wichtig. Es gibt keine klare Strategie, die zu jeder Person passt. Nummer 1, den Gegner beobachten, suche was für denjenigen wichtig ist und was nicht so. Und wenn der etwas auch ganz wichtig findet, nicht versuchen den ganz heißen Punkt anzutasten, sondern erst mal einen Umweg zu gehen. Aber es gibt auch Fälle und das sind die Gegner, die Wettbewerber, die sehr, sehr aggressiv und hart sind, die wollen alles haben. Das muss man wissen. Da muss man sagen ok, ich gebe dir das und ich bekomme das. Ich weiß, was du wichtig findest, und das versuchen wir, irgendwie zu kombinieren. Es gibt auch Personen, die erwarten, wenn du einmal einen Kompromiss gemacht hast, dann sollst du immer einen machen, bei denen muss man eine andere Strategie nehmen. Bei solchen Personen muss man hart bleiben. Vielleicht nicht immer, aber bei den Punkten, die ich wirklich fest haben will, hartbleiben.

Vor allem die älteren Frauen beschreiben es als Lernprozess, in dessen Verlauf sie gelernt haben, nicht nur für die eigene Lösung zu kämpfen, sondern die Dinge im Konfliktfall nicht persönlich zu nehmen und sich in den anderen hineinzuversetzen. Als Idealstrategie beschreiben sie, wie sie mit guten Fakten argumentieren, rational bleiben, unaufgeregt sind. Andere Befragte äußern klar, dass für sie im Konfliktfall die Strategie „Competing“ weiterhin generell an erster Stelle steht, der Kampf für die eigene Lösung. Insgesamt nutzen die Chinesinnen das gesamte Spektrum von möglichen Vorgehensweisen bei Konflikten, welches von Wettstreit über Kompromisse und Kollaboration bis hin zu Herauszögern oder Abwarten reicht. Der Umgang mit Fehlern und Kritik der chinesischen Topmanagerinnen muss vor dem Hintergrund kultureller Werte gesehen werden. Gesichtswahrung ist einer der Hauptwerte der Chinesen im Umgang mit anderen, welcher sich direkt in Managementpraktiken übersetzt. Direkte Kritik wird traditionell eher als Verletzung der Beziehung gewertet und vermieden. Der gesamte Bereich wird insgesamt sehr ambivalent bewertet und so auch der eigene Umgang mit Kritik und Fehlern. S.: Ich fühle mich nicht verloren, wenn ich einen Fehler mache. Denn wenn ich einen Fehler gemacht habe, werde ich sagen: Oh, tut mir leid. Das ist mein Fehler. Ich muss es korrigieren. Ich überlege, warum es passiert ist, und sage das auch. Aber ich werde das Team nicht beschuldigen. Wenn sie etwas falsch gemacht haben, werde ich ein paar Fragen stellen, lasse sie darüber nachdenken, ob dies und das so ist. Zum Beispiel sinken die Umsatzerlöse und dann muss ich sie in der Verkaufsbesprechung überlegen lassen, was wir verbessern können.

Rational gesehen wollen die Frauen Kritik positiv werten, um Verbesserungen auf der Sachebene zu erreichen. Emotional wird Kritik als beschämend und unangenehm abgelehnt. Dieses kann vor dem kulturellen Hintergrund des Aspektes „Face“, der Gesichtswahrung, und dem daher eher indirekten und bevorzugt konfliktfreien Kommunikationsstil im traditionellen chinesischen Management bewertet werden. Der in China allgemein gefürchtete „Gesichtsverlust“ ist laut Aussage der Befragten, für Frauen leichter zu ertragen als für Männer, da sie im Kritikfall auch mit mehr

2.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der Chinesinnen

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Empathie besonders von ausländischen Vorgesetzten rechnen können. Die Frauen beschreiben es als ihre Stärke, dass sie im Kritikfall ruhiger bleiben können als die Männer. Sie konstatieren, dass Männer mehr Angst vor offener Kritik zeigen und bei Fehlern stark ablehnend und arrogant reagieren. Für Frauen ist der Umgang mit Fehlern leichter, da sie sich durch mehr Durchhaltevermögen auszeichnen und bei einer Kritik „schneller wieder aufstehen“. Frauen können anders als Männer beim Aufkommen von Fehlern eigene Anspannungen leichter abbauen, zum Beispiel indem sie weinen. Danach sind sie schnell wieder bereit, sich der Sache anzunehmen. S.: Erstens gibt es keinen großen Fehler in meiner Karriere, weil ich sehr vorsichtig bin. Jedes Mal, wenn ich eine Entscheidung treffe oder ein Urteil fasse, recherchiere ich viel. Natürlich habe ich dann wenig Fehler. Ansonsten gestehe ich. Es tut mir leid. T.: Frau und Versagen. Ich denke, Frauen sind sehr hartnäckig und tatsächlich habe ich in Zeiten des Scheiterns viele Frauen gesehen, die stärker sind als Männer. Wenn eine Frau versagt, versuchen sie es erneut, und machen evtl. wieder Fehler dabei. Und wenn Männer versagen, kann es länger dauern, bis sie wieder aktiv sind. Für Frauen kann es einen Tag dauern, bis sie wieder aktiv sind. Ein typisches Beispiel ist, als meine Kollegin sich von ihrem Freund getrennt hat. Ich meine, sie hat sich von ihrem Freund getrennt und erholt sich so schnell, aber für Männer ist es schwierig, und dann haben Frauen keine Angst vor dem Scheitern. Ich denke, Männer sind arroganter und haben Angst vor dem Gesichtsverlust. Aber die Frau sieht das Scheitern als natürlich an, also kommen sie zurück. C.: Ich denke, als Misserfolg angesehen zu werden, ist wirklich schwer. Es ist wirklich schwer für mich. Und das würde mich sehr unter Druck setzen. Ich würde versuchen, sehr hart zu arbeiten, um dies zu vermeiden. Vermeiden, als Versager wahrgenommen zu werden. Später habe ich gelernt, Fehler immer mehr zu akzeptieren, aber als ich jünger war, war es sehr schlimm. Ich denke, wenn es ein Karriereversagen gibt, ist es für Frauen in unserer Kultur einfacher, es zu akzeptieren als für Männer. Aber im persönlichen Leben, ist es immer noch schwierig zu akzeptieren für beide Geschlechter.

Führungsverhalten der Chinesinnen: Demokratisch und situativ autoritär Die Chinesinnen dieser Untersuchung beschreiben ihren eigenen Führungsstil spontan als „demokratisch“ und grenzen sich von einem hierarchischen Stil ab. Unter demokratischem Führungsstil verstehen sie einen involvierenden, offenen und involvierenden Stil. Ziel ist dabei für Mitarbeiter erreichbar zu sein, Hierarchie zu vermindern und den Mitarbeitern Freiheiten zu geben. Knapp ein Viertel der Frauen beschreiben ihren Führungsstil zusätzlich als autoritär. Die Befragten geben an, die Teams so zu führen, dass sie maximale Leistung erzielen können, und verweisen wiederum auf den vorher beschriebenen „demokratischen“ Stil. „Teamperformance is my performance“ sagt eine Teilnehmerin und beschreibt, wie sie sich als Teil der Gruppe sieht. Die Frauen bewerten den Aufbau von Vertrauen als einen der höchsten Werte für ihre berufliche Arbeit. Sie möchten ehrliche, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und möchten selber von anderen in der Zusammenarbeit als Person mit diesen Attributen eingeschätzt werden. Die Unterstützung anderer und einen Beitrag zum Erfolg anderer zu leisten, werden häufig als eigene Stärke und innere Motivation

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

zugleich genannt. Empathie und das sich kümmern um andere werden als Sozialkompetenzen mehrfach betont. Gleichzeitig ist die Anerkennung anderer ein wichtiger Aspekt bei der Zusammenarbeit. Die Anerkennung durch das Team ist für alle Frauen von großer Bedeutung. Sie möchten in einer Vorbildrolle wahrgenommen werden. SO.: Vor einem Problem denke ich, wir sollten diskutieren. Vielleicht hat meine Managerin eine Lösung und ich habe meine, wir sollten alles zusammen auf den Tisch legen und diskutieren, um die bessere Lösung zu finden. Die Hierarchie gefällt mir nicht. Ich denke, jeder ist gleich und jemand ist kompetenter als der andere mit mehr Erfahrung oder so etwas. Aber jeder sollte wirklich seine eigene Meinung niederschreiben, dann haben wir uns gemeinsam entschieden. M.M.: Mein Führungsstil? Ich bin eine sehr starke Person. Jeder sagt, ich sei dominant. Das sieht man auch gleich, dass ich ein dominanter Typ bin. Ich bin so geworden durch die Arbeit. Ich bin nicht so von Natur aus. Ich bin sehr positiv und sehr offen. Ich singe gerne, ich tanz gerne und mache auch sehr gerne Sport. Ich lache gerne mit Leuten. Ich nähe auch sehr gerne, ich kann gut designen. Viele schöne Sachen machen, das ist meine Natur. Eigentlich wollte ich immer Künstler werden. Aber mit der Kulturrevolution in China hatte man keine Wahl. Ich bin nach Deutschland gekommen und habe gesehen, dort ist eine Chance in diesem Job in Yunnan, weil niemand dahin gehen will. Also bin ich hingegangen. Aber die Leute in der Fabrik muss man stark führen. Das ist mein Führungsstil. S.: Ich möchte eine Führungskraft sein, die meine Kollegen als sehr professionell ansehen, die sie unterstützt und von der sie lernen können, um erfolgreich zu sein. Diese Art der Anerkennung kommt nicht nur durch Leistung zustande. Sie werden als die Person angesehen, die ihnen helfen kann, erfolgreich und sehr professionell zu sein.

Der Entwicklung von Mitarbeitern kommt in diesem Zusammenhang bei den Chinesinnen ein Schwerpunkt in der Führung zu. Dieser Bereich, ist der Teil des transformationalen Führungsstils, bei dem es um die individuelle Entwicklung und das Mentoring von Untergebenen geht. Delegationsfähigkeit und das Coachen von Mitarbeitern wurde vielfach als eigene Stärke betont in Verbindung mit einem Stil, der auszeichnet, motiviert und unterstützt. Sie umschreiben diesen Stil mit Begriffen wie gewinnend, empowering und ermutigen. Im Mittelpunkt steht dabei die Motivation der Mitarbeiter und der Wunsch, die Hierarchie klein zu halten. Dabei ist ihnen Vertrauensbildung und Erreichbarkeit besonders wichtig. Hauptziel ihrer Führung ist danach die Entwicklung und Unterstützung anderer (siehe Tabelle 1). Drei der befragten Frauen nutzen die Metapher „der dominanten chinesischen Mutter“, um ihren Führungsstil zu beschreiben. Darunter verstehen sie zum einen, hundertprozentig hinter den Mitarbeitern zu stehen und sie voll zu unterstützen. Weiterhin verstehen sie darunter, dass sie die Ziele aller zusammenbringen und in der Umsetzung den Mitarbeiter Gestaltungsfreiräume lassen. Die Entscheidungsfreiheit wird unter Vorgabe klarer Ziele gewährt. Sie selber sehen sich als Führungskraft in einer Vorbildfunktion. Häufig fällt auch der Begriff der Fürsorge „caring“ und wird dabei auf die Gefühle der Mitarbeiter bezogen, wie auch auf das Ermöglichen von Work-Life-Balance bei Mitarbeiterinnen, die gerade Mütter geworden sind. Zahlenmäßig etwas weniger häufig werden Beschreibungen gemacht, die sich dem Bereich „intellektuelle Stimulation“ des transformationalen Führungsstils zuordnen lassen. Die Frauen geben an, dass sie sich auszeichnen durch die Fähigkeit

2.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der Chinesinnen

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„die großen Themen anzuführen“. Sie bezeichnen sich als Ideen Geberinnen, inspirierend und motivierend.Viele Mitarbeiter in China sind aus der Erfahrung der Frauen weiterhin unerfahren und benötigen daher ganz klare Vorgaben benötigen. Einzelne Frauen beschreiben ihren Stil als Mischung aus westlicher und chinesischer Führungskultur. Dabei wird betont, dass sie Emotionen mit den Mitarbeitern teilen und viel Vertrauen und Respekt aufbauen. Diesen Teil des Führungsstiles ordnen sie dem eher chinesisch geprägten Teil ihrer Führung zu. J.: Ich glaube, ich habe einen natürlichen Vorteil, der darin besteht, in Großbritannien ausgebildet zu sein und gelebt zu haben. Ich glaube, ich habe gelernt, wie man Menschen auf westliche Weise führt. Und da ich selbst Chinese bin, glaube ich, dass ich die Emotionen mit chinesischen Kollegen und Freunden teilen kann. Ich schätze, ich kombiniere die beiden, was mich in Bezug auf das Management von Menschen ziemlich erfolgreich gemacht hat. Ich gebe ihnen die Autonomie, das zu tun, was sie zu erreichen glauben. Ich bin sehr ergebnisorientiert. Zwei meiner Manager, sehr hochrangig, sagten mir, als ich gerade in das Unternehmen eintrat, „wir sind sehr erfahrener Manager in der Branche. Wir brauchen niemanden, der die Mama ist“. Ich sagte „Verstanden. Ich bin auch sehr ergebnisorientiert. Solange Sie liefern, werde ich mich nicht einmischen. Solange Sie nicht aus dem Standardrahmen fallen.“ Ihnen war sehr klar, wenn sie nicht die Ergebnisse erreichen, die ich erwartet hatte, dass ich sie mit Sicherheit stören würde. Bisher hat es gut funktioniert. J.: Vielleicht ist das von meiner weiblichen Seite. Im Moment leite ich ein Team von 5 Personen. 3 in China, 1 in Malaysia, 1 in Korea. Ein Koreaner. Also führe ich ein multikulturelles Volk. Ich denke, die werden sagen, dass ich ein ziemlich guter Chef bin. Warum gut? Sie werden sagen, dass ich versuche zu verstehen. Ich versuche, mit ihnen zu reden. Ich denke, ich kümmere mich um ihre Gefühle in der Arbeit. Ich verbringe wenig Zeit mit meiner Familie, aber ich stelle sicher, dass sie Zeit mit ihrer Familie verbringen. Obwohl einige Reisen müssen am Wochenende, dann sage ich „Es ist notwendig. Bitte machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie am Montag abfliegen und eine Nacht länger bleiben. Ich versuche zu erreichen, dass sie private Zeit haben. Wenn sie zu Hause ein Problem haben, sage ich, „geh dorthin“. Tabelle 1: Führungsverhalten von chinesischen Managerinnen im Vergleich zu westlichen Managerinnen Western female leadership *

Chinese female leadership

Transformational

Transformational

Democratic decision making

Democratic but also autocratic

Visionairy

acting as role model

Facilitation of communication

ask for collective wisdom

Involvement of employees in teambuilding

team development and team performance

Reward power

Developing others, care, consider emotions

inspiring and motivating

inspiring and motivating

fostering mutual trust and respect

mutual trust and respect

* (based on: Stanford, J.H et al 1995, Eagly, A.H. et al 2007, Powell, G.N. 2011)

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

Die Besonderheiten des Führungsstils der Chinesinnen liegen in dem hohen Stellenwert der Vorbildfunktion, die den Stil prägt, und dem situativen Einsatz von autoritärer Führung. Vorteile von Frauen gegenüber Männern im Führungsverhalten sehen die Befragten im Allgemeinen darin, dass Frauen einfühlsamer und sensibler sind und sich insgesamt mehr um die Mitarbeiter kümmern. Außerdem sind Frauen bessere Zuhörer und insgesamt besser im Kommunikationsverhalten. Daran schließt sich die Aussage an, dass Frauen nach Meinung der Befragten grundsätzlich nicht wie Männer agieren könnten. Gleiches Verhalten würde bei Frauen manchmal anders gewertet. Es gibt eine generelle soziale Erwartung, dass Frauen netter sein sollten. Frauen in Führungspositionen sollten sich daher auf ihre Stärken konzentrieren und nicht versuchen, Männer zu kopieren. Ihre Stärke liegt im zwischenmenschlichen Bereich und umfasst den Aspekt von Fürsorge für Mitarbeiter.

2.6 Karrierefördernde Faktoren Zu den karrierefördernden Aspekten, die sich bei den Chinesinnen besonders positiv auf den Aufstieg in das Topmanagement auswirkt gehören vor allem Mentoren, Netzwerke und ein sehr unterstützender Ehemann.

Aktiv gestaltete Beziehungen zu Mentoren und kulturell geprägte Netzwerke Befragt nach dem Einfluss von Mentoring auf die eigene Karriere unterscheiden die Chinesinnen spontan, ob es sich um einen formal vom Unternehmen ernannten Mentor oder einen informellen Mentor handelt. Bei den formalen Mentor Programmen wird auf spezielle Programme für Frauen verwiesen, die in immer mehr multinationalen Unternehmen in China etabliert werden. Formale Mentor Beziehungen wurden in der befragten Gruppe allerdings nur von einer Minderheit von drei Frauen genannt und eher kritisch hinsichtlich des Erfolges bzw. die positiven Auswirkungen auf die Laufbahn gesehen. T: Unser Unternehmen hat die Kultur des Mentorings gefördert. Ich sagte ihnen, es sei besser für mich, einen Mentor aus Übersee zu haben, weil ich eine globale Verbindung und auch globales Mentoring brauche. Und dann hat mir die Personalabteilung diese Person zugewiesen, weil sie sie für sehr relevant hält, sodass ich mich mit dieser Person verbunden habe. Wir arbeiten seit ungefähr einem Jahr zusammen und es war gut. Vor Kurzem hat er das Unternehmen verlassen und sein eigenes Unternehmen gegründet.

Vierundzwanzig der Frauen berichten dagegen von informellen Mentoren Beziehungen, die sie ohne formelles Programm innerhalb des Unternehmens oder außerhalb mit unternehmensfremden Personen hatten. Die Mentorbeziehungen wurden von ihnen selber aktiv angestoßen. Sie beschreiben, wie sie sich Gedanken darüber ge-

2.6 Karrierefördernde Faktoren

61

macht haben, wer Mentor sein sollte, wie man einen Mentor findet und wie diese Beziehung sich vorteilhaft auf ihre weitere Karriere auswirken könnte. Dabei waren neben der persönlichen Chemie, der Wissensvorsprung der Person und die Position ausschlaggebend bei der Wahl der Mentoren. Vor allem „Unterstützung, Verständnis und Mut machen“ werden spontan genannt auf die Frage nach den Vorteilen vom Mentoring. Das Mentoring hat geholfen, in sehr schwierigen Zeiten besser im Unternehmen klar zu kommen und durchzuhalten, um dann trotzdem weiterzukommen. Die Mentoren hatten für die chinesischen Frauen eine starke Rolle bei der Vermittlung interkultureller Unterschiede und der Vermittlung der anderen Kommunikationsweise. Ein Beispiel, welches genannt wird, ist in französischen Unternehmen die Kunst des Debattierens. Das Verstehen des Corporate Systems und der dazugehörigen unternehmenspolitischen Dimensionen sind weitere wichtiger Aspekte, die die Chinesinnen von den Mentoren vermittelt bekamen. Auch das Ausprobieren neuer Ansätze außerhalb der eigenen Komfortzone wurden dem Mentoring zu Gute gehalten. Konkrete Unterstützung, die zum Aufstieg führte wie z. B. den Schritt in die Rolle der Geschäftsführerin, durch ausländische Mentoren und Mentorinnen erfahren eine Vielzahl von Frauen. H.: Informelles Mentoring. Ich habe ein paar Leute aus früheren Unternehmen, mit denen ich befreundet war. Manchmal diskutiere ich mit ihnen über Dinge, bei denen ich mir nicht sicher bin oder an die ich denke. Neue Aufstiegschancen. Es ist kein formelles Mentoring. Es könnten deine Freunde sein. Es könnten früheren Kollegen sein. Es ist großartig, ein paar Leute zu haben. Und mein Mann ist eine großartige Person. Ich finde es schön, ein paar Leute in meinem Leben zu haben, die das können. A.: Ich denke, eines war mir klar: Ich brauchte einen Mentor. Einen Mentor, der in Paris ist. Eine Person, die wissen würde, dass es eine chinesische A. gibt, und dass jeder in China Gutes über sie sagt. Ich habe mich für einen weiblichen Coach entschieden und mein Chef derzeit ist eine Frau. Ich möchte nach Möglichkeiten für Frauen suchen, weil ich eine Frau bin. Manchmal haben wir eine andere Sprache, andere Arten zu denken- als Männer. Ich denke, sie helfen mir sehr. V.: Ich denke, sie können sehr wichtige Ratschläge geben, damit man unnötige Bedenken oder Sorgen vermeiden kann. Sie können helfen, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Und auch, wenn Sie unter großem Druck mit Herausforderungen stehen und der Mentor dann ermutigt, da er oder sie viel weiter von Ihrer Sichtweise entfernt ist. Der Mentor kann sagen: „Es ist keine große Sache … Sie können das überwinden.“ Du wirst viel besser damit umgehen und stärker werden. K.: Immer, wenn ich zurückblicke, erinnere ich mich an diese „Wow-Momente“. Aus den Gesprächen mit ihnen und aus den Informationen, die sie mit mir teilten. Wenn ich mit ihnen nachdachte und ich erwähnte, was ich getan habe und was Herausforderungen waren und wie ich daraus kommen könnte. Sie teilen mir auch ihre ähnlichen Erfahrungen mit und wir lernten aus all diesen unterschiedlichen Erfahrungen voneinander.

Einen hohen Nutzen von Mentoring sehen mehrere der Chinesinnen im Bereich der Karriere Planung, auch noch nach Unternehmenswechseln. Als mögliche Gefahr von Mentoring wurde berichtet, dass man als Mentee von der Reputation des Mentors im Unternehmen abhängig wird. Einzelne Frauen berichten von eigenen Nachteilen

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

durch ihre Mentor Beziehungen, wenn der Mentor im Unternehmen in seiner Position geschwächt war. J.: Ich war seine Assistentin. Immer wenn er weg war, war ich quasi der GM der gesamten Fabrik, kümmerte mich um die Einkaufsabteilung, Operations und sogar Verkauf.

Am häufigsten in Verbindung mit Mentoring wurde der oder die Vorgesetze genannt. Mehr als die Hälfte der Frauen nannten weibliche Vorgesetzte, die sie gefördert haben. Die chinesischen Managerinnen entwickeln „Mutual beneficial alliances (gegenseitige Vorteilsbeziehungen)“, Beziehungen in denen sowohl Mentor als auch Mentee profitieren. Sie agieren als verlängerter Arm der CEOs im chinesischen Markt und in das Unternehmen hinein. Im Gegenzug werden sie von den Geschäftsführern/innen weiterentwickelt und gefördert. Dem Vorgesetzten kommt also in der Karriereentwicklung der befragten Frauen eine zentrale Rolle zu. Der Erfolg des Vorgesetzten steht oftmals in enger Beziehung zu dem eigenen Erfolg. Ein zentraler Aspekt, der die Beziehung zu den Chefs kennzeichnet, ist der Faktor Vertrauen. Dieses Vertrauen wird den chinesischen Frauen von den ausländischen Vorgesetzten, ob Chef oder Chefin, stärker geschenkt als Männern. Das Ergebnis ist eine große Entscheidungsfreiheit und viel Verantwortung auch in frühen Stadien der Karriere. Auch Wechselentscheidungen sind bei den Befragten sehr oft eng mit der Person des Vorgesetzten verbunden. Die weiblichen Führungskräfte folgen in diesen Fällen den Chefs bei Unternehmenswechseln und wurden durch sie gezielt abgeworben. Auffällig ist bei den Chinesinnen, im Vergleich zu allen anderen befragten Frauen dieser Untersuchung in den anderen Ländern, die Vielzahl von weiblichen Rollenvorbildern, in Form von weiblichen Vorgesetzten und Mentorinnen. In Bezug auf Sponsoring, bei dem es im Unterschied zum Mentoring darum geht, durch eine höhere Führungskraft bei wesentlichen Personalentscheidungen vertreten zu werden, beschreiben die chinesischen Frauen aus dem Topmanagement die Hürde einen Sponsor aus der weit entfernten Firmenzentrale zu finden. Dieses ist in der Regel erst ab einer bestimmten Hierarchie Ebene möglich oder bei Tätigkeiten, die häufiges Reisen zum Hauptsitz erfordern. Auch hier zeigen die Frauen eine aktive Auseinandersetzung mit der Frage, wie man geeignete Sponsoren auf sich aufmerksam macht. K.: Sie war Chinesin. Das war meine erste chinesische Chefin. Zuvor waren alle meine Chefs Ausländer. Sie sagte, bereue es nicht, geh einfach. Zögere nicht, geh einfach. Nach zwei Monaten bekam ich eine Nachricht, dass sie gegangen war. Sie hatte unserer Zentrale vorgeschlagen, dass ich ihre Nachfolgekandidatin sei. So wurde ihre Nachfolgerin. Sie ist auch Top 10 weltweit. Von den einflussreichsten weiblichen Führungskräften der Welt. Ich denke, sie sieht viele Möglichkeiten. Und sie ist diejenige, die sehr schnell Maßnahmen ergreift. Und sie ist auch einfühlsam gegenüber den lokalen Situationen. Sie ist sehr mutig. Sie hat den Mut, schwierige Entscheidungen zu treffen. A.: Die Chefin, sie war eine Französin. Sehr, sehr schlau. Sie brachte die Marke im Jahr 1994 nach China. Sehr, sehr erfolgreich, während der olympischen Spiele. Ich würde sagen, ich habe das Unternehmen vergrößert. Leute rekrutieren. Die Organisation aufbauen. Die HR-Funktion aufgebaut

2.6 Karrierefördernde Faktoren

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und das Unternehmen zum Top-Arbeitgeber des chinesischen Marktes gemacht. Wenn wir über die Führungskräfte dieser Generation sprechen, erinnern sich diese Leute alle an mich und sie sind alle sehr, sehr erfolgreich heute. Sie sind auf allen Ebenen der Unternehmensleitung. CEO-Ebenen. Und ich finde das wirklich befriedigend. Sie sind jetzt alle wichtigen Akteure auf dem Markt. A: Der Grund, warum ich tatsächlich gegangen bin, ist wieder meine Chefin. Ich habe lange Jahre für sie gearbeitet. Sie ist eine wirklich angesehene Führungskraft. Sehr schlau. Dann kündigte sie. XY ist ihr Baby, aber nicht ihre Firma. Es war ihr Traum, etwas Eigenes zu kreieren. Sie luden meine Chefin ein, die Vorsitzende dieses großen Projekts zu sein. Es war sehr aufregend. Dann sprach meine Chefin mit mir und fragte: „A., bist du daran interessiert, dieser Firma beizutreten?“. X.: Ich habe bei XY angefangen und ich muss ehrlich sein, ich hatte großes Glück, weil ich eine gute Managerin hatte. Mein erster Verkaufsleiter war eine Frau. Sie war eine sehr gute Trainerin und brachte mir viele Dinge bei, wie Verkaufsfähigkeiten, wie man eine gute Verkäuferin wird. Nach zwei Jahren wurde ich Top-Verkäuferin für drei Produkte. M.: Ich hatte ein sehr gutes Vorbild, die zuvor CFO für XY in Greater China war. Sie kommt aus Singapur. Eine sehr kleine, winzige Dame. Ich kenne sie jetzt aus meiner Zeit in Hongkong. Mehr als zehn Jahre. Sie ist jetzt CFO für Greater China. Sie war ein ziemlich gutes Vorbild für mich. Sie sagte: „Sie müssen nicht wirklich stärker sein als Männer. Man kann wirklich verschiedene Strategien anwenden, um mächtig zu sein“.

Unterstützende Ehemänner à la „Shanghai men“ Die Chinesinnen sind in der glücklichen Lage, sehr unterstützende Ehemänner im Hinblick auf ihrer Karrieren zu haben. Beschreibungen wie „unterstützend“ und „ermutigt mich“ kommen spontan auf die Frage nach der Rolle ihrer Ehepartner. In vielen Paarbeziehungen sind die Rollen vertauscht und es kann hier in der Mehrzahl nicht von Dual-Career-Partnerschaften gesprochen werden kann. Ein Teil der Männer schlüpft mit einem „Normal Job“ quasi in die klassische Supportrolle zu Hause, die aber von weiteren Personen mit abgesichert wird. Der Partner hat im besten Fall die Unterstützung von vier Großeltern und einer Haushaltshilfe sicher. Es werden zwei unterschiedliche Typen von Ehemännern beschrieben- die mit starker eigener Karriereorientierung und die, in dieser Studie mehrheitlich vorkommenden, nicht karriereambitionierten Männer mit Familienfokus. Unter den Partnern gibt es wenige in Führungspositionen. Die meisten Männer haben geregelte Arbeitszeiten, sind Freelancer oder bleiben zu Hause. Die nicht Karriere orientierten Männer übernehmen Anteile der Haushaltsorganisation, oft mit Unterstützung durch die Haushaltshilfe und die Großeltern. Sie übernehmen eine stärkere Rolle in der Kindererziehung. Diese Ehemänner werden von den Frauen als hilfreich im Haushalt, familienzentriert und aktiv bei der Kindererziehung und- betreuung beschrieben. Sie entsprechen dem Stereotyp des „Shanghai men“, welches in China für einen Ehemann steht, der kocht, einkauft, putzt und seiner Frau bei ihren Shopping Touren die Handtasche hält. Die Frauen, dieser nicht Karriere orientierten Männer, äußern bei ihren Schilderungen neben viel Lob auch Bedauern darüber, dass ihre Männer keine Karriere Ambitionen haben. Sie schildern, dass sie erst im Verlauf der Ehe und vor

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

allem nach der Geburt eines Kindes auch Vorteile in dieser Rollenverteilung sahen. Häufig verwendete Beschreibungen der Männer sind in diesem Zusammenhang Beschreibungen wie „kein Ehrgeiz“, „faul“ oder „Ich muss ihm Beine machen“. Es scheint, als haben die chinesischen Topmanagerinnen selber Stereotype Vorstellungen über das gewünschte Karriereverhalten ihrer Ehepartner. A2: Er ermutigt mich tatsächlich zur Arbeit. Es ist nicht wie in anderen Fällen. Einige Ehemänner werden sagen, dass Sie die ganze Aufmerksamkeit auf die Familie und die Kinder richten müssen. Er glaubt wirklich, ich muss mich mehr vernetzen. Wir haben eine gemeinsame Sprache. Ich würde mit ihm einige der Herausforderungen besprechen, die ich habe, und er gibt Ratschläge. Das ist sehr hilfreich. Wir haben viele Themen zu besprechen. A: Eigentlich ist mein Mann sehr unterstützend. Er ist eigentlich nicht der karriereambitionierte Mensch. Er mag mehr Freestyle. Er arbeitet wie ein Finanzberater. Kümmert sich um die Kinder. Er möchte keinen Job in Vollzeit zu haben. Er hatte viel Freizeit. Ich denke, er macht mehr als ich. Vorher hatten wir eine Ayi (Haushaltshilfe). Vor fünf Jahren ist meine Schwester von uns weggezogen, dann hatte ich eine Ayi, aber vor ein paar Monaten ist sie gegangen. Und wir haben uns entschieden, keine Neue anzustellen. Mein Mann kocht, kauft Gemüse, kauft ein und vieles mehr. Er fährt. Es ist einfacher für ihn. Er macht viele Haussachen. Er unterstützt meine Karriere immer sehr – wenn ich mit ihm spreche, sollte ich nach Hongkong gehen, sollte ich global werden. Grundlegende Entscheidung diskutieren wir natürlich, aber er unterstützt mich immer. J.: Ich habe mit meinem Mann gesprochen. (Lacht). Und er blieb viel länger zu Hause als ich. Ja, er ist drei Jahre zuhause geblieben. (Lacht) Ja. Also, als ich das Angebot von Firma XY bekommen habe, haben wir das ausdiskutiert, weil einer muss sich ja mehr Zeit für das Kind nehmen. In China wäre es eigentlich sehr typisch, das Kind zu den Großeltern zu geben, aber seine Eltern lebten schon nicht mehr. Meine Eltern kümmern sich um meine Nichte. Und ich wollte es eigentlich weder zu den Großeltern geben, noch eine Ayi (Haushaltshilfe) einstellen. Deswegen haben wir gesagt, einer von uns beiden. L.: Er ist eine Person, die niemals an die Zukunft denkt. Er denkt an heute. Auch heute ist nichts geplant. Er ist ein sehr friedlicher Mensch. Nicht aggressiv. Sein Job ist sehr normal. Was ich meine, er ist operatives Personal. Er verwaltet in der Fabrik. Macht Produktion. Alle Dinge sehr gleichmäßig. Er beginnt um 8:30 Uhr mit der Arbeit. Kommen Sie jeden Tag um 5:30 Uhr nach Hause. Fast das Gleiche, es sei denn, er hat eine Reise. J.: Mein Mann ist genau das Gegenteil von mir. Aber ich habe ihn gepusht. Ich sage: „Ich möchte nicht, dass du erfolgreicher bist, aber du musst genauso sein wie ich.“ Wir müssen gleich sein.

Die Männer mit eigener Karriere übernehmen den Teil der Kinderbetreuung, der eher als typisch männlich assoziiert werden könnte, wie z. B. sportliche Aktivitäten vor allem bei Jungen. Bei der Hausarbeit übernehmen sie in der Mehrzahl keine Rolle, denn diese wird von den Haushaltshilfen oder Großeltern übernommen und wird in diesen Fällen von den Frauen koordiniert. Auffällig ist, dass negative Berichte über Ehemänner, die der Karriere ihrer Partnerin kritisch gegenüberstehen bzw. die Karriere blockieren, in dieser Studie nicht vorkommen. Nur in zwei Fällen wurden gehäuft Konflikte, die um die Aufteilung bei der Kindererziehung ranken, beschrieben. In beiden Fällen sind die Ehemänner selber als Geschäftsführer tätig. Diese Männer werden von den betroffenen Frauen als eher nicht familienorientiert im Sinne von

2.7 Umgang mit Herausforderungen auf dem Karriereweg

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Beteiligung an der Erziehung oder am Haushalt beschrieben. Konfliktfelder erstehen generell im Bereich von Reisetätigkeiten. Aufgrund der gemachten Äußerungen lässt sich eine große Toleranzschwelle der Ehemänner vermuten, die auch bei häufigen Abwesenheiten ihrer erfolgreichen Partnerinnen bestehen bleibt. Das Zusammenfallen von zwei Faktoren erhöht den Druck auf die Chinesinnen in dieser Untersuchung- der Faktor, mehr als ein Kind zu haben und vom traditionellen chinesischen System abweichende Vorstellungen zur Kinderbetreuung zu entwickeln, die die Frauen in den Mittelpunkt der familiären Arbeitsbelastung stellen. Letzterer Faktor kommt bei Frauen auf, die im westlichen Ausland gelebt haben oder mit einem ausländischen Partner verheiratet sind. A.: Das ist etwas, um das ich mich bemüht habe, ehrlich zu sein. Er hat viel zu tun und ist viel unterwegs. Es fällt ihm schwer, den Kindern mehr Aufmerksamkeit zu widmen, obwohl ich glaube, dass das etwas mit chinesischen Männern und ihrer Rolle in der Familie zu tun hat. An einem Wochenende spielte er manchmal Golf, wieder ist der halbe Tag vorbei. Kinder sind es bereits gewohnt, Mama anzurufen, wenn etwas passiert, und damit bin ich nicht zufrieden. Ich versuche das zu ändern, ich versuche, ihn zu Hause zu halten oder zu Aktivitäten mit den Kindern zu bewegen. H.: Das ist eine interessante Frage. Ich denke, bei der Entscheidung, Teilzeit zu gehen, hat er mich definitiv gepusht. Ich denke, wenn er nicht gewesen wäre, weiß ich nicht, ob ich so schnell zur Entscheidung kommen würde. Ich glaube, ich hatte immer einige Gedanken darüber, aber er war verständlicherweise sehr besorgt darüber, dass meine Arbeitsbelastung sehr hoch war. Aber ich denke, wir haben sehr schnell eine gemeinsame Linie gefunden. Ich glaube nicht, dass er mich zu etwas gedrängt hat, das ich nicht wollte. Aber ich denke, er hat mich wahrscheinlich dazu gedrängt, die Entscheidung schneller zu treffen. M.: In diesem Land können Sie Männer finden, die für Sie zu kochen. Das bekommt man in Deutschland nicht sehr oft.

2.7 Umgang mit Herausforderungen auf dem Karriereweg Die geschilderten Herausforderungen auf dem Karriereweg der Chinesinnen ergeben sich unmittelbar aus den von ihnen gewählten Karrierestrategien. Bei vielen kommt spontan die Aussage, dass wohl Fehler nötig waren, um als Führungskraft wirklich zu wachsen und erfolgreich zu werden. Ein Schwerpunkt der Berichte kommt zum Bereich Interkulturalität, der gleichzeitig die eigentliche Stärke der Chinesinnen ausmacht. Hinsichtlich der kulturellen Herausforderungen werden Anpassungsprobleme bei Auslandsversetzungen beschrieben. Die meisten Beispiele in diesem Bereich beziehen sich auf kommunikative Probleme in der anderen Sprache, unterschiedliche Arbeitsweisen und die Führung internationaler Mitarbeiter im Ausland. Vor allem Frauen, die längere Zeit im Ausland gearbeitet haben, berichten über interkulturelle Problematiken. Frauen, die in China im internationalen Umfeld tätig waren, schilderten diese Herausforderung nicht. Eine Erklärung könnte dazu sein, dass der Aspekt des „zwischen den Welten wandern können“, zwar in China für die Frauen ein großer Vorteil ist, im Ausland nur eine

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

geringe, wenn nicht sogar keine Rolle für den Aufstieg spielte. Hier war das „Wandern zwischen der chinesischen und einer anderen Kultur“ für das Unternehmen nicht primär erforderlich, sondern eine reine lokale Anpassung war notwendig. Es ergaben sich ähnliche Herausforderungen, wie sie sich für viele Männer stellen, die internationale Versetzungen annehmen. Der Auslandseinsatz führt bei zwei Frauen nicht zur Beförderung und sogar im Gegenteil zu einer temporären Verschlechterung der Ausgangsposition. Die befragten Frauen werten es rückblickend als eine Erkenntnis, die aber nicht zum Stillstand führte. Kulturelle Herausforderungen waren auch im Hinblick auf verschiedenen Unternehmenskulturen in China ein Thema. Der Umgang mit anderen Werthaltungen beim Wechsel eines Unternehmens im Vergleich zu früheren Arbeitgebern war dann die Hauptherausforderung. Compliance ist in diesem Zusammenhang ein Thema, vor allem, wenn von Vorgesetzten Wertehaltungen eingenommen wurden, die im Gegensatz zu den eigenen standen. Andere Beispiele sind Wechsel von der Dienstleisterrolle des externen Consultants in Corporate Positionen oder in einen anderen Markt. Die Chinesinnen bewältigen die damit verbundenen notwendigen Anpassungsleistungen an das veränderte Umfeld sowie an andere Arbeits- und Denkweisen durch ihre Adaptationsfähigkeit und Flexibilität. J. (über Wechseln in Deutschland): Das war tatsächlich eine weitere Herausforderung, denn obwohl wir XY gekauft hatten, war von uns keiner an dem anderen Standort. Ich bin zu XY gewechselt, im Grunde hatten sie alle diese Position abgelehnt, aber ich war bereit umzuziehen. Kaum einer von den Deutschen wollte umziehen. Also musste ich meinen Weg finden, um in B. zu überleben. Ich interviewte mit verschiedenen Leuten, um einen neuen Job zu finden. Ich habe immer noch in der globalen Controlling-Abteilung gearbeitet, aber ich habe die Richtung ein wenig geändert. Also habe ich die Abteilung gewechselt und bin nach B. C. (über die Arbeit in Frankreich): Zuerst denke ich die Arbeit, die Art zu arbeiten. Die Arbeitsweise ist anders. Das Verständnis von Zusammenarbeit ist ebenfalls unterschiedlich. Das Schwierigste für mich war, in den wöchentlichen Treffen, wenn einige Kollegen ein Problem hatten, dachten sie, dass ich es lösen sollte. Sie wollten nicht selber an ihrem Problem arbeiten. Sie wollen nur für sich selbst arbeiten. „Das ist mein Ding. Fass meinen Bereich nicht an.“ Als ich ankam, bat ich sie, zusammenzuarbeiten. Als Team. J. (Über die Rückkehr aus Deutschland): Sehr unglücklich. Einer der Gründe, warum ich nach China zurückgekehrt bin, war die Familie. Meine Eltern sind dieses Jahr schon 75 Jahre alt. Ich wollte nach Peking zurückkehren, um näher bei ihnen zu sein und mich mehr um sie zu kümmern. Dies ist auch der Unterschied zwischen Chinesen und Westlern. Wir sind familienorientierter. Ich zog zurück nach China, aber nicht nach Peking, wo meine Eltern sind. Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Nur weil die andere Frau nicht nach Shanghai ziehen wollte. Ich musste nach Schanghai. Der Chef sagt, Sie können nach Peking zurückkehren, ich kann Ihnen Projekte geben. Aber es war nicht das, was ich wollte. Ich möchte echte Sachen. Obwohl ich wirklich unglücklich war, sprach ich mit meinen früheren Chefs, den Deutschen, weil wir wirklich gute Freunde sind. Sie sind wie meine Mentoren. Ich entschied mich, ok, also Schanghai. C. (über die Rückkehr aus Frankreich): Es war für 2 Jahre geplant. Und in China hat mir mein Chef am Ende der zwei Jahre gesagt, dass es eine freie Stelle für den Personalchef gibt. Ich wollte zurückkommen. Jedes Mal, wenn er zu Besprechungen nach Paris kam, sagte ich immer, „Boss vergiss mich nicht. Ich bin immer bereit zu arbeiten. Wenn also eine Stelle frei ist, zögern Sie nicht, es mir zu sagen. Gib mir Bescheid.“ Mein Mann sprach weder Englisch noch Französisch. Er liebt das Leben in Paris,

2.7 Umgang mit Herausforderungen auf dem Karriereweg

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aber es ist das Problem mit der Sprache. Man kann die Zeit nie wirklich genießen. Also entschied ich mich nach 2 Jahren, wieder in die neue Rolle zurückzukehren. A2: XY hat tatsächlich ein sehr schwieriges Umfeld. Das Geschäftsumfeld ist hart. Das eigene Geschäft von XY ist hart. Ich musste wegen fehlender Mitarbeiterzahl auch einen Compliance-Job übernehmen. Es war wirklich eine gute Erfahrung für mich, mit Menschen umzugehen. Schwierige Menschen, schwierige Entscheidungen treffen. Ich deckte das Arbeitsrecht ab. Ich deckte HR ab, also Beschäftigungsbereich. Für kurze Zeit habe ich Unternehmensrecht abgedeckt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir hatten einen Fall mit potenziellem FCPA. Kennen Sie das Gesetz über ausländische Korruptionspraktiken? FCPA-Probleme. Wir mussten also schwierige Entscheidungen treffen, um einige der Mitarbeiter zu entlassen. Wir erhielten starken Widerstand von der Basis und am Ende haben wir das immer noch geschafft. Es war schwer. H.: Ich hatte kein sehr großes Team. Ich erinnere mich nicht. Ich glaube, ich hatte fünf oder sechs Leute. Es war eine ziemliche Herausforderung, weil ich Leiterin der Konsumenten Abteilung war. Ich erkannte schnell, dass ein Consumer Job nichts für mich ist. Die Leute in meinem Team dagegen waren das voll und ganz. Ich denke, der herausfordernde Teil war, dass mein Herz nicht dabei war. Ich bin dann schnell zu Corporate. Da passte ich besser.

Der Bereich Führung von Mitarbeitern wurde mehrfach im Zusammenhang mit dem Thema Herausforderungen genannt. Die Führung älterer Männer aus dem Vertrieb, ist ein Beispiel für mögliche Hürden, die durch den Ausbau der eigenen Durchsetzungsfähigkeit überwunden wurde. Andere Frauen berichten davon, dass es zeitweise schwierig war, das Vertrauen ihrer Teams zu gewinnen und das richtige Maß an Delegation zu erlernen. Kündigungen von Teammitgliedern wurden hier als persönliche Niederlagen empfunden. Wiederum kamen Beispiele zur Führung von multikulturellen Teams im Ausland, die als besondere Herausforderung gesehen wurden. Auffällig ist, dass Schilderungen von Herausforderungen, die im Bereich Vereinbarkeit von Karriere und Familie liegen, von den Chinesinnen selten kommen und hier wiederum nur von den Müttern zweier Kinder, Frauen mit ausländischen Partnern oder einzelnen Single Frauen, die auf Familie verzichtet haben. Die geforderte Mobilität in Großkonzernen, lange zwischen zwei Wohnorten zu pendeln und regelmäßige nächtliche Arbeit aufgrund der Zeitzonenunterschiede waren bei den MehrfachMüttern im Kern die Themen. X.: Es war eine große Herausforderung, weil meine Kollegen elf Filialvertriebsleiter waren. Ihr Durchschnittsalter war zehn Jahre älter. Es gab nur zwei Frauen, eine davon ich. Ich war sehr jung und Frau, also für die Männer etwas ganz Anderes. Und meine Mitarbeiter waren auch im Schnitt zehn Jahre älter als ich, daher war es für mich eine große Herausforderung, das Team zu leiten. Mit den Jungs, die neu zu uns gekommen sind, war es viel einfacher, weil wir die gleichen Werte hatten. H.: Ich denke, der Nachteil ist, dass Sie nicht an beiden Fronten perfekt sein können. Was ich mir sage, ist an der Heimatfront; manchmal bin ich definitiv nicht so perfekt wie die anderen Mütter, die tagsüber in die Schulen gehen können. Kann nicht an den Schulaktivitäten teilnehmen. Nicht mit ihnen Schulausflüge machen. Ich würde gerne dabei sein, aber ich kann nicht. Ich kann nicht so perfekt sein wie sie. Bei der Arbeit kann ich nicht mit jemandem konkurrieren, der keine Kinder hat. Stellen Sie sich vor, es gibt jemanden, der genauso fähig ist wie ich, aber er oder sie kann 50 Prozent mehr Zeit investieren, um Netzwerk zu machen und zu reisen. Ich kann das nicht. Sie verdienen mehr Möglichkeiten als ich, um die nächste Beförderung zu bekommen. Damit bin ich einverstanden. Ich

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denke, dass es hier an beiden Fronten Nachteile gibt, aber für mich ist dies das beste Ergebnis für mich. Das Gesamtergebnis ist o.k. für mich und ich bin sehr zufrieden damit.

Einige Frauen berichten von Stress und Druck im Zusammenhang mit der Karriere und der Sorge um die eigene Gesundheit. In dem Zusammenhang nimmt eine große Belastung durch zahlreiche Dienstreisen eine zentrale Rolle ein. Es kommt zu Vergleichen mit Männern, denen einzelne Frauen zusprechen, dass sie die körperlichen Belastungen über lange Zeiträume besser als Frauen verkraften könnten. Das Thema Einsamkeit in Führungspositionen ist eine andere Herausforderung und in Verbindung damit die Frage, wie man als Frau in dieser Rolle damit umgeht, nicht mehr von allen gemocht zu werden. Als Schwierigkeit wird teilweise auch empfunden, dass die Unternehmen nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktionieren und einzelne Frauen auf Stellen versetzt wurden, die sie nicht gerne ausgeübt haben. Bestimmte ungeliebte Phasen im Unternehmen durchzuhalten, wird als Herausforderung geschildert, die für die Karriereentwicklung notwendig war. Der Erkenntnisgewinn der Interviewten dazu ist, dass eine lange Karriere im selben Konzern diese Phasen unumgänglich mache und man dann durchhalten müsse oder seine Strategie anzupassen habe. Als Hürde beim Unternehmenswechsel wird die Unvereinbarkeit der neuen Unternehmenskultur mit der eigenen Persönlichkeit beschrieben. Vor allem Frauen, die zwischen amerikanischen, deutschen und französischen Unternehmen hin-und her wechseln erleben diesen Aspekt. Als Beispiel wurden die Länderkulturen der Headoffices und der damit verbundenen unterschiedlichen Businessstile zwischen amerikanischen, deutschen und französischen Unternehmen genannt. Adaptation wird von den Frauen als Lösungsweg erfolgreich praktiziert. Allerdings gerieten einige Frauen hier an Grenzen und wechselten dann in die von ihnen präferierte Kultur in ein anders Unternehmen. Umstrukturierungsmaßnahmen in Zeiten der Asienkrise, in deren Folge vor allem die Personalleiterinnen von großen Entlassungswellen berichten, die sie selber durchsetzen mussten, werden als weitere Herausforderung genannt. Konfliktfelder zwischen den eigenen Werten und dem ursprünglichen Wunsch, Mitarbeiter zu entwickeln und zu fördern, ergaben sich bei der Notwendigkeit Mitarbeiterzahlen zu reduzieren. Gerade die betroffenen Personalleiterinnen schildern, dass sie diese Aufgabe zwar erfolgreich umgesetzt haben, die Situation aber als enorme Belastung empfanden, da sie in einem Wertekonflikt steckten. Das Thema Schnelligkeit und konstante Veränderungen sind Aspekte, die bei einzelnen Frauen Druck aufbauten. Die Frauen sahen sich rückblickend vor der Anforderung, konstant „up to date“ zu sein und in schnell wandelnden Märkten mit dem Tempo mitzuhalten. Wie Eingangs beschrieben wurde, haben die Frauen der chinesischen Gruppe große Umwälzungen im Land miterlebt, die besonders in China in einem stetig dynamischen Tempo verlaufen. Verantwortung für sich selber, die eigene Gesundheit und Zufriedenheit als Entscheidungsparameter werden hier als Bewältigungsmechanismen geschildert.

2.8 Ambivalente Einflussfaktoren auf Frauenkarrieren in China

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A.: Das ist eine innere Stimme. Die Sorge ist, dass ich mehr Verantwortung übernehmen würden und damit mehr Druck. Dinge wie meine Gesundheit, vielleicht mein Leben. All dies sind Dinge. Energie. Ich möchte die Menschen nicht enttäuschen, aber ich möchte mich nicht überbelasten. Ich möchte etwas tun, das ich vernünftigerweise kontrollieren kann. Menschen haben manchmal eine Krise im mittleren Alter. Sie wissen nicht, was der nächste Schritt ist. Es gibt kein Ende. Ich überlegte also, ob diese wirklich diese globale Rolle im asiatisch-pazifischen Raum machen sollte. Würde es mir Freude bereiten. Wahrscheinlich ein bisschen, aber nein. Es war nicht wirklich das, was ich wirklich wollte. C.: Mit der Rolle geht Stress einher, und ich muss Wege finden, um mit dem Stress umzugehen, und manchmal fühle ich mich natürlich ein bisschen einsam, weil ich die höchste Person hier bin. Mein Chef ist meilenweit entfernt. Ich will auch nicht vor ihm jaulen, obwohl ich es manchmal tue. Sie möchten das nicht die ganze Zeit tun, sonst hat Ihr Chef das Gefühl, dass Sie sich nur beschweren. Ich denke, dass man mit Stress umgehen muss. Man muss professionell wirken, besonders für die Leute, die jünger und unerfahren sind. Sie möchten nicht in Panik geraten oder schwach sein oder den Anschein geben, nicht zu wissen, was zu tun ist. Denn wenn Sie nicht wissen, was Sie tun sollten, wie können sie es tun? Ich denke, das ist es wirklich vielleicht, wenn Sie nach dem Nachteil der Karriere fragen. Sie müssen nur einen Weg finden, damit umzugehen.

2.8 Ambivalente Einflussfaktoren auf Frauenkarrieren in China Gibt es sie, die Glasdecke für Frauen im Management in China? Und wie wirkt sich im Land der Ein-Kind-Politik Mutterschaft auf Karrieren im Management aus? Über diese und einige weitere Faktoren berichten die Topmanagerinnen ambivalent.

Nationalitätendecke statt Glasdecke für chinesische Frauen im Management Ein Drittel der befragten Frauen verneinen die Existenz einer gläsernen Decke für Frauen im Topmanagement in China. Dieses gilt ihrer Meinung nach für alle drei Unternehmensformen- staatlich, private und multinationale- wobei der Schwierigkeitsgrad eine CEO Stelle zu erlangen in den drei Unternehmenstypen in China von den befragten Frauen unterschiedlich und nicht übereinstimmend bewertet wird. Als Voraussetzung für das Erreichen der höchsten Position im Unternehmen werden hohe Karriere Ambition und eine gute Organisation des Familienlebens genannt. Ein weiteres Drittel der Frauen definieren die Glasdecke nicht auf Frauen bezogen, sondern in den multinationalen Unternehmen für alle Chinesen unabhängig vom Geschlecht. Sie beobachten, dass weiterhin CEO und GM Positionen Ausländern vorenthalten sind und bislang selten mit Chinesen besetzt werden. Das Phänomen Glasdecke wird also kulturell bewertet und nicht in Abhängigkeit vom Geschlecht. In privat geführten chinesischen Unternehmen oder den staatlichen chinesischen Unternehmen sehen die Befragten diese kulturell definierte Glasdecke nicht. Rund die Hälfte der befragten Frauen glauben dagegen an die Existenz einer gläsernen Decke für Frauen in China. Diese befindet sich ihrer Wahrnehmung nach ausschließlich direkt unterhalb der GModer CEO Rolle, also der höchsten Position im Unternehmen. Für alle anderen Hier-

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archieebenen, so z. B. Executive Team Positionen, Direktorinnen und Vice President Rollen, gibt es auch Sicht der Mehrheit der Befragten in China keine Glasdecke. J.: Die Glasdecke existiert nicht. Obwohl es meiner Erfahrung nach immer Diskussionen darüber gibt, dass Frauen emotional sind und familiäre Pflichten haben, sehe ich keine Glasdecke. Die meisten weiblichen CEOs haben bessere Ergebnisse. Und sie geben ihre Familien auf. Z.: Ich glaube nicht an eine Glasdecke – alles ist möglich – für Männer und Frauen. A.: Die Glasdecke ist stark mit der Risikobereitschaft und Ihrem Karriereziel verbunden. Ich glaube nicht, dass es eine Glasdecke gibt. Es hängt davon ab, wie viel Karrierewillen eine Frau hat. In multinationalen Unternehmen ist es schwieriger als in lokalen chinesischen Unternehmen. Für die Ebene unter dem CEO gibt es keine Glasdecke. J.: Ich glaube nicht, dass es das gibt. Es kommt darauf an, ob die Frauen wirklich auf ein Top-Level wollen und wie sie ihr Familienleben organisieren. Ich kenne einige CEO-Frauen in von der Regierung unterstützten Unternehmen. Dort ist es einfacher als in multinationalen oder privaten Unternehmen. C.: Die Glasdecke ist für Chinesen – nicht für Männer und Frauen. In staatlichen und privaten Unternehmen gibt es das nicht. K.: Es ist für Chinesen in multinationalen Unternehmen. Der Prozentsatz der Chinesen, die nach Europa geschickt wurden, ist im Vergleich zur Zahl der Ausländer, die nach China kommen, immer noch gering. Die Chinesen sind introvertierter und Ausländer präsentieren sich gerne. Interkulturelle Vorurteile sind auch ein Grund für die Glasdecke für Chinesen. T.: In unserer Firma reden wir viel über die Glasdecke. Hier sind viele Frauen auf der Ebene unter dem CEO. Auf CEO-Ebene gibt es im Allgemeinen nicht genügend Vorbilder. Frauen entscheiden sich dafür, es sich auf der zweiten Ebene bequem zu machen. M.M.: Ja, es gibt sie in allen Unternehmen. Das Problem betrifft nur die CEO-Ebene. Die meisten Frauen wollen es nicht. Und einige verfügen nicht über die erforderlichen Fähigkeiten wie strategische Planung. Einige Frauen möchten eine niedrigere Funktion haben, weil sie dann Verantwortung abgeben können. MO: Ich hatte keine Erfahrung damit, aber ich denke, dass sie ab GM-Ebene existiert. Vielleicht gibt es einen psychologischen Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn es darum geht, GMPositionen zu erreichen.

Die Frauen suchen Hauptgründe für die Existenz der gläsernen Decke in vier Bereichen. Zum einen seien die familiären Herausforderungen an Müttern unvereinbar mit den Anforderungen der Rolle als CEO oder GM. Als zweiter Grund werden mangelnde Ambitionen von Frauen im Vergleich zu Männern genannt. Viele Frauen fühlen sich wohl auf dem zweiten Level der Executive Positionen und streben die Rolle als CEO nicht an. Als dritter Faktor wird von nur einer Teilnehmerin das unterschiedliche Pensionierungsalter von Frauen und Männern genannt. Da Frauen in China im Schnitt fünf Jahre früher in Pension gehen, haben sie weniger Zeit, den Schritt auf die höchste Ebene im Unternehmen zu vollziehen. Ebenfalls nur eine Frau nennt Vorurteile bzw. Stereotype zum weiblichen Führungsstil als Ursache der gläsernen Decke.

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J.: Die traditionelle familiäre Belastung ist der Hauptgrund, warum es in China eine Glasdecke für die CEO-Ebene für Frauen gibt. Das liegt nicht daran, dass die Menschen voreingenommen sind, sondern daran, dass Männer und Frauen natürlich unterschiedlich sind. M3: Ich denke, Frauen wollen in vielen Fällen nicht nach oben, aber Männer wollen es. Frauen wollen nicht alle Hürden überwinden und dann keine Zeit für die Familie haben. Z.: Ich denke, sie existiert. Männer haben größere Ambitionen. Und es ist schwieriger für Frauen, ihr Privatleben in Einklang zu bringen. A.: Die Glasdecke existiert in multinationalen Unternehmen, weil Frauen nicht weiter nach oben wollen – sie fühlen sich auf der zweiten Ebene gut.

In dieser Gruppe gibt es zwar eine Mehrheit, die sich für die Existenz einer gläsernen Decke in China ausspricht, diese wird aber nur von der Hälfte der Befragten speziell auf Frauen bezogen. Die gläserne Decke gilt aus Sicht der Befragten primär für alle Chinesen in multinationalen Unternehmen und bezieht sich ausschließlich auf die Position des Geschäftsführers, nicht aber auf die zweite Führungsebene, die im Regelfall dem Senior Management zugeordnet wird. Alle andere Senior Executive Level sind für chinesische Frauen in ihrem Umfeld demnach genauso gut wie für Männer zu erreichen.

Zeitlich begrenzte Verzögerungen durch Mutterschaft- vor allem bei zwei Kindern Die meisten der interviewten chinesischen Frauen sind verheiratet (83 Prozent) und leben mit ihrem Partner und haben Kinder (74 Prozent). Rund zwei Drittel von ihnen haben ein Kind und ein Drittel sogar zwei Kinder. Bei rund 70 Prozent der Frauen mit Kindern leben die Schwiegereltern bzw. die Eltern der Frau gemeinsam mit im Haushalt oder in direkter Nähe des Haushaltes. Die Gruppe der Kinderlosen macht 26 Prozent der Befragungsgruppe aus. Nur elf Prozent der Frauen leben als Single und haben keine Kinder. Die Chinesinnen definieren ihre berufliche Tätigkeit als ihre primäre Rolle. Sie sehen ihre zentrale Aufgabe bei der Arbeit und denken nicht, dass sie ständig für ihr Kind bzw. die Kinder präsent sein müssen. Durch ihre Sozialisierung geprägt, ist es für die weiblichen Führungskräfte dieser Gruppe Normalität, wenn Frauen arbeiten, ihren Karrieren nachgehen und sich primär über die Berufstätigkeit identifizieren. Für die Frauen ist es auch Normalität, wenn sie für den Beruf häufig und auch über längere Zeit von zu Hause abwesend sind. Die Kinderbetreuung ist in chinesischen Familien nicht Sache der Mutter allein. Gerade in der klassischen Ein-Kind-Familie ist Kindererziehung eine Gemeinschaftsaufgabe des Familiensystems. Berufstätigkeit und Karriere von Frauen wird gesellschaftlich als hoher Wert anerkannt, der dem gesamten Familiensystem zu Gute kommt. Es gibt den Schilderungen zu Folge keine Erwartungshaltung, dass Mütter Haushalt und Kindererziehung primär allein bewältigen müssen. Während sie arbeiten, greift das familiäre Unterstützungssystem, welches durch externe Hilfen verstärkt wird.

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

L.: Ich arbeite lieber, als mich zu Hause um alles zu kümmern. Und mir ist auch bewusst, dass mein Kind nicht nur mein Kind ist. Sie gehört der ganzen Familie. Jeder besitzt sie und sie gehörte jedem. Sie ist nicht mein Vermögen … Also fing ich an, meine Familie zu stärken. Ich fing an, mich nicht um bestimmte Dinge zu Hause zu kümmern, und lasse meine Familie damit umgehen. Ich muss mich im Grunde um wenig zu Hause kümmern. Meine Schwiegereltern kümmern sich in ihrem täglichen Leben um fast alles, mein Kind. Sogar in der Schule. A.: Ja, und ich bin viel unterwegs. Ich bin nicht die Person, die jeden Tag pünktlich zu Hause sein kann. Und ich begleite meine Tochter auch nicht beim Lernen. Es ist nicht mein Leben. Aber wenn ich mir Work-Life-Balance anschaue, denke ich, dass ich ausgeglichen bin. Ich fühle mich nicht unausgeglichen. Aber ich verbringe nicht jeden Tag vier Stunden mit meinen Kindern. Aber ich denke, ich bin ausgeglichen mit meinem Kind, sie versteht. Ich denke, ich bin ein gutes Beispiel für sie, denn wenn ich etwas arbeite, arbeite ich sehr hart und engagiert für etwas. Sie ist also ziemlich selbstständig. Ich fühle mich auch gut dabei. Sie beschwert sich nie, sagt nicht, dass ich keine Zeit mit ihr verbringe. Sie ist damit zufrieden. Natürlich hilft mein Mann ihr auf akademischer Seite, weil er darin besser ist als ich. Und meine Mutter hilft bei der Logistik. Also essen und so. Ich bin glücklich, die Unterstützung der Familie zu haben. Es ist, als hätte jeder seinen eigenen Job in der Familie. Ich habe nie das Gefühl, keine Work-Life-Balance zu haben. K.: Ich denke, ich bin nicht wie eine traditionelle chinesische Mutter. Ich bin unabhängiger. Sie verbinden den Erfolg ihres Kindes mit ihnen. Ich möchte definitiv, dass mein Sohn der Beste ist, aber auf der anderen Seite, wenn er es nicht kann, werde ich es nicht als meinen Misserfolg betrachten. Ich bin ich. Mein Sohn ist mein Sohn. Mein Erfolg ist mein Erfolg. Erfolg bei meinen Söhnen erwarte ich schon, aber ich werde nicht zu viel Hoffnung da ‘reinsetzen. Einige chinesische Eltern denken, wenn ihr Sohn nicht ausgezeichnet ist, ist ihr ganzes Leben nichts wert. Das glaube ich nicht. M: Ich denke, es ist mehr oder weniger dasselbe. Nicht viel Veränderung. Ich habe das Gefühl, dass Kinder für mich nie ein Hindernis waren, Dinge zu tun.

Mutterschaft bewirkt aus Sicht der chinesischen Führungskräfte bei Frauen oft zeitlich begrenzte Phasen der Karriere Verzögerung. Die Frauen verweisen darauf, dass man als Mutter und Karrierefrau selber dafür Sorge tragen müsse, eine Balance zwischen den beiden Bereichen zu erreichen. Diese Balance legt jede Frau individuell fest. Opfer bzw. „trade-offs“ sind dabei eine Realität, da man nicht alles ausgleichen könne. Vor allem lange Abwesenheiten von zu Hause, die bestimmte Positionen mit sich bringen, wurden als große Herausforderungen gewertet.Viele der Frauen haben für ihre eigene Karriere den Fokus bei der beruflichen Entwicklung gesetzt und dafür in Kauf genommen, dass sie häufig abwesend waren. Ein Teil der Frauen reflektiert die Auswirkungen, die eine starke Karriereorientierung auf ihre Beziehung zum Kind hatte. Einige Kinder haben stärkere Beziehungen zu den Großeltern oder zum Vater entwickelt. Andere Frauen schildern positive Einflüsse der Mutterschaft, die sie in einer durch diese Erfahrung gewachsenen Persönlichkeit gesehen. Durch die Erfahrungen als Mutter haben sie Stärken weiterentwickelt, wie z. B. Geduld, Empathie und Konfliktstärke. Diese weiter entwickelten Stärken wirken sich positiv auf den eigenen Führungsstil aus. K.: Mein Mann verbringt tatsächlich mehr Zeit mit meinem Sohn. Wenn ich zwei Wochen weg sein musste, hat mein Sohn als Baby bei meiner Ayi (Haushälterin) geschlafen. Er hat sich sehr an die Ayi

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gewöhnt, bevor er drei Jahre alt war, weil ich nicht garantieren konnte, dass ich jede Nacht zu Hause sein würde. Mein Sohn steht meinem Mann näher. Z2: Es hat meine Karriere nicht verändert. Es hat meine Persönlichkeit verändert. Als ich das Baby bekam, bekam ich das Feedback von meinen Kollegen und Kollegen, die mir sagten, dass ich sehr geduldig geworden bin als Führungskraft. Es hat mich sehr verändert. Und, wenn Sie ein Baby haben, werden die Prioritäten andere. Sie nehmen weniger an Konflikten teil oder andere Dinge, die unglücklich machen. Vergiss es.

Weiterhin berichten sie, dass Mütter im Unternehmen sehr viel positive Resonanz und Respekt für die Doppelleistung bekommen und Unterstützung der Kollegen erfahren. Diese Erfahrungen spiegeln nicht das Bild aus der Literatur, wonach Mütter in vielen Ländern in den Unternehmen weniger Unterstützung als Nicht-Mütter erfahren. Die Mehrheit der befragten Frauen bewertet die Mutterschaft trotzdem als Karriere verlangsamend. Die Befragten berichten spontan, dass Single-Frauen einfacher Karriere machen können, da sie flexibler sind und viel reisen können und ohne Verantwortung für eigene Kinder weltweit mobil sind. In diesem Punkt scheint sich das als „motherhood penalty“ beschriebenen Phänomen auch in dieser Gruppe wiederzufinden. Allerdings ist die Auswirkung auf die Karriere dieser Frauen ihrer Erfahrung nach ganz klar zeitlich begrenzt gewesen. Mutterschaft wird von den Frauen keineswegs als Karrierestopper beschrieben. Die Frauen sprechen von „Verzögerung“, die dann aber in eine Weiterentwicklung der Karriere mündete. Dabei kommt als Lösungsstrategie dem Unterstützungsnetzwerk durch die Familie eine tragende Rolle zu. Ist die Unterstützung durch die Familie bei der Betreuung gerade von Kleinkindern sehr stark, mindert das vermeintliche Nachteile, da die Frauen sich schnell wieder voll auf die Karriere konzentrieren können. Eine weitere Strategie der Frauen ist, den Mutterschutz, der in China vier Monate plus sechs Monate Stillzeit beträgt, auf ein absolutes Minimum zu begrenzen. H.: Wie auf der Autobahn habe ich meinen Fuß auf die Bremse gesetzt, etwas langsamer, aber jetzt, Gas, bin ich zurück. C.: Es wird sich etwas verlangsamen. Ich kann nicht sagen, dass ich betroffen bin. Ich denke, viele erfolgreiche Frauen haben eine sehr gute Familie und kümmern sich um ihre Kinder. Ich glaube, dass sie in einem bestimmten Stadium ihrer Karriere langsamer werden, weil sie ein Kind oder das zweite Kind bekommen. Ich fühle mich mit diesem verlangsamenden Teil ziemlich wohl. L.: Das liegt daran, dass ich ein sehr gutes Unternehmen und eine großartige Chefin hatte. Sie hat mich unterstützt. Sie sagte, die Familie geht vor. In den meisten Fällen behandelt der Chef die Frauen jedoch nur wie Arbeitskräfte. Wenn Sie einen langen Mutterschaftsurlaub nehmen, werden sie viel Druck bekommen und wenn sie zurückkommen, verlieren sie möglicherweise ihre Position.

Kommentare wie „ich hätte weiter kommen können ohne Kinder“ werden vereinzelnd von den Frauen mit zwei Kindern gemacht. Die Erziehung von zwei Kindern wird als ein zusätzlicher Stressfaktor beschrieben, der die Karriereentwicklung beeinflusst. In einem Fall führte die Geburt des zweiten Kindes zur Wahl von vorübergehender Teilzeit. Eine der befragten Führungskräfte mit schon einem Kleinkind wurde dagegen

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noch während ihrer nächsten Schwangerschaft in eine noch höhere Führungsverantwortung befördert. M3: Es war eine schwierige Entscheidung, um ehrlich zu sein. Ich habe 13 Jahre bei dieser Firma verbracht. Ich habe mich sehr wohlgefühlt, für diese Firma zu arbeiten. Ich habe mein Leben in Tianjin schon genossen. Bis die Entscheidung kam, wollen wir das Baby behalten oder nicht. Denn selbst zu Beginn haben sowohl die Schwiegereltern als auch meine Eltern diese Entscheidung nicht unterstützt. Sie hatten das Gefühl, dass ich kein zweites Baby bekommen sollte. „Und du hast so einen guten Job. So eine gute Karriere in dieser Firma. Warum willst du das aufgeben?“ Also rede ich mit meinem Mann. Manchmal wollten wir behalten, dann wieder wollten wir es aufgeben. Aber mein Mann und ich waren uns dann einig, dass wir das Baby behalten wollen, weil es ein Leben ist. Es ist uns gegeben. Wir haben es nicht geplant, aber es ist uns gegeben. Es ist ein Leben, also haben wir beschlossen, das Baby zu behalten. Dann sprach ich mit meinem ausländischen Chef und teilte meinen Familienmitgliedern mit, dass wir das Baby behalten wollen. Dann sagten mir die Eltern, da wir die Entscheidung bereits getroffen hätten, können sie sie auch nicht ändern. Sie würden uns trotzdem helfen. Nachdem ich das Baby nach ein oder zwei Monaten Pause zur Welt gebracht habe, sprach ich mit meinem alten Chef und er sagte: Ja, komm zurück, ich habe einen Job für dich. Also haben wir uns in einem Restaurant getroffen und dann sagte er „Entschuldigung, ich habe schlechte Nachrichten für Sie, ich kann Sie nicht zurücknehmen. Ich habe mit HR und Legal gesprochen und sie unterstützen das nicht.“ Sie hatten immer noch das Gefühl, dass auch nach der Entbindung des Babys ein Risiko für das Unternehmen besteht. Also war ich schockiert. Oh. Weil, vor der Geburt hatte ich das Gefühl, seine Unterstützung zu haben, weil mein Chef sagte, er möchte mich zurückholen. Ich fühlte mich ziemlich unwohl.

Auch wenn die meisten der befragten Topmanagerinnen ein Kind haben und damit die Karriereleiter hochgestiegen sind, wird das Thema Schwangerschaft in den multinationalen Unternehmen überwiegend als ein Nachteil für Frauen gewertet. Vereinzelnd wird geschildert, dass dieser Punkt vor der Öffnung Chinas und in den staatlichen Unternehmen nicht so kritisch erlebt wurde.

Kinderbetreuung in China als Aufgabe des Familiensystems Der Erfolg der Karriere Frau steht nach Aussage der Frauen in China für den Erfolg der gesamten Familie. Dementsprechend unterstützen die Familien die Karriereorientierung der Frauen und sorgen dafür, dass sie sich voll auf die Karriere konzentrieren können. A: Frauen haben mehr Gleichheit als Männer- vor allem zu Hause.

In verschiedenen Kulturen gibt es unterschiedliche Ansätze, den Balanceakt der Vereinbarkeit von Rollen zu bewältigen. In China spielen Großeltern eine tragende Rolle bei der Versorgung von Kindern. Bei der hohen Erwerbstätigkeitsrate von Frauen in China und gleichzeitig fehlenden Teilzeitmodellen sind die Großeltern wichtigstes Glied in der Betreuungskette von Kindern. Das reflektiert nicht nur die starken Bande zwischen Eltern und Kindern, sondern steht für einen starken kulturellen Focus, der

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Familienwerte über die Werte des Einzelnen stellt. Kinderversorgung durch die Großeltern kann interpretiert werden als Adaptionsstrategie der Familie, um das Wohlergehen der gesamten Familie zu stärken durch Absenken der Belastung der Mutter, die dann ihrerseits die Familie finanziell stärkt. Großeltern leben entweder bei den berufstätigen Eltern im Haus oder in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Unterstützung durch Großeltern basiert, zusätzlich zu dem hohen Wert Familie an sich, darauf, dass Großeltern oft finanziell von ihren erwachsenen Kindern unterstützt werden. Die „floating population“ in China, die für die Arbeit vom Land in die Städte zieht, hat zur Folge, dass oftmals Großeltern temporär die ersten Erzieher ihrer Enkelkinder sind, da die Eltern sie bei ihnen zurücklassen. Einer Studie von Liang zur Folge wohnten 45 Prozent der Großeltern mit ihren Enkeln in einem Haushalt. Dieses Phänomen zeigt auch die gesellschaftliche Akzeptanz von erwerbstätigen Müttern, die längere Zeiten von ihren Kindern getrennt leben. Anders als in der Vergangenheit sind es nicht mehr nur die Eltern des Ehemannes, die bei der Betreuung von Kleinkindern eine tragende Rolle spielen. Die Eltern der Mütter sind gleichermaßen primär verantwortlich. Darüber hinaus ist die Anstellung von Haushaltshilfen (Ayi, gleichbedeutend mit „Tante“), zusätzlich zur Hilfe der Großeltern weit verbreitet. Diese übernehmen in China alle Arbeiten, die im Rahmen eines Haushaltes und bei der Kinderbetreuung anfallen. Zur Betreuung von Säuglingen berufstätiger Mütter gibt es spezielle Nacht-Ayis, die von abends bis zum frühen Morgen das Baby versorgen, damit die berufstätige Mutter schlafen kann. Nachhilfeschulen, Ganztagsschulen und das Angebot von Boardingschulen mit Übernachtungsmöglichkeit sind der dritte wichtige Bereich, der Müttern eine Vollzeitberufstätigkeit in China möglich macht. In einzelnen Fällen wird auch von den Kinderbetreuungstätten früherer staatlicher Arbeitgeber berichtet, die komplett auf die Arbeitszeiten der Frauen abgestimmt waren. Diese Systeme werden bei den befragten Frauen nun komplett vom Familiensystem übernommen. Li.: Sie ist 58. Sie ist eine sehr fleißige Frau. Sie kümmert sich um mich, meinen Mann und mein Kind. Sie kann alles organisieren. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich etwas tun muss, und dann kaufe ich etwas, für das sie möglicherweise keine Zeit haben. Sie fragen mich nie um etwas. M.: Ich mache keine großen Dinge in meiner Familie. Ich komme nach Hause zurück und spiele oder diskutiere oder lese mit meinem Sohn. Ich mache nichts zu Hause. Wenn ich will, habe ich viel Freiheit, ich habe eine Vollzeit-Nanny und ich habe eine Putzfrau. Und ich habe meine Mutter täglich, und Sie kennen die chinesischen Omas, sie sind einfach unglaublich. Sie bleiben einfach beim Baby. Mein Partner ist ein netter Mann. Ich lese ich an den Wochenenden gerne Bücher und trinke Kaffee. Wenn wir zusammen sind, spielt er mit dem Baby, also trinke ich meinen Kaffee und lese meine Bücher. Wenn ich also theoretisch will, kann ich mich völlig von der ganzen Sache befreien, aber ich will nicht. Der Grund, warum ich mein Baby habe, ist, dass ich ihm meine Liebe geben möchte. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, möchte ich, dass alle gehen, damit ich mich selbst um das Baby kümmern, Windeln wechseln, es füttern und schunkeln kann. Ich bestehe darauf, dass er in meinem Zimmer schläft und nicht bei der Kinderpflegerin. Ich bin emotional an ihn gebunden, also bin ich bereit, dies zu tun, aber wenn ich will, bin ich frei. Für den Job muss ich reisen, ja.

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Auffällig ist, dass bei kulturell gemischten Ehepaaren und bei chinesischen Eltern, die länger im Ausland gelebt haben, mehr auf den Einsatz von externen Hilfen verzichtet wird und die Frauen einen großen Teil der Belastungen selber tragen. Hier kann vermutet werden, dass sich das Rollenbild der Karrierefrau durch andere kulturelle Einflüsse verändert hat und das Rollenbild der Mutter einen stärkeren Stellenwert bekommt.

Balance nicht als Ziel, sondern als Resultat Auf die Frage danach, wie zufrieden sie mit ihrer Work-Life-Balance im Verlauf der Karriere bisher waren, sind die Antworten tendenziell homogen. Allen ist gemein, dass sie zu Beginn der Karriere überwiegend nur auf die Arbeit konzentriert waren und viele Stunden in ihre Karrieren investiert haben. Heute, angekommen in hohen Führungsebenen, sehen viele der Befragten ihr Leben als eher balanciert an und auch der private Bereich bekommt mehr Raum. Viele der Chinesinnen haben eine hohe Reisetätigkeit, die je nach Phase in der Karriere Tage oder auch ganze Wochen umfasst und arbeiten regelmäßig nachts, wegen unterschiedlicher Zeitzonen, und am Wochenende. Die Frauen haben eine generell positive Einstellung zu arbeitsintensiven Phasen, in denen die zeitliche Belastung hoch ist, und sehen sich selbst in der Verantwortung dafür, nach Phasen von sehr viel Arbeit eine Work-Life-Balance wiederherzustellen. Beispiele für Zeiten mit großer zeitlicher Belastung sind Stellen- und Funktionswechsel oder besondere Maßnahmen, wie Umstrukturierungen. Regelmäßig wiederkehrende Zeiten mit hoher Arbeitsbelastung und damit wenig freier Zeit, wie z. B. bei Jahresabschlüssen, werden als normal angesehen. T.: In den ersten zehn Jahren würde ich sagen, viel, weil ich wusste, was ich erreichen wollte und ich wusste, dass ich extra investieren muss, also würde ich sagen, dass 90 Prozent meiner Zeit im Job waren. Besonders als ich nach Schanghai gezogen bin, hatte ich keine Freunde, ich hatte zunächst nichts zu tun, deshalb investierte ich auch Samstag und Sonntag viel Zeit in die Arbeit. Und das ist fast wie meine Freizeit, weil ich es auch mag. Wie die meisten Unternehmer. Wir arbeiten lange Stunden, aber es gefällt uns. Und ich habe es wirklich genossen. Aber in den letzten zehn Jahren, in der zweiten Hälfte meiner Unternehmenskarriere, hatte ich eine ganz andere Perspektive. Ich wollte mehr mit Menschen aus meiner Kirche sein und auch meine persönlichen Beziehungen pflegen und auch lernen, neue Fähigkeiten, wie Klavierspielen oder Ernährung usw. Nach zehn Jahren in der Firma weiß ich, wie man überlebt. Ich werde vielleicht nicht den Job des Präsidenten bekommen, aber ich weiß, dass ich nicht entlassen werde. Ich mache es mir bequemer, zusätzlich zur Karriere etwas zu tun, damit ich meine Gewohnheiten und meine Religion habe. Ich denke, mein Leben ist in den letzten zehn Jahren viel ausgeglichener und ich bin zufriedener mit meinem Job und anderen Interessen. M.: In meinem Fall hat sich an meiner Wahl nicht viel geändert, aber es hängt eher davon ab, ob es etwas zu tun gibt, es gibt einige geschäftige Zeiten, es gibt manchmal ruhigere Zeiten. Aber insgesamt bin ich eine verrückte Person bei der Arbeit, wenn ich Arbeit zu erledigen habe. Ich würde es nicht ablegen können. Aber ich brauche auch Unterhaltung, ich brauche immer ein starkes Gleich-

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gewicht an beiden Enden. Ich erwähnte die Zeit, in der ich drei Jobs zusammen machte – in Deutschland, hier und auch beim Studium, das war eine sehr anstrengende Zeit. Aber auch dann traf ich an den Wochenenden Freunde. Jetzt, da sich das Unternehmen in einem stabilen Stadium befindet und ich schon lange hier bin, wird die Herausforderung immer geringer. Dann könnte man sagen, ich arbeite nicht mehr so viel wie in der Vergangenheit, es ist normale Arbeitszeit. Aber wenn irgendetwas kommt und mich dazu zwingt, so viel wie früher zu arbeiten, klar, hängt von der Notwendigkeit ab. A.: Natürlich kann es nicht immer eine Work-Life-Balance geben. Es gibt immer Hoch- und Nebensaison. Besonders in den ersten Jahren. Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben im ersten Jahr ist nicht gut, aber die Familie wird es verstehen, weil Sie einfach einen neuen Job wählen. Aber im zweiten Jahr weiß ich, dass ich zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie kommen muss. Also stelle ich im ersten Jahr sicher, dass ich mehrere Dinge erreiche. Erstens baue ich ein gutes Team auf, damit das Team später befähigt werden kann, Dinge zu tun. Zweitens baue ich Vertrauen mit meinem Chef und meinen Kollegen auf. Drittens verstehe ich das Geschäft so schnell wie möglich, sodass ich in Zukunft weiß, was der Kurs ist, egal in welchem kleinen Bereich. Als Viertes sehe ich die Beziehung zu Paris und Asien. Sie wissen, dass China den richtigen Weg geht, also hinterfragen sie uns nicht und schätzen uns. Ich treffe mich regelmäßig mit allen, um sicherzustellen, dass es meinem Team gut geht. Ich habe regelmäßige Treffen mit meinem Chef, um sicherzustellen, dass er eins zu eins aktuell alles weiß. Die Dinge sind dann auf dem richtigen Weg. Ich habe dann auch Zeit, meiner regulären Arbeit nachzugehen. Manchmal ein Seminar zu besuchen, um zu erfahren, was in China als Best Practice funktioniert. Und ich entwerfe einige Best Practices für den asiatisch-pazifischen Raum. Alle anderen 15 Länder in Asien lernen viel von den bewährten Verfahren Chinas zur Umsetzung ihres Landes, was auch von Paris sehr geschätzt wird.

Es sind vor allem chinesische Mütter mit zwei Kindern, die, oft vor dem Hintergrund gemischt nationaler Ehen, nicht den Großteil der Erziehungsarbeit delegieren wollen, die beschreiben, dass sie eigentlich ständig im Wettlauf mit der Zeit leben. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Mehrheit der Befragten ihre Work-Life-Balance heute positiv ein schätzen. Alle Frauen beschreiben für die Aufstiegsphase ihrer Karriere einen sehr hohen Arbeitseinsatz, was sich in langen Arbeitszeiten und Dienstreisen ausdrückt. Mütter mit zwei Kindern sind zu diesem Punkt die Ausnahmen in der Gruppe. Sie sehen sich ständig gefordert, ihre Zeit zwischen der Karriere und den Anforderungen der Kinder auszubalancieren. H.: Ich finde es sehr stressig. Ich kann nicht sagen, dass ich mich jeden Tag friedlich und ausgeglichen fühle. Ich denke, es ist sehr schwierig zu balancieren. Ich bin eine sehr praktische Person, also schaue ich jeden Tag. Wie ich durch jeden Tag komme und meinen Job mache und immer noch für meine Kinder da sein kann. Ich denke, das ist schon ein Erfolg. Ich habe nicht die Illusion, dass es ein Gleichgewicht gibt. Ich denke, hängt davon ab, wie Sie das Gleichgewicht definieren. Für mich kann man nicht das perfekte Gleichgewicht haben. Das ist einfach nicht möglich. Wenn Sie einen großen Job haben und zwei Kinder haben und Ihre Kinder nicht delegieren möchten, müssen Sie ein sehr stressiges Leben führen. Ich würde lieber daran arbeiten, wie ich Energie für mich selbst aufbauen kann. Ich achte darauf, was ich esse. Ich trainiere viel. Ich muss die Energie haben, die ich brauche, um all das zu tun. J.: Meine Arbeitszeiten sind sehr lang. Ich verlasse mein Zuhause um 7:30 Uhr und komme um 20 oder 20.30 Uhr zu Hause an. Ich reise ungefähr 25 Prozent meiner Zeit. Work-Life-Balance? Ich verbringe mehr Zeit mit der Arbeit. Dies ist definitiv kein Gleichgewicht. Aber ich sage meinen

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Freunden, dass ich mehr auf die Qualitäten schaue. Wie ich die Beziehung zu meinen Familienmitgliedern pflege, obwohl ich nicht so lange zu Hause bleibe wie die anderen Mütter? Wir versuchen, am Wochenende, im Sommer oder im Winter gemeinsam etwas zu genießen. Ich mache die Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe, sehr gut.

Starkes Selbstbewusssein, Nachholbedarf in der Selbstdarstellung und vom Vorteil, nicht schön zu sein Unter Selbstbewusstsein wird die Unabhängigkeit von den Urteilen anderer sowie eine große Selbstsicherheit bezüglich der eignen Fähigkeiten und Leistungsvoraussetzungen verstanden. Allgemein schätzen sich die chinesischen Managerinnen selber als sehr selbstbewusst ein. Ein hohes Selbstvertrauen wird von allen als bedeutender Einflussfaktor auf den eigenen Karriereverlauf angesehen. Insbesondere im Hinblick auf die Durchsetzungsfähigkeit Kollegen und Vorgesetzten gegenüber, ist es aus ihrer Sicht ein besonderer Vorteil, sehr selbstbewusst zu sein. Selbstbewusstsein wird dabei von den Frauen oft gleichgesetzt mit Mut. Auf die Frage, wie sich das Selbstvertrauen äußere, beschreiben die Frauen, dass man es an der Erscheinung, den Augen und der Art zu reden erkennt. Viele Frauen denken, dass es eine angeborene Fähigkeit ist. Sie berichten, dass sie schon als Kinder führende Rollen in Gruppen hatten, z. B. in dem sie vor Gruppen gesprochen haben. „Natural leader“ und „from early on“ sind die Hauptstichworte. Das hohe Selbstvertrauen komme aus der Stärke der Frau, ihrer guten Intuition und Überzeugungskraft und der Fähigkeit, die Dinge schon zu spüren, die andere noch nicht sehen können, so die Schilderung einer Teilnehmerin. Mehrfach betonen die Frauen, dass weibliche chinesische Führungskräfte insgesamt sehr selbstbewusst sind. Diese Aussage zieht sich durch alle geführten Interviews. Insbesondere die Frauen in Schanghai würden in puncto Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft eine führende Rolle in China einnehmen. Die befragten Frauen berichten, dass alle ihrer Kolleginnen sehr viel Selbstvertrauen aufweisen. M.M.: Gute Frage. Die sagten „Wir haben schon einen Chief Representative“. Ich war aber schon General Manager, ich kann die ganz großen Themen führen, ich kenne den Markt in beiden Ländern, ich kann beide Sprachen. Ich brauche hier in China keinen Chef. Keine Chance. Wenn ich komme, dann bin ich Chief Representative. Dann sagte der CEO: „Das ist aber schwer. Das muss das Board entscheiden, das kann ich nicht alleine“. Dann habe ich gesagt, „Das brauchen Sie nicht, ich gehe mal zu Ihrem Board“. Zwei Monate später hatten die ein Board-Meeting und haben mich angerufen, ich könne kommen. Ich bin also nach Deutschland geflogen. Beim Board-Meeting hatte ich ein Mittagessen mit allen Mitgliedern und hab mit allen gesprochen… Sie haben gesagt, Frau M.M. ist kein Ingenieur, Frau M.M. ist eine Chinesin, Frau M.M. ist eine Frau. Diese Firma hat 80.000 Mitarbeiter weltweit und 80 Prozent davon sind Ingenieure mit technischem Hintergrund. Diese Frau hat nichts davon, warum sollten wir sie nehmen? Ich habe sie folgendermaßen überzeugt. „Sie haben so viele Ingenieure, sie brauchen keine Ingenieure mehr, sie brauchen Leute mit anderen Fähigkeiten. Um ihre Technologie zu verkaufen. Eine Frau und so viele Männer, da macht die Frau es doch besonders. In der Yunnan Provinz sind alle Papierfabrikchefs Männer und bin ich die einzige Frau als Chefin. Aber ich mache es besser und ich kann es auch für sie besser machen. Und Chinesin? Na und? Sie wollen doch in China Geschäfte machen und seit sieben Jahren ist Ihr Chef dort Österreicher“.

2.8 Ambivalente Einflussfaktoren auf Frauenkarrieren in China

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Selbstvertrauen aus meinem guten Gefühl als Frau. Ich denke, ich habe eine sehr gute Intuition. Das hat mehrmals überzeugt, dadurch weiß ich, das ist meine Fähigkeit. Viele Leute können etwas noch nicht sehen, da spüre ich es schon…. Und ich lerne auch Sachen etwas leichter und schneller als andere…. Jede neue Umgebung, jedes neue Fach erfasse ich sehr schnell. Ich denke, dass macht mich etwas stärker.

Dagegen war die häufigste Aussage der befragten Frauen zu ihrer Selbstdarstellung: „I am not good at it“. Begründet wird diese Eigenwahrnehmung mit den kulturellen Unterschieden zu den Ausländern im Unternehmen. Es sei nicht Bestandteil der chinesischen Kultur sich zu vermarkten, sondern „humble (bescheiden)“ zu sein. Schüchternheit wird als Grund genannt, warum die Frauen aus ihrer eigenen Einschätzung keine Strategien zur Selbstvermarktung anwenden. Andere beschreiben, dass sie beruflich mehr machen als gefordert war und dann darauf vertrauen, dass das Umfeld dieses in Folge positiv wahrnimmt. Das Bild anderer über sie soll aus guter Leistung und gutem Verhalten von selber entstehen. Dies ist vielen Chinesinnen vor dem kulturellen Hintergrund wichtiger als Selbstdarstellung im geplanten Sinne. Cl: Von Natur aus bin ich immer noch ziemlich bescheiden. Das klingt komisch. Von Zeit zu Zeit bin ich etwas irritiert und ich denke, dass mein Selbstvertrauen von Zeit zu Zeit unstetig ist. Ich weiß dann nicht, ob ich die richtige Wirkung erziele oder nicht. Selbstmarketing? Ich denke, als Chinese würden wir normalerweise nicht viel Gutes über uns selbst sagen. G.: Nun, ich mache „natürliches Marketing“. Ich sage, was ich glaube und ich tue, was ich sage. Und ich möchte immer den Menschen treu sein und mir selbst treu bleiben. Das ist also das Marketing, das Selbstmarketing, das ich aufbauen möchte. Ich hoffe, ich halte, was ich versprochen habe. Das ist im Allgemeinen mein Selbstmarketing. Ich schminke da nichts, führe auch keine Dinge vor. Nicht viel.

Die Frauen, die sich in diesem Bereich gut einschätzen, geben an, dass jedoch auch bei ihnen vor der Selbstdarstellung außergewöhnlich gute Arbeitsergebnisse stehen sollten, über die man dann reden kann. Präsentationen außerhalb der Firma, werden eingesetzt, um extern eine gute Selbstvermarktung zu betreiben. Weiterhin beschreiben einige wenige Frauen, dass sie immer über eigene Ergebnisse reden, sodass sich bei Zuhörern ein Expertinnen Image aufbaut. Bezogen auf die Frage, wie sie auf andere initial wirken und wie sie spontan von anderen wahrgenommen werden, antworten die Studienteilnehmerinnen sehr reflektierend. Die Antworten lassen auf eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage der eigenen Wirkung auf andere und ihr Image als Führungskraft schließen. Sie berichten sehr offen über Aspekte des Ersteindruckes, die sie in ihrer Rolle stärken oder auch schwächen. Die genannten Beschreibungen lassen sich vier Hauptwirkungen auf andere zuordnen- Durchsetzungsstärke, Loyalität, Erreichbarkeit und Kompetenz. Frauen, die ihrer Meinung nach in erster Linie als durchsetzungsstark wahrgenommen werden, beschreiben sich als hart, stark, entschlossen, Ziel orientiert und anspruchsvoll. Die Eigenschaften wenig tolerant, streng und distanziert fallen weiterhin als Eigenbeschreibungen im Zusammenhang mit initialer Wirkung. Die

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

Frauen sind sich wohl bewusst, dass sie damit nicht nur positive Assoziationen auslösen, thematisieren dieses aber nicht als ein Problem. Einige beschreiben ihre Wirkung als dominant und aggressiv. Sie werten dieses Image positiv und dem beruflichen Erfolg förderlich. J.: Ich erinnere mich an einen meiner männlichen Klassenkameraden. Ich war der Monitor an der Universität für meine Klasse. Ich war also der kleine Leiter bei der Organisation von Aktivitäten. Dieser junge Herr war in meiner Gruppe und hatte eine sehr offene Diskussion mit mir. Das war das Spiegelbild dessen, was mein Bild für andere ist. Er sagte mir, dass ich wirklich sehr anspruchsvoll sei, und welches Wort benutzte er – ein bisschen eine Art Monarch, dass ich jedes Mal versuchen möchte, meine Macht einzusetzen. Das hat er gesagt. Dann erinnere ich mich immer, weil ich diese Art von Bild nicht abgeben möchte. Aber in XY muss man sein eigenes Selbstvertrauen zeigen. Sie müssen zeigen, dass Sie ein Entscheidungsträger sind, und das ist sehr entscheidend, denn sonst können Sie nicht gewinnen. Ich bin natürlich eine solche Person. Aus diesem Grund wurde ich von XY eingestellt. Ihre Einstellungsphilosophie ist, dass sie Leute mit ähnlichen Werten einstellen wollen. Ansonsten glaube ich nicht, dass eine Person in der Unternehmenskultur von XY überleben kann. M: Wie ich Ihnen bereits sagte, sehe ich mich andere Menschen als sehr dominant, entschlossen und stark. Sehr mutig. Weniger Toleranz, nicht so geduldig, weil ich normalerweise sehr schnell spreche.

Befragt nach der Wichtigkeit von Aussehen und Erscheinung für eine Karriere im Senior Management, sind sich die Chinesinnen einig. Die chinesische Frau in den Führungsetagen sieht professionell aus, aber nicht schön. Anders formuliert drückt es eine Frau aus „hübsch ist gut, aber nicht zu viel, sonst fühlen die Menschen eine Distanz“. Jüngere Frauen sehen die Vorteile und Grenzen von Schönheit und gutem Aussehen für die Karriere. Ein wenig davon ist ihrer Meinung nach von Vorteil. Zuviel gutes Aussehen sei jedoch ein Nachteil auf der Karriereleiter. Es führe zu Distanz, falschen Einschätzungen und Bewertungen im Sinne von „nicht so professionell“. Schönheit ist somit nach Meinung der Topmanagerinnen in China nicht wichtig für eine Führungsrolle. Darin ist sich die Gruppe einig. V.: Ich habe einige nicht gutaussehende Frauen gesehen, die sehr hochrangig sind… sehr klug, sehr scharf und auch sehr politisch.

Damit unterscheiden sich die Chinesinnen beispielsweise von den Russinnen und Französinnen, die ihre Weiblichkeit mit ihrer Führungsrolle harmonisieren wollen. Anders als dort gibt es für die chinesischen Topmanagerinnen keine gesellschaftlich bedingten Anforderungen an sehr gutes Aussehen in Verbindung mit Erfolg im Berufsleben. Es fällt auf, dass sich mehrere der Chinesinnen bei der Beantwortung der Frage als nicht schön im Sinne gängiger Schönheitsmerkmale beschreiben und dabei sehr selbstbewusst die Vorteile benennen, die dieser Fakt für sie mit sich bringt. Q.: Ich meine, mir wurde nie gesagt, dass ich hübsch bin. Ich glaube, ich gebe den Menschen insgesamt den Eindruck, klug und eher freundlich zu sein. Das hilft also ein bisschen. Also, wenn ich alles miteinander kombiniere, sage ich, dass ich durchschnittlich bin. Und physisch bin ich ziemlich

2.9 Das Image von Top-Managerinnen in China

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klein und ziemlich zierlich, sodass es nicht so hilfreich ist, Präsenz zu schaffen. Weil ich körperlich keine so große Präsenz habe.

Ältere Frauen formulieren drastischer und sehen eindeutig Nachteile in gutem Aussehen für die Karriere. Es sei irrelevant. Das ideale Erscheinungsbild für eine Frau in Chinas Führungsetagen wird als professionell, kompetent und selbstbewusst sowie gepflegt beschrieben. Wichtig ist allen Frauen ein professionelles Aussehen, welches durch die bewusste Wahl von Kleidung unterstrichen wird. Eher formelle Kleidung und ein gepflegter, nicht zu sportlicher Look wird von allen als wichtiger Faktor für die Wahrnehmung als Führungskraft identifiziert. Folgende Merkmale haben die chinesischen weiblichen Führungskräfte aus Sicht der Interviewerin gemeinsam. Sie tragen auffällig wenig Make-up, keinen bzw. keinen farbigen Lippenstift und wenig Schmuck. Der Kleidungsstil kann als business casual und in Ausnahmefällen als formal feminin beschreiben werden. Der Kleidungsstil lässt keine Rückschlüsse auf die Position im Unternehmen zu. In diesem Zusammenhang wird das Thema Alter vor allem von den jüngeren Frauen thematisiert. Für Leitungsfunktionen im Personalbereich sei „graues Haar“ schon ein Vorteil. Damit beschreiben sie Frauen im Alter von 45 plus. In bestimmten Industrien, wie der Fashion Industrie, dagegen sei ein jugendlicher Look von Vorteil. Jüngere Frauen der Untersuchung reflektieren das Thema Alter und Karriere. Einige Frauen sind bereits mit Anfang bis Mitte 30 in hohen Leitungsfunktionen. Sie denken, dass ihr junges Erscheinungsbild ihr Image als Führungskraft schwächen kann. Vor allem deutsche männliche Vorgesetzte werden als Beispiele genannt, die diese Vorbehalte auch äußern. Mehrere der Frauen, die für deutsche Unternehmen in Deutschland gearbeitet haben, sprechen den Altersfaktor an.

2.9 Das Image von Top-Managerinnen in China: „Hoch hinaus“ im Beruf und gleichzeitig Mutter Die Aussagen der Frauen zum Image von weiblichen Führungskräften in China spiegeln sehr viele positive und wenige kritische Wertungen ihres Umfeldes. Die positiven Wertungen des Images von Karrierefrauen in China lassen sich vor dem Hintergrund traditioneller Familiensysteme werten, in denen der Karriereerfolg der Frauen als positiver Wert empfunden wird, da er zur Stärkung der gesamten Familie beiträgt. Außerdem scheint es in den multinationalen Unternehmen eine Tendenz zu geben, Frauen als Managerinnen im Vergleich zu Männern positiv zu bewerten. Kulturelle Stereotype werden weltweit oft als Ursache dafür benannt, dass Frauen im oberen Management immer noch weniger vertreten sind wie Männer. Der Zusammenhang von konfuzianischen Traditionen und den damit verbundenen Wertehaltungen wird auch beim Thema Image von weiblichen Führungskräften in China in der Literatur immer wieder angeführt. Gern zitiert wird in diesem Zusammenhang die Aussage eines konfuzianischen Lehrmeisters „It is a virtue if a women doesn′t have

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2. Die Chinesinnen: Stark durch Flexibilität und global Mindsets

ability“ (Es ist eine Tugend, wenn eine Frau keine Fähigkeiten hat), die Li in einen aktuelleren Kontext setzt. Verschiedene Forscher wie Korabik, Du, Schein und Eagly untersuchten die Wahrnehmung von Frauen in höheren Managementfunktionen in China. Ergebnisse dazu sagen aus, dass in China Frauen eher Männer als Vorgesetzte präferieren, dass Frauen als schüchterner aber auch teamorientierter als Männer wahrgenommen werden und dass chinesische Frauen und Männer Frauen im mittleren Management schlechter als vergleichsweise in anderen Nationen bewerten. Auf der anderen Seite ist das neue, aktuelle Bild der idealen Frau in China laut einer Umfrage mit über 2.000 Männern und Frauen aus Schanghai, Beijing und Guangzhou veröffentlicht in China Daily, Xinhuanet, 2001, das der „high flying professional“, die gleichzeitig eine erfolgreiche Familienmutter ist. In der Untersuchung bekamen kompetente berufstätige Frauen, die auch Mütter sind, den höchsten Zuspruch. Das gesellschaftliche Umfeld in China steht Karrierefrauen aus Sicht der hier befragten Chinesinnen überwiegend positiv gegenüber. Die Frauen erleben ihr Image als Senior Führungskraft als positiv. Es steht für Erfolg, ein gutes Einkommen und Engagement. Der Erfolg der hohen Position bringt gesellschaftlichen Respekt und Akzeptanz und eine starke Position in der Familie mit sich. Gesellschaftlich steht der Karriere Erfolg einer Frau für den Erfolg einer gesamten Familie. Grundsätzlich basiert dieses Image aus Sicht der Befragten auf der Tatsache, dass in der Vergangenheit in China alle Frauen arbeiteten. Die Sozialisation von Frauen ist auf Berufstätigkeit bis zur Rente angelegt und geht also in Richtung einer potenziellen Karriere. Die Hausfrauenrolle stellt bisher eine Ausnahme in der Gesellschaft dar und wird tendenziell negativ beurteilt. Diskussionen um die Rolle als Hausfrau sind in China ein neuer Trend und werden in Verbindung mit der Frage einer guten Kindererziehung und der Rolle von Großeltern als Haupterzieher erst in jüngster Zeit und vor allem in den gesellschaftlichen Oberschichten, den besonders reichen Chinesen, geführt. A3: In der Vergangenheit war es eine Schande, nicht zu arbeiten. Nicht zu arbeiten ist wie ein Parasit zu sein, und Frauen waren minderwertig sein, wenn sie nicht arbeiteten. Sie waren dann nur das Accessoire eines Mannes sein und keine unabhängige Person.

Zum Image von Frauen im Topmanagement in China werden die Begriffe „positiv“, „gut akzeptiert“ und „erfolgreich“ mehrfach genannt. Frauen wird nach Meinung der Befragten im Arbeitsumfeld sogar ein besseres Image als Männer zugeordnet, welches mit Qualitäten wie harter Arbeit und Durchsetzungsfähigkeit sowie gutem Organisationstalent begründet wird. Bei Müttern kommt Bewunderung für die Organisation und Bewältigung der Doppelbelastung dazu, die weitere soziale Anerkennung bringt. Es wird beschrieben, dass gerade Mütter viel kollegiale und familiäre Solidarität und Unterstützung erfahren. Vereinzelt wird aber auch berichtet, dass man das Engagement von Karriere Müttern für ihre Kinder anzweifelt und dann das Image eher ambivalent beurteilt würde. Eher kritische Anmerkungen zum Image von Karrierefrauen in China sind in der befragten Gruppe seltener und beziehen sich auf Faktoren wie Neid und Verunsi-

2.9 Das Image von Top-Managerinnen in China

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cherung, die durch die Top Positionen der Frauen ausgelöst wird. Das Phänomen „Nu qiang ren“ (Dragon Lady) umfasst die Angst vor starken Frauen und damit verbundene Werturteile, wie zum Beispiel, dass diese eher „schwierig im Umgang“ seien. Der Begriff „left over women“ beschreibt Single Karrierefrauen, die die Altersgrenze für eine potenzielle Heirat überschritten haben. Da nur wenige Single-Frauen in die Studie involviert waren, bleiben diese Beschreibungen Ausnahmen einer einzigen Frau. Dieser Aspekt wird auch in weiteren Wertungen „hat kein Leben“ und „opfert sich“ wieder aufgegriffen. Hier geht es darum, dass Frauen, die Geschäftsführungsrollen erlangen möchten, in der Außenwahrnehmung nachgesagt wird, dass diese entweder auf Kinder der Karriere wegen verzichten, oder aber kaum Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Das bedeutet, dass vermutet wird, dass eine Frau in der Geschäftsführungsrolle Opfer im Bereich Mutterschaft erbringen muss. Nur vereinzelt wird berichtet, dass Männer in der Chefrolle von Mitarbeitern bevorzugt werden. Das Image von weiblichen Führungskräften in China entspricht laut der Meinung der hier befragten chinesischen Managerinnen mehrheitlich eher dem geschilderten gesellschaftlichen Bild der „erfolgreichen Managerin, die hoch hinaus strebt“ aus der Untersuchung. Danach sind erfolgreiche Karrierefrauen, die auch Mütter sind, das Idealbild von Frauen in China.

3. Chinesinnen in Europa: Managerinnen in der Dualität von Anpassung und eigenen Erfolgsmarkern In der Vergangenheit gingen die Wege von gehobenen Führungskräften von West in Richtung Asien. Dabei wurden von den multinationalen Konzernen mehr Männer als Frauen in Spitzenfunktionen versendet. Seit einigen Jahren werden nun auch chinesische Führungskräfte von China nach Europa versetzt. Der größte Teil ist in den Niederlassungen großer chinesischer Konzerne zu finden. Chinesische Frauen in Führungspositionen in Europa sind immer noch eine Ausnahme im Vergleich zu Männern und zu ihren Kolleginnen in China, die wie dargestellt schon recht häufig in den Leitungsebenen anzutreffen sind. Für die Untersuchung konnten chinesische Frauen in Führungspositionen in Deutschland und Frankreich für die Interviews rekrutiert werden. Sie sind im Buch eine Sondergruppe, da es sich hier nicht um Topmanagerinnen in ihren Heimatländern handelt. Die Ausführungen im Buch bleiben daher auch verkürzt. Der Erkenntnisgewinn liegt unter anderem in den Vergleichen der unterschiedlichen Umfelder durch die Asiatinnen. Die Chinesinnen in Europa decken die komplette Altersspanne von knapp über 30 bis Mitte 50 Jahre ab. Sie arbeiten für deutsche oder französische Unternehmen. Nur zwei von ihnen sind für chinesische Konzerne tätig. Die Auslandschinesinnen in Europa lassen sich entsprechend der Analyseergebnisse in zwei Gruppen unterteilen: 1. Die Expat-Chinesinnen, die für ein multinationales Unternehmen von China aus nach Europa versetzt wurden, im Rahmen einer zeitlich befristeten Auslandsversetzung. 2. Die Langzeit-Chinesinnen, die im Anschluss an ein Studium oder wegen eines Ehemannes längerfristig in Europa leben und arbeiten. Die zwei Gruppen unterscheiden sich vor allem durch die zeitliche Perspektive und den Grad ihrer Anpassung an das neue Land, welche sowohl in Deutschland als auch in Frankreich Auswirkungen auf ihre Karriereorientierung und auf die Karrierewege haben. Die Frauen bewerten Chancengleichheit und zum Teil auch Karrieremöglichkeiten für Frauen in China höher als in Frankreich oder Deutschland. Dabei gibt es zwischen beiden Ländern in den Wertungen kaum Unterschiede. Nur einzelne jüngere Frauen, die noch nie in China gearbeitet haben, sehen die Heimat in Bezug auf Chancengleichheit kritischer und werten ihre Wahlheimaten positiver.

https://doi.org/10.1515/9783110709094-003

3.1 Chinesische expatriierte Managerinnen

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3.1 Chinesische expatriierte Managerinnen – Pionierinnen mit Rollenmodelstatus in China Von den interviewten Chinesinnen in Europa sind nur wenige in einer klassischen expatriierten Position, d. h. durch ein Unternehmen von China aus nach Europa versetzt worden. In der Forschungsgruppe ist nur eine Frau, die von einem chinesischen Unternehmen nach Europa versetzt wurde. Diese Frauen haben in China bereits hohe Funktionen erlangt und haben sich dafür engagiert nach Europa, zumeist in die Firmenzentralen der multinationalen Konzerne versetzt zu werden. Die auslandsversetzten Managerinnen haben Pionier-Status, denn Chinesinnen, die von Unternehmen in China nach Europa versetzt werden, sind weiterhin rar. Sie bekommen daher unter den Chinesen in Europa und China schnell Rollenmodelcharakter und erlangen einen Bekanntheitsgrad. In der Regel ist das Ziel dieser Frauen, eine Zeit lang Auslandserfahrungen zu sammeln und sich im europäischen Headquarter zu positionieren, um später nach China zurückzukehren. L. (Chinesin in Frankreich): Um ehrlich zu sein, als Chinesin international zu gehen, das hatte viel mit meinem Ego zu tun. Ich habe ein großes Ego. Ich will erfolgreich sein. Ich will, dass Leute zu mir aufschauen, dass sie Respekt haben, auch ein wenig neidisch werden. Das ist sehr chinesisch. Ich will aber nicht über ein Luxusleben von anderen gesehen werden, sondern als menschliches Vorbild, die Art anderen zu helfen, sich um die Menschen zu sorgen. Nach der Rente würde ich auch gern für eine NGO arbeiten. Das wäre sinnstiftend.

Die Chinesinnen weisen eine Reihe von Karrierestationen in China und Asien auf, bevor sie nach Europa in die Firmenzentralen kommen. Ihre Ausbildung, Kompetenzen und Karriereorientierungen sind extrem hoch. Was sie von den Chinesinnen der in China interviewten Gruppe unterscheidet, die auch Auslandserfahrungen gemacht haben, ist, dass sie in späteren Karrierephasen und auf höheren Hierarchie Level in das Ausland versetzt werden. Die Positionen der versetzten Chinesinnen sind dann auch globale Verantwortungen auf VP-Level oder mit C-Suite Titulierung in deutschen bzw. französischen Unternehmenshauptsitzen. Die Motivation dieser Frauen von bereits hohen hierarchischen Positionen in China in die Firmenzentralen zu gehen, liegt zum einen in der Vorbildfunktion, die sie für andere chinesischen Frauen und Männer erlangen. Sie wollen zeigen, dass es möglich ist, als Chinesin in der Zentrale multinationaler Unternehmen wichtige Rollen einzunehmen. Darüber hinaus wollen sie Veränderungen für das Unternehmen global durchsetzen, was nur über den Schritt in die Zentralen zu realisieren ist. Es ist ihr Wunsch, Verbesserungen für die Zukunft von Mitarbeitern und für den Erfolg des Unternehmens voranzutreiben. Eine weitere Motivation ist die Ausweitung von eigenen Kompetenzen und Expertisen über Asien hinaus, in Positionen mit hohem Einflussrahmen. Dafür werden auch zeitweise Rückschritte in der hierarchischen Position in Kauf genommen, die im Rahmen von Versetzungen zwischen Zentrale und lokalen Organisationen für die meisten Führungskräfte Norm sind. Eine wichtige Motivation ist der Wunsch über die eigene Komfortzone hinaus zu wachsen. In multinationalen

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Chinesinnen in Europa – Managerinnen in der Dualität

Unternehmen ist der Aufstieg in die erste Führungsebene sehr oft an Erfahrung in Leitungsfunktionen in der Unternehmenszentrale gekoppelt. Dieser Schritt fehlte diesen Frauen in ihrer Karriereplanung zum Erreichen von CEO oder GM Funktionen in China. Der Schritt in das Ausland bedeutet für die Frauen einen Wettbewerbsvorteil in der Heimat. Er ist aber auch ein Risiko, da sie in der Heimat sehr viel aufgeben. Dazu gehören unter anderem komfortable Familienorganisationen, viele Serviceangebote im Alltag und sehr starke Netzwerke. Die Chinesinnen sind bereit, sich auf bereits hohen Funktionen dem Risiko zu stellen und beweisen Flexibilität. Finanziell ist jede der Frauen bereits gut gestellt. Den erlebten Einbußen in der Lebensqualität in Europa, vor allem im Bereich der Dienstleistungen, stehen guten Gehälter während der Versetzung gegenüber. Ein Vorteil für die Frauen bei Versetzungen nach Europa, ist die Chance, ihren Kindern eine internationale Schule zu ermöglichen. Dieser Punkt ist für die Frauen ein wesentliches Entscheidungskriterium. Sie nehmen bei den Versetzungen zeitweise Trennungen vom Ehepartner und älteren Kindern in Kauf, für die ein Schulwechsel in höheren Klassen nicht mehr infrage kommt. L. (in Frankreich): Der Hauptgrund, es gibt ein paar von ihnen. Ich war zu dieser Zeit 37 Jahre alt und ich wollte etwas Neues machen vor 40, ich war fast an der Glasdecke angelangt. Ich wäre weiterhin Leiterin der Personalabteilung im asiatisch-pazifischen Raum geblieben, aber ich sah keine Herausforderung, keinen Sprung. Ich wäre in der komfortablen Zone geblieben, auch geografisch. Natürlich war das mit einigem Risiko verbunden, ich könnte auch scheitern (lacht). Ich könnte gefeuert werden und müsste dann von vorne anfangen. Ich versuche, mir die Chance zu geben, es zu versuchen, weil ich später nichts bereuen wollte. Ich hatte ein Gefühl wie, als wäre ich in meine Wohlfühlzone geschnitzt, weil ich eine schöne, bequeme Position in XY hatte. Jeder kannte mich, schätzte mich. Ich wollte mir die Chance geben, etwas Neues auszuprobieren. Ich bin absichtlich nicht in ein anders US Unternehmen gegangen. Ich wählte ein Unternehmen, was einen rein französischen Stil hat und eine völlig andere Kultur, Landschaft und Herausforderung. Ich bin bereit, ein Glücksspiel zu machen, um zu sehen, wie belastbar die Person ist, die ich bin. Ich nahm diese Herausforderung an. Bei XY führe ich ein Team von bis zu 100 Mitarbeitern. Ich hatte das Gefühl, „Wow, das habe ich nie versucht.“ Ich weiß es zu schätzen, dass XY mir diese Chance gegeben hat, und nutze sie. Dies ist ein wirklich internationaler Job für mich, obwohl ich vorher viele qualifizierte Erfahrungen im asiatisch-pazifischen Raum und in China gesammelt habe. Ich weiß, dass es in Bezug auf die Personalregulierung kompliziert ist. Ich hatte nicht genug Exposure. Ich schätze XY sehr, dass sie mir diese Chance zu geben, es zu versuchen. Es ist auch ein Risiko für sie. Ebenso ist es auch für mich eine Chance, mich bekannter zu machen. Mein HR-Team hat bis zu 100 Mitarbeiter. Es ist wie eine Armee. (lacht) R. (in Deutschland): Diese vier Jahre trennte ich mich von meinem Ehemann, mein Ehemann ist in Hongkong, fliegt um die ganze Welt, mein Sohn war zuerst in New York, an der New York University und jetzt an der University of Southern California in LA. Meine Eltern sind in Schanghai. Als wir weggingen, war meine Tochter so jung war, erst sieben Jahre alt. Ich machte das, weil ich an Vielfalt glaube. Bettina, Sie müssen das erwähnen, ich bin ein starker Förderer von Diversity. Globale Führungspersönlichkeit geht über „männlich-weiblich“ hinaus. Globale Führungspersönlichkeit bedeutete, dass ein deutsches Unternehmen nicht nur Deutsche als Führungspersönlichkeit hat. Weil ich ein Vorbild nicht nur für weibliche Führungskräfte, sondern für „glokale“ Führungskräfte sein möchte. Deshalb versuche ich, viele junge potenzielle Menschen zu coachen und zu betreuen, die darauf warten, die Herausforderung international und global anzunehmen. Die Welt ist heute eine vernetzte Welt und nur, wenn wir Menschen auf der ganzen Welt verbinden, haben wir viel mehr

3.1 Chinesische expatriierte Managerinnen

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Quellen für Innovationen und Geschäftstrends.Ich stellte meine Schwester und ihren Mann ein, um mir in Deutschland zu helfen. Mit dem Kind und beim Autofahren. Das war eine große finanzielle Belastung. Ich war fest davon überzeugt, Vorbild zu sein, und gab mein angenehmes Leben in Schanghai dafür auf. Dort haben Sie einen Fahrer, Sie haben ein Kindermädchen 24 Stunden am Tag. Und fahren ohne all das nach Deutschland. B. (in Deutschland): Ich glaube, es gab mal eine Zeit, wo ich mich ein bisschen schwer damit getan habe, natürlich auch auf der Ego-Ebene, denn ich war ja nicht mehr GM. Aber mittlerweile, so seit einem Jahr, bin ich eigentlich ganz zufrieden, weil ich mich persönlich dafür entschieden habe, den Schritt nicht wegen des hierarchischen Aufstieges zu machen, sondern um meine Expertise weiter auszubauen. Und wenn ich die Möglichkeit haben sollte, auch noch mal Schritte nach vorne zu machen bezüglich Personalverantwortung, bin ich komplett offen. In China habe ich ja tatsächlich alle zwei Jahre irgendwie eine Veränderung gehabt. Jetzt habe ich täglich sehr viele Veränderungen, aber nicht mehr, dass ich sozusagen mehr hierarchische Verantwortung übernehme. Das ist es nicht. Aber von dieser ganzen Fachlichkeit, von dem, was wir als Team gemeinsam schaffen, da gibt es sehr viel Veränderungen. Ich glaube, da ziehe ich halt auch meine Kraft heraus, dass ich sage, o. k., wir schaffen etwas ganz Tolles für einen Konzern. Wir digitalisieren ein 11 Milliarden Business. Und wir sind die Ersten.

Die Auslandschinesinnen treffen am Ende der Auslandszeit auf dieselbe Hürde wie männliche und weibliche Führungskräfte anderer Nationalitäten, die eine Auslandsversetzung annehmen, nämlich geeignete Positionen auf dem nächsten Level zu finden. Dazu kommt, dass die meisten Frauen ihre Zukunft in China sehen und sie in die lokale oder APAC Organisationen zurückkehren, die in der Regel weniger Auswahl an Topmanagementpositionen anbieten, als das europäische Headquarter. Horizontale Versetzungen sind daher oft die Regel. Einige Frauen wechseln mit der Rückkehr nach China das Unternehmen. Die Führungskraft eines chinesischen Konzerns schätzt ihre zukünftigen weiteren Aufstiegsmöglichkeiten als sehr gut ein, da ihr Weg zurück in die Zentrale gehen wird. Diese Chinesin weist eine längere Europakarriere auf und war bereits in drei verschiedenen Ländern in Europa tätig. Sie ist damit die einzige chinesische Expatfrau, deren Unternehmenszentrale in China liegt. Sie unterscheidet sich in ihrer Motivation nicht von den anderen Frauen, jedoch hat sie weniger mit Herausforderungen zu kämpfen, da sie ihren Vorteil „zwischen den Welten zu agieren“ in Europa weiter nutzen kann. L. (in Deutschland): Alles dreht sich um Angebot und Nachfrage. Alles dreht sich darum, wie viel Wert Sie hinzugefügt haben. Es gab Expats in China oder Deutschland, die sich darauf konzentrierten, das Leben zu genießen. So nach dem Motto: „Oh, nein. Ich bin nicht in meinem Heimatland. Ich mache nur vier oder drei Jahre Urlaub und entspanne mich wirklich.“ Dann gab es nicht viel Wert und nicht viel wachsen und lernen. Ich konzentriere mich immer darauf, welchen Wert ich nach Deutschland gebracht habe und welche Wertschöpfung ich für mein Wachstum und mein Lernen geleistet habe. Ich definierte das auch zusammen mit meinen beiden Partnern im Unternehmen. Wir sagten: „Was für einen Fußabdruck von drei bis fünf Jahren wollen wir hinterlassen? Wie wollen wir, dass die Leute darüber reden, wenn wir gehen? Das hat mich in gewisser Weise geleitet. Den Fußabdruck habe ich hinterlassen und dann gleichzeitig auch viel gelernt. Ich dachte, ich weiß alles über HR. Ich bin so ein erfahrener HR-Profi, aber auch in Deutschland habe ich so viele innovative Dinge gefunden. Innovation in Deutschland, in Europa, in Berlin, Amsterdam und London. Expats, die den

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Chinesinnen in Europa – Managerinnen in der Dualität

internationalen Auftrag nicht als bezahlten Urlaub annehmen, schaffen für sich selber und für das Unternehmen Mehrwert. Sobald Sie dem Land einen Mehrwert verleihen, steigern Sie gleichzeitig Ihren Wert, indem Sie lernen, teilen und wachsen. Wenn die Leute sehen, dass Sie einen Wert haben, befördern sie sie oder stellen sie ein. Wenn sie nicht viel Wert sehen, wer will Sie dann bezahlen?

3.2 Langfrist Chinesinnen in Europa – zwischen totaler Anpassung und Nutzung heimischer Erfolgsstrategien Von den interviewten Chinesinnen bleibt die größere Gruppe längerfristig in Europa. Dabei unterteilt sich die Gruppe in Frauen, die bereits in China gearbeitet haben und wegen ihres deutschen oder französischen Ehemannes nach Europa kommen und Frauen, die für ein Studium nach Europa gekommen und geblieben sind. Letztere unterscheiden sich wiederum im Hinblick auf ihre Karriereorientierung danach, ob sie dann deutsche bzw. französische Partner wählen oder mit einem Chinesen verheiratet sind. Die Chinesinnen mit chinesischen Ehepartnern, die sich für und nach ihrem Studium längerfristig in Europa angesiedelt haben, versuchen das in China erlernte Model von zwei Vollzeit berufstätigen Eltern zu leben. Sie sind gut ausgebildet und haben teilweise doppelte Abschlüsse, einen in China und einen in der Wahlheimat. Für beide Länder, Deutschland und Frankreich, gilt, dass ein lokales Studium und die gute Beherrschung der Sprache Grundvoraussetzung dafür waren, dass die Frauen hier eine Karriere im Management starten konnten. Die Chinesinnen bekommen ihre Kinder tendenziell jung und werden von chinesischen Ehemännern, die sie oft während des Studiums in Europa kennengelernt haben, in ihren Karrieren sehr unterstützt. Die Partner sind in der Regel zeitlich flexibler. In der Organisation ihres Familienlebens und der Kinderbetreuung kann man bei diesen Frauen beobachten, dass sie chinesische Maßstäbe ansetzen und bei der Kinderbetreuung versuchen, die fehlende Hilfe der Großeltern anderweitig auffangen. Dabei wird Fremdbetreuung junger Kinder als Normalität empfunden. W. (in Deutschland): Ja, genau, ich bin am Wochenende gependelt und er hat während der Woche alleinerziehender Vater gespielt. Ich würde sagen, bedingungslose Unterstützung, war sehr wichtig für meine Laufbahn, und sicherlich auch einfacher für mich, er hatte quasi die Kindererziehung zum großen Teil übernommen. In meinen Augen ist es einfach, die Kinderbetreuung auf die gesellschaftliche Verantwortung zu schieben oder auf Politiker, da macht man sich das leicht. Sicherlich würde mehr qualifizierte Betreuung den Leuten helfen, aber ich glaube nicht, dass es der Grund dafür ist, dass nicht mehr Frauen in Deutschland Karriere machen, das glaube ich nicht. Für mich ist es in erster Linie der eigene Wille, der da entscheidend ist und wenn der Wille nicht stark genug ist, da kannst du noch bessere Umfelder haben und das bringt trotzdem nichts.

Chinesinnen mit ausländischem Ehemann versuchen sich in beiden Ländern, Frankreich und Deutschland, maximal anzupassen. Vor allem die Frauen, die einen deutschen Partner haben, passen sich in der deutschen Gesellschaft hinsichtlich der Erwartungen an die Mutterrolle an und versuchen sich maximal zu integrieren. Ihr

3.2 Langfrist Chinesinnen in Europa

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anfängliches kritisches Bild von der reinen Hausfrauenrolle wandelt sich mit der Entscheidung, in Deutschland zu bleiben. Die Frauen adaptieren deutsche Wertehaltungen zur Mutterrolle und suchen für sich darin das Positive. Sie sehen die Vorteile für Kinder, wenn eine Mutter mehr Zeit für ihre Kinder hat oder sich sogar ganz der Erziehungsaufgabe widmet. Es wird Normalität für sie, längere Mutterschaftszeiten einzulegen oder zeitweise nur halbtags zu arbeiten. Die deutschen Schwiegermütter werden als neue Rollenvorbilder genannt. Die Chinesinnen, die erst mit Ende dreißig nach Deutschland kamen, machen diese Entscheidung bewusst, da sie für ihre Karrieren in Deutschland vor allem auch aufgrund der Sprachbarriere kein großes Fortkommen sehen. Viele jüngere Chinesinnen, verschieben die Entscheidung für Kinder weit nach hinten, da sie eine Vereinbarung von Kind und Karriere in Deutschland nicht erleben. Andere beschreiben Entscheidungskonflikte zwischen ihrer ursprünglichen Karriere in China und dem neuen deutschen Ehemann, der nach Deutschland ziehen wollte oder musste. Familiäre Entscheidungen treten in den Kern ihrer beruflichen Überlegungen. M. (in Deutschland): Ich denke, mit einem Deutschen verheiratet zu sein, hatte einen großen Einfluss auf mein Denken. Weil wir so viel kommunizieren. Er kommt aus einem anderen Umfeld und hat immer anders gedacht als ich. Also habe ich immer gelernt, gedacht, gelernt, gedacht. Die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, war nicht die Entscheidung meines Mannes. Das liegt daran, dass ich weiß, dass mein Ehemann sich von mir unterscheidet. Er stammt aus diesem Hintergrund, und deshalb wollte ich tiefer in diese Kultur eintauchen. Ich glaube, meine Schwiegermutter hat mein Denken stark geprägt. Sie ist eine Hausfrau, sie hat 4 Kinder großgezogen, sie ist sehr glücklich und charmant. Von ihr bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es auch schön ist, Hausfrau zu sein. Am Ende ist sie glücklich und charmant und leistet einen Beitrag für die gesamte Gesellschaft. Es ist ein gutes Leben.

Chinesinnen, die mit einem französischen Ehemann verheiratet sind, versuchen weiter Vollzeit tätig zu sein und auch hier dem vorherrschenden Gesellschaftsbild zu entsprechen. Sie hadern mit der geringeren Unterstützung durch Familie im Vergleich zu China. Anders als in China nehmen sie die Doppelbelastung von Frauen in Frankreich zwischen Beruf und Familie stärker wahr. Auch sie haben längere Phasen, in denen sie nicht nahtlos in der Karriere anschließen können, sondern wegen Kindern oder aufgrund von Sprachproblemen Pausen einlegen müssen oder Umwege gehen. S. (in Frankreich): Ich bin sehr glücklich, weil ich einen sehr guten Ehemann habe, der mich jetzt mehr als 38 Jahre liebt. Er ist ein wirklich guter Ehemann und er kümmert sich sehr um mein Kind und mich. Auch dank meines Ehemannes konnte ich in eine obere Führungsaufgabe gehen, weil er mich sehr unterstützt. Als ich mein Kind zur Welt gebracht habe, versuchte ich, einen Job zu finden, der viel entspannter ist, mit wenig Reisen. Deshalb verbrachte ich vier Jahre in einem Kaufhaus, um die Reisen zu vermeiden, weil ich denke, dass ein Kind meine Anwesenheit zu Hause wirklich braucht. Seit zwei Jahren habe ich die Position des CEO. Ich reise viel nach Asien, weil wir viel auf dem asiatischen Markt einkaufen. Es ist eine sehr lange Reise jedes Mal.

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Chinesinnen in Europa – Managerinnen in der Dualität

Y. (Frankreich): Vielleicht, wenn ich einen chinesischen Ehemann hätte, wäre ich immer noch dort. Französischer Mann, das ist eine ernste Sache. Es ist mein privates Leben, Zeit mit meinen Eltern, was sich geändert hat. Jetzt müssen meine Eltern kommen, wenn das Baby da ist, um mich in einem Land zu besuchen, dessen Sprache sie nicht sprechen. Wenn ich in Asien wäre, könnte es viel einfacher sein, ich könnte bei meinen Eltern sein. Mein Mann teilt alle familiären Aufgaben, sauber machen, alles. Er kann nicht kochen, aber er verbessert sich. Den Rest, mit dem Kind, werden wir teilen, wenn es geboren ist, denke ich. Zum Beispiel müssen wir das Kind später zur Betreuung bringen und um 18 Uhr abholen. Jeder macht einen Weg- er holt sie ab. Wir werden das teilen, so wie die meisten Franzosen das tun, was ich von meinen Freunden gehört habe, die Kinder haben.

Der Erfolg der Chinesinnen, die langfristig in Europa angesiedelt sind, hängt davon ab, ob es ihnen gelingt, ihren Vorteil als Chinesin in Europa selber zu realisieren und strategisch zu nutzen. Nicht allen gelingt das durchgängig. Ihre eigene Stärke im Ausland sehen sie darin, im Unternehmen China-Kompetenz einzubringen. Dieser Vorteil wird dann relevant, wenn sie Positionen einnehmen, auf denen diese China Kompetenz eine Rolle spielt. Dort, wo Positionen angenommen wurden, die keinerlei China Bezug hatten, wird zwar der Kompetenzgewinn als sehr gut eingeschätzt, der hierarchische Aufstieg jedoch nur vereinzelt realisiert. Hier stehen die Chinesinnen im Wettbewerb mit lokalen Mitarbeitern, die zwangsläufig nicht nur Sprachvorteile aufweisen, sondern auch die heimische Kultur besser verstehen. Vor allem dann, wenn die Frauen Positionen annehmen, die keinerlei China Bezug haben, müssen sie verschiedenen Herausforderungen bewältigen. X. (Frankreich): Der Vorteil? Europa ist so verschieden. Obwohl Frankreich ja wie eine kleine Provinz ist, ist es so anders als Deutschland oder UK. Und ich kenne Frankreich jetzt gut, die Arbeitsweisen, viele Unternehmen von vorher. Das ist mein Vorteil, als Chinesin in einem chinesischen Konzern. M. (Deutschland): Ich denke, wir sollten wissen, welchen Vorteil wir haben. Ich kann nicht mit einer deutschen Kollegin auf dem gleichen Level konkurrieren. Ich bin immer noch Asiatin, spreche die Sprache nicht 100 Prozent und habe einen anderen Hintergrund. Da komme ich nie auf ihr Level. Ich konzentriere mich auf meine Stärken und promote mich da, wo ich besser bin. Das ist das Interkulturelle, mein China Wissen und meine Sprachen. Es ist also meine Verantwortung, dabei strategisch zu sein. W. (Deutschland): So, nach dem Motto, ich bin was Besonderes, was Exotisches und dann bekomm ich umso mehr Anerkennung aus der Gesellschaft? Ich denke mal, ein positiver Punkt ist immer, wenn man auf einer so groβen Veranstaltung ist, dass viele Leute eine chinesische Frau leichter in Erinnerung behalten. L. (Deutschland): Ich bin ein „komisches Ding“, ich bin weder Chinesin noch Deutsche und da kann man mich manchmal mit doppelt Maßstab bewerten, je nachdem, manchmal höre ich, ja, z. B., „wie lange machst du Elternzeit, ich weiß, dass die Asiaten immer nur sehr, sehr kurz zuhause bleiben, hmm“…oder aber, ja, „sie reden ja doch so gut Deutsch, sie haben ja hier so lange gelebt… das müssen sie doch alles verstehen“, da erwartet man wieder eine Deutsche von mir (lachen). H. (Deutschland): Ich denke schon, dass ich mit meinem Ingenieur Background und zusätzlicher Management Erfahrung und auch Sprache, eine ideale Besetzung bin. Für Deutschland-China Ge-

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schäfte, einem internationalen Projekt, dann jemand wie ich, natürlich ist es ideal. Theoretisch könnte ich alles können. Ja, ideale Mischung.

3.3 Herausforderungen der Chinesinnen in Deutschland Bei den Expat-Chinesinnen liegen die Herausforderungen in der Führung deutscher Mitarbeiter und der Adaptation ihres Führungsstiles an große, eher veränderungsresistente Strukturen. Darüber hinaus lernen sie, ihren Führungsstil auf eine von ihnen wahrgenommenen geringeren Flexibilität und Agilität von lokalen Mitarbeitern einzustellen und neue Kommunikationsstile anzuwenden. L. (Deutschland): Meine sieben direkten Mitarbeiter in Deutschland sind Vizepräsident oder Senior VP und sie waren 20 Jahre in der Zentrale und sie lieben es, alles um zwei, drei Uhr zu beenden und dann im Wald zu rennen oder zu grillen im Garten. Sie mögen keine Veränderung, weil Veränderung mehr Arbeit bedeutet. Ich musste wirklich vermitteln, warum wir Dinge tun müssen, anders tun müssen. Warum wir es anders als vor 10 Jahren, vor fünf Jahren machen sollten. Meine ersten 18 Monate verbrachte ich viel meiner Zeit mit Kommunikation. Eins zu eins, in kleinen Gruppen, mit einem großen Team. Meine Kollegen und ich wollten einen Kulturwandel zusammen erreichen. Die ersten 18 Monate waren extrem schwierig. Ich hatte so viele Konfrontationen mit meinem deutschen Team, darüber, warum ich so viel Veränderung wollten. Sie bräuchten mehr Kapazität, sie bräuchten mehr Ressourcen, die ich nicht hatte. Dies sind einige Dinge, die ich für sehr herausfordernd, aufregend und erfolgreich halte, dreieinhalb Jahre in Deutschland. Ich denke, ich unterschätzte, wie wichtig in einem deutschen Unternehmen die Nebengespräche, die Menschen, die Gemeinschaft, der Wunsch nach Bequemlichkeit, die deutsche Sprache sind. Das habe ich unterschätze. Aber ich wurde auch ermutigt Englisch zu sprechen. Sie sagten: „L., bitte sprich Englisch, bring die englische Kultur in die Zentrale. Bitte.“ Das ist das Erste. Zweitens denke ich, dass viele Frauen eher über funktionale Kompetenzen verfügen, nicht über Geschäftskompetenzen. Die geschäftliche, technische Seite wird so ziemlich von Männern dominiert, und Frauen sind meistens in der funktionalen Rolle, Finanzen, Personalwesen, was auch immer. Eine Frau, eine herausragende Frau, die Deutsch spricht und sehr gute Geschäftserfahrung hat, für sie ist der Himmel unbegrenzt. W2 (Deutschland): Die größte Herausforderung war damals – ich war die Brücke dazwischen – ich saß in der europäischen Zeitzone, das Projekt war in China und die fachlichen Inputs kamen aber aus Amerika. Wir haben also wirklich rund um die Uhr gearbeitet, also 12 Stunden wegen dieser unterschiedlichen Zeitzonen. Wenn Amerika früh am Morgen ist, ist in China schon Feierabend. Schon ein bisschen schwierig. R. (Deutschland): Ich denke, China ist noch ein Kind, das offen für Veränderungen ist. Dies ist ein gemeinsames Merkmal für Chinesen. Wenn wir über meine Stärken sprechen, denke ich, dass ich ein Katalysator für Veränderungen bin. Ich bin kein Befehlshaber, keine Kontrollperson, ich komme aus der chinesischen Kultur, dem Konsens, der Harmonie und bringe die Menschen zum Verständnis. Ich führe mehr, als das ich kontrolliere, was viele deutsche Führungskräfte tun. Ich konzentriere mich auf das Wissen, warum und nicht auf das Wissen, wie. Ich glaube fest an ein so ausgereiftes und selbstbewusstes Team. Wenn sie verstanden haben, warum sie sich ändern müssen, werden sie es tun. Eines Tages sagten einige der Teammitglieder: „Hallo R., du hast die Macht. Du kannst die Richtung vorgeben und sagen: „Tu es einfach.“ Da wurde mir klar, dass ich zu viel kommuniziere. Heute reicht es mir, wenn ich 80 Prozent Zustimmung habe, dann sage ich: „Leute, ich möchte, dass Sie das und das tun.“ Dann bewegt sich etwas.

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Vor allem Diskriminierungen machen den chinesischen Frauen das Berufsleben schwer. Sie müssen lernen nicht nur als Frau, sondern quasi gesteigert als asiatische Frau, mit den Vorurteilen von Männern hinsichtlich ihrer Eignung für gehobene Managementaufgaben umzugehen. L. (Deutschland): Beim ersten Kind- ist gerade auch ein Hauptgrund, weshalb ich XY verlassen habe, neben dem Grund, dass ich was Neues suchte- hatte ich einen Chef, der war ein durch und durch „XYianer“, hat ’ne Ausbildung gemacht, Mitte 50, hatte selbst ein Kind und er hat mich abgeschrieben, aber wirklich. Ich habe vorher wirklich viele sehr gute Leistungen gezeigt und war ein Top Talent im Pool von XY mit weltweit nur wenigen, ausgewählten Leuten. Ich habe auch diverse Managementtrainings und Kamingespräche. Dann habe ich ein Kind bekommen, da war Ende mit der Förderung und Mobbing startete. Mein Chef wollte, dass ich mit einer Kollegin, die gerade 2,3 Jahre frisch aus der Uni rauskam, die Tätigkeiten wechsele im Sinne von „ Jobrotation “. Das waren nur Basic administrative Tätigkeiten, das hätte mich sowas von unterfordert. Das war einfach der Zeitpunkt, wo ich dachte, jetzt macht es gar keinen Sinn, noch hier zu bleiben, ich kann nicht in diesem Job weitermachen. An der Stelle muss ich auch noch sagen, ich habe drei, vier Frauen, meine Freundinnen, die aus meiner Sicht sehr professionell, sehr engagiert, sehr kompetent arbeiten, haben ähnliche Erlebnisse. Ja, ich bin kein Einzelfall. L.2 (Deutschland): Ja, bevor ich in Deutschland anfing zu arbeiten, hatte ich sehr lange und schöne Haare, und jeder liebte meine langen schwarzen Haare, aber als ich anfing, als Berater zu arbeiten, habe ich meine langen schwarzen Haare abgeschnitten. Ich sehe jünger aus als mein Alter. Als ich mit 28 Jahren als Wirtschaftsprüferin arbeitete, sah vielleicht wie 24 aus. Als ich mit dem deutschen Unternehmen zusammengearbeitet habe, habe ich mit den Führungskräften und dem Geschäftsführer zusammengearbeitet. Die meisten von ihnen sind weiße Männer und ich konnte nicht ignorieren, dass sie mich nicht als professionelle Prüferin, sondern als schöne asiatische Frau ansehen. Und manchmal machen sie sogar schlechte Witze, und das war ärgerlich. Manchmal über meine Schönheit, einmal war es ein sehr alter weißer Mann, es ging um Sex – ich glaube nicht, dass er diese Witze mit einer älteren Frau oder einem anderen Mann machen würde. Als in Deutschland lebende Asiatin habe ich sehr oft mit Konflikten zu kämpfen. Weil, Deutsche manchmal nicht sehr nett zu Ausländern sind. Ich spreche Deutsch, aber ich spreche nicht fließend Deutsch. Ich lese und schreibe besser, als ich spreche. Vor einigen Jahren, als ich nicht sehr gut Deutsch sprach, als ich mein Visum verlängern wollte, oder einmal Fragen zu meinem Master in einer Regierungsabteilung stellte, war man oft sehr unhöflich zu mir. Und sie sagten mir „das ist Deutschland, du solltest besser Deutsch sprechen“. Und als ich spazieren ging, waren da einige alte dumme Männer, betrunken, die mich an grapschen wollten. Es geschah ungefähr dreimal in der Vergangenheit. S. (Deutschland): Nee, das ist nicht der Diskriminierung, eher sehe ich, dass Deutschland ist eine relativ geschlossene Gesellschaft. Wenn ich privat mit Deutschen spreche, finde ich schon, sie sind neugierig, Lernbereitschaft, das heißt, man ist neugierig für die andere Kultur. Aber, wenn Deutsche zusammen sind, dann spürst du sofort eine Wand. Du musst, als Ausländer diese Wand kaputtmachen und dann in diese Gesellschaft integrieren. Es gibt keine Möglichkeit, dass die Deutschen dich so aktiv akzeptieren. Du musst dich so verhalten, so wie die Deutschen sprechen, du musst alle Themen kennen, die die Deutschen gut kennen, dann kannst du mit Deutschen zusammen sein. Weil, hier ist eine ganz individuelle Kultur. Ich habe auch mal einen Artikel gelesen, zum Beispiel das in Australien, Kanada, dass das wirklich eine gemischte Kultur ist, die Akzeptanz für fremde Leute ist viel größer als in Deutschland. Aber in Deutschland gibt es eine lange Historie dahinter, und diese Historie ist nie abgebrochen. Die hat sich einfach so entwickelt, deswegen haben die Leute ganz feste Mentalität. Du, als Ausländer kannst dich nur proaktiv integrieren.

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R.(Deutschland): Ich denke, es gibt Stereotypen für Chinesen, Inder und viele verschiedene Nationalitäten. Einer der Top Entscheider sagte: „Für die Rolle des asiatisch-pazifischen Raums können wir keinen Chinesen nehmen, wir können keinen Inder nehmen, weil Chinesen nicht auf den Inder hören. Ich sagte: „Komm schon. Das ist wirklich ein Stereotyp“. Ich hatte vor XY dreimal die Rolle im asiatisch-pazifischen Raum. Zweimal HR, einmal Marketing Manager für den asiatisch-pazifischen Raum. Es gibt Stereotype über jede Nationalität, genau wie Chinesen Stereotype über Deutsche haben. Es geht jedoch um Persönlichkeit. Es geht wirklich um die Person. Um den Führungsstil. Wenn wir Führungskräfte auswählen, ist es wichtiger, dass ich mich auf die Persönlichkeit und den Führungsstil konzentriere und ein gutes Storytelling mache, warum diese Person. Was nützt dieser Mensch, nicht ob er Chinese oder Inder ist. Ist die Realität. Ja, es gibt Stereotype oder Diskriminierungen in diesem Ausmaß. Es gibt Unmengen Inder, die den globalen CEO für viele Organisationen sehr erfolgreich leiten, und es gibt auch Chinesen, nicht so viele wie Inder vielleicht – ich denke, ja, wir müssen mit der Diskriminierung oder den Stereotypen umgehen. Die echte Frage ist, wie wählt man die richtigen Leute aus?

Wahrnehmung der Gendersituation in Deutschland Die Langzeit- und Expat Chinesinnen sind sich einig darüber, dass die Situation für Frauen in Deutschland herausfordernd ist, wenn es um Karrieren im Management geht. Einige Chinesinnen sprechen Klartext. Ihrer Meinung nach liegt es nicht nur am Umfeld, was alle als wenig unterstützend vor allem für Mütter werten. Kernproblem sind die Wertehaltungen rund um die Mutterrolle und wie diese traditionellen Werte immer noch von der Mehrheit von Frauen verinnerlicht sind. Der Wille zur Karriere fehle vielen deutschen Frauen, da die Vereinbarung von Karriere und Kindern als unüberwindbare Hürde angesehen wird. Gerade die chinesischen Frauen auf der obersten Führungsebene glauben, dass chinesische Frauen im Durchschnitt ambitionierter sind. Sie sehen die mangelnde Karriereorientierung als Hauptbarriere von Frauen in Deutschland. Gerade die jüngeren chinesischen Frauen fühlen sich einer Doppelbewertung ausgesetzt- Frau und Chinesin bzw. Asiatin zu sein. Beides sind Stereotype, die eher gegen eine Karriere im Management sprechen. Sie überwinden die Barriere, in dem sie ihren Vorteil der Interkulturalität nutzen und entsprechende Positionen anstreben, auf denen dieser von Wert ist. W.: Ich wurde sagen, in China ist es selbstverständlich und mindestens in meiner Generation, und heutige Generation, wenn die wollen, können die auch. In Deutschland gibt grundsätzliche gesellschaftliche Probleme, d. h. wie man so schön sagt, Rabenmutter, dieses Wort gibt es in Deutsch und es gibt auch genügend Schwiegereltern, die sagen, wenn du Kinder bekommst, solltest du nicht arbeiten gehen. Deswegen hat eine arbeitende Mutter in Deutschland hat es einen viel schlechteren Ruf. Das gesellschaftliche Umfeld für Karrierefrauen in Deutschland ist schwieriger, weil die Selbstverständlichkeit für eine arbeitende Mutter in Deutschland immer noch nicht existiert und der zweite Punkt ist auch, die Frauen wollen weniger Karriere machen und der Wille von den Frauen ist auch nicht stark genug. Das ist meine Erklärung, ich habe genug junge Damen bei mir, ich möchte sie gerne fördern, die haben gesagt, Frau C., setz‘ mich bitte unter Druck, ich möchte nur ein Normalleben mit Kindern und Halbtagsarbeit.

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L.: Also, Angela Merkel, die war mal der Stolz von Deutschland, dass man eine weibliche Kanzlerin hat, aber man hat ihr eine Rolle gegeben, die „ Mutter “, ne, man hat sie „ Mutter “ genannt. Man musste ihre Rolle ein bisschen umwandeln, damit eine Frau legitimiert ist, an der Spitze stehen zu dürfen, das war mein Gefühl und wenn ich mich da überall in der Gesellschaft mit Leuten unterhalte, in Arztpraxis oder im Supermarkt, wenn die Leute dann hören, dass ich „ nur “ sechs Monate Elternzeit mache, dann heißt es immer, „oh so kurz, was machen sie mit ihrem Kind, das arme Kind, so lange in der Kita?“ Das ist immer so unterschwellig beschuldigend „wie kannst du als Mutter so karriereg…sein und dein Kind da so behandeln“. M3: Ich denke, es gibt eine seltsame Management-Atmosphäre gibt, in der eine Karrierefrau nicht normal ist oder gleich ein negatives Stigma für Mamas, diese geschlechtsspezifische Diskriminierung finde ich vielleicht dreimal, vielleicht fünfmal so groß wie in China. Und diese äußere Atmosphäre der Gesellschaft und im Unternehmen geht der Frau tief in den Sinn, in ihr Inneres. Sie beschränken ihre Zielsetzung, ihr Denken, sie machen sich kleiner. Das ist also der negativste Teil. Das Zweite sind die unterstützenden Ressourcen. In China gehen die Kinder den ganzen Tag zur Schule, egal ob im Kindergarten, in der Grundschule oder in der Mittelschule, es ist von 8 bis 18 Uhr, es ist normal. Hier weißt du, dass die Schule nur einen halben Tag ist, oder wenn du zur Schule gehst, werden die meisten bis 15 Uhr angeboten, ich weiß nicht, wie viele bis 17 oder 18 Uhr geöffnet sind. Und dann, hier, um 24 Stunden am Tag eine Nanny zu finden, habe ich in meinem Freundesnetzwerk keine gefunden. In Schanghai, Peking, ist das normal. R.: Ich glaube, meine deutschen Kollegen, verstehen nicht, warum ich mich örtlich von meinem Ehemann trennte. Das ist für sie völlig unverständlich, nicht einmal akzeptabel. Es ist eine finanzielle Investition, meine Schwester als Hilfe einzustellen. Das überraschte sie auch sehr. Ich würde denken, vielleicht sind asiatische Frauen ein bisschen karriereorientierter, wenn sich eine Chance ergibt. Sie sind mutiger, die Chance zu nutzen, als zur Familie zurückzukehren und zu sagen: „Nun, ich bin nicht bereit, mich von meinem Ehemann zu trennen.“ Ich sehe den Kulturunterschied. Nicht wenige asiatische Frauen, die ich kenne, trennen sich räumlich vom Ehemann, was immer noch in Ordnung ist, nicht für 10 Jahre, aber vielleicht drei oder vier Jahre. Asiatische Frauen sind bereit, sich auf die Qualität der Beziehung zu konzentrieren und die Chance zu nutzen, anstatt die Chance aufzugeben und jeden Tag zusammen zu sein und zusammen zu hängen. F.: In China spüre ich keine Ungleichheit. Zumindest nach meiner eigenen Erfahrung wurde ich genauso erzogen wie meine Brüder in unserer Familie. Außerdem sah ich dort, nachdem ich angefangen habe zu arbeiten, keine geringeren Chancen für Frauen. Viele erfolgreiche Frauen, nicht nur von meinen Klassenkameraden, sondern auch bei der Arbeit. Generell war ich ziemlich überrascht, als ich nach Deutschland kam, dass es in vielerlei Hinsicht viel traditioneller ist. Ich war ziemlich überrascht. S.: Ich glaube, dass es hier weniger Chancen als in China gibt. Dann denkt man natürlich, dass die Schwierigkeit als chinesische Frau in ein deutsches Management reinzukommen noch schwieriger wird. Dann hat man natürlich selbst schon ein bisschen Vorbehalte, Vorurteile. L.: Ich merk’ das bei meiner Tochter, wenn ich sie zur Musikschule bringe oder zur Balletttanzen bringe, da warten alle Mamas im Wartebereich mit ihren Kindern und das war so was von schwierig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen! Jeder hat so ’ne Stellung, bitte mich nicht anschauen, bitte mich nicht ansprechen, ich weiß nicht warum. Ich würde behaupten, das hat schon in Kindergartenerziehung schon angefangen, ich weiß nicht, warum, aber die deutschen Mädels werden dahin getrieben, immer einander als Konkurrent zu sehen, immer auf Kleinigkeiten zu konzentrieren, immer anfangen zu zicken, das geht weiter bis ins Berufsleben.

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3.4 Herausforderungen der Chinesinnen in Frankreich Die Chinesinnen in Frankreich beschreiben kulturelle Unterschiede im zwischenmenschlichen Umgang und Herausforderungen bei der Frauensolidarität. Der Mehrwert, den sie als asiatische Führungskraft mit nach Frankreich bringen, verschafft ihnen hier keinen wirklichen Vorteil. Als Asiatin eine Führungsposition zu erlangen, ist schwer, da sie eine Art von Nationalitätsglasdecke beobachten. Obere Führungsfunktionen sind ihrer Erfahrung nach überwiegend Franzosen vorbehalten. Außerdem werden genau wie in Deutschland Anpassungsleistungen an die heimischen Gepflogenheiten bezüglich Kommunikation und Entscheidungsfindung beschrieben. Unterschiede in der Arbeitsweise ergeben sich zwischen dem eigenen aktions- und prozessorientierten Arbeitsstil und einem lokalen Stil, der eher als zeitaufwendig und kommunizierend beschrieben wird. Diese kulturelle Transferleistung erbringen die Frauen nach einer Phase der Anpassung und navigieren sehr erfolgreich über kulturelle Barrieren, soweit es ihnen als Ausländerin in Frankreich möglich ist. Ein wichtiger Aspekt in den Beschreibungen, ist das Verstehen der eigenen Wirkung auf die französischen Kollegen. Die Chinesinnen erleben Unsicherheit bei den französischen Kollegen bis hin zu Angst im Hinblick auf ihre Person. Diese Schwelle der Unsicherheit bei ihrem Gegenüber lösen sie bewusst durch Kommunikation auf, nachdem sie für sich selber reflektiert haben. Ein weiterer Aspekt ist wahrgenommener Neid. Es scheint für ihr Umfeld eine neue Erfahrung zu sein, dass Spitzenpositionen in französischen Zentralen an Asiatinnen vergeben werden. Auch mit diesem Faktor gehen die Chinesinnen offen um und versuchen Vorurteile aufzulösen. Es ist für die Expatchinesinnen leichter als für die Chinesinnen, die nie wirklich in China gearbeitet haben, denn sie greifen auf Expertise, Führungserfahrungen und Selbstbewusstsein aus der Heimat zurück. Sie haben den Vorteil, dass sie Business Expertise und interkulturelle Kompetenzen quasi im sicheren Heimathafen der multinationalen Unternehmen in China schärfen konnten. L.: Wenn Sie darüber sprechen, wie Franzosen mich als in Frankreich lebende, erfolgreiche chinesische Frau ansehen, sehe ich zunächst eine Menge Überraschungen, wenn ich ihnen in die Augen schaue. Wow, überrascht. Wie gestern in Grenoble. Die Leute in Grenoble sind nicht international. Die Leute kamen zu mir und sagten: „Du isst Käse, und ich dachte, Chinesen essen nie Käse.“ Und ich sagte: „Ich mag nicht jeden Käse, aber ich mag manchen.“Die Leute sind überrascht, mich als erfolgreiche chinesische Frau zu sehen, die vor ihnen steht. Das zweite, was ich sagen möchte, sie scannen mich oft, sie scannen wie ein Röntgenbild, (lach)] wie: „Was hast du? Was bringt dich hierher? Was hast du und wir nicht, um Dich in diese leitende Position zu positionieren?“ Ich wusste nicht recht, ob mir das gefällt. Im ersten Jahr hatte ich das Gefühl, gescannt zu werden. Ich wurde von den Leuten beurteilt. Sie können leicht anhand ihrer Körpersprache erkennen, dass Sie sich manchmal unwohl fühlen. (lacht) Vorsicht und Argwohn, das ist die zweite Reaktion der französischen Mannschaft. Es hängt nur davon ab, wie Sie damit umgehen. Dann, in den letzten zweieinhalb Jahren, ändere ich mich sehr. X.: Ich muss sagen, ich glaube nicht, dass die Franzosen sich für einen Vorteil interessieren, den wir zu haben glauben. Wir haben zwar ganz offensichtliche Vorteile, aber das interessiert sie nicht. Es ist ihnen egal, dass du besser Englisch sprichst, es ist ihnen egal, dass du Mandarin sprichst, es ist

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ihnen egal, dass du aus einer anderen Welt kommst. Auf dem Papier sind wir alle objektiv, da gibt es einen Vorteil, aber wenn du kein Französisch sprichst, verstehst du das nicht, wen interessiert das? Der gute Managementjob ist sowieso nur für Franzosen reserviert. XY in Bezug auf die Kultur ist sehr hart, öffentlich anerkannt hart. Sie hören Kommentare von sogar Franzosen, es ist eine harte Firma. Ein weiteres Maß an Härte gilt für Ausländer, insbesondere für Chinesen oder Asiaten, die aus einer völlig anderen Kultur stammen. Es gibt also zwei Seiten. Eine Seite ist bei Unternehmen XY in Bezug auf die Kultur. Ich muss sagen, dass das in Frankreich berüchtigt ist, es ist alles bekannt. Die zweite Seite ist die Schönheitsindustrie. Die Menschen sind sehr subjektiv, ändern ständig alles und wir Asiaten sind, wir sind besser organisiert, wir sind weniger spontan wie die Südländer. J.: Ich merkte erstens, dass ich mehr zuhören muss, weil wir in der chinesischen Kultur sehr aktionsorientiert sind und die Dinge schnell erledigen möchten. Wir wollen zur Lösung gehen. Wir verbringen keine Zeit damit, für immer zu debattieren, aber ich denke, auf Französisch wird im Meeting von jedem erst Mal Nein gesagt. Sie werden Ihnen alle Schwierigkeiten präsentieren. Für mich bedeutet das manchmal, dass man das Ziel ausbalancieren muss. Wenn Sie den Menschen nahekommen wollen, muss man verstehen, wo sie sich nicht wohl fühlen. In China brauchen Sie das vielleicht nicht zu tun. Sie können sagen: „Okay, ich bin der Boss“, oder weil es von der Firma vorgegeben wird. „Warum fragst du? Du sollst einfach machen.“ Die Franzosen werden die Chinesen als etwas zu lösungsorientiert und sehr prozessgetrieben ansehen, nicht so sehr menschengetrieben. H.: Auch jetzt treibt XY Vielfalt und Inklusion, inklusive KPI, voran. Als ich 2016 umzog, war ich fast die einzige Chinesin auf einem bestimmten Führungsniveau, bisher kannten sie nur chinesische Praktikantinnen oder Assistentinnen. Aber die sprachen schon Französisch, ich nicht. Ich stehe also vor dem Kopierer, alles auf Französisch, und sage: „Ich möchte in Farbe kopieren“. Beide Französinnen sagen: „Wir können dir nicht helfen“. Dann fragte ich: „Würden Sie mir bitte helfen mit der Kopie?“ Sie sagt: „Ich denke, du musst erst mal Französisch Unterricht nehmen.“ Ich sage: „Ich muss jetzt arbeiten, ich brauche jetzt deine Hilfe.“ Sie sagt: „Ok, ich zeige es Dir, aber Du solltest erstmal sprechen lernen.“ Das ist mir jeden Tag passiert. Nicht nett, nicht hilfreich. X: Sie haben eine Voreingenommenheit. Ein Manager in XY sagte mir, dass ich die erste Asiatin bin, die sie in der Zentrale auf dieser Ebene eingestellt haben. Sie sagten, ich bekäme eine Basis im siebten Stock. Es ist der berühmte siebente Stock. Erstens haben sie Angst, vor etwas, das sie nicht kennen. Zweitens denken sie, du bist so, so anders. Auf eine Weise geheimnisvoll. Andererseits so sehr anders, dass sie nicht wissen, wie sie mit dir umgehen sollen. Sie kommen mit Angst, Unsicherheit oder was auch immer.

Bisher gibt es sehr wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Erfahrungen chinesischen Expat Frauen in chinesischen Unternehmen. Bei der ersten Welle von Versetzungen aus den chinesischen Zentralen nach Europa wurden heimische, chinesische Führungskräfte für Schlüsselfunktionen bevorzugt. Damit ergibt sich für Frauen, die von China nach Übersee gehen wollen eine Chance. Sie agieren dann im Ausland wiederum zwischen den Welten und werden Vermittler zur heimischen Zentrale in China. Die Besonderheit ist, dass sie das rasante Wachstum der chinesischen Unternehmen als Führungskraft im Ausland begleiten und auch hier eine Pionierrolle einnehmen. A.: Ich denke, es ist beiderseitig. Es ist auch nicht schwer, zu verstehen, da die Eigentümer ihre Schlüsselrollen kontrollieren wollen und Vertrauen sehr wichtig ist. Sie vertrauen nur den Menschen, die sie verstehen. Wenn Sie aus einem völlig anderen Umfeld kommen, einer völlig anderen Kultur, einer völlig anderen Denkweise, wie könnten sie Ihnen vertrauen? Wenn sie dir nicht vertrauen, wie

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können sie dann glauben, dass sie dich in Zukunft leicht kontrollieren können? Ich finde es, sehr einfach zu verstehen.

Wahrnehmungen der Gendersituation in Frankreich Die Bewertungen der chinesischen Frauen in Frankreich für ihr Gastland im Unterschied zur Heimat sind heterogen. Frauen, die eine längere Karriere in China hatten, bewerten Frankreich im Mittelfeld mit fünf bis sechs Punkten auf einer Skala von zehn Punkten, wenn es um Chancengleichheit im Management geht. China dagegen bewerten sie mit einem hohen Wert von acht von zehn Punkten. Sie führen die bessere Chancengleichheit auf die Erziehung von Frauen in China zurück und auf die Anerkennung von erfolgreichen Frauen in der Gesellschaft. Außerdem wird die Karriereorientierung von chinesischen Frauen, vor dem Hintergrund ihrer Sozialisierung, als ausgeprägter wahrgenommen als die von französischen Frauen. Nur eine Frau in der Untersuchungsgruppe, die für ein chinesisches Unternehmen schon lange in Europa und jetzt in Frankreich tätig ist, bewertet beide Länder fast gleich und sehr hoch, sieht aber Frankreich einen Punkt über China. Als Begründung wird das gute Betreuungssystem für Kinder und der Zuschuss des Staates für Mutterschutzzeiten in Frankreich genannt. Dieses halte Unternehmen davon ab, Frauen aufgrund drohender Schwangerschaften zu benachteiligen. Einzelne Frauen, die bereits seit Langem in Frankreich leben, werten ihr Heimatland kritischer. Vor allem die Unterrepräsentanz von Frauen in der chinesischen Politik wird als Grund hierfür angegeben. Benachteiligung im beruflichen Wettbewerb aufgrund der Antizipation von, wenn auch kurzen, Schwangerschaftsausfällen ist ein weiterer Grund. L.: Für mich liegt China meiner Meinung nach sehr nahe bei acht. Frankreich beginne ich mehr zu entdecken. Früher war ich immer der Meinung, dass die Gleichstellung der Geschlechter in westlichen Ländern viel besser sein sollte als in Entwicklungsländern, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Vor allem in Frankreich werde ich wahrscheinlich 5 geben. X1: Ich denke, in China gibt es zwischen Städten sicherlich Unterschiede. Das unterstützende System ist in China reifer für Frauen, um voranzukommen oder Karriere zu machen. Zum Beispiel können Babysitter relativ billig angestellt werden. Die Unterstützung in der Kinderbetreuung und die gesellschaftliche Unterstützung sind besser. Die Menschen in Schanghai haben mehr Wahlmöglichkeiten mit Kinderbetreuung. Zweitens geht es um Steuern. Wenn beide in Frankreich arbeiten, ist die Steuer sehr hoch. Natürlich ist China mit 45 Prozent sehr hoch. Ich, dass es in Frankreich wirtschaftlich weniger günstig ist, wenn beide Elternteile arbeiten. Ich denke, dass die Mentalität von Frauen in Frankreich nicht ist, dass es der einzige Erfolg ist, beruflich erfolgreich zu sein. Sie sind stolz darauf, ein sehr schickes Leben zu führen, zu reisen, zu tanzen, Yoga zu machen, egal welchen Beruf sie haben, andere Bereiche. Sie haben mehr Arenen für ihre Kompetenz als eine Chinesin. Ich denke, es ist eine Vielfalt von Bereichen, wo sie sich ausleben können. Y.: Ich kenne die Details wirklich nicht, aber ich habe gehört, dass Männer und Frauen in Frankreich nicht gleich bezahlt werden. In Bezug auf das Management denke ich, dass es auch bei einem großen Unternehmen wie XY viele Frauen im mittleren Management gibt, während das Senior-Management,

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beginnend mit C, immer noch viele Männer hat. Für mich gebe ich Frankreich eine Sechs. In China weiß ich es wirklich nicht. Ich habe nie in China gearbeitet, kann ich nicht sagen. X2: Frankreich gebe ich sechs und China vier oder fünf. Warum? In Frankreich ist der Respekt vor Frauen groß, es gibt nicht so viele hohe Führungskräfte aber viele angestellte Frauen und im mittleren Management, Frauen sind in Frankreich auch in der Politik. A.: Es gibt in Frankreich viel bessere Einrichtungen für Frauen mit Kindern. Egal von der Schwangerschaft bis zur Geburt, in die Kinderkrippe und dann in die Kindergärten. Sie haben eine End-toEnd-Lösung, um Frauen dabei zu unterstützen, unabhängig zu sein. In China können Sie Ihre Freiheit erst haben, wenn die Kinder drei Jahre alt sind, es sei denn, Sie haben jemanden, der sich ganztägig um die Kinder kümmert. Wenn sie in China Leute rekrutieren, diskriminieren sie normalerweise Frauen, die in einem bestimmten Alter sind, aber keine Kinder haben. Wenn Sie bereits ungefähr 30 Jahre alt sind, aber noch kein Kind haben, bedeutet dies, dass Sie in einigen Jahren das Risiko eingehen, für längere Zeit Mutterschaftsurlaub zu haben. Normalerweise würden sie einen Mann dieser Dame vorziehen. Sogar wenn diese Frau viel qualifizierter ist. In Frankreich sehe ich das nicht. Ich habe auch Leute auf dem französischen Markt rekrutiert. Wir übersehen Frauen nie, weil die Leute sagten: „Machen Sie sich keine Sorgen um dieses. Erstens haben wir dieses System. Selbst wenn sie nach dem Mutterschaftsurlaub zu Hause bleiben, ist es die Gesellschaft, die Regierung, die das Gehalt zahlt, nicht wir. Keine Sorge.“ In China ist es immer die Firma, die zahlt, ja. M.: Weibliche Manager sehe ich mehr in China als in Frankreich. In Frankreich waren alle meine Chefs bisher Männer. In China dagegen traf ich im selben Unternehmen Frauen. Es gibt einen kulturellen Grund dafür. Tatsächlich habe ich von mehreren chinesischen Chefs gehört, warum sie eine Frau als Leiterin ihrer Buchhaltungsabteilung wählen, weil sie Frauen für loyaler halten. Sie wissen in der Tat, dass der Finanzleiter den Kern des Unternehmens verwaltet und die chinesischen Chefs möchten besonders in dieser Art von Position immer jemanden vertrauen. Sie vertrauen darauf, dass Frauen loyaler und zuverlässiger sind. Das liegt daran, dass ich viele Frauen in China sehe, die hohe Positionen in der Finanzfunktion innehaben. L.: Wenn ich über acht Punkte für China spreche, dann weil sich Frauen leicht diesen Führungspositionen nähern können. Führungsrolle, es gibt keine klare Tendenz, weil Sie sagen können, was Sie wollen. Ich denke, die meisten Chancen auf meinem Karriereweg wurden gefördert, weil ich sehr lautstark bin. Ich möchte mich meiner Meinung nach nicht verstecken. Ich denke, diese Art von mutigem Gesang positioniert mich gut in den Unternehmen und damit boten sich mir Gelegenheiten. Gleich hoch bezahlt. Nein, manchmal weiß ich sogar, dass mein Gehalt sogar höher ist als das meiner männlichen Kollegen. Das liegt daran, dass ich die Personalabteilung bin und auf all diese Informationen zugreifen kann. Als Frau können Sie manchmal sogar Ihre Kraft oder Ihren Charme einsetzen, um mehr Wirkung zu erzielen. Ich habe nie über die Gleichstellung der Geschlechter nachgedacht, weil ich mich in China daran gewöhnt habe. Ich wurde immer sehr fair behandelt. Nach Frankreich zu ziehen war ganz anders. Ich sehe immer noch, dass die Ingenieurin in der Beschaffungsorganisation den gleichen Job wie ein Mann macht. Ihr Gehalt ist 30 Prozent niedriger als das ihres männlichen Kollegen. Wenn Sie sich die Führungsrollen ansehen, sind die meisten von ihnen männlich. Und das weckte mich wirklich auf: „Wow, das ist eine andere Landschaft in Bezug auf das Bewusstsein und die Motivation.“ X2.: Wenn ich Gleichstellung breiter als Karriere in der Wirtschaft betrachtet- da würde ich China weniger geben als Frankreich, in Frankreich ist es für Frauen möglich, CEO zu werden, keine Glasdecke, da bin ich optimistisch, in China in den staatlichen und privaten Unternehmen ist es schwer, Multinationals sind nur ein Teil der Wirklichkeit. S.: Sie haben nicht gelernt, wie man eine sehr weibliche Frau ist, und sind sie im Kampf um die Macht aufgewachsen. Deshalb sind sie in der Familie sehr dominant, im Privatleben und im Unternehmen.

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Wir sind die Kinder dieser älteren Frauengeneration und wir haben nur das Beispiel unserer Mütter, um unsere Macht zu zeigen. Natürlich sind wir besser ausgebildet und wir sind dazu erzogen, unseren Platz bei uns zu Hause einzunehmen, eine Mutter zu sein, eine Frau zu sein und so weiter. Es gibt aber dazu etwas, das wir aus unserer Müttergeneration unbewusst kopiert haben, und deshalb drücken chinesische Frauen ihre Macht aus, sie sind bereit im Berufsleben und manchmal dominieren sie wirklich.

4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte Die französischen Topmanagerinnen geben Einblicke in ihre starke Karriereorientierung, die sie vor dem Hintergrund erkämpfter Rechte und weiterhin bestehender Widerstände leben. Die Beherrschung ganz eigener landesspezifischer Codes, die Suche nach einer weiblichen, französischen Identität als Managerinnen und das Thema Frauensolidarität begleitet sie bei ihren erfolgreichen Werdegängen.

4.1 Soziokulturelle Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Frankreich Die Geschichte der französischen Frauen ist bestimmt von sehr zähen Auseinandersetzungen und Kämpfen. Die soziokulturelle Prägung des Landes ist gezeichnet von starken Machtkreisen der Männer, die versuchen, Frauen aus ihnen fernzuhalten.

Die Französinnen- Kämpferinnen der Gleichberechtigung Die Französinnen erhielten das Wahlrecht erst im Jahr 1944, das heißt 26 Jahre später als die deutschen Frauen. Demgegenüber steht die Tatsache, dass die Französinnen die ersten Frauen in Europa waren, welche ihre politischen Rechte in Petitionen, auf Versammlungen und auf den Barrikaden einforderten. Es gab in Frankreich schon im 14. Bis 17. Jahrhundert Gleichheitsforderungen und Emanzipationsversuche einzelner Frauen, die verschiedene Schriften veröffentlichten, wie zum Beispiel von Pisan, „Der Staat der Frauen „ oder von de Gournay „Über die Gleichheit der Männer und Frauen“. Sie versuchten schon früh, gegen das Prinzip der Überlegenheit der Männer im Land anzugehen. Mit der Französischen Revolution entwickelte sich eine erste Bewegung der französischen Frauen, in deren Verlauf unter anderem Olympe de Gouges ihre „Erklärungen der Rechte der Frau und Bürgerin“ einbrachte. Diese frühen politisch aktiven Frauen wurden in der Öffentlichkeit als Mannweiber verurteilt und ihre Zusammenkünfte verboten. Erst um das Jahr 1840 gründeten sich wieder Frauenklubs und -zeitungen, die das Wahlrecht für Frauen und Gleichheit in der Ehe forderten. Aber auch diese wurden laut Fraser bald wieder verboten. In der „déclaration des droits de l′homme“ wurden allgemeine Menschenrechte aus Sicht der französischen Feministinnen auf Männerrechte reduziert. Als goldenes Zeitalter des französischen Feminismus wird die Zeit ab dem Jahr 1880 bezeichnet, in der die Suffragetten die Frauenstimmrechtsbewegung anführten. Ab dem Jahr 1914 wurde in Frankreich immer wieder über das Wahlrecht für Frauen abgestimmt, welches aber mehrfach abgelehnt wurde, entsprechend des Mottos „Frauenhände sind dazu da geküsst zu werden und nicht um zu wählen“. Verschiedene https://doi.org/10.1515/9783110709094-004

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Autoren diskutieren, ob es letztendlich die Beteiligung der Frauen in der Résistance während des Zweiten Weltkrieges war, die in Frankreich den Durchbruch in der Geschlechterfrage brachte. Ein Gleichstellungsgesetz kam im Jahr 1946, so SanchezSchmidt zeitnah zum Frauenwahlrecht, wobei die konkreten Umsetzungen, zum Beispiel in Gesetzen zur Gleichstellung in der Ehe, bis zum Jahr 1965 dauerte. Erst danach erlangen die Französinnen das Recht auf Ausübung eines Berufes ohne die offizielle Genehmigung des Ehemannes. Erst seit dieser Zeit haben sie laut Herve das Recht erlangt, über ihren Körper, ihr Bankkonto, ihr Eheleben und ihre Berufswahl selber zu bestimmen. Die Empfängnisverhütung wurde in Frankreich im Jahr 1967 erlaubt. Der Familienchef wurde nicht mehr maskulin konjugiert, die väterliche Autorität, autorité paternelle, von der elterlichen Autorität, autorité parentale, abgelöst. Noch in den 1960er bis 1970er-Jahren waren Frauen auch in Frankreich überwiegend Hausfrauen. Die entscheidenden Gesetze über die berufliche Gleichstellung stammen aus dem Jahre 1982. In den letzten 40 Jahren hat es im Land in drei Punkten wesentliche Bewusstseinsentwicklungen gegeben. Das zeigt sich in der zunehmenden Selbstbestimmung und Autonomie der Frauen. Die Erwerbstätigkeit der Frauen wird heute in Frankreich als etwas Normales, Selbstverständliches gesehen. Dazu beigetragen hat eine staatliche Familienpolitik, die das Kinderbetreuungssystem so ausbaute, dass Frauen in Vollzeit arbeiten konnten. Es ist die Norm, dass heute 99 Prozent der vierjährigen französischen Kinder in der Vorschule sind. In den 1990er-Jahren wurde der Kampf der französischen Feministinnen auf den Bereich der Opfer verlagert: Der Fokus liegt seitdem darauf, dass Vergewaltigung, eheliche Gewalt und sexuelle Belästigung ernst genommen und ordentlich bestraft werden. Benoîte Groult beschreibt eine neue Erscheinung in der französischen Gesellschaft. Die Angst von Männern wachse, denn die Gleichheit der Frauen bedeute in ihren Augen eine Niederlage. Jede Bemühung um die Verbesserung der Lage der Frauen in der Gesellschaft und um die Durchsetzung ihrer Rechte werde als Aggression wahrgenommen, als Männlichkeitsbeleidigung. Dagegen würden sich Männer auf sozialem und politischem Gebiet wehren.

Die Politik in Frankreich- eine Männerdomäne Die Französinnen haben das Wahlrecht als eine der Letzten in Europa erlangt. Die Politik in Frankreich war lange ein besonderer Bereich, der Männern vorenthalten war. Für die Adenauer Stiftung analysiert Galetti im Jahr 2019 dazu, dass nach Außensicht auf Frankreich vielfach das Bild der „gelebten Gleichberechtigung“ zwischen Frauen und Männern vorherrscht. Die Annahme, dass Frauen im Berufsleben weniger als in Deutschland benachteiligt zu sein scheinen, basiert zu einem nicht unerheblichen Teil auf dem französischen Betreuungssystem für Kinder und weniger auf Gleichberechtigung in allen gesellschaftlichen und politischen Sphären. Gerade im politischen Bereich scheint sich Parität in Frankreich dabei erst seit den 2000er-Jahren

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

– und nicht immer spannungsfrei – durchgesetzt zu haben. Patriarchalische Strukturen lassen sich auch heute noch auf politischer Ebene ausmachen. Als geradezu revolutionär wird laut den Berichten von Calla in der öffentlichen Diskussion die Verabschiedung des Paritä tsgesetzes in Frankreich bezeichnet. Noch im Jahr 1982 scheiterte eine Frauenquote in Frankreich, die per Gesetz einen 25-prozentigen Anteil von Frauen bei den Kommunalwahlen festschreiben sollte, durch ein Veto des Verfassungsrates. Im Jahr 2000 wurde Frankreich dann das erste Land der Welt, welches eine Parität festschrieb. Das Gesetz verpflichtet die Parteien zur Aufstellung geschlechterparitä tischer Wahllisten für die Europawahl sowie die kommunalen und regionalen Wahlen. Dies gilt jedoch nicht für die Parlamentswahlen, für die „lediglich“ Bußen bei einer Nicht-Einhaltung vorgesehen sind. Die Männer in der Politik fanden trotz dieser neuen Regelungen und Gesetze, Wege, um die Gleichstellung zu verhindern. Ganz deutlich haben dies die Parlamentswahlen im Jahr 2007 gezeigt, als die politischen Parteien öffentlich mit Frauenfeindlichkeit aufwarteten. Gegenmittel sollten Strafzahlungen sein, die aber in Kauf genommen wurden, um die Stellung der Männer zu sichern, und die dann bewusst durch finanzielle Zuwendungen männlicher Netzwerke wieder ausgeglichen wurden. Maßnahmen zur Bestrafung wurden daraufhin in den letzten Jahren verschärft. Im Jahr 2014 wurde eine Verdoppelung der Bußen für politische Parteien, die die Gesetze zur Gleichstellung bei Parlamentswahlen nicht einhalten, durchgesetzt. Das Thema Parität wird auch in den Parteien zunehmend kontrovers diskutiert. In den meisten Parteisatzungen lassen sich hierzu Absichtserklä rungen finden. Die Bewegung „La Re´publique en Marche“ brachte neuen Wind in die Debatte und setzte das Thema ganz oben auf die Prioritä tenliste für die Prä sidentschafts- und Parlamentswahlen im Jahr 2017. Die meisten Vorsitze der ständigen Ausschüsse in der Nationalversammlung sind jedoch weiterhin mit Männern besetzt. Auch wenn die Bewegung „La Re´publique en Marche“ in der Nationalversammlung das Paritä tsgesetz mit einem Frauenanteil von 47 Prozent einhält, stand sie mehrmals in der Kritik, da zentrale Posten wie Partei-, Fraktionsund Ausschussvorsitze an Männer vergeben wurden. Verschiedene Berichte politischer Beobachter unter anderem der FAZ und des Spiegels beschreiben, dass der Widerstand so weit ging, dass viele Plätze gezielt mit jungen, unerfahrenen Frauen besetzt werden, die kurz danach wieder ausgetauscht werden. Nicht nur im Rahmen der Me-Too-Debatte gerieten die in Frankreich stellenweisen noch stark verankerten patriarchalischen Strukturen und gesellschaftlich tolerierter oder ignorierter Sexismus auf die Tagesordnung. Aus der Nationalversammlung wird immer wieder von verbalen sexistischen Übergriffen auf weibliche Abgeordnete berichtet. Trotzdem zeigen die Maßnahmen Wirkung und der Frauenanteil der Franzosen im Europäischen Parlament liegt mit 43 Prozent weit über dem europäischen Durchschnitt der Mitgliedsländer. Allerdings sind im Jahr 2019 nur 25 Prozent der aufgestellten Frauen in der Regierung gelandet, denn die Paritätsquote gilt nur für die Listenaufstellungen. Bis zum Jahr 2000 gab es in Frankreich einen Frauenanteil von zehn Prozent in der Nationalversammlung. Damals lag der Anteil von Frauen im Deutschen Bundestag schon bei um die 30 Prozent. Jedoch zeigen die neueren Maßnahmen spürbare Erfolge

4.1 Soziokulturelle Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Frankreich

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und die Beteiligung von Frauen an der französischen Politik zieht nach und überholt im Länderranking.

Französische Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft Auch in Unternehmen fand der Wandel erst nach Einführung gesetzlich festgelegten Quoten statt. Ein wichtiger Schritt zur Beteiligung von Frauen an den Spitzen der großen französischen Unternehmen wurde durch das Copé Zimmermann Gesetz aus dem Jahr 2011 erreicht. Das Gesetzt schrieb als Ziel für das Jahr 2017 eine Quote von 40 Prozent Frauen in den französischen Aufsichts-und Verwaltungsräten für Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern und in der öffentlichen Verwaltung fest. Unternehmen mit 250 bis 499 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 50 Millionen Euro müssen diese Verpflichtung ab dem Jahr 2020 erfüllen. Laut dem Beratungsunternehmen Ethics & Boards sind heute, angetrieben durch diese Quote, rund 44 Prozent der Verwaltungs-und Aufsichtsräte der großen Unternehmen in Frankreich weiblich. Es lässt sich ein durch das Gesetz ausgelöster Mentalitätswandel beobachten, denn überall in Frankreich werden Frauen zur Besetzung dieser Positionen gesucht. Wenig Wandel gibt es dagegen in den Vorständen, die in Frankreich einen Frauenanteil von 18 Prozent ausweisen. Ein häufig in den Medien zitiertes Beispiel für einflussreiche Frauen ist im Jahr 2020 Isabel Kocher, ehemalige Vorständin beim Energiekonzern GDF, die als Rollenvorbild in Frankreich gefeiert und gleichermaßen angefeindet wird. Die Erwerbsquote der Frauen in Frankreich im Alter von 25 bis 49 Jahre hat sich im Zeitraum der Jahre von 1960 bis 2002 laut den Angaben von „Frankreich in Deutschland“ von 40 Prozent auf über 80 Prozent mehr als verdoppelt. Allerdings liegt die Zahl aller arbeitenden Frauen in Frankreich laut Reuter bei 66 Prozent und damit unter der von Deutschland. Jedoch arbeiten Frauen in Frankreich weniger in Teilzeit, wenn auch diese Zahl vom Jahr 1973 von 13 auf rund 31 Prozent im Jahr 2006 ständig zugenommen hat. Die Weltwirtschaftskrise wurde hierfür als eine Erklärung benannt. Autoren wie Sickinger und Wegener führen es auf die große Doppelbelastung von französischen Müttern zurück, die mit zwei oder drei Kindern mehr und mehr Teilzeitarbeit wählen. Frauen nehmen auch in Frankreich oft Teilzeit-Tätigkeiten an, mit dem Ziel Beruf und Familie zu koordinieren, was auf die Männer nicht zutrifft. Bei gleicher Arbeit sind Frauen auch in Frankreich schlechter bezahlt: Sie verdienen durchschnittlich 18 Prozent weniger als die Männer, und immer noch elf Prozent weniger, wenn Arbeitsunterbrechungen aufgrund der Mutterschaft berücksichtigt werden. Wirkliche hohe Führungsposten bleiben den französischen Frauen oft weiterhin verwehrt, auch wenn es Erfolge in diesem Bereich gibt. Die globale Untersuchung von Grant Thornston, die hier für alle betrachteten Länder der Untersuchung herangezogen wird, weist für Frankreich im Jahr 2015 einen Frauenanteil an den Senior Managementfunktionen von immerhin 33 Prozent, der im Jahr 2017 bei 31 Prozent lag. Dazu werden hier zusätzlich zu den höchsten Ebenen der Unternehmen alle sogenannten C-Level Funktionen gerechnet. Der europäische

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

Durchschnitt erreicht in der Untersuchung zum Vergleich einen Frauenanteil an Topmanagementpositionen von nur 24 Prozent.

Vereinbarung von Beruf und Familie in Frankreich Die Französinnen spielen ein breites Spektrum an Rollen. Es gelingt ihnen scheinbar, Nachwuchs und Berufstätigkeit zu verbinden. In Frankreich ist heute eine Berufstätigkeit von Frauen nahezu selbstverständlich und gesellschaftlich als Norm verankert, und diese Einstellung bleibt weithin auch dann bestehen, wenn sie Mütter werden. Frankreich hat laut Ambafrance eine hohe Geburtenrate, die im Jahr 2006 die höchste der EU war. Allerdings geben Frauen auch in Frankreich eher eine Vollzeitbeschäftigung auf, je mehr Kinder sie haben. Zwar arbeiten, so Reuter, 82 Prozent der französischen Mütter mit nur einem Kind, jedoch sind es bei drei oder mehr Kindern nur noch 43 bzw. 35 Prozent der Mütter. Die staatlichen Angebote zur Betreuung in Frankreich sind vielfältig, müssen allerdings im Hinblick auf die zeitlichen Anforderungen, die an eine Führungskraft gestellt werden, mit privaten Maßnahmen erweitert werden. Der staatlichen Kinderbetreuung wird von den Franzosen viel Vertrauen entgegengebracht. Ein Grund dafür könnte die lange Tradition sein, auf welche die Vorschulerziehung in Frankreich zurückblicken kann. Bereits im Jahr 1881 wurden die salles d’asile, die Vorläufer der heutigen Vorschulen, den école maternelles, in das allgemeine Bildungssystem integriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist ihr Angebot aufgrund des Bevölkerungswachstums und der verstärkten Erwerbsbeteiligung von Frauen stark expandiert. Heute besuchen nahezu alle drei- bis sechsjährigen französischen Kinder diese Einrichtungen, in denen die Kinder bereits früh Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Schulkinder besuchen in Frankreich in der Regel bis zum Nachmittag Ganztagsschulen, in denen flankierende Betreuungsangebote existieren, da auch hier die Schulzeiten nicht den Arbeitszeiten der Eltern entsprechen. Eine Mehrheit der franzö sischen Frauen geht sechs Monate nach der Entbindung eines Kindes wieder arbeiten, gestützt auf ein enges Geflecht aus staatlichen Kinderkrippen, den crèches, die aufgrund der von Arbeitszeiten abweichenden Öffnungszeiten, ergänzt werden durch staatlich geförderte Tagesmutter-Modelle. Allerdings ist der Bedarf der Betreuung von Kleinkindern im Land nicht gedeckt, sondern reicht nach Angaben der Zeitung LesEchos gerade mal für ein von acht Kindern. Gerade in den Großstädten mangelt es an Betreuungsplä tzen, sodass Eltern auf die vergleichsweise teure Option der Tagesmutter zurückgreifen müssen. Weit verbreitet ist daher auch eine ganztägige Betreuung von Kleinkindern durch Tagesmütter oder Kinderfrauen. Diese benötigen in Frankreich keine formelle Ausbildung, müssen sich aber registrieren lassen. Die Franzosen vertrauen auf dieses System und es gibt praktisch keine öffentliche Debatte darüber, ob es für Kleinkinder oder Mütter auch Nachteile mit sich bringt. Das „Tabu Thema Baby-Pause“ wird von vielen Französinnen als Belastung wahrgenommen. Verschiedene Autoren wie beispielsweise

4.2 Die Gruppe der Französinnen in der Untersuchung

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Reuter und Sickinger berichten aktuell von steigender pädagogischer Kritik an der überwiegenden Fremdbetreuung kleiner Kinder und von Tendenzen zu privater, geförderter Kleinkindbetreuung in den letzten Jahren. Und es gibt immer mehr junge Frauen in Frankreich, die die Entscheidung für Kinder auf später verschieben oder erst gar keinen Nachwuchs wollen. Manche leben ganz ohne Partner. Phänomene, die überall in der westlichen Welt immer mehr Verbreitung finden. Nur werden solche Lebensmodelle in Frankreich immer noch tabuisiert. Dazu gehören auch ambivalente Gefühle gegenüber der Mutterschaft und der Dauererschöpfung von Müttern in Frankreich. Die Diskussion um die Doppelbelastung von Vollzeit Müttern war lange Zeit eher ein Tabu, genauso wie das Thema nicht Mutter werden zu wollen. Das Land mit der einst höchsten Geburtenrate in Europa verzeichnet laut Die Zeit inzwischen einen Rückgang: Nur noch 767.000 Geburten waren in Frankreich im Jahr 2017 zu verzeichnen, 17.000 weniger als im Jahr 2016. Zudem werden Französinnen immer älter Mütter– im Durchschnitt bringen sie ihren Nachwuchs erst mit 30,6 Jahren auf die Welt. Trotzdem hat das Land in den letzten 50 Jahren viel für arbeitende Mütter erreicht. Und es ist gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass Frauen beides machenKarriere und Kinder.

4.2 Die Gruppe der Französinnen in der Untersuchung- starke 55 plus und viele Kinder Die Interviews des Global Women Career Labs involvieren faszinierende französische Frauen, die es in gehobenen Spitzenpositionen der Wirtschaft geschafft haben. Die interviewten Französinnen haben zum Zeitpunkt der Befragung hohe Führungsfunktionen in großen oder mittelgroßen französischen Unternehmen. Nur drei Frauen arbeiten in ausländischen Unternehmen in Paris, darunter ein US-Konzern und ein chinesisches Unternehmen. Die Unternehmen kommen aus den Branchen Automobile, Mineralstoffe, Luxusfashion, Nahrungsmittel, Bankwesen, Elektronik und Kommunikation. Beispiele für die Positionen der Französinnen sind unter anderem General Manager und CEO, Executive Board Mitglied, Human Ressource Director sowie Head of Communications. Die Französinnen unterscheiden sich zu den anderen Befragungsgruppen hinsichtlich der Altersverteilung. Etwa die Hälfte der Frauen sind über 55 Jahre bis 64 Jahre alt. Damit ist die französische Gruppe in dieser Forschung anteilmäßig die älteste Gruppe im Ländervergleich. Bei den Auswertungen zeigt sich bei vielen Themen eine Homogenität innerhalb der Gruppe der älteren Frauen in Abgrenzung zu den Meinungen der jüngeren, unter 50 Jahre alten, Französinnen. Bis auf vier Frauen sind alle der interviewten Französinnen verheiratet. Eine von ihnen heiratete erst mit Ende 50. Zwei von ihnen sind geschieden, davon eine wieder neu verheiratet. Sie sind die kinderreichste Frauengruppe der Untersuchung mit zwei, drei oder vier Kindern. Nur vier Frauen sind kinderlos, darunter drei der älteren Frauen.

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

Das Ausbildungsniveau der französischen weiblichen Führungskräfte ist hoch und umfasst unter anderem Studiengänge im Bereich Jura, Ingenieurs- und Finanzwesen, BWL, Kommunikation und Philosophie. Die besuchten Universitäten sind zumeist französische Elite Schulen wie HEC, ESSEC, Sorbonne, SKEMA und Dauphine. Nur drei der Frauen haben im Ausland studiert, dabei auf sehr hohem Niveau, unter anderem in Harvard. MBA und andere Masterabschlüsse liegen bei über der Hälfte der Frauen vor. Zwei der älteren über 60 Jahre alten Frauen haben nicht studiert und sind direkt nach dem Abitur in den Beruf gestartet. Außer in Frankreich gibt es nur eine Frau in Deutschland, auch über 60 Jahre alt, die ohne ein Studium eine Führungsposition erreichte. Alle Frauen geben Englisch als Zweitsprache an und ein Teil von ihnen benennt vier weitere Sprachen, in denen sie Grund- oder weitere Kenntnisse haben. Die Interviews wurden auf Französisch geführt, vier Frauen wählten Englisch für das Gespräch. Die Zitate wurden danach in das Deutsche übersetzt.

4.3 Einschätzung der Gendersituation in Frankreich Die Französinnen dieser Untersuchung vergeben subjektive Werte zwischen vier und sieben, in einzelnen Fällen acht, auf einer Skala von null bis zehn Punkten, wenn es um Gleichberechtigung für Frauen in Managementpositionen in Frankreich geht. Zehn Punkte würden bedeuten, dass Frauen und Männer im Hinblick auf Karrieren im Management völlig gleichgestellt sind. Im Durchschnitt bewertet die Gruppe ihr Umfeld in Frankreich mit sechs Punkten im guten Mittelfeld und liegt damit einen Punktwert über der Bewertung der deutschen Gruppe und zwei Punkte unter den Chinesinnen, die ihr Umfeld im Durchschnitt mit einem Wert acht auf der Skala bewerten. Die Einschätzung der Frauen zur Frage der Gleichstellung von Frauen in Frankreich wird sehr ambivalent beurteilt. Die Französinnen lassen sich in den Antworten nicht nur auf das Management festlegen, sondern bewerten verschiedene Aspekte der allgemeinen Gleichstellung von Frauen. Sehr positiv, und durchaus mit Stolz in den Formulierungen, werden dabei die Fortschritte der französischen Gesetzgebungen zur Gleichstellung von Frauen, die französische Familienpolitik und die Angebote zur Kinderbetreuung gewertet. Die Frauen betonen, dass im Vergleich zu den 1960er bis 1980er-Jahren, in denen auch in Frankreich Frauen eher zu Hause tätig waren, enorme Fortschritte für ein chancengleicheres Umfeld gemacht wurden. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auf die 40 Prozent Quote für Aufsichtsrätinnen und das Copé Zimmermann Gesetz verwiesen. Die damit erzielten Erfolge machen die Französinnen sehr stolz. Sie beschreiben, dass die Gleichberechtigung von Frauen in Frankreich über die Gesetzgebung vorbildlich abgesichert sei und ihr Land Vorbildfunktion gegenüber vielen anderen Ländern habe, in denen diese Gesetzesgrundlagen bisher für Frauen aus ihrer Sicht nicht erreicht sind. Immer wieder benennen sie die Quotenerfolge und gelungenen Maßnahmen der Politik. Es ist gesellschaftlich heute die Norm, dass Frauen in

4.3 Einschätzung der Gendersituation in Frankreich

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Frankreich berufstätig sind. Fremdbetreuung von Kleinkindern ist breit in der Gesellschaft akzeptiert und das Betreuungsangebot macht es Frauen mit Kindern möglich, ihrer Berufstätigkeit nachzugehen. Jedoch kommen die Befragten auch schnell zu den Problemfeldern der Situation von Frauen im Hinblick auf Chancengleichheit im französischen Management. Die Gleichberechtigung sei im gesetzlichen Regelwerk und auch auf intellektueller Ebene umgesetzt, jedoch nicht im konkreten. Es fällt auf, dass über 50-jährige Frauen und jünger Frauen unterschiedliche Argumente zu den noch fehlenden Schritten anführen. Die unter 50-jährigen Frauen argumentieren vor allem rund um das Thema Mutterschaft, die allgemeine Benachteiligung von Müttern und fehlende Gehaltsgleichheit. Hier wird weiterhin großer Verbesserungsbedarf beschrieben. Mütter sind aus ihrer Sicht benachteiligt im Hinblick auf die Gehältergerechtigkeit. Sie haben rund um die Phasen von Schwangerschaft und Kleinkindbetreuung Gehaltslücken zu verzeichnen und werden von Erhöhungen systematisch ausgeschlossen. Die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Karriere ist prinzipiell für die gehobene Mittelschicht gegeben, die die hohen Kosten einer Rund-um-die Uhr- Betreuung zahlen können. Für Frauen im Topmanagement in Frankreich gilt wie für Männer eine abendliche Anwesenheitspflicht im Büro, ohne die ein Aufstieg schier unmöglich ist. Diese macht es für Frauen in Führungspositionen notwendig, ihre Kinder regelmäßig bis in spätere Abendstunden von Kinderfrauen zu Hause betreuen zu lassen. Für untere Gehaltsklassen ist eine Vereinbarkeit von Kind und Vollzeitberuf schwierig, da die Betreuungsangebote mit Kosten verbunden seien, die sich in vielen Gehaltsgruppen nicht rentieren. Sehr ausführlich sind die Beschreibungen von Problemen im Geschlechterverhältnis. Männerbünde, die systematisch Frauen ausschließen, sind demnach weiterhin Realität. Diskriminierung von Frauen und Stereotype in den Köpfen von männlichen Entscheidungsträgern werden von Forschungsteilnehmerinnen als großes Problem für Frauen benannt, die in der Hierarchie aufsteigen wollen. Das Thema wird in Paris aktuell immer wieder auf zahlreichen Konferenzen, unter anderem zum Weltfrauentag, breit diskutiert. Bemerkenswert ist, dass ein Teil der älteren Studienteilnehmerinnen, das Umfeld schon als eher gleichwertig einstufen und ein Versagen der Frauen beschreiben, sich auf die höheren Ränge zu katapultieren. Mangelndes Selbstvertrauen, zu wenig Netzwerk und zu wenig Planung der eigenen Karriere werden als Hauptdefizite angeführt. Das Thema der Vereinbarung von Karriere und Kindern, welches jüngeren Frauen verbalisieren, wird von den älteren Frauen negiert. Eine Wertveränderung zwischen den Generationen, der heute 50 bis 63-jährigen Französinnen und den Frauen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren entbrannt am Thema Arbeitszeiten. Frauen, die noch Kinder erziehen, kämpfen für Arbeitszeiten, die sich von den traditionellen langen Abenden am Arbeitsplatz verabschieden. Sie wünschen sich Unternehmen, die die Belange von Müttern mit Führungsverantwortung berücksichtigen.

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

Die älteren Frauen, die sich auf ein gehobenes Management nach männlichen Regeln eingestellt hatten, scheinen enttäuscht zu sein, dass die jüngeren Frauen ihren Kampf nicht in derselben Art und Weise fortführen. Sie gehen davon aus, dass eine Frau in Frankreich, die in die oberen Ränge aufsteigen will, sich den von Männern vorgegebenen Normen anpassen muss. D.: Ich gebe Frankreich auf der Skala von zehn sechs Punkte. Ich hätte fast fünf gesagt. Es gibt Dinge, die sich in Frankreich verändern und die zur Gleichstellung der Geschlechter führen. Aber wir haben das Problem der Gewalt gegen Frauen nicht gelöst. Wir haben das Problem der Lohngleichheit und des geschlechtsspezifischen Lohngefälles nicht gelöst. Wir haben nur 17 Prozent Frauen in Executivkomitees. Wir haben auch alle Stereotypen, die wir auch in anderen Ländern haben. Wir haben das alles nicht geregelt. Trotzdem leben wir in einer Gesellschaft, in der Frauen einen Platz haben, sie können auf die Straße gehen, sie müssen sich nicht verstecken, sie können zur Arbeit gehen. Aber ich denke, dass wir als das führende Land der Menschenrechte für die Frauen wirklich hätten mehr erreichen könnten. M.: Sieben bis acht für die Arbeitsebene, für die gesellschaftliche eher fünf. Ich denke, dass wir Frauen auf der Ebene der Gesellschaft als intellektuell gleichwertig betrachten, nicht aber im Konkreten. Wenn wir das wirkliche Leben der Menschen in der Familie betrachten, ist dies nicht der Fall. Alle haben immer noch Klischees, ich meine Frau und Mann, Männer sind immer noch Männer, die stark und verantwortlich sein müssen, und Frauen sind immer noch diejenigen, die sich um das Haus kümmern. Wir entwickeln uns weiter, aber wir haben unsere Art zu denken nicht vollständig geändert. Ich denke, Frankreich ist nicht schlecht. Weil wir in Frankreich alles tun, damit die Frau arbeiten kann. Das, was in Frankreich immer noch ein Problem ist, ist eine bestimmte Position des Mannes, von denen viele nicht wollen, dass sich das ändert. Dass sich die Gesellschaft verändert. Aber einige Männer fürchten, dass Frauen ihren Platz einnehmen. Wenn wir in der Politik sehen, was passiert, wenn eine Frau in die Nationalversammlung kommt und was sie in einem Land wie dem unseren erzählt, es ist unheimlich. Ich denke, in Frankreich gibt es einen kulturellen Punkt, der wichtig ist, nämlich die Beziehung zwischen Mann und Frau. Auf der intimen Ebene. Und das lässt den Mann die Frau als Beute betrachten. Der Mann jagt die Frau wie eine Beute. E.: Frankreich sieben, Amerika acht. Ich denke, wenn Frauen hart arbeiten und gute Ideen haben und sich gut behaupten und kommunizieren, kommunizieren Frauen im Allgemeinen besser als Männer. Wenn Frauen alle Ihre kompetitiven Vorteile entsprechend einsetzen, denke ich, dass sie so ziemlich das bekommen, was sie wollen. Es ist nicht zehn, weil es mehr Männer in der Belegschaft gibt, weil es Männer gibt, die voreingenommen sind. Andererseits denke ich auch, dass viele Frauen sich dafür entscheiden, nicht zu arbeiten. Dann sagen sie, dass sie diskriminiert werden. Ich habe viele Frauen, darunter Harvard-Frauen, die wirklich nicht arbeiten wollen, und sie haben erfolgreiche Ehemänner, und sie sagen manchmal, dass es aus diesem oder jenem Grund ist, aber es ist so, weil sie es nicht wirklich wollen oder sich nützlicher fühlen, wenn sie sich um die Kinder kümmern. Ich kenne Deutschland ein bisschen und denke, dass sie viel Druck auf Frauen ausüben, bestimmte Dinge wie das Stillen zu tun. Im Grunde ist es ähnlich wie in Japan, es ist eine sehr chauvinistische Gesellschaft, die deutsche. Sie diskriminiert Frauen, es ist ganz grundlegend. In Japan ist es genauso. Ich denke, Japan und Deutschland sind ziemlich ähnlich. Sie sind sehr diskriminierend. Frankreich feiere ich ein wenig, obwohl das auch nicht ganz richtig ist. Aber wir waren zumindest gegenüber Frauen nicht so diskriminierend. Es gibt nicht diesen Druck der Kollegen, zu stillen, nicht zu arbeiten. Frankreich war es immer weniger Macho als in Deutschland. S.: Aus beruflicher Sicht weiß ich, dass es durchschnittlich 25 Prozent Gehaltslücke bei Frauen für die gleichen Berufe gibt, und ich konnte es auch in meinen verschiedenen Berufen spüren. Ich höre immer wieder Kommentare von Leuten wie: „Nun, sie ist eine Frau, sie wird Kinder haben.“ Also

4.3 Einschätzung der Gendersituation in Frankreich

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Nachteile gegenüber Männern, die sich für denselben Job beworben haben. Ich war sehr geschockt und habe dagegen gekämpft. Es ist nicht gleichwertig, denn es geht immer um familiäre Zwänge für eine Frau, und sie stellen niemals eine Frage an Männer, deshalb finde ich es wirklich ungerecht. Frankreich ist nicht so schlimm, weil es viele politische Maßnahmen gibt, um die Dinge zu ändern. Es gab auch einige Quoten, vor allem in öffentlichen Unternehmen, um die Unternehmen zu zwingen, Frauen in die Vorstände zu bekommen, und für das Image der Unternehmen den Aktionären gegenüber ist es besser, wenn einige Frauen in hohen Positionen sind. Es ist Teil der nachhaltigen Entwicklung, Vielfalt zu zeigen. Sie sind ein bisschen dazu gezwungen. L.: Frankreich sechs von zehn. Ich denke, dass sich die Situation verändert hat. Sie macht Fortschritte. In den sechziger, Achtzigerjahren hatten wie eine Vision der Gesellschaft, in der Frauen wirklich nicht arbeiteten. Ihr Platz war zu Hause. Und ich denke, die Dinge ändern sich mit den neuen Generationen. Die meisten jungen Väter, die Vierzigjährigen, und die vierzigjährigen Mütter arbeiten heute alle. Väter kümmern sich um ihre Kinder. Ich sehe es bei allen meinen Freunden. Ich spreche über meine sozio-professionelle Klasse. Danach weiß ich auch, dass dies in anderen Umfeldern nicht unbedingt der Fall ist. Da spreche ich über die Mittelschicht oder darüber. In den benachteiligten Schichten gibt es, denke ich, immer noch eine Menge Frauen, die nicht arbeiten können mit Kindern. Die können sich nicht leisten eine Kinderfrau bis 20 Uhr zu bezahlen. C.: Sieben von zehn. Weil ich glaube, dass wir in Frankreich zum Glück ein sehr starkes gesetzliches Arsenal für Gleichstellung haben. Also wir haben Gesetze, die eigentliche Frage ist, sie anzuwenden. Aber wir haben bereits das Gesetz, zum Beispiel das Equal Pay Act. Dort hat beispielsweise der Arbeitsminister Muriel Pénicaud vor Kurzem ein Barometer mit Sanktionen eingerichtet, um die Frage des gleichen Entgelts zu lösen. Gleiches Entgelt wird nicht angewandt. Es gibt also immer noch Gesetze, es gibt Sanktionsverfahren. Zweitens waren wir eines der ersten Länder, dass das Gesetz von 40 Prozent im Verwaltungsrat, das Copé-Zimmermann-Gesetz, umsetzte. Wir sind also auch hier noch ziemlich weit vorne. Und dann sind wir immer noch das führende Land, in dem die Rechte der Frau, durch harte Kämpfe gewonnen wurde, sei es in Bezug auf die reproduktiven Rechte oder die Abtreibung. Trotzdem habe ich nicht mehr als sieben gegeben, was bereits gut ist, denn ich denke, dass noch viel zu tun bleibt. Und wir sind nicht besser als andere. Trotz all dieser Bemühungen kommen wir also sehr langsam voran. Wir haben Bereiche, insbesondere die wissenschaftlichen und biologischen Sektoren, in denen wir hinsichtlich der Frauenbeteiligung sehr große Unterschiede aufweisen. Ich sehe zum Beispiel in China viel mehr Frauen im wissenschaftlichen und biologischen Bereich. Was also bedeutet, dass es in Frankreich immer noch ein Problem der Mentalität gibt, ein Problem der Bildung an der Basis, was dazu führt, dass wir die Mädchen nicht genug in die Berufe der Zukunft, die in Wissenschaft und Technologie sind, heranführen. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich sogar weniger als sieben sind. Wir sind noch nicht vorne und wir nehmen die Dinge nicht ganz wichtig. Ja, die Zahlen bleiben so wie sie sind, weil wir langsam vorankommen, weil Frauen manchmal nicht kämpfen wollen und die Umgebungen manchmal sehr grob männlich, dominant sind. Es stimmt oft, dass sie es nicht wollen. Ich denke also, das Problem des Selbstvertrauens. Die meisten wurden nicht dazu erzogen, diese Macht, diese Führung, zu beherrschen oder zumindest zu übernehmen. Deshalb führen wir viel Führungstraining für Frauen durch, um Selbstvertrauen aufzubauen. Und dann kommt doch die Zeit, in der Frauen fragen, was das Wichtigste ist. Es ist das Wichtigste, Kinder zu haben, und es wird immer die Frau bleiben, die Kinder machen wird, auch wenn wir alle möglichen Elternurlaube machen können. Aber es gibt immer noch die Zeit, in der eine Frau es vielleicht vorziehen wird, ihre Karriere zurückzustellen. Und plötzlich verliert sie Zeit. Einige Jahre sind wir nicht sehr einsatzbereit. Wir möchten nicht, dass wir ein zu kompliziertes Leben haben. Diejenigen, die Erfolge haben, sind diejenigen, die es schaffen, alles zu kombinieren, und die auch gut unterstützt werden. Oft hilft die Paarbeziehung dabei. L.: Ich würde Frankreich wahrscheinlich auf fünf setzen. Um ehrlich zu sein, ich denke, es gibt Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und bis zum mittleren Management, also denke ich,

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dass das mittlere Management wahrscheinlich acht ist. Das Top-Management fällt auf drei oder jetzt könnte man zwei sagen. Ich denke, der Durchschnitt liegt bei fünf. Ich denke, die USA sind ein bisschen besser. Bis zu einem gewissen Grad sind sie besser, denn sie sprechen zumindest das Problem an, wobei es den Franzosen wirklich egal ist, und das ist ein großer Unterschied. Als ich in den USA war und dort Frauen in sehr hohen Positionen sah, das ist jetzt fast 20 Jahre her, aber ich erinnere mich, sie haben sich wie Männer verhalten, wie Männer. Ich denke, Frauen werden nur an dem Tag aufsteigen, an dem sie sie selbst sein können. Ich meine, wenn wir über Vielfalt sprechen, ist es nicht das Gleiche. Wir sollten uns ergänzen. Was wir eindeutig nicht erreicht haben, weil wir nicht sehen, dass wir uns gut ergänzen und weil wir uns nicht schätzen. Frauen sind in vielerlei Hinsicht erfolgreich, es wird erwartet, dass wir mehr wie Männer sind. Das Problem ist, dass wir niemals Männer sein werden. Irgendwann ist es wie eine verlorene Schlacht. M.C.: Ich sage sechs von zehn. Es gibt die Kultur, die Vergangenheit, die macht, dass die Machtkreise nur von Männern besetzt waren. In Frankreich ist die Bewertung schwierig, weil es wirklich viele Themen gibt. Aber im Vergleich zu Deutschland ist es sicher, dass es in Frankreich besser ist bei dem Thema Gleichstellung. In Deutschland gibt es keine Krippen. Es gibt viele Bedingungen, unter denen Frauen weniger arbeitsfähig sind oder zumindest weniger in bestimmten Funktionen arbeiten können als in Frankreich. Für all das in Frankreich schaue ich faktisch auf die Zahlen. Wenn ich Unternehmerinnen nehme, sind es 30 Prozent Frauenanteil. Sobald Sie anfangen, Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern zu betrachten, dann sind es nur 10 Prozent. Sie haben also immer diese beiden Zahlen. Das sind also zwei wichtige Zahlen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nicht bei 50 Prozent sind. Andererseits gibt es auch eine Zahl von der OECD aus dem Jahr 2016. Da ist Frankreich im Weltlandranking das erste Land in Sachen Gleichberechtigung im Bereich Zugang zu Gesundheit und Bildung. Auf der anderen Seite ist es das 64. Land im wirtschaftlichen Beitrag. Nummer 64! D.: Es ist sieben oder acht. Sieben- Warum, weil ich denke, dass die positive Seite eine echte Gleichheit des Rechts ist. Zweitens gibt es eine Infrastruktur, die Frauenerwerbstätigkeit möglich macht, die Kinderbetreuung, Strukturen. Ich denke auch, dass dies kulturell sehr akzeptiert ist. Dann das dritte Element sind einige Frauen, die echte Vorbilder sind, wie Simone Weil, in der Politik. Heute können Frauen in Frankreich wichtige Positionen einnehmen, aber sie müssen verdammt gut sein, um dorthin zu gelangen. Okay, ich habe nur noch ein kleines Element, die Vertretung bei runden Tischen, bei der 90 Prozent der Männer auf der Bühne stehen, mit Krawatten. Al.: Ich würde sieben geben, das heißt, ich denke, wir sind in Frankreich überdurchschnittlich, weil, als ich in Deutschland Treffen hatte, um XY in Deutschland zu gründen, haben mir Frauen folgendes erzählt „Wissen Sie, ich musste mich entscheiden, entweder eine Karriere haben oder Kinder haben. Ich konnte nicht beides haben. Ich habe mich für eine Karriere entschieden und bin sehr glücklich.“ Und ich fand es sehr traurig, zu hören, dass die Männer das Recht haben, beides zu haben, Frauen aber nicht. In Frankreich sind wir überhaupt nicht an diesem Punkt. Sie können eine Karriere machen und Kinder haben. Bei uns sind es aber die Klischees, die lästig sind. Du kannst Karriere machen, aber du wirst nicht so viel Geld verdienen als Mutter. Wenn wir feststellen, dass wir immer noch nicht so gut wie Männer bezahlt werden, ist das schlimm. Bei gleichen Fähigkeiten und gleicher Arbeit weniger Gehalt. Als ich zum Beispiel aus dem Mutterschutz zurückkehrte, hatte ich in diesem Jahr 200 Prozent meiner Ziele erreicht. Ich war Juli, August, September und Oktober abwesend. Und ich habe trotzdem meine Ziele doppelt erreicht. Und so erklärte ich meinen Chefs, dass ich, wenn ich dort gewesen wäre, in den 4 Monaten vielleicht 250 Prozent hätte erreichen können. So bestraften mich 200 Prozent bereits. I.: Ich neige fast zu der Meinung, dass die Gleichstellung der Geschlechter in Frankreich größer ist als in den Vereinigten Staaten. Ich könnte sagen, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen in Frankreich sieben von zehn Punkten beträgt. In Frankreich hat die Familienpolitik die Kinderta-

4.4 Karrierestrategien der Französinnen

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gesstätten geschaffen und die Erwerbsanteile von Frauen genauso groß gemacht wie die der Männer. Die Vereinigten Staaten haben Gleichheitsgesetze entwickelt, die Frankreich nicht hatte. Aber Frankreich ist der Frauenanteil bei der Arbeit sehr groß. Ich weiß nicht, ob der Frauenanteil in den Vereinigten Staaten größer oder kleiner ist als in Frankreich. Ich habe den Eindruck, dass in Frankreich die meisten Frauen tatsächlich arbeiten. Nicht zehn von zehn Punkten aber, weil es keine gleichwertige Entlohnung für gleichwertige Arbeit gibt, weil es von 40 Unternehmen nur eine CAC40Frau gibt, weil wir immer noch nicht Parität haben in den Unternehmen, mit Stereotypen kämpfen. Also sind wir da noch nicht angekommen – bei Gleichstellung.

4.4 Karrierestrategien der Französinnen Um die Karrierestrategien der Französinnen zu analysieren, wurden ihre Karrierestationen, Wechselentscheidungen und individuellen Schilderungen zu wichtigen Entscheidungen im Verlauf ihrer Karriere ausgewertet. Die Karrierestrategien der Französinnen lassen folgende Schwerpunkte erkennen: 1. Wettbewerbsvorteil Eliteschulen 2. Auslandserfahrung am Start der Laufbahn 3. Frühe Übernahme von Führungsverantwortung 4. Wahl von bekannten Unternehmensnamen 5. Chancenfelder suchen oder selber kreieren 6. Mut zum Risiko 7. Aufstiegsorientierter Wechsel von Unternehmen oder Funktionen Die Ausbildung an renommierten Universitäten ist für die Französin sehr wichtig, da die Netzwerkkultur der französischen Eliteschulen weiterhin hoch ist und ein guter Name die Chancen in der weiteren Laufbahn erhöhen. Neben den bekannten französischen Eliteuniversitäten kommen bekannte US-Universitäten wie Harvard in die Auswahl einzelner Frauen. Auslandserfahrung haben die Hälfte der interviewten Französinnen. Bis auf eine Frau erfolgt der Aufenthalt im Ausland immer zum Start der Laufbahn, hier überwiegend in den USA, und schließt sich an ein Studium an. Eine Auslandskarriere im klassischen Sinne verfolgt nur eine Befragte mit mehreren unterschiedlichen Stationen hauptsächlich in Asien. Eine weitere Frau zeigt zwei Auslandsstationen im Lebenslauf, die USA und Belgien. Die Internationalität spielt also nur bei zwei der befragten Frauen eine längerfristige Rolle in der Laufbahn. Die Frauen wählen Unternehmen nach Bekanntheitsgrad, gepaart mit dem Angebot von Chancen, die sich für sie ergeben. Dabei spielt die Möglichkeit, viel zu lernen eine Rolle. Eine weitere Rolle spielt, dass sie die Chance, früh Führungsaufgaben übernehmen zu können, gezielt suchen und wahrnehmen. Viele der Frauen starten dabei mit sehr kleinen Teams und früh in der Laufbahn. In späteren Karrierephasen erfolgen Wechselentscheidung hin zu mehr Entscheidungsspielraum verbunden mit hierarchischem Aufstieg. Rund die Hälfte der Frauen formulieren klar das Ziel, GM oder CEO zu werden als Wechselgrund. Eine Strategie, die mehrere Frauen verfolgt haben, ist es, beim gleichen Unternehmen Chancenfelder zu kreieren. Dazu

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

gehört der Aufbau neuer Geschäftseinheiten. Oder aber die Ausweitung des bisherigen Entscheidungs- und Machtbereiches durch Hinzunahme neuer Funktionen. Bei einigen älteren Frauen war ein häufiges Karriereziel die Position Leiterin der Kommunikationsabteilung großer französischer Konzerne, nahe am CEO, bei einigen auch mit internationaler Verantwortung. Sie schildern, dass zurzeit ihres Aufstieges die Machtzentralen der Unternehmen in den Kommunikationsabteilungen lag. Sie weiten dann ihren Verantwortungsbereich gezielt um weitere Bereiche aus, wie zum Beispiel den Bereich Diversity Management. Hier können sie ihren Werten getreu ihrer Vorreiterrolle für Frauen in Frankreich nutzenbringend einsetzen. Der Banksektor ist in Frankreich bekannt dafür, Chancen für Frauen zu bieten. Zwei der Frauen aus beiden Generationsgruppen verfolgen hier ihre Karrieren entsprechend dieser Strategie. Beide stehen für Frauen, die innerhalb ihrer Banken neue Geschäftsfelder quasi als Start-ups aufbauen. Dabei gehört der Mut, Risiko einzugehen und aus den üblichen bekannten und teilweise bequemeren Positionen aufzubrechen, zum Erfolgsrezept, hinein in neue Felder, die Ungewissheit mit sich bringen. Interessant ist, dass auch in Frankreich, eine der älteren Frauen ohne Studium, wie ihr Pendant in Deutschland, bis in die höchsten Machtebenen ihres Unternehmens vordringt. Beide Karrieren wurden nur in einem einzigen Unternehmen verfolgt und sind den von Hall beschriebenen früheren „bounded“ Karrieren zuzuordnen. Beide Frauen, über 60 Jahre alt, betonen, dass ihr Weg heute in dieser Form nicht mehr möglich wäre, da sie den Kriterien heutiger Auswahlselektionen nicht mehr entsprechen. L.: Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass es eine sehr bewusste Entscheidung war, also habe ich an der High-School Mathematik und Physik studiert und dann Finanzwissenschaften studiert, weil für mich die Tatsache, dass es sich möglicherweise um stärker von Männern dominierte Berufe handelte, nicht bedeutete, dass ich es nicht schaffen konnte. Und ich denke, ich wollte zeigen, dass ich es schaffen konnte. Eigentlich war es für mich eher einfacher als Literatur oder Marketing. Ich wollte dann wirklich nach Harvard, und tatsächlich habe ich mich beworben, fast nur bei Harvard, weil ich wirklich dorthin wollte. Ich wollte eine Erfahrung in den USA haben. In den USA studieren, in den USA arbeiten, die Welt wirklich entdecken. Ich habe es finanziert und viel Geld geliehen, um nach Harvard zu kommen. Ich denke, es war ein Kindheitstraum. Das war einigermaßen geplant, obwohl es ein bisschen Glück ist. Danach habe ich für AB in den USA gearbeitet, weil ich dort Management lernen konnte. Dann war wichtig, dass ich in den Verbrauchersektor wollte, und zwar von AB (US Konzern) Technologie und Finanzen zu XY (Französisches Luxusunternehmen). Ich meine, sie hätten mich niemals engagiert, niemals, weil es eine Branche ist, in der wir Leute wollen, die diesem Hintergrund haben. Wenn sie das getan hätten, hätten sie mich für einen Job eingestellt, der nicht interessant gewesen wäre. Ich glaube, ich bin in CD (US Beratungsunternehmen) eingestiegen, weil ich das als Lernerfahrung gesehen habe und es von dort aus möglich war, es stimmt. M.C.: Die damalige Geschäftsführung wollte einen privaten Bankberuf schaffen. Dieser Job hat bis dahin nicht existiert. Die Idee war, durch ein Netzwerk ein spezielles Private-Banking-Geschäft aufzubauen. Kurz gesagt, all das hat dazu geführt, dass ich zu diesem Zeitpunkt den Auftrag hatte, diesen Bereich zu schaffen. Die Gründung eines Unternehmens mit einem kleinen Team, wir waren am Anfang fünf, sechs, und wir gründeten das private Bankgeschäft, welches die erste private Bank in Frankreich wurde, die heute 100 Milliarden Assets generiert. Also wurde ich ausgewählt und ich nahm es an. Und so haben wir ein Modell geschaffen, das dann an jedes Land, an jede Kultur, an jede Regulierung angepasst wurde, in Belgien, Italien, Luxemburg, aber auch Marokko, Polen, die

4.4 Karrierestrategien der Französinnen

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Türkei, die Vereinigten Staaten in allen Ländern, in denen die Bank tatsächlich ein Netzwerk hatte. Also habe ich ungefähr zehn Jahre damit verbracht. Es war ziemlich fabelhaft. Und dann wurde ich zum Direktor des französischen Netzwerkes ernannt. Das ist natürlich eine sehr wichtige Position für die Bank. Es war eine Position, die mich in den Vorstand brachte, und so war ich die erste Frau. Und diese Position hatten vorher immer Männer, die von ENA waren, Polytechniker, immer von Grandes Ecoles. Also bin ich gekommen, Frau mit einem Abitur. Es war also sehr ungewöhnlich, wenn Sie so wollen. Und so hatte ich diese Position 7 Jahre lang inne, das heißt, dass ich es ohne Zweifel war, die sie am längsten innehatte. Ich wurde ausgewählt, weil ich das gesamte Unternehmensnetzwerk perfekt kannte, da ich meinen ersten Teil meiner Karriere im Netzwerk wirklich an der Basis war, sodass ich sehr gut wusste, wie es funktioniert. Ich kannte die Kunden auch sehr gut. Andererseits kannte ich den Beruf des Private Banking nicht, wenn man so will. Ich hatte natürlich auch ein anerkanntes Standing. Und ich akzeptierte diese Position, die ein Risiko war. Es ist sehr wichtig überzeugt zu sein, dass auf einer Reise die Möglichkeit besteht, Chancen zu eröffnen und gleichzeitig Risiken zu akzeptieren. Und so habe ich es geschafft. Und es war großartig. Es ist sehr gut gelaufen. Und als sich das französische Modell gut entwickelte, habe ich es exportiert. Also bin ich mit dem Team in 13 Länder gereist. Es war also wirklich ein Start-up, welches internationalisiert wurde. Und so ging ich mit dem kleinen Team, das ich hatte, und ohne hierarchische Weisungsbefugnis zu den Privatbanken, die wir in den Ländern gegründet haben. Es war alles die Kraft des Einflusses, der Überzeugung. S.: Wahrscheinlich zwei große Schritte, die bedeutend waren. Der erste Schritt, als ich zum ersten Mal zum Marketingleiter ernannt wurde. Es war im Jahr 2005. Damals war ich im Vorstand eines sehr großen Unternehmens, mit 7.000 Mitarbeitern, sieben Milliarden US-Dollar Umsatz und als strategischer Marketingleiter für die Gruppe tätig. Es war im Jahr 2015. Und davor, als ich zum Vertriebsleiter bei XY ernannt wurde. Es war im Jahr 2001. Ja, ich wollte viel mehr Autonomie, viel mehr Unabhängigkeit. Ich wollte mehr Risiken eingehen und mehr sein – ich meine, AB war zu Beginn wirklich ein ausgezeichnetes Unternehmen, weil es sehr strukturiert war mit Methoden, Fachwissen und sehr guten Managementmethoden, aber nach einer Weile wollte ich mehr Risiken eingehen. Ich wollte Fortschritte machen. Tatsächlich denke ich, dass Aufstieg für mich durch Wechsel einfacher war als innerhalb von Unternehmen. Ein Teil des Problems war, dass ich weiblich war, dass ich eine Frau war. Für XY zum Beispiel war es ein Problem. Ac.: Lass uns anfangen. Der erste Schritt, um meine Karriere zu erklären, war vielleicht, dass ich schon sehr früh in der Schule wusste, dass ich einen Job haben wollte, der es mir ermöglichte, weltweit und global zu arbeiten. Aus diesem Grund habe ich meine Tätigkeit als Anwältin eingestellt, weil ich befürchtete, dass Jura nicht flexibel genug ist, um mich zeitlebens zu bewegen. Als ich die Schule verließ, versuchte ich, in den USA eine Arbeit zu finden. Ich habe fast acht Jahre in den USA gelebt, als ich ein Kind war, und so wollte ich am Ende zurück. Nachdem ich in den USA keinen gefunden hatte, mit dem ich zufrieden war, bewarb ich mich bei Jobs in Asien und mein erster Job war in Japan, wo ich für eine Luxusmarke im Marketing tätig war. Ich denke, das war fast der erste Schritt. Dann zog ich in mehrere Länder und arbeitete in regionalen Rollen. E.: USA und Finanzbereich war wichtig, weil ich viel über Finanzen, Rechnungswesen und die Finanzmärkte gelernt habe und mich mit Finanzen gut auskenne, was bei operativen Managern seltener vorkommt. Heute benutze ich es immer noch jeden Tag. Es war eine großartige Grundlage. Ich habe vorher ein zweijähriges Programm als Finanzanalyst absolviert, und dann haben sie mich fünf Jahre lang festgehalten, und ich bin nach Hongkong gegangen, dann habe ich die Handelsschule besucht. Dann hätte ich nach der Business School auch in die Finanzen gehen können, aber ich wollte etwas Anderes ausprobieren. Ich hatte zu der Zeit viele Stellenangebote, und einige von ihnen waren Marketing oder Beratung, und ich ging auch dorthin, weil es ein bisschen freundlich war und mehr Geld gab. Meine intuitiven Fähigkeiten sollten eine größere Rolle in meiner Karriere spielen, und ich wollte in die allgemeine Geschäftsführung einsteigen, und ich hatte solche Angebote, aber

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ich dachte, ich wüsste nichts. Ich nahm einen Zwischenjob an, das heißt, ich bekam einen Job bei XY direkt in Paris. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Marketing nicht viel wusste, also sollte ich den Finanzjob bei XY übernehmen, was eine gute Brücke zum operativen Geschäft war und ich konnte in etwas arbeiten, das ich wirklich konnte. Das war eine gute Entscheidung, und ich habe das ein Jahr lang in Paris gemacht und an Akquisitionen gearbeitet. Als es dann eine Eröffnung in einer kleinen Tochtergesellschaft gab, gaben sie mir diesen operativen Job und ich hatte einen operativen Job auf einer höheren Ebene. Ich war Direktor für Geschäftsentwicklung und habe die Marke in Frankreich und dann in anderen Teilen Europas mit Ausnahme von England gegründet. Das ist auch sehr wichtig. Dann habe ich zehn Jahre bei XY (französischer Luxuskonzern) gearbeitet, was mich in eine interessante französische Situation gebracht hat. Da bin ich ungeplant am längsten geblieben (kichert). Danach wollte ich etwas Unternehmerischeres ausprobieren, dann wurde ich CEO dieser Schuhmarke. Ich wollte wirklich CEO eines wachsenden Unternehmens werden. Das ist es. Ich war in vier Unternehmen. Au.: Ich habe tatsächlich eine Forschungsarbeit für meinen MBA über Technologie im Einzelhandel geschrieben. Hauptsächlich über Marketing, also über Channel, wie es funktioniert, wie man verbindet, was noch nicht mit dem Internet verbunden ist. Tatsächlich, um Analysen über Verhaltensweisen und so weiter zu erhalten. Ich musste verstehen, dass ich nicht viel verstand. Ich fand das schade. Dass mir ein Teil der Geschichte fehlte und dass es auch der sehr wichtige Teil war. Es war tatsächlich vor sechs Jahren oder vor fünf Jahren. Es war der Beginn der französischen Technologie. Wir hörten viel über Technologietrends und Innovationen sowie künstliche Intelligenz und so weiter. Viele Möglichkeiten dank Technologie. Wenn ich einsteigen wollte, brauchte ich etwas mehr Wissen. Aus diesem Grund habe ich mich für die IT entschieden, weil ich ein großes Interesse daran hatte und auch auf der Welle sein wollte. Macht das Sinn? K.: Ja. Das heißt, ich bin auf einer europäischen Position zu XY gekommen. Und dann, nachdem die französische Kommunikationsstelle verfügbar wurde, habe ich den Präsidenten im Radio gehört. Und ich fand es sehr interessant. Und so sagte ich, ich würde gerne diesen Job haben. Ich war also ein interner Kandidat. Und ich habe den Präsidenten getroffen. Und dann hat er mich ausgewählt. Es war sehr einfach. M.: In Frankreich ist es sehr kompliziert. In den angelsächsischen Ländern hat das Marketing die Macht. Immer. Aber in Frankreich hat die Kommunikation viel Raum. Es gab sehr lange Zeit Direktoren für Unternehmenskommunikation, die sehr mächtig waren. Heute sind wir in der Marketingwelle. Und in der Dienstleistungswelt gab es oftmals Widerspruch zwischen den beiden. So wird nach Vorgaben der Präsidenten das eine oder andere alleine oder getrennt betrieben. Es hing davon ab. Ich habe Headhunter gesehen. Und einer von ihnen hatte eine Mission für XY. Und ich bin auf einen außergewöhnlichen Präsidenten gestoßen. Ein außergewöhnlicher Mann, der sehr gut wusste, dass er Kommunikation brauchte. Es war bei ihnen nicht entwickelt gewesen. Es war Niemandsland. Und sie haben mich aufgrund meiner Persönlichkeit im Vergleich zu anderen Kandidaten ausgewählt. D.: Irgendwann hatte ich es satt. Ich ging zu meinem großen Chef und sagte zu ihm: „Die Kommunikation zwischen Partnern und Anwälten funktioniert nicht. Ich denke, es gibt etwas zu tun. Es muss uns gelingen, dies reibungsloser zu gestalten.“ Eigentlich dachte ich, das wäre ein Job für die interne Kommunikation, aber es brachte mich zu HR. Und er sagte zu mir: „Ah ja, das ist gut! Du hast recht! Ich mag es, dass du kommst, um mit mir darüber zu reden, und ich mag, dass Du Dich traust mir das zu sagen. Also werden wir das ändern. Komm schon! Wir fangen an, wir werden zusammenarbeiten! „

4.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der franz. weibl. Führungskräfte

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4.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der französischen weiblichen Führungskräfte Was berichten die französischen weiblichen Führungskräfte über ihre Herkunft? Welche besonderen Managementkompetenzen haben sie erworben? Und, welche Persönlichkeitsmerkmale sind bestimmend für ihren Erfolg? Die Französinnen zeichnen sich aus durch eine starke Motivation und Karriereorientierung und sind konfliktstark und wettbewerbsorientiert.

Herkunft der Französinnen- Akademiker Väter und Hausfrauen Mütter Die französischen Frauen stammen zu gleichen Teilen aus Paris und unterschiedlichen anderen Regionen Frankreichs, wie zum Beispiel Lille, Besancon oder Metz. Die Väter der Französinnen sind bis auf eine Ausnahme alle Akademiker. Die Bandbreite der ausgeübten Berufe umfasst gut situierter Berufsgruppen wie Ärzte, Anwälte, Bankangestellte, Ingenieure, Architekten und Unternehmer. Viele der Väter reisten beruflich viel und waren häufig abwesend. Anders sieht es bei den Müttern der Französinnen aus, bei denen nur drei ein Studium abgeschlossen haben. Die Hälfte der Mütter sind ab der Geburt ihrer Kinder Hausfrauen, eine weitere Gruppe arbeitet in Teilzeit. Die wenigen Akademikerinnen sind Lehrerinnen und eine einzelne Mutter ist Unternehmerin. Zwei der Frauen haben in ihrer Kindheit im Ausland gelebt, eine davon 18 Jahre in den USA, eine andere im kommunistischen Rumänien, wo sie von früh an Gleichheit zwischen Männern und Frauen erlebte. Die meisten Frauen schildern eher einfache wirtschaftliche Familienverhältnisse und Hintergründe, bei denen ihre Eltern sehr arbeiten mussten, um Wohlstand zu erreichen. Es sind tendenziell eher die Väter, die als Rollenvorbilder beschrieben werden. In Ausnahmefällen sind auch alleinerziehende Mütter Orientierungsvorbilder. Das bedeutet, dass die Französinnen in dieser Studie in der Mehrheit keine berufstätigen Mütter als Rollenvorbilder haben. Ag.: Meine Eltern kamen aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Sie haben alles alleine geschafft. Sie hatten viel Ehrgeiz für ihre Töchter. Da ich der Älteste bin, wurde ich immer als Junge betrachtet. Da mein Vater keinen Jungen hatte, wurde ich als der Junge angesehen. Ich glaube, es war mehr Bildung, weil zu Hause viel Politik diskutiert wurde und immer Zeitungen da waren, also die Gewohnheit, Zeitungen zu lesen. Das war es. Und dann die Neugierde, die Neugierde, auf dem Laufenden zu sein. Ich wurde immer gedrängt, das Beste zu tun. Ich hatte nicht die Idee, dass Mädchen sich auf untergeordnete Dinge beschränken müssen. Viel Ehrgeiz. S.: Ja, meine Jugend war im Nordosten Frankreichs. Ich bin mit sehr starken Werten aufgewachsen, hart zu arbeiten und die ganze Zeit über perfekt zu sein. (lacht) Rollenvorbilder? Beide Eltern. Ja. Mein Vater war ein bisschen Vorbild, weil er ein sehr schwieriges Leben hatte und mit fast nichts anfing, weil seine Familie kein Geld hatte. Dann wurde er Facharzt für Medizin. Er ist toll. Er hat mir wahrscheinlich den Wert von Anstrengung und fleißiger Arbeit vermittelt. Andere Vorbilder, nicht so

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sehr. Ich glaube, ich habe mich wahrscheinlich mit meiner eigenen inneren Energie und Entschlossenheit entwickelt. L.: Ich glaube, meine Eltern haben mich in sehr jungen Jahren zur Verantwortung gezogen, und mir vermittelt, dass ich für mein eigenes Leben verantwortlich bin. Ich lernte, dass ich selber die Einzige bin, die etwas bewirken konnte. Sie haben mich nicht dazu gedrängt, zu studieren, also ich wurde nicht unter Druck gesetzt. Ich bin mir nicht sicher warum und wie, aber ich erinnere mich lebhaft. Wir haben in Paris gewohnt. Mit sechs Jahren ging ich alleine zur Schule, fünfzehn Minuten zu Fuß von der Schule entfernt. In Paris überquert man große Straßen. Mit sechs Jahren war das sehr jung, aber ich denke, es gab mir wirklich das Gefühl, ich sollte… Ich bin sehr autonom und ich denke, dass Verantwortung das richtige Wort ist. M.: Ich weiß also nicht, ob es im Jahr 1975 oder 76 war, dass Frauen in Frankreich ein Bankkonto auf ihren Namen haben durften. Was bedeutet, dass zuvor meine Mutter, die mehr Geld hatte als mein Vater, ihn fragen musste. Als ich das entdeckte, war ich viel älter und fand es unglaublich. Aber die Tatsache, dass ich in meiner Mutter trotzdem eine sehr unabhängige, sehr unabhängige Frau sah, brachte mich wahrscheinlich auf die Idee, dass eine Frau unabhängig war. Gleichzeitig lehrte mich diese Situation und die Stärke der Position des Vaters, dass der Mann wichtiger war als das Mädchen. Es begann mit meiner Generation. Für mich, Bettina, gab es eine echte Revolution. Bettina, ich bin die erste Generation, die die Freiheit der Fortpflanzung hatte. Die Pille war also die Revolution. Ich erinnere mich an meine männlichen Freunde, die Frauen heirateten, weil sie schwanger waren. Ich komme aus einer Generation, in der man nicht mehr heirate, weil man schwanger war. Und wir sind die einzige Generation, die dieses positive Wirtschaftswachstum erlebt hat und viel Arbeit finden konnte. Wir gingen raus, verbrachten eine Nacht mit einem Herrn, wir verabschiedeten uns und am nächsten Tag haben wir unser Leben weitergelebt. Dann gab es AIDS. Danach gab es die Wirtschaftskrise. Wir aber hatten eine fantastische Phase. Ich hatte also das Glück, in dieser Zeit zu leben, und nahm mir die ganze Macht, die ich damals hatte, um mein Leben frei zu wählen. Meine Mutter hat nicht gewählt. Aber meine Generation. Und alle meine Freunde sind verheiratet und ich entschied, dass ich nicht heiraten werde. Ich entschied, dass ich arbeiten werde. Für mich bedeutete zu arbeiten, eine intellektuelle Beziehung zu einem Job zu haben und mich nicht um Kinderwindeln zu kümmern. L.: Ich hatte viele Freunde. Und die Beziehung zu meinen Eltern war sehr gut. Ich glaube, ich war ein ziemlich verantwortungsbewusster Mensch. Wenn ich im Nachhinein das Autonomie-Niveau insbesondere während meiner Grundschulzeit überdenke, im Vergleich zu dem, was meine Kinder heute hier in Paris haben, dann gibt es bei ihnen eine große Lücke. Ich ging ziemlich schnell alleine zur Schule, vielleicht nicht in der ersten Klasse, aber meiner Meinung nach in der zweiten oder dritten und zu meiner Schule waren es vielleicht fünfzehn Minuten von zu Hause zu Fuß. Und ich bin jeden Mittag nach Hause gegangen. Ich habe mit meinem Vater gegessen. Ich bin wieder gegangen. Am Mittwoch hat meine Mutter viel gearbeitet, also war ich alleine zu Hause. Ich habe auf meine vier Jahre jüngere Schwester aufgepasst. Ich hatte immer viel Verantwortung, ich war früh autonom. Es gab also immer ein sehr starkes Vertrauen zwischen meinen Eltern und mir. Meine Eltern haben mir vertraut. Sie wussten, dass ich pünktlich zurückkommen würde, dass ich nicht mit jemand anderem ins Auto steigen würde, zum Beispiel, dass ich nicht rauchte. Ich denke, ich war damals wie eine Außerirdische. Ich denke, es gibt nicht viele junge Leute, die niemals geraucht haben. Ich war sehr sportlich, ich habe Gymnastik gemacht, ich habe auch Orgel gespielt. Ich habe viel trainiert. Ich hatte sechs Stunden pro Woche. Das ist wirklich gut. M.: Es war in der Schule. Ich war in einer Schule namens C. Louise B. und ich glaube, wir waren auf dem dritten Platz im Schulranking. Wir waren wohl 13 oder 14 Jahre alt. Und es gab da eine Frau, die kam, um mit uns über ihre Karriere zu sprechen, die Direktorin für Außenbeziehungen war. Und ich hatte die Vision einer Frau, die gearbeitet hat, die mit Menschen gearbeitet hat, die Leute treffen

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konnte. Also war sie in einer Welt der Beziehungen, eine elegante Welt und das ist wichtig. Ich erinnere mich sehr gut an diese Eleganz, diese Eleganz hat mich geprägt. Sie arbeitete also, sie hatte Beziehungen zu anderen. Sie hatte auch viele Aktivitäten. Es war die Ära der Öffentlichkeitsarbeit, nicht die Ära der Kommunikation. Und sie kam viel raus, sie war wirklich in dieser Welt draußen. Und diese Begegnung blieb für mich prägend. Im Grunde wusste ich es damals nicht. Aber unbewusst denke ich, dass es diese Begegnung war, die Einfluss darauf hatte, dass ich eines Tages diese Art von Arbeit machte. M. C.: Frauen haben damals nicht viel gearbeitet. Sie haben nicht studiert. Meine Mutter hat das Äquivalent vom Bac (Abitur). Dies war bei Frauen damals im Allgemeinen nicht der Fall. Ihr Mann, mein Vater, hatte damals eine Position, die ihn zwang, unsere Region zu verlassen. Sie folgte ihm nicht. Sie setzte ihre Arbeit dort fort, wo sie war. Sie wurde dann von der Direktion der Firma, bei der mein Vater arbeitete gerufen und man sagte ihr: „Aber Madame, Ihr Mann, Sie müssen ihm folgen.“ Und sie sagte: „Aber überhaupt nicht.“ Also, wenn Sie so wollen, war sie wahrscheinlich eine Frau, die frei war. Frei im Vergleich zu dem, was damals die klassische Konzeption eines Ehepaares war. Al.: Ich habe viel davon gelernt, weil er in so vielen verschiedenen Branchen gearbeitet hat. Er hat mir Geschichten darüber erzählt. Das hat meine Gedanken erweitert. Ich bin viel mit meinem Vater unterwegs gewesen. Ich aß jeden Abend mit ihm zu Abend, um die Geschichten zu hören, wie er mit seinen Mitarbeitern die ganze Welt bereiste. Ich liebte die Geschichten über seine Geschäfte und alles, was los war. Das war ziemlich spannend. Meine Mutter? Um es etwas zu sagen, ich glaube, ich habe festgestellt, dass ihr Leben im Vergleich zu meinem Vater extrem langweilig war. Ich fand heraus, dass sie sich selbst geopfert hatte. Sie erzählte uns oft, dass sie sich geopfert hatte für die Familie und dass sie ansonsten hätte großartige Wunder vollbringen können. Und ich bin sicher, dass sie es gekonnt hätte, weil sie eine ziemlich kluge Frau war. Sie beklagte sich immer ein wenig, dass sie nie die Gelegenheit hatte. Also, ich war fest entschlossen, das niemals so zu tun, wie meine Mutter.

Managementkompetenzen der Französinnen Hinsichtlich der eigenen Kompetenzen fällt bei den Französinnen auf, dass abweichend von allen anderen Gruppen der Untersuchung mehrfach allgemeines Kulturverständnis als eine der wichtigsten Kompetenzen genannt wird. Daneben haben die Frauen nach eigenen Angaben starke Expertise im jeweiligen Bereich oder Markt, wie z. B. Fachwissen im Retailbereich, Finanzwissen oder das Verständnis von Kommunikationsmedien und digitaler Kommunikation. Die Französinnen beschreiben sich außerdem sehr stark im analytischen Bereich und weisen auf ein hohes Verständnis von Fakten hin und betonen eine Stärke im methodischen Vorgehen. In diesem Zusammenhang wird, wie an verschiedenen Stellen der Interviews mit den Französinnen, die jeweilige Elite Universität genannt und auf den dort vermittelten methodischen Ansatz verwiesen. Ihre Stärke macht die Kombination von unterschiedlichen Expertisen aus. Interkulturelle Erfahrungen werden im Zusammenhang mit den Auslandsaufenthalten beschrieben, die in dieser Gruppe die USA, Südamerika und Belgien umfassen. Die Beschreibungen deuten auf die Nutzung der Auslandsstationen als Wettbewerbsvorteil hin. Die Entwicklung interkultureller Kompetenz im Sinne von global

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mindset als Karrierestrategie dagegen lässt sich nicht erkennen. Internationale Erfahrung wird als Lerngewinn in Bezug auf die Businessexpertise beschrieben und darüber hinaus eher auf örtliche Mobilität bezogen. Ag.: Nun, es geht nicht darum, nur Ihren Job zu kennen, Sie müssen sich für Kunst, Geschichte, Literatur interessieren. Sie müssen offen sein und über die Vergangenheit wissen, um die Zukunft betrachten zu können. Für mich ist alles, was klassische Kultur in Anführungszeichen ist, wichtig, weil dies die Denkweise prägt. Deshalb ist Sciences Po eine sehr gute Schule, weil sie Ihnen in vielen Bereichen ein breites Allgemeinwissen vermittelt. Also die allgemeine Kultur. Also werde ich hier nicht prahlen, aber ich schreibe sehr gut und ich mag es. Ich bin neugierig im guten Sinne des Wortes. Ich mag es, neue Dinge zu entdecken. Ich bin methodisch. C.: Natürlich müssen Sie die Medien kennen, die heutigen Social Media. Es gibt eine Reihe von Techniken, die sie erwerben müssen. Darüber hinaus ein politisches Verständnis, die Fähigkeit zur Analyse und Synthese. Das habe ich mit Philosophie gelernt. Und dann, wie ich Ihnen sagte, diese Neugierde, diese Energie. Ich denke, ich bin sehr energisch. Ich glaube, als ich diese Position von XY France übernahm, war ich um die 45 Jahre alt. Es gab also Leute, die viel jünger waren als ich. Außerdem war ich jedes Mal immer mit jüngeren Leuten zusammen. E.: Nun, ich habe in Asien gelebt und in den Staaten gelebt. Ich bin wirklich international und es gibt mir einen komparativen Vorteil. Ich spreche nicht einmal davon, eine Frau zu sein. Es ist nicht perfekt. Aber definitiv höher als der Durchschnitt, weil ich sehr gut als Führungskraft mit Menschen bin. Es ist immer noch verbesserungsfähig, aber ich bin am Ende meiner Karriere. Gute Fähigkeit zur Bewertung von Situationen und Strategien, Ausdauer, Entschlossenheit und soziale Fähigkeiten. Ag.: Ich denke, es gibt eine Aufgeschlossenheit und eine sehr wichtige Anpassungsfähigkeit. Mein Job ist in der Tat ein bisschen wie ein Allgemeinmediziner, das heißt, ich muss auf die Menschen hören und transkribieren, ihre Bedürfnisse verstehen und sie begleiten und begleiten mit den verschiedenen Gesprächspartnern, um ihr Leben zu organisieren. Die Gesprächspartner werden der Portfoliomanager sein, der Anwalt, der Notar, der Buchhalter. Und dafür muss man die Menschen lieben, und ich denke, wenn wir in solche Länder gehen (Argentinien), dann, weil wir Menschen in der Regel mögen. Und man muss auch anpassungsfähig, aufgeschlossen und neugierig sein, da man in der Lage sein sollte, über fast alles, was mit Finanzen zu tun hat, zu sprechen, ohne Experte zu sein, wissen Sie. Man muss also viel Neugier haben.

Die Fähigkeit zur Innovation wird bei den Französinnen durch viele Beispiele belegt. Dabei treibt sie der Wille an, bestimmte Dinge im Unternehmen zu verbessern oder zu modernisieren. Die eigene Visionsfähigkeit wird nur in Einzelfällen als Stärke angegeben oder mit der Fähigkeit zur Innovation gleichgesetzt. Damit reihen sich die Französinnen in die Mehrzahl der international befragten Frauen ein. L.: Ich denke, ich sehe, wohin wir gehen müssen. Zum Beispiel war bei XY für mich der Weg, den wir zurückschlagen mussten, in meinem Kopf sehr klar. Die Herausforderung ist dann, wie fange ich die Teams an? Wie mache ich das operativ? Das ist superwichtig, weil es sonst völlig nutzlos ist. Wahrscheinlich ist die Vision, wohin wir gehen sollten, für mich oft sehr klar. Is.: Ich glaube wirklich, ich war Visionärin von vielen, vielen Dingen. Ich habe vor allen Leuten das Problem der Geschlechtervielfalt, das Thema der Internetsicherheit gesehen. Und ich habe Programme erstellt. Und innovativ geht es mit Visionär. Und ich habe Lösungen gefunden. Ich habe viele Dinge im Unternehmen geschaffen, weil ich visionär war und innovativ war. Für mich ist es der gleiche Qualitätsstil. Ich habe den Innovationspreis mit dem juristischen Team gewonnen, weil wir

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immer innovative Dinge getan haben. Ich hatte sehr schnell die Vorstellung, dass wir ein Programm für Geschlechtergleichheit brauchten oder vor die Wand fahren würden. Und ich habe auch früh gesehen, dass es notwendig war, bestimmte neue Vertragsarten des Industriemanagements abzuschließen und einzusetzen. Ich denke, das sind zwei Eigenschaften, die ich wirklich hatte, die meinen Weg markiert haben, denke ich. Al.: Ich weiß nicht, ob ich wirklich die Fähigkeit habe, ein Visionär zu sein. Innovativ, ich weiß es nicht. Vielleicht war es bei XY etwas innovativ. Ich habe gerade mit vielen zusammengearbeitet. Aber vielleicht, visionär ja, weil ich für etwas Besseres kämpfen will und immer weiter gehen möchte, um die Dinge zu verbessern. Ich möchte immer an allen Projekten teilnehmen. Das ist es, ich möchte immer an den Projekten teilnehmen, die dazu beitragen, den Alltag jedes Einzelnen verbessern, das tägliche Leben unserer Kunden.

Persönlichkeitsmerkmale der Französinnen – hohe Karriereorientierung und Motivation Die Französinnen verfügen über eine hohe Karriereorientierung. Die älteren Französinnen sind besonders klar in ihrer Karriereorientierung und ordnen alle anderen Lebensbereiche ihrem beruflichen Ziel unter. Die jüngeren Französinnen hadern mehr, da sie die Doppelbelastung von Karriere und Kinderbetreuung nicht mehr hinnehmen wollen. Ihre Wertehaltung verschiebt sich leicht zugunsten einer besseren Vereinbarung von Beruf und Familie. Das bezieht sich im Kern nicht auf das eigene Ziel aufzusteigen, jedoch ist die Bereitschaft weniger ausgeprägt, sich den Arbeitsnormen, wie zum Beispiel extrem langen Anwesenheitsregeln, undifferenziert unterzuordnen. Die jüngeren Französinnen geraten so in eine Ambivalenz hinsichtlich der Karriereorientierung, die die älteren Frauen für sich selber anders gelöst haben. Alle Frauen sehen Karriere und Aufstieg als Weg, andere zu unterstützen, Fortschritte für Mitarbeitern zu erzielen und Rollenvorbild für andere zu sein. Zu ihrer Karriere Motivation nennen die Französinnen auch folgende Punkte – Unabhängig sein, finanzielle Freiheit – Innere Erfüllung – Weiterentwicklung, Lernen und Neues entdecken – Einfluss haben auf die Gesellschaft, nützlich sein – Mitarbeitern einen Sinn schaffen, Wohlbefinden von Mitarbeitern schaffen, helfen – Anerkennung bekommen, anders leben als Hausfrauenmütter, eignes Ego befriedigen – Etwas aufregendes, interessantes erleben, einen begeisternden Kampf führen S: Es ist persönliche Erfüllung, würde ich sagen, nur das Gefühl, dass ich einige wichtige Dinge in meinem Leben erreicht habe und dass ich selbst Fortschritte gemacht habe. Das ist es. Al.: Es ist sehr feministisch, ich war so wütend zu sehen, dass Frauen wie meine Mutter endeten. Sie hatten keine Chancen, wurden von der Gesellschaft in ihren Mutterrollen nicht anerkannt. Ich ent-

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

schied sehr früh, dass ich das ändern würde. Ich war acht Jahre alt und habe mich darum gekümmert. Ich erinnere mich daran. Ich war entschlossen, sehr, sehr fleißig zu sein und versuchte, die „Glasdecke“, die sie nannten, zu durchbrechen. Eine andere Sache, die ich immer gedacht habe: Wenn ich die Welt verändern will, ist der einzige Weg, sie zu verändern, dort oben zu sein. Niemand wird einer Hausfrau zuhören, die nichts tut. Die Leute werden einem CEO oder jemandem zuhören, der erfolgreich ist. Wenn ich diese Sache mit den Frauen ändern möchte, ist es am besten, so hoch wie möglich zu gehen, da meine Stimme dort stärker ist, um Dinge zu ändern. Es ist fast wie bei einem Aktivisten. Ich benutze das Wort nicht sehr oft, aber es ist eine lebenslange Sache. Ich kann nicht aufhören. Ich möchte mindestens eine Art Vorbild für jedes Mädchen da draußen sein, das sagt: Ist es möglich? Nun, es sieht so aus, als hätte es jemand da draußen geschafft. L.: Ich denke schon sehr lange, irgendwie habe ich immer gedacht, obwohl ich es nicht zugeben würde, dass ich ein Unternehmen leiten wollte. Was sind die Gründe dafür? Ich denke, es ist die Tatsache, dass ich das Gefühl haben muss, dass ich einen positiven Einfluss auf die Welt habe. In der Hoffnung, dass ich, wenn Sie ein Unternehmen leite, einen positiven Einfluss auf die Welt haben kann, ich glaube, dass ich dies kann. Ich denke, es ist die Sache, wie Sie Arbeit geben, wie Sie den Menschen einen Sinn geben, wie Sie Wert schaffen, und indem Sie Wert schaffen, helfen Sie tatsächlich der Wirtschaft und Sie helfen den Mitarbeitern, die für Sie arbeiten. Für mich war das schon in jungen Jahren sehr bedeutend. Die Branche hatte dabei keinerlei Bedeutung. M.: Alles in meinem Leben dreht sich um das Streben nach Unabhängigkeit. Ich machte meinen Führerschein, um unabhängig zu sein, und hatte ein Auto, um nach Hause zu fahren, wenn ich Lust habe. Ich arbeite für Geld, um unabhängig zu sein, um einem Mann sagen zu können: Ich verlasse dich, wenn ich es will, weil ich unabhängig bin. Ich habe ein Jahr lang zwischen zwei Positionen aufgehört zu arbeiten. Und ich habe intellektuell gelitten, ich habe finanziell nicht gelitten. Aber in meinem Kopf war ich dann auf den Mann angewiesen, mit der ich lebte, und es war unmöglich. Es ist also Unabhängigkeit und dann der Wunsch, dass meine Ideen anerkannt werden. Im Grunde war das, was mich am Leben interessierte, nicht Macht als solche, sondern die Macht meinen Ideen Gehör zu verschaffen. Und hätte ich Macht gehabt und niemand hätte meine Ideen akzeptiert, es wäre furchtbar nutzlos für mich gewesen. E.: Motivation? Ego und Wertschätzung außerhalb meiner Familie und Geld, aber das Ego ist das Größte. Ich nenne es Ego, Erfüllung oder was auch immer, aber es ist wirklich alles Ego. Frauen können es nennen wie sie wollen, anderen helfen wollen. All das setze ich unter Ego. L.: Ich glaube, es geht darum, wie man Arbeit schafft für andere, wie man Menschen einen Sinn gibt, wie man Werte schafft und wie man arbeitet. Für mich war das schon sehr früh sehr stark. Die Branche hatte keinerlei Bedeutung. Ich endete in der Luxus-Branche, aber ehrlich gesagt, ich habe früher bei XY (großer US Konzern) gearbeitet, und damals dachte ich, es sei eines der besten Unternehmen der Welt. Eines der Unternehmen, in denen ich wirklich lernen konnte, effektiv zu managen.

Die ausgezählten Schilderungen zu eigenen Stärken konzentrieren sich im Schwerpunkt auf folgende Bereiche der BIP-Dimensionen nach Hossiep, die hier als Struktur verwendet und in der Einleitung näher beschrieben wurden. Dimensionen, die bei den Französinnen herausstechen sind eine hohe Handlungsorientierung, hohe Leistungsmotivation, Kontaktfreudigkeit und ein großes Durchsetzungsvermögen. Daneben kommen der Belastbarkeit und emotionalen Stabilität eine Bedeutung zu. An verschiedenen Stellen beschreiben die Frauen, die eigene Fähigkeit Risiken einzugehen als besonders bedeutsam für ihre Karrierewege. Wie bei allen befragten Frauen

4.5 Individuelle Karrierevoraussetzungen der franz. weibl. Führungskräfte

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sind alle anderen Dimensionen des hier zugrunde gelegten BIP Instrumentariums vertreten, die genannten Bereiche stechen bei den Französinnen heraus. M.C.: Zuallererst habe mich immer für alles begeistert, was ich getan habe. Ich bin eine sehr entschlossene Person. Ich hasse den Ausdruck „Viel Glück“. Es braucht Energie, es braucht viel Energie. Es braucht keinen Mut. Wir befinden uns nicht in Ländern, die sich unter Bomben befinden. Es ist also kein Mut. Ich habe viel Energie, also viel Entschlossenheit, viel Energie. Natürlich arbeite ich viel. Ich habe eine sehr gute Gesundheit, sodass ich viel arbeiten kann. Ich habe mein persönliches Gleichgewicht, sodass ich, während ich viel arbeite, den Moment schätzen kann, der ein Moment des Glücks, des Vergnügens oder was auch immer ist. Und dann habe ich immer zu mir selbst gesagt, wenn ich eine neue Herausforderung angenommen hatte: Unweigerlich wird es funktionieren! Ich habe mir immer viele Fragen gestellt. Ich denke, es ist gesund, Fragen zu stellen und die Demut zu haben, zu wissen, was wir nicht wissen. Aber zur gleichen Zeit, wenn ich hinterfrage, denke ich, dass es keinen Grund gibt, warum ich es nicht können sollte. Siehst du? Ich führte einen internen Dialog mit allen Elementen, die beachtet werden sollten und sagte mir dann doch immer, dass es funktionieren wird. C.: Wir müssen diese Offenheit, diese Aufgeschlossenheit, diese Anpassungsfähigkeit, diese Risikobereitschaft haben, welches nach meiner Meinung die Qualitäten sind, die heute für eine Führungskraft im Unternehmen unverzichtbar sind, weil sich die Welt viel bewegt, sich sehr schnelle verändert. Und eine Führungskraft muss sich unbedingt jedes Mal an diese neue Welt anpassen und auch vorhersehen. Und tatsächlich können wir nur voraussehen, wenn wir den Mut haben, auch an Hindernissen vorbeizukommen und uns sich jedes Mal letztendlich an diesen neuen Abenteuern zu freuen, auch wenn sie manchmal schwierig sind. L.: Ich denke, es ist wichtig, mit der richtigen Einstellung Teams aufzubauen. Eine weitere Stärke von mir, effektive Teams mit hoher Leistung zu schaffen. Erstens, weil ich überzeugt bin, dass ich gut in meinen Teams bin. Ich möchte, dass die besten Leute für mich arbeiten. Wenn ich das Beste habe, muss ich sie motivieren. Ich muss sicherstellen, dass ihnen das gefällt, was sie tun, und dass sie etwas Freiheit haben können und dass sie Ideen haben und innovativ sein können. Ich delegiere sehr leicht, solange ich meinen Teammitgliedern vertraue. Ich gebe ihnen viel Raum, um zu wachsen und sich zu entwickeln. S.: Für diesen Job haben sie mir gesagt, dass es wirklich auf Persönlichkeit ankommt. Weil ich eine sehr entschlossene Persönlichkeit habe, lasse ich nichts im Stich, fürchte mich nicht vor Hindernissen und Schwierigkeiten. Deshalb haben sie mich angeheuert. Weil ich im Wettbewerb mit anderen Leuten stand, die bereits Geschäftsführer waren und über mehr Fähigkeiten oder technische Fähigkeiten verfügten als ich. Das haben sie mir gesagt. Früher habe ich mich eher auf meine Erfahrungen verlassen. All diese sehr guten Unternehmen im Lebenslauf, das ist sehr beruhigend für die Entscheider. Ich denke, das war es- viel Energie, Begeisterung, Tatendrang, Weitblick und Sorge um die Menschen, Ethik. D.: Ausdauer, die Hoffnung und der Wille, sind die Säulen, möchte ich sagen, plus ein sehr positives und förderndes persönliches Umfeld, was bedeutet, keine großen gesundheitlichen Bedenken für mich oder meine Familie und einen Mann, der in der Regel begleitet, hilft und beiträgt. Ac.: Ich denke, der internationale Vorteil ist definitiv ein großer. Dann, auf der Kompetenzseite, denke ich, dass ich extrem motiviert bin „driven“. Ein bisschen was von einem Unternehmer. Ich bin ziemlich gut mit Risiko. Das geht normalerweise gut, wenn Menschen expandieren oder Geschäfte entwickeln wollen. Sie wollen Menschen, die keine Angst davor haben, Risiken einzugehen. Wahrscheinlich würde ich sagen, das sind die Hauptgründe. In Bezug auf die Stärken denke ich, dass dies einige davon sind.

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

C.: Schau, ich denke, es ist eine Mischung. Es ist offensichtlich eine sehr starke Fähigkeit, viel Arbeit, weil beides Frauen waren, die viel gearbeitet haben. Sehr kompetent. Aber darüber hinaus hatten sie vielleicht diese Energie, diesen Ehrgeiz. Es sind Katie Kot und Françoise Gri, die sehr unterschiedliche Frauen sind. Und Katie Kot machte ihre ganze Karriere in der Personalabteilung und wurde dann Präsidentin. Und dann nahm sie ihre Personalarbeit in einem anderen Unternehmen wieder auf. Françoise Gri hat eher eine kommerziellere Karriere. Und danach wurde sie Präsidentin von M. Ich würde sagen, dass sie auch viel Einfühlungsvermögen hatten. Und die eine wie die andere ist charismatisch. Und ich denke, das macht vielleicht auch den Unterschied. Es gibt natürlich charismatische Männer. Aber wenn eine Frau dieses Niveau erreicht, ist es besonders. Es ist nicht nur die Fähigkeit. Kompetenz ist natürlich wichtig, aber nicht genug. Sie muss andere Eigenschaften haben. Angesichts der Tatsache, dass es sich in diesen sehr dominanten männlichen Umgebungen zusätzlich um Frauen handelt, die auch wussten, wie man diese Umgebung dominiert, die sich selbst durchsetzen und viel Überzeugungskraft haben, viel Charakter.

Über ihren Führungsstil berichten vor allem die französischen Frauen, die einige Zeit in Übersee gearbeitet haben. Dabei steht der Aspekt der Kommunikation für die Frauen im Mittelpunkt. Kommunikationsstärke als Überzeugungsmittel von Mitarbeitern ist ihr Pluspunkt. Charismatische Führungskräfte werden als Orientierungsmodelle benannt. Darüber hinaus ist der Führungsstil transformational, nach Möglichkeit alle Mitarbeiter einbindend. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter, ausgedrückt in niedrigen Kündigungsraten, ist die eigene Benchmark. Ac.: Ich verfechte eine zusammenwirkende Führung. Ich bin wirklich jemand, der daran glaubt, dass wir es nur zusammen schaffen. Ich habe versucht, Teams aufzubauen- meine Kündigungsraten in meinen Teams sind immer extrem niedrig. In XY habe ich einen Verlust von weniger als drei bei Teams, die extrem breit sind. Ich habe Glück, wenn ich gute Leute habe, ich tue alles, um sie zu behalten. Bei AB war unsere Abwanderung fast null. Wir haben die gleichen Leute jahrelang behalten, was unglaublich war. Ich denke, das ist etwas, was sehr viel mit mir zu tun hatte. Mit zunehmendem Alter konzentriere ich mich immer mehr auf dieses Stück, auf diese zusammenwirkende Führung. L.: Ich weiß nicht, ob ich Charisma habe. Ich bewundere das, weil ich denke, es ist ein guter Weg, um … Ich denke, es ist wichtig für eine Führungskraft. Ein Schlüsselelement für die Effektivität ist, wie Sie Teams einbinden, damit sie Ihnen folgen und tolle Leistungen bringen. Ich beobachte Menschen mit starkem Charisma – was meines Erachtens auch mit der Fähigkeit verbunden ist, warmherzig zu sein und vielleicht Empathie zu haben. Ich bin sehr an Menschen interessiert, aber ich weiß, dass es noch nicht wirklich Charisma ist, wenn Leute mich treffen. Es ist etwas, woran ich arbeiten muss.

Französinnen sind konfliktstark und positiv im Wettbewerb Die Französinnen beschreiben sich als konfliktstark, ohne Angst vor Konflikten. Sie gehen den Konflikt direkt an und schildern, wie sie im Umgang mit Konfliktlösungen gereift sind. Kompromiss als Lösungsstrategie im Konflikt, so die französischen Topmanagerinnen, ist in Frankreich eher negativ belegt. Es geht also primär, darum sich im Konflikt durchzusetzen und als Gewinnerin hervorzugehen. Sie sind im Konflikt Kämpferinnen, die sich nicht scheuen, die Dinge direkt zu benennen. In

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diesem Punkt kommt auch die Durchsetzungsfähigkeit der französischen Frauen zum Ausdruck, die auf dem Ausfechten von Situationen beruht. Sie reflektieren auch die Nachteile dieses Vorgehens und beschreiben, wie sie im Laufe der Jahre gelernt haben, auch andere Konfliktstrategien anzuwenden. Die ausgeprägte Kampfeslust der Französinnen im Konfliktfall ist in dieser Untersuchung ein Differenzierungsmerkmal zu den Frauen der anderen Länder. D.: Ich bin frontal, ich gehe direkt hinein, ich bin ein Pitbull. Ich habe keine Angst, es gibt keinen Filter zwischen dem, was ich denke und dem, was ich sage … und vielleicht die Tendenz, zu schnell zu gehen und nicht genug Zeit in Anspruch zu nehmen, nicht genug Zuhören und Kompromisse. Ag.: Wenn ich kämpfen muss, bin ich niedergeschlagen, und wenn ich gekämpft habe, ist es gegen Männer und nicht gegen Frauen. Aber das ist, weil Männer mehr Territorium haben wollen, die Firma und ihr Territorium sind verbunden. Ich versuche nicht mein Territorium zu erweitern, aber wenn man in meines vordringt, dann mag ich das gar nicht. Dann verteidige ich es und hier bin ich zu allem bereit … Alles … ich kämpfe um mein Territorium zu halten. C.: Konflikte? Nun, hören Sie zu, die Reife hat mir erlaubt, angesichts von Konflikten viel selbstbewusster zu sein. Es ist wahr, dass ich konsequent stur und sehr hartnäckig bin und Konflikte erzeugen konnte. Manchmal ist es nützlich, weil man manchmal den „Abszess graben muss“, wie man bei uns sagt. Deshalb ist es sinnvoll, Dinge auf den Tisch zu legen und zu sagen: Hier stimmen wir nicht überein. Und warum stimmen wir nicht überein? Ich denke, der Konflikt ist nicht negativ. Manchmal ist es unvermeidlich. Auf der anderen Seite muss man wissen, wie man mit Konflikten umgeht. Und immer mit einer Lösung aus dem Konflikt raus, auch wenn es ein Kompromiss ist. Aber das ist etwas, was ich gelernt habe, und das wird dich interessieren. Als der Gründer von XY (Chinese) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu uns nach Frankreich kam. Ich hatte das Glück, mit ihm zusammenzuarbeiten, und er sagte immer, vor allem bei einer Akquisition muss es Vertrauen geben, also Vertrauen und Kompromisse. Der Begriff Kompromiss ist auf Französisch nicht sehr positiv. Aber er sagte: „Wenn wir keine Kompromisse eingehen, bewegen wir uns nicht vorwärts.“ L.: Ich habe kein Problem mit Konflikten an sich. Ich denke, es hängt von der Art des Konflikts ab. Es gibt Konflikte, bei denen Überzeugungen ausgetauscht und geteilt werden. Dann kann es zu mehr politischen Konflikten kommen. Die finde ich schwieriger. Ich denke, das ist eine meiner klaren Schwächen, bei politischen Spielen. Was wiederum meiner Meinung nach in jeder Organisation inhärent. Irgendwann möchten Sie an die Spitze gelangen, dann müssen Sie verstehen und lernen, sie zu spielen. Ich denke, wenn man die Regel des Spiels lernt, aber nicht spielt, dann wird man nie im Spiel bleiben. M.: Dann gibt es das, was ich als Akzeptanzniveau bezeichne. Es gibt eine bestimmte Stufe, und diese Stufe ist für Sie oder für mich nicht gleich. Was ist also wichtig, sein eigenes Niveau zu verstehen. Ich kann viele Dinge unterstützen, bis dieses Niveau erreicht ist. Aber darüber hinaus ist es für mich nicht akzeptabel. Sie müssen also verstehen, wo sich diese Ebene befindet. Bis dahin kann es Kompromisse geben. Wenn Sie aber diese Stufe erreichen, müssen Sie reagieren. Und eines Tages hatte ich eine Auseinandersetzung, einen Kampf. Ich war beim Vorstand von XY. Es waren acht Männer und ich stellte die neue Kommunikationskampagne vor. Das Team hatte viel daran gearbeitet. Und einer der Jungs beschloss plötzlich, über ein Problem zu sprechen. Also war ich zuerst irritiert. Der Typ wollte mir sagen, dass ich etwas getan habe, was ich nicht getan habe. Und am Ende sagte er mir, dass ich eine Lügnerin sei. Er sagte vor allen: „Sie haben das getan, Sie haben das gesagt.“ Ich habe nein gesagt! Und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich hätte antworten sollen: „Dies ist nicht das Thema, wir werden später darüber sprechen.“ Ich trat in die Diskussion ein, bis mein Limit erreicht war. Ich habe die Tür genommen. Ich bin gegangen. Und am Abend bat

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

der Präsident diesen Mann, zu kommen und sich bei mir zu entschuldigen. Ich hatte also Glück, da der Präsident meinte, ich hätte recht. Aber das hätte ich nicht tun sollen. Und diese Situation hat mich total destabilisiert. Danach fing ich an, zu lernen, wie ich reagieren sollte. Aber hier hatten wir mein Akzeptanzniveau erreicht. Und ich habe es gut gemacht. Die Person kam, um sich zu entschuldigen.

Die französischen weiblichen Führungskräfte stehen in der Mehrzahl positiv zum Wettbewerb. Sie bevorzugen faire Wettbewerbssituationen und wollen den Wettbewerb mit anderen positiv für ihre Teams nutzen. Die Französinnen zeigen hier Stärken, die sie bereits früh in ihrer schulischen und universitären Laufbahn vermittelt bekommen haben. Dazu gehört, dass man hohe Leistungen anstrebt, um sich aus in einer Gemeinschaft als Beste hervorzutun. Erfolgsorientierter Wettbewerb und Konflikthaltung vermischen sich. Die Frauen nutzen diese Fähigkeiten im beruflichen Rahmen und begegnen Übergriffe von männlichen Kollegen mit einer kämpferischen Haltung. Von einigen wird in diesem Zusammenhang auf die Rivalität von Frauen untereinander verwiesen, die sie selber ablehnen, die aber in den französischen Interviews bei 80 Prozent der Befragten thematisiert wurde. Dazu wird auf die späteren Schilderungen verwiesen. Is.: Ich glaube, ich hatte schon immer einen sehr kompetitiven Verstand. Und vor allem Wettbewerb mit mir selber. Als ich mein Abitur bestanden hatte, fand ich meinen Namen nicht auf der Liste, da ich in der Rangliste nicht hoch genug war. Und als ich meinen Master machte, in einer der besten juristischen Fakultät Frankreichs, dachte ich: „Das ist nicht möglich, ich habe es nicht geschafft.“ Und tatsächlich habe ich mit sehr gut abgeschlossen. Ich habe immer sehr mit mir selbst konkurriert. Wenn ich also mit anderen in der Branche konkurriere, bin ich eigentlich ziemlich konkurrenzfähig im Namen des Teams. Im Moment gibt es ein bisschen Rivalität mit einigen, weil sie vor mir kamen, also ich markiere das Territorium meines Bereiches. Für das Team. Um es zu veranschaulichen, alle zwei Jahre gibt es ein Management-Meeting in der Schweiz. Es gab ein Spiel. Wir waren auf einem Boot am Genfer See und es waren zehn Montblanc Stifte zu gewinnen. Und ich sagte dem Team am Tisch: „Wir werden gewinnen. Ich bin absolut entschlossen.“ Und wir hielten uns ′ran. Ich verteilte die Aufgaben auf das gesamte Team. Ich ging zum Kapitän des Bootes, während die anderen Fragen stellen. Und tatsächlich haben wir die Stifte gewonnen. Weil ich sehr entschlossen war, weil ich einen Wettbewerbsgeist habe. Aber ich habe nicht die Idee, andere zu vernichten. Es ist eher die Idee, dass das ganze Team gewinnen soll. Ich mag es, wenn es eine Herausforderung gibt, die Herausforderung anzunehmen. C.: Ja, ich gewinne gerne, ich mag es, Erfolg zu haben. Es ist nicht das Gleiche, wie zu gewinnen. Nicht gewinnen gegen jemanden. Ich habe in diesem Sinne überhaupt keinen Wettbewerbsgeist. Für mich ist das tatsächlich negativ. Im Gegenteil, ich habe wirklich einen Wert, gemeinsam zu gewinnen. Gleichzeitig gelingt es mir, Erfolg zu haben. Ich mag es zu gewinnen in diesem Sinne. Gemeinsam gewinnen.

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4.6 Karrierefördernde Faktoren Die Beherrschung französischer Businesscodes ist für die Topmanagerinnen Voraussetzung für den Erfolg. Zwar stehen die Codes im Wandel der Generationen und doch ist ihre Wichtigkeit weiterhin unumstritten. Erfolgreiche Frauen verknüpfen die richtigen Netzwerke und Mentoren mit ihrem Karriereweg und nutzen Executive Coaching zur Überwindung von Barrieren.

Beherrschung der spezifischen französischen Business Codes Diese Codes gelten für verschiedenen Ebenen. Es werden Sprachcodes, Bildungscodes, Verhaltenscodes und Dresscodes genannt. Die Beherrschung dieser sehr landestypischen Codes ist bis heute in Frankreich für einen Aufstieg in hohe Positionen unerlässlich. Waren die Codes früher eindeutig, so sind sie heute subtiler, aber immer gegenwärtig. Zwar gibt es einen Wandel von rein männlich geprägten Codes hin zu mehr Freiheiten für Frauen in Bezug auf die Wahl des Kleidungsstiles und den Führungsstil, jedoch ist die bewusste Auseinandersetzung damit, wie man die Codes für sich nutzt, unumgänglich. Jüngere Generationen befolgen die traditionellen Codes nicht mehr so eindeutig und es ergibt sich eine neue Art der Codes. Die Beherrschung der traditionellen Codes ist jedoch weiterhin sehr wichtig für einen Aufstieg im Management sowie in der Politik. Beide Bereiche sind in Frankreich miteinander verwoben. Ein großer Bestandteil der Codes macht die Sprachfertigkeit aus. Abhängig davon, welches Sprachniveau man auf Französisch verwenden kann, wird man vom Gegenüber in eine soziale Gruppierung eingeordnet. Eine akademisch gebildete Sprache ermöglicht die Zugehörigkeit zu Machtkreisen in Frankreich. Eine sehr gute Körperhaltung und die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Spiegelbild, sind die weiteren wichtigen Faktoren. Vor allem im ersten Kontakt wird man demnach direkt als potenzielle gehobene Führungskraft identifiziert oder eben nicht. Für Frauen bekommen die Codes eine besondere Relevanz, da es ihnen heute darum geht, sich von männlichen Codes abzugrenzen, wobei diese jedoch weiterhin die Norm für gesellschaftliches Machtempfinden darstellen. Französische Frauen wählen daher ihre Kleidung unter besonderen Gesichtspunkten aus. Sie werden von ihrem Umfeld zuerst über Äußerlichkeiten und den Kleidungsstil beurteilt. Es ist die Zuordnung zu einer bestimmten sozialen Klasse, die durch die Codes vorgenommen wird. Diese Zuordnung erfolgt unabhängig vom Unternehmen und auch der Position im Unternehmen. Die Codes spielen in einem gesellschaftlich übergeordneten Rahmen weiterhin eine sensible Rolle. Es ist anzunehmen, dass die Eignung für gehobene Führungspositionen eng mit der Beherrschung der Codes verwoben ist, wobei das Netz durchlässiger wird. Die jüngeren Frauen in der Befragung berichten weniger über diesen Punkt und unterscheiden sich teilweise deutlich von den Frauen Ende fünfzig. Es wird quasi auch in diesem Bereich ein Generati-

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onswechsel bei den Frauen vollzogen. Die Schulcodes, die Zuordnung zu Elitegruppierungen, halten sich in den Machtkreisen Frankreichs jedoch weiterhin. Die französische Gruppe unterscheidet sich in diesen Beschreibungen deutlich von den anderen befragten Frauen. M.: Ich denke also, Codes, Codes in Frankreich sind sehr wichtig. Sie sind umso wichtiger, als sie sich mit der kommenden Gesellschaft entwickelt haben, und sie sind weniger sichtbar und diskreter und daher schwieriger zu analysieren. Nun, eine Frau, die Macht hat, muss Kleidung haben, die der Macht entspricht. Sie wird entweder ein Kleid auswählen, das eine Marke ist oder Schuhe, oder die Tasche wird eine Marke sein. Nicht unbedingt alle drei. Sie kann etwas von Zara und von Yves Saint Laurent kaufen. Aber sie muss etwas von Saint Laurent haben. Frauen, die an einem bestimmten Posten ankommen, erkennen, dass die Erscheinung sehr wichtig ist. Manche erkennen das mit 30 andere erst mit 50. Einige sagten in der Presse: Ich wurde CEO und mir wurde klar, dass meine Kleidung wichtig war, weil ich jetzt analysiert werde. Wenn Sie eines der Bücher von Marlene Sciappa, der Ministerin für Frauenrechte, lesen, hat sie ein ganzes Kapitel zur Analyse von Medienartikeln, der Presse, ihrer Ohrringe, ihrer Haare und ihrer Kleidung verwendet. Christine Lagarde ist für mich der Prototyp der Frau der französischen Macht. Warum? Weil sie sehr hohe Positionen erreicht hat und sich ihre Eleganz bewahrt hat. Christine Lagarde trägt Schmuck, hat farbige Kleidung, kleidet sich entsprechend des Ortes und Anlasses. Sie mag das. Christine Lagarde, hatte beim Weltfrauenforum eine Jacke und eine Lederhose an. Und wenn sie die Großen dieser Welt besucht, hat sie Schneider. Sie trägt Schmuck, sie ist geschminkt. Und das ist für mich der Prototyp der Französin. Das heißt, ich bin an der Macht und ich mag das, es ist wichtig. Und die Schwierigkeit für Frauen ist es heute, ihr Aussehen zu finden. Die Erscheinung, die für die Einzelne richtig ist. Für Ihren Körper. Sie müssen das Kleidungsstück finden, das zu Ihnen passt. Und zusätzlich ein Kleidungsstück zu finden, das zu Ihrem Beruf passt. Ich sehe, dass wir entweder schüchtern sind und uns an die Regeln halten und einen Anzug tragen, grau oder schwarz, oder wir wollen das Gegenteil und wir werden etwas zu sexy. Und hier werden wir abgewertet. Wenn Sie zu sexy sind, werden Sie für dumm gehalten. Wir müssen die Mitte finden. M.C.: Codes, ja, ich denke, es gab die Zeit, als Frauen in Frankreich und ich denke, es war nicht nur in Frankreich, die männlichen Codes genutzt haben, um Erfolg zu haben. Also dachten sie, um erfolgreich zu sein, müsste man es wie Männer tun und so sein wie ein Mann. Und so kleideten sie sich wie Männer in grauen und schwarzen Farben und so weiter. Es waren Verhaltensweisen, die sie mit männlichen Verhaltensweisen in Verbindung brachten, also hart zu sein. Sie versuchten, männliche Codes, männliche Verhaltensweisen, anzunehmen. Nun, vielleicht war es damals der einzige Weg, ich weiß es nicht. Ich bin der Überzeugung, dass man sein sollte, wie man ist. Ich bin also immer in hellen Farben gekleidet. Ich trage Glitzer. Außerdem hat es mir nie Probleme gemacht, eine Frau zu sein. Ich bin voll und ganz Frau. Ich spiele es nicht. Ich schätze es aber nicht, diese Art von Charme zu nutzen, überhaupt nicht. Ich bin eine Frau mit allem, was da ist. Ich gehe davon aus, dass es gut ist, Frau zu sein. Und ich habe nie versucht, in meiner Art zu sein wie Männer. Sie sehen also, das Problem mit dem Code. Im ersten Kontakt wird man bewertet, alles wird bewertet, die Statur, die generelle Ausstrahlung, wie man schaut, wie man die Hand gibt. Erst später kommt das wahre Ich zu Geltung. Is.: Ich war immer sehr empfindlich, nicht zuzunehmen. Es ist sehr wichtig für mich, in Form zu sein. Ich war schon immer sehr weiblich. Ich trage jeden Tag Gloss. Ich achte darauf, einen Chic zu haben. Ich will bei der Arbeit natürlich nicht wie Cinderella aussehen. Als ich an der Wall Street war, trug ich jeden Tag Hosen. Ich war in Anzügen, Hemd. Ich passe auf. Ich sollte äußerlich das Unternehmen repräsentieren. Ich habe gerne die richtigen Schuhe in der richtigen Farbe und die richtige Tasche. Im Sommer habe ich systematisch die Fußnägel immer lackiert. Das ist mir sehr wichtig. Ich mag keinen männlichen Look. Meine Tochter hat es übernommen von mir. Ja, eine Frau in Frankreich muss, wenn

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sie eine bestimmte Position innehat, haben, was wir bei uns „ tirée à quatres épingles “ (die vier Nadel ziehen) nennen. Und wenn ich zu Kunden gehe und bin nicht gut gekleidet, dann war ich auch nicht gut und dann denke ich, verdammt, was habe ich da gemacht? Ich denke, das Image, was wir projizieren ist wichtig. Und, dass wir gleichzeitig die französische Gesellschaft vertreten müssen, in der es immer noch Geschmack gibt, Mode, schick. Es war mir immer wichtig. Und ich denke, das zählte für meine Tochter, die sehr weiblich ist und mit Schmuck arbeitet, und ich denke, dass sie ein solches Bild projiziert. Und ich hatte eine sehr elegante Großmutter. Meine Mutter war älter und weniger bestückt als meine Großmütter. Für mich war das Image meiner Großmutter ein Vorbild. Und ich empfehle jungen Frauen, die in die Gesellschaft gehen, wenn sie repräsentative Rollen haben, klug zu sein. Vor allem in Frankreich, wo Mode und Geschmack wichtig sind. L.: Es sind insbesondere die Codes der großen Schulen in Frankreich mit der ENA, der National School of Administration, der Polytechnic, den großen Schulen. Auch wenn die Menschen in sozialer Hinsicht eher bescheiden sind. Ich denke, es gibt Sprachcodes, ich denke, es gibt Bildungscodes und Schulcodes. Es ist wahr. Ich glaube jedoch, dass es in der heutigen Geschäftswelt eher der Schulcode ist, als der Code guter Familien.

Mentoring, Networking und Coaching als Support für den Aufstieg in Frankreich Aufgrund der Barrieren für Frauen im Management gilt Mentoring als ein essenzieller Faktor für die Karriereentwicklung speziell von Frauen. Wissenschaftler, die sich mit der Frage von Gender Unterschieden bezogen auf Mentoring beschäftigen, weisen in diesem Zusammenhang auf Gender Diskriminierungen, männliche Hierarchien und fehlende informelle Netzwerke, welche Frauen in ihren Karrieren unterstützen. Bei den Schilderungen der Französinnen zu Mentoring und Networking sind die Nennungen ausführlich. Die Frauen haben verschiedene Erfahrungen mit Mentoring und auch Sponsoren, die ihre Wege begleitet haben. Mentoren kommen aus den einflussreichen französischen Universitätsbünden und helfen bei der Stellensuche vor allem am Anfang der Karriere. Networking und Mentoring vermischt sich hier zu einem Kreislauf. Mentoren findet man im Netzwerk der Eliteschulen und sie verhelfen den Frauen in Positionen, die wiederum aus den Netzwerken kommen. Der Effekt von Mentoring bei den Französinnen ergibt sich eher im Bereich Karriere Support als im Bereich der psychologischen Unterstützung durch den Mentor. Die Mentoren bieten Zugang zu Netzwerken oder raten bei Wechsel- oder Wahlentscheidungen. Ein Problem, was bereits bei den Chinesinnen geschildert wurde, könnte der Chef als Mentor werden, zum Beispiel bei Personalwechseln. Ist der eigene Weg zu sehr mit der Person eines bestimmten Mentors verbunden, kann dieses enge Band zum Nachteil werden, sobald der Mentor das Unternehmen wechselt. Ac.: Ja, ich hatte einen Mentor. Er war ein Alumnus von HEC. Ich war sehr, sehr glücklich, ihn vor ungefähr 17 Jahren zu treffen. Ich war sehr, sehr glücklich. Er war schon immer dort, ich habe ihn vor einer Woche in Hongkong gesehen, er hat immer sehr in mich investiert. Er gibt mir Ratschläge, er hat Arbeit für gefunden oder durch sein Netzwerk konnte ich mich mit Menschen verbinden. Er hat immer einen sehr guten Rat.

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Ag.: Ich hatte einen, direkt nach Sciences Po. Ich dachte über Politik nach und dachte darüber nach, die ENA zu besuchen. Kennen Sie ENA? Er sagte zu mir: Tu das nicht, geh in ein Unternehmen, es wird besser für dich sein, du wirst mehr Spaß haben und ich folgte seinem Rat. Es war also wichtig, weil es meine Karriere verändert hat. Und danach mein Präsident bei XY, der war extrem intelligent und hat viel mit mir geteilt. Und er hat mir wirklich geholfen, mich weiterzuentwickeln. Is.: Wenn man wählen könnte, wäre es gut, einen viel älteren Mentor zu haben, der Ihr Sponsor und Ihr Mentor sein wird und, um Ihnen beim Navigieren dabei zu helfen, eine Art Schutz innerhalb des Unternehmens zu haben. Das hatte ich nie. Ich habe es alleine gemacht, aber wenn ich jemanden gehabt hätte, der mich etwas in der Obhut gehabt hätte, denke ich, dass mir das sehr geholfen hätte. D.: Frauen und Männer als Mentoren, es funktioniert sehr gut. Es ist in den Unternehmen einer der Schlüssel. Es besteht Bedarf an Mentoring-Programmen. Sie haben den Effekt auf den Mentee, was wirklich ein Entwicklungseffekt ist. Und sie haben einen sehr starken umgekehrten Effekt. Unsere Mentoren sind insbesondere die Comex-Mentoren (Executive Team), die über 50 Jahre alt sind und nie mit weiblichen Talenten oder anderen Nationalitäten konfrontiert waren. Es gibt viele, die Momente der Erleuchtung hatten und sie sagten: „Aber es ist unglaublich! Es wird die Art und Weise ändern, wie ich meine Karriere und mein Privatleben sehe“. Sie haben wirklich viel von den Mentees gelernt, daher ist auch der umgekehrte Effekt sehr stark. Es ist wirklich hilfreich, wenn es gut aufgestellt ist, gut gemacht ist. M.: Es stellt sich heraus, dass der Präsident, mit dem ich gearbeitet habe, in den Ruhestand ging. In vielen Unternehmen sind die Direktoren der Kommunikation nahe an dem Präsidenten. Es gab einen neuen Präsidenten. Und alle meine Qualitäten, die dem ersten Präsidenten entsprachen, stimmten dem zweiten nicht zu. Ich habe vergessen etwas Wichtiges zu erzählen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt nahm ich zusätzlich zu meiner Position als Leitung der weltweiten Kommunikation einen weiteren Job an, nämlich Diversity. Ok, was geschah, war, dass der ehemalige Präsident meine Arbeit schätzte, meine Sichtbarkeit schätzte und mich dazu ermutigte, sichtbar zu sein und über das Unternehmen auch zu diesem Thema zu sprechen. Dem Neuen hat es nicht gefallen. Wir hatten einen Anführer und wir bekamen einen Buchhalter. Sie hatten nicht die gleichen Reaktionen.

Netzwerken ist in Frankreich für die Karriere im Management unerlässlich. Kommt man von außerhalb nach Frankreich, hört man schnell den Rat, dass man, um sich beruflich zu etablieren, von jemanden in „die richtigen Netzwerke“ eingeführt werden muss. Der Zugang zu bestimmten Netzwerken und Machtkreisen ist also für die Laufbahn in Frankreich extrem wichtig. Netzwerken bezeichnet definitionsgemäß das sich Verbünden mit anderen relevanten Personen innerhalb und außerhalb einer Organisation. Es umfasst unterschiedliche Taktiken der Verbündung und Koalitionsbildung zum Zweck der persönlichen Zielerreichung. Der Karriereerfolg von Frauen hängt mit der Bereitschaft zusammen, die ohnehin knappe Zeit in diesen Bereich zu investieren. Er hängt auch von einer geschickten Nutzung von Netzwerken und den sich daraus ergebenden Kontakten ab. Dabei sind reine zu diesem Zweck organisierte Netzwerkveranstaltungen aus Sicht der französischen Frauen weniger erfolgreich als etablierte Netzwerke der französischen Eliteuniversitäten, bestimmter großer Konzerne, privater Kreise oder anderer Wirtschaftsverbindungen. Die Vermischung privater Netzwerke mit beruflichen Interessen ist etwas, was die Französinnen bisher weiterhin stärker bei Männern beobachten, die diese Strategie in Frankreich sehr erfolgreich anwenden.

4.6 Karrierefördernde Faktoren

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Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass bestimmte Netzwerke weiterhin nur bestimmten Zielkreisen zugänglich sind und für Außenstehende nur schwer zu erreichen sind. Französische Männer setzen Networking als eine mikropolitische Machttaktik ein, mit der sie strategisch planvoll versuchen das Beziehungsnetzwerk, welches sie umgibt, zur Verwirklichung eigener Interessen zu gestalten und zu nutzen. Frauen in Managementpositionen haben hier im Vergleich Aufholbedarf. Frauen in Frankreich, die verstanden haben, dass sie einen Teil ihrer Priorität und Zeit hier investieren, haben große Vorteile. Die Mehrheit der interviewten Frauen verfügt über gefestigte Netzwerkstrukturen und aktiviert das eigene Netzwerk vor allem bei Wechselentscheidungen. Unabhängig von der eigenen Karriereplanung engagieren die Französinnen sich in Netzwerken, die andere Frauen fördern wollen. In Frankreich gibt es an die 500 Netzwerke für Frauen, davon fast 300 mit beruflichem Bezug. E.: Frauen haben einfach keine Zeit hier. Sie laufen zu ihren Kindern oder ihrer Familie. Sie lassen das einfach aus, wenn sie Kinder haben. Deshalb werden sie bestraft, haben Nachteile. Ich mache es trotz der Kinder. Frauen sind beim Networking okay, nicht großartig, aber okay. Keine Frau hat vom Networking wirklich etwas. Wenn die Leute auf der Suche nach Board-Leuten sind, nehmen sie ihre Freunde, gute Freunde und davon haben sie viele. Oder sie gehen zum Headhunter und der hat wieder viele Freunde. Sie schauen nicht mal den CV an. Das liegt daran, dass es in Frankreich kein sehr rationaler Prozess ist. Es geht immer noch um Leute, die man kennt, um Freunde und solche Sachen. Sie werden nicht in das zufällige Netzwerk von Frauen gehen und für Board Positionen suchen. Siehst du was ich meine? S.: Es hängt von den Schulen ab. Mein Mann war HEC, bei der führenden Business School in Frankreich. Das Netzwerk ist leistungsfähiger als das ESSEC-Netzwerk, denn bei ESSEC sind die Menschen ziemlich individualistisch, nicht so sehr in solidarisch. In diesen Dingen benutze ich mein ESSEC-Netzwerk nicht so sehr, um ganz ehrlich zu sein. Die Alumni von XY (US Unternehmen) sind ein sehr starkes und sehr enges Netzwerk, vor allem, weil sie auf dieselbe Art und Weise trainiert wurden. Mein Netzwerk sind die Menschen, mit denen ich arbeite, die Leute, die ich in Konferenzen oder in andere Berufsgruppen treffe. M.: Nun, nicht viel. Ich hatte schon immer viele internationale Netzwerke und viele Freunde und mir wurde sehr spät klar, dass dieses persönliche Netzwerk für eine Karriere notwendig ist. Aber ich wollte die beiden nicht mischen. Und Männer mischen beide absolut. Und das habe ich nicht verstanden. Ich hatte mein Familienleben, Freunde und den Rest. Und mein persönliches Netzwerk, meine Freunde, da habe ich mich nur zur Verfügung gestellt, wenn ich gefragt wurde. Aber ich habe es für mich nicht gut genutzt. Und ich hätte mehr Netzwerkorganisator sein sollen. Und besser organisiert. Das Netzwerk der Direktoren, XY Board, habe ich organisiert, die Frau nach vielen Männern an der Spitze. Aber da war ich schon mindestens 45 Jahre alt. Das war schon spät. Besser ist mit 20 Jahren. Und heute erkläre ich die Bedeutung von Netzwerken. Ich habe es zu spät verstanden. Is.: Frauen haben die Bedeutung von Netzwerken und Netzwerken nicht immer verstanden. Fragen Sie sie, ob sie sich in Netzwerken befinden. Und bestehen Sie darauf, weil Frauen die Wichtigkeit der Gruppierung nicht verstehen. Wir müssen auch darauf bestehen, dass Frauen zusammenstehen müssen, um einander zu helfen, genauso wie Männer. Manchmal stehen Frauen im Wettbewerb zueinander, und das ist eine Schande. Dies sind also Themen, die mit Frauen angesprochen werden sollten, damit sie das Interesse an einem Netzwerk verstehen, das gegenseitige Hilfe ist und nicht,

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

um miteinander zu konkurrieren. Ich mache viele Dinge. Ich organisiere Events mit Frauen, die ich zu Hause einlade. Es gibt Jahre, in denen ich im Sommer drei Abendessen mit 20 Personen zu Hause habe. Ich bin sehr engagiert in Verbänden. Ich helfe enorm den jungen Frauen der neuen Generationen. Ich verbringe viel Zeit mit dem Management, um das Programm für Frauen im Unternehmen auszubauen. Und ich beantworte viele Fragen von jungen Leuten, die mich fragen. Ich gebe viel Hilfe für die junge Generation meiner Tochter. Ich berate, die Kinder meiner Freunde, die mir Fragen zur juristischen Karriere stellen. Ich bin Referentin bei vielen Veranstaltungen. Also verbringe ich viel Zeit mit anderen. Und ich bin Teil von Frauennetzwerken, Vertragsmanagementnetzwerken, usw. M. C.: Es gibt also Netzwerke, Netzwerke von Männern, über die Sie sprechen. Nur, dass sich die Netzwerke heute für die Mischung öffnen, und zwar in beide Richtungen. Es gab Netzwerke sehr starker Männer, sehr ausschließlich männlich. Es gibt Frauennetzwerke, die geschaffen wurden, und mittlerweile gibt es viele Frauennetzwerke. Sie haben sich etwa vor fünfzehn Jahre formatiert. Diese femininen Netzwerke sind heute auch offen für die Mischung, denn es ist wichtig, dass sie gemischt werden. Die Nachricht ist nicht Frau oder Mann, es muss zusammen gehen. Aber die Beziehung der Frau zu den Netzwerken wichtig. Frauen gehen wieder einmal nicht in die Netzwerke. Zeitmangel oder fehlende Prioritäten.

Mehrere der interviewten Französinnen haben neben Mentoring und Networking gute Erfahrungen mit Executive Coaching gemacht, um individuelle Hürden zu überwinden und Karriereentscheidungen zu treffen. Professionelle Executive Coaches wurden zeitweise oder über längere Phasen engagiert, um eigene Fähigkeiten bewusster einzusetzen, oder an Schwächen zu arbeiten. Interessant ist, dass bei den französischen Frauen Aspekte des persönlichen Wohlbefindens und Stressabbau oftmals im Zentrum des Coachings standen, da sie durch ständige hohe Doppelbelastungen und lange Arbeitszeiten von einem Coaching in diesem Bereich besonders profitieren.

4.7 Karrierebarrieren der Französinnen Die Barrieren für Frauen sind auch in Frankreich gegeben. Die französischen Topmanagerinnen berichten von der Glasdecke, Rivalitäten unter Frauen und den Diskriminierungen durch Männer, die ihre Vormachtstellung bedroht sehen. Und darüber, wie sie bei ihrem eigenen Aufstieg mit diesen Barrieren umgegangen sind.

Die Glasdecke in Frankreich existiert Die Glasdecke in Frankreich ist eine Realität. Da sind sich alle befragten Frauen einig. Auf die Frage, wo die Glasdecke in Frankreich ansetzt, wird aus drei Perspektiven argumentiert. Erstens besteht die Glasdecke in Bezug auf die Mutterschaft – die reine Antizipation von möglicher Mutterschaft sowie die reale Situation führen zu erlebten Nachteilen. Es werden Situationen beschrieben, wo aufgrund von Mutterschaft Gehaltserhöhungen nicht realisiert wurden bzw. Frauen nicht für eine Beförderung in Betracht gezogen wurden. Zweitens wird die Glasdecke über dem mittleren Management lokalisiert, ist also in Frankreich genau unterhalb des Topmanagements loka-

4.7 Karrierebarrieren der Französinnen

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lisiert. Der dritte Bereich, den eine kleinere Gruppe von älteren Frauen benennt, ist eine frauengemachte Glasdecke. Es mangelt ihrer Meinung nach an Frauen, die wirklich weiter aufsteigen wollen. Die Anzahl von Frauen, die sich für das Topmanagement anbietet, nehmen sie im Vergleich zur Anzahl von männlichen Kandidaten als wesentlich geringer wahr. Diese Glasdecke betrachten sie als von den Frauen selber gemacht, die nicht wirklich in höhere Positionen aufsteigen wollen, weil es schwieriger für sie ist oder es ihnen an Selbstvertrauen fehlt. Die Glasdecke ergibt sich dieser Argumentation folgend aus den zahlenmäßig immer noch wenigen Frauen, die in Frankreich wirklich ganz hochstreben. Die Pipeline von Frauen, die sich qualifizieren, sei auch dadurch begrenzt, dass Frauen von vorneherein nicht in technische oder IT-Berufe gehen, die aber größere Chancen für einen Aufstieg mit sich bringen. E.: Wenn Frauen hier in Frankreich über die Glasdecke sprechen, dann beachten sie nicht, wie viele Frauen freiwillig nicht arbeiten. Der Pool von Männern ist halt viel größer. Wenn ich sage, dass es eine gläserne Decke gibt, dann ist dies offensichtlich eine Diskriminierung, aber deshalb habe ich Frankreich sieben und nicht zehn gegeben Ag.: Ich denke, es gibt noch viel zu tun, und zwar an der Glasdecke. Bei der Förderung von Frauen in Führungsgremien wurden Fortschritte erzielt, auch durch Quoten. Aber das reicht nicht aus. Ich denke, es gibt noch viel, viel zu tun, um die Gleichheit von Mann und Frau zu gewährleisten. Es gibt auch eine Ungleichheit, die ein wenig von Frauen kommt, die sich selbst zensieren. Das ist also nicht ganz die Schuld der Männer, es ist auch ein bisschen die Schuld der Frauen, die sich nicht trauen. L.: Bis zum mittleren Management ist es gleich- also für meine Mitarbeiterinnen. Kein Thema. Vor allem in unserer Industrie, wo es mehr Frauen gibt als Männer. Die Glasdecke startet im Topmanagement, CEO, Executive Komitees. Ich meine 70 Prozent der Angestellten sind hier Frauen, 80 Prozent der Kundinnen in unserer Branche Frauen, aber keine Frau im Executive Team. Wir haben also tonnenweise qualifizierte Frauen und keine kommt oben an. Es gibt den Glauben, dass ein Mann managen kann und eine Frau nicht. Und für die Männer ist es einfach leichter unter sich zu bleiben. Männerbünde. D.: Ich denke, sie ist direkt unter dem Topmanagement. Selbst in Unternehmen mit großen Frauenanteilen, ich denke an eines für Kinderbekleidung, habe ich von zehn Direktoren nur eine Frau gesehen. Langsam wird das besser. Is.: Für meine Generation gibt es sie. Meine Tochter wird sehr viel weniger davon betroffen sein, aber wir sind noch sehr von Stereotypen beeinflusst. Wir sind noch immer in der männlichen Welt. Zum Beispiel die großen Professoren für Medizin sind alles Männer. Al.: Welche Hierarchieebene? Ich denke ganz oben. Ich werde dir ein Beispiel geben. Ich kenne eine Frau, die von einem Anteilseigner einer großen Gruppe kontaktiert wurde. Er bat sie, ein ganzes Projekt umzusetzen, um eine neue Einheit aufzubauen. Sie machte das und arbeite sich tief ein. Nach neun Monaten sagte der Aktionär zu ihr: „Weißt du, ich dachte. Vielleicht stellen wir jemanden ein, der der General Manager der Struktur wird. Ich gebe dir seinen Lebenslauf. Sag mir, was du denkst“. Sie sagte dann zu mir: „Das kannst du dir nicht vorstellen. Ich erhalte den Lebenslauf. Es ist der gleiche Werdegang wie meiner. Er hat nicht gesagt, dass ich das GM übernehmen könnte. Er will einen Mann, obwohl der denselben Lebenslauf hat wie ich.“ Und dann sagte sie: „Nun, ich habe ihn angerufen und ich habe ihm gesagt, hören Sie zu, wir müssen uns sehen, damit Sie mir das erklären. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht an mich denken und Sie nicht mir den Job geben.“ Er sagte daraufhin zu ihr „Ah, aber ich wusste nicht, dass es dich interessieren könnte. Ich dachte, Du hättest

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

gerne Zeit, um Dir ein Familienleben aufzubauen. Ich habe nicht gedacht, dass Du so viel Zeit widmen möchtest, weil dies viel Arbeit erfordert. Ag.: Sie existiert immer noch. Und ich weiß nicht, was man tun soll, damit sie explodiert, denn wir haben jahrzehntelang darüber gesprochen. Es gibt immer eine Glasdecke. Es gibt immer einen Moment, in dem junge Frauen Kinder haben, also einen anderen Rhythmus annehmen. Die Erklärung der Männer für die Glasdecke ist, dass Frauen sich dann ihren Kindern widmen. Aber andererseits kenne ich Frauen, die Top-Manager sind und vier Kinder hatten, und das hat sie nicht aufgehalten. Also funktioniert die Entschuldigung mit den Kindern für mich nicht. Es ist der Wille. Also, ich denke, dass Männer nicht danach streben Frauen zu fördern, das ist klar. Und andererseits schaffen Frauen es auch nicht, sie zu durchbrechen, sie geben sich selber nicht die Möglichkeit hindurch zu brechen. M.C.: Ich denke ja, ich denke sie ist da, die berühmte Glasdecke. Sie ist nicht zu leugnen. Und es geht vor allem darum, den Kulturwandel voranzutreiben. Es gibt jetzt die Versuchung zu denken, dass die jungen Generationen das Problem nicht haben werden. Ich denke nicht, wir müssen weiterhin sehr wachsam sein, wir müssen weiterhin alle diese Botschaften stark verbreiten, und zwar die Netzwerke, alle Strukturen, die es ermöglichen, diese Botschaften zu verbreiten. Ich spreche von Chancengleichheit. Es geht darum, wirklich die gleichen Ambitionen zu haben. Und wenn Sie die gleichen Ambitionen haben, sollten Sie die gleichen Chancen haben, diese zu erreichen. Und das setzt voraus, dass die Netzwerke funktionieren müssen, die Managementteams, die sich durchsetzen müssen. Dies ist das, was wir tun müssen, wenn auf bestimmten Ebenen eine Position zu besetzen ist. Gleichheit. Das heißt, wir können nicht akzeptieren, dass gesagt wird: „Ah bah nein, es gibt nur Männer, wir können nichts Anderes tun.“ Nein, es muss einen anderen Weg geben. Also los. Gleichzeitig müssen wir Frauen unterstützen, damit sie ihre eigenen Bremsen überwinden und in der Lage sind, mehr sie selber zu sein, in Richtung von „Ich will das tun „, „Ich habe die Fähigkeiten „,“ Ich habe die Kompetenzen“.

Das Phänomen der Rivalität unter Frauen in Frankreich Ein wichtiger Aspekt in den Schilderungen der Französinnen, der in keinem der anderen Länder zur Sprache kommt, ist die Frage der Solidarität unter Frauen. Sie reflektieren über die Sororité, Schwesternschaft, einerseits und der Rivalität und Konkurrenz von Frauen untereinander andererseits. Das dieses Thema relevant ist, darüber sind sich jüngere und ältere Frauen einig. Jüngere Frauen um die 40 Jahre alt beschreiben, wie sehr sie sich Solidarität von älteren Frauen erhoffen, die ihnen aber verwehrt wird. Die Generation 55 plus hat sich in Frankreich ihre Positionen schwer erkämpft und fordert von den nachziehenden Frauen denselben harten Kampf und dieselbe Anpassung an viele männliche Normen. Die um die 40-jährigen Frauen möchten jedoch Karriere machen, ohne sich männlichen Normen im Unternehmen bedingungslos zu beugen. Dazu gehören vor allem die familienunfreundlichen Arbeitszeiten mit Schwerpunkt in den Abendstunden, die in Frankreich, aus Sicht der Frauen im gehobenen Management, sehr ausgeprägt sind. Ältere Frauen können nicht akzeptieren, dass die folgende Managerinnengeneration von diesen Normen abweicht, und verweigern ihre Solidarität. Als „Bienenkönigin“, aus dem englischen Queen-Bee-Syndrom, werden in der Literatur Frauen bezeichnet, die im männerdo-

4.7 Karrierebarrieren der Französinnen

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minierten Arbeitsumfeld nach individuellem Erfolg streben, sich selbst von Frauen distanzieren und den Aufstieg weiblicher Nachwuchskräften verhindern. Es ist eine Kombination von mehreren Aspekten, die das Syndrom ausmachen, beispielsweise das Hervorheben männlicher Charakteristika, die Distanzierung von anderen Frauen und die Leugnung der Existenz einer Glasdecke oder von Ungleichheiten, die sich nur für Frauen, in diesem Fall bezogen auf das gehobene Management, ergeben. Wissenschaftler erklären dieses Syndrom wie folgt.Wenn die Frau zu einer Gruppe gehört, die benachteiligt ist oder einer Minderheit angehört, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau die Eigenschaften der Gruppe als nicht wichtig oder wertvoll betrachtet. Abwertung oder stereotypische Diskriminierung von Frauen empfindet die Bienenkönigin als Bedrohung ihrer sozialen Identität. Im Zuge dessen ist eine der möglichen Bewältigungsstrategien die eigene Distanzierung von der benachteiligten Gruppe, um Akzeptanz innerhalb der höhergestellten Gruppe zu suchen. In einem männerdominierten Arbeitsumfeld geschieht dies durch die Übernahme männlicher Eigenschaften oder Wertemuster. Auf dem World Women Forum in Paris 2019 wurde dieses Thema vor den über 2.000 Teilnehmerinnen artikuliert und diskutiert. Dabei wurde um Verständnis für die ältere Frauengeneration in Frankreich geworben, die sehr hart gekämpft hat, um in die Männerbündnisse im Management aufgenommen zu werden. Das Thema Rivalität unter Frauen in Frankreich verdeutlicht einerseits den harten Kampf der Französinnen im Management und andererseits das belastete Verhältnis der Geschlechter untereinander. M.C.: Ich denke, es liegt hinter uns. Vielleicht täusche ich mich. Es gibt die gegenseitige Hilfe zwischen Frauen. Ich denke, dass es heute Realität geworden ist. Außerdem sprechen wir über „Sororité“, Schwesternschaft, ein neues Wort, das extra dafür erfunden wurde. Ich denke, heute ist dieses Kliff überwunden. Aber es gab und gibt noch Welten, in denen Frauen sich nicht helfen, sich aber immer noch als Konkurrenten sehen. Nun, vielleicht ist das ein Punkt. Ich wurde immer als eine Frau betrachtet, die vielen anderen Frauen geholfen hat. Ich war auch immer von vielen Frauen umgeben. Die Frage ist, wie wir die Ankunft einer neuen Frau z. B. im Executive Team sehen, als „es ist großartig, da ist eine neue Frau mehr“, oder „ah ja, okay, wird sie mich vielleicht in den Schatten stellen? „. Voila. Es ist die Frage, wie man das sieht. Al.: Es gibt ein Syndrom von Frauen in sehr hohen Positionen, und von denen habe ich hier in Frankreich einige getroffen, die sagen: „Ich bin dort angekommen, weil ich gekämpft habe und mich verhalten habe, als wäre ich ein Mann und jetzt werde ich doch wohl nicht anderen Frauen helfen, ihr Leben zu verbessern. Denn ich bin dort oben angekommen, ohne dass mir jemand geholfen hat“. Ein Beispiel. Situationen, in denen es einige Frauen gibt, die anderen Frauen nicht helfen wollen. In einer großen französischen Zeitung gibt es eine bekannte Journalistin, die mir folgendes erzählte: „Wissen Sie in der Redaktion kommen alle gegen elf Uhr und gehen gegen 21 Uhr. Ich aber starte um acht Uhr an und gehe um 18.30 Uhr. Als es die Galette des Rois (den Neujahreskuchen) gab, wurde die Feier verschoben. Ich wartete darauf, dass die Feier nun endlich starten würde. Es war unerträglich. Endlich fing das Galette-Essen an, aber alle Mütter waren bestraft. Um 19 Uhr. Und ich dachte, ich komme zu spät nach Hause und sehe die Kinder nicht. Es gab also ein bisschen Spannung in dieser Situation. Es waren ein Dutzend Leute. Und irgendwann explodierte eine der älteren Journalistinnen und sagte: „Nein, warte, glaubst du, dass ich irgendwann um 18:30 Uhr gehen konnte?“ Und meine Freundin antwortete: „Na und? Es ist nicht so, dass weil Du nicht um Deine Position gekämpft hast,

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

dass Du andere davon abhalten müsst, für ein Familiengleichgewicht zu kämpfen! Es ist schrecklich, was du tust.“ Die ältere Journalistin auf der anderen Straßenseite fing an zu weinen und sagte: „Du hast Recht. Mir tut es leid, dass ich diese Kraft nicht hatte, für die Zeit mit meinen Kindern zu kämpfen. Für diese wichtigen Momente. Und in gewisser Weise kann ich dich nicht akzeptieren, denn du hast den Mut, es zu tun, und Du wirst dafür nicht bestraft. L.: Ich denke, Frauen sind nicht solidarisch hier. Ich bin vor Kurzem zu dem Schluss gekommen, dass der Hauptgrund, warum Frauen es nicht schaffen werden, darin besteht, dass es immer noch diesen biologischen Instinkt gibt, gegen die andere Frau zu kämpfen, den die Männer nicht haben. Männer, sie kämpfen vielleicht, wenn sie um etwas kämpfen, und das ist normal, aber wenn nicht, kooperieren sie gegenseitig und helfen einander. Frauen, wenn sie in verschiedenen Unternehmen oder in einer anderen Branche tätig sind, tun wir das natürlich auch. Wenn es um dieselbe Branche geht, denke ich, Frauen sind die schlimmsten Feinde. Ich bin wirklich traurig, das sagen zu müssen. Ich habe es vor einem Jahr erlebt, als mein früherer CEO mir eine andere Stelle angeboten hat und er wollte, dass ich eine Frau ersetzte, die sich entschieden hatte zugehen. Sie war eine Frau, die seit 18 Jahren im Unternehmen war. Sie beschloss, das Unternehmen zu verlassen, niemand hatte sie heraus gedrängt. Jetzt ging sie und war frustriert, weil ihr niemand etwas Höheres intern angeboten hatte, also war sie sehr bitter. Er bot mir diese Position an. Sie fand heraus, dass mir die Stelle angeboten wurde, ging zu unserem Aktionär und sie sagte ihm, dass ich den Job nicht bekommen sollte. Ich bin mit ihr immer gut ausgekommen. Jetzt konnte sie nicht verwinden, dass ich den Job bekommen sollte. Und dass, obwohl sie gehen wollte. An diesem Tag wurde mir klar, dass, wenn wir im Wettbewerb um den Job standen, ist das natürlich ein Teil des Lebens und Männer würden dasselbe tun, aber diese Situation „Wow“. Ich denke, es ist so tief verwurzelt in uns Frauen, der Gedanke, dass wir nicht höher kommen, keinen Erfolg weiter oben haben werden. Wenn es dann eine schafft, löst es solche Reaktionen aus. Sie wollte nicht, dass eine andere Frau sie überragt. Ich denke, das war das Problem. Es gibt Eifersucht unter Frauen, weil es so schwierig ist, nach oben zu kommen. Ich glaube fest daran, dass, wenn wir Frauen das nicht alle ändern, werden wir es niemals schaffen, niemals. Is.: Die drei Unternehmen waren männliche Welten. Absolut, und deshalb wollte ich etwas tun. Die erste war die Schiffsindustrie und die 1980er-Jahre und es gab nur Männer. Und in der Kanzlei, in der ich war, gab es nur eine Frau und sie heiratete einen der älteren Partner. Also trat sie zurück und ich war alleine. Dann kam ich in eine sehr männliche Kanzlei und blieb zwölf Jahre. Und nach XY sieht es so aus, als wäre es mein Schicksal. Mein Schicksal brachte mich in eine Männergesellschaft, um vielleicht die Reaktion zu provozieren, mich für die Sache einzusetzen. Und es hatte wohl etwas meiner Erziehung zu tun, denn mein Vater sagte zu mir: „Du wirst es genauso gut machen, wie dein Bruder.“ Ich war sehr Mädchen. Ich liebe den Geschmack, ich liebe Mode. Gleichzeitig bin ich meiner Karriere sehr verpflichtet. Und ich habe nie gezweifelt. Und ich bin auf schwierige Situationen gestoßen. In der Tat. Es gab einige schwierige Momente. Wenn Sie alleine als Französin in den 1980er an der Wall Street sind und nicht so gut Englisch sprechen und alle andere Frauen von einem der Männer, der sie heiratet, beschützt werden, befinden wir uns nicht im selben Garten. Und als ich dann in die Kanzlei kam, wo es nur eine Frau gab, die nach einem Jahr weggeheiratet wurde, und ich war dann wieder die einzige Frau. Ich habe Wege für Frauen geöffnet. In der Tat mache ich immer den Weg frei für eine Frau, die meinen Platz hinter mir einnimmt und die alles hinter mir hat, mit allem, was ich eröffnet habe. Ich bin also eine Vorläuferin. E.: Das ist eine interessante Frage. Ich hatte früher eine Mentorin. Mentoren sind sehr wichtig. Frauen sind keine guten Mentoren für Frauen, generalisiert. Ich denke, da gibt es ein echtes Problem. Frauen, die Frauen beraten, es gibt Wettbewerb und dies und das. Wenn die Frau älter ist als die Mentee ist, dann gibt es Eifersucht, das keine großartige Sache.

4.7 Karrierebarrieren der Französinnen

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Diskriminierungen als Herausforderung auf dem Karriereweg der Französinnen Die Reaktion der Männer auf Frauen im Management in Frankreich wird als oftmals diskriminierend beschrieben. Die Frauen berichten von verbalen Diskriminierungen, Sexismus und psychologischem Mobbing von Männern. Diese Beschreibungen entsprechen den eingangs geschilderten Beobachtungen, in denen geschildert wurde, dass viele Männer sich im Arbeitsleben von den starken Frauen bedroht fühlen könnten. C.: Wissen Sie, der HRD einer Firma, sagte mir 1991 „Aber Madam, Ihr Mann ist eine leitende Führungskraft und Sie haben drei kleine Kinder, warum möchten Sie arbeiten?“ An diesem Tag wurde ich Feministin. Diese Art des Denkens ist inakzeptabel. Das war in 1991, aber das kann heute auch noch sein. Ich entschied mich, nicht in dieser Firma zu bleiben. Und es gab mir die Energie woanders hin zugehen- Bumerang-Effekt. Ich denke heute, wenn die mich eingestellt hätten, hätte ich meine Karriere nicht gemacht, weil ich dann nicht zu XY gegangen wäre. Und so ist es auch eine Lektion. Hindernisse brauchst du immer. Es sind die Chinesen, die das sagen. Dies ist das Prinzip der Gelegenheit. Von etwas wirklich Negativem kommt immer etwas Positives. Da bin ich mir sicher. D.: Zögern Sie nicht, die Hindernisse wirklich zu formulieren, denn gerade diese sehr konkreten Hindernisse hindern gerade Frauen. Und vor allem Sexismus. Wir haben sehr wenig darüber gesprochen. Sexismus, Verhalten, Kaffeemaschinenwitze. All diese Dinge passieren heute, alle Unternehmen arbeiten daran, eine viel inklusivere Kultur zu schaffen. Und das finde ich wichtig. Ich glaube, es gibt mehr Inklusion heute. Is.: Es ist nicht so offen. Deshalb ist es schwierig, es ist schädlich. Ich habe Verhaltensweisen, Witze und Dinge gesehen, die uns wirklich zu einer Männerwelt machen. Ich habe das alles gesehen. Witze sogar sexistisch orientiert. Ich denke, es normalerweise nicht absichtlich. Wir neigen dazu, Menschen, die wie wir selber sind, zu fördern. So neigen Männer mit einer dominanten Führungsposition dazu, Männer zu rekrutieren, die aus ihren Schulen kommen, ihr Profil haben und verbinden sich in Mentorbeziehungen mit jüngeren Männern, die wie sie aussehen. Und es ist heute weiter so, dass Männern andere Männer in Rollen rekrutieren. Und ich beobachte Situationen, in denen junge Frauen aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkehrten. Sie bekamen Nebentätigkeiten, weil man der Meinung war, dass sie, wenn sie aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkehren, nicht mehr die Energie haben, nicht mehr den Wunsch zu reisen. Dabei gibt doch Familien, in denen der Mann aufhört zu arbeiten. Ich denke, es gibt immer noch Klischees, die junge Frauen für indirekte Diskriminierung anfällig machen. E.: Das größere Problem, als eine Frau zu sein, ist es, 55 Jahre alt zu sein. Jetzt werde ich keine Kinder mehr bekommen, aber (lacht), ich werde keine Kinder mehr bekommen, also machen sie sich keine Sorgen. Ich denke, wenn man älter ist, obwohl man mehr Leute mit Fachwissen braucht, ist es der Faktor, der es wirklich schwierig macht- das Alter. Nicht die Tatsache, eine Frau zu sein. Es gibt mehr Diskrimination wegen des Alters als wegen des Geschlechts. Ich denke, das ist die nächste große Herausforderung – hier fühle ich mich wirklich diskriminiert, weil ich aufgehört habe, CEO von XY zu sein, und ich bin jetzt Consultant. „Weil Sie nicht digital genug sind, nicht zur digital Generation gehören“, das ist die neue Art zu sagen, dass Sie alt sind.

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4. Die Französinnen: Intellektuelle Kämpferinnen gegen Rollenkonflikte

4.8 Ambivalenzen durch Familie Die Vereinbarung von Karriere und Privatleben wird bei den Französinnen zur Generationsfrage. Während die älteren Frauen ihre Lösung zum Rollenkonflikt gefunden haben, hadern die jüngeren Frauen mit einem für sie nicht leichten Leben zwischen Kind und Karriere.

Ehemänner und ihre Rolle in der Familie Die französischen Ehepartner sind in der Regel beide in Vollzeit berufstätig und verfolgen beide eine Karriere. Damit unterscheiden sich die französischen Paarbeziehungen ganz klar von der deutschen und chinesischen Gruppe, in denen die Männer in die eher unterstützende Rolle gehen. Es gibt keine reinen Hausmänner unter den Ehemännern der Französinnen. Die französischen Männer werden von den Frauen ambivalent beschrieben. Ein Teil der Frauen äußert sich eher positiv und fühlt sich durch ihre Ehemänner emotional gut unterstützt. Positivere Beschreibungen zu ihren Ehemännern gab es bei den französischen Interviews bei etwa einem Viertel der Französinnen. Einige wenige Männer beteiligen sich an Haushalt und Kindererziehung, wenn es ihre Arbeit zulässt. Die meisten Ehemänner der Französinnen übernehmen jedoch kaum Aufgaben im Haushalt oder in der Kindererziehung. Bei vielen der Frauen scheint es so, als hätten sie sich damit arrangiert. Dort, wo eine verhältnismäßige Gleichheit bei familiären Aufgaben beschrieben wird, gibt es dafür zwei Voraussetzungen- zum einen liegt Gehaltsgleichheit oder ein höheres Gehalt der Frau vor und zum anderen wurde die Anteilnahme des Partners an häuslichen Pflichten durch zum Teil jahrelange Auseinandersetzungen in der Ehe erreicht. Ungleichheit ist den Schilderungen zur Folge eher die Norm in französischen Paarbeziehungen. Ungleichheit bedeutet hier konkret, dass die Frauen, obwohl sie wie ihre Partner Vollzeit berufstätig sind, mehr Zeit in die Hausarbeit und Kinderbetreuung investieren. Französische Frauen erkämpfen sich Gleichheit in der Beziehung bzw. erziehen ihre Männer quasi über längere Zeiträume. Nur zwei der Französinnen beschreiben, wie ihre Partner sie konkret bei ihren Karriereschritten unterstützten und selber zeitweise dafür zurückstanden. D.: Das letzte Element, das ist die Tatsache, Beruf und Familie miteinander zu verbinden und einen guten Ehemann zu haben. Ich denke, dass ich das Glück habe, einem sehr guten verantwortlichen Mann zu haben. Er ist Partner in einem Investmentfond. Wir haben uns gemeinsam entwickelt. Als wir anfingen, zusammen zu leben, kam er und fragte mich, was wir heute Abend essen. Ich sagte, ich habe keine Ahnung. (lacht) Ich denke bei vielen Paaren, spielt die Frau eine Rolle, das Ungleichgewicht wird oft auf beiden Seiten geschaffen, auf der einen Seite ein Mann, der seinen Teil nicht beiträgt, auf der anderen Seite eine Frau, die es nicht einfordert bzw. alles direkt selber erledigt. Am Anfang unserer Ehe studierte ich und arbeitete gleichzeitig. Ich habe gleich klar gemacht, dass ich davon ausgehe, dass er sich gleichwertig beteiligt. Unser Model ist nicht typisch für Frankreich. Überhaupt nicht.

4.8 Ambivalenzen durch Familie

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A.: Es hängt auch von Ihrem Partner ab. Ich bin vor zwei Jahren und im letzten Jahr fünfmal um die Welt gereist, um Workshops zu in 27 Ländern der Welt für mein Unternehmen durchzuführen. Ich habe einen Ehemann, der das akzeptiert, der auch reist. Aber es war immer jemand zu Hause, sonst würde meine Mutter kommen. Man muss sehr organisiert sein. Aber ich fühlte mich dazu fähig, weil sie schon groß genug waren, etwa neun oder zehn Jahre alt. Es ist einfacher, sie sind autonom. Und dann denke ich, dass es einen zweiten Schritt gibt, mit 18 Jahren, wenn sie von zu Hause weggehen, um zu studieren. Ansonsten ist es sehr kompliziert! D.: Ich sagte zu meinem CEO, wir sollten eine Position in Amerika schaffen. Weil wir gerade ein Unternehmen gekauft hatten. Und mir wurde gesagt: „Gute Idee! Aber du nicht! „. Na ja, ok … Eher ein Amerikaner, in Ordnung. Und dann sechs Monate später kamen wir darauf zurück und sie sagten: „Nun, wir möchten, dass Sie es sind.“ Ich hatte gerade mit meinem Mann in Paris eine Wohnung gekauft. Also sagte ich zu mir: „Nun, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, tatsächlich sind wir hier in Paris gerade etabliert. Wir haben ein kleines Baby“. Und dann sagte mein Mann zu mir: „Das darf uns nicht davon abhalten. Also werden wir dorthin gehen.“ Ich sagte zu ihm: „Aber bist du sicher? Weil wir wegen meiner Arbeit gehen“. Er sagte: „Ja, ja, ich werde in Montreal etwas finden“. Da verstehst du also, dass ich einen wirklich netten Mann habe. Wir haben immer alles gleich gemacht und es war wirklich großartig, also auch viel Druck für mich, weil ich plötzlich der Ernährer der Familie wurde. Aber wir entschieden uns für Montreal. Ac.: Mein Mann hatte die Gelegenheit, wegen seiner Arbeit auf die Insel Guam zu ziehen. Ich sagte ihm, ich würde nur gehen, wenn ich einen Job finde. Im Laufe der Jahre habe ich ihm geholfen, meinen Standpunkt zu verstehen. Am Anfang war es ein bisschen schwierig, für ihn zu verstehen, es war für ihn ein bisschen eine neue Sache. Jetzt ist er ein totaler Feminist. Er hat selbst einen feministischen Klub gegründet. Neulich kam er nach Hause und sagte: „Oh mein Gott, dieser Typ ist so altmodisch. Es ist verrückt.“ Ich denke, im Laufe der Jahre hat er bei mir gesehen, wie ich Dinge tue, die er vielleicht nicht bei anderen Frauen sah. So reifte er und dann entschied er, dass dies wahrscheinlich der richtige Weg war. Wir haben ein sehr gutes Gespräch über eine duale Karriere geführt. Als wir uns kennengelernt haben, haben wir gesagt, dass das Wichtigste ist, dass wir die Dinge ausbalancieren, und wir wissen, dass Karrieren nicht immer so sind. Ich ging mit ihm nach Guam. Er lehnte dann zweimal die Stellenangebote ab, sehr gute Stellenangebote, bei denen er befördert worden wäre, weil ich nicht bereit war, Hongkong und meine Position zu verlassen. Er beschloss, dortzubleiben, wo er war, und diese Angebote nicht anzunehmen. In Singapur erlebten wir dann einfach ein Wunder. Wir hatten beide am selben Tag zwei Jobs. Ich hatte einen Job in Singapur. Er hatte einen Job in Singapur, was ein bisschen ein Wunder war. Wir reden viel miteinander und haben eine Vereinbarung, das Beste für die Familie zu tun. Wir tun das Beste für unsere Familie und versuchen, es im Laufe der Zeit auszugleichen, damit ich mich nicht frustriert fühle, er nicht frustriert. So machen wir es. L.: Er ist Consultant und wir verdienen jetzt beide dasselbe, seit fünf bis sechs Jahren. Vorher hatte er mehr. Wir machen beide gleich viel. Ja, wirklich. Genau gleich viel. Er kümmert sich gut um die Kinder. Aber er ist oft auf reisen und dann bin ich allein mit allem. S.: Ich wäre schneller aufgestiegen, hauptsächlich wegen der internationalen Möglichkeiten, weil ich irgendwann im Ausland arbeiten wollte, aber es war ein bisschen schwierig, dass mit den beiden Karrieren zu schaffen. Einmal hatte mein Mann eine Chance, aber ich konnte mich nicht bewegen, und dann hatte ich eine Gelegenheit, als ich mit meinem Job in London war, aber er konnte nicht umziehen. Er verdient heute mehr, wesentlich mehr. Ich denke, das Gehalt zählt sehr viel, es ist ein auf Fakten basierendes Kriterium. Dann auch das Gewicht unserer historischen traditionellen Rollen. Ich kenne Paare, bei denen der Mann weniger Geld verdient als die Frau, aber es sieht so aus, als ob der Mann trotzdem mindestens genauso viel Entscheidungskraft für seine berufliche Laufbahn hat wie die Frau. Das ist nicht logisch. Hausarbeit? Mein Mann kocht manchmal und trägt manchmal

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den Mülleimer raus. Er macht nur etwas, wenn ich mich beschwere. Sonst geht er davon aus, dass so alles in Ordnung ist. Ich mache wesentlich mehr zu Hause. E.: Nun, ich hatte sie sehr spät. Ich hatte meine Tochter, als ich bei XY war, und dann meine Söhne, kurz bevor ich bei AB CEO wurde. Ich hatte sie sehr spät und hatte viel Hilfe, besonders bei den Jungs. Ich hatte jemanden nachts und tagsüber. Zwei bis drei Leute, um mir zu helfen. Mein Mann hat auch ein bisschen geholfen. Er kocht, nicht jeden Tag, aber er ist hilfreich. Er ist ein Macho Mann. Er ist nicht wie die hilfsbereiten Jungs, aber er ist da, wenn ich ihn brauche, zum Beispiel, wenn ich reise. L.: Ja. Es ist verrückt, und ich sehe alle diese Männer hier. Ein großer Unterschied ist, ich denke, alle Männer in leitenden Positionen, die meisten von ihnen haben keine Ehefrau, die berufstätig ist, es sind Hausfrauen. Alles, was die Männer machen müssen, ist an sich selber zu denken und ihren Job zu machen. Und zu Hause haben sie jemanden, der den Rest regelt und an sie denkt. Ich weiß, dass ihre Frauen nicht arbeiten. Keine. Sie sind alle zu Hause, um sich um die Kinder zu kümmern, Urlaube zu organisieren und ihr Leben zu gestalten und sicherzustellen, dass das Abendessen serviert wird. Das passiert buchstäblich.

Auswirkungen von Mutterschaft auf die Karrieren der Französinnen Die Gruppe der befragten französischen Topmanagerinnen hat im Ländervergleich die höchste Anzahl von Kindern in dieser Untersuchung. Von den befragten Frauen sind nur vier kinderlos. Die meisten Frauen haben zwei und drei Kinder, einige sogar vier. Die französischen Frauen sehen die Vorteile ihres Betreuungssystemes. Der Vorteil basiert auf der gesellschaftlichen Akzeptanz der Fremdbetreuung von Kindern aller Altersgruppen. Die Betreuungsangebote sind vielfältig und ermöglichen es, Frauen in Frankreich in Vollzeit tätig zu sein. Darin sind sich alle Frauen einig. Vor allem die jüngeren Französinnen haben jedoch Schuldgefühlen darüber, dass sie ihre Säuglinge nach der Geburt schnell fremdbetreuen lassen. Die Interviews lassen vermuten, dass trotz der dargestellten gesellschaftlichen Akzeptanz, Frauen negatives Feedback aus ihrem Umfeld erfahren, wenn sie sehr junge Kinder entsprechend der langen Arbeitszeiten im Management fremdbetreuen lassen. Säuglinge der Managerinnen wurden oft zu Hause bis in die Abendstunden von Ganztages-Nannies betreut, mit der Flexibilität, diese Zeiten nachts und bei Dienstreisen zu verlängern. Wertungen zur Fremdbetreuung von Säuglingen kommen von Männern im beruflichen Umfeld. Es scheint, als ob das gezielte Auslösen von Schuldgefühlen im Unternehmen als Machtinstrument eingesetzt würde. Jedoch ist das Thema tabuisiert. Ist eine Art Rabenmuttersyndrom somit auch in Frankreich gegeben? Es gibt unterschwellige Hinweise in Bezug auf die Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern bis drei Jahren. Die Berichte der älteren Frauen lassen das Gegenteil vermuten. Sie haben sich von Schuldgefühlen losgelöst oder haben sie tatsächlich nicht. Gerade neue Mütter berichten jedoch von einem täglichen inneren Kampf, der erst dann nachlässt, wenn die Kinder mit drei Jahren die reguläre Vorschule beginnen. Schuldgefühle kommen auch bei den älteren Müttern wieder hoch, die bereuen, zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbracht zu haben. Diese Schilderungen gelten in etwas für die Hälfte der

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befragten Französinnen. Die andere Hälfte der interviewten Gruppe ist klar in ihrer Karriereorientierung und bringt bewusst viel Zeit auf für die Karriere und damit verbunden weniger Zeit für die Mutterrolle. Die lange Anwesenheitskultur in Unternehmen in Frankreich am Abend wird von ihnen als faktisch akzeptiert. Gerade ältere, kinderlose Frauen werfen Müttern vor, ihre Sorge für ihre Kinder nicht vom beruflichen trennen zu können und bewerten dieses als unprofessionell. Sie gehen vom Status aus, der in Frankreich sehr lange Arbeitszeiten für eine Karriere im Management notwendig macht. Eine Frau in Frankreich, so ihre Meinung, müsse sich ganz klar sein, dass sie für eine Karriere im höheren Management sehr wenig Zeit für ihre Kinder haben wird. Einen Mittelweg gäbe es nicht. Das Syndrom „Ich hatte es schwer, warum sollst Du es leicht haben“ kommt bei den älteren Frauen wieder zum Vorschein. Man bewertet Mütter danach, ob sie ihre Kinder quasi komplett delegieren können oder damit Probleme haben. Letztere Gruppe von Müttern wird hart beurteilt. Diese Frauen, so ein Teil der älteren Französinnen, würden nicht Karriere machen wollen, sondern nur lamentieren.Väter spielen in den Schilderungen kaum eine Rolle. Ein mehrfach berichtetes Problem ist auch die bereits beschriebene Benachteiligung von Müttern bei fälligen Gehaltserhöhungen oder Beförderungen. Die „motherhood Penalty“ scheint also auch in Frankreich gegeben. Ein Hinweis, der mehrfach in den Beschreibungen kommt, ist, dass Karrieren von Frauen wieder Fahrt aufnehmen, wenn sie ca. 45 – 50 Jahre alt sind und wenn die Kinder in der Oberstufe oder bereits im Studium sind. Die Strategie der Französinnen ist also, Kinder relativ jung zu bekommen, um in späteren relevanten Karrierephase wieder voll mit dabei zu sein. Eine Herausforderung speziell für Mütter ist, dass die französische Arbeitskultur sehr lange Arbeitstage scheinbar unumgänglich macht.Vor allem bei Spitzenjobs sind die Arbeitstage lang und reichen weit in die Abendstunden. Die befragten Frauen starten ihren Tag im Büro zwischen acht und neun Uhr, haben lange Anfahrten zur Arbeit und beenden ihre Arbeitstage in den Büros um ca. 20 Uhr oder später. Sie müssen sich also gerade als Führungskräfte mit einer Anwesenheitskultur arrangieren, die noch ausgeprägter scheint, als bei den Frauen aus den anderen Ländern dieser Untersuchung. Eine ausgewogene Work-Life Balance ist somit nicht gegeben.

Spagat der Französinnen- zwischen Kind und Karriere Obwohl das französische Schulsystem eine breite Betreuung von Kleinkindern anbietet und die Schulen auch Nachmittags Betreuungsangebote haben, führen die französische weibliche Führungskräfte keinesfalls ein leichtes Leben zwischen Kind und Karriere. Hierfür sind zeitliche Schwachstellen im Betreuungssystem verantwortlich, sowie die mangelnde Unterstützung zu Hause. Es stehen zu wenige Krippenplätze zur Verfügung, d. h. auch in Frankreich ist es nicht einfach einen Betreuungsplatz zu finden. Die Schulen sind oft den gesamten Mittwoch geschlossen, zu mindestens aber am Mittwoch Nachmittag. Zwar gibt es dann Angebote für die Kinder, jedoch wird den Frauen auch hier viel Organisationstalent und Geld für alternative

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Betreuungen abverlangt. Eine gute rundum Betreuung von Kindern kostet auch in Frankreich viel Geld, da die Betreuungsangebote den Arbeitszeiten von Frauen in Führungspositionen keinesfalls angepasst sind. Bei Erkrankungen von Kindern oder Ausfall von Kinderfrauen bricht ein engmaschiges Betreuungssystem aus verschiedenen Komponenten dann auch hier einfach zusammen. Einige Frauen beschreiben wie sie parallel zur Arbeit quasi über ihr Telefon vor allem bei Erkrankungen, die ja mit jüngeren Kindern regelmäßig vorkommen, verschiedene Notfallsysteme koordinieren. Ein wesentlicher Aspekt der Belastung der französischen Frauen scheint zu sein, dass im Regelfall weder die Ehemänner noch Großeltern als fester, regelmäßiger Bestandteil in die Versorgung von jungen Kindern eingeplant werden können. Die Arbeitszeiten von Frauen in Führungspositionen machen eine ausgewogene Balance von Karriere und Familienleben auch in Frankreich keineswegs leicht. Die Schilderungen der Frauen gleichem einem täglichen Spagat oder auch einem Kampf, aus dem sie sich nur befreien können, wenn sie ihre Kinder quasi vollständig wegdelegieren. Dass bedeutet konkret, dass eine Französin mit Führungsposition ihre kleinen Kinder im Regelfall von sieben Uhr morgens bis zwanzig Uhr abends nicht sieht und auch der Vater der Kinder nicht mehr Zeit für die Betreuung hat. Obwohl dieses Modell oberflächlich gesellschaftlich akzeptiert wird, berichten viele Frauen, dass sie wertvolle Zeit mit ihren Kindern verpasst hätten bzw. nicht präsent sein konnten. D.: Als ich mein erstes Kind bekam, wurde mir die Verantwortung für die USA weggenommen, weil ich sagte, ich möchte um 19 Uhr nach Hause gehen. Und mir wurde gesagt: „Sie werden also nicht mehr die USA führen, weil Sie dafür abends verfügbar sein müssen. Wir geben Ihnen also den asiatisch-pazifischen Raum, weil Sie da morgens telefonieren können“. Ich denke, das ist meine erste Begegnung mit Sexismus und Diskriminierung. Das heißt, anstatt mir zu vertrauen und mir zu sagen: „Sie waren immer gut organisiert, Sie können damit umgehen“, wurde mir gesagt: „Nein. Wenn Sie sich entscheiden, abends zu Ihrem Kind zu gehen, werden wir Ihnen die aufregendsten Dossiers wegnehmen.“ Dann habe ich vorgeschlagen, eine Position in Nordamerika zu schaffen. Zuerst wurde mir gesagt, „Nein, wir werden einen Amerikaner einstellen“, und danach wurde mir doch zugesagt. Nachdem ich die Übersee Position bekommen hatte, war mir eine Woche später klar, dass ich mit dem zweiten Kind schwanger bin … Ähm, ich habe mich geschämt. Ich schämte mich, nicht schwanger zu sein, ich schämte mich, weil ich mir sagte: „Ich habe einen Vertrag unterschrieben und ich bin schwanger, also muss ich aufhören“. Kurz gesagt, ich war irritiert.“ Mir wurde dann aber gesagt: „Nein, nein, das ist kein Problem! Wir ändern nichts. Sie kommen nach Montreal.“ Also gingen wir nach Montreal. Ich gebe Ihnen meine zweite Erfahrung. Bei der Zweitgeborenen habe ich wieder Mutterschutz von zweieinhalb Monaten genommen. Ich nahm meine Arbeit wieder auf. Es ging gut bis zum jährlichen Interview, in dem mir gesagt wird, dass ich keine Gehaltserhöhung bekomme, weil meine Leistung nicht außergewöhnlich war, weil ich ja ein gesundheitliches Problem habe. E.: Wissen Sie was? Wenn Sie Kinder haben und im mittleren Management sind, gehen Sie zur Arbeit und denken: „Oh, viel Routine und sie geben mir nicht den neuen Job“. Das ist so, weil sie Ihren Job sehr gut kennen. Du bist auf einem anständigen Niveau. Sie wollen nicht zugeben, dass sie nicht wirklich höher wollen. Nein, es gibt natürlich mehr Druck für Frauen, also müssen Sie diesem Druck standhalten können. Es hängt davon ab, wie stark Sie sich schuldig fühlen. Im Allgemeinen haben Frauen ein höheres Maß an Schuldgefühl. Ich fühlte mich immer schuldig, aber ich war so egoistisch,

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also wollte ich weiterkommen. Ich sagte: „Okay, ich werde mit meinen Kindern einen Kompromiss eingehen“, aber viele Frauen wollen das nicht. Es gibt keine Lösung- entweder oder. Du hast ein größeres Ego, ein bisschen egoistischer und verlässt deine Kinder, um von zu Hause wegzukommen. Die Frauen können nicht behaupten: „Oh, ich komme nicht voran, weil Frauen keine Chancen geben.“ Denn eigentlich wollen sie in der Mitte bleiben und mehr bei ihren Kindern sein. S.: Mein erstes und zweites Kind hatte ich mit AB (Schweizer Konzern) und mein drittes Kind hatte ich, als ich bei XY (US Unternehmen) war. Als ich bei AB war, das ist eine gute Firma, hörte ich einige Kommentare: „Sie hat ein Bild ihrer Kinder auf ihrem Schreibtisch. Jetzt wird sie weniger Zeit haben.“ Ich war wirklich schockiert, vor allem, weil es hintenherum erzählt wurde. Beim dritten Kind war ich 18 ca. Monate bei XY (US Unternehmen) und war dann schwanger. Mein Chef, eine Frau war, sagte zu mir, dass sie darüber nicht glücklich sei. Ich war ziemlich geschockt, weil sie auch Kinder hatte. Ag.: Das hängt von den Charakteren ab. Es gibt Frauen, bei denen das Thema Kinder absolut kein Problem ist. Ich habe nie davon gehört, alles läuft gut. Und es gibt andere, da gibt immer etwas, was die Professionalität echt verschmutzt, weil man das oder das nicht tun kann, weil man das Kind zur Schule bringen muss, weil es zum Arzt gebracht werden muss. Und das ist ein Problem, es ärgert mich. Ehrlich gesagt, mag ich diese Einstellung nicht. Die Sache ist eine Frage der Organisation. Es geht wirklich um Organisation. Und auch eine Frage des Charakters. Charakter und Prioritäten. Wie wir uns entschieden haben, unsere Karriere zu managen. Sonst können wir die Priorität haben, nicht zu ehrgeizig zu sein und unseren Kindern mehr Zeit zu geben. Ich verstehe das völlig, es gibt kein Problem. Was ich aber nicht will, ist, wenn es zu viel in die Arbeit eingreift. L.: Ja, aber es gibt nur Männer an der Spitze, ich sehe keine Frauen. Es war kürzlich 20 Uhr im Büro und dann sehe ich drei der CEO mit zwei seiner engsten Mitglieder zusammen. Ich sehe sie, sie sitzen in einem Büro, es ist 20 Uhr, und ich möchte ihnen wirklich sagen: „Wirklich? Geh nach Hause und sehe deine Frau und deine Kinder.“ Dann können die doch von zu Hause ausarbeiten. Ich arbeite von zu Hause. Wenn ich um Mitternacht arbeiten muss, werde ich um Mitternacht arbeiten. Wenn ich um sechs Uhr aufwache, werde ich meine E-Mails überprüfen und E-Mails beantworten. Ich bin nicht um sechs Uhr im Büro, aber das bedeutet nicht, dass meine Arbeit nicht erledigt ist. In ihrer kollektiven Wahrnehmung ist es so, dass eine Mutter nicht so engagiert ist. Ich denke, das ist in den USA besser. Hier ist die Kultur so, dass man präsent sein muss, lange am Abend. Seien Sie dort und erzählen Sie allen, wie hart Sie arbeiten und wie lange Sie geblieben sind. Für Frauen ist es eine zusätzliche Herausforderung, wenn Sie Ihre Kinder sehen wollen. Es sollte auch eine Herausforderung für Männer sein, aber es ist ihnen egal. M.C.: Nichts ist einfach. Aber es heißt nicht, weil es kompliziert ist, dass es nicht möglich ist. Das ist eine Frage der Haltung. Es gibt Menschen, bei denen egal zu welchem Thema, es kompliziert ist, für sie. Deshalb hasse ich dieses „viel Glück“. Denn „viel Glück“ heißt im Umkehrschluss zu denken, dass jeder, egal in welcher Situation, „Ah, es ist schwierig! Du musst Mut haben“, denkt. Überhaupt nicht. Du brauchst keinen Mut. Du musst Energie haben. Wir müssen organisiert sein, wir müssen uns die Mittel geben, uns organisieren. Ja, in Frankreich hängt es ja immer vom Paar ab, ob es wirklich ein Paar ist. Und die Frage der finanziellen Mittel. Ich hatte eine Frau mit neun Kindern im Interview gesehen, und das bringt mich zum Lachen, wenn wir darüber reden. Es wurde die Frage gestellt „Aber, wie haben Sie es gemacht? Sie sagt: „Ich habe sie nacheinander gemacht.“ Nein, aber es stimmt, es ist einfach. Es ist wieder eine Überzeugungssache. Ist es die Einstellung mehr Zeit oder keine Zeit zu investieren? Es gibt Frauen, die das Gefühl haben, sie müssen in die Familie viel Zeit investieren. Aber das muss jede selber wissen. M.: Aus den oben genannten Gründen sind wir in Frankreich viel weiter als Sie, und die Gesellschaft macht uns kein schlechtes Gewissen zu arbeiten. Bei uns sagt keiner, dass wir eine schlechte Mutter

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sind. Ich habe den Eindruck, dass Sie in Deutschland keine Kindertagesstätte haben, die Unterrichtszeiten kürzer sind, und die Gesellschaft redet Frauen ein, dass sie schlechte Mütter sind. D.: Wenn ich meine Kinder in den Urlaub schicke, muss ich sie nicht anrufen, ich muss nicht mit ihnen telefonieren. Ich fühle das Bedürfnis nicht, nachdem ich sie kurz zuvor gesehen habe, ich finde, das bringt ja gar nichts. Ich habe nicht das Gefühl präsent sein zu müssen, wenn ich nicht da bin. Ich freue mich, wenn ich sie dann wiedersehe. Al.: In Frankreich ist es offensichtlich, dass Frauen arbeiten, wenn Sie möchten. Es gibt kein Problem. Aber die Leute beurteilen sie, wie viel Arbeit sie mit Kind verbringen, und das ist wirklich sehr schwer. Auch wenn Sie überzeugt sind, dass Sie Ihrem Kind Qualitätsmomente geben. Wenn ich jeden Abend um 18.30 Uhr kommen würde, um sie zu baden und zu füttern, wäre ich nicht in einer guten Stimmung, ich wäre nicht sehr glücklich. Und so ist es besser, dass ich eine Stunde später nach Hause komme, dass ich Qualitätsmomente mit ihr verbringe und glücklich und erfüllt bin. Und das geht niemanden etwas an. Die Leute beurteilen heute sehr, ob man das Beste tut für die Kinder. Ich wurde in meiner Karriere, im Studium nie so beurteilt, wie jetzt als Mutter. Meine Chefs sagten, „Oh, aber hör auf zu reden“, als ich meine Rückkehr aus dem Mutterschutz vorbereitet habe. Wenn ich über Gehaltserhöhungen geredet habe und was ich dafür leisten möchte, sagte mein Chef: „Oh, hör auf, darüber nachzudenken! Denk an deine Tochter. Geld ist nicht alles.“ Und ich finde es verdammt schlecht. Ich arbeite noch mehr als zuvor, weil ich solche Angst hatte von einem Baby geblockt zu werden. Aber schließlich ist der Rhythmus in Ordnung. Das Seltsame ist, dass jeder ein Urteil fällt. Was für mich sehr schwer ist, ist die Art und Weise, wie die Leute auf meine Familie schauen: „Ah, Sie sollten zu Hause bei Ihrer Tochter sein“, „Nun, Sie überlassen es den ganzen Tag jemand Fremden“. Die Leute sind sehr wertend. Sogar das Kindermädchen, wenn ich reise oder abends Besprechungen habe, sagt: „Ach, verabschiede Dich von deiner Mutter, die wirst Du nicht vor zwei Tagen wiedersehen“. Die Leute wissen nicht, dass es sehr große Schuldgefühle auslöst und ich war es nicht gewohnt, mich schuldig zu fühlen. Is.: Ich hatte meinen Chef in meiner Kanzlei in New York. Man kann sagen, der hielt viel auf mich. Er hielt mich für eine talentierte junge Französin. Er hat mir viel Kraft gegeben. Er hat mir Fälle überlassen. Er gab mir die Möglichkeit, erwachsen zu werden, und als ich nach drei Jahren in New York abreiste, sagte er zu mir: „Sie wären die erste Frau gewesen, als Partnerin hier.“ Es war wirklich traurig, dass ich zurückgegangen bin. Danach fiel ich in eine absolute Macho-Welt, in der Frauen, wenn wir schwanger waren, es nicht einmal wagten, es zu sagen. Ich habe es nie angekündigt, wenn ich schwanger war. Und dann wurde es zwar sehr sichtbar, aber niemand merkte es, denn wir haben Tag und Nacht gearbeitet. Wir hatten keinen Schutz unserer Rechte in dem Sinne. Wenn ich heute sehe, dass ich schwangere Mädchen habe, helfe ich ihnen. Ich habe ihnen gesagt, sie müssten einen Tag pro Woche von zu Hause ausarbeiten. Sich die Zeit nehmen, um sich auszuruhen und all das. Zu meiner Zeit war es ein anderes Zeitalter. Also haben wir wie Jungs gespielt. Wir haben alles gemacht, wir haben uns keine Fragen gestellt. Ac.: Das mit dem ersten Baby war ein Wunder, würde ich sagen, als ich mich vorstellte im Unternehmen, bei den Chinesen in Hongkong, als ich aus Guam zurückkam, und im fünften Monat schwanger war. Ich war etwas besorgt, weil ich dachte, sie würden mich nicht anstellen, weil ich schwanger war. Ich zog ein weites Shirt an und niemand merkte etwas. Sie haben mich am nächsten Tag ziemlich eingestellt. Ich hatte Glück. Es war sehr schnell. Dann ging ich zu ihm zurück und sagte: „Hey, Dennis, ich konnte Dir gestern nicht mehr sagen, dass ich im fünften Monat schwanger bin.“ Die Schwangerschaften waren immer leicht für mich, deshalb sagte ich zu ihm: „Mach dir keine Sorgen, es wird unser Geschäft oder irgendetwas nicht beeinträchtigen.“ Ich hatte das Glück, denn in Hongkong hätte er mich sofort feuern können, aber er tat es nicht. Ich hatte noch zwei weitere Kinder, während die Firma expandierte.

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Ambivalenz der Vereinbarung von Karriere und Privatleben Befragt nach den Nachteilen einer Karriere als Frau, kommt bei den französischen Frauen die Ambivalenz der Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben auf. Es fehlt den Frauen an Zeit für Kinder, Freunde oder den Partner. Die älteren Frauen blicken zurück und fragen sich, ob sie richtig gewählt haben. Andererseits wissen jüngere Frauen, die mehr Zeit für das Privatleben aufgebracht haben, dass sie dafür einen Preis seitens der beruflichen Karriereentwicklung zahlen. Auch die französischen Frauen zeigen das Dilemma auf, welches Frauen in ihren Karrieren weltweit betrifft und worauf es, solange die Unternehmen keine flexiblen Arbeitsmodelle anbieten, keinen einzig richtigen, idealen Weg gibt. E.: Es ist nicht viel, aber da ich sehr auf meine Karriere konzentriert war, hatte ich viele Probleme mit meinem Mann, weil ich spät geheiratet habe. Vielleicht hat es vorher Männer gegeben, die besser zu mir gepasst hätten, aber ich war zu sehr mit meiner Karriere beschäftigt. Ich war zu egoistisch, ich wollte arbeiten, ich wollte arbeiten, ich wollte mehr Geld verdienen. Manchmal blieb ich in Beziehungen, die nicht die Richtigen waren. S.: Es ist fehlende Zeit für Zuhause, zum Beispiel Hausaufgaben, solche Dinge. Es ist hauptsächlich fehlende Zeit. D.: Keine Nachteile, auch wenn ich sehr schwierige Momente in meiner Karriere hatte, aber es hat mir immer geholfen, etwas Anderes zu tun, etwas Anderes zu schaffen. Es ist Nietzsche, huh, „alles, was dich nicht umbringt, macht dich stärker“. Auch wenn das schwierig und kompliziert war, habe ich daraus etwas Positives gezogen. Ich habe also keinen Nachteil. Ich bin sehr stolz darauf, mir vor 13 Jahren gesagt zu haben, als mein erstes Kind geboren wurde: „Ich werde meine Kinder niemals für meine Karriere opfern“. Ich weiß nicht, wie meine Kinder sich entwickeln werden, aber die Firma hätte mir diese Zeit nie geben können. Ich bin sehr glücklich, diese Wahl getroffen zu haben, und ich bin wahrscheinlich auch deshalb nicht auf dem Niveau, auf dem ich heute sein sollte, aber es spielt keine Rolle. Weil ich weiß, warum ich es gemacht habe, und es hat mich tatsächlich getragen. C.: Das ist es, es ist wahr, dass ich manchmal merke, dass ich sehr viel unterwegs bin, denn ich bin oft sehr beschäftigt. Es ist klar, dass ich weniger persönliche Zeit habe, Zeit für mich. Und das ist eine Schande. Es ist wahr, dass ich manchmal Freunde verlassen habe. In Bezug auf meine Kinder, sie sind zu schnell groß geworden, und es gab viele Momente, die ich verpasst habe, wo ich nicht bei ihnen war. Gleichzeitig bin ich ihnen sehr nahe. Und so bin ich meinen Töchtern sehr nahe. Zur Verfügung zu stehen bedeutet, Zeit zu haben. Und das finde ich am kompliziertesten. Es fehlt Zeit, Zeit für sich selbst, persönliche Zeit. Ich denke, wenn ich in Rente gehe, werde ich das vielleicht zu schätzen wissen. Und zur gleichen Zeit weiß ich nicht ob, aber ich fürchte, ich werde den Rest vermissen. M.: Ich denke, Frauen, die heute nicht arbeiten, sind entweder Frauen, die nicht genug Geld verdienen, deren Arbeit nicht rentabel ist und z. B. drei Kindern haben und sich ein Kindermädchen nicht leisten können. Es ist dann weniger Stress ohne Arbeit oder mit einem kleinen Job. Ich denke, es gibt viele Frauen in dieser Situation. Ich denke, auf der anderen Seite gibt es immer noch Frauen, die tatsächlich sehr reich sind und nicht arbeiten brauchen. Ich weiß viel darüber, weil ich in einem Netzwerk bin, in dem es einige gibt. Es existiert also immer noch. Aber sie sind nicht zahlreicher als die Frauen im mittleren Management, die einen Job haben, der nicht sehr wichtig ist. Ich denke, das sind die zwei Pole. Und ich denke, dass bei den meisten jungen Paaren heute beide arbeiten, denn

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die 20 bis 30-jährigen wollen beide einen interessanten Job. Es ist ausgeschlossen, zu Hause zu bleiben.

4.9 Image der Französin – bewunderte Alleskönnerin Das Image der französischen Frau in der Welt ist viel bewundert und diskutiert und eine Projektionsfläche. Sie verkörpern weltweit das Klischee der Pariserin und damit unabhängig, beruflich erfolgreich, schön und feminin zu sein. Französinnen sind demnach ehrgeizige Managerinnen, sexy und modebewusst. Sie erfüllen von außen betrachtet das Klischee der Superfrauen, die einfach alles perfekt hinkriegen: Karriere, Liebe, Schönheit und Familie. Um eine wahre Frau zu sein, muss die Französin überall leistungsfähig sein und folgt man den Veröffentlichungen zu diesem Thema, alle Rollen einer Frau besser meistern als sonst wo auf der Welt. Französische Feministinnen der heute älteren Generation halten an dem erkämpften Ideal fest und sind verärgert über jüngere Frauen, die ihre Probleme und ihre Belastung damit äußern. Die Französinnen sehen sich mehr und mehr in einer sozialen Doppelbelastung gefangen – eine gute Mutter sein und trotzdem Karriere machen – unter dem Druck neuer Ideale und durch ihre eigenen Widersprüche. Man hat ihnen zu verstehen gegeben, dass sie alles machen, alles erleben, alles haben können – der Rückfall ist real und oft hart. Die Norm für Frauen in Frankreich ist es, Karriere zu machen, in der Liebe perfekt zu sein und zwei bis drei Kinder aufzuziehen. In 40 Jahren haben die Französinnen das Recht erkämpft, in alle Bereiche der Männer zu gehen. Die meisten französischen Männer folgen der Entwicklung allerdings nicht und übernehmen ihren Teil der häuslichen Aufgaben nicht. Sie kämpfen um die Verteidigung ihrer Vormachtstellung. Es ist diese besagte Rollenteilung, im intimsten, persönlichsten Bereich, die die Französinnen am meisten belasten. Die Französinnen haben bisher keine gleichmäßige Verteilung elterlicher Pflichten erreicht. Diesen Kampf führen manche Frauen mit den Männern oder gegen sie, aber auch gegen sich selbst. Denn es bedeutet, zu Hause die Oberhand zu verlieren. Die Aussagen darüber, wie Frauen in hohen Unternehmensfunktionen in Frankreich in der Gesellschaft angesehen werden, sind ambivalent. Einerseits beschreiben die Frauen, dass es in Frankreich natürlich normal sei, dass eine Frau Vollzeit arbeitet und wenn sie das gut macht, wird es sehr positiv gewertet. Frauen in Führungspositionen, die es geschafft haben, werden bewundert und als Vorbilder für andere Frauen gefeiert. Andererseits beschreiben Frauen verschiedene Stereotype, die den Frauen in hohen Positionen anhaften. Die Beschreibungen gehen im negativen Sinne von „sie verhält sich wie ein Mann“ über Beurteilung, dass mit so einer Frau „etwas falsch sein müsse“ bis hin zur Vermutung, dass diese Frauen sicher nur über Protegés in den Job gekommen sind. Weiterhin unterstellt man den Managerinnen, dass sie wohl psy-

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chologische Probleme und keinen Mann gefunden haben oder keine Kinder bekommen können. Kurz um, etwas sei falsch mit diesen Frauen. Frauen werden in der Presse nicht nur aufgrund ihrer Leistungen bewertet, sondern vor allem hinsichtlich ihres Aussehens und ihrer Kleidung. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Image von weiblichen Führungskräften in der Gesellschaft wird erneut argumentiert, dass es an den Frauen selber liegt, ob sie erfolgreich sind oder nicht. Die interviewten Frauen gehen von der Imagefrage schnell zur Frage über, wieso es immer noch weniger Frauen auf Top Level gibt als Männer. Die Antwort ist dieselbe. Viele Frauen bleiben lieber in ihrer Komfortzone und suchen Sicherheit, geben dieses aber weder vor anderen noch vor sich selber zu. Sehr viele Frauen, so die Meinung der älteren Französinnen, streben nicht wirklich hohe Führungspositionen an. M.: Frauen wollen ihr Leben nicht ganz der Karriere opfern. Und solange sie nicht das Gewicht in der Gesellschaft haben, um dies zu ändern, komme ich auf das Thema Arbeitswerte zurück. Die Werte haben sich geändert. Arbeit ist nicht mehr das erste Ziel. Es ist eines der Ziele im Leben von Frauen. Und das heißt nicht, dass es negativ ist. Und wenn Sie heute Berufe wie Medizin oder Recht haben, die feminisiert sind, werden sie abgewertet. Sie werden abgewertet, weil Frauen nicht mehr so arbeiten wollen wie Männer. Es ist ziemlich klug, denke ich, aber es wird nicht als intelligent erkannt. Weil wir kein politisches Modell haben, welches den neuen Werten entspricht. Ich liebe unseren Präsidenten. Emmanuel Macron ist ein fantastischer Präsident, wir haben einen Präsidenten, der 24 Stunden am Tag arbeitet. Mit Ministern, die 24 Stunden am Tag arbeiten. Und im Norden, in Nordeuropa gibt es einen Minister, der Vaterschaftsurlaub genommen hat. Und solange wir kein solches Modell haben, bleiben wir in einer Gesellschaft mit den alten Werten. Und das wollen Frauen nicht mehr.

Wie bereits dargestellt wurde, müssen Frauen in Führungspositionen in Frankreich aus gesellschaftlicher Sicht an allen Fronten gut sein- im Beruf, als Geliebte, als Mutter und Hausfrau. Der Druck, alle Rollen zu erfüllen ist hoch. Dabei ist auffällig, dass der Bereich Haushalt und Kindererziehung auch weiterhin primär den Frauen, nicht aber den Männern zugeordnet werden. Diese Bereiche lasten in den meisten Fällen allein auf den Schultern der Frauen, die dann versuchen, die Aufgaben so weit möglich zu delegieren. In der französischen Gesellschaft hat sich Gleichstellung somit in Bezug auf das staatliche Regelwerk vollzogen. In Bezug auf die Kinderbetreuung bleibt das System trotz der vielen Maßnahmen im Hinblick auf die zeitlichen Anforderungen an eine Führungsposition lückenhaft. Frauen dürfen und sollen Vollzeit arbeiten. Jedoch wird erwartet, dass sie Haushalt und Kinderbetreuung hauptverantwortlich organisieren. Der Druck äußerlich attraktiv zu sein, ist schon allein wegen des Stereotypen der immer attraktiven Französin hoch und höher als in einem Teil der anderen Länder der Untersuchung. Dies gilt auch für Frauen in Führungsfunktionen. Ag.: Ich bin nicht sicher, ob sie sie so sehr schätzen wie einen Mann. Wenn ein Interview mit einer Frau, einer Politikerin oder einer Frau in der Wirtschaft stattfindet, beginnt der Journalist immer: Frau XY war es gekleidet mit einem Nanana-Kleid etc. Sie werden das niemals über einen Mann

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sagen. Also in der Gesellschaft ist die Frau nicht nur ihr Gehirn und ihre Intelligenz. Wir bewerten, wie sie aussieht. Alle Artikel über Topmanagerinnen sprechen immer über Körperlichkeit, Kleidung usw. und ich finde es unerträglich. M.: Ich denke, in der Geschichte haben französische Frauen immer viel gearbeitet. Es war aber nicht sichtbar. Und diejenigen, die nicht arbeiteten, hatten eine soziale Rolle. Die französische Frau hat immer etwas getan, sie ging nach außen. Die Armen arbeiteten mit ihrem Ehemann zusammen. Und die Reichen hatten eine soziale Rolle, sie hatte Salons, große Essen, Empfänge. Sie hatte eine soziale Rolle. Heute, denke ich, wird absolut nicht kritisiert, dass eine Frau arbeitet. Die französische Gesellschaft wirft keiner Frau vor zu arbeiten. Weil es in unserer DNA ist. Was heute schwierig ist, ist, dass eine 40-jährige berufstätige Frau immer noch in ihrer Rolle als Mutter ist, immer noch für die Familie, das Haus verantwortlich ist und dass der Mann nur langsam anfängt, seinen Teil zu tun. Ich denke, dass die Frau völlig in die Arbeitswelt eingetreten ist, aber diese Männer bleiben vor der Haustür der privaten Welt. In den letzten 20 Jahren sehen wir eine Entwicklung, wir sehen Männer auf der Straße, die Babys tragen, wir sehen Männer, die sich um ihre Kinder kümmern. Es gibt aber immer noch wenige, die Vaterschaftsurlaub nehmen und sich in die Bildung von Kindern einbringen. Es gibt also immer noch ein Thema, das nicht geteilt wird, und die französische Frau, die arbeitet, hat einen großen Druck, als Mutter, als Führungskraft oder als Frau perfekt zu sein. Sie muss überall perfekt sein. Es ist unmöglich. L.: Ich denke also, dass es eine ziemlich positive Entwicklung gibt. Ich habe bei einem Termin zum Beispiel vorkurzem an der Spitze der XY Gruppe eine Frau kennengelernt. Wow. Also, ich denke, ein positives Image. Denn wenn sie sich in diesen Kreisen bewegen, die sehr politisch sind, dann heißt das auch, dass sie viel Persönlichkeit, Temperament usw. hat, um sich einen Platz in diesen Kreisen zu erobern. Al.: Dass sie ihr Leben geschafft hat, wenn sie beides macht, Karriere und Kinder. In Frankreich sagen wir, es ist großartig, es ist sehr beeindruckend, Bravo. Wirklich großartig. Danach gibt es zwei Visionen von den Dingen. Es gibt Leute, die sagen „Ja, aber sie hat ihre Kinder zurückgelassen“ oder „Ja, aber sie ist sehr reich, Sie verstehen, sie hatte Geld, um für Kindermädchen oder Organisationen zu bezahlen“, „Ja, aber …“ Ich finde, dass man oft bewertet wird für etwas, das selbstverständlich sein sollte. D.: So haben wir oft Syndrome von sogenannten „Lonelies“, was bedeutet, dass die Frauen, die ganz oben stehen, sehr einsam sind und umgeben von Männern. Und ich denke, dass die Klischees gegenüber diesen Frauen immer noch sehr negativ sind, weil sie von den Männern hören: „Oh ja, sie ist hier, weil sie eine Frau ist.“ Über einige Frauen wird man sagen, dass sie ihre Familie vernachlässigen. Frauen, die oben angekommen sind, werden mehr und immer mehr gerichtet. Auch wenn sie sehr intelligent, sehr kompetent und die ideale Person für die Position ist, wird sie meiner Meinung nach weitaus mehr als ein Mann beurteilt. Es passierte kürzlich bei der Diskussion einer Shortlist für eine CFO-Stelle. Es gab drei Kandidaten: eine Kandidatin, zwei Männer. Und mir wurde gesagt „Na, ist doch klar! Sie ist sehr ehrgeizig! Sie ist sehr aggressiv! Die hat alles dafür getan!“ Ich glaube nicht, dass jemand das jemals über einen männlichen Kandidaten gesagt hätte. Is.: Image? Ich denke, es gab viele ziemlich bemerkenswerte Frauen, die Türen geöffnet haben, wie Simone Veil, eine Frau aus der Politik, die Abtreibung in Frankreich legalisierte. Es muss in den 80ern gewesen sein. Sie öffnete wirklich geschlossene Türen. Ich denke, dass es Frauen wie Christine Lagarde gibt, die in den Vereinigten Staaten bekannt sind und das Ganze vorantreiben. Es gab weibliche Schriftsteller. Es gab Frauen wie George Sand, die auch Türen öffneten. Vor ihnen gab es Wissenschaftler wie Marie Curie. Ich denke, es gibt Traditionen, in denen es starke Frauen in der französischen Geschichte gab, angefangen mit Jeanne d’Arc. In Frankreich hat es schon immer eine Tradition mit starken Frauen gegeben. Schriftstellerinnen, Dichterinnen, Künstlerinnen. Es gibt heute nicht viele Frauen, die CEOs sind. In der CAC 40, der französischen Notierung, sind die vierzig

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größten Unternehmen, da ist nur eine Frau, Isabelle Kocher bei Engie. Und der Rest sind Männer. Es gibt aber auch weibliche Astronautinnen, Claudie Haigneré, die Frau, die die meiste Zeit im Weltraum verbracht hat. Es gibt immer noch viele Bilder von Frauen, die trotz der Unterschiede in ihrem Bereich erfolgreich waren. M.: Ich denke, vor 20 Jahren war das Bild nicht dasselbe. Ich glaube, vor 20 Jahren galten erfolgreiche Frauen als Frauen, die wie Männer aussahen. Und ich denke, dass es sich heute geändert hat und, dass eine erfolgreiche Frau nicht mehr wie ein Mann aussehen muss. Oh, ich glaube nicht, dass es eine Antwort gibt. Ich denke, es gibt zwei Arten von Erwartungen. Es gibt Frauen, die wie Männer aussehen, und das ist keine gute Idee. Es ist eine Erwartung der Gesellschaft. Bei den Politikerinnen, die wir hatten, mussten viele wie Männer aussehen, um zu überleben. Ich denke, dass wir das heute nicht wollen, wir wollen das nicht mehr. Gleichzeitig ist die andere Seite nicht bereit zu akzeptieren, dass eine Frau, wenn sie nicht wie ein Mann aussehen möchte, wie eine Frau aussehen wird. Und das stört wieder. Ag.: Dies liegt daran, dass es immer das Gefühl gibt, nicht legitimiert zu sein. Das ist immer das Problem. Es ist so, dass Frauen es immer schwer haben, weil sie denken, dass sie wenige sind, dass sie nicht unbedingt an der richtigen Stelle sind, dass der andere vielleicht recht haben kann. Sie zweifeln. Es gibt immer diesen Zweifel. Über sich selbst, über ihre Fähigkeiten usw., weil man ihnen das jahrhundertelang angetan hat und ihnen erklärt hat, dass sie minderwertig sind. Es gibt also immer noch etwas von dieser ganzen Geschichte. Es ist wirklich mental. Es ist wirklich etwas, das in unseren Köpfen verwurzelt ist. Es gibt keinen objektiven Grund.

5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen Die Zahlen zeigen: Es gibt sie kaum. Weibliche Topmanagerinnen in Japan. Ihre Karrierewege sind Ausnahmeerscheinungen in einem Arbeitssystem, in dem Frauen im Management weiterhin eher temporär und als Assistentinnen vorkommen. Und doch gibt es sie. Japanische Frauen, die es in hohe Führungsfunktionen multinationaler und heimischer Konzerne geschafft haben.

5.1 Externe Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Japan Japan war über viele Jahre die zweit größte Wirtschaftsmacht der Welt nach den USA und gleichzeitig eines der führenden Länder, wenn es um die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen geht. Japan ist auch eines der komplexesten Länder der Welt. Vieles, was auf den ersten Blick als eindeutiger Sachverhalt erscheint, ist in Wirklichkeit vieldeutig oder gar zwiespältig. Dies gilt insbesondere für die Rolle der Frau in Japans Gesellschaft. Traditionelle Verhaltensweisen mischen sich hier mit modernen Anforderungen und Ambitionen.

Schlusslicht mit neuen Zielen in der Frauenfrage Die Frage, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen in Japan gibt, beschäftigt viele Wissenschaftler und Feministen. Obwohl die Anzahl gut ausgebildeter Frauen in Japan in den letzten Jahren kontinuierlich anstieg, ist Japan Schlusslicht der Wirtschaftsnationen, wenn es um die Beteiligung von Frauen an den Führungspositionen geht. In Japans Wirtschaftselite und Politik finden sich kaum Frauen. In der Studie des World Economic Forums aus dem Jahr 2017 lag das Land abgeschlagen auf Platz 114 von 144 Plätzen. Bewertet wurden der Zugang zur berufliche Karriere, Politik, Bildung und Gesundheit. Sowohl in der Wirtschaft wie auch in der Bildung hat Japan in den letzten Jahren nur leichte Fortschritte gemacht. Die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau sind etwas kleiner geworden und zugleich erreichen immer mehr Frauen eine höhere Ausbildung. In der politischen Beteiligung liegt der Frauenanteil dort nicht einmal bei zehn Prozent. Japan liegt in der Unterkategorie „Frauen im Parlament“ sogar nur an Stelle 129 der Untersuchung. Politik ist in Japan eine ausgesprochene Männersache. Selten schaffen es Frauen in ein Ministeramt, und der Posten des Regierungschefs liegt wohl noch auf lange Zeit außerhalb ihrer Reichweite. Beispiele für die wenigen Frauen in der Politik in Japan sind die Außenministerin Makiko Tanaka, die sich aber nur kurzfristig hielt, und die ehemalige Flüchtlingskommissarin Sadako Ogata. https://doi.org/10.1515/9783110709094-005

5.1 Externe Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Japan

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Dabei sind Japans Frauen in vielen Bereichen Spitze. Sie haben nicht nur die höchste Lebenserwartung, sie bleiben auch in Sachen Lese- und Schreibfähigkeit sowie in der allgemeinen Grundausbildung weltweit an erster Stelle. Sobald es darum geht, die Frauen vollwertig in den wirtschaftlichen und politischen Prozess einzubinden, schneidet Japan im internationalen Vergleich regelmäßig schlecht ab. Der japanische Premierminister Abe hat deswegen im Jahr 2014 Gegenmaßnahmen, die sogenannten „Womenomics“ eingeleitet, nach denen bis zum Jahre 2020 30 Prozent der Führungskräfte weiblich sein sollen. Eine stärkere Beteiligung von Frauen in allen Bereichen von Wirtschaft und Politik sei, so der Premier damals, notwendig für das zukünftige wirtschaftliche Wachstum des Landes. Japan könnte gemäß Lewis bei einer besseren Integration der Frauen in den Arbeitsprozess sein Bruttoinlandsprodukt um bis zu 15 Prozent steigern. Dieses wirtschaftliche Argument, die tiefe Geburtenrate sowie die alternde Bevölkerung haben nach Jahren der Untätigkeit zu einem allmählichen Umdenken in Politik und Wirtschaft geführt. Ähnlich der auf Freiwilligkeit beruhenden Quotenvereinbarungen in anderen Nationen, sollten Frauen in Japan an allen öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Entscheidungspositionen beteiligt werden. Die Regierung erkennt damit das Potenzial der Frauen an, denn laut Abe selbst sind Frauen die „am wenigsten genutzte Ressource des Landes“. Viele Beobachter verweisen jedoch darauf, dass es an weiteren, präziseren Maßnahmen und der Umsetzung dieser mangele. Das Gleichstellungsamt Danjo Kyodo Sankaku Kyoku kündigte laut Mollmann bereits Ende des Jahres 2015 an, dass eine Positionierung mit sieben Prozent Frauenanteil an höheren Führungspositionen bis zum Jahr 2021 eher realistisch sei.

Die Rolle der Japanerinnen in der Gesellschaft- von frauenzentrierter Macht zu Unterwerfung unter den Mann Bis zum Beginn der Muromachi Zeit des 14. Jahrhunderts war die japanische Gesellschaft frauenzentriert. Religiöse Göttinnen sowie eine Vielzahl von Kaiserinnen bestimmen laut Iwao die Kultur und Politik des Landes bis zu dieser Zeit. Amaterasu-ōmi-kami, die „am Himmel scheinende große erlauchte Göttin“, ist die wichtigste Gottheit der Shinto Religion. Sie personifiziert die Sonne und das Licht und gilt als Begründerin des japanischen Kaiserhauses. Man glaubte damals, Frauen besäßen die übernatürlichen Fähigkeiten, mit Göttern kommunizieren zu können; eine Kraft, die Männer nicht besaßen. Gerade zwischen dem dritten und achten Jahrhundert gab es häufig weibliche Herrscherinnen in Japan, so auch sechs weibliche Kaiserinnen. Lange Zeit in der Geschichte Japans besaßen Frauen große Freiräume und arbeiteten unter gleichen Bedingungen wie Männer. Sie dominierten die Literatur bis in das 12. Jahrhundert und besaßen das Erbrecht. Sie hatten Zugang zur Bildung und konnten sich diskret frei ihre Liebhaber wählen. Bis zum 11. Jahrhundert war es aufgrund der um Frauen zentralisierten Gesellschaft auf allen sozialen Ebenen üblich, dass der Mann nach der Hochzeit zu der Familie der Frau zog, oder er getrennt von ihr

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lebte und seine Frau nur an bestimmten Nächten besuchen durfte. Diese Frauenherrschaft wurde noch lange von den einfachen Leuten wie Bauern, Fischern oder Händlern in ländlichen Regionen, in denen damals etwa 80 Prozent der japanischen Bevölkerung lebten, weitergeführt. Das Leben der höhergestellten Frauen hingegen, hauptsächlich in der Klasse des Adels, wurde zunehmend vom Konfuzianismus bestimmt, in dem das Leben der Frau an die drei Gehorsamkeitspflichten und bestimmte Tugenden gebunden war. Die Gehorsamkeitspflichten bestanden je nach Lebenssituation der Frau aus der Gehorsamkeit gegenüber dem Vater, dem Ehemann und gegenüber ihrem Sohn. Die weiblichen Tugenden waren Sittsamkeit, geziemte Sprache, Fleiß und bescheidenes Auftreten. Mit dem verstärkten Einfluss des Konfuzianismus mussten Frauen in Japan zu den Familien ihrer Männer ziehen. Immer mehr arrangierte Ehen traten auf. Die Ehe wurde schließlich in vielen Fällen zu einer pragmatischen Verbindung, in der wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund standen. Reischauer beschreibt, dass in der Edo Zeit, vom 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts, Frauen den Männern komplett unterworfen wurden. Sie besaßen nur noch wenig Rechte und kümmerten sich um den Haushalt und um die Arbeit auf den Reisfeldern. In der Meiji Zeit bis zum Jahr 1912 verloren die Frauen weiterhin Macht, ihre Gleichberechtigung in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt war gering. Die japanische Gesellschaft wurde von Männern dominiert. Die Meiji Zeit entwickelte in Gesetz und Ideologie ein hierarchisch aufgebautes, traditionell orientiertes Familienmodell, in dem jedes Mitglied eine durch Alter und Geschlecht vorgeschriebene Rolle einnahm und das bis nach dem Jahr 1945 die Familie in Japan charakterisierte. Die Erziehung der Frau zielte auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter. Das traditionelle Frauenbild war, so berichtet Iwao, lange Zeit geprägt vom Bild der sogenannten ryōsai kenbo, der „guten Ehefrau und weisen Mutter“. Die Frauen der Vorkriegsgeneration, die um das Jahr 1935 geboren wurden, akzeptierten dieses Bild, und konzentrierten sich auf die Arbeiten im Haushalt und die Erziehung der Kinder. Sie stärkten ihren Männern, den Brotverdienern, den Rücken. Unter diesen Standards wurden sie aufgezogen und auch mit dem Bewusstsein, dass Männer ihnen als überlegen galten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Rechte der Frauen durch die Verfassung aus dem Jahr 1947 neu definiert, die spezielles Augenmerk auf die Gleichberechtigung der Geschlechter legte. Das Frauenwahlrecht war erst im Jahr 1945 eingeführt worden. In der ersten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Frauen Zugang zu Bildung gewährt. Sie wurden unter der Prämisse aufgezogen, Gleichberechtigung sei eine Notwendigkeit. Trotz neuer Gesetze und der Versuche, die Gleichberechtigung durchzusetzen, war ein traditionelles Bild der Frau fest in der japanischen Gesellschaft verankert. Von ihnen wurde erwartet, dass sie die Rolle der traditionellen Hausfrau übernahmen. Mehr und mehr Frauen war das nicht genug und sie strebten nach Aktivitäten außerhalb des eigenen Heims. Die feministische Bewegung in Japan begann im späten 19. Jahrhundert. Zu den bedeutenden frühen Erfolgen gehört die Zulassung zur politischen Beteiligung Anfang der 1920er-Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Verhältnis der arbeitenden

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Frauen aus der Gesamtheit aller Frauen die höchste aller Industrieländer. Gesetze wie das Gleichstellungsgesetz und die Konstitution aus dem Jahr 1947 erlaubten es Frauen, nun in typische Männerberufe tätig zu sein, wie zum Beispiel in den Feldern Medizin, Politik oder der Rechtsprechung. Im Jahr 1991 wurde ein Gesetz zum Mutterschutzurlaub eingeführt, der Frauen eine einjährige Babypause ermöglichte. In den folgenden Generationen veränderte sich das Bild der Frau ständig. Zum Beispiel wurde durch die neue Verfassung Japans, die sich an dem Rechtssystem der USA orientierte, größerer Wert auf die Gleichberechtigung der Frauen gelegt. Sie wurden mit der Zeit unabhängiger und selbstbewusster, mussten sich aber dennoch um Familie und Haushalt kümmern, sodass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig war und immer noch ist.

Das Bild der Japanerin in der Welt Beim Bild der Japanerin in der Welt herrschen noch immer Vorurteile und Klischees vor. Am häufigsten tauchen die Bilder von Madame Butterfly oder einer Geisha auf. Die von Ausländern bewunderte Höflichkeit der Japaner, wird durch die Ästhetik und Umgangsformen von den japanischen Frauen überall im Land und besonders in der Service Dienstleistung geprägt. Japanische Männer sind demgegenüber in den stereotypischen Wahrnehmungen einer japanischen Männergesellschaft Machos. Wie kaum ein anderes asiatisches Land hat Japan im Verlaufe seines Modernisierungsprozesses westliche Vorbilder und westliche Lebensweisen übernommen. Dennoch, hinter all diesen globalisierten und verwestlichten Fassaden verbergen sich japanische Identitäten und japanische Traditionen. Dies gilt gerade auch für die Rolle der Geschlechter im Alltag. Auch wenn das japanische Frauenbild sich immer weiter verändert, kann man sagen, dass gewisse Klischees bestehen bleiben. Danach sind japanische Frauen tüchtig, gehorsam, ausgesprochen nett und zart, zierlich und süß. Es gibt bedeutende Geschlechtsunterschiede in der japanischen Sprache. Das Wort onnarashi, das gewöhnlich mit „fraulich“ oder „feminin“ übersetzt wird, bezieht sich auf das typischerweise von einer Japanerin erwartete Verhalten und den Sprachstil, der auch als „Frauenworte“ oder „Frauensprache“ bezeichnet wird. Einige Merkmale der Frauensprache sind eine hohe Stimmlage, häufigerer Gebrauch von Höflichkeitsformen und der Gebrauch „typisch weiblicher“ Wörter.

Japanische Traditionen im Arbeitsleben mindern Chancen für Frauen Verschiedene Forscher wie Kaminski, Yuasa und Terri haben die vertikale Geschlechter Segregation in japanischen Unternehmen untersucht, welche im Management maßgeblich von einer Hierarchie der Alterszugehörigkeit geprägt ist. Die Forscher sehen den Schlüssel zur Gleichstellung von Frauen im Management in Japan in den dort fest verankerten Unternehmenstraditionen, wie lebenslange Unterneh-

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menszugehörigkeit ohne Beschäftigungspausen und altersbezogene Beförderungen. Frauen befinden sich in Japan weiterhin auf den unteren hierarchischen Rängen, den kakaricho der Unternehmen, in denen leichte Zuwächse auf nun 15 Prozent bis in das Jahr 2011 zu verfolgen sind. Auch im mittleren Management, bucho, sind Frauen wenig vertreten und die Zahlen verschwindend gering. Diese niedrigen Anteile werden zurückgeführt auf das traditionelle Arbeitsmodell, in dem der Ehemann eine lebenslange, gesicherte Stellung im Unternehmen einnimmt und die Ehefrau ihm zu Hause den Rücken stärkt. Diese Tradition legitimiert die beschränkten beruflichen Möglichkeiten von Frauen in Unternehmen, die auf Assistentinnen Rollen festgelegt sind. Vor allem das Steuersystem begünstigt die klassische Rollenverteilung: Verdient die Ehefrau weniger als der Mann, steht ihr eine staatliche Rente zur Verfügung, in die sie nicht einzahlen muss. Der Ehemann hat Anspruch auf eine Steuererleichterung. Männer, deren Frauen überhaupt nicht berufstätig sind, erhalten auch vom Unternehmen Zuschüsse auf das Gehalt. Das Belohnungssystem im lebenslangen Arbeitsmodell Japans fördert nur diejenigen, die dem Unternehmen ohne Unterbrechungen am längsten dienen. Frauen sind hier generell benachteiligt, da angenommen wird, dass sie aufgrund von Ehe und Mutterschaft den Erfordernissen dieses Models nicht nachkommen werden. Die Chancen auf Beförderung für Frauen in Japan stehen im Vergleich zu Männern schlecht. Erst nach etwa 20 Jahren im Business haben sie laut der Forscherin Ziegler eine wirkliche Chance, in Managerpositionen aufzusteigen und diese Chance können viele nicht wahrnehmen, denn nach der Geburt des ersten Kindes, steigen viele Frauen für mehrere Jahre komplett aus dem Arbeitsleben aus. Einige kehren mit etwa 40 Jahren auf den Arbeitsmarkt zurück, dann jedoch nur als Teilzeitkraft, was Beförderungen und hohe Verdienste ausschließt. Die Arbeitswelt der Frauen lässt sich daher mit einer „M-Kurve“ beschreiben: Unter jungen Erwachsenen ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten hoch, denn vom Bildungsgrad her sind sie oftmals gleichauf mit ihren männlichen Kommilitonen, mit Ende zwanzig, dem Alter, in dem viele Kinder bekommen, bricht diese Kurve rapide ein und erst mit Mitte vierzig, mit dem Zurückkehren der Frauen auf den Arbeitsmarkt, steigt die Kurve wieder an. Die Balance zwischen Arbeits- und Familienleben finden viele Frauen nicht, denn die langen Arbeitszeiten, typische Besprechungen in Bars nach der Arbeit und das System der innerbetrieblichen Rotation, nach dem die Mitarbeiter etwa alle drei Jahre in eine neue Abteilung oder an einen neuen Standort versetzt werden, stehen der Vereinbarkeit mit Familie entgegen. Es gibt kaum weibliche Vorbilder in Führungspositionen, an denen die Frauen sich orientieren können. Ein Großteil der japanischen Frauen entscheidet sich aufgrund der vorherrschenden Traditionen gegen eine Karriere im Management. Dieses erklärt, warum in Japan im mittleren Management in 2014 laut der Japan Times nur etwa zwölf Prozent und in Vorständen nur knapp unter drei Prozent der Mitarbeiter weiblich sind. Die internationale Befragung von Grant Thornton ermittelt für das Jahr 2017 einen Frauenanteil von sieben Prozent an den Senior Managementpositionen Japans. Japan ist also nach Deutschland das

5.1 Externe Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Japan

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Schlusslicht der Betrachtung der vorliegenden Forschung, wenn es um Frauen in hohen Managementfunktionen geht. Die japanische Forscherin Kumiko Nemoto beschreibt wie die Einstellungs-, Gehalts- und Beförderungspolitik in japanischen Unternehmen die Masse der Frauen ausschließt und nur wenigen erlaubt, an die Spitzen von Unternehmen zu gelangen. Das japanische Arbeitsmodell unterstützte die wirtschaftliche Absicherung von Männern, nicht aber die von Frauen. Gender Ungleichheit und Vorurteile Frauen gegenüber sind tief verankert in den von lebenslangen Beschäftigungsmodellen geprägten Unternehmenskulturen. Lange Arbeitszeiten, Stereotype bei Einstellungen, Beförderungen und Bezahlung stehen der staatlichen Zielvorgabe aus dem Jahr 2014 im Wege. Japanische Frauen erhalten für dieselbe Tätigkeit im Schnitt ca. 27 Prozent weniger Gehalt als Männer. Mittlerweile gibt es jedoch auch in Japan das Women Corporate Directors (WCD), welches Frauen in Führungspositionen unterstützt und einen kulturellen Wandel der Gleichberechtigung der Frau sowohl in Japan als auch international bewirken soll.

Mutterschaft und Karriere in Japan Die Idee der Hochzeit hat zwar in Japan durch das Bild der unabhängigen, starken Frau, welches durch die Medien in den 1990er-Jahren verbreitet wurde, nicht mehr den Stellenwert, wie es früher einmal hatte, dennoch ist es heute noch ein großes Thema in der japanischen Gesellschaft. Zum Bild der Frau in Japan gehört, dass sie heiratet und Mutter wird. Die Bedeutung der Mutterschaft wird unter anderem in den Anstrengungen deutlich, die viele Frauen unternehmen, um Mutter zu werden. Ein eigener Begriff, Ninkatsu, fasst alle die Maßnahmen zusammen, die Frauen unternehmen, um schwanger zu werden. Oft geben Frauen zur Vorbereitung auf eine Schwangerschaft ihren Arbeitsplatz auf. Der klassische Werdegang der Durchschnittsjapanerin sieht weiterhin wie folgt aus: Nach einer guten Schulausbildung heiratet in ihren Zwanzigern einen berufstätigen Mann und kümmert sich von nun an um das Aufziehen der Kinder, den Haushalt und ihren Ehepartner. Sind japanische Frauen Mütter geworden, ziehen sich 60 Prozent von ihnen aus dem Berufsleben zurück. Nach der Geburt des ersten Kindes unterbrechen sieben von zehn Japanerinnen für ungefähr zehn Jahre ihre Berufstätigkeit. Ihre primäre Rolle in der Gesellschaft ist es dann, sich um Kinder und Ehemänner zu kümmern. Der Mann hingegen geht arbeiten, um die Familie zu versorgen. Ein Haushalt mit Kindern, in dem beide Partner berufstätig sind, ist eher ungewöhnlich. Großteils übernehmen japanische Frauen nach einer Familienphase eine Arbeit in Teilzeit. Der gesellschaftliche Status der Hausfrau definiert sich über die Position des Mannes und über den Erfolg der Kinder in der schulischen Laufbahn. Ein späterer Wiedereinstieg ist nur schwer zu schaffen. Also bleiben die meisten Frauen nach der Familiengründung ohne Berufstätigkeit.

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

Das durchschnittliche Heiratsalter der japanischen Frauen liegt bei 28,6 Jahren. Haben Frauen das heiratsfähige Alter überschritten, widmen sich viele ihren Hobbys oder der Karriere. Frauen, die mit über 30 Jahren noch unverheiratet und kinderlos sind, gelten als Makeinu, „Verliererhunde.“ In der Berufswelt herrscht nach wie vor die traditionelle Auffassung von der Mutter- und der Vaterrolle vor. Das japanische Steuer- und Sozialsystem bietet finanzielle Anreize für die Einverdienerehe: Hat eine Ehefrau nur ein sehr geringes oder kein Einkommen, erhält ihr Mann Steuererleichterungen, und ihr steht eine beitragsfreie staatliche Rente zu. In vielen Firmen ist es zudem üblich, Männern mit nicht erwerbstätiger Ehefrau, einen Gehaltszuschuss zu zahlen. Es bleibt zu diskutieren, ob trotz der geschilderten Rollenverteilung die Bezeichnung „schwaches Geschlecht“ für japanische Frauen zutreffend ist. Marktforscher wissen, dass in Japan bei vielen wichtigen Kaufentscheiden die Meinung der Frau den Ausschlag gibt. Auch ist es in den städtischen Mittelschichten üblich, dass der Ehemann am Monatsende sein ganzes Gehalt der Frau übergibt und von dieser ein Taschengeld erhält. Bei japanischen Ehepaaren geht man traditionell davon aus, dass die Frau im Haushalt und der Familie die Entscheidungshoheit hat. Zwar zeigen Frauen gegenüber Dritten stets Hochachtung für den Ehemann, doch haben die Frauen bei wichtigen Entscheidungen oft das letzte Wort. Eine Befragung aus dem Jahr 2012 zeigt, dass 51,6 Prozent der Befragten in Japan für die klassische Rollenverteilung sind. Familie hat in Japan, wie auch in anderen asiatischen Ländern einen hohen Stellenwert. Männer beteiligen sich entsprechend der Rollenverteilung kaum oder gar nicht an häuslichen Aufgaben. Frauen in Japan wenden im Durchschnitt täglich dreieinhalb Stunden für den Haushalt auf, Männer hingegen nur acht Minuten. Lange Arbeitszeiten der Männer und weite Wegstrecken zum Arbeitsplatz begünstigen diese familiäre Rollenverteilung. Bis heute bleibt vielen Frauen in Japan nichts anderes übrig als sich zwischen Beruf und Kinderwunsch zu entscheiden. Beides zu kombinieren stößt in der japanischen Unternehmenskultur auf wenig Akzeptanz. Ein späterer beruflicher Wiedereinstieg ist schwierig und oft nur im Teilzeitverhältnis möglich. Außerdem stehen Frauen hinsichtlich einer Karriere unter hohem Druck, vorrangig aufgrund langer Arbeitszeiten und der vorherrschenden Erwartung, dass allein Frauen ältere Familienmitglieder versorgen. Da der Schulerfolg japanischer Kinder vor allem vom Rang der erreichten Schule abhängt, steht ein Schulwechsel einem Umzug bei Arbeitsplatzwechsel oft entgegen. Frauen bleiben also oft bei Versetzungen ihrer Ehemänner am gleichen Ort. Staatliche und private Kindertagesstätten gibt es zwar, jedoch sind sie selten und teuer. Die Warteliste für einen Betreuungsplatz gerade in Städten ist lang. All dies hat zur Folge, dass nur ein Drittel der japanischen Mütter von jungen Kindern im Berufsleben tätig ist. Weibliche Führungskräfte bleiben in diesem Land noch immer eine kleine Sensation und Ausnahmeerscheinungen.

5.2 Karrierewege und Strategien der japanischen Frauen im Senior Management

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Ausbruch der Japanerinnen aus den Traditionen Die Zahl der Frauen an den japanischen Hochschulen hat sich in den letzten Jahren ständig erhöht. Im Jahr 1990 gingen nur 15 Prozent aller weiblichen Schulabgänger an die Universität. Heute sind es mehr als doppelt so viele. Allerdings ist bei männlichen Schulabgängern der Anteil derjenigen, die an die Universität gehen, mit 48 Prozent noch deutlich höher. Der Anteil der Frauen an der gesamten werktätigen Bevölkerung ist stetig auf über 40 Prozent gestiegen. Der Frauenanteil in der Altersgruppe von 30 bis 45 Jahren ist markant höher, was darauf hinweist, dass immer mehr Frauen entweder überhaupt nicht heiraten oder nach der Heirat weiterhin berufstätig bleiben. Nicht nur heiraten die Japanerinnen immer später, eine immer größere Zahl bleibt überhaupt unverheiratet. Der auf diese Gruppe gemünzte Begriff von den „parasitären Singles“ verurteilt Frauen, die ein unabhängiges Leben wählen und sich der traditionellen Frauenrolle entziehen. Ein Ausbruch aus den Traditionen ist in den letzten Jahren auch bei Frauen mittleren Alters zu beobachten gewesen. Immer mehr entschließen sich, sich scheiden zu lassen, wenn der Ehemann in Pension geht. Da oft beide Partner während des Berufslebens des Ehemannes quasi in parallel Welten leben, funktionieren viele Ehen nach der Pensionierung nicht mehr. Eine Möglichkeit für Frauen, trotz aller Barrieren der klassischen Unternehmenswelt Karriere zu machen, ist die Selbstständigkeit, die von immer mehr Frauen genutzt wird, wobei es sich bei solchen Unternehmen oft um kleine Cafés oder Bücherläden handelt, die auch der Selbstverwirklichung dienen.

5.2 Karrierewege und Strategien der japanischen Frauen im Senior Management Die befragten japanischen Frauen in dieser Untersuchung sind zwischen 49 und 56 Jahren alt und, bis auf eine geschiedene Frau, verheiratet. Sie haben in der Mehrzahl zwei Kinder. Zum Zeitpunkt des Interviews arbeiten sie in Tokio oder Osaka in multinationalen Unternehmen und japanischen Unternehmen. Sie haben Positionen als Präsidentinnen, Geschäftsbereichsleiterinnen oder strategisch wichtige Positionen in den Unternehmen. Einige führen in ihren Verantwortungsbereichen bis zu 650 Mitarbeiter. Die Mehrheit der Frauen hat in Japan Universitätsabschlüsse erworben. Zwei der Frauen haben dazu einen MBA aus den USA. Alle Frauen sprechen Englisch verhandlungssicher. Die Frauen habe breit angelegte Managementerfahrungen, die Bereiche wie Consulting, e-business, HR, Sales, Marketing, Corporate Strategie und Unternehmensleitung umfassen. Die Gruppe der Japanerinnen ist im Global Women Career Lab die anzahlmäßig kleinste Gruppe. Somit sind die Ausführungen kürzer, als die zu den anderen Nationen.

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

Karrierewege der Japanerinnen In den Karrierewegen der Japanerinnen finden sich neben den multinationalen Unternehmen auch japanische Unternehmen. Nur Einzelfälle arbeiten ausschließlich in japanischen Unternehmen. Die Mehrheit der Frauen wählte gezielt multinationale, ausländische Großkonzerne für den Karrierestart und den Aufstieg. Drei Karrierewege sind in der japanischen Frauengruppe dominant- Karriere in ausländischen Unternehmen mit Wechsel von Unternehmen und Land, Karriere in rein japanischen Unternehmen mit wenigen Wechseln und Wechsel von ausländischen Unternehmen in japanische Konzerne in späten Phasen und in höchste Führungsfunktionen. Die japanischen Frauen wechseln im Schnitt drei Mal das Unternehmen. Der Start der Karrierewege erfolgt in internationalen Unternehmen oder in Beratungsunternehmen. Die bewusste Entscheidung eine eigene Karriere im Management aufzubauen, wird als wesentlicher Erfolgsfaktor beschrieben. Dazu kommt eine sehr klare und starke Karriereorientierung, die sich von der Masse japanischer Frauen sehr differenziert. Die hier interviewten Frauen waren entschlossen ihre Berufslaufbahn im Management so weit wie möglich voranzutreiben und suchen Schlüsselpositionen, auf denen sie Einfluss und Entscheidungsmacht haben. Alle Frauen, bis auf eine Ausnahme, haben im Ausland gearbeitet. Einige in frühen Phasen der Karriere im Anschluss an einen MBA, andere später im zweiten Unternehmen. Zu den Auslandsstationen zählen die Länder USA, Deutschland und Schweden. Wechselentscheidungen waren primär durch die eigene Karriereorientierung bestimmt. Der Wunsch aufzusteigen bestimmte den Wechsel. Aber auch örtliche Überlegungen der Frauen spielten eine Rolle, vor allem solange ihre Kinder sehr jung waren. Die Erreichung höherer Funktionen bis hin zur Präsidentenposition oder Geschäftsführerin sind für die Frauen wichtiges Entscheidungsparameter bei Wechseln von Funktionen und Unternehmen. Die Frauen wollen gestalten und in Japan Rollenvorbilder sein. Sie sind sich bewusst, dass sie derzeit noch Ausnahmeerscheinungen sind und suchen die Vorbildrolle, um anderen Frauen Mut zu machen. Alle Frauen engagieren sich in ihren Unternehmen sowie in den Handelskammern und beruflichen Verbänden für die Frauenförderung. Aus den Schilderungen wird eine hohe Solidarität mit anderen Frauen in Japan deutlich. Gleichzeitig erkennen diese Frauen die Grenzen ihrer Mitarbeiterinnen und Kolleginnen, die nicht nur im System begründet sind. Die Karrierestrategien der Japanerinnen lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen: 1. Bewusstwerden der eigenen Karriereorientierung und herausfinden, was man als Frau im Leben erreichen möchte 2. Am Anfang der Karriere das richtige Unternehmen wählen, in dem für Frauen in Japan Aufstieg möglich ist 3. Internationalität und Auslandserfahrung als Wettbewerbsfaktor im multinationalen Unternehmen in Japan

5.2 Karrierewege und Strategien der japanischen Frauen im Senior Management

4. 5.

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Den richtigen Ehemann wählen, der die Karriere seiner Frau bedingungslos unterstützt Lernen, sich richtig darzustellen und die eigenen Stärken zu „vermarkten“

Der erste Punkt, eigentlich keine Karrierestrategie im engeren Sinne, kommt bei den Japanerinnen ein sehr hoher Stellenwert zu. Da das Managementsystem vor allem in den japanischen Konzernen eine Karriere für Frauen nicht vorsieht, ist der Aspekt des Bewusstwerdens der eigenen Karriereorientierung der Schlüsselaspekt, von dem die Entwicklung der Japanerinnen maßgeblich abhängen. Da sie einen Weg wählen, der quasi für sie als Frau weiterhin nicht angedacht ist, sind sie Exzeptionen des Managements im Land. Sie durchbrechen mit ihren Entscheidungen das traditionelle System und positionieren sich erfolgsbringend auf der Karriereleiter. Am Anfang steht dabei die Frage, die sich Frauen überall auf der Welt stellen. Die der Schwerpunktrolle im Leben. Für diese Japanerinnen ist ihr beruflicher Aufstieg klares Ziel und Quelle innerer Zufriedenheit und persönlichen Wachstums. Sie wählen bewusst Unternehmen, zumeist multinationale, in denen sie höhere Chancen für Frauen sehen. Aber auch die japanischen Unternehmen, die bei einigen Frauen den Karriereweg prägen, sind unter diesem Aspekt ausgewählt. M2: Am wichtigsten ist eigentlich der Ehrgeiz. Du musst ehrgeizig sein. Dann müssen Sie einen professionellen Anker haben, unabhängig von Mann oder Frau. Sie müssen wirklich an Ihre beruflichen Fähigkeiten oder Erfahrungen glauben, daran, dass Sie definitiv erfolgreich sein können. Mir wurde erst nach 20 Jahren im Job klar, dass ich irgendwann der Kopf der Organisation sein möchte. Ich möchte der Leiter der Organisation sein. Deshalb habe ich diesen Job als Präsidentin gewählt. M1: Ich glaube, ich hatte zu dieser Zeit einen sehr guten Sponsor und XY versuchte, die Organisation wirklich zu globalisieren, und ich denke, sie fanden es sehr einfach, eine Japanerin nach Europa und einen Europäer nach Japan zu versetzen und dass das die Globalisierung beschleunigen und verbessern würde. Ich denke, ich war die erste Asiatin im Büro und es war eine sehr einzigartige Erfahrung für mich. Es war auch mein erstes Mal in Europa. M2: Die erste Wahl von XY zu AB war, weil ich in Osaka bleiben wollte und eine Führungsposition einnehmen wollte und es auf meiner Ebene keine Führungsposition mehr für XY in Osaka gibt, also bin ich zu AB gewechselt. Dann wollte ich von AB zu TA zum Verbrauchergeschäft zurückkehren und auch der Leiter des Unternehmens sein. Da bin ich umgezogen. Ka.: Ich weiß, dass einige Leute sich große Sorgen machen, wie sie sich positionsmäßig unterscheiden. Ich tue dies aufgrund meiner inneren Leidenschaft und nicht so sehr wegen der Bezahlung oder des Titels oder wie andere Leute mich wahrnehmen, sondern eher wegen des inneren Wertes. Das bedeutet, Dinge zu tun, die richtig sind, im Gegensatz dazu, wie andere mich sehen oder bewerten. A: Als ich anfing, mich auch mit verschiedenen ausländischen verbundenen Unternehmen zu befassen, war das viel interessanter, weil sie sich viel mehr darauf konzentrierten, für die Position einzustellen und die Person für den Job zu sehen und nicht das Geschlecht. Ich denke, XY war von diesem Standpunkt aus sehr fortgeschritten. Ich fing bei supply chain an. Ich war die erste Frau im Einkauf, und mir wurde damals gesagt, dass Frauen nicht in den Einkauf können. Es gab einige leitende Angestellte, die das dachten, aber auch eine Handvoll Manager, die an meine Fähigkeiten

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

glaubten und mich vorwärts pushten. Ich wurde dann die erste Frau hier bei XY. Überraschenderweise war es ein Japaner, der mich unterstützte. M3: Ehrlich gesagt, nach drei verschiedene Unternehmen, denke ich, wenn Sie eine junge Frau sind, dass es besser ist, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem Sie erfolgreich sein können. Wenn ich die 20 Jahre zurückdenke, würde ich lieber für XY arbeiten als für andere Unternehmen, da Sie wirklich ein System und die Unterstützung eines Chefs benötigen, insbesondere auf der Junior-Ebene. Wählen Sie also das richtige Unternehmen.

5.3 Karrierevoraussetzungen der Japanerinnen Innere Unabhängigkeit von der Bewertung durch andere und eine sehr klare Karriereorientierung sind Voraussetzungen für den Aufstieg der japanischen Topmanagerinnen. Ein eiserner Wille zur Verfolgung eigener beruflicher Ziele ist in einem Umfeld, welches Frauen im Topmanagement eigentlich nicht kennt, ist Grundlage für ihren Erfolg. Sie zeichnen sich in der Führung dadurch aus, dass die Förderung und Motivation ihrer Mitarbeiter für sie Priorität hat.

Die Herkunft der japanischen Topmanagerinnen: Treibende Mütter Die Frauen beschreiben ihre Mütter als treibende Kräfte für ihre Karrieren, egal ob diese klassische Hausfrauen oder berufstätig waren. Typische Berufsbilder der Mütter sind Schulleiterinnen oder Professorin. Mütter, die ihre eigenen Berufe vorantrieben, wurden dafür von den Ehemännern, Schwiegermüttern und auch den Schwestern des Vaters kritisiert. Die Töchter erleben diese Einschränkungen der Mütter und rebellieren quasi mit ihnen gegen die familiären Grenzen. Mütter, die reine Hausfrauen waren, wollten eigentlich selber eine Karriere machen und wurden von ihren Ehemännern oder ihren Schwiegermüttern daran gehindert. Sie erziehen ihre Töchter in dem Bewusstsein, dass eine Frau alles erreichen kann. Die Väter der Frauen stehen den die Karriereambitionen ihrer Töchter kritisch gegenüber und lehnen sie innerlich ab, duldeten sie aber. Die Mütter waren somit die stärksten Ratgeberinnen für die Frauen und berieten vor allem beim Karrierestart und der Wahl des richtigen Unternehmens. In fast allen Fällen rieten die Mütter dazu, die Berufslaufbahn in einem Unternehmen zu starten, welches Chancen für Frauen bietet. Daher kamen multinationale Unternehmen eher in die Auswahl der Frauen und nur in Ausnahmefällen reine japanische Konzerne. M1: Ich denke, mein Vater, weil er selbst Arzt war, aber auch meine Mutter, sie hatte auch einen Abschluss, was damals sehr ungewöhnlich war, und sie sagte immer, dass Frauen auch eine Karriere haben sollten. Ich denke, das ist sehr wichtig, weil viele Leute hier in der Gesellschaft sagen, Sie sollten eine gute Mutter, eine gute Hausfrau sein, und ich denke, das unterscheidet meine Eltern sehr von vielen Menschen, weil sie mich nicht ermutigen eine gute Hausfrau zu werden, sondern eine berufliche Laufbahn anzustreben und dabei richtig gut zu werden.

5.3 Karrierevoraussetzungen der Japanerinnen

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M2: Meine Mutter ist eine typisch japanische Hausfrau. Der einzige Unterschied, den sie wahrscheinlich hatte, war, dass sie eigentlich wirklich ihre Karriere fortsetzen wollte. Sie war die stärkste Unterstützerin meiner Karriere. Wann immer ich etwas tun wollte, war sie hinter mir, um mich zu unterstützen. Mein Vater ist im Gegenteil ein konventioneller japanischer Mann, der wollte, dass die Frau zu Hause bleibt. Der Unterschied war, dass er es nie erzwungen hat. Er war eine wirklich nette Person. Selbst wenn er eigentlich wollte, dass ich zu Hause bleibe, hat er keine meiner Entscheidungen beanstandet. Y: Ich habe mich selbst entschieden für eine ausländische Firma zu arbeiten nach dem College. Ich habe gezielt kein japanisches Unternehmen ausgewählt, weil ich wusste, dass ich eine Karriere aufbauen wollte, und meine Mutter sagte mir: „Wenn Du eine Karriere aufbauen willst, geh nicht in ein japanisches Unternehmen. Du musst zu einer ausländischen Firma gehen.“ Ich wusste nicht viel darüber, aber ich folgte einfach den Worten meiner Mutter. Das ist alles. Das ist der Grund, warum ich nicht zu einer japanischen Firma gegangen bin.

Karrieremotivation, Kompetenzen und Stärken der japanischen Frauen Die Japanerinnen beschreiben ihre starke professionelle Ambition und ihren inneren professionellen Anker sehr konkret. Es sei das eigene Vertrauen in die beruflichen Stärken, was ihre Stärke ausmacht. Sie sind unabhängig von der Bewertung durch andere. Die innere Begeisterung, aber auch die Unabhängigkeit von Hierarchiedenken und der Frage, wie andere sie bewerten, ist der Antrieb und die Stärke dieser japanischen Frauen aus dem Topmanagement. Innerer Antrieb ist auch der Wunsch etwas Bedeutsames für andere tun zu können und dabei Mitarbeiter, und speziell andere talentierte Frauen, zu fördern. Die Frauen suchen gezielt Branchen danach aus, ob sie dort große Chancen haben, Einfluss zu nehmen. Weitere Motivationsfaktoren sind die Suche nach intellektueller Herausforderung sowie die Möglichkeit, Dinge wirklich umzusetzen und zu gestalten. Dabei sind Herausforderungen Ansporn und Antrieb. Grenzen für sich selber sehen diese Japanerinnen nicht. Das vorher verdeutlichte Managementsystem in Japan stellt für sie keine Begrenzung dar. Sie überwinden das System, in dem sie die Ausnahmerolle aktiv annehmen, Chancen suchen, sich innerlich von traditionellen Normen befreien und bewusst auf ihr Ziel hinarbeiten. Die Ausnahmerolle nehmen sie verantwortungsvoll an und nutzen sie für gesellschaftliche Veränderungen zum Wohl von Frauen im Berufsleben. Für alle Japanerinnen ist erklärtes Ziel, andere Frauen in Japan zu fördern und sich nachfolgen zu lassen. Insofern ist Karriere für sie selber nicht nur eine persönliche Befriedigung eigener Ziele, sondern steht in einem größeren gesellschaftlichen Kontext. M2: Ich denke, die wichtigste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe, war, als ich mein erstes Kind hatte. Ich habe beschlossen, meine berufliche Laufbahn ohne Kompromisse fortzusetzen. Ich bat alle um mich herum um Unterstützung, einschließlich meines Mannes, meiner Mutter, meines Chefs und meiner Mitarbeiter. Das war die größte Entscheidung, die ich getroffen habe. Danach tatsächlich in eine japanische Firma eintreten oder den Job wechseln. Das ist nicht so schwierig oder so wichtig, wenn ich zurückblicke. Die Entschlossenheit, dass Sie ein Profi sein wollen und in der Karriereleiter aufsteigen wollen. Diese Motivation und Wahl muss von Frauen selbst

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

kommen. Ich wollte der Leiter der Organisation werden. Deshalb habe ich diesen Job als Präsidentin gewählt. Es war mir sehr klar, nach meinem Wechsel zu XY (schwedische Firma), dass ich irgendwann der Chef sein möchte. K: Mann, dachte ich, ich kann dieses Team oder die Organisation besser führen, warum macht der das so, ich finde das nicht gut, wir sollten das anders machen. Ich schaute mir meinen Chef an und dachte, das kann ich besser, ich kann die Abteilung besser führen. Geld ist dabei sekundär für mich. S: Das ist eine gute Frage, weil ich mich nicht als ehrgeizige Person betrachte. Ich hatte nie den Wunsch, CEO oder Präsident zu werden, oder diese Titel oder die Bezahlung. Es motiviert mich überhaupt nicht wirklich. Meine Eltern, sie sind Lehrer, sie sind ein bisschen Anti – sie sind Christen, sie hatten Werte, ich denke Anti-Business-, Anti-Geld-Leute, also ging es mehr um den Wert und die Kultur und die Menschen und das Interesse an den Dingen, die mich immer angetrieben haben. Ich hatte nie den Wunsch, Präsident oder CEO zu werden oder schneller befördert zu werden als meine Kollegen. Das war nie meine Motivation. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, GM zu werden, aber ich begrüße die Herausforderung. (lacht) Ich mag Herausforderungen und ich mag es, mit Menschen zu arbeiten. Wenn ich einen positiven Einfluss auf eine größere Organisation haben kann, wäre das eine Freude für mich, das könnte sich lohnen. Das nächste, wobei mir meine aktuelle Sponsorin hilft, eine Frau, die an den global CEO berichtet, ist GM irgendwo außerhalb Japans zu werden. Y: Erfolg ist es, vielen weiblichen Mitarbeitern zu erklären, dass sie befördert werden könnten. Ich hatte das Frauen-Karriere-Forum mit 100 Teilnehmerinnen, und ich lud zuerst weibliche Vorbilder von anderen Unternehmen ein und bat diese Rollenmodelle, ihre Karrieregeschichten zu berichten, und die jungen Frauen in XY hörten sich das an und sie dachten darüber nach, befördert zu werden, dass das nicht schlecht wäre. Also blieben sie. Ja, ich werde nicht aufhören. Weiter machen. Vorher haben sie gedacht, dass ein TV-Manager etwas ganz Besonderes ist. Aber nachdem sie sich die weiblichen Vorbilder angehört haben, haben sie gedacht, dass es nicht so besonders ist. Es könnte in ihrem Leben vorkommen. Wenn sie weiterhin Karriere machen, Step-by-step, können sie eines Tages diese Führungskraft sein. Ich möchte gegen Diskriminierung kämpfen. Ich möchte die Gesellschaft für meine Tochter verändern. Ich möchte das System ändern, die Denkweise der Menschen ändern. Y: Das Internet und die Technologie haben mich sehr fasziniert. Als ich im Silicon Valley war, habe ich den Aspekt der Technologie, die die Welt und die Kultur Japans verändern, wirklich genossen. Diese Dinge haben mich wirklich angetrieben, aber nach einem gewissen Zeitpunkt hatte ich auch das Gefühl, dass es ein bisschen leer war. Diese neue Technologie schien nur oberflächlich zu sein, und mir wurde wirklich klar, dass ich wirklich etwas tun möchte, das einen inneren Wert hat und das Leben der Menschen verändert. Etwas tun, was den Menschen wirklich wichtig ist. Zu diesem Zeitpunkt wechselte ich in die Gesundheitsbranche. Das war vor 17 Jahren und ich habe diese Entscheidung nie bereut. Ich möchte nie wieder in diese anderen Branchen zurückkehren. Nur der Wert und die Wirkung, die ich den Patienten und dem Leben der Menschen bringen können, treiben mich an, weiterzukommen. Es geht es um die Menschen und darum, eine Kultur zu schaffen. Das treibt mich an. M1: Vielleicht. (lacht) Ich denke, es ist wirklich meine Neugier, die mich antreibt und die mich weiterhin in der Belegschaft hält. Ich will auch etwas für die Gesellschaft tun. Ich schätze meine Sponsoren sehr, meine Mentoren in der Vergangenheit, die mich dahin geführt haben, über mich hinaus zu wachsen, und deshalb möchte ich diese Gelegenheit auch anderen geben. Deshalb mache ich auch viel Mentoring innerhalb des Unternehmens und außerhalb des Unternehmens. Ich denke, das sind meine Motive und ich glaube, da kann ich viel Unterstützung leisten.

5.3 Karrierevoraussetzungen der Japanerinnen

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Fähigkeiten wie Verhandlungsgeschick, eine überzeugende Selbstdarstellung und die Fähigkeit direkt Nein zu sagen, sind Stärken der Japanerinnen. Es sind zum Teil Stärken, die in der japanischen Kultur eigentlich Frauen nicht zugesprochen werden. Ein großer Teil der Stärkenbeschreibungen bezieht sich auf die Führungsfähigkeit der Frauen. Die weiblichen japanischen Führungskräfte sehen sich als motivierende, ermutigende Kraft für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei schließen sie, anders als ihre männlichen Kollegen, alle Teammitglieder ein und sind für Mitarbeiter erreichbar und ansprechbar. Weitere genannte Stärken sind technisches Businessverständnis, Entscheidungsstärke und Verhandlungsgeschick. Als Vorteil wird auch die Auslandserfahrung bewertet, wobei die interkulturelle Komponente nicht vertiefend bewertet wurde. Interkulturelle Aspekte werden von den Frauen als Karrierebaustein nicht explizit erwähnt, jedoch ist bei den meisten bereits im Studium eine Offenheit fremden Kulturen gegenüber abzulesen. Im Wettbewerb mit anderen wollen diese Japanerinnen vorne sein. Sie wollen die Beste sein und gleichzeitig sehen sie sich nicht oft im Wettbewerb, denn in erster Linie geht es ihnen die Belange der Organisation. Andere erfolgreiche Führungskräfte sehen die Frauen als Ansporn und als Quelle, um von ihnen zu lernen. K: Ich habe das nie gefühlt oder nie wirklich an Konkurrenz gedacht. Ich habe nicht das Gefühl, mit jemand anderem um eine bestimmte Position zu konkurrieren. Das liegt daran, dass ich nicht von einem Titel oder einer Position getrieben werde, das ist nicht die Quelle meiner Motivation. Ich kümmere ich mich sehr um den Puls der Organisation und das Engagement der Menschen. Wenn Assessments herauskommen und jemand besser abschneidet als ich, hmm, natürlich will ich die beste oder engagierteste, inspirierende Organisation leiten. Ich gehe dann einfach voran und frage, was sie tun, um so erfolgreich zu sein.

Als Schwäche wird auch bei den japanischen Frauen, wie bei der Mehrzahl der Studienteilnehmerinnen in den fünf Nationen, die Visionsfähigkeit genannt. Die Frauen beschreiben sich als eher praktisch im Vorgehen. Die Innovationsfähigkeit und auch die Neugierde für Innovation dagegen lässt sich eindeutig als Stärke aus den Werdegängen beobachten. Eine Frau beschreibt, wie sie erst lernen musste, mutiger in schwierigen Situationen zu sein, zum Beispiel bei Umstrukturierungen. M1: Ich würde sagen, dass es mir im Allgemeinen wahrscheinlich fehlt. Ich würde wahrscheinlich sagen, dass ich die visionäre Notwendigkeit mit Leidenschaft unterstütze. M2: Einige Leute sind wirklich gut darin, visionärer zu sein. Visionär. Ich neige dazu, praktisch zu sein. Ich bin immer inspiriert und beeindruckt von den Menschen, die visionär und langfristig fokussiert sind. H: Wahrscheinlich mittelmäßig, nicht wo ich sein sollte. Ich habe Gedanken und eine Vision, aber gleichzeitig habe ich Ergebnis-Verantwortung, ich kann also nicht. Also muss ich mich ändern, ich muss mich immer ändern, während ich abliefere. Das ist hart. Natürlich gibt es bestimmte Richtungen, in die wir gehen sollten, aber gleichzeitig weiß ich, dass das heutige Geschäft von den aktuellen lokalen Champions und lokalen Mitwirkenden produziert wird. Sie müssen an Bord sein, also sind Menschen, die heute liefern, möglicherweise nicht die Menschen, die wir in unserer Zukunft brauchen. Ich muss diese Dinge ausbalancieren.

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

K: Ich habe immer noch das Gefühl, dass nicht mutig genug bin. Einige der Dinge, die ich beim MBA und bei meinem ersten Job beim Silicon Valley-Start-up gelernt habe, musste ich verlernen, nachdem ich für XY gearbeitet hatte, um meine Karriere in der Verkaufsorganisation und anderen Organisationen aufzubauen. Um akzeptiert zu werden und dann erfolgreich zu sein, musste ich lernen, wie man als mittleres Management in der Verkaufsorganisation für andere keine Bedrohung darstellt. Ich sehe, dass andere Menschen mutiger sind und eher einen revolutionären Ansatz verfolgen, nicht das evolutionäre. Also muss ich mutiger sein. Ja, zu wissen, dass die Leute es nicht mögen werden, aber es immer noch richtig für das Geschäft ist. Ich versuche, das zu tun, aber eher in einem weicheren Ansatz, vielleicht dauert es länger, als es sollte. S.: Ich glaube, weil ich im Ausland studiert habe, besonders mit MBA, und in einem US-amerikanischen Unternehmen gearbeitet habe. Ich habe also wirklich gelernt, mich selbst zu verkaufen. Das wurde mir vorher nicht beigebracht. In Japan ist es tugendhafter, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und, besonders für Frauen, bescheidener zu sein. Sie werden nicht wirklich unterrichtet oder ermutigt, sich selbst zu verkaufen. Auch verhandeln, eine Sache, die ich in meiner Business School und auch in meinem Job in den USA gelernt habe. Ich habe gelernt, wie man verhandelt, ich habe gelernt, Nein zu sagen, also habe ich bei all diesen Dingen wahrscheinlich mehr als die typische Japanerin.

Führungsstil der Japanerinnen: Förderung und Motivation von Mitarbeitern Der japanische Führungsstil ist bekannt dafür, dass er sich, im Gegensatz zu USamerikanischen Methoden, die auf Individualismus und Selbstständigkeit ausgerichtet sind, auf den Austausch von Ideen und Gruppenarbeit bezieht. Der Gründer von Sony, Morita Akio, beschrieb die der japanischen Führung zugrundlegende Denkweise so: „Eine Firma wird nirgendwo hinkommen, wenn alles Denken dem Management überlassen wird.“ Damit verdeutlicht er Kernprinzipien, die mit japanischer Führung in der Wissenschaft verbunden werden. Die Ringi-Seido-Methode führt zum kollektiven Einbezug aller Arbeitnehmer und ihr folgend steht Konsens bei Entscheidungen im Vordergrund, dabei mit bewusster Inkaufnahme des damit verbundenen Zeitverlustes. Trotzdem ist die Hierarchie in japanischen Unternehmen stark. Da viele der interviewten Frauen in US-amerikanischen Unternehmen tätig sind, erleben sie in den Unternehmenszentralen einen vom originären japanischen Stil differierenden Führungsstil. Der Führungsstil der befragten Japanerinnen variiert und ist eine Mischung aus stark kooperativen Anteilen und punktueller autoritärer Führung. Eine Vielzahl von ausführlichen Beschreibungen zeigt inklusive, alle Mitarbeiter involvierende, Führung. Das Einsetzen von autoritärer Macht ist für die japanischen Frauen in multinationalen Unternehmen jedoch genauso notwendig, um Entscheidungen und Aktivitäten voranzutreiben. Außerdem brauchen, so die befragten Frauen, japanische Mitarbeiter selbstbewusste und starke Führungskräfte, denen sie folgen. Vor allem für weibliche Chefinnen ist dieser Aspekt von durchsetzungsstarker Führung notwendig, um sich als Frau vor den Teams zu behaupten. Obwohl sie von Natur aus, an den originären japanischen Führungsstil angelehnt, eher inklusiv und für Mitarbeiter sehr zugänglich führen, setzen die Frauen deshalb auch bewusst Autorität ein.

5.3 Karrierevoraussetzungen der Japanerinnen

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Die Frauen arbeiten aktiv an ihrem Führungsstil, auch mithilfe professioneller Coaches. Eine Frau schildert konkret, wie sie heute mehr darauf achtet soziale Kontakte zu pflegen, orientiert an ihren männlichen Kollegen. Etwas, was sie in frühen Jahren der Karriere weniger gemacht hat, um ihre Mutterrolle mit der Karriere vereinbaren zu können. Außerdem wurde professionelle Coaching genutzt, um eine eigene Balance von gruppeninklusiver Führung und paternalistischer Führung zu erreichen. Es gibt sowohl Frauen, die sich selber als zu inklusiv beschreiben und Nachteile in der zeitlichen Durchsetzung von Entscheidungen sehen. Genauso gibt es Frauen, die ursprünglich eher hierarchisch orientiert mit wenig Zeit für zwischenmenschliche Komponenten führen und ihren Stil in die andere Richtung weiterentwickeln. Mit Unterstützung von Executive Coaching erreichte eine Präsidentin eines Pharmakonzerns die Weiterentwicklung des eigenen Stils von eher autoritär hin zu mehr Kooperation. Den Vorteil von japanischen Frauen gegenüber Männern sehen die Interviewten in den starken Kommunikationsfähigkeiten von Frauen und dem weiblichen Umgang mit Herausforderungen. Frauen sind demnach stärker im Umgang mit schwierigen Situationen, auch weil ihre Karrierewege von vielen Herausforderungen geprägt sind. Sie leisten in schwierigen Situationen mehr für das Unternehmen, da sich Männer in dieser Situation als emotional schwächer erweisen. Japanische Frauen sind, nach Auffassung der Interviewten, im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen bessere Zuhörerinnen und machen deswegen weniger Fehler als Männer. Frauen unterstützen tendenziell alle Mitarbeiter. Männer dagegen fördern nur ihre ein bis zwei engsten Vertrauten unter den Mitarbeitern. Die Weiterentwicklung von Mitarbeitern nimmt einen großen Stellenwert in den Schilderungen ein. Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie Mitarbeiter auch in Zeiten von Umstrukturierungen oder Einsparungen gefördert werden können, steht für die weiblichen japanischen Führungskräfte im Kern ihrer Aufgabe. Förderung und Motivation sind dabei eng miteinander verwoben. K: Ich versuche zu erklären, wie die Entscheidung getroffen wurde. Es ist ihnen aber oft egal, also denke ich wirklich über andere Wege nach, um sie wirklich zu motivieren und zu engagieren. Deshalb versuche ich, nur sicherzustellen, dass sie etwas haben, auf das sie sich freuen können bei der Arbeit. Es könnten Beförderungsmöglichkeiten sein und obwohl meine Organisation schrumpft, kann ich kreativ werden, um Wege zu finden. Ich bin stolz darauf, dass, obwohl meine Organisation schrumpft, ich tatsächlich Leute auf die nächste Ebene befördere. Sie haben nicht weniger Chancen als der andere Geschäftsbereich, da wir Talente in andere Geschäftsbereiche exportieren. Das mit dem Headoffice funktioniert durch meine persönlichen Verbindungen. Ich bekomme jede Gelegenheit für Innovationsaktivitäten. Ich ermutige sie also in Bezug auf die Anpassung neuer Kanäle, des Internets und all dieser Dinge. Unser Produkt mag alt sein, aber wir haben einen neuen innovativen Ansatz. Deshalb versuche ich, diese anderen Dinge zu finden. Ich stelle sicher, dass sie das Gefühl haben, zu wachsen und sich zu entwickeln. M2: Ich bin in einer Position, in der ich meinen Untergebenen wachsen lassen möchte, um mich eines Tages zu ersetzen. In diesem Sinne denke ich, dass meine Motivation im Moment darin besteht, die nächste Generation schnell auf den neuesten Stand zu bringen (lacht), daran arbeite ich. Bin ich

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

wettbewerbsfähig, einen anderen Job anzunehmen? Ich denke schon, wegen meiner grundlegenden Führungsfähigkeiten und Kompetenzen. H.: In Japan ist es ziemlich volatil. Sie wollen einen starken Führer, der weiß, was er tun und der selbstbewusst aussieht. Ich weiß, dass ich der selbstbewusste Führer sein muss, dem die Leute folgen wollen. Es ist eigentlich nicht so natürlich für mich, also versuche ich es und daran arbeite ich. Als Führungskraft stelle ich sicher, dass ich Menschen habe, die mir auf jeder Ebene ihre wahren Gedanken mitteilen. Ich versuche, Beziehungen zu jeder Ebene zu haben. Ich habe auch die regionalen Verkaufsleiter. Sie sagen mir auch frei, was sie denken. Außerdem habe ich mehrere Leute auf der Ebene der Bezirksverkaufsleiter, die mich als Person kennen und sich wohlfühlen, wenn sie ihre Meinung sagen und mir aus ihrer Perspektive erzählen. Ich denke, diese Art von Verbündeten oder Kontakten aus erster Hand in jeder Ebene hilft mir, die richtige Entscheidung zu treffen, und ich denke, das ist eine meiner Stärken. M1: Ich versuche mit Menschen zu arbeiten, die unterschiedliche Stärken haben. Ich kenne mich selber, kenne meine Schwäche und versuche nicht, meine Schwäche zu stärken. Ich versuche jemanden zu finden, der gut in dieser Schwäche ist. In der Vergangenheit war ich viel verkaufsorientierter und nicht unbedingt inklusiv. Jetzt versuche ich, integrativer und diskussionsbasierter oder gruppenbasierter zu sein und Entscheidungen mit der Gruppe zu treffen und Projekte durchzuführen.

Japanische Frauen sind kommunikationsstark und setzen diese Stärke in der Führung, aus Sicht der hier Interviewten, besser ein als ihre männlichen Kollegen. Sie erreichen damit, dass Mitarbeiter ihnen gerne folgen. Außerdem haben sie eine Stärke Mitarbeiter weiterzuentwickeln und das, anders als bei vielen Männer, unabhängig vom eigenen Vorteil. Gerade in Zeiten von Umstrukturierungen oder Kostensenkungen sehen die Japanerinnen hier einen Schwerpunkt ihrer Führungsaufgabe. S.: Nicht unbedingt ein Stereotyp, aber ich finde, dass einige Frauen tendenziell bessere Kommunikationsfähigkeiten haben. Eine Sache, die ich gelernt habe, war auch, dass insbesondere auf Manager- oder Führungsebene, genau wie ich, viele andere weibliche Führungskräfte und Manager durch schwere Phasen mussten und sich da behauptet haben. Und das machte sie sympathischer oder tiefer denkend. Sie können Organisationen helfen auf tieferen Ebenen. Männer neigen dazu, emotional schwächer zu sein, weil sie nicht auf solche Schwierigkeiten gestoßen sind wie viele der Frauen. Y.: Ganz allgemein denke ich, dass weibliche Führungskräfte, wenn ich mir die Verkaufsleiter anschaue, Distrikt-Verkaufsleiter in meiner Organisation, im Allgemeinen gut darin sind, Menschen zu entwickeln. Natürlich gibt es viele, viele männliche Führungskräfte, die sehr gut darin sind, ihre Leute zu entwickeln, aber sie neigen dazu, eine oder zwei Personen unter den zehn Personen auszuwählen, die sie in ihrem Team haben, und nur diese zu entwickeln. Stellen Sie sich eine rechte Hand vor. Ich denke, Frauen entwickeln sie alle. Auch die Low-Performer, Middle-Performer, aber Männer entwickeln nur ein paar Leute und für die anderen kauen sie alles vor.

Konflikt Lösungen aus der Langzeitbetrachtung Erlebte Konflikte werden von den japanischen Topmanagerinnen aus einer langfristigen Betrachtung aufgelöst. Die Frauen beschreiben, wie sie dabei das Wohl der Organisation in den Fokus zu rücken. Die emotionalen Aspekte von Konflikten stellen

5.4 Karrierefördernde Faktoren der Japanerinnen

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für sie keine besondere Herausforderung dar, sondern sind eher Alltagsgeschäft. Konflikte werden als normal und notwendig begrüßt. Im Konfliktfall von Umstrukturierungen oder Mitarbeiterabbau informieren die Frauen Mitarbeiter sehr ausführlich und transparent und versuchen Lösungen zu erreichen, die die Belange der Mitarbeiter und gleichzeitig die der Organisation berücksichtigen. Dem Wunsch nach starker Führung aufseiten der Mitarbeiter nachzukommen und trotzdem involvierend zu führen, ist ein Balanceakt, den die interviewten Japanerinnen täglich praktizieren. Vor allem bei Umstrukturierungen ist dieser Aspekt bedeutsam. Die Leiterin einer großen Business-Unit schildert, wie sie die Organisation verschlankt und dabei ständig auf Konfliktfelder stößt. Ihre Stärke sei es, in diesen Situationen neue Wege zu finden, Mitarbeiter trotzdem zu befördern, transparent zu sein, zu involvieren und zu motivieren. Dabei werden Kontakte zur Unternehmenszentrale strategisch eingesetzt. Eine andere Frau beschreibt, wie sie vor allem Mitarbeitern genau zuhört und möglichst viele in die Entwicklung von Lösungsstrategien involviert. Individuelle Konflikte mit Mitbewerbern oder einzelnen Kollegen werden von den Frauen nicht verbalisiert. Sie versuchen im Konflikt zu rationalisieren, aus der Situation herauszutreten, und nach produktiven Lösungen zu suchen, die eine Mehrheit der Betroffenen akzeptieren können. M1: Konflikte. Ich musste mich während meiner Karriere viele Male mit externen Leuten auseinandersetzen. Ich denke, dass ich mich den Konflikten, denen ich mich stellen musste, nicht unbedingt hätte stellen müssen, wenn ich ein Mann gewesen wäre. Ich denke, von diesem Standpunkt aus fühlte ich mich manchmal als Frau benachteiligt. Ich denke, es liegt eher daran, wie ernst sie mich nahmen, denn meine Autorität als Frau oder meine Entscheidungshoheit, wurden oft heruntergespielt. Das war unternehmensintern kein Thema, aber bei den externen Lieferanten. Ich denke, die Ermutigung, die ich von meinem Manager erhalten habe, war hilfreich, um einiges davon zu überwinden, da er mit Nachdruck sagte: „Ist sie nicht die Managerin? Sie ist die Entscheidungsträgerin, also besprich das mit ihr.“ (lacht) Ich denke, die Unterstützung war dort sehr wichtig. M2: Was ich tue, ist andere Menschen in diesen Konflikt einzubeziehen. Besonders Konflikte am Arbeitsplatz. Ich versuche, nicht persönlich damit umzugehen, weil es am Ende des Tages Geschäft ist. Ich versuche, Ratschläge von anderen Leuten zu bekommen. Ich versuche, andere Leute dazu zu bringen, mir bei der Lösung von Konflikten zu helfen. K: Ich denke nicht viel über Wettbewerb nach. Konflikt, ich bekomme unvernünftige Herausforderung von oben über die Top Line und trage die Kosten dafür. Was für das Unternehmen wirklich richtig ist, ist kurzfristig anders als langfristig. Ich versuche zu überlegen, was für Kunden zum einen richtig ist, aber auch, was richtig ist für junge Mitarbeiter. Ich versuche, Entscheidungen zu treffen. Das kommt uns in fünf Jahren zugute, oder besser heute- das sind die Dinge, über die ich nachdenke.

5.4 Karrierefördernde Faktoren der Japanerinnen Japanische Frauen im Topmanagement profitieren von Mentoring und Coaching, auch um in die von Männern dominierten Machtzirkel zu gelangen. Sie setzen sich gezielt für ihre Mitarbeiterinnen ein und ziehen diese nach. Ihre Ehemänner sind ihre größten Unterstützer.

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

Die Wahl des richtigen Ehepartners Alle japanischen Frauen haben Ehemänner, deren Einstellungen zur Karriere ihrer Partnerinnen als für Japan sehr unüblich positiv beschrieben werden. Alle Ehemänner sind bereit die notwendigen Entscheidungen, die für den Aufstieg der Partnerin notwendig waren zu unterstützen und mit aller Konsequenz für sich selber und der Organisation der Familien zu leben. Dazu gehören auch Phasen des Pendelns zum Beispiel zwischen den Wirtschaftsmetropolen Osaka und Tokio oder Phasen des zeitweiligen getrennten Lebens während eines Auslandseinsatzes der Ehefrauen. Die Ehemänner der Japanerinnen unterscheiden sich somit stark vom Gro japanischer Männer, die traditionell weiterhin Haupternährer sind und ihre Frauen in der traditionellen Rolle zu Hause sehen möchten oder aufgrund ihrer eigenen Arbeitserfordernisse sehen müssen. Die Frauen berichten von den Ehemännern erfolgreicher Kolleginnen, die ihre Frauen ebenso unterstützen. Unter den Ehemännern sind auch in Einzelfällen Ausländer, die sich für ein Leben in Japan entschieden haben. In einem Fall wurde konkret berichtet, wie ein amerikanischer Ehemann, ein Universitätsprofessor, seine Frau ermutigte einen MBA in den USA zu machen und dann ihre Karriere in Japan nachhaltig zu verfolgen. Bei der Präsidentin eines japanischen Konzerns ist der Ehemann durch eine karriereorientierte Mutter geprägt und fördert seine Frau stark. In Einzelfällen der Schilderungen der Japanerinnen wird der Ehemann zum Karrierehemmnis, was zur Scheidung durch die Frau führt. M2: Er ist wirklich ein Unterstützer. Ich denke, er ist ein einzigartiger japanischer Mann. Er wollte, dass ich arbeite. Er mag keine Hausfrau. Er sagte immer, dass Hausfrauen zu Hause bleiben und sich immer beschweren, und seine Mutter war auch eine berufstätige Frau, also wollte er, dass ich arbeite, und möglicherweise ist es ihm sehr wichtig, dass ich arbeite, was ich auch für ziemlich einzigartig halte. Er erledigt den größten Teil der Hausarbeit nicht. Wenn ich zu Hause bin, macht er nichts, aber er ist wirklich gut darin, auf meine Kinder aufzupassen. Er bereitet kein Essen zu. Wenn er gezwungen wird, kann er Hausarbeit auf dem Mindestniveau erledigen. K: Auf jeden Fall ist eine Sache, dass er kein Japaner ist. Es geht aber nicht so sehr um die Nationalität. Meine nationale Verkaufsleiterin, eine Frau. Sie hat eine große Verantwortung. Sie hat über 600 Vertriebsmitarbeiter, und sie ist auch Mutter, sie hat eine Familie. Ihr Ehemann ist Japaner, also spielt die Nationalität keine Rolle, aber ich denke, der Ehepartner, wenn er seine Frauen beim Aufbau einer Karriere unterstützt, macht es einen großen Unterschied wie auch die Unterstützung der Familie des Ehepartners. Manchmal können Erwartungen des Ehepartners, der nicht dazu beiträgt, Kinder zu erziehen, die Hausarbeit zu erledigen, ein Problem sein, und manchmal kann die Mutter des Ehepartners ein Hindernis sein. Sowohl in meinem Fall als auch im Fall meiner nationalen Verkaufsleiterin haben wir das Glück, den richtigen Ehepartner ausgewählt zu haben. (lacht) Er hat mich ermutigt. Er wurde nach Silicon Valley versetzt und ich ging mit. Teilweise, um mit ihm zusammen zu sein, aber auch, weil ich jetzt einen amerikanischen Ehemann habe, hatte ich das Gefühl, dass ich wirklich eine Fähigkeit entwickeln muss, damit ich überall auf der Welt arbeiten kann. Das war die erste Motivation für mich, einen MBA zu machen. Außerdem hat er mich immer ermutigt, einen MBA zu machen und mein Potenzial wirklich zu verfolgen und auszuschöpfen. Er hat mich sehr ermutigt und unterstützt, dass ich eine Karriere aufbaue.

5.4 Karrierefördernde Faktoren der Japanerinnen

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Y: Als meine Tochter jung war, hat er mir nicht geholfen. Nachdem ich meine Karriere in die Firma XY geändert hatte, war meine Position höher als seine. Viele japanische Männer können das nicht ertragen, wenn ihre Frau höher ist.

Japanische Frauen profitieren von Sponsoring, Networking und Coaching und geben es schnell an Mitarbeiterinnen weiter Die Mentoren der japanischen Frauen sind ausländische CEOs, Männer und Frauen, der multinationalen Unternehmen oder Frauen auf höheren Ebenen in japanischen Konzernen. Die Frauen berichten weniger von Mentoren im eigentlichen Sinne und verweisen sofort auf das Prinzip von Sponsorship.Verschiedene Sponsoren sorgen für Sichtbarkeit der Frauen bei Aufstiegsmöglichkeiten und unterstützten notwendige Wechsel, um auf höhere Ebenen vorzubereiten. Der eigene Chef sei für die Karriereentwicklung in Japan elementar wichtig und könne aber auch zur Hauptherausforderung werden, zum Beispiel, wenn er nicht fördere, da ohne ihn im streng hierarchischen System kein Fortkommen möglich ist. Ein sehr hilfreiches Ergebnis vom Mentoring war für die Frauen, ein holistische Verständnis für das Geschäft und die internationale Organisation zu entwickeln. Mentorenbeziehungen, wie in China, wo auch der Mentor einen starken Nutzen aus der Mentorenbeziehung zieht, werden bei den Japanerinnen nicht beschrieben. Das mag daran liegen, dass Japan als Industrienation schon weitaus länger entwickelt ist und der Einfluss von Ausländern heute weniger stark ist, als in China. Networking haben alle Frauen nach eigenen Angaben aus Zeitgründen nicht genügend entwickelt. Jedoch werden viele Anlässe genannt, bei denen die Frauen sich selber bekannt machen. Sie melden sich aktiv innerhalb des Unternehmens für Sonderprojekte, wie zum Beispiel Initiativen zur Förderung von Frauen, in denen sie Rollenvorbilder sind. Durch ihre Ausnahmepositionen werden die interviewten Frauen in ihren Umfeldern sehr schnell bekannt und für bestimmte exponierte Aufgaben zum Beispiel in den Handelskammern oder Berufsverbänden vorgeschlagen. Gerade in Osaka, der zweit größten Wirtschaftsmetropole des Landes, sind Frauen in Führungspositionen weiterhin so selten, dass immer dann, wenn der Ruf nach einer Frau aus dem Seniormanagement laut wird, dieselben Namen gehandelt werden. Die Japanerinnen können hier also von ihrem Status als seltenes Rollenvorbild profitieren. Ein anderes Thema ist die Frage, wie die Frauen es schafften, in die Netzwerke der Ausländer im multinationalen Konzern vorzudringen und sich hier geschickt zu positionieren.Wiederum wurde die Unterstützung durch Executive Coaching genutzt, um eine eigene Vorgehensweise zu definieren, die dann auch zum Erfolg führte. S.: Die größte Unterstützung kam früher vom Chef. Der Chef ist sehr wichtig, aber manchmal ist der Chef möglicherweise nicht der beste Unterstützer, und in diesen Fällen denke ich, dass Frauen definitiv ein Netzwerk haben sollten und müssen. Das habe ich von XY (US-Unternehmen) gelernt, auch

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

wenn es einen starken männlichen Unterstützer gab, konnten Frauen ohne Netzwerkunterstützung nicht erfolgreich sein. Es waren immer ältere Frauen, die versuchten, andere Frauen zu unterstützen. K.: Ich hatte Mentoren. Aber eigentlich fungierten sie als Sponsor. Sie haben über mich gesprochen und waren maßgeblich daran beteiligt, mich in die richtigen Gespräche zu bringen. Sie förderten mich in herausfordernde Positionen, die es mir ermöglichte, mich als Führungskraft zu entwickeln. M2: Ja. Wir beide sind in die USA gezogen. Ursprünglich sollten wir zwischen Minnesota und Cincinnati aufgeteilt werden. Ich sagte meinem Sponsor: „Ich werde von Cincinnati aus arbeiten, mein Mann wird von Minnesota aus leben und wir werden uns nur an den Wochenenden treffen.“ Mein Sponsor sagte: „Warum sollten Sie das tun? Es gibt Möglichkeiten für Ihren Mann, hier in Cincinnati zu arbeiten.“ Er machte sich auf die Suche nach einem Forschungslabor, in dem mein Mann über seine Verbindungen arbeiten konnte. Er konnte diese Verbindung herstellen, sodass mein Mann in Cincinnati arbeiten konnte. Ich denke, er ging weit über das hinaus, was ein normaler Sponsor tun würde. (lacht) Ich hatte Mentoren für verschiedene Dinge, männlichen Mentoren, weibliche Mentoren, Mentoren aus anderen Organisationen, und ich glaube, ich hatte das Glück, während meiner Reise verschiedene Mentoren zu haben. A.: Ich glaube, ich kann mich erst an meine Mentoren erinnern, nachdem ich der deutschen Organisation beigetreten bin. Als ich aus Deutschland zurückkam, baute ich das erste Frauennetz für die Produktversorgung auf. Anfangs glaubte ich nicht an die Notwendigkeit des Netzwerkens, aber zu dieser Zeit drängte mich meine Sponsorin dazu. Durch diese Erfahrung begann ich auch zu verstehen, wie wichtig Mentoring und die Kraft des Mentorings sind. Ich denke, es ist eine Gelegenheit für Frauen, andere Frauen zu sehen, denn in vielen Situationen sind wir nur Ausnahmeerscheinungen. Es gibt Gelegenheit, wirklich zu verstehen, wie andere Frauen mit Herausforderungen umgehen. Wir organisieren auch Trainingseinheiten zum Beispiel über sexuelle Belästigung. Y: Ob ich einen Mentor hatte? Meine ehemalige Chefin bei XY war eine Frau. Erste Diversity Managerin und ich war zwei Jahre lang Assistant-Manager. Nachdem sie in eine andere Abteilung versetzt worden war, war sie Mentorin für mich. Manchmal gab sie mir sehr gute Ratschläge. Als Diversity Manager musste ich lernen, anders zu kommunizieren. Sie sagte zu mir: „Wenn du es so sagst, werden andere dich missverstehen. Du solltest es so sagen.“ Es gibt das weibliche Netzwerk, Mentorinnen, außerhalb des Unternehmens. Ich bin vielleicht die höchste Frau in meiner Firma. Ich sage zu meinen jüngeren Mitarbeiterinnen immer: „Du bist in Ordnung.“ Ich sage immer: „Ja, das kannst du.“ H.: Ich habe versucht, hineinzukommen in die Machtkreise, indem ich mehrere Personen gefunden habe, die mich tatsächlich einlassen konnten. Ich habe auch Executive Coachings erhalten, um Ratschläge zu erhalten, wie ich tatsächlich im Zentrum sein kann. Das war sehr hilfreich. Es hat mir wirklich geholfen, in den Machtkreis zu kommen. Der Coach hat Interviews mit meinen direkten Mitarbeitern, Untergebenen und meinem Chef geführt. Er identifizierte die Chancen und Herausforderungen, denen ich in diesem System gegenüberstand. Einige der Ratschläge zum Beispiel, die er mir gab. Die Leute hatten das Bild, dass ich versuchte, Besprechungen zu kürzen, das Büro so schnell wie möglich zu verlassen, ich versuchte, nicht in nicht geschäftlichen Situationen zu sein. Er hat mir tatsächlich geraten, in der Männerwelt zusammen trinken gehen und Kollegen oder direkten Mitarbeitern Raum zu geben, um in nicht geschäftlichen Situationen mit mir zu sprechen, und ich habe es getan. M3: In XY wurde ich automatisch in dieses Netzwerk eingeschrieben, da ich vom Junior-Level aus angefangen habe. Später bei AB gab es Diversity mit Zielvorgaben. Ich hatte tatsächlich große Schwierigkeiten, im Zentrum der Diskussion zu stehen, weil Männer ein eigenes Netzwerk haben, um Dinge zu diskutieren und zu entscheiden, und sie wollten nicht, dass ich involviert bin. In YZ habe ich, weil ich die älteste Frau war, ein Networking für Senior Frauen gestartet, um alle einzubeziehen und damit wir enger zusammenarbeiten. Das muss ich in CD noch tun, weil es kein bestehendes Networking gibt und ich die höchste Frau dort bin.

5.5 Barrieren für Frauenkarrieren in Japan

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5.5 Barrieren für Frauenkarrieren in Japan Hautbarrieren für Frauenkarrieren im japanischen Topmanagement liegen in tradierten Rollenbildern, einem traditionellen Karrieresystem und der damit verbundenen Sozialisierung von Frauen. Barrieren, die bewirken, dass die meisten Japanerinnen sich weiterhin eine Karriere im Management noch nicht einmal vorstellen können, geschweige denn die Erreichung von Toppositionen in der Wirtschaft.

Tradierte Rollenbilder trotz politischer Maßnahmen Spontan ist die Einschätzung der japanischen weiblichen Führungskräfte für die Chancengleichheit in Bezug auf Topmanagement Funktionen schlecht. Die Noten auf der Zehnerskala für ihr Land liegen bei eins bzw. drei. Die Bewertung wurden von Frauen vergeben, die den größten Teil ihrer Karriere in globalen Unternehmen verbracht haben, aber auch höchste Positionen in japanischen Unternehmen einnehmen. Allerdings beziehen sich die Bewertungen zum größten Teil auf die Möglichkeiten für Frauen in japanischen Unternehmen. Die Frauen erläutern, dass es auch von der Branche und der Unternehmenskultur abhängt und ein teilweiser positiver Trend erkennbar sei. Aber generell kommen sie zu einer Einschätzung, die auch den veröffentlichten Zahlen der Anteile von Frauen an Führungspositionen im gesamten oberen Management in Japan entspricht, die bei nur acht Prozent liegen. Speziell für das eigene US-amerikanische Unternehmen fällt bei zwei Frauen die Wertung wesentlich positiver aus und erreicht auch in dem japanischen Umfeld den Wert acht von zehn. Die Gründe für die mehrheitlich pessimistischen Bewertungen werden vor allem in der Anforderung der Gesellschaft an Frauen in Japan gesehen. Obwohl der gesetzliche Rahmen, die Regelungen zum Mutterschutz sowie die Angebote zur Betreuung von Kindern für Berufstätige immer wieder verbessert worden sind, bleiben Karrieren im gehobenen Management für Frauen in Japan weiterhin selten. Trotz der Zielvorgaben von Premierminister Abe, mehr Frauen auch in gehobene Positionen zu fördern, halten sich die gesellschaftlichen und familiären Anforderungen an Frauen, die sich primär auf die Mutterrolle und die Erziehung von Kindern beziehen, weiterhin hartnäckig. Es bedarf einer innerlichen Unabhängigkeit von Frauen in Japan und ein Ausbrechen aus den gesellschaftlich fest verankerten Strukturen, um den Weg in die Karriere Welt zu starten. M1: Ich bin vor 25 Jahren fertig mit der Schule, es hat sich erheblich verändert. Es geht in die richtige Richtung und ich denke, aus politischer Sicht gibt es viele neue Strategien und Systeme in der Gesellschaft. Es gibt mehr Unterstützung für einen Mutterschaftsurlaub, eine Pause für die Betreuung älterer Menschen. Es war schon immer vorhanden, aber jetzt können Sie länger Urlaub nehmen und Sie können auch Urlaub nehmen, um sich um ältere Menschen zu kümmern. Das wurde also platziert. Premierminister Abe investiert viel und übt Druck aus, um Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen so auszubauen, dass es irgendwann tatsächlich genug gibt. Es wurden Fortschritte erzielt. Aber die allgemeinen Erwartungen der Gesellschaft, sowohl im Job als auch privat,

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

familiär, sind, dass Frauen Rollen innerhalb des Haushalts oder in Gemeinschaften wie Schulen übernehmen. Frauen sind stark belastet. Das alles muss erledigt und erfüllt werden und gleichzeitig wird von uns erwartet, dass wir arbeiten. Premierminister Abe sagt, dass die Frauen in das Berufsleben eintreten sollten, was wunderbar ist. Auf dieser Seite vollzieht sich ein Wandel, aber gleichzeitig noch viel mehr Erwartung oder die Belastung außerhalb der Arbeit. All diese Familienbetreuung und die Aktivitäten für die Schulen der Kinder werden als eine Rolle angesehen, die die Frau trotz ihrer Berufstätigkeit zu erfüllen hat.

Traditionelles Karrieresystem, Sozialisierung der Frauen und Glasdecke Die interviewten Frauen bestätigen die eingangs geschilderter Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Anforderungen an Mütter und dem speziellen Arbeitssystem der Japaner, welche es für Frauen extrem schwierig macht, eine Managementkarriere überhaupt in Betracht zu ziehen. Drei Hauptbarrieren, die sich vor allem auf japanische Unternehmen beziehen, verhindern den Aufstieg von Frauen und förderten die einseitigen Karrieren von Männern. An erster Stelle stehen sehr lange Arbeitszeiten, die über das Maß, welches in Europa oder China in der Regel notwendig ist, hinausgehen. Eine abendliche Präsenz von Führungskräften, die mit der Mutterrolle sehr schwer zu vereinbaren ist, bildet die Basis Voraussetzung für den Aufstieg in Topmanagement Positionen. Lebenslange Karrieren, ohne Unterbrechungen bei ein und demselben Arbeitgeber, sind weiterhin die Norm und machen es Frauen unmöglich den gesetzlichen Mutterschutz bzw. Auszeiten auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. In Japan erfolgen Beförderungen weiterhin maßgeblich über das Senioritätsprinzip, wonach nur Führungskräfte mit langjähriger Erfahrung ohne Unterbrechungen im Unternehmen aufsteigen können. Eine Beschleunigung von Karrieren mit einer Auswahl über Qualitätsmerkmale von Führungskräften, welche Frauen eine reellere Chance geben würde, erfolgt nur in wenigen stark westlichen Unternehmen. Nur hier können Frauen in Japan bisher Mutterschaftszeiten in Karriere Verläufe integrieren. K: Ich denke, eine schwierige Position für viele Frauen, wegen der konkurrierenden Prioritäten in ihrem Leben, die Kindererziehung und der Job. Wenn eine Frau eine Vertriebsleitungsrolle übernehmen will und dies einfach nicht kann, weil sie sich um ihre Familie, die Kinder kümmern muss. Sie macht also die Vertriebserfahrung nicht. Wenn wir für eine Führungsrolle auswählen, suchen wir nach Menschen, die durch schwierige Jobs wie Vertrieb gegangen sind und diese Frauen hatten keine Chance. Sie sind ungetestet. Sie wurden manchmal zu sehr geschützt. Sie wurden beschützt oder gingen diesen Weg nicht. Sie sind einfach nicht so wettbewerbsfähig als das sie infrage kommen würden für Führungsjobs. M2: Ich denke, in Wirklichkeit ist das Leiden von Männern in Japan viel höher als das von Frauen, selbst wenn es Unterstützung gibt. Viele Unternehmen fordern, dass die Arbeitnehmer länger bleiben und länger arbeiten sollten. Das zwingt Männer, länger bei der Arbeit zu bleiben, was ihre Hausfrauen zwingt, länger zu Hause zu bleiben. Es ist fast wie ein Teufelskreis einer Gesellschaft, was es für Männer schwierig macht, zu Hause mehr zu helfen. Da wird automatisch jede Familie aufgefordert, zu entscheiden, welche Person zu Hause bleiben kann, und in der Regel sind das die Frauen, die mit dem niedrigen Gehalt.

5.5 Barrieren für Frauenkarrieren in Japan

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Die zweite Barriere wird bei den Frauen selber gesehen. Da Rollenmodelle quasi fast vollkommen fehlen, können sich die meisten japanischen Frauen die Option eine Karriere im Management anzustreben, noch nicht einmal vorstellen. Sie ziehen bestimmte Rollen im Unternehmen für sich selber noch nicht einmal gedanklich in Betracht. Außerdem schreckt japanische Frauen der immer noch vermeintlich sehr harte Weg des Aufstieges für Frauen im Land ab. Die dritte Barriere ist die Glasdecke, die sich auf alle Ebenen des Managements bezieht. Männer wählen für Managementfunktionen nur Männer aus und haben tief verankerte stereotype Rollenbilder, in denen Frauen im Management nicht vorkommen. Die Glasdecke in Japan setzt damit weit unterhalb in der Unternehmenshierarchie an. Man könnte sie irgendwo direkt über den Assistentinnen Positionen vermuten. Somit ist bereits das komplette untere Management durch eine Glasdecke für Frauen abgegrenzt und schwer zu erreichen. Eine echte Herausforderung für Frauen ist es, die ersten Karrierephasen in einem japanischen Unternehmen zu machen. Dort ist das klassische System fest etabliert und kaum zu durchbrechen. Es ist für Frauen in Japan derzeit wesentlich einfacher, in multinationalen Unternehmen zu starten. Ein späterer Wechsel bereits auf den höchsten hierarchischen Ebenen in einen japanischen Konzern ist möglich. Ab einer bestimmten Führungsebene werden Frauen in Japan nicht mehr als Frauen, sondern nur noch als Führungskraft wahrgenommen. Diese gilt für das höchste Amt in Unternehmen und gegebenenfalls für die Ebene direkt darunter. M2: Sie befindet sich überall im Auswahlsystem für Aufgaben oder Beförderungen, da alle diese Systeme von aktuellen Managern betrieben werden, die Männer sind. Die Glasdecke existiert im männlichen Geist. Ich glaube nicht, dass sie es als Voreingenommenheit erkennen, aber es gibt eine unsichtbare Voreingenommenheit in ihrem Kopf. Sie kennen keine Managerin. Auf der Einstiegsebene gibt es heute schon einige Fälle, in denen Studentinnen besser im Interview abschneiden, bessere akademische Ergebnisse haben. Auf der Einstiegsebene denke ich, dass Frauen jetzt keine Schwierigkeiten haben. K: Das ist eine gute Frage. Ich weiß, dass meine Kollegen in den USA genau dasselbe erleben, wenn ich mit ihnen spreche. Ich bin mir also nicht sicher, ob das eine japanische Sache ist. Ich denke, wir alle haben das Gefühl, dass Männer wahrscheinlich noch zwei oder drei Stunden länger bei der Arbeit verbringen, weil sie die Haushaltssache nicht erledigen müssen. Wenn ich dann nach Hause gehe, vergleiche ich mich mit anderen Müttern, entweder Hausfrauen oder mit Teilzeitjobs, und mit mehr Zeit für alles zu Hause. Ob geschäftlich oder privat, Sie haben immer das Gefühl, dass Sie nicht genug tun. Das ist also ein ständiges Gefühl. Ich denke nicht, dass das etwas ganz Besonderes für Japan ist.

Obwohl sich die Frauen bei der Bewertung der immer noch geringen Chancengleichheit in Japan einig sind, gibt es tendenzielle Unterschiede. Eine Präsidentin eines japanischen Pharmakonzerns berichtet, dass ihrer Beobachtung nach alle Level bis hin zu zwei Führungsebenen unter dem CEO mit Männern besetzt waren. Sie selber sei eine absolute Ausnahmeerscheinung. Eine Direktorin einer großen Business-Unit schildert andererseits, dass sie selber für sich persönlich nie eine Glasdecke erlebt habe. Ausschlaggebend für diese Erfahrung ist jedoch, dass sie in einem internatio-

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

nalen Konzern tätig sei und nicht für ein klassisches japanisches Unternehmen. Sie berichtet von bis zu 25 Prozent weiblichen Managerinnen und Frauen, die Positionen wie nationale Sales-Direktorinnen oder Business-Unit-Leiterinnen besetzen. Sie selber ist als Geschäftsführungsnachfolge im Gespräch. Die zweite Barriere, die fehlende Karriereorientierung von Frauen in Japan, könnte das eigentliche, relevantere Problem sein. Viele japanische Frauen wählen aus Sicht der Befragten den Weg in das gehobene Management nicht, weil er ihnen zu hart erscheine. Frauen in Japan sind aufgrund der genannten Barrieren weiterhin in den niedrigeren Supportfunktionen im Unternehmen anzufinden. Eine Überwindung der Barrieren kann nur durch die Frauen selber erfolgen, die von selber den festen Willen entwickeln müssten, das System zu durchbrechen. Die japanischen Forschungsteilnehmerinnen sind Rollenmodelle dafür, dass Karriere im Management in Japan für Frauen bis in höchste Ebenen möglich ist. M2: Jetzt kann ich nicht mehr das Unternehmen wechseln, aus einer japanischen Firma. Es wird bewundert Präsidentin zu sein. Die Leute behandeln mich als Präsidenten. Die Leute behandeln mich nicht als Frau. Vor TA arbeitete ich für ein anderes globales Unternehmen, AZ. Das war viel weniger globalisiert. Ehrlich gesagt hatte ich große Schwierigkeiten, eine Frau in AZ zu sein, weil ich nicht auf der höchsten Ebene war. Jetzt auf der obersten Ebene ist es egal, ob ich männlich oder weiblich bin. Ich bin ausgewählt, der Chef zu sein. K: Ich denke, das liegt möglicherweise daran, dass ich mir selbst ein Unternehmen ausgewählt habe und mir keine Sorgen um diese Dinge machen muss. Ich denke, viele der weiblichen Angestellten, selbst in einem Unternehmen wie XY, haben eher Unterstützungsfunktionen und sind nicht wirklich im Mainstream-Geschäft. Wenn Frauen das richtige Streben haben und bereit sind, das zu tun, was nötig ist, können Sie eine Karriere verfolgen und GM werden. Es ist nur so, dass Frauen sich aus diesen Pfaden selber herausziehen. Sie sind nicht wettbewerbsfähig hier und das hat natürlich viele Gründe. S.: Als ich im Jahr 1991 in den Arbeitsprozess eintrat, war es genau nach der Gleichberechtigung der Frauen nach 1989, und es gab noch viele Unternehmen, die immer noch Schwierigkeiten hatten, die Frauen wirklich in die Belegschaft aufzunehmen. Ich hatte Jobangebote von japanischen Unternehmen, aber wenn ich frage: „Was soll ich denn bei Ihnen tun?“ Dann sagten sie zunächst: „Nun, zuerst lassen wir Sie Tee servieren. Das ist, was Sie tun werden.“ Und ich antwortete: „Wirklich?“ (lacht) Das war nicht so aufregend für mich. Y: In japanischen Unternehmen haben wir eine sogenannte lebenslange Beschäftigung, und die meisten männlichen Arbeitnehmer arbeiten sehr lange, von ihrem Universitätsabschluss bis zu ihrem 60. Lebensjahr, in diesen Tagen 65. Sie wissen, dass sie dann mit 36 oder 37 Jahren Assistant-Manager oder Manager sein werden. Wenn sie 45 oder 50 Jahre alt werden, wird die Hälfte von ihnen Geschäftsführer, und sie denken, dass dies natürlich ist. Für Frauen gab es besonders in TA so wenig Vorbilder, da es nur sehr wenige weibliche Geschäftsführerinnen gibt. Vor dem Jahr 2000 gar keine Geschäftsführerin. Um 2002 oder 2003 gab es den ersten weiblichen General Manager in TA. Es ist ein ganz besonderer Fall. Sie hat die Universität abgeschlossen. Sie war in der Abteilung für geistiges Eigentum tätig. Sie lernte so hart und sie hatte eine Sonderlizenz dafür, ich weiß nicht, wie es auf Englisch heißt, die Sonderlizenz. Sie war die erste weibliche Geschäftsführerin und auch die erste Führungskraft von TA. Sie war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. H.: Dieses Gesetz verbot die Diskriminierung an der Oberfläche. Davor sagte das Unternehmen, dass sie für Karriereförderung natürlich nur Männer und nicht Frauen nehmen, aber nach dem Gesetz können sie es nicht mehr so sagen.

5.5 Barrieren für Frauenkarrieren in Japan

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M1: Auch wenn Premierminister Abe Frauen dazu ermutigt, in die Arbeitswelt einzusteigen, sehen Sie immer noch einen Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern. Ich sehe, dass viele talentierte Frauen ihr Talent nicht einsetzen können. Ich denke, dass es wirklich eine verpasste Gelegenheit ist. Manchmal gehe ich in Universitäten, um zu sprechen. Ich bin manchmal überrascht zu hören, dass sie erwachsen werden und Hausfrau werden wollen. Ich denke: „Woran habe ich bis jetzt wirklich gearbeitet?“ Ich war in dem Handelskammer Komitee und führte die Frauen in Wirtschaftsunternehmen, um wirklich eine Veränderung in der Gesellschaft herbeizuführen. Dann höre ich das und fragte mich: „Was ist hier schiefgelaufen?“ (lacht) Ich denke, es liegt teilweise daran, dass Frauen mehr kämpfen müssen, weil sie beides tun müssen- professionell arbeiten, aber von ihnen wird auch erwartet, dass sie immer noch einen Großteil der Haushaltslasten übernehmen und nicht wirklich die Unterstützung von ihren Männern bekommen. M2: Ich selbst bin ja stellvertretend die Frau, die die Firmenleiter aufgestiegen ist. In Wirklichkeit sind alle meine Direkt-Reports männlich. Darunter Level minus zwei, würde ich auch sagen, 95 Prozent männlich. Es ist wirklich eine von Männern dominierte Gesellschaft. Dies gilt nicht nur für TA. In meiner vorherigen Firma war es auch so. Nur wenige weibliche Angestellte. Japan ist bekannt für seine langen Arbeitszeiten und seine lebenslange Beschäftigung. Dieses System selbst unterstützt Männer dabei, beruflich erfolgreicher zu werden, weil jeder Mitarbeiter, wenn er in einem Unternehmen aufsteigen möchte, gezwungen ist, lange Stunden zu arbeiten, was für viele Frauen eine schwierige Wahl ist. Eine lebenslange Beschäftigung erfordert, dass Sie konsequent ohne Unterbrechungen arbeiten. Dies ist auch ein weiteres Hindernis für Frauen, die Mutterschaftsurlaub nehmen wollen. Frauen haben keine weiblichen Vorbilder, die sie dabei unterstützen, erfolgreich zu werden. Das funktioniert wie ein Teufelskreis. Aufgrund des fehlenden Vorbilds denken viele Frauen nie daran, Manager zu werden. Erstens ist es die Gesellschaft. Zweitens ist es mehr mentalitätsbezogen. Dann gibt es eine Glasdecke. Viele der Systeme zur Auswahl von Managern oder zur Auswahl der Aufgaben werden im Wesentlichen von männlichen Managern durchgeführt, die an Männer gewöhnt sind. Ich sehe viele Fälle, in denen es unausgesprochene Vorurteile gibt, Frauen auszuwählen, selbst wenn es eine gute Kandidatin gibt.

Mutterschaft versus Karriereorientierung Die interviewten Japanerinnen haben sich hinsichtlich ihrer eigenen verschiedenen Rollen klar für die Berufslaufbahn entschieden. Sie machen sich unabhängig von den gesellschaftlichen Anforderungen an das Muttersein. Die japanischen Topmanagerinnen haben sich aktiv mit ihrer Karriereorientierung auseinandergesetzt und sich für Karriere entschieden. Die Japanerinnen in dieser Forschung haben im Durchschnitt zwei Kinder. Sie schildern, wie sie bewusst ausländische Unternehmen mit kürzeren Arbeitszeiten und der Möglichkeit des Aufstieges über Leistungsmerkmale gewählt haben, um ihre Karriereziele als Mütter zu realisieren. Die Betreuung der Kleinkinder wurde aktiv von den Ehemännern unterstützt. Wenn dafür auch oftmals starkes Verhandeln mit den Ehemännern notwendig war. Daneben wurden Angebot wie zum Beispiel Nachbarschaftsorganisationen zur Nachmittagsbetreuung genutzt. Auffallend ist eine starke Flexibilität dieser Japanerinnen im Hinblick auf die Organisation ihrer Familien und ein großes Selbstbewusstsein dem Partner gegenüber. Eigene Karriere Interessen werden dem Partner gegenüber durchgesetzt und damit ein starker Einsatz der Ehemänner bei der Kindererziehung verhandelt. Haushaltstätigkeiten jedoch wür-

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

den den Beschreibungen zu Folge von den Partnern kaum übernommen. Die Japanerinnen kommentieren die Mithilfe ihrer Partner als unzureichend, akzeptieren aber lächelnd. Kindererziehung erfordert in Japan eigentlich von Frauen eine starke Präsenz bei gesellschaftlich fest vorgegebenen Aktivitäten, die vom Kleinkindalter an bis zum Abitur reichen. Die Präsenz der Mutter entscheidet dabei oftmals auch über den Erfolg der Kinder. Wenn es um die Aufnahme von Kindern an eine bestimmte traditionelle Schule geht, funktioniert das nur mit der Einbindung und Präsenz der Mütter im Bewerbungsprozess und bei fortlaufenden schulischen Aktivitäten. Dementsprechend fordern Ehemänner und vor allem auch Schwiegermütter Frauen auf, in der traditionellen Rolle zu verhaften. Selbst akademisch gebildete Frauen in Leitungsfunktionen müssen sich in Japan zum Beispiel vorgegebenen Regeln anpassen, wenn sie wollen, dass ihre Kinder in bestimmten Schulen aufgenommen werden. So besticht ein Beispiel einer Führungskraft, die bei den regelmäßigen Müttertreffen mit hausfraulichen Aktivitäten ihren Beruf verleugnet, damit ihre Kinder auf eine bestimmte Schule mit hoher Reputation angenommen werden. Diese Führungskraft schildert kreative Wege, wie sie die Müttertreffs zwar wahrgenommen hat, ihre Leitungsfunktion aber trotzdem verfolgte. Bei einem Teil der befragten Frauen werden, wie in allen Ländern, Schuldgefühle geäußert, die jedoch zugunsten der Karriere quasi innerlich aufgelöst werden. Andere Frauen äußern diese Schuldgefühle nicht und sind sehr klar in ihrer Orientierung. Mutterschaft hat jedoch bei allen japanischen Frauen phasenweise ihre Karriereentscheidungen beeinflusst. So wurden Unternehmen und Orte nach den Kriterien der Vereinbarkeit gewählt. Diese Entscheidungen nehmen mit dem zunehmenden Alter der Kinder ab. Genau wie die Chinesinnen beschreiben die Japanerinnen, dass sie Auslandsversetzungen auch im Hinblick auf ihre Kinder annahmen, um ihnen diese Erfahrung zu ermöglichen. Einige Frauen schildern, wie sie, gerade als ihre Kinder noch jung waren, wiederum mithilfe von Coaching Lösungswege für sich selber erarbeitet haben, um mit der Belastung in dieser Zeit besser klar zu kommen. Y: Wenn Sie in der Vergangenheit weiterarbeiten wollten, konnten Sie nicht verheiratet sein. Wir konnten nicht gleichzeitig Mutter sein. Ich denke, es ist meine Generation, die die Grenze bildet, weil im Jahr 1985 in Japan das Gesetz zur Gleichstellung von Arbeitnehmern erlassen wurde. Als ich ein Baby bekam, sagten meine Mutter und meine Schwiegermutter, es sei besser, den Job zu kündigen. Es sei nicht gut für Babys, in eine Krippe zu gehen. Aber ich wollte meinen Job nicht kündigen. Ich wusste damals nicht warum, aber ich wollte meinen Job nicht kündigen. Es war ein sehr guter Kindergarten. Nur zu Hause und bei dem Baby, das wäre nicht gut für meine Gesundheit. Meine geistige Gesundheit. Jeden Tag nur ich und das Baby. Ich konnte das nicht … M1: Ich hatte mein erstes Kind in den USA, und ich hatte mein erstes Vorbild auch in den USA, weil ich bis dahin nicht wirklich sah, wie eine Frau wirklich praktisch arbeiten konnte und eine Familie haben konnte. Mein erster Chef in den USA war eine Frau. Sie war eine sehr ausgeglichene und sehr erfolgreiche Frau. Sie konnte mir den Weg zeigen, wie man wirklich ausbalanciert, die Kindertagesstätte nutzt und alles. Ich legte meinen selbst gemachten Druck ab und lernte, dass es o. k. ist, um Hilfe zu bitten, einen Babysitter zu haben und eine Haushaltshilfe. Ich hatte mein zweites Kind zurück in Japan. Sie sind anderthalb Jahre auseinander. Beide waren in Windeln, aber ich entschied mich für eine Putzfrau sowie für einen Babysitter, und meine Eltern waren auch sehr nahe an meinem

5.6 Karriere Barriere und Vorteil: Ausnahme-Image von Frauen

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Wohnort. Das war auch eine wichtige Unterstützung. Mein Vater arbeitet immer noch, und ich würde nicht sagen, dass mein Vater eine große Unterstützung war, aber meine Mutter war es. K: Ich denke, es ist immer eine Herausforderung, Zeit zu finden, ich wünsche mir immer, ich könnte mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Besonders mit meinen Kindern. Es gibt immer ein Schuldgefühl, dass ich so viel Zeit bei der Arbeit verbringe, selbst wenn ich zu Hause bin, E-Mails und Telefonkonferenzen. Dass ich mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen könnte, denke ich, das ist die größte Herausforderung.

Als Herausforderungen speziell von Müttern wird das Thema Mobilität innerhalb und außerhalb Japans geschildert. Die japanischen Frauen berichte, dass Ortswechsel innerhalb Japans zum Beispiel von Osaka nach Tokio mit kleinen Kindern quasi nicht möglich sind, da die Betreuungssysteme nicht transferiert werden können. Somit richteten die Frauen ihre Karriere nach den örtlichen Notwendigkeiten ihrer Kinder aus. Auslandsstationen werden im gleichen Kontext als Herausforderung beschrieben, da Schulwechsel vom traditionellen japanischen System beispielsweise in eine internationale Schule für die Kinder teilweise als sehr schwierig erlebt wurden. Eine Frau berichtet, dass ihr Sohn den Wechsel an einer internationalen Schule in Schweden nicht meistern konnte. Sie löste die Herausforderung, in dem sie dann vom Ehemann und Sohn örtlich getrennt lebte, die zurück nach Japan gingen. Weitere Beispiele für flexible Organisation von Familien gibt es auch bei lokalen Wechseln innerhalb Japans. M1: Das war eine schwierige Entscheidung, aber im Rückblick eine sehr gute Entscheidung. Ich hatte beschlossen, alleine in Tokio zu arbeiten, meine Familie blieb in Osaka und ich pendle im Grunde jede Woche von Osaka nach Tokio. Das war eine schwierige Entscheidung, ich hätte es nicht getan, wenn Kinder kleiner sind. Ich fand es jetzt okay, da die Kinder größer sind. Mein Rat ist für diese Art von schwierigen Entscheidungen, den richtigen Zeitpunkt zu definieren.

5.6 Karriere Barriere und Vorteil: Ausnahme-Image von Frauen im japanischen Topmanagement Das erste Wort, was bei der Frage zum typischen Image von Frauen im gehobenen Management in der japanischen Gesellschaft fällt, ist dann auch der Begriff „Ausnahmeerscheinung“. Das fasst im Kern das Image der interviewten Frauen in der japanischen Gesellschaft zusammen. Danach folgen Beschreibungen wie „aggressiv, andersartig, kommunikativ“ und „hatte Glück“. Begriffe wie „Angsteinflößend“ und „Bedrohung“ werden diskutiert, aber für sich selber verworfen. Die Schilderungen verdeutlichen die Barriere, die Frauen überwinden müssen, wenn sie eine Managementkarriere anstreben. Sie verdeutlichen auch den Grad an Unabhängigkeit von der Meinung anderer, der notwendig ist, um in Japan als Frau aufzusteigen. Und das Ausnahme-Image verdeutlicht anderseits die Chancen, die Frauen in Japan heute als Ausnahmeerscheinungen im Management noch nutzen können. Topmanagerinnen werden in der öffentlichen Diskussion immer häufiger positiv bewertet und fungieren

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5. Die Japanerinnen: Exzeptionelle Systemüberwinderinnen

als Rollenvorbilder für andere Frauen und stehen als Modelle für die politische Absicht, das Potenzial von Frauen in Japan stärker zum Wohle der eigenen Wirtschaftskraft zu nutzen. Die Kraft der interviewten Frauen im Seniormanagement liegt daran, dass sie zum einen innerlich unabhängig sind, über einen klaren und starken Willen verfügen und die Situation für sich strategisch nutzen. M1: Ich denke, die Leute sehen mich als Ausnahme. Es bezieht sich auf den ersten Punkt, den ich angesprochen habe. Mein Aufstieg wurde Realität, weil das erste Unternehmen, dem ich beigetreten bin, XY war, wo es diese langwierigen Anforderungen oder Manager-Vorurteile bei der Auswahl von Personen nicht gab. Ich bin in einer ganz besonderen Umgebung gewachsen, die mich zu einer Ausnahme gemacht hat. Bild in der Gesellschaft? Ich denke aggressiv, anders, lautstark und Glück gehabt. K: Ich hatte nie das Gefühl, als Bedrohung angesehen zu werden. Ich fühle mich positiv von der Gesellschaft gesehen, weil sie Vorbilder brauchen. Ich denke, die Gesellschaft braucht mehr Vorbilder wie uns. Ich habe also nie schlechte Erfahrungen gemacht. Ich denke, normalerweise nur positiv gesehen zu werden. Y: Die Gesellschaft glaubt, dass weibliches Personal als Assistentinnen geeignet ist. Sie eignen sich für kleine Arbeiten, kleine Arbeiten.

Auch auf den Auslandsstationen erleben die Frauen Herausforderungen bezüglich ihrer Ausnahmerolle. In den mittleren Hierarchieebenen empfinden die Frauen die Herausforderung am größten. Einzelne Japanerinnen fühlten sich im europäischen Ausland exponiert, von den ausländischen Führungskräften in das Zentrum der Aufmerksamkeit gedrängt und quasi ungewollt in eine Diskussion um Quotenfrauen gebracht, die gerade in der Konzernzentrale geführt wurde. Sie beschreiben Männerbündnisse der Ausländer als Reaktion auf die Ausnahmerolle, Ablehnung und Ausschluss aus den Netzwerken. Als Lösungsstrategie wurde mithilfe von Executive Coaching daran gearbeitet, das Image als Quotenfrau aufzulösen und aktiv in die Netzwerke der Männer einzudringen. M2: Ich denke, dass insbesondere in XY (US Konzern), wo Diversity als Unternehmenswert verankert war, nicht viel von diesem negativen Image in Bezug auf Diversity bestand. Also sowas wie, dass Frauen nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten gefördert werden, sondern nur, weil sie Frauen sind. Ich hatte später bei AZ (Europäischer Konzern) tatsächlich große Schwierigkeiten, im Zentrum der Diskussion als Frau zu stehen, weil Männer ein eigenes Netzwerk haben, ein Netzwerk nutzen, um Dinge zu diskutieren und zu entscheiden, und sie wollten nicht, dass ich involviert war. Ich habe versucht, einzusteigen in das Netzwerk, indem ich mehrere Personen gefunden habe, die mich tatsächlich hereinlassen konnten. Ich habe auch die Unterstützung eines Executive Coachings erhalten, um zu erarbeiten, wie ich tatsächlich in das Zentrum des Männernetzwerkes komme. Das war sehr hilfreich.

6. Deutsche Frauen: Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle Um das Erbe der kulturellen Prägung, hinsichtlich der Möglichkeiten von Frauen Führungsrollen in Deutschland im globalen Vergleich besser einordnen zu können, lohnt sich auch für Deutschland der Blick in die Vergangenheit. Die Ergebnisse aus der vorliegenden globalen Untersuchung können so vor dem Hintergrund des entsprechenden gesellschaftlichen Kontextes eingeordnet werden. Die historisch soziokulturelle Prägung von Frauen in Deutschland lässt sich mit den Worten „Hausfrauen und Mütter“ zusammenfassen.

6.1 Soziokulturelle Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Deutschland – zwei Prägungen West und Ost Diese soziokulturelle Prägung reicht weit über die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hinaus und ist auch heute noch spürbar. Die Gesellschaft war, wie viele andere, historisch betrachtet patriarchalisch organisiert und Frauen wurden oftmals weder als selbstständig noch mündig angesehen. Frauen in Deutschland durften lange ohne die Zustimmung von Vater oder Ehemann nicht arbeiten, nicht über ihr Geld bestimmen und hatten kein offizielles Recht auf ihre Kinder. Hausfrau zu sein war ihre erste Rolle. Berufliche Ausnahmen davon waren in der Breite, wenn man von der Landwirtschaft absieht, niedrige Schreib- oder Näharbeiten. Aber natürlich gab es sie, die Frauen, die, trotz der Rahmenbedingungen, für Frauenrechte aktiv wurden und so wurde schon im Jahr 1865 die erste größere deutsche Frauenvereinigung gegründet. Im Mittelpunkt stand das Recht auf Bildung für Mädchen und Frauen. Frauen durften in Deutschland ab dem Jahr 1918 wählen, immerhin 26 Jahre früher als beim Nachbarn Frankreich. Ab dem Jahr 1920 war es Frauen erlaubt sich zu habilitieren und in diesem Zeitraum gab es auch die erste deutsche Ministerin. Im Ersten Weltkrieg wurden Frauen dann wie überall in Europe zur Verrichtung von Arbeiten herangezogen, die eigentlich Männerarbeit war. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Frauen dann wieder primär als Gehilfinnen ihres Ehemannes gesehen und die bis dahin erkämpfte Rechte der Frauenbewegungen wurden quasi zurückgedreht. Frauen sollten sich ausschließlich auf die Mutterrolle konzentrieren und möglichst viele Kinder gebären. So erhielten Frauen bei der Geburt eines fünften Kindes das Mutterkreuz als besondere Auszeichnung am jährlichen Frauentag. Vor dem Hintergrund der herrschenden hohen Arbeitslosigkeit, wurde es ihnen verboten zu arbeiten und sie wurden aus allen Berufen und Universitäten gedrängt. Die Ausübung gehobener Ämter, die ja bis dahin für Frauen noch in den Kinderschuhen steckte, wurde für sie unmöglich und rückte im Bewusstsein von Frauen in weite Ferne. Die etablierten Frauenbewegungen wurden in NS-Frauenwerken gleichgeschaltet. Diese hatten über sechs Millionen weibliche Mitglieder und zum Ziel Mädchen und Frauen im Sinne des NS-Regimes zu beeinhttps://doi.org/10.1515/9783110709094-006

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

flussen. Dort wurde mit einer entsprechenden Propaganda die primäre Rolle von Frauen im Bewusstsein von Frauen und Männern verankert: Frauen in Deutschland sind Mütter und Hausfrauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich dann in Deutschland in Bezug auf die Rolle von Frauen zwei sehr unterschiedliche Systeme – ein eher auf traditionelle Rollenverteilungen festgelegter Westen Deutschlands, in dem Frauen primär Mütter waren, und, in der DDR, ein Schwerpunkt auf die Berufstätigkeit von Frauen, was dort Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter hatte. Dieser gravierende Unterschied im Hinblick auf die Rolle von Frauen im geteilten Deutschland ist auch weiterhin gesellschaftlich existent und in Untersuchungen nachgewiesen. Er ist andererseits vielen Deutschen bis heute nicht bewusst oder nur unzureichend bekannt, da das Thema in der breiten gesellschaftlichen Berichterstattung hinter anderen politischen Themen zurückstand.Vor allem in Westdeutschland kam es erst sehr spät zu einem Verständnis der möglichen Vorteile der Gleichstellungspolitik der ehemaligen DDR, die sich beispielsweise in der Betreuungsinfrastruktur widerspiegelte.

Westdeutschland – Rabenmütter, Hausfrauenehe und zu Hause umsorgte Kinder Im westlichen Teil Deutschlands wurden traditionelle Rollenbilder bis weit in die 1990er-Jahre aufrechterhalten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen waren trotz Einführung des ersten Gleichberechtigungsgesetzes im Jahr 1949 alles andere als ausreichend, um traditionelle Strukturen abzulösen. Erst im Jahr 1957 wurde der sogenannte Gehorsamkeitsparagraf abgeschafft und im Jahr 1958 ein Gleichstellungsgesetz in das Grundgesetz aufgenommen. Damit wurde erstmals dem Ehemann das letztendliche Entscheidungsrecht in allen Eheangelegenheiten genommen. Die sogenannte „Hausfrauenehe“, bei der der Ehemann die Hauptverantwortung für das Familieneinkommen trägt, wurde im Jahr 1977 mit der Reform des Ehe-und Familienrechts abgeschafft. Bezeichnend für die Stellung der Frauen in Westdeutschland sind weitere Regelungen, die sie von Vollzeittätigkeiten abhielten und erst nach und nach abgeschafft wurden. Bis 1958 konnte laut Berghahn der Ehemann ein Dienstverhältnis seiner Frau kündigen. Lehrerinnen mussten bis 1956 entsprechend des Lehrerinnenzölibats aus dem Staatsdienst ausscheiden, sobald sie heirateten. Erst ab dem Jahr 1962 durften Frauen im westlichen Deutschland alleine ein Konto eröffnen und ab dem Jahr 1965 ohne Zustimmung des Ehemannes einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Auch in den 1980er-Jahren wurde unter der Prämisse „Mutter ist unersetzlich“ gesellschaftspolitisch und unter Einfluss der Kirchen weiter an das traditionelle Frauenbild aus der Vergangenheit angeknüpft. Die sogenannten drei KKinder, Küche, Kirche – prägen bis weit in die heutige Zeit das gesellschaftliche Verständnis über die Rolle von Frauen in Teilen Deutschlands, auch wenn vieles sich in Richtung Gleichstellung bewegt hat. Für viele Frauen und Männer ist das kulturelle Erbe auch heute noch präsent, wenn es um das Thema geht, mehr Frauen in Führungspositionen zu entwickeln. Vor allem in Westdeutschland hat die Mehrheit der

6.1 Soziokulturelle Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Deutschland

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Gesellschaft sehr lange am traditionellen Familienbild festgehalten. Die Rollenverteilung war dabei klar umrissen und Kindererziehung und Hausarbeit fiel und fällt in den meisten Ehen weiterhin der Frau zu. Soziokulturelle Leitbilder und Ideale ordnen den Müttern auch heute noch eine tragende Rolle bei der Kindererziehung zu. Traditionell gilt im Westen Deutschlands, dass Neugeborene und Kleinkinder am besten zu Hause betreut werden und am besten bei der Mutter aufgehoben sind. Gesellschaftlich tief verankert war dabei der Gedanke, dass die erste Rolle von Müttern, die Kindererziehung ist. Frauen, die sich entscheiden, mehr Zeit in ihre Karriereentwicklung zu investieren, laufen auch heute Gefahr, als „Rabenmutter“ beurteilt zu werden. Die Beurteilung erfolgt von außen und ist aber auch bei den meisten Frauen tief verinnerlicht. Das Bild der „Rabenmutter“ ist von den Raben abgeleitet, die ihr Junges aus dem Nest stoßen und damit sich selber und gegebenenfalls auch dem Tode überlassen. Dazu passt das negative Bild „des Schlüsselkindes“, welches lange Zeit Kinder berufstätiger Mütter bezeichnete, die am Nachmittag allein und ohne Mutter auskommen mussten. Dieses Bewusstsein begleitet viele im Westen geprägte Frauen und Männer auch weiterhin und auch dann, wenn sie sich, was immer mehr der Fall ist, für eine außer Haus Betreuung von Kleinkindern entscheiden. Staatliche und private Betreuung von Kleinkindern aber auch Schulkindern wird von vielen im Westen sozialisierten deutschen Eltern eher misstrauisch betrachtet. Folgende gesellschaftliche Werte für die Rolle von Frauen waren dementsprechend lange vorherrschend- Familienarbeit ist wertvoll und Muttererwerbstätigkeit ist wünschenswert. Einem wachsenden Selbstbewusstsein von Frauen in Deutschland hinsichtlich ihrer Karriereplanung steht also ein tief verankertes Mutterbild gegenüber, welches die primäre Anwesenheit von Frauen bei ihren Kindern beinhaltet. Die Durchsetzung neuer, auf Frauenkarrieren gerichtete Strukturen ging im Westen Deutschlands nur langsam voran. Im Bewusstsein vieler Frauen und Männer sind Frauen in Führungspositionen heute zwar vorhanden, aber mit vielen Ambivalenzen belegt.

Ostdeutschland – Vollzeiterwerbstätigkeit und außerfamiliäre Kinderbetreuung als Normalität Im östlichen Teil Deutschlands, der DDR, unternahm der Staat vieles, um dem Anspruch von Gleichstellung gerecht zu werden. Verschiedene Autoren wie Kaminski, Hellwig, Gerhard, Böhme und Hille untersuchen die Besonderheiten der Situation von erwerbstätigen Frauen im Osten Deutschlands und vergleichen diese mit dem Westen Deutschlands. In der früheren DDR waren Männer und Frauen vor allem aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in die Gesellschaft integriert. Durch die Erwerbsbeteiligung der Frauen wurde – neben der Nutzung der Arbeitskraft – eine Geschlechtergleichstellung in der Gesellschaft angestrebt. Die Frauen- und Familienpolitik der DDR förderte eine auf Frauen ausgerichtete Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Betrachtet man die Verfassung der ehemaligen DDR aus dem Jahr 1949, so stellt man fest, dass diese nicht nur die Gleichheit von Männern und Frauen verankert, sondern bereits damals weitere

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

Gesetzte im Hinblick auf Lohngleichheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei denen die Frauen in den Mittelpunkt gestellt wurden, festlegte. Der Staat schuf ein Betreuungssystem für die Versorgung von Säuglingen und Kindern angepasst an die Notwendigkeiten berufstätiger Frauen. In der Folge waren 90 Prozent aller Frauen in der DDR in Vollzeit berufstätig. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen unmittelbar nach der Wiedervereinigung belegen, dass in der ausgehenden DDR Frauen mit 91 Prozent eine ähnlich hohe Erwerbsquote wie Männer hatten und die Infrastrukturen der Kinderbetreuung hervorragend ausgebaut waren. Verschiedenen Quellen verweisen darauf, dass dieses weltweit einer der höchste Werte war. Die ehemalige DDR entwickelte sich also im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern schneller und weiter als die frühere Bundesrepublik. Kritiker führen an, dass die Sozialpolitik der DDR Frauen zwar zu einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf verhalfen, nicht aber zu einer Vereinbarkeit von Familie und Karriere gewährte, denn die Rolle des Vaters sei, im Vergleich zu dem der Mutter, nicht in den Vordergrund gerückt worden. Frauen waren, einem Bericht des Bundesfamilienministeriums von 2019 zu Folge, trotz gleicher Qualifikation und Berufserfahrung kaum in Top-Führungspositionen. Andere Quellen berichten von hohen Ämtern wie Richterinnen und Ärztinnen in der Forschung. In der Literatur wird heute also widersprüchlich diskutiert, ob Frauen in der DDR wirkliche Chancengleichheit erlebten. Im Bewusstsein der Menschen der ehemaligen DDR war es jedoch die Norm, dass Frauen in allen Bereichen in Vollzeit tätig waren und gleiche Gehälter verdienten. Das im westlichen Teil vorherrschende Bild der Rabenmutter wurde von der Regierungskommunikation durch das Bild der aktiven berufstätigen Frau abgelöst. Offen bleibt hier, inwieweit die alten Werte zur Frauenrolle aus der gemeinsamen Vergangenheit auch im Bewusstsein der Ostdeutschen eine Rolle spielten.

Gesamtdeutschland – alte westliche Grundkoordinaten, nur langsam vom Osten lernend Mit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde für gesamt Deutschland die Verfassung-, Rechts-, und Sozialordnung der BRD übernommen. Es kamen Menschen aus zwei unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen zusammen, die aus den Zeiten der Trennung Deutschlands unterschiedliche Erfahrungen und Vorstellungen darüber hatten, was Familie und Gesellschaft, Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit angeht. Vor der Wiedervereinigung waren im Jahr 1989 in Ostdeutschland 91 Prozent der Frauen im Erwerbsalter berufstätig. In Westdeutschland dagegen lag die Erwerbsquote von Frauen mit 51 Prozent deutlich niedriger. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung waren die Veränderungsprozesse in Ostdeutschland tiefgreifend, erfolgten in hohem Tempo und veränderten die Gesellschaft in nahezu allen Bereichen. Im Vergleich dazu war der Wandel in Westdeutschland weniger einschneidend. Richtung und Geschwindigkeit des kulturellen, sozialen und technologischen Wandels wurden durch den Faktor „Wiedervereini-

6.1 Soziokulturelle Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Deutschland

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gung“ nur wenig verändert. Die Gesellschaft im Westen blieb in ihren Grundkoordinaten bestehen. In den Umwälzungen nach der Wiedervereinigung wurde eine Reihe von Strukturen, die die Gleichstellung in Ostdeutschland befördert hatten, abgebaut oder nicht fortgeführt, sodass die ersten Jahre der deutschen Einheit in Ostdeutschland objektiv einen Rückschritt in Sachen Gleichstellung von Frauen und Männern bedeuteten. Im Vergleich der beiden deutschen Staaten zurzeit der Wiedervereinigung kann laut Vogel für die Ziele der Gleichstellung von einer „Verspätung“ Westdeutschlands im Vergleich zur damaligen DDR gesprochen werden. „Verspätung“ deshalb, weil in der ausgehenden DDR die Erwerbstätigkeit von Frauen und Infrastrukturen der Kinderbetreuung bereits gesellschaftliche Normalität waren, während diese wichtigen Aspekte in Westdeutschland erst Jahre später ausgebaut wurden – und bis heute, auch in den neuen Bundesländern noch nicht wieder den Stand der DDR-Zeit erreicht haben. Die Frauenerwerbsquote ist seit dem Jahr 1989 in Deutschland zwar stetig angestiegen, liegt aber deutlich unter der Höhe der Frauenerwerbsquote der DDR kurz vor dem Mauerfall. Im wiedervereinigten Deutschland liegt die Gehaltslücke von Frauen in 2014 bei 23 Prozent mit nur sehr niedrigen Verbesserungen. Frauen in Westdeutschland und Ostdeutschland haben noch immer eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit als Männer, in Führungspositionen zu gelangen, obwohl es keine signifikanten Bildungs- und Qualifikationsunterschiede mehr gibt. In Ostdeutschland ist heute laut dem Bericht des Bundesfamilienministeriums von 2019 in fast allen Regionen der Anteil von Frauen in allen Führungsfunktionen etwas höher als in den Bundesländern Westdeutschlands. Es ergeben sich Unterschiede von bis zu fünf Prozent Punkten. Seit den 1990er-Jahren überwiegt in Gesamt Deutschland ein Vereinbarkeitsmodell auf der Grundlage einer Teilzeitarbeit von Müttern. Unterschiede in den Einstellungen zur Frauenerwerbstätigkeit und zu Rollenvorstellungen zwischen Ost- und Westdeutschland blieben auch nach der Wiedervereinigung bestehen. In der DDR aufgewachsene Deutsche, die zurzeit der Wiedervereinigung mindestens 16 Jahre alt waren, sagen heute mehrheitlich, dass in der DDR Frauen in etwa gleichem Maße wie Männer vollzeiterwerbstätig waren, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen auf hohe Führungspositionen hatten und dass Frauen und Männer sich die Hausarbeit und Kindererziehung gerecht aufteilten. Dabei handelt es sich um Meinungen abgefragt in der Delta-Gleichstellungsuntersuchung aus dem Jahr 2015. Menschen aus Westdeutschland teilen diese Meinungen nicht in dem Maße und stimmen lediglich in der Wahrnehmung der hohen Berufstätigkeit von Ostfrauen überein. Eine öffentliche breite Diskussion, um die Vorteile des damaligen Kinderbetreuungssystems der DDR für beruflich aktive Frauen gab es zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nicht, da andere Themen vorrangig waren. Aus einer Perspektive von Gleichstellung kann man feststellen, dass die Fortschritte und Vorteile des damaligen Ostsystems nicht in das nun geeinte Deutschland übernommen wurden. Eine öffentliche gesellschaftliche Diskussion darüber gab es lange nicht. So kommt es, dass viele Menschen, die im ehemaligen Westdeutschland geprägt wurden, entweder

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weiterhin gar nicht wissen, welche Unterschiede es in der DDR für die Situation der Frauen gab oder diese eher kritisch bemängeln.

Vereinbarung von Mutterschaft mit Karriere Die unterschiedlichen Infrastrukturen von Kinderbetreuung, der höhere Anteil der Frauenerwerbstätigkeit in der DDR im Vergleich zu Westdeutschland sowie das Selbstverständnis, die Identitäten und Ansprüche von Frauen in der DDR in Bezug auf ihre Erwerbstätigkeit haben Langzeitwirkung bis heute. In Ostdeutschland fühlen nur ein Viertel der Mütter mit kleinen Kindern einen Rechtfertigungsdruck, wenn sie mit Kindern vollzeiterwerbstätig sein wollen oder sind. In Westdeutschland hingegen ist die Situation umgekehrt und fast 70 Prozent der Frauen mit Kindern beschreiben diesen Druck. Nach der deutschen Wiedervereinigung sind Erwerbsquoten von Müttern mit minderjährigen Kindern laut McKinsey in Ostdeutschland höher als im Westen des Landes. Mit Kindern unter drei Jahren arbeiten im Osten 61 Prozent der Frauen und im Westen 50 Prozent. Bei Kindern von sechs bis zehn Jahren sind die ostdeutschen Frauen zu 81 Prozent berufstätig versus 76 Prozent der Frauen im Westen. In der Kinderbetreuung bestehen weiterhin markante Unterschiede zwischen West und Ost. In den neuen Bundesländern besuchen Kinder berufstätiger Eltern in der Regel eine, der noch aus Ostzeiten gut etablierten, Betreuungseinrichtungen. In Westdeutschland besteht kein solch homogenes staatliches Betreuungsangebot; so spielen informelle Netzwerke und private Betreuungsformen eine größere Rolle. Die Betreuung der bis zu zweijährigen unterscheidet sich denn auch auffällig. Im Westen werden rund 30 Prozent, im Osten je nach Quelle über 55 Prozent der Kleinkinder außer Haus betreut. Trotz des Ausbaus der sogenannten Kitaplätze für unter Dreijährige und einem Rechtsanspruch fehlen im Jahr 2020 vor allem im westlichen Deutschland noch über 200.000 Betreuungsplätze. Bei Eintritt eines Kindes in die Schule stellen sich in Westdeutschland bis heute vielfach größere Probleme als während der Kindergartenzeit. Das Engagement der Eltern, etwa bei Aktivitäten der Betreuungseinrichtungen und in den Schulen sowie bei der Hausaufgabenbetreuung, gilt oft als selbstverständlich. Einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge nehmen vor allem in der Mittelschicht Mütter tendenziell eine Hilfslehrer-Rolle ein, um Schulkinder bei der Bewältigung der Anforderungen der Schulen zu unterstützen. Dieses festigt das Rollenbild der Mutter, als häuslich Verantwortliche, und das des Vaters als Ernährers. In Gesamt-Deutschland ist es trotz Ausbaus von Krippenangeboten und Einführung von Elterngeld, weiterhin oftmals die gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass eine Mutter einen großen Teil ihrer Zeit mit ihren Kindern verbringt.

6.1 Soziokulturelle Rahmenbedingungen für Frauenkarrieren in Deutschland

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Frauen in Führungspositionen in Deutschland Betrachtet man die Zahlen der Anteile von Frauen in der Politik, liegt Deutschland im internationalen Vergleich trotz einer Kanzlerin im Mittelfeld. Der Frauenanteil im Bundestag liegt bei 30 Prozent. Bemerkenswert ist sicher, dass seit dem Jahr 2005 Angela Merkel, eine Frau aus dem Osten, Deutschland als Bundeskanzlerin regiert. Sie ist eine der mächtigsten Politikerinnen der Welt. International liegt Deutschland laut der interparlamentarischen Union, IPU, im Hinblick auf die Frauenanteile in der Politik auf Rang 46 einer Liste von 190 Ländern. Schaut man in den deutschen Arbeitsmarkt, so ergibt sich vereinfacht geschildert folgendes Bild. Mehr und mehr Frauen arbeiten, jedoch ist Teilzeit weiterhin vor allem bei Müttern ein bevorzugtes Modell. Die Gründe dafür sind vielschichtig und können in einem Zusammenspiel aus kultureller Prägung, Familien- und Steuerpolitik und einem weiterhin, im Hinblick auf die Belange berufstätiger Frauen, unterentwickelten Betreuungsangebot gesehen werden. Für die Betrachtung der Frage von Frauen in Führungspositionen ist es wichtig, zu erkennen, dass deutsche Frauen in einer Gesellschaft agieren, in der Teilzeitarbeit weiterhin das gängige Modell für Mütter ist. In Deutschland sind rund 45 Prozent der Beschäftigten Frauen und die Erwerbstätigkeit von Frauen liegt laut Eurostat 2017 bei 71,5 Prozent. Damit liegt die Erwerbsquote zwar über der des Nachbarn Frankreichs, jedoch arbeiten 47 Prozent der Frauen in Deutschland in Teilzeit. Der Anteil von Frauen in Teilzeit hat sich seit dem Jahr 1973 um mehr als zehn Prozent erhöht. Daraus resultiert, dass die Teilzeitarbeitsform noch stärker zum weiblichen Arbeitszeittypus in Deutschland geworden ist. Frauen in gehobenen Führungspositionen in Deutschland sind laut der globalen Studie von Grant Thornton aus 2017 nur mit 18 Prozent vertreten. Auch die Daten der Allbright Stiftung von Ankersen und Berg zeichnen ein vergleichbares Bild. Damit nähert sich Deutschland eher Japan (7 Prozent) als Frankreich (31 Prozent) oder gar Russland (47 Prozent). Zum Vergleich nochmals: Der Weltdurchschnitt des Frauenanteils an den Führungspositionen liegt in der Studie bei 26 Prozent, die USA kommen auf 22 Prozent. Die Untersuchung wird international bereits über mehrere Jahre hinweg durchgeführt und betrachtet unter anderem die Veränderungen hinsichtlich der Beteiligung von Frauen im gehobenen Management. Auf der zweiten Führungsebene, also dem mittleren Management, gibt es auch in Deutschland wesentlich mehr Frauen und ihr Anteil liegt bei ca. 41 Prozent. In Kleinstbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten findet man in Deutschland den größten Frauenanteil in gehobenen Führungspositionen mit rund 25 Prozent. Doch schon bei Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten sinkt der Anteil von Frauen in der Leitungsebene rapide ab. Das Gender-Pay-Gap ist Ausdruck der Ungleichbehandlung von Frauen im jeweiligen Arbeitsmarkt. Im Global-Gender-Pay-Index 2018 nimmt Deutschland Platz 13 ein mit einer 22 Prozent Gehaltslücke von Frauen im Vergleich zu Männern, und liegt direkt hinter Frankreich, welches auf Platz zwölf liegt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung führt zweidrittel der geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschiede auf Diskriminierungsmechanismen zurück. Auch haben Frauen laut dem

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

Bundesministerium für Familie und Frauen keinen oder nur erschwerten Zugang zu Netzwerken der Entscheider.

6.2 Wer sind die befragten deutschen Frauen in Führungspositionen Die deutschen Interviewteilnehmerinnen sind zwischen 35 und 62 Jahre alt, wobei die meisten Frauen Mitte bis Ende 40 Jahre alt sind. Die Mehrheit ist verheiratet und hat ein oder zwei Kinder. Wie bei allen Frauen der globalen Untersuchung ist das Ausbildungsniveau der deutschen Frauen hoch. Die deutschen Topmanagerinnen haben bis auf zwei Ausnahmen ein deutsches Universitätsdiplom, was international einem MBA gleichzusetzen ist. Die zwei Ausnahmen haben eine Lehre absolviert bzw. die Fachhochschulreife erreicht, welche international dem Bachelor entspricht. Die Bandbreite der gewählten Studienschwerpunkte reicht von BWL und Jura über Mathematik bis hin zu Ingenieurwissenschaften. Sechs Frauen haben zusätzlich Masterabschlüsse im Ausland erworben. Eine Teilnehmerin hat in Jura promoviert und die seltene Zulassung als Anwältin in den USA. Die einzige Frau mit nur kaufmännischer Ausbildung hat, ohne akademischen Abschluss, auf einem Sonderweg eine Professur erworben. Neben Vorstandsfrauen und Frauen mit Aufsichtsratsfunktionen sind unter anderem Geschäftsführerinnen, Personalleiterinnen und Marketingleiterinnen in der Interviewgruppe vertreten. Die Interviewgruppe bildet also eine gute Repräsentanz des Senior Managements ab. Die Frauen kommen zum Zeitpunkt der Befragung aus DAX Konzernen, Großkonzernen und wenigen Mittelständlern. Nur zwei der Frauen arbeiten für nicht deutsche Unternehmen, davon eine im Ausland. Rund die Hälfte der Frauen war bisher in zwei bis drei Unternehmen tätig, jedoch gibt es Wechslerinnen mit fünf und acht Unternehmen im Werdegang. Nur eine Frau ist im selben Unternehmen, einem DAX Konzern, geblieben. Die Frauen haben bis auf zwei Ausnahmen alle berufliche Auslandserfahrung, die meisten in einem oder zwei Ländern. Spitzenreiter bei den Auslandseinsätzen sind zwei Frauen mit drei bzw. vier Ländern auf ihrem Karriereweg. Die Länder, in denen überwiegend gearbeitet wurde, sind in der Mehrzahl innerhalb Europas. Die USA, China, Taiwan und Hongkong, sowie Japan kommen als Überseestationen hinzu.

6.3 Erlebte Chancengleichheit von deutschen Frauen in Führungspositionen Die deutschen Frauen wurden gebeten ihre erlebte Bewertung für Chancengleichheit im gehobenen Management für Deutschland auf einer Skala von null bis zehn zu vergeben, wobei null für keinerlei Chancengleichheit und zehn für vollkommene

6.3 Erlebte Chancengleichheit von deutschen Frauen in Führungspositionen

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Chancengleichheit von Frauen steht. Darüber hinaus bewerteten einige Frauen weitere Länder, in denen sie im Verlauf ihrer Karrieren gearbeitet haben. Deutsche Frauen beurteilen ihre Heimat im Durchschnitt mit dem Wert fünf auf der Skala von zehn bezogen auf Chancengleichheit im Management. Das bedeutet, dass nach Meinung der interviewten Topmanagerinnen erst der halbe Weg zur Gleichstellung in Deutschland erreicht ist. Anders ausgedrückt, bleibt die führende Wirtschaftsnation Deutschland in Bezug auf die Situation von Frauen im gehobenen Management im Mittelmaß. China wurde von drei Frauen, die dort bereits gearbeitet haben mit sieben bis acht bewertet. Den höchsten Wert erhielt Schweden von zwei Frauen mit zehn Punkten, Frankreich erhielt zwei Mal einen Wert von sieben bis acht und die USA einen Wert von acht. Das Schlusslicht der Bewertungen nahm Japan mit vier bis fünf Punkten ein, wobei die Interviewteilnehmerin anfügte, dass die Chancengleichheit dort mit Deutschland gleichzusetzen sei. Die deutschen weiblichen Führungskräfte begründen den Wert fünf von zehn für das deutsche Umfeld mit dem Druck und der negativen gesellschaftlichen Bewertung von Frauen, die sich primär auf ihre Karriere konzentrieren wollen. Das gesellschaftliche Umfeld ist weiterhin nicht bereit für Frauen in Führungspositionen, vor allem, wenn sie Mütter sind. Das bedeutet, dass deutsche Frauen sich nicht nur im Unternehmen durchsetzen müssen, sondern auch in ihren Familien, bei Freunden und in der Gesellschaft. Es ist weiterhin nicht selbstverständlich, als Frau eine Führungsfunktion anzustreben. Daneben wird das mangelnde Selbstbewusstsein von Frauen in Deutschland als Grund für die Bewertung benannt, auch im Vergleich zu Frauen aus einigen anderen Nationen. M1.: Du brauchst in Deutschland jetzt eigentlich nur einmal gucken. Frauen, egal was sie tun, die werden nie positiv eingeordnet. Also, ich untermauere das gerne. Ich beschreibe das immer gerne: Die Frau, die keine Kinder hat, wird in Deutschland als Karriere geile Emanze eingeordnet. Die Frau, die sich entscheidet, Teilzeit zu arbeiten, na ja, die muss das ja wahrscheinlich. Weil, ihr Mann schafft das alleine nicht. Oder, die muss sich ja auch noch ein bisschen selbst verwirklichen. Die, die Vollzeit arbeitet mit Kindern, das ist eh die klassische Rabenmutter. Also, die hat sowieso nur ihre eigenen Interessen im Vordergrund. Und ich hatte eine Mentee, die mir das so deutlich noch einmal vor Augen geführt hat, weil sie sagte: „Mein Mann ist eigentlich stolz auf mich. Auch, dass ich jetzt noch promoviert habe, und dass ich jetzt den Schritt ins Ausland machen möchte.“ Und, die MÖCHTE. Die hat eine Schwiegermutter, die ihrem Sohn immer erzählt: „Du hast das doch gar nicht nötig, dass sie arbeitet. Die macht viel zu viel, du solltest…“. Das heißt, in der Familie und im Umfeld, gibt es wenig Positives, dass der Frau signalisiert: „Wenn du Karriere machen willst, wenn du den Sprung machen willst, wenn du arbeiten willst, das ist großartig. Das ist richtig, und das ist toll.“ Die tradierten Muster sind so verfestigt, dass sie wie Blöcke und Barrieren sozusagen, Frauen entmutigen, statt das da einer kommt und sagt: „Wow, du hast Kampflust. Du machst das, du schaffst das.“ Diese Haltung gibt es in Deutschland aus meiner Sicht viel zu wenig. Es gibt zu viel Kritik, zu viele Vorurteile, alte Muster. Die es Frauen nicht leicht machen, sich wirklich für Karriere zu entscheiden. B.: Ja. Ich würde mal sagen, doch irgendwie noch mal ein anderes Selbstbewusstsein. Einfach stärker dastehen. Wo ich schon das Gefühl habe, und ich rede jetzt gar nicht von Deutschland. Ich rede jetzt eher von meinem Unternehmen. Also, was ich hier bei mir gesehen habe. Das oft die Frauen, die also eher so ein bisschen kleiner werden. So, ach, nee. Und das kann ich nicht und das schaffe ich nicht.

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Also dieses Selbstvertrauen, habe ich schon das Gefühl, das war in Litauen stärker bei den Frauen. Und egal bei welcher Position. Das kam immer wieder rüber. Und hier ist schon so, du musst irgendwie die Frauen ein bisschen mehr greifen und da mitnehmen. J.: Und ich finde, da ist aber in Deutschland noch ein ganz großer Unterschied. Und ich muss sogar sagen, ich habe das Gefühl, es wird wieder gesellschaftsfähig, flapsige Bemerkungen dazu fallen zu lassen, wenn eine Frau zum Beispiel technische Ahnung hat oder für einen IT-Bereich zuständig ist, es ist gesellschaftsfähig, sich darüber lustig zu machen. Das ist mehr geworden. Und es gibt eine Unterscheidung. Und was ich auch merke, ist, es ist eine Selbstverständlichkeit für chinesische Frauen, Karriere zu verfolgen. Da ist auch Familie dabei nicht im Wege. Natürlich muss man das managen, aber es ist nichts im Wege. H.: Meine fünf von zehn bedeutet, dass ich glaube: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Das heißt, man kann es schaffen. Also die Hürde ist hoch, aber sie ist nicht so hoch, dass sie unmöglich ist. Ich glaube aber, dass alle unsere Rahmenbedingungen, also diese Grenze, diese Bilder, die sind noch so stark verhaftet, dass das Drumherum einfach noch so weit unterentwickelt ist. Es gibt eben auch diese ganzen Themen, auch Männer nehmen Elternzeit, es wird ja immer noch kritisch beäugt. Die Möglichkeiten für Kinderbetreuung, da sind wir immer noch relativ weit hinten aus meiner Sicht. Was mich eine Fünf geben lässt, sind auch die Bilder, die sehr stark bei meinen männlichen Kollegen in den Köpfen sind. E.: Ja. Deutschland ist tatsächlich, was Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterchancengleichheit angeht, meines Erachtens, lebt es hinter dem Mond. Der große Vorteil ist aber, dass die Frauen wenigstens nicht beschnitten werden, oder in einem Tschador irgendwie versteckt werden. Weil das nicht statthaft ist. Wenn wir uns anschauen, was für eine Repräsentanz von Frauen da ist in Geschäftsführungs- und Vorstandspositionen, da sind wir irgendwie bei lockeren 10 Prozent. Wenn wir uns anschauen, wie Vermögensverteilung ist, ist das Vermögen wahrscheinlich 80 zu 20 verteilt. Wenn wir uns anschauen, wie der Gender-Pay-Gap ist, der liegt bei 21 Prozent und das ziemlich hartnäckig. Und wenn wir uns dann anschauen, wie Vollzeit und Teilzeit verteilt ist, wissen wir auch: 90 zu 10. Und wenn wir uns dann anschauen, wie Arbeit definiert ist. Arbeit ist tatsächlich nach wie vor sehr stark tarifvertraglich konnotiert, obwohl es nicht mehr tarifvertraglich zugeordnet ist. Also die Bilder, die da sind, sind Vollzeit, gewerkschaftlich, männlich, hart arbeitend, Stahl. Das ist so das Bild und danach wird auch bezahlt. Also alle, die irgendwelchen Menschen den Hintern abputzen und pflegen sind miserabel bezahlt, das sind Frauen. Und Frauen nach wie vor auch in der Situation sind, dass das, was sie an Berufstätigkeit haben, nicht als vollwertig anerkannt wird, weil sie nicht diejenigen sind, die die Familie ernähren. Männer haben für sich eine Vorstellung davon, dass sie Familienernährer sind, und so werden sie auch gesehen. Das heißt Arbeitslosigkeit bei Männern ist viel bedrohlicher als bei Frauen, denn die haben ja immer noch andere Optionen. Andererseits ist es so, dass Männer keine Gestaltungsoptionen für sich haben. B.: Ich fange mal oben an. In den Ländern, wo ich was weiß. In Asien. Also, Schweden. Ich habe viel in Schweden gearbeitet. Schweden steht sicherlich bei zehn. Oder neun. Also neun oder zehn. Da irgendwie ist Skandinavien ganz oben. Was die da eingeführt haben, was aus meiner Sicht das Schlaueste überhaupt war, ist, dass im Prinzip sie diese paritätische Elternzeit eingeführt haben. Und dass Männer wie Frauen im Prinzip, so lange wie das Kind aus irgendeinem Grund stärkere Betreuung braucht, dann können sowohl Väter wie auch Mütter ihre Arbeitszeit reduzieren. Und das haben die Väter dort auch gemacht. Ich hatte ein Team in Schweden sitzen, da kam wirklich ein Peercounter. Und der hat gesagt: „So, ich muss mich jetzt mehr um meine Kinder kümmern. Ich reduziere jetzt auf vier Tage die Woche.“ Da wurden Frauen wie Männer absolut gleichbehandelt. Es war ja egal, wen sie da eingestellt haben. Weil, beide konnten aus ihrer Sicht jederzeit sagen: „So, jetzt will ich reduzieren.“ Das hat für absolut gleiche Arbeitsbedingungen gesorgt. Und es wurde auch, wie gesagt, von Frauen und Männern wahrgenommen. Frankreich würde ich eher auf so einer,

6.4 Karrierestrategien der deutschen Frauen

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auf der Skala wahrscheinlich bei sechs einstufen. In Frankreich haben sie hauptsächlich staatlich geförderte Systeme, wo die Kinder eben in der Ganztagsschule sind und am Mittwochnachmittag eigentlich alle Mütter nicht arbeiten. Das ist relativ weit verbreitet. Und ich würde sagen, da sind Frauen insgesamt eher akzeptiert. Da haben sie eher den Nachteil, dass die Frau ja noch unheimlich sexy sein muss. Das ist, glaube ich, als Französin wirklich anstrengend.

6.4 Karrierestrategien der deutschen Frauen Die Karrierewege der deutschen Frauen bilden ein breites Spektrum möglicher Vorgehensweisen ab. Die Hälfte der Frauen wechseln mehrfach das Unternehmen und haben zwischen fünf bis sieben Unternehmen in ihrer Vita. Bei den Wechslerinnen steht am Anfang der Karriere eine längere Phase von fünf bis sieben Jahren in einem oder zwei Unternehmen. Danach werden die Wechselzyklen kürzer, im Schnitt zwei bis drei Jahre. Knapp die Hälfte der Frauen haben in insgesamt zwei Unternehmen Karriere gemacht. Drei dieser Frauen kehren nach einer Karrierestation in einem anderen Unternehmen wieder in das ursprüngliche Unternehmen zurück und nutzen den Schritt für einen Sprung nach oben. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist eine Frau aus dem Personalbereich, die in eine Prestigepersonalvermittlung wechselte, um dann im ursprünglichen DAX-Unternehmen weit nach oben aufzusteigen. Eine Phase der Selbstständigkeit haben drei der Frauen als zeitweisen Karriereschritt in ihrer Vita. Die jüngste Frau der Gruppe macht bisher ausschließlich in einem DAX-Konzern Karriere, mit zwei Auslandsstationen. Die älteste Frau der Gruppe startete als Selbstständige und ging dann für ihr gesamtes weiteres Berufsleben in einen Großkonzern. Erfahrungen mit öffentlichen Unternehmen machte nur eine der Frauen. Die überwiegende Mehrheit der Frauen ist nur in deutschen Unternehmen tätig. Nur drei der Frauen machen Erfahrungen in ausländischen Unternehmen, zwei davon mehrfach. Auslandserfahrungen erfolgen bei den meisten der hier befragten weiblichen Führungskräfte über eine Versetzung aus dem Konzern, nur drei wählen direkt eine Position im Ausland. Die Karrierewege umfassen also ein Spektrum von Mustern mit eher unternehmensgebundenen Verläufen sowie Wechselverläufen. Primärer Wechselgrund bei den Frauen ist vor allem der eigene Aufstiegswunsch, der sich nur über die Veränderung realisieren lies. Einige Frauen berichten, dass ihnen Platzhalter-Führungsrollen angeboten wurden, da man ihnen eine größere Führungsverantwortung von männlicher Seite nicht zutraute. Durch einen Wechsel konnten einige von ihnen bis zu drei Hierarchiestufen im Vergleich zur vorherigen Position überspringen. Umstrukturierungsmaßnahmen bzw. Schließung von Geschäftsbereichen führte bei einem anderen Teil der Frauen zu Wechselentscheidungen. Nachdem sie absehen konnten, dass ein Verbleib im Konzern zu Stagnation der Karriere führen würde, beschlossen sie aktiv zu werden und neue Chancen zu suchen. Einige Frauen machen für die Suche aktive Pausen von bis zu sechs Monate oder suchen sich kurze Übergangslösungen als Consultant. Die Karrieremuster und -wege

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

der deutschen Frauen lassen sich über folgende Strategien am besten veranschaulichen: 1. Chancen für den Aufstieg suchen 2. Umfelder suchen, in den Frauen in Führungsetagen willkommen sind 3. Karrierewünsche kommunizieren 4. Eigene Komfortzone verlassen und große Projekte führen 5. Zeitlich begrenzte Auslandserfahrung machen 6. Breite Kompetenz aufbauen, auch für Spezialistinnen Laufbahnen 7. Interne und externe Netzwerke aufbauen und nutzen Die deutschen Frauen brauchen eine Anlaufphase, um ihre Karrierestrategien zu entwickeln. Vielen verweilen in den ersten Unternehmen und Funktionen relativ länger als Wechslerinnen anderer Länder. Es scheint, als ob die Frauen eine Art Initialzündung benötigten, nach der der weitere Weg dann klar wurde. Die Klarheit über Karriereziele braucht hier also etwas Zeit. Auf die Frage, was denn zentral ihren eigenen Karriereweg positiv gefördert hat, steht zum einen die Erkenntnis, nicht zu lange in Unternehmen zu verharren, in denen Frauen aufgrund der Unternehmenskultur oder der Einstellungen des obersten Chefs keine Chance haben. Dahin zu gehen, wo Frauen in Führungsetagen willkommen sind, ist eine Strategie, die die Frauen nach langem Verharren in diskriminierenden Umfeldern anwenden. Erst das Ausbrechen aus der Mitte, in der sie als Frauen in Deutschland durchaus geschützter hätten verharren können, bringt die Karriere voran. Das bedeutet zum Beispiel bei einer der Frauen, dass sie bewusst ihren Karriereweg außerhalb von Deutschland fortsetzt. Bei anderen Frauen bedeutet es Unternehmenswechsel, nach langen Phasen auf den zweiten oder dritten Führungsebenen. Das Aufbauen breiter Kompetenz mit Vertriebs- und Führungsaufgaben in unterschiedlichen Unternehmensbereichen steht den Fachkarrieren gegenüber. Hier sind die Personalleiterinnen das häufigste Beispiel. Diese erwerben die breiteste mögliche Erfahrung in ihrem Spezialbereich, um sich für Toppositionen zu qualifizieren. Auslandsstationen sind bei der Mehrzahl der Frauen quasi Wunsch- und Pflichtprogramm. Erfolgreich ist dabei sowohl der direkte Start für ein deutsches Unternehmen im Ausland als auch die klassische Expatsituation, bei denen die Frauen aus den Unternehmenszentralen in das Ausland versetzt wurden. Für Letztere gilt jedoch, dass sowohl die Rückkehr in den Mutterkonzern als auch die familiäre Wiedereingliederung Herausforderungen darstellten. Trotzdem war die zeitlich befristete Auslandserfahrung bei den meisten Frauen eine Erfahrung, die unmittelbar zur Kompetenzausweitung führte. Sie führt jedoch bei den meisten nicht direkt zum direkten nächsten Schritt auf der Karriereleiter. Aspekte, welche für den Werdegang vieler Frauen eine zentrale Rolle spielen, waren, die eigene Angst überwinden, aus der Komfortzone herauszutreten und unbekannte große Projekte aktiv zu übernehmen. Dazu gehört zum Beispiel das Aufbauen neuer Geschäftsbereiche, das Verhandeln großer Projekte wie auch die Sanierung von Geschäftsbereichen.

6.4 Karrierestrategien der deutschen Frauen

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B.: Also, ich glaube, der eine Faktor war, wirklich zu verstehen, dass die Umstände auch die Richtigen sein müssen. Also, mir viel bewusster zu sagen, die Stelle JETZT zu suchen. Die Unternehmen zu suchen, wo es möglich ist. Wie gesagt, das war meine große Erkenntnis nach meiner XY Zeit. Da wurde keine Frau irgendwas. In dieser Konstellation zu sagen, das muss man sich viel genauer aussuchen, sozusagen. Also, mein Chef bei AB, der war sozusagen genderblind. Oder, das hat ihn einfach nicht interessiert. Ihm war wichtig, dass wir Ergebnisse liefern. Das hat definitiv, würde ich sagen, einen großen Durchbruch gebracht. Es geht ja nicht nur, um das Thema, Frau zu sein. Wir haben einen gewissen Stil. Und jedes Unternehmen hat eine gewisse Kultur. Und dann wurde mir klar, Menschen befördern normalerweise Leute, die ihnen selbst ähnlich sind. Und das heißt, da werde ich natürlich fast nirgends befördert. Weil, ich natürlich nirgends demjenigen ähnlich bin. Und dann zu sagen, okay, dann musst du zu Unternehmen gehen, wo die Leistung auch deutlich zählt. Also, ich kann nicht zu einem Unternehmen gehen, das zum Beispiel aus meiner Sicht hochpolitisch ist. CD ist zum Beispiel sehr von der französischen Kultur geprägt. Das hat sich zwar in den letzten Jahren etwas verbessert. Aber wenn Sie da nicht Franzose sind, dann bewegt sich da auch nichts. Und dann, anzufangen, auch die Unternehmen deutlicher zu sortieren. Und zu sagen: „Du passt. Und Du passt nicht.“ Und das dann auch beim Wechsel, deutlich stärker in die Auswahlkriterien einfließen zu lassen. M1.: Es gibt ein Zitat. Das heißt „Wenn eine Aufgabe mir keine Angst macht, dann ist die Aufgabe zu klein.“ Das ist von, ich glaube, irgendeiner afrikanischen Präsidentin, die das irgendwie einmal gesagt hat. Die erste Frau. Nigeria, oder so. Und das hat mich sehr angesprochen. Das stimmt schon. Ich kann mich ganz gut erkennen: „Ui, das ist aber jetzt eine richtig komische Nummer.“ Mein erster Tag bei der XY Zeitung. Das machte mir schon Angst. Also ich kann damit umgehen. Ich erkenne, dass meine Angst mich auch schützen will und mir auch Signale gibt, aber ich weiß auch, sie darf mich nicht blockieren. Sie darf mich nicht hemmen, den nächsten Schritt zu tun. Also ich glaube, viele bleiben einfach an der Stelle ihrer Angst, ihrer Unsicherheit, stehen. Und das tue ich nie. Das kenne ich gar nicht. C.: Also einmal, ich habe bei XY angefangen 2002 in I. (Land). Ich wusste schon immer, dass ich ins Ausland möchte, und habe einfach mich in I. beworben und bin dort, auch wenn das jetzt weit zurückliegt, aber es ist schon wichtig. Ich habe da in den Anfangszeiten sehr viel operativ gemacht. Also da war XY noch sehr, sehr klein. Und bin dadurch sehr schnell hochbefördert worden. Was heutzutage gar nicht mehr gehen würde. Und war dann so mit 29 Jahren Geschäftsführerin, verantwortlich für 1000 Mitarbeiter. Und ich glaube, weil ich so schnell auch Führungsverantwortung aber auch Fachverantwortung bekommen habe, glaube ich, das hat schon beeindruckt. Bin dann gewechselt, bin nach O. (Land) gegangen. Und war in O. auch wieder Geschäftsführerin für eine Regionalgesellschaft. Ich habe dann aber gleich das ganze Land mit betreut, im Vertrieb. Und war auch wieder eine wichtige Position für mich, weil ich da, glaube ich, viele Sachen, die ich in I. gelernt habe dort wieder ganz anders gesehen habe. Und ich glaube, einigen da auf die Füße getreten bin. Wo ich irgendwie dadurch, ich glaube mich ein bisschen mehr bemerkbar gemacht habe. Und mir wurde der Job angeboten als CEO in L. (Land). Und ich glaube, den habe ich erhalten, weil ich glaube meine Vorgesetzten damals gesehen habe, wie schnell ich mich auch neue Situationen einstellen kann. Mut haben, einfach mal ein paar Sachen anzusprechen, und auch einfach die Sache umsetzen kann. Und ich glaube, ich habe es immer sehr, sehr gut geschafft, die Mitarbeiter auch mitzunehmen. Also ich hatte irgendwie immer ganz. Ganz schnell so ein ganzes Team hinter mir, also wie wir als Team dann alle so zusammen das nach vorne gebracht haben. Ja. Und in L. war für mich dann wieder eine komplett neue Situation. Da habe ich angefangen mit 30 Mitarbeitern. So wenig hatte ich noch nie in meiner ganzen Laufbahn. Und musste dort ja komplett neu Einkaufsteam, Immobilienteam, also wirklich wie so ein Start-up alles aufbauen. Komplett mich da in eine neue Kultur reindenken. Ja, und dann nach so einer Vertriebskarriere kam dann auf einmal „Frau XY. Sie scheinen mit den Mitarbeitern ein gutes Händchen zu haben. Sie bringen die Sachen gut rüber. Wie

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

wäre es, wenn sie bei uns den Personalbereich umbauen?“ Und bin dann Vorstand Personal geworden. Irgendwie hört sich das so einfach an, aber war ein anstrengender Weg. M.2: Die Schritte auch wirklich, ja, auch mal sich zu trauen, ins Ausland zu gehen. Sowohl im Studium als auch in der Arbeitswelt. Also, auch ein bisschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, ich war sehr früh in einem Team, was quasi ein neues Produkt gelauncht, und dieses Produkt ist sehr, sehr erfolgreich gewesen. Somit war ich sozusagen von erster Hand dabei und mit dem Erfolg des Produktes bin ich dann quasi auch selber erfolgreicher geworden, wenn ich das so sagen kann. Weil man natürlich die Erfahrung von erster Hand hatte, das war aber, ich würde mal sagen, auch mit ein bisschen Glück. Weil, ich meine, das ist einfach so, man arbeitet auf einem Produkt, was halt ein guter Erfolg oder halt auf einem Produkt, was kein Erfolg wird. Genau. Und da natürlich dann auch sehr schnell Führungsverantwortung zu bekommen. Ich bin in S. (Land) dann schon an einem Punkt angekommen, wo ich nicht mehr weitergekonnt hätte. Es wäre nicht mehr weiter nach oben gegangen, denn der nächste Schritt wäre dann CEO gewesen, wenn man auf das Organigramm schaut, im klassischen Sinne. Und das geht natürlich nicht, quasi. Woraufhin wir uns dann überlegt haben, dann gehen wir erst mal jetzt zurück nach Deutschland. E.: Also jede der Stationen, die ich hatte, hatte natürlich unterschiedliche Facetten. Und die haben ja nicht aufeinander aufgebaut, sondern haben eher ein breiteres Spektrum mit sich gebracht. Dann habe ich in meiner ersten Station gemerkt, da gab es sieben Hierarchiestufen, dass, sollte ich einmal irgendwann an die Spitze wollen, ich ungefähr 150 werden müsste in dem Job oder in der Firma. Und das wollte ich nicht. Da wollte ich ein bisschen schneller sein. Also habe ich das Unternehmen dann auch zu gegebener Zeit verlassen. Bei XY hatte ich sicherlich etliche prägende Situationen. Das eine ist: Ich bin ja in der betriebswirtschaftlichen Abteilung gelandet, die so eine Art Kaderschmiede war, zu der Zeit. Und damit dann auch zu einer soliden betriebswirtschaftlichen Grundausbildung gekommen. Das ist vielleicht das eine. Das Zweite war: Ich hatte einen Chef, der Spaß an mir hatte, und damit dann auch geneigt war mich zu fördern. Und das Dritte war: Ich habe kurz bevor ich XY verlassen wollte, das war so nach sechs Jahren etwa, die Möglichkeit gehabt innerhalb der XY einen neuen Geschäftsbereich mit aufzubauen. Also da wurde auch meine Abenteuerlust ziemlich gut unterstützt. Und da habe ich quasi den internationalen Teil vom Geschäft gelernt, also gerade den angelsächsischen Teil auch. Und den Paneuropäischen. Also das waren vielleicht so Stationen. Dann war ich bei AB. Da ist vielleicht das herausragende, dass ich das erste Mal in so einem kommunalen Umfeld war und mich da nicht zurechtgefunden habe. Das ist auch eine Lernerfahrung. Aber da auch große Projekte gemacht habe, also wirklich sehr große Projekte. Eines davon war, einen großen Vertrag zu verhandeln über einen langen Zeitraum in Höhe von über 300 Millionen Euro. Dass, wenn ich mir das heute anschaue, das ist über 15 Jahre her, ich bin überrascht, wie viel Verantwortung mir da übertragen wurde. Und das andere war: Ich habe da eine große Sanierung durchgeführt von einem Telekommunikationsunternehmen, was ich vorher auch noch nicht gemacht hatte. Und auch das war eine echte Lernsituation. H.: Also, für mich war ja eigentlich die Idee, dass ich noch eine weitere Aufgabe in Asia-Pazifik mache. Ich glaube, das wäre sicherlich gut gewesen. Und dann wäre ich auf einer anderen Ebene zurückgekommen. Zum anderen hat man eben auch, glaube ich, unterschätzt, nicht nur mein Vorgesetzter, sondern auch ich, wie viel Freiheitsliebe ich eigentlich zu dem Zeitpunkt schon hatte. Und dass dieses sehr enge Korsett, in das man mich gedrückt hat, auch meine Performance sicherlich nicht mehr gezeigt hat, also, ich konnte mich gar nicht mehr in dem Maße entfalten. Und ich glaube, das ist eben auch schon etwas, wo man sehr sensibel darauf schauen muss, wenn man Leute zurückholt. Und das glaube ich, dass das in beide Richtungen geht. Ich sehe das ja auch, wenn wir Leute eben auch wieder in Länder zurückbringen musste, und dann waren keine Stellen da. Ja, man muss schon darauf gucken: Was haben denn die Leute gemacht und können sie sich denn auch in dem Maße integrieren? Und ich war sicherlich auch verdorben.

6.5 Karrierevoraussetzungen der deutschen weiblichen Führungskräfte

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6.5 Karrierevoraussetzungen der deutschen weiblichen Führungskräfte Deutsche Frauen, die es in das Topmanagement schaffen, bauen auf eine erstklassige Ausbildung auf. Sie nutzen die ersten Berufsjahre dafür, um sich klar zu werden, ob sie einen Aufstieg nach ganz oben wagen wollen. Sie sind Meisterinnen im Gestalten von Veränderungsprozessen für Unternehmen. Dazu gehören, die Fähigkeit Transformationsprozesse zu führen, der Wille zu gestalten und neue Organisationen aufzubauen.

Deutsche Frauen und ihre Herkunft – Väter als Rollenmodelle, Mütter als Förderinnen Die Literatur bietet verschiedenen Untersuchungen zu der Frage, ob und inwieweit Herkunft Karriereverläufe beeinflusst. Die Aussagen sind dabei eng mit den kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes, auf welches sich die Untersuchungen beziehen, verbunden. Herkunft bezieht sich in der Regel auf familienstrukturelle Variablen, wie den Beruf der Eltern und deren sozioökonomischen Status. Herkunftsfamilie bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Familie, in die man geboren wird. Eine der wenigen Studien, die sich mit dem Thema auseinandersetzten, etwa die Studie des deutschen Soziologen Michael Hartmann, brachte Erkenntnisse, die mit dem Bild der modernen und offenen Karriere nicht ganz übereinstimmen. Seine Forschung zeigte, dass die Chancen, eine Führungsposition zu erreichen in Deutschland 50 Prozent höher sind für Kinder aus Angestellten Familien und 100 Prozent höher für Kinder mit einem sozial starken Hintergrund im Vergleich zu Arbeiterkindern oder Kindern der Mittelklasse. Sozialer Hintergrund hat in Deutschland scheinbar einen direkten Einfluss auf die Auswahl von Eliten. Die Studie zeigt, dass die deutsche Wirtschaftselite, d. h. die Topmanager der deutschen Großkonzerne, seit Jahrzehnten einer gleich starken sozialen Schließung unterliegt. Mehr als vier Fünftel dieser fast immer Männer stammen aus dem gehobenen Bürgertum oder Großbürgertum. Obwohl in der Forschung die Ungleichheit bezüglich Karrierechancen bisher nur zu geringen Anteilen mit der Herkunft in Verbindung gebracht werden kann, kann man bei Hartmann wie auch bei Forscherin Resch feststellen, dass Unterschiede in der Berufswahl und in Karriereverläufen von der Herkunft beeinflusst werden. Kinder identifizieren sich stark mit den Berufen der Eltern. Es gibt laut Schellhorn Hinweise darauf, dass der Beruf der Mutter besonders die Berufswahl von Töchtern beeinflusst. Mütter stärker als Väter beeinflussen ihre Karriereentscheidungen. Für deutsche Frauen gibt es im Gegensatz zu Männern einen negativen Zusammenhang zwischen dem Bildungsgrad der Eltern und der Zufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung: Je höher die Bildung des Vaters, desto unzufriedener ist Frau mit ihrer beruflichen Entwicklung, desto schmerzhafter stößt sie an die ‚gläserne Decke‘ und erlebt die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie.

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Der überwiegende Teil der Frauen in der Untersuchung hat Väter, die akademisch ausgebildet sind und in leitender Position gearbeitet haben. Väter, die nicht studiert haben, konnten sich alle in leitende Positionen hocharbeiten.Von den Müttern ist der geringere Anteil Akademikerin. Bis auf zwei Ausnahmen waren alle Mütter überwiegend Hausfrauen und nur zwei Mütter, davon eine Mutter aus der ehemaligen DDR, arbeiteten regelmäßig in Vollzeit. Die Mütter mit qualifizierter Ausbildung sind Lehrerinnen oder in medizinischen Berufen. Eine einzelne Frau hatte selbstständige Eltern und beschreibt deren ständigen Kampf, um das Unternehmen zu retten. Befragt nach ihren Rollenvorbildern in der Jugend nennen die Frauen bis auf drei Ausnahmen ihre Väter. Es sind Väter, die viel gearbeitet haben und somit auch viel abwesend waren. In der wenigen Zeit, die sie zu Hause waren, vermittelten sie den Frauen ein interessantes Bild von ihrer Berufstätigkeit und gleichzeitig den Wert von Disziplin und hohem Arbeitsengagement. Die Frauen wollten sich den Respekt dieser Väter verdienen. Es gibt Hinweise darauf, dass einige der Frauen die Rolle eines nicht vorhandenen Sohnes einnahmen. Die zwei Frauen, die ihre Mütter als Vorbild benennen, stammen aus Ostfamilien. Alle Mütter, ob nun die Mehrheit der Hausfrauen oder die Minderheit arbeitender Mütter, sind in Bezug auf ihre Kinder leistungsorientiert und fördern bzw. fordern gute Leistungen. Bei den Kindheitsbeschreibungen der Frauen fällt außerdem auf, dass schon früh die Selbstständigkeit gefördert wurde. S.: Also, mein Vater ist wie gesagt Ingenieur, Elektrotechnikingenieur, der hat sich wirklich hochgearbeitet, das war ihm nicht in die Wiege gelegt, sondern hat sich über erst mal eine Ausbildung zum technischen Zeichner, weitergehendes Studium, höherer Schulabschluss und dann Studium und Promotion auch im Ausland hat der sich letztlich in eine sehr hohe Position in einem Chemiekonzern hochgearbeitet, also auch mit Führungsverantwortung. Und meine Mutter, also wir hatten das typische Rollenbild, wie wir es in Deutschland haben, meine Mutter hat zwar gearbeitet, bis sie mich und meinen Bruder bekommen hat, die hat uns relativ spät bekommen, mit Ende 30, hat aber eigentlich immer in irgendwelchen Aushilfsjobs gearbeitet, weil sie jetzt auch keine wirkliche Ausbildung gemacht hatte, und hat dann mit der Geburt von mir und meinem Bruder letztlich ihre berufliche Tätigkeit eingestellt und auch nie wiederaufgenommen. C.: Ja, meine Mutter hat immer gearbeitet. Aber wissen Sie, das ist ja im Ostblock ganz normal gewesen. Also sie hat immer Vollzeit gearbeitet als Lehrerin. Und mein Vater, der hat sehr wohl, auch im Haushalt, hat er unterstützt. Also ich habe das schon so wahrgenommen, dass die sich auch die Pflichten geteilt haben. K.: Mein Vater war Diplomat, wir sind viel umgezogen von Afghanistan, Indien, Mali, Genf über Brüssel nach Paris. Meine Mutter ist Pharmazeutin. Die hat dann immer, wenn wir in Deutschland waren, gearbeitet und im Ausland hat sie versucht in medizinische Organisationen zu kommen. Aber meistens hat sie sich um uns gekümmert. Meine Großmutter war eine der ersten Frauen in Deutschland, die VWL studiert hat und später als sie geheiratet hat, hat sie dann immer Statistiken auf dem Gut meines Großvaters gemacht. Das hat mich geprägt. M2: Ja, ja, der war halt nur ganz selten da, meine Mutter war halt immer da, war auch die, die wirklich streng erzogen hat und mein Vater war gütig und ruhig. Meine Mutter nicht unbedingt. Er hatte die Zügel im Griff. Ja, wenn mein Vater da war, war es schön und er war sehr selten da. Und am Wochenende, als ich jung war, halt auch die ganzen Notdienste im Krankenhaus und dann kamen immer viele Patienten. Habe ich gemerkt, dass er abgearbeitet war, hatte ich auch irgendwie, glaube

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ich, Mitleid. Dann musste man viel schlafen, weil er nachts durchgearbeitet hatte, und es war spannend, dass er Kinder auf die Welt brachte, ich habe das immer ständig gespielt. Also, ich glaube, er war so mein Rollenvorbild, ja. S.: Und das andere ist sicherlich ein Einfluss, den mir mein Vater mitgegeben hat, der immer schon mir vermittelt hat, es ist wichtig, für das Finanzielle zu sorgen. Geld ist nicht alles, aber Geld macht das Leben leichter. Und gute Ausbildung ist der beste Weg, um auch gut Geld zu verdienen. Und ich denke, das war auch so ein Punkt, der mich da beeinflusst hat, auch eben zu sagen: Ja, gute Ausbildung ist wichtig, auch diese Entscheidung für das Ingenieurstudium, die er ja auch damit begründet hat, dass er gesagt hat: „Schau mal, klar, du kannst auch Psychologie studieren oder BWL, aber wenn du wirklich erfolgreich im Beruf sein möchtest und gut verdienen möchtest und dich absichern möchtest, dann hast du mit einem Ingenieurstudium wahrscheinlich bessere Chancen.“

Kompetenzen der deutschen Frauen Befragt nach ihren Stärken und Kompetenzen kommen auch bei den deutschen Frauen viele und ausführliche Antworten. Die sprachliche Kompetenz der deutschen Frauen ist hoch. Zusätzlich zum Standard Englisch werden zwei bis fünf weitere Sprachen angegeben, die verhandlungssicher oder als Grundkenntnisse vorhanden sind. Ein Schwerpunkt der Nennung liegt in dem hohen Experten Wissen der deutschen Frauen. Sie zeichnen sich aus über hohes Fachwissen, genaue Kenntnis ihre Märkte und des Geschäftes. Untermauert wird das Expertenwissen durch erworbene Abschlüsse und konkrete Erfahrungen, wie zum Beispiel Vertriebserfahrung oder Erfahrungen in Spezialbereichen wie IT und Digitalisierung. Analytische Fähigkeiten und Systemverständnis werden in der Häufigkeit der Schilderungen genauso oft wie das Expertenwissen genannt. Dabei beschreiben die Frauen ihre Zahlenaffinität sowie die Fähigkeit, mit komplexen Sachverhalten umzugehen. Diese Fähigkeit nutzen sie, um strategisch zu gestalten und zu planen. Visionsfähigkeit und Innovationsfähigkeit werden von einem Teil der deutschen Frauen auch im Zusammenhang mit Changemanagement beschrieben. Dabei zeichnen sie sich dadurch aus, kontinuierliche Veränderungsprozesse durch Motivation und Unterstützung von Mitarbeitern zu unterstützen. Eine hohe Kommunikations- und Verhandlungsstärke sowie Überzeugungskraft sind weitere Kompetenzen, die in den Interviews immer wieder genannt werden. E.: Das eine ist, ich bin analytisch ganz gut. Ich verstehe Sachverhalte und Situationen, Zusammenhänge gut. Also das hilft. Ich bin in der Lage mich fachlich auch in Themen einzuarbeiten, die vielleicht auch im ersten Anlauf als schwierig angesehen werden. Und ich kann tatsächlich auch produzieren, also das, was es dann braucht, um einen guten Eindruck zu machen. Also das ist quasi so eine Art Hygienefaktor. Das ist bei Männern im Übrigen nicht so. Also, die kommen auch mit weniger durch. Das muss man einfach wirklich sagen. Dann ist es aber auch so, dass mich relativ wenig wirklich aus der Fassung bringt. Und das hilft auch. Also das heißt, man kann auch irgendwie in Situationen, wo andere schon denken: „Ich weiß gar nicht was ich machen soll“, sich selber sagen, „so schlimm ist das eigentlich nicht“. Und das hilft wahnsinnig, weil da ist ja auch unnötig viel Affentheater dabei. Und dann habe ich, glaube ich, und das ist das, was mich wirklich auszeichnet,

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habe ich so eine Art visionäre Kraft, dass ich weiß, wie es wird. Und dafür auch ein Gefühl habe, wo ich da hin will. Jetzt ich nicht unbedingt als Person, aber ich in der Aufgabe und in der Rolle. Und das kann ich vermitteln und übertragen. C.: Ich würde sagen, wo ich auch stark bin, was wahrscheinlich meine Vorgesetzten auch gesehen haben, Zahlenaffinität, strategisch denken, unternehmerisch denken und wirklich links und rechts schauen. Also nicht dieses Silodenken. Oder dadurch, dass ich in so vielen verschiedenen Bereichen tätig war, kenne ich das Unternehmen sehr gut und bin jetzt auch nicht der typische Personalvorstand, der nur irgendwie HR-Brille aufhat. Sondern ich weiß ganz genau, was es heißt, in der Filiale zu verkaufen. Weil ich das zum Beispiel in meiner Zeit in O. (Land) selber immer noch einmal im Monat gemacht habe, um einfach nah dran zu sein. Und ich glaube, das ist wichtig. Dieses, ich bin sehr, sehr nahbar. Bin nicht irgendwo oben im Vorstand. Also, ich bin auch jetzt sehr dicht dran, an meinen Mitarbeitern. Sitze sehr viel bei denen mit auf der Fläche. Weil wir die Sachen zusammen machen. So habe ich schon immer gearbeitet. Also, ich alleine schaffe gar nichts. Ich mache vielleicht manchmal ein bisschen Dampf und mache Motivation. Aber am Ende bin ich das nur mit meinem Team. Und wahrscheinlich habe ich ein gutes Händchen dafür, mir die richtigen Leute auszusuchen, die mich stark machen. Weil ich auch weiß, welche Dinge nicht meine Stärken sind. Und so Leute muss ich mir suchen. Die das dann ausbalancieren. S.: Gut, meine Stärken, da ist natürlich noch das Thema, Leute auf den Weg mitnehmen zu können. Das kann ich schon sehr, sehr gut. Und ich glaube das gehört auch zum Erfolg. Einfach Leadership. Andere für Themen gewinnen zu können. Und natürlich auch Kommunikation. Einfach, Dinge sehr klar auf den Punkt zu bringen. Dann, das, was ich eben auch später gelernt habe, ist in diesen Statements sprechen. Diese Appelle senden. Das gehört auf jeden Fall auch dazu. Aber ich glaube, das habe ich.

Die interkulturellen Erfahrungen der deutschen Frauen werden zwar von einigen als für den Aufstieg wichtig gewertet, jedoch sind Fähigkeiten im Sinne von global mindset aus den Eigenbeschreibungen nur vereinzelnd erkennbar. Die Beschreibungen laufen eher auf der Ebene des Erkennens und Verstehens von Unterschieden, weniger jedoch auf der Ebene von der Adaptationsfähigkeit sowie des Wanderns zwischen den Kulturen. Eine der Frauen, die lange Jahre im Ausland in mehreren Ländern Karriere gemacht hat, sagt sehr reflektiert, dass sie im Punkt interkulturelle Kompetenz eher nicht ihre Stärke sehe. Eine Konzentration auf deutsche Stärken sei in ihrem Fall karrierefördernd gewesen. Eine weitere Frau beschreibt sehr offen und ganz klar ihren lokalen Fokus. Sie habe nie im Ausland gelebt und für ihre Arbeit sei das lokale Verständnis und die deutsche Sprache von größerer Bedeutung. Insgesamt äußern sich nur vier Frauen zu dem Bereich der interkulturellen Fähigkeiten und hier auch nicht lang. Man kann festhalten, dass die deutschen Frauen im Bereich Fremdsprachen und Auslandseinsätze vorne mitmischen. Die Beschreibungen, die eine Stärke im Bereich der Adaptation und das Wandern zwischen den Kulturen nahelegen, fehlen jedoch. M1.: Also ich habe es für mich erlebt, ich bin aus XY (Region in Deutschland) nicht wirklich rausgekommen. Heute ist es selbstverständlich, dass im DAX-Konzern davon ausgegangen wird, dass jeder mindestens zwei internationale Stationen absolviert, um sich für eine Führungsposition weiter zu entwickeln. Das heißt, das ist zeitgemäß, das ist richtig, dass jeder Mensch, der hier Führung übernehmen möchte, auch internationale Erfahrung gesammelt hat. Die Kommunikation ist eben ein

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sehr deutscher Bereich. Also insofern, ich muss die deutsche Sprache gut beherrschen und ich muss Netzwerken können und ich muss hier vor Ort meine Kontakte haben. Und, wenn du internationale Projekte hast, dann ist es immer auch mit Agenturen gewesen. Klar, die müssen auch gesteuert werden, aber dann hast du ja auch Teams. Also für mich war das kein großes Problem, mich innerhalb dieses Bereichs zu entwickeln bis dahin, wo es geht. Darüber hinaus hätte ich hier im Marketing oder sonst wo null Chancen gehabt. Dafür habe ich einfach nicht das Profil, was du heute brauchst oder auch damals schon gebraucht hättest, um im Marketing mitspielen zu können. Weder die Erfahrung noch sonst was, ja. Eine feine Nische, kann man durchaus sagen. Die auch zugelassen hat, dass man mit sozusagen wenig internationaler Erfahrung oder ehrlich gesagt keiner, bis dahin bewegen konnte. M2.: Für meine Karriere war es offensichtlich sehr, sehr wichtig und hat den Unterschied gemacht. Sowohl die Tatsache, dass ich in Amerika als Juristin zugelassen bin als auch wirklich mein offenes Interesse für China, was ja ganz anders als Hongkong ist. Beide Kulturen zu verstehen und mit offenem Herzen dranzugehen. Und ich habe es selbst als unheimlich bereichernd empfunden, aber das halt anders als viele andere deutsche Chefs, die da in Hongkong Dienst haben und die mit denen nicht landen können, weil sie halt kein Interesse an dem Land haben und nicht wirklich die Kultur verstehen wollen. Bei Führung ist es ganz wichtig, die Kultur eines Landes und wie man miteinander umgeht, zu verinnerlichen. Ich kann nicht mit meinem deutschen Führungsstil ′rübergehen, da muss ich mir aus Respekt vor den Menschen ein paar Gedanken machen und anders mit denen umgehen. Wie ich Feedback gebe und solcherlei Dinge. Aber auch da würde ich sagen, ich würde solche Dinge auch nie machen, Ticker an die Karriere: „Ich war jetzt ein Jahr in China“ oder noch exotischer. Das kann auch nichts werden. Ich glaube wirklich, dass es nur Menschen tun sollten, die wirklich Freude dran haben. Und die Fälle kenne ich auch, wo Leute nur sagen: Ich mache das jetzt, ich hasse China, aber ich glaube, es ist super für meine Karriere, ich will das jetzt. Die leiden ein Jahr. Das wird auch nichts von beiden Seiten. C.: Ja, also das ist meiner Meinung nach ganz, ganz wichtig. Hier reden wir ja auch immer wieder über Diversity. Aber dann haben wir auch immer noch mal wirklich verschiedenste Kulturen. Und das ist wirklich ein riesen Unterschied. Und ich merke, wenn ich in den Ländern unterwegs bin, die wissen, dass ich selber auch in einigen Ländern war. Und da ist zum einen vielleicht noch mal eine andere Verbundenheit da. Also man öffnet sich. Und ich kann auch einfach bestimmte Sachen, glaube ich, besser nachvollziehen. Und es ist einfach etwas Anderes, wenn ich in den USA mit meinen Kollegen oder auch mit externen Partnern in den USA mich treffe, oder wenn ich jetzt in Osteuropa, in Polen zum Beispiel, irgendwo Verhandlungsgespräche führe. Und das sind ja dann auch Konzepte, Prozesse, die wir hier von international auch steuern. Da haben wir auch so ein paar globale Prozesse. Da musst du so extrem dran denken, was heißt denn das jetzt für den Spanier und was heißt das für den Finnen? Ist das machbar? Oder auf welche Ebene sollten wir schauen, dass das doch national festgelegt wird, weil die Kultur auch so einen großen Unterschied macht. Also das ist auch eine Fähigkeit, die ich hier bei uns im Haus auch ganz stark fördere. Und ich schaue, dass die TopFührungsebene, dass die Leute alle im Ausland waren. Alle mal einen anderen Bereich gesehen haben.

Karriereorientierung der deutschen Frauen – langsam und dann aber so hoch wie möglich K.: Männer überlegen schon eher genau was sie wollen. Frauen trauen sich oft nicht. Die muss man „zum jagen jagen“.

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Die Karriereorientierung der deutschen Frauen in Bezug auf das Erreichen höchster Führungsfunktionen entwickelt sich im Zeitablauf und erst in späteren Stadien der Karrieren. Zum Berufsstart geht es den deutschen Frauen primär darum, viel Erfahrungen zu machen und um das Erreichen einer guten und soliden Rolle im Unternehmen. Dazu gehört auch der Schritt, Auslandserfahrung zu machen. Sie schildern, wie es ab einem gewissen Punkt in der Laufbahn, bei einigen erst nach Jahren, Klick gemacht hatte und aus der eher verhaltenden Karriereplanung eine eher Strategische wurde.Viele Frauen wurden von Vorgesetzten gefördert und beschreiben, wie die erste Führungsposition quasi durch Vorgesetzte an sie herangetragen wurden. Die Karriereorientierung bezogen auf das Erreichen hoher hierarchischer Rollen ändert sich mit mehr Sicherheit und Erfolgserlebnissen. Die Frauen schildern, wie sie mit der Zeit selbstbewusster wurden. Diese Schilderung entsprechen den Erkenntnissen von Fietze zum Zusammenhang von Persönlichkeit und Karriereerfolg bei deutschen Frauen. Allen deutschen Frauen ist gemein, dass sie entgegen der soziokulturellen Prägung für sich selber einen Schwerpunkt auf ihre Berufslaufbahn setzen und dafür in Kauf nehmen, ihre Mutterrolle nicht zentral in den Kern ihrer Überlegungen zu stellen. Das ist angesichts der weiterhin vorherrschenden Kultur in Deutschland eine Besonderheit dieser Gruppe. Auch gegenüber ihren Ehepartnern zeichnen sich die deutschen Interviewpartnerinnen dadurch aus, dass sie im Verlauf der gemeinsamen Entwicklung die Karriererolle in der Partnerschaft übernehmen. B.: Bei XY war ich natürlich im internationalen Marketing. Das ist ein genialer Job. Ich meine, es gibt ja nichts Schöneres als Marketing für, sagen wir mal, Beautyprodukte zu machen. Und durch die ganze Welt zu fliegen und Shootings. Das ist schon ein Job, der ist einfach toll. Mit sehr, sehr netten Kollegen und so weiter. Aber dann natürlich irgendwann zu sagen, Moment mal, so kann es natürlich jetzt nicht weitergehen. Da war auch die Diskriminierung der Frauen recht hoch. Und da habe ich irgendwann gesagt: „Nein, jetzt muss ich mir das Ganze etwas deutlicher vor Augen führen. Wie es denn von jetzt ab werden soll.“ Und da habe ich dann angefangen, mir das viel strategischer zu überlegen. Welche Positionen, welche Schritte, was muss ich denn tun. Ja, und ich glaube, das ist eine, also, Empfehlungen für andere Frauen, denke ich, viel strategischer Karrieren planen. Im Nachhinein glaube ich, ich habe das acht Jahre lang, dieses Marketing in verschiedenen Positionen, bei XY gemacht. Ist natürlich viel zu lang gewesen, wenn man jetzt rein karrieretechnisch denkt, ja. Hat natürlich viel Spaß gemacht, ich war auch überall auf der Welt. Ich habe, glaube ich, zweimal geplant, sozusagen. Also, das erste Mal, ich wollte definitiv Geschäftsführerin werden. Das war für mich ein ganz klares Ziel. Das war, glaube ich, die erste Planung. Und als ich dann mal Geschäftsführerin war, und das war ich ja eigentlich dreimal, sozusagen. In drei verschiedenen Positionen. Also, man lernt ja dann auch selber, dass man eigentlich erstaunlich mehr kann, als man dachte. Also, bei mir war das ganz entscheidend. Ich war in Spanien während der Krise. Und da hatten sie ja eigentlich sehr große Erfolge. Und da kam natürlich schon die Überlegung, ja, wenn das jetzt in einem anderen Umfeld gewesen wäre. Nicht bei so schlechten Marktkonditionen. Was wären denn dann die Ergebnisse? Und ab da habe ich dann eigentlich auch gedacht, nun ja, man könnte ja vielleicht eigentlich auch noch deutlich höher streben. Eben für XY (Unternehmen), als wir Probleme im deutschen Geschäft hatten. Das war eigentlich meine Verhandlung mit meinem Chef. Als ich Marketingchefin war für Europa, habe ich zu ihm gesagt: „Wir haben Probleme in Deutschland. Du hast keinen, der das für Dich lösen kann. Wenn Du mich jetzt schickst, dann löse ich dir das. Und dafür machst Du mich zur Geschäftsführerin.“ So haben wir den Deal damals gemacht. Da war ich noch einmal sechs Monate da. Also, ich würde sagen, natürlich diese Planung. Planungshorizont

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auch, ja. Sie müssen ja wirklich überlegen, wo Sie rauskommen wollen am Schluss. Und da relativ zielgerichtet einige der Positionen eben auch anstreben. Ich bin jetzt gerade Aufsichtsrätin zum Beispiel geworden. Ich habe mir das halt vorgenommen. Habe mich schon ein Jahr auch durch Gespräche und Sonstiges wieder ins Gespräch gebracht. Ich kenne also viele Leute, die sagen, ich würde das gerne machen. Aber dann folgen natürlich nicht die Taten hinterher. Das ist sicher ein Punkt bei mir. Wo ich mir ein Ziel setze, vornehme, das soll es jetzt sein. Und natürlich dann auch sehr viel in Bewegung setze. Also, da bin ich schon sehr zielstrebig. M1.: Also geplant war, so wie ich es eben schon beschrieben habe, nach dieser Niederlage nicht mehr orientierungslos dem Zufall zu vertrauen. Sondern mir selbst klar zu machen: Was erwarte ich von meinem Berufsleben. Wo sind die Dinge, die ich mit Freude gerne mache. Die, was weiß ich, so eine Art „mein eigenes Talent versuchen zu finden“. Indem ich dann entdeckt habe: Ich kann PR, ich kann Marketing. Das ist mir gegeben. Das sind die Grundzüge, auch wenn ich das formale Handwerkszeug dafür nicht habe. Und da habe ich einfach daran geglaubt, dass das, was mir wirklich Freude macht, und was mir auf eine gewisse Weise sogar leichtfällt, mein Kompass sein muss. Mein Kompass, für meinen Weg. Das habe ich für mich durchgerührt und sortiert. C.: Ehm. Das ist jetzt fast ein bisschen unangenehm zu sagen, aber davon war nichts geplant. Weil, ich hatte in I. (Land) angefangen, bin halt wahnsinnig schnell befördert worden und habe im Leben nicht dran gedacht, dass ich in O. (Land) auf einmal für den Vertrieb im ganzen Land zuständig bin. Also jetzt, wo ich mich auch ein bisschen mehr nochmal damit beschäftigt habe, würde ich schon sagen, das ist ein typisches Frauen Ding. Ich habe mir das gar nicht träumen lassen. Das heißt, meine Chefs haben eigentlich immer in mir mehr gesehen. Wo ich dann auch oft gezuckt habe. Wie? Ich soll jetzt ein Land aufmachen? Ich habe doch gar keine Ahnung vom Einkauf. Wo ich dann zum Beispiel die Stelle auch im Vorstand angeboten bekommen habe, da war ich auch schon so weit und habe gesagt ja. Wenn mein Chef mir das zutraut, dann kann ich das jawohl erst recht. Egal, ob ich das schon mal gemacht habe. Aber da habe ich dann auch mit der Zeit an Selbstbewusstsein auch gewonnen. Aber geplant? Also hätten Sie mich gefragt, war das mein Plan, mal im Vorstand zu sitzen? Na im Leben nicht. M2.: Dann kam ein neuer CEO und dann lernt er die erste und die zweite Reihe kennen, dann sind die Karten wieder neu gemischtworden. Ich habe mich sehr, sehr gut mit ihm verstanden, seine Werte geteilt, also das kommt auch aus dem Herzen, da habe ich mich einmal im Leben was getraut, was zu sagen, dass ich damals knapp sieben Jahre bei XY war und bereit bin, ich kenne alles, rückwärts wie vorwärts, ich habe da meine Karriere gemacht, weiter geht sie nicht, aber ich wäre bereit für neue Aufgaben. Dann hat er nur gesagt: Warte, jetzt noch nicht, ist zu früh, ich merke mir das, ich komme auf dich zu. Und ich habe gewartet. Und ich stand nicht jede Woche da und habe gefragt und verhandelt. Und nach einem Dreivierteljahr war es dann soweit, der hat mir gesagt, dass er sich von der Leiterin HR getrennt hat, und er möchte mehr Struktur und Ordnung und Systematik dort haben, das könnte ich als Juristin, er hätte mich beobachtet, ich könnte gut mit Menschen.

Persönlichkeit, Konfliktverhalten und Umgang mit Wettbewerb Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung nach Hossiep ist im Wirtschaftskontext im deutschen Raum das führende Verfahren zur Beschreibung der berufsbezogenen Persönlichkeit. Unter Persönlichkeit wird dabei die Struktur aller Verhaltensdispositionen eines Menschen verstanden. Dazu gehören Motivationsstrukturen und Werthaltungen. Die Selbstschilderungen der deutschen Frauen wurden den BIP- Dimensionen zugeordnet, um ein Bild der Frauen in Bezug

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auf die Persönlichkeitsmerkmale zu erhalten, die für eine Managementkarriere relevant sind. Vergleicht man die rein mengenmäßigen Nennungen von Stärken und Eigenschaften, die hier den einzelnen BIP-Dimensionen zugeordnet wurden, dann ergibt sich für die deutschen weiblichen Führungskräfte folgendes Bild. Die deutschen Frauen beschreiben sich am stärksten im Bereich der Leistungs- und Gestaltungsmotivation. Leistungsmotivation ist hier definiert als die fortwährende Steigerung der eigenen Leistung. Bei der Gestaltungsmotivation geht es um die Fähigkeit der Gestaltung von Strukturen und der Veränderung von Missständen im Unternehmen. Dazu gehören die Fähigkeit Transformationsprozesse zu führen, der Wille zu gestalten und das Aufbauen neuer Organisationen. Anzahlmäßig direkt danach kommen die Dimensionen Teamorientierung und Kontaktfreudigkeit, mit der hier das Zugehen auf unbekannte Menschen und die Pflege von Beziehungen im beruflichen Umfeld gemeint ist. Beschreibungen, die sich der Führungsmotivation zuordnen lassen sind anzahlmäßig geringer. L.: Ja, dass ich jemand bin, der sehr gerne Strategie beeinflusst, also die Gesamtstrategie beeinflusst. Nicht nur rekrutieren, sondern ich möchte auch sehr stark strategisch mitgestalten. Ja, dieses Thema Mitgestaltung ist bei mir sehr, sehr stark ausgeprägt. Natürlich kann man überall mitgestalten in jedem Bereich, wo man ist. Aber, wenn Sie eine Gesamtfirma im Gesamtschicksal mitgestalten wollen, dann müssen Sie Geschäftsführer sein, ganz oben sein. Und das war bei mir nach zehn Jahre. H.: Also zum einen glaube ich, dass man gesehen hat, dass ich sowohl (Pause) Transformation kann, also mit Menschen eine neue Organisation aufbauen und diese Menschen dabei nicht verliere. Und zum anderen aber auch, sehr klar den Fokus zielorientiert auf Business habe. Das heißt, meine Facts und Figures auch kenne und weiß, ein Geschäft aufzubauen und umzubauen. Und das war ja eigentlich für uns auch bei dem Unternehmen, was wir gekauft haben, relativ klar, dass wir auf jeden Fall eine Organisation, Transformation machen müssen. Nicht nur, weil wir die in das Unternehmen integrieren, sondern weil wir das Unternehmen vom Inhaber geführtes Unternehmen war. Und es auf jeden Fall, egal ob wir es gekauft hätten oder nicht, einer Reorganisation bedurfte. Das war einfach an einer Wachstumsgrenze oder an einer Umsatzgrenze angekommen, wo sie nicht mehr das Unternehmen so führen konnten, wie es geführt wurde. Und zum anderen hat man, ich würde mal sagen, an mich geglaubt. Ich hatte in meiner Zeit in Japan eben auch in einem Post-Merger schon gezeigt, dass ich es kann. Dass ich Dinge zusammenführen kann, und dann hatte ich das Glück, dass mein damaliger Chef sehr viel Vertrauen in meine Fähigkeiten hatte und mir das zugetraut hat. Und dann bin ich in das kalte Wasser gesprungen.

Die deutschen Frauen gehen offen mit Konflikten um und scheuen diese nicht. Es wird von eigener Angriffslustigkeit berichtet, der Fähigkeit Dinge direkt anzusprechen und auch starke Emotionen auszuhalten. Das gilt sowohl für Mitarbeiter und Kollegen als auch für den Vorgesetzen. Vereinzelt werden Konfliktschwächen reflektiert oder von starker Rationalisierung als Konfliktstrategie berichtet. Die Schilderungen zum Wettbewerbsverhalten sind weniger ausgeprägt als in den anderen Ländern. Auch deutsche Frauen bevorzugen fairen Wettbewerb. Die Beschreibungen sind insgesamt verhaltener, man kann auch sagen, „ruhiger“ als bei anderen Frauen der Untersuchung. Die Frauen lassen erkennen, dass sie bezüglich ihrer Wettbewerbsstrategien

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erst reflektieren und sich entwickelt haben, nicht aber selbstverständlich und von Beginn an in die Situationen gehen. M.2: Ja, ich bin schon jemand, der Konflikte vielleicht auch sucht und Konflikte auch eingeht, anspricht. Ich bin sicherlich jemand, der auch sowohl mit oben als auch mit unten Konflikte lebe und eingehe und auch gerne diskutiere. Und ich bin aber auch der Meinung, dass Konflikte nichts Negatives sind, also ich finde, Konflikt ist ein sehr negativ behaftetes Wort. Ich finde immer, dass man sich mit Diskussionen auch selber sehr weiterentwickelt, weil man ja auch mal andere Meinungen hört und noch mal andere Horizonte erfährt. Und dann meistens immer auch gut weiterkommt. Also, ich finde, dass es immer um eine Veränderung, auch eine Verbesserung. Also von dem her finde ich an Konflikten nichts Negatives und ja, ich bin sicherlich jemand, der Konflikte auch sucht, aber auch sicherlich gerne löst. C.: Hm. Ich würde sagen Kompromiss, aber am Ende trete ich schon. Also ich muss gefühlt als Gewinner rausgehen. Also mein Mann der sagt auch immer, also egal, was wir machen, ich habe immer dieses, immer besser werden, immer die Beste sein. Also ich mache gerne auch einen Kompromiss, aber ich muss das Gefühl haben, dass ich nicht da rausgegangen bin, mit einer schlechteren Lösung. Aber ich mache das sehr gerne. S.: Ich habe gelernt, auch sehr unangenehme Themen sehr offen anzusprechen. Warum? Weil ich einfach glaube, dass, wenn man das nicht tut, wird es noch schlimmer. Und man kann jedes, auch das unangenehmste Thema, wertschätzend ansprechen. Und wenn man dann einfach auch, in einer Konfliktsituation, eine Selbstoffenbarung leistet und einfach sagt: „Das fällt mir echt schwer, darüber zu sprechen, aber ich empfinde das so und so.“, dann öffnet man ganz andere Türen. Und ich habe in der Sache aber einen sanften Ton. Und damit fahre ich unglaublich gut. Und seitdem ich das mache, bin ich dadurch noch viel erfolgreicher. M1: Ich nehme erst mal Wettbewerb, als das Normalste der Welt. Auch bei Mensch ärgere dich nicht spielen oder sonst wo, einer kann nur gewinnen. Und es ist immer Wettbewerb. Und wir müssen uns klar sein, dass wir in einem Wettbewerb stehen. Frauen mit Frauen, Männern mit Männern, wie auch immer. Es findet jeden Tag Wettbewerb statt. Und man muss schon wissen, ob man den aushalten will. Denn das kostet ja auch Energie. Ob man vielleicht auch manchmal nicht mitspielen möchte, mal aussetzen möchte. Und ich finde, man muss akzeptieren, dass-, Ellenbogen sind sozusagen ein Muss im Berufsleben. Und die muss man akzeptieren und die muss man kennen. Das muss man mögen. Und dann mache ich mit oder ich entscheide mich: „Ich mache nicht mit.“ Aber du kannst nicht davon ausgehen, du hast eine Position und du bist für alle Zeit für diese Position die Top-Kraft. Wenn du es bist, hast du den Wettbewerb nicht ganz so, weil, dann stehst du grad oben auf dem Treppchen. Aber die Umstände können sich wieder verändern und dann stehst du eben vielleicht erst mal wieder auf dem zweiten oder auf dem dritten Platz. Und dann musst du wieder gucken: Will ich wieder nach oben? Will ich das nicht? Es ist eine Entscheidung: Will ich Wettbewerb? Und wie viel will ich? Und, wenn ich mitspiele, bin ich mittendrin, dann habe ich nichts mehr zu entscheiden. Dann ist er einfach da und ich muss ihn spielen. H.: Der Wettbewerb ist groß. Ich würde sagen, ich hatte durchaus ein starkes Bedürfnis, auch gleichzuziehen immer. Habe aber auch dann manchmal erkannt, dass andere Leute eben einfach mal in dem einen oder anderen Thema oder auf der oder der Produktion tatsächlich deutlich besser sind, aber ich bin durchaus sehr wettbewerbsorientiert. Und ich finde, das muss man auch sein. Und man muss auch dafür kämpfen, aber man muss es offen und ehrlich tun und transparent und hinten rum bitte nicht. Dann werde ich ungut. Dann werde ich auch fies, das kann ich nicht haben.

Macht wird von der Mehrheit der deutschen Frauen als Gestaltungsmittel gesehen. Die Frauen setzen sich bis auf wenige Ausnahmen mit Macht auseinander und be-

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schreiben einen sehr reflektierten Umgang mit dem Thema. Dabei bleiben sie in der Abwägung von Vor- und Nachteilen, die sie Macht zuordnen. In Einzelfällen wird Macht spontan gleichgesetzt mit Machtmissbrauch und das wird abgelehnt. In der Sache jedoch nutzen viele der Frauen Macht, um zielbezogen zu gestalten. M1: Macht. Ich unterscheide das sehr-, also ich unterstelle, dass Männer Angst haben vor Machtverlust. Für die ist sie alles, was sie haben, da bist du auch wieder nah beim Wettbewerb. Ich habe diese Trapezstufe hier erhalten, ich bin jetzt CEO. Also ich kann jetzt nichts Anderes mehr nach unten tun. Und diese Machtposition zu verlieren ist für Männer Wettbewerb pur, Angst pur. Hat Frau anders, nicht so. Frau hat für mich eher Angst, Macht zu übernehmen. Weil Macht immer noch definiert wird wie: dominierend, überstülpend, Machtmissbrauch. Ich selber nehme das für mich in Anspruch: Ich möchte Macht. Ich weiß, wenn ich Macht habe, kann ich gestalten. Dann kann ich Dinge beeinflussen. Und gestalterische Macht ist für mich eben der Gegensatz von Ohnmacht. Ich will nicht gesteuert werden, ich will selber steuern und Einfluss nehmen. Und das ist für mich positiv belegt. Und viele Frauen haben eben einfach Angst vor Macht. Sie wollen nicht männliche Macht ausüben und andere manipulieren oder benutzen oder kleinmachen. Insofern, glaube ich, haben Männer und Frauen ein anderes Verständnis davon: Was ist Macht? Und was gibt mir Macht? Männer brauchen mehr Prestige. Ich glaube, dass sie in ihrem Job genau diese, Signaturen hätte ich beinah gesagt, meine ich gar nicht, wie heißt das? Also die Krone brauchen, wie sagt man denn dazu? Also die Männer brauchen Macht, das große Auto, das große Büro usw. Frau fragt aber gar nicht erst, ob sie ein großes Auto oder ein großes Büro bekommen. Frau sagt: Was ist die Aufgabe, was kann ich bewirken, mit welchem Team? Frau fragt eher nach Sinn als nach Prestige. Der Unterschied von Macht für Frauen und Männer ist einfach anders definiert, ausgelegt. Ja. H.: Also, in meinem eigenen Team, in meiner eigenen Umgebung ist das Thema Macht mir nicht so wichtig. Also, die muss ich ausstrahlen, die muss ich haben, weil ich muss die Entscheidungen treffen. Die Menschen müssen mir abnehmen, dass, wenn ich die Entscheidung getroffen habe, dass diese auch zählt. Das ist das Anwenden der Macht. Aber das finde ich lustig, in diesen ganzen Peerto-Peer-Workshops, die wir so haben. Also, dann, da auch mal auszuspielen: Ich kann es auch, das mache ich ganz gerne. E.: Also das hat für mich mehrere Facetten. Das eine ist: Macht kommt ja tatsächlich von machen. Also ich finde man auch einfach ab und zu einmal Sachen machen und dann ergibt sich daraus etwas. Und das kann auch Spaß machen. Dann gibt es natürlich so eine zugeschriebene Macht über Titel oder so. Geschäftsführung gibt mir halt über den Titel Macht, dass ich jemanden ein- oder ausstellen kann. Das finde ich aber eine ziemlich rudimentäre Vorstellung, denn eigentlich geht es um Gestaltung. Und da den Rahmen zu finden, in dem man sich bewegen kann, um etwas auch umzusetzen. Und dann gibt es tatsächlich, so eine Form von Ausdruck finden. Das, was Künstler haben. Künstler sind für mich mächtige Menschen. Warum? Weil sie tatsächlich autonom sind und Wege finden, sich selber auszudrücken und das empfinde ich als sehr machtvoll. Auch wenn sie keine zugeschriebene Macht haben. Aber sie können durch Bilder oder durch Filme oder durch Theater oder was weiß ich, können sie andere sehr beeinflussen. Und das finde ich außerordentlich. Und dann gibt es so Sachen, wo es einfach auch darum geht, mal etwas echt auszuprobieren und zu sehen, ob daraus dann auch etwas Machtvolles sich entwickeln kann. K.: Mit dem Begriff „Macht“ tue ich mich schwer. Wie bei den Forschungen von McClelland. Ich habe da eher Achievement und Affiliation und nicht so sehr power Orientierung. Ich muss Macht aber nutzen, damit ich gestalten kann. Viele Frauen im Netzwerk sagen aber auch ganz frei „ich finde Macht geil, ich will das.“ Ist ja auch o. k. so.

6.5 Karrierevoraussetzungen der deutschen weiblichen Führungskräfte

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Führungsstil der deutschen Topmanagerinnen Der Führungsstil der deutschen Frauen lässt sich als demokratisch und teamorientiert beschreiben. Sie wollen als Vorbild wirken, nahbar sein, Mitarbeiter in ihren Laufbahnen entwickeln und Entscheidungen gemeinsam im Team treffen. Das Bild der „Mutter“ wird mehrfach angeführt. Die Beschreibungen lassen eine Zuordnung zur transformationalen Führung zu. Die Frauen übernehmen durch harte Arbeit Vorbildcharakter und animieren dadurch Mitarbeiter, ihnen zu folgen. Außerdem kommt der Förderung anderer ein großer Stellenwert zu. Der Einsatz autoritärer Führungsanteile wird anders als bei Frauen anderer Länder nicht offen angesprochen und wenn überhaupt nur „dezent“ formuliert. Wenn es aber Entscheidungen bedarf, treffen die deutschen Frauen diese konsequent. Auch bei der Teamzusammenstellung entscheiden sie über die optimale Zusammenstellung ihres Teams und wenn notwendig über ein Auswechseln von Mitarbeitern. Executive Coaching wird von vielen als erfolgsbringende Unterstützung angegeben, die sich besonders bei der Entwicklung des eigenen Führungsstiles ausgezahlt hat. Coaching als Entwicklungsinstrument wird in der deutschen Forschungsgruppe zahlenmäßig am häufigsten von allen Ländergruppen genannt. Das spricht für einen sehr reflektierten Umgang mit eigenen Stärken aber auch Schwächen bzw. dem Wunsch über eigene Grenzen zu wachsen. M2: Ich glaube, sehr natürlich. Das habe ich mit den Jahren gelernt. Ich habe unendlich viel Coaching zwischen 30 und 40 zu Leadership gehabt, was man wie machen kann. Ich glaube, heute in einem Satz: Man soll sich nicht zu lange mit den schwachen Seiten eines Menschen beschäftigen, sondern man kann das Gute ausbauen und wachsen lassen. Also, wenn ich genau weiß, wo sind die guten Seiten, wo sind die schlechten, die schlechten auszumerzen, da lässt man nur so viel Energie und es sind auch die letzten 20 Prozent nicht wert. Da baue ich doch lieber die positiven 80 Prozent aus. Also, ich versuche selbst, Vorbild zu sein, ich bin kein Chef, der nur delegiert. Ich mache selbst mit. Ich bin nah an den Leuten, ich bin nahbar. Open Door sowieso. Manchmal für mich selbst zu viel, weil es viel Energie zieht, aber ich bin so ein bisschen wie die Entenmutter, die vordackelt und die Kinder hinterher, keine Ahnung. Ich finde es schön, wenn die Leute wachsen und mir damit natürlich auch mehr Arbeit abnehmen, ich sehe aber auch irgendwie zu, die haben ja noch ein anderes Gehalt, dass ich immer gegen mich am härtesten bin. Und zuerst sie nach Hause schicke zu ihren Familien und selbst noch mal den Rest nachts mache als umgekehrt. Aber dafür gehen die auch für mich durchs Feuer. Also, ich lebe vor, was ich haben möchte, und ich glaube, dass ich aus meiner natürlichen, wie soll ich sagen, Energiegeladenheit auch oft das Feedback sehr straight gebe. Ich bin entweder begeistert und bedanke mich zehnmal und das fühlen die dann auch. Oder denke: Wow, das ist klasse geworden und das meine ich dann auch, aber wenn irgendwas wirklich hier schlecht oder nicht gut läuft, sage ich das genauso straight, dann sage ich auch, das geht überhaupt nicht mehr, das machen wir nie wieder, da sind wir irgendwie falsch, das muss jetzt anders laufen. Und wenn ich zum dritten Mal sage wirklich, das muss jetzt anders laufen, das hatten wir jetzt auch dreimal, da erwarte ich mehr Engagement oder mehr proaktiv rein zu gehen, du hast dir irgendwas aus der Hand nehmen lassen, das dürfen wir nicht. Ich denke, ich bleibe ruhig, aber ich bin extrem klar. Im Guten wie im Schlechten. H.: Also ich bin sehr teamorientiert, ich bin kein großer Freund von Hierarchien, auch wenn ich glaube, dass wir sie brauchen, um Entscheidungen treffen zu können, aber in der täglichen Arbeit ist es mir wichtig, dass wir als Team arbeiten. Ich weiß auch, wann ich eine Entscheidung fällen muss.

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Und ich gebe sehr viel Vertrauen. Wenn ich aber auch merke, dass es kritisch wird, steige ich sehr intensiv mit ein, was für manche Menschen, die großen Freiheitsgrad gewöhnt waren dann sehr erstaunlich ist. M1: Also mein Führungsstil ist, andere größer zu machen, andere sich entwickeln lassen. Emphatisch wirklich festzustellen: Was sind die persönlichen Hebel? Was ist die Motivation des Einzelnen? Jeder im Team hat eine andere Motivation, hat andere Rahmenbedingungen und so weiter. Also, wenn ich erfasse: Was ist für den der Trigger sozusagen? Was braucht der? Das kannst du auch ganz normal in den Gesprächen mit denen besprechen, da muss ich nicht in die Glaskugel gucken. Sondern das kann ich ganz klar mit denen auch versuchen, herauszuarbeiten und ihnen auch zu sagen, was ich mir wünsche. Und dann muss man gucken: Wie kriegt man das zusammen? Also ich habe Leute, die habe ich hier wegentwickelt. Weil sie in einer Sackgasse waren. Die haben es selber gar nicht gemerkt. Und ich habe mich getraut zu sagen: „Ich würde empfehlen, diesen Sprung zu machen. Der ist aber hier nicht so möglich. Vielleicht auch nochmal gucken außen. Und ich würde alles tun, um das zu unterstützen. Das geht nicht darum „weg“, sondern „weiter“. Das müssen nun Sie entscheiden: Wollen Sie weiter, dann stehe ich voll dahinter. Dann werden wir eine Lösung finden. Wenn Sie sagen: ‚Nein, das ist jetzt meine Position. Hier bin ich angekommen. Das ist genauso fein.“ Aber du musst die Leute manchmal wirklich ein bisschen wachküssen und ihnen Perspektiven zeigen. Damit sie anfangen, darüber nachzudenken. XY Unternehmen hat einen Nachteil. Wir sind einfach das, was ich hier gesucht habe: sicher. Also hier passiert dir nichts Katastrophales, du bist nicht von heute auf morgen weg und im finanziellen Loch. Das Loch wurde immer irgendwie gestopft. Ja, Wechsel gibt es auch. Aber dieses solide XY Unternehmen macht einen auch etwas träge. Also das heißt: „Warum soll ich meine Komfortzone verlassen? Ich weiß ja, was ich hier habe.“ Deswegen ist unsere Fluktuation sehr gering. Und alle fühlen sich hier letztendlich wohl. Ist aber nicht unbedingt das, was ein Unternehmen nach vorne bringt. Also da muss man immer mal seine Mitarbeiter auch ein bisschen schütteln und rütteln und gucken, ob man sie nicht doch aus dieser Komfortzone noch irgendwie noch weiterbringen kann. M2: Ja. Also, ich würde sagen, dass ich sicherlich eine kollegiale Vorgesetze bin. Also, ich bin ein kollegialer Führungstyp, ich bin sicherlich kein hierarchischer Typ. Nichtsdestotrotz habe ich sehr viel Respekt vor meinem Team erlangt, also, ich habe auch die beste Mitarbeiterumfrage von ganz XY gehabt, von meinem Team.

6.6 Karrierefördernde Faktoren für Frauen im deutschen Management Deutsche Frauen der Untersuchung sind in der Mehrheit verheiratet und haben, anders als in vielen Forschungen mit weiblichen Führungskräften, auch in der Mehrzahl Kinder. Ihre Ehemänner treten für sie an die zweite Stelle, was Karriere angeht. Netzwerke nutzen die deutschen weiblichen Führungskräfte immer häufiger und wollen in ihnen noch zielgerichteter vorgehen. Die meisten deutschen Topmanagerinnen nutzen regelmäßig Executive Coaching.

6.6 Karrierefördernde Faktoren für Frauen im deutschen Management

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Ehepartner der deutschen Frauen in Führungspositionen – perfekte Unterstützer M1.: „Er sieht mich mit glänzenden Augen an und freut sich über meinen Erfolg. Er ist der Beste, den ich hätte erwischen können.“ L.: „Ich habe einen ganz tollen Mann. Er hält mir den Rücken frei.“

Die Interviewteilnehmerinnen aus Deutschland sind zu 80 Prozent verheiratet, eine Befragte lebt mit ihrer Lebenspartnerin, der Rest ist Single. Durchgängig stellen die Partner die eigene Karriere für die der hier befragten Frauen zurück. Der überwiegende Teil der Partner ist ebenfalls akademisch ausgebildet, nur ein kleinerer Teil hat nicht studiert. Die Entscheidung, in der Partnerschaft der Karriere der Frau den Vortritt zulassen, wurde von den Paaren mit Blick auf die Gehaltsentwicklung und unter Abschätzung zukünftiger Karrierechancen getroffen. Der Zeitpunkt für die Rückstellung der Karriere der Ehepartner wird bei den Paaren durch zwei Situationen ausgelöst. Zum einen ist die Geburt von Kindern mit dieser Entscheidung eng verbunden, zum anderen die Versetzung in das Ausland bzw. die gezielte Annahme einer Stelle im Ausland. Die Frauen beschreiben ihre Lebenspartner sehr positiv. Die zurückgestellte berufliche Laufbahn der Ehepartner wird in den Beschreibungen aufgewertet und gleichzeitig wird ausgedrückt, wie viel der Partner für sie selber aufgegeben hat. Es werden mehrfach Beschreibungen gemacht, aus denen viel Anerkennung für den Partner spricht. Damit reihen sich die Managerinnen in die internationalen Beobachtungen ein, wonach Karrierefrauen im Unterschied zu Karrieremännern, die quasi überwiegend und automatisch in traditionellen Rollenaufteilungen leben, ihre Partner regelmäßig anerkennen und dieses auch ausdrücken. Sie wissen, dass ihre Karriere ansonsten nur schwer möglich gewesen wäre. Außerdem schätzen sie neben der praktischen Hilfe vor allem die emotionale Unterstützung, die sie durch ihre Partner erfahren. M1.: Der ist praktisch mein Regulator. Abends um sechs ruft er an und zieht den Stecker und sagt, „jetzt ist Schluss und spazieren gehen angesagt. Und am Wochenende machen wir das und nicht den Vortrag vorbereiten, das kannst Du vergessen“.

In der deutschen Befragungsgruppe gibt es in den meisten Paarbeziehungen einen Wechsel der klassischen Rollenverteilung. Die Partner übernehmen den traditionellen Frauenpart in der Familie und verzichten auf eine Karriere im klassischen Sinn. Die Ehepartner passen ihre beruflichen Aktivitäten der Karriere der Partnerin an bzw. ordnen diese unter. Ein mehrfacher Neustart in die Selbstständigkeit bei Ortswechseln, Jobwechseln ohne Aufstiegsperspektive, bis hin zu Teilzeitarbeit oder Promotion gepaart mit Kinderbetreuungsaufgaben beschreiben die Situationen der Ehepartner. Der überwiegende Teil der Frauen beschreibt die Rollenverteilung als gelungen und sehr positiv für beide Partner und die gesamte Familie. Aussagen wie „Mein Mann ist nicht karriereorientiert, er ist auf 35 Stunden gegangen“ beschreiben aus Sicht der Frauen eine klare Entscheidung ihrer Männer für die eher unterstützende Rolle. Neben

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den sehr positiven Beschreibungen dieser Konstellation, werden jedoch auch einige Nachteile angesprochen. Ein Teil der Frauen berichtet, dass ihre Männer aufgrund vieler Auszeiten und Wechsel keine klassische Karriere mehr verfolgen können, auch dann nicht, wenn Kinder alt genug waren. Oder aber, wie eine gerade begonnene Selbstständigkeit wieder abgebrochen werden musste, um für den Beruf der Frau umzuziehen. Es kann vermutet werden, dass diese Konstellation in einigen Fällen auch partnerschaftliche Konflikte hervorruft. Sicher ist, dass ein Teil der Frauen ein schlechtes Gewissen ihrem Partner gegenüber haben. Einzelnen Frauen fällt es trotz der guten Karriereentwicklung nicht leicht, langfristig in der Rolle der Haupternährerin zu stehen. Die Aussagen sind ambivalent. Einerseits ist Druck da und andererseits ist es ein guter Ansporn, sich in Fragen der Gehaltsverhandlungen weiterzuentwickeln. Es wird auch berichtet, dass die derzeitige Karriereaufteilung als Paar gar nicht richtig besprochen wurde, sondern sich die Rollenverteilung zu einem bestimmten Zeitpunkt eher einfach ergeben hat. Vereinzelnd bedauern die Frauen, dass ihre Männer nun berufsbezogen den Anschluss verpasst haben. Diese Schilderungen beschreiben die Ambivalenz der Frauen, zwischen ihrem Erfolg als Führungskraft und dem tief verankerten Bild einer traditionellen Rollenaufteilung. H.: Also zum einen haben mein Mann und ich von Anfang da eine gute Balance gefunden. Es war von Anfang an klar, dass wir beide arbeiten und sehr viel Spaß an unserem Beruf haben und dass wir uns deswegen das auch auf beide Schultern gut verteilen müssen. Und das haben wir auch gut geschafft, bis zu dem Zeitpunkt, als wir dann nach T. (Land) gegangen sind, weil dann die Balance zwischen ihm und mir gekippt ist. Dadurch, dass ich eben in T. diese Aufgabe hatte, die echt fordernd war, hat er deutlich mehr zu Hause übernommen, was aber auch okay war, weil, da waren die Jungs dann schon mit sechs und neun in einer Phase, wo das toll war, dass der Vater da war. B.: Also, mein Mann hat lange für XY gearbeitet. Die sind global. Da können Sie aus vielen Standorten raus arbeiten. Wir haben da mal darüber gesprochen und er hat dann sozusagen die Entscheidung gefällt, dass eigentlich meine Karriere die bessere oder die einfachere wäre. Oder die Lukrativere. (Lachen.) Und wir haben damals dann eben seine zurückgestellt, muss man fairerweise sagen. Und er war dann eben auch in einer Firma, die ermöglicht hat, in verschiedenen Ländern zu arbeiten. Zum Beispiel, als wir in Spanien waren, war er offiziell in England angestellt. Und hat einfach mit seinem Chef verhandelt gehabt, dass er aus Spanien raus arbeitet. Wir sind dann auch nach England zurückgegangen, weil zu der Zeit XY dann beschlossen hat, alle Mitarbeiter müssen wieder zurückgehen. In ihre Büros. Und da waren wir ja in Spanien. Das hätte für ihn nicht funktioniert. Das hat dann zeitlich gepasst. Da sind wir dann bewusst nach England zurückgegangen. So, dass er wieder bei im Büro aufschlagen konnte. Und ich meine nächste Position hatte. S.: Also ich hatte in gewisser Weise die finanzielle Last auch auf meinen Schultern, als wir beschlossen haben, dass ich der Hauptverdiener bin. Und das hat mich an manchen Stellen tatsächlich belastet und auch unter Druck gesetzt, aber ich bin jemand, der von Hause aus irgendwie positiv denkt und nach vorne schaut, und insofern hat mich das auch einfach motiviert, finanziell voranzukommen, beziehungsweise für das, was ich beruflich leiste, auch gerecht vergütet zu werden. Und das war tatsächlich etwas, gerade als ich dann Familie gegründet habe und Kinder hatte und nicht mehr nur für mich, sondern für mehrere Personen finanziell verantwortlich war, wo ich mir viel stärker Gedanken gemacht habe: Wo stehe ich eigentlich gehaltlich? Wo stehen denn andere in meinem Umfeld gehaltlich? Und passt das zusammen? Also das war mit tatsächlich eine Motivation

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auch, mich weiterzuentwickeln und da ein bisschen fordernder auch gegenüber meinen damaligen Chefs aufzutreten. Und bei dem Schritt nach XY habe ich dann auch darauf geachtet, dass ich mich nicht unter Wert verkaufe, habe einen großen Gehaltsschritt gemacht.

Mentoring und Coaching für deutsche Frauen essenziell für den Aufstieg Mentoring ist für die deutschen Frauen auf ihrem Karriereweg ein wichtiger Faktor. Die Beschreibungen hierzu sind vielfältig. Es kann unterschieden werden, ob die Beziehung zum Mentor aus einem Unternehmensprogramm entstanden ist oder sich frei und unabhängig von formalen Programmen entwickelte. Das informelle, nicht vom Unternehmen organisierte, Mentoring wird als deutlich karrierefördernder beschrieben. Klassisches Mentoring vermischt sich wiederum mit Sponsoring, bei dem Mentor und Sponsor eine Person ist, die gleichzeitig aktiv die Karriereplanung positiv mitbeeinflusst. Man kann sagen, dass jede der interviewten Frauen mehrere Mentoren im Laufe der Karriere hatte. Die Hälfte der Frauen berichtet von weiblichen Mentorinnen, die gleichzeitig die Chefinnen waren und die höchste Funktion im Unternehmen innehatten. Diese Frauen zogen bewusst andere Frauen nach. Zwei Frauen hatten männliche Mentoren auf Vorstandsebene. Rund 70 Prozent aller Frauen haben Erfahrungen mit formalen Mentoring Programmen ihrer Unternehmen. Die Erfahrungen hiermit sind gemischt- von sehr positiv bis zu eher verhalten. Wechselnde Mentoren, die eher als Rat gebende Begleiter beschrieben werden, nehmen eine wichtige Rolle in der Karriere der Frauen ein. Mentoring Beziehungen, bei denen Mentees ihren Mentoren bei Unternehmenswechseln folgen, gibt es in der deutschen Gruppe nicht. Auch gibt es keine Beschreibung in Richtung von wechselseitig vorteilhaften Mentorenbeziehungen, bei der auch der Mentor in hohem Maße vom Mentee bezogen auf das Business profitiert. Nur eine Frau bemerkt, dass ja auch der Mentor einen Vorteil in der Beziehung sehen müsse und es daher manchmal nicht einfach war, eine Beziehung zu einem Mentor aufzubauen. Die Beziehungen sind geprägt vom Ratschlag des Erfahreneren an seine Mentee bzw. der Förderung zur Erlangung der nächsthöheren Position. Befragt nach anderen Unterstützern auf dem Karriereweg nennen die deutschen Frauen Headhunter und sehr häufig Executive Coaches, mit denen sie Herausforderungen besprechen und mögliche Lösungswege erarbeiten. Frauen, die in mehreren Funktionen im Ausland tätig waren und keinen Mentor hatten, berichten, wie sie stattdessen ganz bewusst einen externen professionellen Coach engagierten, der sie beim Aufstieg unterstützte. Executive Coaching wird von den deutschen Frauen als häufigste Maßnahme zur Unterstützung bei Karrierefragen wie auch dem Ausbau der eigenen Führungsfähigkeit genannt. In diesem Punkt sind die deutschen Frauen sehr proaktiv und suchen sich konkret selber bei einem professionellen Coach die Unterstützung, die sie benötigen.

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M1.: Das war das erste Mal in meinem Leben, dass jemand an mich geglaubt hat, der mir sein Vertrauen gegeben hat, und der alles getan hat, damit ich mich entwickeln konnte. Der fand diese Geschichte: „Sie hat kein Studium, aber sie kann, und sie will.“, als persönliche Motivation, mir dann sozusagen Brücken zu bauen. Mir immer wieder zu zeigen: Du kannst das. Du kannst das. Das, glaube ich, ist eines der großen Geheimnisse. Nicht nur für mich, sondern das merke ich auch bei vielen anderen Frauen und den Mentees, die ich heute betreue, die genau das brauchen. Einfach noch einmal an die Hand genommen werden. Einfach noch einmal zu hören: „Du kannst das.“ S.: Also, Mentoring hilft auf jeden Fall. Man muss immer aufpassen, also gerade in Unternehmen gibt es ja so Ansätze, Mentoring zu erzwingen. Und da habe ich selbst schon mal so einen Fall bei mir erlebt, wo mir mal ein Mentor zugewiesen wurde, das war auch noch bei XY, was einfach in die Hose gegangen ist, weil die Chemie überhaupt nicht gepasst hat. Also, aus meiner Sicht, das Sinnvollste ist eigentlich, wenn sich ein Mentoring aus einer natürlichen Beziehung entwickelt, dass man einfach sagt, man hat Kontakt, man merkt irgendwie, man hat Zugang zueinander, und dass daraus so eine Mentoring-Beziehung entsteht. Also, das Optimalste ist aus meiner Sicht eigentlich, wenn man nie darüber spricht, dass es Mentoring ist, sondern wenn man es einfach tut. Also, was ich zum Beispiel mit unserer CFO habe, ich weiß nicht, ob ich die als Mentor bezeichnen würde oder als Sponsor, auf jeden Fall habe ich eine Beziehung zu ihr, wo ich weiß, ich kann mich mit verschiedensten Themen an sie wenden, wenn ich das Gefühl habe, ich brauche einen Sparring-Partner, und da ist jemand, der ein offenes Ohr hat und der auch viel auf mich setzt und sich für mich einsetzt, wenn es hart auf hart kommt. M3.: Ganz früh würde ich sagen. Ich glaube, ich bin auch ein paar guten, sehr viel älteren Managern oder auch Professoren aufgefallen, und die haben was für mich getan, ohne dass ich das damals so gemerkt habe. Als Beispiel Professor XY, da hatten wir einen Gastprofessor aus Amerika. Ein älterer Herr. Weil er auch gern in Deutschland war den ganzen Sommer, aber auch ein bisschen gelangweilt, hat er dann sukzessive Studenten gefragt, mich auch, ob man ihn irgendwie durch M. fahren könnte und er würde zum Essen einladen. Ich habe das, glaube ich, gern gemacht und andere hätten ihr Wochenende nie so verbracht. Weil ich so viel Respekt vor dem hatte…Und, was ich überhaupt nicht wusste, ist, dass der wirklich, wirklich ein sehr bekannter Mann auch in den USA war und mehrere Gesetzestexte verfasst hatte. Also, ich habe unheimlich gerne diese intellektuellen Gespräche, es war, wie mit meiner Omi zu sprechen, über den Zweiten Weltkrieg oder so, habe ich als Kind auch immer gelauscht. Mit ihm so über alte Themen auch über den Sommer hinweg gesprochen, und als ich dann in den USA war, hat er mich auch eingeladen nach New York und hat immer, das habe ich auch echt nachher verstanden, ganz interessante Dinge organisiert, wo ich ganz viele interessante Leute, damals auch in Deutschland noch Richter vom BGH und in Amerika auch, ganz illustre Menschen. Und dass, das so ein Geschenk war und dass das natürlich gewachsen ist aus den interessanten Gesprächen und er natürlich ein alter Herr war, der sehr gerne – ohne eigene Nachkommen – junge Leute förderte. Aber dass es in dem Augenblick, als ich ihn kennenlernte und die ersten Essen mit ihm hatte, überhaupt umso was gehen konnte, habe ich überhaupt nicht gemerkt oder gewusst. Und darum ging es auch nicht. Aber er hat rückblickend sehr viel in meinem Leben getan, und ich denke bis heute mit Dankbarkeit daran. Er hat mir in den USA viele, viele Türen, bis zur Botschaft und dass ich wiederkehren konnte, geöffnet. Und hatte immer seine Freude dran, dass er ein Türenöffner war. Dann hat er es auch irgendwie mal so gesagt: Ach, die Tür kann ich öffnen, durchgehen musst du selbst. Das beschreibt es ganz gut, man findet Mentoren, aber nie „Ich finde einen Mentor“, sondern als aufgeweckter junger Mensch zieht man andere Menschen, die Karrieren lancieren wollen auch an. Und so auf eine natürliche Art und Weise zusammenzuwachsen, finde ich immer sehr viel interessanter, als wenn das mit Ziel gesagt wird im Programm, das ist dein Mentor und ihr esst miteinander Lunch. B.: Also, persönlich, ich habe leider nicht diesen Mentor, der mir da durch, ja, gewisse Schritte immer mal wieder weiterhilft. Ich habe das mal ein, zwei Mal irgendwo auch versucht anzuleiern. Ich finde

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es sehr schwierig. Weil Sie da auch einen Menschen brauchen, der aus gewissen Gründen irgendein Interesse an Ihnen hat. Ich glaube, was geholfen hat, sind sicher spezifische Chefs. Die wollen, dass man Karriere macht. Die einem ja mal die Augen öffnen oder helfen. Das definitiv. Das ist bei mir ein Sponsor im klassischen Sinn, also kein Mentor. Ich glaube, beim Thema Mentor da gibt es ja auch inzwischen mehrere, die das anbieten. Sich durch gediegene, gestandene Leute coachen zu lassen. Bei mir hat am meisten situationsspezifisch funktioniert, wo ich mir dann einfach Rat gesucht habe und die Leute angesprochen habe. Die mir in der spezifischen Situation weiterhelfen konnten. Ich habe aber jetzt nicht einen langfristigen Mentor in irgendeiner Form. So.: Als ich diesen Wechsel vor mir hatte, nach 18 Jahren bei XY. Ich war es ja einfach auch nicht gewohnt, Gehaltsverhandlungen zu führen. Und ich habe drei Leute angerufen. Zwei davon waren meine ehemaligen Chefs. Und einer war ein Kollege, der auch wechselte. Die drei haben mir komplett andere Fragen gestellt. Der eine hat mehr nach meinen Wünschen gefragt und mir geholfen, letztendlich die richtige Entscheidung zu treffen. Der andere hat sehr kritische Fragen zum Unternehmen und zur Position gestellt. Und der dritte hat mir sehr praktisch Hand-on-Tipps gegeben und der hat mir wahrscheinlich 30.000 Euro pro Jahr rausgeholt. Sa.: Kurz bevor ich in Elternzeit gegangen bin, haben wir einen neuen CFO bekommen, und zwar eine sehr erfolgreiche Frau. Und das war mir damals noch nicht so bewusst, aber ich bin mir heute ziemlich sicher, dass ich deswegen damals befördert worden bin, weil diese Frau mit in der Runde drin war und sich dafür eingesetzt hat. Und was ich damit sagen möchte, ist: Es macht einen unglaublichen Unterschied, ob eine Frau im Senior Management da ist oder nicht. Jetzt mittlerweile kann ich da selbst so eine Rolle teilweise einnehmen, dass ich wiederum andere Frauen fördere und nachziehe, also sie war die erste Frau, die wirklich über mir war und dort massiv Einfluss auch auf das Thema nehmen konnte. Und ich weiß nicht, ob ich je Chefin geworden wäre, wenn sie nicht ins Unternehmen gekommen wäre. Auch wenn mein Chef durchaus ein gutes Bild von mir hatte et cetera, ob er den Schritt getan hätte, weiß ich nicht. B: Also, ich meine, das ist wirklich schwierig. Ja. Ich meine, das ist wirklich nicht einfach. Ich glaube, im Prinzip, half wirklich ganz klar zu werden, was will ich mit dem nächsten Schritt erreichen. Warum ich damals von XY zu YZ weiter als Chef Europa gegangen bin. Das Erste, was ich dann immer sage: „Was brauche ich denn noch in meinem Erfahrungshorizont?“ Da war es zum Beispiel, dass ich noch nie eine Produktion geführt hatte. Ich habe dann auch damals mit verschiedenen Personalberatern gesprochen, die ich als Karriereberater sozusagen nutze. Ich habe zwei oder drei Personalberater, denen ich sehr vertraue. Wo ich auch mal Gespräche führe, was ist der klassische Karriereweg, was ist denn spannend, was würde denn zu mir passen? Also, Empfehlung an Frauen, aus meiner Sicht, wäre sich zwei Kontakte sich sozusagen heranzuziehen. Die man da als Spiegelbild nehmen kann. Weil die ja den ganzen Tag nichts Anderes machen, als eigentlich Unternehmen und Menschen zusammenzubringen.

Deutsche Frauen im Senior Management sind lernende Netzwerkerinnen In Deutschland, wie auch in vielen anderen Teilen der Welt, wird zu dem Thema Netzwerk, immer zunächst über Männerbünde und informelle Netzwerke unter Männern berichtet. Männer in Deutschland haben eine Tradition von Netzwerken und Verbindungen, die sich langfristig unterstützen und in denen private und berufliche Interessen ineinander verwoben sind. In diesem Zusammenhang haben auch Verbindungen aus der Studentenzeit Tradition. Daneben berichten die Frauen von bekannten reinen Männer Klubs, zu denen man quasi als Mitglied ausgewählt werden.

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

Netzwerke in Deutschland sind oft themenbezogen und vor allem Vereine und männliche Studenten Verbindungen haben eine Tradition. Mann, und auch häufiger Frau, ist im Verein, Golfclub oder Rotary Klub, oder auch im Marketing Klub der Region. Das Thema Netzwerken spielt erst seit einigen Jahren für Frauen eine größere Rolle. Die Frauen der Befragung sind allesamt Netzwerkerinnen. So konnten 60 Prozent der interviewten Frauen aus einem sehr bekannten deutschen Netzwerk für Frauen in leitenden Führungspositionen gewonnen werden. Sie schildern die Entwicklung, die sie über den Zeitablauf im Zusammenhang mit beruflichen Netzwerken sehen und beschreiben für sich selber erste spürbaren Erfolgen. Netzwerken unter Frauen ist immer noch relativ neuartig. Im Unterschied zu Männern verstehen Frauen nur langsam, Netzwerke richtig zu nutzen und miteinander solidarisch zu sein. Während Männer sich in Deutschland traditionell beim beruflichen Aufstieg helfen und sich untereinander Positionen verschaffen, ist das für Frauen eine noch neue Erfahrung. Hier wurde Netzwerken bisher eher verstanden als reine Ausweitung des Kontaktnetzes, ohne es jedoch zielorientiert für den Karriereaufstieg zu nutzen. Frauen teilen gern Erfahrungen, lernen gemeinsam und tauschen sich über Herausforderungen aus. Die deutschen Frauen stecken noch in einer Ambivalenz, ob und bis zu welchem Grad man das Netzwerk dann auch zielorientiert für die Karriere nutzen darf. Hier zeigt sich, dass die meisten noch in einer Lernkurve sind, dazu wie sie ihre Netzwerke gezielter für Karriere nutzen und was sie andererseits im Netzwerk dafür zurückgeben wollen. Es braucht zwei Voraussetzungen, damit sich Frauen über Frauen-Netzwerke in ihren Karrieren mehr als bisher unterstützen können. Erstens: die Macht Positionen zu besetzen. Zweitens: den Gedanken, dieses vorrangig mit guten Frauen zu tun. Nur da, wo Frauen die Macht haben Positionen zu vergeben, könnten sie sie auch in ihr Netzwerk einspielen. Die berufliche Solidarität von Frauen untereinander ist traditionell in Deutschland nicht gelernt. In dem doch oftmals Frauen diskriminierenden Umfeld gehen die Energien von Frauen eher in den Kampf darum, in einer von Männern dominierten Welt selber voranzukommen. Die Idee des Gebens und Nehmens in Bezug auf Karriere ist nicht gelernt. Es gibt kein gelerntes Regelwerk für die Nutzung von beruflichen Frauen Netzwerken und für das, was man selber hineingibt. Somit ist auch die Angst vor Enttäuschungen da, wenn andere Frauen in einem nicht gelernten Spiel die Regeln verletzen und mehr Eigennutzen herausziehen als zurückgeben. Zudem begrenzt die Angst als „Quotenfrau“ zu gelten oder gar als „eine Quotenfrau“ eine andere Frau zu fördern, die Möglichkeiten von Frauen für ein wirklich machtvolles Netzwerken unter Frauen. So berichten denn auch einige der Frauen, dass sie im Executive Coaching die Wichtigkeit von effektivem Netzwerken für sich erkannt haben und gemeinsam mit ihrem Coach individuelle Strategien zum sinnhaften Ausbau von Netzwerken entwickelt haben. Die Erkenntnis ist bei vielen, dass man „Netzwerken üben“ kann und dabei den Nutzen für die Karriereentwicklung schnell wahrnimmt. Die interviewten Frauen sind bereits aktive Netzwerkerinnen, unterstützen bewusst andere Frauen und

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setzen sich mit den Vorteilen von guten Netzwerken aktiv auseinander. Sie sind lernende Netzwerkerinnen auf sehr hohem Niveau. M.: Und ich glaube, ich habe das verinnerlicht, das Netzwerken, das auf Menschen zugehen, dass dabei Beziehungen entstehen können. Und auch das halte ich für eine große Stärke. Ich habe eine Freundin, die hat mir letzte Woche gesagt: „Weißt du, ich gebe so viel, und ich kriege nichts zurück.“ Ich gebe auch viel, aber ich kriege jeden Tag so viel zurück. Ich wundere mich immer, was für viele Geschenke ich kriege. Ich fühle mich so, so, tja, wie soll ich sagen. So glücklich, so beschenkt einfach. Auf so eine Idee bin ich noch nie gekommen. Ich gebe, ehrlich gesagt, ich gebe aber auch einfach aus meinem Naturell heraus. Nicht, weil ich irgendwas erhoffe oder erwarte. Vielleich einfach mein Naturell. Auf Menschen zugehen, und sie als Inspirationsquelle zu erleben. Jeder bringt irgendetwas mit, was ich nicht weiß. Und ich habe etwas, was ich mit einbringe. Das ist für mich wie ein Pingpong. Ich gebe rein, es kommt etwas heraus und es entwickelt sich weiter. L.: Sind sehr, sehr wichtig, sehr, sehr wichtig und zum Thema Frauen. Das ist ganz wichtig, dass die Frauen viel mehr miteinander Netzwerken. Das fängt jetzt an langsam zu fruchten, langsam, langsam. Aber es ist extrem wichtig, weil die Männer machen das seit Jahrzehnten. Und wenn die Jobs frei sind, dann rufen die sich einfach gegenseitig an. Es gibt viele Job, die einfach unter der Hand vergeben werden, weil sie sich einfach kennen, fertig. So, und Frauen, wir können das genauso. Das fängt an, wie gesagt. Also, das müssen wir viel verstärkt machen, das ist extrem wichtig. Genauso wichtig wie Leistung. J.: Ich glaube, ich bin eigentlich ein sehr guter Netzwerker. Ich kann mich gut mit Menschen connecten, mit verschiedensten Arten von Menschen. Kulturell unterschiedlich, aber auch charakterlich unterschiedliche Menschen. Und das hat mir geholfen. Aber ich muss sagen, das habe ich erst genutzt, nachdem ich ein sehr schönes Mentoren Gespräch oder so ein Coaching Gespräch hatte, mit einem Role Model, mit einer ganz tollen Führungskraft, das war eine Frau, die gesagt hat: „Netzwerken ist wichtig, aber sich auch mal was rausholen aus dem Netzwerk.“ Und ich habe tatsächlich jahrelang wunderbare Netzwerke gepflegt. Ich bin da sehr gut drin. Aber ich habe immer geguckt, dass dann Leute zusammenpassen, für irgendein tolles Projekt oder ich habe irgendwie Leute zusammengebracht. Aber ich habe mir selber nie etwas rausgeholt aus dem Netzwerk. Und nachdem ich das das erste Mal gemacht habe, da ging es auf einmal wirklich schnelle Karriereschritte voran. Und ich merke es jetzt auch, ich erhalte viel mehr Unterstützung und gerade auch gestern wieder ein ganz tolles Gespräch mit einem unserer Vorstände und, ja, die Ermutigung und die Motivation, jetzt meinen Pfad zu gehen, sozusagen. Und das habe ich halt früher nicht gemacht, dass ich selber das Netzwerk angezapft habe. Ich habe immer nur gedacht, da muss man einspeisen. Also, das denke ich, ist eine ganz große Stütze und Unterstützung für einen Karrierepfad. M3.: Auch da, das ist wie für mich diese promoteten Frauen, die jetzt künstlich durch die Glasdecke lanciert werden. In meinem Leben waren immer zur richtigen Zeit die richtigen Menschen da. So ein unnatürliches Netzwerken, nach dem Motto, ich Netzwerke heute und deswegen gehe ich da hin und ich mache das mit einer Strategie und jetzt muss ich mal Soundso kennenlernen, das bin überhaupt nicht ich. Weil ich zu viel aus dem Bauch heraus agiere. Aber Netzwerken in dem Sinne, dass ich an irgendwelchen Veranstaltungen oder Vorträgen teilnehme und wirklich jemanden finde, mit dem ich mich total gern unterhalte und mir auch was bringt, ohne diese Karriere im Hintergrund zu haben, und man dann in Kontakt bleibt, das entspricht mir sehr. Ich möchte schon sagen, dass Generation CEO mir wirklich sehr, sehr geholfen hat, aber es wird jetzt auch immer größer und anonymer, also, ich bin schon jemand, der sich mit den Menschen verbindet und nicht das Netzwerk als Institution sieht. Entweder klickt es und ich treffe mich gerne und dann reden wir auch mal über andere Dinge als nur, wie man sich helfen kann, sondern ich würde mit den Leuten auch genauso gerne, weiß ich nicht, joggen oder mich wirklich auch privat umgeben. Das ist dann bei mir so fließend, das muss so

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natürlich kommen. Als dass ich jetzt denke: Wow, die Frau ist also das und da zück ich jetzt mal mein Kärtchen. Das wäre überhaupt nicht ich und das mag ich auch bei anderen nicht. S.: Ich habe 15 Jahre nicht in Deutschland gelebt. Wenn man nach so langer Zeit nach Deutschland kommt und wird Vorstand Personal, glaubt dir das ja keiner, dass du eigentlich hier keinen kennst. Also meine ganze Arbeitszeit eigentlich, ich bin ja direkt nach dem Studium nach I. gegangen. Ich habe hier also überhaupt kein Netzwerk gehabt, in Deutschland. Ich weiß nicht mehr genau, wer es war. Ob es Herr XY war, jedenfalls war einer der ersten Berater, die mal hier waren, wegen irgendeinem System, was sie mir vorstellen wollten. Und dann hatte ich aber mal gefragt, wie sieht es denn aus hier in Deutschland? In meiner Position, zu welchem Netzwerk soll ich denn mal gehen? Und ich weiß nicht mehr genau, wer mir das vorgeschlagen hat. Dann hatte ich dem XY da eine EMail geschrieben. Ja, habe von ihrem Netzwerk gehört, ich würde da gerne dabei sein. Dann kriege ich ein Mail, ja, dann kommen Sie mal vorbei. Und dann musste ich zu einem langen Vorstellungsgespräch mit ihm. Wo ich gedacht habe, was ist denn hier los? Ich wollte doch eigentlich nur ein paar andere Leute kennenlernen. Also, da ging es gar nicht darum andere Frauen, sondern überhaupt im HR-Bereich oder überhaupt so andere Businessleute kennenzulernen. Aber super Entscheidung. Also GenCEO ist wirklich ein ganz, ganz tolles Netzwerk. Wo ich mich jetzt auch regelmäßig mit ein paar Teilnehmerinnen aus dem Raum XY treffe. Also das hilft wirklich. B.: Ja, ich glaube deswegen hat es wahrscheinlich bei mir solange mit dem Start gebraucht. (Lachen.) Also, ich glaube nicht, dass ich da unbedingt ein Rollenvorbild hatte. Wie Sie ja merken, beschäftigt mich das gerade. Was geholfen hat, aber wie gesagt, sehr viel später war ein Tipp. Ich bin, wie Sie ja wissen, bei Generation CEO, und da sehen sie natürlich sehr viele andere Frauen. Das ist ein geniales Netzwerk, um sich Rat und Beistand und Ideen und Anregungen zu holen. Es gibt nicht so viele Rollenvorbilder sozusagen, die vor uns den Weg gegangen sind. Es gibt sicher ein paar, und die will ich definitiv hier jedes Mal lobend erwähnen. Über jede Frau, die gerade in Deutschland Karriere gemacht hat. Aber ich glaube, das war sehr hilfreich, in dieses Netzwerk aufgenommen zu werden. Und einfach andere Frauen zu sehen, die sehr verantwortungsvolle Positionen haben. Sich mit ihnen auszutauschen. Und wie handhabst du eben gewisse schwierige Positionen oder Situationen. Das ist ein ganz tolles Netzwerk für Rat und Tat.

Der Faktor Aussehen: Situativ androgyn oder dezent weiblich Das prominenteste Beispiel für die Frage von Wirkung von Äußerlichkeit auf das Image ist sicherlich die deutsche Kanzlerin, die nach viel Kritik und anfänglichem Spott ihre äußerliche Erscheinung irgendwann bewusst umgestaltete. Ihr so entstandenes Image als „Mutti der Nation“ sagt viel darüber, welche Kernwerte in Deutschland das erfolgreiche Image einer weiblichen Führungskraft ausmachen können. Die Schilderungen der deutschen Frauen im Zusammenhang mit der Wirkung des äußeren Erscheinungsbildes bleiben begrenzt und nehmen deutliche weniger Raum ein als in den Interviews mit den Französinnen oder Russinnen. Viele der Frauen schildern, dass sie im Verlauf ihrer Karriere sehr bewusst mit ihrem Äußeren beschäftigt haben und sich damit verbunden zur richtigen Kleiderwahl und Frisur haben beraten lassen. Die deutschen Frauen denken, dass Schönheit auf dem Karriereweg zwar von Vorteil sein kann, aber nur, wenn sie gepaart ist mit Kompetenz und dem Wissen, wie man Männer für berufliche Ziele für sich einnimmt, ohne in Probleme zu geraten. Ausstrahlung und Präsenz sind in diesem Zusammenhang am

6.6 Karrierefördernde Faktoren für Frauen im deutschen Management

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wichtigsten. Die Frauen betonen ihre Weiblichkeit durch Kleidung nur situationsgebunden, und ohne dabei eine Grenze in das Private zu überschreiten. Die starke Suche nach einer weiblichen Identität von Karrierefrauen, wie sie in den Interviews in Frankreich und Russland immer auch in Verbindung mit einem sehr femininen Äußeren im Beruf diskutiert wird, lässt sich aus den Antworten der deutschen Frauen nicht erkennen. Solange Männer in der Mehrheit über Beförderungen von Frauen entscheiden, scheint es als ob die deutschen Frauen, sehr pragmatisch vorgehen. Sie haben kein Problem damit das, was man einen eher androgynen Businessstil nennt, zu pflegen, variieren ihren Stil jedoch situativ. Sie berichten von männlichen Stereotypen bezüglich der Erscheinungsbilder von Frauen, wie zum Beispiel, dass sehr weibliche Frauen mit eher hohen Stimmen eher nicht für das Topmanagement taugen. Weiterhin wird von Diskriminierungen eher vollschlanker Frauen berichtet. Und eher männlich wirkende Frauen würden als aggressiv verpönt. Fazit ist, dass man es den Männern nicht recht machen kann, die ja bisher mehrheitlich über Beförderungen entscheiden. Deutsche Managerinnen der Untersuchung reflektieren zwar bewusst über ihr Aussehen, es wird aber kein Kernpunkt ihrer Identität als Führungskräfte. Sie pflegen einen Businessstil, der ab und an gezielt farbenfroher oder dezent weiblicher wird, wenn sie auffallen möchten. So wird ihr Aussehen für sie zum Pluspunkt, da sie sich von der farblosen Masse männlicher Führungskräfte absetzen. Jedoch wird das Unternehmen nicht zum Schaulaufen ihrer Weiblichkeit und ein Businesslook ist gesetzt. Nur ein einziges Mal kommt, im Zusammenhang mit der Frage nach Äußerlichkeiten, das Thema der Konkurrenz unter Frauen auf. E.: Sie haben den Vorteil, wenn Sie irgendwohin gehen. Ja. Ich gehe auf eine Konferenz, ziehe ein rotes Jackett an. Wenn Sie im Publikum sitzen und sich zu irgendwas zu Wort melden, Sie werden immer dran genommen. Wenn Sie einer der Männer sind im dunklen Anzug, Sie fallen nicht auf und Sie werden auch nicht gefragt. Man erinnert sich an die Frau. B.: Nun ja, sagen wir mal so. Sie müssen mit dem, was Ihnen Gott gegeben hat, ja umgehen. Ja, wenn Sie schön sind, haben Sie Vorteile und haben auch Nachteile daraus. Schön hat den Vorteil, dass man Kollegen sagen hört, die laden wir gerne ein. Das ist eine Augenweide, wenn die bei uns im Raum sitzt. Also, Sie müssen natürlich damit umgehen können. Im Sinne, dass dann nicht übersehen wird, dass Sie auch was leisten. Oder was bringen. Ich glaube, das ist besonders schwierig, wenn Sie halt jünger sind. Dann ist Schönheit wahrscheinlich eher störend. Auf der anderen Seite, es öffnet Ihnen auch Türen, ja. Ich glaube, das ist eine Frage, wie Sie damit umgehen. Also, ob Sie es schaffen, es auch in irgendeiner Form einzusetzen. Und wenn Sie schön sind, erst mal herzlichen Glückwunsch. Das ist schon einmal klasse, ja. Und das gibt Ihnen dann natürlich das Interesse der Männer. Das müssen Sie dann nur schaffen umzubiegen, dass es eben nicht ein falsch gemünztes Interesse ist. Ja, also nicht zu viel flirten. Weil, dann wird es halt sehr schnell sehr gefährlich. Sie wollen ja auch nicht in einer Situation sein, wo Sie einem dann die Tür vor der Nase zuknallen müssen und sagen: „Finger weg!“ Ja. Aber es öffnet Ihnen bestimmt auch in manchen Situationen die Tür. H.: Also, ich glaube, man muss eine gute Balance zwischen dem Fraubleiben, aber GeschäftsmäßigAuftreten finden. Das heißt, jetzt sagen wir es mal ganz direkt: Zu kurze Röcke, zu tiefe Ausschnitte sind einfach kontraproduktiv. Was nicht heißt, dass das in manchen Situationen von Vorteil ist, dass aber natürlich gemäßigt. Ich ziehe zum Beispiel, zu einem Gespräch wo ich weiß, dass es kritisch wird, da ziehe ich definitiv mal einen Rock an, weil damit kann ich auch mit dem Frausein punkten.

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M1.: Ganz konkretes Beispiel: Zwei Managerinnen, gleiche Position, sehr hoher Level, erster Level unterm Vorstand, Gespräch mit einem, sage ich jetzt mal, Vorstand. Der mir erklärte: Wenn wir Frau A nehmen, das ist doch ein ganz anderer Auftritt. Wenn die reinkommt, gucken Sie doch mal, wie die aussieht. Also die eine hat Kleidergröße 48, sage ich mal. Und die andere hat 38. Eine klein, blond, zierlich. Die andere dunkelhaarig, Mama-Typ. Und der hat mir wirklich verkauft: „Die kann ihren Job doch gar nicht machen.“ Also, das ist jetzt überspitzt. Trotzdem, aber war da eine Wertung: Frau sieht attraktiv aus oder sieht eben nicht so attraktiv aus. Aus der Sicht eines einzelnen Betrachters. Und das wurde als Kriterium mitgedacht. Das würden sie aber niemals laut sagen oder vor der größeren Runde. M3.: Und wenn sie zu schön ist, dann kriegt sie andere Probleme vielleicht. Dann geht der Wettbewerb unter Frauen wahrscheinlich los. Annahme, ist keine Tatsache. H.: Also, ich glaube, dass man dafür eine sehr große Klarheit haben muss. Man muss eine Kompetenz ausstrahlen, also man darf nicht unsicher sein. Ich muss in der Lage sein, Sachen zu fragen, ohne mir da zu überlegen, ob ich da vielleicht jetzt eine dumme Frage stelle. Und dieses Selbstbewusstsein muss ich haben und ich muss es auch ausstrahlen, also ich muss schon mir überlegen: Ich geh da in den Raum rein und die Leute sollten schon auch merken, dass ich in den Raum reingehe. Und wenn keiner merkt, dass ich in den Raum reingehe, dann sollte ich mir überlegen, was ich daran ändere.

Vom Vorteil, eine Frau zu sein In jeder schwierigen Situation ergibt sich für die deutschen Frauen in Führungspositionen eine Chance. Sie sind sich ihrer Stärken in den immer noch schwierigen Rahmenbedingungen für Frauen im gehobenen Management in Deutschland bewusst. Stärken von weiblichen Führungskräften in der Kommunikation mit Mitarbeitern und bei der Suche nach Lösungswegen, die viele Mitarbeiter mittragen. Stärke aber auch darin, die vermeintlichen Nachteile in Vorteile zu drehen und die Position als Ausnahmen geschickt zu nutzen. M1.: Ich glaube, dass es Fähigkeiten gibt, die bei Frauen etwas stärker ausgeprägt sind als bei Männern. Ich nenne das im Buch dann „Die drei neuen K’s“, also nicht „Kirche, Küche, Kinder“ sondern „Konsens, Kommunikation und-“, was war das Dritte? „Kooperation.“ Ich glaube, dass das drei Stärken sind, die eher weiblich sind. Das heißt, überhaupt nicht, dass die Männer das nicht haben. Aber es ist eher stärker bei Frauen, die eigentlich sich eher sortieren in Richtung von „Wir brauchen einen Konsens, mit dem wir uns alle gut bewegen. Wir brauchen Kommunikation, dass der Kunde, versteht, warum wir so ein Produkt herstellen.“ Und da geht es nicht ums Geldverdienen, sondern da geht es darum, dass wir dem Menschen irgendwas Gutes bringen. Was ist diese Gute? Das rüberzubringen. Und, was haben wir gesagt? Kooperation, Konsens, ja genau. B: Eines wollte ich aber noch sagen. Sie haben auch als Frau, das glaube ich, unterschätzen viele, Sie haben auch enorme Vorteile. Das will immer keiner sehen. Ich glaube, als Frau haben sie drei oder vier Vorteile. Die sind einfach bombastisch. Das Erste ist, Ihnen erzählen ja alle alles. Ja. Also, ich weiß nicht wie viele Männer in Führungspositionen mir Dinge erzählen, ja, die würden sie nie einem anderen Mann erzählen. Also, Sie kriegen Informationen, die kriegt kein anderer. Ja, das ist das erste. Das Zweite ist, Sie werden nirgends als Konkurrenz wahrgenommen. Das wird denen viel zu spät klar, dass Sie ja plötzlich die Position haben. Also, Männer unterschätzen Frauen komplett im Thema

6.7 Hemmende Faktoren für weibliche Führungskarrieren in Deutschland

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der Konkurrenz. Das können die sich nicht vorstellen. Die haben Sie gar nicht auf dem Radar. Bis Sie dann plötzlich in der Position sitzen. Das ist dann definitiv ein anderer Vorteil. Der Dritte ist natürlich, Frau sein. Wenn Sie das gut einsetzen. Ja, die Männer wissen ja häufig gar nicht, wie Sie mit Ihnen umgehen müssen. Das verunsichert ja viele Männer. Gerade wenn ich irgendetwas zu verhandeln hatte. Ich werde es nie vergessen. Mein spanischer Distributor-. Wir hatten sehr, sehr harte Verhandlungen. Zu irgendeinem Zeitpunkt hat er gesagt, das wären die ersten Verhandlungen, wo sie sich nicht anbrüllen. Weil, er könnte ja auch keine Frau anbrüllen. (Lachen.) Sie haben da schon Vorteile. Das darf man nicht unterschätzen. Sie haben auch den Vorteil, Sie können viel leichter auf einem Zugehen und sagen: „Hilf mir mal!“ Ja.

6.7 Hemmende Faktoren für weibliche Führungskarrieren in Deutschland Frauen in Deutschland haben weiterhin mit einer Vielzahl von Barrieren umzugehen, wenn sie sich für den Aufstieg in hohe Führungsetagen entschieden haben. Die gläserne Decke gibt es weiterhin, sei es von Männern aufgebaut oder in den Köpfen von Frauen verankert. Soziokulturelle Bilder, wie das der „Rabenmutter“ halten sich auch heute und stellen die Frauen vor die Aufgabe, innerlich eigene, unabhängige weibliche Erfolgsbilder zu kreieren, denn weibliche Rollenvorbilder gibt es zwar, aber immer noch zu selten.

Deutsche Frauen und die gläserne Decke Was denken die deutschen Managerinnen über das viel diskutierte Phänomen der Glasdecke? Das Konzept der „Gläsernen Decke“ versucht Antworten zu geben auf die Frage, warum Frauen zwar weltweit im unteren und mittleren Management vertreten sind, es aber nur wenige Frauen schaffen, in das absolute Topmanagement aufzusteigen. Eine unsichtbare Decke wird als Erklärungsansatz beschrieben, die ihnen im Unterschied zu Männern den Weg verstellt und die nur schwer zu durchdringen ist. Folgt man dem Ansatz, liegt einer der Gründe darin, dass Frauen aus den Zirkeln der Macht ausgeschlossen werden. Stereotype Verhaltenserwartungen, informelle Strukturen in Organisationen, Zugehörigkeiten, Netzwerke und informelle Riten sind weitere Aspekte, die die Glasdecke ausmachen und von verschiedenen Forschern in diesem Zusammenhang untersucht worden sind. Laut amerikanischen Studien von Eagly wird die Existenz einer Glasdecke beispielsweise von rund 92 Prozent der weiblichen Führungskräfte in den USA bestätigt. Auch die deutschen Frauen dieser Studie sehen ausnahmslos die Existenz einer gläsernen Decke gegeben. Sie berichten vom eigenen Unternehmen, wo diese für sie offensichtlich ist. Andererseits gibt es aufgrund des äußeren Druckes in jüngster Zeit Anstrengungen, mehr Frauen in die Führungsetagen zu holen, und beispielsweise Frauen gezielt in HR- oder Legal Leitungsfunktionen zu befördern. Vereinzelnd wird geäußert, dass die gläserne Decke gerade in Deutschland in den Köpfen der Frauen

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selber verankert sei und sie sich selber die Top Funktionen nicht zutrauen. Dazu gehört auch, dass deutsche Frauen die Gegebenheiten einfach akzeptieren und die Top Level nicht aktiv genug anstreben. Das in der Forschung von Eagly verwendete Bild des Labyrinths wird von den Frauen angeführt und erläutert, dass es für Frauen weiterhin schwer ist, die Spielregeln zu verstehen und Schlupflöcher zu finden. Im Unterschied zu Männern müssen Frauen quasi in einem Moment durch das Karrierelabyrinth flutschen, wo keiner genau hinsieht. Die Widerstände im Labyrinth der Karrieren werden für Frauen insgesamt stärker eingeschätzt als für Männer. Als Gründe hierfür werden primär traditionelle Sichtweisen mit Blick auf die Mutterrolle angeführt. Ein Ansatz zum Umgang mit der gläsernen Decke ist ein Unternehmenswechsel hin zu Organisationen, in denen die Chancen für Frauen besser sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass dort, wo die Glasdecke existiert, der Versuch des Durchdringens aus Sicht der deutschen Frauen praktisch unmöglich ist. Es bedeutet andererseits für Unternehmensleitungen, dass in Zeiten knapper Führungskräfte qualifizierte Frauen nur gehalten werden können, wenn Transparenz hinsichtlich der Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen im Management hergestellt wird und gleiche Chancen für sie geschaffen werden. M1.: Du kennst bestimmt dieses Beispiel, ich glaube, der … Philharmoniker oder Wiener, ich weiß es nicht genau. Die nur noch Vorspiele sozusagen machen, in denen alle Turnschuhe anhaben. Also man nicht sieht, ob Frau oder Mann, ein Vorhang davor, dann wird gespielt und dann wird gesagt, wer der beste oder die beste war. Und seitdem sind wesentlich mehr Frauen im Orchester als je zuvor. Weil diese Neutralität hergestellt werden konnte. Das kannst du leider nicht bei jedem Job. Jedenfalls nicht so pragmatisch wie bei so einem Orchester. Aber diese Chance haben wir Frauen gar nicht, neutral gesehen zu werden. Und dann nur über die Qualität beurteilt zu werden. B.: Ja. Glaube ich schon, dass es die gibt. Und zwar, ich sehe es auch bei unserem Unternehmen. Wir haben auf unseren Ebenen, auch ganz unterste Führungsebene, wir haben fast 50, 50, Männer, Frauen. Und dann kommt so dieser Schritt zum Prokuristen, wo wir uns immer wieder fragen, warum ist das so? Warum kriegen wir nicht diese tollen Verkaufsleiterinnen, Teamleiterinnen auf die nächste Stelle? Und es wird den Frauen nicht zugetraut. Das heißt, oh, die heiratet jetzt? Ach, dann kriegt sie wahrscheinlich Kinder, ach, dann wird sie ja wahrscheinlich zuhause bleiben wollen. Also man interpretiert auch sehr viel rein, was die Frau vielleicht machen wird und will und wie auch immer. Ich höre ganz oft diesen Spruch, naja, wer weiß, was dann ist. Jetzt sagst du, du willst Karriere machen, aber wenn das Kind erst mal da ist, dann sagst du vielleicht wieder etwas Anderes. Also da wird immer wieder gewartet, was dann ist. Also ich glaube diese gläserne Decke, ist wirklich eher das, man traut es einer Frau nicht zu, dass sie das macht. H: Also, ich glaube, dass wir sie haben. Ich glaube, dass man die am einfachsten durchbricht durch Unternehmenswechsel. Und ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass so eine Quote, die auf Dauer tatsächlich aufbrechen kann. Wir müssen den Blick ganz in eine Richtung schmeißen, damit sie zerstört wird. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir die noch sehr stark in den großen, traditionellen und auch in den Mittelständlern haben. Und das gar nicht mal mit böser Absicht. Also, ich unterstelle nicht jedem böse Absicht. Also, so diese Fürsorge, die manche haben, so an den Tag legen, ist oftmals auch dieser Grund dafür, dass es diese Decke gibt. Also, wenn man mal daran stößt, dann sollte man schnell gehen, weil man sich dann selber schädigt. Ich fände es schön, wenn wir uns mal auf Quoten in Führungsebenen einigen. Weil ich glaube, dass es einfach Positionen gibt, wo wir heute einfach auch Schwierigkeiten haben, ausreichend Frauen zu finden. Auch, wenn es sie

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gibt. Aber ich glaube, dass wir da bald alle Funktionen nebeneinanderlegen, durchaus da eine Quote darüberlegen können. Ich würde aber ungern sagen: „Wir brauchen auf jeder Position eine Quote.“

Diskriminierungen durch männliche Führungskräfte Die deutschen Managerinnen berichten von einer Vielzahl von Diskriminierungserfahrungen. Diese sind gezielt von Männern direkt gegen Frauen gerichtet und lassen sich in folgende Gruppen fassen: Diskriminierung aufgrund von Schwangerschaften oder der Möglichkeit von Schwangerschaft, Diskriminierungen der fachlichen Kompetenz von Frauen als Führungskräfte und abwertende allgemeine Diskriminierungen. Dabei erfolgt die Diskriminierung nicht nur im persönlichen Gespräch, sondern auch im öffentlichen Raum. Erfolgt die Diskriminierung vom Entscheidungsträger über ihre weitere Laufbahn im Unternehmen, entscheiden die deutschen Frauen sich relativ rasch für Unternehmenswechsel, um ihre Ziele weiterhin realisieren zu können. Eine Frau geht soweit, nach einigen Diskriminierungserfahrungen ihre Karriere konstant im Ausland zu verfolgen. M1.: Ich kann ja noch ein Beispiel geben von der Hauptversammlung 2015, wenn ich es nicht schon mal getan habe, dass da jemand ans Rednerpult geht, ein Aktionär, und sagt: „Frauen haben keine Führungsfähigkeiten und haben in Führungspositionen nichts zu suchen.“ Ich sitze und denke: „Oh, heute ist versteckte Kamera, wo ist sie?“ Nein, im Saal Applaus. Wir sind drei Aufsichtsrätinnen, die oben auf dem Podium sitzen, um grade Rechenschaft abzugeben. Und im Saal wird geklatscht, weil Frau keine Führungsqualität hat. Ich denke: „Na, Herr XY, jetzt sage mal was, als Aufsichtsratsvorsitzender.“ Nein, er sagt nichts. Wir waren hinterher zu ihm und: „Hallo, Herr XY. Warum haben Sie jetzt eigentlich grade nichts gesagt?“ Da sagt der: „Der hat doch nichts gefragt.“ Dann hat eine Kollegin ihn gefragt: „Wenn der jetzt gesagt hätte: ‚Ausländer haben keine Führungsqualität.‘, hätten Sie dann auch nichts gesagt?“ Dann sagt der: „Ja, doch. Da hätte ich was gesagt.“ Da haben wir gesagt: „Wissen Sie, was Sie da gerade machen? Das heißt, eine Lobby für Frauen gibt es gar nicht. Aber eine Lobby für Ausländer ja, die ist da.“ Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich noch eins gedacht: „Der Mann hatte sogar Recht.“ Ich habe mir im Nachhinein gedacht: „Wenn er das thematisiert hätte, wäre das völlig aus dem Ruder gelaufen.“ L.: Diese Diskussion, nur die Frage, nur die Frage zu stellen ist für mich schon ein Zeichen dafür. Es gibt das in keinem anderen Land der Welt, ob Sie Kinder haben oder nicht. Das ist diskriminierend. B.: Da kann ich Ihnen gerne viele erzählen. Und ich bin mir sicher, dass haben sehr viele Frauen erlebt. Also, sei es wie gesagt, als ich bei XY (Unternehmen) war. Das war ganz enorm. Dass mir jemand von Bemerkungen in einem Bewertungsgespräch erzählt hat, die Leistung schwankt, wie wenn du deine Tage hast. Auch schon sehr gut. Oder, einer Kollegin von mir erzählt wurde: „Du kannst den Job machen, aber da will ich nur einen Mann draufhaben.“ Also, das war Diskriminierung in der reinsten und verbalsten Form. Gab es auch. Ich habe überhaupt keinem erzählt, dass ich geheiratet habe. Weil dann hätte jeder sofort gedacht, ich bekomme Kinder. Dann wäre die Karriere auch am Ende gewesen. Es war aber auch nicht nur bei XY. Es war auch bei YZ. Saß ich mit meinem Chef. Da war ich aus dem Studium rausgekommen. Der hat mir dann ganz ehrlich am Abend erzählt, Frauen, die wollen ja eigentlich keine Karriere. Die wollen ja nur irgendwelche netten Auslandserfahrungen. Das war irgendwie der Gesprächszusammenhang da. Und die Frauen, die Karriere schaffen, das sind alles Xanthippen. Also, immer wieder, diese ganz starken Vorurteile oder auch

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Verbalabschläge. Und auch später, ich muss ja sagen, ich habe damals, als ich dann Geschäftsführerin in Spanien war, habe ich dann mich umgeschaut. Da habe ich gedacht, jetzt schaue ich doch noch mal, ob ich vielleicht nach Deutschland zurückkomme. Und ich muss auch da sagen, da hatte ich zwei oder drei Vorstellungsgespräche in Deutschland. Das war ja alles gnadenlos. (Lachen.)

Kultur prägt Frauenkarrieren – die Rabenmutter Weltweit wird beobachtet, dass Frauen in höheren Managementfunktionen, aufgrund der drohenden Doppelbelastung öfter Single und kinderlos bleiben. In einer Studie von Henn aus 2013 wurde festgestellt, dass 20 Prozent aller deutschen weiblichen Managerinnen Singles waren. 71 Prozent der erfassten Frauen waren kinderlos. In der vorliegenden Befragung hat die Mehrzahl der deutschen Topmanagerinnen Kinder und die Bandbreite geht von einem bis zu drei Kindern. Nur zwei Frauen sind kinderlos. Damit weicht diese Gruppe hinsichtlich der Mutterschaft von den oben genannten Zahlen der Forschung ab. In der Literatur wird vielfältig über die Folgen des Mutterseins in Bezug auf Frauenkarrieren geforscht und berichtet. Mit „Motherhood penalty“ wird die Benachteiligung von Frauen mit Kindern bezeichnet, die oftmals weniger verdienen als kinderlose Frauen. Im Fokus stehen Auszeiten, Pausen, Gehaltseinbußen und ungeplante Wechsel der Frauen. Einen besonders großen Einfluss haben Fehlzeiten aufgrund von Mutterschutz. 70 Prozent der befragten Frauen einer Untersuchung gaben an, dass der Mutterschutz ihrer Karriere geschadet hat, und 30 Prozent gaben in derselben Studie an, daher nicht die volle Zeit in Anspruch genommen zu haben. Mengenmäßig kommen zu diesem Teilbereich der Interviews mit den deutschen Managerinnen viele Schilderungen. Alle hier befragten Frauen sind sich einig, dass ein Karriereweg mit Kindern für eine Frau in Deutschland schwierig ist. Dies gilt nur für Frauen und nicht aber für Männer, bei denen eine Familie eine positive Wirkung auf ihr Image als Führungskraft hat. Es wird angenommen, dass Kinder eine Frau von ihren Aufgaben im Management abhalten, wohingegen eine männliche Führungskraft als treusorgender Ehemann nun für das Unternehmen wertvoller wird. Die Gründe sehen die Frauen vor allem in Vorurteilen des beruflichen aber auch gesamt gesellschaftlichen Umfeldes. Die Frauen ohne Kinder denken, dass ihr Weg mit Kindern deutlich erschwert gewesen wäre. Sie berichten von Vorurteilen gegenüber Müttern. Und sprechen ihnen Anerkennung aus. Nur eine Frau, die den überwiegenden Teil der Karriere im Ausland verbracht hat, denkt, dass es in erster Linie mit der eigenen Konsequenz von Müttern zu tun hat, ob die Karriere gelingt oder nicht. Strukturelle Diskriminierungen sind das Hauptproblem, so argumentiert dagegen die Mehrheit der Frauen. Mütter in Deutschland stehen in einer großen Ambivalenz, zwischen ihrem Ziel die Karriere weiter auszubauen und den gesellschaftlichen Normen, die an die Mutterschaft gestellt werden und die gegen eine Fortsetzung einer klassischen Managementkarriere sprechen. Frauen mit Kindern berichten von Verlangsamungen der Karriere. Es gibt sowohl Beispiele von Frauen in der Gruppe, die aufgrund einer

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Schwangerschaft nicht befördert wurden, als auch Beispiele, bei denen sich die Beförderung herauszögerten. Nur in einem einzigen Einzelfall wurde eine Schwangere befördert und es war einer weiblichen CFO zu verdanken, dass diese Beförderung ausgesprochen wurde. Kulturell ist der Gedanke, dass Kleinkinder am besten von ihren Müttern zu Hause betreut werden, wie bereits ausgeführt wurde, in Deutschland fest verankert. Und diese feste Prägung gilt, wie die Antworten der Frauen verdeutlichen, nicht nur für Männer, sondern auch für die Frauen selber. Dahinter steht der erzieherische Grundgedanke, dass zu frühe Fremdeinwirkungen, sprich Fremdbetreuung, schädlich für sehr junge Kinder sind. Diesem Grundgedanken folgend ist die Anwesenheit der Mutter in dieser frühkindlichen Phase unerlässlich. Kommt ein Baby oder Kleinkind in eine Betreuungseinrichtung, ist das weiterhin in den Köpfen vieler Deutscher keine gute Lösung für das Kind. Damit wird die Mutter quasi zum Sündenbock, wenn sie sich anders entscheidet. Die Vollzeitbetreuung durch einen Vater oder Großeltern ist in Deutschland als Konzept der Ausnahmefall und nicht gesellschaftliche Norm. Diese gesellschaftliche Prägung ist nach Berichten der Managerinnen auf dem Land stärker vertreten als in den Städten. Die Schilderungen der Frauen zeigen, dass andere Betreuungslösungen für Säuglinge und Kinder unter drei Jahren, sei es in Krippen, über Vollzeitbetreuung durch Großeltern, Tanten, Väter oder privat engagierten Kinderfrauen weder in der Gedankenwelt der Frauen selber, geschweige denn bei männlichen Entscheidungsträgern vorhanden sind. Und selbst wenn eine Frau einen dieser Ansätze wählen würde, wäre er doch aus der Sicht aller- Frauen wie Männer- zum Scheitern verurteilt. Denn, so der Gedanke, eine gute Betreuung erfolgt in Deutschland nur über die Mütter selber. Denn, so weitergedacht, Mütter würden sich zwangsweise mit anderen Betreuungslösungen schlecht fühlen und werden dann auch den Anforderungen einer Managementrolle nicht mehr gerecht. Ein Teufelskreis gesellschaftlicher Vorprägung, den Frauen aufbrechen müssen, von dem sie sich befreien müssen, wenn sie eine hohe Managementkarriere anstreben und auch Mutter sein wollen. M1.: Also die Situation-, ich gucke mal zehn Jahre zurück vielleicht. Da erinnere ich mich, dass Frauen reinkamen, um mir mitzuteilen, dass sie schwanger sind. Und die kamen rein und haben fast Tränen in den Augen, dass du denkst: O Gott, die ist krank. Oder da ist was Schlimmes passiert. Die kommen nicht rein und sitzen hier und sagen: Stell dir vor, ich bin schwanger. Die kommt schon fast mit einer Entschuldigung, weil sie Angst hat, dass sie jetzt nur noch Nachteile haben wird. Und dass sie diese Balance gar nicht hinbekommt. Und vielleicht war es früher auch so. Also heute etwas entspannter. Und die Reaktionen auch. Obwohl man sich natürlich auch, wenn man die Nachricht als Vorgesetzte bekommt, sich schon als erstes überlegt: Ups, ja, wie fülle ich die Lücke, wie wird das gehen? Und wie kommt sie zurück? Und du musst ja dann auch ein paar Möglichkeiten haben. Und da schätze ich Unternehmen, die einfach Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, wo weder der Vorgesetzte noch diejenige, die grade ihre freudige Schwangerschaft mitteilt, ein Problem damit haben werden. Aber ich finde, das sollte sich eine Frau auch gar nicht antun. Also, wenn ich diese Entscheidung für Kinder getroffen habe, dann muss ich doch diese fünf oder zehn Jahre, wo sie wirklich klein sind und eine Mama auch brauchen, dann muss ich sagen: „Die 14 Stunden mache ich, wenn sie aus dem Gröbsten raus sind.“ Ich finde, man tut immer so, als wären Frauen, wenn sie

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

schwanger werden, für immer und ewig raus. Und sind dann nicht mehr verfügbar. Das stimmt nicht. Wir haben einfach Lebensphasen, wo wir mal zurückfahren müssen. Unsere Karriere kann nicht linear verlaufen bei einer Frau. Du hast Lebensphasen, wo du mehr Familie hast und dann wieder mehr Jobs. Und nur, weil man mal, weiß ich nicht, meine eine Kollegin hat drei Kinder und ist auch in einer leitenden Position, die kriegt das alles hin. Das funktioniert bei ihr, weil sie es A will und weil der Mann voll mitspielt. M3.: Aus männlicher und weiblicher Sicht müssen wir klar differenzieren. Aus männlicher Sicht oft schon Rabenmütter. Das würden sie nicht sagen, aber sie sagen das hinter geschlossener Tür, wie die das überhaupt schaffen möchte mit ihren Kindern und wie schade. Ich sehe auch, dass alle Männer in meiner Altersklasse, die mit mir am Vorstandstisch sitzen, selbstverständlich eine Frau haben, die nicht arbeitet und bei den Kindern ist oder sich irgendwie selbst verwirklicht mit einem Job. Also, eine Karriere wird da nicht erwartet. Das wäre auch irgendwie blöd, wenn die abends nicht mit dem Essen warten würde. Deswegen haben die per Natur kein Verständnis, vielleicht sogar noch mehr Verständnis für mich, die nicht Kinder vernachlässigt oder irgendjemanden und nicht deswegen für irgendjemanden abends kochen muss und sich wirklich dem Job widmen kann, als Frauen, die das neben Kindern gemacht haben. Wird zwar immer gesagt: Wahnsinn, wie du das schaffst. Und toll, aber es wird eigentlich nicht verstanden. Ich persönlich, beneide die, die beides geschafft haben. Da, wo ich die Frauen aber auch näher kenne, weiß ich, dass nicht jede sich damit glücklich gemacht hat. Es gibt die Frauen, die wirklich naturgegeben sagen, ich bin froh, dass ich nicht den ganzen Tag bei meinen Kindern sein muss, und ich brauche das auch für mich. Die sind auch mit sich zufrieden, aber viele, die es geschafft haben, beides zu haben, haben doch eine große Unzufriedenheit oder immer das Gefühl, nicht dem Einen voll gerecht zu werden. Und von Frauen, die es anders gemacht haben, und da gibt es in meiner Generation sehr, sehr viele, die mit den Kindern noch zu Hause geblieben sind oder nur so ein bisschen Teilzeit gearbeitet haben und die Karriere an den Nagel gehängt haben und dann noch so ein bisschen nur zum Geldverdienen sich beschäftigt halten, ob als Richterin oder sonst, durchaus gute Jobs so, da ist dann doch das Klischee auch oft „Rabenmutter“, wenn man sich nicht wirklich selbst den Kindern angepasst hat. Also die Frauen befeinden die Frauen und die Männer haben auch nicht wirklich Respekt. M2.: Und ich glaub schon auch, das ist so ein bisschen, dass sich dann ab einem gewissen Punkt sich die Frau natürlich auch überlegt, wie viel muss ich opfern, um halt weiterzukommen. Ein Beispiel, ein klassisches Szenario, wo ich zum Beispiel auch das erste Mal sehr enttäuscht wurde von meiner Firma. Ich hatte jetzt innerhalb der Elternzeit ein Angebot gehabt, was ich sehr, sehr toll fand, dass ich trotz meiner Elternzeit ein neues Jobangebot bekommen habe, und zwar sollte ich in die Geschäftsleitung eines Tochterunternehmens übernehmen. Genau, ich war auch sehr geehrt und so wow. Das obwohl eben trotz Elternzeit und so. Ich dachte, das ist ja Wahnsinn, dass die trotzdem an einen denken und einen fördern und so. Ja und auf jeden Fall habe ich mich dann auch zu diesem Assessment hinbegeben und bin auch bis zum Ende gekommen. Also der Chef wollte mich dann auch nicht mehr. Ich wurde dann in diesem Interview immer wieder subtil auf meine private Position angesprochen. Nie direkt, aber immer subtil. Und es war dann auch schon so, und das ist dann auch in der letzten Runde etwas eskaliert, weil ich dann auch das Thema ganz offen angesprochen habe. Weil es immer wieder die Frage kam, wie ich das dann hinkriege, organisatorisch so, ob mir bewusst sein, auf was ich mich hier einlasse und dass ich ja erst mal die ersten Wochen und Monate ganz viel weg von zu Hause sei. Und da wurde mir sehr viel Druck aufgelegt, wo ich mich dann einfach auch sehr irgendwie angegriffen gefühlt habe. Und das waren nur fünf Männer über 50. Es war dieses: Nein, nein. Kann die das? Und ich bin mir sicher, dass ich die Fragen, die ich in dem Assessment gehört habe, hätte nie ein Mann zu hören bekommen. Und dann habe ich auch selber bei mir so ein bisschen umdenken lassen. Ich habe zehn Jahre lang sicherlich geackert und gemacht, ich habe auch sicherlich mehr als genug gearbeitet, was nun mal nicht mehr geht mit Familie, das ist auch so. Vielleicht reicht es mir auch jetzt, wo ich aktuell bin.

6.7 Hemmende Faktoren für weibliche Führungskarrieren in Deutschland

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Die hier interviewten Frauen mit Kindern haben sich für die fast lückenlose Fortführung ihrer Karrieren entschieden und viel erreicht. Die Organisation der Betreuung von Kindern und Haushalt läuft bei den befragten weiblichen Führungskräften mit kleinen Kindern in erster Linie über den Partner, unterstützt von Kinderfrauen und Putzhilfen. Großeltern kommen stundenweise oder in Notsituationen und ganz selten auch einmal tageweise zum Einsatz. Im Unterschied zum Ausland werden von den befragten Frauen qualifizierte Ganztagsschulangebote mit Mittagessen und geregelten, guten Nachmittagsangeboten vermisst. Eine Befragte beschreibt ihren Wechsel mit zwei Kindern aus Belgien zurück nach Deutschland als Albtraum, da der gesamte schulische Prozess vom Anmeldeverfahren, über die Knappheit von guten Angeboten bei der Nachmittagsbetreuung keine verlässlichen Planungen für Frauen mit Karrieren zulässt. Letztendlich ist Deutschland aus ihrer Sicht doch weiterhin ein Halbtagsbetrieb in der Versorgung von Kindern und Schüler oder aber qualitativ einfach schlecht. Die Frauen spiegeln in ihren Antworten die große organisatorische Belastung von Müttern und das weiterhin vorherrschende Image der Rabenmutter, welches auf den Frauen in Deutschland lastet. Ihre persönliche Bewältigungsstrategie ist die Wahl eines unterstützenden Partners sowie die eigene innere Unabhängigkeit von den Werturteilen.

Kritisches Image von Frauen in Führungspositionen in Deutschland Aus den Antworten lässt sich leicht erkennen, welchem Image die deutschen Topmanagerinnen ausgesetzt sehen. Es ist selten positiv. Aber negative Bilder gibt es viele: Quotenfrau, Selbstverwirklicherin, hat „Haare auf den Zähnen“, unbequem. Sehr häufig wird das Bild der „Rabenmutter“ stellvertretend für Mütter, die gleichzeitig Karriere machen, genannt. Eine Mutterschaft ändert ein positives Image einer Frau in Führungsposition in Deutschland schlagartig. Dann ist Frau zuerst einmal Mutter, eignet sich in Deutschland eigentlich nicht mehr für die Führungsebene und wird nicht mehr positiv bewertet. Die gesellschaftliche Prägung bei dem Thema Mutterschaft verführt auch einige der befragten Frauen, oftmals keine Mütter, keine positiven Perspektiven für die Möglichkeiten von Müttern in Bezug auf das gehobene Management abzugeben. In Deutschland fehlen Rollenmodelle, die beides vormachen. Die Attribute, die eigentlich mit einer erfolgreichen Tätigkeit des Managers verbunden werden, wie Durchsetzungsstärke und Zielorientierung bekommen im Zusammenhang mit Frauen negative Komponenten. Ein Phänomen, welches unter dem Bild des „think manager think male“ von der amerikanischen Wissenschaftlerin Schein breit untersucht wurde. Es braucht danach Eigenschaften, die eher Männern zugeordnet werden, um in das Topmanagement aufzusteigen. Diese werden Frauen jedoch nicht zugebilligt. Die deutschen Frauen beschreiben eindrücklich, wie diese Eigenschaften bei ihnen selber negativ gewertet werden.

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

H.: Also, ich glaube, es ist nicht mehr ganz so schlimm, dass es eine Rabenmutter ist. Aber es ist schon, also auf der einen Seite wird es bewundert, dass man das schaffen kann und trotzdem tatsächlich eine intakte Familie hat. Auf der anderen Seite wird es sehr kritisch beäugt, so nach dem Motto, also, schon so ein bisschen dieses Rabenmutter-Bild rein gepresst wird. „Die sehen ja ihre Familie gar nicht mehr.“ M2.: Also die gängige Meinung ist: Die Karrierefrau hat bewusst verzichtet auf Kinder, um ganz und gar diesen Job zu machen. Das ist verbunden, negativ belegt mit „Die hat einen Drang nach Selbstverwirklichung.“ Und ja, eigentlich negativ belegt, auf jeden Fall. Die Frau mit den Kindern: „Na ja, die muss ja wissen, ob sie sich das alles antun will.“ Ob sie das alles hinkriegt und ob sie diese Balance auch wirklich hinbekommt.

Sehr stark und widersprüchlich wird bei den deutschen Frauen die Einführung einer Quote diskutiert, die es bisher in Deutschland für Aufsichtsratspositionen gibt. Weitere Quotenvereinbarungen werden aktuell von der Politik für die deutsche Wirtschaft diskutiert. Der Makel eine „Quotenfrau“ zu sein bedeutet für die Frauen, dass sie in ihrer Leistung nicht anerkannt werden. Gleichzeitig sehen sie die Chancen der Quote. Der gefühlte Imageschaden, den eine Frauenquote mit sich bringt, wird negativ bewertet. Genau wie die Frauen in Frankreich beurteilen die deutschen Frauen die Wirkung einer Frauenquote hinsichtlich ihrer Akzeptanz als geeignete Führungskräfte ambivalent. C.: Oder das heißt, ach, das ist ja die Quotenfrau. Jetzt ist C. da im Vorstand, so fühle ich mich nicht, aber ich möchte nicht die Quotenfrau sein. Ich bin hier, weil ich einen richtig guten Job mache. Und ich finde es schade, dass man deswegen eine Quote einführen muss. Wir kriegen ja das eigentliche Problem nicht gelöst. Und das ist, dass einmal die Sensibilität, das Bewusstsein bei den Männern verändert, aber auch bei den Frauen. Also deswegen. Ich will auch gar nicht immer nur gegen die Männer reden, sondern ich finde auch viele Frauen sind halt zu, na ja. Also kommen nicht mal aus ihren Schneckenhäuschen da heraus. Und da würde uns eine Zielgröße schon helfen.

6.8 Umgang mit Herausforderungen: Zusammenreißen, weitermachen und Unterstützung suchen Die Strategie der deutschen Frauen bei Niederlagen oder in schwierigen Situationen heißt, „Zähne zusammenbeißen, daraus lernen und weitermachen“. Die herausragende Fähigkeit der deutschen Topmanagerinnen im Umgang mit Herausforderungen ist, dass sie aus den Fehlern oder Niederlagen lernen und durchhalten. Und, dass sie geeignete Maßnahmen ergreifen, um aus schwierigen Situationen zu lernen und es beim nächsten Anlauf besser zu machen. Wiederum wird die Unterstützung von Executive Coaching in verschiedenen Situationen genutzt, um Lösungen für diverse Herausforderung zu erarbeiten. M1.: Ich hatte 42 Prozent und mein Gegenkandidat entsprechend 58 Prozent. Kann man als Achtungserfolg nehmen, ich war damals tief deprimiert, weil ich gedacht habe, ich habe mich so angestrengt und nun das. Also, das ist ja böse und überhaupt blamiert und ich habe mich geschämt,

6.8 Umgang mit Herausforderungen

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weil irgendwie, ich kann das keinem erzählen, dass das nicht geklappt hat, so. Nachdem ich das alles abgeschüttelt habe, habe ich bei mir gedacht, na ja, jetzt habe ich ja eine wichtige Erfahrung gemacht. Und versuche es später wieder. M3.: Nicht aufhalten lassen, nicht runterziehen lassen, zur Seite legen, das gehört zum Leben dazu und weiter positiv gehen. Denn, wenn man zu sehr sich um die Dinge lange Gedanken macht, zieht es einen nur runter. Ich will nicht sagen, dass ich es besser gemeistert habe, aber ich habe mal von irgendeinem Headhunter den guten Tipp bekommen, mein erstes Examen, haben Sie sicher gesehen, es gibt Gründe dafür, aber es ist nicht so super gelaufen, wie ich das selbstverständlich dachte. Und rückblickend würde ich Ihnen sagen, ich habe das erste Mal in meinem Leben Demut gelernt und auch die Bedeutung des Faktors Glück. Man kann super auf Dinge vorbereitet sein, man kann alles rückwärts wie vorwärts können und trotzdem unter Umständen kommt nicht der Erfolg. Bis zum Examen kann man es ja wirklich machen, ich glaube, später kann es einem genauso passieren, dass man einen CEO vor die Nase gesetzt bekommt oder einen Chef hat, mit dem man gar nicht funktioniert, obwohl man mit drei Chefs vorher super funktioniert hat. Und dann muss man die Schuld nicht bei sich suchen. Sondern weiter im Leben. Sich nicht runterziehen lassen, ich glaube, das ist immer die Challenge und in jeder Niederlage ist auch eine Botschaft. Und ich glaube, nur Niederlagen machen irgendwann am Ende des Tages einen reifen Menschen aus. Zumindest in meiner Funktion sehe ich so viele Niederlagen von Menschen, ob es nun privat oder beruflich ist, mit dem Job, die auch wieder hochkommen und funktionieren und positiv sind. Und deswegen in jeder Niederlage ist eine Botschaft. Man ist kein Mensch, wenn man es nicht selbst mal erlebt hat. B.: Also, nur so Erfolg- glatte Erfolgsmenschen, entweder gibt es die kaum oder die sind ein bisschen unnatürlich, die haben nichts Menschliches an sich. Wir werden erst Mensch und wir werden erst ein erfolgreicher Mensch, wenn wir gelernt haben, mit Niederlagen umzugehen, die Message daraus zu ziehen und uns selbst positiv weiter zu motivieren. So.: Ich bin in eine wichtige Position aufgestiegen, als Leiterin der Businessunit. Das ist durch eine Umstrukturierung passiert. Und ich war einfach die geeignete Kandidatin dafür. Und plötzlich spielte ich in der Champions League mit. Aber ich kannte die Voraussetzungen nicht. Und keiner hat sie mir irgendwie erklärt. Und ich selber habe die Spielregeln auch nicht erkannt. Also, ich will nicht die Schuld in jemand anders Schuhe stecken, aber aus dem Bundesliga-Level habe ich plötzlich in der Champions League mitgespielt. Dann habe ich einen Fehler gemacht. Es war zwar die richtige Empfehlung, wirtschaftliche Empfehlung. Nur war das tatsächlich so, dass der Vorstand damals dieses Werk ins Leben gerufen hat. Und das wusste ich nicht. Das heißt, ich habe ihnen letztendlich indirekt gesagt: „Ja, das Werk, was du da gegründet hast, Klammer auf, Klammer zu, das taugt nichts. Und wird auch nichts taugen.“ Dazu stehe ich heute noch. Aber da habe ich ihn quasi vorgeführt, unwissend. Und ich meine, da haben einige andere Senior Manager die Präsentation auch gesehen und auch den Vorschlag gesehen. Und entweder haben sie nicht dran gedacht, oder aber-, ich glaube nicht, dass sie mich da bewusst ins Messer haben laufen lassen. Das glaube ich einfach nicht. Aber es war einfach ungut. Und dann hieß es: „Ja, die blickt das nicht.“ Also bestimmt nicht. Ich blickte das sehr wohl. Ich habe einfach in dem Moment die Aufgabe missinterpretiert. Das ist in der Tat mein Beitrag zu der Misere. Aber betriebswirtschaftlich habe ich das schon richtig gelöst. Also schlechte Präsentation einfach. Ich konnte nicht mal zu Ende präsentieren, schon bin ich unterbrochen worden und einfach, ja, auf eine sehr unangenehme Art und Weise zurechtgewiesen worden. Und danach war das einfach schwierig. Weil, ich mich dann einfach in dieser Champions League nicht sehr wohlgefühlt habe. Wissen Sie, wenn man einen so vorm Publikum über den Mund fährt und ihn da als unfähig darstellt, dann traut man sich nicht-, dann war das so ein Teufelskreis. Also jedes Mal, wenn ich dann beim Vorstand präsentierte, dann hatte ich da einfach kein so gutes Gefühl. Habe nicht gut abgeliefert und, und, und. Und wissen Sie, wer mir dann auf diesen Weg geholfen hat, aus diesem Teufelskreis rauszukommen? Eine Frau. Der ich dann erzählte wie furchtbar ich das fand. Und wie ich da gefangen bin. Und dann habe ich aus geheimen Quellen, dank

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Dt. Frauen – Gestaltungstrateginnen inmitten von Männerbünden und Mutterrolle

Netzwerk, habe ich mitbekommen, dass der Vorstand versucht, mich aus diesem Förderkreis rauszunehmen. Und ich habe dann einfach gute Hinweise bekommen. Dann habe ich mir gedacht: Okay, jetzt lerne ich, wie man Champions League spielt. Und gerade mit Unterstützung von dieser Frau, die damals HR geleitet hat, die hat mir erst mal gesagt: „Du musst dir jetzt ein Coaching gönnen.“ Und hat mich zu einem Coach geschickt, wo ich einfach auch viele Themen mit ihr verarbeitet habe. Und dann hat sie mich noch mal geschickt zu einer anderen, die eher so Präsentationstechniken trainiert. Also es war nicht so, dass ich nicht präsentieren kann. Aber das meine ich einfach mit diesem Thema. Auf Champions League Level spielen, ist einfach Statements platzieren, Wortschaften platzieren, oder? Sa.: Zum Beispiel der nächste Karriereschritt. Also, ich hatte jetzt gerade aktuell den Fall, wo ich-. Wir sind gerade dabei, umzuorganisieren in unserem Segment- ich war eigentlich von Anfang an gesetzt für eine sehr große Verantwortung. Er hat mir das von Anfang an gesagt, dass er mich dort haben möchte. Und mein Chef wiederum ist eng verbandelt mit dem Vertriebsleiter. Also mein Chef sagt zwar immer, dass er das Thema Frauen in Führungspositionen für sehr wichtig erachtet, tut auch gewisse Themen, die dafürsprechen, dass er es ernst meint. Der Vertriebsleiter ist so ein richtiger Macho pur (lacht), so ein richtiger-, einfach Macho pur. Und die beiden können sehr gut miteinander. Also was jetzt passiert ist, also nach Monaten der Diskussion, wo es eigentlich immer hieß, ich bin gesetzt an der Stelle, hat mein Chef jetzt kurzfristig seine Meinung geändert und hat mir-, hat das Team, was ich leiten hätte sollen, also die Abteilung, die sechs Teams hat, da hat er jetzt vier Teams ausgegliedert und möchte mir nur noch zwei Teams geben. Er hat mir 5000 Begründungen dafür genannt, die alle an den Haaren herbeigezogen sind. Je mehr ich darüber nachdenke und diverse Anzeichen interpretiere, die ich mitbekomme, desto mehr komme ich zu dem Schluss, der andere Kollege hat-, also dieser Vertriebsleiter hat so lange auf ihn eingeredet, dass er mir das nicht zutrauen kann und dass er hier einen riesigen falschen Schritt macht, bis er gesagt hat, okay, er reduziert meine Verantwortung. M1.: Na, der Preis ist schon, dass du-, jetzt gehe ich einfach ganz auf mich. Den Zeitaufwand, den ich hier einbringe, der hat ja nichts mit dem Arbeitstag zu tun. Also der ist Wochenende, der ist 14 Stunden, der ist immer, für irgendjemanden ansprechbar zu sein, du hast ein neues Thema. Deine Flexibilität, deine Zeit, all das, was ich hier rein gebe, kann ich weder in meine Hobbys, noch in meine Ehe, noch in meine Familie oder Freundeskreis reinbringen. Ich bin immer die, die eigentlich nicht kann. Also das heißt, ich bin nicht mehr selbstbestimmt, sondern ich habe mich entschieden, diese 14 Stunden machen mir Freude, Spaß, ich kann was bewegen, ich will das, ich mache das. Für Mütter ist das natürlich ein noch größerer Spagat. H.: Also, so ein bisschen mich selber zu verlieren. Also, es gab sicherlich Phasen, da war ich die Einzige, die mir wichtig war. Also, dass man sehr bewusst für sich selber Ich-Zeit schafft. Und sicherlich, so manches Mal auch immer das schlechte Gewissen den Kindern gegenüber. Teils, weil ich gerade im Ausland war, wenn sie tatsächlich mit Fieber zuhause gelegen sind. Oder wenn ich über das Telefon trösten musste, weil irgendetwas war. Und in der Rückkehr aus Asien hatten wir echte Schwierigkeiten mit meinem kleinen Sohn, das war ein absoluter Tiefpunkt. Das hat sicherlich auch dann dazu geführt, dass ich auch mit dieser Rolle nicht mehr-, also mit dieser Rückkehr durchaus Herausforderungen hatte. Unser kleiner Sohn hatte extreme Schwierigkeiten. Das haben wir dann gelöst, indem wir uns tatsächlich Coaching geholt haben. Weil ich dann irgendwann gesagt habe: „Wir kriegen für alles Seminare und wir gönnen uns alles.“ Und das war die beste Lösung unseres Lebens, da sind wir super herausgekommen.

7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau Einige Quellen ordnen Russland die Spitzenposition unter den Ländern, im Hinblick auf die Beteiligung von Frauen an obersten Führungsfunktionen der Wirtschaft, zu. Die interviewten Managerinnen beurteilen aus ihrer Sicht die unterschiedlichen politischen Phasen im Land und geben Einblicke in ihr Rollenverständnis zwischen Managerin, Mutter und einer „richtigen Frau“.

7.1 Betrachtung der Situation der Frauen in Russland Um die Situation der interviewten Topmanagerinnen in Russland in den Gesamtkontext einordnen zu können, lohnt sich auch hier ein kurzer Ausflug in die Geschichte und die damit verbundene Situation von Frauen im Lande. Die geschichtliche Betrachtung der Situation der Frauen zeigt, dass Russland sehr oft Pionier war, was die Rechte beziehungsweise die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen betrifft. Die weltweit erste Diplomatin, Aleksandra Kollontaj, und die erste Frau im Weltall, Valentina Tereschkowa, kommen aus Russland.

Frauen in der Sowjetunion, Perestroika und Gegenwart Russland war jahrhundertelang eine kaiserliche Nation, die vom Zaren regiert wurde. Nach einer kurzen Periode des Parlamentarismus und Kapitalismus in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es im Oktober des Jahres 1917 zur kommunistischen Revolution, gefolgt von einem Bürgerkrieg. In Jahr 1922 wurde ein Vertrag zur Gründung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, UdSSR, geschlossen, und ab dem Jahr 1922 bis zum Jahr 1991 regierte die kommunistische Partei diese Union als Einparteienstaat. Die kommunistische Partei schuf eine zentral geplante staatssozialistische Wirtschaft und setzte sich für Gleichstellung der Geschlechter ein. Mitte der Achtziger Jahre änderte sich jedoch der globale Kontext und die Einführung von Marktelementen in der sowjetischen Wirtschaft begann. Frauen durften bereits unmittelbar nach der Revolution im Jahr 1917 wählen. Die Sowjetunion war damit das erste große europäische Land, das dies ermöglichte, weit vor anderen Ländern, wo das Frauenwahlrecht teilweise erst 27 Jahre später eingeführt wurde. Eine Verpflichtung zur gleichberechtigten Rolle der Frauen in der sowjetischen Gesellschaft wurde im Jahr 1918 in der ersten Verfassung der UdSSR erklärt. In dieser Verfassung werden Frauen die gleichen politischen, wirtschaftlichen und zivilen Rechte wie Männern garantiert. Die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Rechte bildeten schon damals ein umfassendes Betreuungsnetz für Kinder, was von Entbindungsheimen über Krippen bis hin zu Ganztagsschulen reichte. Diese Kinderbetreuhttps://doi.org/10.1515/9783110709094-007

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

ungsmaßnahmen waren organisatorisch und zeitlich ganz auf die Bedürfnisse von Vollzeit arbeitenden Frauen ausgerichtet. Historisch gesehen war die Erwerbstätigkeit von Frauen in der UdSSR laut Ashwin und Rzhanitsyna die höchste unter allen Volkswirtschaften der Welt. In der Sowjetunion war es ganz selbstverständlich, als Frau in Vollzeit berufstätig zu sein. Der Frauenanteil an der Industrie- und Dienstleistungsbeschäftigung lag Anfang der neunziger Jahre bei 51 Prozent im Vergleich zum Jahr 1928, wo es nur 24 Prozent waren. In Bezug auf die landwirtschaftliche Beschäftigung betrug der Frauenanteil nach den Quellen von Goskomstat Ende der 1990er-Jahre 45 Prozent. Die Rolle der Frau im öffentlichen Raum war weitaus fester etabliert als in westlichen Volkswirtschaften. Frauen arbeiteten als Kranführerinnen, Automechanikerinnen und sogar im Bergbau. Während es Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Trennung in der Beschäftigung gibt, nach der russische Frauen vor allem in Bereichen des öffentlichen Sektors wie Gesundheit und Bildung positioniert waren, war die Repräsentation von Frauen in der politischen Verwaltung und in wissenschaftlichen Bereichen im Vergleich zum Westen laut Standing und Kay signifikant. Die hohe Anzahl von Frauen in naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen sowie in der Politik ist eines der Hauptargumente für die Gleichstellung von Frauen unter der kommunistischen Herrschaft der Sowjets. Ab dem Jahr 1937 gab es eine inoffizielle kommunistische Parteipolitik, um die Zahl der Frauen in politischen Führungspositionen zu erhöhen. Diese führte dazu, dass Frauen 30 Prozent aller Abgeordneten im obersten Sowjetrat der UdSSR und rund 40 Prozent in den örtlichen Sowjeträten ausmachten. Dieser hohe Frauenanteil bestand laut Yevstratova bis zum Jahr 1989, als diese Quoten abgeschafft wurden. Es gab auch eine hohe Anzahl von Frauen, die an wissenschaftlichen und technischen Ausbildungskursen teilnahmen. Die Akademie der Wissenschaften der Moskauer Universität beispielsweise hatte die gleiche Beteiligung und das gleiche Qualifikationsniveau von Männern und Frauen an wissenschaftlichen Programmen. Bei der Einrichtung von Forschungszentren für Ingenieurwissenschaften und biologische Wissenschaften wurde eine hohe Anzahl von Frauen ernannt. Schon in den 1980erJahren waren 51 Prozent aller Studierenden an russischen Hochschulen Frauen. Der Anteil von Frauen in technischen Berufen war sehr hoch, zum Beispiel waren 60 Prozent aller Ingenieure Frauen. Gerade in der Nachkriegszeit waren Frauen in allen Bereichen zum Wiederaufbau des Landes aktiv, unter anderem in körperlich schweren Berufen der Metall-, Zement- und Ölindustrie. Die Hälfte aller Bau-und Industriearbeiter waren Frauen. Trotz der guten staatlichen Angebote zur Kinderbetreuung galt in der UdSSR das, was Genderforscher als den „Vertrag der arbeitenden Mutter“ nennen. Frauen hatten aus gesellschaftlicher Sicht die alleinige Doppelbelastung zwischen Beruf, Kindern und Haushalt zu tragen. Vollzeit Hausfrauen waren in der sozialistischen Gesellschaft ein Modell, was nicht existierte. Der Staat machte viele familienfreundliche Angebote der Kinderbetreuung und bot Frauen, nicht aber Männern, reduzierte Arbeitsstunden an. Dahinter stand die Grundannahme, dass es die Frauen sind, die sich allein um ihre

7.1 Betrachtung der Situation der Frauen in Russland

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Familien kümmern sollten. Verschiedene Forscher weisen in diesem Zusammenhang kritisch darauf hin, dass der kommunistische Staat eine auf patriarchalen Prinzipien basierende Geschlechterordnung institutionalisiert hatte. Dabei werden die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern diskutiert. Jedoch ist die hohe Anzahl von Frauen in naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen sowie in der Politik, eines der Hauptargumente für die Gleichstellung von Frauen in der Sowjetunion. Im öffentlichen Diskurs der UdSSR blieben somit bis in die späten 1980 Jahre die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Bezug auf Beschäftigung, Bildung und auch politische Vertretung unbestritten. Im Rahmen der Umstrukturierungen der Perestroika in den 1990er Jahren verschlechterte die Lage für Frauen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1991 wurde die Wirtschaft komplett neu strukturiert und organisiert. Nach der Auflösung der Sowjetunion und dem Zusammenbruch der Planwirtschaft Ende der 1980er-Jahre ging die gesamtwirtschaftliche Produktion in Russland vom Jahr 1990 bis zum Jahr 1996 immer weiter zurück. Insgesamt verringerte sich das Bruttosozialprodukt um etwa 40 Prozent. Es dauerte bis zum Jahr 2007, bis der Produktionseinbruch wieder ausgeglichen war. Die russische Gesellschaft war von den Umwälzungen der sogenannten „Übergangsphase“ mit voller Wucht getroffen.Viele Männer hielten dem Druck nicht stand und verfielen dem Alkoholismus. Ein Problem im Land, was weiterhin oft beschrieben wird. Die Liberalisierung der Wirtschaft wurde von einem negativen Einfluss auf die Positionen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt begleitet. Es kam zu Massenentlassungen vor allem von Frauen, da diese vorher vor allem in der „leichten Industrie“ angestellt waren, die stärker vom Umbau betroffen war. Im Jahr 1992 waren 78 Prozent der offiziell registrierten Arbeitslosen Frauen. Zu dieser Zeit hatten Frauen gegenüber Männern bei der Verteilung des Eigentums und Kapitals quasi keine Chance und gingen quasi leer aus. Die Zeit der Auflösung des Sowjetstaates war geprägt von der politischen Stärkung geschlechtsspezifischer Rollen. Mit der Perestroika wandelte sich das Wertesystem dahin, dass Frauen jetzt als zu beschützende Gruppe gesehen wurden, die sich zu allererst den Aufgaben in der Familie widmen sollte. Der russische Arbeitsminister in der Phase des Überganges, Melikian wird laut Kay mit folgenden Worten zitiert: „Warum sollen wir Frauen einstellen, wenn Männer arbeitslos sind? Es ist besser, wenn Männer arbeiten und Frauen auf die Kinder aufpassen und die Hausarbeit erledigen.“ Auch Gorbatschow argumentiert 1987, dass man es den Frauen ermöglichen solle, zu ihrer „rein weiblichen Mission“ zurückzukehren. Um die Geschlechterdifferenzierung zu unterstützen, förderten die Personalabteilungen staatliche Organisationen flexible Arbeitszeiten, Heimarbeit, Arbeitszeitverkürzungen und großzügige Urlaubsgelder in Bezug auf Schwangerschaft, Geburt und Betreuung von jungen oder kranken Kindern. Diese Unterstützungssysteme waren nur für Frauen gedacht. Frauen wurden in der Folge aufgrund der Schutzregularien als teurere Arbeitskräfte eingestuft. Bestimmte Arbeiten wurden Frauen unter diesem Schutzgedanken gesetzlich verboten. Eine Liste des Labor Codes Artikel 253, untersagt die Ausübung von 456 Berufe, was mit dem

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

Schutz von Frauen begründet wird. Vor allem aber der Abbau von Kinderbetreuung führte zu einer viel größeren Doppelbelastung von arbeitenden Frauen, als sie in Zeiten der Sowjetunion beschrieben wurde und zu Ungleichheit innerhalb der Familie. Die Umwandlung des Systems zur Marktwirtschaft bot aber auch Chancen für Frauen wie Sperling und Ardichvili aufzeigen. Viele Frauen ergriffen die Initiative und stellten in der Phase der Veränderung kleine Unternehmen, teilweise auch im Handel mit den Nachbarstaaten, auf die Beine. Dabei bewiesen ehemalige Dozentinnen, Fabrikarbeiterinnen oder Lehrerinnen unternehmerische Fähigkeiten und zeigten, dass sie sich der neuen Zeit anpassen konnten und Chancen ergriffen. Wahrscheinlich sind die vielen heutigen Großunternehmerinnen in Russland Resultat dieser Phase. Historisch gesehen war die Bewältigung der Herausforderungen der Perestroika Zeit für die russischen Frauen nichts Neues. In den zahlreichen Kriegen des Landes waren Frauen immer wieder auf sich selber gestellt und bauten das Land mehrfach wieder auf. Kurz nach dem Umbau des Landes, im Jahr 1992 lag der Anteil von Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren am Arbeitsmarkt bei über 90 Prozent und damit fast genauso hoch wie der von Männern. Zum Vergleich lag während der neunziger Jahre derselbe Wert für die USA zwischen 70 und 75 Prozent. Man kann also in diesem Punkt von einer Gleichstellung von Frauen und Männern ausgehen. Die allgemeine ökonomische Aktivität von Frauen in Russland bleibt hoch. Die meisten Frauen arbeiten auch heute weiterhin, um zur finanziellen Versorgung der Familien beizutragen. Bevölkerungszahlen von Goskomstat, dem Statistikamt der Russischen Föderation, zeigen, dass es in Russland weniger Männer als Frauen gibt. In 2015 war das Verhältnis 44 Prozent Männer zu 56 Prozent Frauen. Für das Jahr 2050 wird ein Frauenüberschuss von 15 Prozent prognostiziert. Dafür werden unterschiedliche Ursachen angeführt, wie die zahlreichen Kriege, eine hohe Inhaftierungszahl und eine hohe Männersterblichkeitsrate, auf Grund von Alkoholismus und die Folgen eines niedrigen Lebensstandards, vor allem ausgelöst durch die Umwälzungen des Landes. Russische Männer leben im Durchschnitt 16 Jahre weniger als Männer aus Westeuropa und 14 Jahre weniger als russische Frauen. Auch eine sehr hohe Scheidungsrate im Land, zwingt Frauen, zu Haupternährerinnen ihrer Familien zu werden. Frauen verdienen Colgan zufolge jedoch im Schnitt je nach Quelle 30 bis 36 Prozent weniger als Männer. Die höchsten Gehaltslücken finden sich im Norden des Landes, wo die Minen Unternehmen zu finden sind. Das Bildungsniveau von Frauen im Land ist bis heute höher als das der Männer. Mehr Frauen haben Universitätsabschlüsse, wobei auf 1000 Menschen gerechnet 144 Frauen einen Universitätsabschluss versus 142 Männerhaben. Die Zahl von russischen Frauen an Business Schulen steigt überproportional an. Obwohl die weibliche Bevölkerung gegenüber der männlichen anteilig überwiegt und Frauen aktiver ihr Wahlrecht nutzen, sind Frauen in Russland weiterhin nicht gleichmäßig in den höchsten Spitzenfunktionen der Politik vertreten, was nach Krasilnikova auf die Form der Regierung zurückzuführen ist, in der höchste Ämter ernannt werden und nicht durch ein Wahlsystem bestimmt werden. In Jahr 2011 gab es

7.1 Betrachtung der Situation der Frauen in Russland

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59 Frauen im Unterhaus des Parlamentes, was ca. zwölf Prozent ausmachte. Im Oberhaus waren zu dem Zeitpunkt weniger, als zehn Frauen vertreten. In hohen Regierungsämtern gab es lange keine Frauen, seit dem Jahr 2009 hat das russische Kabinett die dritte Ministerin. Das Wirtschaftsministerium, das Agrarressort und das Gesundheitsministerium waren weiblich besetzt. Unter den Gouverneuren ist eine Frau aus St. Petersburg zu finden. In unteren und mittleren offiziellen staatlichen Funktionen sind die Frauen dagegen gut vertreten. Jüngste Statistiken des staatlichen russischen statistischen Dienstes besagen, dass im Jahre 2011 ganze 70 Prozent der Staatsangestellten Frauen waren. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich diese Situation seither wesentlich verändert hat. Frauenquoten stoßen im Land auf Ablehnung. Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, dass eine Einführung von Frauenquoten dazu führen würde, dass offene Stellen mit Ehefrauen, Liebhaberinnen und Töchtern von Politikern oder Geschäftsleuten besetzt werden.

Anteile von russischen Frauen an Managementfunktionen Laut dem Women in Business Report von Grant Thornton, lag der Frauenanteil im Senior Management in Russland im Jahr 2018 bei 47 Prozent, was Russland zum Land mit dem weltweit höchsten Frauenanteil machen würde. In derselben jährlich weltweit durchgeführte Untersuchung ist zu lesen, dass es in 91 Prozent der russischen Unternehmen zumindest eine Frau im Top-Management gab, während das in gerade einmal in 75 Prozent der Unternehmen in Großbritannien, in 79 Prozent der Unternehmen in Frankreich und in 75 Prozent der Unternehmen in den USA der Fall ist. Ein ähnlicher Anteil wird in Umfragen von PWC in 2012 und bei der International Labor Organisation (IOL) gemacht, obwohl die IOL Russland nur auf dem 25 Rang von 80 Ländern setzte. Frauen seien danach zumeist führend in CFO oder HRD Funktionen vertreten. Laut PWC und der Russischen Association of Managers stellen Frauen im Jahr 2010 93 Prozent der Chief Accountants, 70 Prozent der Personalleiter und 47 Prozent der Finanzleiter, jedoch nur sechs Prozent der Unternehmenspräsidenten. Historisch gesehen, gab es in Russland viele traditionelle „Männer-“ beziehungsweise „Frauenberufe“ und das hat seine Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein. Laut Informationen der Personalberatungsgesellschaft Hays Russland überwiegt in Sektoren wie Bauwesen, IT, Energiewirtschaft, Schwerindustrie, Ingenieurwesen, Verteidigung, Metallindustrie, Chirurgie, Fischfang und Bergbau der Anteil der Männer. Typisch „weibliche“ Sektoren hingegen sind Personalwesen, Finanzen, Statistik, Buchhaltung, Bildung, Verkauf, (Tele‐) Kommunikation, Kunst, Gesundheit, Psychologie und Medien. Weibliche CEOs und Board Mitglieder sind in Russland also häufiger in bestimmten Industrien, wie z. B. Banken, Media, Touristik, Beauty, Sport, Health, Erziehung zu finden, wogegen die Öl-, Gas- und Metallindustrie eher in männlicher Hand sind. Die Russlandkennerin Krone-Schmalz schreibt, dass „Frauen in Russland nicht über Gleichberechtigung diskutieren, sie nehmen sie sich. Jedenfalls in der Wirtschaft. In kaum einer anderen Gesellschaft gibt es so viele Karrierefrauen wie in

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

Russland.“ Das Institut für Soziologie der Russischen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht laut Gvozdeva ein abweichendes Bild bezogen auf angestellte Frauen in Führungspositionen. Danach würden nur in 20 Prozent aller Unternehmen weibliche Manager der Direktion angehören. In bestimmten Sektoren wurden aber auch in dieser Untersuchung Werte von 54 Prozent Frauenanteile in leitenden Rollen angegeben. Ward Howell bewertet dagegen für 2013 die Anteile von Frauen an den CEO Stellen in Russland niedriger als die in den USA. Demnach ist nur ein Prozent der Spitzenpositionen in den Top 160 russischen Unternehmen des Landes mit Frauen besetzt, versus vier Prozent Frauen in den Fortune 500 der USA. Credit Suisse veröffentlicht Zahlenwerte von acht Prozent weiblichen CEOs in Russland im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von zwölf Prozent. Laut dem Federal-State-Statistic-Service sind Frauen besonders zahlenmäßig vertreten als Spezialistinnen im hohen und mittleren Management. In den höchsten Funktionen sind Männer zwar vorne, aber der Vorsprung ist gering. Im Jahr 2009 waren von 19 Prozent der hohen Spezialisten in den russischen Unternehmen 24 Prozent Frauen und 15 Prozent Männer. Von dem hier erfassten Anteil der Unternehmensleitungsfunktionen waren knapp unter neun Prozent mit Männern besetzt und fünf Prozent Frauen. Die Zahlen zeigen also mehrheitlich eine hohe Beteiligung von Frauen im Senior Management, sind aber wie oft im Zusammenhang mit dieser Frage und je nach Quelle nicht homogen. Die Hälfte der angestellten Frauen im Land ist bereit, sich selbstständig zu machen. Der Anstieg Gründungen durch Frauen liegt bei 350 Prozent versus 65 Prozent bei den Männern. Laut dem Initiativkomitees zur Entwicklung weiblichen Unternehmertums des Unternehmerverbandes „Opora Rossii“, gibt es in Russland geschätzt 5,6 Millionen kleine und mittlere Unternehmer, von denen im Jahr 1999 ca. 30 Prozent Frauen waren.

7.2 Vorstellung der interviewten russischen Frauen Die russischen Führungskräfte wurden über ein Schneeballsystem rekrutiert, welches durch einen russischen Unternehmer angestoßen wurde und von den Interviewteilnehmerinnen weiter ausgebaut wurde. Die russischen Forschungsteilnehmerinnen, die im Herbst und Winter 2019 in Einzelinterviews befragt wurden, sind im Schnitt um 40 Jahre alt, die Altersspanne der Gruppe liegt bei 31 bis 50 Jahren. Sie sind damit tendenziell jünger als die Französinnen und deutschen Frauen und entsprechen der Altersverteilung der chinesischen Gruppe. Von den Forschungsteilnehmerinnen sind 40 Prozent der Frauen ledig und kinderlos. Die Hälfte der Frauen ist geschieden und wieder verheiratet. 60 Prozent der Interviewten sind Mütter von einem oder zwei Kindern im Alter von acht bis achtzehn Jahren. Die Frauen sind sehr gut ausgebildet, allerdings bis auf eine Ausnahme mit rein lokalen Studiengängen an sehr guten russischen Universitäten. Den russischen Universitätsabschlüssen liegt im Schnitt eine sechsjährigen Studiendauer zugrunde. Eine

7.3 U-Kurve der Chancengleichheit

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der Frauen hat in Russland promoviert. Nur eine Frau berichtet von ihrer Chance, an einem Austauschprogramm mit einer US-Universität teilzunehmen. Eine Teilnehmerin erwarb einen MBA mit einem Teilprogramm aus UK. Die Abschlüsse umfassen verschiedene Richtungen wie Ingenieurwissenschaften und Wirtschaft mit einer Häufung bei den Literaturwissenschaften. Die Russinnen sprechen mehrheitlich Englisch gut oder sehr gut, sodass die Interviews auf Englisch erfolgten und dann auf Deutsch übersetzt wurden. Nur zwei Frauen benötigen Unterstützung für das Interview auf Englisch. Andere Sprachen, die die Frauen benennen, sind Französisch, Deutsch und Spanisch. Die russischen Topmanagerinnen arbeiten zum Zeitpunkt der Befragungen u. a. in den Bereichen Medien, Fashion, Tech, Digital, Consulting. Die Unternehmen sind kleine, mittelgroße private und staatliche Unternehmen sowie multinationale Konzerne. Das unterscheidet diese Befragungsgruppe von den anderen vier Gruppen, in denen die Mehrzahl der Frauen in globalen multinationalen Unternehmen tätig waren. Ihre Positionen umfassen die erste Führungsebene CEO und Country Manager, sowie die zweite Ebene HRD,VP, BD, Chief Editor und CFO. Die Aufgabenbereiche sind rein lokal oder umfassen Verantwortungen für Ost-Europa. Auslandsversetzungen spielen bei den Karriereverläufen keine Rolle. Nur eine Frau wechselte in einem multinationalen Konzern nach UK.

7.3 U-Kurve der Chancengleichheit Die russischen Frauen beantworten die Frage nach der Einschätzung der Chancengleichheit für Frauenkarrieren in Russland sehr differenziert. Die Bandbreite der Antworten geht von null bis hin zu zehn Punkten. Unterschiede werden historisch, regional und für einzelne Branchen gesehen. Moskau erhält heute als Businessstandort hohe Werte von acht und neun im Hinblick auf die Chancengleichheit. Ländliche Regionen jedoch haben nach Einschätzung der Frauen so gut wie keine Chancengleichheit und die Situation wird mit zwei bis drei oder sogar null als sehr schlecht für Frauen im Management eingeschätzt, was zum Teil aber auch mit dem Mangel an Möglichkeiten begründet wird. Im Hinblick auf Branchen werden Banken mit dem Wert von acht als extrem frauenfreundlich und die Medienbranche mit dem Wert von sechs Punkten eher im Mittelfeld eingestuft. Befragt nach der historischen Entwicklung im Land bezüglich Chancengleichheit von Frauen schildern die Frauen eine U-Kurve. In der früheren Sowjet Union hatten vor allem ihre Mütter große Karrierechancen im Rahmen des vorgegebenen staatlichen Systems. Mütter hatten zum Teil bessere Positionen als Väter. Bemängelt wird, dass die Möglichkeiten und Chancen zu den damaligen Zeiten stark auf Berufe wie Lehrerin, Ärztin oder Ingenieurin beschränkt waren. Management Berufe im heutigen Sinne gab es aufgrund des damaligen Wirtschaftssystems nicht. Die Frauen bewerten die Zeit der Sowjetunion mit acht bis zehn Punkten als sehr gut für Frauen, sehen sie aus der eigenen Perspektive jedoch sehr kritisch, da das Angebot der Karrieremög-

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

lichkeiten stark begrenzt war. Im Rahmen der Perestroika der 1990iger Jahre verschlechterte sich die Lage für Frauen aus der Sicht der Interviewten drastisch. Die Zeit des Zerfalls der Sowjetunion und Öffnung sowie die Zeit direkt danach wird im Hinblick auf die Situation von Frauen sehr kritisch mit nur ein bis zwei Punkten bewertet. Die Phase der wirtschaftlichen Öffnung wird als brutal erinnert. Die 1990er-Jahre werden dann auch als Tal der U-Kurve der Chancengleichheit von Frauen geschildert. In einigen Familien wechselte in dieser Phase die Rollenverteilungen zwischen den Eltern. Waren vorher in der Sowjetunion die Mütter sehr erfolgreich, übernahmen nun die Väter die Führung in der wirtschaftlichen Versorgung der Familie und im Hinblick auf Karriere. Aktuell verbessert sich die Situation von Jahr zu Jahr und liegt im oberen Teil der U-Kurve und immer mehr Frauen sind in Topmanagementpositionen erfolgreich. Die Kurve sei bis heute konstant angestiegen und pendele sich je nach Betrachtungsweise bei Werten zwischen fünf bis acht ein. Werte die von acht abweichen werden mit Gehaltsunterschieden von 30 bis 40 Prozent begründet. Aber auch immer noch vorherrschende patriarchale Strukturen führen dazu, dass die Frauen in bestimmten Bereichen eine zahlenmäßige Dominanz von Männern erleben. Konfrontiert mit der Zahl von 43 Prozent Frauen in Führungsfunktionen aus der Grant Thornston Studie kommt es zu ambivalenten aber tendenziell eher kritischen Stimmen. Die Frauen erleben quasi gleichzeitig unendliche Möglichkeiten für Frauen, die aufsteigen wollen, bei gleichzeitigen vorherrschenden männlichen Normen. E.: Früher als junge Frau hasste ich die Sowjets. Wissen Sie, wenn man jung ist, sieht man oft schwarz oder weiß. Heute sehe ich, dass es die Sowjets waren, die den Frauen gleiche Rechte gegeben haben. Das Recht zu wählen und gleiche Bildungschancen. Männer und Frauen sollten gleich sein. Es gab eine Reportage über Jugendliche, die im zweiten Weltkrieg aus Spanien zu uns kamen und bei uns an den besten Universitäten ausgebildet wurden. Die Frauen sollten bei der Rückkehr in ihre Heimat zurück an den Herd. Können Sie sich das vorstellen? In den 50iger-Jahren in Spanien mussten Frauen Hausfrauen sein. Etwas Anderes ging nicht. Das war bei uns ganz anders. Ich habe gelernt, dass nicht alles schwarz oder weiß ist. Obwohl ich die Öffnung unseres Landes begrüße, waren es doch die Sowjets, die den Grundstein für Gleichberechtigung bei uns gelegt haben. A.: Was ich von meiner Mutter gehört habe, in der Sowjetunion gab es keinen Unterschied. Heute ist die Diskriminierung größer als damals. V.: Ich gebe sieben für Moskau, denn zur zehn fehlt der innere Respekt von Männern für Frauen, es gibt Sexismus. Für andere Regionen zwei bis drei, da sind es religiöse Gründe, Frauen sollen da zu Hause bleiben. In der Sowjetunion? Meiner Meinung nach nicht höher, fünf denke ich. Es sind verklärte Kindheitserinnerungen bei denen, die das höher bewerten. Kennen Sie den bekannten Film „Moskau glaubt den Tränen nicht“ von Menshov aus den 80ern. Der gibt mir recht. Katharina, eine CEO, verschweigt dort Georgij ihre Position. Sie will seinen Stolz nicht verletzen. Als er es herausfindet, verlässt er sie, in seinem Stolz verletzt. Männer waren CEO und Frauen nur Deputy. Der Film zeigt, dass es in den Augen der Gesellschaft nicht gut ist, wenn eine Frau mehr verdient, CEO wird. Es gibt auch in der Sprache Sätze wie „eine Frau am Steuer ist wie ein Affe ohne Arme“. Verstehen Sie? Heute ist es besser, weil die Frauen durch die Perestroika stärker geworden sind. Sie bekamen mehr

7.4 Karriereverläufe und Karrieremuster der Russinnen

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Chancen. Es sind Frauen, die Start-ups gründen, Handel mit der Türkei begonnen haben. Es sind die Frauen. I.: Das muss man je nach Level sehen. Ich denke, auf einer bestimmten obersten Führungsebene gibt es genügend Flexibilität und Gleichberechtigung, und es gibt viele Frauen in diesen Positionen. Wenn wir uns der Position des CEO, in einem sehr, sehr großen Unternehmen, nähern, wird dies etwas komplizierter. Ich habe eine Menge gesehen, und einige Frauen, die in diesen Positionen landen, sie sind sehr klug. Sie sind bemerkenswert, aber sie haben Beziehungen. Sie haben einen Ehemann, sie haben jemanden. Diese Frauen haben gewisse Beziehungen, die ihnen helfen. Also ich keine Verbindung, buchstäblich keine. Es gibt niemanden, der mich fördert. Es wäre schwierig für mich, in Russland eine Position als CEO in einem Medienunternehmen zu finden, ohne mit jemandem verbandelt zu sein. Aus diesem Grund gebe ich vier Punkte für CEO Jobs. O.: Ich denke, dazu tragen einige Faktoren bei. Erstens ist Russland ein extrem korruptes Land, extrem korrupt. Es gibt eine Menge Leute, die offiziell Geschäftsführerin oder Geschäftsinhaberin sind und die Ehefrau in die Rolle setzen. Sagen wir so, jemand der an der Macht ist, ein lokaler Abgeordneter oder so, in der Politik, kann kein Geschäft besitzen. Alle Unternehmen sind auf den Namen seiner Frau gegründet. Natürlich, auch weil die Situation ziemlich schwierig ist, denke ich, dass es wirklich, wirklich brillante russische Frauen gibt, die, obwohl sie gezwungen und mit dem konfrontiert sind, was passiert, Kriegerinnen sind. M.: Es sind die Frauen, die Angst vor der Macht haben. Wenn sie es wollen, ist es absolut möglich. Deshalb habe ich nur 5 gegeben. Bei uns sind wir fünf Frauen in der Chefetage, alles Frauen. Der Zuwachs an Frauen im Management bei uns ist jedes Jahr 10 – 15 Prozent.

7.4 Karriereverläufe und Karrieremuster der Russinnen Die Russinnen haben Karriereverläufe, die am Start etwas zufällig, allerdings auch kreativ, flexible und facettenreich anmuten. Beispiele hierfür sind Anfängerjobs nach der Universität zum Beispiel als DJ oder Touristenführer im Ausland. Eine der Frauen arbeitet als Krankenschwester, bevor sie studiert. Die Frauen, die im Medienmarkt Karriere machen, beginnen als Journalistin oder Produktionsassistentin. Weniger als ein Drittel startet eher traditionell direkt in einer Juniorfunktion im Großunternehmen, wie sie bei klassischen Verläufen im internationalen Management eher zu beobachten sind. Bei diesen Frauen erfolgt der Einstieg noch im Studium zum Beispiel als CEO Assistentin, in die Buchhaltung oder direkt in das Marketing eines multinationalen Unternehmens. Bei den Einstiegspositionen werden oft Kommunikationsfähigkeiten und hierbei Englisch Kenntnisse als ein wesentlicher Vorteil genannt. Die Fähigkeit über die heimischen Grenzen hinweg auf Englisch kommunizieren zu können, ist am Start der Karriere bei vielen ein Wettbewerbsvorteil. Einzelfälle berichten von einem Vorsprung im Bereich IT und Digitalisierung. Ein technischer Hintergrund wird vor allem bei mittelständischen Unternehmen zum Vorteil. Die Karrieremuster der russischen Frauen lassen sich wie folgt skizzieren: 1. Englisch- und IT-Kenntnisse als Wettbewerbsvorteil am Start 2. Intuitionsgeleitet, flexibles Ausprobieren, „Trial and Error“

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3. 4. 5.

7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

Lernen in einem neuen System und Chancen ergreifen Werteorientierte Wechselentscheidungen Klare Karriereorientierung mit Aufstiegsziel

Die Russinnen haben Karriereverläufe, die ein bis sechs verschiedenen Unternehmen umfassen. Die Mehrzahl wechselt zwei bis vier Mal das Unternehmen. Die Verweildauer in einzelnen Funktionen liegt zwischen einem und vier Jahren. Zum Zeitpunkt der Interviews arbeiten die Frauen in multinationalen Unternehmen, staatlichen oder privaten Unternehmen. Die Analyse umfasst also alle Unternehmensformen. Fast alle Frauen haben zwischen staatlichen und entweder multinationalen oder privaten Unternehmen gewechselt. 65 Prozent der Frauen gehen gezielt in Unternehmen mit westlicher Managementkultur, es gibt aber auch Verläufe mit Wechseln zwischen staatlichen und westlichen Unternehmen. Auffällig ist das Informationsdefizit über andere Unternehmensformen. So wissen beispielsweise Managerinnen aus den multinationalen Unternehmen wenig über die Kultur in heimischen staatlichen Unternehmen bzw. haben kaum Erfahrung über Unterschiede in den Unternehmenskulturen aufgrund von Nationalitätsunterscheiden. Die jüngeren Frauen „probieren“ und lernen durch Wechsel. Insgesamt ist der Karrierestart der Frauen von spätem Lernen von Managementwissen und Unternehmensstrukturen geprägt im Vergleich zu den Topmanagerinnen beispielsweise aus Europa, die in bereits entwickelten Wirtschaftssystemen gestartet sind. Die russischen Frauen hatten wenige Modelle, auf die sie zurückgreifen konnten. Y.: Erst nach dem Jahr 2000 fingen multinationale Unternehmen an, so wirklich den russischen Markt zu penetrieren. Sie bauten dann Fabriken, große Büros und versuchten viele Mitarbeiter zu gewinnen. Vorher kamen zwar schon einige, aber es waren nicht so viele. Die Karrierechancen für Frauen sind in den Multinationalen besser, da die Ausländer denken, dass Frauen besser und härter arbeiten als unsere Männer. Jetzt ist die Zeit, wo sehr viele lokale Start-ups entstehen. Mir scheint, als ob hier mehr Männer aktiv sind. Und einige Kollegen fangen an, in russische Unternehmen zu wechseln, um ihren USP, mit der Kenntnis aus den Multinationalen, dort zu nutzen. Die russische Businessatmosphäre ist weniger erfahren und emotionaler als in den ausländischen Unternehmen. Wir hinken immer noch hinterher. Es gibt auch einen Trend als Expat international Karriere zu machen. Ich habe gelesen, dass unter den jungen Leuten 40 Prozent gern gehen würden. Die meisten, die mit internationalen Firmen gehen, haben nicht das Ziel zurückzukommen.

Bei den russischen Frauen verlaufen alle, bis auf eine Karriere, lokal, wenn auch mit teilweise osteuropäischer Verantwortung. Eine klassische Auslandskarriere verfolgt nur eine der Frauen, die für ein multinationales Unternehmen nach England geht. Zwei der befragten Frauen haben Erfahrungen als Selbstständige, in kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Die Flexibilität, die bereits zum Start der Karrieren zu beobachten ist, zieht sich durch die Karriereverläufe. Es scheint, als ob die Russinnen bis auf Ausnahmen eher spontan auf Chancen aufspringen, die sich ihnen bieten, als strategisch in einzelnen Unternehmenssystemen auf ihr Ziel hinzuarbeiten. Viele Beschreibungen deuten auf ein „trial and error“ Vorgehen hin. Allerdings, und hier

7.4 Karriereverläufe und Karrieremuster der Russinnen

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gleichen sich die Topmanagerinnen weltweit, wissen sie relativ genau, was sie wollen mit Karriere. Weiterkommen, höher kommen, letztendlich Chefin werden. O1.: Meine Karriere dreht sich mehr um Geschäftsentwicklung. Nicht so viel um die spätere Ausführung und Vervollkommnung. Nicht sehr viel um Produkt und Kreativität, sondern eher um das Geschäft als System. Irgendwann, glaube ich, war es 2005 oder so, wollten sie, dass ich nach London ziehe und dort eine Position einnehme. Weil es irgendwie komisch war, dass ich von hier aus einem so großen Teil des Geschäfts betrieb. Zu der Zeit lernte ich meinen zukünftigen Ehemann kennen und lehnte ab, weil wir zwei Monate in einer Beziehung waren. Dann zwei Jahre später boten sie wieder an, mit der ganzen Familie umzuziehen. Ich habe zu der Zeit zugesagt und bin nach London gezogen, um den gleichen Job für XY, die aufstrebenden Märkte, zu machen. Endete in der Position des Verkaufs- und Marketingdirektors für aufstrebende Märkte. Also, ich kannte das Land relativ gut, aber als Tourist, nicht als der, der dort mit alltäglichen Dingen lebt. Wenn Sie Ihr ganzes Haus einrichten und von vorne anfangen und sich mit Dingen wie Transport und Versorgung beschäftigen müssen, wo Sie leben, ist alles anders. Es braucht all deine Energie. Ich tat dann einen horizontalen Move. Ich habe die Position des VP der globalen Kundenstrategie bekommen. Anstatt mit aufstrebenden Märkten zu arbeiten, wechselte ich zu etablierten Märkten, in denen wir Niederlassungen hatten, z. B. Westeuropa, Nordamerika, Kanada, Japan, Länder mit stärker entwickelten Märkten, und arbeitete auf Kundenebene. Ich habe mit Kunden wie Apple, Amazon und Walmart, den Großen, zusammengearbeitet. Ich habe versucht, sowohl unsere Arbeitsweise als auch die konkreten Projekte und den Systemaufbau durchzusetzen. Dann bin ich als VP of Business Development für Westeuropa für Europa zu F. gewechselt, was wiederum eine neue Position war. Zu der Zeit war es ein sehr guter Schachzug, da XY nicht mehr besonders gut abschneidet.

Bessere und qualifiziertere Arbeitsweisen im Vergleich zu anderen Kollegen sind wichtige Aspekte, die im Verlauf von Karrieren zu Beförderungen führt. An zweiter Stelle werden mehrfach Situationen genannt, in denen ein Vorgesetzter wechselte oder eine Vorgesetzte schwanger wurde, und den Frauen die Chance geboten wurde, nachzurücken. Dieses erfolgte mithilfe von Sponsoren oder über den Eigentümer des Unternehmens. Das Vertrauen von Vorgesetzten oder des Eigentümers wird auch hier wieder mehrfach als Hauptgrund für die Beförderungen genannt. Bei den Frauen, die in der multinationalen Welt Karriere machen, spielen Visionsfähigkeit und die Fähigkeit im eigenen Land oder anderen osteuropäischen Ländern ein Geschäft aus dem Nichts aufzubauen, die Hauptrollen beim Aufstieg. Wechselgründe in andere Unternehmen sind chancenbezogen oder werden, und das ist auffällig, abhängig von der Person des CEO oder Eigentümers getroffen. Stimmen die Wertehaltungen überein, sind die Frauen bereit zu wechseln. Harmonisieren die Werte nicht, werden die Frauen aktiv und suchen gezielt neue Jobs. Nicht bei allen verläuft der Wechsel so, dass er immer aufstiegsorientiert ist. Ein Großteil der Frauen gibt zwar an, dass sie mehr wollten bei jedem Schritt, doch nur bei einem Teil spiegelt sich das im Werdegang wider. Die Asienkrise Ende der 90er-Jahre wird vereinzelnd wie bei den Chinesinnen als externer wichtiger Einfluss genannt, der zu unerwünschten Wechseln führte. Markteinbrüche und das eigene Alter bei einem anstehenden Wechsel, sowie die Organisation der Familie im Ausland als Expatfrau werden als Herausforderungen im Karriereverlauf beschrieben. Für ihre Zukunft wünschen die Russinnen sich weiterhin als CEO zu arbeiten bzw. in diese Ebene aufzusteigen, sowie Anteilseignerin zu wer-

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

den. Mehrere Frauen sehen sich in der Zukunft als Unternehmerin. Dieses entspricht den veröffentlichen Daten, nach denen Frauen die meisten Unternehmen in Russland eröffnen. Und es gibt sie auch, die weiblichen russischen CEO, die ihrem Jugendtraum nachsinnen und lieber Forscherin werden würden, so wie es in der Herkunftsfamilie in Sowjetzeiten vorgelebt wurde. Abgesichert und hoch angesehen. E.: Als ich die Universität beendete, war der Beruf des Journalisten in Russland sehr beliebt, in der postsowjetischen Ära. Der Journalismus war sehr beliebt, und besonders der Fernsehjournalismus. Es war, als ob du der größte Star wurdest. Weil alles offen war. Ich arbeitete für die erste nichtstaatliche Firma in Russland, XY. Ich habe als Korrespondentin angefangen. Es war der Beginn meiner Karriere. Dann verstand ich, dass ich kein Korrespondent bin. Irgendwie fand ich mehr über solche Dinge wie Marketing heraus. Für uns fing alles bei null an, weil wir nichts über die Strukturen eines Unternehmens wussten. Das Marketing war ein anderes Wort. Wir wussten nicht, dass es so ein Wort gibt und was es ist. Ich hatte Glück, weil ich eine Universität in Nashville, Tennessee, besuchte. Es war 1994 und zu der Zeit, sah ich zum ersten Mal einen Computer. Ich hatte einen Computer, weil mein Vater seine eigene Firma hatte und wir ein bisschen reich waren. Ich habe dann gesehen, was es bedeutet, Internet, 1994 war das glaube ich. Als ich dann anfing, mich für XY zu entscheiden, war es 1996. Ich erinnere mich an den Tag, als unser CEO des Unternehmens sagte: „ Jetzt haben wir Internet.“ Ich hatte den Vorteil, dass ich das schon kannte, und dann Dinge initiiert habe für den Sender. Ich war in vier Unternehmen, und unter diesen vier war eines, zu dem ich später zurückkehrte. Es war ein großes Unternehmen, zu dem ich zurückkehre. Mein viertes Unternehmen ist eine Holding, wie wir es hier nennen. Es hat mehrere Kanäle und es war ein Unternehmen von XY Groups aus S. (Land). Wir waren an der NASDAQ. Es war ein wirklich großes internationales Unternehmen. In dieser Firma gab es viele kleine Firmen, also bin ich in diesem Bereich wieder von einer Firma in die andere gewechselt. O2.: Ich habe versucht, einen Job in meinem Fachgebiet zu finden, als Elektroingenieurin. In der Nähe meines Hauses, gibt es eine elektronische Fabrik. Es ist im Stil der ehemaligen Sowjetunion. Meistens arbeiten sie für das Militär und jetzt wurden sie privat. Sie eröffneten eine neue Abteilung, auch mit dem Budget der Regierung. Ich wollte einen Teil des russischen Satellitensystems entwerfen, kennen Sie XY? Und mein Wissen, mein Diplom und auch mein Englisch waren es sehr gut geeignet für sie. Ich konnte mit amerikanischen Spezialisten sprechen, weil diese Technologie in Russland nicht verfügbar war, also arbeiteten wir mit Deutschen, mit Slowenen mit Amerikanern. Ich hatte gleich ein Projekt und wurde Assistentin des Abteilungsleiters. Wie gesagt, es waren drei Jahre. Ich war enttäuscht, weil sie nicht kreierten, nicht gestalteten. Um ehrlich zu sein, sie wollen nur das Budget kürzen und einige private Dinge tun. Es ist in Russland sehr verbreitet, in diesem Fall ist es sehr wahr. Ich fand heraus, dass es wie eine ehemalige Sowjetunion-Fabrik war, alte Leute, etwa 60 Jahre alt. Es ist immer noch die gleiche Mentalität. Die Mentalität der jungen Generation war anders. Es war immer wie eine Konfrontation – ich war müde davon. Ich wechselte, wieder in eine Tech-Firma. Die brauchten jemanden mit meinem Hintergrund, der mit Deutschen kommunizieren konnte. Danach habe ich eine gleiche Position bei AB gefunden. Dafür habe ich ein Jahr gebraucht. Und dann kam die Krise und alle wurden entlassen. Danach arbeitete ich für ein chinesisches Unternehmen. Das gefiel mir nicht, da sie die Dinge anders machen. Nie das taten, was sie gesagt haben. Jetzt bin ich wieder in einem amerikanischen Konzern. Ich habe die Stellen immer mit meinem CV oder über LinkedIn oder war es Facebook gefunden. I.: Um ehrlich zu sein, ich habe nie einen Schritt geplant. Alles, was ich wollte und immer noch will, war beim nächsten Step höher zu sein. N.: Ich habe nichts geplant, deshalb habe ich die Jobs bekommen, andere Leute, die das sehr wollten, haben die Jobs nicht bekommen. Ich habe meine Chancen gut genutzt, ich will die Beste sein.

7.5 Karrierevoraussetzungen der Russinnen

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O1: Ich hatte gerade das Marketing übernommen. Mein damaliger Marketingleiter war ziemlich faul, er freute sich sehr für mich. Ich machte immer alles, also gab er mir immer mehr und ich tat immer mehr. Irgendwann, glaube ich, haben die Chefs gemerkt, dass ich eigentlich alles mache, und ich habe die Stelle bekommen. Dann die Finanzkrise, die Ende 1998 passierte und XY dazu veranlasste, den Plan wirklich zu überdenken. Sie sahen Russland zu der Zeit noch als großen Zukunftsmarkt an und beschlossen, jemanden vor Ort zu haben, und sie boten mir einen Job an. Ich war diese Person in der Mitte zwischen Russland und Headoffice. Ich habe viel Ehrgeiz und kann einfach nicht aufhören. Wenn ich die Gelegenheit sehe, ist es für mich fast unmöglich, Nein zu sagen. Einige Jahre später leitete ich Osteuropa und war immer noch in Moskau. Ich bin viel gereist. Ich ging in alle östlichen Länder, nach Rumänien und Bulgarien. Ich liebe es, bei null anzufangen, wo Sie nichts haben und ein paar Leute brauchen, die möglicherweise mit Ihnen zusammenarbeiten können und die ganze Sache zum Laufen bringen.

7.5 Karrierevoraussetzungen der Russinnen Die russischen Topmanagerinnen beschreiben sich als innovativ und visionär. Letzteres ist eine Managementkompetenz, die viele andere Frauen eher Männern zuordnen. Ihre Karriereorientierung ist stark und koppelt sich mit sehr hoher Motivation aufzusteigen. Sie nutzen geschickt ihre Vorteile als Frauen, da wo andere vermeintliche Schwächen vermuten.

Starke Mütter als Rollenvorbilder Die Eltern der russischen Frauen sind ausnahmslos gut ausgebildete Akademiker. Bei den Berufsbildern dominieren Ingenieure, es gibt Militärs, Diplomaten, Professoren, kreative Berufe und Selbstständige. Auch die Großeltern waren Vollzeit berufstätig und einige in hohen leitenden Funktionen. Die meisten Eltern waren beide in Vollzeit berufstätig. In nur 20 Prozent der Familien unterstützen akademisch ausgebildete Mütter die Karriere ihrer Ehemänner. Mütter und Großmütter sind Rollenvorbilder, den Vätern teilweise beruflich voraus, und werden als prägend und besonders stark geschildert. Auffallend ist, dass 30 Prozent der Frauen ihre Väter in jungen Jahren verlieren. Die Russinnen sind hauptsächlich durch ihre beruflich engagierten Mütter geprägt. Eine Frau schildert, dass sich ihr Vater das Leben nahm, als sie fünf Jahre alt war. Nur in Ausnahmen werden Väter als Rollenmodelle beschrieben, vor allem in den Fällen in denen die Mütter auf Karrieren verzichteten. Diese Mütter bereuten den Verzicht und waren eher unzufrieden mit der Situation. N.: Meine Eltern waren beides Ingenieure, in staatlichen Fabriken. Meine Mutter hat in den 90igern ihre Arbeit für die Regierung aufgegeben und sich selbstständig gemacht mit einem kleinen Unternehmen. Mein Vater blieb in derselben Firma. Er verstarb früh. Es waren harte Zeiten, nach dem Ende der Sowjet Union. Meine Mutter hat zehn bis zwölf Jahre durchgehalten. Am Ende musste sie zumachen. Sie ist eine sehr starke Frau. Sie entschied sich dann, mir mit meinem Kind zu helfen,

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

damit ich Karriere machen kann. Es war nicht leicht für sie. Sie war immerhin Unternehmerin. Ich bekomme ja ein Gehalt als Angestellte. Aber für sie war das nicht einfach, zu Hause zu sein mit meinem kleinen Kind. O1.: Meine beiden Eltern sind in der akademischen Welt. Mein Vater ist Professor für Psychologie und arbeitet immer noch an einer Universität. Er war schon immer ein Dozent, ein Forscher. Er schrieb 30 Bücher über Erziehungspsychologie, ziemlich akademisch. Das Gleiche gilt für meine Mutter, sie ist Psychologin und Sprachwissenschaftlerin. Sie hat aber keine Karriere gemacht, weil wir eine traditionelle Familie sind, in der meine Mutter im Grunde die Karriere meines Vaters unterstützt und sich um Kinder kümmerte, aber sie unterrichtete auch noch bis vor zwei Jahren an der Uni. Sie sind jetzt beide 75. Ich glaube, meine Mutter hat vor ein paar Jahren aufgehört zu arbeiten. Mein Vater arbeitet immer noch für eine der Universitäten. Es funktioniert wirklich für sie, also beurteile ich sie in keiner Weise, eine Frau, die weniger Ehrgeiz hat, keine natürliche Anführerin ist, eher eine traditionelle Frau ist. Sie würde ihre eigene Position als machtvoll beschreiben, weil sie nicht lange arbeiten musste. Sie konnte es genießen, dass für sie gesorgt zu wird und kann schöne Sachen kaufen. Sie macht auch die Arbeit, die sie mag, aber es zahlt sich nicht gut aus. In ihrem ganzen Leben musste sie nie darüber nachdenken, wie meine Familie überleben wird, wer für sie sorgen wird, weil mein Vater diese Rolle übernahm. Sie sah das alles als eine mächtige Position an. Dies ist eine bequeme Position. Ich möchte nicht wie meine Mutter sein. Ich bin geboren mit, denke ich, mit diesem Feuer im Inneren. Bei der Wahl zwischen den beiden habe ich gesehen, dass mein Vater charismatisch ist. Er ist sehr charismatisch, wie wenn er spricht, er wurde eingeladen, viel zu sprechen, und er trifft diese Entscheidungen. Er ist laut und großartig und alle rennen um ihn herum, um ihm zu gefallen und etwas Nettes für ihn zu tun. Hier möchte ich sein. V.: Mein Vater brachte sich um, als ich fünf war. Ich erinnere mich, dass er immer sagte „du bist etwas Besonderes, du wirst gut sein, in der Schule“. Daran erinnere ich mich. Meine Mutter ist eine berühmte Journalistin in Russland, am Ende der 80er war sie Mitglied des Parlaments bei Jelzin. Kennen Sie Jelzin? Sie war sein Berater für nationale Politik. Sie war dann bei den Demonstrationen. Ich war auch dabei. Es waren Tausende Leute da, wie eine Stand-up-Show, ich habe da auch geredet. Meine Mutter, sie brachte mir bei, wie man liebt, sie war eine starke Frau, es ist schwierig, von so einer Frau Liebe zu bekommen, aber ich schaffte es, ich musste um Liebe kämpfen. Sie war dann fünf Tage im Gefängnis, danach hat sie mit der Politik aufgehört. Als sie zurückkam, war ich nie mehr ängstlich in meinem Leben. E.: Mein Vater, wie viele Männer in Russland, in der Sowjetunion, sie konnten sich nicht selbst finden, weil sie im sozialistischen System nichts zu tun hatten. Sie hätten ein Mitglied der kommunistischen Partei werden müssen und all das Zeug, und das hat er nie getan. Er war ein freimütiger Kerl, also hatte er während der Sowjetzeit keine große Karriere. Er machte es wie die meisten Leute nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Am nächsten Tag, als der Markt frei wurde, wurde er ein Geschäftsmann und er sah bald, denke ich, Erfolg. Er hat als Stellvertreter für einen sehr wohlhabenden Oligarchen gearbeitet, wie Sie es in Europa nennen. Ich darf seinen Namen nicht sagen. Während der Sowjetzeit hatte meine Mutter eine große Position als Kunsthändlerin. Sie war sehr zufrieden mit ihrer Stellung in der Sowjetzeit. Sie konnte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion keinen sicheren Karriereweg mehr finden. Sie war wütend, bis sie starb.

Managementkompetenzen der Russinnen- Innovation und Vision Wie schon in der Einleitung beschrieben wurde, gibt es kein universell valides Profil für die Spezifikationen einer guten Führungskraft und auch nicht für die einer

7.5 Karrierevoraussetzungen der Russinnen

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weiblichen Führungskraft. Frauen in Führungspositionen müssen eine breite Range von Kompetenzen aufzeigen, um auf ihren Posten zu bestehen bzw. diese zu erlangen. Die Russinnen wurden wie alle Frauen dieser Untersuchung befragt, wo sie ihre Kernkompetenzen sehen und welche davon sehr hilfreich waren auf dem Weg in ihre heutigen Positionen. Die Antworten wurden anhand der Spezifikation von Regnet basierend auf einer weltweiten IMB-Studie zugeordnet. Die Russinnen hatten keine Mühe, ihre Stärken und Kompetenzen zu benennen und waren auch hinsichtlich eigener Schwächen sehr offen. Die Beschreibungen sind auf den Punkt, mengenmäßig übersichtlich und verzichten auf ausführliche Schilderungen und Superlativen, die es beispielsweise bei den Französinnen und Chinesinnen gibt. In der Mehrheit werden ein oder zwei Kernkompetenzen genannt. Als Expertinnen beschreiben sich die Russinnen hinsichtlich der Breite ihres Businessverständnisses, was sich aus Erfahrungen in verschiedenen Unternehmensbereichen speist. Über die Hälfte der Frauen verbleiben im gleichen Markt z. B. dem Medienmarkt und erwerben dort mit ihrer Expertise Bekanntheit. Ihre Stärke ist ihre Kompetenz und Expertise in ihren jeweiligen Märkten, die von Kollegen, Vorgesetzten und Kunden anerkannt wird. Eine der Frauen schildert sich als mehrfache Preisträgerin im Mediabereich und betont ihren Bekanntheitsgrad in der Branche. Ein spezieller Bereich ist die Digitalisierung, in der andere Frauen ihrem Umfeld voraus sind. Mehrfach wird die eigene Internationalität in Verbindung mit Mehrsprachigkeit und Marktkenntnissen, speziell in osteuropäische Märkte genannt. Allerdings beschreibt nur eine der Frauen, die nach England als Expat gegangen ist, ihre Interkulturalität als Kernkompetenz ausführlicher. Ein besonderes Merkmal der russischen Frauen ist, dass sie Vertrauen aufbauen können, in dem sie loyal und integer in ihren Bereichen wirtschaften, und ihnen dadurch hohe Positionen anvertraut werden. Die Fähigkeit klar zu kommunizieren und Unternehmensziele zu formulieren sowie vorausschauend klare Ideen und Strategien zu entwickeln, zeichnet die Russinnen aus. Obwohl auch bei den Russinnen, wie bei den meisten Frauen dieser globalen Untersuchung, die eigene Visionsfähigkeit hinterfragt wird, lässt die Auswertung hier einen Schwerpunkt vermuten. Mehrheitlich gibt es Frauen, die gerade in diesem Bereich sowie in der Innovationsfähigkeit ihre Kernkompetenz schildern. E.: Ich kann das Ziel klar kommunizieren, den anderen Leuten erklären, was das Ziel ist. Wenn ich weiß, was für ein Ziel ich habe, kann ich es sehen, und ich kann klarsehen, was zu tun ist, und ich kann es gut erklären. Ich hatte als Chefs hauptsächlich Männer, manche großartig. Das einzige Problem mit ihnen war, dass sie manchmal nicht wussten, was sie wollten. Obwohl sie talentiert waren. Ich bin kein sehr beliebter Mensch. Nein, ich kann nicht sagen, dass ich es liebe, in der Öffentlichkeit zu sein. Nein, es geht nicht um mich. Ich kenne einige Leute, die einfach Spaß daran haben, in der Öffentlichkeit zu sein, und die von den Leuten Energie bekommen. Ich bin nicht so, aber für mich, ist es einfach, zu erklären, was zu tun ist. Ich bin gut ausgebildet, ich recherchiere alles, was neu ist. Deshalb änderte ich alles auf digital, als es gerade angefangen hatte. Ich will immer etwas Neues lernen. Ich hasse es, wenn die Leute darüber reden, erinnerst du dich, wie es damals richtig war, Blablabla

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

N.: Ich denke, dass ich sehr nett bin, aber ich bin auch sehr hart. Ich verstehe das Geschäft von beiden Seiten, aus dem Front-Office und Back-Office. Sehr oft können Leute aus dem Front-Office ihren Kollegen aus dem Back-Office alles vormachen. Ich verstehe alle Geschäftsprozesse im Verkauf, deshalb kann ich mir erlauben, härter zu werden. Außerdem habe ich sehr, sehr gute technische Ausbildung. Ich glaube, dass die Hauptqualität eines guten CEO darin besteht, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, und ich weiß, dass ich das kann. Außerdem kann ich das Team inspirieren und dies ist auch die Hauptqualität für den CEO. O1.: Die englische oder britische Kultur unterscheidet sich sehr stark von der russischen. Ich glaube, ich habe das schon sehr früh erkannt und ich bin froh, diesen Beruf zu haben, weshalb ich dann Sprachen lernte. Meine Ausbildung sind Sprachen. Ich bin ein Linguist. Ich habe nie Betriebswirtschaft studiert und nie eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Ich nehme viel auf. Ich bin sehr scharfsinnig. Ich gehe auf die Straße, ich sehe eine bestimmte Person, die bestimmte Dinge mit einem bestimmten Akzent sagt, und ich wiederhole es leise. Das Lernen hört nie auf. Jeden Tag untersuche ich die Reaktionen der Menschen auf mich. Ich lese darüber, ich frage sie, ich stimme zu, ich überprüfe und ändere mich, damit ich passen kann. Sie konnten wahrscheinlich einen ziemlich anständigen englischen Akzent hören, an dem ich gearbeitet habe. Ich kann mit russischem Akzent sprechen, muss es aber nicht. Wenn sie dich als einen Fremden sehen, werden sie dir nie völlig vertrauen, also müssen sie dich als einen ihrer eigenen sehen. Ich denke, dass meine Fähigkeiten zur Anpassung an die Kultur ziemlich hoch sind. I.: Ich denke, im Rahmen meiner Arbeit habe ich die Ideen. Ich habe eine Vision und ein sehr klares Verständnis dafür, wohin wir gehen. Es ist nicht verhandelbar. Ich würde die Leute immer auffordern, Ideen zu entwickeln, die sie haben. Und Fragen zu stellen. Ich denke in Bezug auf die Vision – und das geht auch auf Transparenz und Sichtbarkeit des Geschehens zurück. Also wir machen das zusammen. Wir bereiten tatsächlich eine Menge Dinge zusammen vor. Wir werfen ein paar Ideen herum und diskutieren sie. A.: Um über Innovationen informiert zu sein, neue Technologien nicht nur in unserer Branche, sondern im Management im Allgemeinen lade ich oft externe Experten ein. Um nicht auf meine eigene Vision konzentriert zu sein, sondern mehrere verschiedene Visionen zu erhalten, um sie zu kombinieren und ein besseres Bild von der Zukunft zu erhalten, aber es ist nicht meine natürliche Qualität.

Zur Kommunikationsfähigkeit gehört auch die Fähigkeit, andere zu überzeugen und eigene Ideen durchzusetzen. Die Russinnen schildern ihre Stärke, mit der sie Projekte mit Energie und Einsatzbereitschaft verfolgen und verhandlungsstark durchsetzen. Dabei bedienen sie sich ihrer weiblichen Identität als Führungskräfte und sehen in ihrem femininen Stil eine Stärke für die Durchsetzung. I.: Unerbittlich. Das ist mein ererbtes Merkmal, denke ich. Das habe ich von meinem Vater. Und, ich höre das ständig von meinem Kollegen. Vielleicht versuchen sie nur, mir ein Kompliment zu machen, und sagen, ich sei ausgewogen und diplomatisch. Auch wenn man Feministin ist, muss es immer noch ein gewisses Maß an Ausgewogenheit geben, in dem man eine Frau bleibt. Damit meine ich, dass ich auf eine Axt verzichte und nicht die ganze Zeit wie verrückt herumlaufe. Es muss ein gewisses Maß an Ruhe und Selbstbeherrschung geben. Ich würde sogar sagen, in der Lage zu sein, sich selbst zu ebnen und gelassen zu sein und diplomatisch zu sein. Denn eine Kombination aus Geradlinigkeit und Diplomatie kann Sie weit bringen. Und ich denke auch, dass ich gewisse Charakteristiken habe, ich kann zählen. (lacht) Wenn es sich um geschäftsspezifischere Merkmale handelt, bin ich analytisch.

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A.: Stärken, ich denke, dass ich ziemlich energisch bin, ich denke aber, dass ich nicht genug Energie habe. Aber, wie ich aus der Umgebung verstehen kann, denken alle, dass ich viel Energie habe, aber es ist nicht genug für mich, (lacht) ich möchte noch mehr haben. Ich denke, dieser Faktor spielt manchmal die Hauptrolle in meiner Karriere, in einer gewissen Entwicklung. Das Nächste ist, dass ich keine Grenzen sehe, nicht einmal physische Grenzen, keine Grenzen für die Entwicklung. Ich denke, dass, wenn Sie etwas machen wollen, um etwas im Geschäft und das gleiche im privaten Leben zu erreichen. Was sonst? Vielleicht bin ich eher direkt und ehrlich, es ist nicht immer ein Vorteil, manchmal ist es ein Nachteil.

Aus den vielen Beschreibungen ergibt sich das Bild, dass Frauen als loyaler und weniger anfällig gegen Korruption wahrgenommen werden, sodass männliche Vorstandsvorsitzende sie gerne als Direktorinnen einstellen. Hier haben die russischen Frauen klare Vorteile gegenüber Männern, denen man eher korruptes Verhalten und hierarchische Rangeleien unterstellt. Außerdem werden Frauen prinzipiell hinsichtlich der Arbeitsdisziplin besser bewertet als ihre männlichen Kollegen. A.: Ich verstehe jetzt die Position meines Ex-Besitzers. Der hat mich ganz jung zur COO gemacht. Wegen meiner Einstellung zum Job. Weil ich sein Geschäft so gemacht habe, als wäre es mein eigenes. Frauen sind aufgrund all dieser Dinge verantwortungsbewusster und arbeiten härter. Natürlich spiegelt sich dies in allen Bereichen unseres Lebens wider, in der Familie, in der Wirtschaft. Sogar mein Chef, der Inhaber der Firma, sagte: „Ich war wirklich dumm, als ich Männer als CEO der Firma engagierte. Männer, sie müssen immer kämpfen, darum, wer der Anführer ist. Frauen sagen nicht: Ich bin faul, ich bin müde. Bitte gib mir etwas Wasser, eine Pause, etwas.“ Aber Männer in unserem Land neigen dazu.“ An.: Es gibt einen Witz zwischen einem Headhunter-Spezialisten, dass man immer alleinstehende Frauen mit ihrem Kind für die Positionen nehmen sollten, weil sie härter arbeiten können. Sie tun viel für das Unternehmen, um sich nicht nur mit anderen Frauen, sondern auch mit Männern zu vergleichen.

Starke Karriereorientierung gekoppelt mit hoher Flexibilität Die russischen Frauen haben eine starke Karriereorientierung gekoppelt mit einer hohen Karrieremotivation. Im Vordergrund steht das Interesse an der Arbeit, verbunden mit einer hohen Leistungsorientierung und großen Anforderungen an sich selber. Die Russinnen wollen im Unternehmen Dinge erreichen, Entscheidungen treffen und Veränderungen anstoßen. Routine wird abgelehnt, die Arbeit soll Abwechslung bringen. Die hohe Leistungsorientierung ist etwas, was die Frauen von Kindheit an beschreiben. Sie stehen im Wettbewerb mit sich selber um bessere Leistungen. Daneben ist ein Antrieb, Freiheitsgrade zu erlangen, die an hohe Positionen gekoppelt sind. Sie wollen sich nicht sagen lassen, was sie zu tun haben, sondern wollen selber entscheiden und gestalten. Bei der Frage nach Work-Life-Balance kommt häufig die Aussage, eine solche Balance gäbe es nicht. Die Frauen entscheiden sich in ihrer hohen Karriereorientie-

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

rung für die Arbeit. Dabei streben sie vordergründig nach der Erfüllung beider Rollen – der, der perfekten Ehefrau und Mutter und der Karrierefrau. Sie wählen aber innerlich die Karriererolle als ihre eigene. Die andere Rolle wird hauptsächlich bedient, um den gesellschaftlichen Anforderungen zu genügen. N.: Um ehrlich zu sein, viel geplant habe ich nicht. Ich wollte es und ich wollte, dass jeder Schritt höher ist als der zuvor. Schon als Kind wusste ich, dass ich einmal ein Topmanager sein würde. Ich erinnere mich, in der Sowjetunion, kam man weiter, wenn man Partei Mitglied wurde. Ich weiß noch, als ich zwölf war. Ich sagte zu meinen Eltern, dass ich Partei Mitglied werden wolle. Sie waren ein wenig geschockt und fragten, warum denn. Ich sagte ihnen, dass ich ein Topmanager sein wolle. Ich wollte es besser haben als meine Eltern, ja, Geld war ein Antrieb und das Level von Kommunikation, was dadurch möglich würde. A.: Für mich ist immer alles sehr interessant und ich will involviert sein. Es ist interessant für mich, mich selber auszutesten. Ich glaube, das ist mein Ansporn, mich selber zu testen, zu sehen ob ich es kann oder nicht. Das ist ein Vorteil und gleichzeitig kann es auch ein Nachteil sein. Ich mache das überall, im Sport in der Familie, es ist ja mein zweiter Ehemann. Das ist auch eine Herausforderung. Wirklich. Ich muss mich immer selber herausfordern. E.: Ich wollte nicht mächtig sein, oder so. Nein, nein, nein. Ich wollte nur nicht, dass mir jemand sagt, was ich tun muss. Ja, das hat auch so seine Nachteile (grinst). Wir wissen ja, alles hat seinen Ursprung. Ich liebe meinen Job wie verrückt, wirklich. Ich liebe es, kreativ zu sein, mit diesen brillanten Menschen zu arbeiten, ich liebe es. Es ist wie die Suche nach dem Genius. Das ist der Unterschied zu Männern, die immer die Besten sein wollen. Ich will mit den besten Leuten arbeiten, oft besser als ich selber. Ich sage dann immer, du machst es besser als ich. Du wirst irgendwann meinen Platz einnehmen, das ist so und es ist gut so. Ich habe keine Angst davor, dass jemand besser ist als ich. Ich liebe es, mit guten Leuten zu arbeiten. Ich weiß einfach, was ich will für mich selber. Es ist nicht so wichtig, was andere darüber denken. O1: Ich erinnere mich an diese Zeit, weil ich im dritten Monat schwanger war. Als ich einen Monat später umzog, hat mein Chef angekündigt, dass er gehen wird. Ich wäre wahrscheinlich auch mit ihm gegangen. Er ging in eine andere Firma. Es war fast wie eine Krise bei meiner Arbeit, weil ich in eine bestimmte Position gebracht wurde und dann das Ganze einfach zusammenbrach, sodass ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte. Ich habe dann das Gleiche getan wie zuvor. Ich bin im Grunde genommen zu meinen Chefs in LA gegangen und habe dann gesagt: „Das ist meine Vision, wie das Ganze funktionieren könnte. Das ist das Team, das ich haben möchte. Ich möchte bitte die Gelegenheit, dies durchzuführen.“ Sie sagten: „Mach weiter.“ Ich war im sechsten Monat schwanger. Ich habe das ganze Team eingestellt, ich habe sie geschult. Für mich war es fast so, als würde man ein neues Unternehmen gründen, da die Schwellenländer ein ziemlich separater Teil des Geschäfts sind. Ich fühlte mich sehr stark, weil ich diese Leute kenne, sie sind meine Leute, ich weiß, wie sie denken, was ihre Herausforderungen sind. Ich fühlte mich sehr stark, ich formulierte ich eine Vision und ein Leitbild und führte es fast als eigenständiges Unternehmen.

Alle drei Bereiche, Leistungs-, Führungs- und Gestaltungsmotivation sind bei den Russinnen ausgeprägt. Die Flexibilität der Russinnen ist ihre stärkste Dimension. Sie schauen über den eigenen Horizont hinaus und lösen unvorhergesehene Situation erfolgreich. Sie wollen Verantwortung übernehmen und suchen Macht, um Gestaltungsspielräume zu erlangen. Weitere Bereiche der hier zugrunde gelegten Dimensionen des Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung, BIP, nach Hossiep, die in den Interviews hervortreten, sind die emotionale Stabilität

7.5 Karrierevoraussetzungen der Russinnen

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und Belastbarkeit. Der Energieaufwand und die Belastung der Frauen auf dem Karriereweg sind extrem hoch. So hoch ist die Belastung, dass Berufspausen bei vielen notwendig werden, um vor Burn-out zu bewahren oder denselben auszukurieren. Sie kündigen dann ihre Stellung und gehen in Erholungspausen, um danach auf gleicher Ebene wieder einzusteigen. Ein ähnliches Vorgehen wurde bei den Chinesinnen beobachtet, die die Pausen jedoch gezielt zur Geburt ihres Kindes nutzen und häufiger auf einer Ebene höher wieder einsteigen. O1.: Wenn ich über meine Werte spreche, die ich tatsächlich irgendwo in meiner Wand habe. Verantwortung ist Macht. Für mich ist es beinahe so, als ob Sie proaktiv Verantwortung für etwas übernehmen und das gibt Ihnen die Macht Dinge zu bewegen. Ich übernehme aktiv zusätzliche Verantwortung. Dann war mein weiterer Weg eine Abfolge von Dingen. Wie ich es schon eine Weile mit globalen Schwellenländern gemacht habe, so auch mit dann 57 Länder.

Eine weitere Stärke der russischen Frauen ist, trotz großer Herausforderungen, sei es unten Ergebnisdruck oder bei Veränderungen der Märkte, individuelle Strategien zu entwickeln und eigene Ideen und Lösungen auch gegen Widerstände hin durchzukämpfen. Die Frauen beschreiben individuelle Strategien, um trotz des enorm hohen Druckes innovativ zu bleiben. Als Kraftquelle wird der private Bereich angeführt. Als weitere Kraftquelle kommt die eigene Flexibilität auf Veränderungen zu reagieren zu tragen, die Veränderungen anzunehmen und unter geänderten Bedingungen wieder weiter zu agieren. Russische Frauen in Führungspositionen zeichnen sich durch Flexibilität und Agilität aus. E.: Jeder Morgen war für mich ein Albtraum, wenn ich die TV-Einschaltquoten öffnete. Jeden Tag sehe ich, was wir für den Vortag bekommen haben. Mit diesen Bewertungen täglich 20 oder mehr Jahre zu arbeiten. Es ist, als ob Sie auf den Markt gehen und absolut nackt sind. Jeden Tag gehst du nackt auf den Markt und jeder schaut dich an und gibt dir Noten. Heute bist du fünf, gestern warst du nicht besonders gut, du warst zwei. Wenn man das jeden verdammten Tag hat, wird es schwierig, die Stärke für neue Herausforderungen zu finden. Weil du am Morgen all das bekommst, was die Leute über dich denken. (kichert) Danach sollst du Ideen finden, Programme finden, die Leute zusammenbringen. Sie müssen all Ihre Routine erledigen und auch jeden Tag eine sehr kreative Person sein. Am schwierigsten ist es, die Stärke für diese neuen Ideen in sich selbst zu finden. O1.: Viele Dinge änderten sich, weil sich der Markt kurz nach 2007 zu verschlechtern begann. Er verschlechtert sich immer noch. Der gesamte Markt geht runter und runter und runter. Ich denke, von dann ab managte ich nur noch den Niedergang. Es ist ein schwieriger Ort, da mental zu sein, weil Sie früher in einem sexy Geschäft waren, in dem jeder gerne sein würde, und am Ende in einem Geschäft, das jedes Jahr Menschen entlässt und den Niedergang bewältigen muss. Das Herz darin zu behalten und diese Motivation zu behalten, ist eigentlich ziemlich schwer. Ich glaube, ich habe meine Lösung darin gefunden, Effizienz zu suchen. Wenn ich keine Geschäfte mehr eröffnen kann, weil es kein Budget mehr gibt, geht es um Effizienz. Ich fing an, unsere Prozesse über rechtliche Dinge, über Lizenzen, über unsere Verkaufssysteme und über die Berichterstattung zu analysieren. Auch hier habe ich selber die Rolle übernommen. Ich denke über Dinge nach und klopfe dann an ihre Türen und sage: „Ich denke, wir brauchen ein Verkaufssystem. Ich denke, wir haben keine Gewinn- und Verlustrechnung. Warum haben wir keine Gewinn- und Verlustrechnung? Kann ich eine haben? Budget, um eine zu entwickeln?“ Ich schaffe es dorthin, weil ich

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

das Gefühl habe, dass wir etwas brauchen. In den meisten Fällen habe ich mich durchgesetzt und diese Verantwortung erhalten. O1.: Es war ziemlich deprimierend. Viele Veränderungen. Wechsel im Top-Management, die gesamte Kundenstrategie spielte keine Rolle mehr. Es war wieder konzentriert darauf, Geld zu verdienen. Die alten Werte aus dem Geschäft waren verschwunden. Ich glaube, im letzten Jahr war ich ziemlich deprimiert darüber, dass ich keine Entscheidungen treffen und keine Dinge tun konnte, die Unternehmen tatsächlich helfen. Es ist einfach der Eindruck entstanden, dass jeder seine persönliche Karriere persönlich meistert, und das ist finanziell. Das ist alles, woran die Leute denken. Ich kann einfach nicht so arbeiten. Ich finde es enorm deprimierend. Außerdem habe ich festgestellt, dass die Berichterstattung in höheren Unternehmensebenen umso mehr von einem echten Unternehmen getrennt ist, je weiter Sie sich nach oben bewegen, desto weniger Einfluss können Sie tatsächlich auf das echte Unternehmen ausüben. Man fängt fast an, als jemand angesehen zu werden, der nur in den Vorstandssitzungen sitzt und in den Präsentationen eine enorme Anzahl von Stunden macht, aber eigentlich nie das Geschäft berührt, und das hasse ich. Ich bin ziemlich praktisch und ich liebe es, im Geschäft zu sein, und ich mag es wirklich nicht, sehr corporate zu sein. Ich erinnere mich, dass ich mich in einem weiteren dreistündigen Treffen, bei dem alle so politisch waren, immer nur müde fühlte. Ich denke, F. war wirklich zeitgemäß, denn anders als S., mit riesen Struktur, ist F. tatsächlich eine recht unternehmerische Kultur. Sie sind viel freier, sie haben viel Flexibilität. Natürlich gibt es die Politik überall, aber sie ist nicht so maßgeblich. Ich fand es einfach enorm lohnend, für sie zu arbeiten, weil ich wieder echtes Geschäft machen konnte. Ich habe wieder angefangen zu reisen, bin quer durch Europa.

Proaktiver Umgang mit ungeliebten Konflikten Wie viele der weltweit befragten Frauen, reagieren die Russinnen auf die Frage hinsichtlich der eigenen Konfliktfähigkeit erst einmal mit der Klarstellung, dass man Konflikte eigentlich nicht möge. Schnell wird deutlich, dass die Russinnen den Konflikt nicht scheuen und sich ihrer Stärke im Konflikt bewusst sind. Dabei gehen sie durchaus auf Konfrontation. Sie lernen aus vergangenen Konflikten. Und haben je nach Zielsetzung und Situation unterschiedliche Strategien zur Bewältigung zur Verfügung. V.: Ich mag keine Konflikte, das ist, wie Schach spielen. Ich spiele Schach. (lacht) Ich habe aber nicht viele Situationen dafür. E.: Normalerweise bin ich damit nicht zufrieden, weil ich kein Konfliktmensch bin. Manchmal hilft ein Konflikt, manchmal hilft es, ein neues Level zu schaffen, es ist wahr, aber es ist besser, einen gesunden Konflikt daraus zu machen, denn wenn ich über die Konflikte bei der Arbeit nachdenke, kann danach normalerweise nichts Gutes passieren. Wenn es in meinen Händen liegt, versuche ich, den Kampf zu vermeiden und herauszufinden, wie ich den Konflikt vermeiden kann. Der beste Weg, mit der anderen Seite zu sprechen. Ich habe immer gut verhandelt. Ich schätze, weil es nach meinen Erfahrungen mit den Konflikten normalerweise so ist, als würden die Leute nicht verstehen, was die andere Person meinte. Nicht, weil sie eine Waffe auf deinen Kopf legen müssen. Nein, es ist normalerweise nur ein tiefes Missverständnis. A.: Meiner Meinung nach gibt es drei Arten von Konflikten, die in meinem Leben auftreten können. Zum Beispiel ist der erste, der mögliche Konflikt mit Ihrem Kunden oder mit einem externen Partner.

7.5 Karrierevoraussetzungen der Russinnen

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Es ist sehr schwierig, Konflikte mit mir zu führen. Weil ich mit Kunden, mit Partnern ziemlich professionell bin und es für Partner eine sehr komplizierte Aufgabe ist, einen Konflikt mit mir zu verursachen. Die zweite Art von Konflikt ist der Konflikt mit Kollegen. Aber hier bin ich ab dem 27. Lebensjahr in der Regel an der Spitze. Deshalb ist ein Konflikt mit mir fast unmöglich. (lacht) Aber der für mich wahrscheinlichste Konflikt ist der dritte Typ, und es ist der Konflikt mit den Mitinhabern. Mit meiner Schwester und mit meinem Mann. Hier sind mit Sicherheit das Risiko und die Gefahr des Konflikts am höchsten. Sie sind gleichberechtigt. (lacht) Ja, wenn ich mein Konfliktverhalten analysiere, denke ich, dass ich sehr schnell angreife. (lacht) Gehe dann zurück und beobachte. (lacht) Ich bin hier, um das Gleichgewicht bei diesem Angriff zu finden. Manchmal muss ich beißen. Also muss ich die Situation des Unbehagens unterstützen. Das soll das Problem zeigen. Aber dann gehe ich zurück und versuche, ruhig zu bleiben, um mich für die Lösung dieser Situation zur Verfügung zu stellen, die ich eröffnet habe. N.: Mein Verhalten hat sich natürlich in den 20 Jahren geändert. Ich habe einen sehr interessanten Fall. Als ich CEO von XY war, hatte ich einen Konflikt mit dem IT-Direktor. Wir haben eine völlig andere Position, und unser Chef hat verstanden, dass er sich für eine Position entscheiden musste, für meine oder die meines Kollegen. Er entschied sich für meine Position und der IT-Direktor musste die Firma verlassen. Ich war Sieger, aber vor zwei Jahren bewertete ich diese Situation neu. Ich stellte ihn wieder ein, den Mann, den IT-Direktor, in mein Team. Entschuldigung, es spielt keine Rolle, was ich während des Konflikts getan habe! Ich weiß, dass ich mich geirrt hatte, er ist ein guter IT-Direktor, aber meine Position in diesem Konflikt war nicht richtig und ich konnte diese Situation neu bewerten.

Führungsstil gegen kulturelle Regeln In Russland herrscht generell ein eher hierarchischer, autoritärer Führungsstil, der durch Vorgaben und Belohnungs- bzw. Bestrafungsmechanismen charakterisiert ist. Die Frauen agieren also in einem Umfeld, welches eher durch transaktionale und autoritäre Führung geprägt ist. Dieser Führungsstil wird in der Forschung, wie eingangs beschrieben wurde, eher Männer zugeordnet. Sie selber beschreiben ihren Stil als teamorientiert, inklusiv und auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern abgestimmt. Die Teamorientierung der interviewten russischen weiblichen Führungskräfte ist hoch. Sie geben Entscheidungen dort vor, wo es für die Belange des Unternehmens wichtig ist. Und versuchen Mitarbeitern maximale Freiräume zu lassen. Vielfach wird beschrieben, wie wichtig für sie die Auswahl und Zusammenstellung des richtigen Teams ist. Und es geht im Kern um den Faktor Vertrauen. Fehlt Vertrauen, haben die Frauen kein Problem damit, Konsequenzen zu ziehen und einzelne Teammitglieder auszutauschen. N.: Ich denke, manchmal bin ich zu den Leuten sehr weich. Männer sind da härter. Sie sagten, es soll bis morgen fertig sein, und es ist ihnen egal, wie der Mitarbeiter das schafft. Bei mir dagegen können meine Mitarbeiter zu mir kommen und sagen: „Okay, Natalia. Gestern war es ein sehr schlechter Tag, mein Kind war krank. Ich musste mein Büro frühzeitig verlassen Blablabla. Ich sage dann oft: „Okay. Also morgen.“ Ein Mann wird sagen: „Es ist mir egal. Sie sind gefeuert“, so einfach. Ich denke, das ist keine gute Sache. O1.: Freundlich und inklusiv. Das wurde mir tatsächlich einmal vorgeworfen. Wir haben ein so tolles Team und ein so tolles Geschäft aufgebaut und dann haben sich die Dinge geändert und die Chefs

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

haben sich geändert und der neue Chef, der vorbeigekommen ist. Er sagte: „Was Sie hier bauen, ist alles eine Familie. Dies ist nicht so, wie es in der Firma sein sollte.“ Aber wir waren, wir sind immer noch Freunde und da ist so viel Motivation. Ich bin kein Mikromanager, ich delegiere ziemlich leicht. Ich neige eher dazu, zu sagen: „Weißt du was, ich vertraue deinem Urteil, geh damit. Wenn es nicht gut läuft, werden wir damit fertig werden. Versuche es einfach.“ Ich gebe ganz leicht Verantwortung ab. Ich habe versucht, nicht hierarchisch zu sein. Ich würde sagen, ziemlich demokratisch, denke ich und sehr warmherzig, weil ich viel teile. Für mich ist es wichtig, dass Frauen Work-Life-Balance haben. Nicht nur Frauen, sondern beide Eltern, also fördere ich das. Ich denke, man sollte sich sehr bewusst sein, dass Mitarbeiter von unserem Urteil abhängig sind. Man sollte sich der Auswirkungen bewusst sein, die man auf ihr Leben hat. N.: Ich glaube, dass der wichtigste Erfolgsfaktor nicht nur mein Erfolg, sondern der Erfolg des Teams ist. Ich will das stärkste Team ausfindig machen. Ich bin mir sicher, dass jedes meiner Teammitglieder in seinem Funktionsbereich stärker sein sollte als ich. Deshalb muss ich ihnen vertrauen. Wenn ich ihnen vertraue, kann ich viele Dinge delegieren und ich mag kein Mikromanagement. Ich weiß, dass viele Mitglieder meines Teams diese Punkte bewerten können, weil es für das Team sehr wichtig ist, dass ich ihnen vertraue und sie nicht jede Minute überprüfe. Aber wenn ich als Chefin sehe, dass wir unsere Richtung ändern müssen, weil es für gemeinsame Zwecke notwendig ist, dann gebe ich das vor. V.: Der russische Stil ist normalerweise zu 95 Prozent hierarchisch, in Russland haben wir ein formelles und informelles Selbst, in russischen Unternehmen sind sie sehr formell, auch bei der Kleidung. Die russischen Fernsehsender sind normalerweise sehr hierarchisch. Ich habe mich für eine Firma entschieden mit einer Kultur, die zu mir passt. Der Telekommunikationsmarkt unterscheidet sich da vom Fernsehmarkt. Es ist eine freiere Atmosphäre, transformierend, demokratisch. Ich bin ein Mitglied des Teams und gebe das Recht, Fehler zu machen und helfe dann. Na.: Wenn kein Vertrauen da ist, dann kann ich mit der Person nicht mehr arbeiten. Denn Vertrauen ist Vertrauen. Ich entscheide dann relativ schnell, dass ich mit dieser Person nicht arbeiten werde. Ich wechsele die Person dann aus.

Den eigenen Führungsstil zu entwickeln, war bei den Russinnen Hauptthema, wenn es um die Frage von Herausforderungen im Karriereverlauf geht. Dabei stehen Fragen des Einsatzes unterschiedlicher Führungsstile im Mittelpunkt, sowie die Entwicklung des eigenen Führungsstiles und der Durchsetzungskraft im Unternehmen. Dieses stellte mehrere Frauen vor eine Herausforderung, vor allem bei Beförderungen in die CEO Ebene. Die Frage war dann, wie man als Frau auf unterschiedliche Mitarbeitertypen eingeht und sich vor dem Hintergrund kulturell autoritärer Führung unter Kollegen als Chefin durchsetzt. M.: Das Team Leadership, das ist eine Herausforderung. Die Leute in der Firma sind sehr verschieden, brauchen also unterschiedliche Führung, verschiedenes Feedback und unterschiedliche Motivation. Das muss man beachten bei der Führung. N.: Wenn Sie den nächsten Schritt machen, müssen Sie sich ändern. Nun, Sie können die Beziehungen nicht aufrechterhalten. Es ist unmöglich, auf dem gleichen Level zu bleiben, unmöglich. Nun, Leute, wenn sie zum Chef kommen, wollen sie den Regisseur sehen. Sie wollen Anweisungen und Ziele. Zweitens wollen sie den Menschen sehen, aber erstens wollen sie eine sehr klare Logik strategischer Anweisungen haben. Sie wollen erkennen, ob man die Person ist, die versteht, was das Unternehmen braucht. Es war wirklich schwierig, wahrscheinlich sechs Monate oder länger, und ich

7.6 Ambivalenzen in Bezug auf Familie und Karriere

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brauchte große Unterstützung von meinem Mann, weil ich natürlich abends viel geweint habe. Ich sagte: „Sie hassen mich. Sie wollen meinen Ansichten nicht folgen.“ Ich musste beweisen, dass ich die Person sein kann, die sie führen kann, und die Person, wo sie hinkommen und gute Ratschläge bekommen.

Nutzung der Vorteile als Frau Immer wieder fallen bei den Interviews der Humor und die Gelassenheit auf, mit der die meisten Frauen über den Umgang mit Stereotypen und Diskriminierungen durch Männer umgehen. Sie suchen die Schwächen der Männer, die sich aus den Stereotypen ergeben. Und nutzen sie zum eigenen Vorteil. Dabei sind sie selbstbewusst, strategisch und kalkuliert. A.: Ich würde sagen, dass russische Frauen im Geschäft, sie sind ziemlich stark, mächtig. Wirklich, manchmal denke ich, dass sie stärker sein können als Männer. Die allgemeine Meinung ist das Gegenteil. Ich würde es mit der Einstellung gegenüber Autofahrerinnen auf den Straßen in Russland vergleichen. Wenn etwas passiert und der Fahrer eine Frau ist, lautet die Reaktion „Ah“. Jeder versteht, was mit dem „Ah“ gemeint ist, weil es Frauen sind. Ich denke, es ist das gleiche in der Wirtschaft. Es gibt eine solche Einstellung und eine solche Reaktion. Diese Macht nutze ich dann. Ich benutze normalerweise diese allgemeine Einstellung zur Frau in der Wirtschaft. Ich kann dann sehr dumm werden. Es ist eine sehr gute Möglichkeit, ein eigenes Spiel zu spielen. Ich bin eine Frau, ich verstehe diese Zahlen nicht und beobachte die Reaktion. Wenn Sie in Verhandlungen sind, spielen Sie eine Rolle einer dummen Frau. Ihre Gegenseite, Ihr Gegner, er verliert die Aufmerksamkeit, sein Aufmerksamkeitsgrad wird langsamer. Sie können Ihre Ergebnisse schneller erhalten und sogar ein größeres Ergebnis erzielen, als Sie zuvor festgelegt haben oder als Ihre Gegner erwartet haben. Denn, wenn ein russischer Mann mit den schönen Frauen verhandelt, wird nicht auf das Verhandlungsthema geachtet. Ich betrachte mich nicht als schön, aber ich habe Freundinnen, die sehr klug sind und die wirklich schön sind. Wenn Männer mit schönen Frauen sprechen, denken sie natürlich, dass sie nicht schlau sind. Sie können nicht Cleverness mit Schönheit kombinieren, es ist eine andere Range für sie. Eine Frau kann diese Macht nutzen.

7.6 Ambivalenzen in Bezug auf Familie und Karriere Kann man aufgrund der hohen Anteile von Frauen in Führungspositionen in Russland darauf schließen, dass diese ihre primäre Rolle im Beruf sehen? Russische Frauen sollen dem gesellschaftlichen Anspruch folgend zuerst ihrem Partner den Rücken stärken und eine fürsorgliche Mutter sein. Die interviewten Topmanagerinnen berichten, wie sie für sich die teilweise widersprüchlichen Rollenerwartungen vereinen.

Ehemänner – Hindernis und Mentoren Boll-Pajevskaja schreibt, „Eine Frau hat ihren Mann zu fürchten“. So hieß es im russischen Kodex gesellschaftlicher Regeln aus dem 16. Jahrhundert, dem Domostroj.

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

Genauso wie es dort heißt „Ein Mann hat seine Frau zu lieben“. Trotz der historisch traditionellen Vorstellung über die Rollenverteilung beschreiben verschiedene Autoren, dass es keine „autoritär- hierarchischen Verhältnisse“ in modernen russischen Familien gibt. Familie und damit Ehe haben in der russischen Kultur einen sehr hohen Stellenwert. Jedoch sind die Scheidungsraten in Russland sehr hoch und gleichen sich Westeuropa an. Wie beschreiben die Russinnen der Untersuchung ihre Ehepartner und den Einfluss, den diese auf ihre Karrieren haben? Betrachtet man die Familiensituation der Russinnen, zeigt sich in der Untersuchung die Bandbreite der Gesellschaft. Der geringere Teil ist seit langem verheiratet, einige sind geschieden, davon rund die Hälfte wieder verheiratet und ein Viertel sind Single Frauen. Die Schilderungen der russischen Topmanagerinnen zu den Ehemännern bewegen sich zwischen zwei diametralen Polen. Einerseits ist der Ehemann der sehr unterstützende Partner, der die Rolle eines Mentors für die Karriere seiner Partnerin einnimmt und die starke Schulter zum Anlehnen in Krisensituationen anbietet. Andererseits gibt es sehr traditionelle Ehemänner, die keine Unterstützung in Haushaltsfragen oder Kindererziehung anbieten. Und dass, obwohl alle der Frauen bis auf eine Ausnahme einkommensmäßig ihren Männern überlegen sind. Darüber hinaus entwickelt sich dieser Teil der Ehemänner nicht beruflich weiter und bleibt unter dem beruflichen Level der Partnerin. T.: Die Paare sind immer noch sehr traditionell, mein Mann hat nie wirklich gearbeitet, ich hatte zwei Kindermädchen, er hat nie etwas getan, ich hatte zwei Kindermädchen und eine Haushaltshilfe, mein Mann ist nicht fortschrittlich, er hat 16 Jahre lang nichts getan, also habe ich mich scheiden lassen. Oft bleiben Frauen in der Ehe, weil es der einfachere Weg ist, das Wort Ehe auf Russisch bedeutet „Ich bin hinter meinem Ehemann“, sehen Sie, es ist so traditionell. Die Gesellschaft zwingt dich, in einer unglücklichen Ehe zu bleiben, besser einen nicht so guten Ehemann zu haben als keinen Ehemann, als geschieden, es ist eine Art Schande.

Glücklich verheiratete Frauen schildern, wie sie Sorge dafür tragen, zu Hause keine dominante Rolle zu spielen, sondern schlüpfen in die klassische Rolle einer Mutter und Hausfrau, wenn auch mit Unterstützung durch eine Haushaltshilfe. Eine Untersuchung von Metcalfe und Afanassieva berichtet, dass russische Frauen die generelle Geschlechterrollenverteilung selber mittragen und keine Unterstützung durch ihre Ehemänner erwarten und Doppelbelastungen billigend in Kauf nehmen. Dieses gilt sowohl für die Kindererziehung als auch für den Haushalt. Ungleiche Belastungen von Frauen werden den staatlichen Stellen angelastet und dem Mangel von aushäusiger Unterstützung bei der Kinderbetreuung, weniger den Partnern. Es gibt demnach keine echte Erwartungshaltung russischer Frauen zur Gleichstellung in der Familie, bei der sich auch Ehemänner an den häuslichen Aufgaben beteiligen. In der Beziehung der Geschlechter scheint in diesem Aspekt keine Gleichstellung erreicht. N.: Wir versuchen zu teilen und meine Familie ist nicht meine Firma. In der Familie bin ich eine Frau und eine Mutter. Der Job verändert natürlich und ich korrigiere mich dann, wenn ich spontan sagen will: „Okay, bitte hör auf und mache, was ich erwarte. Du solltest es so machen.“ Ich versuche, es nie

7.6 Ambivalenzen in Bezug auf Familie und Karriere

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so zu machen. Auch, wenn ich das manchmal eigentlich möchte. Ich weiß, dass die Familie die Welt ist, in der zwei Personen sich zuhören, glücklich und lange leben können. Wenn jemand immer etwas verlangt, wird dies seine Beziehung stark beeinflussen. Mein Mann hat einen niedrigeren Job als ich. Sehr oft fragen unsere Freunde Alex, meinen Mann oder mich: „Also, wer ist der Anführer? Wer ist der Kopf? Wahrscheinlich ist sie es, weil sie eine große Chefin ist“, und er sagte Nein, und ich sagte es auch. Wir sind gleich in einem einzigartigen Etwas. Als ich wieder zum Direktor befördert wurde, weinte ich am Abend. (lacht) Ich erinnere mich noch an den Morgen, als ich ins Büro musste, weinte ich an der Schulter meines Mannes und sagte: „Ich will nicht dorthin gehen, weil sie mich alle hassen, sie wollen mich nicht, weil ich bin eine neue Person und mit meinen neuen Regeln, neuen Erfahrungen, wollen sie sich nicht ändern.“ Er sagte: „Komm schon, du bist ein Direktor. Geh und mach deinen Job.“ I.: „Das einzige, mit dem ich zuvor in Russland Probleme hatte, war das Problem von Männern, zu akzeptieren, dass ich eine leitende Position innehabe und sehr jung bin, und mein eigenes Geld verdiene. Und, dass ich kein Interesse an ihnen habe, es sei denn, sie lassen mich, mich weiterentwickeln. Hoffentlich muss ich nie wieder darüber nachdenken, da ich jetzt einen Partner gefunden habe und eine sehr lange, dauerhafte Beziehung anstrebe.“

Kinder – Eine zusätzlich zu managende Aufgabe Von den russischen Managerinnen haben 60 Prozent ein oder zwei Kinder, im Alter von acht bis achtzehn Jahren. 40 Prozent der Frauen sind kinderlos.Während der Staat in Sowjet Zeiten ein fast lückenloses Betreuungssystem für Kinder angeboten hat, welches auf die Erfordernisse der arbeitenden Frauen abgestimmt war, sind die Angebote nach der Umstrukturierung des Landes immer weiter eingeschränkt worden. Viele Betreuungseinrichtungen wurden aufgrund der Kosten geschlossen. Krippenplätze sind keine Selbstverständlichkeit mehr und Kindergärten orientieren sich an vorherrschenden westlichen Modellen, wonach die Betreuung erst mit drei Jahren startet. Wie gelingt den Managerinnen der Spagat zwischen Kind und Karriere? Wie auch bei den Chinesinnen helfen in den ersten Jahren oft Großmütter bei der Kleinkindbetreuung. Wenn die Frauen bereits gut verdienen, kommen Haushalthilfen und Kinderfrauen hinzu. Die Belastungen beides unter einen Hut zu bekommen sind hoch, aber der Wunsch, weiterhin Karriere zu machen ist größer. Die innere Einstellung der meisten Befragten zum Thema Kind und Karriere ist, dass sie Karriere machen wollen und Kinder kein Hindernis, wenn auch eine zusätzliche zu managende Aufgabe, sind. M.: Ich hatte einen Fahrer und eine Nanny und meine Mutter (lacht) ich habe kein Problem damit. N1: Ich glaube, ich kann stolz sein auf meine Familie. Ich finde, ich bin die beste Ehefrau und Mutter. Ich hatte nur drei Monate Babypause, dann fing ich halbtags an für neun Monate, dann Vollzeit. Mein Sohn war drei oder vier Jahre zu Hause, dann im Kindergarten. Ich hatte damals eine Haushälterin und einen Fahrer. Mit sechs ging er dann zur Schule. N2: Also ich bin in dieses Unternehmen, als meine Tochter gerade zwei war. Ich bin zwei Jahre zu Hause geblieben. Ich war so sehr emotional mit ihr verbunden. Wenn ich zurückblicke und darüber nachdenke, ob ich hätte etwas anders machen sollen? Ja, ich würde das anders machen, denn die zwei Jahre, das war nicht, was ich wollte. Verstehen Sie mich nicht falsch. Meine Familie ist mir

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

wichtig. Zum Beispiel gebe ich gerade eine große Party nur für unseren Hochzeitstag. Mit 40 Gästen. Als ich damals überlegte, zurück zum Business zu gehen, war das Problem, jemanden zu finden, dem man wirklich trauen kann. Damals gab es bei uns keine Betreuungsmöglichkeiten. Es war schwierig, jemanden zu finden, dem man sein Kind anvertrauen kann. Meine Mutter machte das dann, wenn es auch für sie schwer war. Ich hatte am Anfang große Probleme, mich von meiner Tochter zu lösen. Aber als ich am ersten Abend nach Hause kam, schaute sie TV und guckte mich an und lachte dann weiter bei ihrem Film. Sie war in Ordnung. Ich hatte sie mehr vermisst, als sie mich. Es ging ihr gut. Wissen Sie, ich liebe Business, ich liebe meinen Job so sehr. Als ich wieder anfing, war ich so hungrig Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen, aber ich wurde nach der Pause in kaltes Wasser geworfen. Ich war völlig überwältigt, von den neuen Dingen um mich herum. Ich war ja zwei Jahre von der Welt ausgeschlossen, habe zu Hause ‘rumgesessen, mit dem Haushalt. Es war schrecklich. Ich war so hungrig und umgeben von Frauen, die nichts anderes wollten, als zu Hause zu bleiben. Es war ein auf und ab. Natürlich wollte ich das tun, für die Familie. Bis meine Mutter kam. Um ehrlich zu sein, wenn ich noch ein Kind hätte, ich würde das anders machen. Aber das hängt von vielen Dingen ab. A.: Ja ich bin zu Hause geblieben. Für mich waren beide Schwangerschaften schwierig, also blieb ich zu Hause. Daher habe ich die Firma verlassen. Aber dann nach nur sechs Monaten (Lacht), ich habe nur sechs Monate Pause gemacht. Ich kann sagen, dass meine Kinder meine Karriere nicht beeinflusst haben. Ich denke, es hängt vom innerlichen Konzept der Frauen ab. Es gibt zwei gegensätzliche Konzepte. Eines heißt, dass man sich für seine Kinder aufopfert. Wenn man mehr als drei Kinder hat, opfert man sich für die Kinder und den Mann auf. Grundbedingung ist, dass der Mann genügend verdient. Wenn ihr inneres Konzept ist, dass sie sich aufopfern will, dann macht sie es. Das zweite Konzept ist, dass man Karriere machen will und Kinder kein Hindernis dafür sind. Dass man das kann, drei Kinder haben und eine wichtige öffentliche Rolle. Wirklich um mich herum sind Frauen, die noch viel aktiver als ich (lacht), die haben drei Kinder und eine Karriere, wirklich ich weiß nicht wie viele Stunden deren Tag hat (lacht). Ich glaube, das Geheimnis ist einfach, aktiv zu sein und keine Angst zu haben, zu starten, alles zu machen, was man will. Wenn man erst angefangen hat, findet man die Zeit, aber wenn man gar nicht anfängt, dann denkt man immer, dass das nicht geht. Man muss einfach anfangen und dann sehen wir weiter. O1.: Ich kann mich an diese Jahre kaum noch erinnern. Als ich die Babys hatte. Ich habe sie gestillt, lange. Mit Fulltimejob und Geschäftsreisen, jede Woche. Ich habe gekocht, ich war am Wochenende zu Hause, ich hatte keine Zeit für mich selber, keine Ferien alleine. Es ist wie eine Zeitzone, an die ich mich nicht richtig erinnere, nur dass ich einfach getan habe. Ich denke, ich hatte immer nur vier oder fünf Stunden Schlaf für einige Jahre. Ich sah schrecklich aus und als ich mich scheiden ließ, erholte ich mich langsam. Fünf Jahre mit doppelten Karrieren, er war immer so, wie soll ich das sagen, unnütz. Ich habe nicht nachgedacht und nur gemacht, ich musste überleben, einfach nur durch und überleben. Dann hatte ich irgendwann eine Nanny und es lief so- aufstehen, kurz frühstücken und die Nanny kam, dann arbeiten bis 17 Uhr, nach Hause zu den Kindern, um später weiterzuarbeiten. Dann einschlafen um Mitternacht und um zwei Uhr nachts schreit das Erste. Dann ist man wieder wach. Einfach weitermachen. Ich kann das ganz gut. Es war irgendwie wie ein Roboter. Ich habe gelernt, dass ich ganz gut funktioniere mit sehr wenig Schlaf und Multi Task. Andere würden Depressionen bekommen. Ich konnte das. Ich kann auf hohem Niveau weiter machen. I.: Es ist schwierig eine Balance zwischen Arbeit und Familie zu finden. Ich denke, die Balance gibt es nicht. In meinem Fall nimmt die Arbeit viel Raum ein. Und es war schwierig, das zu akzeptieren. Daher verbringe ich nicht jeden Tag fünf Stunden mit meiner Tochter. Das war schwierig zu akzeptieren. Ich liebe meinen Job. E.: Sie schaffen das, weil sie stark sind. Einige können es, andere nicht. Sie sind normalerweise wirklich stark. Die Leute wissen dann, dass man sie sieben oder acht Jahre nicht mehr anrufen kann,

7.7 Karriere hemmende Faktoren

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bis die Kinder älter sind. Sie haben genug Gehalt und finden Leute, die sie unterstützen, aber meistens arbeiten sie 24 Stunden sieben Tage, vor allem in der Media Branche. Sie arbeiten dann eher in den Funktionen, wo es nicht so um Netzwerk geht. Wir sind alle verrückt und haben kein Leben. Wir haben alle nur die Arbeit, es ist nicht möglich noch ein Leben zu haben. Das ist der Grund, warum einige für eine Zeit einfach den Job verlassen und pausieren, so wie ich, weil es einfach auf Dauer nicht möglich ist.

7.7 Karriere hemmende Faktoren Auch in Russland gibt es sie, die viel beschriebene Glasdecke. Wenn auch nicht überall. Stereotype Vergleiche mit männlichem Führungsverhalten und mit männlichen Charakteristika werden von den Frauen selber mit guter Führung gleichgesetzt und bei sich selber als Schwäche wahrgenommen.

Glasdecke auch in Russland gegeben Die Mehrheit der Frauen sieht die Existenz einer Glasdecke in der Politik und für CEO Funktionen, vor allem in staatlichen Großunternehmen und ländlichen Regionen. Getragen wird diese Glasdecke von Männern, die Frauen in diesen Funktionen nicht respektieren und von Frauen, die Angst vor der Macht haben. In bestimmten Bereichen gibt es laut den Schilderungen keine Glasdecke oder sie ist nicht offensichtlich. Dieses gilt vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. In multinationalen Unternehmen hängt die Glasdecke von der Kultur des Headoffice ab. A.: Ich kann mir vorstellen, dass große Unternehmen eine Glasdecke haben. In kleinen und mittleren bemerkte ich solche Glasdecken nicht. N.: Es gibt es auch in Russland. Vor allem in einigen großen Unternehmen. Sie werden da nie die Frauen sehen, die es schaffen. In unseren berühmten XY (Unternehmen)- oder Regierungsfirmen gibt es zum Beispiel an jedem Ort eine Menge Männerbosse. Aber in der Privatwirtschaft sieht man oft, dass die Damen die Geschäfte führen, und das ist unser Fall, das ist der Fall meiner Firma. T.: Natürlich, keine Frau kann Präsidentin dieses Landes sein, mir fallen nur zwei Ministerinnen in hohen Positionen ein, also gibt es eine Glasdecke in der Politik, also auch keine Frauen, die für große Gebiete in der russischen Politik verantwortlich sind, nur ein Beispiel, denke ich. Was die Unternehmen angeht, weiß ich nicht genau. Die Stakeholder müssen natürlich offen dafür sein, Frauen in eine solche Position zu bringen, das hängt davon ab, aber unter dem Einfluss des westlichen Managementstils ist es wahrscheinlich, dass Frauen hochkommen. Eine große Manufaktur in Sibirien dagegen kann nur von Männern geleitet werden.

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

Stereotype Vergleiche mit männlichen Führungskräften Insgesamt gehen auch die Russinnen bewusst und offen mit den Punkten um, die sie als Schwächen wahrnehmen. Wie bei der Beschreibung der eigenen Kompetenzen, antworten sie sehr fokussiert. Als Schwäche wird mehrfach Ungeduld genannt. Daneben wird der Wunsch verbalisiert, härtere, schnellere Entscheidungen in der Führung zu treffen, d. h. sich diese Komponente autoritärer Führung von Männern anzueignen und zu Nutzen zu machen. Eine Voreingenommenheit gegenüber bestimmten Teammitgliedern und die Unfähigkeit zu vertrauen taucht in einzelnen Interviews auf. Es lässt sich eine stereotype Wahrnehmung der Frauen über sich selber im Vergleich zu Männern im Business erkennen. Ein Beispiel hierfür ist, dass sie sich selber zu hohe Emotionalität zuschreiben und den Männern dagegen Härte zuordnen, die sie positiv für das Business werten. Dieses Analyseergebnis entspricht den wenigen Veröffentlichungen anderer Forscher, wie Metcalfe und Afanassieva, zu russischen Frauen im Management. N1.: Ich denke, für Männer und Frauen ist es die gleiche Aufgabe, aber Männer haben manchmal den Vorteil, dass am Anfang immer sofort glauben, dass sie es können. Frauen sind manchmal abhängig von der Umgebung, in der sie denken: „Kann sie es tun? Kann sie es nicht tun?“ N2: Natürlich sind die Männer strategischer und sicherlich wirklich schlau, manchmal schlauer als die Frauen. Aber wir Frauen, wenn wir Entscheidungen treffen, machen es nicht nur grundlegend basierend auf Zahlen, wie es Männer in den meisten Fällen tun. Frauen tun es auch basierend auf den Gefühlen. Ich habe einen Artikel darüber gelesen und sie sagen, wenn Frauen auch auf der Grundlage ihrer Seele und ihres Herzens entscheiden, dann ist es sehr gut für ein gesundes Geschäft. Denn wenn es nur Zahlen und sehr trockene Entscheidungen gibt, ist es nicht sehr gut für die Zukunft, nicht sehr gut für die Atmosphäre im Unternehmen. Die Frau ist immer noch eine Mutter. Natürlich werde ich so was vor meinen Kollegen nie sagen. Ich bin eine Führungskraft, die niemals ohne Emotionen diskutiert und Entscheidungen trifft. Noch nie. Weil ich emotional bin, um dir die Wahrheit zu sagen. I.: Das ist etwas, das ich gerne hätte. Ich brauche diese Furchtlosigkeit, an Dinge zu glauben. Ob es funktionieren wird oder nicht. Auch Furchtlosigkeit vor Menschenmengen zu reden und vorzutragen. Auch wenn ich keine Ahnung habe. … Nun, er ist ein Geschäftsmann. Er ist ein großartiger Geschäftsmann, er kennt sein Geschäft sehr gut, klar, sonst wäre er kein Präsident. Er ist furchtlos darin, Dinge zu sehen, sich Dinge vorzustellen und uns Fragen zu stellen. Ich kann ihm tatsächlich eine Antwort geben wie: „Hey, Präsident, das ist nicht möglich. Es wird einfach nicht funktionieren.“ Aber er stellte die Frage zurück. Die Fähigkeit, finde ich großartig. Es ist diese Furchtlosigkeit.

Coaching durch den Psychologen Befragt zu Mentoring, Netzwerken und Coaching Support kommen wenige Antworten. Die Frauen berichten von Förderern, die sie für eine nächste höhere Stelle empfehlen. Oder von Eigentümern, die die Frauen als ihre rechte Hand ansehen. Die Schilderungen zu Mentoren, im Sinne von Wissensvermittlung und Teilen des Erfahrungsschatzes, können vernachlässigt werden. Auch zum Thema Netzwerken kommen

7.8 Identität und Image der Russinnen

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wenige Erkenntnisse. Keine der Frauen berichtet von Executive Coaching, einem in Russland weiterhin neuem Konzept. Dagegen nehmen viele der Topmanagerinnen die regelmäßige Unterstützung durch sogenannte Businesspsychologen war, vor allem in Phasen großer Belastungen. Der Psychologe wird zum vertrauten Berater bei der Überwindung schwieriger Karrierephasen und bei privaten Problemen. Bemerkenswert ist die Offenheit und Selbstverständlichkeit, mit der die Russinnen „ihren Psychologen“ erwähnen. Y.: Als ich noch in den Multinationalen gearbeitet habe, war ich wie in einer Box. Ich war auf den Job konzentriert. Die anderen sind auch mehr damit beschäftigt, lange Arbeitszeiten und Familie unter einen Hut zu bringen. Manche machen ein wenig gezielt für Jobwechsel. Erst jetzt gehe ich manchmal auf Konferenzen. Die Menschen hier sind eher verschlossen, nicht so wie in China mit Netzwerken.

7.8 Identität und Image der Russinnen Wie ist sie nun, die ideale Frau aus Sicht der russischen Gesellschaft? Neben soziologischen Studien kann hier der Blick in die alten Märchen und Gebräuche im Land eine Antwort bieten. In russischen Märchen sind die Hauptfiguren oft Frauen, die sich durch Weisheit und Geschicklichkeit auszeichnen, wie zum Beispiel „Wassislissa, die Weise“ Hauptfigur in vielen Erzählungen. Russische Schriftsteller wählen weibliche Hauptfiguren, die sich durch innere Werte auszeichnen und als Frauen im Zentrum der Familie und Kindererziehung stehen. Es sind Frauen, die ihren Ehemännern den Rücken stärken.

Zwischen Managerin, Mutter und einer „richtigen Frau“ In der russischen Sprache ist die Wichtigkeit des Weiblichen stark verankert.Während es in Deutschland „Vaterland“ heißt, ist es „das Mütterchen Russland“.Viele russische Symbole sind weiblich.Viele Wissenschaftler platzieren Russland unter die femininen Länder, wobei hier keine Einigkeit herrscht. Die Diskussion verharrt in einem Dissens zwischen der Einordnung als Patriarchat und eines Landes mit Zügen eines Matriarchates. Obwohl die russische Frau eine wichtige Rolle in der Kultur und Geschichte spielen, bleiben sie oft im Hintergrund. Ein Sprichwort verdeutlicht die Überzeugung vieler Russen und Russinnen „Hinter jedem erfolgreichen Mann, steht eine weise Frau“. In einem alten Lied heißt es dann auch, „keine Frau kann wie die Russin zugleich Geliebte, Mutter und Gefährtin sein“. T.: Sie denken mit Respekt an mich, ich habe alles durch meine Arbeit erreicht, ich bin ein Vorbild für meine Untergebenen, sie würden sagen „du bist eine Mutter, du bist eine Führungskraft, du bist eine erfolgreiche Frau“.

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

V.: In Russland ist es am wichtigsten für Frauen verheiratet zu sein und Kinder zu haben und dann obendrauf Karriere, dann ist es gut. Aber wenn man keinen Ehemann hat und eine Frau sich nur auf Karriere konzentriert wird sie nicht gut angesehen.“

Mit zunehmenden Konsumerfahrungen änderte sich nach dem Umbau des Wirtschaftssystems der Lebensstil von russischen Frauen so, dass traditionelle Rollenbilder sich rekonstruierten. Boll-Palievskaya beschreibt, dass russische Frauen ihre Weiblichkeit kulturell bedingt kultivieren. Unter Weiblichkeit werden dabei Mutterinstinkt, Fürsorglichkeit und die Bereitschaft, mit viel Wärme und Taktgefühl, einem Mann „den Rücken zu stärken“ verstanden. In einer Untersuchung mit russischen Frauen, sprechen die Befragten selber von einer Transformation hin „zu einer richtigen Frau“. Managerinnen sehen ihre primäre Rolle als Unterstützerin des Ehemannes, wollen weiblich aussehen und handeln und suchen in diesem Wertekanon Wege, um sich erfolgreiche Karrieren aufzubauen. Gleichzeitig beobachten Forscher die Bildung einer weiblichen Arbeitsidentität von russischen Frauen, die zu mehr Selbstbewusstsein und Zutrauen an ihre Karrieren führt. Russische Studien berichten laut Chirikova davon, dass sich russische Frauen aufgrund der Institutionalisierung von geschlechterspezifischen Rollen nicht qualifiziert fühlen, Führungsrollen zu übernehmen. Ein interessanter Unterschied zur westlichen Literatur liegt in der Betonung der Fähigkeit, eine weibliche professionelle Führungsidentität zu führen. Einen inhaltlichen Bericht darüber gibt Metcalfe im Zusammenhang mit einer umfassenderen Analyse der Führungsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Ein femininer Kleidungsstil, Make-up und feminine Verhaltensweisen gelten als wichtiger Bestandteil der weiblichen Professionalität. Diese Debatten stimmen mit zeitgenössischen Gender- und Managementstudien überein, die sich auf Ästhetik und Körpermanagement konzentrieren und die Fluidität der Geschlechterkategorie hervorheben. Dieser Aspekt spielt auch im Kapitel zu den Französinnen eine Rolle. Sowohl in Russland wie auch in Frankreich werden Ansätze diskutiert, einen weiblichen Managertypus zu definieren, bei dem Professionalität und äußerlich gelebte Weiblichkeit sich vereinen. Ergebnisse einer Untersuchung von Gvozdeva zeigen, dass die stereotype Wahrnehmung von Managementfähigkeiten und -qualitäten neben der Abwertung weiblicher Merkmale unter Managerinnen weit verbreitet ist. Frauen müssen sich aktiv mit Weiblichkeit und Sexualität auseinandersetzen, um Beschäftigungsmöglichkeiten zu erhalten, Zugang zu Ausbildung zu erhalten und für die berufliche Weiterentwicklung des Managements berücksichtigt zu werden. Die Ergebnisse heben den geschlechtsspezifischen Übergangsprozess hervor und enthüllen den widersprüchlichen Organisationsdruck und die neuen Marktstrukturen, die die Erfahrungen und Identitäten von Managerinnen in Russland prägen. N.: Wenn sie ein schönes, teures Auto und eine gute Position hat, werden die meisten Leute denken: „Sie hat eine Beziehung zum Chef oder zu einem Mann, einem mächtigen Mann, der Interesse an ihr hatte.“ 100 Prozent. Besonders in meinem Fall habe ich so oft gehört, dass ich natürlich sehr attraktiv bin. Es ist klar warum. Darauf habe ich nie geachtet. Ich finde es dumm, darauf zu achten,

7.8 Identität und Image der Russinnen

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sogar darüber zu diskutieren, aber die Leute sagen es. Wenn eine Frau erfolgreich ist, ist sie eine Hündin- kann ich das sagen? Ich denke, Sie können verstehen, was ich meine. Sie ist eine Schlampe, weil sie sich nicht um ihre Familie, ihre Kinder, ihren Ehemann kümmert. Sie ist eine verrückte Geschäftsfrau. Wahrscheinlich hat sie Probleme mit ihrem Kopf und mit ihrem Nervensystem. I.: Also das Vorurteil ist massiv. Ich muss auch sagen, dass ich mit Ausnahme enger Freunde nicht so viel über mein Privatleben spreche. Ich habe so viele verschiedene Gerüchte über mich selbst gehört. Einige von ihnen sind urkomisch. Ich habe buchstäblich, wie Sie sich vorstellen können, viel Arbeit in meinen Karriereweg gesteckt und bin hier angekommen, mit nur 33 Jahren. Es gab viele Leute, die offensichtlich der Meinung waren, dass ich buchstäblich mit jedem einzelnen CEO jedes Unternehmens geschlafen habe, in dem ich arbeite. Dies ist die Art von Vorurteilen, die hier auftreten können. Jeder, der mich persönlich kennt, weiß offensichtlich, dass nichts davon wahr ist. Aber die Sache ist, dass Sie die Vorurteile hier sehen können. Ich denke, dass es in Russland ein bisschen offensichtlicher ist als im Westen. E.: Man sagt nur, dass sie ihre ganze Energie in die Karriere steckt. Es ist wie ein tiefes orientalisches Denken, weil wir selbst im europäischen Teil ein orientalisches Land sind. Ich komme aus einer orientalischen Familie, weil meine Großmutter damals eine der großen Chefin in Moskau war. Mein Großvater, ihr Ehemann, war Arbeiter. Er hatte keine Ausbildung. Er konnte nicht lesen, aber seine Frau war einer der größten Chefs in Moskau. Sie war wie eine Geschäftsführerin für die großen Fabriken. Wenn sie nach Hause kam, wartete ihr ungebildeter Ehemann auf sie, dann bereitete sie das Abendessen und, ich weiß nicht, das Kochen und all das Zeug vor. Selbst jetzt habe ich ihn noch nie arbeiten sehen. Bei der Arbeit war sie wie … (imitiert Löwengebrüllt) A.: Vor ungefähr fünf Jahren wollte ich nicht in einem Top-Management arbeiten, weil viele Frauen geschieden waren, alleine und nicht glücklich im Privatleben. Ich wollte nicht im Top-Management dabei sein. Aber dann traf ich einige Frauen, die drei oder mehr Kinder haben und sie sind glücklich mit ihrem Partner und auch glücklich bei der Arbeit und es hat meine Meinung geändert. Es sind nicht so viele Frauen, die in beiden Bereichen glücklich sind. Sie sind hartnäckig, sie arbeiten viel, sie verbringen viel Zeit bei ihrer Arbeit. Manchmal verbringen sie nicht nur den Abend im Büro, sondern arbeiten auch nachts zu Hause. Sie setzen ihr Leben darauf, berufliche Ziele zu erreichen.“

Schönheit der Russinnen und ihre Karrieren Dostojewski schrieb „Schönheit wird die Welt erlösen“. „Die Erwartung, eine Frau habe schön zu sein, ist ein russisches Phänomen. Schöne Frauen werden in Russland gesellschaftlich verehrt und vergöttert“ schreibt Boll-Palievskaya in ihrem Buch über russische Frauen. Dazu kommt, wie bereits dargestellt, dass aufgrund der Demografie im Land ein Überschuss von Frauen, Männer zu begehrter Mangelware machen. Eine erfolgreiche Karriere befreit eine Russin nicht von der gesellschaftlichen Erwartung, in erster Linie Ehefrau zu sein. In diesem Wertekanon kommt dem Aussehen von Frauen allgemein ein hoher Stellenwert zu. N.: Ich hatte eine Meinung dazu. Ich werde es niemals ändern. Das Aussehen, es hilft sehr. Verstehe mich einfach auf die richtige Art und Weise. Wenn eine Person wirklich nett und attraktiv ist, hilft es, weil die Menschen offener sind und ihr mehr vertrauen. Es ist wirklich angenehmer, mit einer Person zu kommunizieren, die nett ist. Natürlich, in den ersten paar Minuten, aber dann sollten Sie natürlich Ihre Intelligenz, Ihr Verständnis, Ihren Beruf und alles zeigen. In dieser ersten Phase hilft es sehr.

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7. Die Russinnen: Erfolgreich durch Intuition und Chancenaufbau

E.: Ich denke, es ist wie überall sehr wichtig. Ich war in den Staaten. Ich habe ein paar Freunde. Sie sehen anders aus. (kichert) Sie können sehr gut aussehen, Sie können nicht so gut aussehen, aber in Russland sind wir immer noch so wie in den 1980ern im Vergleich zu Europa oder den Staaten, weil wir uns nicht so schnell verändern konnten. Wir verändern uns schon, aber nicht so schnell. Ich denke, wir können es mit den Staaten in den 1980ern vergleichen, wie sich die Männer gegenüber Frauen verhalten und wie die Frauen aussehen sollen. Es ist nah dran. Hier ist es besser, wenn Sie einen reichen oder erfolgreichen Ehemann haben. Wenn Sie also schrecklich aussehen, müssen Sie Karriere machen. (lacht). A.: Es ist sehr wichtig, eine stilvolle Person zu sein, sehr teure Dinge und Details von Channel oder Dolce und Gabbana zu haben oder so, es ist sehr wichtig. Nicht so viele Menschen, insbesondere Frauen, können diese Dinge gut kombinieren. Professionelle Stylisten wurden hier in Russland populärer als zuvor. Menschen, manchmal sogar Männer, verstehen, dass sie die Dinge nicht alleine kombinieren können. Sie brauchen Hilfe, um ein höheres Niveau zu erreichen, mehr Geld zu haben oder so. Das ist der Grund … Es kann eine innere Haltung sein. Innerlich gefestigt zu sein. Eine bestimmte Erscheinungsform. Wenn Sie die Person in den ersten 90 Sekunden treffen, können Sie nur ihr Aussehen sehen. N.: Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass Frauen in Russland die besten sein müssen- im Haushalt, mit der Kindererziehung und, natürlich, die Beauty Queens. Und wir haben da diese Stereotype- sieht sie gut aus, ist sie zu dumm für das Upper-Management. Wenn sie hässlich ist, geht das auch nicht. Tja. T.: Frauen in Russland mögen es, sich gut zu kleiden. Für die Hierarchie solltest Du Dich richtig kleiden, den Status mit Kleidung ausdrücken. Natürlich kann man Sneakers tragen, aber von Prada bitte. Rolex kann mit Zara kombinieren. Es ist wichtig, nicht wie eine Studentin auszusehen. Schöne Frauen habe es leichter, andere zu führen. Männer werden sie bewundern. Jeder mag schöne Menschen.

8. Die idealtypische Topmanagerin: Ein Resümee aus der globalen Analyse Nach Auswertung aller Daten der internationalen qualitativen Analyse mit den Erkenntnissen der Topmanagerinnen und dem Blick in die fünf Ländern stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse sich übergreifend aus dem Global Women Career Lab ergeben, um andere Frauen auf ihrem Weg zu unterstützen. Der Ruf nach weiblichen Rollenmodellen im Management ist weltweit laut, damit Frauen Orientierungskriterien bekommen, an denen sie sich messen und weiterentwickeln können. Oftmals müssen Frauen sich weiterhin an Managementkriterien orientieren, die aus Untersuchungen mit Männern stammen und die für die Managementforschung als richtunggebend gesehen werden. Die Daten dieser wissenschaftlichen internationalen Analyse lassen neben den besonderen Erkenntnissen aus den einzelnen Ländern Rückschlüsse darüber zu, mit welchen Merkmalen eine idealtypische internationale Topmanagerin am besten beschrieben werden kann. Lassen sich Gemeinsamkeiten der erfolgreichen Frauen beschreiben, neben den Unterschieden, die sich aus den Länderkapiteln ergeben? Im Folgenden soll das Bild einer idealtypischen Topmanagerin als Orientierungsmodell gezeichnet werden. Dabei ist wichtig anzumerken, dass diese Merkmale bei allen Frauen in allen Ländern zu finden waren. Nur wenige Merkmale stechen in einzelnen Gruppen heraus. Dieses war zu erwarten, denn alle Frauen sind erfolgreich in ihren unterschiedlichen Umfeldern in das Topmanagement von Unternehmen aufgestiegen. Der Bezug zu einzelnen Ländern dient im Folgenden also eher der Vertiefung als der Abgrenzung der Frauen zueinander. Frauen aus aller Welt erhalten ein Leitbild zur eigenen Reflexion ihrer Vorgehensweisen und dem Ausbau ihrer Befähigungen für eine Top Leitungsfunktion. Diese Reflexion kann auch im Rahmen eines Executive Mentor-Coachings speziell für Frauen erfolgen.

Was also macht sie aus, die idealtypische Topmanagerin? Die idealtypische Managerin macht ihren Karriereweg im Management unbeirrt von ihrem gesellschaftlichen Umfeld und vorherrschenden Normen. Sie ist innerlich frei von der Bewertung durch andere. Die japanischen Frauen der Untersuchung haben gezeigt, dass eine Topmanagement Karriere auch in Umfeldern möglich ist, in denen bisher so gut wie keine Frauen in höhere Positionen aufsteigen. Die ursprüngliche Qualität, die es ihnen ermöglich hat, so weit zu kommen, ist neben vielen anderen ihre Unabhängigkeit von stereotypen und typische Anforderungen der Gesellschaft an das gängige Frauenbild. Dazu gehört die Befreiung von negativen Werturteilen in Verbindung mit starken Frauen, Rollenerwartungen an Mütter und Stereotype zur Befähigung von Frauen im Management. https://doi.org/10.1515/9783110709094-008

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8. Die idealtypische Topmanagerin: Ein Resümee aus der globalen Analyse

Alle Frauen im Global Women Career Lab sind von dem Phänomen „think manager – think male“ unbeeindruckt, nach welchem typisch männliche Eigenschaften eine erfolgreiche Führungskraft ausmachen, und kreieren stattdessen ihr eigenes „think manager – think female“ Bild, was sie dem erfolgreich gegenüberstellen. Sie sind sich der gesellschaftlich vorherrschenden Meinungen zu erfolgreichen Frauen sehr bewusst, doch für sie überwiegen die Vorteile ihres Images als Erfolgsfrau. Negative Werturteile nehmen sie mit viel Humor zur Kenntnis, lassen sich aber von ihnen nicht beirren. Erziehung durch starke Mütter hat bei vielen dazu beigetragen, dass sie für sich selber keine Grenzen sehen. Dort, wo Frauen mit eher begrenzenden Normen aufgewachsen sind, wie beispielsweise zum Teil in Deutschland, erfolgt eine aktive Auseinandersetzung mit den Barrieren unter anderem in starken Frauennetzwerken. Am Anfang steht ein eiserner Wille: Die idealtypische Managerin hat eine hohe Karriereorientierung gepaart mit einem starken Willen zur Karriere und zum eigenen Aufstieg. Die weiblichen Rollenvorbilder aus dem Management sind ganz klar in ihrer Karriereorientierung. In allen Interviews aus den fünf Ländern kommt dieser Aspekt zum Tragen. Etwas Anderes, als berufstätig zu sein, kommt für diese erfolgreichen Frauen nicht infrage. Und im Job wollen sie dann auch die Beste sein. Andere Rollenerwartungen an Frauen werden der zentralen Rolle der Managerin untergeordnet. Sie sind bereit, das Notwendige zu tun, um in eine Top Position im Management aufzusteigen. Die Frauen konzentrieren sich darauf, im Rahmen der heutigen Unternehmenswelten mit den gegebenen Regeln und Machtsystemen, ihren Weg strategisch aufzubauen. Dabei steht der starke Wille, Karriere im Management machen zu wollen, am Anfang und ist vielleicht der stärkste gemeinsame Nenner aller Frauen dieser Untersuchung. Die idealtypische Managerin sucht, bewusst oder unbewusst, den richtigen Ehepartner für ihre Pläne. Fast alle Frauen in dieser Untersuchung beschreiben ihre Ehepartner als sehr unterstützend im Hinblick auf ihre Karriere. Und die Frauen schätzen diese Unterstützung und drücken ihre Wertschätzung aus. Der richtige Ehepartner, so sind sich alle Frauen sicher, ist ein sehr wichtiger Faktor für eine Frauenkarriere. Das Stereotyp des „Shanghai Man“, der den Haushalt schwingt und auch öfter mal für die Kinder da ist, gilt zwar nicht in Gänze für alle Ehepartner der hier interviewten Frauen, wird aber in einigen Fällen vor allem in China und Deutschland als Idealtypus erreicht. Die Frauen der Untersuchung akzeptieren, dass die Ehepartner Grenzen aufweisen und loben das vorhandene Spektrum. Mehrheitlich beschrieben ist der emotionale Rückhalt durch die Ehepartner. Die Ehepartner bieten Unterstützung durch eine positive Grundhaltung zur Karriere der Partnerin und sind gute Ratgeber.Viele stellen die eigene Karriere zurück bzw. streben eine solche nicht an. Die idealtypische Managerin sucht primär einen Partner, der sie bei ihren Vorhaben unterstützt. In dieser Untersuchung sind es vor allem in China und Deutschland mehrheitlich Ehepartner mit wenig oder keinen Karriereambitionen bzw.

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Partner, die einem kompletten Rollentausch im traditionellen Sinne positiv gegenüberstehen. Die meisten der hier interviewten Rollenvorbilder werden Mütter, verbleiben aber in ihrer Primärrolle als Führungskräfte und zielen nicht auf Balance. Für die Frauen in der globalen Untersuchung ist das kein Widerspruch. Sie definieren sich zuerst durch ihre Managementlaufbahn. Mutter zu werden, bedeutet für sie nicht, dass sie ihre primäre Rolle, die der Managerin, deutlich verändern müssen. Obwohl viele von zeitweiser Karriereverlangsamung berichten, bleiben sie in ihrer Zielsetzung konsequent. Das ist nicht immer einfach, aber für diese Frauen der einzig richtige Weg. Alle Frauen sehen keine Notwendigkeit, ständig oder hauptsächlich bei ihren Kindern anwesend zu sein und delegieren viel. Alle sind sich auch darüber einig, dass eigentlich keine Balance zwischen den Anforderungen einer hohen Managementposition und der Rolle einer überwiegend anwesenden Mutter erreicht werden kann. Der Wunsch danach scheint vielen unrealistisch. Die idealtypische Managerin setzt auf Entlastung bei der Kinderbetreuung und bei Haushaltspflichten, gerne bis hin zur kompletten Befreiung. Frauen, die versuchen eine Top Führungsposition und beide weiteren Aufgaben überwiegend alleine zu jonglieren, geraten schnell an Grenzen- gesundheitliche Grenzen und Grenzen des Machbaren. Die idealtypische Managerin geht anders vor. Es werden viele verschiedene Lösungen für die Frage der Kinderbetreuung von den weiblichen Führungskräften geschildert. Viele funktionieren sehr gut, nicht alle sind perfekt. Gemein ist den Frauen, dass sie sich entschieden haben, in Hilfe zu investieren oder aber ihre Familiensysteme so zu organisieren, dass sie durch sie genügend und verlässliche Unterstützung bekommen. Im Idealfall ist die Managerin fast frei von beiden zusätzlichen Aufgaben und konzentriert sich stattdessen auf bewusste MutterKind Zeiten. Die idealtypische Managerin ist hoch motiviert, will ein Rollenvorbild sein und ist solidarisch In den wissenschaftlichen Kategorien der Leistungs-, Führungs- und Gestaltungsmotivation schneiden alle der befragten Frauen hoch ab. Peaks gibt es bei einigen Ländern im Bereich der Leistungsmotivation, bei der es um das Erbringen von Spitzenleistungen geht, und bei anderen im Bereich der Gestaltungsmotivation, die sich auf das verantwortliche Begleiten von Veränderungsprozessen im Unternehmen bezieht. Die Grundmotivation der Frauen leitet sich aus der Suche nach Erfüllung durch die Tätigkeit ab. Viele möchten Rollenvorbilder sein, für andere Frauen und Männer. Sie messen sich an einer eigenen Benchmark hinsichtlich Leistung, Führung und Verhalten, um durch Integrität und Authentizität Rollenvorbild für Mitarbeiter und Kollegen zu werden. Die weiblichen Rollenvorbilder sind nicht primär materiell orientiert, sondern andere Werte stehen bei ihnen im Vordergrund. Die Frauen ziehen tiefe Befriedigung aus ihrer Verantwortung, setzen sich für ihre Teams ein und fördern ihre Mitarbeiter. Die idealtypische Managerin ist sehr solidarisch mit anderen Frauen

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und hat von der Solidarität anderer Frauen profitiert. Dort wo bereits viele Frauen im gehobenen Management tätig sind, sind die Beschreibungen zu weiblichen Vorgesetzten, Förderinnen und Mentorinnen vielfältig. Auf vielen Karrierewegen spielen Frauen, die die hier interviewten Managerinnen gefördert haben, eine besondere Rolle. Alle Frauen dieser Untersuchung wollen Solidarität mit anderen Frauen üben. Das war für sie der Hauptantrieb einem langen Tiefeninterview mit zum Teil auch sehr persönlichen Themen zuzustimmen und dem Global Women Career Lab beizutreten. Die erfolgreiche Topmanagerin setzt sich aktiv und selbstbewusst mit ihrer Karriereplanung auseinander, sucht Chancen und scheut Veränderungen nicht Zur aktiven Karriereplanung gehört das Bewusstwerden über das eigene Karriereziel. Dieses Ziel wird in der Untersuchung mehrheitlich so beantwortet: „Chefin werden“. So weit nach oben in der Unternehmenshierarchie wie möglich, um Gestaltungsspielräume zu erhalten und für Mitarbeiter im Unternehmen Dinge positiv bewegen zu können. Bei vielen Frauen ist das Ziel früh klar, andere entwickeln es für sich nach ersten Arbeitserfahrungen. Sie beobachten Vorgesetzte, messen sich an ihnen und sind überzeugt, dass sie dasselbe Maß an Verantwortung übernehmen können – wenn nicht sogar mehr. Dazu ist ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein notwendig. Die Mehrheit der Frauen im Global Women Career Lab verfügt über ein gutes Selbstbewusstsein und da, wo auf dem Weg Unsicherheiten auftauchten, suchen die Frauen gezielt Unterstützung zum Beispiel bei ihrem Mentor-Coach. Die Managerinnen sind flexibel hinsichtlich der Wahl von Unternehmen, Arbeitsinhalten und Orten. Dahingehen, wo Chancen sind, ist eine der Erfolgsstrategien. Oder aber sie nehmen, wie die Russinnen, Chancen, die auf sie zukommen, aktiv wahr und springen „auf den Karrierezug“ auf. Dazu gehört auch der Wechsel, wenn die Glasdecke, die in den meisten Ländern als gegeben beobachtet wird, nicht zu durchbrechen ist. Und, die Frauen verfügen über die Fähigkeit, ein gewisses Risiko, welches mit einem Unternehmenswechsel verbunden ist, einzugehen.Wobei diese Frauen das Verbleiben auf Positionen und in Unternehmen, in denen für sie nichts mehr geht, eher als Risiko einschätzen. Die Frauen haben die Fähigkeit sich mit geltenden Machtstrukturen im Unternehmen auseinanderzusetzen, entscheiden aber letztlich sehr realistisch, ob weitere Aufstiegsmöglichkeiten gegeben sind oder eine Veränderung sie weiterbringt. Die Mehrheit der Frauen wechselt Unternehmen mehrfach und zeigt die klassischen Merkmale der „unbounded careers“. Dabei ist der Aufstiegswunsch und die Suche nach neuen Herausforderungen primäres Wechselmotiv. Die idealtypische Managerin hat eine Top Ausbildung und baut die im Management benötigten Kompetenzen gezielt auf Die Frauen der Untersuchung haben meistens zwei oder mehr Abschlüsse an namhaften Universitäten, sprechen mehrere Fremdsprachen sehr gut und haben frühe Auslandserfahrungen in ihren Lebensläufen.

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Vor allem die deutschen und französischen Frauen ergriffen aktiv die Möglichkeiten, die ihnen die Wahlfreiheiten ihrer Umfelder boten, und absolvieren quasi bereits zum Karrierestart viele Punkte, die ein idealtypischer Lebenslauf für eine Karriere im Management mit sich bringt. Viele sind mehrsprachig und haben Abschlüsse im Ausland erworben. Gerade die Französinnen stellen sich auf das EliteSystem der Grandes Écoles in Frankreich ein und nutzen es aktiv. Andere Frauen, die zum Start eingeschränktere Möglichkeiten haben, wie beispielsweise die Russinnen, arbeiten kontinuierlich am Ausbau ihrer Expertise. Die Topmanagerinnen haben breite Managementexpertise in verschiedenen Branchen und Bereichen. Sie sind sich auch ihrer Schwächen sehr bewusst und setzen sich mit ihnen ohne Umschweife auseinander, um sich weiterzuentwickeln. Viele von ihnen arbeiten dafür regelmäßig mit einem qualifizierten Mentor-Coach. Auseinandersetzung mit dem eigenen Führungsstil in frühen Karrierephasen und frühe Übernahme von Führungsverantwortung Die weiblichen Rollenvorbilder beginnen bereits am Start der Laufbahn über den eigenen, weiblichen Weg von Führung zu reflektieren und übernehmen gezielt früh Führungsverantwortung. Sie konzentrieren sich auf ihre weiblichen Führungsstärken und setzen diese selbstbewusst auch als Gegenpol zu den männlichen Kollegen ein bzw. komplementieren fehlende Fähigkeiten der Männer. Die Führungsstile variieren, jedoch wollen alle Frauen primär transformational und demokratisch führen. Sie wissen jedoch, dass abhängig vom Umfeld und von der Situation auch ein transaktionaler, eher autoritärer Führungsstil, der in der Wissenschaft eher Männern zugeordnet wird, zweckführend ist. Die idealtypische Managerin hat die gesamte Klaviatur der Führungsmöglichkeiten im Blick. Im Zentrum der Führung steht für sie die Entwicklung von Mitarbeitern. Gerade die japanischen Frauen und die chinesischen Frauen liefen zahlreiche Beispiele zu diesem Punkt, welche auch vor dem Hintergrund der Stärken ihrer lokalen Managementkultur Raum für Anregungen bieten. Einfach die Beste: Die idealtypische Managerin hat eine sportliche, positive Einstellung zum Wettbewerb und scheut Konflikte nicht. Fairer Wettbewerb ist etwas, was die Erfolgsfrauen zu Höchstleistungen anspornt und was ihnen gleichzeitig eine Chance zum Lernen von anderen gibt. Die hohe Leistungsmotivation wird bei vielen getragen, vom Wunsch richtig gut zu sein und sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Ist jemand anderes besser, nutzen die Frauen diesen, um von ihm oder ihr zu lernen. Konflikte sind nicht überall so einfach aufzulösen. Hier spielen auch die beschriebenen kulturellen Aspekte eine Rolle. Während einige Kämpferinnen sind und frontal in Konflikte gehen, wie beispielsweise die Französinnen, setzten andere eher auf abwartende gesichtswahrende Strategien. Die Frauen, in ihren jeweiligen kulturellen Umfeldern, stehen Konflikten generell eher positiv

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gegenüber und setzen sich mit verschiedenen Konfliktlösungsstrategien aktiv auseinander. Wiederaufstehen, weitermachen, durchhalten- ihr Rezept bei Herausforderungen Die Vielzahl von Herausforderungen, auf die die weiblichen Führungskräfte auf ihren Karrierewegen treffen, nehmen sie als Ansporn für ihre eigene Entwicklung. Bei den Schilderungen wird klar, dass der Weg kein einfacher war. Die Frauen aus dem Topmanagement sind Meisterinnen im Umgang mit Herausforderungen und bringen es mit den oben genannten drei Empfehlungen auf den Punkt. Sie stehen für die Grundeinstellung aller Frauen in dieser Untersuchung: Aufgeben gilt nicht. Lebenslanges Lernen als Grundeinstellung Die eigne Weiterentwicklung ist für die Managerinnen kein Pflichtprogramm, sondern eine beständige Kür, die auch beim Erreichen höchster Positionen nicht aufhört. Im Gegenteil. Mit Neugierde und Offenheit eigenen sie sich aktuelle Themen, Methoden und Managementwissen an. Viele werden selber Coaches, um Mitarbeiter besser führen zu können. Themen wie Digitalisierung, Umweltschutz, Netzwerken und Agilität in der Führung sind ihre Themen. Aber auch das Voranbringen von Diversität in den Unternehmen. Gezielte, aktive Nutzung von Mentoren, Netzwerken und Executive Coaching sind feste Karriereelemente Die Unterstützung durch mehrere Mentoren, zumeist nicht formell vom Unternehmen angeregt, sondern aktiv selber initiiert, ist wesentlich für den Aufstieg der interviewten Frauen. Sie wissen, was sie ihrem Mentor oder ihrer Mentorin anzubieten haben und profitieren von deren Erfahrungen und Beziehungen. Frauen profitieren in Bezug auf Mentoring von einem Vertrauensbonus im Vergleich zu Männern vor allem dort, wo ausländische Führungskräfte in nicht heimischen Märkten agieren. Netzwerke knüpfen die Frauen zum Teil bereits früh an den bekannten Universitäten. Im Verlauf der Karrieren greifen sie auf die engen Kontakte zurück. Alle Frauen sind sich einig, dass sie an dieser Stelle mehr tun könnten. Vor allem das Netzwerk auch wirklich für eigene Ziele nutzen, wie es ihnen die Männer vormachen. Bisher netzwerken Frauen vor allem, um gemeinsam Wissen aufzubauen. Die idealtypische Managerin jedoch macht es wie die Männer. Sie gibt viel in ihr Netzwerk hinein, d. h. unterstützt und hilft anderen mit konkreten Angeboten, und nutzt es dann aber im Gegenzug gezielt zur Umsetzung eigener Ziele. Die Frauen berichten vielfältig von der Zusammenarbeit mit ihren Executive Mentor-Coaches, die sie zum Teil langjährig nutzen, um unterschiedliche Herausforderungen zu bewältigen. Coaching wird dabei auch unabhängig vom Unternehmen selber beauftragt und als lohnender, wichtiger Entwicklungsbaustein bewertet. Der

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Mentor-Coach ist externer, neutraler Partner der idealtypischen Managerin, der sie aus ihrer Komfortzone führt und sie dabei unterstützt, die richtigen nächsten Karriereentscheidungen zu treffen.

9. Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen Die Liste der Empfehlungen aus den 110 Interviews der weiblichen Führungskräfte der fünf Länder für an andere Frauen, die aufsteigen wollen, ist lang. Vieles ist bereits in den Länderkapiteln gesagt worden. Viele der Tipps ranken um die Themen Wille zu Karriere und Mut, gepaart mit Selbstvertrauen und Entschlossenheit. Ohne diese Persönlichkeitsmerkmale ist keine der 110 Frauen im Management aufgestiegen. Ein wichtiger Ratschlag in diesem Zusammenhang sind die Aspekte Authentizität, sich selber treu bleiben und Integrität. Dem voraus geht, dass Frau weiß, was sie mit ihrer Karriere will. Ohne Schuldgefühle den eigenen Weg zu verfolgen, fällt vielen Frauen auf der ganzen Welt, aufgrund kultureller Erwartungen an sie, weiterhin schwer. Denn anders als Männer, haben sie größere Anforderungen, hinsichtlich verschiedener Rollenerwartungen zu erfüllen. Ohne Schuldgefühle bedeutet, innerlich frei zu werden von Werturteilen anderer, den eigenen Weg zu gehen und eigene Meinungen zu vertreten, gerade auch was das Rollenverständnis als Mutter angeht. Der Ehepartner ist wichtig. Die Wahl des richtigen Ehepartners ist nach Meinung der internationalen Frauen ein sehr entscheidender Faktor für ihre Karrieren gewesen. Dazu kommen frühzeitige ernsthafte familiäre Verhandlungen darüber, wie man sich als karriereambitionierte Frau die Unterstützung des Partners sichert, um getragen von der Partnerschaft die eigene Karriere realisieren zu können. Das private Leben ist für die Frauen also in diesem Kontext wichtig. Sichtbar werden und aktiv Mentoring, Coaching und Netzwerke nutzen sind weitere Bereiche, die von den Interviewten aus den fünf Ländern abschließend als Ratschläge formuliert werden. Abschließend eine Auswahl der Empfehlungen der interviewten Frauen für den Erfolg im Topmanagement: D., Frankreich: Das Erste ist „Glaub an dich selbst!“ Denn wenn Sie das nicht tun, ist es wirklich kompliziert. Und zweitens wäre es … „Finde einen guten Partner“. E., Frankreich: Aufhören, sich selber zu diskriminieren, „weil ich eine Frau bin zu lamentieren“ und andere Frauen zu diskriminieren. Frauen, die sich beschweren, dass es nicht gleichberechtigt ist, machen es nicht gleichberechtigt. Das ist eine etwas radikale Sichtweise, aber ich glaube daran. C., Deutschland: Mutig sein. Jede fällt mal hin. Dieser schöne Spruch, hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weiterlaufen. Dann, das sagt man auch immer so leicht daher, nicht persönlich nehmen, sondern ernst nehmen. Das machen Frauen, glaube ich, doch relativ oft, das persönlich nehmen. Und nehmen es mit nach Hause und sind enttäuscht und traurig. Und das finde ich, das haben die Männer uns dann doch voraus. Also wirklich nicht persönlich nehmen und authentisch bleiben. Nicht in falschen Machtkreisen mitmachen. Ich bin der Meinung, man muss sich immer noch im Spiegel anschauen können. Denn ich glaube, wenn man nicht seinen eigenen Werten und sich selber treu bleibt, kann man auch nicht erfolgreich sein. Nur dann kannst Du doch wirklich mit Enthusiasmus über deine Dinge sprechen. Und nicht irgendwie was so daher reden, was vielleicht der Chef möchte. Es aus Leidenschaft machen. Ich bin sowieso der Meinung, du machst einen Job nur gut, wenn du

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9. Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen

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denn wirklich so mit voller Leidenschaft und einfach richtig Spaß dran gehst. Und dann geht alles. Alles ist möglich. X., China: Mein Rat an junge Frauen 1. Einen unabhängigen Geist entwickeln. Das hat bei mir mit der Kindheit zu tun, dass ich früh alleine klar kommen musste und Verantwortung hatte. 2. Mut 3. Neugierde, unendliche. Ich habe das, weil ich niemals Angst habe vor Veränderungen. Man muss auf die Tiefschläge vorbereitet sein, wie beim Weitsprung, man muss immer wiederholen und einen neuen Absprung üben, sonst stagniert man. B., Deutschland: Ich würde auch gerade jungen Frauen einfach sagen: „Du musst da viel häufiger Deine Hand heben und sagen, ich wäre bereit, dieses oder jenes zu machen.“ Als einer meiner Karrieredurchbrüche war, ja. Als ich Geschäftsführerin wurde, ja. Ich bin zu meinem Chef gegangen und habe gesagt: „Du hast ein Problem in Deutschland. Ich löse Dir das und dann machst Du mich zur Geschäftsführerin.“ Das sind die natürlich von Frauen gar nicht gewohnt, dass die da auftreten. Und diesen richtig guten Tipp, den habe ich damals auch von einer Frau gekriegt. Die hat gesagt, sie ist zu einem ihrer Chefs gegangen und hat gesagt: „Du verdienst doch gerne Deinen Bonus. Wenn Du mir den Job gibst, dann garantiere ich Dir, dass mein Bereich Deines Bonus läuft.“ Und dann habe ich gesagt, gut, das nehme ich jetzt auch mal, wenn das funktioniert. Und da muss man halt einfach was ausprobieren. K., Deutschland: 1. Der Unterschied zwischen guten und exzellenten Leuten ist Leidenschaft. Also einen Job machen, für den man Leidenschaft hat. 2. Sich unabhängig von externer Bewertung machen, man muss in erster Linie vor sich selber gut dastehen 3. Neugierig bleiben, aus der Komfortzone rausgehen und auch mal andere Aufgaben annehmen. I., Frankreich: Verkaufen Sie nicht Ihre Seele, bleiben Sie selbst. Das ist sehr wichtig. Es bedeutet, versuchen Sie nicht, ein Mann zu werden, versuchen Sie nicht, das zu werden, was Sie nicht sind. Das ist sehr wichtig… Es geht nicht darum, erfolgreich zu sein, sondern gemeinsam erfolgreich zu sein, es ist die neue Welt. Ich hatte viel Spaß in meiner Karriere, weil ich fantastische Leute getroffen habe, ich habe viele Freunde gefunden, meine ehemaligen Mitarbeiter. Ich habe in meiner beruflichen Karriere viele Leute getroffen, die Freunde geworden sind. Und das ist so reich wie das Leben. H., Deutschland: Also, ich glaube, dass man dafür eine sehr große Klarheit haben muss. Man muss eine Kompetenz ausstrahlen, also man darf nicht unsicher sein. Ich muss in der Lage sein, Sachen zu fragen, ohne mir da zu überlegen, ob ich da vielleicht jetzt eine dumme Frage stelle. Und dieses Selbstbewusstsein muss ich haben und ich muss es auch ausstrahlen, also ich muss mir überlegen: Ich geh da in den Raum rein und die Leute sollten schon auch merken, dass ich in den Raum reingehe. Und wenn keiner merkt, dass ich in den Raum reingehe, dann sollte ich mir überlegen, was ich daran ändere. Also zum einen, sich klare Ziele setzen und zum anderen, sich nicht unterkriegen lassen. Mauern sind da, um sie zu durchdringen. Sehr wichtig. Also man braucht einen guten Resonanzboden. Man braucht Leute, die einen auch ziehen und manchmal über eine Hürde bringen. Und man braucht das Feedback, ohne das kann man nicht leben. Und das ist mir eben auch bei Mentees sehr wichtig. A., Frankreich: Ich meine Optionen, sich die Welt offenhalten. Ich zog nach Japan um und ging dann nach China. Im Moment ist Asien an der Spitze des Spiels. Ich bleibe in Asien. Wenn Singapur eines Tages runter geht, werde ich dorthin gehen, wohin wir gehen müssen. Das erste ist, wenn Sie in Deutschland oder woanders nicht weiterkommen, hören Sie auf zu klagen, und bewegen Sie sich. In gewissem Sinne müssen Sie wissen, was Sie wollen. Die zweite Sache ist, Sie müssen mit dem Ehepartner zusammenarbeiten. Ich hätte das Ganze niemals tun können, niemals, wenn ich nicht den Mann habe, den ich habe. Er besucht mindestens die Hälfte der Eltern-Lehrer-Konferenzen, er besucht mindestens die Hälfte der Reisen, die Schule, macht Ausflüge, er nimmt die Kinder mindestens die Hälfte ihrer Aktivitäten am Wochenende mit. Ich denke, Sie müssen einen Partner finden,

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9. Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen

der Ihren Vorstellungen entspricht. Wenn Sie wissen, dass Sie arbeiten möchten, finden Sie jemanden, der das respektiert. Ich denke, insbesondere in Europa befinden wir uns in einem Modell, in dem einige Frauen Männer suchen mit einem guten Job, sogar Status. Wenn sie heiraten, heiraten sie für Status. M., Frankreich: Mut haben, Mut, Mut, Mut und sich dann die Möglichkeiten schaffen. Das bedeutet, auch sehr entschlossen zu sein. Und natürlich den Job zu machen. A., Frankreich: Wir müssen eine Entscheidung treffen: Entweder, wir entscheiden uns, zu kämpfen und akzeptieren ein Image als Schlampe, oder wir lassen uns zertrampeln. Und wenn Sie kämpfen wollen, zögern Sie nicht. Und dann ist es eine persönliche Entscheidung. Für mich gibt es keine einzige Lösung. Es ist eine persönliche Entscheidung. Aber vor allem, ist es nicht gut zu denken: „Ich bin nicht fähig“ Und, wenn Sie es nicht tun, müssen Sie sich ehrlich sagen: „Ich mache es nicht, weil ich es nicht will“. Aber, wenn wir es nicht tun, weil wir glauben, dass wir es nicht können, ist das ein Fehler. Und das Image, das kann sich verändern, man kann es verändern. Die Leute vergessen schnell, das Image ändert sich. J., China: Für weibliche Führungskräfte ist es wichtig, zu erinnern, dass man zuerst eine Frau ist. Als ich als Chinesin in Japan gearbeitet habe, habe ich viel daraus gelernt, wie das japanische Volk die Frauenrolle sieht. Manchmal spielte ich ein bisschen damit. Ich sagte dann: „Ja, ich kann es nicht tun. Können Sie mir helfen?“ Manchmal kannst du spielen, du musst dich nicht so stark wie ein Mann zeigen. Sie können ruhig zeigen, dass sie kein Mann sind. Sie sind möglicherweise stärker in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehung, Sie sind möglicherweise stärker in Bezug auf die Sensibilität Ihrer Mitarbeiter, das Gefühl und alles. Manchmal kannst Du zeigen, dass Du schwach bist, dann können Dir die Leute helfen. Wenn eine Frau versucht zu zeigen, dass sie so stark ist wie ein Mann, ist es manchmal schwieriger, es wird ein Kampf. Nicht mit dem anderen Geschlecht kämpfen, sondern den Kampf in ein Kompliment transferieren. Finde deine weibliche Stärke. Sei eine Frau. D., Russland: Nun, wir interagieren mit vielen Menschen. Wir brauchen fast so etwas wie eine Bewertung oder Analyse, wer es sein könnte, der uns vorwärts helfen kann. Also fragen: „Wer ist in der Machtposition?“ Wenn man das Gefühl hat, mit demjenigen kompatibel zu sein, toll, dann wird ein Kontakt zustande kommen. Rede mit ihnen. Schick ihnen etwas. Ich habe darüber nachgedacht. Um ehrlich zu sein, musste ich dieses ganze Networking auf die harte Tour lernen. Ich musste mich wirklich dorthin bewegen, wo die mächtigen Leute sind, denn ich war ja in Russland. Ich wollte nicht rumjaulen bei Problemen, weil die dann glauben, dass man nicht stark ist. Also vorher identifizieren, wer die richtige Person ist, um wichtige Businessherausforderungen zu besprechen. Die Top-Leute herausfiltern. B., Deutschland: Also, wie solche Vereinigungen wie Generation CEO. Das passt natürlich nicht für alle. Es gibt in Frankfurt diese Europeen Women Association. Sich da irgendwo ein Netzwerk zu bauen. Sei es die Baden-Badener Unternehmergespräche. Sich einen eigenen Berater- Kreis schaffen. Sich einen Kreis von, sagen wir mal, Vertrauten schaffen und eine Art von, wie soll ich sagen, persönliches Board. Ein kleines eigenes Board. Sich gewisse Personen reinholen, die eben Rat in unterschiedlichen Dimensionen geben. Das ist etwas, was man selber durchdenken kann. Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung. Wenn kenne ich? A., Frankreich: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen mit Menschen arbeiten wollen, die sie mögen. Die Menschen wenden sich an Menschen, die sie kennen. Warum gibt es nur Männer da draußen? Weil Männer zusammenhängen und wenn sie jemanden für einen Job brauchen, finden sie einen Mann im Netzwerk. Frauen müssen an Beziehungen arbeiten, auch zu Headhuntern. Headhunter kennen nur die Menschen in ihrem Netzwerk, und sie werden nur jemanden aus in ihrem Netzwerk empfehlen. Frauen müssen sich gegenseitig helfen, sich unterstützen, sich unterrichten,

9. Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen

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sich gegenseitig Möglichkeiten geben, Sichtbarkeit verleihen und so weiter. Jede Verbindung, die Sie herstellen, führt zu einer anderen. Netzwerk. D., Russland: Es ist, als würde man anfangen, den Job zu machen, den man will, bevor man ihn bekommen hat. Sie müssen dich sehen, es geht nur darum gesehen zu werden und selber daran zu glauben. Sie müssen dich sehen. Wenn es mehrere Frauen gibt, die Direktor werden wollen, fang einfach an, die Arbeit des Direktors zu erledigen, bevor du den Titel hast. Nach dem Motto „Ich bin verantwortlich, ich habe eine größere Vision.“ Wenn sie dann darüber nachdenken: „Wen platzieren wir dort für den Job?“ Dann hast du schon alles erledigt. Man vertraut Dir. Sie müssen denken: „Sie hat noch nie jemandem in den Rücken gestochen und sie ist wirklich hilfsbereit und dennoch ist sie nicht einfach nur eine Mitarbeiterin. Sie ist eine großartige Partnerin. Sie kann mit stärkeren Männern zusammenarbeiten, wird als Partner geachtet bei dieser Rolle dort. K, Japan: Ich verdanke dem Sponsoring oder eher der Vernetzung meine heutige Position. Diese Leute glaubten an mich, sie hatten Vertrauen in mich und zogen mich hoch und sie haben mich ins Spiel gebracht, als eine Gelegenheit besprochen worden war. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich bin. Dann, den richtigen Ehepartner finden. Ich denke, das ist eigentlich entscheidend für Frauen, für mich und ich sehe andere Frauen um mich herum. Alle von ihnen haben den richtigen Ehepartner, der Sie wirklich unterstützt und der glücklich ist, wenn sie Ihre Karriere vorantreiben. Nicht alle Männer sind in Japan so. Dann, Deine Wünsche, deine Motivation oder was dein Kern ist, selber verstehen, denn manchmal stehst du einfach so vielen Herausforderungen gegenüber. Wenn ich darüber nachdenke: „Warum arbeite ich? Was ist das, was ich hinterlassen will, was ist der Fußabdruck, den ich hinterlassen möchte?“ Sie müssen das wissen. Man kann dann darauf zurückkommen, wenn es schwierig ist und es einfacher ist, seinen Weg zu gehen, wenn man darüber nachdenkt. Insbesondere für japanische Frauen ist die Fähigkeit, sich selbst gut zu vermarkten und sicher zu verhandeln wichtig. Das ist einfach so wichtig. Einige Frauen zögern, sie machen es nicht gern. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich nicht wohl, wenn ich mich selbst darstelle und verhandle, aber wenn ich darüber nachdenke, was ich repräsentiere, fühle ich mich sehr wohl, wenn ich nicht mich selber darstelle, sondern meine Organisation, mein Team. Verhandeln auch im Namen meiner Organisation. Ich mache das nicht für mich selbst, aber ich kann viel stärker sein, wenn ich an mein Team denke. Das ist sehr wichtig. A., China: Verhandlungen mit dem Ehepartner. Dieses sollte bereits ein oder zwei Jahre vor der Geburt eines Kindes gestartet werden. Bevor Sie das Baby bekommen und wenn Sie Ihre Karriere wie zuvor fortsetzen möchten, müssen Sie die Gedanken Ihres Mannes vorher lange Zeit vorbereiten. Ein oder zwei Jahre vorher. D., Russland: Ich habe versucht, dieses Rezept für Karriere zusammenzufassen. Ich denke, es ist wichtig, das richtige Gleichgewicht zu finden, damit man nicht als Bedrohung angesehen wird, z. B. weil man im falschen Moment Dinge sagt oder einen Gesichtsausdruck hat. Das bringt dann die Leute auf. Sie müssen wirklich in der Lage sein, sich anzupassen. Gleichzeitig, wenn Sie sich zu sehr anpassen, werden Sie nie als Anführer angesehen. Sie müssen das Vertrauen der Entscheidungsträger voll gewinnen. Mein zweiter Punkt: Sie müssen einen Sponsor oder jemanden haben, der Sie wirklich schätzt. Sie wählen die, die Sie für großartig halten und mit denen Sie kompatibel sind. Sie müssen für sie fast unersetzlich werden. Wenn die befördert werden, holen sie dich nach. Weil sie Dir vertrauen, so weit, dass Du die Schuld auf Dich nimmst, wenn etwas falsch läuft. Weil Du ihre Arbeit übernimmst, auch, wenn Du nicht gefragt wurdest. Ich mag hier selbst etwas frauenfeindlich sein, aber ich versuche auch, realistisch zu sein, was tatsächlich funktioniert. Ich denke, Frauen dürfen nicht, wie Männer, ein Image von rücksichtslosen Führungskräften haben, weil immer noch Männer in den obersten Machtpositionen sind und die dich weiterhin niederschlagen werden, wenn du das tust. Also ist es besser, als Frau als nicht bedrohlich angesehen werden. Ich denke, es ist wichtig, das

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9. Empfehlungen der Topmanagerinnen für motivierte Kolleginnen

Gleichgewicht zu halten, zwischen Unterstützung, Nichtbedrohung, Vertrauenswürdigkeit und dennoch Stärke. M., China: Ausdauer. Ja, das ist sehr wichtig. Und ich würde sagen, es ist der Vorteil von Frauen gegenüber Männern. Denn, wenn wir darauf beharren, können wir am Ende gewinnen. Ich denke, es ist wichtig, weiterhin Sport zu treiben. Wenn man lange arbeiten muss. Ich denke, ein guter Körper geht Hand in Hand mit der Leistung in der Arbeit und in der Familie. Du musst es wirklich halten und es für eine lange Zeit behalten. (lacht) Was noch? Vielleicht die Seite der Nachlässigkeit. Wenn man sich in einer Position gut fühlt, läuft man Gefahr, zu lange dortzubleiben, nicht viel zu ändern. Tatsächlich sollten wir etwas dynamischer sein. Und ′raus aus deiner Umgebung. Andere Dinge sehen. A., Frankreich: Eine Sache, die Frauen klären müssen, ist, was sie im Leben wollen. Was wollen Sie? Eine andere Sache, die ich den Frauen sagen würde, wir müssen aufhören, uns schuldig zu fühlen. Wir müssen aufhören, uns schuldig zu fühlen. Wenn ich eine Veranstaltung habe, kommt mein Mann nach Hause und verbringt Zeit mit den Kindern. Wenn er eine Veranstaltung hat, mache ich dasselbe auf meiner Seite. Wir müssen die Schuld aufhalten. Ich meine, Sie können nicht immer zu Hause sein. Es wird nicht funktionieren. Sie müssen unbedingt aufhören, sich als Frau schuldig zu fühlen. Ich denke, das ist eine Sache, die Frauen ein wenig von ihren Möglichkeiten abhält.

Anhang Danksagungen und Anmerkungen Es ist der Inspiration und Unterstützung von zahlreichen Frauen und Männern in Führungspositionen zu verdanken, dass ich an meine Arbeit zu meinem letzten Buch „How Chinese Women Rise“ in weiteren Ländern anknüpfen konnte. Der Weg begann in Schanghai, lief über Köln zurück nach Japan, von dort aus nach Russland und fand seine Basis in Paris. Mit der Hilfe zahlreicher Empfehlungen ist es gelungen als Grundlage zu diesem Buch zahlreiche Topmanagerinnen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie in intensiven Beratungsgesprächen zu befragen und damit Frauenkarrieren weltweit zu untersuchen. Mein spezieller Dank gilt den über 110 weiblichen Führungskräften, die mir ihre Zeit und ihr Vertrauen schenkten und sich an dieser einmaligen internationalen Untersuchung beteiligt haben. Der Gedanke, eigene Erfahrungen an andere Frauen auf ihren Karrierewegen im Management weiterzugeben und Solidarität zu üben, hat uns dabei geeint. Professor Gregory Wegman und Professor Samuel Mercier von der Universität der Bourgogne waren auch bei diesem Projekt an meiner Seite. Ich danke Gundula Fichtler, die meine ständige Beraterin und starke Kritikerin war und mit ihren Anregungen großen Anteil am Gelingen dieses Buches hatte. Sie war es auch, die mich ermutigte und immer wieder bestärkte. Christine Hesse, von Hesse Design, hat als Branding Expertin dem Global Women Career Lab ein Gesicht gegeben. Mein Freund Ian Lawrance aus Australien hat die englische Ausgabe sorgfältig und mit großen Engagement editiert und die Übersetzung tatkräftig unterstützt. Ohne ihn wäre das Buch nicht entstanden. Weidong Xu, ehemalige Geschäftsführerin und Aufsichtsrätin in Deutschland, eröffnete mir Türen und Kontakte zu zahlreichen Chinesinnen in Europa und zu einem fantastischen Netzwerk deutscher Frauen in Führungspositionen. In Frankreich unterstützten mich Muriel de Saint Sauveur und Claudia Wiessner bei meinen Rekrutierungen. Sie stehen stellvertretend für zahlreiche weitere Empfehler/innen in Deutschland und Frankreich. In Japan danke ich Mari Nogami und Kaoru Kano, die bereits in meiner Zeit in Kobe bei meinen Workshops tragende Rollen einnahmen. Eugeny Zegna, Unternehmer und Coach aus Moskau, der an einem meiner Coachingzertifizierungsseminare in Schanghai teilnahm, ermöglichte mir ein Netzwerk in Russland und viele seiner Kontakte dort erwiesen sich als extrem unterstützende Netzwerkerinnen. Shelley Chen, Personalleiterin und Diversity Head Saint-Gobain APAC, baut weiterhin Brücken nach China. Ich danke auch dem Team vom Verlag De Gruyter und vor allem Stefan Giesen, der das wichtige Thema Diversity unterstützt und sofort interessiert war, das Buch in beiden Sprachen Deutsch und Englisch zu publizieren. https://doi.org/10.1515/9783110709094-010

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Danksagungen und Anmerkungen

Ich danke meinen Kindern, Lara und Luc, meinem Mann sowie meiner ganzen Familie dafür, dass sie meine Arbeit mit Interesse und oft mit großer Geduld begleiten.

Über die Untersuchung: Das Global Woman Career Lab Ich konnte in meiner eigenen Zeit im Management in Europa viele Frauen in ihren Karrieren beobachten, begleiten und fördern. Einige stiegen schneller auf, viele verschwanden als die Kinder kamen, andere „hingen“ im mittleren Management fest. Später coachte ich zahlreiche Frauen aus vielen unterschiedlichen Nationen auf ihrem Weg und tauchte mit ihnen tiefer in Themen ein, die gerade weibliche Führungskräfte im Vergleich zu meinen männlichen Kunden beschäftigten. Diese Themen ähneln sich weltweit und unterscheiden sich doch je nach Nationalität, Umfeld und Kultur. Bei meiner Arbeit als Executive Coach und Trainerin fiel mir immer wieder auf, mit welcher Souveränität und Selbstverständlichkeit bestimmte Frauen aus verschiedenen Ländern sehr hohe Funktionen in Unternehmen einnehmen. Ich wurde neugierig.Was machen diese Frauen anders als ihre Kolleginnen? Hatten sie gar eine Geheimstrategie für den Aufstieg? Der Gedanke, sich näher mit dem Phänomen, den Karrieren von Frauen im globalen Topmanagement, zu beschäftigen, war geboren. Eine Idee, die ich seit vielen Jahren immer wieder neu erdachte, verwarf und wieder neu spann, nahm, während ich einen Coaching Zertifizierungskurs mit vielen Führungskräften in Schanghai leitete, plötzlich Formen an. Ich begann die Karrieren von Frauen im Topmanagement zu untersuchen. Mithilfe meines Netzwerkes aus meiner Tätigkeit als Führungskräfte Coach und Trainerin war es mir möglich, was für vielen Forscher eine große Hürde darstellt- den Kontakt zu einer Vielzahl beeindruckender weiblicher Führungskräfte in fünf sehr unterschiedlichen Wirtschaftsmächten aufzubauen, die bereit waren mich und meine Forschung in qualitativen, sehr langen Interviews als Teilnehmerinnen zu unterstützen. Am Anfang zum Buch stand die Frage, welche Faktoren es diesen Frauen aus den fünf Ländern möglich gemacht hatten, in die Führungsetagen von Unternehmen aufzusteigen. Dabei wurde mir schnell klar, dass ich die Frauen in meiner Studie nicht mit Männern vergleichen wollte, sondern ihre einzigartigen Karrierewege und Erfahrungen aus ihrem speziellen Umfeld im Vordergrund stehen sollten. Der Blick auf das Thema Frauenkarrieren sollte aus dem Blickwinkel von weibliche Rollenvorbildern erfolgen, die es in die Top Etagen von Unternehmen geschafft haben. Das vorliegende Buch basiert auf den Erkenntnissen meiner fünfjährigen Forschungsarbeit mit über 110 Frauen in Spitzenfunktionen der Wirtschaft in den fünf Ländern. Sie waren bereit, mir in meinem „Global Women Career Lab“, so wie ich meine globale Forschungsinitiative benannte, in ausführlichen, explorativen, qualitativen Interviews zur Verfügung zu stehen. Ich habe viel von den Berichten der Frauen aus den fünf Nationen gelernt und möchte dieses Wissen an andere Frauen in aller Welt und an Männer und Frauen, die Frauen in ihren Karrieren fördern, weitergeben- sei es im Unternehmen, in der Politik oder in der Gesellschaft. Meine Interviewpartnerinnen haben das geschafft, was viele Frauen in aller Welt noch anstreben- in die Führungsetage von Unternehmen aufzusteigen. Alle Erkenntnis zu https://doi.org/10.1515/9783110709094-011

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Über die Untersuchung: Das Global Woman Career Lab

dem Thema ist getragen von einer Welle von Solidarität und dem starken Willen zu lernen und erfolgreich zu sein.

Über die wissenschaftliche Untersuchung zum Buch Methodik im Überblick: Das Global Women Career Lab Das Global Women Career Lab ist ein internationales Forschungsprojekt, welches seit 2014 Frauenkarrieren international erforscht. Das Lab hatte seinen Ausgang in China und umfasst bis heute fünf Nationen- Frankreich, China, Russland, Japan und Deutschland. Bislang nahmen 110 Frauen in gehobenen Führungspositionen aus fünf Ländern teil und die Karrierewege dieser Frauen umfassen mehr als 500 Unternehmen weltweit und Tätigkeiten in über 21 Ländern. Alle Interviews, die Analyse und Interpretationen wurden von der Autorin selber durchgeführt. Die Supervision erfolgte durch Professoren der Universität der Bourgogne in Frankreich. Die empirische Untersuchung war methodisch als qualitative, explorative Untersuchung aufgebaut, die auf dem bereits dargestellten konzeptionellen Referenzmodell, „FemCareer Model“, aufbaut, welches am Anfang des Buches dargestellt wird. Die Analyse der Daten folgte der Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse. Die Datensammlung erfolgte im Rahmen semi-strukturierter, problemzentrierter Interviews und die Analyse basiert auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Für weitere Details zur Untersuchungsmethodik wird auf die originale Doktorarbeit verwiesen (Al-Sadik-Lowinski, 2017). Die Tabelle 2 verdeutlich den „Blueprint“ dieser Forschungsarbeit: Research questions

Theory-based

Conceptual framework

Developed from theory

Research methodology

Qualitative, conceptual framework-based, empirical, explorative

Research design

Multiple case studies

Data collection instrument

Semi-structured, problem-centred interviews (single person)

Sampling strategy

Theoretical sampling

Data collection process

How, where, transcription process

Analysis of data

Qualitative structured content analysis

Analysis of researcher’s role

Open discussion about researcher’s bias

Die Anzahl der hier interviewten Frauen ist für eine qualitative Untersuchung mit 110 Teilnehmerinnen groß, erlaubt aber keine Generalisierung. Es war nicht Ziel der Forschung, statistisch repräsentative Ergebnisse zu erarbeiten. Trotzdem wurden dort

Über die wissenschaftliche Untersuchung zum Buch

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statistische Auswertungen vorgenommen, wo es dem Erkenntnisgewinn zuträglich ist. Die Ergebnisse können vor dem Hintergrund des theoretischen Samplings zu den formulierten Fragestellungen über Karriereerfahrungen von Frauen im gehobenen Management herangezogen werden. Die systematische Analyse bietet Ergebnisse, die für die Beantwortung derzeitiger Fragestellungen in dem Kontext herangezogen werden können und stimulieren sowohl weitere Forschung als auch praktische Umsetzungen.

Die Teilnehmerinnen der Untersuchung Die meisten der Frauen, die für das Global Women Career Lab ausgewählt wurden, sind zwischen 45 und 55 Jahre alt. Jedoch gibt es auch Teilnehmerinnen, die unter 40 und über 60 Jahre alt sind. Die jüngste Befragte war 32 Jahre aus China und die ältesten Frauen über 60 kommen aus China, Deutschland und Frankreich. Somit, sind sowohl einige Vertreterinnen der Generation Y vertreten, die bereits Führungspositionen erlangt haben, als auch Frauen, die nahe dem Renteneintrittsalter, oder wie in China, darüber liegen. Die Teilnehmerinnen des Global Women Career Lab bilden somit eine breite Altersspanne ab. Die Unternehmen in denen die Frauen arbeiten sind zumeist global agierende Unternehmen. In China konnten Teilnehmerinnen aus 26 multinationalen Unternehmen mit Zentralen aus Deutschland, den USA und Frankreich rekrutiert werden. Auch in Europa kamen die Teilnehmerinnen überwiegend aus globalen Unternehmen. Zusätzlich waren vier chinesische Unternehmen vertreten. In Russland waren sowohl russische staatliche Unternehmen als auch private und multinationale Unternehmen vertreten. Das Ziel der Rekrutierungen war es, sehr viele Sektoren abzubilden. Insgesamt waren die Frauen in über 20 verschiedenen Branchen tätig, mit Schwerpunkt in der Industrie und Dienstleistung. Die Bandbreite umfasste dabei beispielsweise folgende Branchen: Automobil, Pharmazeutika, Stahlverarbeitung, Haushalt, Nahrungsmittel, Beratung, Mode, Reise, Luxusgüter, Telekommunikation, Medien sowie weitere Branchen. Die Auswahl der Frauen erfolgte entsprechend einer vorher festgelegten Definition, dem sogenannten theoretischen Sampling. Dabei werden die Teilnehmerinnen der qualitativen Untersuchung gezielt entsprechend der theoretischen Vororientierung, des angestrebten Untersuchungsziels und der Rahmenbedingungen selektiert. Das theoretische Sampling in dieser Untersuchung sollte sicherstellen, dass die „richtigen“ Frauen entsprechend der Untersuchungsfragen ausgewählt werden. Es liegt also eine eigene Definition zugrunde darüber, was hier unter „Frauen im Topmanagement“ verstanden wird. Vergleicht man verschiedene Untersuchungen zu Frauen im Management und Statistiken, die Aufschluss darüber geben sollen, wie häufig Frauen in den oberen Führungspositionen vertreten sind, fällt auf, dass es international unterschiedliche Interpretationen des Begriffs Senior Management und der zugrunde gelegten Hier-

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Über die Untersuchung: Das Global Woman Career Lab

archiestufen gibt.Viele Untersuchungen zu Frauen im Topmanagement konzentrieren sich auf die jeweils höchsten Leitungsfunktionen in einem Unternehmen, also die Ebene von CEO, Präsident oder General Manager. Weitere Untersuchungen konzentrieren sich auf die Rolle der Aufsichtsrätinnen. Andere Studien lassen eine konkrete Definition darüber vermissen, was genau unter Topmanagement oder Senior Management verstanden wird. Darüber hinaus bedarf es der Klärung, ob in multinationalen Unternehmen von einer globalen oder lokalen Betrachtung ausgegangen wird, was zu einer komplett anderen Definition des Begriffs Senior Management führen kann.

Das theoretische Sampling in dieser Untersuchung Erstes Kriterium: Karriere als angestellte Führungskraft. Für die Untersuchung wurden nur angestellte Frauen und keine Unternehmerinnen angesprochen. Einige der Frauen waren jedoch auf ihrem Karriereweg zeitweise selbstständig. Für dieses Buch wurden Frauen mit Führungspositionen mit großem Entscheidungsspielraum, hohem Verantwortungsgrad für Mitarbeiter und/oder Budget und Zugehörigkeit zu einer hohen hierarchischen Ebene im Unternehmen. Zweites Kriterium: hohe hierarchische Position der Frauen ausgedrückt durch ihren Titel. Das umfasst für diese Studie alle Hierarchiestufen vom CEO/GM/Präsident bis hin zum Senior Direktor. In der Sprache der Personalleiter wurden die Level 1, Minus 1 und in wenigen Fällen auch Minus 2 involviert, entsprechend der zugrunde liegenden Definition. Beispiele hierfür sind in der Untersuchungsgruppe Personalleiterinnen großer Business-Units oder regional Direktorinnen mit über tausend Mitarbeitern. Folgende hierarchische Titel wurden dementsprechend als Selektionskriterium zugelassen: Präsidentin, Vorstand, General Managerin (GM), Chief Executive Officer (CEO),Vice General Managerin (VP-GM), Chief Financial Officer (CFO) COO, COA, Vice Presidentin (VP), Senior Direktorin und Direktorin. Es wurden sowohl Frauen mit rein lokaler Funktion als auch Frauen mit internationaler Verantwortung befragt. Darüber hinaus waren folgende Punkte für die Auswahl der Frauen von Bedeutung: der Entscheidungsspielraum, das Maß an Einfluss auf die Unternehmensstrategie, die Eigenverantwortlichkeit, die Budgetverantwortung und die Anzahl der Mitarbeiter. Diese Liste von Kriterien diente vor allem dem Ziel, die Unterschiede bei der Vergabe von Titeln in verschiedenen Unternehmen zu glätten. Bis auf wenige Befragte hatten alle Frauen zum Zeitpunkt der Befragung Mitarbeiterverantwortung. Die Frauen ohne Mitarbeiterverantwortung haben strategische Funktionen, gehören dem Managementteam der Unternehmen an und hatten im Karriereverlauf bereits mehrfach Verantwortung für Mitarbeiter.

Über die wissenschaftliche Untersuchung zum Buch

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Rekrutierung für das Global Women Career Lab Alle Teilnehmerinnen wurden durch berufliche Kontakte der Autorin aus der Tätigkeit als Executive Mentor-Coach und Managementtrainerin rekrutiert. Nach dem Schneeballsystem empfahlen Teilnehmerinnen weitere Frauen. Wichtige Kontakte in China kamen über die deutsche Handelskammer in Schanghai, den Inhaber des größten Anbieters für Executive Coaching in China und weitere berufliche Netzwerke. Die Kontakte in Deutschland kamen vor Ort zum größten Teil durch eine chinesische frühere Geschäftsführerin und Aufsichtsrätin, die ihr Netzwerk, welches sich speziell an Frauen richtet, die Vorstands- oder Aufsichtsrat Positionen anstreben, aktivierte. In Frankreich gelang es in nur drei Monaten, ein Schneeballsystem aufzubauen, bei dem unterschiedliche Frauen als Mentorinnen der Untersuchung Türen öffneten. Auch die japanischen Führungskräfte konnten über ehemalige Arbeitskontakte der Autorin aus ihrer Zeit als Managementtrainerin in Japan rekrutiert werden und empfahlen die Untersuchung weiteren Frauen weiter. In Russland erfolgte der Einstieg über einen russischen Unternehmer, Teilnehmer eines Coaching Zertifizierungskurses, den die Autorin leitete, der ein eigenes Schneeballsystem in seinem Land anstieß. In allen fünf Ländern ist es solidarischen Frauen und Männern zu verdanken, dass diese einmaligen Interviews stattfinden konnten. Der Erfolg der Rekrutierungen ist durch mehrere Faktoren zu begründen. Ein Faktor war sicherlich das Vertrauen der Empfehler in die Forschungsleiterin, die sie bei ihrer Tätigkeit als Executive Coach und Trainerin kennengelernt hatten. Ein weiterer Faktor, der damit im Zusammenhang steht, ist die hohe Qualität der Empfehlungen durch Personen, die in den Unternehmen in China, Frankreich, Japan, Russland und Deutschland gut vernetzt sind. Diese Faktoren erleichterten den Kontakt und den Vertrauensaufbau. Der Rahmen der Promotion erleichterten den Vertrauensaufbau bei der Rekrutierung und in der wichtigen Phase zum Start der Interviews. Daneben spielte sicher die Persönlichkeit und „Chemie“ eine Rolle. Der Faktor eine Frau mit Corporate Hintergrund als Studienleiterin und Interviewerin vor sich zu haben, erleichterte den Kontakt, da die Frauen davon ausgehen konnten, dass ihre Erfahrungswelt in den Interviews gut nachvollzogen werden konnte.

Interviews und Analyse Methode Alle Interviews wurden von der Autorin selber in den von den Teilnehmerinnen bevorzugten Sprachen Englisch, Französisch oder Deutsch geführt, wobei Interviews auf Englisch mehrheitlich waren. Grundlage für jedes Interview war derselbe offene Fragebogen, der sich am Grundmodell der Untersuchung, dem FemCareer-Model, orientierte. Jedes Interview war dennoch einzigartig, da im Rahmen des offenen Fragebogens auf die Besonderheiten einer jeden Frau und ihrer Erfahrungen mit Karriere eingegangen werden konnte.

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Über die Untersuchung: Das Global Woman Career Lab

Ein Großteil der Interviews in China und Frankreich fand in den Büros der Frauen, quasi im normalen Arbeitsumfeld statt. Die anderen Interviews wurden online oder per Telefon geführt. Da es die Autorin aus ihrer Arbeit als Executive Coach gewöhnt ist, sowohl im direkten Kontakt als auch online zu arbeiten, konnte sichergestellt werden, dass in beiden Fällen eine vertrauensvolle und offene Interviewsituation zustande kam. Die empirische Untersuchung war methodisch als qualitative, explorative Untersuchung aufgebaut, die auf dem bereits dargestellten konzeptionellen Referenzmodell, „FemCareer Model“, aufbaut. Die Analyse der Daten folgte der Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse. Für weitere Details zur Untersuchungsmethodik wird auf die originale Doktorarbeit verwiesen (Al-Sadik-Lowinski, 2017).

Das Untersuchungsmodell: FemCareer-Model Für dieses Buch wurden die Faktoren, die auf Frauenkarrieren im Management wirken in einem Modell strukturiert. Dieses Modell dient als richtungsweisend als Leitfaden für die qualitative Befragung und deren Auswertung und zeigt die Perspektive, mit der hier auf dieses komplexe Thema geschaut wird. Das Thema Karriere ist also solches bereits komplex und verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Es gibt viele verschiedene Einflussfaktoren auf die Karrieren von Frauen im Management, die sich sehr unterschiedlich auf den Karriereerfolg und die Ausgestaltung von Karrierewegen auswirken. Das FemCareer-Model dient in als Landkarte für dieses Buch und zeigt die unterschiedlichen Einflussbereiche, die hier zugrunde gelegt werden (siehe Abbildung 1). Das Modell hat nicht den Anspruch, vollständig zu sein und einige Einflussfaktoren wurden bewusst nicht betrachtet, wie zum Beispiel die organisatorischen Einflüsse auf Karriere. Für die Interpretation bedeutet das, dass die Karrieren der Frauen in China, Russland, Japan, Frankreich und Deutschland gezielt auf die gewählten Einflussfaktoren hin untersucht wurden. Im Rahmen des Modells wurde unterschieden, welche Faktoren quasi von außen auf die Karrieren der Frauen wirken und welche Faktoren individuell, den Frauen selber zu zuordnen sind. Externe Determinanten für die Karrieren der Frauen sind hier die Gesellschaft und Kultur und damit verbunden die genderspezifische Situation im Land. Der Arbeitsmarkt bestimmt maßgeblich die Chancenvielfalt für Frauen im jeweiligen Land. Daneben werden hier auch Faktoren wie Familie betrachtet und dabei die eigene Familie der Frauen sowie die Herkunftsfamilie betrachtet. Unterstützung durch andere im Rahmen von Mentoring und Networking sind weitere Determinanten. Individuelle Determinanten sind definiert als die Faktoren, die spezifisch für die Untersuchungsteilnehmerinnen sind, verwurzelt in ihren persönlichen Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmalen sowie, die Einfluss nehmen auf ihre Karrierewege. Dazu gehören auch die Ausbildungshintergründe, speziellen Fähigkeiten und Aspekte ihrer Persönlichkeit, die für eine Managementkarriere besonders relevant sind sowie ihr

Über die wissenschaftliche Untersuchung zum Buch

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Abbildung 1: Das FemCareer-Model (für Zitierungen: Al-Sadik-Lowinski-FemCareer-Model, 2017)

Führungsstil. Beide- die externen wie auch individuellen Faktoren wirken auf Karriereentscheidungen im Zentrum des Modells. Sie wirken im höheren oder geringeren Maße auf die Karrierewege der Frauen aus den verschiedenen Ländern.

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