Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen [1 ed.]
 9783428473328, 9783428073320

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 53

Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen

Von

Annette Ascheuer

Duncker & Humblot · Berlin

ANNETTE ASCHEUER

Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 53

Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen

Von

Annette Ascheuer

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ascheuer, Annette: Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandsvermögen / von Annette Ascheuer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 53) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07332-0 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-07332-0

Meinen Eltern

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Die dogmatische Diskussion um das Wesen der Gesamthand I. Einleitung

21

1. Das Dilemma der Charakterisierung des Wesens der Gesamthand

....

2. Untersuchungsgegenstand

21 22

II. Skizzierung der modernen Theorien über die Rechtsnatur der Gesamthand

23

1. Grundproblematik der Diskussion

23

2. Eingrenzung des Themas

25

3. Vorgehensweise und Zielsetzung

26

Zweites Kapitel Personenmehrheiten nach römischem Recht I. Notwendigkeit der Klärung römischer Begriffe II. Die Ursprünge des Rechts der Personenverbindungen

31 31

1. Die Erbengemeinschaft ercto non cito

31

2. Die Beurteilung des vorklassischen consortium in der rechtshistorischen Forschung

33

III. Die klassische Epoche 1. Die societas

34 34

a) Die Anfänge des römischen Gesellschaftsrechts

34

b) Der konsensuale Gesellschaftsvertrag

35

2. Die Verbindung von societas und communio

35

a) Die Beurteilung des Gesellschaftsvermögens

35

b) Das Wesen der communio

36

aa) Das Miteigentum der Gesellschafter

36

bb) Qualität der Eigentumsanteile

37

cc) Die Verfügungsbefugnis der Gesellschafter c) Resümee

39 39

8

Inhaltsverzeichnis 3. Die universitas

40

a) Die Rechtsfähigkeit von Personenzusammenschlüssen

40

b) Das Recht der Verbände

40

aa) „Corpus habere" - die Körperschaft

41

bb) Die „persona"

42

cc) Die Lösung der juristischen Person von den Mitgliedern

43

dd) Keine neue Einheit neben der Zusammenfassung der Mitglieder

43

c) Zusammenfassung

44

I V . Die nachklassische Fortentwicklung

44

1. Das Recht der societas

44

2. Die Umgestaltung der universitas

45

a) Die Entwicklung des Personenverbandes im Recht der christlichen Kirchen

45

aa) Die Bildung von Kirchenvermögen nach dem Mailänder Edikt . . .

45

bb) Die Behandlung des Kirchenvermögens in der Gesetzgebung Konstantins

46

cc) Die rechtliche Qualität der Kirche in der Gesetzgebung Justinians

47

b) Die Rechtssubjektivität der Klöster

49

aa) Die Entwicklung des Mönchtums

49

bb) Die Vermögensordnung der Klöster

50

c) Der Entwicklungsprozeß der juristischen Person

51

V. Zusammenfassende Klärung der Grundbegriffe

52

Drittes Kapitel Die Ursprünge der Gesamthandstheorie im deutschen Recht I. Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse

53

1. Der Ursprung des Gesamthandsgedankens in der germanischen Brüdergemeinschaft

53

a) Die fortbestehende Hausgemeinschaft der Brüder

53

b) Quellenmäßige Behandlung der Brüdergemeinschaft

54

2. Die erste Regelung der Brüdergemeinschaft - Das sächsische Landrecht Art. 12 a) Eike von Repgow und die Entstehung des Sachsenspiegels b) Die Regelung des Art. 12 des sächsischen Landrechts

.......

55 55 55

aa) Der Text des Art. 12

55

bb) Teilhabe der Brüder an Nutzen und Schaden

56

Inhaltsverzeichnis 3. Die Sachsenspiegelglosse zu Art. 12 a) Die Glossierungen des Sachsenspiegels

57 57

b) Text der Glosse

58

c) Das ,,gesampte() und ungezweite()" Gut

59

aa) Die Glossenkonzep*tion Johann von Buchs (1) Sprachliche Parallelen von Art. 12 und D 17, 2 Pro Socio . . .

60 60

(2) Die Klärung des Rechts der Brüdergemeinschaft anhand der leges

61

(3) Der Einfluß der accursischen Glosse

62

bb) Zusammenfassung

63

II. Das Verständnis der Glossierung aus den Ordnungsvoraussetzungen ihrer Zeit

64

Viertes Kapitel Die Theorie der Gesamthand in der Zeit der Vorherrschaft des römischen Rechts in Deutschland I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

66

1. Die simultanea investitura

66

2. Die dogmatischen Grundlagen der sächsischen Gesamtbelehnung

68

a) Henning Gödens Konsilien zum sächsischen Lehnrecht aa) Konsilium „De successione fundi" bb) Sextum Consilium de Salinis

68 68 69

(1) Der Sachverhalt

69

(2) Grundlagen der Entscheidung

70

(3) Die Struktur der Lehensgesamthand in der Vorstellung Gödens cc) Gödens argumentative Vorgehensweise

72 74

b) Die Lehensgesamthand in der Sichtweise der praktischen Jurisprudenz des 16. und 17. Jahrhunderts (Konsilien, Observationen, Quaestionen)

75

aa) Die beginnende Abkehr von der Einzelfallbetrachtung

75

bb) Die Struktur der Lehensgesamthand aus der Sicht praktisch tätiger Juristen

76

3. Zusammenfassung II. Die Theorie der Ganerbschaften

78 79

1. Begriff und Charakteristik der Ganerbschaften

79

2. Dogmatische Aufarbeitung des Verhältnisses der Ganerben

81

a) Die monographische Abhandlung „De Ganerbinatu" von Konrad Rittershausen

81

b) Abhandlungen zum Wesen der Ganerbschaft im Gefolge Rittershausens

84

10

Inhaltsverzeichnis

I I I . Der zwiespältige Versuch der Erklärung des Wesens der Gesamthand in römischrechtlichen Begriffskategorien

86

Fünftes Kapitel Im Zuge kritischer Bestandsaufnahme des römischen Rechts Die Theorie vom dominium plurium in solidum I. Rechtsgeschichtliche Wegbereitung neuer Ideen durch den Usus Modernus Pandektarum 1. Geschichtliche Grundlagen

88 88

2. Die Gesamthand im Blickwinkel der Vertreter des Usus Modernus . . . . a) Benedikt Carpzov

89 89

b) Wolfgang Adam Lauterbach

90

c) Georg Adam Struve

90

d) Samuel Stryk

91

e) Johann Schilter

93

f) Zusammenfassung

95

3. Die Theorie vom dominium plurium in solidum

95

a) Die eheliche Gütergemeinschaft in Deutschland

96

b) Exkurs: Das Ehegüterrecht der Römer c) Justus Veracius und die Theorie vom dominium plurium in solidum

96 . .

98

aa) Der Autor

98

bb) Die Theorie

99

(1) Die Unterschiede von römischem Recht und Bamberger Ehegüterrecht (2) Die Ehegatten als Eigentümer des gesamten Vermögens (3) Die argumentativen Grundlagen der Theorie cc) Zusammenfassung II. Möglichkeiten und Gefahren historischer Argumentation I I I . Die Resonanz der Theorie in der Dogmatik der Gesamthand 1. Die Kritik an der Theorie des Veracius

99

. . . 100 101 104 105 107 107

2. Die sonstige theoretische Auseinandersetzung mit dem Institut der ehelichen Gütergemeinschaft 108 I V . Lösung aus den Bindungen des römischen Rechts

109

Inhaltsverzeichnis Sechstes Kapitel Die Gesamthandstheorie im Geist des Zeitalters des Vernunftrechts - Vom dominium plurium in solidum zum Gattungsbegriff des Gesamteigentums I. Das dominium plurium in solidum im ehegüterrechtlichen Schrifttum

111

1. Heinrich Arnold Lange

111

2. Johann Georg Estor

112

3. Justus Friedrich Runde

114

a) Die Ausführungen zur ehelichen Gütergemeinschaft

114

b) Neue Argumentationsformen

115

4. Zusammenfassung

116

II. Die Anwendbarkeit des dominium plurium in solidum auf die Lehensgesamthand 117 1. Johann Gottfried Bauer

117

2. Karl Wilhelm Paetz

120

3. Andreas Joseph Schnaubert

121

III. Das Gesamteigentum als Gattungsbegriff 1. Die Gestaltung des Begriffs durch Karl Christoph Hofacker

122 123

a) Die Gegensätze zwischen römischem und deutschem condominium . . . 123 b) Das Gesamteigentum als abstraktes Rechtsprinzip 2. Die Etablierung des Begriffs „Gesamteigentum"

125 126

a) Wilhelm August Friedrich Danz

126

b) George Phillips

127

3. Zusammenfassung

128

IV. Die Gesamthandsdogmatik vor dem Hintergrund des Zeitalters des Vernunftrechts 128

Siebtes Kapitel Die Regelung des gemeinschaftlichen Eigentums in den deutschen Kodifikationen am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts I. Die Idee einer reichseinheitlichen Kodifikation und ihre Auswirkung auf die Gesamthandslehre 131 II. Die Kodifikationen im einzelnen

132

12

Inhaltsverzeichnis 1. Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis

132

a) Entstehung und Struktur des CMBC

132

b) Die Regelung des condominium

132

c) Die Anmerkungen Kreittmayers zur Regelung des condominium

. . . 133

2. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten

134

a) Die Gesetzgebungsarbeiten in Preußen

134

b) Die Regelung gemeinschaftlichen Eigentums im A L R

135

c) „Vom gemeinschaftlichen Eigenthume" der Miterben

136

d) Zusammenfassung

137

3. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie 138 a) Die Vorläufer des A B G B

138

aa) Der Codex Theresianus

138

bb) Der „Urentwurf"

139

b) Die Regelung gemeinschaftlichen Eigentums im A B G B

141

III. Savignys Kritik an den Kodifikationsbestrebungen und ihre Anwendbarkeit auf die Gesamthandsdiskussion 142

Achtes Kapitel Abkehr vom dominium plurium in solidum Die Theorie von der mystischen Person I. Rückkehr zu gemeinrechtlicher Begriffsbildung in der Gesamthandsdogmatik 1. Die Abkehr von einem geschlossenen gesamthänderischen Prinzip

....

144 144

2. Die Ausschließlichkeit von römischem Miteigentum und Eigentum der juristischen Person 145 a) Romeo Maurenbrecher

145

b) Karl Joseph Anton Mittermaier

146

c) Ludwig Duncker

146

3. Das Verständnis der konservatorisch romanistischen Gesamthandsdogmatik aus dem Blickwinkel der Historischen Rechtsschule 149 4. Zusammenfassung II. Die Theorie von der mystischen Person

150 .'

1. Die Gestaltung der Theorie durch Hasse

151 151

a) Methodische Grundlagen

151

b) Hasses Kritik am dominium plurium in solidum

152

c) Die Theorie von der mystischen Person im einzelnen

153

d) Zusammenfassung

155

Inhaltsverzeichnis III. Die Weiterentwicklung der Theorie von der mystischen Person

156

1. Die zunehmende Modifikation der Theorie

156

2. Der Gesamteigentumsbegriff bei Carl Friedrich Eichhorn

156

3. Die Relativierung der mystischen Person bei Pfeiffer

158

4. Der Schritt von der mystischen Person zur juristischen Person

159

a) Die Ehegatten als juristische Personen

159

b) Die Übertragung der Theorie von der mystischen Person durch Wilhelm Eduard Albrecht 160 aa) Die moralische Person in der Gesamtbelehnung

160

bb) Möglichkeiten historischer Argumentation - Karl Kroeschell über Albrechts Gewere 161 c) Nutzbarmachung methodischer Ansätze für die Gesamthandsdiskussion 163 I V . Zusammenfassung

164

Neuntes Kapitel Im Zuge der Genossenschaftstheorie Die Gesamthand als Rechtsprinzip I. Die Genossenschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts 1. Die Bedeutung der Genossenschaften

165 165

2. Die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Interessen Wahrnehmung als Folge der industriellen Revolution 166 3. Kollektives Eigentum in der sozialistischen Eigentumslehre II. Georg Beselers Konzeption der Gesamthand 1. Überblick über die Entwicklung seines Gesamthandsmodells

167 168 168

2. Die Form des Gesamteigentums in der „Lehre von den Erbverträgen" . . . 169 a) Die Unbrauchbarkeit römisch-rechtlicher Ansatzpunkte

169

b) Die Suche nach einem leitenden Prinzip

170

3. Beselers erweiterte Gesamthandskonzeption im „System des gemeinen deutschen Privatrechts" 172 4. Die Gestaltung der Theorie unter dem Eindruck des geschichtlichen Umfeldes 173 a) Parallelen zur Theorie Hasses

173

b) Der Einfluß der Historischen Rechtsschule und der faktischen Entwicklung des Genossenschaftswesens auf Beselers Argumentation 174 5. Der Umgang mit rechtshistorischen Vorgaben

175

14

Inhaltsverzeichnis

I I I . Die Weiterentwicklung der Genossenschaftstheorie durch Otto von Gierke . . 176 1. Die Aufgabe des Genossenschaftsrechts

176

2. Das Gesamthandsprinzip Otto von Gierkes

177

a) Die Gesamthand als Rechtsprinzip

177

b) Das personelle Band als prägendes Element des Gesamthandsprinzips

178

c) Die Folgen personenrechtlicher Teilhaberschaft

179

3. Das Gesamthandsprinzip im Spiegel des Menschenbildes Gierkes

180

4. Zusammenfassung

182

I V . Die Gesamthandsdiskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie

183

1. Der Einfluß der Genossenschaftstheorie auf die übrige Gesamthandsdogmatik 183 2. Die Struktur der Gesamthand im Blickwinkel germanistischer Juristen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

184

a) Carl Gustav Homeyer

184

b) OttoStobbe

186

c) Wilhelm Arnold

187

d) Carl Friedrich Gerber

188

e) Andreas Heusler

189

3. Zusammenfassung

190

Zehntes Kapitel Die Gesamthandsdiskussion im Spiegel der Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft im 19. Jahrhundert I. Möglichkeiten dogmatischer Einflußnahme auf die Rechtspraxis

192

II. Die Berücksichtigung der verschiedenen Gesamthandskonzepte durch die Rechtsprechung 193 1. Die Ehegatten als mystische Person

193

2. Die Eigentumsgemeinschaft der Ehegatten

194

a) Überblick über die Rechtsprechung

194

b) Die eheliche Gütergemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft

....

194

c) Das Gesamtgut als Miteigentum nach ideellen Teilen

196

d) Die ideelle Teilung jeden Gegenstandes des Gesamtgutes

197

3. Die Resonanz der dogmatischen Auseinandersetzung in der Rechtsprechung 198

Inhaltsverzeichnis Elftes Kapitel Die Normierung des Gesamthandsgedankens in den bürgerlichrechtlichen Kodifikationen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts I. Die Kodifikationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts

201

II. Die Normierung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch 202 1. Die Regelungen des 1. Entwurfs 1852 a) Der Vorschlag zur Normierung gemeinschaftlichen Eigentums

202 ....

b) Die Motive zu §§ 408ff. des Entwurfs

202 203

2. Die endgültige Regelung des Miteigentums im Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch 204 III. Die Regelung der Gesamthandsgemeinschaften im Bürgerlichen Gesetzbuch 205 1. Die Entstehung der Kodifikation und die Kritik an ihren Entwürfen

...

205

2. Die Normierung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gesetzgebungsverfahren des Bürgerlichen Gesetzbuches 207 a) Der Dresdner Entwurf

207

b) Die Beratungen der ersten Kommission

209

c) Die Beratungen der zweiten Kommission

211

aa) Die Strukturierung des Gesellschaftsvermögens

211

bb) Die Abwägung von römischrechtlichem Miteigentum und deutschrechtlichem Gesamthandseigentum 212 cc) Die tatsächlichen Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf . . . 213 d) Zusammenfassung und Würdigung

214

3. Die Normierung des Gesamthandsprinzips bei der ehelichen Gütergemeinschaft 216 a) Die Vorlage des Redaktors Gottlieb Planck

216

b) Die Beratungen der ersten Kommission

217

c) Die Beratungen der zweiten Kommission und die Ausführungen der Denkschrift des Reichsjustizamtes 217 4. Die Normierung des Gesamthandsprinzips bei der Erbengemeinschaft . . . 219 a) Die Vorlage des Redaktors Gottfried von Schmitt

219

b) Die Erbengemeinschaft aus der Sicht der ersten und der zweiten Kommission 220 5. Zusammenfassung

221

Inhaltsverzeichnis

16

Zwölftes Kapitel Die Gesamthandsdiskussion von der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches bis zur Gegenwart I. Der Schritt von historischer Betrachtung zu gegenwartsbezogener Dogmatik 223 II. Die Theorien im einzelnen

224

1. Die Gesamthand als allgemeines Rechtsprinzip a) Die Existenz eines einheitlichen Rechtscharakters der Gesamthand

224 . . 224

b) Die Relevanz der Rechtsnatur der Gesamthand für die Lösung rechtlicher Probleme 225 2. Die individuelle Betrachtungsweise der Gesamthand

226

a) Die mehrheitliche, voneinander unabhängige Zuständigkeit der Gesamthänder 226 aa) Die ältere Theorie von der geteilten Mitberechtigung

226

bb) Die Gleichsetzung von Gesamthands- und Bruchteilseigentum durch Schulze-Osterloh 228 b) Die individuelle Zuordnung durch Vervielfältigung der Rechtszuständigkeit 230 aa) Konrad Engländer: Die regelmäßige Rechtsgemeinschaft

230

bb) Romano Kunz: Über die Rechtsnatur der Gemeinschaft zur gesamten Hand 232 c) Zusammenfassung

233

3. Die Verbundenheitslehre

233

a) Die Formel von der Verbundenheit der Gesamthänder

233

aa) Die Vorläufer der herrschenden Meinung von der Verbundenheit der Gesamthänder

234

bb) Die gegenwärtig vertretenen Auffassungen

236

cc) Die Berechtigung des Gesamthänders als Wertanteil

237

(1) Karl Wieland: Handelsrecht 237 (2) Die Weiterentwicklung des Gedankens vom Wertanteil durch Ulrich Huber 238 dd) Die Unterschiede der Berechtigungen bei den einzelnen Gesamthandsgemeinschaften 239 ee) Zusammenfassung

240

b) Die Verbundenheitslehre als Klammer für ein Nebeneinander von Anteils- und Einheitsbetrachtung 240 c) Zusammenfassung 4. Die Gesamthand als Rechtssubjekt a) Die Rechtsfähigkeit der Einheit der Gesamthänder

242 242 242

Inhaltsverzeichnis b) Die Färbung der Rechtssubjektivität der Einheit durch die Rechtssubjektivität der verbundenen Personen 244 aa) Die Gestalttheorie

244

bb) Die Gruppe der Gesamthänder als kollektive Einheit

245

c) Die Teilrechtsfähigkeit der Gesamthand

247

aa) Das ältere Schrifttum zur Frage der Rechtssubjektivität

247

bb) Die Relativität der Rechtsfähigkeit

248

d) Zusammenfassung

249

III. Die Grundstrukturen der dogmatischen Auseinandersetzung

249

Dreizehntes Kapitel Schlußbetrachtung - Was kann die historische Beleuchtung des Wesens von der Gesamthand für die aktuelle dogmatische Auseinandersetzung leisten? I. Die Eckwerte historischer Argumentation

251

II. Die aktuelle Dogmatik der Gesamthand im Spiegel ihrer Entwicklung . . . .

253

1. Die Legitimation historischer Argumentation durch den Gesetzgeber . . . .

253

2. Die Rahmenwerte der Gesamthandsdiskussion

253

3. Die Brauchbarkeit des historischen Rahmens zur Eingrenzung des aktuellen Diskussionsstandes 255 4. Die Notwendigkeit eines geschlossenen Systems der Gesamthand

255

a) Die Tradition der Suche nach dem Gesamthandsprinzip

255

b) Das praktische Bedürfnis nach einem geschlossenen System

257

5. Ausblick Quellen- und Literaturverzeichnis

2 Ascheuer

258 260

Abkürzungsverzeichnis a. A .

anderer Ansicht

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

ADB

Allgemeine Deutsche Biographie

ArchBürgR

Archiv für Bürgerliches Recht

Art.

Artikel

BB

Der Betriebs-Berater

Bd.

Band

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

cap.

capitulum

CJ

Codex Justinianeus

CTh

Codex Theodosianus

Coing,

Coing, Helmut,

EuropPrivR I I

Europäisches Privatrecht, Band 2

D

Digesten

DB

Der Betrieb

Ders.

Derselbe

d.h.

das heißt

Dies.

Dieselben

Diss. FamRZ

Dissertation Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Gierke, DPrivatR (I und II)

Gierke, Otto von, Deutsches Privatrecht (Band)

Gierke, GenR ( I - IV)

Gierke, Otto von, Das deutsche Genossenschaftsrecht (Band)

Gierke, Genth

Gierke, Otto von, Genossenschaftstheorie und deutsche Rechtsprechung

Gruchot

Gruchot Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts (Band und Seite)

Abkürzungsverzeichnis HGB

Handelsgesetzbuch

HGB-GroßkommBearbeiter

Handelsgesetzbuch-Großkommentar

HRG

Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (Band)

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben von

Inst./I

Institutionen

JR

Juristische Rundschau

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristen-Zeitung

Käser I

Käser, Max, Das römische Privatrecht, 1. Abschnitt

Käser I I

Käser, Max, Das römische Privatrecht, 2. Abschnitt

KG

Kommanditgesellschaft

Kroeschell, D R G

Kroeschell, Karl, Deutsche Rechtsgeschichte

Münch-KommBearbeiter

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

NDB

Neue Deutsche Biographie

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nov.

Novelle

OAG

Oberappellationsgericht

OHG

Offene Handelsgesellschaft

19

OTr

Obertribunal

RGRK-Bearbeiter

Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar

RGZ

Amtliche Sammlung der Reichsgerichtsrechtsprechung in Zivilsachen

RGSt

Amtliche Sammlung der Reichsgerichtsrechtsprechung in Strafsachen

Rn.

Randnummer

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

Seuff. Arch.

Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten

Sp.

Spalte

SZGerm.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, germanistische Abteilung

SZKanon.

Zeitschrift der Savigny-Stifung für Rechtsgeschichte, kanonistische Abteilung

SZRom.

Zeitschrift der Savigny-Stifung für Rechtsgeschichte, romanistische Abteilung

tit.

titulus

2*

Abkürzungsverzeichnis

20 u.a.

unter anderem

Vgl.

Vergleiche

Wieacker, PrGN

Wieacker, Franz, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit

z.B.

zum Beispiel

ZDR

Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft

ZfR

Zeitschrift für Rechtsgeschichte

ZgeschRW

Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZNR

Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte

z.T.

zum Teil

Erstes Kapitel

Die dogmatische Diskussion um das Wesen der Gesamthand L Einleitung 1. Das Dilemma der Charakterisierung des Wesens der Gesamthand „Das Problem der Gesamthand erfreut sich einer schier unversiegbaren Lebenskraft. Längst wollte man ihm ein Ende bereiten. Indessen mußte Geschlecht um Geschlecht im geistigen Streite dahingehen, ohne den dogmatischen Kern der eigenartigen Gemeinschaft zur gesamten Hand erschlossen zu haben." 1 Diese Feststellung könnte als resignierende Zusammenfassung jahrhundertelanger rechtsdogmatischer Bemühungen um die Erschließung des Wesens der Gesamthand einen neuerlichen Versuch der Charakterisierung schon von vornherein sinnlos machen. In der Tat trifft dieses Zitat aus dem Jahre 1936 auch heute noch den Kern des Dilemmas, in dem sich die Rechtsdogmatik der Gesamthand befindet. Auch moderne Autoren begreifen die Gesamthand immer noch als geheimnisumwittertes „Mysterium" 2 . Trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Zuordnungsmodell der Gesamthand herrscht über ihren Charakter nicht einmal in den Grundzügen Einigkeit 3 . Unstimmigkeiten herrschen sogar darüber, ob der Gesamthand wirklich etwas Geheimnisvolles, Unergründliches, sich der Erfassung durch rationale Denkmethoden Entziehendes anhaftet. Für Heck 4 zählt die Gemeinschaft zur gesamten Hand zu den leicht verständlichen Instituten. Seiner Meinung nach ist sie eine Rechtsfigur, die nichts Mysteriöses in sich berge.

1

Buchda, S. 3. Weber-Grellet überschreibt seinen Aufsatz in AcP 182 (1982), 316 mit der Frage: „Die Gesamthand - ein Mysterienspiel?"; Hoffmann, Gesamthandsverpflichtungen, NJW 1969, 724 belegt die Gesamthandsgemeinschaft mit dem Adjektiv „eigenartig", wie schon Buchda vor ihm, vgl. Fn. 1. 3 Weber-Grellet, Gesamthand, AcP 182 (1982), 316; Bartholomeyczik, Willensbildung, FS Reinhardt, 1972, S. 13. 4 Heck, S. 372. 2

22

1. Kap.: Die Diskussion um das Wesen der Gesamthand

Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des BGB die Chance nicht genutzt, dem bis dahin schon jahrhundertelang andauernden Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand durch positive Regelung ein Ende zu bereiten. Die zweite Kommission zog es vielmehr vor, die Normierung auf Grundfragen zu beschränken. Positiv geregelt sind lediglich die Grundnormen §§ 719, 1419, § 2033 BGB hinsichtlich der Verfügungsbeschränkungen und § 738 BGB bezüglich des Anwachsungsprinzips. Die Frage nach der Rechtsnatur überließ man der rechtsdogmatischen Kreativität von Wissenschaft und Rechtsprechung.5 Diese Kreativität zeigt sich in der erstaunlichen Vielgestaltigkeit der Vorschläge, die den Charakter dieser Rechtsgemeinschaft zu erfassen suchen.6 Aufgrund dieser vielfältigen, kaum miteinander in Einklang zu bringenden Bemühungen hat der dogmatische Streit über die Rechtsnatur der Gesamthand nach der Ansicht von Weber-Grellet alle Aussicht, auch in das 21. Jahrhundert hinein fortgeführt zu werden. 7 2. Untersuchungsgegenstand Die vorliegende Arbeit möchte dem Streit lediglich eine neue Nuance hinzufügen. Es soll nicht versucht werden, ein eigenständiges Konstruktionsmodell zu entwickeln. Vielmehr wird der aktuelle Diskussionsstand verstanden als der Endpunkt einer dogmengeschichtlichen Entwicklung. Die in der aktuellen Dogmatik diskutierte Frage des Wesensgehalts des Gesamthandseigentums dient als Ausgangspunkt einer rechtshistorischen Betrachtung. Im Vordergrund steht dabei die historische Skizze. Doch ist die dogmengeschichtliche Behandlung der Gesamthand zu verstehen als Argumentationshilfe zur Bewältigung aktuellrechtlicher Fragestellungen. 8 Zwar hat, wie Wieacker es formuliert, die Rechtsdogmatik der Praxis keine Richtlinien und Weisungen zu erteilen, aber die Voraussetzungen und Begriffe zu definieren, in deren Rahmen methodische Praxis noch machbar ist. 9 Auf diesem Wege ist es möglich, Schätze vergangener Erfahrungen für Gegenwartsprobleme fruchtbar zu machen. 10 Gerhard Buchda hat mit seiner Abhandlung „Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre" 1936 diesen Weg für die Dogmengeschichte der Gesamthand bereits beschritten. Seit der Veröffentlichung sind nunmehr

5 Protokolle I I , S. 730. Trotzdem meint Brecher, Rezension Kunz, AcP 166 (1966), 362, die Frage nach der Rechtsnatur der Gesamthand sei eines derjenigen Themen, die einer monographischen Bearbeitung würdig seien. 7 Weber-Grellet, Gesamthand, AcP 182 (1982), 316, 320. 8 Picker, S. 10. 9 Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 5. Fuhrmann, F A Z vom 4. 8. 1988, S. 21. 6

II. Die modernen Theorien über die Rechtsnatur der Gesamthand

23

aber bereits über 50 Jahre vergangen. Seitdem ist im Rahmen der Gesamthandsdiskussion kein Stillstand eingetreten. Auch die neu entwickelten Konstruktionen sollen einer historischen Würdigung unterzogen werden. Daß ein Bedürfnis nach historischer Legitimation besteht, läßt sich den Hinweisen des modernen Schrifttums auf historische Vorbilder und vergangene geschichtliche Epochen entnehmen. So macht Schünemann11 ausdrücklich Remineszenzen an die Lehre des Justus Veracius, der 1681 in seinem Buch „Libellus consuetudinem Principatus Bambergensis" über die eheliche Gütergemeinschaft den Begriff des „dominium plurium in solidum" prägte. Ein weiterer Hinweis findet sich ebenfalls bei Schünemann, wenn er auf Karl Christoph Hofackers „Principia Juris Civilis Romano-Germanici", 2. Auflage 1800/1801 bezüglich des Charakters eines Gesamthandanteils aufmerksam macht. 12 Auch Flume 13 hebt die Bedeutung des Rückblicks auf die Entwicklung der Gesamthandslehre hervor. Er weist mit einem Zitat aus dem Werk von I . A . Hasse „Beytrag zur Revision der bisherigen Theorie von der ehelichen Gütergemeinschaft nach deutschem Privatrecht" von 1808 die Lehre vom „dominium plurium in solidum" zurück. Wiedemann 14 schließlich stellt in seinem Gesellschaftsrechtslehrbuch dem § 5 über die Vermögensordnung der Gesamthand einen geschichtlichen Überblick voran. Dies scheint Anreiz genug, um über diese fragmentarischen Hinweise hinaus, eine durchgängige Verfolgung der dogmengeschichtlichen Entwicklung zu versuchen. Ermutigt wird dieses Bemühen von Robert Fischer 15 , der in seiner Besprechung des Buches von Werner Flume „Die Personengesellschaft" die Hinweise auf zeitlich weit zurückliegende Meinungen als spannend und reizvoll, fruchtbar und anregend bezeichnet. Erfahrungen von Rechtsprechung und Schrifttum, so meint er, die vielfach in Vergessenheit geraten wären, könnten in ihrer gegenwartsbezogenen Bedeutung zu neuem Leben erweckt werden.

I L Skizzierung der modernen Theorien über die Rechtsnatur der Gesamthand 1. Grundproblematik der Diskussion Die Gesamthandsdiskussion läßt sich unter Außerachtlassung von Einzelheiten im wesentlichen auf zwei Grundprobleme restringieren. Problematisiert wird einerseits, ob der Frage nach der Rechtsnatur der Gesamthand

11 12 13 14 15

Schünemann, Grundprobleme, S. 102. Schünemann, Grundprobleme, S. 83. Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), 177, 178 und 197. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 423. Fischer, Die Personenhandelsgesellschaft, Z G R 1979, 251.

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1. Kap.: Die Diskussion um das Wesen der Gesamthand

überhaupt eine Bedeutung zukommt. 16 Die unterschiedliche Ausgestaltung der Gesamthandsgemeinschaften des BGB, ja sogar die unterschiedliche Ausgestaltung derselben Gemeinschaft in verschiedenen Rechtsgebieten, wie sie bei der BGB-Gesellschaft im Verhältnis zur O H G oder K G vorliegt, trägt nicht zum Verständnis des geistigen Gebildes „Gesamthand" bei, dessen Existenz sich letztlich nur aus der Vorstellungswelt des jeweiligen Autors ableiten läßt. 17 Diejenigen Beiträge der Zivilrechtsdogmatik, die gleichwohl die Gesamthand auf ein einheitliches Prinzip zurückführen, sind gekennzeichnet durch eine unterschiedliche Akzentuierung der Einheit der Gesamthand und der Vielheit der Gesamthänder. Das bedingt eine unterschiedliche Zuordnung der Vermögensgegenstände des Gesamthandsvermögens. Die erste Lehre betrachtet als Zuordnungssubjekt die einzelnen Gesamthänder individuell, d. h. die Gesellschafter, die Ehegatten oder die Erben sind Träger des gemeinschaftlichen Vermögens. Diese Sichtweise ermöglicht es jedem Gesamthänder über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen frei zu verfügen. Die Verfügung über den Anteil insgesamt birgt gleichzeitig die Verfügung über den Anteil an einzelnen Gegenständen des Vermögens in sich. 18 Die Verbundenheitslehre dagegen sieht als Träger der Rechte des Gesamthandsvermögens die individuelle Person nur in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. 19 So kann der Erbe nach § 2033 Abs. 1 BGB zwar über seinen gesamten Anteil am Nachlaß verfügen, nach § 2033 Abs. 2 BGB jedoch nicht über seinen Anteil an einem einzelnen Vermögensgegenstand. Hierzu bedarf es nach § 2040 Abs. 1 BGB eines gemeinschaftlichen Vorgehens aller Erben. Nach § 2042 Abs. 1 BGB hat jedoch jeder Miterbe das Recht, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen und sich so von den aus der gemeinschaftlichen Innehabung des Nachlasses resultierenden Verfügungsbeschränkungen zu lösen. Ausgangspunkt der Verbundenheitslehre ist die Zuweisung des Rechts der Gesamthänder zum Vermögensrecht. Die Gesamthänder sind in ihrer Verbundenheit lediglich Subjekte des ihnen gemeinschaft16

HGB-Großkomm-Fischer, 3. Auflage, § 105 Anm. 7. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 247. 18 Schulze-Osterloh, S. 132; Buchner, Zur rechtlichen Struktur, AcP 169 (1969), 483; aus der älteren Literatur: Heck, S. 372; Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum, Z H R 49 (1900), 140, 183; Nagler, Die gesammte Hand, Sächsisches Archiv, Band 10 (1900), 695 , 723. 19 Zur GbR: Staudinger-Keßler, 2. Buch, Vorb. zu § 705 Rn. 62 b; SchlegelbergerGeßler, Bd. 2, § 105 Rn. 34 ff.; Staudinger-Huber, 2. Buch, § 741, Rn. 147; RGRKv. Gamm, Bd. II/4, § 718 Rn. 1; Fikentscher, S. 612; Nicknig, S. 6; B G H Z 34, 293, 296; zur ehelichen Gütergemeinschaft: Dölle, S. 875; Gernhuber, S. 542; MünchKomm-Kanzleiter, Bd. 5/1, § 1419 Rn. 2; RGRK-Finke, Bd. IV/1, § 1419 Rn. 1; Staudinger-Thiele / Thiele, 4. Buch, § 1419 Rn. 1; Tiedtke, FamRZ 1975, 676; zur Erbengemeinschaft: v. Lübtow, S. 795; Kipp-Coing, S. 488; Schlüter, S. 261; Lange, Verfügung und Auseinandersetzung, JuS 1967, 454; Münch-Komm-Dütz, Bd. 6, § 2033 Rn. 12; RGRK-Kregel, Bd. V/1, § 2032 Rn. 4; Staudinger-Werner, 5. Buch, § 2032 Rn. 5. 17

II. Die modernen Theorien über die Rechtsnatur der Gesamthand

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lieh zugeordneten Vermögens. 20 Schließlich leugnet eine dritte Meinung jede Individualität der Gesamthänder und macht zum Zuordnungssubjekt der Rechte des Gesamthandsvermögens die Gesamthand als solche. Die Gesellschaft, die eheliche Gütergemeinschaft, die Erbengemeinschaft erhalten eigene Rechtssubjektivität, wodurch sich Ähnlichkeiten mit einer juristischen Person ergeben. 21 Im Zentrum dieser Erörterungen steht die Verdichtung der Personenmehrheit zur Einheit der Gruppe. Die Ausführungen werden damit Teil des Personenrechts. Die Vermögensordnung der Gesamthand ist lediglich Folge des Gemeinschaftsverhältnisses. 22 2. Eingrenzung des Themas Bereits dieser kurze Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion zeigt, wie vielfältig sich das Meinungsspektrum der Gesamthand gestaltet. Im Interesse der Überschaubarkeit des zu behandeinen Stoffes ist es geboten, Begrenzungen vorzunehmen. So soll nur die Zuordnung von Rechten des Gesamthandsvermögens der im BGB geregelten Gesamthandsgemeinschaften der Untersuchung unterzogen werden. Diese Beschränkung setzt sich zwar der Kritik aus, daß sie die Interdependenzen von gemeinschaftlicher Rechtsund Pflichtenträgerschaft vernachlässigt und das Prinzip der Identität von Rechts- und Pflichtenträgerschaft scheinbar verleugnet. 23 Daß zahlreiche Monographien und Abhandlungen sich auf die Aktivseite beschränken, entkräftigt diesen Vorwurf nicht. Doch wird der historische Teil der Untersuchung zeigen, daß das Bemühen um die Erfassung der Rechtsnatur der Gesamthand im wesentlichen um die Zuordnung von Rechten des Gesamthandvermögens kreist. Zudem ist dem Hinweis von Schulze-Osterloh beizupflichten, daß die Behandlung des Themas unter dem Blickwinkel der Zuständigkeit eine bessere Aufdeckung der Sachzusammenhänge ermögliche. 24 Eine Betrachtung auch hinsichtlich der Haftungsfrage würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen.

20

v. Tuhr, S. 81; Ulrich Huber, S. 104. Fabricius, S. 143; Soergel-Hadding, SchR I I I , vor § 705 Rn. 21; Münch-KommUlmer, Bd. 3/2, § 705 Rn. 131; Münch-Komm-Schmidt, Bd. 3/2, § 741 Rn. 6; ders., Ehegatten-Miteigentum, AcP 183 (1983), 481, 486, 487; ders., Nacherbenschutz, FamRZ 1976, 683, 685; Lindacher, Grundfälle, JuS 1981, 431, 433; Hennecke, S. 63. 22 Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), 190, 193; ders., Gesamthandsgesellschaft, FS Raiser, S. 27, 30; Schünemann, Grundprobleme, S. 180. 23 Hennecke, S. 13. 24 Schulze-Osterloh, S. 1. 21

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1. Kap.: Die Diskussion um das Wesen der Gesamthand

3. Vorgehensweise und Zielsetzung Die Untersuchung geht von der Zielvorstellung aus, daß historische Argumentation die Möglichkeit bietet, die gegenwärtige dogmatische Auseinandersetzung durch den Nachweis historischer Wurzeln zu untermauern und auch einzugrenzen, sowie der Möglichkeit, daß historische Argumentation der Dogmatik konstruktive Bausteine zu liefern vermag, die im Hinblick auf gegenwärtige Bedürfnisse entwicklungsfähig sind. Im Bezug auf die Rechtspraxis kann daher die Dogmatik und mittelbar damit auch die Rechtsgeschichte dem Richter Maßstäbe an die Hand geben, anhand derer er im Einzelfall Recht schöpfen kann. Diese applikative Bestimmung von Rechtsgeschichte ist umstritten. Simon 25 hält die bisher vorliegenden Arbeiten von Picker 26 , Krampe 27 und Hattenhauer 28 , deren Intention es ist, zur Klärung von Grundpositionen in ihrer „historisch begründeten tieferen Begründung" 29 beizutragen, bisher für wenig zufriedenstellend. Insbesondere die Vorgehensweise Krampes, mit Hilfe der Exegese des klassischen römischen Rechts Regeln des geltenden Zivilrechts zu interpretieren und zu verwerfen, hält er für verfehlt, da für diesen Weg bereits die Voraussetzungen im Gegenwartsrecht fehlten. 30 In Simons Verständnis von Rechtsgeschichte kann von ihr ein Beitrag zur Rechtsanwendung nicht erwartet werden. 31 Rechtsgeschichte versteht sich seiner Meinung nach als Grundlagenfach, wobei als Grundlage nicht die Dogmatik zu sehen ist, sondern die Bedingungen und Möglichkeiten ihrer Existenz, ihre formale und argumentative Struktur, Wertprämissen, ihre Differenzierung zu anderen Wissenssystemen und schließlich ihre Professionalisierung. 32 Simon sieht also die Dogmatik selbst als Forschungsgegenstand der Rechtsgeschichte und nicht die Rechtsgeschichte als Hilfsmittel der Dogmatik. Aus diesen Vorstellungen heraus lassen sich aus der Rechtsgeschichte keine unmittelbaren Rückschlüsse auf aktuelle Fragestellungen herleiten, weil die Dogmatik von der rechtsgeschichtlichen Forschung nicht getrennt werden kann, sondern ihre historische Darstellung gerade den Forschungsgegenstand der Rechtsgeschichte ausmacht. 25

Simon, Vom Segen, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 272, 273. Die Drittwiderspruchsklage in ihrer geschichtlichen Entwicklung als Beispiel für das Zusammenwirken von materiellem Recht und Prozeßrecht, Köln, Berlin, Bonn, München 198L 27 Die Konversion des Rechtsgeschäfts, Frankfurt/Main 1980; Die Unklarheitenregel - Bürgerliches und römisches Recht, Berlin 1983; Die Garantiehaftung des Vermieters für Sachmängel, Berlin 1980. 28 Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts, München 1982. 29 Dilcher, Vom Beitrag der Rechtsgeschichte, AcP 184 (1984), 247, 281. 30 Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 272, 273. 31 Simon, Vom Segen, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 272, 275. 32 Simon, Vom Segen, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 272, 275. 26

II. Die modernen Theorien über die Rechtsnatur der Gesamthand

27

Auf ein ebenfalls kontemplatives Verständnis von Rechtsgeschichte deuten die Ausführungen von Stolleis 33 . Zwar lehnt Stolleis die applikative Methode, wie sie Picker, Krampe und Hattenhauer wählen, nicht ausdrücklich ab, seinen Erörterungen läßt sich jedoch entnehmen, daß er diese Methode jedenfalls nicht für die Vorzugswürdigere hält. So macht er auf Gefahren aufmerksam, die mit der applikativen Auffassung von Rechtsgeschichte einhergehen. Dies ist zunächst die Begrenzung des Forschungsgegenstandes auf Institute, die im geltenden Recht noch ihre Existenzberechtigung finden. Den konsequent historisch verfahrenden Rechtshistoriker dagegen hindert eine solche Grenze nicht. Er kann sein Augenmerk auch auf Rechtsinstitute richten, die für das geltende Recht irrelevant geworden sind. 34 So läuft der kontemplativ verfahrende Rechtshistoriker weiter auch nicht Gefahr, seine Ergebnisse unbemerkt in eine bestimmte Bahn zu lenken. Da er sich nicht an den Bedürfnissen des geltenden Rechts auszurichten hat, ist er unbefangener in seinem Urteil. 3 5 Schließlich stellt auch Luig die Ergebnisse applikativen Rechtsverständnisses in Frage. Seine zusammenfassende Äußerung in der Rezension des Buches von Picker über die Drittwiderspruchsklage: „Solange es aber eine Dogmatik des Privatrechts gibt, kann man dieser Art von dogmatischer Historie oder historischer Dogmatik ihren Erkenntniswert nicht absprechen" 36 zeugt allenfalls von Toleranz gegenüber solchem Vorgehen, nicht aber von der eigenen Überzeugung von den Vorteilen dieser Methode. 37 Für unbeantwortet hält er auch die Frage nach dem Gewinn einer solchen Betrachtung für die Interpretation geltenden Rechts. 38 Diese für Luig offene Frage beantwortet Klippel mit dem Hinweis, daß ein differenziertes Verständnis der Vergangenheit den Boden auch für die vertiefte Erfassung und Lösung der Probleme der Gegenwart - abgesehen von dem davon unabhängigen Erkenntniswert der Rechtsgeschichte - bereitet. 39 Klippel sucht die Stichhaltigkeit der Argumente aus der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Gesetze zu überprüfen. 40 Picker geht gegenüber Klippel, der historischen Erkenntniswert aus der Gesetzesgeschichte zu erzielen sucht, noch weiter. Er versucht die unmittel33

Stolleis, Aufgaben, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 251, 253. Stolleis, Aufgaben, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 251, 253. 35 Stolleis, Aufgaben, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 251, 253. 36 Luig, Rezension: Picker, AcP 183 (1983), 795,802; ders., Digesten und Dogmatik, Rechtshistorisches Journal, Bd. 5 (1986), 290, 311. 37 Ebenso: Luig, Digesten und Dogmatik, Rechtshistorisches Journal, Bd. 5 (1986), 290, 292, 298, 322. 38 Luig, Bestätigung, Quaderni Fiorentini, Bd. 14 (1985), 601, 617. 39 Klippel, Der zivilrechtliche Schutz, S. 26; ders., Zeitgeschichte, S. 40, 48/49. 40 Klippel, Der zivilrechtliche Schutz, S. 27; ders., Zeitgeschichte, S. 42, 44, 45. 34

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1. Kap.: Die Diskussion um das Wesen der Gesamthand

bare und spezifische Relevanz des römischen Rechts für das heutige Recht zu demonstrieren und beschränkt sich nicht auf die Entstehungsgeschichte des B G B . 4 1 Ausgehend von der Prämisse, daß von der antiken Jurisprudenz ausgeformte und tragende Rechtsgedanken unmittelbar in das geltende deutsche Privatrecht rezipiert worden sind, sollen diese Strukturen aufgedeckt werden und zur unmittelbaren Lösung von Gegenwartsproblemen beitragen. 42 Als Vorbild für die Synthese von Dogmatik und Rechtsgeschichte dienen ihm der Usus modernus, die Historische Rechtsschule und die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts. 43 Gerade aus den Erfolgen der Pandektistik und ihres Folgeproduktes, dem BGB, - worin diese Erfolge bestehen läßt Picker offen leitet er zugleich eine empirische Legitimation und die Vermutung ab, daß die Verknüpfung von Dogmatik und Rechtsgeschichte auch für die Zukunft hilfreich sein kann, das mit dem römischen Recht verzahnte Gegenwartsrecht in Zweifelsfällen zu erklären. 44 Warum gerade dem römischen Recht eine solche Bedeutung zukommt, erklärt Picker mit der Ausbildung „überzeitlicher Fundamentalfiguren", die das römische Recht ausgeformt habe. 45 Ob diese überzeitlichen Fundamentalfiguren gerade und ausschließlich dem römischen Recht immanent sind, kann dahinstehen. Picker ist jedoch zuzugeben, daß sich aus der Rechtsgeschichte permanente, vom Zeitbezug unabhängige Elemente herauslösen lassen. Die Kontinuität ihrer Existenz im Verlauf der Dogmengeschichte legt die Annahme nahe, daß sie das Wesen eines Instituts zum Ausdruck bringen. Schließlich haben sie über Jahrhunderte hinweg Zustimmung gefunden und sich in ihrem Kern erhalten. Sie sind also getragen von der Überzeugung unterschiedlichster Generationen in unterschiedlichem geistesgeschichtlichen Umfeld. Daraus ergibt sich die Legitimation, diese Überzeugung auch in die Gegenwart zu projizieren. In diesem Fall wird Rechtsgeschichte nicht zu einem Steinbruch für Argumente, 46 deren Gegenwartsbezug fragwürdig ist. Bei diesem Vorgehen ist die von Stolleis aufgezeigten Gefahr, 47 die Rechtsgeschichte in der Brechung ihrer Brauchbarkeit für das aktuelle Recht darzustellen und die Ergebnisse hierauf auszurichten, zu vermeiden. Dann aber kann Rechtsgeschichte sich nicht nur in seine Rolle als Grundlagenfach finden, 48 sondern darüber hinaus zu aktuellen Fragestellungen beitragen.

41 42 43 44 45 46 47 48

Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 289. Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 289. Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 294. Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 297. Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 304. Klippel, Der zivilrechtliche Schutz, S. 26. Stolleis, Aufgaben, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 251, 253. Simon, Vom Segen, Rechtshistorisches Journal, Bd. 4 (1985), 272, 275.

II. Die modernen Theorien über die Rechtsnatur der Gesamthand

29

Hinsichtlich der Frage des Wertes einer solchen argumentativen Vorgehensweise 49 ist anzumerken, daß sie die Chance einer anders unerreichbaren Rechtserkenntnis eröffnet. 50 Die Vielfalt der modernen Literatur zum Wesen des Gesamthandseigentums gewinnt durch die rechtsgeschichtliche Betrachtung einen Ordnungsfaktor, den sie aus sich selbst heraus nicht zu bilden vermag. Daher verfolgt die vorliegende Arbeit die historischen Versuche einer Annäherung an den Wesensgehalt der Gesamthand. Die gegenwärtigen Standpunkte sind zu begreifen als Endpunkte einer historischen Entwicklung und sollen auf die Schlüssigkeit ihrer Schlußfolgerungen aus der dogmengeschichtlichen Genese hin untersucht werden. Dabei soll zugleich auch ein Augenmerk auf die generellen Möglichkeiten historischer Argumentation gerichtet werden. A n geeigneter Stelle werden anhand von Beispielen die unterschiedlichen Vorgehensweisen beleuchtet. Der vorliegenden Untersuchung liegt die folgende rechtshistorische Betrachtungsweise als Arbeitsprogramm zugrunde: Historische Argumentation findet nur dort ihre Legitimation, wo der Gesetzgeber eine Möglichkeit hierzu gelassen hat. 5 1 Luig weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß das Gesetz auch bei irrtümlichen oder unlauteren Motiven des Gesetzgebers Bindungswirkung entfaltet. 52 Aufgabe der Rechtsgeschichte kann es mithin nicht sein, den Willen des Gesetzgebers in eine bestimmte Richtung zu korrigieren. Sinnvolle historische Argumente lassen sich weiter nur aufgrund umfassender Nachzeichnung des Entwicklungsprozesses eines Instituts gewinnen, wobei die dogmatischen Erwägungen nicht herausgelöst werden können aus ihrem politischen, geistesgeschichtlichen und sozialen Umfeld, sondern jeder Rechtssatz einer vergangenen Ordnung ist in seinen eigenen Ordnungsvoraussetzungen begreifbar zu machen. 53 Dies bedingt auch eine analytische Betrachtung der geschichtlichen Gegebenheiten und ihre Wirkung auf die zu diesem Zeitpunkt vertretenen Auffassungen zum Wesen des Gesamthandseigentums. Schließlich sind aus der rechtsgeschichtlichen Betrachtung permanente, vom Zeitbezug unabhängige Elemente herauszulösen, die durch ihre Kontinuität die Annahme nahelegen, daß sie einen Bestandteil des Wesens der Gesamthand ausmachen. Erwartet werden darf hiernach keine durchstrukturierte dogmatische Konstruktion, die jede weitere

49

Luig, Bestätigung, Quaderni Fiorentini, Bd. 14 (1985), 601, 617. Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 289, 305. 51 Vgl. oben, 1. Kapitel, I. 1.; zur Thematik ferner auch: BVerfG, NJW 1990, 1593. 52 Luig, Bestätigung, Quaderni Fiorentini, Bd. 14 (1985), 601, 616; ders., Rezension: Koch, Z N R 3/4 (1988), 242, 246; in diesem Sinn äußert sich auch Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 289, 303. 53 Vgl. zu dieser Thematik, Landau, Bemerkungen zur Methode, Z N R 1/2 (1980), 117, 127; Wolter, Alternativ-Entwurf, JZ 1976, 469, 470. 50

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1. Kap.: Die Diskussion um das Wesen der Gesamthand

Auseinandersetzung wegen ihrer historischen Legitimation lähmen würde. Dies hieße Geschichte in der Gegenwart festschreiben, was nicht Aufgabe historischer Argumentation sein kann. Aber es lassen sich Bausteine, Eckpfeiler freilegen, die die Theorien, die diese Bausteine verwenden bzw. die sich in dem von den historischen Eckwerten vorgegebenen Rahmen bewegen, mit einer historischen Legitimation versehen. Schließlich eröffnet historische Betrachtung die Möglichkeit, von Vorgehensweisen früherer Juristen in methodischer Hinsicht zu profitieren. Betrachten diese z. B. die Gesamthand als Rechtsprinzip oder verharren sie bei der Betrachtung jedes einzelnen Instituts? Die Applikation der Ergebnisse der Rechtsgeschichte auf die aktuelle Frage des Wesens des Gesamthandseigentums soll die gegenwärtig geführte Diskussion eingrenzen und anschaulicher gestalten helfen und so die Maßstäbe auch für die Rechtsanwendung konkretisieren. Diese Möglichkeit des unmittelbaren Beweiswertes von Rechtsgeschichte für die aktuelle Dogmatik versucht die nachfolgende Untersuchung auszuschöpfen.

Zweites Kapitel

Personenmehrheiten nach römischem Recht I. Notwendigkeit der Klärung römischer Begriffe Vor der Darstellung der rechtstheoretischen Auseinandersetzung mit dem Gesamthandsgedanken im Laufe der Jahrhunderte, soll zunächst ein Blick auf die römischen Regelungen des Rechts der Personenmehrheiten geworfen werden, obwohl der Gesamthandsgedanke, da germanischen Ursprungs, 1 hier kein unmittelbares Vorbild fand. Aber bis in das 19. Jahrhundert dienten Begriffe wie „universitas", „societas" oder „communio" zur Charakterisierung des Gesamthandseigentums. Dem Verständnis des nachfolgenden Abrisses der Dogmengeschichte der Gesamthand ist es daher dienlich, diese rechtlichen Begriffe in dem Sinn, den ihnen das römische Recht beimaß, zunächst zu klären. Aufschlußreich ist insofern auch, welchem Bedeutungswandel die Begriffe unterlagen und in wie vielfältiger Weise sie im Verlauf der Geschichte der Gesamthandsdogmatik eingesetzt werden konnten.

I I . Die Ursprünge des Rechts der Personenverbindungen 1. Die Erbengemeinschaft ercto non cito Gaius beschreibt in den Fragmenten 3,154a und 3,154b die Erbengemeinschaft ercto non cito. Diese Fragmente waren lange Zeit verschollen und wurden erst 1933 in der ägyptischen Wüste wiederentdeckt 2. Die Erbengemeinschaft ercto non cito war der Ausgangspunkt für die Entwicklung der römischen societas, die bei der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland im Mittelalter vielfach zur Erklärung der Struktur der germanischen Gesamthandsgebilde herangezogen wurde. Insofern ist sie daher für die vorliegende Arbeit interessant. Gaius beschreibt die Erbengemeinschaft bereits im Imperfekt: „ . . . quae appellabatur ercto non cito". Es ist als sicher davon auszugehen, daß das Insti-

1 Ogris, Stichwort „Brüdergemeinschaft", H R G I, Sp. 520; Hacmann, Z H R 68 (1910), 439; R. Hübner, Grundzüge, S. 155, 735; Heusler, Institutionen I, S. 229; Philipps, Grundsätze, S. 11; Gierke, DPrR I, S. 664. 2 Dulckeit / Schwarz / Waldstein, S. 260.

32

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

tut dem vorklassischen römischen Recht zuzuordnen ist. Man wird seine Existenz bereits auf die Zeit vor den Zwölf Tafeln, also vor 451 v. Chr., datieren müssen.3 Gaius gibt von der Erbengemeinschaft folgendes Bild: Est autem aliud genus societatis proprium civium Romanorum. Olim enim mortuo patre familias, inter suos heredes quaedam erat legitima simul et naturalis societas, quae appellabatur ercto non cito, id est dominio non diviso: erctum enim dominium est, unde erus dominus dicitur; eiere autem dividere est: unde caedere et secare et dividere dieimus. 4

Nach dem Tod des paterfamilias bleibt also eine gesetzliche und zugleich natürliche Gemeinschaft bestehen, die ercto non cito genannt wurde. Der Name bedeutet, daß das Eigentum nicht geteilt war; erctum bedeutet insofern Eigentum, wozu die Römer jetzt dominium sagen; eiere dagegen heißt teilen, was nun als caedere, secare oder dividere bezeichnet wird. Das Eigentümliche dieser Gesellschaft war, daß sie auf dem Grundsatz der Gleichordnung aller Erben beruhte. Während bestehender Gemeinschaft gab es keine als Bruchteile gekennzeichneten Anteile, über die eine selbständige Verfügung möglich war. Aber jeder Erbe konnte mit Wirkung für alle über die zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Gegenstände verfügen. 5 Gaius führt das Beispiel der Freilassung eines Sklaven an: ... in hac autem societate fratrum ... ceterorumve, qui ad exemplum fratrum suorum societatem coierint, illud proprium erat, quod vel unus ex soeiis communem servum manumittendo liberum faciebat et omnibus libertum adquirebat: item unus rem communem maneipando. 6

Wenn einer der Erben den gemeinschaftlichen Sklaven in die Freiheit entläßt, dann erwirbt dieser die Freiheit im Ganzen. Ebenso verhält es sich auch mit dem Verkauf einer gemeinsamen Sache. Die Rechte stehen also allen gemeinschaftlich zu. Alle sind grundsätzlich zu gemeinschaftlicher Verfügung berufen, aber wie am Beispiel der Freilassung des Sklaven deutlich wird, kann auch ein einzelner mit Rechtswirkung für alle nach außen verfügen. Für das Innen Verhältnis besagt die Regelung nichts. Dies ist der Verständigung der Beteiligten überlassen. 7

3 Käser I, S. 99,100. 4 Gaius, Institutiones, 3, 154a. 5 Käser I, S. 99, 100; Levy, SZRom 54 (1934), 258; Jörs / Kunkel / Wenger, S. 24. 6 Gaius, Institutiones, 3, 154b. 7 Käser I, S. 100.

IL Die Ursprünge des Rechts der Personenverbindung

33

2. Die Beurteilung des vorklassischen consortium in der rechtshistorischen Forschung In der romanistischen rechtshistorischen Forschung ist aufgrund dieser unbestimmten inneren Struktur des aus dieser Erbengemeinschaft hervorgegangenen consortium streitig, wie die Anteile der Beteiligten an dem gemeinschaftlichen Eigentum zu bewerten sind. Kariowa 8 vertrat die These von der Unteilbarkeit des Konsortiums und der Unveräußerlichkeit der Konsortialanteile. Seine Begründung beruht auf der ethymologischen Überlegung, daß der Begriff „ercto non cito" imperativisch zu übersetzen sei und bedeute „er soll nicht zur Teilung rufen!". Dagegen folgt für Pernice 9 aus den Digestenfragmenten D 6,1, 47 und D 29, 2, 78, daß jeder Beteiligte über einen ideellen Anteil am Nachlaß verfügen könne, die Verfügung über das Ganze hingegen versagt sei. Levy 1 0 stellt den Gaius-Fragmenten 3, 154a und 3, 154b eine inhaltlich vergleichbare Stelle aus den Fragmenten des Ulpian gegenüber. Dort heißt es: „communem servorum unus ex dominis manumitiendo partem suam amittit, eaque adcrescit socio . . . " n Hieraus wird nach Meinung Levys der Unterschied zu Gaius deutlich. Bei diesem heißt es: „vel unus ex sociis communem servum manumittendo librum faciebat et ómnibus libertum adquirebat" 12 . Bei Ulpian kann der einzelne Teilhaber nur seinen Anteil an dem Sklaven aufgeben, nicht aber allein dem Sklaven zu völliger Freiheit verhelfen. Durch den Wegfall eines Anteils wächst vielmehr den anderen Teilhabern dieser Anteil an. Nach Meinung Levys ist der Teilhaber bei Ulpian in seiner Verfügungsfreiheit auf den ihm zugewiesenen Teil beschränkt, nur über diesen kann er bestimmen. Nicht so dagegen bei der Erbengemeinschaft ercto non cito. Hier vermag auch der einzelne die vollständige Freiheit zu erteilen. Hieraus zieht Levy nun den Schluß, daß bei der Gemeinschaft ercto non cito ein jeder Eigentümer Volleigentümer sei und als solcher auf die Mitwirkung der anderen nicht angewiesen.13 Die Besonderheit liegt nicht in der Zuordnung der Eigentumsrechte, sondern verlagert sich auf die Verwaltungsebene. Levy sieht hierin den entscheidenden Unterschied zu einer gesamthänderischen Berechtigung. 14 Gleichheit bedeutet nicht, daß alle gemeinsam handeln, sondern, daß jeder für sich zum Handeln berufen ist und jeder die Führung der Geschäfte an sich reißen kann. Gesamteigentum und Einzelverfügungsrecht stehen nicht in Widerspruch, sondern die Verfügungs-

8

Kariowa, Römische Rechtsgeschichte, S. 143. Pernice, Parerga, SZRom 3 (1882), 48, 70. 10 Levy, Neue Bruchstücke, SZRom 54 (1934), 253, 280. 11 Ulpian, Fragmenta, 1, 18. 12 Gaius, Institutiones, 3, 154b. 13 Levy, Neue Bruchstücke, SZRom 54 (1934), 258, 281. 14 Levy, Neue Bruchstücke, SZRom 54 (1934), 258, 283.

9

3 Ascheuer

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2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

macht steht bald dem einen, bald dem anderen zu. Ergreift somit die Verfügungsmacht stets das Ganze, ist dies mit der These der Zuerkennung ideeller Anteile nicht vereinbar. 15 Festzuhalten bleibt demnach, daß nach Meinung Levys mehrere an einem Gegenstand dermaßen beteiligt sind, daß ein einzelner mit Wirkung für die anderen verfügen kann. Das ist jedoch mit einer anteilsmäßigen Zuordnung des Vermögens nicht recht in Einklang zu bringen.

I I I . Die klassische Epoche 1. Die societas a) Die Anfänge des römischen Gesellschaftsrechts

Bereits Gaius berichtet, daß ein Verhältnis nach dem Vorbild der Erbengemeinschaft auch künstlich geschaffen werden konnte: „alii quoque qui volebant eandem habere societatem, poterant id consequi apud praetorem certa legis actione" 16. Personen, die nicht in verwandtschaftlicher Beziehung zueinander standen, konnten aufgrund einer legis actio vor dem Prätor nach Art der Erbengemeinschaft ihr Vermögen zusammentragen. Für diese Urform der societas omnium bonorum galten dieselben Regeln wie für die Erbengemeinschaft. 17 Die Strukturen des natürlichen und künstlichen Konsortiums lösten sich aber bereits zur Zeit der Zwölf Tafeln auf. Die in den Zwölf Tafeln geschaffene Teilungsklage der actio familiae erciscundae ermöglichte es jedem socius auch gegen den Willen der anderen die Teilung zu erzwingen. 18 Der Fortbestand des Konsortiums wurde damit abhängig vom Willen der Beteiligten. Werden bei der Erbteilungsklage die Quoten festgelegt, die jedem Miterben zustehen, um danach die Teilung vorzunehmen, so ist der Schritt zu einer quotenmäßigen Zuweisung des Gesamtvermögens schon während bestehender Gesellschaft nicht weit. Seit der Zeit der jüngeren Republik wird das alte Konsortium von der Bruchteilsgemeinschaft als reiner Vermögensgemeinschaft verdrängt. 19

15

Levy, Neue Bruchstücke, SZRom 54 (1934), 258, 284. Gaius, Institutiones, 3,154b. 17 Levy, Neue Bruchstücke, SZRom 54 (1934), 258, 290. 18 D 10, 2, 1, pr; Tafel 5, 3: Nomina inter heredes pro portionibus hereditariis ercta cita sunto. Ceterarum familiae rerum ercto non cito, si volent heredes erctum faciundo: Praetor ad erctum ciendum arbitros tres dato; abgedruckt bei Bach, S. 48. 19 Käser I , S. 573. 16

III. Die klassische Epoche

35

b) Der konsensuale Gesellschaftsvertrag

Papinianus schreibt: Jure societatis per socium aere alieno socius non obligatur, nisi in communem arcam pecuniae versae sunt. 20

Der Gesellschafter haftet also nicht für Schulden seines Mitgesellschafters, wenn nicht das Geld in die gemeinsame Kasse geflossen ist. Diese Unterscheidung der Rechtssphären legt den Schluß nahe, daß „communis" hier schon Miteigentum bedeutet. Diese Interpretation wird unterstützt durch ein Zitat von Paulus: In societate omnium bonorum omnes res quae coeuntium sunt continuo communicantur. 21

„Communicare" hat die Bedeutung von gemeinsamer Innehabung, aber auch von Teilen, so daß bei der Wortwahl des Paulus beide Elemente, sowohl gemeinsame Innehabung als auch Teilung, nebeneinander vorhanden sind, was auf die Bedeutung von „communicatur" im Sinn von Miteigentum schließen läßt. Es besteht einerseits gemeinschaftliches Eigentum, aber das Eigentum des einzelnen bezieht sich nur auf einen bestimmten Teil des Ganzen. Die konsensuale societas, beruhend auf dem Konsens der Gesellschafter 22, bot gegenüber dem formalistischen Konsortium, zu dessen Gründung nicht miteinander verwandte Personen eine legis actio vor dem Praetor vornehmen mußten, Vorteile. So war die societas nicht bloß Nutzungs-, sondern auch Erwerbsgesellschaft. Die nach dem Vertragsschluß hinzuerworbenen Vermögensbestandteile wurden vergemeinschaftet. Der Beitrag eines socius konnte auch in der Erbringung einer Arbeitsleistung bestehen. ... nam et ita coiri posse societatem non dubitatur, ut alter pecuniam conferat, alter non conferat et tarnen lucrum inter eos commune sit, ..., quia saepe opera alicuius pro pecunia valet. 23 2. D i e Verbindung von societas und communio a) Die Beurteilung des Gesellschaftsvermögens

Dieser formalen Vereinfachung entspricht es, daß das Gesellschaftsvermögen, sofern ein solches vorhanden war, nach den Regeln der communio beurteilt wurde und nicht nach dem komplizierten Verfügungsmechanismus des

20 D 17, 2, 82. 21 D 17, 2, 1, 1. 22 Gaius, Institutiones, 3,151. 2 3 Inst. 3, 25, 2. 3*

36

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

Konsortiums. Allerdings war nach Meinung Wieackers in vielen Fällen gar kein Gesellschafts vermögen vorhanden. Er ist der Ansicht, den Quellen sei nicht zu entnehmen, daß für die socii die Verpflichtung zur Übertragung von Miteigentumsanteilen auf die anderen Gesellschafter bestanden habe. Eine solche Verfügung sei unnötig, wenn jeder mit seinem eigenen Vermögen handele; die Gestattung gemeinschaftlicher Nutzung reiche aus. 24 Tatsächlich wird aber in den Quellen Miteigentum in Verbindung mit societas gebraucht. Dieses Miteigentum entsteht nicht durch Übertragungsakt, sondern besteht vielfach bereits aus einem anderen Rechtsgrund. So kommt ein Gesellschaftszweck in der Regel zu der Verwertung von zufällig entstandenem Miteigentum z.B. der Verwaltung von gemeinsamen Legaten oder Grenzeinrichtungen erst später hinzu. 25 Stand also eine Sache unter gemeinschaftlicher Verwaltung, so war dies nach den Grundsätzen der communio zu beurteilen. Diente die gemeinschaftliche Sache darüber hinaus einem bestimmten gemeinschaftlichen Zweck, so kam es zu einer Verknüpfung von schuldrechtlicher societas und communio. b) Das Wesen der communio

aa) Das Miteigentum der Gesellschafter Sofern also ein Gesellschafts vermögen bestand, beurteilte sich sein Wesen nach den Grundsätzen der communio. So heißt es in den Digesten z.B. „si pecuniam contulissemus" 26 . Conferre in der Bedeutung von zusammentragen, zusammenbringen, löst die Assoziation aus, daß zwar die einzelnen Teile zu einem Ganzen zusammengefügt werden, aber auch in dieser Gesamtheit als Einzelstücke noch erkennbar sind. In diesen Zusammenhang paßt auch der Gebrauch von „in medium referre" 27 , „conferre" 28 . Auch „communicare" 29 erweckt, verstanden in der Bedeutung von vereinigen, gemeinsam machen, zusammenlegen, das Bild des Fortbestandes der Teile nach der Zusammenfügung zu einem Ganzen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn „communicare" im Zusammenhang mit „pars" gebraucht wird. „ . . . alius socius cum eodem a g a t . . . ad communicandas partes" 30 . Die technische Bezeichnung von Miteigentum bei Species-Sachen schließlich lautet „esse commune" 31 und 24

Wieacker, Das Gesellschaftsverhältnis, SZRom 69 (1952), 302, 308. 5 D 17, 2, 52. 26 D 17, 2, 58, 1. 27 D 17, 2, 65, 15. 28 D 17, 2, 52, 16; D 17, 2, 53; D 17, 2, 54; D 17, 2, 19 pr. 29 D 17,2, 1, 1 ; D 17,2, 59 pr. 30 D 17, 2, 63, 5. 31 D 17, 2, 39; D 17, 2, 17, 1; D 17, 2, 52, 4; D 17, 2, 71; D 17, 2, 73. 2

III. Die klassische Epoche

37

jeder Miteigentümer hat eine „pars pro i n d i v i s o " 3 2 . Dies bedeutet, daß dem Miteigentümer zwar ein die ganze Sache erfassender, rechnerisch aber auf eine bloße Quote beschränkter A n t e i l zusteht. Quintus Mucius formuliert dies wie folgt: Quintus Mucius ait partis appellatione rem pro indiviso significari: viso nostrum sit, id non partem, sed totum esse.33

nam quod pro indi-

bb) Qualität der Eigentumsanteile Nicht ganz eindeutig geht aus den Quellen hervor, welche Qualität diese A n t e i l e haben. M ö g l i c h wäre eine Teilung der körperlichen Sache selbst, also eine real vorhandene Teilung oder aber nur eine Teilung des Eigentumsrechts. Dafür, daß nicht die Sache selbst geteilt ist, spricht die Formulierung „pars pro indiviso". E i n T e i l eines Ungeteilten läßt sich schwerlich m i t der realen Teilung des gemeinschaftlichen

Gegenstandes i n E i n k l a n g bringen.

Hierzu

bemerkt U l p i a n : Si duobus vehiculum commodatum sit vel locatum simul, Celsus filius scripsit.. quaeri posse utrum unusquisque eorum in solidum an pro parte teneatur. Et ait, duorum quidem in solidum dominium vel possessionem esse non posse; nec quemquam partis corporis dominium esse, sed totius corporis pro indiviso pro parte dominium habere. Usum autem balnei quidem vel porticus, vel campi uniuscuiusque in solidum esse, neque enim minus me uti, quod et alius uteretur, verum in vehiculo commodato, vel locato pro parte quidem effectu me usum habere, quia non omnia loca vehiculi teneam. 34 Wird von zweien ein Wagen gleichzeitig geliehen oder gemietet, so schreibt Celsus, der Sohn, kann die Frage entstehen, ob jeder von ihnen auf das Ganze oder nur teilweise haftet. Er fährt fort, daß zwei nicht gleichzeitig das volle Eigentumsrecht oder den vollständigen Besitz innehaben können; niemand kann Eigentümer eines körperlichen Teils sein, sondern er hat einen Teil des Eigentumsrechts inne, das sich ungeteilt über den ganzen Körper erstreckt. Wenn aber auch der Gebrauch eines öffentlichen Bades, einer Halle, eines öffentlichen Platzes, welcher Art auch immer, jedem in solidum zusteht, weil nämlich mein Gebrauch durch den Gebrauch eines anderen nicht verkürzt wird, so bedeutet es für den Fall eines geliehenen oder gemieteten Wagens doch, daß ich nur teilweise Gebrauch von ihm machen kann, weil ich nicht alle Plätze des Wagens innehaben kann. Nach Celsus' Auffassung ist ein gemeinschaftliches E i g e n t u m an einem Gegenstand nicht möglich, er meint, vielmehr gehöre jedem ein T e i l , aber es sei nicht jeder Eigentümer eines realen körperlichen Teils, sondern die körperliche Sache stehe ungeteilt i n anteilsmäßigem E i g e n t u m der Beteiligten.

32 D 50, 15,25, 1 ; D 10, 1 , 4 , 7 . 33 D 50,16, 25, 1. 34 D 13, 6, 5, 15.

38

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

Wenn also nicht die Sache selbst geteilt ist, andererseits aber auch ein nicht quotenmäßig aufgeteiltes Eigentum mehrerer gedanklich unmöglich erscheint, verbleibt lediglich das Eigentumsrecht, das einer anteilsmäßigen Aufteilung zugänglich ist. A m Beispiel eines gemeinschaftlichen Sklaven macht Ulpian 3 5 deutlich, daß ein Sklave unmöglich in reale Eigentumsteile zerlegbar ist. Die Teile können nur in der Vorstellung der Beteiligten existieren, sind tatsächlich am gemeinschaftlichen Gegenstand nicht abzugrenzen: Servus communis sie omnium est non quasi singulorum totus y sed pro partibus utique indivisis, ut intellectu magis partes habeant quam corpore* 6

Neben dieser Stelle, die eine Teilung des Eigentumsrechts nahelegt, gibt es aber auch Hinweise darauf, daß mit „Teilung" reale Teilung der körperlichen Sache gemeint ist. Ulpian wiederum verdeutlicht am Beispiel eines Hauses, daß, wenn das Grundstück in der Mitte durch eine Mauer geteilt wäre, es zwei Grundstücke mit unterschiedlichen Eigentumsrechten gäbe: ... si dominus pañete medio aedificato unam domum in duas diviserit, faciunt: nam et hic pro duabus domibus aeeipi debet. y i

ut plerique

Dies weist eher in Richtung auf die Teilung des Objekts selbst. Ulpian wählt mit dem Beispiel des Grundstücks im Gegensatz zu seinem Beispiel des Sklaven einen Gegenstand, bei dem eine reale Teilung möglich ist. Offenbar besteht eine Abhängigkeit zwischen der Beschaffenheit des Gegenstandes und der Annahme körperlicher Eigentumsanteile. Aber selbst der Ausdruck „partes pro indiviso" läßt sich nicht nur in Richtung auf die Teilung des Eigentumsrechts verstehen. Nimmt man die bereits erwähnte Ulpian-Stelle 38 : „ . . . sed totius corporis pro indiviso pro parte dominium habere" und zieht pro parte zu dominium und nicht zu corporis, so bedeutet dies offensichtlich die Teilung des Eigentumsrechts. Grammatikalisch ist aber genausogut eine Verbindung mit corporis möglich und dann wird man pro parte corporis die Bedeutung der Teilung der Sache selbst beilegen müssen. Angesichts dieser syntaktischen Erwägungen ist es nicht ganz zweifelsfrei, ob Celsus tatsächlich die Teilung des Eigentumsrechts vor Augen hatte und nicht eine Teilung der Sache selbst. Es zeigt sich somit, daß das Wesen der anteilsmäßigen Berechtigung bei der communio einen breiten Interpretationsspielraum läßt.

35 36 37 38

D D D D

45, 3, 5. 45, 3, 5; ebenso: D 40,12, 7, 3; D 39, 2, 40, 4. 8, 4, 6,1. 13, 6, 5,15.

III. Die klassische Epoche

cc) Die Verfügungsbefugnis

39

der Gesellschafter

Über den Anteil, sei er nun real oder ideell, kann der Miteigentümer unabhängig von den anderen verfügen. 39 Die ganze Sache kann hingegen nur veräußert, ein Sklave kann nur freigelassen werden, wenn ein Konsens aller Beteiligten hierüber herbeigeführt wird. 4 0 Die Manumissio eines einzelnen Miteigentümers bewirkt lediglich die Akkreszens durch die anderen. Schließlich kann jeder Gemeinschafter von den anderen jederzeit die Aufhebung durch eine Teilungsklage verlangen, entweder durch die erbrechtliche Klage der actio familiae erciscundae oder die allgemeine Teilungsklage der actio communi dividundo 41 . Sind die gemeinsamen Sachen ohne Wertverlust teilbar, so werden sie der anteilsmäßigen Berechtigung nach geteilt und jedem Beteiligten wird sein Teil zugewiesen. Sofern eine Naturalteilung nicht möglich ist, kann der Richter die ganze Sache einem Miteigentümer zuweisen und diesen zur Abfindung der übrigen in Geld verurteilen. 42 c) Resümee

Dem besonders in der Pandektenwissenschaft ausgetragenen Streit, ob es sich um gedachte, d . h . eigentumsrechtliche Anteile handelt 43 oder um körperliche reale Anteile, 4 4 soll hier nicht nachgegangen werden. Als Resümee der vorstehenden Erörterungen bleibt festzuhalten, daß das Miteigentum des römischen Rechts ein dem Wesen nach geteiltes Eigentum mehrerer an derselben Sache ist. Jedem Miteigentümer ist Eigentum an der gemeinsamen Sache zu einem Bruchteil zugewiesen. Die Quellen ergeben dagegen nicht ganz eindeutig, wie die römischen Juristen sich die Qualität des Miteigentumsanteils vorstellten, d. h. ob es sich um reale oder lediglich gedachte Teile handelt, wobei die letztere Möglichkeit wohl die Näherliegendere ist. Aus der anteilsmäßigen Berechtigung resultiert die freie Verfügungsbefugnis jedes Miteigentümers über seinen Anteil.

39

D 20, 6, 7, 4; D 41, 2, 26; D 6, 1, 8; D 10, 3, 6, 9; D 7, 6, 5, 2. D 8, 4,18; D 10, 3, 28. 4 1 D 17, 2, 38, 1; D 17, 2, 43. 42 Käser I, S. 412. 43 Dernburg, S. 456; Seeler, S. 82; Wächter, Über Theilung und Theilbarkeit, AcP 27 (1906), 155,163; Rümelin, S. 55; Kariowa, S. 454. 44 Brinz I, S. 478. 40

40

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

3. Die universitas a) Die Rechtsfähigkeit von Personenzusammenschlüssen

Neben der konsensualen societas und ihrer sachenrechtlichen Ausprägung, der communio, wird in der Dogmengeschichte der Gesamthand auch die Figur der universitas zur Erklärung des Wesens der Gesamthand herangezogen. Das Recht des Corpus Juris Civilis kennt eine Anzahl von Instituten, die mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattet und vom Wechsel der Mitglieder unabhängig sind. Hierzu gehören der römische Staat, die Municipien, die Kolonien und die Vereine sowie die Bischofsgemeinden und Klöster. 45 Der römische Begriff der Person war zunächst die dem einzelnen römischen Bürger immanente Eigenschaft, einen individuellen Willen zu besitzen, der vom römischen Staat anerkannt und innerhalb der Rechtsordnung geschützt wurde. Bedeutung erlangte nur der Einzelwille; jeder Mensch war eine isolierte, in sich geschlossene Willenseinheit. Jede Verbindung blieb außer Betracht. Als selbständige, lediglich der Kommunikation fähige Einzelwesen, empfingen diese ihre Rechtsfähigkeit - caput - und wurden so zur persona. Auf diese Einzelwesen wurde das Recht zugeschnitten.46 So war dem älteren römischen Recht der Begriff der juristischen Person noch unbekannt. Das jus civile war das Recht der Einzelperson, durch und durch individualistisch angelegt.47 b) Das Recht der Verbände

Es gab auch in dieser frühen Zeit Verbände und Vereine (collegia). Das für den Verein, Verband bestimmte Vermögen war aber formell Vermögen der einzelnen Mitglieder. 48 Erst das Recht der römischen Kaiserzeit hat den Begriff der universitas eingeführt. In den Quellen finden sich nur spärliche Hinweise auf den Charakter dieser Verbände, insbesondere war ihre innere Struktur nicht Gegenstand juristischer Untersuchung und so fehlt es an einer umfassenden dogmatischen Durchdringung. 49

45

Käser I, S. 303; Käser I I , S. 156; Hausmaniger / Selb, S. 133. Gierke, GenR I I I , S. 36, S. 39; Eisele, Zur Lehre von Miteigenthum, AcP 63 (1880), 27, 67 - 71; Philipsborn, Der Begriff der Juristischen Person, SZRom 71 (1954), 41, 57. 47 Sohm / Mitteis / Wenger, S. 196. 48 Sohm / Mitteis / Wenger, S. 196. 49 Hausmaniger / Selb, S. 132. 46

III. Die klassische Epoche

41

aa) „Corpus habere" - die Körperschaft Gaius beschreibt die Körperschaft als ein Gebilde, das „corpus habet": Neque societas, neque collegium, neque huiusmodi corpus passim omnibus habere conceditur.. .50

Aus dem Wort corpus allein läßt sich noch nichts für den Aufbau dieses Körpers und seiner Stellung zu den Mitgliedern des Verbandes herleiten. Daß eine Personengemeinschaft als Körper bezeichnet wird, bedeutet nicht unbedingt, daß dieser Körper nicht identisch ist mit der Zusammenfassung der Personen selbst. Gaius fährt fort, daß dieses Corpus auf Senatsbeschluß oder kaiserlicher Konstitution beruht und nicht jedem Personenzusammenschluß verliehen werden kann: ... item collegia Romae certa sunt, quorum corpus senatus consultis atque constitutionibus principalibus confirmatum est... § 1 Quibus autem permissum est corpus habere collegii societatis sive cuiusque alterius eorum nomine proprium est ad exemplum rei publicae habere res communes, arcam communem et actorem sive syndicum per quem tamquam in republica, quod communiter agifierique oporteat, agatur fiat. 51 Denjenigen aber, die erlaubtermaßen unter dem Namen eines Kollegiums, einer Gesellschaft oder irgendeiner anderen (Verbindung) eine Korporation bilden, ist es eigentümlich, nach dem Beispiel des Staates gemeinsame Sachen, eine gemeinsame Kasse und einen Vertreter oder Syndikus zu besitzen, durch welchen sie vergleichbar mit dem Staat, das, was sie gemeinschaftlich durchführen müssen, ausführen.

Gerade die letzten Wesensmerkmale der gemeinschaftlichen Erledigung der Aufgaben, der gemeinschaftlichen Kasse und der gemeinschaftlichen Sachen deuten daraufhin, daß corpora gerade nicht die von den Mitgliedern unabhängige Institution bedeutet. Denn in einem solchen Fall wäre gemeinschaftliches Eigentum und gemeinschaftliches Handeln systemwidrig. Eigentümer wäre in diesem Fall nur die juristische Person und diese handelt mittels ihrer Organe. Eigentumsrechtliche Beziehungen der Mitglieder zu gemeinschaftlichen Sachen bestünden nicht. Wenn aber Gaius meint, daß sich die römischen Kollegien durch ein gemeinschaftliches Eigentum auszeichnen, so indiziert das gerade eine eigentumsrechtliche Beziehung des einzelnen Mitglieds zur Sache. Mit der Eindeutigkeit, mit der manche Rechtshistoriker 52 davon ausgehen, daß hier eine juristische Person konstruiert wird, läßt sich der Stelle infolgedessen nicht entnehmen, daß das Eigentum der Körperschaft nicht das Eigentum der Mitglieder, sondern nur das Eigentum des corpus ist. Dies hatte zur Folge, daß ein neues Individuum neben die Zusammenfassung der Mitglieder tritt. 5 3

50 51 52

D 3, 4 , 1 pr. D 3,4,1,1. Sohm / Mitteis / Wenger, S. 200.

42

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

bb) Die „persona" Mehr der Veranschaulichung als der wesensmäßigen Erfassung dienen die Stellen, die einen Vergleich der Personenmehrheit mit der persona ziehen. Wenn nach Florentinus der Verstorbene eine Sache versprochen hat und schon vor der Annahme der Erbschaft ein Bürge angenommen werden kann, so ist dies möglich, weil die Erbschaft an die Stelle der Person tritt so wie municipium, decuria, societas. Mortuo reo promittendi et ante aditam hereditatem fideiussor accipi potest, quia hereditas personae vice fungitur sicuti municipium et decuria et societas. 54

Der Vergleich der Erbschaft mit der Person des Erblassers sagt über ihre rechtliche Qualität wenig aus. Er dient eher praktischen Bedürfnissen. Solange noch keine natürlichen Personen vorhanden sind, die die erforderlichen Handlungen vornehmen, hat man sich die Erbschaft als Stellvertreter des Verstorbenen vorzustellen, und somit kann die Annahme eines Bürgen, die einer Willensbekundung bedarf, mit Hilfe dieses Bildes herbeigeführt werden. In einer zweiten Stelle bei Florentinus wird eine Erbschaft ebenfalls mit der natürlichen Person des Erblassers gleichgestellt. Aber auch hier folgt die Konstruktion lediglich einem praktischen Bedürfnis und sagt über die innere Struktur wenig aus: Servo hereditario recte legatur, licet ea adita non sit, quia hereditas personae defuncti, qui eam reliquit, vice fungitur. 55 Einem zu einer Erbschaft gehörenden Sklaven kann rechtmäßig ein Legat ausgesetzt werden, auch solange die Erbschaft noch nicht angetreten ist, denn die Erbschaft tritt an die Stelle desjenigen, der sie hinterlassen hat.

Auch diese Konstruktion soll wohl nur über die Schwierigkeit hinweghelfen, daß eine Tätigkeit hinsichtlich der Erbschaft erforderlich ist, jedoch keine Personen vorhanden sind, die diese Tätigkeit vornehmen können, da das Erbe noch nicht angetreten ist. Es handelt sich daher eher um die konstruktive Herbeiführung der Handlungsfähigkeit einer temporär handlungsunfähigen Vermögensmasse als der rechtlichen Qualifikation dieser Erbschaft. Im übrigen indiziert der Begriff „fungi" in der Übersetzung „tritt an die Stelle von" nur, daß die Erbschaft nunmehr die Funktion des Erblassers für eine gewisse Zeit übernimmt, nicht aber, daß neben dieser funktionellen Zuständigkeit auch die Rechtsqualität des Erblassers als Rechtssubjekt auf die Erbschaft übertragen wird. 53

Zweifel an der körperschaftlichen Struktur haben: Schwind, S. 159; Gerhard Beseler, Miscella, SZRom 45 (1925), 188; Käser I I , S. 151; Philipsborn, Der Begriff der Juristischen Person, SZRom 71 (1954), 41, 63. 54 D 46, 1, 22. 55 D 30, 116, 3.

III. Die klassische Epoche

43

Wenn die Quellen daher von „persona" sprechen, so dient dies also der Veranschaulichung der Handlungsfähigkeit einer zeitweise handlungsunfähigen Vermögensmasse. Dies bedingt aber nicht die Vorstellung, daß mit dem „an die Stelle treten" auch die Rechtssubjektivität der natürlichen Person übertragen wird. 5 6 cc) Die Lösung der juristischen Person von den Mitgliedern Auf eine von den Mitgliedern losgelöste Einheit läßt auf den ersten Blick dagegen ein Fragment des Ulpian schließen: Si quid universitati debent. 51

debetur, singulis non debetur, nec quod debet universitas singuli

Wenn also eine Verpflichtung gegenüber einer Körperschaft nicht auch gegenüber den einzelnen Mitgliedern besteht und umgekehrt Schulden der Körperschaft nicht auch Schulden der Mitglieder sind, so bedeutet dies, daß eine Trennung der Vermögensmassen von den Mitgliedern und der universitas vorliegt. Gleichwohl ist aber auch hier ein eindeutiger Schluß auf das Vorhandensein einer von den Mitgliedern abstrahierten juristischen Person nicht ohne weiteres zulässig. So erscheint es bedenklich mit Eindeutigkeit zu formulieren, daß Forderungen und Schulden der universitas nicht gemeinsame Rechte und Schulden der Mitglieder bedeuten, sondern alleinige Rechte und alleinige Pflichten einer juristischen Person. 58 Möglich erscheint vielmehr auch die Interpretation, daß Ulpian die Trennung der Vermögensmassen der Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der universitas und derjenigen als privater Bürger zum Ausdruck bringen wollte. Auch in diesem Fall sind die Schulden der universitas nicht Schulden der Mitglieder in ihrer Eigenschaft als private Bürger, wie dies im aktuellen Recht nach § 171 Abs. 1 HGB hinsichtlich der Haftung des Kommanditisten einer K G der Fall ist.

dd) Keine neue Einheit neben der Zusammenfassung der Mitglieder Da die vorgenannte Ulpian-Stelle über die Verabsolution der Körperschaft von den natürlichen Personen keinen eindeutigen Aufschluß gibt, liegt der Schluß nahe, die universitas als die Bezeichnung einer Personenmehrheit zu verstehen, zusammengefaßt aufgrund gemeinschaftlicher Angelegenheiten, gebraucht im Gegensatz zur Bezeichnung des einzelnen oder mehrerer, die

56 Käser I, S. 303; Gerhard Beseler, Miscella, SZRom 45 (1925), 188; Schwind, S. 159. 57 D 3, 4, 7,1. 58 So aber: Sohm / Mitteis / Wenger, S. 201.

44

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

unverbunden nebeneinander stehen. 59 Daß die Personenmehrheit für die Zeit der klassischen Juristen noch nicht die Einheit der juristischen Person bedeuten konnte, läßt sich noch mit einigen weiteren Digestenstellen belegen. So kann das allein übrig gebliebene Mitglied einer universitas klagen oder verklagt werden. 60 Das Recht aller wird reduziert auf das Recht des einzelnen. Wenn das einzelne Mitglied selbst verklagt werden kann und das Recht der Mehrheit zum Recht des einzelnen wird, so kann man wohl kaum von einer abstrahierten, von den Mitgliedern unabhängigen selbständigen Rechtspersönlichkeit sprechen. Aus diesem Fragment ergibt sich vielmehr, daß Bezugspunkt der eigentumsrechtlichen Beziehungen des Gemeinschaftsvermögens immer noch die einzelnen Mitglieder bleiben, wenn auch in der Zusammenfassung zu der Einheit der universitas. Eine weitere Stelle 61 deutet ebenfalls darauf hin, daß die klassischen Juristen noch nicht die Vorstellung einer neuen Einheit geschaffen aus der Zusammenfassung mehrerer Personen hatten. Wenn es hier heißt: „Municipes per se nihil possidere possunt quia universi consentire non possunt", so geht daraus hervor, daß ein einheitlicher Besitzwille nicht vorliegen kann, da die Vielheit der Einzelwillen durchaus noch vorhanden ist und sich nicht zu einer Einheit vereinigen läßt. Als intellektuelle Leistung des einzelnen ermangelt es der Zusammenfassung der vielen ebenso an dolus wie an der Ausübung von Zwang und Drohung. 62 c) Zusammenfassung

Das von den klassischen Juristen fragmentarisch entworfene Bild der universitas vermittelt den Eindruck, daß es noch nicht zu einer Ablösung von der Personenmehrheit und zur Ausbildung eigener Rechtssubjektivität gekommen ist. Die Individuen, die in den als „corpus" oder „universitas" bezeichneten Einheiten zusammengefaßt sind, spielen noch eine eigenständige Rolle.

I V . Die nachklassische Fortentwicklung 1. Das Recht der societas Die Veränderungen der Eigentumsordnung von societas und communio fallen gegenüber den durchgreifenden Veränderungen bei der universitas nicht 59 Vgl. Heumann / Seckel, Stichwort „universitas" als Inbegriff von Personen, Personengesamtheit; Schnorr v. Carolsfeld, S. 59. 60 D 3, 4, 7, 2. 61 D 41, 2, 1, 22. 62 D 4, 3, 15, 1.

IV. Die nachklassische Fortentwicklung

45

ins Gewicht. Die privatrechtliche societas gerät in der nachklassischen Epoche in den Schatten der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse, deren Strukturen auf die societas abfärben. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Instituten gehören die Zwangs verbände der curia und sonstiger corpora. Für diese Korporationen ist ein gemeinschaftliches Vermögen charakteristisch. War das gemeinschaftliche Vermögen der socii in der klassischen Epoche noch kein Wesensmerkmal der societas, so ist ein Gesellschaftsvermögen nunmehr charakteristisch. Dieses Gesellschaftsvermögen ist als Bruchteilseigentum der Mitglieder strukturiert. Die communio geht nun regelmäßig in der societas auf. 63 In der Zeit vor Justinian finden sich für die Organisation dieser Gemeinschaft kaum quellenmäßige Belege. Ein Gesetz des Kaisers Konstantin 64 mit dem Titel „De communi dividundo" regelt nur spezielle Teilungsfragen. Justinian schließlich verstärkt die Annäherung der societas an die Verbände. Diese von Justinian nur vorsichtig vorgenommene Annäherung betrifft jedoch in der Hauptsache die obligatorische Seite der societas. So sind Neuerungen die Vorstellung einer area communis und die Ausnutzung adjektizischer Klagen zur Erwirkung der Vertretung einer Außengesellschaft. 65

2. Die Umgestaltung der universitas a) Die Entwicklung des Personenverbandes im Recht der christlichen Kirchen aa) Die Bildung

von Kirchenvermögen

nach dem Mailänder

Edikt

Wesentlich durchgreifendere Umgestaltungen vollzogen sich im nachklassischen römischen Recht im Hinblick auf das Verständnis der universitas. Zu dieser veränderten Sichtweise trugen der Wandel der Staatsauffassung und die mit der Ausbildung kirchlicher Anstalten und Stiftungen aufkommende Anerkennung einer selbständigen Rechtssubjektivität einer Mehrheit von Personen bei. Dennoch blieben auch in dieser Epoche die Bemühungen um die Erfassung der dogmatischen Qualität des römischen Staates und der kirchlichen Stiftungen in den Anfängen. 66 Lammeyer begründet dies damit, daß das römische Recht in erster Linie auf den praktischen Erfolg sehe, es also genüge, daß ein Rechtssubjekt vorhanden sei, das Träger von Vermögensrechten sein kann. 67 Während die Entwicklung bei den Vereinen zu einem selbständigen 63

Käser I, S. 409. 64 CTh 2, 25, 1 = CJ 3, 38, 11. 65 Wieacker, Das Gesellschaftsverhältnis, SZRom 69 (1952), 302, 344. 66 Käser I I , S. 131. 67 Lammeyer, S. 65.

46

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

Rechtssubjekt in den Quellen dieser Zeit kaum nachgezeichnet wird, läßt sich bei den christlichen Kirchen die Entwicklung vom Personenverband zur selbständigen juristischen Person nachvollziehen. 68 Im Mailänder Edikt von 313 hatte Konstantin I. die Freiheit der christlichen Kirche proklamiert und die Christenverfolgung verboten. Das konfiszierte Vermögen der Kirchengemeinden wurde zurückerstattet. Damit setzte eine Welle von Gesetzen ein, die sich mit dem Kirchenvermögen und seinem Träger beschäftigten. Mit der Anerkennung der christlichen Kirchen wuchs schließlich auch der kirchliche Besitz, der nunmehr einer rechtlichen Regelung bedurfte. Die ersten christlichen Kaiser beschränkten sich jedoch darauf, kirchliche Vermögensrechte zu verleihen, ohne daß über den Träger dieser Rechte Klarheit bestand. 69 Es bildete sich so zunächst aus dem Innern der Kirche heraus ein eigenes Recht, unabhängig von dem des Staates. Die Kaiser beschränkten sich in der Regel darauf, die vollendeten Tatsachen rechtlich abzusichern. 70 Auch Justinian brachte keine Entscheidung zu der Frage, wer der eigentliche Träger des Kirchen Vermögens war. In der kirchliche Angelegenheiten betreffenden Gesetzgebung71 hat er zu der hier interessierenden Frage nie eindeutig Stellung genommen. Aus den Novellen und der Sammlung der Kaiserkonstitutionen lassen sich nur mittelbar Hinweise ableiten, die darauf hindeuten, daß die christliche Kirche und ihre Untergliederungen, die Wohlfahrtsstiftungen, piae causae, und die Klöster als eigenständige Rechtsträger aufgefaßt wurden. bb) Die Behandlung des Kirchenvermögens in der Gesetzgebung Konstantins Nach einer Konstitution des Kaisers Konstantin vom 3. 7. 321 72 wurde es den christlichen Kirchen gestattet, eine Erbschaft zu erwerben. Habeat unusquisque licentiam sanctissimo catholicae venerabilique bonorum quod optavit relinquere.

concilio decens

Das concilium, die Versammlung, Verbindung, Vereinigung deutet zwar immer noch auf die hinter der Kirche stehende Personenmehrheit der Gläubigen hin. Konstantin meinte aber mit dem Begriff des concilium, ebenso wie mit den für die Kirche auch verwandten Begriffen „collegium", „corpus" und

68 Schnorr v. Carolsfeld, S. 214; a. A . Philipsborn, Der Begriff der Juristischen Person, SZRom 71 (1954), 41, 66, der die Meinung vertritt, daß die kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen natürlichen Personen lediglich gleichgestellt seien. 69 Knecht, S. 4. 70 Gierke, GenR I I I , S. 107. 71 Beispiele: Novellen 46pr, 49pr, 59pr, 60pr, 73pr, 74pr, 89pr, Nov. 115 c.5 § 15. 72 CTh 16, 2, 4; CJ 1, 2, 10.

IV. Die nachklassische Fortentwicklung

47

„conventiculum" nicht mehr die Versammlung der Gläubigen, sondern das Gotteshaus und die sich hierin wiederspiegelnde eigenständige Untergliederung der Kirche. 73 Dies ergibt sich zum einen aus dem Aufbau der Christengemeinden und aus einem Vergleich mit dem klassischen römischen Recht. Mittelpunkt einer jeden Christengemeinde war der Bischof. Um ihn herum bildeten die Gläubigen eine geschlossene Einheit. Der Bischof war Repräsentant dieser Einheit auch in vermögensrechtlicher Hinsicht. Die Laien waren von der kirchlichen Vermögensverwaltung ausgeschlossen. Das Kirchengut sollte nicht dem Nutzen eines einzelnen Menschen oder der Gemeinde dienen, sondern primär zum Dienste Gottes verwandt werden. 74 In Anbetracht dieser Zweckbindung des Vermögens und des Ausschlusses der Gemeindemitglieder von der Verwaltung entfällt nunmehr eine unmittelbare eigentumsrechtliche Beziehung der Gläubigen zum Kirchengut. Verstärkt wird die korporative Auslegung des Begriffs concilium durch den Vergleich mit dem klassischen römischen Recht. Nach D 28, 5, 9, 9 war eine incerta persona erbunfähig, da die fehlende Identität der Bedachten eine Gefahr für das Erreichen des mit der Erbeinsetzung bezweckten Ziels darstellte. Schließlich war eine incerta persona auch nicht in der Lage, einen einheitlichen Willen der Annahme der Erbschaft zu formulieren, der Voraussetzung für den Anfall der Erbschaft ist. Bei den Gläubigenversammlungen handelte es sich um solche incertae personae. Ihr Bestand war dem Wandel unterworfen, Gemeindemitglieder wanderten ab, neue kamen hinzu. Wenn also nach der Konstitution Konstantins 75 das concilium erbfähig wird, dann ist das auch Ausdruck dafür, daß sich die Vielheit der Gläubigen zu einer Einheit der Kirche geformt hat. Wurde also die Kirche an sich erbfähig, so muß ihr ein eigenständiger Charakter beigemessen werden, eine Rechtsqualität, die über die Zusammenfassung der Einzelpersonen hinausgeht.

cc) Die rechtliche Qualität der Kirche in der Gesetzgebung Justinians Daß das personelle Element der Gläubigen im Hinblick auf die Kirche als Institution in den Hintergrund rückt, sich sogar ganz auflöst, belegt eine Konstitution Justinians vom 20. 10. 530 76 . Als Grund für die nachfolgende Konstitution beklagt Justinian, daß eine Vielzahl von Testamenten Jesus Christus zum alleinigen Erben benennt, ohne eine bestimmte Kirche zu bezeichnen: 73

Steinwenter, Die Rechtstellung der Kirchen und Klöster, SZKan 50 (1930), 1, 35. Knecht, S. 16. 7 5 CJ 1, 2, 1. 7 * CJ 1, 2, 25. 74

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

48 Quoniam dominum dominum quemlibet

in multis testamentis invenimus tales institutiones, quibus vel ex asse quis nostrum Christum heredem scripsit nulla aede sacra adiecta, vel eundem nostrum Jesum Christum ex dimidia aliave qua inaequali parte, alium vero ex semisse vel alia parte. 11

Da nach den älteren Gesetzen - gemeint ist wohl die Konstitution Konstantins CJ 1, 2 , 1 - eine große Unsicherheit bestand, verordnete Justinian folgendes: ... si quidem dominum nostrum Iesum Christum heredem quis scripserit vel ex asse vel ex parte, directis verbis videri sacrosanctam ecclesiam ipsius civitatis vel vici vel agri, in quo defunctus morabatur, heredem institutam eamque hereditatem ex asse a religiosissimis eiusdem oeconomis exigi vel ex parte pro qua heres scripta est: idem valcat et si legatum vel fideicommis sum relictum fuerit: eaque ad sacrosanctas ecclesias pertineant, ut in pauperum alimoniam cedant. Sin autem sanctorum archangelorum vel venerandorum martyrum quem nominaverit nec mentionem fecerit domus (...) si quidem in illa civitate vel eius territorio extat oratorium in honorem illius reverentissimi archangeli vel sanctissimi martyris, id videri heredem scriptum esse: sin autem non extat in ipsa civitate territoriove eiusmodi domus, tunc venerabiles quae in metropoli erunt domus. ac si in ea eiusmodi domus inventa erit, illi videri hereditatem vel legatum vel fldeicommissum relictum: 19, ... Sacrosanctis videlicet ecclesiis reliquae domus omnes cedunt, nisi manifestum est defunctum aliud nomen inserere voluisse aliud pronuntiasse.. 19 Si vero testator certum locum non nominavit, inveniuntur autem in illa civitate territoriove plura oratoria, si quidem in uno eorum defunctus adsidue versabatur et maiorem pro eo adfectionem habebat, illi videri legatum relictum. 80 Wenn jemand unseren Herrn Jesus Christus zum Erben einsetzt, entweder allein oder teilweise, so soll die heilige Kirche jener Stadt, jenes Dorfes oder jener Gegend, in der sich der Verstorbene aufhielt, als Erbe betrachtet werden und die Erbschaft je nach Erbeinsetzung als Ganzes oder teilweise durch einen ehrwürdigen Verwalter eingetrieben werden, dies gilt auch, wenn ein Legat oder Fideikommiß ausgesetzt worden ist. Sie stehen der heiligen Kirche zu, damit sie die Armen damit unterstütze. § 1 Wenn aber ein heiliger Erzengel oder verehrungswürdiger Märtyrer benannt worden ist und nicht die Kirche erwähnt ist, ..., so soll, wenn in jener Stadt oder Gegend eine Kirche zu Ehren des Erzengels oder des Märtyrers erbaut wurde, diese als Erbin betrachtet werden. Wenn aber eine solche in der Stadt selbst oder in der Umgebung nicht vorhanden ist, so soll diejenige der Hauptstadt als Erbin eingesetzt werden. Und wenn eine solche Kirche dort vorgefunden wird, so steht ihr die Erbschaft oder das Legat oder das Fideikommiß zu. § 2 Wenn sich dort aber keine solche Kirche befindet, so sollen es die Kirchen des Ortes erhalten, denn den heiligen Kirchen müssen alle Häuser weichen, wenn nicht feststeht, daß der Verstorbene einen anderen Namen benennen wollte, ..., §3 Wenn aber der Testator einen bestimmten Ort nicht benannt hat, und befinden sich in jener Stadt oder Gegend mehrere Kirchen, so soll, wenn der Verstorbene eine von ihnen besonders häufig besucht hat, jene die Erbschaft erhalten. Wenn

77 78 79

CJ 1, 2, 25pr. CJ 1, 2, 25, 1. CJ 1, 2, 25, 2. CJ 1, 2, 25, 3.

IV. Die nachklassische Fortentwicklung

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ein solches Verhalten nicht zu verzeichnen ist, so soll unter den Kirchen gleichen Namens die Unvermögendere und der Hilfe Bedürftigere jenes Legat oder jene Erbschaft erhalten.

Diese Konstitution greift Justinian mit fast identischem Wortlaut in einer Novelle 81 wieder auf. In dem Text der Konstitution und der Novelle erscheinen für die hier mit „Kirche" übersetzten Worte die Begriffe „domus" und „oratorium", also das Haus und der Betsaal, von der Gemeinschaft der Gläubigen ist nicht mehr die Rede. Mit „domus" ist allerdings nicht wörtlich das Kirchengebäude gemeint, denn dieses könnte schwerlich Erbe sein. Gemeint ist vielmehr die in diesem Haus verkörperte Institution der Kirche. Diese hat sich schon so weitgehend von den sie bildenden Gläubigen, dem personellen Element, entfernt, daß nicht mehr das „concilium", die Versammlung der Gläubigen, sondern „domus" als Synonym der Institution Kirche erscheint. Wählt also hier Justinian den Begriff „domus" oder „oratorium", so macht dies deutlich, daß sich über die Einheit der die Kirche bildenden Personen hinaus eine bereits abgelöste selbständige neue Rechtspersönlichkeit entfaltet hat, die nun ihrerseits zum Träger der Erbschaft wird. Der Begriff „ecclesia" hätte diese Trennung nicht deutlich werden lassen, da ecclesia auch immer noch die Assoziation der die Kirche bildenden Menschen weckt, ausgehend von der Ethymologie des Wortes in der Bedeutung von „Volksversammlung" 82 . Die Verwendung des Wortes „domus" nicht als Haus der Gläubigen, sondern als Bezeichnung für das Haus Gottes, bringt dagegen die Abtrennung der Rechtspersönlichkeit der Kirche von der Rechtspersönlichkeit der Gläubigen zum Ausdruck.

b) Die Rechtssubjektivität der Klöster

aa) Die Entwicklung des Mönchtums Noch deutlicher wird die eigenständige Rechtssubjektivität einer kirchlichen Einrichtung bei den Klöstern. Seit dem 4. Jahrhundert hatte sich das Mönchtum in der Form der Einsiedelei oder des Klosterlebens ausgedehnt. Die Klöster wurden bald integraler Bestandteil der kirchlichen Verfassung. Diese Entwicklung trat insbesondere durch das Konzil von Chalcedon 541 ein. 83 Vor dieser Zeit zogen große Scharen von Bettelmönchen über Land, denen sich Unruhestifter und Kriminelle anschlossen und die öffentliche Ordnung gefährdeten. 84 Um Herr dieses Mißstandes zu werden, verwies Justinian alle Mönche

81 82 83 84

Nov. 131, cap. 9. Langenscheids Handwörterbuch, Stichwort „ecclesia". Lammeyer, S. 60/61. Knecht, S. 57.

4 Ascheuer

50

2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

in ein Kloster. 85 Gleichzeitig sorgte er für finanzielle Absicherung. In diesem Zusammenhang widmete er sich auch der Vermögensordnung der Klöster. 86 bb) Die Vermögensordnung der Klöster Mit der Errichtung der Klöster stellten sich zunehmend vermögensrechtliche Fragen. Jedes Kloster sollte zur finanziellen Absicherung über ein eigenes Vermögen verfügen. In einer Konstitution vom 18. 1. 529 87 bestimmte Justinian die Trennung der Klosterinsassen nach Geschlechtern. Hinsichtlich der technischen Abwicklung sieht Justinian vor, die Sachen des Klosters, seien es bewegliche oder unbewegliche, müßten zwischen den Ausziehenden und den Bleibenden pro rata parte geteilt werden: Res autem eius monasterii mobiles immobilesque et se moventes qui exeunt cum iis qui manent pro rata parte divident. 88

Jedes Kloster ist also Träger eines eigenen Vermögens. Daß nicht die Klostermitglieder selbst, sondern die Institution Kloster Träger des Eigentums war, ergibt sich aus der weiteren Gesetzgebung Justinians. Hiernach ging das Eigentum der Mönche und Nonnen vollständig in dem des Klosters selbst auf. Mit der Aufnahme in das Kloster verlor der Mönch jegliches Eigentum. 89 Justinian bestimmte, daß bis zum Eintritt in das Kloster jedem die Verfügung über sein Vermögen freistehe. Nach dem Eintritt jedoch solle das Vermögen dem Kloster gehören: Illud enim ingredientem res omnino sequentur, quanquam se eas inferre dixerit, neque ullo modo earum dominus amplius erit. 90

non expresse

Von diesem Grundsatz machte Justinian aus Billigkeitsgesichtspunkten Abstriche. So konnten diejenigen, die vor Eintritt in das Kloster ihren Nachlaß noch nicht geordnet hatten, ihren Kindern den Pflichtteil zukommen lassen: Sin in monasterio degens moriatur, antequam inter liberos suos res suas dividat, legitimam quidem partem liberi accipiant, reliqua vero substantia ad monasterium pertineat. 91

Trat ein Mönch wieder aus dem Kloster aus, um fortan wieder weltlich zu leben, so blieb das, was er bei seinem Eintritt in das Kloster mitgebracht hatte, auch nach seinem Austritt im Eigentum des Klosters: 85

Nov. 123, cap. 36; Nov. 123, cap. 6. « Knecht, S. 59. 87 CJ 1, 3, 43. 88 CJ 1, 3, 43, 4. 89 Der Grundsatz ergibt sich aus Nov. 76 pr; Nov. 5, cap. 4/5; Nov. 123, cap. 38. 90 Nov. 5, cap. 5. Nov. 123, cap. 38.

IV. Die nachklassische Fortentwicklung

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... deinde ex monasterio discedere..., ipse quidem sciat, ... quascunque vero res habuit, quum monasterium ingrederetur, illae in dominio monasterii erunt, ne tantulum quidem omnino auferet. 92

Da den Mitgliedern des Klosters keinerlei Eigentum mehr zustand und nur aus Billigkeitsgesichtspunkten und Fürsorge für die Kinder eine Verfügung noch möglich war, bleibt als einziger Rechtsträger des von den Mönchen und Nonnen übertragenen Vermögens nur das Kloster als abstrakte Institution. Das Kloster ist nicht mehr gleichzusetzen mit der Zusammenfassung seiner Insassen, denn in einem solchen Fall hätte Justinian diese als Eigentümer in Betracht gezogen; er spricht ihnen aber im Gegenteil jede Eigentumsfähigkeit ab. Justinian spricht im Zusammenhang mit den Klöstern nicht direkt von einer juristischen Person. Er nennt sie „corpora" 93 , „consortia" 94 oder „venerabiles domus" 95 . In den Konstitutionen Justinians ist consortium stets in der Bedeutung von Personenmehrheit gebraucht. 96 Demgegenüber deutet „venerabiles domus" wiederum auf die gegenüber der Personenmehrheit abstrahierte Institution hin. In diesem Sinn ist nun wohl auch die Bezeichnung corpora zu verstehen. Nach der von Justinian gestalteten Vermögensordnung der Klöster liegt schließlich aber die Schlußfolgerung nahe, diese als gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigte Rechtssubjekte zu begreifen und ihnen die Qualität einer juristischen Person beizumessen. c) Der Entwicklungsprozeß der juristischen Person

Zusammenfassend läßt sich der Entwicklungsgang der juristischen Person im römischen Recht wie folgt skizzieren: Für die klassischen römischen Juristen war die unversitas personarum zunächst nur eine Personen Verbindung zu bestimmten dauernden Zwecken. Als Staat, Gemeinde, Verein trat sie im Rechtsleben in Erscheinung. Den Quellen dieser Zeit läßt sich noch nichts für eine von den Mitgliedern abstrahierte, eigenständige Persönlichkeit entnehmen. In der nachklassischen Zeit trat neben die Personenverbindung eine Vermögensmasse, die nicht mehr nur Zuordnungsobjekt der Personenmehrheit war, sondern selbständiges Rechtssubjekt. Zwar tritt auch in den nachklassischen Kaiserkonstitutionen diese Eigenschaft nicht expressis verbis zu Tage. Die Zuordnung des Eigentums der Kirchen und Klöster, die ihnen zuerkannte Fähigkeit am Rechtsleben als Person teilzunehmen, Erbe zu sein, läßt den Schluß auf eine von der Mehrheit der Personen abstrahierte, rechtlich eigen92

Nov. 5, cap. 4. CJ 1,3,55 (57), 1. 94 CJ 1, 2, 22 pr. 9 5 CJ 1, 3, 55 (57), 2. 9 6 CJ 10, 32, 67 pr.; CJ 10, 35, 3 pr.; Nov. 62, cap. 2; Nov. 112, cap. 1.

93

4*

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2. Kap.: Personenmehrheiten nach römischem Recht

ständige Persönlichkeit zu. Die Gütermasse wird zum Rechtssubjekt und dieses Rechtssubjekt führt ein von den es bildenden Gliedern abgelöstes, isoliertes Dasein.

V . Zusammenfassende Klärung der Grundbegriffe Für die Grundbegriffe der societas, communio und universitas, deren Klärung für das Verständnis der Definitionsversuche des Gesamthandseigentums bis in das 19. Jahrhundert unerläßlich ist, bleibt folgendes festzuhalten: Societas und communio, die in klassischer Zeit oft, in nachklassischer Zeit immer miteinander einhergehen, stellen die Personenmehrheit in den Vordergrund. Das Gesellschaftsvermögen ist nach der Konstruktion der communio ein dem Wesen nach geteiltes Eigentum mehrerer an derselben Sache. Jedem Miteigentümer ist Eigentum an der ganzen Sache zu einem Bruchteil zugewiesen, über den er frei verfügen kann. Auch in der Zusammenfassung der societas bleibt die Einzelpersönlichkeit des socius erkennbar. A n dieser Auffassung änderte sich auch in der nachklassischen Zeit nichts. Einem Bedeutungswandel unterlag jedoch der Begriff der universitas. Das jus civile war das Recht der Einzelperson. Die klassischen Schriftsteller beschäftigten sich daher weniger mit dem Recht der Personenverbände. Sofern sie sich hierzu äußern, entwerfen sie von der universitas noch nicht das Bild einer von der Personenmehrheit völlig unabhängigen juristischen Person nach modernem Verständnis. Die Rechtspersönlichkeit der einzelnen Mitglieder formt noch die Rechtspersönlichkeit der universitas personarum. Dieses Bild änderte sich mit der Gesetzgebung der christlichen Kaiser. Die Entwicklung zu einer verabsolutierten Rechtspersönlichkeit läßt sich an den christlichen Institutionen nachvollziehen. Diese entwickelten bald ein eigenständiges Dasein zu einem von der Personenmehrheit unabhängigen Rechtssubjekt. Den vorstehenden Erörterungen ist zu entnehmen, daß weder bei der Klärung der Begriffe societas, communio noch bei dem Begriff universitas auf eine geschlossene Begriffsbildung zurückgegriffen werden konnte. Die Quellen lassen vielmehr einen Interpretationsspielraum zu. Diese begriffliche Offenheit erklärt, warum römischrechtliche Begriffe auf ein dem römischen Recht fremdes Institut wie der Gesamthand angewandt werden konnten.

Drittes Kapitel

Die Ursprünge der Gesamthandstheorie im deutschen Recht L Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse 1. Der Ursprung des Gesamthandsgedankens in der germanischen Brüdergemeinschaft a) Die fortbestehende Hausgemeinschaft der Brüder

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Gesamthandseigentums im deutschen Rechtskreis war die nach dem Tod des Hausvaters fortbestehende Hausgemeinschaft der Brüder. 1 Dem germanischen Recht war ein Sonderrecht des Erstgeborenen fremd. Nach dem Tod des Hausvaters blieben die erwachsenen Söhne auf dem ererbten Gut in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Außer persönlichen Gebrauchsgegenständen, wie Waffen und Kleidern, stand das gesamte Vermögen im Eigentum der Sippe. Den Hausvätern wurde nur ein Nutzungsrecht am Boden und einigen beweglichen Gebrauchsgegenständen (Vieh, Ackergeräte) eingeräumt. So blieb nach dem Tod des einzelnen das Gesamtvermögen der Sippe unberührt, nur die Person des Nutzungsberechtigten wechselte. Der Hausherr und sein Haushalt bildeten hinsichtlich des Hausgutes eine Vermögensgemeinschaft, wobei die Söhne bereits eine latente Mitberechtigung innehatten. Starb der Vater, so aktualisierte sich das Recht der Söhne.2 Innerhalb der Brüdergemeinschaft herrschte Gleichberechtigung, so daß stets ein gemeinschaftliches Handeln erforderlich war. 3

1

Ogris, Stichwort „Brüdergemeinschaft", H R G I, Sp. 520; Hacmann, Beitrag zur Entwicklung, Z H R 68 (1910), 439; R. Hübner, Grundzüge, S. 155, 735; Heusler, Institutionen, S. 229; Philipps, Grundsätze, S. 11; Gierke, DPrR I, S. 664. 2 R. Hübner, Grundzüge, S. 734/735; Gierke, GenR I, S. 23. 3 Schultze, Germanische Brüdergemeinschaften, SZGerm 56 (1936), 264, 268; R. Hübner, Grundzüge, S. 155; Conrad, S. 59; Brunner, S. 104; Gierke, GenR I, S. 16.

54

3. Kap.: Die Ursprünge der Gesamthandstheorie b) Quellenmäßige Behandlung der Brüdergemeinschaft

Wie im vorklassischen römischen Recht 4 fand auch im germanischen Rechtskreis zunächst keine theoretische Durchdringung der personellen und eigentumsrechtlichen Strukturen dieser Hausgemeinschaft statt. Die Quellen aus der Zeit der Festigung germanischer Reichsgründungen auf ehemals römischem Staatsterritorium beginnend ca. 493 mit der Regentschaft des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen (493 - 553), begnügen sich mit der Wiedergabe des bestehenden Zustandes in der Art einer rein äußerlichen Abbildung. Die Brüdergemeinschaft findet Erwähnung in den Volksrechten und Urkundensammlungen. In einem Edikt König Rotharis von 643 wird unter 167 der Fall der „fratres, qui post mortem patris in casa commune remanserint" behandelt.5 Ähnliche Regelungen finden sich in den Volksrechtsammlungen der Bayern und der Burgunder. 6 Der Urkundensammlung der Abtei St. Gallen sind die folgenden Zitate entnommen. Es heißt hier „quod cum consortibus meus in commune possideo" 7 , „coheredes et comparticipes in uno matrimonio". 8 Die fehlende gedankliche Durchdringung des Rechts dieser Hausgemeinschaft ist im Zusammenhang mit dem Stand der Rechtskultur in den neu gegründeten germanischen Reichen zu sehen. Die Nachbarschaft zu den romanistischen Völkern bedingte eine Verschmelzung germanischer Rechtselemente mit dem vulgarisierten spätantiken römischen Recht. Dieses Vulgarecht galt in den germanischen Reichsgründungen in einer vereinfachten Form, die es in den Leges Romanae erhalten hatte. 9 Die in der theoretischen Auseinandersetzung und gedanklichen Durchdringung gegenüber dem klassischen römischen Recht auf ein niedriges Niveau herabgesunkene und in den germanischen Reichsgründungen noch weiter vereinfachte römische Rechtskultur bewirkte, daß es bei deskriptiver Abbildung dieser Form gemeinschaftlichen Lebens und Arbeitens blieb.

4

Vgl., oben 2. Kapitel, II. 2. Edict Rothari, in: F. Beyerle, Die Gesetze der Langobarden, S. 56/57. 6 Lex Baiuwariorum, Leges 1,1, abgedruckt in: Monumenta Germaniae histórica, Legum Tomus I I I , S. 259; Leges Burgundiorum, Lex Gundobada, Tit. 1,1, abgedruckt in: Monumenta Germaniae histórica, Legum Tomus I I I , S. 532. 7 Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Nr. 199. 8 Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Nr. 21. 9 Schlosser, S. 8; Wieacker, PrGN, S. 30, 36; Kroeschell, D R G , S. 29. 5

I. Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse

55

2. Die erste Regelung der Brüdergemeinschaft Das sächsische Landrecht Art. 12 a) Eike von Repgow und die Entstehung des Sachsenspiegels

Die erste wirklich umfassende Regelung einer Familiengemeinschaft, die sich auch mit den rechtlichen Konsequenzen eines solchen Zusammenlebens auseinandersetzte, brachte Art. 12 des Sachsenspiegel-Landrechts. In der Zeit zwischen der Entstehung der Volksrechte und der Abfassung des Sachsenspiegels beruhte das Recht auf allgemeiner Übung, Sitte und lokalem Rechtsgebrauch, d.h. auf ungeschriebenem Gewohnheitsrecht. Im 13. Jahrhundert setzte dann aber eine Rechtsaufzeichnungswelle ein. 1 0 Im Zuge dieser Aufzeichnungswelle entstand zwischen 1220 und 1230 als Ausgangspunkt einer Bearbeitung des Rechts in Deutschland der Sachsenspiegel Eike von Repgows (1180 - 1233).11 Die Entstehung des Sachsenspiegels schildert Eike von Repgow in der rhythmischen Reimvorrede. So behauptet er, er habe sein Werk „ane Ulpe unde ane lere" 1 2 geschrieben. Er formt also das ihm bekannte lebendige Recht zu Sätzen. Das Werk ist ein Spiegel des Rechtszustandes seiner Epoche in Sachsen.13 Einem beliebten literarischen Brauch dieser Zeit zufolge sollten die Sachsen selbst ihr Recht in der Brechung eines Spiegels sehen, sollte ihnen das Recht wie ein Spiegel vorgehalten werden. Eike von Repgow vermittelt die Erfahrung mit dem praktischen Umgang des Rechts. 14 Dem lebendigen Recht verleiht Eike von Repgow Ausdruck und Form. 15 b) Die Regelung des Art. 12 des sächsischen Landrechts

aa) Der Text des Art. 12 Die erste auch auf die rechtliche Organisation der Brüdergemeinschaft bedachte Regelung findet sich in Art. 12 des sächsischen Landrechts. Der Text des Art. 12 lautet wie folgt: Swo brudere oder andere lute, di ir gut zu samene habn, erhoen sie daz mit irre Kost oder irme dinste, der vrome ist ir aller gemeine, daz selbe ist der schade. Swaz aber ein 10 11 12 13 14 15

Schlosser, S. 8; Kroeschell, D R G , S. 243. Stobbe, Rechtsquellen, S. 296. Vers 275, abgedruckt bei Eckhardt, Landrecht, S. 25. Vers 178 der Reimvorrede, abgedruckt bei Eckhardt, Landrecht, S. 22. Stintzing, Bd. 1, S. 1; Stobbe, Rechtsquellen, S. 298; Möllenburg, S. 56. Stintzing, Bd. 1, S. 1; Möllenburg, S. 56.

56

3. Kap.: Die Ursprünge der Gesamthandstheorie man mit sine wibe nimt, des en teilt he mit sinen brudern nicht. Verspät aber ein man sin gut oder verhuret ez oder vergruftet erz mit gift oder mit kost, da sine brudere oder die ir gut mit ime gemein habn, nicht zupflicht en habn, der schade, der her dar an nimt sal sines eines sin und nicht siner brudere noch siner geweken, die ir gut mit ime gemein habn.

Brüder oder andere Leute, die ein gemeinschaftliches Vermögen innehaben, vermehren dieses durch finanzielle Beiträge oder durch ihre Arbeitsleistung. Gewinn und Schaden tragen alle gemeinsam. Was aber ein Mann mit seinem Weibe erheiratet, das teilt er nicht mit seinen Brüdern. Verspielt aber ein Mann sein Gut oder verhuret er es oder verschwendet es mit Geschenken oder durch sonstige Geldausgaben, denen seine Brüder oder diejenigen, die ihr Gut mit ihm gemeinsam haben, nicht zugestimmt haben, so trägt er den daraus resultierenden Schaden allein und nicht gemeinsam mit seinen Brüdern oder seinen Gefährten, die ihr Gut mit ihm gemeinsam haben.16

bb) Teilhabe der Brüder an Nutzen und Schaden Hinweise auf das Wesen der Gesamthandsgemeinschaft ergeben sich aus dieser Quellenstelle. Art. 12 spricht von dem Gut, das ein Mann durch seine Heirat erlangt, „des en teilt he mit sinen brudern nicht". Das Verb teilen ist zu verstehen im Sinne einer gemeinsamen Innehabung eines Vermögens. Die durch die Heirat erlangte Mitgift dagegen fällt nicht in das prinzipiell gemeinschaftliche Vermögen der Hausgenossen. Diese Annahme bestätigt eine weitere Textstelle: „da sine brudere oder die ir gut mit ime gemeinsam habn nicht zupflicht habn, der schade, den her dar an nimt, sal sines eines sin und nicht siner brudere". Die Verfügung über Gegenstände des gemeinsamen Vermögens bedurfte der Zustimmung aller. Das Zustimmungserfordernis läßt sich mit einem in Quoten aufgeteilten Eigentum nicht in Einklang bringen. So kommt dem Verb „teilen" der Sinn gemeinsamer Innehabung des Vermögens zu. Dieses Ergebnis wird unterstützt durch den häufigen Gebrauch des Wortes „gemeinsam". Es drückt eine Verbundenheit der Beteiligten aus, mit der es nicht in Einklang zu bringen ist, daß der einzelne einen Teil aus dem Vermögensganzen herauszulösen vermag. Verbundenheit drückt sich auch in der gemeinsamen Teilhabe aller Brüder an Gewinn und Verlust aus: „ . . . erhoen sie daz mit irre kost oder irme dinste, der vrome ist ir aller gemeine, daz selbe ist der schade". Aus der Interpretation des Art. 12 folgt, daß Eike von Repgow zwar im Zusammenhang mit der Mitgift der Ehefrau von „teilen" spricht, dieses Verb aber keine eindeutigen Anhaltspunkte auf ein in Quoten aufgeteiltes Eigentum gibt. Das Verb „teilen" ist zudem nur gebraucht im Zusammenhang mit der Mitgift der Ehefrau und taucht im weiteren Verlauf der Rechtsaufzeich-

16 Zitiert nach Sachsenspiegel, hrsg. von Julius Weiske und R. Hildebrand, in Anlehnung an die Übersetzung von Eckhardt, Sachsenspiegel-Landrecht.

I. Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse

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nung nicht wieder auf. Die durch das Verb „teilen" assoziierte Distanz der Brüder wird im Gegenteil verdrängt durch Begriffe, die eine enge Verbundenheit dokumentieren. So gebraucht Eike von Repgow viermal die Wörter „samende/gemeine", Verfügungen über das Gesamtgut unterliegen einer gemeinschaftlichen Entscheidung. Es entsteht somit der Eindruck eines starken personellen Bandes, das sein Gegenstück in der Beschränkung der Verfügungsfreiheit des einzelnen findet. Diese Verfügungsbeschränkung ist nicht ausdrücklich auf das gesamte gemeinschaftliche Vermögen reduziert, sondern erfaßt dem Wortlauf nach auch einzelne Geschäfte. Wenn der Bruder hinsichtlich der Mitgift seiner Frau eines eigenständigen Eigentums fähig ist und darüber auch Verfügungsbefugnis besitzt, dann müßte er zwangsläufig auch die Fähigkeit besitzen, über seinen Anteil am Gesamt vermögen zu verfügen. Daß dies nicht der Fall ist, schließt aber gerade ein auch nur in ideelle Anteile aufgeteiltes Eigentum aus. Da Eike von Repgow sich um die Wiedergabe des lebendigen sächsischen Rechts bemühte, zeigt diese Konstruktion einer Hausgemeinschaft in Sachsen, wie unterschiedlich sich die sächsischen Familiengemeinschaften und die Personengemeinschaften des römischen Rechts 17 tatsächlich gestalteten. 3. Die Sachsenspiegelglosse zu Art. 12 a) Die Glossierungen des Sachsenspiegels

Schon die Glosse zu Art. 12 stellt diese Andersartigkeit durch die Verwendung des römischen Sozietätsgedankens auf diese Gemeinschaft in Abrede. Der Sachsenspiegel als einheitliches in sich geschlossenes Rechtsbuch wurde Grundlage für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Recht in Deutschland. 18 Damit begann auch die erste dogmatische Auseinandersetzung mit dem Gesamthandsgedanken. So wie in Italien es sich die Glossatoren zur Aufgabe gemacht hatten, die einzige vollständige aus dem 6. Jahrhundert stammende Handschrift der Digesten Justinians in Randbemerkungen zu interpretieren, so wandte sich auch die deutsche Rechtswissenschaft angeregt durch das italienische Vorbild und bedingt durch die Ausbildung deutscher Juristen an den Universitäten Norditaliens der Interpretation der Quellen zu. So wurde der Sachsenspiegel mehrfach glossiert. 19 Den nachfolgenden Erörterungen liegt der Glossentext Johann von Buchs, entstanden in der Zeit von ca. 1325 - 135520, zugrunde, da er die ursprünglich-

17 Vgl., oben 3. Kapitel, I. la). « Planitz / Eckhardt, S. 138. 19 Stobbe, Rechtsquellen, S. 376-386; Homeyer, Deutsche Rechtsbücher, S. 3. 20 Stobbe, Rechtsquellen, S. 376.

58

3. Kap.: Die Ursprünge der Gesamthandstheorie

ste Bearbeitung darstellt und die nachfolgenden Glossen lediglich mehr oder weniger eigenständige Fortführungen dieser ursprünglichen Glosse sind. Johann von Buch wurde wahrscheinlich vor 1300 geboren und starb nach 1356. Wie sein Vater Nicolaus von Buch stand er ein Leben lang in gräflichen Diensten. 21 Nach dem Studium der Rechte in Bologna, wo er bei Johann Andreae die methodische Anwendung des Rechts gelernt hatte (1305) 22 , trat er in die Dienste des Markgrafen Ludwig des Älteren von Bayern. 23 Buch wandte seine am römischen Recht erlernte Jurisprudenz stets bewußt auf das deutsche Recht an. 2 4 b) Text der Glosse

Wo brüder oder ander leut ec. Hievon hat er gesprochen von dem Vater und von den Kindern / was gesamptes und ungezweites gutes sie haben / Nu wil er sagen von bruderschafft / un auch von geselschafft. Des wisse / das die geselschafft ir Recht hat / wo man sie recht und redlich angreifft / als die Leges sprechen / insti. de societate -de illa sane. Nu wisse auch / das geselschafft und gemeinheit sechserley weise vergehet und zerstöret wirt. Zum ersten / zerstöret sie der Tod / also / ob dem geselle stirbt / oder ob er in das elend gesendt würde / oder ob er ein Münch würde / un diese die hie genant sind / die hat man in dem Rechten vor tod / als die Leges sagen / insti. de capi. dimi & maxima et C. de sen. pas et resti. et ff. de bo. damna 1. I. Ist auch der gesellen viel / und vergehet ir einer / so vergehet auch die geselschafft / als die Leges sagen / instit. de societ... Wirt das auch geendet un volbracht / da sie gesellen vmb (?) wurden / so ist auch die geselschafft aus /ut insti. eo. tit. & item si alicuius. Verleurt auch der gesellen einer sein gut (das der gesellen war) durch misthat / so ist auch die geselschafft aus / ut Insti. eo. Tit. & publicationem. Wer auch von schult willen weicht von seinem gut / so vergehet auch die geselschafft / ut insti. eo. tit. & item si quis et C. de. ces. bo. 1.1. Keiner mag auch geselschafft auffsagen trüglich / das er den fromen allein hab / und seinen gesellen den Schaden allein lasse / als die Leges sprechen ff pro socio 1. actione & labeo et C. de cadu. col. 1.1 in fi. Wer sich auch bescheidet in geselschafft / das er wolt mit anstehen / zu schaden und zu fromen / und wer unter jenen schaden neme / der schaden soll ir aller sein. Nimpt aber ir einer fromm / der from ist auch ir aller / als die Leges sagen / in instit. de socie. & illud vero. Wer seiner gesellen gut nicht also bewahrt / als ob es sein eigen were / und geschieht da schaden zu / den schaden mus er legen / Bewart ers aber als sein eigen were

21 Steffenhagen, A D B Bd. 3, S. 463. 22 Knod, S. 72, Nr. 504. 23 Steffenhagen, A D B Bd. 3, S. 463. 24 Liermann, N D B Bd. 2, S. 697/698.

I. Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse

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/ und geschieht da schaden an / er bleibt es on wandel. Zog er aber wissentlich aus mit einem bösen gesellen / un nimpt er des schaden / den mus er allein haben / der den bösen mit im ausnam / ut instit. eo. tit. & fin et instit. qui mo. re contra, obli & preterea. Ein man mag sein teil verwircken oder übergeben / und nicht seiner gesellen. Haben brüder oder ander leut gemeinschafft zusammen / das müssen sie teilen / das der man nicht mehr den einen herrn behalte / als die Leges sprechen in authen. consti. que de digni coli.6. 25 c) Das „gesampteO und ungezweite()" Gut

Johann von Buch leitet sein Glossem mit den Worten ein: „Hievon hat er gesprochen von dem Vater und von den Kindern / was gesamptes und ungezweites gutes sie haben". Der Familiengemeinschaft weist der Glossator ein gesamtes und ungezweites Gut zu. Das Wort ungezweit läßt darauf schließen, daß eine Zerlegung in Teile im Verhältnis der Familienangehörigen wohl nicht vorliegt. Nach der Erörterung der Entstehens- und Erlöschensgründe einer Gesellschaft, die nach dem Vorbild der Familiengemeinschaft gebildet werden kann, kommt Buch auf die Berechtigung des einzelnen zurück. Hierzu meint er: „Ein man mag sein teil verwircken oder übergeben / und nicht seiner Gesellen. Haben brüder oder ander leut gemeinschafft zusammen / das müssen sie teilen / das der man nicht mehr den einen herrn behalte / als die leges sprechen". Im Gegensatz zum ungezweiten Gut zu Beginn der Glosse spricht Buch nun von einem Teil, den ein Mitglied der Gemeinschaft verschwenden und veräußern darf. Fraglich erscheint angesichts der widersprüchlichen Aussagen des Glossators, welche Qualität diesem Teil beizumessen ist. In Betracht kommt eine Aufteilung in reale Teile. Dies würde bedeuten, daß jedem Gemeinder ein Teil an dem gemeinschaftlichen Vermögen zusteht, über den er frei verfügen kann. Dies hat zur Folge, daß es außer den gemeinsamen eigentumsrechtlichen Bindungen an das Vermögen keine personenrechtlichen Beziehungen der Mitglieder der Gemeinschaft bestehen. Diese Auslegung steht aber in Widerspruch zu dem ungezweiten Gut. Wie kann ein Gut gleichzeitig ungezweit und in Teile zerlegt sein? Das Wort ungeteilt läßt sich dann mit Teil in Einklang bringen, wenn die Aufteilung der Rechte nach außen nicht sichtbar wird, die Teile also nur gedacht sind. Dann erschiene nach außen hin das gemeinschaftliche Eigentum als Ganzes, als ungezweit, während gedanklich jedem Mitglied ein bestimmter Teil zugeordnet ist. In diesem Fall erklärt sich auch die freie Verfügungsbefugnis über die jeweiligen Teile.

25 Text nach Christoff Zobel, Sachsenspiegel, Leipzig 1595, Bl. 47a; Carl Wilhelm Gärtner, Eykens von Repgows Sachsen-Spiegel, Glossa ad Art X I I , S. 41 f.

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3. Kap.: Die Ursprünge der Gesamthandstheorie

aa) Die Glossenkonzeption Johann von Buchs Die Frage läßt sich möglicherweise aus dem systematischen Zusammenhang der Anlage der Buchschen Glosse klären. Buchs Plan war es, eine sichere Erklärung des Sachsenspiegels mit Hilfe der Leges zu geben. Allerdings wollte er das römische Recht nicht um jeden Preis durchsetzen; bei einer Kollision mit dem sächsischen Recht löste er den Konflikt zugunsten der einheimischen Rechtsordnung. 26 Unter Berücksichtigung dieser im Prolog zur Glosse geäußerten Intention, ist der in der Glosse zu Art. 12 enthaltene Verweis auf die Regelung der römischen societas zur Deutung heranzuziehen. 27 (1) Sprachliche Parallelen von Art. 12 und D 17, 2 Pro Socio In der Glosse verweist Buch hinsichtlich verschiedener Probleme der Gemeinschaft auf Regelungen der societas in dem Corpus Juris, so z. B. auf I 3, 25, 2; I 3, 25, 6; I 3, 25, 8 Inst, de Societate; D 17, 2,1; D 17, 2, 3; D 17, 2, 20; D 17, 2, 52 Pro Socio; I 1, 16, 1 De Capitis Minutione. Diese Verweisungen auf den Sozietätsgedanken der Regelungen D 17,2 mußten sich Buch angesichts seiner in Bologna erworbenen Kenntnisse des römischen Rechts aufdrängen. So heißt es in den Digesten: „Idem Papinianus eodem libro ait, si inter fratres voluntarium consortium initium fuerit" 28 . Art. 12 des Sachsenspiegels beginnt mit den Worten: „Swo brudere oder andere lute, di ir gut zu samene habn.. ." 2 9 . In den Digesten heißt es weiter: „ . . . et stipendia ceteraque salaria in commune redigi, judicio societatis" 30 . Der Sachsenspiegel fährt fort: „ . . . erhoen sie daz mit irre kost oder irme dienste, der vromen ist ir aller gemeine, daz selbe ist der schade" 31 . Übereinstimmung findet sich auch hinsichtlich der folgenden Stellen: „Si fratres parentium indivisas hereditates ideo retinuerunt, ut emolumentum ac damnum in his commune sentirent, quod aliunde quaesierint in commune non redigetur" 32 . Im Sachsenspiegel heißt es in diesem Zusammenhang: „Swaz aber ein man mit sine wibe nimt, des en teilt he mit sinen brudern nicht" 3 3 . Als letzte Parallelstellen sind noch anzuführen: „Quod in alea aut

26 Glossenprolog, Vers 195 bis 208, abgedruckt bei Steffenhagen, Landrechtsglosse, S. 52/53; Homeyer, Sachsenspiegel Teil 1, Einl. L I I I . 27 Gierke, GenR I I I , S. 657 f.; Sachsse, Z D R Bd. 14 (1853), 1, 12, 16; Buchda, S. 26. 28 D 17, 2, 52, 8. 29 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 2. b) aa). 30 D 17, 2, 52, 8. 31 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 2. b) aa). 32 D 17, 2, 52, 6. 33 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 2. b) aa).

I. Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse

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adulterio perdiderit socius, ex medio non est laturus, si quid vero dolo nostro socius damni ceperit a nobis repetet" 34 . Diese Stelle entspricht inhaltlich: „ . . . Verspilt aber ein man sin gut oder verhuret ez oder vergruftet erz mit gift oder mit kost, da sine brudere oder die ir gut mit ime gemein habn nicht zupflicht en habn, der schade, den her dar an nimt, sal sines eines sin und nicht siner brudere" 35 . Im Hinblick auf den Plan Eike von Repgows, ein Spiegelbild des praktizierten sächsischen Rechts zu geben und seiner geringen Vertrautheit mit dem römischen Recht 36 ist hinsichtlich der Parallelität allerdings Vorsicht geboten. Es kann wohl kaum von einer bewußten Gleichstellung ausgegangen werden. Waren diese Entsprechungen von Eike von Repgow auch nicht intendiert, so boten sie doch für den an der Universität Bologna ausgebildeten Johann von Buch Ansatzpunkte für seine Erklärung des Gesamthandseigentums anhand der Leges, auch wenn die Digesten nicht auf alle Fragen der Hausgemeinschaft eine plausible oder überhaupt eine Antwort boten. So führen für die Fragestellung hinsichtlich des Wesens des Gesamthandseigentums seine Verweise nicht recht weiter. (2) Die Klärung des Rechts der Brüdergemeinschaft anhand der leges Der Titel I 3, 25 De Societate, auf den Buch mehrfach verweist, beschäftigt sich mit der obligatorischen Seite des Gesellschaftskontraktes, insbesondere mit der Verteilung von Gewinn und Verlust. 37 In D 17, 2, 52, 1 finden sich Ausführungen zu dem Haftungsmaßstab der diligentia quam in suis. 11, 16, 1 schließlich normiert die Beendigungsgründe der Gesellschaft. Dies läßt keinen unmittelbaren Rückschluß auf die Qualität des Gesamthandseigentums zu, denn auf die eigentumsrechtliche Seite der societas oder der communio gehen diese Stellen nicht ein. Da Buch sich jedoch hinsichtlich des Haftungsmaßstabes und der Beendigungsgründe so eng an das Recht der societas anlehnt, liegt der Schluß nahe, daß er auch bezüglich des eigentumsrechtlichen Aspekts der Anlehnung an das Recht der societas treu bleibt. Das wiederum würde bedeuten, daß, da die societas in der Regel mit der communio einhergeht 38 , das gemeinschaftliche Eigentum der Brüder organisiert ist als Bruchteilseigentum. Dann wäre dem Verb „teilen" in dem Textstück „des en teilt er mit sinen brudern nicht" 3 9 tatsächlich die Bedeutung der Zuweisung selbständiger Eigentumsanteile an dem gemeinschaftlichen Gut beizumessen.

34 D 17, 2, 59,1. 35 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 2. b) aa); die Parallelstellen sind entnommen: Sachsse, Z D R B d . 14 (1853), 1, 16. 3 6 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 2. a). 37 I 3, 25, 2; I 3, 25, 6; I 3, 25, 7; I 3, 25, 8. 38 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. a). 39 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 2. b) aa).

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3. Kap.: Die Ursprünge der Gesamthandstheorie

Dies hätte zur Folge, daß der schon festgestellte Widerspruch des „ungezweiten Gutes" zu Beginn der Glosse und des geteilten Gutes zum Schluß nicht aufzulösen ist, es sei denn, eine Auflösung ist in der Hinsicht möglich, daß keine reale körperliche Teilung des Gegenstandes gemeint ist, sondern lediglich die Teilung des Eigentumsrechts bei einem insgesamt ungeteilten gegenständlichen Vermögen. (3) Der Einfluß der accursischen Glosse Eine Annäherung an die Auffassung des Glossators läßt sich jedoch über die Digestenglossierung des Accursius erreichen. Nachgewiesenermaßen hat der um 1230 entstandene accursische Glossenapparat Buch bei der Anlage seiner Glosse zum Sachsenspiegel-Landrecht nachhaltig beeinflußt. Steffenhagen 40 hat die Interdependenzen zwischen der Buchschen Glosse des Sachsenspiegels und der accursischen Glosse untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die accursische Glosse Johann von Buch sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung als Vorbild gedient hat. 4 1 Zitierweise, Art der Einführung der Aussprüche der Quellen, der fortlaufende Gebrauch formelhafter Ausdrücke („dat ist, segge, merke") sind der accursischen Glosse nachgebildet. 42 Die Glosse zu Art. 12 enthält die genannten Stilmittel. So werden die Legesstellen eingeleitet mit der Wendung „als die Leges sprechen", „als die Leges sagen". Die Bestimmungen des Sachsenspiegels selbst werden eingeleitet „hievon hat er gesprochen", „nu will er sagen". 43 Diese Stilmittel deuten darauf hin, daß Buch bei den Verweisen auf die Leges deren inhaltliche Bestimmung durch die Glosse des Accursius meint. Hat sich Buch bereits die äußeren Formen dieser Glosse zu eigen gemacht, so ist dies ein Indiz dafür, daß er auch mit deren Inhalt so vertraut ist, daß er ihre inhaltliche Bestimmung seinen Ausführungen zugrundelegen will. Sofern in dem von Buch in seiner Glosse zitierten Pandektentitel 17, 2 Pro Socio von „esse commune" die Rede ist, 4 4 findet sich bei Accursius allerdings kein Anhaltspunkt darüber, welche Qualität er diesen Teilen beimißt. 45 Zu der Qualität von Eigentumsanteilen an einer gemeinschaftlichen Sache äußert er sich jedoch in Zusammenhang mit D 13, 6, 5, 15. Hierzu meint Accursius, daß die Teile des Ganzen nicht klar, sichtbar und abgeteilt, sondern gedacht 40

Steffenhagen, Johann von Buch und die accursische Glosse, Denkschrift der Akademie der Wissenschaften Wien, Bd. X I . 41 Steffenhagen, S. 4. 42 Steffenhagen, S. 4. « Vgl., oben 3. Kapitel, I. 3. b). 44 D 17, 2, 39; D 17, 2,17, 1; D 17, 2, 52, 4; D 17, 2, 65, 2. 45 Accursius zu D 17, 2, 39, Corpus Juris Civils, Bd. 1, Sp. 1667 Anm. e, f; zu D 17, 2, 17, 1, Sp. 1661; zu D 17, 2, 52, 4, Sp. 1672 Anm. u; zu D 17, 2, 65, 2, Sp. 1686.

I. Die Gesamthand im Blickwinkel der Sachsenspiegelglosse

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seien, da man anderenfalls nicht behaupten könne, daß dein Teil mein sei und umgekehrt: „Partis corporis, sed in solidum simul cum alio, velpro indiviso. 2. Vel diepartis visibilis & discretae: sed intellectualiter sie: nec enim tua est mea, vel mea tua. 46

Demnach erstreckt sich das Eigentum immer auf die ganze Sache. Wenn es aber keine abgrenzbaren Teile gibt, dann bleibt nur die Annahme der Teilung des Eigentumsrechts und die Annahme ideeller Teile. bb) Zusammenfassung Accursius geht demnach von der Vorstellung körperlich nicht abgrenzbarer und mithin ideeller Teile gemeinschaftlichen Eigentums aus. Die genaue Kenntnis und die Anlehnung Johann von Buchs an die accursische Glosse legen die Annahme nahe, daß er die Interpretation des Accursius bezüglich des Wortes „pars" auf den von ihm verwandten Begriff „teil" überträgt. Das bedeutet, daß unter „teil" ebenfalls ein gedachter, ideeller Teil zu verstehen ist. Als rechtliche Konsequenz hieraus folgt, daß jeder Gemeinder infolgedessen über seinen Anteil die volle Verfügungsbefugnis besitzt, wie es das römische Recht vorsieht. 47 So ist zwar bei lediglich gedachten Teilen das äußere Bild des ungezweiten Gutes mit der Zerlegung in Anteile in Einklang zu bringen, vermag aber nicht zu erklären, warum es nach Art. 12 des sächsischen Landrechts hinsichtlich der Verfügung über Gegenstände des gemeinschaftlichen Vermögens der Zustimmung aller Beteiligten bedarf. Johann von Buch folgt seiner im Glossenprolog festgehaltenen Konzeption, Erklärungen des Sachsenspiegels mit Hilfe der Leges zu geben. 48 Hinsichtlich des Art. 12 sah er offensichtlich gegenüber dem römischen Recht keine Besonderheit des sächsischen Rechts, der ein Vorrang gebührt hätte. In Anbetracht der ungelösten Frage der Verfügungsbeschränkung bei einem grundsätzlich geteilten Miteigentum drängt sich die Annahme auf, daß Buch bei der Erläuterung des Sachsenspiegels wohl mehr der Rechtstradition seiner Zeit folgte, als tatsächlich die Wesensmerkmale der Familiengemeinschaft zu erläutern. So bleibt der Eindruck, daß die Konstruktion der societas und communio eben nicht die Struktur der Familiengemeinschaft erfassen kann, sondern nur ein unzulängliches Hilfsmittel einer Annäherung an diese Gemeinschaft darstellt. Der vermögensrechtlichen Geschlossenheit und personellen Verbundenheit, die eine gegenseitige Abhängigkeit der Mitglieder der Brüdergemeinschaft bedingen und die sich in Verfügungsbeschränkungen und dem Gebot des Konsenses aller bei Veräußerungen niederschlagen, vermag das römische Recht nur eine unvollkommene Gestalt zu verleihen. 46

Accursius, Corpus Juris Civilis, Band 1, Sp. 1383 Anm. a. Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) cc). 48 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 3. b). 47

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3. Kap.: Die Ursprünge der Gesamthandstheorie

I L Das Verständnis der Glossierung aus den Ordnungsvoraussetzungen ihrer Zeit Zwischen den Ausführungen der Glosse zu Art. 12 und der Regelung des Sachsenspiegels selbst besteht also hinsichtlich der Möglichkeiten des Familienmitgliedes, über seinen Anteil zu verfügen, ein auffallender Mißklang. Diese Inkongruenz läßt sich mit Mitteln der Textanalyse nicht auflösen. Sie ist vielmehr zu verstehen aus dem Bemühen zur Zeit der Rezeption, rechtliche Phänomene in Deutschland mit römischen Begriffen zu erklären, auch wenn diese dort kein unmittelbares Vorbild finden. Zu dem Bemühen, das Recht der Sachsen mit den Leges zu erklären, bekennt sich auch Johann von Buch in seinem Glossenprolog. 49 Dem uneingeschränkten Dogma des römischen Rechts waren die Besonderheiten der sächsischen Brüdergemeinschaft unterlegen. Dies war der Fall, obwohl Buch bemüht war, eine Konkordanz zwischen römischem Recht und dem Sachsenrecht herbeizuführen und bei Differenzen den Konflikt zugunsten des sächsischen Rechts aufzulösen. 50 Ein Problembewußtsein hinsichtlich der partiellen Verschiedenartigkeit beider Rechtsordnungen war also durchaus vorhanden. Dennoch fielen bei der Glossierung des Art. 12 des sächsischen Landrechts die spezifischen Besonderheiten der Brüdergemeinschaft dem römischen Recht zum Opfer. In dieser Hinsicht also bietet die Glossierung einen Spiegel ihrer Zeit, der Frührezeption in Deutschland. Dieser historische Vorgang nun trägt zur Erhellung der Widersprüche zwischen Glossierung und Regelung des Sachsenspiegels bei. Johann von Buch ausgebildet im römischen Recht an der Universität Bologna, suchte die Gesamthandsgemeinschaft mit römischen Vorbildern zu erklären. So wie er strebten gegen Ende des 13. Jahrhunderts viele deutsche Studenten nach ihrer Rückkehr aus Bologna landesherrliche Stellungen an und trugen so das römische Recht in die Rechtspraxis in Deutschland. 51 Dem Geist seiner Zeit folgend wandte auch Johann von Buch die Regelungen des römischen Rechts auf die einheimische Rechtsordnung an. Dabei entsteht der Eindruck, daß der Glossator sich nur der Methode des gelehrten Rechts bediente, ohne aber die eigentümlichen Strukturen der Brüdergemeinschaft offen zu legen. Anderenfalls ließe sich die Widersprüchlichkeit der Verfügungsbeschränkung des Art. 12 und der Verfügungsfreiheit des Rechts der societas und communio harmonisieren. Daß dies aber gerade nicht der Fall ist, zeigt, daß Buchs römischrechtliche Auffassung eines in gedachte Teile gegliederten gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Vorbild der communio dem Wesen des gemeinschaft-

49 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 3. c) aa) (1). 50 Vgl., oben 3. Kapitel, I. 3. c) aa) (1). 51 Trusen, S. 213.

II. Die Glossierung in den Ordnungsvoraussetzungen ihrer Zeit

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liehen Eigentums der Brüdergemeinschaft nach Art. 12 des SachsenspiegelLandrechts nicht wirklich gerecht werden konnte. Buchs Rechtsverständnis ist also vor allem darauf zurückzuführen, daß er sich in Einklang mit den geistigen Strömungen seiner Zeit, in der das römische Recht die einheimische Rechtsordnung zu durchdringen begann 52 , nicht vom römischen Recht zu lösen vermochte. Begriffen aus den Ordnungsprinzipien der Zeit ist die Definition des Gesamthandseigentums in der Buchschen Glosse als Miteigentum nach ideellen Teilen gemäß den römischrechtlichen Vorgaben der societas und der communio eher Ausdruck des Rechtsverständnisses der Rezeption als eine eingehende Analyse der Beziehungen der Brüder untereinander und zu dem gemeinschaftlichen Eigentum, wie sie die Regelungen des Sachsenspiegels widerspiegeln.

52 Wieacker, PrGN, S. 123; Schlosser, S. 35. 5 Ascheuer

Viertes Kapitel

Die Theorie der Gesamthand in der Zeit der Vorherrschaft des römischen Rechts in Deutschland Nach den ersten Anfängen dogmatischer Aufarbeitung gesamthänderisch organisierter Personengemeinschaften in der Buchschen Sachsenspiegelglosse, wandten sich die Juristen des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit vermehrt diesem Problem zu. Anlaß zu einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Gesamthandsgedanken sowohl in der Konsilienliteratur als auch in monographischen Abhandlungen war das Bedürfnis nach rechtlicher Regelung zweier Institute, der Gesamtbelehnung und der Ganerbschaften.

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung Bereits der Sachsenspiegel enthält in Art. 32 des sächsischen Lehnrechts eine Regelung der Gesamtbelehnung. Anknüpfend hieran und dem besonderen praktischen Bedürfnis der Regelung einer solchen Personengemeinschaft folgend, setzte sich die Konsilienliteratur mit den bei einer derartigen Gemeinschaft auftretenden Problemen auseinander. Die dogmatische Auseinandersetzung dieser Zeit mit der Gemeinschaft der Gesamtbelehnten soll beispielhaft an dem Konsilium von Henning Goden „Sextum Consilium de salinis" 1 erörtert werden, da dieses Konsilium anschauliches Darstellungsmaterial für die argumentative Vorgehensweise bietet. Zum besseren Verständnis der dogmatischen Aufarbeitung ist zunächst ein kurzer Überblick über das mittelalterliche Lehenswesen dienlich. 1. Die simultanea investitura Die Belehnung mehrerer erfolgte auf zwei Wegen; einmal über die Vererbung eines Lehens an mehrere Nachkommen, zum anderen durch die gleichzeitige Investitur einer Mehrzahl von Vasallen. Grundlage der Vererbung eines Lehens nach sächsischem oder deutschem Lehensrecht war das tatsächliche gemeinschaftliche Zusammenleben mit dem 1

Goden, Consilium V I , S. 22ff.

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

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Erblasser. Das bedeutete, daß ein Anspruch dann nicht bestand, wenn ein Abkömmling vor dem Tod des Erblassers den gemeinschaftlichen Haushalt bereits verlassen hatte. 2 Mehrere konnten auch dadurch belehnt werden, daß das Lehen durch Investitur gleich mehreren Lehensnehmern verliehen wurde. Dies erfolgte durch eine feierliche Geste, bei der die Gesamtbelehnten ihre vereinten Hände in die des Lehensherrn legten und mit dieser äußeren Abbildung die Ordnung der Gemeinschaft für die Dauer ihres Bestandes wiedergaben. 3 Diese Ordnung zeichnete sich dadurch aus, daß nur die Nutzungen geteilt wurden (Mutschierung), nicht aber das Lehen selbst.4 Weiter galt das Anwachsungsprinzip, d. h. bei dem Tod eines Mitbelehnten fiel das Lehen nicht an den Lehensherrn zurück. 5 Eine Regelung der Struktur dieser sächsischen Form der Gesamtbelehnung enthält Art. 32 § 3 des sächsichen Lehnrechts. Die Regelung lautet: Die wile sie eyn gut zu samene haben, die zu samene belint sin, ir nichen ne mach an den anderen nichen teil da abe lien noch lazen, da her iz dem anderen mede verne; went des die man nichenen teil untfangen ne hat, des ne mach her nichenen teil lien noch lazen. Swaz aber herda abe liet oder lezit, daz ne mach her selbe nicht brechen iz ne breche der eyne, der iz gut mit yme gemene hat. Solange die zusammen Belehnten ein Gut zusammen haben, kann keiner von ihnen ohne den anderen irgendeinen Teil davon verleihen oder aufgeben und ihn dadurch den anderen entziehen. Denn wovon der Mann keinen Teil empfangen hat, davon kann er keinen Teil verlangen oder aufgeben. Was er aber davon verleiht oder aufgibt, das kann er selbst nicht widerrufen, sondern nur einer von denen, die das Gut mit ihm gemeinsam haben.6

In § 3 kommt eine Verfügungsbeschränkung zum Ausdruck: „die zu samene belehnt sin, ir nichen ne mach an den anderen nichen teil da abe lien noch lazen". Ohne die Zustimmung der anderen ist eine Verfügung über die Beteiligung an dem gemeinsamen Lehen nicht möglich. Als Grund hierfür führt Eike von Repgow an, daß nicht das einzelne Mitglied, sondern die Gemeinschaft das Lehen empfangen habe und folglich das einzelne Mitglied über einen Teil des Lehens nicht verfügungsberechtigt sei, da ihm ein solcher Teil gar nicht zustehe. Die gemeinsam Belehnten erscheinen also als einheitliches Zuordnungssubjekt des Lehens. Eine quotenmäßige Aufteilung des Lehens wird von Eike von Repgow in Abrede gestellt, weil ein Mann gerade keinen Teil empfangen hat und daher einen solchen Teil weder verlangen noch aufhe2 Wehner, S. 166; Albrecht, S. 241; Pfeiffer, Practische Ausführungen, Bd. 1 (1825), Nr. X I V , S. 175/177; Boehmer, Justus Henning, Consultationes, Bd. 1, Pars 2, S. 423. 3 Homeyer, Sachsenspiegel, Band II/2, S. 327. 4 Boehmer, Georg Ludwig, Principia, § 155, S. 115. 5 Stölzel, Archiv für praktische Rechtswissenschaft, Bd. 10.(1863), 184, 190. 6 Zitiert nach Sachsenspiegel, hrsg. von Julius Weiske und R. Hildebrand, in der Übersetzung von Hirsch, Eike v. Repgow-Sachsenspiegel-Lehnrecht, S. 137.

5*

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4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

ben kann. Wenn also ein Belehnter nicht einen Teil des Lehens empfangen hat, sondern die Gemeinschaft das gesamte Lehen, dann vermag man sich das Gesamtlehen auch nicht als Addition der einzelnen Teile der Lehensnehmer vorzustellen. So spricht Art. 32 § 3 eindeutig die Unvorstellbarkeit eines in Teile zerlegten gemeinschaftlichen Lehens aus. Nicht das einzelne Mitglied ist Zuordnungssubjekt eines abgegrenzten Teils des Lehens und aus der Addition der Teile ergibt sich das Gesamtlehen, sondern Zuordnungssubjekt ist die Gemeinschaft der Vasallen, die als einzelne nur in ihrer Eigenschaft als Teil der Gemeinschaft belehnt werden. Neben dieser deutschen oder sächsischen Form der Gesamtbelehnung gab es noch eine weitere, langobardische Mitbelehnung. 7 Diese Coinvestitura Juris Langobardici folgt nach der Regelung in den Libri Feudorum dem Vorbild des römischen Miteigentums. 8 Die Mitbelehnung erscheint nur als äußerer Rahmen, der die Errichtung der verschiedenen Lehen zusammenhält. Ausschlaggebend für das Vorliegen der einen oder der anderen Form der Mitbelehnung war im weiteren Verlauf der Rezeption das Recht des jeweiligen Lehenshofes zur Zeit der Konstituierung des Lehens. Dem Lehensrecht der Libri Feudorum kam demnach subsidiäre Bedeutung nach geschriebenem und ungeschriebenem lokalen Recht zu. Dies ergibt sich aus theil 1, tit. X I I I § 1 der Reichskammergerichtsordnung von 1495.9 So hat sich in den Gebieten, die unter dem Einfluß des Sachsenspiegels standen, das sächsische Lehnrecht erhalten. 1654 bestimmte die Reichshofratsordnung in Titel I I I , § 12, daß in Geschlechtern und denjenigen Reichsteilen, in denen die simultanea investitura hergebracht und in Gebrauch sei, diese auch gehalten und nachgelebt werden solle. 10 2. Die dogmatischen Grundlagen der sächsischen Gesamtbelehnung a) Henning Gödens Konsilien zum sächsischen Lehnrecht aa) Konsilium

„De successione fundi"

In der Konsilienliteratur, die sich mit der Klärung praktischer Rechtsfälle auseinanderzusetzen hatte, ist mithin für das Verständnis des Wesens des Gesamthandseigentums von erheblicher Bedeutung, in welcher geographi7

Boehmer, Georg Ludwig, Principia, § 157, S. 117; Phillips, Grundsätze, S. 429. Libri Feudorum, liber I, tit. I, cap. 2; liber I, tit. V I I I , cap. 1 und tit. I V , cap. 1; über I, tit. I X , cap. 3, abgedruckt bei Schnaubert, S. 309, 310. 9 Diestelkamp, S. 128/129; Reichskammergerichtsordnung, hrsg. von Adolf Laufs, S. 94. 10 Pfeiffer, Ueber das Verhältniß der Lehensnachfolge, Practische Ausführungen, Bd. 5 (1838), 3, 5. 8

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

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sehen Region sich das umstrittene Lehen befand, da hieraus die Anwendbarkeit sächsischer oder langobardischer Regelungen folgte. Henning Goden (ca. 1450 - 1521), Professor der Rechte in Erfurt und Wittenberg, juristischer Berater des Rates der Stadt Halle und des sächsischen Kurfürsten, 11 hat sich in einer Reihe von Konsilien mit der Gesamtbelehnung und ihrer rechtlichen Problematik befaßt. In dem Konsilium „De successione fundi" 1 2 bezeichnet Goden die Gemeinschaft der Gesamtbelehnten als uneigentliche societas. Er meint damit nicht eine societas im eigentlichen römischen Sinn, sondern eine besondere Vereinigung, die er „honesta fraternitas" nennt. 13 bb) Sextum Consilium de Salinis In dogmatischer Hinsicht besonders eindringlich beschäftigt ihn das Problem der Struktur der Gemeinschaft der Gesamtbelehnten in dem „Sextum Consilium de Salinis" 14 , das in den Jahren 1489 bis 1499 zusammen mit Conrad Stein und Simon Voltzke entstand. 15 (1) Der Sachverhalt Anlaß für die Erstellung des Gutachtens war ein Rechtsstreit in Halle mit folgendem Sachverhalt: 16 Vom Erzbischof in Magdeburg hatte die Stadt Halle vier Salzquellen als Lehen erhalten. Diese vier Salzquellen waren ihrerseits rechtlich in 32 Stühle geteilt („una sedes, vulgari autem ein Stuel, vocatur"). Ein Stuhl war wiederum in 48 Pfannen untergliedert („communiter una sartago, seu vulgariter, eine pfanne, nuneupatur"). Nach der Weisung des Lehensherrn durfte die Stadt Halle nur Bürgern ihrer Stadt Rechte an den Salzquellen verleihen. Um zu vermeiden, daß ein einziger Bürger oder einige wenige schließlich alle Anteile an den Salzquellen für sich beanspruchten, wurde durch Statut festgelegt: „Auch wilkörn wir / das niemant von unsern Bürgern mehr Pfannen sol haben in einem iglichen Brunnen / denn einen Stuel / . . . Wer diese wilkore breche / der sol unser Stad geben funffzig Marg / und sol die oberigen Pfannen wider verkeuffen" 17 .Also durfte kein Bürger mehr als einen Stuhl = 48 Pfan11 Muther, A D B Bd. 9, S. 314; Stintzing I, S. 263, 264. 12 Consilium X V , S. 63 ff. 13 Consilium X V , S. 66a. 14 Consilium V I , S. 22 ff. 15 Buchda, S. 39. 16 Consilium V I , S. 22b ff. 17 Consilium V I , S. 22 b, linke Spalte.

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4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

nen innehaben; verstieß er dagegen, so mußte er die überzähligen Pfannen verkaufen und darüber hinaus an die Stadt Halle 50 Mark Strafe zahlen. Zu einem Rechtsstreit kam es als ein Hallenser Bürger, 18 der Inhaber eines Stuhls war, diesen nach seinem Tod seinen drei Söhnen O., B. und A . , die in einem gemeinschaftlichen Haushalt lebten, hinterließ. Den ererbten Stuhl besaßen sie nun gemeinsam („communiter et simultanee investiti") 19 . Das Lehensverhältnis an dem Stuhl ebenso wie die Eigentumsverhältnisse waren ungeteilt („pro indiviso quantum ad fundum et dominiu") 2 0 . Es war ihnen lediglich erlaubt, die Ausbeute der Salzquelle aufzuteilen. Nun wollte einer der Brüder, Otto, zu dem ererbten Stuhl einen weiteren Stuhl für seine männlichen Nachkommen hinzuerwerben. Diesem Vorhaben stellte sich der Magistrat der Stadt Halle entgegen („cuius intentioni, procónsules, cónsules et alii maiores, oppidi memorati resistunt") 21 . Aus diesem Sachverhalt ergibt sich für das Gutachten nun folgende Fallfrage: Kann Otto zu dem Stuhl, den er mit seinen Brüdern gemeinsam in simultanea investitura innehat, für seine männlichen Erben weitere Pfannen an den Salzquellen hinzuerwerben oder verstößt dies gegen das Statut, wonach kein Bürger mehr als einen Stuhl besitzen darf? 22

(2) Grundlagen der Entscheidung Das Consilium gelangt zu dem Ergebnis, daß Otto diese Pfannen hinzuerwerben kann, da jedem Bruder nur ein Drittel des ererbten Stuhls zusteht. ... quod haeres repraesentat personam defuncti; dumtaxat pro parte qua haeres est, ut qui est heres, pro parte repraesentat personam defuncti pro parte.. ,23

Zusammen mit dem ererbten Stuhl dürfen die hinzuerworbenen Pfannen jedoch die Grenze von 48 nicht überschreiten. 24 Dieses Ergebnis beruht auf folgenden Erwägungen: Zunächst stellt Goden die Voraussetzungen für seine Entscheidung zusammen. Hierzu gehört das Statut der Stadt Halle, daß kein Bürger mehr Pfannen als einen Stuhl haben soll. 25 Weiterer Entscheidungsmaßstab ist die Tatsache, daß die Brüder gemeinsam und ungeteilt das Lehen von ihrem Vater ererbt haben. Nach säch-

18 19 20 21 22 23 24 25

Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium

VI, VI, VI, VI, VI, VI, VI, VI,

S. S. S. S. S. S. S. S.

22b, linke Spalte = „dicti die wogau". 22b, rechte Spalte. 22b, rechte Spalte. 22b, rechte Spalte. 22b, rechte Spalte. 22b, rechte Spalte. 25a, rechte Spalte. 22b, rechte Spalte.

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

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sischem Recht kann einer von mehreren Gesamtbelehnten nicht gegen den Willen der anderen seinen Teil veräußern. Dies ergibt sich schon aus Art. 32 des sächsischen Lehnrechts, 26 auf den das Gutachten verweist. 27 Drittens verkörpern die im gemeinsamen Haushalt lebenden Brüder in ihrer Gemeinschaftlichkeit die Person des Vaters: Cui etiam alludit ius Saxonum, dicens, quod unus ex pluribus simultanee in vestitis, non possit aliquam partem alienare aut alteri infeudare, invitis aliis secus simul investitis, ut Lehenrecht... CXXXII in tex... Tertio, quoniam cum dicti fratres stant in eadem domo sui patris defuncti & hanc sedem sui patris, pro indivisa tenent, uti in facto praesupponimus. Ideo videntur ijdem fratres repraesentare personam sui patris & censendi tanquam unus.. .28

Nach der Regel: „Quod quaecunque conveniunt pluribus, tanquam uni, illi censentur unum" 2 9 sind sie daher als eine Person zu betrachten. Wenn der Vater noch lebte, so würde ihn das Statut der Stadt Halle daran hindern, mehr als 48 Pfannen an den Salzquellen zu besitzen. Da aber die Söhne den Vater repräsentieren, so gilt das Verbot auch für die Söhne. Das Recht der Repräsentanten ist identisch mit dem Recht des Repräsentierten: Quare sicuti pater & autor eorum si viveret, per statutum ab hoc proposito habendi plures sartagines in eodem fönte, removeretur, ita & dicti eius filii suam personam & eius typus repraesentantes, in quos ius patrus transiit, removendi sunt Idem enim ius est de repraesentantibus quod est de repraesentato. 30

Dennoch kann Otto, der zusammen mit seinen Brüdern gemeinschaftlich mit einem Stuhl belehnt ist, mehrere weitere Teile hinzuerwerben und behalten: Contrarium vero & quod dictus Otto, in fönte in quo nunc unam sedem, unacum fratribus suis, communiter & simultanea investitura habet, plures partes & comparare & habere possit. 31

Dieses in Anbetracht der aufgestellten Voraussetzungen erstaunliche Ergebnis begründet das Gutachten folgendermaßen: Ist Otto mit seinen Brüdern gemeinschaftlich belehnt, so bedeutet das nicht, daß er es alleine habe, weil es offensichtlich sei, daß die Brüder gemeinschaftlich verfügen müßten und es darum ihr gemeinschaftliches Eigentum sei. Genaugenommen sei also eine gemeinschaftliche Sache nur mein, soweit ich über meinen Teil verfügen könne. Zu behaupten, eine gemeinschaftliche Sache sei allein meine, sei genauso eine Fiktion als zu behaupten, ein halb wei26 27 2« 29 30 31

Vgl., oben 4. Kapitel, I. 1. Consilium V I , S. 23a, rechte Spalte. Consilium V I , S. 23a, rechte Spalte. Paulus, D 2, 14, 9 pr. Consilium V I , S. 23a, rechte Spalte. Consilium V I , S. 23b, rechte Spalte.

72

4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

ßer, halb schwarzer Schild sei einfach weiß. 32 Deshalb habe man sich den gemeinschaftlichen Stuhl der Brüder in Teile zerlegt vorzustellen und zu diesem Teil Ottos an dem gemeinschaftlichen Stuhl seien diejenigen Teile hinzuzuzählen, die allein seine eigenen seien, so daß er insgesamt an der Salzquelle nicht mehr als einen Stuhl habe: Ita in pro posito hanc sedem communem praefatorum trium fratrum, in tres dividi oportet partes & portione dicti Ottonis ita metiri, ne in uno fontium ultra unam sedem habeat, conumeratione partu suarum, quae verae suae sunt, utsupra allegavimus. 33

So kommt das Gutachten zu dem Schluß, daß Otto nicht einen ganzen Stuhl, sondern genaugenommen den dritten Teil hiervon besitze: Quare dictus Otto non sedem unam totam, sed sedis dumtaxat tertiam partem habere dicitur, per ea quae nunc sunt allegata. 34

So ist es nach Meinung der Gutachter nicht möglich, daß mehrere ungeteilt Eigentümer einer einzigen Sache seien, sondern bei diesem Eigentum sei jeder Teil ein gedachter; da dies nicht vor Augen geführt werden könne, sei Ottos Teil nicht von der Sache abgeteilt, sondern eben ungeteilt: Quoniam plures non possunt esse domini unius rei in solidum, sed quilibet partis suae dominus intellectualiter est, ... ad oculum non Semper demonstrari poterit pars cuiuslibet in re non divisa vel indivisibili.. .35

Auf die dritte Frage, inwieweit der Erbe den Verstorbenen nun repräsentiert, antwortet das Gutachten, daß der Erbe dies genaugenommen nur zu dem Teil könne, zu dem er Erbe sei und zu dem Teil, zu dem er nicht Erbe geworden sei, sei er ein extraneus. 36 Deshalb hindere das Statut der Stadt Halle Otto nicht daran, zu den ererbten Pfannen noch weitere hinzuzuerwerben, solange ihre Zahl insgesamt nicht einen Stuhl = 48 Pfannen überschritt: Et hanc secundam partem, dictus Otto praetextu praemisi statuti prohiberi non possit, quominus plures partes habeat in fönte, in quo cum fratrib. suis ad unam sedem communis est, ita tarnen quod partes per eum comparande & sedis communis tertia pars, quam proprie & vere divisione intellectuali... habet. 37

(3) Die Struktur der Lehensgesamthand in der Vorstellung Gödens Wie der Hinweis auf Art. 32 des sächsischen Lehnrechts 38 zeigt, handelt es sich bei der Belehnung der Stadt Halle um ein sächsisches Lehen. Die in häus32 33 34 35 36 37 38

Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium Consilium

VI, VI, VI, VI, VI, VI, VI,

S. S. S. S. S. S. S.

24a, linke Spalte. 23a, rechte Spalte. 24b, rechte Spalte. 25a, rechte Spalte. 25a, rechte Spalte. 25a, linke Spalte. 22, rechte Spalte.

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

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licher Gemeinschaft lebenden Brüder O., B. und A . verkörpern rechtlich die Person ihres verstorbenen Vaters. Dieser wäre durch das Statut der Stadt Halle gehindert, mehr als einen Stuhl zu besitzen, also gilt das auch für die Söhne. 39 Goden stellt hiermit die Einheit der Gesamtbelehnten heraus, alle drei Brüder verkörpern den Vater, verkörpern eine Person, bilden eine Einheit. Ihre rechtlichen Beziehungen zu dem Lehen sind dieselben wie die rechtlichen Beziehungen einer einzigen Person zu einem Lehen. Diese Einheit bedingt einen ungeteilten Besitz. Zur Stützung dieses Ergebnisses führt Goden Paulus D 2, 14, 9 pr an: „Si plures sint qui eandem actionem habent unius loco habentur... quia unum debitum est". Doch dann kommt plötzlich eine Wendung, die sich in Anbetracht des bisher entwickelten Gedankenganges nicht ganz harmonisch in die Argumentation einfügt und wie ein Zurückweichen auf das bekannte Territorium des römischen Rechts anmutet. Plötzlich besitzen die Brüder nicht mehr als Repräsentanten ihres Vaters als eine Person, sondern vertreten nur noch zu je einem Drittel seine Stelle. Die Vorstellung, daß mehrere ungeteilt als eine Person Eigentümer eines Ganzen sein können, ist unpassend und wird zur Fiktion. Wenn Goden schreibt: „Quoniam plures non possunt esse dominus unius rei in solidum, sed quilibet partis suae dominus intellectualiter est.. . " 4 0 , dann klingen hier, obwohl als Quelle nicht angeführt, die Ausführungen des Celsus: „ . . . duorum in solidum esse non posse, nec quemquam partis corporis dominium esse, sed totius corporis indiviso pro parte dominium habere" 41 an. Obwohl Goden eingangs Art. 32 des sächsischen Lehnrechts ausdrücklich als Quelle genannt hat, der gerade die Unteilbarkeit des Lehens hervorhebt, 42 zieht er sich nach seinem Vorstoß hinsichtlich der Einheit der Gesamthänder wieder auf römischrechtliche Regelungen zurück. So kommt nicht zum Ausdruck, warum denn eigentlich, bezogen auf die Gesamtbelehnung, die Idee von der Einheit der Gesamthänder nicht in Betracht zu ziehen ist. Die angeführte Erwägung, daß das ungeteilte Eigentum mehrerer nur eine Fiktion sei, weil keiner unabhängig von den anderen darüber verfügen könne, ist keine zwingende Begründung, denn warum sollte diese Fiktion nicht die eigentumsrechtlichen Besonderheiten der Gesamtbelehnung beschreiben, die Goden selbst mit Verweis auf das sächsische Lehnrecht hervorhebt? Die weitere Schlußfolgerung, daß ein gemeinschaftliches Eigentum nur geteiltes Eigentum sein kann, steht in Widerspruch zu: „hanc sedem sui patris pro indivisa tenent". 43 Ging Goden hier noch davon aus, daß das Lehen ungeteilt ist und alle drei Brüder den Vater repräsentieren, so ist wenige Seiten weiter ein gemeinschaftliches ungeteiltes Lehen

39

Consilium V I , S. 23, rechte Spalte. Consilium V I , S. 25a, linke Spalte. 41 D 13, 6, 5, 15; vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) bb). 42 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 1. 43 Consilium V I . , S. 23a, rechte Spalte. 40

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4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

undenkbar und jeder der Brüder repräsentiert den Vater nur noch zu einem Drittel. Eine stichhaltige Begründung hierfür gibt Goden nicht. Stattdessen überspielt er diese Inkonsequenz mit dem Hinweis auf die communis opinio und ersetzt somit die notwendige Begründung. 44 Schließlich muß er den Widerspruch von pars pro indivisa zu quotenmäßig aufgeteiltem Eigentum auflösen. Hier dient als Ausweg die Konstruktion des gedachten Teils, eine für das Auge nicht sichtbare Quote. 45 Das Modell der gedachten Teile ermöglicht die Übereinstimmung von quotenmäßig aufgeteiltem bei nach außen hin ungeteiltem Eigentum. cc) Gödens argumentative Vorgehensweise Goden betrachtet also das gemeinschaftliche Lehen als ein Miteigentum nach ideellen Teilen. Doch bleibt angesichts nicht immer konsequenter Gedankenführung und verbleibender Widersprüche der Eindruck, daß auch Goden sich wie Buch eher dem dem Denken seiner Zeit immanenten Zwang des römischen Rechts beugt, als eine eigenständige Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der sächsischen Gesamtbelehnung zu wagen. Bemerkenswert an diesem Konsilium ist, daß Goden den Gedanken eines ungeteilten gemeinschaftlichen Eigentums mehrerer zumindest in Erwägung zieht, auch wenn er diesen recht übergangslos zugunsten eines gedanklich geteilten Eigentums wieder verwirft. Hierin deutet sich zumindest seine Abneigung gegen die scholastische Methode 46 an und seine, wenn auch skeptische, Zustimmung zum Humanismus, der doch immerhin eine kritische Sichtweise der Quellen bewirkte und infolgedessen Freiräume in der Bindung an die strenge Auslegung der Quellen brachte. 47 In Anbetracht fehlender römischrechtlicher Vorbilder zeigt Goden aber schon recht bald Mißbehagen hinsichtlich der These von der Einheit der Gesamthänder. So hat diese Denkweise nicht die Kraft, sich konsequent fortzuentwickeln und die Eigenart des sächsichen Lehnrechts nach Art. 32 deutlich herauszustellen und als solche zu qualifizieren. Fast spürt man noch das Unbehagen Gödens zwischen den Zeilen, sich zu weit von den römischen Vorbildern entfernt zu haben, so übergangslos stellt sich die Ablehnung der Einheit der Gesamthänder zugunsten der Aufteilung in ideelle Teile dar. Hier findet er, sich der autoritativen Kraft des Corpus Juris beugend, zum römischen Recht zurück. Eine Kraft, die sich auch in dem äußeren Erscheinungsbild des Konsiliums widerspiegelt. Es ist italienischen Konsilien angeglichen mit der Anreicherung von nicht immer

44 45 46 47

Consilium V I , S. 24b, rechte Spalte. Consilium V I , S. 24b, rechte Spalte. Kampschulte, S. 41. Kisch, S. 26.

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

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ganz zutreffenden Quellenzitaten und den Verweisen auf die communis opinio, die Begründungen ersetzte und Widersprüche zu harmonisieren und zu überbrücken suchte. 48 Aus den Ausführungen des Gutachtens wird aber auch deutlich, daß das Institut der Gesamtbelehnung eine eigenständige Charakterisierung verlangt und daß römischrechtliche Vorbilder diese Charakterisierung nur unvollständig zu leisten vermögen, angesichts der Vielzahl offener Fragen. So bleibt der Eindruck, Goden und seine Mitarbeiter wählen die Konstruktion gedachter Teile, nicht weil sie diese unbedingt für passend halten, sondern weil sie der Haltung ihrer Zeit entsprechend keine anderen Instrumente der Annäherung an das Phänomen „Brüdergemeinschaft" zu besitzen glauben. Doch erste Zweifel an der Universalität des römischen Rechts treten zu Tage. b) Die Lehensgesamthand in der Sichtweise der praktischen Jurisprudenz des 16. und 17. Jahrhunderts (Konsilien, Observationen, Quaestionen)

aa) Die beginnende Abkehr von der Einzelfallbetrachtung Zu der Herausbildung einer deutschen Rechtswissenschaft führten die unter den Titeln „Observationen, Quaestionen" publizierten Abhandlungen. Im Gegensatz zu den Konsilien war bei den Quaestionen und Observationen nicht mehr nur ein bestimmter Einzelfall Ausgangspunkt grundsätzlicher rechtlicher Erwägungen. Die Lösung vom Einzelfall führte zu einer beginnenden systematischen Geschlossenheit und grundsätzlichen Erörterung des Wesens der Gesamthand, die die weitgehend dem Einzelfall verhaftete und daher nicht zu einer dogmatischen Geschlossenheit führende Konsilienliteratur nicht hätte leisten können. 49 Insgesamt aber sind die Stellungnahmen der im Zuge ihrer praktischen Tätigkeit mit dem Problem konfrontierten Juristen zum Wesen dieser Gemeinschaft wenig ergiebig. Doch ist auch in den Quaestionen und Observationen die bei Goden anklingende kritische Reflexion des römischen Rechts bei der Übertragung auf spezifisch deutschrechtliche Institute wie die Lehensgesamthand erkennbar. Ebenso wie bei Goden ist ein gewisses Unbehagen in Anbetracht fehlender Kongruenz von römischem und deutschem Recht herauszulesen.

48

Luig, Stichwort „mos gallicus, mos italicus", H R G I I , Sp. 693; Stintzing, Bd. 1, S. 525. 49 Buchda, S. 33.

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4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

bb) Die Struktur der Lehensgesamthand aus der Sicht praktisch tätiger Juristen Modestinus Pistoris (1516 - 1565) schreibt zur simultanea investitura in einem namens der Juristenfakultät zu Leipzig angefertigten Gutachten 50 : Die Natur des Eigentums bei der simultanea investitura unter denjenigen, die gemeinschaftlich belehnt seien, sei die einer „quasi societas" oder „quasi communio". Haec enim natura & proprietas est simultaneae investiturae, ut inter illos, qui de bonis suis invicem sunt investiti; quandam quasi societatem seu communionem, quo ad ius succedendi & reciprocam obligationem introducat.. .51.

„Quasi" also gleichwie, vergleichbar, aber eben nicht mehr identisch. Es besteht Ähnlichkeit, Wesensverwandtschaft, aber societas und communio werden den Besonderheiten der Lehensgesamthand nicht gerecht. Sie können nur annähernd der Charakterisierung dienen. Hartmann Pistoris (1543 - 1603) teilt mit seinem Bruder die Ansicht, daß die Gemeinschaft der Gesamtbelehnten mit einer communio allenfalls vergleichbar sei. Auch er sieht keine Identität: „Veluti communio quaedam" 52 . Johann Fichard (1512 - 1581) macht die Besonderheit des sächsischen Rechts - „communi usui apud nos Germanos" - an den Lehenspflichten der gemeinschaftlich Belehnten deutlich. 53 Das Gesamtlehen ist nach Meinung Fichards solcher Art, „daß sie nicht einem allein, sondern einem ganzen Geschlecht / so dar mit belehnet / eigen und zugehören / Und derwegen auch alle desselben Geschlechts / dieweil sie darinn succediren, dafür Lehenpflichtig seyn müssen"54. Aus der gemeinschaftlichen Belehnung folgt die Unteilbarkeit der Lehenspflichten: „So ein gemein Lehen haben / sich nicht voneinander absondern mögen / dermassen / daß sie zugleich das Lehen haben / un doch etliche mit den Lehenspflichten allein / die anderen aber gar nit belade seyn sollte... Darum wil es sich auch in unserm Fall nicht schicken / daß einer allein in diesem Samptlehen / und die anderen nicht auch pflichtig seyn sollten" 55 . Die Gesamtbelehnten haben also ein Lehen, daß sie nicht voneinander absondern, sprich teilen, können. Zwischen der Unteilbarkeit der Lehenspflicht läßt sich eine Brücke schlagen zur Unteilbarkeit des Lehens selbst. Fichard bemerkt, daß das Lehen nicht einer Person, sondern „toti familia B. communiter sit concessum"56 zustehe. Zur Charakterisierung des gemeinschaftlichen 50 Consilium Collegii Juridici Lipsensis confectum, in: Hartmann Pistoris, Quaestionum, Quaestio X X , S. 106, 120. 51 Modestinus Pistoris, in: Hartmann Pistoris, Quaestionum, Quaestio X X , S. 106, 120. 52 Hartmann Pistoris, Quaestionum, Quaestio X X , Nr. 2, S. 62/63. 53 Fichard, Consiliorum, Bd. 1, Nr. V I I I . 54 Fichard, Consiliorum, Nr. V I I I unter 12. 55 Fichard, Consiliorum, Nr. V I I I unter 18.

I. Die Theorie der Gesamtbelehnung

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Lehens zieht er römischrechtliche Institute wie societas und communio nicht heran. Auffällig an diesem Konsilium ist, daß Fichard sich der Besonderheit des sächsischen Lehenswesens wohl bewußt ist - „usui loquendi apud nos Germanos" 57 . Die Abkehr vom römischen Recht und das Bewußtsein der Unzulänglichkeit der Charakterisierung der Gesamthand durch römische Institute zeichnet sich ab. Bei der Generalisierung der Erkenntnisse der Konsilien ist jedoch Vorsicht geboten, da die Gutachten jeweils auf den Einzelfall zugeschnitten sind und es nicht außer Betracht bleiben kann, daß die Gutachter sich auch von rein praktischen Erwägungen und Billigkeitsgesichtspunkten leiten ließen. Da jedoch systematische Werke zur Gesamtbelehnung in dieser Zeit fehlen 58 , geben allein die Konsilien einen Eindruck von der Theorie der Gesamtbelehnung des 16. Jahrhunderts. Die spärlichen Spuren einer vom Einzelfall losgelösten systematischen Erfassung bringen gegenüber der Konsilienliteratur keine neuen Erkenntnisse. Matthias Berlich (1586 - 1638) hält die simultanea investitura auch für ein der communio oder societas ähnliches Institut. 59 Er verweist hier auf die Ausführungen von Modestinus und Hartmann Pistoris 60 , mit denen er übereinstimmt. In einer Entscheidung des Judicium Curiale Wittenbergense 61 grenzt er die Gemeinschaft der Lehensgesamthänder negativ ab. Abgrenzungsmerkmal ist das Majoritätsprinzip bei Abstimmungen hinsichtlich der Rechtsgeschäfte, die alle gemeinsam angehen. Dieses Majoritätsprinzip lehnt er für die lehensrechtliche Gesamthand ab. Sie sei keine universitas 62 , sondern jeden einzelnen gehe das Recht am gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar an. 63 Jeder Lehensgesamthänder steht nach Berlichs Meinung in einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung zum Gesamtlehen. Zu der Qualität dieser Beziehung, ob es sich um reale Teile handelt oder ob die unmittelbare Teilhabe an dem Lehen eine Partizipation am Eigentumsrecht bedeutet, äußert sich Berlich nicht. Diese Auswahl an Literatur bestätigt, daß die Dogmatik sich des Gesamthandsgedankens zunächst nur sehr dürftig angenommen hat. In der Hauptsache handelte es sich um die Abhandlungen von Praktikern, die im Zusammen-

56

Fichard, Consiliorum, Nr. V I I I unter 13. Fichard, Consiliorum, Nr. V I I I unter 13. 58 Buchda, S. 47. 59 Berlich, Conclusiones, Conclusio L I I I , Nr. 20. 60 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 2. b). 61 Berlich, Decisiones Aureae, Decisio 125. 62 Vgl., oben 2. Kapitel, IV. 2. c). 63 Berlich, Decisiones Aureae, Decisio 125 Nr. 6. 57

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4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

hang mit ihrer praktischen Tätigkeit mit dem Problem der Lehensgesamthand konfrontiert wurden. Vor diesem Hintergrund konnte sich eine geschlossene Gesamthandslehre wohl kaum ausbilden. 3. Zusammenfassung Das Consilium de Salinis von Henning Goden zeigt, daß nunmehr neue Gedanken in der Gesamthandslehre auftauchen, die allerdings noch nicht die Kraft haben, sich gegenüber dem rezipierten römischen Recht in Deutschland zu behaupten. Wenn auch die Juristen sich bei der Erklärung der Lehensgesamthand wieder auf die römischen Institute der societas und communio zurückziehen, so wird doch zugleich deutlich, daß sie sich der Besonderheit der sächsischen Lehensgesamthand bewußt sind, nur vermögen sie dieses Bewußtsein nicht zu artikulieren. Gödens Argumentation von der Einheit der drei Brüder als Rechtsnachfolger ihres Vaters kommt nicht ganz bruchlos zu dem erstaunlichen Ergebnis, daß die Brüder teilweise und zwar zu einem Drittel an dem Gesamtlehen berechtigt seien. Warum der Gedanke einer einheitlichen Belehnung, gerade in Anbetracht der eindeutigen Regelung des Art. 32 § 3 des sächsischen Lehnrechts so ungeheuerlich ist, wird nicht ganz deutlich. Goden zieht sich auf die Konstruktion gedachter Teile zurück, die die Idee der Einheit mit der anteilsmäßigen Berechtigung zumindest scheinbar in Einklang zu bringen vermögen. Bei dieser Konstruktion kann er auf vertraute römischrechtliche Vorbilder zurückgreifen. Doch bleibt ein gewisses Unbehagen, römische Institute auf spezifisch deutsche Erscheinungen zu übertragen. Die Kraft aber, sich vollständig vom römischen Recht zu lösen, fehlt. Dies gilt auch für Gödens Zeitgenossen. In der Verwendung von Begriffen wie „quasi societas" und „quasi communio", „veluti communio" zeigen auch die Brüder Pistoris und Johann Fichard eine beginnende kritische Distanz zu der Anwendung römischen Rechts auf die Lehensgesamthand. In dieser fortschreitend kritischen Sichtweise der Anwendbarkeit des römischen Rechts auf die sächsische Lehensgesamthand macht sich der Einfluß des beginnenden Humanismus bemerkbar. Unterstrich noch zur Zeit der Entstehung der Sachsenspiegelglosse zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Scholastik die autoritative Wirkung der Texte des Corpus Juris und versuchte ihre unumstößliche Richtigkeit zu vermitteln, Spannungen und Widersprüche zu harmonisieren, so führt nun der mos gallicus zu einem kritischeren Bewußtsein der römischen Textquellen. Dieses kritische Bewußtsein bezieht sich zunächst nur auf die Texte. 64 Diese dem römischen Recht gegenüber zunehmend distanziertere Sichtweise deutet sich in der Literatur zur Gesamtbelehnung durch Relativierungen wie „quasi societas", „veluti communio" an. Für Johann von Buch 64

Luig, Stichwort „mos gallicus, mos italicus", Sp. HRG II, 691, 695,697; Kisch, S. 26.

II. Die Theorie der Ganerbschaften

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stand dagegen noch außer Frage, daß die Hausgemeinschaft des Art. 12 Sachsenspiegel-Landrecht als societas zu betrachten sei und ihr gemeinschaftliches Eigentum den Regeln der communio unterliege. Letztlich begnügen sich aber auch die Autoren, die sich mit der Lehensgesamthand auseinandersetzen, damit, nach mehr oder weniger passenden Parallelen im römischen Recht zu suchen, um das Erscheinungsbild der Lehensgesamthand annähernd zu beschreiben. Ein vom römischen Recht unabhängiger Lösungsansatz findet sich nicht. So mutet die Qualifikation der Lehensgesamthand als communio oder societas und damit als Miteigentum nach ideellen Teilen eher als ein Kompromiß zwischen der tatsächlichen Lebenserscheinung Lehensgesamthand und den Mitteln, die das römische Recht zur Erklärung bereithält, an. Im Ergebnis bleiben einige, sich mit der Eigenart der Gemeinschaft nach Art. 32 Sachsenspiegel-Lehnrecht stellende Fragen, insbesondere hinsichtlich der Verfügungsbeschränkungen, ohne zufriedenstellende Antwort.

I I . Die Theorie der Ganerbschaften Neben der Gemeinschaft der Gesamtbelehnten bot die Gemeinschaft der Ganerben den Juristen Gelegenheit, sich mit gesamthänderischen Strukturen auseinanderzusetzen. Anders als bei der Gesamtbelehnung waren nicht die Konsilien, sondern Observationes und Thesauri die Orte, an denen diese Auseinandersetzung stattfand. Mit seiner Abhandlung über die Ganerbschaften in „Partitiones Juris Feudalis" 65 widmete sich mit Konrad Rittershausen ein Jurist dem Problem zum ersten Mal auch in monographischer Weise.

1. Begriff und Charakteristik der Ganerbschaften Rittershausen hält die Ganerbschaften wegen der Vielfältigkeit ihrer Erscheinungsformen eigentlich dogmatisch für nicht erfaßbar, sondern vor allem in ihrer Realität begreifbar. Nam haec talia usu potius quam ex libris discenda sunt recteque & laudabiliter facerunt illi, qui observationes practicas conscribunt & edunt, se eiusmodi singularia potius colligerent & nobiscum communicarent, quam alia sexcenties dicta repetens. 66

Daher bietet es sich an, zunächst einen Blick auf diese Realität zu werfen. Estor erklärt die Ethymologie des Wortes Ganerbschaft als Zusammensetzung von Gan und Erbschaft, wobei „Gan" der Distrikt um ein Schloß ist. 67

6

5 Rittershausen, Liber I, Cap. X V I I , S. 254 - 263. Rittershausen, Liber I, Cap. X V I I , S. 255. 67 Estor, Bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit, Teil I, S. 128. 66

80

4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

Sachlich bezeichnet die Ganerbschaft eine Personenmehrheit, die an einer angefallenen oder in Zukunft anfallenden Erbschaft gemeinschaftlich beteiligt war. Charakteristisch hierbei war, daß eine Substanzteilung des gemeinschaftlich ererbten Gutes durch die Erben dauernd über Generationen hinweg ausgeschlossen war. 6 8 Die insbesondere bei den ritterlichen Familiengemeinschaften auftretende Form der Ganerbschaft diente dem Zweck, die Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Familiengutes zu erhalten, insbesondere die an den Besitz gebundenen Privilegien wie Wappen, Titel, Jagd- und Steuerfreiheit. 69 Die Ganerbschaft entstand durch einen förmlichen Vertrag, den Burgfrieden. Er beinhaltete Bestimmungen hinsichtlich persönlicher Aufnahme und Schutz in Kriegszeiten, Unterhaltung der gemeinschaftlichen Burg und zu der Pflicht gemeinschaftlicher Verteidigung. 70 Burgfrieden regelten aber auch die Erbfolge und die Verfügungsrechte. So war wesentlicher Charakter dieser Burgfrieden, auf Dauer das Zusammenleben der einen Haushalt bildenden Familienmitglieder zu regeln. 71 Die Güter der Ganerben wurden gemeinschaftlich verwaltet. Geteilt wurden nur die erwirtschafteten Nutzungen. 72 Da sich der bei Rechtsgeschäften notwendige Konsens aller bald als schwerfällig erwies, wurde der gemeinsame Hausstand allmählig zur Fassade. Jeder Ritter hatte nunmehr innerhalb der Burg einen abgetrennten eigenen Wohnbereich. Der Zerfall des gemeinsamen Haushalts fand jedoch nur selten sein Gegenstück in der tatsächlichen Aufteilung der gemeinschaftlichen Güter. 73 Die Burgfrieden beinhalteten nämlich strenge Veräußerungsverbote. Selbst im Fall echter Not durfte ein Ganerbe nicht an einen Fremden veräußern. Der Burgfriede von Schüpf (Hohenrechberg) vom 8. 3. 1483 bestimmte hierzu folgendes: Will eine Parthie ihren Theil der Burg versetzen oder verkaufen, so soll sie denselben zuerst ihren Verwandten anbieten, wollen die ihn nicht, so bietet man ihn der andern Parthie an; will diese ihn auch nicht, so darf er an dritte veräußert werden, nur nicht an Städte und Uebergenossen (dynastischer Adel). 74

Da die Burgfrieden auf ewige Zeiten angelegt waren Wir Rudolf, Cunrat, Albreht und Hainrich von Homburg ... tund kunt... daz wir alle vier ... über ain komen sigin: des ersten, daz wir und alle unser erben und nachkomen gen enander ainen schiebten ungevärlichen und ewigen burgfrid halten 15 -

bedeutete dies, daß eine Auflösung der Gemeinschaft und eine vollständige Aufteilung der gemeinschaftlichen Güter nur mit der Zustimmung aller 68 69 70 71 72 73 74 75

Wippermann, S. 5. Ogris, Stichwort „Ganerben", H R G I, Sp. 1380, 1381. Mone, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Bd. 16 (1864), S. 426. Wippermann, S. 14; Roth von Schreckenstein, S. 515. Wippermann, S. 15. Ogris, Stichwort „Ganerben", H R G I, Sp. 1382. Abgedruckt bei: Mone, S. 431. Burgfrieden zu Homburg vom 12. 3. 1388, abgedruckt bei: Mone, S. 428.

II. Die Theorie der Ganerbschaften

81

Ganerben möglich war und so blieben einige Ganerbschaften bis in das 19. Jahrhundert hinein erhalten. 76 2. Dogmatische Aufarbeitung des Verhältnisses der Ganerben Die Rechtswissenschaft des 16. und 17. Jahrhunderts beschäftigte zunächst nur Einzelfragen, z.B. die Gültigkeit der Burgfrieden. So behandelt ein Konsilium von Johann Fichard 77 die Frage, ob ein Burgfrieden, der bei Fehlen männlicher Erben, die Töchter hinsichtlich der unbeweglichen Güter von der Erbfolge ausschloß, wirksam sei. Die erste dogmatische Abhandlung, die losgelöst vom Einzelfall den Wesensgehalt der Ganerbschaften zu ergründen sucht, sind die eingangs78 schon erwähnten „Partitiones Juris Feudalis" von Konrad Rittershausen. Rittershausens Ausführungen bildeten die Grundlage für das gesamte ganerbschaftliche Schrifttum des 16. und 17. Jahrhunderts. a) Die monographische Abhandlung „De Ganerbinatu" von Konrad Rittershausen

Konrad Rittershausen (1560 - 1613) war Professor der Rechte in Altdorf. 7 9 Stintzing 80 hebt Rittershausens systematische Fähigkeiten hervor, insbesondere seine Verdienste um die Ordnung der Novellen Justinians, die Rittershausen für die dogmatische Grundlage des Rechtssystems Justinians gehalten habe. 81 Zu den wenigen noch zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Werken gehören die 1603 publizierten „Partitiones Juris Feudalis". Das Buch ist ein kurzes systematisches Lehrbuch des Lehenrechts, in dem sich Rittershausen in einem Exkurs den Ganerbschaften zuwendet. Im Rahmen dieses Exkurses „De Ganerbinatu, von Ganerben und Ganerbschafft" 82 behandelt er die Ethymologie des Wortes, Ursprung, Entwicklung und Nutzen, die Rechtsverhältnisse der Ganerben und schließlich die Erlöschensgründe. Zunächst führt Rittershausen aus, daß er eine dogmatische Erfassung nicht für erstrebenswert halte, da die Ganerbschaften aus ihrer Realität heraus zu begreifen seien. 83 Aus diesem Verständnis heraus ist die Definition der Ganerbschaften, die Ritters-

76 77 78 79 80 81 82 83

Ogris, Stichwort „Ganerben", H R G I, Sp. 1382. Fichard, Consiliorum, Consilium I I , Bl. 2b ff. Vgl., oben 4. Kapitel, II. 1. Eisenhardt, A D B Bd. 28, S. 699. Stintzing, Bd. 1, S. 419. In diesem Sinn auch Eisenhardt, A D B Bd. 28, S. 700. Rittershausen, Partitiones, Liber I, Cap. X V I I , S. 254 - 263. Rittershausen, Partitiones, S. 255/256; vgl. auch oben 4. Kapitel, II. 1.

6 Ascheuer

82

4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

hausen vornimmt, wohl zu verstehen. So bietet er auch hinsichtlich des Wesens der Ganerbschaften eine reiche Palette von Charakterisierungsmöglichkeiten, beginnend mit der confraternitas, Quoque maior esset ipsorum inter se coniunctio, peculiares quasdam confraternitas certis pactis inter se instituerunt..

über societas, Constituuntur autem Ganerbii & bona (ut sie vocem) Ganerbica pactis & conventionibus ipsorum inter se condominorum, qui in confoederationem & societatem huiusmodi; sese contulerunt.. .85

communio, Manet Inst. De Societate ita isti quoq. fraternitati & confoederationi inter condominos puto posse renuntiari ab eo, cui non amplius Uber in illa societate & communione stare 86

condominium 87 bis hin zur Konstruktion der universitas Et licet interdum totum collegium sive corpus condominorum sua habeat privilegia regalia ab Impp. sibi concessa.. .88

&

So schillernd wie die Ganerbschaften sich in der Realität präsentieren, so vielfältig ist eben auch ihre dogmatische Grundlage. Dann jedoch setzt sich Rittershausen in Widerspruch zu seiner ursprünglichen Auffassung, daß die reale Vielgestaltigkeit der Ganerbschaften zu projizieren sei auf ihre dogmatische Erfassung und begibt sich auf die Suche nach einer einheitlichen, die Ganerbschaften beschreibende Grundlage. Diese findet er grundsätzlich in der societas89. Dem wiederum steht aber nicht entgegen, daß dem ganzen collegium oder dem corpus der Miteigentümer Regalien und Privilegien verliehen werden können und deshalb nicht der einzelne Ganerbe, sondern alle in gleicher Weise berechtigt sind: Et licet interdum, totum collegium sive corpus condominorum sua habeat privilegia & regalia ab Impp. sibi concessa: tarnen ea non sunt singulorum condominorum, sed pariter omnium. 90

Hier kombiniert Rittershausen die Rechtsverhältnisse der societas mit denen der universitas. Er benutzt die Bezeichnung universitas selbst nicht und wie bereits erörtert, bedeutet „corpus habere" im römischen Recht nicht

84 85 86 87 88 89 90

Rittershausen, Rittershausen, Rittershausen, Rittershausen, Rittershausen, Rittershausen, Rittershausen,

Partitiones, Partitiones, Partitiones, Partitiones, Partitiones, Partitiones, Partitiones,

S. S. S. S. S. S. S.

257. 260. 262. 260. 262. 262. 262.

II. Die Theorie der Ganerbschaften

83

unbedingt das Vorliegen einer juristischen Person im heutigen Verständnis. 91 Zur Interpretation kann man Rittershausens Verständnis der Novellen Justinians heranziehen, die er für die dogmatische Grundlage des Rechtssystems Justinians hielt. 9 2 In diesen Novellen hat Justinian hinsichtlich der christlichen Klöster und Kirchen herausgestellt, daß corpus eine von der Personenmehrheit losgelöste juristische Person bedeute. 93 Aufgrund der Einschätzung Rittershausens bezüglich des dogmatischen Wertes dieser Novellen ist es naheliegend, daß auch er „corpus" im Sinne einer von den Ganerben losgelösten juristischen Person meint und die gleichmäßige Beteiligung aller keine unmittelbare Beteiligung des einzelnen an Regalien und Privilegien mehr darstellt. Hierfür spricht zumindest die syntaktische Konstruktion, wonach „Habeat privilegia" sich nur auf die Singulare „collegium" oder „corpus" beziehen kann, nicht aber auf den Plural einer Personenmehrheit. Selbst wenn Rittershausen aber noch nicht die Loslösung des collegium oder des corpus von der Gemeinschaft der Ganerben vollzieht, so läßt sich auch eine solche Konstruktion nicht harmonisch in das auf Individualität ausgerichtete Modell der societas einfügen. Denn in collegium oder corpus verliert sich zumindest ein Teil der Individualität des einzelnen Ganerben. Es fragt sich, ob die vielfältige Charakterisierung der Ganerbschaften durch Rittershausen, die sämtliche rechtlichen Konstruktionsmöglichkeiten von Personenverbindungen ausschöpft, allein seiner Beobachtung entspringt, daß der tatsächlichen Vielgestaltigkeit der Ganerbengemeinschaften eine rechtliche Vielgestaltigkeit entsprechen müsse oder ob es nicht noch eine andere Erklärung für diese Charakterisierung gibt. Für die erste Annahme spricht sich Alsdorf 94 aus. Er hält die Ganerbschaft für eine Mischform aus verschiedenen juristischen Konstruktionen; je nach Bedürfnis, Zweck und Herkommen seien Abweichungen möglich. Nur wenn man die Konstruktion der Ganerbschaft in dieser Weise flexibel sehe, könne man die Vielgestaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Ganerbschaft begreifen. Seiner Meinung nach befindet sich das Rechtsgebilde irgendwo zwischen strengen römisch- und deutschrechtlichen Begriffen. 95 Demgegenüber gilt es zu bedenken, daß Rittershausen eine Abkehr von seiner ursprünglichen Auffassung - der realen Vielgestaltigkeit der Ganerbschaften entspreche eine dogmatische - vollzieht. Darin zeigt sich, daß er eben doch nach einer gemeinsamen dogmatischen Grundlage sucht und eine Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 3. b) aa). Stintzing, Bd. 1, S. 419. 93 Vgl., oben 2. Kapitel, I V . 2. c). 94 Alsdorf, Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung deutscher Ganerbenburgen, S. 62. 95 Alsdorf, Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung deutscher Ganerbenburgen, S. 62. 92

6*

84

4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

wesensmäßige Verwandtschaft der Ganerbschaften bei aller Vielgestaltigkeit als solche empfindet. Ausgehend von dieser Basis stellen sich dann die tatsächlichen Ausprägungen als Modifikationen eines einheitlichen Modells dar. Naheliegend ist es deshalb anzunehmen, daß sich Rittershausen dieser vielfältigen Charakterisierungsmöglichkeiten auch deshalb bedient, weil er die vom römischen Recht vorgegebenen Denkmodelle im Grunde für die Charakterisierung der Ganerbschaften als unzureichend empfindet. Aber gerade das rezipierte römische Recht prägt zur Zeit Rittershausens Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in Deutschland. Rittershausen wird dieser Vorrangstellung dadurch gerecht, indem er weiterhin die römischen Begriffskategorien zur Erklärung der Ganerbschaften heranzieht. Aber eine schablonenhafte Überstülpung eines Begriffs auf das Gesamthandseigentum, wie sie die Vorgehensweise Johann von Buchs gekennzeichnet hatte, entfällt. Eine begriffliche Elastizität im Umgang mit den römischen Vorgaben wird deutlich. Ein Begriff allein erscheint für die Charakterisierung nicht ausreichend. So kombiniert er eben auch die Regelung der societas mit dem Modell der universitas. Beide Formen sind eben seiner Meinung nach den Ganerbschaften immanent. Die römischrechtliche Dogmatik kann das Institut Ganerbschaft nicht mit einem einzigen Begriff in ihrer vielschichtigen Struktur erfassen, hierzu bedarf es vielseitiger Kombinationen, um ein sachgerechtes Ergebnis zu erzielen. Rittershausens Abhandlung läßt erkennen, daß sich das Institut der Ganerbschaft mit den Kategorien des römischen Rechts nur unzureichend erfassen ließ. Ein einziger Begriff reichte nicht aus, um dieser Gemeinschaft gerecht zu werden. Dennoch löste sich Rittershausen nicht von den Vorgaben des römischen Rechts, um eine Gemeinschaft zu beschreiben, die ihren Ursprung im deutschen Rechtskreis hatte. Diese Vorgehensweise ist wohl nur zu verstehen vor dem Hintergrund der vorherrschenden Stellung, die das römische Recht in der Zeit der Rezeption besaß. Demgegenüber hätte sich eine Charakterisierung, die auf römischrechtliche Denkkategorien vollständig verzichtete, wohl kaum Geltung verschaffen können, weder in der praktischen Durchsetzung des Rechts vor den Gerichten, deren Richter im römischen Recht geschult waren, noch in der Lehre an den Universitäten, die sich auf die Vermittlung der Kenntnisse über das römische Recht beschränkte. 96 b) Abhandlungen zum Wesen der Ganerbschaft im Gefolge Rittershausens

Die Ausführungen Rittershausens können als beispielhaft für die Theorie der Ganerbschaften des 16. und 17. Jahrhunderts gewertet werden, da die vorwiegend praktisch ausgerichtete Rechtswissenschaft diesem Problem nichts wesentlich Neues entgegenzusetzen vermochte.

96 Coing, Handbuch Bd. I, S. 39 ff.

II. Die Theorie der Ganerbschaften

85

In caput I V zum Stichwort „Ganerben" seiner „Practicarum Juris Observationum Selectarum" 97 nimmt Paul Matthias Wehner (1583 - 1612) Stellung zum Wesen des Eigentums der Ganerbschaften. Wehner war ein Schüler Rittershausens in Altdorf. 9 8 In seinen Ausführungen erscheinen die Gedanken Rittershausens zum Teil völlig unreflektiert. Ähnlichkeiten sind schon hinsichtlich des Aufbaus der Abhandlung unverkennbar. 99 Aber nicht nur in äußerlicher Hinsicht besteht Übereinstimmung, er gibt die Lehren seines Lehrers sogar wörtlich wieder, ohne Rittershausen als Quelle zu benennen. Dies gilt insbesondere für die Rechtsnatur der Ganererbschaften, wenn es hier heißt: Et licet interdum totum collegium sive corpus condominorum habeat sua privilegia & regalia ab Imperatore sibi concessa, tarnen ea non sunt singulorum condominorum des omnium pariter. 100

In der Einleitung zu caput I V spricht Wehner noch von „conditionibus societatis" 101 . Nun aber folgt er ohne weitere Erklärung Rittershausen, wenn die Ganerben als Ganzes Privilegien und Regalien vom Kaiser verliehen bekommen. Einige Zeilen später bestätigt er dann, daß die Ganerben ein Ganzes bildeten: Solet autem plerumque inter eos, qui Ganerbinatum constituunt, de eo conveniri.

102

Geteilt werden nur die Früchte, wobei der ranghöchste Ganerbe als Verwalter eingesetzt wird und sich als Lohn für seine Arbeit sein Anteil entsprechend erhöht. 103 Als Ausklang dieses Kapitels zitiert Wehner einen Burgfrieden, der das gemeinsame Eigentum und das Veräußerungsverbot ohne den Konsens aller hervorhebt: Denn weil Ganerben güter I... I solche liegende Güter sind/daran ihrer viel ein gemein Eigenthumb haben: So können und sollen sie durch einen oder mehr allein/ ohne der andern gemeinen Mitganerben wissen und consens einen frembden nicht verkaufft werden.™

Wehner bringt zwar mit seiner engen Anlehnung an Rittershausen keine neuen Aspekte der Ganerbschaften. Daß er aber dessen Gedanken in sein für die damalige Praxis wichtiges und vielfach gebräuchliches Werk aufnimmt, 105 97

Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 148 - 154. Eisenhart, A D B Bd. 41, S. 433. 99 Caput I bis caput V entspricht dem Aufbau Rittershausens - Sprachliche Herkunft, Ursprung, Entwicklung, Zweck und Nutzen, Begründungsakt, Unterscheidung Majorats- und Familienlegat, schließlich Rechtsnatur und Erlöschensgründe. 100 Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 152. 98

101

Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 152. 102 Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 152. 103 Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 152. 104

Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 152. 105 Wehner, Practicarum Juris Observationum, S. 152, rechte Spalte.

86

4. Kap.: Die Gesamthandsidee in der Zeit der Rezeption

zeigt die Eigenständigkeit der Gedanken Rittershausens. Diese Gedanken erfuhren über die Observationen Wehners eine weite Verbreitung, so daß Rittershausens Auffassung nicht als Einzelmeinung zu werten ist, sondern vielmehr die Einschätzung der Ganerbschaften im 16. und 17. Jahrhundert repräsentiert.

III« Der zwiespältige Versuch der Erklärung des Wesens der Gesamthand in römischrechtlichen Begriffskategorien Kennzeichnend für die Gesamthandsdogmatik zur Zeit der zu Ende gehenden Rezeption war zunächst die isolierte Betrachtung einzelner Institute. Dies beruhte in erster Linie darauf, daß die dogmatische Auseinandersetzung mit dem Gesamthandsgedanken sich häufig in den Konsilien vollzog. Die Konsilienliteratur barg den Nachteil, aufgrund ihrer überwiegenden Orientierung am Einzelfall nicht zur Schaffung eines begrifflich systematischen Ganzen beizutragen. So konzentrierten sich die Autoren jeweils auf die Betrachtung einer einzigen Gesamthandsgemeinschaft, ohne Parallelen zu ähnlich strukturierten Gemeinschaften zu ziehen und gemeinschaftliche Strukturelemente herauszuarbeiten. Trotz dieser fehlenden bewußten Verbindungslinien von Gesamtbelehnung und Ganerbschaft zeichnet sich dennoch in der Gesamthandsdogmatik eine einheitliche Tendenz ab. Diese Tendenz äußert sich in dem unterschwelligen Unbehagen, Gesamtbelehnung und Ganerbschaft mit römischrechtlichen Begriffskategorien zu erklären. Bei Goden zeigt sich dies in seiner These von der Einheit der gesamtbelehnten Brüder, die ein gemeinschaftliches und ungeteiltes Eigentum innehaben. Diese kühn anmutende Idee, die sich in der römischen Dogmatik der Personenverbindungen durch nichts stützten läßt, verwirft er dann aber wieder mit dem lapidaren Hinweis auf die communis opinio und zieht sich auf das abgesicherte Territorium des in intellektuelle Teile gegliederten Miteigentums zurück. Ein solches Vorgehen kennzeichnet auch die Abhandlung Rittershausens zu den Ganerbschaften. Auf der Suche nach dem Wesensgehalt der Ganerbschaften kombiniert er communio mit universitas in dem Bestreben einer dogmatischen Erfassung durch anerkannte Maßstäbe. Eine ungeteilte Gesamtberechtigung, wie von Goden vorsichtig in Erwägung gezogen, findet in D 13, 6, 5, 15 keine Stütze. Also folgt auch für die Juristen der Rezeptionszeit hieraus die denknotwendige Unbrauchbarkeit eines ungeteilten Eigentums zur Erklärung des Phänomens der Gesamthand. Aber anders als bei der Sachsenspiegelglosse Johann von Buchs, der die Hausgemeinschaft des Art. 12 Sachsenspiegel-Landrecht ohne Wenn und Aber der societas und der communio zuordnete, mischen sich in die Ausführungen der späten Rezeptionszeit Gedanken von der Einheit der Gesamtbe-

III. Erklärungsversuche in römischrechtlichen Begriffskategorien

87

lehnten bei ungeteiltem Gesamteigentum, Erwägungen also, die sich in Widerspruch zu D 13, 6, 5,15 befinden. Letztlich konnten sich solche Gedanken jedoch gegenüber dem rezipierten römischen Recht nicht behaupten. Aus den sich auf gesicherte römischrechtliche Erkenntnisse zurückziehenden Erklärungsversuchen ist jedoch herauszuspüren, daß diese Folgerungen wohl eher eine Resignation vor der Übermacht des römischen Rechts darstellen. So ist die Charakterisierung der Gesamtbelehnung durch Goden als ein in gedachte Teile zerlegtes Miteigentum, die Charakterisierung der Ganerbschaften bei Rittershausen als grundsätzlich der societas vergleichbar, aber auch als confraternitas, communio und universitas nicht unbedingt nur als Beschreibung gesamthänderischen Eigentums zu verstehen, sondern eben auch als Kompromiß der eigenen Überzeugung und den tatsächlichen Gegebenheiten mit dem vorherrschenden juristischen Denken der Zeit. So bleibt als Fazit der Epoche bis 1600 festzuhalten, daß außer den Texten des Sachsenspiegels, Art. 12 des sächsischen Landrechts und Art. 32 des sächsischen Lehnrechts nichts spezifisch, sich deutlich vom römischen Recht abhebendes Deutschrechtliches ersichtlich ist.

Fünftes Kapitel

I m Zuge kritischer Bestandsaufnahme des römischen Rechts - Die Theorie vom dominium plurium in solidum I. Rechtsgeschichtliche Wegbereitung neuer Ideen durch den Usus Modernus Pandektarum 1. Geschichtliche Grundlagen Neue, von der Abkehr vom gemeinen römischen Recht gekennzeichnete Wege, deuten sich im 17. Jahrhundert in der Gesamthandsdogmatik an. Wegbereitend hierfür war der Usus Modernus Pandektarum. Diese „zeitgemäße Praxis des römischen Rechts" bewirkte die Kräftigung eines eigenständigen deutschen Rechtsbewußtseins, die die Ausbildung einer vom römischen Recht gelösten Gesamthandstheorie förderte. Bezeichnenderweise waren es aber nicht die im weitesten Sinne dem Usus modernus zugeordneten Juristen selbst, die diesen Weg beschritten. Wie ein Querschnitt durch die Arbeiten von Carpzov, Lauterbach, Struve, Stryk und Schilter zu verschiedenen Gesamthandsinstituten zeigt, schenkten diese Autoren den Besonderheiten gesamthänderisch organisierter Personenmehrheiten und deren Eigentumsordnung noch wenig Beachtung. So gerät die von der Wissenschaftsgeschichte üblicherweise entworfene Charakterisierung des Usus modernus im Hinblick auf das Beispiel Gesamthand etwas ins Zwielicht. Sollte die Widerlegung der lotharischen Legende durch Hermann Conring (1606 - 1681) im Jahre 1643 in seinem Werk „De origine juris Germanici" 1 tatsächlich bei den Juristen des Usus modernus zu einer kritischen Distanz zum römischen Recht und einer Hinwendung zu deutschen Rechtstraditionen geführt haben 2 , so finden sich in der Dogmatik zur Gesamthand hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Ebensowenig stützt das Beispiel der Gesamthand die Annahme, dem Usus modernus komme das Verdienst zu, die juristische Praxis durch dogmatische Durchdringung und Systematisierung der durch Glossierung und Kommentierung angeschwollenen Rechtsmassen des

1

Conring, De origine juris Germanici, 5. Auflage, Helmstaedt 1720. 2 Coing / Söllner, Bd. II/2, S. 509; Bender, S. 29; Wieacker, PrGN, S. 207.

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

89

Corpus Juris und die Verschmelzung mit einheimischen Rechtsinstituten zu einer Rechtsordnung geformt zu haben.3 Vergleicht man die nachfolgenden Texte von Autoren des 17. Jahrhunderts mit den vorausgegangenen Erörterungen von Rittershausen oder Goden, so ergibt sich in der Methode nur ein geringfügiger Unterschied, der einen epochalen Einschnitt jedenfalls nicht verdeutlicht. Eine Hinwendung zu deutschen Rechtstraditionen zeigt sich bei der Gesamthand lediglich ansatzweise bei Schilter. 2. Die Gesamthand im Blickwinkel der Vertreter des Usus Modernus a) Benedikt Carpzov

Benedikt Carpzov (1595 - 1666) hat im Hinblick auf seine praktisch ausgerichtete Tätigkeit (u.a. Rat am Appellationsgericht Leipzig, Assessor am Hofgericht) 4 sich mit dogmatischen Grundlagen nur wenig beschäftigt. 5 Dementsprechend spärlich sind grundsätzliche Stellungnahmen zum Wesen des Gesamthandseigentums. In den „Definitiones forenses" äußert er sich zur Erbfolge bei der Lehensgesamthand.6 Er hält hier die Successionsordnung der communio oder societas für anwendbar. Attamen nec rationi juris contrariatur: Idque vel exinde patet, quod ex simultanea investitura ut plurimum inter Vasallos mutua & reciproca nascatur obligatio & communio sive societas ratione successionis, ita ut Semper alter in alterius feudo simultaneam habeat Investitur am.1

Zwar beziehen sich die Ausführungen ausdrücklich nur auf die Erbfolge. In Anbetracht des sachlich engen Zusammenhangs von Eigentum und Erbfolge ist es jedoch zulässig, diese Wertung auch auf das Eigentum zu projizieren. Damit verbleibt Carpzov, trotz seiner oft betonten Aufgeschlossenheit gegenüber dem einheimischen Recht 8 , dem römischen Recht verhaftet. Die Auswirkungen des Usus modernus konnten bei Carpzov allerdings schon rein zeitlich nicht die volle Wirkung entfalten. Der Hauptteil seiner Arbeiten liegt vor der Widerlegung der lotharischen Legende 1643 durch Conring.

3 Coing / Söllner, Bd. II/2, S. 502; Wesenberg / Wesener, S. 111; Schröder^ Wissenschaftstheorie, S. 99f. 4 Kleinheyer / Schröder, S. 50. 5 Heine, S. 227, 242, 253, 259. 6 Carpzov, Definitiones forenses, Constitutio X L V , Definitio X I V , Nr. 4, S. 822. 7 Carpzov, Definitiones forenses, Constitutio X L V , Definitio X I V , Nr. 4, S. 822. 8 Kleinheyer / Schröder, S. 51.

90

5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum b) Wolfgang Adam Lauterbach

Im Gegensatz zu den Ausführungen Carpzovs fällt das Werk von Lauterbach (1618 - 1678)9 zur ehelichen Gütergemeinschaft in den Zeitraum nach Comings Widerlegung der Lotharischen Legende von 1643. In einer von Martin Kieffer 1661 unter Lauterbachs Vorsitz vorgelegten Dissertation „De societate bonorum conjugali" 10 heißt es zum Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft: Die güterrechtliche Gemeinschaft der Ehegatten sei eine wahre societas, ebenso wie diejenige, die durch ausdrücklichen Vertrag unter Fremden begründet werde und von der sich die erstere hinsichtlich der rechtlichen Behandlung nach Zivilrecht gerade durch nichts unterscheide. Infolgedessen würden die Rechte, die auf die societas angewandt würden, auch hinsichtlich der ehelichen Gütergemeinschaft gerichtlich geltend gemacht werden können, sofern nicht etwas von dieser Regelung Abweichendes nach dem Gewohnheitsrecht des Ortes oder dem Statut gelten sollte. Hier artikuliert sich theil 1, tit. X I I I § 1 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, wonach lokalem Recht der Vorrang vor dem römischen Recht gebührt. 11 Nam haec conjugalis bonorum communio vera est societas ab ea, quae expressis, pactis inter alios initur, & de qua in jure nostro civili agitur, nihil admodum discrepans... Hinc jura ea, quae de societate loquuntur, in hac etiam conjugali bonorum communione locum sibi vindicabunt; adeo quidem, ut nihil ab iis discendendum fuerit, nisi contraria loci consuetudo, vel statutum, diversum suaferit. 12

Die eheliche Gütergemeinschaft entspricht nach diesen Ausführungen völlig einer unter Fremden begründeten societas. So lehnen sich also auch diese Ausführungen noch eng an das römische Recht an. Die von der modernen historischen Forschung als für den Usus modernus typisch gekennzeichneten Wesensmerkmale lassen sich an diesem Text nicht nachweisen. c) Georg Adam Struve

Auch Georg Adam Struve (1619 - 1692) widmet sich der Gemeinschaft der Gesamtbelehnten eher halbherzig. In seiner Abgrenzung der beiden Typen der Gesamtbelehnung, der nach Jus Commune oder langobardischem Recht und derjenigen nach sächsischem Recht 13 , kommen die Besonderheiten der sächsischen Mitbelehnung zwar zum Ausdruck, eine Erklärung hierfür sucht er jedoch nicht. 14 Zu den Punkten, in denen beide Lehensformen differieren, 9

Eisenhart, A D B Bd. 18, S. 75; Kleinheyer / Schröder, S. 350 Nr. 63. Lauterbach, Dissertationes Academicae, Volumen I , Disputado X X V , S. 30ff. 11 Reichskammergerichtsordnung, hrsg. von Laufs, S. 94. 12 Lauterbach, Dissertationes Academicae, Caput I, § I I I . 13 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 1. 10

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

91

schreibt er, daß sich die sächsische Form der Gesamtbelehnung von derjenigen des gemeinen Rechts darin unterscheide, daß zu dem Teil, mit dem ein Gesamtbelehnter durch Investitur eingesetzt sei, kein Recht, auch die Erbfolge, nicht geteilt werde: Ista primi generis in eo ä simultanea investitura Saxonica differt, quod in parte ejus, cum quo est simultaneé investitus, nullum jus, nec successionem tribuat. 15

Hier wird also eine Eigenart des sächsischen Gesamtlehens, die ihren Ausdruck schon in Art. 32 § 3 des sächsischen Lehnrechts erhalten hatte 16 , deutlich. Struve hebt diese Gegensätzlichkeit von sächsischem und gemeinrechtlichen Lehensrecht hervor. Er versucht nicht, diese Gegensätzlichkeit zu verschütten und das Kennzeichen sächsischer Mitbelehnung, eben die Unteilbarkeit von Recht und Erbfolge, dem gemeinen Lehensrecht, dessen Charakteristikum dagegen die Teilbarkeit der Lehen ist 1 7 , unterzuordnen. In dieser Hinsicht wird gegenüber den Stellungnahmen zur Gesamtbelehnung aus dem 15. und 16. Jahrhundert 18 ein geringfügiger Auffassungswandel deutlich. Die Gesamthand zeichnet sich als eigenständige Konstruktion in ihrer Gegensätzlichkeit zum römischen Recht ab. Leider stellt Struve seine Beobachtung der Unterschiede im Folgenden nicht auf eine dogmatische Grundlage. So bleibt der Gedanke nur im Ansatz stecken und bestätigt die These, daß die bekannten Autoren des Usus modernus zwar einer sich vom römischen Recht abwendenden dogmatischen Grundlage der Gesamthand den Weg bereitet, selbst aber zur Dynamisierung dieses Prozesses wenig beigetragen haben.

d) Samuel Stryk

Samuel Stryk (1640 - 1710) schließlich, dessen Hauptwerk „Usus Modernus Pandectarum" der Epoche ihren Namen verlieh 19 , widmete sich den Instituten der Ganerbschaft und der Gesamtbelehnung. Im „Tractatus de successione ab Intestato" beschäftigt er sich mit der Ganerbschaft. 20 Er hält den Besitz an gemeinschaftlichen Gütern für ungeteilt, kein Ganerbe besitze einen abgetrennten Teil. Bona siquidem haec Ganerbica communia fiunt, eaque quilibet non pro parte divisa sed indivisa possident. 21 14

Struve, Syntagma juris feudalis, Caput I X , Nr. (I), S. 347. Struve, Syntagma juris feudalis, Caput I X , S. 347. 16 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 1. " Vgl., oben 4. Kapitel, I. 1. 18 Vgl. Goden, Sextum Consilium de Salinis, oben 4. Kapitel, I. 2. 19 Kleinheyer / Schröder, S. 277; Wieacker, PrGN, S. 220. 20 Stryk, Tractatus de successione ab Intestato, Caput V I I I „De Ganerbinatus". 21 Stryk, Tractatus de successione ab Intestato, Caput V I I I , Nr. X V I I I , S. 863. 15

92

5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

Denn die Unteilbarkeit des Besitzes und die durch das gemeinschaftliche Schloß vermittelte Jurisdiktion beträfen alle gleichmäßig und nicht pro parte. Dies ergebe sich aus der Natur der Jurisdiktion, die nur ungeteilt bestehen könne. Aus dem gemeinschaftlichen Gut und dem Voranstehenden ergebe sich folglich, daß die Burgen nicht geteilt sein könnten: Hinc & Jurisdictio communi Castro concessa, ad omnes simul pertinet, non ad unum pro parte ... nam Jurisdictio est res individua..., hinc ab omnibus simul exercenda 22 ... et hac bonorum communione & illudfluit, quod haec castra dividi nequeant. 23

Weiter führt er aus, daß kein Ganerbe seinen Teil an einen Fremden verkaufen könne, was sich aus der Natur der Übereinkunft ergebe und meistens auch durch Vertrag angeordnet sei. Wenn eine vertragliche Regelung nicht entgegenstehe, so könne aber der Ganerbe seinen Teil sogar an einen posterior wirksam übertragen. Nec unus Ganerbius partem suam extraneo vendere possit, quod ex natura conventionis est, & pactis plerumque cavetur... Extra terminos pacti expressi Ganerbitum partem suam etiam in potentiorem transferre posse statuit.. ,24

Stryk bringt den Gedanken der Unteilbarkeit des gemeinschaftlichen Besitzes der Ganerben zum Ausdruck. Dem gemeinschaftlichen Besitz und der ungeteilten Jurisdiktion entspricht die Unteilbarkeit der Burg. Aber gleichzeitig hält er den Besitz auch pro parte indivisa teilbar. 25 Das bedeutet nach römischem Recht 26 ein in gedankliche Teile aufgespaltenes Miteigentum. Und so wird dann auch verständlich, wieso grundsätzlich der Verkauf eines Teils der Ganerbschaft an einen Fremden mit dinglicher Wirkung möglich ist. Hierbei bestehen lediglich obligatorische Verfügungsbeschränkungen. Diese Verfügungsbeschränkung ließe sich bei einem ungeteilten Gesamtbesitz nicht erklären, da schon ein veräußerungsfähiger Anteil entfiele. So bleibt Stryk, obwohl er ausgehend von der Natur der Jurisdiktion und des gemeinschaftlichen Besitzes die Burg für unteilbar hält, dem römischrechtlichen Miteigentumsmodell verhaftet, führt also den von ihm eingeschlagenen Weg nicht konsequent fort. In seinem Werk „Examen juris feudalis" nimmt Stryk Stellung zur Gesamtbelehnung. In Form von Frage und Antwort beschreibt er die Wirkungen der Lehensgesamthand. Dabei läßt er sich auf eine begriffliche Konstruktion nicht ein, sondern stellt die langobardische Gesamtbelehnung der sächsischen Gesamtbelehnung gegenüber und weist auf die Unterschiede hin. Er diskutiert zunächst den Charakter der Gesamtinvestitur und den Akt der Investitur 22 23 24 25 26

Stryk, Tractatus de successione ab Intestato, Stryk, Tractatus de successione ab Intestato, Stryk, Tractatus de successione ab Intestato, Stryk, Tractatus de successione ab Intestato, Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) bb).

Caput Caput Caput Caput

VIII, VIII, VIII, VIII,

Nr. Nr. Nr. Nr.

X V I I I , S. 863. X I X , S. 864. X I X , S. 864. X V I I I , S. 863.

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

93

mehrerer 27 , sodann weist er auf die verschiedenen Möglichkeiten der Innehabung eines Gesamtlehens hin. 2 8 Schließlich vergleicht er hinsichtlich des Rechts des einzelnen an dem gemeinschaftlichen Lehen das sächsische Lehensrecht mit dem des Jus Commune. 29 Die Unterschiede kristallisieren sich an der Successionserbfolge der Agnaten. Hier läßt sich zumindest mittelbar Stryks Vorstellung von der Eigentumsstruktur der Gesamtbelehnung ablesen. Er schreibt hierzu, daß sich im sächsischen Recht durch die Teilung des Lehens die investitura simultanea auflöse, wenn nicht eine erneute gemeinschaftliche Investitur erfolge. Im gemeinen Recht dagegen erhalte das jus succedendi den bisherigen Rechtszustand: Nr. 44 (a) Quid vero investitura simultanea saxonica singulare habet a jure communi? (3) Jur. Saxon. per divisionem feudi exspirat simultanea investitura, nisi de alterius parte de novo simultanee investiantur Jur. Comm. vero jus succedendi manet integrum. 30

Das bedeutet, es können neue Vasallen bei der Lehensgesamthand nach gemeinem Recht hinzukommen, ohne daß eine erneute Investitur aller erforderlich ist. Dies verdeutlicht, daß eine Teilung infolge des engen personellen Bandes bei einem sächsischen Gesamtlehen notwendig destruktiv wirken muß, während sie auf den Bestand einer langobardischen Gesamtbelehnung keinen Einfluß hat. Diese Beobachtung läßt sich zumindest mit dem Vorliegen realer Anteile der Gesamtbelehnten beim sächsischen Lehen nicht in Einklang bringen. Ebenso wie Struve beläßt es Stryk jedoch dabei, das sächsische Lehen mit seinen Besonderheiten von dem Lehen nach gemeinem Recht abzugrenzen. Um eine dogmatische Basis für die sächsische Lehensgesamthand bemüht er sich gleichfalls nicht. Wie die Beurteilung Stryks hinsichtlich der Ganerbschaften zeigt, spielen deutsche Rechtsgewohnheiten gegenüber dem gemeinen Recht eine eher untergeordnete Rolle. Auch Stryk versucht noch ihre Besonderheiten mit dem Begriff des Miteigentums nach ideellen Teilen zu erfassen. Und auch hier geschieht dies angesichts der Annahme ungeteilter Jurisdiktion und ungeteilter Burgen nicht völlig frei von Widersprüchen. e) Johann Schilter

Eingehender als Carpzov, Struve und Stryk beschäftigte Johann Schilter (1632 - 1705), Rechtsgutachter der Stadt Straßburg 31 , das Problem der

27 28 29 30 31

Stryk, Examen juris feudalis, Caput Stryk, Examen juris feudalis, Caput Stryk, Examen juris feudalis, Caput Stryk, Examen juris feudalis, Caput Eisenhart, A D B Bd. 31, S. 266.

12, Nr. 12, Nr. 12, Nr. 12, Nr.

42. 43. 44. 44.

94

5. Kap.: Die Theorie vom dominium pluriumin solidum

Lehensgesamthand. In dem Codex Juris Alemannia Feudalis 32 entwickelt er die Idee eines gemeinschaftlichen Eigentums anhand des Studiums der Regelungen des Schwabenspiegels. Ansatzpunkt für seine Überlegung zum gemeinschaftlichen Eigentum der Gesamtbelehnten ist Cap. I I I § 3 des Schwäbischen Lehnrechts. Dieser lautet: Und hett ein Pfaffe einen brüder oder me brüder und entphohet er ein lehen mit den brüdern mit einer lehenshant und het ouch mit In nutz und gevver und sterbent su one lehens erben Im bliebet das lehen mit rechte in dem rechte als hievor geschriben ist. Si clerus habet fratrem, unum vel plures & fundum cum fratribus simultanea investitura accipit, idque una cum iis possidet eoque fruitur; iis mortuis absque heredibus feudalibus, feudum clerico manet de jure eoque modo, quo supra scriptum est.

In der Kommentierung zu § 3 heißt es bei Schilter: ... Quod clericus per simultaneam investituram in solidum pro indiviso. 33

una cum fratribus

obtinuit & possidet

Was der Geistliche mit seinen Brüdern durch Gesamtbelehnung innehat, besitzt er in solidum pro indiviso. Pars pro indiviso war im römischen Recht 34 die technische Bezeichnung für Miteigentum. Es bedeutete, daß dem Miteigentümer zwar ein die ganze Sache erfassender, rechnerisch aber auf eine bloße Quote beschränkter Anteil zustand. In diesem Sinne ist auch bei Schilter der Besitz „solidum pro indiviso" zu verstehen. Der Geistliche besitzt zwar das Lehen mit seinen Brüdern gemeinsam - in solidum - aber jedem steht eine rechnerische Quote zu, die nach außen nicht sichtbar ist und deshalb das Lehen als ungeteilt - indiviso - erscheinen läßt. Daß Schilter bei der Gesamtbelehnung von gedachten Anteilen ausgeht, belegen auch seine Ausführungen zum Anwachsungsprinzip. Hierzu schreibt er: ... quibus omnibus mortuis ipse superstes clericus in caeterorum defunctorum portiones succedat, eo jure ut modo directum. 35

Nach dem Tod der Brüder wachsen dem Geistlichen deren Anteile an. Er folgt ihnen in ihre Anteile. Die Wahl des Wortes „portiones" deutet darauf hin, daß Schilter von einem in Anteile gegliederten Eigentum ausging. Zur Stützung seiner Annahme von dem Anwachsungsprinzip verweist er auf D 7,2,3 pr. Celsus führt hier aus: ... Totiens ius accrescendi esse, quotiens in duobus, qui in solidum habuerunt, concursu divisus est.

32

Zitiert nach der zweiten Auflage, Straßburg 1728. Schilter, ad cap. I I I , § I V , S. 142. 34 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) aa); D 50,15, 25, 1; D 10,1, 4, 7. 3 5 Schilter, ad cap. I I I , § I V , S. 142. 33

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

95

Danach findet eine Anwachsung auch dann statt, wenn zwei Personen gleichzeitig (ein Nießbrauch) eingeräumt wurde und durch das Zusammentreffen dieser zwei Personen der Nießbrauch geteilt wird. Celsus geht also davon aus, daß eine gemeinschaftliche Ausübung des Nießbrauchs nicht möglich ist, sondern immer eine Teilung zur Folge hat, mit der weiteren Konsequenz, daß auch das Anwachsungsprinzip zur Anwendung gelangt. Dieser Auffassung schließt sich Schilter an: ... sed quae cum simultanea quoque possessione est conjuncta: und het auch mit In nuz und gewer, cujus itaque effectus est jus succedendi seu jus accrescendi per rationem Celsi: Totiens jus accrescendi esse quotiens in duobus, qui in solidum habuerunt concurso diviso sit, 13 pr de usufr. accres. 36

So widmet sich Schilter zwar eingehend dem deutschrechtlichen Institut der schwäbischen Gesamtbelehnung und deren Anwachsungsprinzip, aber auch seine Erklärungsversuche nach dem Muster des römischen Rechts heben sich eigentlich nicht maßgebend von denjenigen Gödens 37 ca. 150 Jahre vor ihm ab. Auch die Erwägungen Schilters zur Lehensgesamthand lassen eigentlich nicht erkennen, daß der Usus modernus im Vergleich zur Rezeptionszeit eine Hinwendung zu deutschen Rechtstraditionen gebracht hat und es gerade ein besonderes Verdienst des Usus modernus ist, durch die Verschmelzung einer systematischen Bearbeitung des Corpus Juris und einheimischer Rechtsinstitute eine neue Rechtsordnung geformt zu haben. Im Grunde ergibt der Vergleich mit der Zeit der Rezeption kaum wesentliche Unterschiede, schon gar nicht solche, die man als „epochal" qualifizieren könnte. f) Zusammenfassung

Die bekannten Vertreter des Usus modernus folgen somit dem schon von Goden und Rittershausen 38 eingeschlagenen Weg, betonen lediglich mehr noch als diese die Existenzberechtigung der Gesamthandsgemeinschaften als deutsche Rechtsentwicklung neben dem Jus Commune. In dogmatischer Hinsicht lehnen aber auch sie sich noch eng an das römische Recht an. So tragen sie unmittelbar nicht zu einer Weiterentwicklung der Gesamthandsdogmatik bei. 3. Die Theorie vom dominium plurium in solidum Eine gegenüber der bisherigen Gesamthandsdogmatik erkennbare Neuerung mit einer fast vollständigen Ablösung vom römischen Recht brachte die 36 Schilter, ad cap. I I I , § I V , S. 142. 37 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 2. a) cc). 38 Vgl., oben 4. Kapitel, I I I .

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

Theorie vom dominium plurium in solidum des Justus Veracius, einem Pseudonym, dessen Identität ungeklärt ist. 39 Diese Theorie knüpft ihre dogmatischen Erwägungen an das Institut der ehelichen Gütergemeinschaft nach Bamberger Recht an. Ein Überblick über die tatsächlichen Gegebenheiten des Ehegüterrechts in Deutschland im 17. Jahrhundert dient zunächst dem Verständnis der Theorie selbst. a) Die eheliche Gütergemeinschaft in Deutschland

Die älteste Form einer beschränkten Gütergemeinschaft, die Errungenschaftsgemeinschaft, bei der nur der während der Ehe erfolgte Hinzuerwerb gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten wurde, läßt sich bis in die fränkische Zeit nach verfolgen. Dadurch wurden der Frau Anteile an dem durch gemeinschaftliche Arbeit geschaffenen Vermögen gewährt. Aufgrund der starken regionalen Zersplitterung des Ehegüterrechts lassen sich nur wenige Grundzüge nachzeichnen. Die Errungenschaftsgemeinschaft unterscheidet drei Vermögensmassen: Das Errungenschaftsgut (Ehegut, Zweihandgut), das eingebrachte Gut des Mannes und das der Frau (Sondergut, Einhandgut). Zum Einhandgut zählte auch dasjenige, was ein Ehegatte während des Bestandes der Ehe unentgeltlich hinzuerwarb. Zum Zweihandgut hingegen gehörte alles das, was die Ehegatten im Verlauf der Ehe gemeinschaftlich erwarben. 40 Nach Auflösung einer Ehe ohne Nachkommen fiel das Sondergut des Verstobenen an die Herkunftsseite zurück, während das Zweihandgut zwischen überlebendem Ehegatten und den Erben des Verstorbenen geteilt wurde. Waren Kinder vorhanden, so sollte das Vermögen bis zum Tod des überlebenden Ehegatten zusammengehalten werden. Einhandgut des Verstorbenen und Zweihandgut fielen dem überlebenden Ehegatten zu, der aber Verfügungsbeschränkungen unterlag. 41 Im Unterschied zur Errungenschaftsgemeinschaft umfaßt die Gütergemeinschaft das gesamte eingebrachte und auch das in der Ehe erworbene Vermögen der Ehegatten. Mann und Frau hatten kein eigenes Gut. 4 2 b) Exkurs: Das Ehegüterrecht der Römer

Um einen unmittelbaren Vergleich zwischen der ehelichen Gütergemeinschaft nach deutscher Tradition und dem güterrechtlichen System des römischen Rechts zu ermöglichen, soll kurz das Dotalsystem des römischen Ehegüterrechts beleuchtet werden. 39

Veracius, Libellus consuetudinem Principatus Bambergensis, 1681. Stobbe, Handbuch, S. 67 - 83; Hübner, R., Grundzüge, S. 667/668; Planitz / Eckhardt, S. 201. 41 Ogris, Stichwort „Errungenschaftsgemeinschaft", H R G I, Sp. 1004 - 1006. 42 Ogris, Stichwort „Gütergemeinschaft", H R G I, Sp. 1872 - 1874; Schröder, Richard, S. 19 - 26. 40

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

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Grundsätzlich galt bei der gewaltfreien römischen Ehe das Prinzip der Gütertrennung. Zu einer Vermögensverschmelzung kam es, wenn der pater familias der Ehefrau bei der Heirat einen Vermögenswert, die dos, zukommen ließ. Die dos gelangte in das Eigentum des Mannes. Dieses Eigentum unterlag jedoch der sittlichen Pflicht, die Frau am Lebensstandard teilhaben zu lassen. So war der Zweck der dos in erster Linie der Beitrag zur gemeinschaftlichen Lebensführung. Paulus formuliert: Ibi dos esse debet, ubi onera matrimonii sunt. 43 Mit der dos sollte auch die Versorgung der Frau nach beendeter Ehe sichergestellt werden. Eine Herausgabepflicht des Ehemannes nach beendeter Ehe setzte dessen freier Verfügungsbefugnis Grenzen. 44 Grundsätzlich bildete die dos aber ein Sondervermögen des Mannes, das ansonsten keinen Bindungen unterlag. Die Frau konnte über Dotalgegenstände überhaupt nicht verfügen, auch wenn die Quellen behaupten, die Frau „habere dotem". 4 5 Dies kann nur in dem Sinn verstanden werden, daß ihr der wirtschaftliche Wert der dos zugute kam, einmal in Form von Unterhaltsleistungen, dann in Form des sich nach Beendigung der Ehe realisierenden Herausgabeanspruchs: Quamvis in bonis mariti dos sit, mulieris tarnen est. 46 Mulieris dos est, si praediis inaestimatis aliquid accessit, hoc ad compendium mulieris pertinet, si aliquid decessit, mulieris damnum est. 47

Nach diesen Quellen liegt also eine doppelte Berechtigung an der dos vor. Eine unmittelbare, die Rechts- und Verfügungsmacht des Mannes betreffende Berechtigung ... fiunt res mariti, si constante matrimonio in dotem dentur

48

und eine durch den Ehemann vermittelte, mittelbare eher wirtschaftliche Teilhabe der Frau. Und in diesem Sinn ist der Text 4 9 zu verstehen, wenn dort zum Ausdruck kommt, daß die dos, obwohl sie Eigentum des Mannes sei, diese dennoch auch der Frau gehöre. Das der Zweckbindung unterworfene Eigentum des Mannes unterlag im Hinblick auf die Teilhabe der Frau mancherlei Schranken. Die Lex Julia de fundo dotali 50 versagte die Veräußerung italischer Dotalgrundstücke ohne Zustimmung der Frau. 51 Justinian schwächte im Hinblick auf den Versor43

D 23,3, 56,1. Käser I, S. 333. 45 D 33,4,6,1; D 24,3,10; D 45,1,21; C 5,12,23; C 8,53,21. D 23,3,75. 41 D 50,1,21. 48 D 23,7,3. 49 D 23,3,75. 50 Gaius, Institutiones 2,63. Käser I, S. 334. 44

7 Ascheuer

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

gungsaspekt der dos das Eigentumsrecht des Mannes weiter ab. 5 2 So war in der nachklassischen Epoche das Eigentum des Mannes eher vergleichbar mit dem Recht eines Nießbrauchers. Das Dotalsystem des römischen Rechts kannte also schon eine gleichzeitige Berechtigung des Ehemannes und der Ehefrau an einem Teil ihres Vermögens, der dos. Rechtlich war jedoch der Ehemann Eigentümer der dos, der Frau stand nur eine wirtschaftliche Berechtigung zu, die gesetzlich durch die Zweckbindung abgesichert war, so daß sie formalem Eigentum tatsächlich sehr nahe kam. Eine aus dem Eigentum fließende Verfügungs- und Zustimmungsbefugnis besaß die Frau jedoch nicht. Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund entfaltete sich die Theorie des Justus Veracius. c) Justus Veracius und die Theorie vom dominium plurium in solidum

aa) Der Autor Der Autor der kurzen Abhandlung 53 , die noch 150 Jahre nach ihrem Erscheinen mit ihrer Theorie vom dominium plurium in solidum so heftige Reaktionen wie „Trugbild", „eines jeden Haltpunktes beraubten juristischen Urteils", „ungebundene Träumerei" 54 , „als in Widerspruch zur Logik stehend" 5 5 hervorrief, ist nicht eindeutig zu identifizieren. Fest steht allerdings, daß Justus Veracius nur ein Pseudonym ist. Man vermutet, daß es sich entweder um Nicolaus Beckmann, einen erbitterten Widersacher Pufendorfs an der Universität Lund handelt oder um den Bamberger bischöflichen Rat Johannes Matthias Lechner. Beckmann wurde 1675 nach seiner Flucht aus Dänemark Kanzleidirektor in dem St. Michelskloster in Bamberg. 56 Angeblich sprechen die Indizien überwiegend für eine Autorenschaft Beckmanns. So ist die Abhandlung, ebenso wie Beckmanns „Doctrina Juris" bei J. Ph. Mittenberg gedruckt. Außerdem hatte sich Beckmann früher des Pseudonyms „Veridicus Constans" bedient, dessen Ähnlichkeit mit dem Pseudonym „Justus Veracius" nach Ansicht Buchdas die Annahme seiner Urheberschaft nahelegt. 57

52 C 5,12,30 p r ( v . 528). 53 Veracius, Libellus consuetudinem Principatus Bambergensis, 1681. 54 Duncker, Gesammteigenthum, S. 2. 55 Maurenbrecher, Lehrbuch des gesammten heutigen gemeinen deutschen Privatrechts, S. 452/453. 56 Buchda, S. 124. 57 Buchda, S. 129/130.

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

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bb) Die Theorie (1) Die Unterschiede von römischem Recht und Bamberger Ehegüterrecht Veracius' These, daß bei der Vereinigung der Güter beider Ehegatten jeder auf das Ganze berechtigt ist und daß das, was die Frau einbringt, gleichzeitig Vermögen des Mannes ist und umgekehrt, wobei beide zu Recht behaupten können, das gesamte Vermögen gehöre ihnen, ist in Anbetracht der bisherigen am römischen Recht orientierten Gesamthandsdogmatik ohne Vorbild. Mit ihr läßt sich der Beginn einer vom römischen Recht losgelösten Gesamthandslehre markieren. 58 Veracius bezieht sich in seiner Argumentation auf das Bamberger Ehegüterrecht. Die Theorie geht aber in ihrer Reichweite über dieses Recht hinaus und verdient allgemeine Geltung. Denn in § 354 des Bamberger Stadtrechts heißt es zwar: „Item die weil ein man undt sein fraw mit besambter Hand leben...

" 59

Hierunter ist aber nicht regelmäßig auch der Fall zu verstehen, daß beide Ehegatten gemeinschaftlich handeln. Vielmehr konnte der Mann allein handeln, verfügen und veräußern, wobei es hinsichtlich der Gültigkeit solcher Handlungen vollkommen genügte, daß die Frau sie zur Kenntnis nahm und nicht widersprach. 60 Zu Beginn seiner Abhandlung stellt Veracius fest, daß der Gütergemeinschaft, die man im Bamberger Stadtrecht ein „versamlet Haab und Guet" nennt, ein weit anderer Sinn beizumessen sei, als einer Gütergemeinschaft nach römischem Recht. Danach pflege man die Handhabung wie folgt vorzunehmen: Bei den Römern und allen denjenigen, in deren Ländern die römischen Rechte gelten würden, sei eine gemeinsame Sache nichts anderes, als wenn mehrere eine Sache pro indiviso (also nach ideellen Teilen) besäßen, so nämlich sei durch das Recht selbst die Sache geteilt und niemand besitze in solidum und jeder sei nur Eigentümer soweit sein Teil an der Sache reiche: Argumentum hoc communionis bonorum proprie sie dictum „Ein versamlet Haab und Guet" nostra in patria longo alio sensu, quam in jure Romano, aeeipi atque tractari solet: Romanis enim et omnibus iis, qui solis eorum legibus vivunt, eommunio rerum aliud nihil est, quam siplures rem unam pro indiviso possident, ita tarnen, ut jure ipso res divisa et nemo possessorum in solidum, sed pro parte tantum rei dominus sit. 61

Hierbei bezieht er sich offensichtlich allgemein auf eine gemeinschaftliche Berechtigung mehrerer an einem Gegenstand und nimmt gerade nicht Bezug 58 Gierke, DPrivR I I , S. 377. Bamberger Stadtrecht, abgedruckt bei Zöpfl, Urkundensammlung, S. 99. 60 Zöpfl, S. 185. 61 Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 5. 59

7*

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

auf das Dotalsystem der Römer, auf das dieses Argument ja in Anbetracht rein wirtschaftlicher Teilhabe der Frau an der dos nicht zutrifft. 62 (2) Die Ehegatten als Eigentümer des gesamten Vermögens Nach diesen grundsätzlichen Erwägungen, die eine Abkehr vom römischen Recht schon andeuten, entwickelt Veracius nun seine These. Er führt aus, durch die Heirat verbinde sich das Gut der beiden Ehegatten, so daß jeder von ihnen Eigentümer des ganzen Vermögens und folglich auf das Ganze berechtigt sei. Das, was die Frau mitbringe, gehöre ebenso dem Mann und umgekehrt, das, was der Mann habe, sei zugleich sein Eigentum und das seiner Frau, mit einem Wort, Ehemann und Ehefrau könnten mit Recht behaupten, das ganze Vermögen gehöre jedem von ihnen: ... quae omnia alia sunt in nostra communione bonorum, qua de acturi sumus: per eam enim sie utriusque conjugis bona confunduntur, ut quivis eorum totius patrimonii in solidum dominus sit, et quae uxoris fuerunt, jam et ejusdem et mariti sunt; vicissim quae maritus habuerat, jam sua et uxoris suae sint, uno verbo, et maritus et uxor jure dicerepotest, totum Patrimonium meum est. 63

Dies ist der Kernsatz, der Extrakt seiner Lehre. Daß zwei Personen gleichzeitig Eigentümer eines Vermögens sind und berechtigt bezüglich des Ganzen und nicht nur bezüglich bestimmter, wenn auch gedachter Teile, findet in der bisherigen Dogmatik zu den Gesamthandsgemeinschaften Lehensgesamthand und Ganerbschaften kein Vorbild. Im Gegensatz zu den am römischen Recht orientierten Erklärungsversuchen setzt sich Veracius mit seiner These in Widerspruch zu D 13, 6, 5, 15 64 , wonach ein gemeinschaftliches Eigentum ohne abtrennbare Teile gerade unmöglich ist. Daß er sich mit seiner Interpretation des Bamberger Ehegüterrechts in einen Gegensatz zum römischen Recht stellt, ist dem Autor bewußt. Dies klingt in der nunmehr folgenden Begründung an. Eingedenk dieses Urteils, so schreibt Veracius, werde er in den Ohren der im römischen Recht ausgebildeten Juristen einen starken Mißton hervorrufen. Er gibt zu bedenken, daß es nur Folge einer subtilen und scharfsinnigen (um nicht zu sagen haarspalterischen) Anschauung sei, wenn das römische Recht das Eigentum mehrerer an einem Gegenstand ohne Aufgliederung in Teile nicht zulasse: Meminimus quidem probe, in delicatis Romanae civilis prudentiae consultorum auribus valde absonam vocem esse, dum dicitur, posse esse plures dominos unius rei in solidum, sed qui meminisse velit, id solum sublimis alieuius subtilitatis partum esse.65

62 63 64 65

Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. b). Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 5. Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) bb). Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 5.

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

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Nach diesen eher allgemeinen und noch nicht sehr eingehenden, weil nicht auf die Sache, sondern auf den Gebrauch bezogenen Argumenten, setzt er nun zu einer sachbezogenen Begründung an. (3) Die argumentativen Grundlagen der Theorie Seine These fußt im wesentlichen auf drei Argumenten. Sein erstes Argument ist zunächst ein wiederum mehr Äußerliches. Er stellt hier auf den Rechtsgebrauch in Würzburg ab. Nach dem Würzburger Stadtrecht konnte jeder Ehegatte nur über ein Drittel des gesamten gemeinschaftlichen Vermögens testieren. Zwei Drittel waren also dem Testament eines Ehegatten nicht zugänglich. Dabei handelte es sich um das Drittel des anderen Ehegatten und ein Drittel, das beiden gemeinschaftlich zustand. Dieses gemeinschaftliche Drittel war einer Verfügung ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten entzogen. Das ließ sich nach Meinung Veracius' nur damit erklären, daß hinsichtlich dieses Drittels eine Berechtigung beider Ehegatten in solidum bestanden habe. 66 Die Annahme des Würzburger Rechtsgebrauchs, daß für einen Teil zwei Eigentümer in solidum berechtigt sein können, läßt sich nach Veracius auf das gesamte gemeinschaftliche Gut übertragen 67 und hierin findet er die erste Stütze seiner Theorie. Aus diesen Ausführungen, die eine Berechtigung der These im Rechtsgebrauch suchen, läßt sich bereits herauslesen, was Veracius als Folge einer gemeinschaftlichen auf das Ganze gerichteten Berechtigung ansieht - die Verfügungsbeschränkung. Verfügungen über das gesamte Gut sind nicht denkbar ohne die Zustimmung des anderen. Zur weiteren Begründung seiner These beruft sich Veracius auf Carolus Molinaeus (Charles Dumoulin) 1500 - 1566, einen französischen Parlamentsadvokaten und zeitweise Professor für römisches Recht in Tübingen, der die 1510 amtlich redigierten „Coutumes de Paris" wissenschaftlich kommentierte. 68 In blumigen Worten, aus denen das Bewußtsein Veracius durchklingt, daß er mit seiner Theorie sehr wohl auf Widerstand stoßen werde und sie deshalb einer sorgfältigen Begründung bedürfe, wendet er sich den Ausführungen Molinaeus' zu, bei dem er eine Stütze seiner Erwägungen findet: Sin autem intellectus tui ea sit teneritudo, ut hanc nostram sententiam velut novum et violentum dogma concoquere haud queat, juvari poterit stomachi tui imbellicitas ex Car. Molin. in consuet. Pariensis § 25 in principio docet:.. ,69

66

Buchda, S. 120. 67 Buchda, S. 120. 68 Schlosser, S. 105. 69 Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 5.

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

Diesem Prinzip des Molinaeus' liegt eine grundsätzliche Trennung eines dominium in habitu und eines dominium in actu zugrunde. Hieran lehnt sich Veracius an: Wiewohl bei einer Gemeinschaft ihrer Güter unter Ehegatten die Ehefrau zur Hälfte Eigentümerin sei, habe sie dennoch über das gemeinschaftlichen Vermögen kein Verfügungsrecht ( = proprie in actu), sondern nur die Innehabung ( = in habitu). Dieses Eigentum löse sich erst nach Beendigung der Ehe in Ausübung ( = in actum) und in wahres Eigentum oder auch aktuelles Eigentum und Besitz der Ehegatten auf, da nämlich während bestehender Ehe der Ehemann als gesetzlicher Verwalter die Rechtsmacht habe, das Gesamtgut und den Hinzuerwerb ohne die Zustimmung der Ehefrau zu veräußern. Die Befugnis zur Verwaltung beinhalte die Verfügungsmacht, so daß der Ehemann über das gesamte Gut bezüglich der Verfügungsmacht Eigentümer sei (actu dominus sit). Dies gelte aber nicht absolut, denn es sei zu berücksichtigen, daß während bestehender Ehe bezüglich dieser Gemeinschaft Eigentum und Besitz insoweit gewissermaßen unpassende Ausdrücke bzw. gehemmt seien, da sie der Verwaltungszuständigkeit des Mannes unterzuordnen seien: ... quanquam inter conjuges communio bonorum eorumque uxor pro dimidia parte domina sit, attamen eam communionem non esse proprie in actu, sed solum in habitu, et soluto demum matrimonio exire in actum et in veram atque actualem dominii et possessionis societatem, siquidem stante matrimonio maritus, ut legalis administrator, potestatem habeat, res universas et integras absque consensu uxoris alienandi, quae authoritas administrationis alienandique potestas faciat, ut maritus totius patrimonii actu dominus sit, sed non absolutus, atque hinc fiat, quod stante matrimonio isthaec communio quoad dominium et possessionem quodammodo sit impropria et impedita propter adminstrationem marito competentem. 70

Aus dieser Erwägung des Molinaeus' bietet sich für Veracius eine Parallele. Auch hier sind beide Ehepartner auf das Ganze berechtigt. Der Ehemann besitzt zwar das Verfügungsrecht, aber er ist nicht absoluter Eigentümer. Im Hintergrund steht das Eigentumsrecht der Frau. Dieses realisiert sich nicht in einer Verfügungsmöglichkeit, besteht aber in der Innehabung. Die mehrheitliche gleichmäßige eigentumsrechtliche Zuständigkeit liegt also in der Trennung von Rechtsinnehabung und Rechtsausübung. Beides sind Formen des Eigentums, die eine mehrheitliche eigentumsrechtliche Zugehörigkeit eines Gegenstandes ohne die Annahme von Teilen ermöglichen. Diese bei Molinaeus vorgefundene Trennung von dominium in actu und dominium in habitu verfolgt Veracius in seiner Begründung weiter. Nun versucht er nachzuweisen, daß auch dem römischen Recht ein gemeinschaftliches solidarisches Eigentum nicht fremd gewesen sei. Hierzu verweist er auf C 6,51,11 pr. De caducis tollendo. Es heißt hier: Wenn mehrere Vermächtnisse

70

Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 5/6.

I. Die Wegbereitung durch den Usus Modernus Pandektarum

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ausgesetzt sind und einige der Bedachten das Vermächtnis annehmen und andere nicht, so soll den Annehmenden das Ganze zuwachsen. ... cum vero quidam voluerint, quidam noluerint, volentibus solummodo id totum accedere. 11

Veracius schließt hieraus, daß diese Konsequenz nur dadurch bedingt sei, daß jeder Kollegatar von vornherein ein dominium plurium in solidum gehabt habe. Allerdings, so fährt er fort, dürften wir nicht so dumm sein, anzunehmen, daß das Eigentumsrecht von beiden gleichzeitig ausgeübt werden könne. ... unus disjunctorum ex sua persona solidum habeat et deficiente altero disjunctorum non magis alienum consequatur, quam suum non diminutum retineat... una res duobus in solidum debeatur, consequenter in dominio duorum in solidum sit? Nec nos tarn stupidi sumus, ut existime unus simul et semel a duobus posse ius Dominii in rem eandem exerceri. 12

Die Ausübung kann nur pro partibus geschehen. Diese lediglich abwechselnde und insofern nur teilweise Ausübung des Rechts verdeutlicht Veracius anschließend an dem Beispiel einer Servitut: So wie die Natur der Servitut eine individuelle sei und wenn das Recht der ganzen Servitut selbst sich im Besitz mehrerer befinde oder gesagt werde, daß die Sache mehreren gleichzeitig in solidum zustehe, so stehe dem nicht entgegen, daß die Ausübung der Servitut selbst gleichzeitig und unmittelbar durch mehrere gerade nicht möglich sei. So erscheine es ebenso nicht absurd, wenn man sage, diese eine Sache sei Gegenstand des Eigentums mehrerer in solidum, obgleich jene mehreren gleichzeitig in ein und derselben Handlung unmittelbar die Eigentumsrechte in solidum gerade nicht ausüben könnten. Sicut ergo, servitutis natura individua est y ipsumque jus totius servitutis penes plures residere, aut res eadem pluribus simul in solidum servire dicitur, non obstante, quod ipse actus servitutis simul et eodem instanti a pluribus exerceri haud possit, ita quoque nihil absurdum erit, si dicatur res una eademque plurium dominio in solidum subjecta esse, quamquam Uli plures simul in uno eodemque instanti potestatem dominii in solidum exercere haud possint. 73

Eine Auflösung dieses Konflikts bringt nach Meinung Veracius' die Trennung in dominium in actu und in dominium in habitu. ... dum nimirum unum dominium habitu et alterum actu statuitur, quorum illud commodissime penes duos in solidum consistere poterit, secus vero hoc,74

72 73 74

C 6,51,11 pr. Veracius, Libellus, abgedruckt bei Buchda, S. 121/122. Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 6/7. Veracius, Libellus, abgedruckt bei Duncker, S. 7.

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

cc) Zusammenfassung Die Theorie vom dominium plurium in solidum des Veracius' basiert also auf der Annahme, daß die Ehegatten gleichzeitig und ohne abtrennbare Teile bezüglich des gesamten Vermögens berechtigt sind. Da ein ungeteiltes gleichzeitiges Eigentum mehrerer aber hinsichtlich der Ausübung der Eigentumsrechte zwangsläufig zu Kollisionen führen muß, findet Veracius einen Ausweg in der Unterscheidung von dominium in actu und dominium in habitu. Beide Eigentumsverhältnisse überlagern sich, verhindern aber einen Konflikt, weil immer nur ein Ehegatte, in der Regel der Ehemann, handeln kann, während sich die Eigentumsberechtigung der Frau auf die Innehabung des Vermögens beschränkt. Das gemeinschaftliche uneingeschränkte Eigentum mehrerer an einer Sache ist als Abkehr von dem bislang zur Erklärung der Gesamthandsgemeinschaften herangezogenen römischen Recht bemerkenswert. Veracius sucht die eheliche Gütergemeinschaft nicht mit Begriffen wie societas, communio oder unversitas zu fassen, sondern stellt sich, wenn auch mit sichtlichem Unbehagen in der Befürchtung, einen starken Mißton hervorzurufen, in einen bewußten Gegensatz zu derartigen Definitionsversuchen der Gesamthand. Aber auch Veracius kommt nicht ohne die argumentative Hilfe des römischen Rechts aus. Um seine Kritiker zu beschwichtigen, so scheint es, sucht auch er Rückhalt im römischen Recht. So ist er um den Nachweis bemüht, daß ein ungeteiltes solidarisches Eigentum auch dem römischen Recht immanent ist. Er greift, obwohl er seine These bereits durch den Rückgriff auf den Würzburger Rechtsgebrauch und die Theorie des Molinaeus' nachhaltig untermauert hat, noch auf C 6,51,11 zurück. Als abschließendes drittes Argument mußte dieser Verweis zudem auf den Leser den nachhaltigsten Eindruck machen. Dieses Argument rundete quasi die Begründungskette ab und verlieh seiner These so durch die bestehende Vorrangstellung des römischen Rechts zusätzliche Kraft. Schließlich ist wohl auch die Veröffentlichung des Werkes unter einem Pseudonym als Indiz für die Neuartigkeit der Idee in bewußter Abkehr von dem die Rechtspraxis und -theorie beherrschenden römischen Recht zu werten. Vergleicht man allerdings die Theorie des Veracius' mit ihrer Unterscheidung von dominium in actu und dominium in habitu mit dem Dotalsystem des römischen Ehegüterrechts 75 , so ergeben sich Parallelen. Auch hier war der Mann allein verfügungsbefugt, während die Frau lediglich wirtschaftlich an der dos partizipierte. Das äußere Verhältnis ist hier also vergleichbar. Unterschiede ergeben sich daraus, daß bei Veracius beide Ehegatten Eigentümer des gemeinschaftlichen Gutes sind und sich diese Eigentumsrechte nur unter7

5 Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. b).

II. Möglichkeiten und Gefahren historischer Argumentation

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schiedlich aktualisieren, während nach römischem Recht der Mann allein Eigentümer der dos ist und der Frau keinerlei eigentumsrechtliche Befugnisse, sondern nur wirtschaftliche Ansprüche zustehen. In Anbetracht dieser Parallelen ist es auffallend, daß Veracius schließlich doch um die römischrechtliche Legitimation seiner These bemüht, nicht auf das Dotalsystem eingeht, obwohl sich dieses argumentativ wie auch thematisch angeboten hätte. Möglicherweise liegt der Grund hierfür in dem Bedeutungswandel der dos, denn nach germanischem Recht war die dos die Zuwendung des Mannes an die Frau. Schließlich hatte sich das gemeinrechtliche Dotalsystem nur in wenigen Partikularrechten durchsetzen können, wobei es durch die Aufnahme vieler deutschrechtlicher Elemente mit seiner ursprünglichen Form kaum mehr vergleichbar war. 76 Statt auf das Dotalsystem greift Veracius auf die allgemeine römische Konstruktion gemeinschaftlichen Eigentums zurück, dem Miteigentum nach ideellen Teilen. Hiervon sagt er sich ausdrücklich los. Vor dem Hintergrund des übrigen Schrifttums dieser Zeit erweist sich, wie weitgehend die Loslösung vom römischen Recht durch Veracius war, wenn auch er letztlich noch nicht ganz auf dessen argumentative Hilfestellung verzichten kann. Die Ausführungen der Hauptvertreter des Usus modernus Lauterbach, Schilter, Struve, Stryk - zum Wesen verschiedener Gesamthandsgemeinschaften 77 zeigen dagegen, daß im zeitlichen Umfeld Veracius' die Bindungen an das römische Recht zur Erklärung des Phänomens Gesamthand noch recht eng waren.

I I . Möglichkeiten und Gefahren historischer Argumentation Ein Hinweis von Schünemann78 auf die These des dominium plurium in solidum gibt Anlaß für die Beleuchtung des Umgangs mit historischen Argumenten in der modernen Dogmatik. Schünemann findet, so schreibt er, dogmengeschichtlichen Rückhalt für die These, daß, wer ein Recht habe, es darum noch nicht ausüben könne, wer ein Recht ausübe, es deshalb noch nicht zu haben brauche 79 , bei dem dominium plurium in solidum des Justus Veracius. Sicher klingt hier wie dort die von Veracius vorgeschlagene Trennung eines dominium in actu von einem dominium in habitu an. So stimmen Schünemann und Veracius mit ihren Ausführungen zu der Unfaßbarkeit gleichzeitiger und umfänglicher Rechtsausübung zur selben Zeit am selben Ort hinsichtlich derselben Sache überein. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit diese punktuelle

76

Ogris, Stichwort „dos", H R G I, Sp. 775, 778. Vgl., oben 5. Kapitel, I. 2. b) - e). 78 Schünemann, Grundprobleme, S. 102. 79 vgl. hierzu: Jahr, Zum römischen Begriff des Eigentums, in: Gedächtnisschrift Kunkel, S. 69, 74, 102. 77

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

Übereinstimmung dogmengeschichtlichen Rückhalt zu vermitteln vermag auf der Suche nach der Charakterisierung des Gesamthandseigentums. Schünemann schält mit seinem Hinweis die Theorie des Veracius' aus ihrem geistesgeschichtlichen, philosophischen und politischen Umfeld. Wie insbesondere aber die Gesamthandsdogmatik zur Zeit der Rezeption gezeigt hat, war die Vorherrschaft des römischen Rechts bestimmend für die Möglichkeiten dogmatischer Diskussion. Entblößt man ein historisches Argument von diesen Interdependenzen, so muß notwendigerweise ein verfälschtes Bild entstehen, weil Bestandteile zurückbleiben und damit bei der Interpretation nicht berücksichtigt werden können. 80 Ein isoliertes Herausgreifen bricht lediglich ein Glied aus einer Entwicklungskette heraus. Damit wäre dann aber historische Argumentation nichts anderes als die Bezugnahme auf Meinungen anderer Autoren in der aktuellen Diskussion und es käme ihr dann insoweit kein besonderer Stellenwert zu. Als gedankliche Anregung für die Fortentwicklung historischer Ideen auf der Grundlage moderner Verhältnisse ist ein solches Vorgehen sicher zulässig, nur vermag es keinen rechtshistorischen Rückhalt zu verleihen. Will Rechtsgeschichte zur Bewältigung aktueller Probleme beitragen, so muß sie den gesamten Entwicklungsprozeß im Auge behalten. Für die Gesamthandsdogmatik bietet dieser Beobachtungsprozeß die Möglichkeit, bleibende, von temporären Veränderungen unabhängige Wesensbausteine freizulegen. 81 Damit vermittelt Rechtsgeschichte den Theorien, die diese Bausteine verwenden, den rechtsgeschichtlichen Rückhalt, daß diese Bausteine dem Wesen des Gesamthandseigentums zumindest nahekommen, da sie sich über Jahrhunderte hinweg erhalten haben. In dem bisher nur bis zum 17. Jahrhundert verfolgten Entwicklungsprozeß nun sprach Veracius zum ersten Mal aus, was untergründig schon bei Goden und Rittershausen deutlich wurde, in Anbetracht der Übermacht des römischen Rechts sich jedoch nicht zu artikulieren vermochte: Daß nämlich auf der Objektseite der Gesamthand ein ungeteiltes Vermögen einer Personenmehrheit gegenübersteht. Denn nur mit einer solchen Definition erhalten die Verfügungsbeschränkungen, die dem Art. 12 des sächsischen Landrechts, Art 32 § 3 des sächsischen Lehnrechts immanent sind, eine Bedeutung. Das Miteigentum nach ideellen Anteilen vermag hierfür keine zufriedenstellende Antwort bereitzuhalten.

80

Vgl. Klippel, Zeitgeschichte, S. 45/46. Vgl. hierzu die Darstellung der Diskussion über ein applikatives Verständnis von Rechtsgeschichte, oben 1. Kapitel, II. 3.; sowie Picker, in: Das antike Rom in Europa, S. 289, 304, der für den hier gebrauchten Begriff „Wesensbaustein" die Vokabel „überzeitliche Fundamentalfiguren" verwendet. 81

III. Die Resonanz der Theorie in der Gesamthandsdogmatik

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I I I . Die Resonanz der Theorie in der Dogmatik der Gesamthand 1. Die Kritik an der Theorie des Veracius' Wie von Veracius erwartet, war seine Theorie noch 100 - 150 Jahre später heftiger Kritik ausgesetzt. Kreittmayer bezeichnet sie in seinen Anmerkungen über den CMBC als „Chimäre". 82 Sofern man unter dem dominium plurium in solidum ein Eigentum versteht, das jedem Eigentümer vollkommen und „illimitate" zusteht, so ist dies ebensowenig wie der „Possessio in solidum" möglich. Dies ergibt sich aus D 13, 6, 5,15. Maurenbrecher äußert sich 1840 zu der Theorie vom dominium plurium in solidum wie folgt: „Das s.g. deutsche Gesammteigenthum, das ein Eigenthum mehrerer (dominium plurium in solidum) sein soll, von denen Jeder für Eigenthümer des Ganzen erklärt wird, steht daher im Widerspruche mit der Logik. Alles Unlogische aber ist unvernünftig und Unvernünftiges kann nicht für Recht gelten; folglich ist das deutsche Gesammteigenthum, wie es bisher verstanden worden ist, durchaus ein Unrecht." 8 3 Zu den heftigsten Kritikern dieser Theorie gehörte schließlich Ludwig Duncker. In der Einleitung seiner Abhandlung „Das Gesammteigenthum" gibt er einen Überblick über die „Literärgeschichte des Gesammteigenthums". In diesem Zusammenhang schildert er, daß sich seit dem Ausgang des 17., besonders aber im 18. Jahrhundert der Begriff des Gesamteigentums entwickelt habe, in dem man die Grundlage der Verhältnisse der einheimischen Institute erblickt habe. Diesen Begriff bewertet Duncker wie folgt: „Die festen Begriffe des römischen Rechts mußten einem Trugbild weichen, und das seines Haltpunktes beraubte juristische Urtheil wurde zu ungebundenen Träumereien fortgerissen, die in dem dominium plurium in solidum ihren Höhepunkt erreichten". 84 Die Kritik an der Theorie des Veracius' war also durchaus beißend und vernichtend. Und so erscheint es vor diesem Hintergrund dann auch nicht verwunderlich, daß auch einige der Hauptautoren des deutschen Privatrechts im 18. Jahrhundert sich der Lehre des Veracius' verweigerten.

82

Kreittmayer, Anmerkungen § 16 Nr. 1, S. 243. Maurenbrecher, Lehrbuch des gesammten heutigen gemeinen Privatrechts, S. 452. 84 Duncker, Gesammteigenthum, S. 2. 83

108

5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

2. Die sonstige theoretische Auseinandersetzung mit dem Institut der ehelichen Gütergemeinschaft Im 17. und dem Beginn des 18. Jahrhunderts setzte eine zunächst zögernde Auseinandersetzung mit dem Institut der ehelichen Gütergemeinschaft ein. Hauptargument der Juristen dieses Zeitraums, die sich mit der ehelichen Gütergemeinschaft beschäftigten, war die Qualifikation dieser Gemeinschaft als Miteigentumsgemeinschaft nach ideellen Teilen. Aus dem Vergleich zwischen den Ausführungen des Veracius' und diesem in der Folgezeit erschienenen Schrifttum erschließt sich zugleich die Eigenständigkeit der Theorie vom dominium plurium in solidum, die auch Jahre später keineswegs die gängige Charakterisierung der ehelichen Gütergemeinschaft darstellte. Insofern trifft die Behauptung von Lipp, die Theorie vom dominium plurium in solidum sei im Recht der ehelichen Gütergemeinschaft beherrschend gewesen, in dieser Absolutheit nicht zu. 85 Das Schrifttum kam nämlich zunächst fast übereinstimmend mit mehr oder weniger Modifikationen zu dem Ergebnis, daß es sich bei der ehelichen Gütergemeinschaft um eine societas handele, deren Eigentumsordnung der der communio entspreche. Bezeichnenderweise treffen gerade diejenigen Abhandlungen eine solche Charakterisierung, die das Wort „Germania" im Titel tragen, obwohl sie methodisch im Vergleich zu Veracius eigentlich eine Rückwendung zum römischen Recht darstellen. Johann Gottlieb Heineccius (1681 - 1741) vergleicht die Wirkungen der Gütergemeinschaft mit denen der communio oder der societas.86 Weiter heißt es bei Heineccius: Das Recht, das beide Ehegatten entweder am gesamten Gut oder zumindest annähernd besäßen und dasjenige, das sie hinzuerwürben, werde während bestehender Ehe zusammengerechnet, so daß es ihnen gemeinsam zustehe und sie folglich bei bestehender Ehe pro indiviso besäßen. Ius quo vel universa bona utriusque coniugis, vel saltim, quod ex Ulis adquiritur, consummato matrimonio, ita communia sunt, ut ea constante matrimonio pro indiviso possideantur. sl

Damit wird hinsichtlich des gemeinschaftlichen Ehegutes deutlich, daß Heineccius von gedachten Teilen ausgeht. Die Eheleute besitzen nach außen hin ungeteilt. Er legt also seiner Konzeption von der Gütergemeinschaft die Vorstellung der communio, des nach gedachten Teilen gegliederten Miteigen-

85 Lipp, Die Bedeutung des Naturrechts, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/1983), Teil 1, S. 217, 218. 86 Heineccius, Elementa Juris Germanici, Tomus I, über I, tit. X I I , §§ 285ff. 87 Heineccius, Elementa Juris Germanici, § 286 und § 292.

IV. Lösung aus den Bindungen des römischen Rechts

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tums, zugrunde. Damit bewegt er sich trotz des im Titel des Buches zum Ausdruck kommenden Bemühens um die Erklärung von Elementen des deutschen Rechts noch völlig in den Grenzen des römischen Rechts. Die Beobachtung trifft auch auf Pütter und Eisenhart zu. Johann Stephan Pütter (1725 - 1807) charakterisiert die Qualität des gemeinschaftlichen Gutes als communio 88 oder condominium. 89 Also auch hier liegt dem Wesen der Gütergemeinschaft ein ungeteiltes Miteigentum zugrunde. Die Auffassung von der ehelichen Gütergemeinschaft als communio vertritt schließlich auch Johann Friedrich Eisenhart (1720 - 1783). 90 Dieser notwendigerweise nur fragmentarische Überblick verdeutlicht bereits, daß auch noch 80 Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes von Veracius die Theorie von der ehelichen Gütergemeinschaft noch überwiegend dem römischen Recht verhaftet war. Im Schrifttum bestand die Vorstellung von der ehelichen Gütergemeinschaft als societas verbunden mit der communio, also einem Miteigentum, bei dem jedem Ehegatten ein Teil des gemeinschaftlichen Vermögens zustand. Von diesem Umfeld hebt sich Theorie vom dominium plurium in solidum ab, die dieses in Anteile gegliederte gemeinschaftliche Eigentum ablehnte und sich damit deutlich vom römischen Recht abwandte. Dieser Überblick zeigt zugleich auch, daß die Theorie des Veracius' keineswegs das ehegüterrechtliche Schrifttum beherrschte.

I V . Lösung aus den Bindungen des römischen Rechts Die Theorie vom dominium plurium in solidum von Veracius aus dem Jahre 1681 markiert für Otto von Gierke 91 den Beginn einer deutschen Gesamthandslehre. In der Tat findet sie in der bisher romanistisch geprägten Gesamthandslehre kein Vorbild. Die Juristen der Rezeption vermochten ihrem Unbehagen nur durch Definition der Gesamthand als „quasi societas" oder „quasi communio" Ausdruck zu verleihen und den im Alltag zu beobachtenden Besonderheiten der engen personellen Verflechtung, der Unteilbarkeit der Lehen keine überzeugende dogmatische Grundlage zu verschaffen. Eine dogmatische Grundlage, die sich eben nicht mehr allein um einen Kompromiß mit dem römischen Recht bemühte, sondern deutlich werden ließ, was der Rechtsanwendung des Alltags entsprach, findet sich erstmals in der Abhandlung des Veracius'. Die Veräußerungsverbote, die den deutschen Gesamthandsgemeinschaften charakteristisch waren, legten die Annahme nahe, daß

88

Pütter, Elementa Juris Germanici, § 282. Pütter, Elementa Juris Germanici, §§ 315, 317, 364. 90 Eisenhart, Institutiones Juris Germanici, über I, tit. X V , § V I I I . 9 * Gierke, DPrivR I I , § 122 I, S. 377. 89

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5. Kap.: Die Theorie vom dominium plurium in solidum

alle Beteiligten irgendwie am Vermögensganzen berechtigt sein mußten. Eine Beobachtung, die sich auch mit dem Miteigentum nach ideellen Teilen nicht wirklich erklären ließ, und die Veracius nun mit der Theorie des dominium plurium in solidum anschaulich erklärte.

Sechstes Kapitel

Die Gesamthandstheorie im Geist des Zeitalters des Vernunftrechts - V o m dominium plurium in solidum zum Gattungsbegriff des Gesamteigentums Gegenüber der im 17. Jahrhundert immer noch dominierenden römischrechtlichen Doktrin konnte sich die Theorie vom dominium plurium in solidum zunächst nur zaghaft behaupten, wie auch schon der Überblick über das ehegüterrechtliche Schrifttum verdeutlicht hat. 1 Obwohl sie harter Kritik ausgesetzt war, 2 fand sie doch allmählich weitere Verbreitung, zunächst in Anlehnung an die dogmatischen Grundlagen des Veracius' beim Institut der ehelichen Gütergemeinschaft. Darüber hinaus verschaffte sie sich auch Eingang in die Theorie der Gesamtbelehnung und formte schließlich den Gattungsbegriff des Gesamteigentums.

I. Das dominium plurium in solidum im ehegüterrechtlichen Schrifttum Die Idee vom dominium plurium in solidum fand nur zögernd eine breitere Basis auch im ehegüterrechtlichen Schrifttum. Kennzeichnend für diesen Verbreitungsprozeß war eine zunehmende Abkehr vom römischen Recht. Es wurde nun ausdrücklich als für die Charakterisierung der Gesamthand unpassend abgelehnt. 1. Heinrich Arnold Lange Diese Abkehr vom römischen Recht faßt Heinrich Arnold Lange (1724 1783), brandenburgischer Hofkammer- und Konsistorialrat, 3 mit folgenden Worten zusammen: „Die Teutschen und die römischen Eheleute differiren voneinander wie Licht und Schatten". Die societas conjugalis Germanica sei weit stärker und bündiger als die Gesellschaft der Römer. 4 Auffallend auch hier, daß Lange sich nicht auf das Dotalsystem des römischen Ehegüterrechts 1 2 3 4

Vgl., oben 5. Kapitel, I. 4. Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) aa). Eisenhart, A D B Bd. 17, S. 633. Lange, Die Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güther, S. 47.

112

6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

bezieht, sondern er spricht von der Gesellschaft der Römer. Die communio bonorum ist im Verständnis Langes das gemeinschaftliche ungeteilte Eigentum beider Ehegatten am ganzen Vermögen. Dieses Eigentumsverhältnis bezeichnet er als condominium. Doch anders als im Verständnis von Rittershausen5 oder im Verständnis von Pütter 6 , die diesen Begriff ebenfalls verwandten und zwar als Synonym für communio, des in ideelle Teile zerlegten Miteigentums, benutzt Lange den Begriff gerade für ein ungeteiltes Eigentum. Einem Bedeutungswandel unterliegt auch die Verwendung des Begriffs „pro partibus indivisis". Bedeutete diese Wendung bisher das in intellektuelle Teile gegliederte Eigentum, so kommt ihr nach Lange der Sinn zu, daß die Rechte beider Ehegatten an dem gemeinschaftlichen Vermögen identisch seien.7 Hier wird also schon in der unterschiedlichen Verwendung der Begriffe der von Lange als Licht und Schatten bezeichnete Unterschied von römischem Recht und deutschem Ehegüterrecht faßbar. Die Vorstellung von der Identität der Eigentumsrechte der Ehegatten greift er später wiederum auf. So führt er aus: Das Vermögen sei das vermischte und vermengte Gut, an welchem keinem Ehegatten ein bestimmter Teil zustehe.8 Die Annahme von Anteilen gelte sogar als allgemeiner Fehler. Das Eigentum der Ehegatten erstrecke sich auf das Ganze und nicht nur auf einen Teil. 9 Er beschreibt dies recht bildlich wie folgt: „Eines jeden sein Recht spreitzet sich durch die gemeinschaftliche Sache, wie die Seele durch den Cörper aus. Sie ist in allen Gliedern, sie ist im gantzen Leibe und ganz in jedem Theile des Cörpers." 10 Die Vorstellung des in Miteigentumsanteile gegliederten gemeinschaftlichen Eigentums tritt bei Lange völlig in den Hintergrund, wird sogar als fehlerhaft verworfen. Das Gesamtgut der Ehegatten ist seiner Auffassung nach ein seinem Wesen nach ungeteiltes und unteilbares Gemeinschaftsvermögen. Die Eigentumsrechte beider Ehegatten sind völlig identisch und beziehen sich auf das gesamte gemeinschaftliche Vermögen. 2. Johann Georg Estor Dem Gedanken von der ungeteilten Gesamtberechtigung folgt auch Johann Georg Estor (1699 - 1773), ein Schüler Christian Thomasius' in Halle, Professor in Gießen, Jena und Marburg. 11 In seiner „Der Teutschen rechtsgelahrheit" vertritt er die Auffassung von der ungeteilten Herrschaftsmacht beider 5

Vgl., oben 4. Kapitel, II. 2. a). Vgl., oben 5. Kapitel, I. 4. 7 Lange, Die Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güther, S. 50. 8 Lange, Die Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güther, S. 113. 9 Lange, Die Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güther, S. 162. 10 Lange, Die Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güther, S. 162. Muther, A D B Bd. 6, S. 390/391. 6

I. Das dominium plurium in solidum i

h e g t h

113

Ehegatten über das gesamte Vermögen. 12 So könne die Zusammensetzung des gemeinschaftlichen Vermögens ausdrücklich oder stillschweigend geregelt werden. Es bestehe die Möglichkeit, bestimmte Einkünfte hiervon auszunehmen. Von landesrechtlichen Besonderheiten abgesehen gelte aber der Satz: „ . . . wenn die Decke über den Kopf ist, ist alles gemein und beyde gleich." 13 Der während der Ehe erfolgte Hinzuerwerb, die Errungenschaft, wird zwischen den Eheleuten gemeinschaftliches Eigentum und zwar „unzertheiltes Eigenthum". 14 Dem stand auf der Verpflichtungsseite die gemeinschaftliche Haftung für die während bestehender Ehe gemachten Schulden gegenüber sowie für die für den Haushalt verwandten Aufwendungen. Allerdings gibt Estor landesrechtliche Besonderheiten zu bedenken. In Ober-Hessen gebe es eine Form, in der sich die Gemeinschaft nicht auf das mit in die Ehe eingebrachte Vermögen der Ehegatten beziehe. 15 In Sayn-Hachenburg müsse die Ehefrau alle Schulden des Ehemannes bezahlen, wenn dessen Privatvermögen zur Begleichung nicht ausreiche. Dies seien aber nur punktuelle Ausnahmen, denn die allgemeine Form der Gütergemeinschaft, d.h. völlige Vergemeinschaftung des ehelichen Vermögens, finde sich im überwiegenden Teil Deutschlands.16 Die Besonderheiten hinsichtlich der Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens in verschiedene Vermögensmassen ändern auch nichts daran, daß hinsichtlich derjenigen Vermögensmasse, die beiden Ehegatten gemeinschaftlich zusteht, diese gleichzeitig auf das Ganze berechtigt sind. In § 731 stellt Estor noch deutlicher als bisher heraus, daß die Güter von Ehemann und Ehefrau gänzlich gemischt würden. Kein Ehegatte dürfe während bestehender Ehe etwas allein ohne Einwilligung des anderen Ehegatten veräußern. Dies beruhe darauf, daß die Güter gemeinschaftlich seien, nicht allein wegen des gemeinsamen Nutzens, sondern auch wegen des Anfalls der Erbschaft an den überlebenden Ehegatten, wenn ein Ehegatte bei kinderloser Ehe vorversterbe. 17 Schließlich grenzt er das Recht der ehelichen Gütergemeinschaft in Deutschland gegenüber dem römischen Recht ab: Denn, so schreibt er, bei den Deutschen gebe es keine Oberherrschaft des Mannes über die Ehefrau, sondern eine Gleichheit und Gemeinschaft, obwohl dem Ehemann die Verwaltungsaufgabe gebühre. Daraus resultiere für die deutsche eheliche Güter12 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, dritter Theil, 102. Hauptstück, § 729, S. 431. 13 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 729, S. 431; sowie Eisenhart, Institutiones Juris Germanici, liber I, tit. X V , § V I , S. 92. 14 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 729, S. 431. 15 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 729, S. 432. 16 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 729, S. 433. 17 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 731, S. 434.

8 Ascheuer

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6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

gemeinschaft ein größerer Wert. 1 8 Auch wenn in einigen Territorien das römische Recht durchaus eine Lebensberechtigung habe, so daß entweder alles oder etwas veräußerlich sei, so bleibe es doch bei der Regel, daß nichts ohne die Mitwirkung des anderen Ehegatten veräußert werden könne. 19 Und hier durchsetzt die deutsche Form der ehelichen Gütergemeinschaft, die beide Ehegatten gleich behandelt, das römischrechtliche Modell. Bei Estor läßt sich nicht nur eine dem römischen Recht gegenüber ablehnende, sondern zugleich auch eine selbstbewußt auf deutsche Vorteile hinweisende Haltung erkennen. So ist seiner Meinung nach die deutsche eheliche Gütergemeinschaft nicht nur die vorteilhaftere von beiden Modellen, sondern selbst dort, wo sich das römische Recht habe halten können, habe es sich den deutschen Verhältnissen hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses bei Veräußerungen so angepaßt, daß ihm kaum mehr eigenständiger Wert beizumessen sei. Die Frage der Verfügungsmacht löst Estor zugunsten des Ehemannes, der das „directorium" habe. 20 In seiner Verfügungsmacht ist er jedoch beschränkt durch die Zustimmung seiner Ehefrau, in der sich deren Eigentumsrecht realisiert. Wie schon Lange macht auch Estor keine argumentativen Anleihen beim römischen Recht mehr.

3. Justus Friedrich Runde a) Die Ausführungen zur ehelichen Gütergemeinschaft

Auch Justus Friedrich Runde (1741 - 1807), Professor in Kassel und Göttingen, 21 wendet sich ebenso entschieden wie Lange gegen die Verwendung römischen Rechts bei der Untersuchung der rechtlichen Natur der ehelichen Gütergemeinschaft. 22 Er schreibt, diese Sache sei dem römischen Recht ganz fremd, weshalb die Gütergemeinschaft auch nicht einmal nach den römischen Grundsätzen vom Gesellschaf tsvertrag zu beurteilen sei. 23 Gerade so aber hatten die Juristen des 17. und 18. Jahrhunderts die eheliche Gütergemeinschaft zu erklären versucht. Mit diesem deutschrechtlichen Verhältnis stehen die römischen Rechtslehren so sehr in Widerspruch, daß diese in großen Teilen Deutschlands nicht mehr angewandt werden. 24

18

Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 731, S. 434. Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 731, S. 435. 20 Estor, Der Teutschen rechtsgelahrheit, § 731, S. 434. 21 Kleinheyer / Schröder, S. 361, Nr. 93. 22 Runde, Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, 2. Buch, II. Abschnitt, I. Hauptstück, § 602, S. 495 ff. 23 Runde, Grundsätze, § 602, S. 496. 24 Runde, Grundsätze, § 602, S. 496. 19

I. Das dominium plurium in solidum im Ehegüterrecht

115

Eine Definition darf sich folglich nicht an das römische Recht anlehnen, sondern ist aus der Natur der ehelichen Gütergemeinschaft heraus zu entwikkeln. 25 Zu dem, was die Natur dieser Gütergemeinschaft ausmacht, äußert sich Runde wie folgt: Die Natur der Gütergemeinschaft sei nichts anderes als ein ausschließliches Eigentum, welches der ehelichen Gesellschaft als einer moralischen Person an dem gegenseitig in die Ehe gebrachten oder während der Ehe erworbenen Vermögen zustehe. So habe man sich die Ehegatten hierbei als eine Person vorzustellen, die alle Güter der Gemeinschaft ungeteilt besäße und genieße. Schon aus diesem Grunde sei es eine Anomalie, auf diese Gemeinschaft den römischen Sozietätsgedanken anzuwenden und für jeden Ehegatten einen bestimmten Teil an den gemeinschaftlichen Gütern zu bestimmen. 26 In diesen Ausführungen taucht der Begriff der „moralischen Person" auf, 27 der die weitere Gesamthandsdogmatik im 19. Jahrhundert noch nachhaltig beeinflußte. Im Zusammenhang mit den Ausführungen Rundes kommt ihm noch die Bedeutung zu, lediglich ein Synonym für das ungeteilte Eigentum beider Ehegatten zu sein, denn diese und nicht die moralische Person genießen und besitzen das Vermögen auf ungeteilte Weise. b) Neue Argumentationsformen

Die Ausführungen Rundes zur ehelichen Gütergemeinschaft verdeutlichen auch eine neue Argumentationsweise. Nicht mehr das römische Recht ist Grundlage der Ausführungen, vielmehr schöpft Runde seine Ergebnisse aus der Natur der ehelichen Gütergemeinschaft. Dabei kommt es nicht wesentlich auf das abstrakte Gedankengebilde an, sondern nach Rundes Meinung formt sich das Recht nach dem realen Sachverhalt, nach einem bestimmten angestrebten Ziel. Die Sachgegebenheit ist Bestandteil der gesellschaftlichen Ordnung mit funktionalen Aufgaben für das menschliche Zusammenleben. 28 Von diesem Standpunkt aus kann die abstrakte präzise Begrifflichkeit des römischen Rechts dem gewachsenen in gesellschaftliche Bestimmung und soziale Funktion eingebetteten Sachverhalt nicht gerecht werden. Eine Definition ist nur aus sich selbst heraus sachgerecht. Aus der Betrachtung der ehelichen Gütergemeinschaft in ihrer realen Funktionalität kann Runde ohne Ansehung des römischen Rechts und in bewußter Abkehr von diesem, die Eigentümlichkeit der ehelichen Gütergemeinschaft herausstellen. Das notwendig gemeinschaftliche Handeln bedingt durch das

25 26 27 28

8*

Runde, Grundsätze, § 602, S. 496. Runde, Grundsätze, § 602, S. 497. Runde, Grundsätze, § 602, S. 497. Marx, Die juristische Methode der Rechtsfindung, S. 44.

116

6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

Zustimmungserfordernis bei Veräußerungen läßt die Ehegatten als eine Person erscheinen. Diese Vorstellung wiederum ist auf das Vermögen projizierbar, das als Folge dieses einheitlichen Erscheinungsbildes nach außen ungeteilt erscheint. Diesen Sachverhalt aber vermögen die römischen Sozietätsregeln nicht zu erfassen und daher erweist sich nach Meinung Rundes die Anwendung dieser Regelungen als Anomalie. Deutlicher als bei Veracius, der noch um den Nachweis solidarischen Eigentums im römischen Recht bemüht war, werden die römischen Begriffe als Definition der ehelichen Gütergemeinschaft von Runde als unpassend empfunden. Die Argumentation unterliegt nicht mehr dem starken Druck äußerer Gegebenheiten, sondern ist nunmehr auf den Erörterungsgegenstand selbst zugeschnitten. 4. Zusammenfassung Kennzeichnend für die weitere Entwicklung des dominium plurium in solidum am Beispiel der ehelichen Gütergemeinschaft war also eine weitreichende Abkehr von der römischrechtlichen Dogmatik, die z.T. als völlig unpassend29 recht schroff zurückgewiesen wurde. Das Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft bestand demnach aus dem ungeteilten Eigentum beider Ehegatten, die sich in ihrer Berechtigung gegenseitig beschränkten. Diese Beschränkung machte unabhängige Verfügungen unmöglich. Die von Veracius noch vorgeschlagene Unterteilung in ein dominium in actu und ein dominium in habitu 30 tauchte nicht wieder auf. Den Ausführungen Langes, Estors und Rundes ist vielmehr zu entnehmen, daß es sich um qualitativ völlig gleichwertige eigentumsrechtliche Berechtigungen handelte. Mit dem Begriff der „moralischen Person" 31 begann eine neue Argumentationskette, die die Zuordnungslinien von Eigentum und Gesamthändern zu ordnen suchte. Diese neuen Ordnungslinien sind jedoch noch konturenlos und der Begriff ist noch lediglich als Synonym für das ungeteilte Eigentum zu verstehen. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts finden sie zu dogmatischer Schärfe. Zunächst aber verfestigt sich das Prinzip des solidarischen Eigentums zu einem Rechtsgedanken, der über die eheliche Gütergemeinschaft hinaus sich auch auf andere Gesamthandsinstitute als anwendbar erwies.

29

So Lange und Runde, vgl., oben 6. Kapitel, 1.1. und 3. 30 Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) bb) (3). 31 Runde, Grundsätze, § 602, S. 497.

II. Das dominium plurium in solidum in der Lehensgesamthand

117

I L Die Anwendbarkeit des dominium plurium in solidum auf die Lehensgesamthand 1. Johann Gottfried Bauer Johann Gottfried Bauer (1695 - 1763), Ordinarius der juristischen Fakultät und Appellationsrat in Leipzig 32 , übertrug die Idee eines deutschen solidarischen Eigentums in akzentuierter Gegenüberstellung zum römischen Miteigentum auf die Lehensgesamthand. Die Regel des Jus Civile, daß zwei nicht gleichzeitig Eigentümer des Ganzen sein könnten, gilt nach Meinung Bauers für das germanische Eigentum nicht. Quamvis igitur ius civile regulam habeat, quod duo eiusdem rei domini in solidum esse non possint, ... non tarnen eam sequitur ius Germanicum. 33

Bei der Gesamtbelehnung erhalte vielmehr jeder durch Investitur das ganze Lehen, d. h. er sei auch hinsichtlich der Teile, die er gemeinsam mit den anderen erhalte, als Lehensnehmer eingesetzt: Dum enim quilibet totius feudi impetrat investituram, concursum facit, investitur. 34

etiam de parte, quam alius per

Daraus folge nun wiederum, daß wenn jeder Vasall hinsichtlich des ganzen Lehens eingesetzt sei, vor einer durchgeführten Teilung auch keine bestimmbaren, abgrenzbaren Teile des gemeinschaftlichen Vermögens vorhanden seien, die einem jeden Belehnten zugeordnet werden könnten: Quilibet enim de beneficio in solidum est investitus, nec ante peractam divisionem certa eius pars alicui propria est. 35

Dieses Ergebnis bezieht Bauer auf die Regelung der Gesamtbelehnung im sächsischen Lehnrecht Art. 32; die Ausführungen seien die ratio dieser Regelung: „Denn was einer nicht theilweise empfangen hat, des mag er auch keinen theil weder vorgeben, vorleihen noch aufflassen." 36 Eine entsprechende Regelung beinhalte auch ein Statut der Provinz Sachsen-Anhalt: „Wenn sichs auch zutrüge, dass zwey drey oder mehr Brüder mit einem Mann-Lehn beliehen, diesselbe auch insgesamt ungetheilt solche besässen und gebrauchten, und aber einer von solchen Brüdern ohne Männliche Leibes Erben verstürben, sollen die überlebenden über des verstorbenen Anpart de novo die Lehn zu suchen nicht gehalten seyn, sondern nur Uns als deren Lehn-Herrn den 32 Stintzing / Landsberg, Bd. 3/1, Noten S. 199; Ersch / Gruber, Allgemeine Enzyklopädie, 8. Teil, S. 186. 33 Bauer, De origine et progressu communis saxonum manus, in: Opusculorum Academicorum, Tomus I I , Nr. 56, S. 196 ff., § X I , S. 200. 34 Bauer, De origine et progressu, § X V , S. 201. 35 Bauer, De origine et progressu, § X X , S. 203. 36 Bauer, De origine et progressu, § X X , S. 203.

118

6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

Todes-Fall zu notificieren haben." 37 In der Unteilbarkeit der Lehen liegt der Unterschied zum gemeinen Lehnrecht. Bauer nimmt also Abstand von der römischrechtlichen Vorstellung, daß die Berechtigung mehrerer an einem Vermögen notwendigerweise immer die Teilung dieses Vermögens und eine anteilsmäßige Zuweisung zur Folge habe. Er macht deutlich, daß dies für die deutschen Verhältnisse unpassend ist und arbeitet einen Unterschied von germanischem und römischem Miteigentum heraus. Aber ebenso wie Veracius kann auch Bauer trotz des hervorgehobenen Gegensatzes von römischem und deutschem Recht auf argumentative Hilfeleistung des römischen Rechts nicht verzichten. So sucht er nach einem Weg, ungeteiltes Eigentum mehrerer auch im römischen Recht nachzuweisen. Er findet einen solchen Nachweis in C 5, 12, 30 pr; Ulpian, Fragmenta X I X , § 20; D 41, 2, 12 und D 41, 2, 1, 15. Als Resümee aus der Betrachtung dieser Stellen ergibt sich für Bauer, daß im römischen Recht eine solidarische Berechtigung möglich war, wenn nur die nebeneinanderstehenden Berechtigungen einen unterschiedlichen Charakter aufwiesen: Enimvero animadvertendum est, quod iure civili ipso duorum in solidum dominium et possessio esse possint, si non sit idem dominii et possessionis genus. 38

So sind nach C 5,12, 30 pr die Ehegatten beide gleichzeitig Eigentümer der dos: Quodprobant exempla Mariti et Uxori quorum uterque dominus dotis est in solidum. 39

C 5, 12, 30 pr lautet wie folgt: In rebus dotalibus sive mobilibus sive immobilibus seu se moventibus, si tarnen extant, sive aestimatae sive inaestimatae sint, mulierem in his vindicandis omnem habere post dissolutum matrimonium praerogativam et neminem creditorum mariti, qui anteriores sunt, sibi potiorem causam in his per hypothecam vindicare, cum eaedem res et ab initio uxoris fuerant et naturaliter in eius permanserunt dominio. non enim quod legum subtilitate transitus earum in mariti Patrimonium videtur fieri, ideo rei veritas deleta vel confusa est.

Nach der hierin zum Ausdruck gelangenden Meinung Justinians bleiben die eingebrachten Dotalgüter auch Eigentum der Frau. Den Übergang der dos in das Eigentum des Mannes bezeichnet Justinian als Spitzfindigkeit des Gesetzes, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspreche. Eine gleichzeitige Berechtigung zum Besitz findet Bauer auch bei Ulpian, Fragment X I X , § 20, wonach derjenige, der seine Berechtigung vom bonitarischen Eigentum ableite neben demjenigen besitzen könne, der aufgrund quiritarischen Eigentums besitze: 37 38 39

Bauer, De origine et progressu, § X I V , S. 201. Bauer, De origine et progressu, § X X X I I , S. 209. Bauer, De origine et progressu, § X X X I I , S. 209.

II. Das dominium plurium in solidum in der Lehensgesamthand ... plurium, penes quos olim eiusdem rei dominium bonitarium et quiritarium potuit, Ulpianus XIX § 20:40

119 esse

Ulpian's Text lautet: Si servus alterius in bonis, alterius ex jure Quiritium sit, ex omnibus causis adquirit ei, cujus in bonis est. 41

Schließlich führt Bauer noch an, daß nach D 41, 2, 12 und D 41, 2, 1, 15 auch Eigentümer und Nießbraucher sowie Schuldner und Gläubiger bei Hingabe eines Pfandes gleichzeitig besitzen: Proprietarii et Fructuarii, quorum uterque possidet in solidum, 1.12 d.adquir.possess. denique Creditoris et Debitoris, penes quos eiusdem pignoris est possessio, l.l §15 d. adquir.possess. 42

D 41, 2, 12 lautet: Naturaliter videtur possidere is qui usumfructum habet. Nihil commune habet proprietas cum possessione: et ideo non denegatur ei interdictum uti possidetis, qui coepit rem vindicare: non enim videtur possessioni renuntiasse, qui rem vindicavit

und D 41, 2, 1, 15: Per servum corporaliter pignori datum non adquirere nos possessionem Iulianus ait (ad unam enim tantum causam videri eum a debitore possideri, ad usucapionem), nec creditori, quia nec stipulatione nec ullo alio modo per eum adquirat, quamvis eum possideat.

Allen diesen gleichzeitigen Besitz- und Eigentumsberechtigungen ist gemeinsam, daß sie keine gleichartige Struktur aufweisen. Die Eigentumsberechtigung der Ehefrau steht hinter der des Ehemannes im römischen Dotalsystem völlig zurück. Die Besitzqualität von Eigentümer und Nießbraucher sowie von Pfandempfänger und Verpfänder beim Faustpfand unterscheidet sich in der tatsächlichen Nähe zur gemeinsamen Sache und damit in der Qualität der Sachherrschaft, die zum einen nur mittelbar, zum anderen aber unmittelbar ausgeübt wird. Diese Sachlage ist aber nur bedingt vergleichbar mit den Gegebenheiten der Gesamtinvestitur. Bauer hatte bisher die Gleichartigkeit der Berechtigungen hervorgehoben. Dennoch meint er in diesen Beispielen eine Bestätigung seiner Theorie ungeteilter Gesamtberechtigung zu finden. Er präzisiert und paßt seine Theorie nun den im römischen Recht gefundenen Anschauungen an. Für die Vasallen, die hinsichtlich desselben Lehens gleichzeitig eingesetzt seien, bedeute dies nach der ratio des Jus Civile, daß sie zwar an derselben Sache zur gleichen Zeit und mit gleicher Wirksamkeit taugliche solidarische Besitzrechte ausüben könnten, aber daß es sich um verschiedene besitz- und eigentumsrechtliche Berechtigungen handele. In diesem Sinn habe 40 41 42

Bauer, De origine et progressu, § X X X I I , S. 209. Ulpian, Fragmenta, X I X , § 20. Bauer, De origine et progressu, § X X X I I , S. 210.

120

6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

Schilter bereits formuliert, daß der eine Besitz vollständig, der andere weniger vollständig sei. Genau dies sei das System, das die germanische Praxis ausmache: Simili ratione vasallus, qui principe loco, et qui simul investitus est, eandem rem, salva iuris ratione civilis, ut domini possident utiles in solidum cum suo effectu et eodem tempore, sed diverso possessionis et dominii iure, dum, ut Schilter d.simult. invest. C.L § 4 ait, alterius possessio estplena, alterius minus plena. Quam disciplinam praxis confirmat Germanica.. .43

Ebenso wie Veracius und anders als Lange und Estor bewegt Bauer sich bei seiner Annäherung an das Wesen der Lehensgesamthand im wesentlichen in der Begrifflichkeit des römischen Rechts, obwohl er den Gegensatz von deutschem und gemeinem, langobardischem Lehnrecht hervorhebt. Doch gelangt auch bei Bauer, wenn auch weit weniger eindringlich als bei Lange oder Estor oder selbst Runde zum Ausdruck, daß auch er das römische Recht zur Definition der Lehensgesamthand insgesamt für nicht befriedigend hält. In seiner Anlehnung an das römische Recht versucht er aber vergleichbar mit Veracius 44 nicht mehr die Übertragung von Begriffskategorien auf deutsche Rechtsverhältnisse, sondern geht den genau umgekehrten Weg. Er bemüht sich um den Nachweis, daß die im deutschen Recht vorgefundenen Verhältnisse auch im römischen Recht nachzuweisen seien. Auch darin zeigt sich ein neues Selbstbewußtsein einer auf deutsche Verhältnisse ausgerichteten Gesamthandslehre. Sie läßt sich nicht mehr die Schablonen des römischen Rechts überwerfen, sondern findet den Weg zu einer eigenen Begrifflichkeit. Allerdings ist dieses Selbstbewußtsein bei Bauer noch nicht so ausgeprägt, daß er sich vom römischen Recht bereits völlig emanzipieren kann. 2. Karl Wilhelm Paetz A n die Argumentation von Bauer knüpft ca. 50 Jahre später Karl Wilhelm Paetz (1781 - 1807) an. 45 Er überschreibt § 62 seiner einzigen großen und unvollendet gebliebenen Abhandlung zum Lehensrecht 46 mit „Deutsche Gesammtbelehnung". Es kommt also schon eine Emanzipation der deutschen Form der Gesamtbelehnung von der Ausformung des gemeinen Rechts zum Ausdruck. Er meint, für die „Sammtbelehnung" in den besonderen deutschen Rechten sei es eigentümlich, den Gesamtbelehnten ein Lehen mit der Wirkung zu erteilen, daß ihnen allen daran ein gleiches Recht in solidum selbst, ohne Bestimmung von Intellektualteilen zustehe.47 In der Fußnote h) führt er 43 44 45 46 47

Bauer, De origine et progressu, § X X X I I I , S. 210. Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) bb) (3). Paetz, Lehrbuch des Lehnrechts, § 62, S. 160 f. Ersch / Gruber, Allgemeine Enzyklopädie, Bd. III/9, S. 243. Paetz, Lehrbuch des Lehnrechts, § 62, S. 160.

II. Das dominium plurium in solidum in der Lehensgesamthand

121

ausdrücklich als Grundlage seiner Argumentation die Ausführungen von Bauer an. Somit bewegt sich Paetz auf dem von Bauer eingeschlagenen Weg. Eine Weiterentwicklung findet sich bei ihm insoweit, als er seinen Blick nicht nur auf das Verhältnis der Gesamtbelehnten beschränkt, sondern darüber hinaus darauf hinweist, daß der Gesamtbelehnung ein „Sammteigenthümliches Recht, wie es in Deutschen Instituten oft sich findet" 4 8 eigen ist. Die Tendenz geht also hin zu der Ausgestaltung eines einheitlichen gesamthänderischen Prinzips. Nicht mehr nur ein einziges Institut stellt den Forschungsgegenstand dar, sondern die Gesamthandsdogmatik beginnt Vergleiche anzustellen, Parallelen nachzuzeichnen und Verbindungslinien herzustellen. 3. Andreas Joseph Schnaubert In Fortführung dieser Tendenz, als Brücke zwischen der Anwendung des solidarischen Eigentums auf einzelne Institute und der Loslösung aus bestimmten Anwendungsbereichen, als Entwicklungsstufe auf den Weg hin zu dem Rechtsgedanken der Gesamthand charakterisiert Andreas Joseph Schnaubert (1750 - 1825), Professor für Lehnrecht in Gießen, Helmstedt und Jena 49 , die Lehensgesamthand.50 Die Mitbelehnung in ihrer eigentlichen Bedeutung ist seiner Meinung nach die Belehnung mehrerer mit einem Lehen und zwar dergestalt, daß alle zugleich ein gegenwärtiges und unbedingt nutzbares Eigentum daran erhielten. Voraussetzung hierfür ist, daß mehrere Personen, jedoch nur ein Lehen vorhanden sind. Dies hat zur Konsequenz, daß das Lehen nicht wirklich oder dergestalt geteilt werden darf, daß jeder seinen Teil hieran abgesondert von den Teilen der anderen erhält; denn dies würde die Voraussetzung des einheitlichen Lehens aufheben. 51 Bei dieser Definition des Gesamtlehens besteht Übereinstimmung mit der Theorie des dominium plurium in solidum. Ein Lehen ist mehreren Personen in der Weise erteilt worden, daß sie alle gleichzeitig und zwar ohne abgrenzbare Teile als Lehensnehmer daran berechtigt sind. Schnaubert weist in seiner Begriffsbestimmung nicht ausdrücklich darauf hin, daß die Lehensnehmer am gesamten Lehen berechtigt sind, eingeschränkt durch die Berechtigungen der anderen, so wie es die Theorie des solidarischen Eigentums vorsieht. Aber, wenn ein Lehen nicht in Teile zerlegt werden kann, weil es dann eben nicht mehr ein Lehen, sondern eine Vielzahl von Lehen darstellt, so kann man sich folglich die Berechtigung des einzelnen nur bezogen auf das gesamte Lehen, gleichzeitig aber beschränkt durch die Berechtigung der übrigen vorstellen. In Übereinstimmung mit den Ausführungen Bauers findet die Theorie vom dominium 48 49 50 51

Paetz, Lehrbuch des Lehnrechts, § 62, S. 160. Stintzing / Landsberg, Bd. 3/1, Noten S. 290/291. Schnaubert, Erläuterungen, S. 305 ff. Schnaubert, Erläuterungen, S. 305.

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6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

plurium in solidum hiermit einen Anwendungsbereich bei der Gesamtbelehnung. Schnauberts Ausführungen fügt sich jedoch schon ein weiterer darüber hinaus gehender Aspekt an. Er geht einen Schritt weiter und löst die Theorie vom dominium plurium in solidum aus den Zusammenhängen der Gesamtbelehnung und ordnet sie dem Begriff „Eigentum" insgesamt zu, indem er auf die Unterschiedlichkeit von Gesamt- und Miteigentum aufmerksam macht. 52 Danach ist Gesamteigentum das Recht eines jeden Eigentümers über die ganze Sache in solidum und zwar so, daß hierbei nicht einmal unabgesonderte Teile (partes intellectuales), die nach einem gewissen Verhältnis gegen das Ganze bestimmt sind, zu denken sind. 53 Hier spricht er jetzt auch aus, was bei der Charakteristik der Lehensgesamthand bisher nur ansatzweise zum Ausdruck gelangte, nämlich, daß das Recht eines jeden Miteigentümers sich auf die ganze Sache erstreckt. 54 Diesem Gesamteigentum stellt er das Miteigentum gegenüber, dessen Wesensmerkmal gerade darin liegt, daß die Berechtigung auf einen von den übrigen unabgesonderten Teil („partem intellectualem, indivisam") beschränkt ist. Hier hat jeder Miteigentümer die Hälfte, ein Drittel usw. an der gemeinschaftlichen Sache. Diese Gattung wird als Miteigentum bezeichnet und ist dem römischen Recht immanent. 55 Durch die Lösung der Theorie vom dominium plurium in solidum weg von bestimmten Instituten wie ehelicher Gütergemeinschaft und Lehensgesamthand, vollzieht Schnaubert einen weiteren Schritt innerhalb der Entwicklung des Gesamteigentums als Gattungsbegriff. Bei Schnaubert ist diese Abstrahierung jedoch noch nicht vollständig. Er bettet die unterschiedlichen Eigentumsformen als Voraussetzungen für das Verständnis der langobardischen und deutschen Lehensgesamthand noch in den Zusammenhang des Lehensrechts ein. Aber es wird deutlich, daß sich bereits eine dogmatische Ebene auszubilden beginnt, die den Blick von den spezifischen Besonderheiten der einzelnen Gesamthandsinstitute löst und Verbindungen, Parallelen, gemeinsame Elemente der Gesamthandsgemeinschaften herauszuarbeiten sucht. Damit zeichnet sich der Entwurf eines Gesamteigentums als Gattungsbegriff bereits ab, ohne daß Schnaubert dies aber schon ausdrücklich herausstellt.

I I I . Das Gesamteigentum als Gattungsbegriff Die Theorie des dominium plurium in solidum hatte sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend verfestigt und konnte sich neben der romanisti52 53 54 55

Schnaubert, Schnaubert, Schnaubert, Schnaubert,

Erläuterungen, Erläuterungen, Erläuterungen, Erläuterungen,

S. S. S. S.

308/309. 308. 308. 309.

III. Das Gesamteigentum als Gattungsbegriff

123

sehen Lehre durchaus behaupten. Ihr Anwendungsbereich dehnte sich über den Bereich der ehelichen Gütergemeinschaft, anhand derer sie entwickelt wurde, aus. In der weiteren Entwicklung stellte sich die Universalität des Begriffs dominium plurium in solidum heraus. Damit war diese Theorie zu einem Rechtsgedanken avanciert, der einer Vielzahl von Instituten, deren Charakteristik die eigentumsrechtliche Berechtigung mehrerer an einem gemeinschaftlichen Vermögen war, innewohnte. 1. Die Gestaltung des Begriffs durch Karl Christoph Hofacker a) Die Gegensätze zwischen römischem und deutschem condominium Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte Karl Christoph Hofacker (1749 - 1793), Professor für Pandekten-, Völker-, Natur- und allgemeines Staatsrecht in Tübingen. 56 Dem Problem des condominium widmet er sich in dem Buch „Principia Juris Civilis Romano Germanici", das nach seinem Tod von seinem Schüler Gmelin herausgegeben wurde. 57 Von dem Eigentum des einzelnen, so schreibt er, unterscheide man das condominium, Miteigentum, worunter man das Eigentum mehrerer an derselben Sache pro indiviso, also nach ideellen Bruchteilen, zu verstehen habe. Andererseits sei diese Eigentumsform abzugrenzen von dem Eigentum einer universitas. Für die Annahme eines condominium sei Voraussetzung, daß den mehreren dasselbe Eigentumsrecht zustehe, denn ein condominium liege nicht vor, wenn der eine Eigentum, der andere Nießbrauch, der eine ein dominium directum, der andere ein dominium utile innehabe. Die Anteile des einzelnen bei diesem Eigentum definiert er als gedachte Teile „communes pro indiviso". Aber an seinem gedachten Teil habe jeder nach der Teilung Einzeleigentum: A dominio , quod ad unum pertinet (solitarium), distinguitur CONDOMINIUM (MITEIGENTHUM) quo nomine denotatur dominium pluribus in eadem re pro indiviso competens... Cum ad plures, ut singulos, condominium pertineat, pro tali habendum non est, quod ad unam personam mysticam sc. universitatem qua talem pertinet. Deinde ad plures idem ius dominii pertineat necesse est, neque enim condominium est; cum uni proprietas alteri ususfruetus; uni dominium directum, alteri utile competit. Denique requiritur, ut partes, quas singuli habent, sint communes pro indiviso, sive aequaliter sive inaequaliter: nam partium divisarum quilibet dominium solitarium habet. 5*

Hier beschreibt Hofacker das Wesen des gemeinrechtlichen condominium als gemeinschaftliches Eigentumsrecht mehrerer nach gedachten Teilen. Diese Anteile sind zwar vor einer Teilung noch nicht real existent, aber sie 56 Eisenhart, A D B , Bd. 12, S. 551. 57 Eisenhart, A D B , Bd. 12, S. 551. 58 Hofacker, Principia Juris Civilis, liber I V , caput I, § 901, S. 140.

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6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

sind dem einzelnen allein zugeteilt. Jeder Eigentümer auf der einen Seite steht in Beziehung zu einem ganz genau abgegrenzten Stück des gemeinschaftlichen Eigentums auf der anderen. Diesem gemeinrechtlichen condominium stellt Hofacker nun das germanische condominium gegenüber. Hierzu schreibt er: Von dem bisher untersuchten condominium müsse man ein condominium nach germanischer Sitte unterscheiden, das anzuerkennen sei und von jenem, dem Miteigentum, bequem durch den Namen Gesamteigentum abzusondern sei. Dieses Eigentum mehrerer an einer ungeteilten Sache sei so beschaffen, daß jeder an der Sache sein Eigentum in solidum habe, aber begrenzt durch das Zusammentreffen der Rechtsausübung anderer Eigentümer. Weil deshalb jeder als Eigentümer in solidum angesehen werde, weiche dies ab von dem, was über die ideellen Teile, die dem einzelnen Eigentümer zustünden, gesagt worden sei, und daher könne keiner der Eigentümer über die gemeinsame Sache pro parte indivisa verfügen, wenn er nicht die Teilung der gemeinschaftlichen Sache hervorrufen wolle: A condominio hactenus exposito distingui debet Condominium moribus German, quandoque receptum, quod ab illo (Miteigenthum) non incommodo nomine GESAMMTEIGENTHUM separatur. Est vero hoc condominium pluribus in re indivisa ita competens, ut quilibet eius rei dominium in solidum habeat, sed limitato per concursum alterius condomini exercitio. Cum itaque quilibet dominus in solidum esse censeatur, cessant ea, quae de parte indivisa ad singulos condominos pertinente (§ 901) dicta sunt; et ideo neuter condominorum de re communi pro parte indivisa desponere, neque etiam ad divisonem rei communis provocare potest. 59

Hofacker arbeitet einen ganz deutlichen Gegensatz zum Miteigentum nach römischem Recht heraus. Das Gesamteigentum verfügt über keinerlei Anteile, auch nicht über lediglich gedachte. Vielmehr ist jeder Gesamteigentümer hinsichtlich des gesamten Vermögens berechtigt. Einschränkungen ergeben sich aus den ebenfalls auf das Ganze gerichteten Berechtigungen der übrigen. Hofacker steht damit vor dem Problem, wie sich die Ausübung des gemeinschaftlichen Rechts vollzieht, wenn alle gleichermaßen und gleichzeitig berechtigt sind. Er sieht ein Ordnungsprinzip in der gegenseitigen Begrenzung der Rechte. Folge dieser Begrenzung und dem Nichtvorhandensein von Teilen ist es, daß eine Verfügung des einzelnen über das Vermögen nicht möglich ist. Dies würde eine Teilung und damit die Auflösung des Gemeinschaftsverhältnisses bedingen.

59

Hofacker, Principia Juris Civilis, liber I V , caput I, § 909, S. 145.

III. Das Gesamteigentum als Gattungsbegriff

125

b) Das Gesamteigentum als abstraktes Rechtsprinzip

Die von Veracius entwickelte Theorie des dominium plurium in solidum wird von Hofacker als spezifisch deutsch dem römischen Miteigentum gegenübergestellt. Es handelt sich um zwei Begriffswelten, die völlig unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und bis auf die Berechtigung mehrerer an einem Gegenstand nichts gemein haben. Bemerkenswert und in dieser bewußten Herausstellung ohne Vorbild in der bisherigen Dogmatik ist, daß Hofacker diese Thesen nicht an einer Gesamthandsgemeinschaft, sei es eheliche Gütergemeinschaft, Lehensgesamthand oder Ganerbschaft festmacht, sondern diese Thesen abstrakt unter dem Titel „De jure dominii" 6 0 behandelt. Daß dies nicht auf einer willkürlichen Einteilung beruht, zeigt die Weiterführung des Gedankens. In konsequenter Fortführung dieser abstrakten Argumentation stellt Hofacker nun fest: Eigentümlich solchermaßen nach dem condominium germanici seien folgende Institute beschaffen: 1) die eheliche Gütergemeinschaft (zu der er bereits in § 457 schrieb, daß die Ehegatten während bestehender Ehe ein domnium in solidum hätten), 61 2) die Ganerbschaften, gegenseitige Verträge zur Festigung der Erbfolge, 3) die Märkerschaften 62 , die sich durch eine Vielzahl von Eigentümern hervorheben würden: Praecipuae eiusmodi condominii germanici species sunt: I) in communione bonorum coniugalium (§ 457); II) in Ganerbinatibus, pacto mutuo successorio munitis; III) in iure Marcarum (Märckerschafften), quo nomine comprehenditur condominium plurium personarum (Märcker). 63

Die in ihrer Ausrichtung und der Zahl der an dem gemeinschaftlichen Gut berechtigten Eigentümer so unterschiedlichen Institute wie eheliche Gütergemeinschaft, Ganerbschaften und Markgenossenschaften unterliegen ohne Rücksicht auf ihre individuellen Besonderheiten dem Prinzip des germanischen condominium. Damit wird die Idee des Gesamteigentums zum Rechtsgedanken, der generellen Anspruch erheben kann und nicht partiell an bestimmte Erscheinungen mehrheitlicher Berechtigung gebunden ist. In der Rezeption war die Gesamthandstheorie geprägt von der Verwendung römischrechtlicher Instittfte zur Erklärung des Gesamthandsgedankens, aber

60

Hofacker, Principia Juris Civilis, líber I V , caput I, § 901, S. 140. Istarum rerum omnium Condominium, una cum compossessione, utrique coniugi cedit ex ratione peculari iuris patrii ita efformatum, ut quilibet coniugum utriusque patrimonii iam in unum Patrimonium confusi dominus in solidum habeatur; tomus I, liber I I , caput I V , § 457, S. 359. 62 Die Märkerschaften waren landwirtschaftliche Zusammenschlüsse von Bewohnern eines Dorfes, wobei die gemeinschaftliche Nutzung des Gemeindelandes charakteristisch war, vgl. Wernli, Stichwort „Markgenossenschaft", H R G I I I , Sp. 302 ff. 63 Hofacker, Principia Juris Civilis, liber I V , caput I, § 910, S. 146. 61

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6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Veunftsrechts

der Blick der Autoren blieb doch immer dem einzelnen Untersuchungsgegenstand verhaftet. Parallelen wurden nicht gezogen. Deutete sich bei der Übertragung des dominium plurium in solidum auf die Lehensgesamthand der Allgemeingültigkeitsanspruch der von Veracius erarbeiteten Theorie bereits an, so läßt Hofacker nunmehr keinen Zweifel daran, daß es sich um einen überinstitutionellen Rechtsgedanken handelt. 2. D i e Etablierung des Begriffs „Gesamteigentum" a) Wilhelm August Friedrich Danz

Nachdem der Begriff des deutschen Gesamteigentums nun geprägt war, griffen ihn Zeitgenossen Hofackers auf. Wilhelm August Friedrich Danz (1764 - 1803) unterscheidet unter der Überschrift „Von dinglichen Rechten" das Gesamteigentum vom Miteigentum, das auch schon die Römer gekannt hätten. 64 Gehört eine Sache mehreren Individuen, so lassen sich zwei Fälle denken, entweder erstreckt sich das Recht eines jeden Miteigentümers auf die ganze Sache, so daß nicht einmal gedachte Teile (partes intellectuales) vorhanden sind oder aber das Recht eines jeden Miteigentümers erstreckt sich auf einen von den übrigen nicht abgetrennten Teil des Ganzen (partem intellectualem, indivisam). 65 Das erstere ist das Gesamteigentum oder condominium in solidum et pro indiviso, das letztere heißt Miteigentum oder condominium. Für das Gesamteigentum gilt, daß jeder einzelne Gemeiner Eigentümer des Ganzen ist oder auch wieder kein einzelner Eigentümer des Ganzen. Das bedeutet, daß sich zwar das Eigentum auf das gesamte gemeinschaftliche Vermögen erstreckt, aber dieses gilt natürlich auch für die anderen Gesamteigentümer, so daß sie sich gegenseitig beschränken. Dies hat zur Folge, daß sie nur gemeinschaftlich über die Sache verfügen können. Ein einzelner ist auch hinsichtlich einer Verfügung über einen Teil nicht berechtigt. 66 Ähnlich wie bei Hofacker kommt auch bei Danz klar die Gegenüberstellung von Gesamteigentum und Miteigentum im römischen Sinn zum Ausdruck. Das Gesamteigentum mit seinen nicht einmal abgesonderten Teilen hinsichtlich jedes Berechtigten ist also etwas, was die Römer so nicht kannten, sondern das vielmehr deutschen Gesetzen und deutschem Herkommen entspringt. Und auch bei Danz handelt es sich um grundsätzliche Erwägungen zum Gesamteigentum, die nicht an einem bestimmten Institut entwickelt wer-

64 Danz, Handbuch des heutigen deutschen Privatrechts, 2. Aufl., I. Buch, II. Abschnitt, II. Hauptstück, § 263, S. 497. 65 Danz, Handbuch des heutigen deutschen Privatrechts, § 263, S. 497/498. 66 Danz, Handbuch des heutigen deutschen Privatrechts, § 263, S. 499.

III. Das Gesamteigentum als Gattungsbegriff

127

den, sondern unter der Überschrift „Vom Eigenthum, insonderheit Gesammteigenthum" 67 zusammengefaßt sind. b) George Phillips

Schließlich widmet auch George Phillips (1804 - 1872) dem Gesamteigentum ein Kapitel in seinen „Grundsätzen des gemeinen Deutschen Privatrechts" 68 . Er nähert sich dem Gesamteigentum historisch, indem er seinen Ursprung bei den ersten Ansiedlungen der Germanen zu erkennen sucht: Jagd und Viehzucht seien bei der Aufteilung in kleine Grundstücke nicht möglich gewesen. Jede Familie habe daher ihren Grundbesitz als gemeinschaftlich betrachtet. Erst der Ackerbau habe eine Aufteilung notwendig gemacht. Aber als Teil der ursprünglichen Immobiliengemeinschaft hätten die Grundsätze des germanischen Rechts auch in Beziehung auf diese Teile Geltung erlangt. 69 So sei das Gesamteigentum der Familie die historische Grundlage für alle anderen Fälle, bei denen nunmehr ein Gesamteigentum vorkomme. Eine Erweiterung der Grundsätze sei auf die sich ausdehnenden Gemeinden erfolgt, die Markgenossenschaften. Schließlich seien auch die Ganerbschaften auf dieses gemeinschaftliche Eigentum der Germanen zurückzuführen, 70 ebenso wie die eheliche Gütergemeinschaft. 71 Endlich sei auch die Gesamtbelehnung eine Reproduktion dieser altgermanischen Grundprinzipien. 72 Aus dem gemeinschaftlichen Ursprung aller dieser Institute gesamthänderischer Berechtigung leitet Phillips ihre einheitliche dogmatische Grundlage im Gesamteigentum ab. Charakteristisch für diese Grundlage ist das gemeinschaftliche ungeteilte Eigentum, wie es sich seit der germanischen Vorzeit erhalten hat. Ebenso wie bei Hofacker und Danz kommt bei Phillips der Gegensatz von germanischem Gesamteigentum und Miteigentum basierend auf römischen Regelungen zum Ausdruck. So schreibt er, daß neben diesen Verhältnissen des Gesamteigentums in Deutschland auch das römische Miteigentum vorkomme. Gegen die Angriffe auf das dominium plurium in solidum verwahrt er sich mit dem Argument, es sei dies vom Standpunkt der römischrechtlichen Lehre aus durchaus zuzugeben, bei dem Gesamteigentum handele es sich aber um Verhältnisse, die dem römischen Recht nicht zugänglich seien und die 67

Danz, Handbuch des heutigen deutschen Privatrechts, § 262, S. 496 und § 263, S. 497. 68 Phillips, Grundsätze des gemeinen Deutschen Privatrechts, 3. Aufl., Bd. 2, § 86, S. 11 ff. 69 Phillips, Grundsätze, S. 13. 70 Phillips, Grundsätze, S. 17. 71 Phillips, Grundsätze, S. 17. 72 Phillips, Grundsätze, S. 17.

128

6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

Theorie daraus ihre Existenzberechtigung schöpfe. 73 Daß nunmehr germanisches Gesamteigentum und römisches Miteigentum nebeneinander existieren können, zeigt, daß die Gesamthandsdogmatik nun auch ohne argumentative Anleihen beim römischen Recht auskam. 3. Zusammenfassung

Als vorläufigen Endpunkt ihrer Entwicklung hat die Theorie vom dominium plurium in solidum die Qualität eines Gattungsbegriffs erlangt. Sie dient nicht mehr nur der Charakterisierung eines speziellen Institutes, sondern stellt eine Zusammenschau aller Gemeinsamkeiten dar, die die verschiedenen gesamthänderisch strukturierten Personenzusammenschlüsse aufweisen. Deutlich kristallisiert sich heraus, daß jeder auf das Ganze berechtigt ist, folglich das gemeinschaftliche Vermögen nicht einmal in gedachte/intellektuelle Teile zerlegt ist. Die Berechtigung eines jeden Teilhabers auf das Ganze wird begrenzt durch eine ebensolche Berechtigung der übrigen Eigentümer. Konsequenz hieraus ist, daß Verfügungen einzelner nicht möglich sind, sondern es eines Gesamtaktes aller bedarf. War von den Autoren wie Veracius und Bauer 74 bisher versucht worden, Argumentationshilfen im römischen Recht zu finden, so sprechen sich Autoren wie Hofacker, Danz und Phillips 75 für die Unvereinbarkeit beider Rechtssysteme hinsichtlich der Definition des Gesamthandseigentums aus. Die Gesamthand wird von letzteren Autoren definiert als etwas deutsches, fußend auf germanischer Rechtstradition, dessen Eigenarten sich mit römischrechtlichen Begriffskategorien nicht zufriedenstellend erklären lassen. Diese Erkenntnis hatte eigenständige von der römischrechtlichen oder gemeinrechtlichen Lehre unabhängige Versuche, sich diesem Problem dogmatisch zu nähern, zur Folge. Eine Erklärung für die veränderte Auffassung von römischem und deutschem Recht und die Form ihrer Artikulation ist vor dem Hintergrund der Epoche des Vernunftrechts zu suchen, in der der überwiegende Teil der erörterten Abhandlungen entstand. I V . Die Gesamthandsdogmatik vor dem Hintergrund des Zeitalters des Vernunftrechts Bisher wurde deutlich, daß zwischen dogmatischer Erfassung der Gesamthand und dem geistesgeschichtlichen Umfeld eine Wechselwirkung besteht, 73

Phillips, Grundsätze, S. 19. Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) bb) (3) und 6. Kapitel, II. 2. 7 5 Vgl., oben 6. Kapitel, I I I . 1., 2.a), 2.b). 74

IV. Der Einfluß des Vemunftrechts

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daß dieses Umfeld in die Interpretation und das Verständnis einbezogen werden muß. Ausgehend von dieser Beobachtung läßt sich ein Einfluß der von den Vernunftrechtlern entwickelten Lehren auf die sich vom gemeinen römischen Recht befreiende und nach geschlossener Begriffsbildung suchende Gesamthandsdogmatik nachzeichnen. Das Vernunftrecht schuf einen äußeren Rahmen, innerhalb dessen die oben beschriebene Entwicklung möglich war. Auf der Suche nach der Eigenart eines auf die menschliche Existenz und Natur bezogenen zeitlosen und überzeitlichen Naturrechts mußten alle diejenigen Faktoren des positiven Rechts ins Wanken geraten, die sich mit diesem zeitlosen Recht nicht in Einklang sahen. Aus diesem Blickwinkel wurde das bestehende Recht, und das war in der Hauptsache das gemeine römische Recht, einer kritischen Wertung unterzogen, die notwendigerweise dort zu einer Distanzierung führen mußte, wo das gemeine Recht den Maßstäben des Naturrechts nicht standhielt. 76 Vor allem in den Schriften Christian Thomasius' (1655 - 1728) findet sich die Tendenz, dem gemeinen römischen Recht eine Existenzberechtigung nur bezüglich derjenigen Regelungen zuzusprechen, die nachweislich rezipiert und praktisch brauchbar waren, denn in diesem Fall waren sie Ausdruck der naturrechtlichen zeitlosen Ethik. 7 7 In anderen Punkten dagegen sprach Thomasius dem römischen Recht jegliche Wirkung ab, weil es mit den „Mores Germanicae" nicht in Einklang zu bringen war. 7 8 Diese Lösung aus den prinzipiellen Bindungen des römischen Rechts erklärt wohl, warum z.B. sein Schüler Estor, aber auch Autoren wie Lange und Runde sich ein halbes Jahrhundert nach Thomasius' Tod in aller Deutlichkeit gegen die Anwendung des römischen Rechts bei der Untersuchung der ehelichen Gütergemeinschaft wenden konnten. Noch am Ende des 17. Jahrhunderts hatte Justus Veracius zur Stützung seiner sich im Widerspruch zum römischen Recht befindlichen Theorie vom dominium plurium in solidum auf gemeinrechtliche römische Gedanken nicht verzichten wollen und eine Konkordanz seiner Theorie mit dem römischen Recht zu entwickeln versucht. Dagegen geben die Ausführungen von Hofacker, Danz und Phillips, die ein deutsches Gesamteigentum neben ein römisches Miteigentum stellen, Zeugnis für das zunehmende Selbstbewußtsein einer sich auf deutschrechtliche Besonderheiten besinnenden Dogmatik. Zeugnis hiervon gibt auch die Äußerung Langes: „Die Teutschen und die römischen Eheleute differiren voneinander wie Licht und Schatten" 79 . Aber noch ein weiteres Wesensmerkmal des Vernunftrechts spiegelt sich in der Auseinandersetzung um die Struktur des Gesamthandseigentums. Ziel des 76 Wieacker, PrGN, S. 275. Luig, Christian Thomasius, in: Staatsdenker, S. 227, 228/229; Kleinheyer / Schröder, S. 302. 78 Luig, Wissenschaft und Kodifikation, FS Coing, S. 177, 183. 79 Vgl., oben 6. Kapitel, I. 1. 77

9 Ascheuer

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6. Kap.: Die Gesamthand im Zeitalter des Vernunftsrechts

Vernunftrechts war nicht in erster Linie die Abschaffung des römischen Rechts, sondern in Fortführung der Bemühungen der Autoren des Usus modernus eine einfachere und systematischere Handhabung des Rechts. Dies bedingte eine Abkehr von der Exegese einzelner Texte und die Aufdeckung von Gesamtzusammenhängen sowie die Schaffung eines geschlossenen Systems.80 Der allgemeine Begriff gewann eine zentrale Stellung. Insbesondere Christian Wolff (1649 - 1754) bemühte sich um die Schaffung eines lükkenlos geschlossenen Systems von Obersätzen, allgemeinen Begriffen und konkreten Regeln, um hieraus schrittweise die Entscheidung des Einzelfalls abzuleiten. 81 Und so ist es sicher kein Zufall, daß in enger zeitlicher Abfolge zu den Bemühungen Wolfis der Gattungsbegriff des Gesamteigentums, gewonnen aus der Abstraktion der in ehelicher Gütergemeinschaft und Lehensgesamthand vorgefundenen Wesensmerkmale, zum zentralen Begriff der Gesamthandsdogmatik avancierte. Das Interesse der Juristen, die das Vernunftrecht studiert hatten, konzentrierte sich nicht mehr nur auf einzelne Institute, sondern darüber hinausgehend suchten diese Autoren nach Zusammenhängen und abstraktionsfähigen, überinstitutionellen, gleichartigen Wesensmerkmalen. Das Gesamteigentum wurde zum allgemeinen Rechtsgedanken für eine spezifische Form eigentumsrechtlicher Berechtigung mehrerer an einem Vermögen. Dieser kurze Abriß der wesentlichen Einflüsse des Vernunftrechts auf die Zivilrechtsdogmatik zeigt, daß auch die Gesamthandsdogmatik zumindest hinsichtlich der äußeren Gegebenheiten der Diskussion von dieser Entwicklung nicht völlig unbeeinflußt blieb. So ist das gestärkte Selbstbewußtsein, das Gesamthandseigentum als etwas dem römischen Recht völlig Fremdes herauszustellen, wohl nur vor dem Hintergrund einer insgesamt dem römischen Recht gegenüber kritischen Haltung zu verstehen.

80

Schwarz, Zur Entstehung, SZRom 42 (1921), 578, 584; Wieacker, PrGN, S. 276. Kleinheyer / Schröder, S. 318; Lipp, S. 132/133; Wunner, S. 27; Dilcher, Vom Beitrag der Rechtsgeschichte, JZ 1969,1, 2. 81

Siebtes Kapitel

Die Regelung des gemeinschaftlichen Eigentums in den deutschen Kodifikationen am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts L Die Idee einer reichseinheitlichen Kodifikation und ihre Auswirkung auf die Gesamthandslehre Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) rückte die Idee einer reichseinheitlichen Kodifikation in das allgemeine Bewußtsein. Er wollte das römische Recht im naturrechtlichen Sinn vereinfachen, systematisieren und auf vernunftrechtlicher Basis als Reichsprivatrecht kodifizieren. 1 Das römische Recht setzte einem Neuanfang in naturrechtlichen Konturen jedoch heftigen Widerstand entgegen. Jahrhundertelang verfestigtes Recht ließ sich nicht so leicht in neue Formen gießen. Mit der durch die Aufklärung gewonnenen, von John Locke entwickelten Idee der Rechtsstaatlichkeit und den im Zuge des Verfalls des deutschen Reiches politisch erstarkenden Einzelstaaten bot sich rechtspolitisch eine Basis, auf deren Grundlage die Planung und Durchführung eines völlig neuen Rechtssystems nach Jahrhunderten der Konservierung mittelalterlicher Rechtstradition 2 hätte durchgeführt werden können. Für die Dogmatik des Gesamthandseigentums erschloß sich mit diesen Kodifikationsbestrebungen die Möglichkeit, das Ergebnis der Auseinandersetzung in eine solche gesetzliche Form zu bringen, die eine Weiterführung der Diskussion überflüssig machen würde. Die Gesamthandslehre hätte daher vor ihrem Ende gestanden, wäre eine verbindliche, klare und allumfassende gesetzliche Regelung des Gesamthandseigentums ergangen.

1

Luig, Die Rolle des deutschen Rechts, Jus Commune V (1975), 56, 57/58, 61, 70; Dilcher, Vom Beitrag der Rechtsgeschichte, JZ 1969, 1, 3. 2 Schlosser, S. 92. 9*

132

7. Kap.: Die deutschen Kodifikationen

I I . Die Kodifikationen im einzelnen 1. Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis a) Entstehung und Struktur des CMBC

Unter Kurfürst Maximilian III. Joseph (1745 - 1777), der den Ideen der Aufklärung aufgeschlossen gegenüberstand, begannen 1751 Gesetzgebungsarbeiten in Bayern zunächst zum Strafrecht und Prozeßrecht, die 1756 mit der Kodifizierung wesentlicher Teile des Privatrechts im CMBC abgeschlossen wurden. Alle drei Codices beruhen auf den Arbeiten des Vizekanzlers Wiguläus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayer (1705 - 1790), seit 1745 Hofratskanzler unter Kurfürst Maximilian I I I . 3 Der Aufbau des Codex beruht auf dem römischen Institutionensystem. Er faßt die Gesamtheit der seit 1616 im bayrischen Landrecht geltenden Normen unter Berücksichtigung des römischen Rechts in der Gestalt des späten Usus modernus zusammen,4 stellt also gerade keinen Neubeginn dar. b) Die Regelung des condominium

§ 16 des 2. Teils, Kapitel 2 (Part. I I , Cap. I I , § 16) regelt die Rechtsverhältnisse des condominium. 5 § 16 lautet: „Condominium heißt das Eigenthum, welches man von einer Sache nicht allein, sondern mit andern gemein hat. Condomini stehen in Ansehung eines Dritten für einen Mann zusammen. Unter sich kann keiner den andern im condominio Stohren oder hindern hingegen auch regulariter keiner ohne den andern in re communi etwas thun, sondern die Regel sagt: in re communi melior conditio prohibentis". Aus dieser Regelung ergibt sich zwar, daß die Beteiligten nach außen als Einheit auftreten, „stehen in Ansehung eines Dritten für einen Mann zusammen", wie jedoch die Aufteilung der Berechtigungen im Innenverhältnis aussieht, bleibt im Dunkeln. Daß der eine den anderen nicht in seinem Eigentumsrecht beeinträchtigen darf, gilt gleichermaßen für ein in reale oder gedankliche Teile zerlegtes wie auch für ein solidarisches Eigentum. Auch daß keiner den anderen „in re communi etwas thun darf", gibt für eine Annäherung an die innere Struktur des condominium nichts her. Die Verfügungsbefugnis bei einem in Teile gegliederten Eigentum erstreckt sich auch nur auf den eigenen Anteil am Vermögen, nicht jedoch auf das Vermögen insgesamt. 3 Kleinheyer / Schröder, S. 153; Gagner, Die Wissenschaft des gemeinen Rechts, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 1. 4 Kobler, Stichwort „Bayerische Kodifikationen des Naturrechtszeitalters", H R G I, Sp. 339. 5 Compendium Codicis Bavarici, S. 63/64.

II. Die Kodifikationen im einzelnen

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So gibt § 16 keinen Aufschluß über die wesensmäßige Konstruktion des condominium. c) Die Anmerkungen Kreittmayers zur Regelung des condominium

Kreittmayer hat zu den Normen des CMBC Anmerkungen verfaßt, die für die praktische Rechtspflege gedacht waren. Durch die richterliche Anwendung erhielten diese Anmerkungen bald gesetzesgleiche Autorität. 6 Aus diesen Anmerkungen lassen sich nun Rückschlüsse auf das Wesen des condominium ziehen. Zu § 16 „Von dem Condominio" bemerkt Kreittmayer: „Gehört etwa die Sache nicht einem allein, sondern zweien oder mehreren und zwar unabgetheilter zu, so entspringt ein condominium, vulgo Gemeinschaft, Mit- oder Gesammtherrschaft, . . . hieraus." 7 Was er unter „unabgetheilter" versteht erklärt Kreittmayer so: „ . . . denn sobald man sich abtheilt und einer z.B. die Proprietät, der andere den Usufructum, oder jeder seinen Theil der Proprietät besonders und nicht mehr pro parte indivisa zu besitzen anfängt, so ist es auch kein condominium mehr, sondern jeder wird als Dominus solitarius pro sua parte . . . geachtet." 8 Damit deutet sich schon an, daß Kreittmayer auch bei unabgeteiltem Eigentum zumindest von latent vorhandenen Teilen der Miteigentümer ausgeht. Daß er dabei wohl gedachte Teile meint, läßt sich aus der Wahl des Begriffs „pro parte indivisa" ableiten. Ganz eindeutig stellt Kreittmayer schließlich seine Auffassung vom Wesen des condominium, das er als Miteigentum, aber auch als Gesamteigentum bezeichnet, in seiner Stellungnahme zur Theorie vom dominium plurium in solidum heraus. Er meint hierzu: „ . . . sofern man anders unter diesem letzteren (gemeint ist das Dominio in solidum) ein solches dominium versteht, welches einem jeden aus mehr Dominis vollkommen und illimitate zusteht; denn dieses ist so wenig als Possessio in solidum möglich L.5 § 15 ff. . . . endlich aber sothanes Dominium in obverstandenem sensu ebenfalls für eine bloße Chimäre hält." 9 Daraus geht nun hervor, daß Kreittmayer der Theorie vom dominium plurium in solidum ablehnend gegenübersteht. Basierend auf der Regel des Celsus D 13, 6, 5, 15, 10 die er zitiert, ist ein auf das gesamte Vermögen gerichtetes gemeinschaftliches Eigentum nicht denkbar, sondern es gebührt jedem Miteigentümer nur ein Teil des Ganzen. Mit dieser Regelung des Celsus ist aber das solidarische Eigentum gerade nicht zu vereinbaren. Also handelt es sich bei der Theorie vom dominium plurium in solidum um eine Schimäre, ein bloßes

6

Gagner, Die Wissenschaft des gemeinen Rechts, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 1, 3; Schlosser, S. 64. 7 Kreittmayer, Anmerkungen, II. Theil, § 16 Nr. 1, S. 241. 8 Kreittmayer, Anmerkungen, § 16 Nr. 2, S. 241. 9 Kreittmayer, Anmerkungen, § 16 Nr. 1, S. 243. 10 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I , 2. b) bb).

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7. Kap.: Die deutschen Kodifikationen

Trugbild. Für Kreittmayer ist also ein gemeinschaftliches Eigentum nur in der Form denkbar, daß jeder Beteiligte einen Anteil daran hält und zwar einen gedachten Anteil, da ansonsten kein unabgeteiltes Eigentum und damit kein condominium mehr gegeben ist. Diese Ansicht bringt er noch einmal zum Ausdruck hinsichtlich der Verhältnisse der Miteigentümer zu Dritten: „Was auch ein Dritter mit ihnen insgesammt handelt, das verbindet sie zwar sämmtlich, jedoch jeden in particulari nur pro sua rata vel portione, womit er in communione steht." 11 Nach außen stellen die Beteiligten zwar eine Person dar, im Innern jedoch gliedert sich das gemeinschaftliche Eigentum in gedachte Teile, die von den Berechtigten veräußert werden können ohne Zustimmung der anderen. 12 Anders als später Hofacker, Danz, Phillips 13 unterscheidet Kreittmayer noch nicht zwischen römisch- oder gemeinrechtlichem Miteigentum und deutschrechtlichem Gesamteigentum. Für ihn stellt condominium den Oberbegriff für eine einzige Form gemeinschaftlichen Eigentums dar, nämlich ein in gedachte Teile gegliedertes Eigentum, wobei jeder Berechtigte über seinen Teil frei verfügen kann. In diesem Sinne ist also die Regelung des II. Teils, 2. Kapitel § 16 des CMBC zu verstehen. Diese auf das römische Recht und damit noch den Spuren des späten Usus modernus folgende Interpretation gemeinschaftlichen Eigentums mußte für die Anhänger der Theorie des Gesamteigentums ohne solche gedachte Teile eine nur unzureichende Regelung darstellen, denn sie berücksichtigte die deutschrechtlichen Besonderheiten nur unbefriedigend, ordnete sie dem gemeinen Recht unter. So konnte zumindest für den Geltungsbereich des CMBC die Regelung die Verfechter eines solidarischen Eigentums nicht zufriedenstellen. Da der CMBC keine Allgemeingültigkeit beanspruchte, 14 konnte die Diskussion zum Wesen des Gesamthandseigentum grundsätzlich fortgesetzt werden. 2. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten a) Die Gesetzgebungsarbeiten in Preußen

In Preußen belebte nach einigen in den Anfängen steckengebliebenen Versuchen der Prozeß des Müller Arnold 1779 die Justizreform. Nachdem König Friedrich der Große das für den Müller Arnold nachteilige Urteil des Kammergerichts aufgehoben hatte, nahmen 1780 Johann Heinrich Casimir Graf

11

Kreittmayer, Anmerkungen, § 16 Nr. 2 (b), S. 243. Kreittmayer, Anmerkungen, § 16 Nr. 4, S. 245. 13 Vgl., oben 6. Kapitel, I I I . 3. " Schlosser, S. 93/94. 12

II. Die Kodifikationen im einzelnen

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von Carmer (1721 - 1801), Carl Gottlieb Svarez (1746 - 1798) und Ernst Ferdinand Klein (1744 - 1810) die Arbeiten zur Reform des Rechts in Angriff. 15 Sie erarbeiteten 1783 - 1788 den Entwurf eines Gesetzbuches, das sowohl Privatrecht als auch öffentliches Recht und Strafrecht enthielt. Erst nach mehreren Überarbeitungen, insbesondere einiger unter dem Eindruck der französischen Revolution als zu liberal empfundener Stellen, trat das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten am 1. 6. 1794 in Kraft. 1 6 b) Die Regelung gemeinschaftlichen Eigentums im A L R

Das A L R behandelt das gemeinschaftliche Eigentum im ersten Teil, Titel acht § § 1 4 - 1 6 unter der Überschrift „Vom Eigenthum" und im ersten Teil, Titel 17 „Vom gemeinschaftlichen Eigenthume". 18 § 14 definiert das gemeinschaftliche Eigentum als ein Eigentum über eine Sache, das mehreren Personen zukommt. Diese werden nach I 8 § 15 Miteigentümer genannt. 17 117 § 1 konkretisiert diese allgemeine Begriffsbildung dahingehend, daß gemeinschaftliches Eigentum dann vorhanden sei, wenn dasselbe Eigentumsrecht über eine Sache oder ein Recht mehreren Personen ungeteilt zukomme. Nach I 17 § 2 wird vermutet, daß jeder Miteigentümer gleiches Recht und ebensoviel Recht wie der andere an der gemeinschaftlichen Sache habe. Dieses Recht gehört nach I 17 § 4 zu dem besonderen Eigentum eines jeden Miteigentümers. 18 Die Konzeption des A L R von einem gemeinschaftlichen Eigentum geht also von einem in gedankliche Teile zerlegten Eigentum aus. Eine solche Interpretation läßt sich an den allgemeinen Grundsätzen gemeinschaftlichen Eigentums noch nicht festmachen, denn die vage gehaltene Formulierung der I 17 §§ 1 - 4 ist ebenso auch auf solidarisches Gesamteigentum anwendbar. Auch hier steht die Sache mehreren ungeteilt zu und hat jeder ebensoviel Recht wie die übrigen Beteiligten an der gemeinschaftlichen Sache (I 17 § 1 und 117 § 2). 1 9 Eine Annäherung an die Qualität dieses Eigentums bringt aber der Regelungskomplex, der sich mit der Veräußerung der einzelnen Anteile beschäftigt. In 117 § 60 heißt es: „Bey gemeinschaftlichem Eigenthume, welches weder durch Vertrag, noch durch Verordnung eines Dritten entstanden, ist jeder Theilnehmer sein Anrecht auch einem Fremden zu überlassen wohl befugt". 20 Bedingt durch die Zulässigkeit der Veräußerung ist nach 117 § 69 auch die Verpfändung des Anteils möglich und zwar ebenfalls ohne Zustim-

15

Stammler I , S. 416; Diesselhorst, Die Prozesse des Müller Arnold, in: Das Profil des Juristen, S. 335, 360. 16 Schlosser, S. 98. 17 Zitiert nach Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 98. 18 Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 243. 19 Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 243. 20 Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 245.

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7. Kap.: Die deutschen Kodifikationen

mung der übrigen. 21 Solche Verfügungen über einzelne Anrechte sind nur durch die Aufgliederung gemeinschaftlichen Eigentums in Anteile der Miteigentümer zu erklären. Bei dem solidarischen Eigentum unterlag die Verfügung des einzelnen der Zustimmung aller, 22 da Anteile eben nicht gegeben waren. Ist eine Einzelverfügung aber möglich, so erklärt sich dies nur aus der Annahme von Miteigentumsanteilen. Bei diesen Anteilen kann es sich wiederum aber nur um gedachte Anteile handeln. Ansonsten trifft das in 117 § l 2 3 entworfene Bild ungeteilten Eigentums nicht zu. Insoweit besteht hinsichtlich der Regelung gemeinschaftlichen Eigentums Übereinstimmung mit der Normierung des condominium Part. II, Cap. I I § 1 des CMBC. 2 4 Somit ist also davon auszugehen, daß der Grundgedanke gemeinschaftlichen Eigentums ohne Anteile und damit gerade das, was die Juristen schon zur Zeit der Entstehung des A L R für eine deutsche Besonderheit hielten, 25 keinen Eingang in die Regelung gemeinschaftlichen Eigentums im A L R fand. Hierin bestätigt sich also, daß Svarez in Einklang mit der Kabinettsorder von 1780 dem römischen Recht den ersten Rang zuwies. 26 c) „Vom gemeinschaftlichen Eigenthume" der Miterben

Andererseits kennzeichnet die Regelung der Miterbengemeinschaft eine größere Distanz zum römischen Recht. So bestätigt sich zumindest in diesem Punkt die Bemerkung Savignys in seiner Vorlesung über das A L R im Wintersemester 1819/1820 an der Berliner Universität, daß die den Redaktoren anbefohlene Bindung an das römische Recht stark überschätzt worden sei. 27 Denn zu einer gewissen Aufweichung dieses römischen Systems der communio kommt es bei der Regelung gemeinschaftlichen Eigentums der Miterben. Grundsätzlich sind auch hier nach I 17 § 115 die Maßstäbe des Miteigentums anzulegen und nach 117 § 117 kann jeder Miterbe auch Teilung beantragen. 28 Schließlich enthält I 17 § 118 die Regelung: „Ein Verbot des Erblassers, daß sein Nachlaß niemals getheilt werden solle, hat keine rechtliche Wirkung." 2 9 Aber in 117 § 119 kommt es dann doch zu einer Einschränkung des Grundsat-

21

Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 245. Vgl., oben 6. Kapitel, I I I . 3. 23 Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 243. 24 Vgl., oben 7. Kapitel, II. 1. 25 Vgl. die Ausführungen Hofackers, oben 6. Kapitel, I I I . 1. 26 Wagner, Die Wissenschaft des gemeinen römischen Rechts, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 119, 125. 27 Wagner, Die Wissenschaft des gemeinen römischen Rechts, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 119, 132. 28 Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 247. 29 Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 247. 22

II. Die Kodifikationen im einzelnen

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zes der freien Veräußerbarkeit und Verpfändbarkeit, mithin zu einer Abweichung von den Regeln der Miteigentumsgemeinschaft im Allgemeinen. Es heißt hier: „Wohl aber kann der Erblasser die Theilung bestimmter einzelner zum Nachlasse gehöriger Stücke untersagen und deren fortwährende Gemeinschaft unter den Erben verordnen." 30 Daraus geht hervor, daß der Erblasser zwar nicht hinsichtlich seines gesamten Vermögens, aber doch hinsichtlich einzelner Nachlaßgegenstände eine dauernde eigentumsrechtliche Bindung der Miterben herbeiführen kann, wie sie die Regelungen des römischen Rechts zum Miteigentum nach Bruchteilen nicht aufweisen. 31 Diese Bindung steht aber nun im Gegensatz zu den Regelungen I 17 § 60, wonach die Miteigentumsanteile frei veräußerbar sind. Es zeigt sich ein merkwürdiger systematischer Bruch, eine Verfügungsbeschränkung in einer ihrer Anlage nach den Grundsätzen freier Veräußerbarkeit und Verpfändbarkeit unterliegenden Eigentumsgemeinschaft. Hinsichtlich bestimmter Stücke bleibt auf Anordnung des Erblassers die Gemeinschaft also bestehen. Über die Struktur dieser fortbestehenden Miterbengemeinschaft schweigt sich das A L R allerdings aus. Da eine Teilung vom Erblasser nicht zugelassen war, konnte es sich schwerlich um eine Miteigentumsgemeinschaft handeln. Möglicherweise könnte sich hierin der Gedanke solidarischen Miteigentums spiegeln, wofür sich allerdings aus dem Regelungszusammenhang der Miterbengemeinschaft keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Schließlich wäre in Anbetracht der vermögensrechtlichen Bindung auch eine juristische Person, eine universitas, denkbar. Aber auch hierfür bietet die Zusammenschau der übrigen Regelungen keine Hinweise. So bleibt diese Frage offen. d) Zusammenfassung

Dieser Überblick über die Regelungen des A L R zum gemeinschaftlichen Eigentum zeigt, daß trotz des Bemühens der Redaktoren um lückenlose Regelung, die sich in der Vielzahl der Paragraphen niederschlug und die eine wissenschaftliche Bearbeitung überflüssig machen sollte 32 und tatsächlich auch um Jahre hinauszögerte, daß also trotz dieses Bemühens Ansatzpunkte für eine Interpretation durchaus gegeben waren. Zudem mußten die Verfechter der Theorie vom solidarischen deutschen Gesamteigentum, die ja zwischenzeitlich von einer Koexistenz römischrechtlichen Miteigentums und deutschrechtlichen Gesamteigentums ausgingen,33 eine Regelung des Letzteren vermissen. Da die Regelungen des A L R zum gemeinschaftlichen Eigentum sich eng an

30

Hattenhauer, Allgemeines Landrecht, S. 247. 31 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) cc). 32 Vgl. Thieme, Allgemeines Landrecht, JuS 1969, 359; Wagner, Die Wissenschaft des gemeinen römischen Rechts, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 119,147. 33 Vgl., oben 6. Kapitel, I V .

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7. Kap.: Die deutschen Kodifikationen

das römische Recht anlehnen, wies das A L R in ihren Augen hinsichtlich der Form deutschrechtlichen gemeinschaftlichen Eigentums eine Regelungslücke auf. Insofern verblieben auch nach der Kodifikation des gemeinschaftlichen Eigentums im A L R eine Reihe von Fragen, die die Gesamthandsdoktrin weiter beschäftigen konnten. Die Kodifikation des gemeinschaftlichen Eigentums in der Form, in der sie das A L R vornahm, war mithin wenig geeignet, der Diskussion um die Struktur der Gesamthand Einhalt zu gebieten. 3. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie a) Die Vorläufer des ABGB

aa) Der Codex Theresianus Als letzte deutschsprachige Kodifikation in der Kodifikationsepoche des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts trat 1812 das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie (ABGB) in Kraft. Bereits Maria Theresia (1740 1780) setzte 1753 eine Kompilationshofkommission ein, die das Privatrecht der Erbländer zu vereinheitlichen hatte. 1767 erschien der Codex Theresianus, seiner Anlage nach eine Materialsammlung mit Lehrbuchcharakter. 34 Dieser Codex Theresianus enthielt noch keine Regelung zu Gesamt- oder Miteigentum als Oberbegriff für bestimmte Arten gemeinschaftlichen Eigentums. Vage Anhaltspunkte für die Sichtweise gemeinschaftlichen Eigentums finden sich aber bei der Regelung der ehelichen Gütergemeinschaft und der Erbengemeinschaft. So heißt es hinsichtlich der ehelichen Vermögensgemeinschaft in Teil 1 § V Nr. 204: „Über das, was ausdrücklich zum Heirathgut oder zur Widerlage verschrieben und bestellet, oder freiwillig in der obbestimmten Maß geschenket wird, hat ein Ehegatt zu dem Vermögen des anderen währender Ehe keinen Anspruch. Nr. 205. Gegentheils bleibt einem jedweden Theil dasjenige, was derselbe bevor gehabt, mit allen davon abfallenden Früchten und Nutzungen ohne Gemeinschaft mit dem anderen Theil eigen und was währender Ehe erworben oder ererbet wird, gehöret lediglich demjenigen Theil, welcher es erwirbt oder ererbet". 35 Grundsätzlich verbleibt also jeder Ehegatte im Eigentum seines Vermögens. Dem Ehegüterrecht lag also wie bei der gewaltfreien Ehe des römischen Rechts 36 der Grundsatz der Gütertrennung zugrunde.

34 Schlosser, S. 112. 35 Zitiert nach Harras v. Harrasowsky, Codex Theresianus, S. 120. 3 * Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. b).

II. Die Kodifikationen im einzelnen

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Nach Nr. 207 konnte der Ehegatte sich aber zugunsten des anderen vertraglich seines Eigentums begeben. Damit bildete sich aber keine Gütergemeinschaft, sondern ein einziges, in der Regel dem Ehemann zustehendes Eigentum. 3 7 Das zeigt, daß dem Codex Theresianus ein gleichermaßen beiden Ehegatten zustehendes Eigentum fremd war. Die Regelung der Erbengemeinschaft daneben gibt kaum Aufschluß darüber, welche Struktur ihr innewohnte. In Teil 2 § I I I Nr. 39 kann der Erblasser einem jeden eingesetzten Erben einen Anteil anweisen. Dann ist jeder in dem Verhältnis Erbe, in dem ihm ein Anteil zugewiesen wurde: „ I n dem ersten Hauptfall, wann der Erblasser einem jeden eingesetzten Erben seinen Antheil angewiesen hat, ist ein jeder in demjenigen Antheil sein Erb, in welchem derselbe von ihme eingesetzet worden." 38 In Anbetracht der bei der ehelichen Vermögensgemeinschaft zum Ausdruck gelangenden Auffassung gemeinschaftlichen Eigentums liegt die Annahme nahe, daß es sich bei der Erbengemeinschaft ebenfalls um eine dem römischen Vorbild folgende Miteigentumsgemeinschaft handelt. Nähere Angaben zur inneren Struktur macht der Codex Theresianus selbst nicht. bb) Der „Urentwurf" Eine von Maria Theresia wegen des lehrbuchhaften Charakters des Codex Theresianus angeordnete Überarbeitung wurde 1787 probeweise in den deutschen Erbländern als Josephinisches Gesetzbuch in Kraft gesetzt. Seit 1790 beschäftigte sich eine von Leopold II. (1790 - 1792) eingesetzte Kommission unter Carl Anton von Martini (1726 - 1800) mit der Überarbeitung weiter Teile des Codex Theresianus. 1796 lag ein „Urentwurf" vor, der probeweise in Westgalizien am 1. 1. 1798 als „Westgalizisches Gesetzbuch" in Kraft trat. 3 9 Dieser Urentwurf beschäftigt sich in dinglicher und vertraglicher Hinsicht mit dem gemeinschaftlichen Eigentum. In dinglicher Hinsicht bestimmte § 79: „Wenn eine noch ungetheilte Sache mehreren Personen zugleich gehört, so entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigenthümer für eine einzige Person angesehen. In so weit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Theile angewiesen sind, hat jeder Miteigenthümer das vollständige Eigenthum des ihn betreffenden Theiles". 40 Für das gemeinschaftliche Eigentum ergibt sich also nach außen hin ein in sich geschlossenes, einheitliches Bild. Nach innen ist diese Einheit aber gegliedert in die Anteile der Miteigentümer. In Anbetracht der zeitgenössischen, 37 38 39 40

Harras v. Harrasowsky, Codex Theresianus, S. 123. Harras v. Harrasowsky, Codex Theresianus, S. 208. Schlosser, S. 113. Zitiert nach Ofner, Der Ur-Entwurf, Bd. 1, S. 246.

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7. Kap.: Die deutschen Kodifikationen

der Wendung „unabgesondert" beigemessenen Bedeutung, insbesondere im CMBC, sind wohl lediglich gedachte Teile gemeint, die zwar einer inneren Verbundenheit unterliegen, durch Teilung jedoch jederzeit existent gemacht werden können. Hierfür spricht, daß das Adjektiv „unabgesondert" eher eine geschlossene Vermögensmasse assoziiert, bei der die Anteile eben nicht sichtbar sind, sondern sich nur auf die Teilung des Rechts beziehen. Diese Annahme steht auch in Einklang mit der zeitgenössischen Interpretation des Begriffs durch Kreittmayer zu § 16 des CMBC. 4 1 In Übereinstimmung mit gedachten Teilen läßt sich auch die Formulierung bringen, daß die Miteigentümer in Beziehung auf das Ganze als eine einzige Person angesehen werden. Gedachte Teile, also Anteile am Vermögensrecht, zergliedern nicht eine nach außen einheitlich erscheinende Vermögensstruktur. Daß die Miteigentümer in Beziehung auf das Ganze als eine einzige Person angesehen werden, läßt aber noch eine weitere Auslegung zu. Möglich wäre auch die Annahme, daß die Miteigentümer ein neues selbständiges Rechtssubjekt, eine universitas, bilden und diese die einzige Person ist, die einem Dritten sichtbar bleibt. Dann aber dürfte diese Einheit nicht nur nach außen hin, sondern müßte auch im Innern verwirklicht sein. Ist dieses neue Rechtssubjekt die eine Person, so kann sie nicht innerhalb der Gemeinschaft in eine Vielzahl von miteigentumsrechtlichen Berechtigungen zerfallen. Es liegt daher in Anbetracht der unmittelbaren eigentumsrechtlichen Berechtigungen der Miteigentümer nahe, die Wendung „für eine einzige Person" nur als bildhafte Wiedergabe des Personenzusammenschlusses hinsichtlich des äußerlich ungeteilten Eigentums zu erachten. Für diese Annahme spricht auch ein sprachliches Argument. Werden die Miteigentümer für eine Person angesehen, so wiederholt sich hierin in bildhafter Form nur der vorangegangene Satz: „Wenn eine noch ungetheilte Sache mehreren Personen zugleich gehört, so entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum". Das Verb „ansehen" verdeutlicht den rein bildhaften Charakter. Für eine Personenmehrheit mit Rechtspersönlichkeit dagegen verwendet der Urentwurf und später das A B G B die Terminologie „moralische Person". „Eine Person" wird mit der „moralischen Person" nie in verbale Verbindung gebracht. 42 Die in § 79 getroffene Regelung des gemeinschaftlichen Eigentums wird in Teil 2 §§ 640, 641 übertragen auf jede Gemeinschaft von Vermögensgütern: „So oft das Eigenthum der nämlichen Sache mehreren Personen ungetheilt zukommt, so besteht eine Gemeinschaft. Sie gründet sich entweder auf einen Vertrag, auf ein Gesetz (§ 533 II. Th.), auf eine letzte Willenserklärung oder auf eine zufällige Ereignung (§§ 122, 147 II. Th.)". 4 3 Ausgenommen von 41

Vgl., oben 7. Kapitel, II. 1. c). Brauneder, Von der moralischen Person, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/ 1983), Teil 1, S. 263, 268. 43 Zitiert nach Ofner, Der Ur-Entwurf, Bd. 2, S. 110. 42

II. Die Kodifikationen im einzelnen

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dieser Regelung ist lediglich die eheliche Gütergemeinschaft; sie sollte nach dem Vorschlag der Kommission nach den im Hauptstück von den Ehepakten erteilten Vorschriften beurteilt werden. 44 b) Die Regelung gemeinschaftlichen Eigentums im ABGB

Die Regelung des Eigentums mehrerer an einer gemeinschaftlichen Sache in § 79 des Urentwurfs fand wörtlich als § 361 Eingang in das A B G B . 4 5 Nach Inkraftsetzung des Westgalizischen Gesetzbuches gingen die Arbeiten der Gesetzgebungskommission weiter und zwar unter Leitung von Franz von Zeiller (1751 - 1828), der inzwischen seinen Lehrer Anton von Martini abgelöst hatte. Schließlich löste am 1. 1. 1812 das A B G B das gemeine römische Recht, das Josephinische und das Westgalizische Gesetzbuch ab. 46 Die Regelung des bereits besprochenen, jetzt als § 361 A B G B geltenden Rechts des gemeinschaftlichen Eigentums wird ergänzt durch § 829. Er lautet: „Jeder Theilhaber ist vollständiger Eigenthümer seines Antheils. Insofern er die Rechte seiner Mitgenossen nicht verletzt, kann er denselben oder die Nutzungen davon willkürlich und unabhängig verpfänden, vermachen oder sonst veräußern." 47 Ersichtlich wird hieraus die schon in § 361 A B G B angedeutete Zerlegung des Eigentums in Anteile, über die jeder Miteigentümer frei verfügen kann. In der Zusammenschau mit § 361 A B G B ist wohl auch hier von gedachten, während bestehender Gemeinschaft nicht real existierenden Teilen auszugehen. Die §§ 361 und 829 A B G B mußten ebenso wie die Regelungen des A L R und des CMBC auf die Anhänger der Theorie vom dominium plurium in solidum enttäuschend gewirkt haben, sie konnten das von ihnen vertretene deutsche Gesamteigentum in diesen Regelungen wohl kaum wiedererkannt haben. Zudem wird aber auch deutlich, daß bei aller Bemühung um gesetzliche Klärung des gemeinschaftlichen Eigentums eine Regelung nicht so allumfassend gestaltet werden konnte, daß nicht nach wie vor Möglichkeiten der Interpretation und Nischen für einen Fortgang der Gesamthandsdiskussion verblieben. Der Überblick über die Regelungen zum gemeinschaftlichen Eigentum macht zugleich deutlich, daß das römische Recht noch einen wesentlichen Einfluß auf die Kodifikationen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts hatte. Insofern findet sich hier kein Anhaltspunkt für die These, daß die Kodifikationen dieses Zeitalters einen völligen Neubeginn nach Jahrhunderten mittelalterlicher Rechtstradition 48 bedeuteten. 44

Ofner, Der Ur-Entwurf, S. 113. Zitiert nach der Ausgabe Wien 1811. 4 * Wieacker, PrGN, S. 335 f. 47 Zitiert nach der Ausgabe Wien 1811. 48 Vgl., oben 7. Kapitel, I. 45

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7. Kap.: Die deutschen Kodifikationen

I I I . Savignys Kritik an den Kodifikationsbestrebungen und ihre Anwendbarkeit auf die Gesamthandsdiskussion Daß die Kodifikationen allgemein - nicht nur bezogen auf die Gesamthand - keine abschließenden Regelungen brachten, kritisierte schon Friedrich Carl von Savigny (1779 - 1861) in der Abhandlung „Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" 49. Er wendet gegen das A B G B ein: „Die Begriffe der Rechte nämlich sind theils zu allgemein und unbestimmt, theils zu sehr auf den bloßen Buchstaben des Römischen Rechts, oder auch auf das Misverständniß neuerer Commentatoren desselben gegründet, was bei gründlicher Quellenkenntniß nicht möglich gewesen wäre." 5 0 Daß die Regelung des A B G B zumindest für das gemeinschaftliche Eigentum kein völlig geschlossenes System beinhaltet, sondern eine Reihe von Auslegungsmöglichkeiten zuläßt, wurde bereits festgestellt. Allerdings war das A B G B bereits von seiner Konzeption her nicht wie das A L R auf materielle Vollständigkeit hin angelegt.51 Auch diese Intention ist für Savigny Anlaß zur Kritik. Er bemängelt, daß die Begriffsbildung schlecht gelungen sei, was zur Folge habe, daß die Rechtsfälle nicht unmittelbar durch das Gesetzbuch bestimmt werden könnten. Bei der analogen Anwendung des Gesetzbuches auf ähnliche Fälle bietet das A B G B also wenig Hilfe. Dies wiederum habe zur Folge, daß „der Erfolg ein ganz andrer sey (n), als ihn das Gesetzbuch anzunehmen scheint, indem unvermeidlich und ganz in der Stille die wissenschaftliche Theorie den Einfluß auf die Rechtspflege behaupten wird, den ihr das Gesetzbuch zu entziehen bestimmt war." 5 2 Diese Feststellung Savignys läßt sich auf die weitere Entwicklung der Diskussion zur Gesamthand übertragen. Nicht nur das A B G B , auch das A L R und der CMBC enthielten keine allumfassende, abschließende Regelung des Gesamthandseigentums, die die in der Wissenschaft vehement geführte Diskussion zu einem Abschluß hätte bringen können. Die Gefahr, die Savigny darin sah, daß auf andere, außerhalb des Gesetzbuches liegende Quellen zurückgegriffen werde müsse, um den Einzelfall zu regeln und dies das Risiko in sich berge, daß das Gesetzbuch letztlich nicht nur nicht die einzige, sondern nicht einmal die wahrhaft regierende Rechtsquelle darstelle, 53 hat sich zumindest für die Dogmatik des Gesamthandseigentums realisiert. Und diese Feststellung erhält auch gegenüber dem auf Vollständigkeit bedachten A L R Relevanz, obwohl Savigny dieses Resümee ausdrücklich nur auf ein Gesetzbuch 49

Savigny, Vom Beruf, S. 69 ff. 50 Savigny, Vom Beruf, S. 128. 51 Ogris, Die Wissenschaft des gemeinen römischen Rechts, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 153, 154. 52 Savigny, Vom Beruf, S. 133/134. 53 Savigny, Vom Beruf, S. 85.

III. Savignys Kritik an den Kodifikationsbestrebungen

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bezog, das sich auf leitende Grundsätze beschränke und diese nicht richtig und vollständig erfasse und daher kein organisches Ganze darstelle. 54 Die Kodifikationen, die den weitaus größten Teil des deutschsprachigen Raumes abdeckten und daher ein Regelungsinteresse an dem deutschrechtlichen Institut der Gesamthand haben konnten, vermochten dem Fortgang der Diskussion keinen Riegel vorzuschieben, weil sie zur rechtlichen Gestaltung des Gesamthandseigentums gar keine Normierung enthielten.

54 Savigny, Vom Beruf, S. 85.

Achtes Kapitel

Abkehr vom dominium plurium in solidum Die Theorie von der mystischen Person I. Rückkehr zu gemeinrechtlicher Begriffsbildung in der Gesamthandsdogmatik 1. Die Abkehr von einem geschlossenen gesamthänderischen Prinzip Die Theorie vom dominium plurium in solidum, die, wie Gierke meint 1 , niemals allgemeine Verbreitung gefunden habe, da sie ein unbeholfener Ausdruck für den nicht zu voller Klarheit gebrachten Gedanken der gesamten Hand gewesen sei, im Gegensatz zu Beseler 2, der sie für allgemein anerkannt hielt, war mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zunehmender Kritik ausgesetzt. Hervorstechendes Merkmal dieser Theorie war es, daß sie es ermöglicht hatte, den Blick von den einzelnen Instituten abzuwenden und eine geschlossene gedankliche Konstruktion des Gesamteigentums ausgehend von der ehelichen Gütergemeinschaft auch für die Erbengemeinschaft und die Gesamtbelehnung herbeizuführen. Diese geschlossene Konstruktion wurde mit Beginn des 19. Jahrhunderts von einigen Juristen wieder in Frage gestellt. Die in sich abgerundete These eines Gesamteigentums unabhängig von institutionellen Ausprägungen zerfiel wieder in Einzelfallbetrachtungen. Im Rahmen der weiteren dogmatischen Auseinandersetzung läßt sich zudem die Spannung zwischen romanistischen und germanistischen Juristen, die den Verlauf des 19. Jahrhunderts kennzeichnete, anhand des Streits um das Wesen des Gesamthandseigentums skizzieren. Für die auf dem Boden der romanistischen Lehre stehenden Kritiker der Theorie vom dominium plurium in solidum existierte gemeinschaftliches Eigentum nur in zwei Ausprägungen, als Miteigentum gemeinrechtlichen Musters und als Eigentum der juristischen Person. Dieser Ausgangspunkt basierte wohl auch auf der Überzeugung von der Möglichkeit und Sinnhaftigkeit einer Trennung mit klarer Grenzziehung zwischen romanistischen und germanistischen Aufgabenbereichen .3 1 Gierke, GenR I V , S. 563. Beseler, System, S. 326.

2

I. Rückkehr zu gemeinrechtlicher Begriffsbildung

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2. Die Ausschließlichkeit von römischem Miteigentum und Eigentum der juristischen Person a) Romeo Maurenbrecher

Romeo Maurenbrecher (1803 - 1843), Professor in Marburg, Göttingen und Bonn, 4 konkretisiert die Ansicht von der Ausschließlichkeit von Miteigentum und Eigentum der juristischen Person dahingehend: Nicht bloß nach der römischen Ansicht, sondern auch nach der logischen Entwicklung aus dem Begriff des Eigentums könnten nur jedem von mehreren Berechtigten ideelle Teile an der Sache zustehen oder die Personenmehrheit eine Einheit in Form der universitas bilden. 5 Die erste Form nenne man Miteigentum (communio, dominium plurium pro indiviso), bei der zweiten Form sei die universitas das Subjekt des Eigentums, dessen Ausübung den einzelnen als Teile dieser Einheit gleichmäßig zustehe.6 Daß aber zwei Eigentumsverhältnisse an ein und derselben Sache ganz ausgeschlossen seien, sei klar, denn diese würden sich wegen der Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach seinem Belieben zu verfahren, aufheben. Zu dieser Behauptung führt er dann D 13, 6, 5, 157 an. Das dominium plurium in solidum steht daher in Widerspruch zur Logik. 8 Die römische Theorie vom condominium und von der universitas muß für das wahre Jus Commune in Deutschland erklärt werden. 9 Maurenbrecher schlägt weiter vor, das Eigentum mehrerer in der Form der universitas das römische Gesamteigentum zu nennen und so zur „Ausmertzung" des deutschen Gesamteigentums beizutragen: 10 Auch bei der Theorie des dominium plurium in solidum sei offensichtlich nicht der einzelne, sondern die Gesamtheit Eigentümer; dies habe man mißverstanden. 11 Maurenbrecher tendiert also dazu, das gemeinschaftliche Eigentum einer universitas zuzuordnen. Universitas ist aber nicht die juristische abstrahierte Person, vielmehr meint Maurenbrecher, daß das Eigentum, das einer Gesamtheit zustehe, eine universitas sei. 12 Die universitas bilde mithin das Subjekt des Eigentums. Die Ausübung des Eigentumsrechts stehe jedoch dem einzelnen 3

Vgl. Luig, Die Theorie von der Gestaltung, in: Wissenschaft und Kodifikation I, S. 217, 224. 4 W. Maurenbrecher, A D B Bd. 20, S. 695. 5 Maurenbrecher, Lehrbuch des gesamten heutigen gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, S. 451. 6 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 451. 7 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) bb). 8 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 452. 9 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 453. 10 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 453. 11 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 454. 12 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 453. 10 Ascheuer

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

als Teil dieser Einheit zu. 1 3 Daraus geht hervor, daß universitas ebenso wie im klassischen römischen Recht 14 ein Synonym für die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einer eigentumsrechtlichen Einheit ist. Berechtigt ist noch das einzelne Mitglied selbst, zwischen die beteiligten natürlichen Personen und das Vermögensganze schiebt sich noch nicht eine von den Personen abstrahierte juristische Person. Jeder Gesamthänder steht noch in unmittelbarer Beziehung zum Eigentum selbst. Im übrigen aber folgt nach Meinung Maurenbrechers jede Gesamthandsgemeinschaft eigenen Gesetzmäßigkeiten. Für die Ganerbschaft schlägt er z.B. die Form der universitas vor. 1 5 Damit fällt das Bemühen um eine einheitliche Theorie wieder der Einzelfallbetrachtung zum Opfer. b) Karl Joseph Anton Mittermaier

Auch Mittermaier (1787 - 1857) sieht für ein solidarisches Eigentum kein Bedürfnis. Insbesondere vom römischen Standpunkt aus ist ein solches Gesamteigentum nicht denkbar. Zudem kann dieses Eigentum bei der Mehrzahl der Fälle, bei denen es angenommen wird, leicht in andere Verhältnisse aufgelöst werden. 16 Allerdings, so räumt Mittermaier ein, sei der Begriff des Gesamteigentums durch die deutsche Praxis rezipiert und diene dem Verständnis mancher Rechtsansicht.17 c) Ludwig Duncker

Zu den heftigsten Kritikern der Theorie vom dominium plurium in solidum gehörte Ludwig Duncker (1804 - 1847). Er war Professor und Universitätssyndikus in Marburg. Frensdorff bemerkt zu seinen Monographien, daß diese nur geteilten Beifall gefunden hätten und zudem in der Methode romanistisch gefärbt gewesen seien. 18 Ebenso wie Maurenbrecher vertritt er auf dem Boden des gemeinen Rechts die Ansicht, daß Eigentum nur in der Form des Eigentums der juristischen Person oder als Miteigentum nach ideellen Teilen möglich sei: 19 In jedem Fall erstrecke sich das Recht jedes einzelnen nicht über die ganze Sache, sondern jeder Miteigentümer habe daran einen bestimmten ideellen Anteil, der ihm 13

Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 452. Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 3. b) cc). 15 Maurenbrecher, Lehrbuch, S. 384. 16 Mittermaier, Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, Bd. 1, S. 339 und Bd. 2, S. 745. 17 Mittermaier, Grundsätze, Bd. 1, S. 339. 18 Frensdorff, A D B Bd. 5, S. 472. 19 Duncker, Gesammteigenthum, S. 1. 14

I. Rückkehr zu gemeinrechtlicher Begriffsbildung

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ausschließlich zustehe. Daneben komme als einziges berechtigtes Subjekt gemeinschaftlichen Eigentums nur noch die juristische Person in Betracht. Damit seien die älteren Juristen auch den dem deutschen Recht eigentümlichen Verhältnissen gerecht geworden. 20 Aber bei der ehelichen Gütergemeinschaft und der Ganerbschaft, so räumt Duncker ein, hätten die Normen nicht ohne Ausnahme zur Anwendung gebracht werden können; dies gehe aber nicht soweit, sich vollständig vom römischen Recht zu lösen und in den deutschrechtlichen Instituten so viele Eigentümlichkeiten zu entdecken, daß das römische Recht vollständig unanwendbar werde. 21 Trotz vehementer Ablehnung des dominium plurium in solidum kann also auch Duncker nicht umhin, Zugeständnisse an die Eigentümlichkeiten deutschrechtlicher Institute zu machen. So schreibt er in Bezug auf die Ganerbschaft: Die für die Erben verabredete Unauflöslichkeit der Gemeinschaft sei die hauptsächlichste Verschiedenheit, durch welche eine solche Gemeinschaft von einer römischen societas abweiche. Das Verbot der Teilung habe man fälschlich für so wesentlich gehalten, daß eine auf diese Weise eingegangene Gemeinschaft von dem Begriff der societas ausgeschlossen werden müsse.22 Duncker zieht demnach aus der aufgezeigten Inkongruenz von römischrechtlicher Erbengemeinschaft und Ganerbschaft nicht die Konsequenz, letzterer einen eigenständigen rechtlichen und in römischen Begriffskategorien nicht zu erfassenden Charakter beizumessen. Vielmehr sucht er auch hier eine Lösung im römischen Recht. Denn, so schreibt er, die für das Eigentumsverhältnis mehrerer an derselben Sache im römischen Recht aufgestellten Begriffe der universitas und der societas seien lediglich die beiden Extreme, die den Rahmen absteckten, innerhalb dessen sich eine große Mannigfaltigkeit genossenschaftlicher Institute bewegen könne. 23 Auch in diesem Zusammenhang gibt er wiederum zu, daß dem deutschen Recht in der Tat einzelne Verhältnisse bekannt seien, die der universitas oder der societas nicht exakt entsprächen. Daraus folgt nun aber nicht, daß diesen Abweichungen eine ganz und gar eigentümliche, mit römischen Instituten nicht zu vereinbarende Natur beizumessen ist. 2 4 Die eingangs genannte Unauflöslichkeit der Ganerbengemeinschaft steht zwar nicht in Einklang mit den Regelungen der societas, besondere Verhältnisse können aber eine derartige Konstruktion wünschenswert erscheinen lassen, ohne den Begriff societas für unanwendbar zu halten. 25 Das bei der Gemeinschaft vorherrschende Recht des einzelnen geht durch das Verbot der Teilung nicht verloren, da dieses Recht durch den Verkauf des ideellen Teils ebenso wie durch Teilung realisiert werden kann. 26 20 21 22 23 24 25

10*

Duncker, Duncker, Duncker, Duncker, Duncker, Duncker,

Gesammteigenthum, Gesammteigenthum, Gesammteigenthum, Gesammteigenthum, Gesammteigenthum, Gesammteigenthum,

S. S. S. S. S. S.

1. 2. 36 und 51. 51. 52. 53.

148

8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

Duncker sieht also durchaus, daß das deutsche Recht Institute aufweist, die es im römischen Recht nicht gibt und für die sich aufgrunddessen keine entsprechende rechtliche Konstruktion ausbilden konnte. Andererseits hält er aber die römischrechtlichen Begriffe der societas und der universitas für so flexibel, daß sie auch die deutschrechtlichen Besonderheiten in sich aufnehmen und einer rechtlichen Erfassung zuführen können. So mißt Duncker zwar dem Eigentum einen besonderen nationalen Charakter zu, da es durch Familienleben und soziale Verhältnisse geprägt sei und insofern nationale Besonderheiten aufweisen könne: Aber bei der Beurteilung dieser nationalen Besonderheiten eines allgemeinen Rechtsverhältnisses bestehe die Gefahr, das Allgemeine dem Besonderen gegenüber aus dem Auge zu verlieren und die Erzeugnisse volkstümlicher Ansichten, Bestrebungen und Einrichtungen als selbständige Institute aufzufassen. Wenn auch die verschiedenen Eigentumsverhältnisse nicht ohne Ausnahme von dem römischen Recht beherrscht würden, so ließen sich diese Singularitäten doch auf andere Weise als durch Schaffung eines Gesamteigentums erklären. 27 Folge dieser auf das jeweilige Wesen der Gesamthandsgemeinschaft abstellenden Zuordnung zu römischrechtlichen Instituten muß die Zerschlagung eines einheitlichen Prinzips und die von der Theorie des dominium plurium in solidum überwundene Rückkehr zur Einzelfallbetrachtung sein. Und so ordnet Duncker auch die Ganerbschaft als eine modifizierte communio 28 ein. Das Recht der Mitbelehnten charakterisiert er als Miteigentum nach ideellen Teilen, wobei die Verfügungsbeschränkungen aus dem Zweck der Gemeinschaft resultierten. 29 Bei der ehelichen Gütergemeinschaft hält er den Ehemann für den alleinigen Eigentümer des Gesamtgutes. Diesem Recht des Mannes gegenüber habe die Frau nur ein eventuelles Recht, welches erst bei der Auflösung der Ehe wirksam werde. 30 Hier finden sich also Anklänge an das römische Dotalsystem, nach dem dem Ehemann das Eigentum an der dos gebührte. 31 Mit dieser Argumentationsweise findet Duncker zu der Form dogmatischer Auseinandersetzung mit dem Wesen des Gesamthandseigentums zurück, die schon charakteristisch für die Zeit der Rezeption war. Auch Rittershausen 32 hatte versucht, die Ganerbschaften durch die Kombination von societas, communio, condominium und universitas zu kennzeichnen. Ähnliches versucht Duncker, indem er als Rahmen die societas und die universitas absteckt. 26 27 28 29 30 31 32

Duncker, Gesammteigenthum, S. Duncker, Gesammteigenthum, S. Duncker, Gesammteigenthum, S. Duncker, Gesammteigenthum, S. Duncker, Gesammteigenthum, S. Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. b). Vgl., oben 4. Kapitel, II. 2. a).

53. 26. 152 93. 228

I. Rückkehr zu gemeinrechtlicher Begriffsbildung

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Innerhalb dieses Rahmens sucht er sich dann, den Gesamthandsgebilden zu nähern. Doch muß auch er zugeben, daß den Gesamthandsgemeinschaften Besonderheiten immanent sind, auf die das römische Recht keine Antworten zu geben weiß. Das Festhalten an der gemeinrechtlichen Lehre mutet schon fast verzweifelt an, denn die Gesamthandslehre hatte bis zu diesem Zeitpunkt mit zunehmendem Selbstbewußtsein auf die Besonderheiten und die Unvereinbarkeit der Gesamthandsgemeinschaften mit dem römischen Recht hingewiesen. Und so entspringt wohl auch die Schärfe der Worte, mit denen Dunkker das dominium plurium in solidum zurückweist, der Erkenntnis, daß die Gesamthandslehre vor diesen Besonderheiten nicht mehr die Augen verschließen kann. Daher erweist sich Dunckers Versuch, die Gesamthandslehre wieder der Begriffs weit des römischen Rechts zuzuführen, beinahe als anachronistisch. 3. Das Verständnis der konservatorisch romanistischen Gesamthandsdogmatik aus dem Blickwinkel der Historischen Rechtsschule

Die von Duncker und Maurenbrecher an dem dominium plurium in solidum geäußerte Kritik läßt die Vorgehensweise der Historischen Rechtsschule erkennen. So ist ihre auf das römische Recht aufbauende Argumentationsweise Realisierung des Programms des romanistischen Zweigs dieser Rechtsschule. Danach sollte sich die Rechtsfindung in streng historisch-systematischen Bahnen vollziehen. Das vorhandene Recht ist zu verstehen als Reflexion seiner Geschichte, aufbauend auf der historischen Betrachtung des Corpus Juris, in dem Verständnis des antiken römischen Rechts. 33 Aber auch in der Abwendung von einem geschlossenen System und der Rückkehr zur Betrachtung des Einzelfalles, die sowohl bei Duncker als auch bei Maurenbrecher zum Ausdruck kommt, entfaltet sich die systematische Vorgehens weise der Historischen Schule. Diese bemühte sich nicht um deduktive Ableitung des Speziellen vom Allgemeinen, sondern um das Einfügen einzelner Rechtssätze in den Zusammenhang sozialer Phänomene wie Ehe, Vertrag usw. Diese sozialen Gegebenheiten prägen ihrerseits den einzelnen Rechtssatz und verleihen ihm Sinn. 34 Diese Untersuchung aus der Einbettung in soziale Gegebenheiten bedingt eine Konzentration auf das einzelne soziale Phänomen und auf seine Auswirkungen. Dabei kann aber schwerlich der Blick gleichzeitig auf die Existenz eines geschlossenen Systems gerichtet sein. Basierend auf der These, daß das römische Recht auch auf die Eigenarten deutschrechtlicher Institute 33 Savigny, Ueber den Zweck, ZgeschRW Bd. 1 (1815), 1 , 4 - 6 ; Coing, Europ. PrivR I I , S. 42. 34 Coing, Europ. PrivR I I , S. 43; J. Schröder, Savignys Spezialistendogma, Rechtstheorie Bd. 7 (1976), 23, 25 - 27.

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

eine ausreichende Antwort zu geben vermag, befanden sich beide Autoren in diametralem Gegensatz zu dem Programm des germanistischen Zweigs der Historischen Rechtsschule. In diesem Programm hatte Eichhorn formuliert, daß das römische Recht eben keine auf die Probleme aller bürgerlichen Rechtsverhältnisse hinreichende Antworten bereit halte. 35 Daß zwischen den beiden Zweigen der Historischen Rechtsschule Spannungen herrschten, zeigt die heftige Form, in der Duncker und auch Maurenbrecher ihre Kritik am dominium plurium in solidum äußern und hierbei auch vor Beschimpfungen nicht zurückschrecken. Die sich auf deutsche Besonderheiten besinnende Theorie vom dominium plurium in solidum, in der Form, die sie durch ihre weitere Bearbeitung nach Veracius erhalten hatte, 36 ließ sich nicht auf römischrechtliche Wurzeln zurückführen. Sie befand sich ganz im Gegenteil in ausdrücklichem Gegensatz zu D 13, 6, 5,15. Diese Theorie verschaffte vielmehr, den Beobachtungen des germanistischen Zweigs der Historischen Rechtsschule entsprechend, einer neben dem römischen Recht bestehenden weiteren Entscheidungsquelle Ausdruck. 37 Diese Vorgehensweise aber tolerieren Duncker und Maurenbrecher nicht, sondern machen sie zur Zielscheibe ihrer polemisierenden Äußerungen. 4. Zusammenfassung Der geistesgeschichtliche Hintergrund der dem römischen Recht verhafteten Gesamthandsdogmatik trägt insofern zum Verständnis bei, als er verdeutlicht, daß die Erklärungsversuche Dunckers, Maurenbrechers und Mittermaiers eben auch durch äußere Einflüsse, ihrer Einbindung in die Historische Rechtsschule, geprägt waren. Dies erklärt zumindest die Unschärfe der dogmatischen Konstruktionen. Wenn Duncker die Gesamthand zwischen societas und universitas ansiedelt, so deckt dies die gesamte Spannweite der Organisationsformen von Personenmehrheiten im römischen Recht ab, trägt aber wohl kaum zur Präzisierung des Gesamthandsprinzips bei. Denselben Eindruck vermittelt auch Dunckers Definition der Ganerbschaft als modifizierte communio. Zudem weiß Duncker keine Antwort auf die Verfügungsbeschränkungen zu geben. Wenn der Ehemann alleiniger Eigentümer des Gesamtgutes ist, so bleibt offen, wieso in den Partikularrechten 38 ein Zustimmungserfordernis der Ehefrau statuiert ist, denn diese besitzt nach Meinung Dunckers nur ein eventuelles, sich erst nach der Auflösung der Ehe realisierendes Recht. Alles in allem bleibt der Eindruck, daß es sich bei diesen Besonderheiten eben nicht 35

Eichhorn, Ueber das geschichtliche Studium, ZgeschRW Bd. 1 (1815), 124, 127. Vgl., oben 6. Kapitel, I. 1. - 3. und I I I . 1. a). 37 Z u der Existenz dieser weiteren Erkenntnisquellen vgl. Eichhorn, Ueber das geschichtliche Studium, ZgeschRW Bd. 1 (1815), 124,127. 3 8 Vgl., oben 6. Kapitel, I. 2. 36

I

Die Theorie von der mystischen Person

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nur um Singularitäten handelt, die mit der Natur römischer Institute zu vereinbaren sind, sondern um kaum zu überbrückende Gegensätze von deutschem und römischem Recht. Insofern liegt die Annahme nahe, daß die genannten Autoren die Augen vor solchen Besonderheiten verschlossen, um an der romanistischen Lehre festhalten zu können und gar keine Erklärung für solche Besonderheiten suchten. Die Theorie vom dominium plurium in solidum, dem solidarischen Gesamteigentum, hatte eine solche Erklärung versucht. Doch der vehementen Kritik, die sich zudem noch in Einklang mit den Kodifikationen des CMBC, des A L R und des A B G B sehen konnte und auch sah - Dunkker findet sich mit seiner Meinung ganz in Einklang mit den Ansichten der an den Gesetzgebungsverfahren beteiligten Juristen 39 - konnte das solidarische Gesamteigentum nicht standhalten.

I L Die Theorie von der mystischen Person 1. D i e Gestaltung der Theorie durch Hasse a) Methodische Grundlagen

Zu den kritischen Stimmen, die nach eigenen neuen Lösungsmodellen suchten, gehörte Johann Christian Hasse. Er entwickelte in seinem Buch „Beytrag zur Revision der bisherigen Theorie von der ehelichen Gütergemeinschaft nach deutschem Privatrecht" die Theorie von der mystischen Person. Der Autor (1779 - 1830), der seit 1805 Privatdozent und Universitätssyndikus in Kiel, anschließend Professor in Königsberg, Berlin und schließlich von 1821 an in Bonn war, galt sowohl als ausgezeichneter Romanist als auch Germanist. 40 Ebenso wie Duncker, Mittermaier und Maurenbrecher kritisierte er die Theorie vom dominium plurium in solidum. Im Gegensatz zu diesen nutzte Hasse seine Kritik als Anknüpfungspunkt für die Entwicklung einer eigenständigen, sich um eine geschlossene Begriffsbildung hinsichtlich des Wesens des Gesamthandseigentums bemühenden These. Eine Berechtigung zur generellen Neuschöpfung von Rechtsgedanken trotz der vorausgegangenen Festschreibung des Rechts in Form von Kodifikationen sieht Hasse darin, daß nur eine kindische Zuversicht zu der Idee verleiten könne, einen vollkommenen Gesetzeskodex zu versprechen. 41 Daß kein vollkommenes Gesetz möglich sei, rechtfertige gerade in einer Zeit, in der der Eindruck bestehe, mittels Gesetz alle Rechtsunklarheiten beseitigen zu können, sein Bemühen, eine Bearbei39

Duncker, Gesammteigenthum, S. 22. 40 Teichmann, A D B Bd. 10, S. 759. 41 Hasse, Beytrag zur Revision, S . U .

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

tung des deutschen Privatrechts vorzulegen. 42 Damit bestätigt sich im übrigen aus Sicht eines Zeitgenossen, daß die Kodifikationen trotz des Bemühens um allumfassende Regelung wie sie das A L R beanspruchte, Regelungslücken aufwiesen, die den Fortgang der Gesamthandsdiskussion förderten. Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Theorie ist Hasses Beobachtung, daß sich in jedem der neuen Gesetzbücher ursprünglich germanistische und römische Rechtsbegriffe befänden und es darauf ankomme, diese zu einem klüglichen und trefflichen Ganzen zu verbinden. 43 Damit wird die Vorgehensweise Hasses deutlich. Er bemüht sich, mit den Mitteln des römischen Rechts einem deutschrechtlichen Institut gerecht zu werden, ohne dessen Besonderheiten zu verleugnen. 44 Auf diesem Weg will er zu einer geschlossenen Begriffsbildung, wie sie auch schon das dominium plurium in solidum ermöglichte, gelangen, aber eben in Einklang mit dem gemeinen Recht. b) Hasses Kritik am dominium plurium in solidum

Die Kritik am dominium plurium in solidum dient Hasse als Ansatzpunkt für eine eigene These. Anhand des Fragments D 13, 5, 6, 1545 versucht er nachzuweisen, daß das Eigentum der Natur der Sache nach nicht zwei verschiedenen Personen zugleich zustehen könne. 46 D 13, 5, 6, 15 interpretiert er wie folgt: So wie niemand mit einem anderen der Eigentümer einer Sache in solidum sein könne, sondern das Eigentumsrecht an der Sache geteilt gedacht werden müsse, so sei auch das Gebrauchsrecht an einer gemeinschaftlich geliehenen oder verpachteten Sache als geteilt zu denken. 47 Aus der Gleichsetzung von possessio und dominio ergebe sich die Schlußfolgerung, daß, weil das Eigentumsrecht an der Sache nicht ganz ausgeübt werden könne, ohne das Miteigentumsrecht eines anderen aufzuheben, es undenkbar sei, daß mehrere Eigentümer einer Sache sein könnten, da auch das Gebrauchsrecht eines Pächters, wenn es auf das Ganze ginge, nicht verwirklicht werden könne, ohne das Mitgebrauchsrecht der anderen aufzuheben. 48 Das Eigentum definiert Hasse als das Recht, jede nicht überhaupt verbotene Verfügung über die Substanz oder die Früchte einer speziellen körperlichen Sache ausschließlich vorzunehmen und weiter die Befugnis, jeden anderen von der Disposition über die Substanz oder die Früchte der Sache auszuschließen.49 Haben nun zwei 42

Hasse, Beytrag zur Revision, S. I I I . Hasse, Beytrag zur Revision, S. I V . 44 Hasse, Beytrag zur Revision, S. V I I I 4 5 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) bb). 46 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 32. 47 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 17. 48 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 19. 49 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 28. 43

II. Die Theorie von der mystischen Person

153

Rechtssubjekte gleichzeitig das Recht, eine Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand vornehmen zu können, so heben sich die Rechte gegenseitig auf. 50 Das Recht an der Sache selbst ist also nach Meinung Hasses stets verknüpft mit dem Recht, mit der Sache als Eigentümer zu verfahren. Eine Differenzierung von proprie in actu und proprie in habitu, wie Veracius sie vorschlug 51 , nimmt Hasse nicht vor. Er lehnt eine solche Differenzierung vielmehr als „irrig" ab. 52 Recht und Befugnis zur Ausübung könnten weder in Gedanken noch in der Wirklichkeit getrennt sein. Seiner Meinung nach kann der Eigentümer frei über sein Eigentum verfügen und wenn mehrere Eigentümer aufgrund identischer Berechtigung in dieser Weise verfahren, dann würden sich die unterschiedlichen Verfügungen wesensnotwendig gegenseitig aufheben. Insofern gelangt er zu einer Negierung gleichzeitigen, gleichartigen, gemeinschaftlichen Eigentums. 53 c) Die Theorie von der mystischen Person im einzelnen

Nachdem Hasse die Theorie vom dominium plurium in solidum als undenkbar verworfen hat, entwickelt er nun seine Konzeption von einer gesamthänderischen Berechtigung. Anknüpfungsmodell ist die eheliche Gütergemeinschaft, die er wie folgt definiert: Eine eheliche Gütergemeinschaft liege vor, wenn mehrere physische Personen, welche keine Kommune ( = communio) ausmachten, als das Subjekt einer Summe von Rechten und Verbindlichkeiten betrachtet würden. 54 Dieses Subjekt nennt er mystische Person. Dem Begriff legt er die Bedeutung bei, daß mehrere physische Personen in juristischer Betrachtung nur einen Willen hätten und als ein Rechtssubjekt betrachtet würden. Das wiederum habe zur Folge, daß die einzelne Person hinsichtlich des Vermögens der mystischen Person nicht berechtigt und verpflichtet sei. 55 Der von den Römern verwandte Begriff der universitas erscheint Hasse allerdings für diese besondere Fallgruppe als unpassend, da die mystische Person auch nur einem vorübergehenden Zweck dienen könne und ohne Stimmenmehrheit denkbar sei. 56 Auf der Basis dieser Vorgaben zieht Hasse für die eheliche Gütergemeinschaft folgende Schlußfolgerungen: Die Rechte und Verbindlichkeiten seien weder ideell noch reell geteilt. 57 Vielmehr hätten die Individuen zusammen in 50

Hasse, Beytrag zur Revision, S. 33. 51 Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) bb) (3). 52 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 35. 53 Vgl. Lipp, Die Bedeutung des Naturrechts, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/ 1983), Teil 1,217, 218. 54 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 93. 55 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 100. 56 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 101. 57 Hasse, Beytrag zur Revision, S. 104.

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

Form einer einzigen gedachten Person das Vermögen inne, 58 und zwar so, daß jeder für sich und als Glied der mystischen Person in keiner eigentumsrechtlichen Beziehung mehr zu dem gemeinschaftlichen Vermögen stehe. 59 Hier vollzieht sich also die Trennung von Eigentum und Subjekt und die Übertragung auf einen dritten Rechtsträger. Aber dennoch, so meint Hasse, bestehe ein Unterschied zur universitas des römischen Rechts. Betrachtet man die Struktur der mystischen Person und die der universitas, so wird bisher noch keine Differenzierung deutlich. In einem anderen Beitrag bezeichnet Hasse die Ehegatten sogar als eine juristische Person hinsichtlich ihres Vermögens. 60 Kein Individuum der mystischen Person hat einen Anteil an den gemeinschaftlichen Rechten, alleiniger Vermögensträger ist die mystische Person. Die Ehegatten sind zwar Mitglieder der mystischen Person, haben aber als besondere Rechtssubjekte keine eigentumsrechtliche Bindung zum Gesamtvermögen. 61 Dennoch paßt der Begriff universitas nach Meinung Hasses nicht auf die eheliche Gütergemeinschaft und zwar weniger aus strukturellen als vielmehr aus organisatorischen Gründen. Eine Divergenz ergibt sich nach Hasse in vier Bereichen: Die universitas verfüge über eine kollegiale Struktur, sei zu einem immerwährenden Zweck verbunden, 62 beim Ausfall eines Mitglieds erfolge die personelle Ergänzung durch Wahl oder Ernennung, die juristische Person sei also unabhängig von ihren Mitgliedern 63 und sie bilde den Willen nach Majoritätsgesichtspunkten. 64 Sei, so fährt Hasse fort, die dem Grundsatz nach gegebene Unauflöslichkeit der Ehe mit dem immerwährenden Zweck noch vergleichbar, 65 so gelte dies für das Majoritätsprinzip wohl nicht mehr. Führe man diesen Gedanken fort, so sei bei Streitigkeiten zwischen Ehegatten nie eine Stimmenmehrheit denkbar, denn das Verhältnis betrage immer 1:1. Damit sei aber die mystische Person in ihrer Existenz in Frage gestellt. 66 Es bestehe auch gar keine Notwendigkeit einer Abstimmung nach Majoritätsgrundsätzen. Dies liege zum einen daran, daß nur zwei Personen beteiligt seien, zum anderen seien Privatangelegenheiten so geartet, daß eine Übereinstimmung hier leichter zu erzielen sei. Hilfreiche Mittel zur Herbeiführung der Einigkeit seien hierbei die Liebe, die gewöhnliche Überlegenheit des Mannes und selbst die größere Verschlagenheit der Frauen. 67 Schließlich sei die Verwaltung regelmäßig einem Mitglied 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

Hasse, Hasse, Hasse, Hasse, Hasse, Hasse, Hasse, Hasse, Hasse, Hasse,

Beytrag zur Revision, S. 105. Beytrag zur Revision, S. 105. Skizze des Güterrechts, ZgeschRW Bd. 4 (1820), 60, 61. Beytrag zur Revision, S. 106. Beytrag zur Revision, S. 137. Beytrag zur Revision, S. 138. Beytrag zur Revision, S. 109. Beytrag zur Revision, S. 109. Beytrag zur Revision, S. 109. Beytrag zur Revision, S. 111.

II. Die Theorie von der mystischen

P e r s o n 1 5 5

der mystischen Person anvertraut, ohne daß dieses Mitglied dadurch als Herr des Vermögens angesehen werden dürfe. 68 Wesentlichstes Unterscheidungsmerkmal ist aber das Fehlen einer kollegialen Verbindung. Hasse meint hierzu: Anders als der corpus einer universitas, der von dem speziellen Bestand seiner Mitglieder unabhängig sei, bilde diesen corpus bei der mystischen Person gerade das einzelne bestimmte Mitglied. Falle ein Individuum aus, so sei, falls Gesetz oder Verträge nicht eine Fortsetzung verfügten, die mystische Person nicht mehr vorhanden. Sie bestehe aus den einzelnen Individuen als die sie bildenden integrierenden Teile. 69 Wie bei der universitas hat sich also zwar die Vermögensmasse von dem Personenverband verabsolutiert, die Bindungen zwischen Vermögen und konkretem Personenverband sind jedoch nicht neutral und unpersönlich. Dies ergibt sich schon allein aus dem höchstpersönlichen Charakter der ehelichen Gütergemeinschaft. Die Mitglieder der mystischen Person haben zwar unmittelbar keine eigentumsrechtlichen Beziehungen mehr zur Vermögensmasse, aber sie sind es, die der mystischen Person ihr besonderes Gepräge geben. Gerade dieser personale Bezug ist wohl der wesentlichste Unterschied zur weitgehend entpersönlichten universitas. Man könnte die mystische Person mit dem Schlagwort der „juristischen Person mit stark personalem Einschlag" belegen. d) Zusammenfassung

Die Essenz der Ausführungen Hasses ist demnach die Folgende: Die Ehegatten bilden bei der ehelichen Gütergemeinschaft eine mystische Person. Diese ist das Subjekt der Summe von Rechten und Pflichten. Die Ehegatten selbst stehen in keinem unmittelbaren eigentumsrechtlichen Verhältnis zum Vermögen mehr. Die mystische Person ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer universitas, verstanden als juristischer Person. Während die universitas eine kollegiale Struktur aufweist und sich die Willensbildung nach Majoritätsgrundsätzen vollzieht, gilt dies für die mystische Person gerade nicht. Die mystische Person ist anders als die universitas abhängig von den sie bildenden Individuen, erst diese geben ihr ein besonderes Gepräge. Bei Ausfall eines Individuums verliert die mystische Person ihre Existenzberechtigung. Eine vollständige Lösung und Verabsolution von den sie bildenden Mitgliedern ist noch nicht erreicht. 70 Insgesamt deutet sich bei der Gesamthandsdiskussion ein perspektivischer Wechsel an. Stand bisher die Vermögensseite im Mittelpunkt der Erörterungen, so rückt nunmehr die Struktur des Personenzusammenschlusses und 68

Hasse, Beytrag zur Revision, S. 113. Hasse, Beytrag zur Revision, S. 138. 70 Vgl. Lipp, Die Bedeutung des Naturrechts, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/ 1983), 217, 219. 69

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

seine eigentumsrechtliche Beziehung zum gemeinschaftlichen Vermögen in das Zentrum der dogmatischen Ausführungen. I I I . Die Weiterentwicklung der Theorie von der mystischen Person 1. D i e zunehmende Modifikation der Theorie

Die Reaktionen auf diese neue Theorie waren geteilt. Sie fand einige Anhänger 71 , zum Teil wurde sie auch auf andere Gesamthandsgemeinschaften, wie die Gesamtbelehnung übertragen, 72 was als Hinweis auf die Universalität dieser Theorie und auch als Indiz für das fortbestehende Bemühen um Schaffung einer einheitlichen, geschlossenen und generellen Gesamthandsdogmatik gewertet werden kann. Allerdings unterlag die ursprüngliche Form zahlreichen Modifikationen. Beseler gestand Hasse zu, daß er ganz richtig erkannt habe, daß es in erster Linie auf die Beschaffenheit des Rechtssubjekts ankomme, wenn Hasse auch darin geirrt habe, daß er allein die im römischen Recht ausgebildeten Formen des Vereinswesens zur Anwendung gebracht habe. 73 Gierke hebt die Universalität der Theorie Hasses hervor, indem er betont, diese gelte keineswegs nur für die eheliche, sondern auch für alle anderen deutschen Gütergemeinschaften. 7 4 Allerdings konnte sich die Theorie von der mystischen Person in der ihr von Hasse verliehenen Form nicht behaupten. Die Kritiker und auch die Anhänger seiner Lehre empfanden die Vorstellung einer mystischen Person gerade bei der ehelichen Gütergemeinschaft befremdlich. 75 So unterlag sie im Verlauf der weiteren Entwicklung zahlreichen Modifikationen. 2. D e r Gesamteigentumsbegriff bei Carl Friedrich Eichhorn

Carl Friedrich Eichhorn (1781 - 1854) gehörte zu den renomiertesten Vertretern des germanistischen Zweigs der Historischen Rechtsschule. Savigny 71 Eichhorn, Einleitung in das Deutsche Privatrecht, S. 451 ff.; Deiters, Die Lehre von letztwilligen Verfügungen bei ehelicher Gütergemeinschaft, Z D R , Bd. 2 (1839), 115 ff.; Pfeiffer, Der überlebende Ehegatte kann, während er noch mit den Kindern in Gemeinschaft der Güter lebt, über den ihn bei einer künftigen Theilung zufallenden Antheil testamentarisch verfügen, Practische Ausführungen, Bd. 1 (1825), Nr. I X , S. 91 ff. 72 Albrecht, Die Gewere als Grundlage des altern deutschen Sachenrechts, S. 241 ff. 73 Beseler, System, S. 326. 74 Gierke, GenR I V , S. 565, Fn. 92. 75 Eine Vorstellung, die Lipp, Die Bedeutung des Naturrechts, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/1983), Teil 1, 217, 218 auch vom heutigen Standpunkt aus noch als befremdlich erachtet.

III. Die Weiterentwicklung der Theorie von der mystischen Person

157

bestätigte ihm seine Vorreiterstellung in der wissenschaftlichen Durchdringung des deutschen Rechts. 76 Vor diesem biographischen Hintergrund mutet die Anhängerschaft Eichhorns an die romanistisch ausgerichtete Theorie Hasses seltsam an und relativiert zugleich die Gegensätze zwischen romanistischem und germanistischem Zweig der Historischen Rechtsschule. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, daß Eichhorn dieser Theorie germanistische Elemente beimischt, indem er in den Begriff der mystischen Person den Begriff des dominium plurium in solidum aufnimmt. Eichhorn behandelt die Theorie Hasses unter der Überschrift „Gesamteigentum" 77 , also gerade unter einem Begriff, den Hasse bekämpft. Ausgangspunkt der Betrachtungen sind die Markgenossenschaften, kleine bäuerliche Siedlungen, bei denen ein Teil des zu bewirtschaftenden Bodens im gemeinschaftlichen Eigentum aller stand. 78 Eichhorns Meinung nach steht dem einzelnen kein ideeller Teil an Grund und Boden zu, obwohl die Konkurrenz der Ausübung von Eigentumsrechten und der Benutzung des Bodens den Charakter eines eigenständigen, das gesamte Eigentum umfassenden Rechts in sich trüge. Eine Auflösung des Konkurrenzverhältnisses ist nur so zu denken, daß eine moralische Person Subjekt des Eigentums ist. 79 Soweit deckt sich Eichhorns These also mit der Hasses. Nun aber folgt eine Schlußfolgerung, die sich mit der Verabsolution der mystischen Person bei Hasse nicht mehr in Einklang bringen läßt: Die Ausübung der im Eigentum enthaltenen Rechte nämlich stünden als selbständige Befugnisse dem einzelnen zu. Die Individuen besäßen das Eigentum als dessen Rechtsträger immer ungeteilt (eben condominium in solidum). Die Teilnahme an der Ausübung der Eigentumsrechte werde beeinflußt von der Beschaffenheit der jeweiligen Gesamthandsgemeinschaft. 80 Also im Gegensatz zu Hasse läßt sich bei Eichhorn die bereits von Veracius 81 vertretene Differenzierung von proprie in actu und proprie in habitu ablesen. Hinsichtlich des Eigentums selbst nimmt er wie Hasse ein von den Gesamthändern gelöstes Rechtssubjekt an, d.h. es besteht in dieser Hinsicht keine direkte eigentumsrechtliche Verbindung von Gesamthändern und Vermögensobjekt. Aber eine solche Verbindung stellt Eichhorn auf der Ebene der Ausübung des Eigentumsrechts her. Hier bestehen unmittelbare Teilhaberechte der Beteiligten, in diesem Zusammenhang spielt die mystische Person keine Rolle mehr. Es handelt sich bei dieser Auffassung also quasi um eine Verschmelzung der Theorie des dominium plurium in solidum und der Theorie von der mystischen Person. Letztere ist mit der Aufnahme

76 77 78 79 80 81

Kleinheyer / Schröder, S. 73; Conradi, S. 14. Eichhorn, Einleitung in das deutsche Privatrecht, S. 451. Wernli, Stichwort: „Markgenossenschaft", H R G I I I , Sp. 302/303. Eichhorn, Einleitung, S. 453. Eichhorn, Einleitung, S. 453. Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) bb) (3).

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

des dominium plurium in solidum auf der Ebene der Ausübung der Rechte in ihrer Eigenart schon so verfremdet, daß sie mit der Intention Hasses, der die Trennung von proprie in actu und proprie in habitu ausdrücklich als irrig bezeichnete,82 kaum mehr vergleichbar ist. Aufgrund dieser erheblichen Verfremdung ist es folglich nicht mehr so verwunderlich, daß Eichhorn sich der Theorie Hasses anschloß, indem er sie für sein Konzept des Gesamteigentums nutzbar machte. Daß Eichhorn aber Bestandteile einer auf römischem Recht aufbauenden Theorie in seine eigene Konzeption von der Gesamthand integrierte, macht deutlich, daß zwischen den beiden Zweigen der Historischen Rechtsschule aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzung zwar Spannungen bestanden, daß die Unterschiede in der Argumentation jedoch nicht unüberbrückbar waren. Insofern erwecken Dunckers und Maurenbrechers heftige Äußerungen zum dominium plurium in solidum 83 ein nicht ganz zutreffendes Bild von dem Verhältnis der beiden Zweige der Historischen Rechtsschule. Hervorzuheben bleibt noch, daß Eichhorn von einer Allgemeingültigkeit des Gesamteigentums, losgelöst von institutionellen Besonderheiten ausgeht. 84 Hierin zeigt sich also wiederum die Suche nach dem Rechtsgedanken der Gesamthand, auch wenn Eichhorn dieses nicht ausdrücklich kennzeichnet. 3. Die Relativierung der mystischen Person bei Pfeiffer Bei Burkhard Wilhelm Pfeiffer (1777 - 1852), hessischer Publizist, Verwaltungsrat und Richter am Oberappellationsgericht Kassel, 85 zeigt sich bei grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Ideen Hasses („dessen bekannte Schrift vorzüglich dazu geeignet ist, Licht über die verworrene Lehre zu verbreiten"), 86 das Bemühen, die etwas seltsam anmutende Vorstellung einer dritten Person in einem so persönlichen Verhältnis wie der Ehe zu relativieren: Nach seiner Meinung ist die mystische Person nicht eine dritte, beiden Ehegatten gänzlich fremde, in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis stehende Person. Die mystische Person konstituiere sich vielmehr aus den beiden Ehegatten selbst. Alle Rechte, die der mystischen Person zustünden, seien aus der Verbindung der Rechte beider Individuen entstanden. Sie seien letztlich auch die ausschließlich einzigen Berechtigten, nur in nach außen nicht erkennbaren Teilen. 87 Bei Pfeiffer wird das Unbehagen deutlich, den Ehegatten jede eigentumsrechtliche Beziehung zum Gesamtgut zu versagen und eine dritte 82

Hasse, Beytrag zur Revision, S. 35. Vgl., oben 8. Kapitel, I. 3. 84 Eichhorn, Einleitung, S. 454. Wippermann, A D B Bd. 25, S. 633. « Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. 1 (1825), Nr. V I I I , S. 83. 87 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. 1 (1825), Nr. I X , S. 92.

83

III. Die Weiterentwicklung der Theorie von der mystischen Person

159

Person als Vermögenssubjekt zwischen Gesamtgut und Ehegatten zu postieren. Auch wenn die mystische Person letztlich von der Individualität der Ehepartner getragen wird, so wirkt schon die Vorstellung eines weiteren Rechtssubjekts in einer so höchstpersönlichen Verbindung wie der Ehe befremdlich. Schließlich wendet sich Pfeiffer auch ausdrücklich gegen die entscheidende These Hasses, daß die Ehepartner selbst eben nicht am Gesamtgut berechtigt seien, wenn er die Auffassung vertritt, daß jeder der Ehegatten schon während der Gemeinschaft Rechte am Gesamtgut habe. Diese Rechte sind lediglich bei gänzlicher Verschmelzung des Individuellen zum Gemeinschaftlichen ihrem Objekt nach noch unbestimmt, vergleichbar der Wurzel, die sich in einer Zahl birgt und die es zu ziehen gilt. 8 8 In Abweichung von Hasse geht Pfeiffer also davon aus, daß eine latente, nur zeitweise nicht zu aktualisierende Berechtigung der Ehepartner auch schon während bestehender Ehe vorhanden ist. Diese Berechtigung realisiert sich dann schließlich nach Beendigung der ehelichen Gütergemeinschaft. Im Hinblick auf die Berechtigung der Ehegatten am Gesamtgut macht Pfeiffer damit Zugeständnisse an die höchstpersönliche Qualität der Ehe und stellt sich in einem entscheidenden Punkt gegen Hasses Theorie. 4. Der Schritt von der mystischen Person zur juristischen Person a) Die Ehegatten als juristische Person

Bei P. Fr. D. Deiters (1804 - 1861), Professor der Rechte in Bonn 8 9 , wird ein Begriffswandel hinsichtlich der Bedeutung des Gesamteigentums deutlich. Ausgangspunkt ist seine These, daß die Gütergemeinschaft während der Dauer der Ehe keine Teile der einzelnen Ehegatten am Gesamtvermögen kennt. 90 Er nennt dieses Phänomen eine communio in solidum. Nur bedeutet communio in solidum, das als Synonym für Gesamteigentum steht, eben nicht, daß jeder einzelne Ehegatte Eigentümer des Ganzen ist. Gesamteigentum ist vielmehr in dem Sinn zu verstehen, daß nur ein einziges Eigentum am gesamten Vermögen, also auch nur ein Eigentümer vorhanden ist. Dieser Eigentümer ist die Einheit der Ehegatten. 91 Da Deiters die als Einheit gedachten Ehegatten mit einer juristischen Person gleichsetzt, „also als eine gedachte (ideelle) oder juristische Person als Eigentümer des Vermögens" 92 , liegt der Schluß nahe, daß er über Hasse hinausgehend diese juristische Person von der Individualität der Ehegatten verabsolutiert. Damit wäre der Schritt zur juristischen Person, vor dem Hasse noch zurückschreckte, vollzogen. 88

Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. 1 (1825), Nr. I X , S. 94. Stintzing, A D B Bd. 5, S. 34. *> Deiters, Z D R Bd. 2 (1839), 115,119. 91 Deiters, Z D R Bd. 2 (1839), 115, 119. 92 Deiters, Z D R Bd. 2 (1839), 115, 119. 89

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum b) Die Übertragung der Theorie von der mystischen Person durch Wilhelm Eduard Albrecht

aa) Die moralische Person in der Gesamtbelehnung Albrecht schließlich wandte die Theorie von der mystischen Person auch auf die Gesamtbelehnung an. Wilhelm Eduard Albrecht (1800 - 1871) war Schüler Eichhorns in Göttingen und wurde 1830 sein Lehrstuhlnachfolger dort. Er gilt als Begründer der dogmatischen Behandlung des Stoffes in der deutschen Rechtsgeschichte in der Absicht, die zivilistische Gleichwertigkeit von römischem und deutschem Recht nachzuweisen.93 Die Anwendung der Theorie auf die Gesamtbelehnung zeigt wiederum das Bestreben, eine einheitliche Konstruktion für verschiedene Institute der Gesamthand zu finden, also einen Wesenskern der Gesamthand, den alle Ausbildungen des Gesamthandsgedankens enthalten. Dieses Bestreben ist jedoch ebenso wie bei Eichhorn 94 noch eher unterschwellig und noch nicht konkret formuliert. Albrecht widmet in seinem Buch „Die Gewere als Grundlage des ältern deutschen Sachenrechts" ein Kapitel der Gesamtbelehnung. Er charakterisiert die Gesamtbelehnung in ihrer Vereinigung als moralische Person. Aus dieser Charakterisierung folgt eigentlich, daß sie deshalb als juristische Person für lehensunfähig gehalten werden müßte. Diese Folgerung aber, so Albrecht, stehe in Widerspruch zum sächsischen und schwäbischen Lehenrecht: Nach Art. 32 § 1 des sächsischen Lehnrechts 95 dürften die Brüder die Belehnung zur gesamten Hand fordern und ihr Recht auf Anwachsung vererben. A l l das spreche dagegen, daß der einzelne Mitbelehnte selbst nicht in einer rechtlichen Beziehung zu dem Gesamtlehen stehe, sondern diese Beziehung durch eine juristische Person abgeschnitten sei. 96 Daher müsse ein Unterschied gemacht werden zwischen juristischer und moralischer Person. Auf der einen Seite könnten die Gesamtbelehnten nicht lehensunfähig sein, auf der anderen Seite müßten sie aber auch eine moralische Person bilden. Diese letzte Notwendigkeit ergebe sich aus der Art der Vererbung des Lehens. Da nach dem 93

Schönebaum, N D B Bd. 1, S. 185. Vgl., oben 8. Kapitel, I I I . 2. 95 Art. 32 § 1: „man mac vil brudern ein gut lihen, ab si ez mit gesammter hand empfahen... § 2 de wile sie auch daz gut zusamene haben, stirbt ir einer, sein kint trit in des vaters stat; zitiert nach Albrecht, Die Gewere, S. 242, Fn. 662, der die Stelle fälschlich Art. 34 zuordnet; die hochdeutsche Übertragung nach Hirsch, Sachsenspiegel-Lehnrecht S. 136/137 lautet: § 1 Man kann vielen Brüdern ein Gut verleihen, wenn sie es mit gesamter Hand empfangen . . . § 2 Stirbt einer von ihnen, während sie das Gut zusammen haben, so tritt sein Kind an des Vaters Stelle. 96 Albrecht, Die Gewere, S. 242. 94

III. Die Weiterentwicklung der Theorie von der mystischen Person

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ältesten Lehenrecht alle Söhne auf das Lehen, wie es der Vater besessen habe, ein Recht behalten sollten, so müsse ihre Vereinigung nicht nur der inneren Natur nach, sondern auch nach außen die Gestalt eines Vasallen annehmen, da ansonsten die Nachfolge mehrerer Söhne in die Gestalt des Lehens, das ihr Vater besessen hätte, anders nicht denkbar sei. 97 Wie aber ist nun dieser Gegensatz zwischen Lehensfähigkeit der einzelnen Mitbelehnten und moralischer Person aufzulösen? Zunächst einmal hält Albrecht die moralische Person nicht für eine Ausnahmeerscheinung der juristischen Person. Aber ein Unterschied liegt in Folgendem: Personen, die bereits vor der Lehensinvestitur lehensfähig gewesen sind, konnten nicht durch die Investitur, also den A k t , der die moralische Person konstituierte, ihrer Lehensfähigkeit beraubt werden. Dies ist insofern widersinnig, als in einem A k t zugleich die Lehensfähigkeit verliehen und vernichtet würde. 98 Der Unterschied liegt in einem zeitlichen Moment. Konstituierte sich die moralische Person erst mit der Investitur, so blieben die Gesamtbelehnten lehensfähig und hatten also neben ihrer Verbindung in der moralischen Person eine eigene subjektive Qualität. Konstituierte sich die moralische Person aber bereits vor der Investitur und wurde nun die moralische Person als solche belehnt, so blieb der einzelne Gesamtbelehnte lehensunmündig. Albrecht faßt diese Schlußfolgerung so zusammen: „ . . . daß letztere vor der Belehnung, e;rstere dagegen durch die Belehnung entstehe." 99 Nach Albrecht gibt es folglich zwei Arten von moralischen Personen, solche, bei denen die Glieder keine eigene subjektive Qualität besitzen und solche, die ihre eigene Lehensfähigkeit durch die Summe der Lehensfähigkeiten ihrer Mitglieder erhalten. Hier liegt die Parallele zu Hasses mystischer Person. Auch hier ist der corpus der moralischen Person gerade geprägt durch die ihn bildenden Individuen selbst. Die Verabsolution ist also noch nicht in jeder Hinsicht so weit gediehen, als daß sie einen erheblichen personenrechtlichen Einschlag schon vollständig verdecken könnte. Die moralische Person ist nach Albrecht sowohl die Summe der sie bildenden Gesamtbelehnten als auch ein darüber hinausgehendes Subjekt mit eigener Rechtssubjektivität. Damit erhält der Begriff „moralische Person" eine sehr schillernde, ambivalente Gestalt.

bb) Möglichkeiten historischer Argumentation Karl Kroeschell über Albrechts Gewere Die Behandlung des Buchs „Die Gewere als Grundlage des ältern deutschen Sachenrechts" durch Karl Kroeschell 100 bietet wiederum Gelegenheit, 97 98 99

Albrecht, Die Gewere, S. 243. Albrecht, Die Gewere, S. 242, Fn. 664. Albrecht, Die Gewere, S. 242, Fn. 664.

11 Ascheuer

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

die Möglichkeiten und Vorgehensweisen historischer Argumentation zu beleuchten. Ausgehend von den Leistungen Albrechts, deren Selbständigkeit gegenüber geläufigen juristischen Denkfiguren Kroeschell hervorhebt, 101 steht im Mittelpunkt seiner Betrachtung die wissenschaftliche Methodenlehre und zwar in der Gegenüberstellung der Vorgehensweise Albrechts zu der Carl Friedrich Gerbers in seiner Abhandlung „Über die Gewere in den deutschrechtlichen Quellen des Mittelalters". Während sich nach Meinung Kroeschells Albrecht mit der von Eichhorn 1 0 2 formulierten germanistischen Methoden seiner Zeit in Einklang befunden habe, liege dem Werk Gerbers eine grundsätzlich andere Konzeption zugrunde. Gerber hatte nicht nur die historischen Gegebenheiten reproduzieren wollen, sondern aus diesen Gegebenheiten allgemeine juristische Gedanken herauszuarbeiten versucht. 103 Anders als Albrecht, der sich bemühte, ein Abbild des in der Realität aufweisbaren Zusammenhangs mittelalterlichen deutschen Rechts zu geben, stand für Gerber das System abstrakter Rechtsinstitute im Vordergrund. 104 Die germanistische Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts bietet in methodologischer Hinsicht reizvolles Anschauungsmaterial für die Nutzbarmachung wissenschaftlichen Umgangs mit Rechtsquellen für die aktuelle Diskussion. Hatte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Erfassung germanistischer Rechtsquellen kaum vorgelegen, so war eine Privatrechtswissenschaft, die sich nunmehr der Beschäftigung mit diesen Quellen widmete, zunächst darauf angewiesen, ein Konzept für den Umgang mit dem Quellenmaterial vorzulegen. Die Wissenschaftler waren also zu einer Reflexion ihres Tuns gezwungen, da sie sich nicht auf eine jahrhundertelange Tradition stützen konnten. In der Begutachtung methodologischer Unterschiede der germanistischen Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, der Konfrontation der verschiedenen Deutungsversuche mit dem Quellenbefund selbst nun sieht Kroeschell einen Weg zur Selbstkontrolle des eigenen methodologischen Vorgehens und zur Gewinnung brauchbarer wissenschaftlicher Kriterien. In diesem Bemühen sieht er zwei maßgebliche Ergebnisse, nämlich die Nutzbarmachung der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts und gleichzeitig eine neue Repräsentation dieser Privatrechtswissenschaft in der Brechung eines historischen Zeitabstandes. 105 100

Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise, in: Wissenschaft S. 249, 272. 101 Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise, in: Wissenschaft S. 249, 272. 102 Eichhorn, Ueber das geschichtliche Studium, ZgeschRW Bd. 103 Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise, in: Wissenschaft S. 249, 274. 104 Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise, in: Wissenschaft S. 249, 274/275. 105 Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise, in: Wissenschaft S. 249, 272.

und Kodifikation I, und Kodifikation I, 1 (1815), S. 124 ff. und Kodifikation I, und Kodifikation I, und Kodifikation I,

III. Die Weiterentwicklung der Theorie von der mystischen Person

163

Historische Argumentation bedeutet hiernach methodische Nutzbarmachung, also die Untersuchung der Vorgehensweise, mit der sich Juristen in vergangenen Jahrhunderten einem Problem genähert, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln sie das Problem einer Lösung zugeführt haben. Die Bedeutung eines solchen Vorgehens liegt darin, historische Argumente nicht unreflektiert in die aktuelle Diskussion einzuwerfen. 106 Eine Nutzbarmachung vollzieht sich auf dem Weg der Untersuchung, auf welche Weise solche Argumente gewonnen worden sind und ob diese Art der Gewinnung in der modernen Dogmatik noch durchführbar ist. c) Nutzbarmachung methodischer Ansätze für die Gesamthandsdiskussion

Neben dem Bemühen um die Gewinnung von gegenüber zeitgeschichtlichen Strömungen unabhängiger Bausteine des Wesens des Gesamthandseigentums aus der Betrachtung der dogmengeschichtlichen Genese ist die methodische Untersuchung ein weiteres Kriterium, das für die aktuelle Gesamthandsdiskussion nutzbar gemacht werden kann und so möglicherweise zu einer Begrenzung des Streitstandes beizutragen vermag. In methodischer Hinsicht ist bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erkennbar, daß bis zum Beginn dieses Jahrhunderts das Schwergewicht auf der Betrachtung der Vermögensseite lag. Hier läßt sich der Streit auf die Frage restringieren, ob dieses Vermögen in Teile, seien es reale oder gedachte, zergliedert ist oder eben nicht. Mit der Theorie Hasses rückt nun zu Beginn des 19. Jahrhunderts die personenrechtliche Komponente in das Betrachtungsfeld. Erörtert wird nunmehr die Frage, ob die Gesamthänder selbst oder eine aus ihnen gebildete dritte Person in eigentumsrechtlicher Verbindung zum Gesamtvermögen steht. Und noch eine weitere Tendenz läßt sich nachzeichnen. Mit der Entwicklung der Theorie vom dominium plurium in solidum und der durch das Vernunftrecht geförderten Suche nach geschlossenen Systemen und Oberbegriffen, bemühen sich die Juristen in ihren Beiträgen zur Gesamthandsdogmatik um die Aufdeckung von Parallelen und Wesensverwandtschaften der verschiedenen Institute eheliche Gütergemeinschaft, Ganerbschaft und Gesamtbelehnung. Das Bemühen um die Schaffung einer einheitlichen Begriffsdefinition, die die Gemeinsamkeiten der Institute bei all ihrer Vielfalt wesensmäßig kennzeichnet, setzte sich auch gegenüber der sich wiederum in Einzelfallbetrachtung ergehenden, konservatorischen romanistischen Strömung, repräsentiert durch Duncker, Mittermaier und Maurenbrecher, durch.

106

Ii*

Klippel, Der zivilrechtliche Schutz, S. 26.

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8. Kap.: Abkehr vom dominium plurium in solidum

I V . Zusammenfassung Hasse gelang es, der sich in Einzelfallbetrachtung aufzulösen beginnenden Gesamthandsdogmatik eine neue eigenständige Konstruktion der mystischen Person entgegenzusetzen. Allerdings besaß seine Theorie nicht die Kraft, sich allgemein und zwar in der ihr von Hasse selbst gegebenen Form, durchzusetzen. Dies zeigte sich schon daran, daß auch grundsätzliche Befürworter wie Eichhorn 107 diese Theorie in der ihr von Hasse verliehenen Gestalt durch eigene Umgestaltungen veränderten. Trotz dieser Modifikationen barg die Theorie eine Flexibilität in sich, die es ermöglichte, mit ihrer Hilfe auch andere Gesamthandsinstitute aufzuschlüsseln. So befand sich also die Wissenschaft seit Beginn des 19. Jahrhunderts und der Prägung des Begriffs des Gesamteigentums durch Hofacker 108 weiterhin auf der unablässigen Suche nach einem einheitlichen Gesamthandssystem, ohne daß dieses Bedürfnis bis zu diesem Zeitpunkt konkret formuliert wurde.

107 Vgl., oben 8. Kapitel, I I I . 2. los Vgl., oben 6. Kapitel, I I I . 1. b).

Neuntes Kapitel

I m Zuge der Genossenschaftstheorie Die Gesamthand als Rechtsprinzip Die in den vielfältigen Abwandlungen der Hasseschen Theorie zunehmend zerfließende Gesamthandsdiskussion gewann erst durch die Genossenschaftstheorie wieder festumrissene Konturen. Stellvertretend für diese Theorie stehen zwei Namen: Georg Beseler und Otto von Gierke. Die Genossenschaftstheorie ist zu verstehen vor dem Hintergrund der großen sozialen und politischen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts. Tritt bei Beseler diese Interdependenz von sozialer Wirklichkeit und Genossenschaftstheorie noch nicht so deutlich zu Tage, so ist sie bei Otto von Gierke unverkennbar. Für ihn war die Personalgenossenschaft das Mittel zur Erringung und Wahrung ökonomischer Selbständigkeit seitens der arbeitenden Klasse.1

I . Die Genossenschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts 1. D i e Bedeutung der Genossenschaften

Stradal 2 definiert Genossenschaften als Personenverbände zur Erfüllung der von ihren Mitgliedern angestrebten religiösen, kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, rechtlichen oder politischen Zwecke. Im 19. Jahrhundert ergab sich ein besonderes Bedürfnis nach der Bildung solcher Genossenschaften, um dem gegenüber einer autoritär herrschenden Staatsgewalt politisch machtlosen Bürgertum zu seinem Recht auf staatliche Mitverantwortung zu verhelfen. Gierke formuliert die Notwendigkeit solcher Genossenschaften wie folgt: „Was der Mensch ist, verdankt er der Vereinigung Mensch und Mensch" 3 . Die Genossenschaftsbewegung, die in England und Frankreich ihren Ausgangspunkt hatte und in Deutschland 1867 mit dem ersten deutschen Genossenschaftsgesetz in Preußen eine gesetzliche Regelung erfuhr 4 , ist als Ergebnis

1 2 3 4

Gierke, GenR I, S. 1036. Stradal, Stichwort „Genossenschaft", H R G I I , Sp. 1522. Gierke, GenR I, S. 1. Coing, Europ. PrivR I I , S. 134.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

der industriellen Revolution, ihren soziologischen und politischen Auswirkungen zu werten. 2. Die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Interessenwahrnehmung als Folge der industriellen Revolution In Deutschland setzte eine großflächige Umstellung handwerklicher Herstellung auf eine Güterproduktion in großen Mengen unter Benutzung naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse etwa mit dem Beginn des Eisenbahnbaus 1840 ein. Mit der Massenproduktion ging die Ausbildung neuer sozialer Gruppen einher. Der Typus des Unternehmers und des Arbeiters brach die verkrustete Ständegesellschaft von Adel, Klerus, Bürgertum und Bauernschaft auf. In weiten Teilen des persönlichen Lebensbereiches ersetzte für eine Vielzahl von Menschen nun die neue Produktionsweise auch private Entscheidungen. Nicht nur der Arbeitsablauf war fremdbestimmt, sondern auch die Auswahl des Wohnortes, der sich am Arbeitsplatz zu orientieren hatte, zumeist am Rand der großen Städte. Die Massenproduktion bestimmte die Arbeitsbedingungen, die Rentabilität der Unternehmen erforderte den 12-Stunden-Tag, Kinder- und Frauenarbeit, den Mangel an sozialer Absicherung. 5 Aufgestautes Arbeiterelend entlud sich erstmals in dem schlesischen Weberauf stand von 1844.6 Dies war der Beginn eines Bewußtseinsprozesses innerhalb der Arbeiterschaft, der zu dem Ergebnis führte, die Lage durch Gewerkschaften, d.h. kollektive Lohnverhandlungen und Gestaltung der Arbeitsbedingungen, selbst zu verbessern. 7 1863 gründete Ferdinand Lasalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der sich 1869 mit dem ebenfalls 1863 von Wilhelm Liebknecht und August Bebel gegründeten Verband der deutschen Arbeitervereine zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei verband. 8 Vor dem Hintergrund der aus den geschilderten tatsächlichen Gegebenheiten gewonnenen Erkenntnis, gemeinsame Ziele durch den Zusammenschluß gegenüber einem autoritären Staat durchzusetzen, nimmt die Genossenschaftsbewegung ihren Ausgangspunkt. Genossenschaften wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet, um in Wirtschaft, Handwerk und Landwirtschaft für bestimmte Zwecke (billiger Einkauf von Rohmaterialien, Lebensmitteln, Beschaffung von Krediten, Absatz landwirtschaftlicher Produkte), konkreten Bedürfnissen als Selbsthilfe bestimmter Bevölkerungsgruppen unmittelbar gerecht zu werden mit den Mitteln des aus den Beiträgen der

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Coing, Europ. PrivR I I , S. 84. Schieder, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 15, S. 69. 7 Miller / Potthoff, S. 27. s Daviet, Fischer Weltgeschichte, Bd. 27, S. 225/226; Miller / Potthoff, S. 38. 6

I. Die Genossenschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts

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Mitglieder gebildeten Kapitals. 9 Es handelte sich also um eine Form gemeinschaftlicher Berechtigung. 1880 bestanden in Deutschland 1895 Kreditgenossenschaften, 645 Konsumvereine, 150 Rohstoffvereine und 131 Produktivgenossenschaften. 10 Das rechtspolitische Problem bestand darin, daß die Rechtsordnungen der deutschen Staaten für solche Zusammenschlüsse keine adäquaten Rechtsformen zur Verfügung stellten. Das A L R z.B. bot in I I 6 §§ 1 und 2 die Form der erlaubten Gesellschaft. Diese konnte jedoch jederzeit verboten werden, was in Anbetracht der politischen Erfahrungen aus der März-Revolution 1848 für die genossenschaftliche Arbeit hemmend war. 1 1 Das Vereinsrecht war wenig entwickelt, das Recht der Handelsgesellschaften paßte infolge der andersartigen Zielsetzung nicht. Faktisch bestanden Probleme insbesondere wegen der fehlenden Parteifähigkeit im Zivilprozeß. 12 Das praktische Bedürfnis drängte also auf die Beantwortung der Frage nach der Qualifikation gemeinschaftlichen Vermögens. In Abgrenzung zur Korporation erhielt damit auch die Gesamthand eine geschlossene Gestalt. 3. Kollektives Eigentum in der sozialistischen Eigentumslehre Ausstrahlungen auf die Qualifikation der genossenschaftlichen Form gemeinschaftlicher Berechtigung hatten auch die Lehren des Sozialismus. Das gemeinschaftliche Eigentum, das Kollektiveigentum und das Gemeineigentum bildeten den Mittelpunkt der sozialistischen Eigentumslehre. 13 Zwar lag der Schwerpunkt der Genossenschaftsbewegung auf den selbständigen Gewerbetreibenden des Mittelstandes, da sich die Genossenschaften für die Arbeiterschaft nur als unzureichendes Mittel sozialer Konfliktlösung erwiesen hatten, aber der Grundsatz genossenschaftlicher Solidarität entsprach der sozialistischen Forderung lohnender Tätigkeit für alle. Nur in dem Mittel zur Herbeiführung dieser Solidarität unterschieden sich die Bewegungen. Während der Sozialismus in der vollständigen Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsstruktur den Weg zur Gleichheit suchte, wollten die Genossenschaften die freie und individuelle Bewegungsfreiheit nicht einschränken. 14 Wenn also Gierke auf dem Boden eines liberalen Konstitutionalismus den Sozialismus ablehnte, weil die Verstaatlichung des Privatrechts in seinen Augen Unfreiheit und Barbarei bedeute 15 , so zielt dies eher auf den Weg zur

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Coing, Europ. PrivR I I , S. 130. Laufs, Genossenschaftsdoktrin, JuS 1968, 311, 313. 11 Laufs, Genossenschaftsdoktrin, JuS 1968, 311, 314. 12 Coing, Europ. PrivR I I , S. 131. 13 Schwab, Eigentum, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 112. 14 Laufs, Genossenschaftsdoktrin, JuS 1968, 311, 313. 15 Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, abgedruckt in: Wolf, Quellenbuch der Geschichte, S. 478, 486. 10

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

Erreichung der Gemeinschaftlichkeit als auf den Solidaritätsgedanken selbst. So ist es die von den Sozialisten betriebene mehr oder weniger ausgeprägte Überbetonung des Staates und die damit verbundene Einschränkung des Individuums, die Gierke angreift und nicht die sozialpolitische Bestrebung als solche. 16 Die sozialistischen Lehren setzten dem Wirtschaftsliberalismus also die Idee der wirtschaftlichen Gleichheit und das Recht des Menschen auf gesicherte wirtschaftliche Existenz entgegen. Demnach ist der Mensch in eine Gesellschaft hineingeboren und diese ist aufgrunddessen verpflichtet, die wirtschaftliche Gleichheit herbeizuführen und die wirtschaftlich Schwachen aufzufangen. 17 Dieser Solidaritätsgedanke bedingte die Ausbildung gemeinschaftlichen, überindividuellen Eigentums. Der romanistisch-liberale Eigentumsbegriff sah als Form gemeinschaftlichen Eigentums das Bruchteilseigentum oder das Eigentum der juristischen Person vor. Beide Eigentumsarten basieren auf der Grundlage des Individualeigentums, das die sozialistische Gesellschaftslehre gerade ablehnte. Daher mußte Gemeineigentum ein selbständiger, vom persönlichen Eigentum des einzelnen völlig abgesetzter Eigentumstypus sein. Im Verständnis des sozialistischen Eigentumsbegriffs ist das Kapital ein gemeinschaftliches Produkt, eine gesellschaftliche Macht und damit zwangsläufig Zuordnungsobjekt der Gesellschaft selbst. 18 Hinsichtlich der Konsumgüter besteht dagegen wiederum individuelles Eigentum. Die sozialistische Eigentumslehre unterscheidet folglich individuelles und gesellschaftliches Eigentum nach der Qualität des Eigentumsobjekts. Beide Eigentumsarten sind exklusiv. 19 Vor dem Hintergrund dieser geschichtlichen Vorgaben eröffnet sich das Verständnis der Gesamthandstheorien Georg Beselers und noch ausgeprägter das der Theorie Otto von Gierkes.

I I . Georg Beselers Konzeption der Gesamthand 1. Überblick über die Entwicklung seines Gesamthandsmodells Als Grundlage für die dogmatische Ableitung des Gesamthandseigentums dienten Georg Beseler (1809 - 1888), Professor der Rechte in Basel, Rostock, Greifswald und ab 1859 in Berlin 2 0 , die Vergabungen von Todes wegen.

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Spindler, S. 68. Coing, Europ. PrivR I I , S. 74; Schieder, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 15, S. 77. 18 Schwab, Eigentum, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 113. 19 Schwab, Eigentum, in: Geschichtliche Grundbegriffe, S. 112. 20 Lang-Hinrichsen, N D B Bd. 2, S. 174/175. 17

II. Georg Beselers Konzeption der Gesamthand

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In den Vergabungen von Todes wegen sah Beseler ein typisch germanisches Prinzip: Dem deutschen Recht sei im Gegensatz zum römischen Recht jede Art freier Verfügung über das Vermögen von Todes wegen fremd gewesen.21 Als Folge der feierlichen Auflassung, dem Mittel der Übertragung, entstehe bis zum Tode des Verfügenden ein Gesamthandseigentum zwischen Verfügendem und Erwerber. 22 Erst nach dem Tode des Verfügenden wachse dem Erwerber das Volleigentum zu. 2 3 Die Qualität dieses Gesamteigentums versucht Beseler im Folgenden näher zu beleuchten, dabei besteht in seinen Ausführungen von 1835 zunächst noch kein Unterschied zwischen Gesamthand und Genossenschaft. Beide Gestaltungen fließen ineinander über. Erst in dem „System des gemeinen deutschen Privatrechts" 24 widmet Beseler der korporativen Genossenschaft und dem Gesamteigentum je ein eigenes Kapitel und stellt die Unterschiede heraus. Er führt aus, daß er den Begriff Genossenschaft ursprünglich für alle diejenigen Vereine gebraucht habe, welche sich in vielfältiger Ausgestaltung zwischen der reinen universitas und der communio bewegt hätten; es habe sich aber eine schärfere Abgrenzung der Begriffe empfohlen. 25 Diese Entwicklung geht zeitlich einher mit der fortschreitenden faktischen Zunahme der Gründungen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Genossenschaften. Das praktische Bedürfnis erforderte nunmehr eine eingehendere Untersuchung. 2. Die Form des Gesamteigentums in der „Lehre von den Erbverträgen" a) Die Unbrauchbarkeit römischrechtlicher Ansatzpunkte

Bei den Vergabungen von Todes wegen bewirkt die feierliche Auflassung, daß dem Erwerber ein dingliches Recht eingeräumt wird und nach Meinung Beselers ist dies der Mittelpunkt seiner Untersuchung 26 . Er meint, die Auflassung habe zur Folge, daß einerseits der Erwerber zur Sicherung des Erwerbs nach dem Tode des Veräußerers bereits zu dessen Lebzeiten ein dingliches Recht erhalte, andererseits aber auch der Veräußerer durch die Auflassung sein eigenes dingliches Recht nicht verliere. 27 Dieses Spannungsverhältnis der doppelten Berechtigung bedurfte also einer Regelung.

21 22 23 24 25 26 27

Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler,

Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 1. Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 69. Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 19. System des gemeinen deutschen Privatrechts, 4. Auflage 1885, S. 322. System, S. 325. Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 70. Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 70.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

Keine Schwierigkeiten traten auf, wenn jemand einem anderen ein Grundstück aufließ und sich selbst den Nießbrauch vorbehielt. Durch das Stufenverhältnis von Eigentum und Nießbrauch kam es zu keinen eigentumsrechtlichen Kollisionen. 28 Probleme ergaben sich dann, wenn der Veräußerer sich nicht nur mit dem Nießbrauch begnügte, sondern ebenfalls Eigentümer blieb. 29 Als Lösungsansätze negiert Beseler das römischrechtliche Modell des Miteigentums ebenso wie die Theorie Hasses von der mystischen Person: Das römische Recht passe nicht, weil nicht einzelne, wenn auch ideelle Teile, an der Sache übertragen würden, sondern die ganze Sache.30 Nach römischem Recht könne zwar die Sache, das dominium, in mehrere Teile zerlegt werden, das Recht selbst sei seinem Begriff nach jedoch unteilbar. 31 Für gemeinschaftliches Eigentum stelle das römische Recht die Figur der universitas und die der communio zur Verfügung. Der Unterschied zwischen beiden liege in dem unterschiedlichen Grad der Selbständigkeit von dem übereinstimmenden Willen der Teilnehmer. Die universitas habe sich im Gegensatz zur communio von diesem schon völlig gelöst. 32 Zwar habe auch das römische Recht sich aufgrund der Anforderungen des täglichen Lebens nachgiebig gezeigt 33 , das Wesentliche sei jedoch, daß das Eigentum als solches ausschließend und unteilbar sei, und daß die universitas die Rechte des einzelnen vollständig aufhebe, die communio dagegen die Rechte vollständig bestehen und sich zwischen diesen beiden Extremen keine Konkordanz herstellen lasse.34 Der römische Begriff des Eigentums kann also im deutschen Recht nicht durchgeführt werden. 35 Die Theorie von der mystischen Person lehnt Beseler ab, weil sie eine Fiktion sei und keineswegs geeignet, hieraus Folgerungen für die Beurteilung eigentümlicher Institute zu ziehen. 36 b) Die Suche nach einem leitenden Prinzip

Zwischen diesen beiden negativen Determinanten sucht Beseler nun nach einem eigenen Lösungsweg. Die Prämisse der Suche nach einem leitenden Prinzip stellt die Beobachtung dar, daß die verschiedenen Institute des nationalen Rechts frei aus den Bedürfnissen und Verhältnissen des Lebens hervor28

Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 71. Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 74. 30 Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 74. 31 Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I , S. 75. 32 Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I , S. 76. 33 Vgl. zu den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten von universitas und communio, oben 2. Kapitel, I V . 2. c) und I I I . 3. a). 34 Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I, S. 77. 35 Vgl. Schröder, Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/ 1983), Teil 1, 399, 405. 36 Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I , S. 88. 29

II. Georg Beselers Konzeption der Gesamthand

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gegangen und nicht dem Bedürfnis entsprungen seien, einer logischen Regel zu genügen. Also könne man seiner Meinung nach den Instituten keine gewonnene Regel unterlegen, sondern aus der Betrachtung ihrer Genese die Determinanten ihrer Entwicklung herausfiltern. 37 So entdeckt Beseler als eigentümlichen Zug des germanischen Lebens den korporativen Trieb. Hierzu führt er aus: Es gebe hierbei keine klare Einteilung in die Kategorien von universitas oder communio. Die Gestaltung der Genossenschaften sei vielmehr so schillernd, daß universitas und communio nur als Extreme einer breiten Palette genossenschaftlicher Verbindungen zu werten seien. 38 Besondere Beachtung widmet Beseler den Ganerbschaften, weil hier das Quellenmaterial vielfältig ist und sie daher ein angemessenes Beispiel zur Beurteilung ähnlicher Verhältnisse darstellen. 39 Beseler stellt fest: Bei den Ganerbschaften sei nicht die Gemeinschaft, sondern das einzelne Mitglied berechtigt und verpflichtet gewesen. Nach außen dagegen sei die Ganerbschaft als geschlossenes Ganzes aufgetreten. Das Verhältnis untereinander sei aber von dem Prinzip geprägt gewesen, daß die Rechte einzelner nicht vollständig in der Gemeinschaft aufgegangen seien. 40 Die Verhältnisse bei den Ganerbschaften hält Beseler als beispielhaft auch für andere Gesamthandsinstitute. 41 Es gelangt hier die Idee der Gesamthand als Rechtsprinzip zum Ausdruck. Beseler selbst bezeichnet die Gesamthand allerdings erst in dem „System des gemeinen deutschen Privatrechts" 42 ausdrücklich als Rechtsprinzip. Die Suche nach vergleichbaren Strukturen zur Lösung ähnlich gearteter Rechtsfragen bei verschiedenen Gesamthandsinstituten wird aber schon in der Lehre von den Erb Verträgen deutlich. Für die gemeinsame Struktur hält Beseler den Ausdruck Gesamteigentum für angemessen. Er versteht hierunter das Verhältnis mehrerer Personen zu einer Sache, deren Eigentumsrecht unter ihnen geteilt ist, ohne daß ein dominium directum oder ein dominium utile vorliegt. 43 Aus den Erörterungen Beselers hinsichtlich des Gesamteigentums wird deutlich, daß Begriffe wie Korporation, Genossenschaft und Gesamthand ineinander übergreifen. Noch hat seine Gesamthandslehre keine klaren Konturen gewonnen, die Grenze zur juristischen Person ist nicht deutlich abgesteckt. Fest steht dagegen schon, daß Beseler die Anwendung römischer Institute auf die dem germanischen Rechtsleben typischen Institute als unpassend empfindet, weil sie fremde Elemente in eine geschlossene Struktur hineintra37 38 39 40 41 42 43

Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler,

Die Lehre von Die Lehre von Die Lehre von Die Lehre von Die Lehre von System, S. 88. Die Lehre von

den den den den den

Erbverträgen Erbverträgen Erb Verträgen Erbverträgen Erb Verträgen

I, I, I, I, I,

S. S. S. S. S.

78. 80. 81. 82. 84.

den Erbverträgen I, S. 88.

172

9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

gen, die wie Fremdkörper wirken. Das Verhältnis der Gesamthandsgemeinschaften zur juristischen Person bleibt dagegen noch unklar. Einerseits tragen Gesamthandsinstitute nach Meinung Beselers einen korporativen Trieb in sich, andererseits aber steht er Hasses mystischer Person ablehnend gegenüber. Bei den Ganerbschaften hebt er hervor, daß nicht die Gemeinschaft, sondern die einzelnen Mitglieder berechtigt und verpflichtet seien. Weiter lehnt er es ab, den Begriff Gesamteigentum für die Eigentumsverhältnisse der universitas zu verwenden. Insgesamt erscheint Beselers Gesamthandstheorie in der „Lehre von den Erbverträgen" daher als noch nicht ganz ausgereift. Er vermochte sie aber in seinem späteren Werk „System des gemeinen deutschen Privatrechts" zu präzisieren. 44 3. Beselers erweiterte Gesamthandskonzeption im „System des gemeinen deutschen Privatrechts" In diesem Werk Beselers fällt schon durch die kapitelmäßige Trennung der Behandlung der korporativen Genossenschaft und der Betrachtung des Gesamteigentums eine dieser optischen Trennung entsprechende sachliche Unterscheidung beider Institute auf. Beseler räumt ein, früher selbst den Ausdruck Genossenschaft für alle Ausprägungen von personalen Zusammenschlüssen gebraucht zu haben: Nun aber sei die Genossenschaft von denjenigen Vereinen und Gemeinschaften zu unterscheiden, die ein gewisses korporatives Element in sich trügen, mit diesem durchwachsen seien, ohne jedoch eine Korporation zu bilden. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal sei die juristische Persönlichkeit. 45 Die Gesamthand definiert Beseler in Abgrenzung zur Korporation als materielle Rechtsgemeinschaft, welche für bestimmte Beziehungen die Grenze der Persönlichkeit der Beteiligten aufhebe und gleichmäßig über die ihnen gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitere, ohne jedoch ein neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung zu begründen. 46 Darin verdeutlicht sich die sachliche Trennung von Gesamthands- und Korporationslehre. Allerdings - und hier nimmt Beseler die Verbindungslinie zur Korporation wieder auf - ist die Lehre vom Gesamteigentum nach dem Vorbild der Korporationen zu beurteilen 47 : Kennzeichen des Gesamteigentums sei es, daß sie nicht über juristische Persönlichkeit verfüge. Die Gesamthand stelle die Summe der Einzelrechte dar. Von der communio unterscheide sie die Innigkeit und die Dauer des Verhältnisses. A m Vermögen bestünden keine arithmetischen Teile. Gleichwohl sei jeder Beteiligte unmittelbar an 44 Vgl. Schröder, Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini, Bd. 11/12 (1982/ 1983), Teil 1, 399, 416. 45 Beseler, System, S. 275. 46 Beseler, System, S. 275. 47 Beseler, System, S. 276.

II. Georg Beselers Konzeption der Gesamthand

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dem Gesamtvermögen berechtigt. Die Organisation sei der Korporationsverfassung insoweit nachgebildet, als sich die getrennten Einzelwillen der Genossen zu einem gemeinschaftlichen Willen vereinigten und so zur einheitlichen Herrschaft über das Vermögen befähigten. 48 Grundsätzlich leitet Beseler für das Rechtsprinzip der Gesamthand folgende Thesen ab: 1. Die volle Herrschaft über eine Sache können nicht mehrere Personen gleichzeitig nebeneinander ausüben; die Möglichkeit des Gesamteigentums liegt in der speziellen Beschaffenheit des Rechtssubjekts.49 2. Die Verteilung der Eigentumsrechte unter der Gesamtheit und den einzelnen Genossen ist so vorzunehmen, daß in entscheidenden Fällen ein einheitlicher Wille gebildet werden kann. 50 3. Das Sonderrecht der einzelnen Genossen steht dem Recht der Gesamtheit selbständig gegenüber, es kann mit der Aufhebung der Vereinigung folglich nicht erlöschen. 51 Das korporative Element liegt bei der Gesamthand also in der Zusammenfassung der Beteiligten zu einer Gruppe, die einer einheitlichen Willensbildung fähig ist, nur besitzt diese Gruppe keine eigene juristische Rechtspersönlichkeit. Ihr Charakter wird geprägt durch die Rechtspersönlichkeit ihrer Glieder selbst, die nach wie vor mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Sie bringen ihre eigene Rechtspersönlichkeit in die Gesamthand ein. Das Schwergewicht der Erörterungen Beselers liegt auf der Seite des Rechtssubjekts. Das Rechtsobjekt, das gemeinschaftliche Eigentum, ist ungeteilt. Unmittelbare eigentumsrechtliche Beziehungen bestehen zwischen Rechtsobjekt und jedem Glied der Gesamthand. Aber das Recht des einzelnen unterliegt der Beschränkung einheitlicher Willensbildung. Die Gesamthand als Organisation ist ein Personenzusammenschluß ohne juristische Persönlichkeit. 4. Die Gestaltung der Theorie unter dem Eindruck des geschichtlichen Umfeldes a) Parallelen zur Theorie Hasses

Obwohl Beseler die Theorie Hasses als eine unangemessene Fiktion abtat 52 , sind parallele Strukturmerkmale doch erkennbar. Genau wie Beseler wich Hasse davor zurück, der mystischen Person der Ehegatten die Qualität einer juristischen Person beizumessen. Dies folgte für Hasse aus der Unangemes48 49 50 51 52

Beseler, Beseler, Beseler, Beseler, Beseler,

System, S. 324. System, S. 325. System, S. 325. System, S. 326. Die Lehre von den Erb Verträgen I, S. 88.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

senheit der Übertragung organisatorischer Strukturen der juristischen Person wie dem Majoritätsprinzip und der Unabhängigkeit der juristischen Person von dem konkreten Bestand ihrer Mitglieder. Auch Hasse verabsolutierte wie Beseler nicht die Personen von der Organisationseinheit. Vielmehr waren es die Ehegatten, die mit ihrer Individualität die mystische Person färbten. 53 Aber während Hasse jede eigentumsrechtliche Berechtigung der einzelnen Ehegatten an dem Gesamtgut negierte, steht bei Beseler das Eigentum den Mitgliedern selbst zu. Die Organisation dient der Bündelung der Einzelwillen, ohne die ein einheitliches Handeln im Hinblick auf das Gesamteigentum nicht möglich ist. Die Zusammenfassung der Gesamthänder stellt sich also als ein einheitliches Ganzes dar, ohne aber ihrerseits über eine eigene Rechtspersönlichkeit zu verfügen. b) Der Einfluß der Historischen Rechtsschule und der faktischen Entwicklung des Genossenschaftswesens auf Beselers Argumentation

In der Argumentationsform Beselers, der Betrachtung der historischen Genese deutschrechtlicher Institute und der Herausarbeitung allgemeiner Rechtssätze aus ihrer Beschaffenheit, realisiert sich das Arbeitsprogramm der Historischen Schule. 54 Daß Beseler die Anwendbarkeit römischen Rechts im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Duncker trotz fast identischer Argumentation 5 5 als unpassend empfand, beruhte darauf, daß er sich dem germanistischen Zweig der Historischen Rechtsschule verbunden fühlte 56 , der sich um die geschichtliche Verwurzelung des germanischen gemeinen Privatrechts bemühte. Die parallele Argumentationsweise ist zugleich aber auch ein Hinweis darauf, daß die Gegensätze zwischen den beiden Zweigen der Historischen Rechtsschule in der Polemik stärker hervortraten, als es der wahren Lage entsprach. 57 Einflüsse auf Beselers Argumentation lassen sich auch aus dem sozialgeschichtlichen Umfeld nachweisen. Mit Beselers fortschreitend konkreteren und wissenschaftlich durchdrungeneren Gesamthandskonzeption geht die historisch faktische Entwicklung des Genossenschaftswesens einher. War 1835, der Zeit der Entstehung der Lehre von den Erb Verträgen, das Genossenschaftswesen nocht nicht ausgeprägt, da die industrielle Revolution in Deutschland erst 1840 einsetzte, so ergab sich 1885, der Zeit der vierten Auflage des Systems des gemeinen deutschen Privatrechts, dagegen ein prakti53 Vgl., oben 8. Kapitel, II. 1. c). 54 Vgl., oben 8. Kapitel, I. 3. 55 Vgl. die Stellungnahme Dunckers zur Gesamthand, oben 8. Kapitel, I. 2. c). 56 Lang-Hinrichsen, N D B Bd. 2, S. 175. 57 Vgl. Duncker, Maurenbrecher, oben 8. Kapitel, I. 4.

II. Georg Beselers Konzeption der Gesamthand

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sches Bedürfnis nach Konturierung des nunmehr weit verbreiteten Genossenschaftswesen. 5. Der Umgang mit rechtshistorischen Vorgaben Kern 5 8 mißt Beselers Lehre von den Erbverträgen wegen dessen darin zum Ausdruck gelangenden historisch ausgerichteten Vorgehens die Bedeutung bei, zu den ersten Werken zu gehören, die ein Institut des geltenden Rechts nach der historischen Methode aus seiner Geschichte entwickeln. Damit erfülle sich, so Kern weiter, erstmals die Forderung Savignys, jeden Rechtsstoff bis zu seinen Wurzeln zurückzuverfolgen. Diese Wertung bietet wiederum einen Anknüpfungspunkt, um den Umgang moderner Autoren mit historischen Vorgaben zu beleuchten und ihre Schlußfolgerungen für den Gegenwartswert von Rechtsgeschichte zu erörtern. Kern hebt bei der Beurteilung des methodologischen Vorgehens Beselers hervor: Geschichtsbetrachtung erschöpfe sich nicht in der Darstellung älterer Geschichte, sondern stelle eine Verbindung zur Dogmatik her. Geschichte sei für Beseler kein Selbstzweck gewesen, sondern hätte der Dogmatik gedient. 59 Der Grund geschichtlicher Betrachtung durch Beseler liegt nach den Ausführungen Kerns darin, daß feste Anhaltspunkte, wie sie eine umfassende Legislation den Juristen biete, im 19. Jahrhundert für ganz Deutschland nicht bestanden habe. Der Germanist sei gezwungen gewesen, sein ganzes Material aus der Vorzeit herüberzuholen, um für die Gegenwart sichere und angemessene Resultate zu gewinnen. 60 Aus dieser letzten Äußerung Beselers zieht Kern den Schluß, daß Gesetze nur Auslegungshilfen hätten sein können, nicht jedoch Primärquellen, da sie nicht für ganz Deutschland gegolten hätten. U m Material für die dogmengeschichtliche Darstellung zu gewinnen, hätte die Geschichte des Instituts geschrieben werden müssen. Hieraus hätte sich dann ihr Geltungsgrund ermitteln lassen.61 Dogmengeschichte ist also nach Auffassung Kerns für Beseler ein Mittel zur Feststellung gewesen, inwieweit den überlieferten Ansichten nachzugeben sei. 62 Aus Kerns Analyse der methodologischen Vorgehensweise Beselers läßt sich ableiten, daß auch für Kern historische Betrachtung Mittel dogmatischer Argumentation ist - „sie ist nicht Selbstzweck, sondern dient der Dogmatik" 6 3 . Hierbei ist jedoch eine entscheidende Einschränkung zu beachten, die

58 59 60 61 62 63

Kern, Georg Beseler, S. 322. Kern, Georg Beseler, S. 319. Vgl. Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen I I / l , S. 4. Kern, Georg Beseler, S. 319. Kern, Georg Beseler, S. 322. Kern, Georg Beseler, S. 319.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

Beseler hinsichtlich der Zulässigkeit der Gewinnung dogmatischer Ansatzpunkte aus der Geschichte macht, und die auch Kern in seine Erwägungen einbezieht. Historische Argumentation legitimiert sich im 19. Jahrhundert aus dem Gesichtspunkt des Fehlens einer gesamtdeutschen Gesetzgebung. Die partikulären Gesetzbücher mit unterschiedlichem Regelungsgehalt deckten zudem flächenmäßig nicht den gesamten deutschsprachigen Raum ab. Nach Meinung Kerns sind die Gesetzbücher deshalb keine Primärquellen, weil sie keine Geltung für ganz Deutschland hätten. Aus dieser These läßt sich nun der Umkehrschluß ableiten, daß historischer Argumentation ein geringerer Stellenwert zukommt, wenn ein für das gesamte Deutschland geltendes Gesetzbuch existiert. Beseler und sich ihm anschließend Kern messen den Gesetzen den Wert eines festen Anhaltspunktes zur Beurteilung problematischer Rechtsfragen bei. Da aber der Germanist im 19. Jahrhundert gerade eines solchen Anhaltspunktes entbehrte, mußte er auf die geschichtliche Betrachtung zurückgreifen. Hierin kommt ein Stufenverhältnis zum Ausdruck, bei dem der Legislation die Priorität vor der historischen Argumentation zukommt. Das Problem, wie diese Frage in Anbetracht der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 zu beantworten ist, konnte Beseler nicht berücksichtigen. Die Fortführung der Gesamthandsdiskussion nach dem Ende der Kodifikationswelle am Ende des 18. Jahrhunderts und Beginn des 19. Jahrhunderts hat gezeigt, daß selbst eine auf Vollständigkeit bedachte Kodifikation wie das A L R 6 4 Regelungslücken, Generalklauseln und auslegungsbedürftige Rechtstermini aufweist, bei denen sich die historische Betrachtung als Argumentationshilfe anbietet. Den mit gesetzlicher Kraft ausgestatteten Rechtssätzen ist in Einklang mit Beseler und ihm folgend Kern Priorität beizumessen, sofern ein Einzelfall ihrem Regelungsgehalt unterliegt. Historische Argumentation kann sich nicht gegen den Willen des Gesetzgebers und seine gesetzgebende Autorität richten und sie zu untergraben suchen. Sie kann aber Regelungsdefizite auffüllen helfen. I I I . Die Weiterentwicklung der Genossenschaftstheorie durch Otto von Gierke 1. D i e Aufgabe des Genossenschaftsrechts

Aufbauend auf den Vorgaben seines Lehrers Georg Beseler entwickelte Otto von Gierke die Genossenschaftstheorie fort. 65 Otto von Gierke (1841 1921) habilitierte sich 1867 mit der Abhandlung „Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft" in Berlin. Neben Georg Beseler gehörte dort auch Carl Gustav Homeyer zu seinen Lehrern. 66 64 65

Vgl., oben 7. Kapitel, II. 2. Laufs, Genossenschaftsdoktrin, JuS 1968, 311.

III. Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes

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Den Ausführungen Gierkes liegt folgendes Programm zugrunde: Aufgabe des Genossenschaftsrechts ist es, die rechtlichen Grund Verhältnisse darzulegen, aus welchen sich die Rechtsordnung der Gemeinwesen bis aufwärts zum Staat aufbaut. Der Genossenschaftstheorie kommt ferner für die an sie angrenzenden Bereiche die Bedeutung zu, den eigentümlichen Charakter ihrer Rechtsgebilde dadurch zu wahren, indem sie eine über das römische Gedankensystem hinausschreitende moderne Gemeinschafts- und Gesellschaftsform ausbildet. Zu ihrer Bildung liefert das germanische Recht, insbesondere der Begriff der gesamten Hand, die Bausteine. 67 Da, wo das römische Recht der fortschreitenden rechtlichen und gesellschaftlichen Umwälzung nicht mehr Herr werden kann, findet also die Genossenschaftstheorie eine Existenzberechtigung. Ihre Definition erfordert wiederum die Abgrenzung zu anderen Instituten gemeinschaftlicher Berechtigung, zu denen auch die Gesamthand gehört. 2. Das Gesamthandsprinzip Otto von Gierkes a) Die Gesamthand als Rechtsprinzip

In Abgrenzung zur korporativen Genossenschaft widmete sich Gierke auch dem Gesamthandsprinzip, um durch die Erarbeitung der Unterschiede seinerseits der Genossenschaftstheorie schärfere Konturen zu verleihen. So bewirkte nach Meinung Gierkes die Vollendung des Körperschaftsbegriffs auch indirekt die Klärung der rechtlichen Natur derjenigen Gemeinschaften, die nicht als Körperschaft zu qualifizieren seien. 68 Nachdem bereits bei Beseler 69 die Idee der Gesamthand als Rechtsgedanke in unterschiedlich institutioneller Ausprägung erschienen ist, stellt Gierke nun ganz deutlich heraus, daß die Gesamthand kein Rechtsinstitut, sondern ein Rechtsprinzip sei. Dieses Prinzip besagt, daß mehrere Personen in einer rechtlichen Verbundenheit die Stellung eines Rechtssubjekts innehaben. Darin kommt ein Unterschied zu anderen Rechtsprinzipien zum Ausdruck, die mehreren Personen als unverbundenen Subjekten gemeinsame Rechte und Pflichten zuschreiben. 70 Als Rechtsprinzip ist die Gesamthand verschiedenartigster Verwendungen fähig. In ihr erblickt Gierke ein elastisches Gedankenelement, das an diesem und jenem Punkt auftauche, das sich stärker oder schwächer entfalte. Das Prinzip der Gesamthand kann ein Rechtsinstitut völlig beherr66 Mertens, Otto von Gierke, JuS 1971, 508; Wolf, Rechtsdenker, S. 671; Kleinheyer / Schröder, S. 96. 67 Gierke, Genth., S. 10/11. 68 Gierke, GenR I I , S. 923. 69 Vgl., oben 9. Kapitel, II. 2. b). 70 Gierke, ArchBürgR 19 (1901), 114, 117; Gierke, Genth., S. 342.

12 Ascheuer

9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

178

sehen oder überwiegend durchdringen oder aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. 71 So sieht er z.B. bei der Handelsgesellschaft im Gegensatz zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine umfassendere Verwirklichung des Gesamthandsprinzips und nennt es ein „Plus von gesamter Hand". 7 2 b) Das personelle Band als prägendes Element des Gesamthandsprinzips

Die lediglich graduellen Unterschiede der Verwirklichung des Gesamthandsgedankens in den verschiedenen Instituten gesamthänderischer Berechtigung ergeben sich nach Meinung Gierkes aus der besonderen Beschaffenheit der zwischen den Subjekten bestehenden personenrechtlichen Gemeinschaft. 73 Einen bestimmten Inhalt empfängt das Prinzip der gesamten Hand daher erst durch den besonderen Inhalt des ihre Subjekte umschlingenden personellen Bandes. 74 Als Gemeinschaft zur gesamten Hand definiert Gierke ein Gemeinschaftsverhältnis, dessen Trägerin eine genossenschaftlich verbundene Personenmehrheit ist: Ihr Wesen liege darin, daß die verbundenen Personen insgesamt zur aktiven Mitträgerschaft der Gemeinsphäre berufen seien. Die Personeneinheit erhalte ihre rechtliche Erscheinung aus der Gesamtheit der Teilhaber. Im Innenverhältnis sei sie von einem einheitlichen Gemeinschaftswillen beherrscht, nach außen trete sie als Gesamtheit auf, die in einheitlicher Weise berechtigt und verpflichtet sei. 75 In dieser Vereinigung bilde sie jedoch keine juristische Person. In dem gemeinschaftlichen Willen bleibe vielmehr der Einzelwille als essentieller Faktor erhalten. Eine gegenüber der Zusammenfassung der Einzelwillen verselbständigter und als Verbandspersönlichkeit organisierter Gemeinwille, wie er die juristische Person auszeichne, bestehe gerade nicht. 76 Von dem entgegengesetzten Extrem einer rein individuellen Betrachtungsweise grenzt Gierke die Gesamthand insofern ab, als bei ersterer die für sich stehenden Individuen eine rechtliche Verknüpfung nur durch ihre konkurrierende Beziehung zu demselben Herrschaftsobjekt herstellten. Die Gesamthänder sind dagegen in ein Verhältnis gegenseitiger Willensgebundenheit gesetzt und nur als Träger der hiermit gegebenen Willensgemeinschaft zur Herrschaft berufen. 77 Zuordnungssubjekt eigentumrechtlicher Beziehungen ist also die Summe der Gesamthänder, die Gierke als „geeinte Vielheit" oder 71 72 73 74 75 76 77

Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke,

ArchBurgR 19 (1901), 114, 118. ArchBUrgR 19 (1901), 114, 119. Genth., S. 356; ders., GenR I I , S. 944; ders., DPrivatR I, S. 675. Genth., S. 344. DPrivatR I, S. 664. Genth., S. 343. Genth., S. 343.

III. Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes

179

„kollektive Einheit" 7 8 bezeichnet. Allerdings, so Gierke weiter, sei mit dieser allgemeinen Formel noch nicht allzuviel gewonnen, denn die jeweilige Einheit erhalte ihre prägnante Gestalt erst durch das „ihre Subjekte umschlingende Band". 7 9 Gemeinsame Folge jedweder persönlicher Verbundenheit ist es, daß während des Bestandes der Eigentümergemeinschaft zur gesamten Hand entweder Anteile der Berechtigten als gesonderte Rechte an einem bestimmten Gegenstand überhaupt nicht vorstellbar sind oder aber unter den Begriff ideeller Quoten fallen, die jedoch jeglicher Wirksamkeit entbehren. Das die Teilhaber verknüpfende persönliche Band ist es, das ein Quotensystem ausschließt, in seiner Entfaltung hindert oder einschränkt. 80 c) Die Folgen personenrechtlicher Teilhaberschaft

Diese strenge solidarische Berechtigung gilt nach Meinung Gierkes nur für den eigentlichen Bereich der gesamten Hand. Allerdings erschöpft sich die Gemeinschaft zur gesamten Hand nicht in der Personeneinheit, sondern läßt Sondersphären der Gesamthänder zu, durch die wiederum die Gesamtsphäre eingeschränkt und ergänzt wird. 8 1 Diese Sonderrechte und -pflichten sind keine gemeinschaftlichen Rechte, sondern stehen im Rahmen des Gemeinschaftsprinzips den einzelnen Teilhabern als eigene zu. Zu diesen Sonderrechten zählt Gierke das Stimmrecht, Vertretungs-, Verwaltungsrechte, Sonderrechte auf Zuweisung einzelner Stücke bei Auflösung der Gemeinschaft, Sonderrechte auf Besitz, Ersatz-, Honorar- und Gewinnansprüche. 82 Gemeinsam ist diesen Rechten, daß sie nicht die eigentliche eigentumsrechtliche Beziehung der Gesamthänder zum Gesamtgut betreffen. Und unter dieser Prämisse wird verständlich, daß Gierke bei den Gesamthandsgemeinschaften das Anteilsprinzip mit dem Solidarprinzip als vereinbar ansieht, jedoch eben gerade nicht für den eigentlichen Bereich der Gesamthand 83 . Im Gegensatz zur communio schöpfen diese Teile das Gemeinschaftsverhältnis nie völlig aus und unterliegen in einem weiteren oder geringeren Umfang immer noch den Bindungen der Gesamthand. 84 Daher ergreifen die Anteile nur das Vermögensganze und lassen die in ihm enthaltenen Rechte und Pflichten ungeteilt. 85 Im übrigen sind sie Ausfluß der personenrechtlichen Teilhaberschaft. Dies zeigt sich darin, daß eine Verfügung über die in der Personenverbindung eingenommene Stellung möglich ist. Wo die personenrechtliche Seite des Ver78 79 80 81 82 83 84 85

12*

Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke, Gierke,

Genth., S. 343. Genth., S. 344. Genth., S. 346; ders., DPrivatR I, S. 676. DPrivatR I, S. 676. DPrivatR I, S. 677, Fn. 69. DPrivatR I, S. 677. GenR I I , S. 947. DPrivatR I, S. 678.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

hältnisses aber das Übergewicht behält, bleibt die Veräußerung eines Anteils in jedem Fall unmöglich. 86 Als Folge der besonderen persönlichen Qualität steht und fällt die Gesamthand mit der Verbundenheit ihrer Träger. Mit der Veränderung der subjektiven Einheit verändert auch die Gesamthand ihr charakteristisches Wesen. 87 Aber die Zusammenfassung zu dieser, wenn auch nicht verabsolutierten Einheit, befähigt die Gesamthand zur Fortdauer trotz Wechsels der verbundenen Personen. 88 Gerade hinsichtlich der Fähigkeit des Fortbestandes auch bei veränderter Trägerschaft liegt ein wesentlicher Unterschied der verschiedenen Typen der Gemeinschaften zur gesamten Hand. Während bei den familienrechtlichen Gemeinschaften und der Erbengemeinschaft hier eher enge Grenzen zu ziehen sind, bieten die Handelsgesellschaften einen breiteren Spielraum. 89 3. Das Gesamthandsprinzip im Spiegel des Menschenbildes Gierkes Gierke nähert sich dem Phänomen der Gesamthand also von der personenrechtlichen Seite. Im Zentrum seiner Betrachtung steht die Beziehung der Teilhaber untereinander und als Folge hiervon die Beziehung zum gemeinschaftlichen Eigentum: „Insoweit daher den Gegenstand der Gemeinschaft ein Vermögensobjekt bildet, wird das Vermögensrecht durch den Einfluß des Personenrechts in eigentümlicher Weise umgestaltet". 90 Zuordnungssubjekt des Eigentums ist die kollektive Einheit der Gesamthänder, die in ihrem Wesen durch die Einzelpersönlichkeit der Mitglieder geprägt ist. Zur Ausübung der Herrschaft des Eigentums mehrerer über einen Vermögensgegenstand bedarf es zwar der Zusammenfassung und Bündelung der Einzelwillen zu einem gemeinschaftlichen Willen. Dabei geht der Einzelwille aber nicht in dem Gemeinschaftswillen auf, sondern behält selbständige Qualität. Darin unterscheidet sich also die Gesamthand von der korporativen Genossenschaft. Diese besitzt einen gegenüber ihren Mitgliedern verabsolutierten, selbständigen corpus, der mit eigener juristischer Persönlichkeit ausgestattet ist. Behalten aber bei der Gesamthand die Teilhaber ihre eigenständige Rechtssubjektivität, und bildet die Summe dieser Rechtssubjekte die eigentümliche Rechtssubjektivität der Einheit aller, dann besteht, vermittelt durch die kollektive Einheit, eine unmittelbare eigentumsrechtliche Beziehung jedes einzelnen zu dem gemeinsamen Vermögensgegenstand. Durch seine Teilhaberschaft hat der Gesamthänder als Teil der Gruppe rechtlichen Zugang zu dem Eigentum selbst. Dieser Zugang realisiert sich jedoch nicht in der Annahme von Quoten 86 Gierke, Genth., S. 346/347. 87 Gierke, Genth., S. 353. 88 Gierke, DPrivatR I, S. 691. 89 Gierke, DPrivatR I, S. 692. 9 0 Gierke, DPrivatR I, S. 675.

III. Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes

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hinsichtlich des Vermögens; er erstreckt sich über das Ganze. Die dem Eigentümer zustehenden originären Befugnisse, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren, müssen sich aber dem gemeinschaftlichen Willen unterordnen. Insofern ist Gierkes Auffassung von dem Umgestaltungsprozeß des Vermögensrechts durch den Einfluß des Personenrechts zu verstehen, denn: „diese Umgestaltung bewegt sich immer in der Richtung einer Annäherung des Individualrechts an das Sozialrecht". 91 Die rein individualistische Struktur, die im Personenrecht durch die Anerkennung von Willensverbundenheiten von vornherein ausgeschlossen ist, wird auch im Vermögensrecht durch die eingeführten personenrechtlichen Elemente überwunden. 92 Aus diesem Blickwinkel wird Gierkes These: „Was der Mensch ist, verdankt er der Vereinigung von Mensch und Mensch" 93 erfahrbar. In Gierkes Gesamthandsprinzip spiegelt sich das im Laufe des 19. Jahrhunderts immer stärker werdende Bewußtsein, daß gesellschaftlicher Fortschritt nur durch Zusammenschlüsse zu kollektiven Wirkeinheiten möglich ist. 9 4 In seinen Ausführungen zum Prinzip der Gesamthand gelangt aber auch Gierkes liberale Grundhaltung und seine Skepsis gegenüber den Lehren des Sozialismus zum Ausdruck. Trotz Einordnung des Individuums in eine kollektive Einheit und der in dieser Hinsicht bestehenden Unterordnung unter den Gemeinschafts willen, verbleibt dem Gesamthänder auch im Rahmen der Gesamthandsgemeinschaften ein Bereich individueller Betätigung, eine Reihe von Sonderrechten, die ihn aus der Kollektivität herausheben und als Individuum kennzeichnen. Gierke ging von einer Doppelnatur des Menschen aus, der ein Ganzes für sich und ein Teil eines höheren Ganzen ist. Dieser Doppelnatur muß nach Auffassung Gierkes das Recht durch die Aufspaltung in zwei große Zweige gerecht werden, dem Individualrecht und dem Sozialrecht. Der in der Mitgliedschaft ausgeschiedene Bereich des Lebens und Wirkens der Gliedperson muß gegen den frei bleibenden Individualbereich abgegrenzt werden. 95 Das bedingt die Einteilung des Rechts in Individual- und Sozialrecht. Individualrecht ist das Recht der unverbundenen Individuen untereinander, d.h. Objekt ist der Mensch als abgeschlossene Einheit. Sozialrecht dagegen ordnet die Beziehungen der menschlichen Willensträger des Gesellschaftswesens. Ausgehend von der Verbundenheit der Individuen behandelt Gierke die Menschen als Glieder eines höheren Ganzen. 96 In seiner Konzeption von der Gesamthand wird das Zusammenspiel von Individual- und Sozialrecht deutlich. Der Gesamthänder behält zwar seine Identität als Individuum, ist gleich-

91 Gierke, DPrivatR I, S. 675. 92 Gierke, Genth., S. 355. 93 Gierke, GenR I, S. 1. 94 Vgl., oben 9. Kapitel, I. 2. 95 Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 25. 96 Mündt, S. 23.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

zeitig aber Glied einer übergeordneten kollektiven Einheit und muß sich als solches ihrem Willen unterordnen. Infolge dieser gleichzeitig individualistischen und kollektiven Sichtweise konnte sich Gierke mit den sozialistischen Thesen, die gerade den individualistischen Zug des Menschen leugneten, nicht einverstanden zeigen. Er sieht das Privatrecht durch die sozialistischen Lehren bedroht. Der von ihnen zum System erhobene Gedanke, der den Menschen ausschließlich als Glied der Gesellschaft begreift, führt nach Meinung Gierkes zu einer Umbildung des Privatrechts in eine staatliche Verwaltungsordnung. 97 Seiner Auffassung nach besteht für das geltende Recht die Aufgabe, Normen für ein ausgeglichenes System von Individualsphäre und Kollektivsphäre bereitzustellen. Denn einerseits bedeutet der naturrechtliche Individualismus Auflösung und Tod, andererseits die Verstaatlichung des Privatrechts im Sinne des Sozialismus Unfreiheit und Barbarei. 98 Ein solch ausgeglichenes Verhältnis ließ sich nach Gierkes Überzeugung nur auf einer deutschrechtlichen Grundlage aufbauen. Aus seiner Kritik an der Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuches, der er die Qualität „deutsch" völlig absprach, geht deutlich hervor, daß nur dem deutschen Recht eine soziale Tendenz innewohnt. Der individualistischen Sichtweise des römischen Rechts mißt er eine kapitalistische und damit asoziale Komponente reinsten Manchestertums zu. 99 In methodischer Hinsicht ist die Überzeugung Gierkes hervorzuheben, es handele sich bei der Gesamthand um ein Rechtsprinzip, das in mehr oder minder ausgeprägter Form allen Gesamthandsinstituten anhafte. Damit formuliert er ausdrücklich, worauf verschiedene Juristen 100 schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts hinwirkten, nämlich, daß den Instituten wie ehelicher Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft, Lehensgemeinschaft und Handelsgesellschaft ein gemeinsamens Element innewohnt, das sie verbindet, wenn auch die konkrete Ausgestaltung dieses Elements differiert. 4. Zusammenfassung Die Genossenschaftstheorie eröffnete in Anknüpfung an die Theorie Hasses von der mystischen Person den Blick für die personenrechtliche Seite der Gesamthand in ihrer Konsequenz für die vermögensrechtlichen Verhältnisse. In der Tendenz folgt sie der Auffassung von der Verselbständigung der 97 Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, in: Wolf, Quellenbuch der Geschichte, S. 479, 485. 98 Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, in: Wolf, Quellenbuch der Geschichte, S. 479, 486. 99 Luig, Die sozialethischen Werte, FS Kroeschell, S. 281,282; Pfeiffer-Munz, S. 16. 100 Vgl. Hofacker, oben 6. Kapitel, I I I . 1.; Danz, oben 6. Kapitel I I I . 2. a); Eichhorn, oben 8. Kapitel, I I I . 2.

IV. Die Diskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie

183

Gesamthänder als Gruppe, die zum Zuordnungssubjekt des Vermögens wird. Von der Korporation unterscheidet sie sich jedoch durch den Mangel an eigenständiger juristischer Persönlichkeit. Die kollektive Einheit lebt aus ihren Mitgliedern heraus und gewinnt durch sie ihre eigentümliche Gestalt. Die Berechtigung des einzelnen Mitglieds am Gesamtvermögen drückt sich nicht in einer quotenmäßigen Aufteilung des Eigentums aus, sondern wird vermittelt durch die Gruppe. Da diese nicht von der Summe der Gemeinschafter verabsolutiert ist und keine eigenständige rechtliche Persönlichkeit aufweist, kann sie eine eigentumsrechtliche Bindung ihrer Mitglieder an das Gesamtvermögen nicht unterbinden. Beseler und Gierke formulieren die Gesamthand als elastisches Prinzip. Es wohnt einer Fülle von Instituten inne. Seine Ausprägung orientiert sich am Grad der personenrechtlichen Bindung der Gesamthänder. Dieses personenrechtliche Band ist aber nie so stark, als daß die Individuen völlig in der Kollektivität aufgehen. Ihnen verbleibt eine Sphäre individueller Sonderrechte, zu deren Ausübung der einzelne befugt ist. Diese Ausgestaltung der Gesamthand fügt sich ein in den Gesamtzusammenhang der Genossenschaftstheorie, die dem rechtspolitischen Bedürfnis des 19. Jahrhunderts folgte, dem Zusammenschluß von Menschen zur Überwindung sozialer und politischer Unausgewogenheiten eine Rechtsform zu geben, die die rechtliche Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber dem Staat und seinen Untergliederungen ermöglichte. Nicht zu verkennen ist bei der Gesamthandskonzeption Gierkes, daß sein Menschenbild in dieses Konzept einfließt, ein Menschenbild, das seinerseits wiederum den geistig-politischen Strömungen des Liberalismus und Sozialismus unterlag.

I V . Die Gesamthandsdiskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie 1. Der Einfluß der Genossenschaftstheorie auf die übrige Gesamthandsdogmatik Die Genossenschaftstheorie und ihre Definition gesamthänderischen Eigentums fand keine ungeteilte Zustimmung. Die Pandektisten wollten den Begriff des Gesamteigentums völlig aus dem deutschen Recht verbannen, da auch der Begriff der deutschrechtlichen Gemeinschaft keine logische Klarheit bringe. 101 Hiervon hebt sich die Auffassung Dernburgs (1829 - 1907) 102 ab, der ein Mit101 Walter, System des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 122; Wächter, Pandekten I I , S. 23; in der Tendenz ebenfalls ablehnend: Windscheid, Pandekten I , S. 872 und 878. 102 Kleinheyer / Schröder, S. 337 Nr. 19a.

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9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

eigentum ohne bestimmte ideelle Teile der Genossen anerkennt, welches er Gesamteigentum nennt. „Die römische Gestaltung des Miteigentums ist", so schreibt er, „keineswegs wie einseitige Romanisten oft annehmen, die einzig mögliche". 103 Aber auch innerhalb der germanistisch ausgerichteten Gesamthandsdogmatik war die Meinung über den Wert der durch die Genossenschaftstheorie entwickelten Gesamthandskonzeption geteilt. Unstimmigkeiten ergaben sich insbesondere hinsichtlich Gierkes These von der Gesamthand als Rechtsprinzip. 2. Die Struktur der Gesamthand im Blickwinkel germanistischer Juristen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts a) Carl Gustav Homeyer

Aus der historischen Quellenbetrachtung der Gesamtbelehnung nach Art. 32 § 3 des sächsischen Lehnrechts 104 entwickelt Carl Gustav Homeyer (1795 1874) seine Konzeption von der eigentümlichen Natur des Rechts der Gesamthänder. Homeyer war Professor in Berlin und Mitglied des dortigen Obertribunals und des Staatsrates. Seine Ausgaben des Sachsenspiegels 1827,1835 und 1861 gehören zu den großen Editionen juristischer Quellen im 19. Jahrhundert. 105 In der Abgrenzung zum condominium plurium in solidum, zu Albrechts Auffassung von einer moralischen Person und zu Dunckers Behauptung, das Recht sei nach den Rechtsbüchern ein Miteigentum nach ideellen Teilen gewesen, sucht Homeyer einen eigenen Lösungsweg. 106 A n Dunckers Auffassung bemängelt Homeyer, daß er die in Art. 32 § 3 des sächsischen Lehnrechts verwandte Vokabel „deil" als reellen Teil aufgefaßt habe; dies harmoniere aber nicht mit dem Veräußerungsverbot, das jeden Teil, auch den ideellen, ergreife. Dies ergibt sich aus der mit Quotenrechten nicht zu erklärenden völlig innigen Gemeinschaft des Lebens unter den Gesamthändern. 107 Wenn sich allerdings seit dem 14. Jahrhundert Hinweise auf Teile der Gesamthänder finden, so beruht dies darauf, daß auch in der ungeteiltesten Gesellschaft im Augenblicke des Genusses eine gegenseitige Teilung und Beschränkung unter den Genossen eintritt. Diese inneren, nach außen nicht hervortretenden Nutzungs-Quanten bedingen aber keine reelle oder ideelle Teilung des Gutes. Die Spiegel bieten keinen Anlaß, die Vorstellung von ideellen Anteilen, von Son103

Dernburg, Pandekten, S. 459; ebenso: Brinz, Pandekten I, S. 471. 104 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 1. 105 Kleinheyer / Schröder, S. 344, Nr. 48. Homeyer, Sachsenspiegel II/2, S. 461 ff. 107 Homeyer, Sachsenspiegel II/2, S. 462.

IV. Die Diskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie

185

derrechten an der Sache selbst in die Gesamthand hineinzutragen. 108 Diese Schlußfolgerung führt Homeyer nun aber wiederum nicht zu der Annahme eines condominium plurium in solidum, das er als unfaßbar bezeichnet. 109 Schließlich widmet sich Homeyer Albrechts Annahme einer juristischen Person. Für diese Konstruktion spreche, so Homeyer, daß die Gemeiner als einer beliehen würden, daß der Herr verlangen könne, daß einer den Frondienst leiste und daß sie zusammen nur ein Zeugnis hätten. 110 Doch, so führt er weiter aus, dem stehe die Macht der Besitzer entgegen, die nicht nur für, sondern auch über das Gut verfügen könnten. Dem ist zu entnehmen, daß noch kein von den gesamten einzelnen getrenntes Wesen vorhanden ist. Dagegen spricht auch, die normalerweise geringe Zahl der Vereinigten und das regelmäßig mögliche Handeln aller ohne besonderen Vertreter. Noch entschiedener steht auch der Mangel eines dauernden Zwecks und das Fehlen einer Satzung einer körperschaftlichen Struktur entgegen. Der Zweck der Gesamtbelehnung liegt allein in den persönlichen Vermögensvorteilen der einzelnen Verbundenen. 111 Aber im Folgenden zieht Homeyer seine Kritik an der Annahme juristischer Persönlichkeit der Gesamtbelehnten insofern wieder zurück, als er eine wahrhaft juristische Persönlichkeit zur Bildung einer Familiengenossenschaft zumindest im Kern angelegt sieht. 112 Homeyer stimmt also mit Beseler und Gierke darin überein, daß die Gesamtheit eigener Rechtssubjektivität nicht fähig ist, er hält aber ein korporatives Element zumindest im Keim angelegt. Nach dieser Negativausgrenzung kommt Homeyer nun zu seinem eigenen Lösungsansatz. Er siedelt die Gesamthand zwischen universitas und communio an, wobei er eine Annäherung eher an die universitas gegeben sieht: Die Gesamthand stelle eine Rechtsgemeinschaft dar ohne Teilung des gemeinschaftlichen Gutes. Nötige diese Ungeteiltheit des Gegenstandes die Berechtigten zu einem einheitlichen Auftreten, so dürfe hierin nicht schon das Kennzeichen der juristischen Person gesehen werden, ohne diesen Begriff in das Unbestimmbare zerfließen zu lassen. 113 Homeyer sieht also, daß das Vermögensobjekt selbst ungeteilt ist. Eine solche Annahme führt ihn dazu, eine Problemlösung bei der Struktur der Gruppe der Gesamthänder zu suchen. Diese rückt er in die Nähe der universitas. Vor der Zumessung eigener Rechtssubjektivität der Gruppe schreckt er jedoch zurück. Die eigenen rechtlichen Befugnisse der Gesamthänder verbieten eine Auflösung ihrer Rechtssubjekti-

108 109 110 111 112 113

Homeyer, Homeyer, Homeyer, Homeyer, Homeyer, Homeyer,

Sachsenspiegel Sachsenspiegel Sachsenspiegel Sachsenspiegel Sachsenspiegel Sachsenspiegel

II/2, II/2, II/2, II/2, II/2, II/2,

S. S. S. S. S. S.

462/463. 463. 463. 463. 464. 464.

186

9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

vität in der Rechtsfähigkeit der Gesamthand. Übereinstimmungen mit der Sichtweise der Einheit der Gesamthänder bei Beseler und Gierke sind erkennbar. Homeyer konnte demnach auf seinen akademischen Schüler Gierke ebenso wie Beseler seinen Einfluß geltend machen. b) Otto Stobbe

Eine etwas schillernde Gestalt verleiht Otto Stobbe (1831 - 1887), Professor in Königsberg, Rostock und Tübingen 114 , seinem Gesamthandsbegriff. In dem Aufsatz „Miteigentum und gesammte Hand" 1 1 5 von 1864 stellt er seinen Standpunkt zur Frage des Gesamthandseigentums wie folgt dar: Er könne sich zwar Dunckers Ansichten 116 nicht in jeder Hinsicht anschließen, dessen Polemik gegen das Gesamteigentum bei Korporationen und Genossenschaften sei jedoch sachlich gerechtfertigt. Jede Mischung von condominium und universitas halte er für unmöglich, das condominium plurium in solidum sei juristisch unlogisch. 117 Der Annahme Dunckers, daß die römischen Begriffe zur Definition der Gesamthand ausreichten, stimmt Stobbe allerdings nicht zu. Seiner Meinung nach gibt es auch Fälle, in denen für das Verhältnis der mehreren Subjekte die römischen Regeln nicht überall zuträfen und das Miteigentum nach ideellen Quoten keine befriedigende Konstruktion gewähre. 118 Es gibt im deutschen Recht eine Reihe von Rechtsverhältnissen, bei denen sich die Berechtigung nicht in einer ideellen Quote verdeutlicht, sondern das Verhältnis der Berechtigungen der Teilnehmer unbestimmt belassen ist. Dritten Personen treten sie wie ein Rechtssubjekt gegenüber. 119 Im deutschen Recht existieren seiner Meinung nach Miteigentum und Gesamthand nebeneinander. Sie stehen sich aber nicht als Gegensätze gegenüber. 120 Ausgehend von dieser Prämisse zieht Stobbe die Ausbildung einer in sich geschlossenen festen Theorie sowohl für Gesamthand als auch für Miteigentum in Zweifel. Dazu fehlt es an quellenmäßigem Material und an der Tendenz des deutschen Rechts, solche Gegensätze mit Bewußtsein hervorzuheben. Gibt es auf der einen Seite Fälle, bei denen sich reines Gesamteigentum findet, so bringt in anderen Fällen die Anwendung entsprechender Sätze und Bestimmungen des Miteigentums eine Annäherung an den Begriff des Gesamteigentums.121 Die Art, wie innerhalb der Vereinigung die einzelnen 114 Landsberg, A D B Bd. 36, S. 262/263. 115 Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207ff. 116 Vgl., oben 8. Kapitel, I. 2. c). 117 Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 210. Iis Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 212. 119 Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 212. 120 Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 212. 121 Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 213.

IV. Die Diskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie

187

sich mit ihren Ansprüchen, Nutzungen und Berechtigungen gegeneinander verhalten, ist nicht dem Recht und dem Buchstaben des Gesetzes unterworfen, sondern auch der Sitte, Autorität, Pietät und dem guten Willen der einzelnen überlassen. 122 Aufgrund dieser These erklären sich Stobbes Zweifel an einer einheitlichen Gesamthandslehre. Auch wenn er die gesamte Hand als „unklares, wenig präzises Institut", geprägt von sittlichen Prinzipien bezeichnet 1 2 3 , so müssen von Stobbes Standpunkt aus die besonderen persönlichen Beziehungen als intergraler Bestandteil der Gesamthand zu einer auf jede Ausprägung ausgerichteten Einzelbetrachtung führen. In der Gesamtbelehnung z.B. liegt nach Stobbes Meinung die Konstituierung eines Rechtssubjekts, welches sich von der juristischen Person dadurch unterscheide, daß es von den mehreren Individuen nicht verschieden sei, sondern gewissermaßen nur ihre Summe. Die verschiedenen Personen verbinden sich nicht zu einem neuen Rechtssubjekt. Dadurch, daß die Schranken ihrer Individualität aufgehoben erscheinen, fließen sie zu einer Einheit zusammen. Dieses Verhältnis bezeichnet Stobbe als Personeneinheit. 124 Auch hier lassen sich Parallelen zum Gesamthandsbegriff Beselers und Gierkes herstellen. Ebenso wie diese nähert sich Stobbe von der Seite der Personenmehrheit dem Phänomen der Gesamthand. Die Mitglieder behalten in der Gruppe ihre Rechtssubjektivität. Die Gruppe ist nicht verabsolutiert, sondern sie besteht aus der Summe ihrer Individuen. Sie ist zusammengesetzt aus der spezifischen Individualität der Gesamthänder. 125 Diesen zunächst für die Gesamtbelehnung formulierten Gedanken überträgt Stobbe dann aber doch, trotz seiner formulierten Bedenken hinsichtlich der Ausbildung einer geschlossenen festen Theorie, auf das Prinzip der Gesamthand allgemein. 126 c) Wilhelm Arnold

Unmittelbar gegen Stobbes Annahme wendet sich Wilhelm Arnold (1826 1883). Er vertritt die Ansicht, daß der Streit über die Rechtfertigung des Gesamteigentums hieße, gegen Windmühlen zu fechten. 127 Auch die von Stobbe vertretene Auffassung 128 , daß die verschiedenen Subjekte des Rechts im Verhältnis zum Objekt als eine Person zu denken seien, vermag er nicht zu 122

Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 214. ™ Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 216. 124 Stobbe, Miteigenthum, ZfR Bd. 4 (1864), S. 207, 219. 125 So auch Stobbe, Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, S. 146. 126 Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts I, S. 433. 127 Arnold, Zur Geschichte des Eigenthums in den deutschen Städten, S. 156. 128 In Anbetracht des Erscheinungsjahres des Werkes von Arnold 1861 sind die Ausführungen Stobbes in: Geschichte des deutschen Vertragsrechts S. 146 gemeint.

188

9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

billigen. Sie enthält Zugeständnisse an die Gegner, die sich in Anbetracht der Quellen als unbegründet erweisen. Das Recht, welches der einzelne am Gesamteigentum hat, ist ebenso bestimmt wie das römische Miteigentum, allerdings nicht in der Weise, daß eine einzige Regel für alle Fälle gilt. Bei dem Obereigentum zur gesamten Hand ist das Recht des einzelnen vielmehr nach den verschiedenen Fällen unterschiedlich gestaltet. 129 Arnold wehrt sich also insbesondere gegen die Annahme eines Rechtsprinzips der Gesamthand. In dieser Hinsicht entspricht die Gesamthand nicht dem römischen Miteigentum. Aufschlüsse sind nur aus der Betrachtung der einzelnen Institute zu gewinnen. Die Frage nach einem allgemeingültigen Rechtsgedanken bildete also einen kontroversen Diskussionspunkt im Rahmen der Gesamthandsdogmatik. d) Carl Friedrich Gerber

In Einklang mit der Ansicht Arnolds geht auch Carl Friedrich Gerber (1823 - 1891), Professor in Erlangen, Tübingen und Leipzig, ab 1871 sächsischer Kultusminister 130 , davon aus, daß es keinen Zusammenhang zwischen den Rechtsinstituten mit solidarischer Gesamtberechtigung gebe, sondern jedes nach seiner Natur anzuerkennen sei. 131 In einigen Fällen ist aufgrund seiner Konzeption das Vermögen einer Korporation anzunehmen, in anderen Miteigentum nach ideellen Teilen oder ein aus verschiedenen juristischen Momenten zusammengesetztes Rechtsverhältnis. Die mittelalterlichen Quellen vermitteln seiner Meinung nach nur selten eine präzise Qualifikation. Die eigentümliche Entstehungsform des deutschen Rechts brachte die Bildung verschiedener Rechtsverhältnisse nicht unter der Prämisse bestimmter Prinzipien hervor, sondern in freier Entfaltung der faktischen Lebensverhältnisse. 132 In der von Konrad Cosack bearbeiteten 17. Auflage des Systems des deutschen Privatrechts von Gerber kommt die Skepsis hinsichtlich des sachlichen Zusammenhangs verschiedener Institute gesamthänderischer Berechtigung allerdings nicht mehr zum Ausdruck. Hier tritt die Gesamthand als zweite Miteigentumsform neben das condominium. 133 Für die gesamte Hand ist nach diesen Ausführungen wesentlich, daß jeder der Miteigentümer der gemeinsamen Sache zwar eine Quote sein eigen nennen könne, aber nicht befugt sei, über diese Quote zu verfügen, dies könne nur im Zusammenspiel mit den anderen Gesamthändern geschehen.134 Öer so umschriebene

129 Arnold, Zur Geschichte des Eigenthums in den deutschen Städten, S. 157. 130 Kleinheyer / Schröder, S. 340, Nr. 30. 131 Gerber, System des deutschen Privatrechts, 15. Aufl., S. 141. 132 Gerber, System, 15. Aufl., S. 142. 133 Gerber, System des deutschen Privatrechts, 17. Aufl., S. 129. 134 Gerber, System, 17. Aufl., S. 130.

IV. Die Diskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie

189

Grundsatz trifft nach den weiteren Erörterungen auf das Familiengüterrecht, namentlich die eheliche Gütergemeinschaft und die handelsrechtlichen Gesellschaften zu. Somit wird deutlich, daß die oben beschriebene Eigentumsform der Gesamthand Anwendung auf mehrere unterschiedliche Einrichtungen findet. Darin läßt sich eine Abkehr von Gerbers Ansicht in der 15. Auflage des Systems des deutschen Privatrechts erkennen, in der Gerber jeden Zusammenhang leugnete. Allein für die Erbengemeinschaft verbleibt es auch in der 17. Auflage bei der Anwendung römischen Miteigentums. 135 In der Tendenz läßt sich ein Bedürfnis der Juristen nach der Entwicklung allgemeingültiger Wertmaßstäbe ablesen. e) Andreas Heusler

So stellt 1885 auch Andreas Heusler (1834 - 1921), Professor in Basel, 1891 - 1907 Präsident des Baseler Appellationsgerichts 136 , in den „Institutionen des Deutschen Privatrechts I " 1 3 7 heraus, daß die gesamte Hand ein bestimmter Rechtsbegriff, nicht aber selbst ein Rechtsinstitut sei. Dies sind erst die auf der Gesamthand aufbauenden Gemeinschaftsformen. Die Gesamthand stellt ein Rechtselement dar, ein Bestandteil rechtlichen Materials, aus dem sich das Wesen des Rechtsinstituts zusammensetzt. Es handelt sich um ein Rechtsmotiv oder Rechtsprinzip, das dem Rechtsinstitut der Gemeinderschaft erst ihren Charakter verleiht. 138 Dieses Prinzip stellt er in die Nähe der communio. In den Begriffen communio und universitas sieht Heusler begriffliche Gegensätze. Alle Verbindungen von Personen müßten sich diesen beiden Begriffen zuordnen lassen, Übergangsformen gibt es nicht. 1 3 9 Den Begriff der juristischen Person empfindet Heusler für die Gemeinderschaften als unpassend. Ihre Mitglieder sind anteilsmäßig am Gemeinschaftsgut berechtigt, persönlich also Rechtssubjekte desselben und nach außen verantwortlich. Die juristische Person bedingt aber die Personifizierung des ideellen Willens, welcher als eigenständige Rechtspersönlichkeit an die Stelle der Rechtspersönlichkeit des einzelnen tritt. 1 4 0 Nachdem also die universitas als Qualifikation der Gemeinderschaft ausscheidet, bleibt aufbauend auf der These von der Exklusivität von universitas und communio für Heusler nur noch die Zuordnung zur communio. Hinsichtlich der römischen communio und der Gemeinderschaft sieht Heusler keinen

135 Gerber, System, 17. Aufl., S. 131. 136 Kleinheyer / Schröder, S. 343, Nr. 46. 137 138 139 140

Heusler, Heusler, Heusler, Heusler,

Institutionen Institutionen Institutionen Institutionen

I, I, I, I,

S. S. S. S.

226. 226. 249. 249.

190

9. Kap.: Im Zuge der Genossenschaftstheorie

gegenständlichen, sondern nur einen graduellen Unterschied. Während die römische communio sich auf der ziemlich äußersten Grenze der Ungebundenheit des Willens der einzelnen Teilhaber gegenüber den anderen bewegt, ist die Gemeinderschaft noch nicht bis zu diesem Extrem fortgeschritten. 141 Aus der Verwandtschaft zur communio folgt dann als Konsequenz zwangsläufig, daß die Gesamthänder über Quoten am Gesamtgut verfügen. Aber - und hier kommt der graduelle Unterschied von communio und deutscher Gemeinderschaft zum Tragen - der einzelne kann mit Rücksicht auf seine Eingebundenheit in die Gemeinderschaft über seine Quote nicht eigenmächtig verfügen. 142 Daß aber solche Quoten vorhanden sind, steht für Heusler fest; denn eine Gemeinschaft an einem Vermögen oder einem Gut ohne Quotenteile der einzelnen Teilhaber läßt sich seiner Meinung nach wenigstens für den Fall nicht denken, daß durch eine Teilungsklage eine Teilung herbeigeführt werden könne. Die Teilung ist nichts anderes als die Umsetzung eines Quotenrechts in ein selbständiges Objekt. Aus diesem Grunde müssen aber schon während bestehender Gemeinschaft Teile latent vorhanden sein. 143 Heusler nähert sich dem Gesamthandsproblem im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrheit der Juristen des 19. Jahrhunderts von der Seite des Objekts, dem Vermögen. Er behandelt zwar das Gesamthandsverhältnis im Rahmen des Personenrechts, aber nur deshalb, um zu überprüfen, ob sie einfache Gemeinschaft oder juristische Person ist oder ein Mittelding zwischen beiden. 144 Die negative Abgrenzung von der juristischen Person bedingt gerade die Einordnung in das Personenrecht. Wie schon für Homeyer 145 haben die Kategorien von universitas und communio für Heusler eine tragende Rolle. Ordnet aber Homeyer die Gesamthand zwischen universitas und communio ein, so geht Heusler von der Ausschließlichkeit der Begriffe communio und universitas ohne jede Zwischenstufe aus. Heusler erreicht eine Einordnung durch eine extensive Interpretation der communio. Zwischen ihr und der deutschrechtlichen Gemeinderschaft sieht er nur einen graduellen Unterschied, der sich aus der Intensität des personenrechtlichen Bandes ergibt. 3. Zusammenfassung

Wenn auch hinsichtlich der Gesamthandskonzeption der Genossenschaftstheorie im germanistischen Schrifttum nicht uneingeschränkte Zustimmung

141

Heusler, Institutionen I, S. 249. Heusler, Institutionen I, S. 250. 143 Heusler, Institutionen I, S. 238/239. 144 Heusler, Institutionen I, S. 255. 14 5 Vgl., oben 9. Kapitel, I V . 2. a). 142

IV. Die Diskussion außerhalb der Genossenschaftstheorie

191

bestand, so läßt sich doch ein maßgeblicher Einfluß dieser Theorie nachzeichnen. Dies zeigt sich materiell darin, daß Autoren wie Stobbe und Homeyer die Gesamthänder als Einheit ohne Rechtssubjektivität einordneten bzw. sie in die Nähe der universitas rückten. Weiter hatte die Genossenschaftstheorie aufbauend auf den Überlegungen Hasses die Personenmehrheit zum Schlüssel der Lösung gesamthänderischer Eigentumsfragen gemacht. Im Mittelpunkt stand nicht mehr das Vermögen, also das Objekt und dessen mögliche Zerlegung in reelle, ideelle oder gar keine Teile. In den Vordergrund des Interesses rückte nunmehr die Qualität der Personenverbindung. Mit Ausnahme von Heusler gehörte der Personenverbindung auch das überwiegende Interesse der germanistischen Lehre zur Gesamthand. Aber selbst Heusler machte Zugeständnisse, indem er die Gesamthand unter dem Aspekt des Personenrechts erörterte. Ein weiterer methodischer Ansatzpunkt war die Überzeugung von der Gesamthand als Rechtsprinzip, die mit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts auf eine breite Zustimmung zu stoßen schien. Doch gerade in diesem Punkt erreichte die Genossenschaftstheorie nicht ihre volle Überzeugungskraft, wie die ablehnenden Ausführungen von Arnold und Gerber verdeutlichen. Dagegen erkannten aber auch zunächst skeptische Stimmen wie Stobbe, daß den Instituten der Gesamthand trotz unterschiedlicher Ausprägung ein gemeinsames Prinzip innewohnt, das sich in der Struktur der Institute zwar unterschiedlich auswirkt, das sie aber zu einem Gedankenelement der Gesamthand verbindet.

Zehntes Kapitel

Die Gesamthandsdiskussion im Spiegel der Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft im 19. Jahrhundert L Möglichkeiten dogmatischer Einflußnahme auf die Rechtspraxis Angesichts der kontroversen dogmatischen Diskussion zum Wesen der Gesamthand im 19. Jahrhundert stellt sich hieran anschließend nun die Frage, ob und gegebenenfalls welche praktischen Auswirkungen die fortschreitende dogmatische Durchdringung des Wesens der Gesamthand nach sich zog. Die Historische Rechtsschule war zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der These angetreten, die Grundwerte des Rechts existierten im Bewußtsein des Volkes.*Die historische Forschung sollte der Beobachtung dienen, wie ein Rechtsinstitut wirklich gehandhabt wurde, wie ein Volk sein Recht lebte und entwickelte. 2 Nach Meinung Carl Friedrich Gerbers lag die Notwendigkeit und praktische Bedeutung der Forschung nach einem gemeinen deutschen Privatrecht „in der gerechten Forderung eines Volkes, seine geistige Errungenschaft, so wie überhaupt, so hier insbesondere auf dem Gebiete des Rechts, durch wissenschaftliche Bearbeitung zum Bewußtsein der Volksglieder gebracht zu werden". 3 Die Rechtsprechung war nun der Schnittpunkt, an dem wissenschaftliche Durchdringung des Rechtsstoffes auf das Rechtsbewußtsein des Volkes traf. Dem Richter kam die Aufgabe zu, wissenschaftliche Erfahrungen auf einen konkreten Fall anzuwenden; er war quasi Mittler zwischen Wissenschaft und Rechtsbewußtsein des Volkes. Dies galt auch in Anbetracht kodifizierten Rechts, denn die Kodifikationen des ausgehenden 18. Jahrhunderts ließen, wie erörtert 4 , hinsichtlich des Gesamthandsprinzips dem Rechtsanwender einen weiten Spielraum für die Heranziehung wissenschaftlicher Erwägungen. Infolge dieser Mittlerstellung der Rechtsprechung zwischen Wissenschaft und Volksgeist, ist es interessant zu verfolgen, inwieweit die im

1 Vgl., oben 8. Kapitel, I. 3. Kern, Georg Beseler, S. 320. 3 Gerber, Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, S. 292. 4 Vgl., oben 7. Kapitel, I I I . 2

I

Die verschiedenen Gesamthandskonzepte in der Rechtssprechung

193

19. Jahrhundert heftig geführte Gesamthandsdiskussion sich auch in der praktischen Anwendung des Rechts auswirken konnte. Die Rechtsprechung soll beleuchtet werden unter dem Aspekt des in der Praxis vorzugsweise behandelten Problems der ehelichen Gütergemeinschaft.

I I . Die Berücksichtigung der verschiedenen Gesamthandskonzepte durch die Rechtsprechung 1. D i e Ehegatten als mystische Person

Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts bestand in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, daß die Ehegatten eine Eigentumsgemeinschaft bildeten und zwar mit unmittelbaren eigentumsrechtlichen Beziehungen zum Gesamtgut. 5 Der Rückgriff der Rechtsprechung auf die Theorie der mystischen Person6 zu Beginn des Jahrhunderts blieb vereinzelt und wurde bald wieder aufgegeben. Das Oberappellationsgericht Kassel beispielsweise bezog sich in einer Entscheidung vom 13. 2. 1822 auf die Konstruktion der mystischen Person. 7 Nach dem dem Gericht vorliegenden Sachverhalt begehrte die Witwe eines Maurermeisters, der mit ihr in dritter Ehe verheiratet gewesen war, die Hälfte eines während dieser Ehe erbauten Wohnhauses. Dagegen wehrten sich die Kinder aus der ersten Ehe des Verstorbenen mit dem Argument, das Haus sei mit dem Vermögen ihrer Mutter und der zweiten Ehefrau erbaut worden. 8 Nachdem die beiden ersten Instanzen hinsichtlich des Wesens der Gütergemeinschaft von einem römischrechtlichen Miteigentum der Ehegatten ausgegangen waren, stellte das Oberappellationsgericht in seiner Entscheidung nunmehr fest, daß dies mit dem Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft nicht zu vereinbaren sei. Die rechtliche Natur einer jeden Gütergemeinschaft bringe es vielmehr mit sich, daß die hierzu gehörenden Gegenstände nicht jedem einzelnen Ehegatten zu gewissen Anteilen, sondern vielmehr beiden zusammen als einer moralischen Person zustehen.9 Von bestimmten Anteilen und einem Übergang in das privative Eigentum des einzelnen kann erst die Rede sein, wenn nach Auflösung der Gütergemeinschaft und völliger Liquidation Vermögensmasse als Gegenstand der Verteilung übrig bleibt. 10 Im Ergebnis wurde die Klage auf Einräumung der Miteigentumshälfte am Haus abgewie-

5 Gierke, Genth., S. 367. 6 Vgl., oben 8. Kapitel, I. 4. 7 Abgedruckt bei Pfeiffer, Practische Ausführungen, Bd. 1 (1825), S. 88ff. 8 Abgedruckt bei Pfeiffer, Practische Ausführungen, Bd. 1 (1825), S. 88. 9 O A G Kassel, Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. 1 (1825),S. 88, 90. 10 O A G Kassel, Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. 1 (1825),S. 88, 90. 13 Ascheuer

194

10. Kap.: Die Rechtsprechung zur Gütergemeinschaft

sen, da die zuvor erforderliche Liquidation noch nicht durchgeführt worden war. 1 1 Derartige Entscheidungen zur Konstruktion der ehelichen Gütergemeinschaft als moralische Person blieben Einzelfälle. 12

2. D i e Eigentumsgemeinschaft der Ehegatten a) Überblick über die Rechtsprechung

Einigkeit schien dagegen über das Vorhandensein einer Eigentumsgemeinschaft der Ehegatten zu bestehen. Aber an der Vorstellung, wie diese Eigentumsgemeinschaft auszusehen habe, schieden sich die Geister. Es zeichneten sich hierbei im wesentlichen zwei verschiedene Tendenzen ab. Ein Teil der Rechtsprechung führte das Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft auf den Gedanken der Gesamthand zurück, wobei eine ungeteilte Berechtigung der Ehegatten gemeint war. 13 Der weitaus überwiegende Teil stand dagegen auf dem Boden der römischrechtlichen Lehre und hielt an dem Miteigentum nach ideellen Teilen 14 , teilweise sogar an ideellen Teilen hinsichtlich jedes einzelnen Gegenstandes15, fest. Anlaß für eine Erörterung des Wesens der ehelichen Gütergemeinschaft waren für die Richter in der Regel Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Verwaltung des Gesamtgutes, insbesondere Veräußerungen ohne Zustimmung des anderen Ehepartners. b) Die eheliche Gütergemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft

Den Grundkonsens derjenigen Gerichte, die der ehelichen Gütergemeinschaft die Qualität einer Gesamthandsgemeinschaft beimaßen, formuliert das Reichsgericht wie folgt: „Die eheliche Gütergemeinschaft ist, wie durch konstante Judikatur und neuere Wissenschaft festgestellt ist, nicht als ein Miteigentum der Eheleute an dem ehelichen Vermögen im römisch-rechtlichen

11

O A G Kassel, Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. 1 (1825),S. 88, 90. Gierke, Genth., S. 54. 13 O A G Jena, Seuff. Arch. Bd. 1 (1845), Nr. 351, S. 140; O A G Jena, Seuff. Arch. Bd. 35 (1879), Nr. 221, S. 324, 325; O A G Oldenburg, Seuff. Arch. Bd. 1 (1845), Nr. 72, S. 31; Otr. Berlin, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 147, S. 488, 489; O A G München, Seuff. Arch. Bd. 30 (1869), Nr. 38, S. 985; R G Z 1, 393, 396. 14 Otr. Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 146, S. 486, 487; Otr. Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 29 (1873), Nr. 247, S. 915; O A G Darmstadt, Seuff. Arch. Bd. 16 (1858), Nr. 56, S. 48; RGSt 4, 30, 31; RG, Gruchot X X V I , 972, 973. 15 O A G Darmstadt, Seuff. Arch. Bd. 39 (1883), Nr. 219, S. 308; RGSt 4, 83, 85; RGSt 9, 265, 267; RGSt 10, 210, 212. 12

II. Die verschiedenen Gesamthandskonzepte in der Rechtssprechung

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Sinne, sondern, indem sie im germanischen Recht wurzelt, als ein gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten zu verstehen, welches ganz unter der Vogtschaft (mundium) des Mannes steht, bei welchem Verhältnis während des Bestehens der Ehe von bestimmten zu sondernden Anteilen der Eheleute (ideellen Anteilen) nicht die Rede sein kann". 1 6 Wesentlich ist also, daß beide Ehegatten gleichmäßig und ohne Zuerkennung bestimmter Anteile am Gesamtgut berechtigt sind. Die Sonderrechte der Ehegatten realisieren sich erst bei der Auflösung der Ehe. 1 7 Bei einer Entscheidung des Obertribunals zu Berlin taucht in diesem Zusammenhang der Begriff des „condominium in solidum" auf. 18 Das Obertribunal verwendet den Begriff auf die Anwachsung bei Auflösung der Gütergemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten: Nach der Idee des Gesamteigentums vollziehe sich die Übertragung des Eigentumsanteils der Ehegatten nicht nach Erbrecht, sondern die Konsolidation bewirke lediglich, daß der Überlebende dasjenige bekomme, was er schon vorher gehabt habe und was vorläufig gebunden gewesen sei. 19 Das Gericht benutzt „condominium in solidum" hier offenbar als Synonym für eine ungeteilte Berechtigung. Allerdings bezeichnet es die eheliche Gemeinschaft auch als eheliche Genossenschaft 20, ein Begriff, den auch andere Gerichte im Hinblick auf die Vermögensgemeinschaft der Eheleute verwenden. 21 Diese Bezeichnung der ehelichen Gütergemeinschaft weist nun aber auf eine Zusammenfassung der Ehegatten zu einer subjektiven Wirkeinheit hin. Tatsächlich bezeichnet das Oberappellationsgericht Jena 22 den Mann nach außen hin als Repräsentanten des durch die Ehe gebildeten Rechtssubjekts (der ehelichen Genossenschaft). Allerdings ist hiermit nicht die Genossenschaft im Sinn einer juristischen Person, wie sie dem Verständnis der Genossenschaftstheorie entspricht, gemeint. In derselben Entscheidung stellt das O A G Jena fest, daß beide Ehegatten an sich gleiches Recht besäßen und zusammen die eheliche Genossenschaft bildeten. 23 Aus der syntaktischen Verbindung von gleichen Rechten der Ehegatten und dem Begriff der ehelichen Genossenschaft wird deutlich, daß das O A G Jena die eheliche Genossenschaft gleichsetzt mit der ungeteilten Berechtigung der Ehegatten.

16 R G Z 1, 393, 396. 17 R G Z 1, 393, 396. « Otr. Berlin, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 147, S. 488. 19 Otr. Berlin, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 147, S. 488/489. 20 Otr. Berlin, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 147, S. 488. 2 * O A G Jena, Seuff. Arch. Bd. 1 (1845), Nr. 351, S. 140; O A G Oldenburg, Seuff. Arch. Bd. 1 (1845), Nr. 72, S. 31, 32. 22 O A G Jena, Seuff. Arch. Bd. 1 (1845), Nr. 351, S. 140. 23 O A G Jena, Seuff. Arch. Bd. 1 (1845), Nr. 351, S. 140. 13*

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10. Kap.: Die Rechtsprechung zur Gütergemeinschaft c) Das Gesamtgut als Miteigentum nach ideellen Teilen

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Entscheidungen folgten die meisten Gerichte dagegen der gemeinrechtlichen Lehre, die sich gemeinschaftliches Eigentum nur in Form des römischen Miteigentums nach ideellen Teilen vorstellen konnte. 24 Einen beredten Eindruck von dieser Auffassung gibt eine Entscheidung des Oberappellationsgerichts Stuttgart vom 7. 2. 186325, in der das Gericht die Änderung seiner Rechtsprechung von der Auffassung des ehelichen Gesamtgutes als Gesamthandseigentum hin zu der römischrechtlichen Theorie vom Miteigentum nach ideellen Teilen begründet: Das Gesamteigentum stehe mit dem Begriff des Eigentums als ein notwendig ausschließendes Recht in Widerspruch. Das in den deutschen Rechtsquellen nicht nachweisbare Gesamteigentum sei unhaltbar. 26 Hierbei verweist das Gericht im übrigen auf Duncker, Maurenbrecher und Mittermaier. 27 Das Gericht führt weiter aus : Die allgemeine Gütergemeinschaft begründe zwar in allen vermögensrechtlichen Beziehungen eine Gemeinschaft, d.h. sie bilde während der Ehe eine einige und unabgetrennte Vermögensmasse. Wenn aber das Vermögen eine Masse bilde und diese Masse beiden Ehegatten gemeinschaftlich gehöre, so bedinge dies, jedem Ehegatten einen bestimmten ideellen Anteil zuzuweisen, der mangels anderer Absprachen jeweils die Hälfte betrage. 28 Obwohl das Gericht hier die Abkehr vom Gesamteigentum vollzieht, scheint der Bruch doch noch nicht konsequent durchgeführt. Die Breite der Ausführungen, die das Gericht der Einheit der Vermögensmasse beimißt, überlagert die Argumentation hinsichtlich der Aufteilung dieses einheitlichen Eigentums in ideelle Teile. Die Schlüssigkeit der Argumentation ergibt sich nur vom Standpunkt des individualistischen römischrechtlichen Eigentumsbegriffs aus. Diesen legt das Gericht zugrunde, wenn es das Eigentum als ein ausschließliches Recht bezeichnet. 29 Im ganzen erweckt die Entscheidung den Eindruck, als habe sich das Gericht noch nicht ganz von dem gesamthänderischen Eigentumsbegriff lösen können und befinde sich noch auf der Suche nach einer überzeugenden Begründung. Aber auch andere Gerichte, die die These vom römischrechtlichen Miteigentum nach ideellen Quoten vertreten, lassen eine klare Grenzziehung zwischen römischrechtlichem und deutschrechtlichem gemeinschaftlichem Eigentum nicht immer erkennen. So meint das Oberappellationsgericht Darmstadt, das gesamte Vermögen beider Ehegatten sei nur eine Vermögensmasse. 24

Gierke, Genth., S. 371. 5 O A G Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 2 * O A G Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 27 Vgl., oben 8. Kapitel, I. 2. und 3. 2 « O A G Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 29 O A G Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 2

146, S. 486ff. 146, S. 486, 487. 146, S. 486, 487. 146, S. 486, 487.

II. Die verschiedenen Gesamthandskonzepte in der Rechtssprechung

197

Hieran hätten die Ehegatten ideelle Teile. 30 Konsequenterweise müßte diese Konstruktion die freie Verfügungsbefugnis über den ideellen Teil zur Folge haben. Hiervor weicht das Gericht jedoch zurück, wenn es in der Entscheidung ausführt: „ A n sich kann daher jeder Ehegatte nur über seinen intellectuellen Antheil, kein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen über irgend welchen reellen Theil des Gesammtvermögens verfügen". 31 Wenn sich aber der ideelle Anteil nicht in einer Verfügung über reelle Bestandteile konkretisieren kann, steht der Wert eines solchen Anteils in Frage. Zweifelhaft ist weiterhin, auf welcher Grundlage diese Verfügungsbeschränkung beruht. Dem Recht der communio ist eine derartige Verfügungsbeschränkung jedenfalls fremd. 32 Also auch bei dieser Entscheidung ist die Konstruktion des Miteigentums nach ideell vorhandenen Teilen nicht in letzter Konsequenz durchgehalten. Der Theorie vom römischen Miteigentum nach ideellen Teilen schloß sich trotz dieser konstruktiven Unschärfen schließlich aber auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts an. 33 d) Die ideelle Teilung jeden Gegenstandes des Gesamtgutes

Daneben gab es auch Entscheidungen, die nicht nur die ideelle Teilung des Vermögensganzen annahmen, sondern die Teilung in Bezug auf jeden einzelnen Gegenstand dieses Vermögens fortführten. So geht das Oberappellationsgericht Darmstadt in einer Entscheidung vom 22. 1. 188334 zwar auch von einem Miteigentum nach ideellen Anteilen aus, dieses ideell gequotelte Miteigentum besteht aber an jedem einzelnen Gegenstand. Wenn das Gericht einem Gläubiger die Bestellung einer Zwangshypothek am ideellen Miteigentumsanteil des Ehemannes an einem Grundstück zugesteht35, so kann daraus nur die Überzeugung des Gerichts gewonnen werden, daß das Grundstück als einzelner Vermögensgegenstand einer Errungenschaftsgemeinschaft als ideell geteilt anzusehen ist. Auch der I. und II. Strafsenat des Reichsgerichts vertraten diese Auffassung mit der skurilen Folge, daß ein Ehegatte, der gemeinschaftliche Gegenstände fortschafft und veräußert, nach Strafantrag des anderen Ehegatten sich des Diebstahls schuldig machte. In einer Entscheidung des II. Strafsenats des Reichsgerichts vom 12. 4. 188136 hatte die Ehefrau ohne Wissen des Ehemannes unter Mitnahme einiger gütergemeinschaftlicher Sachen die eheliche 30 O A G Darmstadt, Seuff. Arch. Bd. 16 (1858), Nr. 56, S. 48. O A G Darmstadt, Seuff. Arch. Bd. 16 (1858), Nr. 56, S. 48. 32 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. b) bb). 33 Vgl. R G Z 9, 265, 267 in Abkehr der Rspr. R G Z 1, 393, 396. 34 O A G Darmstadt, Seuff. Arch. Bd. 39 (1883), Nr. 219, S. 308. 35 O A G Darmstadt, Seuff. Arch. Bd. 39 (1883), Nr. 219, S. 308, 309. 3 6 RGSt 4, 83 ff.

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10. Kap.: Die Rechtsprechung zur Gütergemeinschaft

Wohnung verlassen und die mitgenommenen Sachen später verkauft. Das Reichsgericht sah hierin den Tatbestand des § 242 StGB als verwirklicht an: Ein Miteigentümer könne an einer gemeinschaftlichen Sache sehr wohl einen Diebstahl begehen, da ihm nach dem Begriff des condominium pro indiviso an der Sache nur ein ideeller Anteil zustehe. Das bedeute, daß Gegenstand seines Eigentums nicht die ganze Sache sei, sondern nur sein Anteil. Eigne er sich die ganze Sache zu, so verletze er das in dem ideellen Anteil an derselben Sache bestehende Eigentumsrecht seines Genossen. Im Hinblick auf diesen Anteil sei dem Miteigentümer die Sache fremd, Diebstahl folglich denkbar. 37 Auch der I. Strafsenat vertritt in einer Entscheidung vom 20. 3. 188438 die Auffassung, daß jeder einzelne Vermögensgegenstand und nicht das Vermögen als Ganzes in ideelle Anteile aufgespalten sei. Hinsichtlich des Strafantragsrechts einer Ehefrau bezüglich des Diebstahls von Haushaltsgegenständen und Geld durch die Tochter führt der Senat aus: Die Gütergemeinschaft gewähre beiden Ehegatten das ungeteilte Eigentum an dem gesamten beiderseitigen Vermögen. Dies begründe für die Ehefrau ein Miteigentumsrecht an den gestohlenen Sachen.39 Da sich das Gericht ausdrücklich auf die gestohlenen Sachen bezieht, die ja nur Teile des gesamten Vermögens darstellen, wird deutlich, daß auch der I. Strafsenat von einer ideellen Teilung eines jeden Vermögensgegenstandes ausgeht. 3. D i e Resonanz der dogmatischen Auseinandersetzung in der Rechtsprechung

Der Überblick über die Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft im 19. Jahrhundert verdeutlicht, daß die Gerichte ihr Augenmerk einzig und allein auf das Objekt, nämlich das Vermögen richteten. Während die Dogmatik beginnend mit Hasse, fortgeführt und gefestigt durch die Genossenschaftstheorie, mehr und mehr den Blick von der Seite des Vermögens ab - und der personellen Verbindung der Gesamthänder zuwandte, verharrte die Rechtsprechung bei der Beurteilung der vermögensrechtlichen Struktur. Hier kristallisierten sich zwei Ansichten heraus. Die eine versteht das güterrechtliche Gesamtgut als ungeteiltes Eigentum beider Ehegatten; die andere, überwiegende Auffassung, betrachtet, fußend auf der römischrechtlichen Dogmatik, das Eigentum der Ehegatten als Miteigentum nach ideellen Teilen und zwar hinsichtlich des gesamten Vermögens. Diejenigen Entscheidungen, die tatsächlich jeden Gegenstand als geteilt betrachten, sind wohl nicht exemplarisch, zumal sie überwiegend dem Bereich des Strafrechts entstammen.

37

RGSt 4, 83, 84. « RGSt 10, 210. 39 RGSt 10, 210, 211. 3

II. Die verschiedenen Gesamthandskonzepte in der Rechtssprechung

199

Auch wenn, wie die Entscheidung des O A G Stuttgart 40 verdeutlicht, die beiden obengenannten Auffassungen von der ehelichen Gütergemeinschaft als unvereinbar verstanden wurden, so ist doch eine Durchdringung des römischen Miteigentums mit Elementen des deutschrechtlichen Gesamthandseigentums erkennbar. Daß der dem Miteigentum nach ideellen Teilen grundsätzlich immanenten Verfügungsfreiheit bei der ehelichen Gütergemeinschaft durch die Gerichte Grenzen gesetzt werden, läßt sich wohl nur vor dem Hintergrund der gesamthänderischen Verfügungsbeschränkungen erklären. So hat das römische Miteigentum im Spiegel der Rechtsprechung seinen ursprünglichen Charakter verloren und ist mit Elementen des Gesamthandseigentums angereichert. Festzustellen ist weiter, daß die dogmatische Auseinandersetzung um das Wesen des Gesamthandseigentums, die zum Teil mit Vehemenz und Leidenschaft geführt wurde 41 , in der Rechtsprechung kaum Widerhall fand. Anklänge an dogmatische Konstruktionen wie Hasses mystische Person und die Theorie vom condominium plurium in solidum waren zwar vorhanden, aber die Genossenschaftstheorie findet dagegen in der Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft keine Resonanz. Die Rechtsprechung übernimmt zwar den Begriff Genossenschaft, reflektiert aber nicht, welche Bedeutung z.B. Beseler und Gierke der kollektiven Einheit der Gesamthänder beimaßen. Insgesamt blieb also die Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zum Wesen des Gesamthandseigentums relativ unberührt. Wenig Einfluß auf die Beurteilung des Wesens von der ehelichen Gütergemeinschaft durch die Gerichte schienen auch die Partikularrechte zu haben. Auswirkungen partikularer Rechtssetzung zeigten sich nur bei der organisatorischen Ausgestaltung der Gütergemeinschaft. Ein Schwerpunkt der Bestimmungen lag hier auf der Verwaltungsbefugnis des Ehemannes und der Fortführung der Gütergemeinschaft mit den Kindern nach dem Tod eines Ehegatten. Dies wird in den Entscheidungen auch hervorgehoben. 42 Hinsichtlich der Erwägungen zum Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft legen die Gerichte „deutsches Recht" 43 oder „gemeines deutsches Privatrecht" 44 zugrunde, ohne auf partikularrechtliche Besonderheiten abzustellen. Das Obertribunal Berlin 4 5 bezieht sich mit keinem Wort auf I I 1 §§ 363, 370, 372 des A L R 4 6 , der Regelung der ehelichen Gütergemeinschaft. Auch das O A G München geht in 40 Vgl., oben 10. Kapitel, II. 2. c). 41 Vgl. Duncker, oben 8. Kapitel, I. 2. c). 42 Vgl. Otr. Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 29 (1873), Nr. 247, S. 915. 43 O A G Stuttgart, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 146, S. 486. 44 Otr. Berlin, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 147, S. 488. 45 Otr. Berlin, Seuff. Arch. Bd. 18 (1863), Nr. 147, S. 488. 46 Zitiert nach Allgemeines Landrecht, hrsg. von C.F. Koch.

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10. Kap.: Die Rechtsprechung zur Gütergemeinschaft

seiner Entscheidung vom 25. 10. 186947 mit keinem Wort auf Part. I, Cap. I V , §§ 12 - 23 des CMBC 4 8 zur ehelichen Gütergemeinschaft ein. Die Übereinstimmungen hinsichtlich des Wesens der ehelichen Gütergemeinschaft von Gerichten im Geltungsbereich unterschiedlicher Partikularrechte verdeutlicht vielmehr, daß diese Rechte die Auffassung vom Wesen der Gütergemeinschaft nicht zu beeinflussen vermochten.

47 O A G München, Seuff. Arch. Bd. 30 (1883), Nr. 38, S. 945. 48 Zitiert nach Compendium Codices Bavarici.

Elftes Kapitel

Die Normierung des Gesamthandsgedankens in den bürgerlichrechtlichen Kodifikationen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts I . Die Kodifikationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts Der Überblick über die Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft im 19. Jahrhundert hat gezeigt, daß die in der Rechtswissenschaft ausgetragene Kontroverse über die dogmatischen Grundlagen des Gesamthandseigentums in diesem Bereich nur eine geringe Wirkung entfalten konnte. Ausgehend von dieser Beobachtung ergibt sich nunmehr die Frage, inwieweit die dogmatische Auseinandersetzung Einfluß nehmen konnte auf die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts, auf das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch und das Bürgerliche Gesetzbuch. Im Zuge der wirtschaftlichen Expansion Deutschlands bedurfte es für den wirtschaftlichen Bereich einer über die kleinstaatliche Souveränität hinausgehenden Gesetzgebung. Der Wirtschaftsraum und die Absatzmärkte waren nicht mehr in Einklang zu bringen mit der staatlichen Zersplitterung Deutschlands. Ein erster Schritt zur Rechtseinheit war die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834.1 Dieses neugeschaffene Wirtschaftsgebiet verlangte nach einer rechtlichen Grundlage. 1848 wurde die Allgemeine Deutsche Wechselordnung verabschiedet. 2 Es folgte 1861 ein Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch, das fast alle Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes als Gesetz einführten. 3 Die mit der Reichsgründung 1871 einhergehende Gesetzesflut rundeten die Justizgesetze zur Errichtung einer einheitlichen höchstrichterlichen Gerichtsbarkeit ab. 4 Die von Savigny zu Beginn des Jahrhunderts formulierte Abneigung gegenüber Kodifikationsbestrebungen 5 schien durch die Realität überholt. Schließlich stellte sich zunächst für die Einzelstaaten, später 1 Schlosser, S. 144. 2 Getz, S. 110; Huber, JZ 1978, 785, 786. 3 Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, S. 50; Laufke, Der Deutsche Bund, FS Nottarp, S. 1, 8; Großfeld, Die rechtspolitische Beurteilung, in: Wissenschaft und Kodifikation I V , S. 236. 4 Laufs, Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit, JuS 1969, 256, 259; Buschmann, Gründungstag des Reichsgerichts, NJW 1979, 1966,1970. 5 Vgl., oben 7. Kapitel, I I I .

202

11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

für das gesamte deutsche Reich die Frage nach einer zivilrechtlichen Kodifikation. Verwirklicht wurde ein solches Vorhaben im Königreich Sachsen mit dem am 1. 3. 1865 in Kraft getretenen „Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen".6

I I . Die Normierung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch 1. D i e Regelungen des 1. Entwurfs 1852 a) Der Vorschlag zur Normierung gemeinschaftlichen Eigentums

Der erste Entwurf des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches von 1852 stammt von Gustav Friedrich Held. Über die Person des Redaktors und die Einzelheiten der Entstehung ist nichts bekannt, da die Akten über die Person Heids seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen gelten. 7 Der Entwurf gibt im achten Abschnitt § 408 eine Definition des gemeinschaftlichen Eigentums, die er allen Personen Verbindungen zugrundelegt. Diese Definition lautet: „Ein Miteigenthum ist vorhanden, wenn das Eigenthum derselben Sache mehreren Personen ungetheilt zusteht". 8 Die Rechtsverhältnisse der Miteigentümer gestaltet § 411 wie folgt: „ I n Ansehung der ganzen Sache, wie jedes Theils derselben haben nur alle Theilhaber zusammen die Rechte eines Alleineigenthümers. Jeder Miteigenthümer ist aber vollständiger Eigenthümer seines Antheils". 9 Das hat nach § 413 zur Folge, daß jeder seinen Anteil willkürlich und unabhängig durch letztwillige Verfügung auf andere übertragen, verpfänden und veräußern kann. 10 Trotz dieser Unabhängigkeit der Mitglieder taucht in § 412 das Bild von der Einheit der Personenmehrheit auf. Die Bestimmung lautet: „Solange alle Miteigenthümer einverstanden sind, stellen sie in Bezug auf andere nur eine Person dar". 1 1 Diese Regelung erinnert an Teil I I , Kapitel I I , § 16 des CMBC 1 2 , der lautet: „Condomini stehen in Ansehung eines Dritten für einen Mann zusammen". In der Interpretation Kreittmayers war die Regelung zu verstehen als eine nach außen hin erscheinende Einheit, die sich im Inneren in gedachte Teile gliederte und deren Teile die Berechtigten frei veräußern konnten. 13 Auch hier ist 6

Buschmann, Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch, JuS 1980, 553, 559. Buschmann, Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch, JuS 1980, 553, 555. 8 Zitiert nach: Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, Ausgabe 1852, S. 78. 9 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 78. 10 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 79. 11 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 79. 12 Vgl., oben 7. Kapitel, II. 1. b). 13 Vgl., oben 7. Kapitel, II. 1. c). 7

II. Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch

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die Regelung wohl in diesem Sinn zu verstehen. Grundkonzeption ist das römische Miteigentum mit ideellen Anteilen, wie es sich aus §§ 411, 413 ergibt. Daß es sich lediglich um ideelle Teile handeln kann, ist aus der Definition des § 408 abzuleiten, der von einem ungeteilten Eigentum spricht. Der Widerspruch von „ungetheilt" (§ 408) und „Antheil" (§ 411) läßt sich nur in der Weise auflösen, daß die Anteile lediglich ideell bestehen, das Vermögen nach außen hin, gegenüber Dritten, daher als ungeteilt erscheint. b) Die Motive zu §§ 408ff. des Entwurfs

Aufschluß über die Intention des Entwurfs hinsichtlich der Konzeption des Miteigentums geben die Motive zu §§ 408 bis 413. Aus ihnen wird deutlich, daß der Entwurf nur zwei Arten von Eigentum kennt, Alleineigentum und Miteigentum in der eben beschriebenen A r t . 1 4 Die Existenz eines mehreren deutschrechtlichen Verhältnissen innewohnenden condominium plurium in solidum erkannte Held zwar an, von einer Normierung sah er jedoch ab, da das Gesamteigentum seine praktische Bedeutung verloren habe. 15 Nach den Motiven ist auch das Eigentum einer juristischen Person von dem Miteigentum zu unterscheiden, weil es sich um eine Form des Alleineigentums handelt. 16 Mit der Konzeption des gemeinschaftlichen Eigentums als Miteigentum nach ideellen Teilen fußt der Entwurf auf der gemeinrechtlichen Dogmatik. Die Geringschätzung für ein deutschrechtliches Prinzip gemeinschaftlichen Eigentums kommt in der Abwertung des condominium plurium in solidum, das seine praktische Bedeutung angeblich verloren habe, zum Ausdruck. Die nach dem römischen Modell ausgerichtete Konzeption gemeinschaftlichen Eigentums fügt sich in die Gesamtstruktur des Entwurfs ein, der nach dem Pandektensystem, Allgemeiner Teil, Personen, Sachen und Rechtsgeschäfte, geordnet ist. 17 Hinsichtlich der eingangs aufgeworfenen Frage nach dem Einfluß der Gesamthandsdogmatik auf die Kodifikation, liegt der gesetzgeberischen Konzeption der Plan zugrunde, zwar die verschiedenen Arten, wie Miteigentum entstehen kann, allgemein zu bezeichnen, das Problem des Wesens der communio jedoch der Doktrin zu überlassen. 18 Der Entwurf wollte sich auf die Regelung einzelner, sich aus der Eigentümlichkeit der Miteigentumsverhältnisse ergebender Fragen beschränken, auf eine Normierung der Rechtsqualität des ungeteilten Eigentums mehrerer aber bewußt verzichten. Unter diesem 14

Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 90. Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 90. 16 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 90. 17 Buschmann, Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch, JuS 1980, 553, 555, 558; Wesenberg / Wesener, S. 187/188. 18 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 90. 15

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

Gesichtspunkt war also der Gesamthandsdogmatik das weitere Betätigungsfeld nicht abgeschnitten. In Anbetracht der Intention des Entwurfs, wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Miteigentumsverhältnisse zum Wesen des Miteigentums nicht Stellung zu beziehen, ist die Tatsache erstaunlich, daß er neben der Normierung der einzelnen Ausgestaltungen gemeinschaftlichen Eigentums eine allgemeine Regelung des Miteigentums trifft. Die Motive zu dem Entwurf weisen darauf hin, daß die einzelnen Verhältnisse zwar besondere Bestimmungen bedingten, aber die getroffene allgemeine Vorschrift subsidiäre Wirkung entfalte. 19 Demnach bestand, ungeachtet der Eigentümlichkeiten der verschiedenen Personengemeinschaften, das Bedürfnis nach Auffangnormen, die immer dann eingreifen sollten, wenn die besonderen Regeln versagten. Die Wahl dieses Aufbaus läßt den Schluß zu, daß Held davon ausging, den Miteigentumsverhältnissen wohne trotz spezifischer Besonderheiten ein gemeinsames Element inne. Denn eine allgemeine, für eine Mehrzahl von Rechtsverhältnissen geltende Regelung kann ihren Sinn nur darin finden, die diesen Rechtsverhältnissen gemeinsamen Strukturen herauszufiltern und als kleinsten gemeinsamen Nenner zusammenzufassen. Versagt hinsichtlich einer bestimmten Frage die besondere Regelung, so ermöglicht der von Held gewählte Aufbau den Rückgriff auf die allgemeine Fassung, um die Regelungslücke zu füllen. Der Entwurf Heids von 1852 ging insgesamt davon aus, daß das Konzept des gemeinschaftlichen Eigentums als Miteigentum mit ideellen Anteilen der einzelnen nach römischrechtlichem Muster das condominium plurium in solidum verdrängte. Die Frage nach dem Wesen des im Entwurf geregelten Miteigentums blieb ausdrücklich offen und wurde der Doktrin zugewiesen. 2. D i e endgültige Regelung des Miteigentums im Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch

Nachdem der erste Entwurf in der Ständeversammlung 1855 auf Widerstand gestoßen war, zog ihn der sächsische Justizminister zurück und setzte eine Kommission ein, die den Entwurf, der nach wie vor Grundlage der Beratungen blieb, überarbeiten sollte. Die Kommission verstand ihre Arbeit somit nicht als Erarbeitung eines völlig neuen Entwurfs. 20 So wurden lediglich 36 Paragraphen neu aufgenommen, 40 Paragraphen abgeändert und 200 redaktionell neu gefaßt. 21

19

Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, 1852, S. 90. Buschmann, Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch, JuS 1980, 553, 556/557. 21 Wulfert, Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch, Sächs. Archiv Bd. 1 (1891), 43, 56 Anm. 21. 20

I I . Das Bürgerliche Gesetzbuch

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Der Sache nach änderte sich in der endgültigen Fassung des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs an den Regelungen zum Miteigentum in §§ 328 ff. nichts. Der Vergleich mit dem Entwurfsvorschlag der §§ 408ff. zeigt, daß es sich lediglich um sprachliche Neufassungen der vorgeschlagenen Regelungen sowie um die Streichung einiger Paragraphen handelte. Die allgemeine Definition des Miteigentums, wie sie § 408 des Entwurfes vorsah, wurde ersatzlos gestrichen. Ebenso fehlt eine allgemeine Regelung des Verhältnisses der Miteigentümer in der endgültigen Gesetzesfassung. Inhaltlich identisch und nur in der Wortfassung unterschiedlich ist die Regelung hinsichtlich der Verfügungsbefugnis der Miteigentümer. In § 329 heißt es hierzu: „Ueber seinen ideellen Theil kann jeder Miteigenthümer frei verfügen, insbesondere denselben veräußern und sein Recht daran gerichtlich verfolgen". 22 Dies entspricht der Regelung des § 413 des Entwurfs. Damit geht aus der endgültigen Fassung gleichzeitig nunmehr auch hervor, daß es sich bei den Berechtigungen um ideelle Quoten handelt. Die in § 412 des Entwurfs noch unscharfe Regelung hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des einzelnen an der ganzen Sache wird in § 330 jetzt eindeutig klargestellt. Es heißt hier: „ Z u einer Verfügung über die gemeinschaftliche Sache im Ganzen wird die Einwilligung aller Miteigenthümer erfordert". 23 Die Grundkonzeption, die der Entwurf hinsichtlich des Charakters gemeinschaftlichen Eigentums entwirft, behält für die schließlich in Kraft gesetzte Regelung ihre Wirksamkeit. Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch geht auf dem Boden einer romanistischen Anschauung von einem in ideelle Anteile gegliederten Miteigentum aus. Die Anteile unterliegen der freien Verfügung der Miteigentümer. Schranken dieser Verfügungsfreiheit bestehen nur hinsichtlich der Verfügung über das Ganze. Diese Auffassung befindet sich in Übereinstimmung mit der überwiegenden Haltung in der Rechtsprechung. Ebensowenig wie dort konnte die germanistische Gesamthandsdogmatik auf das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch Einfuß gewinnen.

I I I . Die Regelung der Gesamthandsgemeinschaften im Bürgerlichen Gesetzbuch 1. D i e Entstehung der Kodifikation und die Kritik an ihren Entwürfen

Mit der Schaffung der Reichskompetenz für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts und des gerichtlichen Verfahrens durch verfassungsänderndes Gesetz vom 10. 12. 1873 (Lex Miquel-Lasker) setzten auf Reichsebene die Arbeiten zur einheitlichen Kodifikation eines 22 23

Zitiert nach Francke, Das Bürgerliche Gesetzbuch. Zitiert nach Francke, Das Bürgerliche Gesetzbuch.

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

bürgerlichen Gesetzbuches ein. Als Ergebnis einer umfassenden Kodifikationsarbeit wurde am 18. 8. 1896 das Bürgerliche Gesetzbuch verkündet und mit dem 1.1. 1900 schließlich in Kraft gesetzt.24 Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsphasen tragen, geprägt durch die Persönlichkeiten der Redaktoren, einen sehr unterschiedlichen Charakter. Die Vorkommission verstand ihre Arbeit als eine Bestandsaufnahme vorhandener Rechtssätze, also als eine Materialsammlung. Darauf aufbauend erstellte die erste Kommission, die unter dem besonderen Einfluß des Pandektisten Bernhard Winscheid (1817 1892)25 stand, 1887 einen ersten Entwurf. Dieser Entwurf war wegen des hohen Abstraktionsgrades und der Unübersichtlichkeit seines Aufbaus heftiger Kritik ausgesetzt.26 Ein vehementer Kritiker war Otto von Gierke: „Wird dieser Entwurf nicht in diesem oder jenem wohlgelungenen Detail, sondern als Ganzes betrachtet, wird er auf Herz und Nieren geprüft und nach dem Geiste befragt, der in ihm lebt, so mag er manche lobenswerte Eigenschaft offenbahren. Nur ist er nicht deutsch, nicht schöpferisch - und der sittliche und sociale Beruf einer neuen Privatrechtsordnung scheint in seinem Horizont überhaupt nicht eingetreten zu sein. Was er uns bietet, daß ist in seinem letzten Kern ein in Gesetzesparagraphen gegossenes Pandektenkompendium.. . " . 2 7 Damit entbehrte der Entwurf in den Augen Gierkes jeglicher Existenzberechtigung. 28 Gierkes Meinung nach spricht der Entwurf in seiner Abstraktion das Volk nicht an, die individualistischen Züge der Pandektistik unterbinden die Gemeinschaftsbindung der privaten Rechte. Seiner in der germanistischen Tradition wurzelnden Auffassung nach ist kein Recht ohne Pflicht. Diese jedem Recht immanente Schranke gelangt im Entwurf jedoch nicht zum Ausdruck. 29 So kann der Entwurf seiner Meinung nach die ihm zukommende Aufgabe, die künftige Gestaltung der sozialen, sittlichen und wirtschaftlichen Zustände, nicht bewältigen. Der Entwurf behindert vielmehr jede schöpferische Kraft. 3 0 Unter dem Einfluß dieser Kritik wurde 1890 eine zweite Kommission mit der Umarbeitung des ersten Entwurfs beauftragt. Auch wenn letztlich nicht alle Mängel beseitigt werden konnten, gelangte dieser zweite Entwurf nach erneuten politisch bedingten Änderungen, dem dritten Entwurf, versehen mit einer Denkschrift des Reichsjustizamtes in den Reichstag. 31 24 Laufs, Begründung der Reichskompetenz, JuS 1973,740, 742; Wesenberg / Wesener, S. 208. 25 Kleinheyer / Schröder, S. 311. 26 Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 259. 27 Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches, S. 2/3. 28 Luig, Die sozialethischen Werte, FS Kroeschell, S. 281; Wacke, Lateinisch und Deutsch, NJW 1990, 877, 885. 29 Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, in: Wolf, Quellenbuch der Geschichte, S. 479, 490, 491/492. 30 Pfeiffer-Munz, S. 16/17.

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Für den Regelungskomplex der Gesamthand mit ihren im Bürgerlichen Gesetzbuch normierten Gemeinschaften, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705ff.), der ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 1415ff.) und der Erbengemeinschaft (§§ 2032ff.) wird deutlich, daß bei vordergründiger Betrachtung die Kritik Gierkes und seine Forderung nach einem sozialen, d.h. deutschen Recht, Einfluß zu haben schien auf die weiteren Gesetzgebungsarbeiten. Bei eingehender Beleuchtung stellt sich jedoch heraus, daß die Zugeständisse der Redaktoren an Gierkes Forderung nur punktueller Natur waren und sich insgesamt nicht harmonisch in das überwiegend römischrechtlich verbliebene Konzept einfügten, sondern wie Fremdkörper wirkten. Das Gesetzgebungsverfahren läßt sich besonders eingehend an der Normierung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nachzeichnen. 2. D i e Normierung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gesetzgebungsverfahren des Bürgerlichen Gesetzbuches a) Der Dresdener Entwurf

1863 wurde eine Fachmännerkommission zur Ausarbeitung eines einheitlichen Obligationenrechts nach Dresden einberufen. 1866 konnte die Kommission den Entwurf eines „Allgemeinen Deutschen Gesetzes über die Schuldverhältnisse" vorlegen. 32 Dieser Dresdener Entwurf war eine der Quellen, auf die sich die Redaktoren der ersten Kommission für die Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches stützten. Der Dresdener Entwurf behandelt beim Recht der Rechtsgemeinschaften den Gesellschaftsvertrag (Erstes Hauptstück, Art. 769 bis 849) und die zufällige Gemeinschaft (Zweites Hauptstück, Art. 850 bis 860). 33 Nach dem gemeinen Recht standen die Vermögensgegenstände einer Gesellschaft im Miteigentum sämtlicher Gesellschafter und zwar dergestalt, daß jedem Gesellschafter ein bestimmter Anteil an jedem Vermögensgegenstand zustand. Darüber konnte der Gesellschafter beliebig disponieren, die Teile bildeten insbesondere auch eine Zugriffsmöglichkeit für die Gläubiger des einzelnen Gesellschafters. 34 Demgegenüber bestand in I 17 § 198 A L R 3 5 zwar auch ein Miteigentum der Gesellschafter, anders als im gemeinen Recht bildete das Gesell31 Schlosser, S. 157. 32 Schlosser, S. 152. 33 Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 3/II, S. 21. 34 Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 3/II, S. 49. 35 A L R 117 § 198 lautet: „Der zum Betrieb des gemeinschaftlichen Geschäfts zusammengetragene Fonds ist von der Zeit des geschlossenen Vertrages an als gemeinschaftliches Eigenthum anzusehen" zitiert nach Allgemeines Landrecht, hrsg. von Hattenhauer.

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

schaftsvermögen aber ein geschlossenes Ganzes und an diesem geschlossenen Ganzen waren die Gesellschafter anteilsmäßig beteiligt. A n den einzelnen Bestandteilen des Gesellschaftsvermögens hatte der einzelne lediglich ein durch sein Eigentum an einem Anteil des Ganzen vermitteltes Recht. 36 Die Redaktoren des Dresdener Entwurfs hatten also zwischen diesen beiden Auffassungen von anteilsmäßiger Berechtigung am Gesellschaftsvermögen die Wahl. Hinsichtlich der gemeinen Gesellschaft (Art. 769 bis 809), darunter versteht der Dresdener Entwurf alle diejenigen Personenverbindungen, die nicht handelsrechtlichen Regelungen unterliegen, wählten die Redaktoren das gemeinrechtliche Vorbild. Danach erzeugt der Gesellschaf tsvertrag nur ein obligatorisches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Die einzelnen Gesellschafter sind die Subjekte des Gesellschaftsvermögens. 37 Die Redaktoren waren sich des Zwiespaltes, den eine solche Regelung im Hinblick auf die offene Handelsgesellschaft erzeugte, durchaus bewußt. Denn bei der offenen Handelsgesellschaft hatten die Gesellschafter während bestehender Gesellschaft keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen in der Weise, daß sie über einen bestimmten ideellen Anteil verfügen konnten. 38 Dieser Widerspruch sei, so die Redaktoren, dahingehend auszugleichen, daß dort, wo spezifisch handelsrechtliche Gründe vorlägen, auch die gemeine Gesellschaft den im Handelsgesetzbuch niedergelegten Entscheidungen über die offene Handelsgesellschaft unterliege. 39 Die Redaktoren sahen den Widerspruch zu dem gesamthänderischen Prinzip des A D H G B in den handelsrechtlichen Besonderheiten gegründet, die jedoch bei der gemeinen Gesellschaft regelmäßig keine Rolle spielten. Aufgrunddessen hielten sie das römischrechtliche Sozietätsprinzip für angemessen. Dieses allerdings unterlag Modifikationen. So war das für den Gesellschaftszweck bestimmte Gesellschaftsvermögen der Disposition des einzelnen entzogen. 40 Die dem römischen Recht der societas grundsätzlich immanente Verfügungsfreiheit wies also Beschränkungen auf. Auf eine Wesensbestimmung der Gesellschaft wollten sich die Redaktoren nicht festlegen. Sie verwiesen auf die in der Dogmatik kontrovers geführte Debatte und vermieden es, sich einer Meinung anzuschließen.41 Der Dresdener Entwurf beurteilte die Gesellschaft demnach nach den römischrechtlichen Maßstäben der societas42, allerdings mit Konzessionen an die Verfügungsfreiheit der Gesellschafter. Eine Stellungnahme zum Wesen 36

Schubert, Recht der Schuldverhältnisse Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 38 Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 39 Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 40 Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 41 Schubert, Recht der Schuldverhältnisse 42 Vgl., oben 2. Kapitel, I I I . 2. a). 37

3/II, 3/II, 3/II, 3/II, 3/II, 3/II,

S. S. S. S. S. S.

51. 23. 59. 22. 23. 23.

I I . Das Bürgerliche Gesetzbuch

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der Gesellschaft unterblieb hier ebenfalls wie im Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch. b) Die Beratungen der ersten Kommission

Die erste Kommission einigte sich in § 645 des ersten Entwurfs auf folgende Regelung: „Ein Gesellschafter ist gegenüber den übrigen Gesellschaftern verpflichtet, sich bis zur Auseinandersetzung der Verfügung über den ihm zustehenden Antheil an den in Folge des Gesellschaftsvertrages gemeinschaftlich gewordenen Gegenständen zu enthalten. (Absatz 2) Ein Gesellschafter ist nicht berechtigt, vor der Auseinandersetzung die Theilung solcher Gegenstände zu fordern". 43 Die Regelung behält den rein schuldrechtlichen Charakter der gemeinrechtlichen Lehre von der Gesellschaft bei. Im Vordergrund stehen die schuldrechtlichen Bindungen der Gesellschafter, die sachenrechtlich im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen keinerlei Einfluß haben. Der Gesellschafter ist lediglich verpflichtet, sich einer Verfügung zu enthalten. Eine tatsächlich durchgeführte Veräußerung führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern zieht für den jeweiligen Gesellschafter lediglich eine Schadensersatzpflicht wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrags nach sich. Die erste Kommission verstand das Gesellschaftsvermögen weder als Eigentum der Gesellschaft im Gegensatz zu dem der Gesellschafter noch im Sinne eines geschlossenen Ganzen wie das Preußische A L R . 4 4 Nach Meinung der Kommissionsmitglieder steht, ganz in der Tradition des gemeinen Rechts, jedem Gesellschafter ein bestimmter Anteil an jedem einzelnen Vermögensgegenstand zu. Aufgrunddessen kann der Gesellschafter seinen Anteil an den gemeinschaftlichen Gegenständen auch schon vor der Auseinandersetzung wirksam veräußern. Die Motive berufen sich in diesem Punkt ausdrücklich auf das gemeinrechtliche Prinzip und damit auf die Konzeption eines lediglich schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses der Gesellschaft. 45 In der 267. Sitzung vom 3. 12. 1883 wurde schließlich das im Entwurf normierte schuldrechtliche Veräußerungsverbot von den Kommissionsmitgliedern umfassend diskutiert. Im Hinblick auf die Frage, inwiefern ein Gesellschafter befugt sei, seinen Anteil an den infolge des Gesellschaftsvertrages gemeinschaftlich gewordenen Gegenständen zu veräußern, machte Gottlieb Planck (1824 - 1910), Appellationsgerichtsrat in Celle, 1870 - 1873 Reichstagsabgeordneter der demokratischen Partei 46 , den Vorschlag, ein Veräuße-

43

Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 291. Vgl. A L R 117 §§ 198, 263 - 268. 4 5 Motive, Bd. 1/2, S. 599. 46 Jakobs / Schubert, Materialien-Einführung, S. 80/81. 14 Ascheuer

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

rungsverbot wie folgt zu formulieren: „Die Veräußerung des einem Gesellschafter zustehenden Antheils an den in Folge des Gesellschaftsvertrages gemeinschaftlich gewordenen Gegenständen ist den übrigen Gesellschaftern gegenüber unwirksam. Die Vorschriften, welche zu Gunsten desjenigen bestehen, welcher Rechte von einem Nichtberechtigten herleitet, finden zu Gunsten des Erwerbers entsprechende Anwendung". 47 Die Intention Plancks geht also in Richtung auf ein dingliches Veräußerungsverbot. Die schuldrechtliche Verbundenheit der Gesellschafter findet hierin ihr unmittelbares sachenrechtliches Gegenstück in einem der Einzelveräußerung entzogenen und in dieser Hinsicht gebundenen Eigentum. Die Mehrheit der Kommission verwarf diesen Vorschlag aus folgenden Gründen: Zwar sei zuzugeben, daß die Veräußerlichkeit Gesellschaften zerrütten und den Untergang einer großen Zahl von ihnen nach sich ziehen könne, dennoch sei es mißlich, ein dingliches Veräußerungsverbot einzuführen. Dieses bleibe eine Anomalie und dürfe nur in dringenden Fällen angewandt werden. Praktische Schwierigkeiten ergäben sich bei der Führung des Grundbuchs im Hinblick auf die Umlauffähigkeit von Hypotheken. Gegenüber diesen praktischen Problemen lasse sich aber kein praktisches Bedürfnis an einer Unveräußerlichkeit nachweisen. Allerdings müsse eine freie Veräußerlichkeit der Anteile zumindest mit obligatorischer Wirkung eingeschränkt werden, da ansonsten bei bestehender Gesellschaft der Gesellschaftszweck gefährdet sei. 48 Das dem deutschrechtlichen Gesamthandsprinzip immanente dingliche Veräußerungsverbot, das in dem Vorschlag Plancks anklang, konnte sich also gegenüber der gemeinrechtlichen Auffassung lediglich schuldrechtlicher Verbindung bei grundsätzlich freier Veräußerbarkeit der Anteile nicht durchsetzen. Im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Gesellschaften mußten die Kommissionsmitglieder aber von der freien Veräußerbarkeit der Anteile Abstriche machen. Hinsichtlich der Auffassung von der Struktur des Gesellschaftsvermögens konnte sich die gemeinrechtliche Lehre mit der anteilsmäßigen Aufteilung jedes einzelnen Gegenstandes des Gesellschaftsvermögens in vollem Umfang durchsetzen. Die Beurteilung Gierkes, der erste Entwurf sei ein in Gesetzesparagraphen gegossenes Pandektenkompendium 49 trifft für die Regelung der Gesellschaft also zu.

47 48 49

Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 287. Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 290. Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 1.

III. Das Bürgerliche Gesetzbuch

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c) Die Beratungen der zweiten Kommission

aa) Die Strukturierung

des Gesellschaftsvermögens

Für die Regelung des Rechts der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen fiel die Kritik Gierkes, der erste Entwurf sei zu wenig volksverbunden, weil er auf römischem Recht basiere, zu individualistisch und seine Forderung nach der Einbeziehung deutschrechtlicher Regelungen scheinbar auf fruchtbaren Boden. Beide Forderungen Gierkes gelangen in der zusammenfassenden Begründung der zweiten Kommission zur Einführung des Gesamthandsprinzips für das Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck: „Demnach sei es richtiger an die Stelle des innerlich ungerechtfertigten vom Entw. selbst nicht durchgeführten und durch die K.O. bereits durchbrochenen (gemeint ist § 44 a.F. = § 51 n.F. K O ) römischrechtlichen Systems den auf deutschen Rechtsanschauungen beruhenden Grundsatz der gesammten Hand einzuführen, man gewinne damit ein klares auch dem Nichtjuristen verständliches und den deutschen Anschauungen entsprechendes Prinzip". 50 Gierkes Anliegen nach der Aufnahme deutschen Rechts und seinem Ruf nach Volkstümlichkeit fand also in der zweiten Kommission Resonanz. Die Kommission lehnte mit 12:8 Stimmen die Regelung des ersten Entwurfs ab. 51 Anstoß zu dieser Wendung, weg vom römischrechtlichen Prinzip des Miteigentums hin zum deutschrechtlichen Prinzip des Gesamteigentums, gaben zwei Anträge, die sich gegen die Miteigentumsstruktur des ersten Entwurfs wandten. 52 Diese nahmen die Kommissionsmitglieder zum Anlaß, sich grundsätzlich mit den Vorzügen und Nachteilen des deutschen Gesamt- und des römischen Miteigentums auseinanderzusetzen. In der endgültigen Abstimmung wurde der Antrag Nr. 5 § a des Kommissionsmitglieds Hermann Struckmann (1839 - 1922), Oberlandesgerichtsrat in Kiel, Schriftführer der Vorkommission, Hilfsarbeiter Plancks in der ersten Kommission 53 , angenommen, der lautete: „Ein Gesellschafter kann über seinen Antheil an den auf Grund des Gesellschaftsvertrages durch die Beiträge der Gesellschafter oder durch die Geschäftsführung gemeinschaftlich gewordenen Gegenstände mit Einschluß der Forderungen (Gesellschaftsvermögen) nicht verfügen". 54 Die Bestimmung wurde ergänzt durch einen Absatz 2, den Gottlieb Planck in seinem Antrag 4 § a so formulierte: „Ein Gesellschafter ist nicht berechtigt, vor der Beendigung der Gesellschaft die Theilung des Gesellschaftsvermögens oder einzelner dazu gehörender Gegenstände zu verlangen." 55 Damit entschied sich die Kommission nach Abwägung der so Protokolle I I , S. 431. 51 Protokolle I I , S. 428. 52 Protokolle I I , S. 428. 53 Jakobs / Schubert, Materialien-Einführung, S. 104. 54 Mugdan I I , S. 989; Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 294. 55 Mugdan I I , S. 988; Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 293. 14*

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

Brauchbarkeit beider Prinzipien für eine gesamthänderische Konzeption des Gesellschaftsvermögens. bb) Die Abwägung von römischrechtlichem Miteigentum und deutschrechtlichem Gesamthandseigentum Hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens im ersten Entwurf stellten die Kommissionsmitglieder fest: Aufgrund der rein obligatorischen Struktur der Gesellschaft existiere ein Gesellschaftsvermögen im eigentlichen Sinne gar nicht. Es sei vielmehr nur die Zusammenfassung der Vermögen der Gesellschafter ohne eigenständigen Charakter. Es bestehe lediglich als Folge der obligatorischen Verpflichtung, die Vermögensbestandteile im Gesellschaftsvermögen zu belassen.56 Demgegenüber entfalte die Gestaltung des Verhältnisses nach dem Grundsatz der gesamten Hand auch dingliche Wirkungen. Die dem Zwecke der Gesellschaft dienstbar gemachten Vermögensbestandteile bildeten ein selbständiges Vermögensganzes, das nicht nach festen Bruchteilen geteilt sei, sondern bei dem nur Grundsätze über die Verteilung des Gewinns und der Auseinandersetzung bestünden. Die Verfügung über die einzelnen Stücke des Gesellschaftsvermögens könne daher nur gemeinschaftlich erfolgen. 57 Hinsichtlich dieser sachlichen Unterschiede bestand Einigkeit. Die Meinungen gingen jedoch darüber, wie die Rechtsgemeinschaft theoretisch zu konstruieren und welches das wesensbestimmende Merkmal sei, weit auseinander. Es wurde vertreten: Das Gesamthandseigentum sei ein Quoteneigentum der Gesellschafter an den einzelnen Vermögensgegenständen. Die Teile seien zwar nicht bestimmt, aber bestimmbar. Der Unterschied zum römischen Miteigentum liege darin, daß die Anteile ohne besondere Übertragungsakte zwischen den Gesellschaftern veränderlich seien. Das notwendigerweise gemeinschaftliche Handeln bedinge ein gewisses persönliches Verhältnis. 58 Demgegenüber wandte ein Teil der Kommissionsmitglieder ein: Die Annahme von Anteilen an einzelnen Vermögensgegenständen sei mit dem Wesen der Gesamthand nicht vereinbar. Das ergebe sich schon daraus, daß ein Gesellschafter bei der Auseinandersetzung nicht von allen vorhandenen Vermögensstücken etwas erhalte. Als charakteristisches Merkmal der Gesamthand wird die Beschränkung der Verfügungsfreiheit der Gesellschafter herausgestellt. 59 Die Kommission gelangte schließlich zu dem Schluß, zu der Streitfrage über das Wesen der Gesamthand nicht Stellung zu beziehen, sondern nur die fachlichen Vorzüge beider Prinzipien abzuwägen. 56 Protokolle I I , S. 428. 57 Protokolle I I , S. 429. 58 Mugdan I I , S. 990. 59 Protokolle I I , S. 430.

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cc) Die tatsächlichen Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf Bemerkenswert ist, daß die Genossenschaftstheorie mit ihrer Idee von der Zusammenfassung der Gesamthänder zu einer kollektiven Einheit und der Zuordnung des Gesamthandsvermögens zu dieser Einheit 60 im Rahmen der Kommissionsberatungen über das Wesen der Gesamthand überhaupt nicht angesprochen wurde. Die vertretenen Auffassungen lehnen sich vielmehr weiterhin deutlich an den gemeinrechtlichen Miteigentumsbegriff an. Die Annahme von Anteilen sogar hinsichtlich der einzelnen Vermögensgegenstände weist in diese Richtung. Ein sachlicher Unterschied zum ersten Entwurf besteht hinsichtlich der Bindung der Anteile an das Vermögen. Die rein obligatorische Verfügungsbeschränkung wurde als unzureichend empfunden und durch eine dingliche Beschränkung ersetzt. Im Grunde aber verharrte ein Teil der Kommission beim römischen Miteigentum, in das als deutschrechtliches Zugeständnis eine dingliche Verfügungsbeschränkung integriert wurde. Immerhin kam in der Begründung der Entscheidung für das Gesamteigentum die von Gierke geforderte Gemeinschaftsbindung privater Rechte und damit die jedem Recht immanente Schranke der Pflichtigkeit 61 zum Tragen. Wenn nach der Meinung der Kommission der einzelne Gesellschafter das gemeinschaftliche Vermögen nicht beliebig zerstören und dadurch die Erreichung des gemeinschaftlichen Zwecks in Frage stellen kann, indem er über Anteile an einzelnen Vermögensstücken verfügt 62 , so liegt darin die Beschränkung des individuellen Eigentums zugunsten der Gemeinschaft. Die Kommission ging bei der Gestaltung des Gesellschaftsvermögens als Gesamthandsvermögen nicht von einer grundsätzlichen, wesensmäßig völlig vom römischen Recht abweichenden Miteigentumsstruktur aus. Diese Haltung ergibt sich daraus, daß sie in § 645 des ersten Entwurfes 63 , dem ja ausdrücklich das obligatorische römische Sozietätsprinzip zugrundelag, das Gesamthandsprinzip bereits als eingeführt betrachtete: So stünden sich bereits in § 645 des ersten Entwurfes die Gesellschafter so gegenüber, als wenn das Prinzip der gesamten Hand eingeführt sei, nur nach außen herrsche Verfügungsfreiheit. 64 Die rein obligatorische Verpflichtung, nachteilige Verfügungen zu unterlassen, könne diesem Verbot jedoch nicht ausreichend Nachdruck verleihen. Es müsse daher den verbotenen Verfügungen die Rechtswirksamkeit versagt werden, da es eine Schwäche des Gesetzgebers darstelle, den Gesellschaftern die tatsächliche Macht zu Verfügungen einzuräumen, die zu unterlassen er ihnen zur Pflicht mache. Der Gesellschaftszweck sei nur durch 60 Vgl., oben 9. Kapitel, II. 3.; I I I . 2.; I V . 2. a); I V . 2. b). Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 1. 62 Protokolle I I , S. 430. 63 Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 2. b). 64 Protokolle I I , S. 430.

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

eine Regelung zu sichern, die die Verfügung der einzelnen Gesellschafter in den Grenzen ihrer Verfügungsmacht zulasse.65 Das wiederum aber bedeutet, daß der einzige sachliche Unterschied zu § 645 des ersten Entwurfes in der Ersetzung der obligatorischen Verfügungsbeschränkung durch ein dingliches Verfügungsverbot liegt. Von einer grundsätzlichen, völligen konzeptionellen Änderung der Struktur des Gesellschaftsvermögens kann in Anbetracht dessen wohl nicht die Rede sein. Die Änderung liegt vielmehr nur in der Abkehr von einer obligatorischen und der Hinwendung zur dinglichen Ebene der Verfügungsverbote. Darin sollte nach Meinung der Kommission das Gesamthandsprinzip seinen Ausdruck finden. Die gegenüber dieser Konzeption des Gesellschaftsvermögens geäußerte Kritik, das Verhältnis der Gesellschafter werde durch die notwendige gemeinschaftliche Verfügung schwerfällig und bringe insbesondere für die Privatgläubiger eines Gesellschafters Nachteile mit sich, da ein Teil seines Vermögens, nämlich sein Anteil am Gesellschaftsvermögen, seiner Verfügungsbefugnis entzogen sei, konnte sich nicht durchsetzen. 66 Die Kommission strebte insgesamt eine Regelung an, die einerseits die Entscheidung der wissenschaftlichen Frage nach dem Wesen der Gesamthand vermied, andererseits das Prinzip selbst möglichst deutlich und verständlich herausstellte. 67 Als Ergebnis dieses Bemühens entstand die Regelung der §§ 718, 719 BGB, nachdem im Bundesrat von seiten Sachsen-Altenburgs nochmals Kritik an dem System der gesamten Hand geäußert worden war, die sich jedoch auch hier nicht durchsetzen konnte. 68 Mit §§ 718, 719 BGB war für das Gesellschaftsvermögen das Gesamthandsprinzip zwar im wesentlichen eingeführt, eine wesensmäßige Bestimmung des Prinzips jedoch vermieden worden. d) Zusammenfassung und Würdigung

Die Regelung des Gesellschaftsvermögens unterlag im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens also einem Wandel. Scheinbar wirkte sich die Kritik Gierkes an dem ersten Entwurf als zu wenig deutsch und zu wenig volkstümlich hinsichtlich der Normierung des Gesellschaftsvermögens aus. Unterzieht man aber die durch die zweite Kommission vorgenommenen Änderungen einer näheren Beleuchtung, so zeigt sich, daß die Zugeständnisse an deutschrechtliche Traditionen eher vordergründig sind und die tragenden Gedanken auch in diesem Bereich immer noch dem gemeinen Recht entstammen. Daß bei der Konzeption des Gesellschaftsvermögens im zweiten Entwurf die obligatorische Bindung der Gesellschafter durch eine dingliche Bindung ersetzt wird, 65 66 67 68

Protokolle I I , S. 431. Protokolle I I , S. 432. Protokolle I I , S. 433. Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 297.

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kann vor dem Hintergrund der Vorstellung eines zumindest in ideelle Teile gegliederten Gesellschaftsvermögens nur als gradueller, nicht jedoch als qualitativer Unterschied angesehen werden. So verblieb es als Folge der Verschmelzung von erstem und zweitem Entwurf bei einem überwiegend auf das obligatorische Verhältnis der Gesellschafter zugeschnittenen Regelungswerk, in dem das Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen einen nicht ganz homogenen Bestandteil bildete. Dem Bemühen, der nach der Veröffentlichung des ersten Entwurfes geäußerten Kritik nachzugehen, fiel ein römischrechtliches in sich geschlossenes und ausgewogenes System zum Opfer. So enthielt der erste Entwurf in § 642 noch eine Regelung zur Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die lautete: „Ist von den Gesellschaftern, sei es in Person, sei es durch Vertreter, mit einem Dritten ein Rechtsgeschäft geschlossen, so werden sie gegenüber dem Dritten im Zweifel zu gleichen Antheilen berechtigt und verpflichtet." 69 Diese auf die Miteigentumskonstruktion des Gesellschaftsvermögens ausgerichtete Haftung wurde gestrichen, aber nicht durch eine anderweitige Regelung ersetzt. Der Wegfall einer solchen Haftungsnorm war für den Bereich vertraglicher Verpflichtung infolge der Vermutung des § 427 BGB und für den deliktischen Bereich infolge § 840 BGB unschädlich, da beide Normen der gesamthänderischen Haftung Rechnung tragen. Diese Normen vermögen beispielsweise aber keine Antwort darauf zu geben, wie hinsichtlich eines Kondiktionsanspruchs nach §§ 812ff. BGB zu verfahren ist. 70 Das Bürgerliche Gesetzbuch verfügte nicht wie das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch71 über eine subsidiäre Regelung des Gesamthands- oder Miteigentumsprinzips, auf das zur Beantwortung solcher offener Fragen im Bereich der speziellen Ausgestaltung des Gesamthandseigentums als Auffangnorm zurückgegriffen werden konnte. 72 Es verblieben daher Probleme, die der Gesetzgeber nicht hatte lösen wollen oder können, deren Lösung sich jedoch aus der Definition des Gesamthandsprinzips ableiten ließe. Insofern war einerseits der Dogmatik durch die gesetzliche Regelung des Gesamthandsprinzips die Suche nach einer weiteren Annäherung an die Struktur der Gesamthand nicht verstellt, andererseits ergab sich aus der nicht alle Probleme regelnden Normierung auch ein Bedürfnis nach einem allgemeinen Prinzip, das zur Beantwortung offener Fragen beitragen konnte. 69

Jakobs / Schubert, Schuldverhältnisse I I I , S. 281. 70 B G H Z 61, 342; B G H , NJW 1983, 1908; B G H , NJW 1985, 1828; O L G Frankfurt, NJW 1986, 3144; O L G Hamburg, BB 1984, 14; Crezelius, Bereicherungshaftung, JuS 1986, 685; Palandt-Heinrichs, § 427 Anm. 1 b). Vgl., oben 11. Kapitel, II. 2. 72 Für die Lückenausfüllung im Wege der Analogie sollten in Ermangelung analog anwendbarer Vorschriften die aus dem Geist der Rechtsordnung sich ergebenden Grundsätze maßgebend sein, ohne daß dies schließlich normiert wurde; vgl. H. Hübner, S. 56.

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen 3. D i e Normierung des Gesamthandsprinzips bei der ehelichen Gütergemeinschaft

Mit Rücksicht auf die in der Dogmatik ebenfalls kontrovers diskutierte Frage, ob es sich bei der Gesamthand um ein Rechtsprinzip handelt oder ob die Gesamthandsgemeinschaften einer ihrem Charakter entsprechenden unterschiedlichen Regelung zu unterliegen hätten, ist ein Blick auf die Normierung von ehelicher Gütergemeinschaft, und im Anschluß daran, auf die Normierung der Erbengemeinschaft unerläßlich. Es stellt sich also das Problem, ob auch der Gesetzgeber von einem Rechtsgedanken der Gesamthand ausging, der in dem einen Institut mehr, in dem anderen Institut weniger an Tragfähigkeit gewinnt. a) Die Vorlage des Redaktors Gottlieb Planck

Bei der Gütergemeinschaft sahen sich die Redaktoren einer bunten Vielfalt partikularrechtlicher Ausgestaltungen gegenüber, die es zu einem einheitlichen System zu vereinigen galt. 73 Dem entsprach eine zumindest ebenso große Vielfalt juristischer Konstruktionen, die der Redaktor Gottlieb Planck in seiner Vorlage für das Familienrecht zusammenstellte.74 Planck selbst hält ein Miteigentum für angemessen, bei welchem während bestehender Gemeinschaft die Anteilsrechte der Eigentümer suspendiert bleiben und erst bei der Auflösung der Gemeinschaft hervortreten. Diese Qualität mißt er dem römischrechtlichen Miteigentum zu, das nicht die Bedeutung habe, daß das Eigentumsrecht zwischen mehreren Personen geteilt sei, sondern es sei derart gemeinschaftlich, daß es nur durch den gemeinschaftlichen Willen aller in Bewegung gesetzt werden könne. 75 In diesem Zusammenhang sieht er deutliche Parallelen zur Regelung der Gesellschaft: „Für die Ehegatten selbst lassen sich aus der allgemeinen Kategorie des Gesellschaftsverhältnisses in Verbindung mit dem besonderen Zweck dieser Gesellschaft als einer auf die vollständige Gemeinschaft des beiderseitigen Vermögens für die Zwecke der Ehe gerichteten Vereinigung alle Bestimmungen ableiten, welche man für die Erreichung jenes besonderen Zweckes für nothwendig hält" 7 6 . Solche der Gestalt der ehelichen Gütergemeinschaft immanenten Modifikationen sind der Ausschluß des Rechts auf einen dem ideellen Teil entsprechenden Anteil der Nutzungen und die Teilung des gemeinschaftlichen Eigentums selbst. 77 Für Planck erwächst somit aus der Konstruktion der Gesellschaft ein genereller 73 74 75 76 77

Jakobs / Schubert, FamilienR I, S. 670. Schubert, FamilienR, Teil 1, S. 642ff. Schubert, FamilienR, Teil 1, S. 647. Schubert, FamilienR, Teil 1, S. 646. Schubert, FamilienR, Teil 1, S. 646.

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Wert, der in der ehelichen Gütergemeinschaft ebenfalls enthalten ist, der jedoch mit Rücksicht auf die besonderen engen persönlichen Beziehungen der Ehegatten Beschränkungen unterliegen muß. Aber eine wesensmäßige Gleichartigkeit, die den Bogen von der Gesellschaft zur Gütergemeinschaft spannt, tritt deutlich zu Tage. b) Die Beratungen der ersten Kommission

In den Beratungen der ersten Kommission (471. Sitzung vom 30. 9. 1885) verschwimmen diese Gemeinsamkeiten wieder. Für die Gesellschaft war die Kommission dem römischrechtlichen Sozietätsgedanken gefolgt. 78 Für die eheliche Gütergemeinschaft verwarf man aber die Grundsätze über die Sozietät als unpassend. Stattdessen entschied man sich für die Kategorie des deutschrechtlichen Miteigentums, d.h. eines Miteigentums, bei dem die Anteile während der Dauer der Gemeinschaft latent blieben und als selbständige Vermögensrechte nicht geltend gemacht werden konnten. 79 Anders als bei der Gesellschaft wollte man den Streit um das Wesen der ehelichen Gütergemeinschaft nicht offenlassen, da man als Folge eines solchen Vorgehens in Anbetracht des Streites von Doktrin und Praxis eine uferlose Kasuistik fürchtete. 80 Die gewählte juristische Konstruktion des deutschrechtlichen Miteigentums sollte nicht nur Grundlage für die Regelung sein, sondern auch in der Art der Regelung eindeutig zum Ausdruck gelangen.81 c) Die Beratungen der zweiten Kommission und die Ausführungen der Denkschrift des Reichsjustizamtes

Die zweite Kommission versuchte dagegen, ausgehend von ihrem hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens revidierten Standpunkt, wieder eine Konkordanz zwischen Gesellschaft und ehelicher Gütergemeinschaft herzustellen. Eine solche Annäherung beider Institute wird schon deutlich, vergleicht man die Hauptanträge zur Regelung von Gesellschaftsvermögen und Gesamtgut. Bei der Gesellschaft lautete der schließlich angenommene Antrag: „Ein Gesellschafter kann über seinen Antheil an dem auf Grund des Gesellschaftsvertrages durch die Beiträge der Gesellschafter oder durch die Geschäftsführung gemeinschaftlich gewordenen Gegenstände mit Einschluß der Forderungen (Gesellschaftsvermögen) nicht verfügen. (Absatz 2) Der Gesellschafter ist nicht berechtigt, vor der Beendigung der Gesellschaft die Theilung des Gesellschaftsvermögens oder einzelner dazu gehörender Gegenstände zu verlan7

« Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 2. b). Jakobs / Schubert, FamilienR I, S. 672; Mugdan I V , S. 184. 80 Jakobs / Schubert, FamilienR I, S. 671. 81 Jakobs / Schubert, FamilienR I, S. 672. 79

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

gen". 8 2 Beim Gesamtgut lautete der Hauptantrag 1 § c: „Die Ehegatten können über ihre Antheile an dem Gesammtgute und an einzelnen dazu gehörenden Gegenständen, mit Einschluß der Forderungen, nicht verfügen; sie sind nicht berechtigt, Theilung zu verlangen". 83 Diese sprachliche Identität läßt sich nur damit erklären, daß nach Auffassung der Kommission beiden Instituten ein einheitliches Prinzip zugrundeliegt. Und tatsächlich kommt in den Protokollen zum Ausdruck, daß ein Einverständnis der Kommission darüber bestand, daß das Gemeinschaftsverhältnis der Ehegatten im Hinblick auf das Gesamtgut seinem Wesen nach mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Gesellschafter bezüglich des Gesellschaftsvermögens identisch ist. 8 4 Mit Rücksicht auf diese Gleichartigkeit bemühte sich die Kommission darum, die Regelung hinsichtlich Gesamtgut und Gesellschaftsvermögen auch in eine sprachliche Übereinstimmung zu bringen 85 , was bei einem Vergleich von § 719 BGB und § 1419 BGB auch gelungen ist. Schließlich verdeutlicht auch die Denkschrift des Reichsjustizamtes zum vertragsmäßigen Güterrecht die wesensmäßige Verwandtschaft als Ausdruck des Gesamthandsprinzips: „ I n Uebereinstimmung mit den das Gesellschaftsvermögen betr. §§ 703 - 732 hat die Entw. auch das Rechtsverhältniß bezüglich des gemeinschaftlichen Vermögens der Ehegatten des Gesammtgutes nach den deutschrechtlichen Grundsätzen der Gemeinschaft zur gesammten Hand gestaltet; . . . " 8 6 Der Gesetzgeber ging also ebenso wie die überwiegende Zahl der germanistischen Juristen des 19. Jahrhunderts von einem Prinzip, einem deutschrechtlichen Grundsatz der Gemeinschaft zur gesamten Hand aus, dessen besondere Ausprägungen die Gesellschaft und die eheliche Gütergemeinschaft darstellten. Den Grund, ein solches Prinzip zumindest ansatzweise im Gesetz zum Ausdruck zu bringen, sah die erste Kommission darin, daß es für die im Gesetz nicht speziell entschiedenen Punkte an einer klaren Norm nicht fehlen dürfe. 87 Das Prinzip der Gesamthand ermöglicht also bei fehlender spezieller Regelung den Rückzug auf grundsätzliche Erwägungen.

82 83 84 85 86 87

Mugdan Mugdan Mugdan Mugdan Mugdan Jakobs /

I I , S. 989/990. I V , S. 801. I V , S. 801. I V , S. 801. I V , S. 1156. Schubert, FamilienR I, S. 672.

I I . Das Bürgerliche Gesetzbuch

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4. D i e Normierung des Gesamthandsprinzips bei der Erbengemeinschaft a) Die Vorlage des Redaktors Gottfried von Schmitt

Die Regelung des Rechtsverhältnisses der Erbengemeinschaft nimmt in ihrem Redaktionsgang einen zur Regelung des Rechts des Gesellschaftsvermögens parallelen Verlauf. Der Redaktor Gottfried von Schmitt (1827 - 1908), Präsident des Obersten Bayerischen Landesgerichts in München, Vertreter Bayerns in der ersten Kommission, 1863 - 1869 liberaler Abgeordneter im bayerischen Abgeordnetenhaus 88 , schlug eine allgemeine Bestimmung der Erbengemeinschaft vor, die lautete: „ A u f das Rechtsverhältniß der Miterben finden, soweit nicht aus dem Gesetze ein Anderes sich ergiebt, die Vorschriften über die Gemeinschaft entsprechende Anwendung". 89 Dem lag die Auffassung der Erbengemeinschaft als römische Miteigentumsgemeinschaft zugrunde. Die Gemeinschaftlichkeit nach Quoten bildete seiner Meinung nach die Regel, mit der Maßgbe, daß der Bruchteil ein selbständiges Vermögensobjekt sei. Sofern ein Vermögen insbesondere eine Erbschaft nach Bruchteilen gemeinschaftlich ist, so sind auch die darin enthaltenen Vermögensgegenstände, sofern sie nicht schon aufgrund des Gesetzes geteilt sind oder ihrer Natur nach nicht in Bruchteile zerlegt werden können, nach Bruchteilen geteilt. 90 Die Form der Gemeinschaft, bei der nur latente Anteile am Vermögen bestehen, bei der Vermögensgegenstände unveräußerlich, unbelastbar und der Zwangsvollstreckung nicht zugänglich sind, stellte nach Meinung Schmitts gegenüber der regelmäßigen Bruchteilsgemeinschaft eine Ausnahme dar: Anerkannt sei als einziger solcher Ausnahmefall die eheliche Gütergemeinschaft. 91 Ebenso wie das Gesellschaftsvermögen unterliege aber auch der Nachlaß der Regel der Bruchteilsgemeinschaft. 92 Im Hinblick auf die Möglichkeit des Miterben infolge der freien Veräußerbarkeit des Anteils am Nachlaß, aktive Bestandteile desselben den Erbschaftsgläubigern, Legataren, Pflichtteilsberechtigten und den übrigen Miterben zu entziehen, zieht von Schmitt eine Verfügungsbeschränkung in Erwägung. Diese sieht er in Übereinstimmung mit der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses in einer obligatorischen, nicht jedoch dinglichen Einschränkung der Verfügungsbefugnis. 93

88

Jakobs / Schubert, Materialien-Einführung, S. 85. Schubert, ErbR, Teil 2, S. 80. *> Schubert, ErbR, Teil 2, S. 189. 9 1 Schubert, ErbR, Teil 2, S. 188. 92 Schubert, ErbR, Teil 2, S. 189. 93 Schubert, ErbR, Teil 2, S. 190/191. 89

220

11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

In den Ausführungen Schmitts gelangt zum Ausdruck, daß Erbengemeinschaft und Gesellschaftsverhältnis einem einheitlichen Prinzip, dem römischrechtlichen Miteigentum, unterliegen, von dem die eheliche Gütergemeinschaft eine Ausnahme darstellt. Zwischen allen drei Instituten besteht ein innerer sachlicher Zusammenhang, der es erlaubt, Regelungen der einen Gemeinschaft auch auf die andere zu übertragen, wie es von Schmitt hinsichtlich der obligatorischen Verfügungsbeschränkung vorsieht. b) Die Erbengemeinschaft aus der Sicht der ersten und der zweiten Kommission

Die erste Kommission problematisierte die Frage nach den Rechtsbeziehungen innerhalb einer Erbengemeinschaft nicht mehr. Für sie stand ganz klar fest, daß diese nach dem Recht des römischen Miteigentums zu beurteilen sei. 94 In der zweiten Kommission zeichnete sich dann aber eine Abkehr von dieser Grundauffassung ab. Es stellte sich ihr die grundsätzliche Frage, ob das Rechtsverhältnis der Erbengemeinschaft im Sinne einer Gemeinschaft zur gesamten Hand geordnet werden sollte. Schließlich entschied man sich unter Hinweis auf I 17 § 119 A L R 9 5 gegen das gemeinrechtliche Miteigentum. Die Protokolle führen hierzu aus: Das gesamthänderische Prinzip bringe mit seinen Verfügungsbeschränkungen sowohl für die Nachlaßgläubiger als auch für die Miterben hinsichtlich der Ausgleichsansprüche für getätigte Aufwendungen Vorteile. Demgegenüber könne der Nachteil, daß der Miterbe über seinen Anteil am Nachlaß nicht mehr frei verfügen könne, durch zweckmäßige Gestaltung der Einzelheiten abgeschwächt werden. 96 Bei der Definition der Anteile am Nachlaß werden die Parallelen zu Gesellschaft und ehelicher Gütergemeinschaft als ,,sonstige() Rechtsverhältnisse, wo die Gemeinschaft zur gesammten Hand Aufnahme gefunden habe" 97 , aufgezeigt. Bezüglich der Gemeinschaft zur gesamten Hand besteht, so die zweite Kommission, die Gemeinschaft nicht an allen einzelnen Gegenständen des Vermögens, das Verhältnis sei vielmehr eine einheitliches und die einzelnen Objekte nur Bestandteile des Ganzen. 98 Hinsichtlich der Übertragung der Anteile ergibt sich aus dem Wesen der Erbengemeinschaft und ihrer Funktion gegenüber ehelicher Gütergemeinschaft und Gesellschaft allerdings eine wesentliche Abweichung. Die Miterben sind zur Verfügung über ihren Anteil und zwar als Inbegriff ihrer am Nachlaß zustehenden Rechte auch mit dinglicher Wirkung befugt. Die Gründe liegen in der personenrechtlichen Konstel94 95 96 97 98

Mugdan V , S. 370. Vgl., oben 7. Kapitel, I. 2. c). Mugdan V , S. 495. Mugdan V , S. 497. Mugdan V , S. 497.

I I . Das Bürgerliche Gesetzbuch

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lation der Erbengemeinschaft. Anders als Gesellschaft und eheliche Gütergemeinschaft ist die Erbengemeinschaft gerade nicht auf Dauer, sondern im Gegenteil auf Liquidation ausgerichtet. Gegen das Eindringen unwillkommener Erwerber bietet das Vorkaufsrecht der übrigen Erben eine ausreichende Abwehrmaßnahme. Da die Erbengemeinschaft auch kein freiwilliger Personenzusammenschluß ist, sondern eine durch den Erbfall bedingte Zwangsgemeinschaft, werden Härten dadurch ausgeglichen, daß eine Verwertung des Anteils möglich ist." Diese Abweichung gegenüber Gesellschaft und ehelicher Gütergemeinschaft beruht auf dem Wesen der Erbengemeinschaft. Deutlich wird aber, daß die zweite Kommission auch hier von einem die Gesellschaft, die eheliche Gütergemeinschaft und die Erbengemeinschaft durchdringenden Prinzips der Gesamthand ausging, von dem je nach dem Wesen des jeweiligen Personenzusammenschlusses Abstriche zu machen sind. Ausdruck des Gesamthandsprinzips ist es auch, daß zwar der Anteil des Erben am Nachlaß veräußert werden kann, aber eben nur der Anteil als Zusammenfassung aller Rechte am Nachlaß und nicht das isolierte Recht am einzelnen Nachlaßgegenstand.

5. Zusammenfassung

Auch hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens bei der Regelung der Miterbengemeinschaft wird deutlich, daß der Gesetzgeber von einem Rechtsgedanken der Gesamthand ausging, der die einzelnen Institute mehr oder weniger intensiv durchwirkt. Diese Haltung gelangt zum Ausdruck, wenn der Gesetzgeber von den „Grundsätzen der Rechtsgemeinschaft zur gesammten Hand" 1 0 0 spricht. Die Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand ist der Gattungsbegriff, dem die einzelnen Institute zuzuordnen sind. Aus diesem Rückgriff auf allgemeine Strukturen, die zwar nicht ausdrücklich normiert sind, aber die einzelnen Regelungen durchziehen und durch sie für den jeweiligen Regelungsbereich verwirklicht werden, läßt sich ableiten, daß der Gesetzgeber nicht ein Regelungsgebäude, zugeschnitten auf jede der normierten Gesamthandsgesellschaften schaffen wollte. Ausgehend von einem allgemeinen Gedanken gesamthänderischen Eigentums beabsichtigte er nur, den besonderen Eigenarten der Gemeinschaften, basierend auf der unterschiedlichen Intensität ihrer personellen Verflechtung durch spezielle Regelungen Geltung zu verschaffen. Der Gesetzgeber vermied es aber, eine Regelung des Rechtsprinzips der Gesamthand selbst zu treffen und in das Gesetz aufzunehmen. Er beschränkte sich vielmehr auf die Normierung der Grundfragen, um darin fragmentarisch seine Auffassung zum Ausdruck zu bringen. Die Suche 99 Mugdan V , S. 497. 100 Mugdan V , S. 859.

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11. Kap.: Die bürgerlichrechtlichen Kodifikationen

nach der Eigenart des Gesamthandseigentums überließ er dagegen Wissenschaft und Rechtsprechung. So erhielt die fortwährende Gesamthandsdiskussion ihre weitere Existenzberechtigung. Zudem läßt sich den Materialien zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches entnehmen, daß der Gesetzgeber auch von der Notwendigkeit einer solchen Diskussion überzeugt war. Die Dürftigkeit positivrechtlicher Regelungen in §§ 719, 1419, 2032 BGB verdeutlicht die Beschränkung auf Grundfragen. Darüberhinausgehende, diesen Grundregelungen nicht unterzuordnende Probleme, lassen sich aber nur durch den Rückzug auf ein allgemeines Prinzip lösen, das das BGB nicht selbst normierte.

Zwölftes Kapitel

Die Gesamthandsdiskussion von der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches bis zur Gegenwart I . Der Schritt von historischer Betrachtung zu gegenwartsbezogener Dogmatik Mit der Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuches fand die Rechtsgeschichte zu einem neuen Selbstverständnis. Rechtsgeschichte und geltendes Recht fanden keine so enge Verflechtung mehr, wie sie durch Usus modernus und Historische Rechtsschule begründet wurde. Römisches Recht, um seine Bedeutung als geltendes Recht gekürzt, und gemeines deutsches Privatrecht wurden zum Gegenstand weitgehend historischer Betrachtung. 1 Anknüpfungspunkt für rechtsdogmatische Fortentwicklungen bildete nunmehr in erster Linie das im Bürgerlichen Gesetzbuch normierte Recht. In dieses neue Selbstverständnis fand sich auch die Gesamthandsdogmatik. Buchda 2 bemerkt hierzu, daß die Gesamthandslehre auseinandergerissen worden sei. Sie teilt sich nun in die Disziplinen der Wissenschaft des deutschen Privatrechts (Dogmatik des Geschichte gewordenen deutschen Privatrechts) und die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts. Mit der Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuches war nunmehr ein festgefügtes für ganz Deutschland geltendes Rechtssystem vorhanden, das seine eigenen Anforderungen an die Dogmatik richtete und den Blick von der historischen Genese zunächst ablenkte. Aus dieser Sicht heraus ist es wohl zu verstehen, daß Ernst Joerges forderte, die Unterschiede zwischen Gesamthand und Mitberechtigung von jeder Beimischung rechtspolitischer und rechtshistorischer Gesichtspunkte frei zu halten und das dem kodifizierten Privatrecht immanente einheitliche System herauszustellen. 3 In diesem Sinne äußerte sich 1905 auch Julius Binder. Er schrieb: „Die Institute und Begriffe des neuen Rechts bilden eine Einheit als Teile desselben Ganzen und müssen deshalb auch von der Wissenschaft als solche behandelt werden." 4 Karl Kattausch bemerkte in der Einlei-

1 Wieacker, PrGN, S. 416; Landau, Bemerkungen, Z N R 1/2 (1980), S. 117, 129; Dulckeit / Schwarz / Waldstein, S. 322. 2 Buchda, S. 189. 3 Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum, Z H R 51 (1902), S. 47, 52. 4 Binder, Die Rechtstellung der Erben, I I I . Teil, S. 7/8.

224

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

tung zu seiner 1911 erschienenen Dissertation: „Diese Arbeit berücksichtigt lediglich das geltende Recht: Aus ihm müssen sich Begriffe, die ihm angehören, auch ableiten lassen".5 In diesen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs geäußerten Meinungen klingt noch an, daß das neue Recht vor allem aus sich selbst heraus zu definieren und zu ordnen ist. Dieser Begriffsbestimmung nach sind daher alle nach der Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs als der Zäsur zwischen Geschichte und Gegenwart bis auf den heutigen Tag versuchten Lösungsansätze einer gegenwartsbezogenen Gesamthandsdogmatik zuzuordnen und von der historischen Betrachtung auszugrenzen. Diesem eigenen Verständnis folgend stellt nun die Dogmatik der Gesamthand von 1900 an bis zur Gegenwart eine Einheit, einen Zweig der Dogmatik des bürgerlichen Rechts in seiner Gesamtheit dar.

I I . Die Theorien im einzelnen Die Zurückhaltung des Gesetzgebers hinsichtlich der Frage nach der Rechtsnatur der Gesamthand wirkte für die Rechtsdogmatik scheinbar wie eine Initialzündung. Unzählige neue Wege wurden und werden beschritten, bereits einmal diskutierte Argumente neu aufgelegt, aktualisiert, erörterte Gedankengänge weitergeführt. So bildet die Gesamthandsdogmatik dieses Jahrhunderts ein äußerst vielschichtiges Gebilde. 1. D i e Gesamthand als allgemeines Rechtsprinzip a) Die Existenz eines einheitlichen Rechtscharakters der Gesamthand

Anknüpfend an die seit der Theorie des dominium plurium in solidum erfolgenden Suche nach dem Rechtsprinzip der Gesamthand stellt sich auch für die moderne Dogmatik weiterhin die Frage, ob es überhaupt möglich ist, die Gesamthand als Rechtsgedanken zu erfassen oder ob angesichts der Vielzahl der gesetzlich normierten Gesamthandsgemeinschaften eine solche Charakterisierung scheitern muß. Weiter besteht das Problem, ob, wenn eine solche allgemeine Charakterisierung möglich ist, ein allumfassendes Prinzip zur Lösung praktischer Einzelfragen beitragen kann. Die Bemühungen um die Erfassung der Rechtsnatur der Gesamthand entspringen dem Gedanken, die Gesamthand sei ein Rechtsprinzip, ein Strukturelement, dessen sich der Gesetzgeber zur Regelung unterschiedlicher Gemeinschaftsformen bedient habe. 6 Danach sind die Ausprägungen in Form 5

Kattausch, S. 2.

II. Die Theorien im einzelnen

225

der verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften lediglich Konkretisierungen des Rechtsgedankens der „Gesamthand". Im Wege einer Gesamtanalogie und eines Rückgriffs auf die ratio legis kann bei einem Vergleich ihrer Merkmale die Rechtsidee herausgefiltert werden. 7 Dagegen wird von anderer Seite die Existenz eines derartigen Rechtsprinzips in Abrede gestellt: Die unterschiedliche Ausgestaltung der Detailfragen entziehe sich einer gemeinsamen Sichtweise. Eine systematische Durchdringung stoße schnell auf gesetzliche Normen, so daß Verständigungsschwierigkeiten nur gegen das Gesetz überwunden werden könnten. 8 Eine Gesamtschau könne des weiteren nur beschränkt vorhandene Gemeinsamkeiten der einzelnen Gemeinschaften erfassen. Ein lediglich auf solche partiellen Anwendungsbereiche reduzierter Grundgedanke verdiene die Charakterisierung als allgemeines Rechtsprinzip nicht. 9 b) Die Relevanz der Rechtsnatur der Gesamthand für die Lösung rechtlicher Probleme

Kritische Stimmen wenden sich auch gegen die Notwendigkeit einer Wesensbestimmung zur Lösung praktischer Rechtsfragen. Wiedemann nimmt zwar ein offenes Prinzip der Gesamthand an, er kritisiert jedoch den Versuch, ausschlaggebende Entscheidungskriterien aus dem Gesamthandsprinzip zu gewinnen. Als offenes Prinzip läßt sich die Gesamthand den unterschiedlichsten Lösungsmöglichkeiten zuführen. Konkrete Antworten sind jedoch nur aus einer spezifisch sachen-, gesellschafts-, familien- oder erbrechtlichen Betrachtung zu gewinnen. 10 Fischer bezeichnet den Streit nur als eine Frage juristischer Ästhetik, die infolge ausreichender positivrechtlicher Regelungen aller Detailfragen außerordentlich geringe Bedeutung für die Rechtsanwendung habe. 11 Teilweise wird der Vorwurf des Rückfalls in die Begriffsjurisprudenz erhoben. Mit der Etikettierung als Gesamthand ist für die Lösung der Sachfragen nichts gewonnen. 12 Diesem Einwand begegnen die Autoren, die sich um eine dogmatische Erfassung der Gesamthand bemühen, mit dem Argument, daß ohne eine Konzeption vom Wesen der Gesamthand die Konturen ins Unverbindliche 6 Bartholomeyczik, Willensbildung, FS Reinhardt, S. 13; Flume, Z H R 136 (1972), S. 177, 179, der die Gesellschaft für die Urform der Gesamthand hält. 7 Weber-Grellet, Gesamthand, AcP 182 (1982), S. 317, 320; Larenz, Methodenlehre, S. 458. s Teichmann, Die Personengesellschaft, AcP 179 (1979), S. 475, 482, 488. 9 Blaurock, Rezension: Schulze-Osterloh, Z H R 137 (1973), S. 433, 435; Nitschke, Die Geltendmachung, Z H R 128 (1966), S. 48, 60. 10 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 247. 11 HGB-Großkomm.-Fischer, Bd. I I / l , 3. Aufl., § 105 Anm. 7. 12 HGB-Großkomm.-Fischer, Bd. I I / l , 3. Aufl., § 105 Anm. 8; B G H Z 23, 305; B G H Z 36, 226; B G H Z 39, 324.

15 Ascheuer

226

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

und in unabgestimmte Einzelfragen entglitten. Abstrakt handhabbare Lösungshilfen werden der Beschäftigung mit dem Einzelfall geopfert. 13 Der Wert für die Praxis liegt nach der Beurteilung Schünemanns nicht in der Ableitung zweifelhafter Einzelfragen aus einer begrifflichen Einordnung. Juristische Einzelarbeit ist nicht durch einen Verweis auf die Rechtsnatur zu ersetzen. Eine Charakterisierung des Wesensgehalts der Gesamthand kommt aber dem Bedürfnis des Praktikers nach Rückkoppelung auf allgemeine Regelungen entgegen, die für die Plausibilität einer jeden Entscheidung notwendig ist, will sie nicht nur Billigkeit als Begründung heranziehen. 14 Kunz betont die Interdependenz von Praxis und Dogmatik. So wie die Praxis ohne feste Vorstellung von der Konstruktion der Gesamthand maßgeblicher Kriterien entbehrt, so kann die Praxis ihrerseits immer wieder auf dogmatische Fehlentwicklungen aufmerksam machen. 15 Uneinigkeit besteht also hinsichtlich der Frage, ob eine Rahmenregelung nur durch schlichte am Gruppenzweck orientierte Rechtssätze ausgefüllt werden kann 16 oder ob die Wesensbestimmung der Gesamthand mehr ist als juristische Ästhetik und gleichwohl zur Lösung der Rechtsprobleme beitragen kann. 17 2. D i e individuelle Betrachtungsweise der Gesamthand a) Die mehrheitliche, voneinander unabhängige Zuständigkeit der Gesamthänder

Diejenigen Meinungen, die sich trotz der vorgebrachten Bedenken um eine Erfassung des Wesens der Gesamthand bemühen, lassen sich nach ihrer Akzentuierung der Bindung der Gemeinschafter in eine Vielheits- und eine Einheitsbetrachtung gliedern. Die individuelle Sichtweise zeichnet sich dadurch aus, daß sie wie bei der Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB von einer mehrheitlichen, voneinander unabhängigen Zuständigkeit der Gemeinschafter ausgeht. aa) Die ältere Theorie von der geteilten Mitberechtigung Diese Auffassung wurde bereits im unmittelbaren Anschluß an die Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuches von Ernst Joerges vertreten. Joerges 18

13

Schünemann, S. 18, 38, 61; so auch Kunz, S. 168. Schünemann, S. 61, 62, 65. 15 Kunz, S. 168. 16 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 250. 17 Schünemann, S. 61, 62, 65; Kunz, S. 168. 14

II. Die Theorien im einzelnen

227

legte die inhaltlich übereinstimmenden Regelungen der §§ 719 Abs. 1, 1419 Abs. 1, § 2033 Abs. 1 BGB dahingehend aus, dem Gesamthänder stehe ein Recht an den einzelnen Gegenständen zu. 19 Daraus leitete er für die Gesellschafter ein Miteigentum an jedem einzelnen zum Gesellschafts vermögen gehörenden körperlichen Gegenstand ab. Er charakterisierte das Gesamthandseigentum als ein Miteigentum ohne veräußerliche Anteile und hielt die Bezeichnung „gebundenes Eigentum" für angemessen.20 Kennzeichnendes Element für Joerges war schließlich, daß die personenrechtliche Verbundenheit der Subjekte sachenrechtliche Reflexwirkungen auf diese Vermögensgemeinschaft habe. Er ordnete sie also auch dem Personenrecht zu. 2 1 Diese Reflexwirkung besteht in der Einheitlichkeit der Dispositionsgewalt, nicht in der Einheitlichkeit rechtlicher Zuständigkeit. 22 Wie sich aus dem von Joerges gewählten Begriff „gebundenes Eigentum" ergibt, besteht der Unterschied zum eigentlichen ungebundenen Eigentum nur darin, daß die Gesamthänder nicht frei über ihre Anteile verfügen können. Dies berührt aber nicht ihre eigentumsrechtliche Mitberechtigung an jedem einzelnen Gegenstand des Gesamtvermögens. Johannes Nagler grenzte wie Andreas Heusler 23 das Miteigentum von dem Eigentum der juristischen Person ab, die er für die beiden ausschließlichen Formen gemeinschaftlichen Eigentums hielt. 2 4 Ausgehend von dieser Prämisse gelangte er zu dem Ergebnis, daß in Anbetracht der §§ 718, 719 BGB bei der Gesellschaft das Eigentum der juristischen Person auszuschließen sei. Also verblieb es bei einer Mitberechtigung nach ideellen Anteilen, denn der Mehrheit der Subjekte entsprach die Mehrheit der Berechtigungen. Das bedeutete, daß das Gesellschaftsvermögen in so viele Sondersphären zerfiel, als Gesellschafter vorhanden waren. 25 Allerdings, so fuhr Nagler fort, unterlägen die Gesellschafter einer Bindung, die in ihrer personenrechtlichen Verbundenheit fuße. Das hieraus abzuleitende Veräußerungsverbot war ein relatives im Sinne des § 135 B G B . 2 6 Seine Grenze fand es am gemeinschaftlichen Willen der Gesellschafter. 27 Die Meinung Naglers weist Ähnlichkeiten mit den Regelungen des Gesellschaftsvermögens im ersten Entwurf des Bürgerlichen 18

Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum und der gesammten Hand, Z H R 49 (1900), S. 140 ff. 19 Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum, Z H R 49 (1900), S. 140, 183. 20 Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum, Z H R 49 (1900), S. 140, 184. 21 Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum, Z H R 49 (1900), S. 140, 184. 22 Joerges, Zur Lehre vom Miteigenthum, Z H R 51 (1902), S. 47, 61. 23 Vgl., oben 9. Kapitel, I V . 2. e). 24 Nagler, Die gesammte Hand im Gesellschaftsrechte, Sächs. Archiv Bd. 10 (1900), S. 695, 723. 2 5 Nagler, Die gesammte Hand, Sächs. Archiv Bd. 10 (1900), S. 695, 723. 26 Nagler, Die gesammte Hand, Sächs. Archiv Bd. 10 (1900), S. 695, 725. 27 Nagler, Die gesammte Hand, Sächs. Archiv Bd. 10 (1900), S. 695, 726. 1*

228

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

Gesetzbuches auf. 28 Anders als dort geht Nagler jedoch von einer dinglichen Wirkung des Veräußerungsverbotes aus, dem jedoch keine generelle Ausstrahlung zukomme, sondern sich nur gegenüber einem bestimmten Personenkreis entfalte. In diesen Zusammenhang läßt sich auch die Auffassung von Phillip Heck einreihen. Er vertrat die Meinung, daß durch den Ausschluß von Sonderverfügungen die Zuweisung von Bruchteilen zwar weniger hervortrete, aber diese Bruchteile für das Interesse des einzelnen am Objekt maßgebend seien und im lebenden Bewußtsein des einzelnen stünden. 29 Das bedeutet, daß die Verfügungsbeschränkung sich eben gerade nicht als Folge fehlender Bruchteile darstellt. bb) Die Gleichsetzung von Gesamthands- und Bruchteilseigentum durch Schulze-Osterloh Als Vertreter einer modernen Einzelträgertheorie hat sich in neuerer Zeit Schulze-Osterloh um den Nachweis bemüht, daß zwischen Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaft eine wesensmäßige Gleichartigkeit vorliege. 30 Seiner Auffassung nach besteht bei beiden Rechtsgemeinschaften eine Mitzuständigkeit der Teilhaber: Diese mehrheitliche Zuständigkeit ergebe sich bei der Gesamthandsgemeinschaft aus der Tatsache, daß jeder Teilhaber über die Rechtsmacht verfüge, auf den Anteil gemeinsam mit anderen einzuwirken bzw. eine solche Verfügung durch Veto zu unterbinden. 31 Die Zuweisung von Anteilen reduziert sich demnach auf ein rechtstechnisches Mittel, um die Zuständigkeit mehrerer an einem Gegenstand zu begründen. Es bedingt aber noch keinen grundlegenden Unterschied der Rechtsgemeinschaften, sondern im Gegenteil eine wesensmäßige Verwandtschaft. 32 Unterschiede ergeben sich dieser Auffassung nach nur in der Art der Teilnahme des Gemeinschafters mit seinem Anteil hinsichtlich der einzelnen Gegenstände am Rechtsverkehr: Während § 747 S. 1 BGB eine Verfügung zulasse, stünden §§ 719 Abs. 1,1419 Abs. 1,2033 Abs. 1 BGB dem entgegen, um den Zusammenhang der zum Vermögen gehörenden Gegenstände zu wahren. Die Verfügungsbeschränkung sei das entscheidende äußere Kennzeichen der Gesamthand. 33 Dieser Unterschied sei jedoch nicht gravierend, da eine 28 Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 2. b). 29 Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 372. 30 Schulze-Osterloh, S. 83. 31 Schulze-Osterloh, S. 29. 32 Neben Schulze-Osterloh treten auch Buchner, Zur rechtlichen Struktur, AcP 169 (1969), S. 483 und Ernst Wolf, Grundlagen, AcP 173 (1973), S. 97,102 Fn. 13 für eine isolierte Betrachtung der einzelnen Gemeinschafter ein. 33 Schulze-Osterloh, S. 84.

II. Die Theorien im einzelnen

229

mögliche Verfügung über den Anteil insgesamt auch als Verfügung über den Anteil an einzelnen Gegenständen aufzufassen sei. Denn soweit die Übertragung des Anteils möglich sei, gingen auch die Anteile an den einzelnen gemeinschaftlichen Gegenständen über. 34 Darin manifestiert sich nach Meinung Schulze-Osterlohs wiederum die Parallelität von Gesamthands- und Bruchteilsgemeinschaft. Beide Rechtsgemeinschaften unterliegen zudem dem Grundsatz der Gemeinschaftlichkeit der Verfügung über den Gegenstand als Ganzen. 35 Mithin reduzieren sich die Unterschiede darauf, daß die Gesamthandsgemeinschaft im Regelfall auf mehrere gemeinschaftliche Gegenstände bezogen ist, während die Bruchteilsgemeinschaft sich auf einen einzigen gemeinsamen Gegenstand beschränkt. 36 Nach dieser Auffassung ist eine derartige Abweichung jedoch nicht so gravierend, als daß sie nicht auch den Strukturunterschieden der Gesamthandsgemeinschaften untereinander entspreche. Zwar ist die Rechtsstellung hinsichtlich der gemeinschaftlichen Gegenstände wesentlich vom Typus der Gemeinschaft geprägt, d. h. es besteht auch ein personenrechtlicher Aspekt, dieser ist jedoch keine Besonderheit der Gesamthand. 37 Aus der Analyse der einzelnen Ausprägungen der Gesamthand kommt Schulze-Osterloh schließlich zu folgendem Prinzip gesamthänderischer Bindung: „Stehen mehrere Gegenstände, die einem übereinstimmendem Zweck gewidmet sind, mehreren Teilhabern in gleicher Weise gemeinschaftlich zu, so besteht eine Gesamthandsgemeinschaft." 38 Damit reiht sich auch die Bruchteilsgemeinschaft nahtlos in das System der Gesamthandsgemeinschaften ein. Es ist also nicht verwunderlich, daß der Autor den Numerus Clausus der Gesamthandsgemeinschaften von diesem Standpunkt aus negiert. 39 Das Ergebnis seiner Untersuchung macht den Weg frei für die Anerkennung weiterer Gemeinschaften, die sich normalerweise auf mehrere Gegenstände erstrecken, über die die Teilhaber nicht frei verfügen können. Das Prinzip gesamthänderischer Bindung gilt auch für die Partenreederei, die Gemeinschaft der Anteilinhaber am Sondervermögen einer Kapitalanlagesellschaft, der Gemeinschaft der Miteigentümer an Wertpapieren der WertpapiersammelVerwahrung, der Gemeinschaft der Miteigentümer vermengter Sachen, der Gemeinschaft der Miteigentümer eines Grundstücks, der Gemeinschaft der Scheingesellschafter bei nichtigem oder angefochtenem Gesellschaftsvertrag. 40

34 35 36 37 38 39 40

Schulze-Osterloh, S. 92. Schulze-Osterloh, S. 42. Schulze-Osterloh, S. 15. Schulze-Osterloh, S. 73. Schulze-Osterloh, S. 177. Schulze-Osterloh, S. 136. Die Aufstellung folgt der Aufzählung, Schulze-Osterloh, S. 279.

230

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

Zusammenfassend reduziert sich also der Unterschied zwischen Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthandsgemeinschaft auf die Zahl der ihnen zugeordneten Gegenstände, die Art der Mitberechtigung an den gemeinschaftlichen Gegenständen unterliegt dagegen denselben Grundsätzen. b) Die individuelle Zuordnung durch Vervielfältigung der Rechtszuständigkeit

Ebenfalls der Einzelträgertheorie läßt sich eine andere Anschauung bezüglich der Individualität der Gemeinschafter zurechnen. Anders als bei der zuvor erörterten Betrachtungsweise ist für sie jedoch nicht die Aufteilung der Gegenstände des Gesamthandsvermögens charakteristisch, vielmehr wird die individuelle Zuordnung eines Rechts an mehrere durch die Vervielfältigung der Rechtszuständigkeit erreicht. aa) Konrad Engländer: Die regelmäßige Rechtsgemeinschaft Auch Konrad Engländer sah wie Schulze-Osterloh in Bruchteilsgemeinschaft und Gemeinschaft zur gesamten Hand eine wesensmäßige Verwandtschaft. Er behandelte sie als Unterarten der allgemeinen Form der Rechtsgemeinschaft. 41 Sein Ausgangspunkt war das Vermögen als Inbegriff subjektiver Rechte. Grundlage seiner These war die Bestimmung des § 741 BGB. Dieser Vorschrift entnahm Engländer den Begriff der Zuständigkeit eines subjektiven Rechts. 42 Zuständigkeit definierte er als Zugehörigkeit eines subjektiven Rechts zu einem Subjekt. 43 Für die Rechtsgemeinschaften war die mehrheitliche Zuständigkeit eines Rechts charakteristisch. 44 Die Zuständigkeit ihrerseits beeinflußte nicht den Gehalt des subjektiven Rechts. 45 Daraus leitete er die Schlußfolgerung ab, daß die Zuständigkeit hinsichtlich eines subjektiven Rechts nicht gleichzusetzen sei mit dem subjektiven Recht selbst. 46 Sie war seiner Meinung nach lediglich ein Bestandteil. 47 Ein Wechsel von einer einheitlichen zu einer mehrheitlichen Zuständigkeit bewirkte eine Strukturveränderung des subjektiven Rechts, ohne es aber in seinem Wesen selbst zu berühren. Engländer formulierte es wie folgt: „Die verschiedenen Zuständigkeitsformen sind somit "die Zustände", sozusagen die Aggregatszustände eines und desselben subjektiven Rechts (Rechtsinhalts), die zufolge der verschiede-

Engländer, S. 6; S. 27 Fn. 53. Engländer, S. 29/30. 43 Engländer, S. 32. 44 Engländer, S. 59. 4 5 Engländer, S. 35/36. 46 Engländer, S. 33. 47 Engländer, S. 36. 42

II. Die Theorien im einzelnen

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nen Art seiner Zuständigkeit eintreten und sich mit dem Wechsel der Zuständigkeitsart wandeln." 48 Bei der Rechtsgemeinschaft stand jeder Beteiligte zu dem Rechtsinhalt des subjektiven Rechts in einer unmittelbaren, nicht lediglich durch seine Mitgliedschaft vermittelten Beziehung, d.h. jeder Gemeinschafter verfügte über seine eigene Zuständigkeit. 49 Diese Zuständigkeit bezog sich nicht auf den vollen Rechtsinhalt, sondern war eine anteilige Beteiligung an allen Befugnissen, die dem subjektiven Recht immanent waren. 50 Diese Rechtsanteile waren wiederum, so stellte es Engländer noch einmal deutlich heraus, nicht Teilrechte am subjektiven Recht selbst, sondern relativ unselbständige Bestandteile desselben.51 Sie stellten die innere Ordnung des gemeinschaftlichen Rechts her, 52 und gerade hinsichtlich dieser inneren Ordnung unterschieden sich nun Bruchteilsgemeinschaft und Gesamthand. Bei der Bruchteilsgemeinschaft bezweckte diese innere Ordnung allein die Regelung der unabhängigen Teilnahme einzelner Rechtssubjekte am einzelnen Recht. 53 Bei der Gesamthand kam zu dieser inneren Ordnung die Verflechtung mit familienrechtlichen, erbrechtlichen und schuldrechtlichen Elementen hinzu. 54 Folge dieser Verflechtung war die fehlende Verfügungsberechtigung des Gesamthänders über seinen Anteil an einzelnen Vermögensgegenständen. Denn eine solche Verfügungsmöglichkeit bedeutete für Engländer die Aufhebung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen innerer Ordnung des einzelnen gesamthänderischen Rechts und der inneren Ordnung des subjektiven Rechts insgesamt.55 Engländers These ging also von einer Aufspaltung des Vermögens in ein materielles subjektives Recht und daneben unabhängig bestehenden funktionellen Zuständigkeiten aus, die dem subjektiven Recht eine innere Ordnung verleihen. Diese Konstruktion ist allen Rechtsgemeinschaften immanent. Doch während bei der Bruchteilsgemeinschaft die Zuständigkeiten der Gemeinschafter voneinander unabhängig sind, sind sie bei der Gesamthand aufgrund familien-, erb-, gesellschaftsrechtlicher Elemente miteinander verwoben. Eine unabhängige Ausübung der Zuständigkeit hinsichtlich einzelner Gegenstände des Vermögens würde diese Ordnung zerstören und ist daher nicht möglich. Grundlegend ist die These, daß subjektives Recht und Ausübung des subjektiven Rechts den Gehalt des Vermögens ausmachen.

48 49 50 51 52 53 54 55

Engländer, Engländer, Engländer, Engländer, Engländer, Engländer, Engländer, Engländer,

S. S. S. S. S. S. S. S.

39. 103. 104. 156. 161. 183/184. 185. 196.

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12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

bb) Romano Kunz: Über die Rechtsnatur der Gemeinschaft zur gesamten Hand Ebenfalls vom Standpunkt der Vervielfältigung der Rechtszuständigkeit bei Einheit des subjektiven Rechts entwickelt Romano Kunz seine Gesamthandskonzeption. Seiner Meinung nach entspringt eine mehrheitliche gleichmäßige Zuständigkeit der Trennung von Rechtsinnehabung als formell abstraktem Zustand und der Rechtsausübung beruhend auf tatsächlichen menschlichen Handlungen. 56 Anders als Engländer empfindet Kunz die Rechtszugehörigkeit nicht als Bestandteil des subjektiven Rechts; sie nehme auf den Rechtsinhalt in keinerlei Weise Bezug. 57 Wenn „ein Recht haben" nicht gleichgesetzt werden kann mit „dessen Rechtsinhalt haben", dann können mehrere Subjekte als individuelle Einheiten Zuordnungspunkte von Vermögensgegenständen sein. Damit vermeidet Kunz eine qualitative und quantitative Aufspaltung des Rechtsinhalts. Das Recht selbst und das Subjekt bleiben ungeteilt. 58 Die Verfügungsmacht liegt bei der Gemeinschaft als Einheit. Einem einheitlichen Recht steht folglich ein einheitliches Handlungsobjekt gegenüber. 59 Aufgrund der Teilung von Rechtsausübungs- und Rechtsinnehabungsfähigkeit ist jeder Gemeinder Eigentümer des Ganzen. Daß die Gemeinder nur in ihrer Gesamtheit zur Rechtsausübung befähigt sind, ändert daran nichts. Nach Auffassung von Kunz bedeutet die Tatsache, Subjekt eines Rechts zu sein, nicht, selbständig Verfügungen vornehmen zu können, sondern lediglich in einer näheren Beziehung zu Tätigkeiten zu stehen, die als Ausübung des Rechts zu qualifizieren sind. 60 Mit anderen Worten ist die Gesamthandsgemeinschaft eine Mehrheit von Subjekten, denen Rechte so zustehen, daß zwar jeder Gesamthänder individuell Träger dieser Rechte ist, aber eine Ausübung dieser Rechte nur gemeinschaftlich erfolgen kann. Dem Gesamthänder steht das subjektive Recht zwar zu, er kann es jedoch nicht allein ausüben. In der inneren Ordnung der Rechtsausübung liegt, ebenso wie bei Engländer, der strukturelle Unterschied von Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaft. Ebenso wie die anderen Autoren der individuellen Betrachtungsweise der Gesamthand sieht auch Kunz in Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaft wesensmäßig verwandte Rechtsfiguren, die sich lediglich durch die gegensätzliche Tendenz ihrer Ordnung der Rechtsausübung unterscheiden. 61 Während sich bei der Gesamthand die Rechtsausübung der gemeinschaftlichen Rechte durch die Gemeinschaft vollzieht und der einzelne Gemeinschafter über keinerlei Herrschaft verfügt,

56 Kunz, S. 91. 57 Kunz, S. 42,165. 5 8 Vgl. hierzu Brecher, Rezension: Kunz, AcP 166 (1966), S. 362, 364. 59 Kunz, S. 110. 60 Kunz, S. 115. 61 Kunz, S. 109.

II. Die Theorien im einzelnen

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sind bei der Bruchteilsgemeinschaft die Teilhaber selbst rechtsausübungsbefugt. 62 Einschränkungen macht der Autor jedoch im Hinblick auf die Allgemeingültigkeit seines Prinzips. Er gibt zu bedenken, daß die Aufteilung der Verfügungsmacht nur ein möglicher Ordnungsfaktor sei. Das Prinzip ist nicht in Reinform verwirklicht, jedoch als Strukturelement der Gesamthandsgemeinschaften nachweisbar. Die Abweichungen sind Folge der Verschiedenartigkeit des die Subjekte umschlingenden personellen Bandes. 63 Kunz' Theorie folgt weitgehend dem von Engländer eingeschlagenen Weg der Trennung von Innehabung materiellen Rechts und der rechtlichen Möglichkeit, dieses Recht auszuüben. Im Unterschied zu Engländer sieht Kunz jedoch in der Rechtsausübung nicht einen integralen Bestandteil des subjektiven Rechts, sondern dieses gliedert sich in die gleichartigen Elemente von Rechtsinnehabung und Rechtsausübung. c) Zusammenfassung

Ungeachtet der Konzessionen an die unterschiedliche Ausgestaltung des Prinzips läßt sich die individualistische Sichtweise des Wesens der Gesamthand wie folgt zusammenfassen: Zuordnungssubjekte der Rechte des GesamthandsVermögens sind die einzelnen Gesamthänder. Eine Zuordnung erfolgt entweder durch die Aufteilung der Rechte nach dem Modell der Bruchteilsgemeinschaft 64 oder die Unterscheidung von subjektiven Recht und Rechtszuständigkeit bzw. von Rechtsinnehabung und Rechtsausübung, wobei die Gesamthänder als Träger der Rechte erscheinen, die Ausübung jedoch nur gemeinschaftlich erfolgen kann. 65 Die Betonung der Individualität des Gesamthänders auch im Gesamthandsverband führt zu der Annahme einer wesensmäßigen Verwandtschaft von Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaft. 3. D i e Verbundenheitslehre a) Die Formel von der Verbundenheit der Gesamthänder

Die gegenwärtig wohl herrschende Meinung bedient sich zur Charakterisierung der Rechtsnatur der Gesamthand der gängigen Formel, daß das Gesamt62 Kunz, S. 110. 63 Kunz, S. 114. 64 So Joerges und Nagler, oben 12. Kapitel, II. 2. a) aa); Schulze-Osterloh, vgl. oben 12. Kapitel, II. 2. a) bb). 65 So Engländer, vgl. oben 12. Kapitel, II. 2. b) aa); Kunz, vgl. oben 12. Kapitel, II. 2. b) bb).

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12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

handsvermögen den Gesamthändern gerade in ihrer Verbundenheit zustehe.66 Nach dieser Theorie der ungeteilten Gesamthandsberechtigung sind alle Gesamthänder auf das Ganze berechtigt und lediglich durch die Mitberechtigung der anderen Teilhaber beschränkt. 67 Im Vordergrund dieser Anschauung steht das Verhältnis der Gesamthänder zum Vermögen. Dies drängt die personenrechtliche Verbindung an den Rand der Betrachtung. 68 aa) Die Vorläufer der herrschenden Meinung von der Verbundenheit der Gesamthänder Begründet wurde diese auf das Vermögen gerichtete Sichtweise von Andreas von Tuhr. Für ihn waren die Gesamthänder Subjekte des ihnen gemeinschaftlich zustehenden Vermögens und sonst nichts. Die zum Gesamtvermögen gehörenden Rechte waren als gemeinschaftlich in dem Sinn zu verstehen, daß weder A noch B Subjekte des Rechts waren, sondern beide zusammen waren Inhaber des gemeinsamen Vermögens. Damit wies er der Gesamthand ihre Position im Vermögensrecht zu. 69 Ebenso äußerte sich Friedrich Endemann. Danach stand das Gesellschaftsvermögen im ungeteilten Eigentum der Gesamthänder und gehörte der Gesamtheit der einzelnen Gesellschafter. 70 Mehr im Blickpunkt des Interesses stand dagegen der Personenverband der Gesamthänder in den Kommentierungen der Regelung des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. In Anlehnung an die Ausführungen Gierkes 71 sah 66 Soergel-Schulze v. Lasaulx, SchR I I I , § 719 Rn. 37; Palandt-Thomas, § 705 Anm. 5; Schlegelberger-Geßler, Bd. 2, § 105 Rn. 34; Staudinger-Keßler, 2. Buch, § 719 Rn. 9; Münch-Komm-Dütz, Bd. 6, § 2032 Rn. 12; Münch-Komm-Dütz, Bd. 6, § 2033 Rn. 38; Staudinger-Werner, 5. Buch, § 2032 Rn. 6; Münch-Komm-Kanzleiter, Bd. 5/1, § 1419 Rn. 1 und § 1416 Rn. 3; RGRK-Finke, Bd. IV/1, § 1419 Rn. 1 und § 1416 Rn. 2; Staudinger-Thiele / Thiele, 4. Buch, § 1419 Rn. 2 und § 1416 Rn. 5; RGRK-v. Gamm, Bd. II/4, § 718 Rn. 1; HGB-Großkomm-Fischer, Bd. I I / l , 3. Aufl., § 105 Anm. 7; Fikentscher, S. 612; Schlüter, S. 261; Dölle, S. 872; Tiedtke, Offene Handelsgesellschaft, FamRZ 1975, 676; Baur, S. 15/16; Hueck, OHG, S. 226/227; Nicknig, S. 6; Bartholomeyczik, FS Reinhardt, S. 13,14; ders., FS Nipperdey I, S. 145, 173; Blomeyer, Rechtsnatur, JR 1971, 397, 399; Buchner, Rechtliche Struktur, JZ 1968, 622, 623; Sellert, §§ 831, 31, AcP 175 (1975), 75, 101; Kornblum, Rechtstellung, BB 1970, 1445; Weitnauer, Miteigentum, FS Seuss, S. 295, 299; aus der Rechtsprechung: R G Z 65, 227, 235; R G Z 141, 277, 280; R G Z 54, 280; R G Z 56, 209; R G Z 68, 412; RGZ 79, 143; B G H Z 34, 293, 296. 67 Schlegelberger-Geßler, Bd. 2, § 105 Rn. 34; Wieacker, Zur Theorie, FS Huber, S. 339, 356; v. Lübtow, S. 795; Staudinger-Keßler, 2. Buch, § 719 Rn. 9; MünchKomm-Dütz, Bd. 6, § 2032 Rn. 10; RGRK-Finke, Bd. IV/1, § 1419 Rn. 2. v. Tuhr, S. 81; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 245. 69 v. Tuhr, S. 81. ™ Endemann, S. 1138. 7 i Vgl., oben 9. Kapitel, I I I . 2. b).

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Geiler in Düringer-Hachenburg 72 das Wesen der Gesamthandsberechtigung in der personenrechtlichen Verbundenheit der Gesellschafter. Diese Verbundenheit vereinigte die Einzelmitglieder nicht zu einer Personeneinheit mit eigener Rechtspersönlichkeit, aber die Verbindung war immerhin so fest, daß sich an die Stelle des Einzelwillens der Gesamtwille setzte. 73 Geiler sah jedoch keine unmittelbare eigentumsrechtliche Beziehung der Gesamthänder zum Gesellschaftsvermögen, vielmehr vermittelte die Mitgliedschaft zum Personenverband die sich aus dem Anteil ergebenden Berechtigungen. 74 Diese Mitberechtigung erstreckte sich aber immer nur auf das Vermögen als Ganzes, der einzelne Gegenstand des Vermögens unterlag in keinem Fall einer quotenmäßigen Aufteilung. 75 Alle Gesellschafter zusammen waren Träger des Vermögens. Jeder war in seiner eigentumsrechtlichen Berechtigung durch die Berechtigung der anderen beschränkt, ohne daß diese Berechtigung sich in rechnerisch festgelegte Quoten ausdrückte. 76 Obwohl Geiler den Anteil am Gesellschaf tsvermögen als Ausfluß der Mitgliedschaft betrachtete, verwahrte er sich gegen die Etikettierung des Anteils als personenrechtlich. 77 In das Zentrum seiner Betrachtungen rückte Geiler damit auch das Vermögen, widmete aber dem Personenverband eine im Vergleich zu v. Tuhr gesteigerte Aufmerksamkeit. Die Kommentierungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Kommentar von Planck und dem Reichsgerichtsrätekommentar 78 sahen in der Verbindung der Gesellschafter eine in gewisser Beziehung als Einheit anzusehende und nach außen geschlossen auftretende Einheit, der jedoch keine selbständige Rechtssubjektivität zukomme. 79 Die Berechtigung der Gesamthänder wurde auf die Formel gebracht: Träger der im Gesellschaf tsvermögen vereinigten Rechte und Verbindlichkeiten seien die Gesellschafter nicht als Einzelperson, sondern in ihrer Vereinigung. 80 Diese eingängige Formel fand auch Verwendung in der Rechtsprechung des Reichgerichts. 81 In einem Urteil vom 13.12.1903 kam der V I I . Zivilsenat zu dem Schluß: Die Gesellschafter seien in ihrer Zusammenfassung als Träger von Rechten und Verbindlichkeiten, als Inhaber des gemeinschaftlichen Ver-

72

Düringer-Hachenburg-Geiler, H G B , Bd. 2, 1. Hälfte, 3. Aufl. 1932. Düringer-Hachenburg-Geiler, Anm. 20, S. 31. 74 Düringer-Hachenburg-Geiler, Anm. 21, S. 32. 75 Düringer-Hachenburg-Geiler, Anm. 21, S. 32. 76 Düringer-Hachenburg-Geiler, Anm. 22, S. 33. 77 Düringer-Hachenburg-Geiler, Anm. 22, S. 33; Anm. 23, S. 35. 78 Planck's Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, II. Bd., 2. Hälfte, 4. Aufl. 1928; R G R K , 6. Aufl. 1928. 79 Planck, Vorbem. I I 1 vor § 705, S. 1263; RGRK-Sayn, § 718 Anm. 1. so RGRK-Sayn, § 718 Anm. 1. 8i R G Z 56, 206, 207; R G Z 65, 227, 230; RGZ 57, 414, 415; RGSt 39, 49, 51. 73

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mögens zu betrachten. Dies entspreche den Grundsätzen nach der Vereinigung zur gesamten Hand. Die Vereinigung unterliege zwar je nach Art des personenrechtlichen Zusammenschlusses einem mehr oder minder engem Maß an Zusammenfassung, immer aber erscheine die Vereinigung mehrerer als Inhaber der Vermögens. 82 Für die Theorie der ungeteilten Gesamtberechtigung bedeutete dies, daß den einzelnen Gemeinschaftern kein Anteil am Gesamtvermögen zustand. Der V I I . Zivilsenat des Reichsgerichts formulierte dies so: „Demgemäß fehlt bei solchen Vereinigungen der Anlaß zur Annahme eines nach Quoten geteilten Eigentums; vielmehr kann das Eigentumsrecht ungeteilt bestehen, indem die mehreren Gesellschafter vereinigt seine Träger sind." 83 bb) Die gegenwärtig vertretenen Auffassungen Nach der heute wohl im Rahmen der Gesamthandsdogmatik als herrschend zu bezeichnenden Meinung, die sich ebenfalls der Formel der Berechtigung der Gesamthänder in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit bedient, besteht eine unmittelbare Berechtigung jedes Gesamthänders sowohl am einzelnen Vermögensgegenstand als auch am Vermögensganzen. 84 Die hierzu vertretenen Auffassungen orientieren sich vorwiegend an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Bei der Gesellschaft sind die Anteile an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen nach § 719 Abs. 1 BGB der Verfügung durch die einzelnen Gesellschafter entzogen. Dies ändert aber nichts an einer unmittelbaren sachenrechtlichen Beziehung des Gesellschafters zu jedem einzelnen Gegenstand.85 Diese unmittelbare Mitberechtigung des einzelnen hat jedoch nicht die quotenmäßige Aufteilung der Gesamtberechtigung zur Folge. Die Gegenstände unterliegen vielmehr der ungeteilten Gesamtzuständigkeit aller Mitglieder. 86 Konsequenz dieser ungeteilten Gesamtberechtigung ist, daß dem einzelnen Gesellschafter nach § 719 Abs. 1 BGB über seinen Anteil an den einzelnen Gegenständen kein eigenes Verfügungsrecht zusteht. Möglich ist lediglich eine Verfügung über den Gegenstand insgesamt. Hierzu bedarf es jedoch der Zustimmung der übrigen Gesellschafter, da in einer Verfügung über den Gesamtgegenstand gleichzeitig eine Verfügung über alle Anteile an dem Gegenstand liegt. 87 Die Ermächti-

82 R G Z 56, 206, 209. 83 R G Z 56, 206, 209. 84 Schlegelberger-Geßler, Bd. 2, § 105 Rn. 35; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung, S. 31; Fikentscher, S. 612. 85 Staudinger-Keßler, 2. Buch, Vorbem. zu § 705 Rn. 70; Schlegelberger-Geßler, Bd. 2, § 105 Rn. 35; HGB-Großkomm-Fischer, Bd. I I / l , 3. Aufl., § 105 Rn. 38. 86 Staudinger-Keßler, 2. Buch, § 719 Rn. 9; Soergel-Schulze v. Lasaulx, SchR I I I , vor § 705 Rn. 38; Staudinger-Huber, 2. Buch, § 741 Rn. 146.

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gung der Gesellschafter an einen Mitgesellschafter, seinen Anteil an einem Vermögensgegenstand zu veräußern, ist folglich denknotwendig durch § 719 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.88 Von dem Anteil an einzelnen Gegenständen trennt § 719 Abs. 1 BGB den Anteil am Geschäftsvermögen als Ganzem. Anders als der Anteil am einzelnen Gegenstand kann dieser Anteil nicht als sachenrechtlich qualifiziert werden. Nach dem Spezialitätsgrundsatz des Sachenrechts können dingliche Rechte nur an einzelnen Sachen, nicht jedoch an Sachgesamtheiten bestehen. Das Vermögen als Einheit der Gegenstände kann nicht als selbständiges sachenrechtliches Zuordnungsobjekt betrachtet werden. Dem Verständnis des Anteils am Gesamthandsvermögen als bloße Addition der einzelnen an den Gegenständen bestehenden Anteile steht entgegen, daß § 719 Abs. 1 BGB und § 857 ZPO bezüglich der Zwangsvollstreckung zwischen dem Anteil am Gegenstand und demjenigen am Vermögensganzen ausdrücklich unterscheiden. Als bloße Summe der Anteile an den Gegenständen hätte die Berechtigung am Vermögensganzen einer Erwähnung nicht bedurft. 89 Die bestehende unmittelbare Berechtigung der Gesellschafter ist zu verstehen als Ausfluß der Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Aus der Mitgliedschaft heraus ergibt sich die Mitberechtigung an dem Gesamtvermögen und Ansprüche gegen die übrigen Gesellschafter. 90 Diese Rechtsbeziehung läßt sich nicht in die Kategorien schuldrechtlich oder sachenrechtlich einordnen. Diese Rechtsbeziehung zwischen Gesamthand und dem Vermögensganzen ist vielmehr die Mitgliedschaft in ihrer Bezogenheit auf das Gesellschaftsvermögen in Vermögens- und organisationsrechtlicher Hinsicht. 91 cc) Die Berechtigung des Gesamthänders als Wertanteil (1) Karl Wieland: Handelsrecht Karl Wieland empfand ebenso wie Engländer 92 das Bedürfnis nach einer inneren Ordnung des gemeinschaftlichen Rechts. Die Innehabung gemeinschaftlichen Eigentums bedeutete seiner Meinung nach weder die „Enteig-

87 RGRK-v. Gamm, Bd. II/4, § 718 Rn. 4; Bartholomeyczik, Das Gesamthandsprinzip, FS Nipperdey I (1965), S. 145, 173; Baur, S. 16. 88 Staudinger-Keßler, 2. Buch, § 719 Rn. 9; Weber-Grellet, Gesamthand, AcP 185 (1985), 316, 325. 89 Schlegelberger-Geßler, Bd. 2, § 105 Rn. 36; HGB-Großkomm-Fischer, Bd. I I / l , 3. Aufl., § 105 Rn. 36; Palandt-Thomas, § 718 Anm. 2 c. 90 Hueck, GesellschaftR, S. 20; Palandt-Thomas, § 718 Anm. 1. 91 Staudinger-Keßler, 2. Buch, Vorbem. zu § 705 Rn. 75; Münch-Komm-Ulmer, Bd. 3/2, § 719 Rn. 3. 92 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 2. b).

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12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

nung" der Rechtssubjekte noch die Teilung des Rechtsobjekts. 93 Vielmehr war wesentlicher Faktor das Verbot der Einwirkung auf die Sache.94 Für keinen Mitberechtigten wurde das Eigentum aufgehoben, es wurde nur durch das mit Rücksicht auf die Mitberechtigten bestehende Verfügungsverbot diesen gegenüber abgeschwächt.95 Wieland unterschied zwischen Sachanteil und Wertanteil: Sachanteil sei die eigentumsrechtliche Zuweisung einer Berechtigung an einzelnen Gegenständen. Wertanteil dagegen stelle den Inbegriff der Rechte gerichtet auf die Beteiligung am Ertrag, an der Verwaltung und der Nutzung der gemeinsamen Sache dar. Dieser Wertanteil sei ein Anspruch persönlicher Art gerichtet gegen die übrigen Miteigentümer. 96 Mit Hilfe dieser Unterscheidung zog Wieland dann die Grenze von Gesamthands- und Bruchteilseigentum. Während bei der Bruchteilsgemeinschaft Sach- und Wertanteil völlig aneinander gekoppelt waren, bestand bei der Gesamthandsgemeinschaft der Sachanteil unabhängig vom Wertanteil. 97 Veräußerte also der zu einem Bruchteil Berechtigte seinen Anteil, so erhielt der Erwerber sowohl Sach-, als auch Wertanteil. Bei der Gesamthandsgemeinschaft bestanden zwar auch Sachanteile an einzelnen Vermögensgegenständen, diese waren jedoch nicht verfügbar, der davon unabhängige Wertanteil reduzierte sich auf eine vermögensrechtliche Beteiligung ohne dingliche Verknüpfung. 98 (2) Die Weiterentwicklung des Gedankens vom Wertanteil durch Ulrich Huber Der von Wieland formulierte Gedanke einer Trennung von Sach- und Wertanteil verfolgt in neuerer Zeit Ulrich Huber hinsichtlich der Personenhandelsgesellschaften weiter. Für Huber ist der Anteil am Gesellschaftsvermögen gleichzusetzen mit dem Anteil am Wert des Vermögens. Der Anteil beruht darauf, daß für jeden beliebigen Zeitpunkt für jedes beliebige Liquidationsergebnis ein bestimmter Anteil des Gesellschafters feststellbar ist. 99 Das Wertrecht setzt sich zusammen aus den noch nicht in selbständige Ansprüche umgesetzten Vermögenswerten der Beteiligung, so z.B. dem Anspruch auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben. Gleichwohl zeigt er eigentumsrechtliche Züge. Diese Ähnlichkeit liegt in der Freiheit, den Wertanteil zu realisieren oder zugunsten der Gesellschaft darauf zu verzichten. 100 Unterschiede ergeben sich jedoch in der Funktion der Herrschaftszuweisung, die 93 Wieland, S. 604. 94 Wieland, S. 605. 95 Wieland, S. 604/605. 96 Wieland, S. 607. 97 Wieland, S. 607. 98 Wieland, S. 608/609. 99 Huber, S. 245/246. 100 Huber, S. 156.

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einem Wertrecht nicht immanent ist. Die Herrschaftsmöglichkeiten beruhen hier auf der Organisation und nicht auf einer vermögensrechtlichen Basis. 101 Huber sieht den Wertanteil als Ausfluß der Mitgliedschaft. 102 Bei der Gesellschaft ist gemäß § 719 Abs. 1 BGB eine Verfügung über den Anteil insgesamt genauso wie eine Verfügung über den Anteil am einzelnen Vermögensgegenstand ausgeschlossen. Im Grundsatz müssen die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit handeln. Das Verfügungsverbot hinsichtlich des Anteils insgesamt kann jedoch durch besondere Vereinbarungen aufgehoben werden. Dies ist dann möglich, wenn der Anteil zusammen mit der Mitgliedschaft übertragen wird. Eine Teilhaberschaft am Gesellschaftsvermögen ohne gleichzeitige Mitgliedschaft in der Gesellschaft ist nicht denkbar. 103 dd) Die Unterschiede der Berechtigungen bei den einzelnen Gesamthandsgemeinschaften Die Verfügung über den Anteil am Gemeinschaftsvermögen ist bei den verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften unterschiedlich geregelt. Gerade in diesem Punkt setzt die Kritik derjenigen an, die ein einheitliches nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen übereinstimmendes Rechtsinstitut der Gesamthand verneinen. 104 Bei der Erbengemeinschaft erlaubt § 2033 Abs. 1 BGB die Verfügung über den Anteil. Als Grund hierfür wird angeführt, daß die Erbengemeinschaft auf einer weniger strengen Bindung beruhe; sie entstehe ohne den darauf gerichteten Willen der Beteiligten und sei von vornherein nicht auf Dauer, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet. 105 Aber ebenso wie jeder Gesellschafter ist jeder Erbe Eigentümer des Nachlasses zusammen mit den anderen Miterben. Seine Mitberechtigung an den Gegenständen des Vermögens wird durch die gleichwertige Mitberechtigung der anderen Erben entsprechend gekürzt. Ebenso wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nach § 2033 Abs. 2 BGB eine Verfügung über Anteile an einzelnen Gegenständen des Gesamthandsvermögens nicht denkbar. 106 Entsprechend der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Erbengemeinschaft bestehen auch an dem Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft keine gegenständlich fixierten oder auch nur rechnerischen Anteile an einzel101 Huber, S. 171. 102 Huber, S. 147. i° 3 Vgl. hierzu auch: Hueck, GesellschaftsR, S. 21; RGRK-v. Gamm, Bd. II/4, § 719 Rn. 1; Staudinger-Keßler, 2. Buch, § 719 Rn. 4; BGHZ13,182; BGHZ44,231. m Vgl., oben 12. Kapitel, II. 1.; ferner: Münch-Komm-Ulmer, Bd. 3/2, § 705 Rn. 127. i° 5 kGRK-Kregel, Bd. V/1, § 2032 Rn. 4; Schlüter, S. 261; v. Lübtow, S. 799; Staudinger-Werner, 2. Buch, § 2033 Rn. 2; Münch-Komm-Dütz, Bd. 6, § 2033 Rn. 1; so auch die Protokolle, Mugdan V , S. 497. 106 v. Lübtow, S. 815; Münch-Komm-Dütz, Bd. 6, § 2032 Rn. 11.

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12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

nen Gegenständen. Eine Verfügung ist daher nach § 1419 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.107 Infolge der ausschließlichen persönlichen Bindung der Ehegatten ist zudem hinsichtlich der Anteile am Vermögensganzen eine Verfügung nach § 1419 Abs. 1 BGB nicht möglich, auch nicht mit Zustimmung des anderen Ehegatten. 108 Der einzelne Ehegatte kann nur von Todes wegen verfügen, sofern nicht eine fortgesetzte Gütergemeinschaft eintritt. 1 0 9 ee) Zusammenfassung Trotz dieser Unterschiede heben die Vertreter der Verbundenheitslehre hervor, daß allen Ausprägungen eine starke innere Geschlossenheit des Vermögens gemeinsam ist. In dem Ausschluß von Sonderverfügungen hinsichtlich des einzelnen Gegenstandes kommt die Zuordnung der Gegenstände an die Gemeinschafter in ihrer Verbundenheit zum Ausdruck. Der Kritik hinsichtlich der Unmöglichkeit der Erstellung eines einheitlichen Prinzips der Gesamthand wird entgegengehalten, daß es sich bei der Gesamthand um einen gesetzlichen Leitgedanken handelt, der in der einen gesetzlichen Regelung stärker, in der anderen weniger stark zum Ausdruck komme. 1 1 0 Die Notwendigkeit gemeinschaftlichen Handelns als Pendant gemeinsamer Zuordnung ist das Wesenselement aller Gesamthandsgemeinschaften. b) Die Verbundenheitslehre als Klammer für ein Nebeneinander von Anteils- und Einheitsbetrachtung

Ebenfalls der Verbundenheitslehre verpflichtet, jedoch unter einem ganz besonderen Blickwinkel, fühlt sich Jürgen Blomeyer. 1 1 1 Der Vorzug der herrschenden Verbundenheitslehre besteht für ihn darin, daß sie Raum für selbständige Lösungen der jeweiligen Problemsituation läßt. 1 1 2 Mit dieser Anschauung rückt er in die Nähe derjenigen Autoren, die die Notwendigkeit der Entwicklung eines einheitlichen Prinzips „Gesamthand" in Frage stellen 1 1 3 . Er vertritt diese Meinung jedoch mit der Maßgabe, daß unter dem Dach der Verbundenheitslehre ein Abstellen auf den Einzelfall möglich sei, diese Lehre aber gleichzeitig auch einheitliche Wertungskritierien für die Bewältigung gleichartiger Fälle an die Hand gebe. 114 107

Gernhuber, S. 542; Staudinger-Thiele / Thiele, 4. Buch, § 1419 Rn. 5; MünchKomm- Kanzleiter, Bd. 5/1, § 1419 Rn. 3/4; Dölle, S. 875. 108 Münch-Komm-Kanzleiter, Bd. 5/1, §1419 Rn. 1; Staudinger-Thiele / Thiele, 4. Buch, § 1419 Rn. 4. 109 Gernhuber, S. 542. ho Weber-Grellet, Gesamthand, AcP 182 (1982), S. 316, 325. i n Blomeyer, Die Rechtsnatur der Gesamthand, JR 1971, 397 ff. 112 Blomeyer, Die Rechtsnatur, JR 1971, 397, 399. 113 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 1. a).

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Die Anschauung des Nebeneinander von Anteils- und Einheitsbetrachtung im Rahmen des Gesamthandsproblems gewinnt Blomeyer aus einer Betrachtung des Pfandrechts bezüglich des Anteils eines Miterben an einem Nachlaßgrundstück im Vergleich zu der Situation eines Pfandgläubigers an einem Gesellschaftsanteil. 115 Blomeyer bezieht sich auf einen 1917 vom Reichsgericht116 entschiedenen Fall. Das Reichsgericht hatte festgestellt, daß der Miterbe, der seinen Erbteil verpfändet, in der ihm nach § 2040 Abs. 1 BGB zustehenden Mitverfügungsmacht über ein zum Nachlaß gehörendes Grundstück zugunsten des Pfandgläubigers beschränkt werde, mit der Folge, daß die Pfändung ins Grundbuch einzutragen sei. Zur Begründung führte das Reichsgericht aus: Eine gemeinschaftlich mit den Miterben durchgeführte Veräußerung ziehe eine Beeinträchtigung des Pfandrechts nach sich. Dadurch würde ein Gegenstand, der von dem verpfändeten Anteilsrecht ergriffen werde und ihm im Zusammenwirken mit anderen Nachlaßgegenständen Inhalt und Wert verleihe, dem Anteilsrecht entzogen. 117 In Anlehnung an die Vollrechtsübertragung des Erbteils nach § 2033 Abs. 1 BGB, durch die der Erwerber eine Mitverfügungsberechtigung auch bezüglich der Einzelgegenstände vom Veräußerer nach § 2040 BGB erhält, leitet Blomeyer auch für die Verpfändung des Gesamthandsanteils als Teilrechtsübertragung ein solches Mitverfügungsrecht ab. Der Pfandgläubiger erwirbt das Mitbestimmungsrecht des Erben als Teil seines Pfandrechts an der Nachlaßbeteiligung des Erben. Dies hat zur Folge, daß der Erbe zugunsten des Erbteilspfandgläubigers in seiner Mitverfügungsbefugnis hinsichtlich des einzelnen Gegenstands beschränkt ist. 1 1 8 Zur Lösung dieses Problems ist also eine Anteilsbetrachtung geboten. Eine andere Wirkung entfaltet das Pfandrecht am Gesellschaftsanteil. Nach Auffassung Biomeyers ist eine Teilhabe an der Mitbestimmungsbefugnis des Schuldners zu versagen, da das Pfandrecht nicht auf die Gegenstände des Gesamthandsvermögens selbst hindurchwirke. Er begründet dies mit der wirtschaftlichen Interessenlage der Gesellschaft: Der Pfandgläubiger habe nur ein beschränktes Interesse an der Förderung des Gesellschaftszwecks, der sich anders als bei der Erbengemeinschaft nicht in der Verwaltung und Auseinandersetzung des Vermögens erschöpfe. 119 Damit sei das Problem nur auf dem Boden der Einheitsbetrachtung zu lösen. Das Charakteristikum der Gesamthand ist für Blomeyer also das typische Nebeneinander von Anteils- und Einheitsbetrachtung, so wie die Problemlage 114

Blomeyer, Die Rechtsnatur, JR 1971, 397, 400. Blomeyer, Die Rechtsnatur, JR 1971, 397, 399 Fn. 26. R G Z 90, 232 ff. 117 R G Z 90, 232, 235. U8 Blomeyer, Die Rechtsnatur, JR 1971, 397, 399. 119 Blomeyer, Die Rechtsnatur, JR 1971, 397, 399/400 Fn. 26. 115

16 Ascheuer

242

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

es gerade erfordert. Diesem Nebeneinander vermag die Verbundenheitslehre infolge ihrer Elastizität ein „angemessenes dogmatisches Gewand" 1 2 0 zu geben. In die Richtung eines Nebeneinanders von Anteils- und Einheitsbetrachtung weisen auch die Ausführungen von Fischer 121 , wenn er hinsichtlich der Personenhandelsgesellschaft im Prozeß den Gedanken als zutreffend erachtet, die Personenhandelsgesellschaft beurteile sich in mancher Hinsicht als Vielheit der Gesellschafter, in mancher Hinsicht als Einheit der Gesellschaft. c) Zusammenfassung

Aus der Gesamtschau der einzelnen innerhalb der Verbundenheitlehre vorhandenen Schattierungen läßt sich für das Zuordnungsmodell der Gesamthand folgendes Bild zeichnen: Träger des Gesamthandsvermögens sind die Gesamthänder in ihrer Verbundenheit. Das bedeutet, daß die Konturen ihrer Individualität sich teilweise auflösen und mit den anderen Gesamthändern vermischen. In diesem Zusammenhang verliert die Person des Gesamthänders jedoch nicht jegliche Individualität. Er bleibt als Träger des Vermögens erkennbar. Die Überschneidungen haben zur Folge, daß der einzelne nicht mehr in der Lage ist, über seine Beteiligung am Gesamtvermögen selbständig zu verfügen, sondern der Mitwirkung der übrigen bedarf. Die Rechte der anderen begrenzen also die Rechte des einzelnen am gesamten Vermögen. Kennzeichnend für die unterschiedlichen Gesamthandsgemeinschaften ist der Grad der Auflösung der Konturen des Individuums und die Intensität der Vermischung. Im Mittelpunkt der dogmatischen Auseinandersetzung steht das Vermögen als die die Verbindung der Personen bildende Kraft. Die personenrechtliche Qualität des Zusammenschlusses der Gesamthänder rückt an die Peripherie der Betrachtung. 4. D i e Gesamthand als Rechtssubjekt a) Die Rechtsfähigkeit der Einheit der Gesamthänder

Gerade diese personenrechtliche Qualität, die Einheit auf der Subjektseite, rückt die Theorie von der Gesamthand als Rechtssubjekt in das Zentrum ihrer Erwägungen. In der Abfolge der Betrachtungen des individuellen Gesamthänders als Zuordnungssubjekt der Rechte des Gesamthandsvermögens und des partiel120 121

Blomeyer, Die Rechtsnatur, JR 1971, 397, 401. Fischer, Die Personenhandelsgesellschaft, FS Hedemann, S. 75.

II. Die Theorien im einzelnen

243

len Aufgehens des Individuums in der Verbindung mit den übrigen Gesamthändern, folgt nun der nächste Schritt, bei dem die Verbindung der Gesamthänder selbst, als Gruppe zum Zuordnungspunkt aller Rechtsbeziehungen wird. Durch diese Einheit hindurch dringen keine direkten Zuordnungslinien mehr zu den Einzelpersonen. Die Bedeutung des Gesamthänders als eigentlicher Träger des Vermögens tritt völlig zurück. Nach dieser Ansicht ist die Gesamthand als handlungsfähige Gruppe der Gesamthänder anerkannt. Die Mitglieder bilden eine Wirkungseinheit, ohne daß sich die Organisation vollständig von den Teilhabern entfernt. 122 Diese Anschauung verweist zu ihrer Begründung auf das Auftreten der offenen Handelsgesellschaft im Rechtsverkehr. Diese von den Gesellschaftern abgehobene Selbständigkeit zeigt sich in den Vorschriften über die Firma und den Sitz der offenen Handelsgesellschaft, v.a. aber darin, daß die offene Handelsgesellschaft nach § 124 HGB unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie vor Gericht klagen und verklagt werden kann. 1 2 3 Selbst die Vertreter der herrschenden Meinung von der Verbundenheit der Gesamthänder räumen ein, daß es sich bei der offenen Handelsgesellschaft um eine Übergangsform handele, die sich in der Tat der juristischen Person annähere. 124 Dennoch überschreitet auch nach den Vertretern der Rechtssubjektivität der Gesamthand die offene Handelsgesellschaft die Grenze zur juristischen Person nicht vollständig. Denn im Gegensatz zu letzterer ist die Gesamthand kein gegenüber den Mitgliedern völlig verselbständigtes Rechtssubjekt, das durch Eintragung in ein Register oder durch staatliche Genehmigung entsteht. 125 Der Unterschied liegt in der Struktur. Während die von den Mitgliedern gesonderte körperschaftlich strukturierte juristische Person über eigene Rechtsfähigkeit verfügt, ist die Rechtsfähigkeit der Gesamthand als Zusammenfassung der Gesamthänder durch die Rechtsfähigkeit der sie bildenden Rechtssubjekte gefärbt. 126 Im Rahmen der Rechtsfähigkeit der Gesamthand lassen sich zwei Ausrichtungen unterscheiden: Während auf der einen Seite die Färbung der Gesamthand durch die Rechtssubjektivität der Gesamthänder betont wird, schränkt 122 Aus dem älteren Schrifttum: Kattausch, S. 60 ff.; in neuerer Zeit: Soergel-Hadding, SchR I I I , vor § 705 Rn. 21; Hüffer, S. 38; Reinhardt, S. 36 ff.; K. Schmidt, Ehegatten - Miteigentum, AcP 183 (1983), 481, 486; Lindacher, Grundfälle, JuS 1981, 431, 433; Teichmann, Personengesellschaft, AcP 179 (1979), 475, 481; Wiesner, Haftungsordnung, JuS 1981, 331, 333; aus der BGH-Rechtsprechung zur Verpflichtungsfähigkeit der GbR: B G H Z 72, 267, 271; B G H Z 74, 240, 241; B G H Z 79, 374, 377. 123 Münch-Komm-Schmidt, Bd. 3/2, § 741 Rn. 6; Soergel-Hadding, SchR I I I , vor § 705 Rn. 21; Hoffmann, Gesamthandsverpflichtungen, NJW 1969, 724, 725. 1 24 HGB-Großkomm-Fischer, Bd. I I / l , 3. Aufl., § 105 Anm. 8; R G Z 136, 406. 125 Erman-Westermann, Bd. 1, § 718 Rn. 1; HGB-Großkomm-Ulmer, 4. Aufl., §§ 105 - 113, 4. Lieferung, § 105 Rn. 39/40. ™ Münch-Komm-Ulmer, Bd. 3/2, § 705 Rn. 130. 16*

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12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

die andere Meinung die Rechtsfähigkeit danach ein, ob im konkreten Fall die Normen der Rechtsordnung auf das Subjekt angewendet werden können. b) Die Färbung der Rechtssubjektivität der Einheit durch die Rechtssubjektivität der verbundenen Personen

aa) Die Gestalttheorie Kennzeichnend für die erste Ausprägung des Gedankens der Rechtssubjektivität der Gesamthand ist, daß sie nicht wie die herrschende Meinung vom Vermögen als Mittelpunkt der Betrachtungen ausgeht, sondern den Personenverband der Gesamthänder zum Determinationspunkt des Vermögens macht. So hält Schünemann die Gesamthand nicht für ein spezifisch vermögensrechtliches Problem, sondern für ein personenrechtliches Phänomen mit vermögensrechtlicher Reflexwirkung. 127 Seine Intention ist es, ein Modell einer gesamthänderischen Zusammenfassung zu finden, das die Vorstellung der Einheit nur im simultanen Mitdenken der Vielheit der Personen ermöglicht. 128 Das bedeutet, daß die Gesamthand einerseits die Einheit der Gesamthänder selbst ist, andererseits darüber hinaus eine eigenständige Qualität besitzt, die sie über die bloße Summe der Individuen heraushebt. 129 Ein solches Modell findet Schünemann in der auf die Gesamthand zugeschnittenen Gestalttheorie. Schon Piaton und Aristoteles hatten das Ganze für mehr als die Summe ihrer Teile gehalten. 130 Der Autor verdeutlicht nun seine Sichtweise der Gestalttheorie bildhaft am Beispiel einer Melodie: Auch diese sei nicht die summenhafte Zusammenfassung von Einzeltönen, sondern erhebe sich als etwas Neues über die sie begründenden tonalen Elemente. 131 Hier entspringe eine einheitliche Gestalt aus einer geordneten Vielheit. Die Teile ihrerseits erhielten durch die Teilhabe an der Einheit als geordnetem Ganzen ihre besondere Färbung. 132 Übertragen auf die Gesamthand bedeutet das, daß einerseits die Gesamthänder zur Einheit zusammengefaßt sind, daß sie als Mitglieder in Erscheinung treten, daß andererseits aus der Verbundenheit übersummativ die Rechtssubjektivität der Gesamthand erwächst. 133 Für diesen Tatbestand existiert nach Meinung Schünemanns keine prägnantere Formel als sie die herr127

Schünemann, Schünemann, 129 Schünemann, 130 Schünemann, geschichte. 131 Schünemann, 132 Schünemann, 133 Schünemann, 128

Grundprobleme, Grundprobleme, Grundprobleme, Grundprobleme,

S. S. S. S.

180. 159. 164. 165, Fn. 85 unter Hinweis auf die Entstehungs-

Grundprobleme, S. 166. Grundprobleme, S. 167. Grundprobleme, S. 168.

II. Die Theorien im einzelnen

245

sehende Meinung von der Verbundenheit der Gesamthänder zur Verfügung stelle, nur sei diese mit falschem Inhalt gefüllt. Die Einheit der Gesamthänder wird durch die Zuordnung der Rechte an den einzelnen Gesamthänder der Vielheit geopfert, statt die Einheit gerade durch diese Vielheit zu realisieren. 1 3 4 Nach Schünemanns Ansicht sind die Subjekte der gemeinschaftlichen Rechte die Personen selbst, aber nur in ihrer unselbständigen, von ihnen nicht ablösbaren Qualität als Gesamthänder. Die gesamthänderische Berechtigung des Individuums isf&cht als eine dingliche zu deuten, sondern die Teilhabe ist personenrechtlich ausgebildet. Jeder Gesamthänder ist zwar unmittelbar und vollständig berechtigt, aber eben nur in personenrechtlicher Verbundenheit. 1 3 5 In dieser Charakterisierung zeigt sich noch eine nahe Verwandtschaft zur herrschenden Verbundenheitslehre. Der Autor geht jedoch einen Schritt weiter, wenn er die Beteiligten als rechtssubjektive gesamthänderische Einheit betrachtet. 136 Der Zusammenfassung der Mitglieder mißt Schünemann schon die übersummative Eigenschaft der Rechtssubjektivität bei. In der Existenz des einzelnen Gesamthänders als Rechtssubjekt unterscheidet sich die Gesamthand als Rechtssubjekt von der juristischen Person. Bei der juristischen Person sind dieser Auffassung nach die Mitglieder überhaupt nicht, auch nicht in ihrer Verbundenheit, Subjekte des Vermögens, sondern ein ihnen übergeordnetes künstliches Gebilde. Während die juristische Person Selbständigkeit genießt, ist die Gesamthand die Zusammenfassung mehrerer selbständiger Rechtssubjekte. 137 Die vorliegende Konzeption sieht also die Gesamthand als eine durch die Einzelpersonen gestaltete Einheit, die mehr ist als die bloße Summe ihrer Mitglieder. Zuordnungssubjekte sind die Teilhaber. Ihre Berechtigung ist jedoch keine dingliche, sondern eine personenrechtliche, da sie von der Teilhaberschaft an dem personenrechtlichen Band der Gesamthänder nicht getrennt werden kann. bb) Die Gruppe der Gesamthänder als kollektive

Einheit

Ebenso wie Schünemann weist auch Flume der Gesamthand ihren Platz im Personenrecht und nicht im Vermögensrecht. 138 Die Gesamthand als Personengemeinschaft, als Gruppe ist die Wirkungseinheit, für die gehandelt wer134

Schünemann, Grundprobleme, S. 169. Schünemann, Grundprobleme, S. 172. 136 Schünemann, Grundprobleme, S. 174. 137 Schünemann, Grundprobleme, S. 118. 138 Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177; ders., Gesamthandsgesellschaft und juristische Person, FS Ludwig Raiser, S. 27 ff.; ders., Allgemeiner Teil I/1,S. 54 ff. 135

246

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

den, für die Rechtsverhältnisse, Rechte und Verpflichtungen begründet werden kann. 1 3 9 Dabei sind als Gruppe die Gesamthänder selbst zu verstehen, die zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks verbunden sind. 140 Diese Gruppe charakterisiert Flume als Rechtssubjekt. Damit will er jedoch nur zum Ausdruck bringen, daß die Gesamthand als kollektive Einheit am Rechtsverkehr teilnimmt. Nach Flumes Auffassung endet die Rechtszuständigkeit bei der Gruppe und dringt nicht bis zu den Individuen der Gesamthänder durch: Rechtsbeziehungen des Gesamthänders zum Gesamthandsvermögen ergäben sich nur über die Mitgliedschaft. 141 Daraus resultiere, daß für die Annahme von Anteilen am Gesamthandsvermögen kein Raum bleibe. Die Umschreibung der herrschenden Meinung, daß alle auf das Ganze berechtigt und nur durch die Berechtigung der Mitteilhaber beschränkt seien, bedeute folgendes: Allein die Gruppe sei berechtigt, der Gesamthänder als einzelner partizipiere an dieser Berechtigung unmittelbar überhaupt nicht. Sein Recht sei die Mitgliedschaft und darin erschöpfe es sich. § 719 BGB sage über die Existenz von Anteilen überhaupt nichts aus. Sein einziger Inhalt sei die Normierung einer Verfügungsbeschränkung. Welchen Sinn hätte auch ein unmittelbarer Kontakt zwischen Gesamthänder und Vermögen angesichts fehlender Verfügungsbefugnis? Wenn die herrschende Meinung gleichwohl von einer unmittelbaren Rechtsbeziehung ausgehe, so beruhe dies auf einem Mißverständnis des Gesamthandsprinzips. Die Gruppe als alleiniger Bezugspunkt aller Rechtsbeziehungen werde verkannt. 142 Aus dieser fehlenden vermögensrechtlichen Beziehung folgert Flume seine personenrechtliche Sichtweise der Konstruktion: Nicht das Gesamthandsvermögen sei das innere Band, das die Personengemeinschaft zusammenhalte, nicht die Einheit der Gesellschafter sei Ausfluß der Einheit des Vermögens, sondern umgekehrt. 143 Das Vermögen selbst sei keine Einheit, sondern lediglich die Summe einzelner Vermögensgegenstände. Es könne angesichts eigener Heterogenität nicht die Homogenität der Personengruppe konstituieren. Die Gesamthand als Gruppe ist für Flume Beteiligte aller rechtlich relevanten Vorgänge. Nur weil die Gesamthand als solche Käufer oder Verkäufer sei, könnten für sie Rechte aus dem Kaufvertrag als Gesamthandsvermögen entstehen. 144 Die Ausrichtung aller Rechtsbeziehungen auf die Gruppe legt die Annahme einer Parallelität zur juristischen Person nahe. Und tatsächlich bezeichnet 139

Flume, Allgemeiner Teil, S. 62. wo Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177,189. Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177, 190. 142 Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177, 197/198. 1 43 Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177, 191. 144 Flume, Allgemeiner Teil, Bd. 1/1, S. 68; wie Flume auch Soergel-Hadding, SchR I I I , vor § 705 Rn. 21.

II. Die Theorien im einzelnen

247

Flume die Gruppe als „Rechtssubjekt". 145 Dennoch entschließt er sich nicht zu der weitergehenden Konsequenz, die Gruppe als juristische Person zu qualifizieren. 146 Seiner Meinung nach ist die Gesamthand gleichzusetzen mit der Gruppe der in ihr zusammengefaßten Gesamthänder. Dagegen ist bei der juristischen Person die Organisation als solche verabsolutiert. 147 Die Gesamthandsgesellschaft ist nicht in gleicher Weise wie die juristische Person für jede Rechtsstellung geeignet. Das ergibt sich daraus, daß die Gruppe in ihrem Bestand von dem vielfältigen Schicksal ihrer einzelnen Mitglieder abhängig, der Vermögensbestand nicht gegenüber den Gesellschaftern abgeschottet ist und die Verfassung der Gruppe weitgehend der privatautonomen Gestaltung der Gesamthänder überlassen bleibt. 1 4 8 Neben der personenrechtlichen Sichtweise der Gesamthand zeichnet sich die Meinung Flumes durch die gegenüber der herrschenden Meinung stärkeren Verfestigung der Verbundenheit der Gesamthänder aus. Diese Gruppe ist Zuordnungssubjekt aller Rechte des Vermögens. Zwischen Gesamthänder und Vermögen bestehen überhaupt keine eigentumsrechtlichen unmittelbaren Kontakte mehr. Trotzdem ist die Verfestigung der Verbundenheit nicht soweit geschritten, als daß diese Gruppe bereits als juristische Person zu bezeichnen ist. c) Die Teilrechtsfähigkeit der Gesamthand

aa) Das ältere Schrifttum

zur Frage der Rechtssubjektivität

Karl Kattausch befaßte sich bereits 1911 in seiner Dissertation mit der Frage der Anteile der Gesamthänder an gemeinschaftlichen Sachen. Er führte die Gesamthandskonzeption Gierkes fort und zwar in Richtung auf die Rechtssubjektivität der Verbindung der Gesamthänder: „ . . . die hier vertretene Lehre führt zur Aufstellung einer neuen Art von Rechtssubjekten neben den juristischen Personen." 149 Es bestand also nach Meinung Kattauschs keine Identität von Rechtssubjekt und juristischer Person. Unterschiede ergaben sich aus dem Umfang der Rechtssubjektivität. Während die juristische Person generell rechtsfähig war, d.h. ebenso wie eine physische Person Träger beliebiger Rechte sein konnte, maß er der Gesamthand dagegen nur eine partielle Rechtsfähigkeit bei. Jeder Ausformung des Gesamthandsprinzips waren bestimmte Rechte entzogen. 150 Zu der Struktur der Gesamthandsgemein145

Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177,189. 146 Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177, 188. 1 47 Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177,192. 1 48 Flume, Gesamthandsgesellschaft, FS Raiser, S. 27, 32. 1 49 Kattausch, S. 72. 150 Kattausch, S. 73.

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12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

schatten führte komme. 1 5 1 Sie schaft auf. Dies Gemeinschafter sicht bewahrten

er aus, daß den Mitgliedern die Qualität von Organen zugingen in ihrer Individualität nicht vollständig in der Gemeinzeigte sich darin, daß Kattausch eine persönliche Haftung der für die Schulden der Gemeinschaft vorsah. 152 In dieser Hindie Mitglieder also ihre eigenständige Rechtssubjektivität. bb) Die Relativität der Rechtsfähigkeit

Auf derselben konzeptionellen Linie wie Kattausch bewegt sich auch Fabricius. Wie Kattausch schränkt er durch die Art der der Gesamthand zugeordneten Rechtsbeziehungen die Rechtsfähigkeit ein. Seiner Konzeption liegt die Unterscheidung von Voll- und Teilrechtsfähigkeit zugrunde. Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß die Rechtsfähigkeit des Subjekts kein universelles juristisches Potential sei, das keinerlei Beschränkungen dulde: Vollrechtsfähigkeit bedeute, daß ein Zuordnungssubjekt generell in die Rechtsordnung hineingestellt sei und sämtliche Rechtssätze, deren Voraussetzungen er erfülle auf diesen Rechtsträger bezogen werden müßten. 153 Dies schließt aber nicht aus, daß es Rechtssubjekte gibt, die nur in bestimmter Hinsicht rechtsfähig sind. Diese Teilrechtsfähigkeit bedeutet, daß der Rechtsträger nur zum Zuordnungssubjekt einzelner Normen gemacht wird. 1 5 4 Die Teilrechtsfähigkeit der Rechtsgemeinschaften ergibt sich nach Meinung Fabricius' daraus, daß die Mitglieder nach außen als Verkehrsteilnehmer sichtbar blieben und ihre Zusammenfassung zu einer Einheit immer nur im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck erfolge. Das bedeutet, daß die Rechtssubjektivität nur im Rahmen entsprechender Zweckverfolgung zu gewähren ist. Gerade darin liegt der Unterschied zur allumfassenden Rechtssubjektivität der juristischen Person. 155 Fabricius billigt allen Gesamthandsgemeinschaften ohne Unterschied eine derartige Teilrechtsfähigkeit zu. 1 5 6 Damit wendet er sich nicht nur gegen die herrschende Meinung, 157 sondern auch gegen grund151 Kattausch, S. 73, 87. 152 Kattausch, S. 87, 91. 153 Fabricius, S. 235. 154 Fabricius, S. 235; in diesem Sinne auch Hoffmann, Gesamthandsverpflichtungen, NJW 1969, 735. 155 Fabricius, S. 143, 151. 156 Für die Erbengemeinschaft: Fabricius, S. 152; für die eheliche Gütergemeinschaft: Fabricius, S. 154; für die GbR: Fabricius, S. 163; für die OHG: Fabricius, S. 183. Diese Ansicht befürworten für die eheliche Gütergemeinschaft auch Schünemann, Ehegattengesellschaft, FamRZ 1976, 158 und K. Schmidt, Nacherbenschutz, FamRZ 1976, 685. 157 Differenzierend für die OHG: Buchner, Rechtliche Struktur, JZ 1968, 622; für die GbR: Kornblum, Rechtstellung, BB 1970, 1445; RGRK-v. Gamm, Bd. II/4, § 718 Rn. 4; für die eheliche Gütergemeinschaft: B G H , FamRZ 1975, 572, 573; Gernhuber, S. 548; Dölle, S. 875; RGRK-Finke, Bd. IV/1, §1416 Rn. 6; Staudinger-Thiele/

HI. Grundstrukturen der dogmatischen Auseinandersetzung

249

sätzliche Befürworter der Theorie von der Rechtsfähigkeit. Diese machen deutlich, daß nicht jede Gesamthandsgemeinschaft von der ehelichen Gütergemeinschaft bis zur offenen Handelsgesellschaft in gleicher Weise verselbständigt sein könne. 1 5 8 Die Rechtssubjektivität ist vielmehr von Typ zu Typ, je nach Grad der Einbeziehung der Mitglieder in den Rechtskreis verschieden abgestuft. 159 Auf das unterschiedlich starke Band der Gesamthänder in den verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften und den daraus resultierenden Abweichungen macht auch die herrschende Meinung im Rahmen der Verbundenheitslehre aufmerksam. 160 d) Zusammenfassung

Nach der Lehre von der Rechtssubjektivität der Gesamthand schiebt sich zwischen die Einzelperson der Gesamthänder und das Vermögen die Gruppe als Zusammenfassung der Mitglieder. Die Gesamthänder partizipieren nurmehr kraft ihrer Mitgliedschaft am Gesamthandsvermögen. Alleiniges Zuordnungssubjekt der Rechte ist die Gesamthand als Gruppe. Die ihr dabei zukommende Rechtssubjektivität ist jedoch keine so weitreichende wie bei der juristischen Person. Einerseits sind die Gesamthänder noch durchaus erkennbar, andererseits beschränkt sich die Rechtsfähigkeit auf Teilbereiche aller möglichen Rechtsbeziehungen. Die fehlende Verabsolutierung der Organisation gegenüber den Mitgliedern insgesamt und die mangelnde Omnipotenz der Rechtsfähigkeit bilden also die Unterscheidungsmerkmale zur juristischen Person. I I I . Die Grundstrukturen der dogmatischen Auseinandersetzung Führt man die erörterten Stellungnahmen zur Rechtsnatur der Gesamthand unter Außerachtlassung von Einzelheiten auf ihre Grundstrukturen zurück, so lassen sich zwei Ausrichtungen unterscheiden. Die erste bezweifelt die Existenz eines solchen einheitlichen Prinzips der Gesamthand oder die Relevanz eines solchen Prinzips für die Lösung rechtlicher Probleme. 161 Diejenigen Meinungen, die sich trotz dieser Bedenken um die Konstruktion eines einheitlichen Modells bemühen, lassen sich wiederum in drei Kategorien einteilen: Thiele, 4. Buch, § 1416 Rn. 5; Münch-Komm-Kanzleiter, Bd. 6, § 1416 Rn. 3; für die Erbengemeinschaft: v. Lübtow, S. 795; Staudinger-Werner, 5. Buch, § 2032 Rn. 5; Münch-Komm-Dütz, Bd. 6, § 2032 Rn. 12; Schlüter, S. 261. 158 Münch-Komm-Schmidt, Bd. 3/2, § 741 Rn. 6; Münch-Komm-Ulmer, Bd. 3/2, § 705 Rn. 127. 159 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 251. 160 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 3. a) dd). 161 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 1.

250

12. Kap.: Die Gesamthandsdiskussion im 20. Jahrhundert

Die erste Kategorie betont die Individualität des Gesamthänders als Zuordnungssubjekt und stellt die Gesamthand der Bruchteilsgemeinschaft gleich. 162 Eine zweite Ausprägung läßt die Gesamthänder als Personen zwar noch erkennen, gliedert sie jedoch in eine gesamthänderische Verbundenheit ein. Die Gesamthänder in ihrer Verbundenheit sind Rechtsträger des Gesamthandsvermögens. 163 Schließlich vollzieht eine dritte Kategorie den Schritt, der Gesamthand als Gruppe Rechtssubjektivität, in welcher Form auch immer, beizumessen und versteht die Gesamthand als Träger der Rechte. Die einzelnen Gesamthänder haben überhaupt keine unmittelbaren Beziehungen zum Gesamthandsvermögen mehr. 1 6 4 Selbst die vorstehende Zusammenfassung der dogmatischen Erörterungen zur Rechtsnatur der Gesamthand verdeutlicht noch, wie schillernd und vielfältig sich die Lösungsansätze seit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches gestaltet haben. Damit ergibt sich ein Bedürfnis, die Vielgestaltigkeit zu ordnen, Lösungsansätze auszugrenzen und so zu einer Überschaubarkeit gerade im Hinblick auf die konkrete Rechtsanwendung zu gelangen. Die historische Argumentation vermag hierzu einen Beitrag zu leisten.

162 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 2. 163 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 3. 164 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 4.

Dreizehntes Kapitel

Schlußbetrachtung - Was kann die historische Beleuchtung des Wesens von der Gesamthand für die aktuelle dogmatische Auseinandersetzung leisten? I . Die Eckwerte historischer Argumentation „Tolle usum quid poterit scientia!" - was vermag die Wissenschaft ohne Anwendung auf die Praxis. Diese Frage stellte sich schon Paul Matthias Wehner (1583 - 1612).1 Für die vorliegende Arbeit erhält die Frage eine abgewandelte Fassung: Was vermag die Rechtsgeschichte in ihrer Anwendung auf aktuelle Rechtsprobleme? Söllner beantwortet diese Frage folgendermaßen: „Das Bemühen um die Erkenntnis geschichtlicher Zusammenhänge vermag die emotionale und zum Teil ideologisch beeinflußte Behandlung der Probleme . . . zu überwinden und die Augen zu öffnen für die realen Interessenkonflikte und deren sachgerechte Lösung. Darin liegt kein geringer Vorzug der rechtsgeschichtlichen Betrachtungsweise". 2 Um zu einem solchen Ergebnis zu gelangen muß zunächst der Rahmen, innerhalb dessen rechtsgeschichtliche Argumentation zulässig und sinnvoll ist, abgesteckt werden. Historische Betrachtung ist ein Mittel der Auslegung. 3 Sie trägt zum Verständnis des Rechtssatzes aus seiner Entstehungsgeschichte bei. Eine Auslegung kann aber nur dort erfolgen, wo der Gesetzgeber eine Möglichkeit hierfür belassen hat. Historische Argumentation kann also nie den eindeutigen Wortlaut einer Norm aufgrund geschichtlicher Entwicklungstendenzen in das Gegenteil verkehren. 4 Kommt unter diesem Gesichtspunkt historischer Argumentation eine Existenzberechtigung zu, so kann ein Beweiswert nur aus der Gesamtschau der rechtsgeschichtlichen Genese eines Instituts gewonnen werden. 5 Dies gilt sowohl in sachlicher als auch in methodischer Hinsicht. Im Rahmen dieser 1 Eisenhart, A D B Bd. 41, S. 433. Söllner, Erwerb vom Nichtberechtigten, FS Coing (1982), S. 363, 380. 3 Larenz, Methodenlehre, S. 314/315. 4 Vgl., oben 9. Kapitel, II. 5. die Ausführungen Beselers und sich ihm anschließend die Ausführungen von Kern. 5 Vgl., oben 5. Kapitel, II. zur historischen Argumentation Schünemanns. 2

252

13. Kap.: Schlußbetrachtung

Gesamtschau dürfen an historische Argumentation keine Erwartungen herangetragen werden, die sie nicht zu erfüllen vermag. Historische Argumentation kann eine dogmatische Auseinandersetzung nicht ersetzen und mit geschichtlicher Autorität eine These zu der einzig Legitimierten machen. Dies hieße den Bezug einer jeden wissenschaftlichen Auseinandersetzung zum politischen, geistesgeschichtlichen, philosophischen und sozialen Umfeld leugnen und Geschichte in der Gegenwart festschreiben. Gegen eine derartige „blinde Überschätzung der Vergangenheit, welche fast noch gefährlicher ist als jener eitle Dünkel, in dem sie die Kräfte der Gegenwart völlig lähmt" 6 wandte sich schon Savigny als Mitbegründer der Historischen Schule. Denn nicht die Isolierung dogmengeschichtlicher Modelle aus ihrem historischen Kontext, sondern die Erfassung des Rechtssatzes einer vergangenen Ordnung aus seinen eigenen Ordnungsvoraussetzungen ist Aufgabe der Rechtsgeschichte.7 Auch die Gegenwart hat ihre eigenen Ordnungsprinzipien, die durch historische Argumentation nicht ignoriert werden können. Was aber historische Argumentation zu leisten vermag, das ist, einen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen sich die dogmatische Diskussion bisher vollzog. 8 Aus der Betrachtung der rechtsgeschichtlichen Genese eines Instituts kann sie permanent vorhandene, unabhängig vom Zeitbezug und dem jeweiligen vorherrschenden geistesgeschichtlichen Umfeld bestehende kontinuierliche Elemente isolieren, deren zeitlose Beständigkeit dafür spricht, daß sie der Rechtsnatur des jeweiligen Instituts doch sehr nahe kommen. 9 Erwartet werden darf hier nicht eine vielfältig strukturierte dogmatische Konstruktion. Eine solche Auslese kann nur Bausteine liefern, Grundlagen, die es als Aufgabe der Dogmatik, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Gegenwart, weiterzuentwickeln gilt. 1 0 In diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn Gierke historische Forschung nicht als Selbstzweck verstand, sondern durch die Herausarbeitung der leitenden Gesichtspunkte das bestehende Recht besser begreiflich und das zukünftige Recht besser gestaltbar machen wollte. 11 Auch auf dem Gebiet der juristischen Methodenlehre gelangt historische Argumentation zu tragfähigen Ergebnissen. Die Betrachtung der Geschichte

6

Savigny, Ueber den Zweck dieser Zeitschrift, ZgeschRW Bd. 1 (1815), S. 1, 10. Landau, Bemerkungen zur Methode, Z N R Bd. 1/2 (1980), S. 117, 127; Wolter, Alternativ-Entwurf, JZ 1976, 469, 470. 8 Vgl. zum kontroversen Verständnis der Aufgaben der Rechtsgeschichte die Erörterungen, oben 1. Kapitel, II. 3. 9 Thieme, Stichwort „Kontinuität", H R G I I , Sp. 1125, 1128. 10 Landau, Bemerkungen zur Methode, Z N R Bd. 1/2 (1980), S. 117,127; Picker in: Das antike Rom in Europa, S. 289; Klippel, Der zivilrechtliche Schutz, S. 26. 11 Gierke, GenR I , S. 2 - 7; so auch: Wolter, Alternativ-Entwurf, JZ 1976,469, 473; Kroeschell, Zur Lehre, FS Thieme, S. 34, 70. 7

II. Die aktuelle Dogmatik im Spiegel ihrer Entwicklung

253

eines Instituts macht den Blick frei für die Vorgehensweise früherer Juristen 12 , sie kann die Wege nachzeichnen, auf denen sich die Dogmatik vergangener Epochen einem rechtlichen Problem zu nähern suchte und überprüfen, ob diese Art der Gewinnung von Argumenten auch in der heutigen Zeit noch sinnvoll erscheint. I I . Die aktuelle Dogmatik der Gesamthand im Spiegel ihrer Entwicklung 1. D i e Legitimation historischer Argumentation durch den Gesetzgeber

Was bedeutet nun also diese abstrakte Applikation von Rechtsgeschichte konkret für den Beweiswert historischer Argumente im Hinblick auf die dogmatische Diskussion zum Wesen der Gesamthand? Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches einer historischen Betrachtung des Wesens von der Gesamthand nicht ihre Legitimation entzogen. Diesen Bereich hat er, wie aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich, ausdrücklich der Wissenschaft überlassen und kraft eigener Autorität nur die Rahmenbedingungen in rechtliche Regelungen geformt. Dabei wurde aber deutlich, daß er der Suche nach der Rechtsnatur der Gesamthand nicht ablehnend gegenüberstand, sie für überflüssig erachtete, sondern es lediglich nicht als Aufgabe des Gesetzgebers ansah, sich mit dieser dogmatischen Frage auseinanderzusetzen. 13 Insofern stößt historische Argumentation im Rahmen der Gesamthand nicht auf das Hindernis einer eindeutigen gesetzlichen Regelung. 2. D i e Rahmenwerte der Gesamthandsdiskussion

Betrachtet man den Verlauf der rechtstheoretischen Auseinandersetzung mit dem Wesen der Gesamthand, so lassen sich als Rahmen der jahrhundertelangen andauernden Diskussion zwei Eckpfosten abstecken. Innerhalb dieser Eckwerte bewegt sich kontinuierlich und unabhängig von einem epochalen, politischen, geisteswissenschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Bezug die Diskussion um die Struktur des Gesamthandseigentums. Diese Rahmenwerte sind auf der Seite des Objekts das ungeteilte und einer Teilung nur durch gleichzeitige Vernichtung der Personengemeinschaft zugängliche Eigentum an jedem Gegenstand des Gesamthandsvermögens, das sich der freien Verfügung durch den einzelnen entzieht, und auf der Seite des Subjekts 12 13

Vgl., oben 8. Kapitel, I I I . 4. b) bb), Kroeschell zu Albrechts Geweren. Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 4. b).

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13. Kap.: Schlußbetrachtung

die unmittelbare eigentumsrechtliche Zuordnung des gemeinschaftlichen Vermögens zu der Person des einzelnen Gesamthänders, sei es als Individuum, sei es als Mitglied und Teil der Zusammenfassung der Gesamthänder. Damit scheidet auf der Objektseite die anteilsmäßige Berechtigung vorwiegend romanistischer Prägung mit der Folge eines, wenn auch in ideelle Quoten, gegliederten Eigentums aus. Diese hauptsächlich im Zeitalter der Vorherrschaft des römischen Rechts in Deutschland vertretene Auffassung 14 , vermochte den Gegensatz von ungeteiltem Gut und einer anteilsmäßigen Berechtigung mit der Etikettierung „ideelle Quoten" nur unzureichend verdecken. Vor allem konnte sie aber keine zufriedenstellende Antwort darauf geben, warum trotz der Annahme von Quoten, abweichend von den Regelungen des römischen Rechts, die freie Veräußerbarkeit der Anteile mit Rücksicht auf die personelle Verbindung eingeschränkt ist. Den Äußerungen der Juristen, die diese Meinung vertreten, ist zu entnehmen, daß sie selbst im Grunde das römische Recht als Erklärungsmodell der Lehensgesamthand, der Ganerbschaft, der ehelichen Gütergemeinschaft als unpassend empfanden. So klingt die ungeteilte Mitberechtigung zwar immer wieder durch, löst sich aber schließlich doch nicht von der römischen Lehre. 15 Insofern kann die Charakterisierung der Gesamthand als Miteigentum nach ideellen Quoten in dieser Zeit weniger als Ausdruck der Juristen für die Struktur des Gesamthandseigentums gewertet werden, als vielmehr als ein Spiegelbild der Epoche. Sofern das ideell gequotelte Miteigentum nach der Zeit der Rezeption z.B. in der Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft noch im 19. Jahrhundert vertreten wurde, kann diesem Eigentum kaum mehr das Prädikat „Miteigentum" beigemessen werden. 16 Verfügungsbeschränkungen haben den Charakter des Miteigentums so verfremdet, daß der ideell bestehende Anteil am Gesamtvermögen sich nicht mehr in einen reellen Anteil umsetzen läßt. Auf der Subjektseite dagegen fehlen Anhaltspunkte dafür, die Gesamthand mit einer juristischen Person gleichzustellen, die alle unmittelbaren eigentumsrechtlichen Bezüge der natürlichen Personen zu dem Vermögen unterbindet und die Personenmehrheit verabsolutiert. Die vorwiegend im 19. Jahrhundert von der personenrechtlichen Seite vorgenommenen Untersuchungen vermeiden die völlige Ablösung der Gruppe vom Individuum und sehen vielmehr immer noch den einzelnen Gesamthänder, wenn auch im Zusammenspiel mit den anderen, als Rechtssubjekt. 17 Eine konkretere Beschreibung des Rahmens kann die Rechtsgeschichte nicht bieten, wollte sie nicht Unterschiede und Besonderheiten verwischen. 14 Vgl., oben 3. Kapitel, II.; 4. Kapitel, I. 3. 15 Vgl., oben 3. Kapitel, II.; 4. Kapitel, II. 2. 16 Vgl., oben 10. Kapitel, II. 2. c). 17 Vgl., oben 8. Kapitel, II. 1. c); 9. Kapitel, II. 4., I I I . 2., I V . 2. a), I V . 2. b).

II. Die aktuelle Dogmatik im Spiegel ihrer Entwicklung

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3. D i e Brauchbarkeit des historischen Rahmens zur Eingrenzung des aktuellen Diskussionsstandes

In den vorgebenen historischen Rahmen fügen sich also alle diejenigen modernen Theorien, die sich im Spannungsfeld von ungeteiltem Eigentum und unmittelbarer eigentumsrechtlicher Zuordnung zur Person des Gesamthänders bewegen. Der Abriß der gegenwärtigen dogmatischen Diskussion zeigt, wie vielfältig und schillernd sich dieser Bereich dann immer noch repräsentiert. 18 Damit stellt sich die Frage, welcher Wert einer solchen notwendigerweise breitgespannten historisch untermauerten Definition der Gesamthand zukommt. Möglicherweise ist infolgedessen denjenigen Theorien zuzustimmen, die die Auffassung vertreten, die Gesamthand entziehe sich einer Erfassung, bzw. ein solches Bemühen führe zu derart pauschalen Ergebnissen, die der Rechtsfindung nicht dienlich sind. 19 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst anzuknüpfen an die abstrakt formulierte Prämisse, daß Rechtsgeschichte dogmatische Argumentation nicht ersetzen kann, sondern sich als Grundlage für dogmatische Weiterentwicklungen versteht. Ein breitgefächertes historisches Verständnis der Gesamthand bietet der aktuellen Dogmatik ausreichend Raum, um den gegenwärtigen vielfältigen Anforderungen an das Prinzip der Gesamthand in wirtschaftlicher und rechtspolitischer Hinsicht gerecht zu werden. Die Flexibilität des herausgearbeiteten Rahmens ist daher von Vorteil. Auf der anderen Seite ermöglicht auch dieser weite Rahmen vom historischen Standpunkt aus eine Eingrenzung des Diskussionstandes. So finden sich diejenigen Theorien, die von einer anteilsmäßigen Berechtigung der Gesamthänder, sei es als realer Teil, sei es als Anteil an der Rechtszuständigkeit20 ausgehen oder alle diejenigen Meinungen, die der Gesamthand zumindest in Teilbereichen die Qualität einer juristischen Person beimessen21, nicht in Einklang mit den historischen Vorgaben. 4. D i e Notwendigkeit eines geschlossenen Systems der Gesamthand a) Die Tradition der Suche nach dem Gesamthandsprinzip

Was den Sinn der Suche nach einem einheitlichen System der Gesamthand über die Betrachtung der einzelnen Ausprägungen hinweg angeht, so erhält

18 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 3. 19 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 1. 20 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 2. 21 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 4. c).

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13. Kap.: Schlußbetrachtung

ein solches Vorgehen ebenfalls Rückhalt in der Rechtsgeschichte. Hier findet die Rechtsgeschichte zu ihrer Rolle als Hilfsmittel der Methodenlehre. Schon in der Rezeption sind parallele Erläuterungsversuche erkennbar, aber als Folge der im wesentlichen auf den Einzelfall bezogenen Konsilienliteratur ziehen die Juristen noch keine Vergleiche mit anderen Fällen 22 , sondern verharren bei dem von ihnen zu entscheidenden Fall. Mit dem Eingang der Theorie vom dominium plurium in solidum über den Bereich der ehelichen Gütergemeinschaft hinaus, für den sie Veracius entwickelt hatte 23 , auch in die Theorie der Lehensgesamthand24 findet die Idee eines einheitlichen Gesamthandssystems einen ersten Ausdruck und schließlich mit der Schaffung des Begriffs des Gesamteigentums durch Hofacker 25 auch eine wissenschaftliche Grundlage. Seit diesem Zeitpunkt befinden sich die Juristen auf der Suche nach dem Wesen des Rechtsprinzips „Gesamthand". Kritische Stimmen, die sich dieser Kategorisierung entgegensetzten26, vermochten sich nicht durchzusetzen oder aber sie setzten dem Gesamthandsprinzip das Prinzip des römischen Miteigentums nach ideellen Quoten entgegen.27 Getragen wurde die Forschung nach einem Rechtsprinzip der Gesamthand durch die Möglichkeit des Rückgriffs auf allgemeine Strukturen, sofern die besonderen Regelungen keine Hilfe zur Bewältigung eines rechtlichen Problems boten. Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch brachte die Notwendigkeit einer Auffangnorm für den Fall des Versagens besonderer Regelungen der einzelnen Eigentumsgemeinschaften gesetzestechnisch dadurch zum Ausdruck, daß es neben die speziellen Regelungen von Gesellschaft, ehelicher Gütergemeinschaft und Erbengemeinschaft eine allgemeine Regelung des Miteigentums aufnahm. 28 Das Bürgerliche Gesetzbuch folgt diesem Aufbau nicht. Aus den Gesetzesmaterialien und der übereinstimmenden Fassung der §§ 719, 1419, 2033 BGB geht aber hervor, daß der Gesetzgeber ebenfalls von einem Rechtsgedanken der Gesamthand ausging, der die einzelnen Institute mehr oder weniger intensiv durchwirkt. 29 Diejenigen Theorien, die sich also um eine generelle Erfassung des Wesens der Gesamthand bemühen, stehen in der Tradition der Gesamthandsdogmatik.

22 Vgl., oben 4. Kapitel, I. 2. b) bb). 23 Vgl., oben 5. Kapitel, I. 3. c) bb). 24 Vgl., oben 6. Kapitel, II. 1. 25 Vgl., oben 6. Kapitel, I I I . 1. b). 26 Vgl., oben 8. Kapitel, I. 2. a) und 9. Kapitel, I V . 2 d). 27 Vgl. die Rechtsprechung zur ehelichen Gütergemeinschaft, oben 10. Kapitel, II. 2. 28 Vgl., oben 11. Kapitel, II. 1 b). 29 Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 4. b).

I

Die aktuelle Dogmatik im Spiegel ihrer Entwicklung

257

b) Das praktische Bedürfnis nach einem geschlossenen System

Nun ist der Verweis auf die Tradition der Suche nach einem geschlossenen Gesamthandssystem für sich allein nicht zwingend, sondern vermag einem bestehenden Bedürfnis nach einem solchen System lediglich zusätzliche Kraft zu verleihen. Ein solches Bedürfnis nach allgemeinen Regelungen besteht auch noch nach Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht: Die von Flume beklagte Dürftigkeit rechtspositiver Regelungen30 war vom Gesetzgeber zum Teil bewußt gewählt 31 , zum Teil die Folge der konzeptionellen Änderung des Rechts der Gesellschaft vom römischen Sozietätsrecht zum Gesamthandsprinzip. So wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die auf dem römischen Sozietätsprinzip aufbauende anteilige Haftung der Gesellschafter (§ 642 des ersten Entwurfes) gestrichen. 32 Die Regelung einer nunmehr auf das Gesamthandssystem zugeschnittenen Haftung unterblieb. Eine solche spezielle Haftungsregelung war für den Bereich der vertraglichen und auch der deliktischen Haftung nicht notwendig. Nach der Auslegungsregel des § 427 BGB haften mehrere, die sich durch Vertrag zu einer teilbaren Leistung verpflichten, im Zweifel als Gesamtschuldner. Damit kommt die sich auf der Verpflichtungsseite widerspiegelnde Eigentumsordnung der ungeteilten gleichmäßigen Berechtigung nach außen zum Ausdruck. Für den deliktischen Bereich enthält § 840 Abs. 1 BGB eine identische Regelung. Ungeklärt und umstritten ist jedoch die Frage, wie sich die Rückabwicklung nichtiger oder angefochtener Verträge mit einer Gesamthandsgemeinschaft vollzieht. 33 Hier fehlt eine entsprechende Regelung. Die überwiegende Meinung verweist hinsichtlich des „erlangten Etwas" im Sinne des § 812 BGB, das Gesamthandsvermögen geworden ist, auf § 431 BGB. Danach haften mehrere als Gesamtschuldner, sofern sie eine unteilbare Leistung schulden, d.h. nach überwiegender Ansicht haften die Gesellschafter für den Anspruch aus § 812 BGB als Gesamtschuldner. 34 Die dogmatischen Grundlagen einer derartigen Haftung sind in Anbetracht des Fehlens einer den §§ 427, 840 Abs. 1 BGB entsprechenden Regelung im Bereicherungsrecht und einer speziellen Regelung im Recht der Gesellschaft selbst, nicht 30

Flume, Gesellschaft und Gesamthand, Z H R 136 (1972), S. 177, 178. Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 5. 32 Vgl., oben 11. Kapitel, I I I . 2. d). 33 Palandt-Thomas, § 718 Anm. 4a. 34 B G H , NJW 1985, 1828; B G H Z 61, 338, 343/344; B G H , BB 1983, 1118; B G H , NJW 1983, 1905, 1908; O L G Frankfurt, NJW 1986, 3144, 3145; Crezelius, Bereicherungshaftung, JuS 1986, 685, 688; Flume, Allgemeiner Teil 1/1, S. 343; a. A . : MünchKomm-Ulmer, Bd. 3/2, § 714 Rn. 39; RGRK-v. Gamm, Bd. II/4, § 718 Rn. 9; SoergelHadding, SchR I I I , § 714 Rn. 29; Meincke, Bereicherungshaftung, D B 1974, 1001, 1002; O L G Hamm, NJW 1981, 877, 878. 31

17 Ascheuer

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13. Kap.: Schlußbetrachtung

ganz eindeutig. 35 Zum Teil wird für den Fall der Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB nach dem Grundsatz der konsequenten Verlängerung der unbeschränkten Haftung in das Stadium der Rückabwicklung nichtiger Kausalgeschäfte der § 427 BGB analog angewandt. 36 Diese für den Bereich der Leistungskondiktion noch durchführbare Analogie stößt allerdings bei der Eingriffskondiktion an ihre Grenzen, da es hier nicht um die Rückabwicklung nichtiger Verträge geht. 37 Eine weitere Analogie zu § 427 BGB verstößt gegen den Gesetzestext, der ausdrücklich auf vertragliche Verpflichtungen beschränkt ist. Eine analoge Heranziehung des § 840 Abs. 1 BGB wäre zwar in Erwägung zu ziehen, da die Eingriffskondiktion ihrem Charakter nach Ähnlichkeiten mit einem deliktischen Eingriff aufweist, genauso nahe liegt jedoch auch der Rückzug auf das Prinzip der Gesamthand, das hier zu tragfähigen Ergebnissen führen kann. Das bedeutet aber, daß die Tradition der Suche nach einem Rechtsprinzip der Gesamthand nicht mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Historie geworden ist, sondern nach wie vor einem lebendigen Bedürfnis entspringt und nach wie vor eine bleibende Existenzberechtigung hat. So gilt also auch für die aktuelle Diskussion weiterhin die Motivation, die seit Hofacker die Forschung nach einem allgemeinen System in Bewegung hielt, nämlich durch den Rückgriff auf allgemeine Prinzipien offene Fragen einer Lösung zuzuführen. Und hier hat das Rechtsprinzip der Gesamthand einen bleibenden Wert. So ist die Auseinandersetzung um das Wesen der Gesamthand eben kein akademischer Streit ohne Auswirkungen auf die praktische Rechtsfindung. 5. Ausblick

Dieser praktischen Rechtsfindung ist die Gesamthandsdiskussion jedoch nur dienlich, wenn ihre Unübersichtlichkeit geordnet und eingegrenzt und damit die Möglichkeit divergierender Lösungsansätze minimalisiert wird. Hierzu kann die rechtsgeschichtliche Betrachtung beitragen. Verfolgt man die historische Genese des Instituts, so lassen sich wie erörtert, als kontinuierliche Wesensbausteine das ungeteilte Eigentum an jedem Gegenstand des Gesamtvermögens und die unmittelbare eigentumsrechtliche Zuordnung des gemeinschaftlichen Vermögens zu der Person des einzelnen Gesamthänders isolieren. Übertragen auf die aktuelle Diskussion bedeutet dies, daß die Theorien, die sich in diesem Rahmen bewegen, auf eine historische Legitimation verweisen können. Dies ist im wesentlichen die Verbundenheitslehre mit allen ihren

35

B G H Z 61, 338, 342; Thielmann, Bereicherung des Gesellschaftsvermögens, Z H R 136 (1972), S. 397. 36 BGH, NJW 1985, 1828; Crezelius, Bereicherungshaftung, JuS 1986, 685, 688. 37 Thielmann, Bereicherung des Gesellschaftsvermögens, Z H R 136 (1972), S. 397, 403.

II. Die aktuelle Dogmatik im Spiegel ihrer Entwicklung

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Ausprägungen. 38 Hierher gehören aber auch diejenigen Theorien, die zwar die Mehrheit der Gesamthänder als Gruppe zusammenfassen, die Gruppe aber nicht zur juristischen Person verabsolutieren, sondern den Gesamthänder als Individuum und Teil der Personenmehrheit zum Zuordnungssubjekt der Rechte machen. 39 Sicherlich kann historische Legitimation dem Rechtsanwender nicht die letzte Sicherheit geben, daß die mit der Genese des Prinzips in Einklang stehenden Theorien nun auch die letzte Wahrheit für sich haben. Doch spricht die Beständigkeit dieser beiden Elemente über fast 1000 Jahre Gesamthandsdogmatik hinweg dafür, daß sie das Rechtsprinzip der Gesamthand zumindest annähernd charakterisieren. In Anbetracht dessen besteht mit Hilfe der historischen Argumentation für die Gesamthandsdiskussion möglicherweise die Aussicht, daß der dogmatische Streit über das Wesen der Rechtsnatur der Gesamthand zumindest reduziert wird.

38 Vgl., oben 12. Kapitel, II. 3. Vgl., oben 12. Kapitel, II. 4. b) aa) Schünemann; im Grundsatz wohl auch Flume, vgl. oben 12. Kapitel, II. 4. b) bb). 39

17*

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