Der angemessene Handlungsrahmen der Zielverwaltung in der Übernahmesituation: Eine rechtsvergleichende Analyse vor dem Hintergrund ökonomischer Überlegungen zur Corporate Governance [1 ed.] 9783428528516, 9783428128518

Olaf Weiß untersucht den Handlungsrahmen der Verwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft, die Ziel eines feindlichen Über

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Der angemessene Handlungsrahmen der Zielverwaltung in der Übernahmesituation: Eine rechtsvergleichende Analyse vor dem Hintergrund ökonomischer Überlegungen zur Corporate Governance [1 ed.]
 9783428528516, 9783428128518

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 218

Der angemessene Handlungsrahmen der Zielverwaltung in der Übernahmesituation Von Olaf Weiß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

OLAF WEISS

Der angemessene Handlungsrahmen der Zielverwaltung in der Übernahmesituation

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 218

Der angemessene Handlungsrahmen der Zielverwaltung in der Übernahmesituation Eine rechtsvergleichende Analyse vor dem Hintergrund ökonomischer Überlegungen zur Corporate Governance

Von Olaf Weiß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-12851-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die Frage nach dem angemessenen Handlungsrahmen der Zielverwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft in der Übernahmesituation war Gegenstand einer heftigen rechtspolitischen Debatte während der Bemühungen auf nationaler und europäischer Ebene, einen verbindlichen Rechtsrahmen für Übernahmeangebote zu schaffen. Erstaunlicherweise blieb diese Fragestellung sowohl in der Rechtsals auch Wirtschaftswissenschaft jedoch weitgehend unbehandelt. Dies verwundert umso mehr, als dass der übernahmerechtliche Handlungsrahmen der Verwaltungsorgane grundsätzliche Fragen zur Corporate Governance von Aktiengesellschaften aufwirft: Sollte die Unternehmensleitung allein auf die Maximierung der Aktionärsinteressen verpflichtet sein oder auch die Interessen anderer Ressourcengeber der Unternehmung – etwa der Arbeitnehmer – in ihr Entscheidungskalkül einbeziehen? Stellt die Annahme eines Übernahmeangebots eine reine Verkaufsentscheidung der Aktionäre dar oder werden dabei auch Belange anderer Interessensgruppen berührt, die der Zielvorstand durch Abwehrmaßnahmen zu verteidigen imstande sein sollte? Ist eine Disziplinierung der Unternehmensleitung durch den „Markt für Unternehmenskontrolle“ wünschenswert, weil wohlfahrtssteigernd, oder werden hierdurch notwendige Spielräume zur Vereinbarung effizienzfördernder Arrangements beschnitten? Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung der aufgeworfenen normativen Fragestellungen leisten und zugleich in deskriptiver Hinsicht den Handlungsrahmen der Verwaltungsorgane nach dem Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz (WpÜG) untersuchen. Hierfür war ein interdisziplinärer Ansatz unerlässlich, der neben unternehmenstheoretischen Überlegungen auch Erkenntnisse der empirischen Wirtschaftswissenschaft aufgreift. Nicht zuletzt der Umstand, dass ein Großteil der empirischen Studien zu Unternehmensübernahmen aus dem angelsächsischen Rechtskreis stammt, machte zudem eine eingehende Untersuchung des US-amerikanischen und britischen Übernahmerechts erforderlich. Für die wertvollen und anregenden Diskussionen während des Entstehens der Arbeit möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, für das Erstellen des Zweitgutachtens bei Herrn Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann herzlich bedanken. Mein Dank gilt auch der Law School der University of Illinois at Urbana-Champaign, insbesondere Herrn Prof. Richard W. Painter, sowie der Cardiff University, vor allem Herrn Prof. David Campbell, für die Ermöglichung zweier sehr fruchtbarer Forschungsaufenthalte. Schließ-

8

Vorwort

lich danke ich meiner Ehefrau Claudia – für die Geduld, mit der sie die vielen Entbehrungen ertragen hat, aber auch für den Zuspruch und die Unterstützung, ohne die eine Fertigstellung der Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Berlin, im September 2008

Olaf Weiß

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Übernahmerechtliche Pflichtenbindung der Zielverwaltung und die ökonomischen Grundlagen der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen: Unterschiedliche Grundannahmen hinsichtlich der Rolle der Unternehmensleitung in der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung für die Corporate Governance: shareholder primacy oder stakeholder-orientierte Unternehmensführung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Neuere unternehmenstheoretische Ansätze zur Ableitung expliziter Aussagen für die Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Arbeitsökonomische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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19

28 42 61 74

B. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach deutschem Recht . . . . . . . 79 I. Die Fortgeltung der interessenpluralistischen Leitmaxime in der Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem Aktiengesetz? . . 84 III. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung gemäß § 33 WpÜG . . . . . . . . . 92 IV. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach der EG-Übernahmerichtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 C. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach US-amerikanischem und britischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Recht des US-Bundesstaates Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach britischem Recht . . . . . . . III. Vergleich der übernahmerechtlichen Pflichtenstellung von Zielverwaltungen nach deutschem, britischem und US-amerikanischem Recht . . . . . . . .

125 125 176 181

D. Rechtspolitische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien zu Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen der Zielverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 E. Ergebnis der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

A. Übernahmerechtliche Pflichtenbindung der Zielverwaltung und die ökonomischen Grundlagen der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen: Unterschiedliche Grundannahmen hinsichtlich der Rolle der Unternehmensleitung in der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kontrollmarkt-These: Feindliche Übernahmen als Mittel zur Disziplinierung eines eigennützig handelnden Managements . . . . . . . . . . . . a) Interessenkonflikte zwischen Unternehmensleitung und Anteilseignern in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolldefizite aufgrund kollektiver Handlungsprobleme der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der „Markt für Unternehmenskontrolle“ als Mittel zur Disziplinierung des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die breach of trust-These: Übernahmegewinne durch Negierung impliziter Stakeholder-Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Erklärungsansätze für Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die angemessene Leitmaxime unternehmerischen Handelns als Grundfrage der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung für die Corporate Governance: shareholder primacy oder stakeholder-orientierte Unternehmensführung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmen versus Markt: Die Begründung der modernen Unternehmenstheorie durch Coase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vertragstheoretische Sicht der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das „Messproblem“ in der Teamproduktion (Alchian/Demsetz 1972) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Prinzipal-Agenten-Sicht der Unternehmung (Jensen/Meckling 1976) und die Abkehr vom Eigentümerbegriff (Fama 1980) . . . . . . 3. Die Transaktionskosten-Theorie und die Verfügungsrechtsanalyse (property rights-approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Unternehmen als governance structure zur Minimierung von Transaktionskosten (Williamson 1985) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verfügungsrechtsanalyse: Eigentum als residuales Entscheidungsrecht (Grossmann/Hart 1986, Hart/Moore 1990) . . . . . . . . . . .

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19 19 19 21 22 23 24 26

28 28 29 29 31 33 33 34

12

Inhaltsverzeichnis 4. Unterschiede und Implikationen der betrachteten Theorien für die Leitmaxime unternehmerischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die organisatorische Grundlage der Teamproduktion: Autorität oder Konsens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Faktor „Arbeit“ in der Teamproduktion und die Natur des „Messproblems“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Fundierung der shareholder primacy-Leitmaxime in der vertragstheoretischen Sicht der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Transaktionskosten-Theorie und Stakeholder-Ansatz . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis: Aussagekraft der vorgestellten Theorieansätze für die betrachtete Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Neuere unternehmenstheoretische Ansätze zur Ableitung expliziter Aussagen für die Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuweisung der residualen Entscheidungsrechte an die Aktionäre als „Third Party“ (Rajan/Zingales 1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Unternehmensführung als Mediator zwischen den unterschiedlichen Anspruchsgruppen (Blair/Stout 1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rolle von Agenturkosten im mediating hierarchy-Ansatz . . . . . b) Der board of directors als Mediator eines heterogenen Teams . . . . 5. Director primacy zur Maximierung der Aktionärsinteressen (Bainbridge 2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unternehmenstheoretische Überlegungen und die Grenzen von individualvertraglichen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Arbeitsökonomische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Humankapital-Theorie: Anreize zur Aneignung unternehmensspezifischer Qualifikationen durch ein shared investment . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Minimierung von shirking durch strategische Lohnsetzung . . . . . . a) Die Theorie der nachgelagerten Entlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Theorie des Effizienzlohnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Implikationen der Lohntheorien für die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erkenntnisse der empirischen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung . . . . a) Positive Korrelation von Betriebsseniorität und Arbeitslohn . . . . . . b) Aussagewert des festgestellten Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tradeoff zwischen Überwachungsintensität und Senioritätsentlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sektorale Lohnunterschiede als Indiz für Effizienzlöhne? . . . . . . . . e) Tradeoff zwischen Überwachungsintensität und Lohnhöhe? . . . . . .

36 36 37 38 40 41 42 42 44 48 49 50 52 55 56 58 61 61 63 64 64 65 66 66 66 68 70 71 72

Inhaltsverzeichnis V.

13

Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

1. Die Existenz spezifischer Investitionen der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . .

74

2. Implikationen für die Leitmaxime unternehmerischen Handelns . . . . .

76

3. Zwischenergebnis: Die Vorzugswürdigkeit einer interessenpluralistischen Leitmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

B. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach deutschem Recht . . . . . . .

79

I.

Die Fortgeltung der interessenpluralistischen Leitmaxime in der Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem Aktiengesetz? . .

84

1. Reduktion des Leitungsermessens bei Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Neutralitätspflicht für den Vorstand aufgrund seiner Treuhänderstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

3. Neutralitätspflicht aufgrund des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

4. „Holzmüller“-Kompetenz für die Hauptversammlung? . . . . . . . . . . . . . .

90

5. Neutralitätspflicht zur Sicherstellung eines funktionsfähigen „Markts für Unternehmenskontrolle“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

6. Zwischenergebnis: Keine übernahmespezifischen Verhaltensanforderungen für Verwaltungsorgane aus dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . .

92

III. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung gemäß § 33 WpÜG . . . . . . . . .

92

1. Der Norminhalt im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

2. Vereitelungsverbot für den Aufsichtsrat bei initiativem Verwaltungshandeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

3. Der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG . . . . . . . .

96 4. Die Reichweite des Leitungsermessens in der Übernahmesituation: Versagung der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze? . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Abwehrmaßnahmen als Eingriff in verfassungsmäßige Aktionärsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Verfassungsrechtliches Gebot zur Delegation der „Abwehrkompetenz“ an die Aktionäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 6. Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG auf originäre Vorstandskompetenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 7. Der Umfang der Ermächtigungsbefugnis nach § 33 Abs. 2 WpÜG . . . 112 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach der EG-Übernahmerichtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Striktes Vereitelungsverbot (Neutralitätspflicht) für die Zielverwaltung als Regelfall (Art. 9 Ü-RiLi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

14

Inhaltsverzeichnis 2. Die „Durchbrechungsregel“ des Art. 11 Ü-RiLi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Möglichkeit der Mitgliedsstaaten zum opt out vom Vereitelungsverbot und der Durchbrechungsregel (Art. 12 Ü-RiLi) . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Änderungsbedarf im WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5. Das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

C. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach US-amerikanischem und britischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Recht des US-Bundesstaates Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Die grundlegende Verteilung der Entscheidungsrechte im Gesellschaftsrecht von Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Der weite Gestaltungsspielraum im Gesellschaftsrecht von Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Treuepflichtbindung der Unternehmensleitung und die Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Die Bedeutung des Aktionärsstimmrechts (Blasius-Rechtsprechung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Die poison pill als zentrales Abwehrinstrument des board . . . . . . . . . . . 131 a) Erscheinungsformen und Wirkungsweise der poison pill . . . . . . . . . 131 b) Die Moran-Entscheidung des Delaware Supreme Court . . . . . . . . . . 134 3. Der gerichtliche Überprüfungsmaßstab für Abwehrmaßnahmen (standard of judicial review) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) „Unocal“ contra „Revlon“: Die unterschiedlichen Pflichtenstandards und ihre Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Die Unocal-Entscheidung des Delaware Supreme Courts . . . . . 136 bb) Die Revlon-Entscheidung: Die Zielverwaltung als Auktionator im Aktionärsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Unocal- und Revlon-Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Die Weiterentwicklung des Unocal-Maßstabs in der Unitrin-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Das Spannungsverhältnis zwischen dem Leitbild einer Aktionärsdemokratie und der Abwehrkompetenz der Zielverwaltung in der Rechtsprechung Delawares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Die Rolle des Blasius-Standards in der Unitrin-Entscheidung und der jüngeren Rechtsprechung des Chancery Court . . . . . . . 148 bb) Die Rechtsprechung zu dead hand- und slow hand-pills . . . . . 150 d) Zulässige Abwehrziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Von der Abwehr zweistufiger Angebote zur Anerkennung „substantiellen Zwangs“ (board knows best-Doktrin) . . . . . . . . 154 bb) Abwehrmaßnahmen zum Schutz von Stakeholder-Interessen? 159

Inhaltsverzeichnis 4. Ausblick: Neujustierung der Machtbalance zwischen Unternehmensleitung und Aktionären durch shareholder rights bylaws? . . . . . . . . . . . a) Zulässige Regelungsgegenstände von aktionärsseitig initiierten bylaws . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sperrwirkung von shareholder rights bylaws in Bezug auf entgegenstehende Beschlüsse des board? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassende Bewertung des Übernahmerechts von Delaware: Die Zielverwaltung als Verteidigerin der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Anteilseignern: Die unterschiedlichen Sichtweisen in der Rechtsprechung Delawares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die untergeordnete Bedeutung des Kontrollmarkt-Konzepts in der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Trendwende zu mehr shareholder choice in der jüngeren Rechtsprechung des Delaware Supreme Court? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach britischem Recht . . . . . . . 1. Verbandsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das britische Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich der übernahmerechtlichen Pflichtenstellung von Zielverwaltungen nach deutschem, britischem und US-amerikanischem Recht . . . . . . . . D. Rechtspolitische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien zu Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abwehrmöglichkeiten der Unternehmensleitung: Abschottung vom Markt für Unternehmenskontrolle oder Verhandlungsmacht im Aktionärsinteresse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ergebnisse und Aussagekraft von pill studies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) shark repellents als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmensverfassung und Abwehrmöglichkeiten des board zum Zeitpunkt des Börsengangs (IPO-Studien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auswirkungen von feindlichen Übernahmen auf implizite Arbeitnehmeransprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) US-amerikanische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Britische und kontinentaleuropäische Untersuchungen . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen der Zielverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Übernahmeauseinandersetzung als ein „Wettbewerb der Unternehmenskonzepte“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwehrermessen der Zielverwaltung und die Pflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 161 163 165 167

167 170 173 176 176 179 181 185 185

186 187 188 192 194 195 195 199 202 205 205 207

16

Inhaltsverzeichnis 3. Die EG-Übernahmerichtlinie und deren Umsetzung in deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4. Änderungsvorschläge zum WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

E. Ergebnis der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Einleitung Das Übernahmerecht bildet gleichsam das Scharnier zwischen dem Gesellschafts- und dem Kapitalmarktrecht. Der übernahmespezifische Handlungsrahmen der Leitungsorgane einer Zielgesellschaft entscheidet darüber, inwieweit die Zielsetzung des Kapitalmarktrechts – der Schutz der Anteilseigner als Finanzkapitalgeber von Unternehmungen – in die Corporate Governance von Publikumsaktiengesellschaften integriert wird1. In dem Maße wie der autonome Handlungsspielraum der Zielorgane beschränkt wird, um die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre hinsichtlich der Angebotsbedingungen sicherzustellen, gewinnt die disziplinierende Wirkung des „Unternehmenskontrollmarkts“ für die Machtverteilung in der Gesellschaft an Bedeutung. Da diese auf eine Durchsetzung der Aktionärsinteressen in der Unternehmenspolitik gerichtet ist, werden die Möglichkeiten der Leitungsorgane, die Interessen anderer Ressourcengeber – etwa der Arbeitnehmer – in ihr Entscheidungskalkül einzubeziehen, in faktischer Hinsicht eingeengt. Der angemessene Handlungsrahmen der Zielverwaltung lässt sich daher nicht losgelöst von der Frage bestimmen, welche Interessen die Richtschnur für unternehmerisches Handeln insgesamt bilden sollte und berührt demgemäß eine Grundfrage der Corporate Governance2. Nach fast dreißigjähriger Diskussion ist im Jahr 2004 die EG-Übernahmerichtlinie verabschiedet worden. Hinsichtlich der rechtspolitisch hoch umstrittenen Frage der Handlungsmöglichkeiten des Zielvorstands sieht die Richtlinie zwar als Regelfall eine Neutralitätspflicht vor, räumt den Mitgliedsstaaten diesbezüglich jedoch eine Umsetzungsoption ein. Diese ist andererseits an die Bedingung geknüpft, dass der nationale Gesetzgeber für die einzelnen Gesellschaften zugleich die Möglichkeit schafft, mit satzungsändernder Mehrheit ein opt in der Neutralitätspflicht zu beschließen. Da der deutsche Gesetzgeber mit dem am 14.07.2006 in Kraft getretenen Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz von der opt out-Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, besteht nunmehr zu erwarten, dass sich die Diskussion um den angemessenen Handlungsrahmen auf Unternehmensebene fortsetzen wird. Aber auch ein Ende der Diskussion auf politischer Ebene dürfte kaum in Sicht sein, zumal die Richtlinie eine Revisionsklausel beinhaltet, die der Kommission im Jahr 2011 eine Überprüfung auf Grundlage der gewonnenen Erfahrungen aufgibt3. 1 2 3

Vgl. Kirchner (2003), S. 345. Vgl. Allen/Jacobs/Strine (2002), S. 1071 f. Art. 20 Abs. 1 i.V. m. Art. 21 Abs. 1 Ü-RiLi.

18

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beleuchtet die aktuelle Rechtslage hinsichtlich des übernahmespezifischen Handlungsspielraums der Unternehmensleitung nach dem WpÜG und bewertet diese unter ökonomischen und rechtsvergleichenden Gesichtspunkten. Gang der Darstellung In Teil A. der Arbeit werden mit der Kontrollmarkt- und der breach of trustThese zunächst zwei Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen vorgestellt, die diametrale Aussagen in Bezug auf den angemessenen Handlungsrahmen der Zielverwaltung treffen. Da beiden Ansätzen unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Rolle der Unternehmensleitung in der Corporate Governance zugrunde liegen, wird anschließend der Versuch unternommen, aus der Theorie der Unternehmung Aussagen darüber zu gewinnen, ob der Vorstand allein als Interessenwahrer der Anteilseigner fungieren sollte oder eine interessenpluralistische Leitmaxime vorzugswürdig erscheint. Es wird gezeigt, dass sich tragfähige Aussagen hinsichtlich der angemessen Leitmaxime nur herleiten lassen, wenn arbeitsökonomische Erkenntnisse in die Betrachtung einbezogen werden. Teil B. der Arbeit beleuchtet den Handlungsrahmen der Zielverwaltung wie er seit Inkrafttreten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) im Jahr 2002 gilt. Dabei wird auf zahlreiche Auslegungsstreitigkeiten in der juristischen Literatur eingegangen. Darüber hinaus wird die im Jahr 2004 verabschiedete EG-Übernahmerichtlinie dargestellt, die dem nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der als Regelfall vorgesehen Neutralitätspflicht eine Umsetzungsoption einräumt. Der rechtsvergleichende Teil C. der Arbeit untersucht den übernahmerechtlichen Handlungsspielraum der Zielverwaltung nach dem Recht Großbritanniens und des US-Bundesstaates Delaware, in dem ein Großteil der US-amerikanischen Gesellschaften inkorporiert ist. Dabei wird die Rechtsprechung des Delaware Supreme Court insbesondere im Hinblick darauf untersucht, welches Leitbild ihr bezüglich der Funktion des board of directors in der Corporate Governance zugrunde liegt. In Teil D. der Arbeit wird die Gültigkeit der Kontrollmarkt- und der breach of trust-These anhand von empirischen Studien überprüft, welche die Auswirkungen von Übernahmen auf die Interessen der verschiedenen Ressourcengeber des Unternehmens untersuchen. Hieraus werden Schlussfolgerungen für die Frage nach dem angemessen Handlungsrahmen der Zielverwaltung gezogen, auf deren Grundlage eine Bewertung des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes erfolgt und Änderungsvorschläge zum WpÜG gemacht werden. Teil E. fasst das Ergebnis der Arbeit zusammen.

A. Übernahmerechtliche Pflichtenbindung der Zielverwaltung und die ökonomischen Grundlagen der Corporate Governance I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen: Unterschiedliche Grundannahmen hinsichtlich der Rolle der Unternehmensleitung in der Corporate Governance 1. Die Kontrollmarkt-These: Feindliche Übernahmen als Mittel zur Disziplinierung eines eigennützig handelnden Managements Anhänger der sog. Kontrollmarkt-These sehen in feindlichen Übernahmen ein probates Mittel zur Durchsetzung der Aktionärsinteressen gegenüber der Unternehmensleitung, wodurch eine effizientere Allokation der Unternehmensressourcen erreicht werde. Dieser Auffassung liegt eine Prinzipal-Agenten-Betrachtung der Aktiengesellschaft zugrunde, wonach der Vorstand (Agent) zur Maximierung des Unternehmenswertes im Interesse der Aktionäre (Prinzipale) verpflichtet sei1. Besonders in Aktiengesellschaften mit diffuser Anteilsstruktur, in denen verbandsrechtliche Kontrollinstrumente aufgrund kollektiver Handlungsprobleme der Aktionäre weitgehend wirkungslos bleiben, ergäben sich jedoch erhebliche Spielräume für das Management, sein eigenes Nutzenkalkül auf Kosten der Aktionäre zu verwirklichen. Durch einen aktiven Takeover-Markt würden die Schwächen interner Kontrollinstrumente abgefedert und damit eine Minimierung der Agenturkosten (agency costs) in der Publikumsgesellschaft erreicht. Bevor die Wirkungsweise und Prämissen des Kontrollmarkt-Konzepts kurz dargestellt werden, sollen zunächst die Ursachen für potentielle Interessenkonflikte zwischen Anteilseignern und Management sowie das Kollektivhandlungsproblem der Aktionäre eine nähere Erläuterung finden. a) Interessenkonflikte zwischen Unternehmensleitung und Anteilseignern in der Aktiengesellschaft Als wichtige Quelle potentieller Interessenkonflikte werden inkongruente Risikopräferenzen zwischen Management und Aktionär angesehen, die aus der un1

Vgl. dazu Kirchner/Painter (2000), S. 357.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

terschiedlichen Diversifizierbarkeit von Finanz- und Humankapital resultieren2. Während der Aktionär in der Lage ist, einen wesentlichen Teil des Risikos durch Streuung seines Aktienbesitzes zu eliminieren3, bleibt der Manager dem unsystematischen Risiko der Unternehmung ausgesetzt. Denn diesem bietet sich in der Regel nicht die Möglichkeit, seine Arbeitskraft verschiedenen Unternehmungen zur Verfügung zu stellen. Hieraus folgt eine Präferenz des Managers für weniger risikobehaftete Investitionen, als sie den Vorstellungen der Aktionäre entsprechen. Der Manager bleibt von den Erträgen der Investitionsprojekte ausgeschlossen, während das Arbeitsplatzrisiko allein bei ihm verbleibt4. Die tendenziell risikoaverse Unternehmensführung wird daher geneigt sein, eine Investitionsalternative zu realisieren, die sich für den diversifizierten Aktionär als suboptimal darstellt. Ferner kann das Management bestrebt sein, das unternehmerische Risiko durch eine Diversifizierungsstrategie zu senken, indem sie vorzugsweise in Projekte investiert, deren Gewinnerwartungen nicht vollständig positiv miteinander korreliert sind5. Der Aktionär dürfte jedoch ein Unternehmenskonzept bevorzugen, das eine „Konzentration auf die Kernkompetenz“ beinhaltet, weil ihm hierdurch die Möglichkeit eröffnet wird, ein individuelles Risikomanagement durch entsprechende Gestaltung seines Aktienportfolios zu betreiben. Dementsprechend müssten diversifizierte Untenehmen am Aktienmarkt oftmals einen „Konglomeratabschlag“ hinnehmen6. Aus den tendenziell unterschiedlichen Investitionspräferenzen ergeben sich schließlich auch divergierende Vorstellungen zur Finanzierungspolitik: Die Unternehmensführung scheue eine Kontrolle ihrer Investitionspolitik durch Marktmechanismen und bevorzuge daher eine Finanzierung durch thesaurierte Gewinne anstatt sich um eine Außenfinanzierung der Projekte zu bemühen. Das Management neige daher zu einer überhöhten Thesaurierung, wodurch die Allokationsfunktion der Kapitalmärkte beeinträchtigt werde. Anstatt die erzielten Gewinne auszuschütten und den Aktionären somit alternative Investitionsentscheidungen7 zu ermöglichen, komme es zur Herausbildung unternehmensinterner Kapitalmärkte8. 2

Fama/Jensen (1983b), S. 330. Dies ist die zentrale Aussage der Portfoliotheorie, nach der das gesamte spezifische Risiko der Unternehmung, das sog. unsystematische Risiko, durch entsprechende Diversifizierung für den Kapitaleigner vermeidbar ist. Dieser hat dann allein das systematische Risiko der Anlageform zu tragen. 4 Delingat (1996), S. 28. Dies gilt zumindest unter der Voraussetzung, dass die Vergütung des Managers im Wesentlichen aus fixen Lohnbestandteilen besteht. 5 Delingat (1996), S. 29. 6 Mülbert/Birke (2001), S. 707. Der empirische Befund ist jedoch nicht unumstritten, vgl. etwa Martin/Sayrak (2003), S. 37 ff. 7 Während aus Unternehmenssicht bereits eine Investitionsalternative realisiert werden sollte, deren erwarteter Kapitalwert über der durchschnittlich im Unternehmen er3

I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen

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b) Kontrolldefizite aufgrund kollektiver Handlungsprobleme der Aktionäre Zwar bietet die Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft den Anteilseignern verschiedene Möglichkeiten, die Unternehmensleitung zu überwachen und ihre Interessen zur Geltung zu bringen: Ein zentrales Instrument stellt dabei das Recht zur Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates – und dadurch vermittelt – die Möglichkeit dar, auf die personelle Besetzung des Vorstands Einfluss zu nehmen. Ein nicht die Aktionärsinteressen verfolgender Manager kann somit Gefahr laufen, nicht wiedergewählt bzw. vorzeitig abberufen zu werden, was ihn zu einer am Vermögensinteresse der Kapitaleigner ausgerichteten Unternehmenspolitik anhalten dürfte. Darüber hinaus besitzen die Aktionäre Auskunftsrechte gegenüber dem Vorstand, haben Mitspracherechte bei der Verwendung des Bilanzgewinns und befinden über grundlegende Finanzierungsentscheidungen der Unternehmung wie etwa im Falle einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Im Rahmen ihrer Satzungshoheit können sie zudem über die Grundlagen der Gesellschaft bestimmen, insbesondere durch Festlegung des Unternehmenszwecks den Handlungsrahmen des Managements eingrenzen. Doch selbst wenn man die grundsätzliche Geeignetheit der genannten Kontrollinstrumente unterstellen würde, bliebe ihre Wirksamkeit zumindest in der Publikumsaktiengesellschaft fraglich. Denn deren Wahrnehmung erfordert ein kollektives Handeln der Aktionäre und vermag nur ein öffentliches Gut dergestalt hervorzubringen, dass kein Aktionär vom Kontrollertrag ausgeschlossen werden kann. Für den einzelnen Aktionär folgt daraus ein Trittbrettfahrer-Problem: Die Kosten, die ihm aus der Informationsbeschaffung und der Organisation einer handlungsfähigen Anteilseignermehrheit erwachsen, hätte dieser allein zu tragen, während er am Erfolg seiner Bemühungen nur entsprechend seines verschwindend geringen Anteilsbesitzes partizipieren kann9; der passive Aktionär würde als Trittbrettfahrer gleichsam vom Kontrollertrag profitieren10. Die „Apathie des Streubesitzaktionärs“ stellt sich demnach als eine individuell rationale Entscheidung dar11, die insgesamt jedoch zu einer suboptimalen Überwachungsintensität führt und damit Agenturkosten hervorruft. Statt aktiver Wahrnehmung seiner Kontrollmöglichkeiten zieht der Streubesitzaktionär die sog. Wall Street Rule vor, um seiner Unzufriedenheit mit dem Management Ausdruck zu verleihen und verkauft seine Anteile12. Das Problem suboptimaler wirtschafteten Rendite liegt, stellt die aus Aktionärssicht maßgebliche Vergleichsgröße die am Aktienmarkt insgesamt erzielbare Rendite dar. 8 Vgl. Delingat (1996), S. 68. 9 Delingat (1997), S. 48. 10 Vgl. Easterbrook/Fischel (1981), S. 1171. 11 Hahn (1992), S. 21. 12 Hahn (1992), S. 21; Kuhner (2004), S. 277 f.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

Überwachungsintensität bleibt hiervon jedoch unberührt: An die Stelle des „resignierenden“ Aktionärs tritt ein anderer, der dem Trittbrettfahrer-Problem in gleicher Weise ausgesetzt, jedoch zur Inkaufnahme der damit verbundenen Agenturkosten bereit ist. c) Der „Markt für Unternehmenskontrolle“ als Mittel zur Disziplinierung des Managements Die Möglichkeit der Unternehmensführung, vom Ziel der Maximierung des Aktionärsinteresses abzuweichen, wird jedoch durch die freie Handelbarkeit der Anteile begrenzt. Denn dies birgt aus Managementsicht die Gefahr, dass nicht nur die personelle Zusammensetzung des Aktionärskreises verändert, sondern auch eine Konzentration des Anteilsbesitzes herbeigeführt und damit das o. g. Kollektivhandlungsproblem der Aktionäre beseitigt wird. Eine besonders rasche Vereinigung der Anteile in einer Hand droht dabei durch die Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots, in deren Folge der Bieter eine beherrschende Stellung erlangt und sich die verbandsrechtlichen Kontrollinstrumente wirksam zunutze machen kann. Dies ermöglicht ihm, das Management der Zielgesellschaft auszuwechseln und eine neue, dem Aktionärsinteresse stärker verpflichtete Unternehmensstrategie zu implementieren, etwa von einer Diversifikationsstrategie durch Ausgliederung und Verkauf von Unternehmensteilen (bust up) Abstand zu nehmen. Grundannahme der Kontrollmarkt-These ist ein informationseffizienter Aktienmarkt, dessen Kurse den Wert der Unternehmensressourcen im Wesentlichen zutreffend abbilden13. Eine ungenügende Beachtung der Aktionärsinteressen durch das Management führt demgemäß zu einer niedrigen Bewertung des Unternehmens am Aktienmarkt, wodurch potentielle Bieter zur Abgabe eines Übernahmeangebots veranlasst werden können. Bereits die abstrakte Gefahr für das Management, seinen Arbeitsplatz durch ein erfolgreiches Übernahmeangebot verlieren zu können, soll dabei zu einer Disziplinierung des Managements im Aktionärsinteresse führen14. Um die Wahrscheinlichkeit eines Übernahmeangebots und einer damit verbundenen Arbeitsplatzgefahr zu senken, wird die Unternehmensführung daher bemüht sein, eine am shareholder value orientierte Politik zu verfolgen, die als entscheidende Erfolgsgröße die Kursentwicklung der eigenen Aktien betrachtet. Ein aktiver „Markt für Unternehmenskontrolle“ erscheint somit als Surrogat für ein Wirkungsdefizit verbandsrechtlicher Kontrollinstrumente, welches auf das Trittbrettfahrer-Problem in Aktiengesellschaften mit diffuser Anteilsstruktur zurückzuführen ist.

13 14

Preuschl (1997), S. 97. Grundlegend Manne (1965), S. 110 ff.

I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen

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Die disziplinierende Wirkung von Unternehmensübernahmen kann sich allerdings nur entfalten, wenn für den Vorstand der Zielgesellschaft keine Möglichkeit besteht, das Übernahmeangebot durch Abwehrmaßnahmen zu vereiteln. Demgemäß fordern die Anhänger des Kontrollmarkts-Konzepts, dem Vorstand der Zielgesellschaft Abwehrmaßnahmen jedenfalls dann zu untersagen, wenn nicht zuvor die Hauptversammlung ihr Einverständnis erklärt hat15. Das gesellschaftsrechtliche Kompetenzgefüge, welches dem Vorstand die Leitungsverantwortung für die Unternehmensressourcen zuweist, soll damit für die Übernahmesituation teilweise außer Kraft gesetzt werden. 2. Die breach of trust-These: Übernahmegewinne durch Negierung impliziter Stakeholder-Ansprüche Während der Bieter nach Ansicht der Kontrollmarkt-These aufgrund des avisierten Abbaus von Agenturkosten in der Zielgesellschaft in die Lage versetzt wird, eine Kontrollprämie an die Zielaktionäre zu zahlen, resultiert der Übernahmegewinn nach Auffassung der breach of trust-These im Wesentlichen aus einer Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer. Prämisse dieses Erklärungsansatzes für feindliche Übernahmen ist die nur unvollständige Regelung des Arbeitsverhältnisses durch explizite Vereinbarungen. Diese beruht auf dem Umstand, dass vollständige Verträge aufgrund von Unvorhersehbarkeiten nur zu prohibitiv hohen Kosten geschlossen werden können. Für beide Vertragsparteien ist aber eine langfristige Austauschbeziehung vorteilhaft, die dem Arbeitnehmer Anreize bietet, seine Arbeitsproduktivität durch Erlernen unternehmensspezifischer Fertigkeiten zu steigern. Der Arbeitnehmer verzichtet daher im Gegenzug für Arbeitsplatzsicherheit oder Weiterbildungschancen oftmals auf eine Entlohnung, die seiner tatsächlichen Produktivität entspricht oder erklärt sich mit einer „verzögerten“ Entlohnung, etwa in Form von Pensionszahlungen einverstanden. Da die Gegenleistung des Arbeitgebers nur in der Gewährung impliziter, d.h. nicht einklagbarer Ansprüche besteht, wird sich der Arbeitnehmer auf dieses als prinzipiell vorteilhaft angesehene Arrangement nur einlassen, wenn er auf deren Beachtung durch das Management trotz mangelnden Rechtsschutzes vertrauen kann. Die Anteilseigner sind daher darauf bedacht, vertrauenswürdige Manager anzustellen, die in der Lage sind, langfristige Verträge mit den Arbeitnehmern des Unternehmens einzugehen16. Ex post lohnt sich jedoch für die Aktionäre ein – gerichtlich nicht sanktionsfähiger – Bruch der impliziten Vereinbarungen, beispielsweise durch Entlassung von älteren Mitarbeitern, die Löhne überhalb ihrer Arbeitsproduktivität bezie15 16

Mühle (2002), S. 306; Mülbert/Birke (2001), S. 705 ff.; Bebchuk (2002), S. 973 ff. Shleifer/Summers (1988), S. 40.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

hen, welche ihnen als Ausgleich für früheren Lohnverzicht in Aussicht gestellt wurden. Hat der Arbeitnehmer opportunistisches Verhalten der Aktionäre in Aktiengesellschaften mit diffuser Anteilsstruktur wegen des o. g. Kontrolldefizits an sich nicht zu befürchten, liegen die Dinge im Falle eines Übernahmeangebots anders: Die angestrebte Anteilskonzentration versetzt den Bieter in die Lage, die bisherige Unternehmenspolitik der Anerkennung impliziter Stakeholder-Ansprüche aufzugeben, indem er ein neues Management beruft, das sich nur an die expliziten Vertragsbestandteile gebunden sieht. An dem zu erwartenden Umverteilungsgewinn partizipieren die Zielaktionäre über die Kontrollprämie. Makroökonomisch führt der Vertrauensbruch jedoch auch zu Wohlfahrtseinbußen für die Anteilseigner, da die Akzeptanz impliziter Vertragsregelungen und damit die Bereitschaft der Arbeitnehmer zur Aneignung von unternehmensspezifischen Qualifikationen abnehmen würde. Vor diesem Hintergrund befürworten die Anhänger der breach of trust-These eine umfassende Abwehrkompetenz des Zielvorstands in Bezug auf feindliche Übernahmeversuche. 3. Weitere Erklärungsansätze für Übernahmen Neben der Disziplinierungs- und der breach of trust-These existieren weitere Erklärungsansätze für Übernahmen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Als ein mögliches Motiv für Übernahmen wird die Erzielung von Synergieeffekten auf Grundlage von Kosteneinsparungen durch Steigerung des Output (economies of scale) oder Produktergänzungen (economies of scope) gesehen. Ebenso wie nach der Disziplinierungsthese werden Übernahmen wegen der damit verbundenen Effizienzsteigerungen für wünschenswert erachtet. Die Synergiethese hält diese jedoch für bieterspezifisch, da sie sich erst aus der Kombination der beiden Gesellschaften ergeben17. Ein weiterer Erklärungsansatz für Übernahmen stellt die sog. Marktmacht-These dar, welche den Hauptgrund für Unternehmenszusammenschlüsse in der Erzielung von Monopolrenten erblickt18. Nach der sog. Informationsineffizienz-These ist der Aktienmarkt nicht in der Lage, alle verfügbaren Unternehmensinformationen in die Kursbewertung einfließen zu lassen19. Die Ursachen von Unternehmensübernahmen werden demgemäß in einer Fehlbewertung durch den Aktienmarkt gesehen; der Bieter mache sich eine bloße Unterbewertung der Zielgesellschaft zunutze. Übernahmeangebote würden deshalb nicht zu einer effizienteren Allokation der Unternehmensressourcen führen, sondern allein als Signal an den Kapitalmarkt fungieren, dass die Zielgesellschaft unterbewertet sei. Gleichsam die Kehrseite zur 17 18 19

Vgl. Preuschl (1997), S. 100. Vgl. Reul (1991), S. 188. Vgl. Herkenroth (1994), S. 325 m. w. N.

I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen

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Informationsineffizienz-These stellt die Annahme managerialer Hybris20 dar: Diese geht von einer korrekten Anteilsbewertung durch den Kapitalmarkt aus, unterstellt aber eine Tendenz potentieller Bieter, eine Unterbewertung der Zielgesellschaft anzunehmen, so dass die Zielgesellschaft letztlich zu teuer erworben wird21. Während die Disziplinierungsthese Unternehmensübernahmen als Mittel zur Senkung von Agenturkosten betrachtet, kehrt die sog. empirebuilding-These die Ursache-Wirkungskette um und behauptet die Kausalität von Übernahmen für agency-Konflikte zwischen Management und Aktionären. Gerade die Möglichkeit, die Kontrolle über Aktiengesellschaften mittels eines Übernahmegebots erlangen zu können, erlaube den Managern, ein Unternehmensimperium aufzubauen, was ihnen zusätzliche Macht und Freiräume gegenüber den Aktionären verschaffe22. Obwohl die genannten Theorien durchaus plausible Erklärungsansätze für Unternehmenszusammenschlüsse darstellen, sollen sie im Weiteren außer Betracht bleiben. Dies liegt zum einen darin begründet, dass diese im Gegensatz zur Disziplinierungs- und breach of trust-These keine spezifische Erklärung für das Phänomen feindlicher Übernahmeversuche zu liefern vermögen. Dies gilt insbesondere für die Synergie- und Marktmacht-These, deren Aussagen gleichermaßen für einvernehmliche Unternehmenszusammenschlüsse gelten23. Darüber hinaus lassen sich aus den vorgenannten Theorien keine eindeutige Aussagen für die Corporate Governance herleiten. So wäre aus Sicht der empire building- und der Hybris-These einerseits denkbar, eine umfassende Abwehrkompetenz der Zielverwaltung oder sogar ein gesetzliches Verbot von Übernahmeangeboten zu fordern. Anderseits scheint eine Verbesserung der Managementkontrolle angezeigt, um wertmindernde Unternehmenszusammenschlüsse zu verhindern. Letztlich liegt den Theorienansätze die Annahme von Unzulänglichkeiten des Markts für Unternehmenskontrolle zugrunde: Im Falle eines perfekten Takeover-Markts müsste etwa ein „empire builder“ selbst zum Ziel eines Übernahmeangebots werden, in deren Folge ein effizienter Ressourceneinsatz wieder hergestellt werden würde. Demgemäß ließe sich aus der empire building- und Hybris-These gleichsam das Bedürfnis herleiten, die Funktionsfähigkeit des Kontrollmarkts zu steigern, beispielsweise durch ein übernahmerechtliches Vereitelungsverbot für die Verwaltungsorgane. 20 Hybris (griech.): Überheblichkeit, frevelhafter Stolz gegenüber Göttern und Gesetzen. 21 Herkenroth (1994), S. 330 f. m. w. N. 22 Vgl. Delingat (1996), S. 66 ff.; Preuschl (1997), S. 111 f. 23 Eine weitere Behandlung der Synergiethese erscheint auch aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur Disziplinierungsthese entbehrlich: Denn lehnt ein Zielvorstand ein Übernahmeangebot ab, das auf die Verwirklichung von Synergiepotentialen gerichtet ist, wird den eigenen Aktionären ein Vermögenszuwachs vorenthalten. Das Nichtverfolgen bzw. Nichterkennen der Synergiegewinne durch den Vorstand würde demgemäß einen agency-Konflikt begründen.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

Schließlich folgt auch aus der Prämisse der Informationsineffizienz-These, dass der Aktienkurs keinen geeigneten Indikator für den tatsächlichen Unternehmenswert darstellt, keine eindeutige Aussage für die gesellschaftsinternen Kompetenzverteilung bezüglich der Abwehr von Übernahmeangeboten24. Denkbar wäre eine Abwehrkompetenz des Vorstands ebenso wie eine Verpflichtung der Zielverwaltung, ihre Aktionäre über den tatsächlichen Unternehmenswert zu informieren, um diesen eine autonome Entscheidung über die Annahme des Angebots zu ermöglichen. 4. Die angemessene Leitmaxime unternehmerischen Handelns als Grundfrage der Corporate Governance Der Kontrollmarkt- und der breach of trust-These liegen diametral entgegengesetzte Auffassungen darüber zugrunde, welche Auswirkung für die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt aus dem in Publikumsgesellschaften typischerweise bestehenden Überwachungsdefizit resultiert: Während die Kontrollmarkt-These darin die Ursache für wohlfahrtsmindernde Agenturkosten sieht, begreift die breach of trust-These das Überwachungsdefizit als Garant für einen notwendigen Spielraum des Managements, um optimale Verträge mit den unterschiedlichen Ressourcengebern des Unternehmens aushandeln zu können. Denn hierfür sei ein bestimmtes Maß an impliziten Vereinbarungen erforderlich, das sich nur dann realisieren ließe, wenn die Vertragsparteien auf deren Einhaltung auch ohne gerichtliche Sanktionsmöglichkeit vertrauen können. Die Abschirmung des Managements vor der Einflussnahme Dritter wird als Voraussetzung angesehen, um das notwendige Vertrauen in die Stabilität der Austauschbeziehung zu schaffen. Das Überwachungsdefizit liege damit ex ante auch im Interesse der Aktionäre25. Für die Kontrollmarkt-These kommen implizite Ansprüche anderer Interessensgruppen als die der Aktionäre nicht in Betracht; ihr liegt die Prämisse zugrunde, dass allein der Aktionär in ex ante unbezifferbarer Weise am Unternehmenserfolg teilhat, indem er auf das Residuum, d.h. auf den Unternehmensertrag nach Abzug aller gegenüber den übrigen Ressourcengebern bestehenden Verbindlichkeiten verwiesen wird. Diese Verbindlichkeiten werden dabei als vertraglich vollständig fixiert unterstellt, so dass ein unternehmerisches Risiko allein beim Aktionär verbleiben würde. Demgemäß wird ein Bedarf, Stakeholder-Interessen durch Mechanismen der Corporate Governance zu schützen, ver24 Vgl. Bebchuk (2002), S. 978: „The presence of [. . .] pricing inefficiencies, however, only implies that companies should have complete freedom at any given point in time to choose whether to reject a premium offer and remain independent. This position does not imply by itself that boards rather than shareholders should make such decisions.“ 25 Shleifer/Summers (1988), S. 42.

I. Erklärungsansätze für feindliche Übernahmen

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neint. Bezieht das Management gleichwohl auch diese Interessen in sein Entscheidungskalkül mit ein, ist darin aus Sicht der Kontrollmarkt-These eine eigenmächtige Abänderung des quasi zwischen Management und Aktionären geschlossenen Arbeitsvertrags zu sehen. Diesen – mangels wirksamer Kontrollmechanismen sanktionslosen – Vertragsbruch antizipierend würden die Aktionäre dem Unternehmen weniger Eigenkapital zur Verfügung stellen als zum Erreichen eines optimalen Outputs erforderlich. Aus Gründen der effizienten Ressourcenallokation gebühre daher allein dem Aktionär die Stellung des „Prinzipals“ in der Corporate Governance, die schließlich durch die Disziplinierungswirkung eines aktiven Takeover-Markt abgesichert werde. Um die Frage nach dem angemessen Handlungsrahmen des Zielvorstands beantworten zu können, ist zunächst zu klären, welche Interessen die Richtschnur für unternehmerisches Handeln außerhalb der Übernahmesituation bilden sollte. Damit soll eine Fragestellung behandelt werden, die in der Corporate Governance-Literatur bislang weitgehend ausgeklammert wurde; die ökonomische Überlegenheit einer shareholder primacy wird hier oftmals stillschweigend vorausgesetzt und sich fast ausschließlich der Frage gewidmet, wie die Aktionärsinteressen gegenüber der Unternehmensführung effektiv zur Geltung gebracht werden können26. Während die Kontrollmarkt-These von einer exklusiven Verpflichtung der Unternehmensleitung auf die Maximierung des Aktionärsvermögens (shareholder primacy) ausgeht, liegt der breach of trust-These ein Stakeholder-Ansatz zugrunde, der durch eine interessenpluralistische Leitmaxime gekennzeichnet ist. Neben den Arbeitnehmern kommen dabei zwar grundsätzlich auch andere Interessengruppen des Unternehmens in Betracht, wie etwa Fremdkapitalgeber oder Lieferanten. Den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Diskussion entsprechend soll die Untersuchung jedoch auf die Gruppe der Aktionäre und der Arbeitnehmer beschränkt werden. Im folgenden Kapitel sollen zunächst verschiedene Ansätze der Theorie der Unternehmung (theory of the firm) vorgestellt und deren Aussagekraft für die angemessene Leitmaxime unternehmerischen Handelns bewertet werden.

26 So etwa Shleifer/Vishny (1997), S. 737: „Corporate Governance deals with the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment.“; siehe dagegen Zingales (1999), S. 498: „One of the crucial questions in corporate governance is in whose interests should corporate directors act?“

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung für die Corporate Governance: shareholder primacy oder stakeholder-orientierte Unternehmensführung? 1. Unternehmen versus Markt: Die Begründung der modernen Unternehmenstheorie durch Coase Das Unternehmen erscheint in Modellen der „klassischen“ Mikroökonomie regelmäßig als bloße Produktionsfunktion; im Rahmen der vorgegebenen Technologie sorgt damit die „unsichtbare Hand“ des Marktes für eine optimale Allokation der Produktionsfaktoren. Der realen Produktionsorganisation im Unternehmen, die sich innerhalb hierarchischer Organisationsstrukturen zu vollziehen scheint, wird diese Sichtweise jedoch nicht gerecht. Denn offensichtlich ist es im Unternehmen die „sichtbare Hand“ des Managers, welche die in seiner Disposition stehenden Produktionsfaktoren „Arbeit“ und „Kapital“ miteinander kombiniert. Diesen Mangel der mikroökonomischen Theorie – die fehlende Erklärungskraft hinsichtlich der Existenz von Unternehmen – thematisierte Ronald Coase (1937) in einem wegweisenden Aufsatz. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Feststellung, dass mit den Institutionen „Markt“ und „Firma“ zwei prinzipielle Alternativen zur Verfügung stünden, um wirtschaftliche Transaktionen durchzuführen27. Dabei verursache nicht nur der Aufbau und die Unterhaltung einer hierarchischen Organisationsstruktur Kosten, sondern ebenso die Nutzung des Preismechanismus „am Markt“, weshalb sich das Unternehmen als der günstigere Allokationsmechanismus erweisen könne28. Dessen charakteristisches Merkmal wird in der Unterdrückung des Preismechanismus durch den Arbeitgeber gesehen, der kraft seines Direktionsrechts über den Einsatz der Produktionsfaktoren entscheide29. Essenz der Firma sei demnach eine autoritäre Weisungsbefugnis des Unternehmers, dessen Grenzen durch den Arbeitsvertrag bestimmt würden30. Vormals quasi als black box betrachtet, rückte das Unternehmen durch die Arbeit von Coase in das Blickfeld der ökonomischen Analyse. Erst hierdurch wurde die „Organisationseffizienz“ von Unternehmen Gegenstand ökonomischer Untersuchungen31.

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Coase (1937), S. 388. Coase (1937), S. 390. 29 Coase (1937) führt hierzu aus, S. 387: „If a workman moves from department Y to X, he does not go because of a change in relative prices, but because he is ordered to do so.“ 30 Coase (1937), S. 391. 31 So auch Backhaus (1979), S. 215. 28

II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung

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2. Die vertragstheoretische Sicht der Unternehmung a) Das „Messproblem“ in der Teamproduktion (Alchian/Demsetz 1972) Die Grundannahme von Coase, die Firma sei als hierarchische Institution eine wesensverschiedene Alternative zum Preismechanismus des Marktes, wiesen Alchian/Demsetz (1972) zurück. Kennzeichnen der Produktionsorganisation im Unternehmen sei nicht eine spezifische Autorität kraft Weisungsbefugnis oder sonstiger Disziplinierungsmittel, wie sie nicht auch den Vertragspartnern einer „Marktbeziehung“ zur Verfügung stünden32: Unzufriedene Marktteilnehmer könnten ihre Vertragspartner nur dadurch sanktionieren, dass sie entweder die Geschäftsbeziehung für die Zukunft auflösten oder ihn wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Austauschverhältnis verklagten. Dies entspreche genau den Möglichkeiten, die der Arbeitgeber gegen seinen Angestellten habe. Auch das Arbeitsverhältnis statuiere keine Pflicht, den Austauschprozess fortzusetzen und befinde sich demnach in einem kontinuierlichen Prozess der Neuverhandlung über die Vertragsbedingungen33. Aufgabe der Unternehmung ist nach Alchian/Demsetz die effiziente Organisation der „Teamproduktion“ durch Lösung des ihr inhärenten „Messproblems“: Stellt die Ausbringungsmenge das Ergebnis arbeitsteiliger Produktion dar, ist die individuelle Produktivität der Teammitglieder in der Regel anhand des Outputs nicht mehr feststellbar. Die hierdurch erforderliche Messung der Einzelinputs erweist sich jedoch als problematisch, weil ein diesbezüglicher Informationsvorsprung des Arbeitnehmers angenommen wird34, der es ihm ermöglicht, seinen Beitrag zum Gesamtergebnis unbemerkt zu senken (shirking). Da jedes Teammitglied alleiniger Nutznießer seines shirking bleibt, die sinkende Gesamtproduktivität des Teams als Folge des suboptimalen Arbeitseinsatzes aber sämtliche Teammitglieder zu tragen haben, hat jeder von ihnen einen Anreiz zum shirking. Der optimale Faktoreinsatz würde damit in der Teamproduktion verfehlt. Um dennoch die Vorteile der arbeitsteiligen Produktion zu realisieren, bedürfe es eines spezialisierten „Monitors“, der – mit umfangreichen Kontrollund Disziplinierungsrechten ausgestattet – für ein optimales Einsatzniveau der

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Alchian/Demsetz (1972), S. 777. Die Natur des arbeitgeberlichen Direktionsrechts, seinen Angestellten zu einer bestimmten Tätigkeit anzuhalten, soll sich demnach nicht von den Möglichkeiten eines Konsumenten unterscheiden, einen Händler zu einem bestimmten Angebot zu bewegen, das für beide Seiten akzeptabel ist, siehe Alchian/Demsetz (1972), S. 777: „Telling an employee to type this letter rather than to file that document is like my telling a grocer to sell me this brand of tuna rather than that brand of bread.“ 34 Es handelt sich um einen Fall von „asymmetrischer Information“. 33

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

Produktionsfaktoren sorge35. Um sicherzustellen, dass der „Monitor“ selbst keine Anreize zum shirking hat, müsse er alleiniger Nutznießer seiner Überwachungsbemühungen bleiben. Dies soll dadurch erreicht werden, dass ihm der Anspruch auf den kompletten Residualerlös, d.h. der Nettogewinn nach Befriedigung der (Festbetrags-)Ansprüche aller übrigen Teammitglieder, eingeräumt wird36. Das „Bündel“ der zum effektiven „Monitoring“ erforderlichen Rechte37, den Anspruch auf den Residualerlös und die Veräußerungsbefugnis hinsichtlich der genannten Rechte, definieren Alchian/Demsetz als Eigentum an der „klassischen“ Firma38. Dieses „Rechtebündel“ ist in Publikumsgesellschaften, in denen Manager unternehmerische Entscheidungen treffen, ohne selbst „residualberechtigt“ zu sein, jedoch aufgespalten. Nach Alchian/Demsetz bietet die Organisationsform der Aktiengesellschaft den Vorteil, einen hohen Kapitalbedarf kostenminimal zu decken, indem ein großer Kreis von Investoren angesprochen wird39. Aufgrund des oben beschriebenen Trittbrettfahrer-Problems der Streubesitzaktionäre können diese ihre Monitoring-Aufgaben jedoch nicht effektiv wahrnehmen. Zur Vermeidung von shirking des „Monitors“ werden die Aufgaben daher auf eine kleine Gruppe von Managern übertragen40. Diese offensichtliche Verletzung der Einheit von Entscheidungskompetenz („Monitoring“) und Risikotragung („Residualanspruch“) wird jedoch dadurch relativiert, dass eine weitgehenden Zielidentität zwischen den Residualberechtigten und dem Management angenommen wird: Die Aktionäre würden zwar Entscheidungskompetenzen an das Management delegieren, blieben diesen gegenüber jedoch im Besitz wesentlicher Kontrollmöglichkeiten41. Deren Effektivität werde durch die jederzeitige Möglichkeit zur Rekonzentration der Anteile gewährleistet42, welche eine (Wieder-)Vereinigung der Eigentumsrechte in der

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Alchian/Demsetz (1972), S. 781 ff. Alchian/Demsetz (1972), S. 782; siehe auch S. 786: „[. . .] the cost of team production is increased if the residual claim is not held entirely [Hervorhebung durch den Autor] by the central monitor.“ 37 Alchian/Demsetz (1972) nennen dabei im Einzelnen folgende Rechte des „Monitors“, S. 782 f.: die Inputs zu beobachten, die personelle Zusammensetzung des Teams zu verändern, als zentraler Vertragsagent die Verträge jedes einzelnen Teammitglieds separat abändern zu können. 38 Alchian/Demsetz (1972), S. 783. 39 Alchian/Demsetz (1972), S. 787. 40 Alchian/Demsetz (1972), S. 788. 41 Dies meint vor allem das Recht, die personelle Zusammensetzung des Managements zu bestimmen, vgl. Alchian/Demsetz (1972), S. 788. 42 Das „Shirking“-Problem besteht natürlich ebenso in Bezug auf die Überwachung des Managements. Die Folge ist eine „rationale Apathie“ der Streubesitzaktionäre, die der Umsetzung des Leitbilds einer „Aktionärsdemokratie“ Grenzen setzt. 36

II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung

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Hand der Residualberechtigten bedeuten würde43. Die angenommene Reversibilität der Aktiengesellschaft in die „klassische“ Firma stellt damit sicher, dass die Management-Aufgaben im Interesse der Aktionäre wahrgenommen werden; die Spaltung des „Rechte-Bündels“ in der Publikumsgesellschaft erscheint somit lediglich in formaler Hinsicht zu bestehen. b) Die Prinzipal-Agenten-Sicht der Unternehmung (Jensen/Meckling 1976) und die Abkehr vom Eigentümerbegriff (Fama 1980) Über eine Betrachtung des Arbeitsverhältnisses hinaus wurde die vertragstheoretische Sicht durch Jensen/Meckling (1976) auf sämtliche Individuen erweitert, die in einer Beziehung zum Unternehmen stehen, wie etwa der Zulieferer, Kunden oder Gläubiger. Demzufolge stelle sich das Unternehmen lediglich als ein Nexus von Verträgen dar und entspreche daher in jeder Hinsicht einem Marktmechanismus, so dass die Unterscheidung zwischen unternehmensinternen und -externen Geschehnissen ohne Belang sei: „Viewing the firm as the nexus of a set of contracting relationships among individuals also serves to make it clear that [. . .] asking questions such as ,what should be the objective function of the firm‘, or ,does the firm have a social responsibility‘ is serious misleading. The firm is not an individual. It is a legal fiction which serves as a focus for a complex process in which the conflicting objectives of individuals (some of whom may ,represent‘ other organizations) are brought into equilibrium within a framework of contractual relations. In this sense the ,behavior‘ of the firm is like the behaviour of the market; i. e., the outcome of a complex equilibrium process.“44

Während bei Alchian/Demsetz das Hauptaugenmerk dem Eigentümerunternehmen („klassische Firma“) galt, wenden sich Jensen/Meckling der für Publikumsgesellschaften charakteristischen Trennung von „Eigentum“ und „Kontrolle“ zu und nehmen eine agency-theoretische Betrachtung des Unternehmens vor. Allgemein wird in der ökonomischen Vertragstheorie von einer agency-Beziehung gesprochen, wenn sich das Tätigwerden eines Beauftragten (Agent) auf die Vermögensinteressen des Auftraggebers (Prinzipal) auswirkt, der Agent einen Vorsprung an entscheidungsrelevanter Information besitzt und beide Parteien eigennutzorientiert handeln45. Im Zentrum agency-theoretischer Überlegungen steht die Frage, wie sich Nutzeneinbußen des Prinzipals minimieren lassen, welche dieser aufgrund eines diskretionärer Handlungsspielraums des Agenten erleidet. Jensen/Meckling modellieren die Beziehung zwischen den 43 Alchian/Demsetz (1972), S. 788: „[. . .] the structure of ownership is reformed, moving away from diffused ownership into decisive power blocs, and this is a transient resurgence of the classical firm with power again concentrated in those who have title to the residual.“ 44 Jensen/Meckling (1976), S. 311. 45 Vgl. Richter/Furubotn (1999), S. 163.

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Aktionären und der Unternehmensleitung als ein Auftragsverhältnis, wobei letztere als Auftragnehmerin (Agent) der Kapitalgeber (Prinzipale) fungiert. Maßgeblich von der agency-theoretischen Sichtweise der Aktiengesellschaft beeinflusst, wird der Aktionär verschiedentlich auch als „Eigentümer des Unternehmens“ stilisiert und daraus folgernd eine Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen bei strategischen Unternehmensentscheidungen abgelehnt46. Auch bei Jensen/ Meckling (1976) findet sich die Bezeichnung der Aktionäre als „Eigentümer“ des Unternehmens47. Nach Fama (1980) ist die Annahme eines „Eigentumsrechts am Unternehmen“ jedoch mit der vertragstheoretischen Sichtweise unvereinbar: Genauso wenig wie ein Markt als solcher eigentumsfähig sei, könne dies für ein Unternehmen gelten, wenn es als bloßer „Nexus von Austauschverträgen“ kein aliud darstellen soll48. Zwar sei der Aktionär Eigentümer seiner Kapitaleinlage, dies dürfe jedoch nicht mit dem Eigentum am Unternehmen gleichgesetzt werden49. In der modernen Vertragssicht des Unternehmens tritt an die Stelle des „Eigentümers“ vielmehr der „Träger des Residualrisikos“, dem – der von Alchian/ Demsetz (1972) geforderten Einheit von Monitoring-Kompetenz und Residualanspruch folgend – schließlich ein maßgeblicher Einfluss auf die Unternehmenspolitik gebührt50. Zwar scheint damit zunächst nur ein Wechsel der Begrifflichkeiten einherzugehen, wird doch die alleinige Risikoträgerschaft der Aktionäre in vertragstheoretischen Arbeiten nicht in Zweifel gezogen51. Anders als bei Jensen/Meckling (1976) wird hierdurch jedoch deutlich, dass die Rolle des Prinzipals und die damit korrespondierende Pflichtenstellung der Unternehmensleitung nicht axiomatisch vorgeben, sondern anhand des Kriteriums der Risikoträgerschaft zu bestimmen ist.

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Vgl. etwa Adams (1990), S. 243 ff. Vgl. etwa Jensen/Meckling (1976), S. 329. 48 Vgl. Fama (1980), S. 290; Easterbrook/Fischel (1991), S. 36 ff. 49 Fama (1980), S. 290. 50 Vgl. etwa Fama/Jensen (1983a), S. 312 f. 51 Vgl. Easterbrook/Fischl (1991), S. 36 f.; Adams (1990), S. 247 verwendet für die Aktionäre die Begriffe „Eigentümer“ und „Residuumsberechtigter“ synonym. Vgl. auch Hahn (1992), S. 17 f.: „Die Eigenkapitalgeber sind am schlechtesten gesichert und haben nach Erfüllung aller sonstigen Verpflichtungen des Unternehmens den Anspruch auf den Unternehmensertrag. [. . .] Das macht deutlich, dass es hier nicht um die Frage geht, ob Aktionäre Eigentümer ,ihrer‘ Unternehmen sind oder nicht. Entscheidend ist alleine, dass sie die Gruppe sind mit dem stärksten langfristigen Interesse am Überleben der Unternehmung.“ Zu Recht stellt Ireland (2003), S. 260 fest: „[. . .] nexus-of-contracts theorists attempt [. . .] to reinstate corporate shareholders to their earlier role as owners [. . .].“ 47

II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung

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3. Die Transaktionskosten-Theorie und die Verfügungsrechtsanalyse (property rights-approach) a) Das Unternehmen als governance structure zur Minimierung von Transaktionskosten (Williamson 1985) An die Dichotomie von Markt und Unternehmen wieder anknüpfend präzisiert die Transaktionskosten-Theorie die von Coase allgemein umschriebenen „costs of using the price mechanism“52. Unter dem Begriff der Transaktionskosten werden dabei in einem umfassenden Sinn die Kosten des Leistungstausches verstanden, welche die Vertragspartner durch Wahl einer adäquaten governance structure zu minimieren versuchen53. Hierbei ist eine grundsätzliche Entscheidung zwischen „Markt“ und „Unternehmung“ zu treffen, die maßgeblich von der Art des Leistungsgegenstandes und der Häufigkeit der Transaktion beeinflusst wird54. Ein Hauptaugenmerk der Transaktionskosten-Theorie gilt den Kosten, die durch opportunistisches Verhalten der Austauschpartner verursacht werden55. Opportunismus bedeutet dabei die konsequente Maximierung des eigenen Nutzens unter Inkaufnahme von „Vertragsbruch“56; er kommt zum Tragen, wenn die Art des Leistungsgegenstandes bestimmte Merkmale erfüllt und ein effektiver Sanktionsmechanismus – etwa in Form gerichtlichen Rechtschutzes – nicht besteht. Dies ist beim sogenannten hold up der Fall, der einem Vertragspartner droht, wenn er „versunkene“ Kosten in Kauf nimmt, d.h. Investitionen tätigt, deren Ertragschancen vom Fortbestand der konkreten Austauschbeziehung abhängen. Diese sogenannten beziehungsspezifischen Investitionen werden vorgenommen, da sie eine Mehrwertschöpfung im Vergleich zu alternativen Austauschbeziehungen versprechen; die Differenz wird als „Quasi-“ bzw. „Kooperationsrente“ bezeichnet57. Ein hold up kann dadurch erfolgen, dass sich der Vertragspartner mit geringeren spezifischen Investitionen ein Teil der Quasi-Renten aneignet, indem er ex 52

Coase (1937), S. 390. Vgl. Richter/Furubotn (1999), S. 47 ff.; sie umschreiben Transaktionskosten allgemein auch als „Kosten der Betreibung eines Wirtschaftssystems“, S. 523. 54 Williamson (1985), S. 72. 55 Die Verhaltensannahme des Opportunismus stellt eine wesentliche Erweiterung der Transaktionskosten-Theorie zur Arbeit von Coase (1937) dar, vgl. Williamson (1985), S. 78 Fn. 7. 56 Dies ist der Fall des sogenannten nachvertraglichen (oder auch Ex Post-)Opportunismus, vgl. Richter/Furubotn (1999), S. 145 f. und S. 517. Der „Vertragsbruch“ bezieht sich dabei in der Regel auf sogenannte implizite Vertragsbestandteile, d.h. nicht vertraglich spezifizierte „shared expectations“, vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 132. 57 Vgl. Richter/Furubotn (1999), S. 333 f.; Frick/Speckbacher/Wentges (1999), S. 748. 53

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

post auf eine Änderung der Gewinnverteilung hinwirkt58. Ein solches Vorgehen ist prinzipiell Erfolg versprechend, da sich die Vertragspartei mit den „versunkenen“ Kosten in einer lock-in-Situation befindet: Auch wenn das Investitionsprojekt in der Gesamtbetrachtung für diesen unrentabel werden würde, wäre ein Ausstieg ex post dennoch unvorteilhaft, sofern er nur einen Gewinnanteil über seinem Opportunitätserlös erhielte. Damit bedeutet ein hold up zunächst zwar nur die Umverteilung einer bereits erzielten Wertschöpfung. Es gilt jedoch zu bedenken, dass spezifische Investitionen regelmäßig in der Erwartung vorgenommen werden, dass eine angemessene Beteiligung am geschöpften Mehrwert stattfinden wird. Werden diese shared expectations durch opportunistisches Verhalten der anderen Vertragspartei enttäuscht, dürfte die künftige Bereitschaft zur Inkaufnahme von „versunkenen“ Kosten abnehmen. Da in diesem Fall eine Generierung von Quasi-Renten unterbleiben würde, führt die Umverteilung ex post mittelfristig zu einem Effizienzproblem59. Voraussetzung für ein opportunistisches Verhalten ist das Fehlen eines effektiven Rechtschutzes, welches mit der Unvollständigkeit vertraglicher Absprachen begründet wird60. Demnach wird angenommen, dass den Vertragspartnern aufgrund prohibitiv hoher Informationskosten eine vollständige Spezifizierung ihrer Austauschbeziehung ex ante verwehrt bleibt. Unter der vereinfachenden Annahme, dass nur explizite (d.h. ausformulierte) Vertragsbestandteile justiziabel sind, werden die Austauschpartner Formen außergerichtlicher Einigung (private ordering) in Erwägung ziehen. Diese kann beispielsweise in der Vereinbarung einer bestimmten Verfügungsrechtsstruktur über die verwendeten Ressourcen liegen; bei der Wahl der angemessenen governance structure dürfte die Minimierung von hold up-Potentialen eine wesentliche Zielsetzung darstellen, um die Voraussetzungen für beziehungsspezifische Investitionen zu schaffen. b) Die Verfügungsrechtsanalyse: Eigentum als residuales Entscheidungsrecht (Grossmann/Hart 1986, Hart/Moore 1990) Auf der Prämisse der Transaktionskosten-Theorie aufbauend, dass den Vertragspartnern eine vollständige Spezifizierung ihrer Austauschbeziehung ex ante regelmäßig nicht möglich ist, entwickelten Grossmann/Hart (1986) sowie Hart/ Moore (1990) die Verfügungsrechtsanalyse der Firma: Dem Problem der unvollständigen Verträge könne dadurch begegnet werden, dass eine Partei sämtliche mit Ausnahme der vertraglich spezifizierbaren Rechte erwerbe. Ein solches 58

Vgl. Klein (1998), S. 241; Richter/Furubotn (1999), S. 145. Siehe Dilger/Frick/Speckbacher (1999), S. 28; vgl. auch Milgrom/Roberts (1992), S. 307. 60 Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 137; Klein (1998), S. 241 ff. 59

II. Ableitungen aus der Theorie der Unternehmung

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Bündel an residualen Kontrollrechten stelle das Rechtsinstitut „Eigentum“ dar61. Durch Festlegung der Eigentumsverhältnisse an den Produktionsressourcen werde die Möglichkeit geschaffen, verbindliche Vereinbarungen zu minimalen Transaktionskosten zu treffen, deren Einhaltung auch von einem außenstehenden Dritten – etwa der Gerichtsbarkeit – überwacht und durchgesetzt werden könnte62. Die Verfügungsrechtsanalyse definiert das Unternehmen als Gesamtheit aller in seinem Eigentum stehenden Aktiva63. Demgemäß steht im Mittelpunkt der Betrachtung die effiziente Verteilung von Eigentumsrechten an den Produktionsmitteln. Keine Modellierung erfährt hingegen die Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, denn letzterem steht das Eigentumsrecht an seiner Produktionsressource – in einer Welt ohne Sklaverei – als unveräußerliches Recht zu. Gleichwohl wird die vertragstheoretische Kritik an Coase zurückgewiesen: Im Gegensatz zum Verkäufer besitze der Arbeitgeber Autorität über seinen Vertragspartner, weil ihm das Eigentumsrecht am Produktionsmittel erlaube, den Arbeitnehmer von dessen Nutzung auszuschließen und ihm damit die Möglichkeit zum produktiven Einsatz seiner Arbeitskraft zu nehmen64. Statt Aussagen über die optimale Ausgestaltung der Unternehmensverfassung zu treffen, gilt das Augenmerk der Verfügungsrechtsanalyse den Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen. Ihr Untersuchungsgegenstand bildet etwa die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine vertikale Integration von Produktionsstufen einer Marktbeziehung zwischen zwei selbständigen Unternehmen vorzuziehen ist65. Wesentliche Erkenntnis hierbei ist, dass grundsätzlich derjenige Austauschpartner, welcher die größte spezifische Investition zu tätigen beabsichtigt, Eigentümer der kritischen Ressource sein sollte, weil hierdurch der Gefahr, Opfer eines hold up zu werden, wirksam begegnet werden könne66.

61 62 63 64 65 66

Grossman/Hart (1986), S. 692. Vgl. Richter/Furubotn (1999), S. 254. Grossman/Hart (1986), S. 692. Hart (1989), S. 1771; Hart/Moore (1990), S. 1150 Fn. 29. Vgl. Grossman/Hart (1986), S. 716 f. Hart/Moore (1990), S. 1122 ff.

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4. Unterschiede und Implikationen der betrachteten Theorien für die Leitmaxime unternehmerischen Handelns a) Die organisatorische Grundlage der Teamproduktion: Autorität oder Konsens? Den Ausgangspunkt der vertragstheoretischen Unternehmenssicht bildet eine dezidierte Kritik an der von Coase (1937) beschriebenen Dichotomie von Markt und Firma. Dieser augenscheinliche Gegensatz erfährt jedoch eine entscheidende Relativierung dadurch, dass Alchian/Demsetz (1972) dem „zentralen Vertragsagenten“ eine umfassende Eigentümerstellung einräumen, die ihm die Koordination der gesamten Teamproduktion erlaubt67. Denn das „Rechtebündel“, das die „klassische“ Firma beschreibt, beinhaltet gleichsam das von Coase als Alternative zur Koordinierungsfunktion des Marktes angesehene Direktionsrecht des Arbeitgebers68. Wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Transaktionskosten- und Vertragstheorie wird damit die unterschiedliche Einschätzung über die tatsächliche Autorität, welche die formale Rechtsposition des Arbeitgebers gewährt; die Befugnis, einzelne Mitglieder aus der Teamproduktion auszuschließen, vermag nur dann eine Position der Autorität zu vermitteln, wenn die Entlassung eine Nutzeneinbuße für den Betroffenen bedeutet. Verneint man die Existenz von „Entlassungskosten“ für den Arbeitnehmer, lässt sich eine formal ausgesprochene „Weisung“ des Vertragsagenten materiell durchaus als „Vereinbarung“ deuten: Der Arbeitgeber wird die kostenlose Abwanderungsmöglichkeit des Arbeitnehmers antizipieren und sich daher auf solche „Weisungen“ beschränken, die für den Vertragspartner annehmbar erscheinen. Folglich lässt sich der Verbleib im Team als fortwährende Zustimmung zu den Vertragskonditionen interpretieren69. Umgekehrt kann der Arbeitnehmer durch die Aussicht auf eine empfindliche Nutzeneinbuße zum Abschluss einer „Vereinbarung“ gezwungen werden. Droht damit ein Streit, ob die Teamproduktion „konsensual“ (Alchian/Demsetz) oder „autoritär“ (Coase) organisiert wird, zu einem Scheingefecht um Begrifflichkeiten zu werden, rückt die Bewertung von Alternativoptionen der Ressourcengeber in den Mittelpunkt70: Einen Schutz durch Mechanismen der Cor67

Siehe auch Nutzinger (1978), S. 66 Fn. 44. Hierbei sind insbesondere die Rechte des „Monitors“ zur Einstellung, Beförderung, Vertragsänderung und Entlassung zu nennen, vgl. Alchian/Demsetz (1972), S. 786. 69 Vgl. dazu auch Nutzinger (1978), S. 67. 70 Vgl. dazu Arrow (1974), S. 64: „[. . .] the relation between employer and employee is [. . .] an authority relation. Of course, the scope of this authority will usually be limited by the freedom with which one can leave the job. But since there is normally some cost to the exercise of this freedom, the scope of this authority is not trivial.“ 68

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porate Governance bedarf es nicht, wenn eine Abwanderung (exit) kostenlos möglich ist71. Ist die exit-Option hingegen mit einer Nutzeneinbuße verbunden, lässt sich ein Verbleib nicht mehr ohne weiteres als Zustimmung zu den geltenden Vertragsbedingungen interpretieren. Erst dann kann sich das Bedürfnis nach einer zur Marktbeziehung alternativen governance structure ergeben, die den unzureichenden Schutz durch Marktmechanismen ausgleicht72. b) Der Faktor „Arbeit“ in der Teamproduktion und die Natur des „Messproblems“ Für Alchian/Demsetz (1972) ist die Teamproduktion allein dadurch gekennzeichnet, dass Faktoren nicht beliebig gegeneinander substituierbar sind, und der Output daher nur gemeinsam erbracht werden kann73. Dies macht einen Rückschluss vom Produktionsergebnis auf den individuellen Arbeitseinsatz problematisch; eine direkte Messung der Inputs wird erforderlich, wodurch sich dem Arbeitnehmer aufgrund einer asymmetrischer Informationsverteilung die Möglichkeit zum shirking eröffnet. Nimmt man über die Definition der Teamproduktion von Alchian/Demsetz hinausgehend an, dass die Teammitglieder wechselseitig spezialisierte („teamspezifische“) Fertigkeiten74 herausbilden, erlangt das „Messproblem“ indes eine neue Qualität. Die Bestimmung der Einzelinputs ist dann nicht mehr allein durch Informationskosten erschwert und somit durch entsprechenden Überwa71 Ein solcher Schutz wäre neben einer entsprechenden Treuepflichtbindung der Unternehmensleitung auch durch die Einräumung eines institutionalisierten Mitspracherechts („Voice“-Option) denkbar, vgl. hierzu auch die Arbeit von Hirschman (1970), der in Vertragsbeziehungen einen grundlegenden „Exit-Voice“-Tradeoff annimmt. Steht bei Hirschman die Betrachtung von Gütermarktbeziehungen im Mittelpunkt, ist der Ansatz ohne weiteres auf Faktormarkt-Beziehungen wie das Arbeitsverhältnis übertragbar, vgl. dazu Nutzinger (1982), S. 55. 72 Dabei macht es prinzipiell keinen Unterschied, ob sich der Leistungsaustausch auf dem Güter- oder Faktormarkt abspielt, so aber Hart (1989), S. 1771: „[. . .] the reason an employee is likely to be more responsive to what his employer wants than a grocer is to what his customer wants is that the employer has much more leverage over his employee than the customer has over his grocer. In particular, the employer can deprive the employee of the assets he works with and hire another employee to work with these assets, while the customer can only deprive the grocer of his custom and as long as the customer is small, it is presumably not very difficult for the grocer to find another customer.“ Die Behauptung, das Arbeitsverhältnis sei im Gegensatz zur Konsumenten-Verkäufer-Beziehung von einem Machtgefälle gekennzeichnet, gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer mehr Kosten als der Konsument aufzuwenden hat, um einen neuen Vertragspartner zu finden. Auch wenn diese Annahme durchaus nicht unrealistisch erscheint, kann sie jedoch keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. 73 Alchian/Demsetz (1972), S. 779. 74 Vgl. Doeringer/Piore (1971), S. 15 f.; Milgrom/Roberts (1992), S. 135 („cospecialized assets“).

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chungsaufwand prinzipiell lösbar75. Hinzu kommt, dass die individuellen Arbeitsproduktivitäten von der Zusammensetzung des Teams abhängen, weshalb der exit eines Teammitglieds für alle Beteiligten eine Nutzeneinbuße bedeuten würde. Ist demnach kein Teammitglied in der Lage, über das Wertschöpfungspotential an Quasi-Renten individuell zu verfügen, lassen sich die spezifischen Fertigkeiten zutreffend als „Kollektivgüter des Teams“ beschreiben76. Einer Aufteilung des Ertrags nach Maßgabe der Individualbeiträge sind somit a priori Grenzen gesetzt; das „Messproblem“ stellt sich so partiell als „Verteilungsproblem“ dar77. Als alleinige Aufgabe der Teamorganisation die Sicherstellung einer „leistungsgerechten“ Entlohnung mittels Überwachung zu sehen, greift damit zumindest für den Fall, dass Quasi-Renten generiert werden sollen, offensichtlich zu kurz. Angemessen erscheint dies allenfalls für arbeitsteilige Produktionsprozesse, die einfache Tätigkeiten ohne spezifisches Anforderungsprofil umfassen78. Damit reduziert sich der Anwendungsbereich der von Alchian/Demsetz vorgeschlagenen „Organisationsstruktur“ auf das Teilsegment denkbarer Arten von „Teamproduktionen“, welches durch schwer messbare Arbeitsinputs und Fehlen teamspezifischer Fertigkeiten gekennzeichnet ist79. c) Die Fundierung der shareholder primacy-Leitmaxime in der vertragstheoretischen Sicht der Unternehmung Für die vertragstheoretische Sicht der Unternehmung sind Verträge zwischen den Austauschpartnern grundsätzlich ex ante vollständig spezifizierbar. Die Annahme, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Unsicherheit über die künftig Entwicklung der Austauschbeziehung besteht, wird dabei auch für das Arbeitsverhältnis getroffen. Der Grund hierfür liegt in der Sichtweise des Arbeitsverhältnisses als kontinuierlicher Verhandlungsprozess über die Vertragsbedingungen; mit jeder Aufgabenübertragung seitens des Arbeitgebers wird prak75 Alchian/Demsetz (1972), S. 779: „For [. . .] ,team‘ production, measuring marginal (Hervorhebung im Original) productivity and making payments in accord therewith is more expensive (Hervorhebung durch den Autor) [. . .] than for separable production functions.“ 76 Vgl. Aoki (1984), S. 28. 77 Vgl. Frick/Speckbacher/Wentges (1999), S. 758, Fn. 8. 78 Dementsprechend geben Alchian/Demsetz (1972) als Beispiel einer Teamproduktion das gemeinsame Verladen von schwerer Fracht an, S. 779: „Solely by observing the total weight loaded per day, it is impossible to determine each person’s marginal productivity.“ 79 Williamson (1985), S. 245 ff. unterscheidet vier Arten von Teamproduktionen, die durch den Grad der „asymmetrischen Information“ und die Faktorspezifität klassifiziert werden. Nach Williamson fällt die Teamdefinition von Alchian/Demsetz (1972) in die Kategorie „primitives Team“, S. 246.

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tisch ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen80. Dabei stehen sich Arbeitgeber und -nehmer aufgrund der neoklassischen Modellannahmen81 gleichberechtigt gegenüber. Vollkommene Faktormärkte stellen nämlich sicher, dass der Arbeitnehmer stets eine Anstellung zu seinem Opportunitätslohn findet, welcher dem Wertgrenzprodukt seiner Arbeitskraft entspricht82. Ist das Verlassen des Teams (exit) damit für den Arbeitnehmer kostenlos, besteht keine Notwendigkeit, ihn durch Mechanismen der Corporate Governance zu schützen. Dies würde vielmehr der geforderten Einheit von Risiko (Residualanspruch) und Entscheidungskompetenz („Monitoring“) widersprechen, da der Arbeitnehmer durch seine kostenlose Abwanderungsmöglichkeit gerade kein unternehmensspezifisches Risiko zu tragen hat. Damit verbleibt als einzige Zielsetzung des Unternehmens die Minimierung des shirking-Problems durch Überwachung des Produktionsfaktors „Arbeit“. Zwar lässt sich auch der Kapitalgeber ohne weiteres als Teammitglied des Produktionsprozesses auffassen, doch besteht hinsichtlich seines Inputfaktors kein „Messproblem“. Der Grund hierfür liegt in der Trennbarkeit der Ressource von seiner Person: Der Finanzkapitalgeber gibt die Kontrolle über seinen Produktionsfaktor vollständig auf, während der Humankapitalgeber weiterhin „Eigentümer seiner Arbeitskraft“ bleibt, woraus sich ein fortdauernder Zustand „asymmetrischer Information“ ergibt. Da der Aktionär bereits mit dem – leicht nachprüfbaren – Leisten seiner Einlage sämtliche Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen erfüllt, steht ihm die Möglichkeit zum shirking danach nicht mehr zur Verfügung. Fällt demnach die Rolle des Monitors prinzipiell dem Produktionsfaktor „Kapital“ zu, ergibt sich in der Publikumsaktiengesellschaft jedoch ein weiteres Problem: Hinsichtlich der Produktion des Gutes „Überwachung des Arbeitsinputs“ ist das Team der Streubesitzaktionäre seinerseits einem shirking-Problem ausgesetzt. Die Lösung erfolgt schließlich durch die Delegation der MonitoringAufgaben auf eine kleine Gruppe von spezialisierten Managern, für die sich das typische Trittbrettfahrerproblem der Streubesitzaktionäre nicht stellt. Übt die Unternehmensleitung demzufolge die Überwachungsfunktion nur stellvertretend für die (Eigen-)Kapitalgeber aus, ist ihre Verpflichtung auf das Aktionärsinteresse im Sinne einer shareholder primacy-Leitmaxime zwingend. Der Corporate 80 Siehe Alchian/Demsetz (1972), S. 777: „To speak of managing, directing, or assigning workers to various tasks is a deceptive way of noting that the employer continually is involved in renegotiation of contracts on terms that must be acceptable to both parties. [. . .] neither the employer nor the employee is bound by any contractual obligations to continue their relationship. Long-term contracts between employer and employee are not the essence of the organization we call a firm.“ 81 Eine Ausnahme besteht lediglich in der Annahme von Informationskosten hinsichtlich der Bestimmung des Arbeitsinputs („asymmetrische Information“). 82 Vgl. Alchian/Demsetz (1972), S. 782.

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Governance fällt daher die alleinige Aufgabe zu, deren Einhaltung durch Bereitstellung effektiver Kontrollinstrumentarien sicherzustellen. d) Transaktionskosten-Theorie und Stakeholder-Ansatz Durch die Annahmen spezifischer Investitionen und unvollständiger Verträge geht die Transaktionskosten-Theorie davon aus, dass ein Verlassen der Leistungsbeziehung (exit) nur unter Inkaufnahme einer Nutzeneinbuße möglich sein kann. Ein wesentlicher Zweck der Firma wird demzufolge darin gesehen, die negativen Folgen dieses „Marktversagens“ durch Bereitstellung einer entsprechenden governance structure auszugleichen83. Nur wenn diese geeignet ist, Vertrauen in eine angemessene Teilhabe an den späteren Quasi-Renten zu schaffen, wird sie den Austauschpartner zur Vornahme beziehungsspezifischer Investitionen motivieren können84. Sofern unternehmensspezifische Qualifikationen der Belegschaft eine Rolle spielen, ließe sich demnach prinzipiell die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmerinteressen durch Mechanismen der Corporate Governance begründen. Williamson (1985) scheint jedoch eine shareholder primacy-Leitmaxime zu befürworten, wenn er ausführt85: „The board of directors thus arises endogenously, as a means by which to safeguard the investments of those who face a diffuse but significant risk of expropriation because the assets in question are numerous and ill-defined and cannot be protected in a well-focused, transaction-specific way. Thus regarded, the board of directors should be seen as a governance instrument of the stockholders.“

Die besondere Schutzbedürftigkeit der Aktionäre begründet Williamson (1985) mit dem „diffusen Charakter“ ihrer Investition, der sich in einer fehlenden Verbindung zu einem konkreten Vermögensgegenstand des Unternehmens ausdrückt: Während die übrigen Ressourcengeber Eigentümer ihres jeweiligen Produktionsfaktors blieben, würden die Aktionäre ihre Eigentümerrechte am eingebrachten Kapital für die gesamte Dauer der Unternehmung aufgeben86. Zuzustimmen ist Williamson zunächst darin, dass die Investitionen der Aktionäre beziehungsspezifischen Charakter tragen und diese daher als „schutzbedürftig“ anzusehen sind. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass den Aktio83 Williamson (1985), S. 74 ff.; vgl. auch Backhaus (1978), S. 80; Hirschman (1970) betont ebenfalls die Bedeutung der „Voice“-Option in Fällen von Marktversagen, vgl. S. 3 und S. 33 ff. 84 Vgl. Smith (1990), S. 17. 85 Williamson (1985), S. 306. 86 Williamson (1985), S. 304 f. Damit folgt auch für Williamson eine Vorrangestellung des Produktionsfaktors „Kapital“ gegenüber „Arbeit“ aus dem Umstand, dass der Produktionsfaktor „Arbeit“ untrennbar mit dessen Inhaber verbunden ist. Anders als bei der vertragstheoretischen Sicht wird dies jedoch nicht mit einem daraus folgenden „Shirking“-Problem begründet, auch wenn Williamson dessen Relevanz an anderer Stelle anerkennt, vgl. Williamson (1985), S. 245 f.

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nären mit der Möglichkeit, ihre Anteile am Sekundärmarkt wieder zu verkaufen, eine jederzeitige exit-Option zustünde. Denn maßgeblich ist allein die in der Aktiengesellschaft gebundene Stammkapitaleinlage, die durch einen späteren Aktienverkauf unangetastet bleiben würde: Mit der Emission der Aktie geht die Einlage in die Verfügungsbefugnis des Managements über und kann später nur durch eine Liquidation der Gesellschaft zurückerlangt werden. Dass die Erforderlichkeit von Schutzmechanismen durch die bloße Existenz eines Sekundärmarkts für Aktien nicht ausgeschlossen sein kann, zeigt im Übrigen folgende Überlegung: Würde der Aktiengesellschafts-Vorstand in Abwesenheit sämtlicher Kontrollinstrumente in der Lage sein, jegliche Dividendenzahlung für die Zukunft zu verweigern, wäre der Kurswert der Aktie – sofern man von der Möglichkeit einer Liquidation absieht – gleich Null und demzufolge wirtschaftlich kein exit für die Anteilseigner möglich. Dass im Gegensatz dazu die Arbeitnehmer nicht aus rechtlichen Gründen gehindert sind, ihr Humankapital aus dem Unternehmen „abzuziehen“, steht der Berücksichtigung ihrer Interessen im Rahmen der unternehmerischen Leitmaxime jedoch nicht entgegen. Maßgebend für eine Beteiligung bleibt eine Bewertung der exit-Optionen für die einzelnen Ressourcengeber. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob diese in wirtschaftlicher Hinsicht – etwa durch hohe Abwanderungskosten aufgrund spezifischer Investitionen – oder aus rechtlichen Gründen eingeschränkt ist. Die Argumentation von Williamson vermag daher zwar überzeugend darzulegen, dass Aktionäre auf den Schutz durch Mechanismen der Corporate Governance angewiesen sind. Eine ausschließliche Verpflichtung der Unternehmensleitung auf das Aktionärsinteresse folgt hieraus jedoch nicht87. Wäre ein exit für die Humankapitalgeber mit hohen Kosten verbunden, ist zunächst kein Grund dafür ersichtlich, deren Interessen in der Unternehmenspolitik unberücksichtigt zu lassen. 5. Zwischenergebnis: Aussagekraft der vorgestellten Theorieansätze für die betrachtete Fragestellung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vorgestellten Ansätze kaum explizite Aussagen für die Corporate Governance treffen, vielfach jedoch von Prämissen ausgehen, die keinen Raum für die Berücksichtigung anderer Interessen als die der Aktionäre lassen: So verneint der vertragstheoretische Ansatz von Alchian/Demsetz (1972) – und hierauf aufbauend die agency-theoretische Sicht der Unternehmung von Jensen/Meckling (1976) – teamspezifische Wertgrenzprodukte der Arbeitnehmer und folgert daraus ihre kostenlose exit-Option; konsequenterweise wird eine Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer nicht weiter

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So auch Zingales (1998), S. 501.

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thematisiert und die Aufgabe der Unternehmung allein darin gesehen, deren effiziente Überwachung und Kontrolle zu gewährleisten. Die Transaktionskosten-Theorie hingegen geht von der Möglichkeit von sunk costs der Ressourcengeber aus und begreift die Unternehmung in erster Linie als Schutzinstrument für beziehungsspezifische Investitionen gegen „Ex postOpportunismus“. Damit beinhaltet die Transaktionskosten-Theorie die prinzipielle Möglichkeit, auch Nichtaktionäre als Anspruchsgruppen in der Corporate Governance zu modellieren. Dennoch ziehen auch deren Anhänger – soweit sie sich der beschriebenen Thematik zuwenden – regelmäßig nicht in Betracht, Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmenspolitik über die Einräumung von Informationsrechten hinaus zu berücksichtigen. Die eng mit dem Transaktionskostenansatz verbundene Theorie der Verfügungsrechte schließlich verstellt mit ihrer Fokussierung auf die physischen Produktionsmittel des Unternehmens den Blick auf den betrachteten Untersuchungsgegenstand88. Die Theorie der Verfügungsrechte vermag nicht zu erklären, warum Unternehmen anstelle von Individuen Eigentum besitzen, geschweige denn wie eine effiziente Allokation der Entscheidungsrechte innerhalb eines Unternehmens aussehen müsste89. Trotz ihres diesbezüglich nur beschränkten Aussagewerts stellen die behandelten Theorieansätze den Ausgangspunkt für neuere Arbeiten dar, welche sich explizit mit der Frage nach der angemessenen Unternehmensverfassung beschäftigen und im folgenden Kapitel vorgestellt werden sollen.

III. Neuere unternehmenstheoretische Ansätze zur Ableitung expliziter Aussagen für die Corporate Governance 1. Zuweisung der residualen Entscheidungsrechte an die Aktionäre als „Third Party“ (Rajan/Zingales 1998) Ausgehend von einem gemeinschaftlichen Wertschöpfungsprozess mit spezialisierten Produktionsfaktoren kommen Rajan/Zingales (1998) zum Ergebnis, dass sich optimale Investitionsanreize für Ressourcengeber erreichen lassen, wenn die residualen Entscheidungsrechte den Aktionären zugewiesen werden90. Die Unternehmensleitung scheint damit auch in diesem Modell die Rolle eines Treuhänders der Aktionäre einzunehmen.

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Ähnlich Zingales (1998), S. 498. Vgl. zu dieser Kritik auch Holmstrom (1999), S. 87: „The problem is that the theory [. . .] really is a theory about asset ownership by individuals rather than by firms [. . .]. The same critique that was directed at Alchian and Demsetz’ vision of the firm, that organizational affiliations did not matter for transactions, could be directed at the Hart-Moore model just as well.“ 90 Rajan/Zingales (1998), S. 424. 89

III. Neuere unternehmenstheoretische Ansätze

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Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist, dass die reale Machtverteilung im gemeinschaftlichen Wertschöpfungsprozess nicht allein durch die Eigentumsverhältnisse an den Produktionsressourcen bestimmt wird. Vielmehr erlaube bereits der Zugang zu den Produktionsmitteln (access to assets) entscheidenden Einfluss auf die Verteilung des Produktionsergebnisses zu nehmen. „Zugang“ wird dabei definiert als die Fähigkeit, kritische Produktionsressourcen durch Spezialisierung optimal verwenden zu können und dadurch sein eigenes Humankapital selbst zu einer kritischen, weil nicht kostenlos substituierbaren Ressource für das Produktionsergebnis zu machen91. Gleichsam wie Eigentum könne damit die Fertigkeit, einen spezifischen Mehrwert im Umgang mit physischen Produktionsmitteln zu schöpfen, Quelle von Verhandlungsmacht hinsichtlich der Verteilung des Produktionserlöses sein. Diese ergebe sich aus der Möglichkeit, die spezifische Mehrwertschöpfung des Teams durch Abzug seines kritischen „Humankapitals“ zu vereiteln92. Die prinzipielle Gleichrangigkeit von humanen und physischen Produktionsfaktoren kommt auch in der Definition der Unternehmung zum Ausdruck: Diese wird im Gegensatz zur Verfügungsrechtanalyse nicht mehr als collection of assets, sondern losgelöst von der Natur des Produktionsbeitrags als nexus of specific investments begriffen93. Aus dem Umstand, dass ownership dem Berechtigten ohne weiteres Zutun Verhandlungsmacht einräumt, während access eine solche erst im Zusammenspiel mit der Aneignung spezifischer Qualifikationen gewähre, folgern Rajan/ Zingales suboptimale Anreize für den Eigentümer zur Spezialisierung94. Denn eine solche würde für den Eigentümer, weil ihm das Recht zur alternativen Verwendung der Produktionsressource zusteht, mit höheren Opportunitätskosten verbunden sein95. Mit anderen Worten: Der Eigentümer hat weniger Anreize 91 Rajan/Zingales (1998), S. 388: „[access] . . . is the opportunity to specialize her [the agent who is given privileged access] human capital to the ressource and make herself valuable. When combined with her preexisting residual right to withdraw her human capital, access gives her the ability to create a critical ressource that she controls: her specialized human capital. Control over this critical ressource is a source of power.“ 92 Rajan/Zingales (1998), S. 402 und S. 405. 93 Vgl. Rajan/Zingales (1998), S. 388 und Zingales (1998), S. 498. 94 Rajan/Zingales (1998), S. 405 ff. 95 Höhere Opportunitätskosten des Eigentümers sind unmittelbar einsichtig, wenn eine Spezialisierung des Produktionsmittels in Rede steht. Denn in diesem Fall beschneidet der Eigentümer ja gerade seine „Exit“-Option, d.h. die Möglichkeit, sein Produktionsmittel kostenlos aus der Ressourcenkombination abzulösen. Gleiches kann sich aber auch für den Fall ergeben, dass lediglich eine Spezialisierung des Humankapitals angenommen wird, wie folgende Überlegung zeigt, vgl. dazu Rajan/Zingales (1998), S. 410 f.: Stehen mit A und B zwei alternative Produktionsprozesse zur Verfügung, welche ein gleich hohes Maß an spezifischen Investitionen erfordern, Projekt A jedoch eine höhere Arbeitsproduktivität als B aufweist, wird sich der Humankapitalgeber naturgemäß für Projekt A entscheiden. Ist er jedoch zugleich Eigentümer von Produktionsmitteln, die in Projekt A eingesetzt werden, kann für ihn der Einsatz seiner

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zur Spezialisierung, da er sich Quasi-Renten auch ohne eine solche aneignen kann. Für den Nichteigentümer hingegen eröffnet sich durch die Spezialisierung die Chance, eine vorher nicht bestehende Verhandlungsmacht in Bezug auf die Gewinnverteilung zu erlangen96. Aus den höheren Opportunitätskosten der Spezialisierung für den Eigentümer ziehen Rajan/Zingales den Schluss, dass eine Zuweisung der residualen Entscheidungsrechte im Unternehmen an einen außenstehenden Dritten erfolgen sollte (third party ownership), der selbst keinen spezifischen Beitrag für das Produktionsergebnis leistet. Diese Bedingung erachten sie für die Aktionäre als erfüllt; aufgrund ihrer Ferne zum Produktionsprozess verhindere ihre „Eigentümerstellung“ eine Machtkonzentration und damit die Gefahr eines exzessiven rent seeking zwischen den spezialisierten Teammitgliedern97. Entscheidungsrechte, die ein nur geringes Missbrauchspotential aufweisen, könnten die Aktionäre an das Management delegieren98. 2. Stellungnahme Auch wenn das third party ownership-Modell eine durchaus realitätsnahe Beschreibung der Organisationsstruktur einer Aktiengesellschaft zu liefern vermag, bleibt die Herleitung des Ansatzes nicht frei von Bedenken. Fraglich erscheint bereits die Grundannahme von Rajan/Zingales, nach der dem Arbeitnehmer eine der Eigentümerposition vergleichbare Machtstellung erwachse, wenn er sein Humankapital spezialisiert: Eignet sich der Arbeitnehmer im Umgang mit dem Produktivmittel spezifische Qualifikationen an, gebühren die erzielten QuasiRenten allein ihm99. Dies entspricht zugleich jedoch dem Maximalertrag, den er zu erzielen imstande ist, weil auf der anderen Seite der Eigentümer des unspezialisierten Produktivmittels eine Entlohnung unterhalb seiner outside opportunity nicht hinzunehmen braucht. Der Humankapitalgeber kann daher eine Machtposition allenfalls in einem Produktionsprozess mit wechselseitig spezialisierten Faktoren erlangen, denn nur in diesem Fall würde der Abzug seiner Ressource die übrigen Teammitglieder treffen – allerdings um den Preis einer eigenen Nutzeneinbuße. Letzteres macht deutlich, dass die vermeintliche Machtposition des Arbeitnehmers nicht Folge seiner Spezialisierung ist, sondern – Arbeitskraft in Projekt B vorteilhaft werden, nämlich dann, wenn ihm die Eigentümerstellung bereits in hinreichendem Umfang rent seeking ermöglicht. Eine pareto-optimale Allokation der Produktionsfaktoren würde vor diesem Hintergrund nicht erreicht. 96 Rajan/Zingales (1998), S. 405 f. 97 Rajan/Zingales (1998), S. 422 Fn. 24. 98 Rajan/Zingales (1998), S. 422. 99 Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Arbeitnehmer die Kosten seiner Qualifizierung nicht zu tragen gehabt hätte. Eine solche Annahme wird von Rajan/Zingales jedoch nicht getroffen.

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unter der Annahme, dass jedes Teammitglied die Kosten seiner Qualifizierung selbst zu tragen hat – vielmehr auf der eingeschränkten exit-Option der übrigen Ressourcengeber beruht. Aus dem Umstand, dass der exit eines Teammitglieds für alle Beteiligten eine Nutzeneinbuße bedeuten würde, leiten Rajan/Zingales offensichtlich eine gewisse Stabilität von Teamproduktionen mit wechselseitig spezifizierten Ressourcen ab. Deren Gleichgewicht sehen sie durch eine Zuweisung der residualen Entscheidungsrechte an ein Teammitglied gefährdet, da sie eine Machtkonzentration mit entsprechendem Missbrauchspotential bedeuten würde100. Der vorgeschlagene Ausweg – die Zuweisung des Eigentums an einen Ressourcengeber ohne spezifische Investitionen – scheint zum einen von der Annahme geleitet, dass die kollektive Wahrnehmung der Entscheidungsrechte durch das Team nicht möglich ist. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens des unspezialisierten Ressourcengebers gering ist. Einsichtig ist dies indes nicht, denn die Machtposition des Eigentümers übertrifft die des spezialisierten Ressourcengebers: Mangels Spezialisierung würde der Eigentümer durch die Beendigung der Kooperationsbeziehung selbst keine Nutzeneinbuße erleiden, was ihn in die Lage versetzt, den Abzug seiner Ressource glaubwürdig anzudrohen und somit nachhaltig auf eine veränderte Verteilung der Quasi-Renten hinzuwirken. Es ist auch gerade diese Möglichkeit zum hold up, die Rajan/Zingales unter power of ownership verstehen und zur Sicherung eines optimalen Niveaus an spezifischen Investitionen außerhalb des Produktionsprozesses lokalisiert wissen möchten: „[. . .] if all the parties involved in the production [. . .] have to make substantial specific investments over the time, it may be optimal for a completely unrelated third party to own the assets. [. . .] the third party holds power so that the agents critical to production do not use the power of ownership against each other.“101

Dieses Ergebnis steht in diametralem Gegensatz zur Grundaussage der Verfügungsrechtsanalyse, wonach gerade das Eigentum einen optimalen Anreiz zu spezifischen Investitionen vermittelt, weil es seinen Inhaber vor der Gefahr eines hold up schütze. Der Grund für diese Divergenz liegt in der Fokussierung von Rajan/Zingales auf den Eigentümer und dessen Opportunitätskosten der Spezialisierung, die letztlich nicht zu überzeugen vermag. Auf den ersten Blick zutreffend erscheint zwar der Gedanke, dass Eigentum nicht nur Schutz vor nachvertraglichem Opportunismus bietet, sondern zugleich die Möglichkeit er100 Siehe Rajan/Zingales (1998), S. 422 Fn. 23: „[. . .] those who have access, and thus the privileged right to invest, have a kind of control right which can be misused when coupled with the control rights of ownership.“ 101 Rajan/Zingales (1998), S. 422.

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öffnet, Nutzen aus einem hold up zu ziehen; eigene sunk costs würden den Nettoertrag aus einem hold up schmälern und daher als spezifische Opportunitätskosten des Eigentümers zu Buche schlagen. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass Quasi-Renten in der Kooperationsbeziehung überhaupt generiert werden, d.h. der Vertragspartner (= Nichteigentümer) zunächst spezifische Investitionen vornimmt. Geschieht dies nicht, besteht die hold up-Option des Eigentümers tatsächlich nicht und die Opportunitätskosten der Spezialisierung wären demzufolge gleich Null. Was aber sollte den Arbeitnehmer trotz der Gefahr opportunistischen Verhaltens des Eigentümers zum Aufbau spezifischen Humankapitals veranlassen? Zwar wäre dies (mangels Eigentümerstellung) die einzige Möglichkeit, um an Quasi-Renten partizipieren zu können. Statt hypothetischer Opportunitätskosten hätte der Arbeitnehmer jedoch den realen Verlust seiner spezifischen Investitionen zu befürchten. Aus dem bloßen Vergleich von Opportunitätskosten lässt sich daher allenfalls ein Argument dafür ableiten, warum der unspezialisierte Ressourcengeber die residualen Entscheidungsrechte nach erfolgter Spezialisierung der übrigen Produktionsfaktoren ausüben sollte102. Die entscheidende Frage aber lautet, durch welches Arrangement der Erwerb spezifischer Qualifikationen gefördert werden kann103. Die Antwort hierauf bleiben Rajan/Zingales letztlich schuldig. Dem Problem des „Eigentümeropportunismus“ versuchen Rajan/Zingales mit der bloßen Behauptung zu begegnen, dass der third party als outsider nur beschränkte Instrumente zur Verfügung stünden, um ex post Einfluss auf die Verteilung der Quasi-Renten zu nehmen104. Diese für die Generierung von QuasiRenten zentrale Voraussetzung bedarf jedoch einer eingehenden Begründung. Zwar gehen Rajan/Zingales davon aus, dass die third party einen Teil seiner residualen Entscheidungsrechte an das Management delegiert105. Da von diesem jedoch ebenfalls eine Spezialisierung erwartet wird, können hiervon nur solche Entscheidungsrechte umfasst sein, deren Missbrauch unwahrscheinlich ist106; 102 Die von Rajan/Zingales vorgenommene Schlussfolgerung, die residualen Entscheidungsrechte sollten daher den Inhabern unspezifischer Ressourcen zugesprochen werden, wäre nur für den Fall plausibel, dass die Opportunitätsverluste des Eigentümers die Kosten der hold up-Gefahr durch den verwendungsberechtigten Eigentümer übersteigen. Da es sich hierbei aber um zwei Seiten derselben Medaille handelt, ist eine solche Konstellation auf Grundlage der Überlegungen von Rajan/Zingales undenkbar. 103 Vgl. Blair (1999), S. 85. 104 Vgl. Rajan/Zingales (1998), S. 422 Fn. 24: „We argue that ownership may be held by third parties precisely because they do not have to specialize. In other words their interest may be opposed to those of the insiders, but being outsiders, they have fewer instruments with which to change the payoffs to other agents within the firm.“ 105 Vgl. Rajan/Zingales (1998), S. 422. 106 Rajan/Zingales (1998), S. 422.

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folgerichtig verbleibe die Befugnis, dass Produktionsteam zu entlassen, bei der third party107. Durch welches Arrangement die Passivität des Eigentümers, d.h. dessen Verzicht auf die hold up-Option, aber glaubwürdig an die Humankapitalgeber signalisiert werden soll, bleibt unklar. Dass die third party lediglich „den Anschein von Machtlosigkeit erweckt“108, der Anreiz zur spezifischen Investition letztlich also auf einer Täuschung beruhen würde, wäre nur dann ausreichend, wenn man unterschiedliche Rationalitäten der Ressourcengeber unterstellen würde. Ein plausibler Grund für eine derartige Annahme erscheint jedoch nicht ersichtlich. Darf man daher eine institutionelle Absicherung der „Eigentümerpassivität“ für erforderlich halten, würde dies aufgrund seines verbindlichen Charakters zugleich eine erhebliche Relativierung der Opportunitätskosten bedeuten, die der Eigentümer im Falle seiner Spezialisierung zu tragen hätte. Verlangt der Vertragspartner Gewissheit über die angemessene Beteiligung an den späteren Quasi-Renten, würden die Opportunitätskosten mangels realer hold up-Option sogar gegen Null tendieren, so dass der Schlussfolgerung von Rajan/Zingales die Grundlage entzogen wäre. Vor diesem Hintergrund erscheint verständlich, warum eine Auseinandersetzung mit institutionellen Arrangements, welche die Passivität des Eigentümers gewährleisten sollen, in der Arbeit von Rajan/Zingales unterbleibt. Trotz der aufgezeigten konzeptionellen Schwächen erscheint der Leitgedanke des third party ownership-Ansatzes, die residualen Entscheidungsrechte aus der Teamproduktion herauszuhalten und stattdessen einem „passiven Eigentümer“ zu übertragen, der selbst keine spezifischen Investitionen vornimmt, durchaus bedenkenswert. Diese Rolle den Aktionären zuzuweisen, vermag jedoch bereits vor dem Hintergrund, dass auch deren Ressource in der Kooperationsbeziehung versunken und damit als „beziehungsspezifisch“ anzusehen ist, nicht zu überzeugen109. Abschließend sei angemerkt, dass sich eine dominierende Stellung der Aktionäre im Machtgefüge der Aktiengesellschaft auf Grundlage des third party ownership-Ansatzes ohnehin nicht rechtfertigen ließe. Zwar erscheint dieser auf den ersten Blick als Plädoyer für eine shareholder primacy trotz Anerkennung spezifischen Humankapitals. Die Aktionärsgemeinschaft wird von Rajan/Zingales jedoch nur unter der Prämisse zum „Prinzipal“ auserkoren, dass sie von ihren residualen Entscheidungsrechten in zurückhaltender Weise Gebrauch macht. Einer aktiven Rolle der Aktionäre in der Corporate Governance wäre vom Standpunkt des third party ownership-Ansatzes daher grundsätzlich mit Skepsis zu begegnen.

107 108 109

Rajan/Zingales (1998), S. 422. Rajan/Zingales (1998), S. 422. Vgl. oben A. II. 4. d).

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3. Die Unternehmensführung als Mediator zwischen den unterschiedlichen Anspruchsgruppen (Blair/Stout 1999) Ein weiterer Ansatz, Aussagen über die Corporate Governance von Aktiengesellschaften aus der Theorie der Unternehmung abzuleiten, ist der sogenannte mediating hierarchy-Ansatz von Blair/Stout (1999)110. Dabei plädieren die Autoren für eine weitgehend unabhängige Kontroll- und Entscheidungsinstanz in Aktiengesellschaften und sehen diese gleichsam durch die Stellung des board of directors im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht verwirklicht. Die Aufgabe des board wird in erster Linie darin gesehen, die Interessen der verschiedenen Ressourcengeber zum Ausgleich zu bringen; dieser Funktion entsprechend wird der board nicht als Agent einer bestimmten Gruppe von Ressourcengebern, sondern als Treuhänder der Gesellschaft verstanden. Als wesentliches Merkmal des gemeinschaftlichen Wertschöpfungsprozesses im Unternehmen begreifen Blair/Stout teamspezifische Investitionen aller Beteiligten. Diese sind im Hinblick auf die zu erwirtschaftenden Quasi-Renten einem Verteilungsproblem ausgesetzt, weil die Festlegung eines Schlüssels ex ante Anreize zum shirking, eine Aufteilung ex post hingegen opportunistisches rent seeking zur Folge hätte111. Da vertragliche Regelungen aufgrund ihrer unvermeidlichen Lückenhaftigkeit keine Abhilfe schaffen könnten112, würden sich die Teammitglieder darauf verständigen, die Kontrolle über ihre Ressourcen auf ein board of directors zu übertragen. Dieser würde auf ein von Partikularinteressen losgelöstes „Unternehmensinteresse“ verpflichtet, um die ihm zugedachte „Mediator“-Funktion sachgerecht erfüllen zu können113. Damit gebühre dem board ein weiter Ermessensspielraum im Sinne einer quasi-richterlichen Unabhängigkeit, um Vertrauen bei den Ressourcengebern dahingehend zu schaffen, dass sie nicht Opfer von rent seeking anderer Teammitglieder würden. Nur so könnten sie zur Vornahme spezifischer Investitionen motiviert und dadurch eine Wohlfahrtsteigerung für das gesamte Team erreicht werden.

110

Blair/Stout (1999), S. 247 ff. Blair/Stout (1999), S. 249. 112 Blair/Stout (2001), S. 416. 113 Blair/Stout betonen, dass ihr Modell auf der vertragstheoretischen Sicht der Unternehmung beruhe. Demgemäß wird das Gesellschaftsrecht als eine Institution aufgefasst, die den verschiedenen Vertragsparteien eine Reihe von Standardvereinbarungen anbietet, um Transaktionskosten zu senken; das Gesellschaftsrecht wird somit als ein transaktionskostensenkendes Substitut für „explicit contracting“ verstanden, vgl. Blair/ Stout (1999), S. 250. Problematisch bleibt an dieser Auffassung, dass wesentliche Punkte der Gesellschaftssatzung einer individuellen Vertragsgestaltung entzogen sind. Wegen der in § 23 Abs. 5 AktG normierten Satzungsstrenge erscheint die „nexus of contracts“-Lehre insbesondere zur Beschreibung der deutschen Unternehmensverfassung ungeeignet. 111

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In dem Umstand, dass allein die Gruppe der Aktionäre zur Wahl des board berechtigt ist, sehen Blair/Stout keinen Widerspruch zu der diesem zugedachten Funktion als Interessenmittler zwischen den Anspruchsgruppen. Zur Begründung verweisen sie auf die „rationale Apathie“ der Aktionäre in Publikumsgesellschaften, wodurch dem Stimmrecht in der Praxis eine nur geringe Bedeutung zufalle114. Auch sei der board durch die übernahmerechtliche Rechtsprechung weitgehend vom Einfluss des Unternehmenskontrollmarkts isoliert115. Nicht zuletzt trage die Möglichkeit des board, Gesellschaftsmittel zur Werbung um Stimmrechtsvollmachten (proxy solicitation) einzusetzen, dazu bei, dass im Ergebnis nicht von einer Aktionärsdemokratie gesprochen werden könne: „The net result is that shareholders in public corporations do not in any realistic sense elect boards. Rather, boards elect themselves.“116 4. Stellungnahme Der mediating hierarchy-Ansatz hat vorwiegend im juristischen Schrifttum der USA, aber auch innerhalb der Wirtschafts- und der Sozialwissenschaften weitreichende Beachtung gefunden117, obwohl dessen Ableitungen für die Corporate Governance im Kern nicht neu sind118. Das akademische Interesse rührt dabei offensichtlich aus der interdisziplinären Ausrichtung der Arbeit, deren Besonderheit in der Verbindung von normativen Schlussfolgerungen aus der Unternehmenstheorie und einer deskriptiver Analyse der US-amerikanischen Corporate Governance liegt. Dabei ist das Ergebnis von Blair/Stout nicht nur deshalb bemerkenswert, weil es die Überlegenheit der shareholder primacy-Norm grundsätzlich in Zweifel zieht, sondern auch aufgrund ihrer Einschätzung, diese hätte weder Eingang in das Gesellschaftsrecht der USA gefunden, noch sei sie als ein bestimmendes Merkmal der Corporate Governance anzusehen. Denn deren Ausrichtung als besonders „aktionärsfreundlich“ wurde zuvor kaum bestritten119. Die shareholder primacy-Reputation der in der größten Volkswirtschaft 114

Blair/Stout (1999), S. 310. Blair/Stout (1999), S. 305 ff. 116 Blair/Stout (1999), S. 311. 117 Vgl. Kostant (1999), S. 222 f.; zustimmend etwa Crespi (2003), S. 623; ablehnend Meese (2002), S. 1629; kritisch auch Paredes (2004), S. 127 ff. 118 In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur findet sich die Sichtweise des board als Mediator zwischen den Interessen der verschiedenen Ressourcengeber bereits bei Aoki (1984), vgl. insbesondere Kap. 11; im „Law and Economics“-Schrifftum hat insbesondere Coffee in diesem Sinne argumentiert, vgl. Coffee (1990), S. 1497 Fn. 4: „[. . .] the board [management] is not an agent, but a neutral referee that balances the interests of different constituencies within the corporation.“; siehe auch Coffee (1988), S. 111. 119 Blair/Stout (1999), S. 287: „Despite their many differences and disagreements, both the law and economics scholars and their progressive opponents share a common assumption: that, as a descriptive matter, American corporate law follows the share115

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geltenden Corporate Governance hat zu einem spürbaren Anpassungsdruck für den kontinentaleuropäischen Rechtskreis geführt; von nicht wenigen wurde die shareholder primacy-Norm bereits zur internationalen Zielgröße erklärt120. Es verwundert daher nicht, dass die Arbeit von Blair/Stout gerade in Bezug auf ihre deskriptiven Aussagen Widerspruch erfahren hat121. Im Folgenden soll jedoch eine Bewertung der normativen Implikationen des mediating hierarchyAnsatzes im Vordergrund stehen. a) Die Rolle von Agenturkosten im mediating hierarchy-Ansatz Entgegen der vorherrschenden Auffassung in der Corporate Governance-Literatur betonen Blair/Stout die positive Wirkung eines board entrenchment und betrachten dieses – innerhalb gewisser Grenzen – sogar als notwendige Voraussetzung für die Erzielung optimaler Produktionsergebnisse. Der in diesem Zusammenhang geäußerte Vorwurf, dabei würde vom Problem der Agenturkosten abstrahiert, geht fehl122: Zwar erfolgt in der Tat eine teilweise „Umqualifizierung“ der weithin als Agenturkosten bezeichneten Aktionärsverluste: Diese werden nicht nur als Ineffizienzen oder eine ungerechtfertigte Bereicherung anderer Interessensgruppen betrachtet, sondern auch als Ausdruck einer notwendigen Beschränkung von opportunistischem rent seeking verstanden. Darüber hinaus wird die Existenz von Agenturkosten im konventionellen Sinn grundsätzlich anerkannt. Im mediating hierarchy-Ansatz stellen diese nicht nur Verluste der Aktionäre, sondern des gesamten Teams dar, weil auch die Nichtaktionäre aufgrund ihrer spezifischen Investitionen und der Annahme unvollständiger Verträge als Risikoträger angesehen werden: „[. . .] the observation that nonshareholder groups also bear residual risk and hold residual claims in public firms has a second important implication: principal-agent analysis may be insufficient for analyzing the central problems of corporate law. Put differently, the typical public corporation involves several groups with poten-

holder primacy model.“; Millon (2000), S. 1010: „This extended digression may be of interest because their analysis appears to fly in the face of the orthodox view of corporate law’s primary purpose. If Blair and Stout are right, corporate law scholars of all stripes will need to rethink some basic assumptions.“ 120 Vgl. Hansmann/Kraakman (2001), S. 468. 121 Vgl. etwa Millon (2000), S. 1009 ff.; differenzierend Allen/Jacobs/Strine (2002), S. 1083 ff. 122 Meese (2002), S. 1669 f.: „Indeed, Blair and Stout’s proposal to replace the shareholder primacy norm with a mediating hierarch approach violates a central tenet of the team production theory of the firm on which they base their proposal. [. . .] They thus leave unanswered the central question: Who will monitor the monitor?“; vgl. auch Paredes (2004), S. 130: „Team production also raises significant agency costs concerns. If the board is afforded discretion to serve the interests of any constituency, not only shareholders, there is a real risk that the constituency the board will favor is itself and members of the management team.“

III. Neuere unternehmenstheoretische Ansätze

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tially conflicting interests, each of which might legitimately claim to be a corporate ,principal‘.“123

Vor dem Hintergrund wechselseitig bestehender hold up-Möglichkeiten der spezialisierten Teammitglieder erscheint die Forderung nach einem unabhängigen Interessenmittler durchaus sachgerecht. Dass die weitgehende Autonomie des board zugleich aber die Gefahr von unerwünschten Agenturkosten birgt, etwa in Form von Bereicherungen auf Kosten aller Teammitglieder, wird von Blair/Stout (1999) nicht bestritten: „[. . .] placing ultimate control of a business enterprise in the hands of a board of directors whose members have little or no direct stake in the firm exacerbates principal-agent problems. Nevertheless, team members who adopt a mediating hierarchy may in some cases gain more from constraining shirking and rent-seeking than they lose to agency costs.“124

Soweit dem mediating hierarchy-Ansatz zum Vorwurf gemacht wird, die Bedeutung von Agenturkosten zu vernachlässigen, wird dessen Charakter als second-best solution verkannt. Die Berücksichtigung von zwei gegenläufigen Parametern – die Agenturkosten und die Kosten von nachvertraglichem Opportunismus – erlaubt nicht die Formulierung eines absoluten Maximierungsziels wie der Prinzipal-Agenten-Ansatz auf Grundlage einer eindimensionalen Betrachtung. Berechtigte Kritik gegen den mediating hierarchy-Ansatz erfordert daher zunächst eine Auseinandersetzung mit den Kosten des nachvertraglichen Opportunismus, sofern man deren Existenz nicht bereits dadurch verneint, dass beziehungsspezifische Investitionen der Teammitglieder für vernachlässigbar gehalten werden. Denkbar wäre etwa auch, die Annahme unvollständiger Verträge in Zweifel zu ziehen und demgemäß eine kostenminimale Lösung durch eine individualvertragliche Regelung zu befürworten. Unzulässig hingegen ist der bloße Hinweis auf die dem mediating hierarchy-Ansatz zugrunde liegende agency-Problematik, ohne dabei auf deren Modellannahmen adäquat einzugehen125.

123

Blair/Stout (2001), S. 418. Blair/Stout (1999), S. 283. 125 So aber Meese (2002), S. 1668, der offensichtlich von einer vollständigen ex ante-Spezifizierbarkeit vertraglicher Vereinbarungen und damit von anderen Grundannahmen als der „Mediating Hierarchy“-Ansatz ausgeht: „The shareholder primacy norm, of course, avoids these [agency] costs, by assigning a property right in the firm’s residual to a single constituency, and allowing expert agents of that constituency to negotiate individually with other constituencies in a setting of relatively low bargaining costs. In such a setting, these agents will have the incentive to craft a nexus of agreements that induce team-specific investment and maximize the team’s joint welfare.“ 124

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b) Der board of directors als Mediator eines heterogenen Teams Wie dem third party ownership-Modell liegt auch dem mediating hierachyAnsatz die Vorstellung zugrunde, dass die Entscheidungs- und Kontrollrechte idealerweise von einer Partei auszuüben sind, die selbst keine spezifischen Investitionen tätigt. Denn andernfalls wäre sie selbst Stakeholder der Unternehmung und daher ungeeignet für die Rolle des unabhängigen Interessenmittlers. Als third party bzw. mediating hierarch126 scheidet die Gruppe der Anteilseigner nach der Teamdefinition von Blair/Stout jedoch aus, denn anders als bei Rajan/Zingales werden demgemäß auch Aktionäre als Inhaber einer kospezialisierten Ressource und damit Mitglieder der Teamproduktion begriffen127. Vor dem Hintergrund, dass die Kapitaleinlage nur unter den besonderen Voraussetzungen einer Liquidation an die Aktionäre zurückfließen kann, ist dies folgerichtig: Auch der Aktionär erbringt eine spezifische Investition für die Kooperationsbeziehung. Gleiches gilt jedoch für das Management, von dem im besonderen Maße der Aufbau von unternehmensspezifischem Humankapital erwartet wird. Das mediating hierarchy-Konzept setzt damit – mehr oder minder stillschweigend – voraus, dass der board of directors im Wesentlichen keine typischen Managementaufgaben wahrnimmt128. Angesichts der monistischen Lei126 Da dem „Third Party Ownership“-Ansatz der Leitgedanke zugrunde liegt, dass zur Sicherstellung optimaler Investitionsanreize ein Missbrauch von Entscheidungskompetenzen zu vermeiden ist, lässt sich die Funktion der „Third Party“ durchaus im Sinne des „Mediating Hierarchy“-Konzepts deuten, vgl. Blair (1999), S. 84 f. und Blair/Stout (1999), S. 274 Fn. 57. Die Ausführungen von Rajan/Zingales (1998) sind jedoch in Bezug auf das Verhältnis von Management und Aktionären nicht stringent: Auf der einen Seite wird von einem Delegationsverhältnis gesprochen, was eine Prinzipal-Agenten-Sicht vermuten lässt (S. 422: „The third party could delegate [Hervorhebung durch den Autor] many of the powers of ownership that are unlikely to be misused to a managerial hierarchy.“); an anderer Stelle findet sich die Bezeichnung der „Third Party“ als „neutral arbitrator“, siehe S. 423 Fn. 26. In einem anderen Beitrag nimmt Zingales deutliche Anleihen an das „Mediating Hierachy“-Konzept, siehe Zingales (1998), S. 501: „[. . .] the providers of funds delegate the right to specialize the assets to a third party [. . .]. This third party, thus, should not be in the position of a mere agent, who owes a duty of obedience to the prinicipal, but should be granted the independence to act in the interest of the firm (i. e., the whole body of members of the nexus of specific investments), and not only of the shareholders. Blair and Stout (1997) claim that this is the role American corporate law attributes to the board of directors.“ 127 Vgl. Blair/Stout (1999), S. 253: „[. . .] boards exist not to protect shareholders per se, but to protect the enterprise-specific investments of all the members of the corporate ,team‘, including shareholders, managers, rank and file employees, and possibly other groups, such as creditors.“ 128 Gerade das Ergebnis von Rajan/Zingales (1998) – die Zuweisung der residualen Entscheidungsrechte an die Aktionäre –, das nicht zuletzt auf eine implizite Gleichsetzung von Management und board zurückzuführen sein dürfte, zeigt die Bedeutung dieser Annahme auf. Dennoch finden sich bei Blair/Stout (1999) hierzu nur wenige Anmerkungen, ebenda S. 282: „[. . .] by suggesting that directors serve at the top of the pyramid of authority that comprises the public corporation, the mediating hierar-

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tungsstruktur US-amerikanischer Aktiengesellschaften erscheint diese Annahme nicht unproblematisch. Denn die mit dem Tagesgeschäft betrauten Manager sind zugleich Mitglieder im board of directors, dessen Vorsitz zudem in der Regel vom chief executive officer (CEO) ausgeübt wird129. Allerdings ist die Anzahl sogenannter independent directors, d.h. Mitglieder des board ohne ein Anstellungsverhältnis mit der Gesellschaft, seit den neunziger Jahren stetig gestiegen, so dass diese mittlerweile in einer Vielzahl von Unternehmen die Mehrheit im board bilden130. Nur vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, die sich als eine faktische Annäherung an die dualistische Führungsstruktur deutscher Aktiengesellschaften auffassen lässt131, erscheint die Sichtweise des board als unbefangener Mediator vertretbar132. Aber nicht nur in Bezug auf die Person des Mediators sondern auch hinsichtlich seiner Funktion bleiben die Ausführungen von Blair/Stout stellenweise zu unpräzise. So gehen sie trotz der Annahme eines heterogenen Teams – bestehend aus Finanz- und Humankapitalgebern – implizit davon aus, dass sämtlichen Teammitgliedern gleichartige Optionen zur Verfügung stünden, um sich einen unangemessen Anteil am Erlös anzueignen, wie ihre Ausführungen zum shirking-Problem verdeutlichen133: „A team’s output may be nonseparable because each member’s contribution is necessary to the outcome, or because each member’s contribution is unobservable or so complex that it is impossible to estimate what the team’s output would be without that contribution. These characteristics of team production make it extremely difficult for team members to design compensation contracts that provide adequate incentives for each team member to make optimal contributions to the team, whether those contributions take the form of dollars, ideas, or hard work.134 For chy model does not imply that directors actually manage the corporation on a day-today basis. To the contrary, we expect that most corporate decisions are made collegially among team members at lower levels. Indeed, the existence of a mediating hierarchy may heighten incentives for team members to work out conflicts among themselves because the alternative is kicking the problem upstairs to a disinterested – but potentially erratic or ill-informed – hierarch.“ 129 Vgl. Berrar (2001), S. 126; nach Shivdansani/Yermack (1999) ist der CEO in 84 Prozent der Fortune 500-Unternehmen zugleich chairman of the board, S. 1833. 130 Berrar (2001), S. 125 gibt den Anteil der independent directors im board mit knapp 80 % an. Bhagat/Black (2002), S. 232 berichten von einer wachsenden Zahl von Gesellschaften, die nur noch ein bis zwei inside directors aufweisen. Seit 1978 schreiben die Listing Rules der NYSE eine Besetzung der audit committees mit independent directors vor, vgl. Berrar (2001), S. 128. 131 Berrar (2001), S. 120 ff. sowie S. 129. 132 Mit dem Nichtbestehen eines formalen Vertragsverhältnisses zur Gesellschaft ist jedoch noch nicht gesagt, dass auch in materieller Hinsicht keine Abhängigkeiten der independent directors zu den executive directors bestehen, kritisch hierzu Kirchner/ Painter (2000), S. 363 f. 133 Blair/Stout (2001), S. 419 f. 134 Hervorhebung durch den Autor.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance example, suppose the team members agree to divide up any surplus created by team production according to some prearranged formula, like ,everyone gets an equal share of profits.‘ Under such a rule, team members would be tempted to shirk on making any contribution that could not easily be verified, because they would bear all the cost of the contribution but get back only a portion of the resulting increase in surplus.“

Eine solch undifferenzierte Betrachtung ist nicht sachgerecht. Denn die Möglichkeit, seinen vertragsmäßig geschuldeten Input unbemerkt zu senken (shirking), besteht allein für den Humankapitalgeber, da ihm die Unveräußerlichkeit seiner Arbeitskraft einen entscheidenden Informationsvorsprung gewährt. Der Finanzkapitalgeber hingegen entledigt sich der Verfügungsgewalt über seine Ressource durch Leisten der Einlage bzw. Kreditsumme vollständig; sein Beitrag ist einmalig und ohne weiteres nachprüfbar, weshalb sich ein Zustand „asymmetrischer Information“, die notwendige Voraussetzung für shirking ist, nicht ergeben kann. Ist shirking demnach die exklusive rent seeking-Option der Humankapitalgeber, sind sie es, die in erster Linie von einem passiven Inhaber der Entscheidungsrechte profitieren. Die Aktionäre dürften sich auf die von Blair/Stout vorgeschlagene governance structure indes nur einlassen, wenn es eine befriedigende Lösung für das shirking-Problem bietet. Wie dies im Rahmen des mediating hierarchy-Ansatzes aber geschehen soll, bleibt offen. Das von Alchian/Demsetz (1972) vorgeschlagene Arrangement eines residualberechtigten Monitors scheidet für die Mediatorfunktion denknotwendig aus. Bereits eine Spezialisierung des board auf die Überwachung der Humankapitalgeber schiene mit der Rolle des mediating hierarch unvereinbar, der nach Blair/Stout unbefangen, aber eben auch potentially erratic und ill-informed zu sein hat135. Ohne Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Hintergründe dürfte eine wirkungsvolle Überwachung der leitenden Angestellten jedoch undenkbar sein. Wird der mediating hierarch durch spezifische Investitionen aber selbst zum Stakeholder des Teams, ist dessen Geeignetheit als unabhängiger Schiedsrichter in Frage gestellt. Ohne eine überzeugende Lösung des shirking-Problems bleibt auch der mediating hierarchy-Ansatz nicht frei von Einwänden. Dies gilt zumindest insoweit, als dass auf seiner Grundlage die Forderung nach einer Gleichberechtigung aller Teammitglieder erhoben wird, unabhängig davon, ob sie den Produktionsfaktor „Arbeit“ oder „Kapital“ zur Verfügung stellen. Stattdessen erscheint eine gewisse Vorrangstellung der Aktionäre in der Corporate Governance durchaus angezeigt, sofern dadurch die Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der übrigen Ressourcengeber gewährleistet bleibt. Ein so verstandenes StakeholderModell hätte darüber hinaus den Vorteil, bestimmte Merkmale der US-amerika135

Blair/Stout (1999), S. 282.

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nischen Unternehmensverfassung – etwa die exklusive Zuweisung der Wahlrechte an die Anteilseigner – besser erklären zu können. 5. Director primacy zur Maximierung der Aktionärsinteressen (Bainbridge 2002) Ebenfalls für eine weitgehende Autonomie der Unternehmensleitung plädiert Bainbridge (2002). Das US-amerikanische Corporate Governance-Modell stelle ein ökonomisch optimales Arrangement dar, das durch eine Isolierung der Unternehmensleitung von direkter Einflussnahme seitens der verschiedenen Interessengruppen gekennzeichnet sei. Das Konzept der director primacy nimmt zwischen Stakeholder-Modell und shareholder primacy eine vermittelnde Position ein: Von der Prinzipal-Agenten-Sicht der Unternehmung unterscheidet es sich durch die Annahme, dass die Entscheidungsbefugnisse des board als „originär und undelegiert“ angesehen werden und daher grundsätzlich nicht durch ein Aktionärsvotum entzogen werden können136. Anders als im mediating hierarchy-Ansatz darf der board seine herausgehobene Machtposition in der Unternehmensverfassung jedoch nicht dazu nutzen, die Interessen der unterschiedlichen Ressourcengeber vermittelnd zum Ausgleich zu bringen137; sein Handeln hat sich vielmehr konsequent an der Zielsetzung zu orientieren, das Vermögen der Aktionäre zu maximieren138. Die Präferenz für eine zielmonistische Leitmaxime gründet bei Bainbridge auf der Annahme, dass andere Ressourcengeber als die Aktionäre grundsätzlich keine beziehungsspezifischen Investitionen tätigen und daher bereits durch ihre „Mobilität“ hinreichend geschützt seien139. Zudem könne der Schutz von Arbeitnehmern – sofern spezifisches Humankapital für den Produktionsprozess ausnahmsweise von Bedeutung sein sollte – kostenminimal durch entsprechende individualvertragliche Vereinbarungen erreicht werden140. Die Erstreckung der Treuepflichten auf die Arbeitnehmerinteressen hingegen würde die Unternehmensleitung zu einem „Diener zweier Herren“ machen und damit ihre Verantwortlichkeit verwischen141. Die hierdurch eröffneten Spielräume würden besten-

136

Vgl. Bainbridge (2002a), S. 204 und S. 208. Zur Abgrenzung zum „Mediating Hierarchy“-Ansatz vgl. Bainbridge (2003), S. 592 ff. 138 Bainbridge (2002b), S. 805 f. und Bainbridge (2002a), S. 199. 139 Für diesen Fall verweist Bainbridge (2002a), S. 425 auf die dann kostenlose Exit-Option: „For such employees, mobility is a sufficient defense against opportunistic conduct, because they can quit and be replaced without productive loss to either employee or employer.“ 140 Vgl. Bainbridge (2002a), S. 426 f. 141 Vgl. Bainbridge (2002a), S. 422: „Directors who are responsible to everyone are accountable to no one.“ 137

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falls für Umverteilungen zwischen den Ressourcengebern genutzt werden, wenn nicht gar zur Verfolgung eigensüchtiger Ziele der board-Mitglieder142. Auch wenn im director primacy-Ansatz den Anteilseignern die exklusive Prinzipalstellung zugewiesen wird, soll deren Einflussmöglichkeit in der Corporate Governance begrenzt bleiben. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Aktionärsversammlung aufgrund der hohen Kosten kollektiven Handelns und der unterschiedlichen Investitionshorizonte der einzelnen Anteilseigner nicht zu einem effizienten Entscheidungsmanagement in der Lage ist; in Publikumsaktiengesellschaften sei hierfür ein zentrales, von den Aktionären abgeschirmtes Entscheidungsgremium unabdingbar143. Dieses müsse zwar gegenüber der Aktionärsversammlung in gewissem Umfang rechenschaftspflichtig bleiben, um eine Entkoppelung von Risiko und Herrschaft zu vermeiden. Eine Revision von unternehmerischen Entscheidungen durch Dritte – sei es in Form gerichtlicher Überprüfung oder durch shareholder voice – gefährde aber die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und widerspreche damit auch den Interessen der Aktionäre: „Shareholder primacy is inconsistent with the efficient exercise of fiat. Shareholder oversight of board decisions would necessarily contemplate that investors may review management decisions, step in when management’s performance falters, and exercise voting control to effect a change in policy or personnel. [. . .] Indeed, if shareholders could routinely review board decisions, the directors’ power of fiat would become merely advisory rather than authoritative. [. . .] a complete theory of the firm requires one to balance the virtues of fiat against the need to ensure the responsible exercise of that fiat. Neither discretion nor accountability can be ignored because both promote values essential to the survival of business organizations. [. . .] Establishing the proper mix of discretion and accountability thus emerges as the central concern of corporate governance. Given the significant virtues of fiat, however, one must not lightly interfere with the board’s decisionmaking authority in the name of accountability.“144

6. Stellungnahme Wie in den meisten interdisziplinär ausgerichteten Theorieansätzen zur Corporate Governance vermengen sich auch beim director primacy-Ansatz deskriptive und normative Aspekte145. Dieser erhebt – ähnlich wie der mediating hier142

Bainbridge (2002a), S. 422 f. Bainbrigde (2002a), S. 202 f. 144 Bainbridge (2003), S. 572 f. 145 Vgl. Bainbridge (2002b), S. 814: „I claim that director primacy predicts doctrinal outcomes more accurately than does shareholder primacy. (Of course, I am also making the normative claim that director primacy is more efficient than is shareholder primacy.)“. Vgl. auch Bainbridge (2003), S. 591 f.: „[. . .] the theory of director primacy is superior to the prevailing shareholder primacy model both as a positive account of existing law and as a normative theory of corporate governance. Director 143

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archy-Ansatz – den Anspruch, sowohl ein treffenderes Bild vom geltenden Corporate Governance-Modell als die Prinzipal-Agenten-Sicht zu zeichnen, als auch dessen ökonomische Vorteilhaftigkeit gegenüber einer shareholder primacy zu belegen. Trotz unterschiedlicher Auffassung zur vorzugswürdigen Leitmaxime unterscheidet sich der director primacy-Ansatz im Ergebnis nur unwesentlich vom mediating hierarchy-Modell146. Denn obwohl die Unternehmensleitung im director primacy-Ansatz strikt auf die Maximierung der Aktionärsinteressen verpflichtet sein soll, bleibt ihr doch die Wahl des maßgeblichen Investitionshorizontes. Da rent seeking eines Ressourcengebers in der Regel das Verlassen des Teams (exit) bzw. dessen Androhung voraussetzt, kann die Unternehmensleitung einen hinreichenden Stakeholder-Schutz dadurch gewährleisten, dass sie ihr Handeln am Interesse eines (hypothetischen) Anteilseigners mit langfristigem Investitionshorizont ausrichtet. Dementsprechend befürwortet Bainbridge einen autonomen Handlungsspielraum des board auch dann, wenn sich den Aktionären die lukrative Option zum Verlassen der Gesellschaft in Form eines Übernahmeangebots bieten sollte. Auch gegen den mehrheitlichen Willen der Aktionäre soll der target board die drohende Verdichtung des Anteilsbesitzes – und damit verbunden eine empfindliche Beschneidung der director primacy – verhindern dürfen, sofern sich die Abwehrmaßnahme mit den Interessen eines an langfristigen Ertragsaussichten orientierten Anlegers rechtfertigen ließe147. Zumindest in langfristiger Perspektive ist jedoch von einem weitgehenden Gleichlauf der Interessen sämtlicher stakeholder auszugehen, weil die nachhaltige Sicherung der Ertragskraft des Unternehmens den gemeinsamen Nenner aller Teammitglieder mit beziehungsspezifischen Investitionen bildet148. Während die Erhaltung der Leitungsmacht in der Übernahmesituation durchaus Sinn zu machen scheint, sofern man den Schutz von Stakeholderinteressen als legitimes Ziel unternehmerischen Handelns anerkennt, ist dies auf Grundlage des director primacy-Ansatzes nicht unmittelbar einsichtig149. Denn es primacy does a better job than does shareholder primacy at explaining and justifying current law.“ 146 Vgl. dazu Bainbridge (2003), S. 577: „The director primacy variant of contractarianism, which treats the board of directors as a sort of Platonic guardian whose power devolves from the set of contracts comprising the corporation as a whole rather than solely from shareholders, looks especially like a stakeholderist model.“ 147 Vgl. die Ausführungen zur Ablehnung einer „Shareholder Choice“-Regel in der Übernahmesituation bei Bainbridge (2002), S. 705 ff. 148 Vgl. Allen/Jacobs/Strine (2002), S. 1090. 149 Vgl. auch Stout (2003), S. 696 f.: „[. . .] change of control transactions draw attention to the weakness of arguments based on shareholders’ ,long-run‘ interests. It is hard to claim with a straight face that a particular firm’s shareholders will be better off in the long run if they are denied the chance to sell their shares at a hefty premium, especially when those shareholders eagerly wish to become ex-shareholders. To

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fragt sich, warum Abwehrmaßnahmen vom board auch gegen den – durch mehrheitliche Annahme des Angebots zum Ausdruck gebrachten – Willen der Aktionäre ergriffen werden dürfen, wenn doch allein deren Interessen für die Unternehmensleitung maßgeblich sein sollen. Zudem würde die Gewährleistung einer undistorted shareholder choice im Übernahmeverfahren nur den Ausnahmefall einer Kompetenzverlagerung bedeuten, so dass sich schwerlich behaupten ließe, hierdurch würde „the very mechanism that makes the public corporation practicable“ in Frage gestellt150. Schließlich stellt sich in der Übernahmesituation das Kostenproblem für die Aktionäre in Bezug auf kollektive Handlungen nicht151. 7. Unternehmenstheoretische Überlegungen und die Grenzen von individualvertraglichen Vereinbarungen Die Vorteilhaftigkeit einer stakeholder-orientierten Leitmaxime wird in unternehmenstheoretischen Arbeiten im Wesentlichen auf zwei Gesichtpunkte gestützt: Erstens spiele unternehmensspezifisches Humankapital für den Wertschöpfungsprozess eine erhebliche Rolle und zweitens ließe sich dessen Schutz nicht durch eine explizite Individualabrede sicherstellen. Da auch Befürworter einer shareholder primacy-Leitmaxime in neueren Arbeiten die Existenz von spezifischem Humankapital anerkennen, vollzieht sich die Trennung der Lager zunehmend anhand des zweiten Kriteriums. Dass dabei die vollständige Durchsetzbarkeit vertraglicher Absprachen in aller Regel nicht ökonomisch fundiert, sondern schlicht unterstellt wird, verdeutlichen exemplarisch die Ausführungen von Easterbrook und Fischel (1991) zur Überlegenheit einer shareholder primacy-Leitmaxime152: advance such an argument, one must claim both that the shareholders are underestimating the value of their holdings by an amount greater than the premium (fifty percent or more in many cases) and that the firm’s directors for some reason cannot possibly persuade the shareholders of their own foolishness. Arguments for director primacy based on shareholders’ long-run interests accordingly tend to lose, in the takeover context, whatever traction they may enjoy in other situations.“ 150 Bainbridge (2002b), S. 807. 151 Durch die Struktur des öffentlichen Angebots braucht jeder Zielaktionär nur noch eine individuelle Annahmeentscheidung umzusetzen, ohne eine Werbekampagne zwecks Erreichung einer Stimmenmehrheit initiieren zu müssen. Diese Koordinierungskosten – verbunden mit dem Risiko des Scheiterns der Offerte – trägt allein der Bieter. 152 Vgl. auch Meese (2002), S. 1668: „Thus, even if adoption of a mediating hierarch model of governance could theoretically reduce the transaction costs associated with team-specific investment, any such benefit would come at a high cost: control of the firm by disinterested individuals with no apparent incentive to maximize the welfare of the team. [. . .] The shareholder primacy norm, of course, avoids these costs, by assigning a property right in the firm’s residual to a single constituency, and allowing expert agents of that constituency to negotiate individually with other constituencies

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„[. . .] a contractual approach does not draw a sharp line between employees and contributors of capital. Employees may be investors in the sense that portions of their human capital are firm-specific – that is, are adapted to the corporation’s business and are worth less in some other job. Holding firm-specific human capital is a way of investing in the firm. The question is not whether employees and other ,constituencies‘ of the firm have entitlements or expectations – they do – but what that entitlements are. If employees negotiate for or accept a system of severance payments to protect their firm specific human capital, they ought not grumble if they are held to their bargains when business goes bad. [. . .] It is all a matter of enforcing the contracts. And for any employee or investor other than the residual claimant, that means the explicit negotiated contract.“ [Hervorhebung durch den Autor]153

Auf der anderen Seite wird die Treuepflichtbindung der Unternehmensleitung als ein kostenminimales Substitut für complete contracting begriffen und demnach ein im Wesentlichen auf implizite Vereinbarungen beruhender Vertrag zwischen Management und Aktionären angenommen154. Warum aber nicht auch die Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Humankapitalgebern kostenoptimal durch implizite Vertragsbestandteile geregelt werden kann, bleibt ohne eine genauere Analyse des Arbeitsvertragsverhältnisses ungeklärt155. Diese Inkongruenz tritt besonders deutlich bei Bainbridge (2002) hervor, der grundsätzlich einen hinreichenden Schutz von spezifischem Humankapital durch vertragliche Vereinbarungen bejaht, für das Management aber gleichwohl „implizite Ansprüche“ annimmt156: „Much of the knowledge a manager needs to do his job effectively is specific to the firm for which he works. As he invests more in firm-specific knowledge, his performance improves, but it also becomes harder for him to go elsewhere. An implicit contract thus comes into existence between managers and shareholders. [. . .] Viewed in this light, the shareholders decision to terminate the managers’ employment (by tendering to a hostile bidder) seems opportunistic and a breach of implicit understandings between the shareholders and their managers.“ in a setting of relatively low bargaining costs. In such a setting, these agents will have the incentive to craft a nexus of agreements that induce team-specific investment and maximize the team’s joint welfare.“ 153 Easterbrook/Fischel (1991), S. 37. 154 Easterbrook/Fischl (1991), S. 92: „[. . .] the fiduciary principle is rule for completing incomplete bargains in a contractuals structure [. . .]“; Bainbridge (2002a), S. 425: „In the contractarian model, fiduciary duties are gap-fillers by which courts resolve disputes falling through the cracks of incomplete contracts.“ 155 Umgekehrt ließe sich fragen, warum die vertraglichen Beziehungen des Managements nur im Verhältnis zu den Humankapitalgebern, nicht aber in Bezug auf die Eigenkapitalgeber vollständig ex ante spezifizierbar sein sollen, vgl. Ireland (2003), S. 270: „The problem [. . .] is that it can forcefully be argued that it is no more possible to write in advance ,complete contracts‘ which protect the interests of employees and other corporate participants, particularly those who have made so-called ,firm specific investments‘, than it is to write them in advance for shareholders.“ 156 Bainbridge (2002a), S. 713 Fn. 46.

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Aber auch Vertreter des Stakeholder-Ansatzes verzichten regelmäßig auf eine detaillierte Untersuchung der individualvertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmen und Belegschaft. Stattdessen wird vielfach pauschal auf die für die Austauschpartner bestehende Unmöglichkeit verwiesen, ihre Beziehung in vollkommener Voraussicht zu gestalten und durchsetzbare Regelungen zum Schutz spezifischer Investitionen zu schaffen. Dass die Vertragspartner oftmals aber auch in der Lage sein dürften, künftige hold up-Potentiale zu erkennen und versuchen werden, diese durch entsprechende Vertragsgestaltung zu entschärfen, bleibt dabei außer Betracht. Denkbar ist auch, dass hold up-Potentiale erst aus einer vertraglichen Regelung erwachsen157, die daher notwendig in die Betrachtung mit einzubeziehen ist. Darüber hinaus bedarf die Grundannahme des Stakeholder-Ansatzes – die Relevanz von spezifischem Humankapital für den Wertschöpfungsprozess – einer empirischen Überprüfung. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner, dass ein Rückschluss von der Existenz unternehmensspezifischer Qualifikationen auf die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern nicht ohne weiteres zulässig ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erwartungen der Arbeitnehmer, etwa auf Weiterbeschäftigung oder Beförderung, mit einem impliziten Anspruch korrespondieren. Dies macht eine Auseinandersetzung mit etwaigen Vereinbarungen darüber erforderlich, wie die Kosten der Qualifizierungsmaßnahmen zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags aufgeteilt werden158. Erst hieraus ergibt sich, wer das Risiko der spezifischen Investitionen zu tragen hat und damit in den Schutzbereich der Corporate Governance einbezogen sein sollte: Sollte etwa der Arbeitgeber die gesamten Kosten der Qualifizierung übernommen haben, würde die komplette „Aneignung“ der Quasi-Renten durch den Arbeitgeber mangels spezifischer Investitionen des Arbeitnehmers eine leistungsgerechte Aufteilung des Gewinns darstellen. Da dem Arbeitnehmer demzufolge auch nur eine Ertragsbeteiligung in Höhe seines Opportunitätslohns gebührt, wäre trotz der Existenz eines spezifischen Humankapitals eine Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zu verneinen. Soweit spezifische Investitionen der Arbeitnehmer erforderlich sind, ohne dass ein hinreichender Schutz auf einzelvertraglicher Ebene gewährleistet werden kann, ist eine stakeholder-orientierte Unternehmenspolitik einer interessenmonistischen Leitmaxime vorzuziehen. In diesem Fall erschöpft sich die Funktion des Monitors nicht darin, das hinsichtlich des Arbeitsinputs bestehende Messproblem zu lösen. Vielmehr fällt ihm die Aufgabe zu, die vom Team ge157 Vgl. Klein (1998), S. 242: „Because contract terms are inherently imperfect, writing something down in a contract may present transactors with an opportunity to engage in a hold-up. A hold-up can be effectuated by a transactor deciding to use the court to enforce the imperfect contract term rigidly, even if the literal contract term is contrary to the intent of the contracting parties.“ 158 Vgl. Bellmann (1986), S. 151.

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nerierten und daher als dessen Kollektivgüter anzusehenden Quasi-Renten unter angemessener Berücksichtigung sämtlicher Anspruchsgruppen aufzuteilen. Da aufgrund des hierfür notwendigen Ermessensspielraums die Überwachung des Produktionsfaktors „Arbeit“ in den Hintergrund tritt, bleibt offen, wie das shirking-Problem ohne das von Alchian/Demsetz vorgeschlagene Arrangement gelöst werden soll; auch der Arbeitnehmer mit spezifischen Qualifikationen hat einen Anreiz, seinen Arbeitsinput – von den übrigen Teammitgliedern unbemerkt – zu senken. Zwar vermag der mediating hierarch durch seine Funktion als Interessenmittler, die ihn von der Einflussnahme durch die verschiedenen Anspruchsgruppen weitgehend abschirmt, ein sharking159 der Kapitalgeber wirksam zu unterbinden. Insoweit zur Vermeidung von rent seeking aber ein aktives Handeln erforderlich wird, namentlich zur Lösung des shirking-Problems, erscheint die Effizienz dieses Arrangements fraglich. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Frage, ob die Interessen der Humankapitalgeber Beachtung in der Corporate Governance finden sollten, nicht ohne Berücksichtigung arbeitsökonomischer Erkenntnisse beantwortet werden kann. Im nächsten Kapitel soll sich daher arbeitsökonomischen Lösungsansätzen zugewandt werden, ihr Verhältnis zur Theorie der Unternehmung geklärt und die daraus folgende Implikationen für die Frage der angemessenen Leitmaxime dargestellt werden. Anhand empirischer Untersuchungen soll abschließend eine Bewertung erfolgen, welche Relevanz die angesprochen Probleme und ihre verschiedenen Lösungsansätze aufweisen.

IV. Arbeitsökonomische Erkenntnisse Im Weiteren soll auf arbeitsökonomische Theorien eingegangen werden, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie optimale Leistungsanreize für Arbeitnehmer durch Ausgestaltung der Entlohnungsbedingungen geschaffen werden können. Während die Theorie der nachgelagerten Entlohnung (deferred compensation) und die Effizienzlohn-Theorie dabei das shirking-Problem im Auge haben, verfolgt die Humankapital-Theorie die Zielsetzung, dem Arbeitnehmer Anreize zum Aufbau spezifischer Qualifikationen zu geben. 1. Die Humankapital-Theorie: Anreize zur Aneignung unternehmensspezifischer Qualifikationen durch ein shared investment Die Humankapital-Theorie beschäftigt sich mit der Frage, wie die Ausbildungskosten zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages aufzuteilen sind, um eine möglichst hohe Arbeitsproduktivität zu erreichen. 159

Dieser Begriff stammt von Orts (1998), S. 265 ff.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

Handelt es sich dabei allein um universelle Qualifikationen, die zu einer Steigerung der Arbeitsproduktivität unabhängig von der konkreten Kooperationsbeziehung führen, sind die Aufwendungen vollständig vom Arbeitnehmer zu tragen. Denn die unbegrenzte Transferierbarkeit der Qualifikation versetzt den Arbeitnehmer in die Lage, allein über den damit verbundenen Produktivitätszuwachs zu verfügen; der erzielbare Lohn wäre dann ubiquitär und entspräche dem Wertgrenzprodukt der Arbeit. Anders liegen die Dinge im Fall von spezifischen Qualifikationen, die außerhalb der konkreten Kooperationsbeziehung wertlos sind. Der Arbeitnehmer ist dann auf die Stabilität des Beschäftigungsverhältnisses angewiesen; eine alleinige Kostentragung würde ihm das Risiko aufbürden, seine gesamten Investitionen im Fall einer Entlassung zu verlieren160. Um dem Arbeitnehmer dennoch einen Anreiz zur Aneignung unternehmensspezifischer Qualifikationen zu geben, wird eine Aufteilung von Ausbildungskosten und Quasi-Renten zwischen Arbeitgeber und -nehmer vorgeschlagen161. Hierdurch kommt es zu einer Entkoppelung von Lohn und Wertgrenzprodukt der Arbeit in Form einer „geglätteten“ Lohnentwicklung162: Der Arbeitnehmer erhält in der Ausbildungsphase zunächst einen Lohn oberhalb seines aktuellen Wertgrenzprodukts163. Das Training bewirkt die Herausbildung eines spezifischen Wertgrenzprodukts, das den Opportunitätslohn des Arbeitnehmers übersteigt. Aufgrund seiner Teilfinanzierung der Ausbildungskosten steht dem Arbeitgeber nunmehr ebenso ein Anteil an den Quasi-Renten zu; der Arbeitnehmer erhält daher in der Post-Trainingsphase nur einen Lohn unterhalb des spezifischen Wertgrenzprodukts seiner Arbeitskraft164. Durch das shared investment wird ein exit für beide Vertragsparteien kostspielig165. Dadurch wird zwar eine für den Aufbau spezifischen Humankapitals notwendige Dauerhaftigkeit der Kooperation erfüllt; ist es somit unwahrscheinlich, dass ein hold up durch vorzeitige Auflösung der Austauschbeziehung erfolgt, bleibt die Gefahr von rent seeking jedoch grundsätzlich bestehen: So könnte der Arbeitgeber versucht sein, die Gewinnverteilung hinsichtlich der Quasi-Renten zu ändern, indem er den Lohn des Arbeitnehmers in der PostTrainingsphase soweit „drückt“, dass er nur knapp oberhalb von dessen (unver-

160 161 162 163

Hutchens (1989), S. 51. Becker (1975), S. 34. Vgl. dazu die anschauliche Grafik bei Hutchens (1989), S. 51. Die Differenz stellt den Zuschuss des Arbeitgebers zu den Ausbildungskosten

dar. 164

Der Lohn liegt dabei selbstverständlich über dem Opportunitätslohn. Mit der Entlassung des Arbeitnehmers würde der Arbeitgeber auch seinen Anteil an den Quasi-Renten verlieren; der Arbeitnehmer kann nirgendwo anders einen vergleichbaren Lohn erzielen. 165

IV. Arbeitsökonomische Erkenntnisse

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ändert gebliebenen) Opportunitätslohn bleibt166. Umgekehrt wäre die Aneignung von Quasi-Renten durch den Arbeitnehmer denkbar, indem er eine „faire“ Entlohnung zu seinem (gestiegenen) Wertgrenzprodukt durchsetzt167. 2. Die Minimierung von shirking durch strategische Lohnsetzung Nach Alchian/Demsetz (1972) ist dem shirking-Problem dadurch zu begegnen, dass ein „Monitor“ hinreichende Anreize erhält, um die optimale Überwachung der Inputfaktoren zu gewährleisten. Dass die Motivation nicht bei den Arbeitnehmern selbst, sondern beim „Monitor“ ansetzt, erscheint unter den Annahmen vollkommener Faktormärkte, aber „asymmetrischer Information“ durchaus folgerichtig: Erhält der Arbeitnehmer stets ein Entgelt zum herrschenden Opportunitätslohn, würde eine Entlassung für ihn keine Nutzeneinbuße bedeuten, da er mit einer sofortigen Wiedereinstellung zum Gleichgewichtslohn rechnen könnte. Fehlt es damit aber an einem Sanktionsmittel für shirking, so stellt sich dieses im Nutzenkalkül des Arbeitnehmers in jedem Fall als vorteilhaft dar168. Ansatzpunkt zur Senkung von shirking kann dann schlechterdings die Motivation der Arbeitnehmer, sondern allein deren konsequente Überwachung sein169. Demgegenüber sehen arbeitsökonomische Ansätze in der „Motivation“ der Arbeitnehmer eine weitere Möglichkeit zur Gewährleistung eines optimalen Arbeitsinputs. Dabei wird die Zielsetzung verfolgt, Sanktionsmöglichkeiten für den Fall von aufgedecktem shirking zu schaffen, indem die Entlohnung so gestaltet wird, dass dem Arbeitnehmer „Entlassungskosten“ drohen170. Hierfür ist eine Abkoppelung des Arbeitsentgelts vom Opportunitätslohn erforderlich.

166

Vgl. Frick/Speckbacher/Wentges (1999), S. 749. Aus seiner geplanten Dauerhaftigkeit erwächst in besonderem Maße die Schwierigkeit, das Vertragsverhältnis ex ante umfassend zu spezifizieren, insbesondere im Hinblick auf die spätere Verteilung der Quasi-Renten. Hinzu kommt, dass der Erfolg der Qualifizierungsmaßnahme am Anfang des Arbeitsverhältnisses regelmäßig schwer vorhersehbar ist. 168 Shapiro/Stiglitz (1984), S. 433. 169 Nach Alchian/Demsetz (1972) ist der gesamte Residualerlös dem Monitor zuzuweisen, um „Monitor-Shirking“ zu verhindern, vgl. oben A. II. 2. a). Damit scheiden monetäre Leistungsanreize für die Belegschaft – etwa durch eine Gewinnbeteiligung – aus. Hierzu führen Alchian/Demsetz (1972) aus, S. 786: „[. . .] losses from the resulting increase in central monitor shirking would exceed the output gains from the increased incentives of other team members not to shirk.“ 170 Zur Gewährleistung eines optimalen Arbeitsinputs bleibt eine Überwachung der Arbeitnehmer somit weiterhin erforderlich, sie kann aber durch „Motivation“ (teil-) substituiert werden; es kommt somit grundsätzlich auf den optimalen „Mix“ der beiden Instrumente an. 167

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a) Die Theorie der nachgelagerten Entlohnung Eine solche kann durch eine nachgelagerte Entlohnung (delayed payment)171 erfolgen: Der Arbeitnehmer erhält am Anfang des Beschäftigungsverhältnisses lediglich einen Lohn unterhalb seines Wertgrenzprodukts172, im Gegenzug aber die Aussicht auf künftige Lohnerhöhungen unabhängig von seiner Produktivitätsentwicklung173. Die Lohnsteigerung wird dabei so gewählt, dass eine Kompensation des anfänglichen „Lohnverzichts“ über die gesamte Beschäftigungsdauer erreicht wird; der Arbeitnehmer erhält demnach in der späteren Berufsphase ein Gehalt oberhalb seines Wertgrenzprodukts. Eine derart „verzögerte“ Entlohnung lässt sich auch als eine „Pfandhinterlegung“ des Arbeitnehmers auffassen (bonding), um glaubhaft einen optimalen Arbeitseinsatz zu versichern174. Da das Pfand erst mit der regulären Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in vollem Umfang zurückerstattet wird, ist shirking für den Arbeitnehmer damit stets mit einem Risiko behaftet: Wird sein suboptimaler Arbeitseinsatz aufgedeckt, so droht er mit der Entlassung auch die Entschädigung für seinen bisherigen „Lohnverzicht“ zu verlieren. Hierdurch wird in gewisser Hinsicht die „Probezeit“ des Arbeitnehmers auf die gesamte Beschäftigungsdauer verlängert. Da das Lohnprofil so bemessen ist, dass erst mit der letzten Arbeitsstunde im Betrieb eine volle Kompensation erreicht wird, bleibt bis zuletzt ein – wenn auch stetig abnehmender – Anreiz zu optimaler Vertragserfüllung bestehen. b) Die Theorie des Effizienzlohnes Eine andere Möglichkeit, shirking-Anreize durch Schaffung von „Entlassungskosten“ zu minimieren, zeigt die Theorie des Effizienzlohns auf, nach der dem Arbeitnehmer ein Zuschlag zu seinem Opportunitätslohn gezahlt wird175. Dies bedeutet eine nachhaltige Verletzung der Gleichgewichtsbedingung „Faktorentlohnung zum Wertgrenzprodukt“176 und führt damit zu einem Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt. Dies hat Auswirkung auf das Nutzenkalkül des 171

Die Theorie der nachgelagerten Entlohnung wurde von Lazear (1979) begrün-

det. 172 Da kein beziehungsspezifisches Wertgrenzprodukt angenommen wird, entspricht dieser seinem Opportunitätslohn. 173 Die Arbeitsproduktivität wird dabei als im Zeitlauf konstant angenommen, d.h. der Herausbildung unternehmensspezifischer Qualifikationen wird keine Bedeutung zugemessen. 174 Bellmann (1986) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kaution“ des Arbeitnehmers, S. 64. 175 Shapiro/Stiglitz (1984), S. 433 ff. 176 Bei der Theorie der nachgelagerten Entlohnung ist diese Bedingung zumindest über die kumulierte Beschäftigungsdauer erfüllt.

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Arbeitnehmers: Aufgedecktes shirking bleibt nicht mehr notwendig sanktionslos, sondern kann den Verlust des „Exzesslohnes“ oder sogar Beschäftigungslosigkeit zur Folge haben. c) Bewertung Notwendige Bedingung der Effizienzlohn-Theorie ist, dass Arbeitssuchende nicht glaubhaft signalisieren können, auch bei Bezahlung des Gleichgewichtslohns einen optimalen Arbeitseinsatz zu leisten. Wäre dies der Fall, könnten sie das vorherrschende Lohnniveau auf den Gleichgewichtspreis „drücken“ und Beschäftigung finden. Wie bereits aufgezeigt, besteht jedoch in Form von temporärem Lohnverzicht für die Arbeitnehmer eine entsprechende signalling-Option. Effizienzlöhne sind demgemäß als eine gegenüber der „verzögerten“ Entlohnung grundsätzlich subsidiäre Lösung zur Bewältigung des shirking-Problems anzusehen177. Schließlich wäre auch aus Arbeitgebersicht nicht einsichtig, warum ein optimaler Arbeitseinsatz durch Zahlung von „Exzesslöhnen“ erreicht werden sollte, wenn es eine kostengünstigere Alternativlösung gäbe. Folglich wird von Anhänger der Effizienzlohn-Theorie die Durchführbarkeit von „verzögerten“ Lohnzahlungen bezweifelt178: Arbeitgeber könnten sich das Pfand des Arbeitnehmers unberechtigt „aneignen“, in dem zu Unrecht ein shirking behauptet und der Arbeitnehmer entlassen würde179. Erreicht das Lohnprofil nach entsprechender Beschäftigungsdauer die „Kompensationsphase“, ist eine Entlassung für den Arbeitgeber vorteilhaft, da hierdurch eine die Wertschöpfung der Arbeitskraft übersteigende Lohnzahlung vermieden würde180. Die Parallele zum hold up-Problem liegt auf der Hand: Der Lohnverzicht entspricht einer beziehungsspezifischen Investition des Arbeitnehmers, für die ein effektiver Rechtschutz nicht anzunehmen ist181. Damit ergibt sich das gleiche Anreizproblem wie bei der Aneignung spezifischer Qualifikationen182. Die Möglichkeit zu einem späteren hold up des Arbeitgebers antizipierend, werden sich Arbeitnehmer nicht ohne weiteres auf eine „verzögerte“ Entlohnung einlassen. Hierzu scheint ein credible commitment des 177

Blien/Rudolph (1989), S. 555; Murphy/Topel (1990), S. 205 f. Dickens/Katz/Lang/Summer (1990), S. 165. 179 Denkbar wäre auch, dass der Arbeitgeber das in Aussicht gestellte Lohnprofil „abflacht“. 180 Weil kein spezifisches Wertgrenzprodukt der Arbeitskraft angenommen wurde, ist der Arbeitnehmer kostenlos „austauschbar“. 181 Für einen außenstehenden Dritten, etwa einem Gericht, dürfte die Frage, ob die Entlassung aufgrund von „Shirking“ des Arbeitnehmers gerechtfertigt war, nur schwer zu beurteilen sein. 182 Nach der Humankapital-Theorie soll eine Entlassung aus opportunistischen Gründen dadurch ausgeschlossen werden, dass der Arbeitnehmer in der späteren Berufsphase vereinbarungsgemäß unterhalb seines Wertgrenzprodukts entlohnt wird. 178

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Arbeitgebers erforderlich zu sein, welches eine unberechtigte „Verwertung“ des Arbeitnehmer-Pfands unwahrscheinlich macht. 3. Implikationen der Lohntheorien für die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmenspolitik Die vorgestellten Lohntheorien weisen unterschiedliche Implikationen für die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmenspolitik auf: Wird die Existenz von Effizienzlöhnen angenommen, besteht kein Anlass zum Schutz des im Unternehmen gebundenen Humankapitals. Im Gegenteil: Die insider erhielten in diesem Falle ex ante-Renten auf Kosten der outsider, die aufgrund des herrschenden „Exzesslohnes“ ohne Chance auf Beschäftigung bleiben. Die Realisierung „verzögerter“ Löhne hängt dagegen davon ab, in welchem Maße das Interesse der Beschäftigten, ihr Pfand nur im Falle von shirking einzubüßen, abgesichert werden kann. Sofern die Aneignung unternehmensspezifischer Qualifikation von Bedeutung ist, erscheint es erforderlich, dass eine angemessene Beteiligung der Belegschaft an den späteren Quasi-Renten bereits vor Beginn der Trainingsphase glaubhaft versichert werden kann. Durch eine Aufteilung der Ausbildungskosten auf die Arbeitsvertragsparteien (shared investment) lässt sich das durch die Spezifität der Qualifikationen bedingte hold-up-Potential zwar entschärfen, jedoch nicht vollständig auflösen183. Das Erfordernis, im Falle spezifischer Qualifikationen auch die Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmenspolitik zu berücksichtigen, bleibt damit bestehen. Damit folgen sowohl aus der Theorie der nachgelagerten Entlohnung als auch der Humankapital-Theorie schützenswerte Interessen der Arbeitnehmer. Der Abgrenzung zwischen diesen beiden Theorieansätzen kommt für die betrachtete Fragestellung demnach nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Bei der folgenden Auseinandersetzung mit empirischen Studien gilt das Hauptaugenmerk daher der Frage, ob „verzögerte“ Löhne oder die Zahlung von Effizienzlöhnen ein verbreitet anzutreffendes Instrument zur „Motivation“ von Arbeitnehmern darstellt. 4. Erkenntnisse der empirischen Arbeitsmarktund Berufsforschung a) Positive Korrelation von Betriebsseniorität und Arbeitslohn Eine charakteristische Prognose der Theorie des nachgelagerten Lohnes stellt die stete Steigerung des Arbeitsentgelts mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit 183

Siehe oben A. IV. 1.

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dar184. Die Existenz derartiger „Senioritätseffekte“185 wird von zahlreichen internationalen Studien der empirischen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung belegt186. Hinweise auf eine positive Korrelation von Lohnhöhe und Dauer der Betriebszugehörigkeit liefern auch die wenigen auf Deutschland bezogenen Studien: Dustmann/Meghir (2005) verwenden die sogenannten IAB-Beschäftigtenstichprobe für den Beobachtungszeitraum 1975–1995187 und versuchen die Einflüsse von allgemeiner, branchen- und betriebsspezifischer Berufserfahrung auf die Höhe des Arbeitsentgelts zu isolieren. Für das gesamte Datenmaterial stellen sie Senioritätseffekte bei der Entlohnung fest, die für Arbeitnehmer ohne berufliche Ausbildung besonders stark ausgeprägt sind188. Auch Bellmann (1986) stellt eine Zunahme des Lohnes mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit fest189. Die Schlussfolgerung, dass die Zahlung von Senioritätslöhnen nur ein schwach ausgeprägtes Phänomen ist, ziehen hingegen Blien/Rudolph (1989) aus ihrer Untersuchung190, welche die Lohnentwicklung von Arbeitern bestimmter Branchen im Zeitraum von 1976 bis 1983 beobachtet191. Dabei versuchen sie anhand der Dauer zwischenzeitlicher Beschäftigungslosigkeit freiwillige von unfreiwilligen Wechseln des Arbeitsplatzes zu unterscheiden192. Während sie in der ersten Gruppe höhere Lohnzuwächse ermitteln, stellen sie bei unfreiwilligen 184 Ein solcher Effekt wird in abgeschwächter Form auch von der HumankapitalTheorie vorhergesagt, siehe dazu oben A. IV. 1. Zunächst soll jedoch die Abgrenzung zur Effizienzlohn-Theorie im Vordergrund stehen. 185 Unter „Senioritätseffekt“ bzw. „Senioritätslohn“ ist ein mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit („Betriebsseniorität“) steigender Arbeitslohn zu verstehen. 186 Topel (1991); Flabbi/Ichino (2001); Bayo-Moriones/Galdon-Sanchez/Güell (2004). 187 Grundlage für die IAB-Beschäftigtenstichprobe ist das zum 1.1.1973 eingeführte integrierte Meldeverfahren zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Erfasst sind damit alle Personen, die im Zeitraum von 1975–1995 (altes Bundesgebiet) mindestens einmal sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Aus dem Gesamtbestand der Meldungen wurde eine systematische 1 %-Stichprobe gezogen. Sie enthält neben personenbezogenen Daten (wie Geburtsjahr und Ausbildungsabschluss) auch Daten über die ausgeübte Tätigkeit und das Bruttoentgelt (bis zur Beitragsbemessungsgrenze), so dass erwerbsbiographische Verläufe nachgebildet werden können. Der von Dustmann/Meghir (2005) verwendeten Stichprobe liegen knapp 26.000 gelernte und rund 7.000 ungelernte Arbeitnehmer zugrunde. 188 Dustmann/Meghir (2005), S. 96. 189 Bellmann (1986), S. 201. 190 Blien/Rudolph (1989), S. 565. 191 Grundlage des Datenmaterials stellt wiederum eine IAB-Beschäftigtenstichprobe dar; die von Blien/Rudolph (1989) verwendete Stichprobe besteht aus 9.187 Arbeitern der Jahrgänge 1920 bis 1955, die 1976 in den Wirtschaftsbereichen Bergbau und Energie, verarbeitendes Gewerbe oder Bau und Handel als Arbeiter beschäftigt waren. Davon waren 6.863 Personen im Beobachtungszeitraum durchgehend in demselben Betrieb beschäftigt. 192 Dabei wird eine Unterbrechung der Beschäftigung von maximal 30 Tagen als freiwilliger Wechsel aufgefasst, Blien/Rudolph (1989), S. 557.

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Wechslern keine von Betriebsverbleibern unterschiedliche Lohnentwicklung fest. Dieser Befund scheint gegen die Existenz von Senioritätslöhnen zu sprechen. Bei genauerer Betrachtung des Datenmaterials fällt jedoch auf, dass dieses Ergebnis durch exorbitant hohe Lohnzuwachsraten bei den jüngsten193 der „unfreiwilligen“ Betriebswechsler hervorgerufen wird194. Ohne Berücksichtigung dieser Altersgruppe sind deutliche Senioritätseffekte bei den Betriebsverbleibern festzustellen, deren Lohnzuwachs um ca. 15 % über dem der „unfreiwilligen Wechsler“ liegt195. Ein weiteres Indiz für die Existenz von Senioritätslöhnen ergibt sich aus der von Blien/Rudolph (1989) verwendeten „Zugangskohorte“, welche aus Arbeitern besteht, die im Verlauf des ersten Beobachtungsjahres ein neues Beschäftigungsverhältnis begonnen haben. Unabhängig davon, ob sie im Verlauf des Beobachtungszeitraums „betriebsstabil“ blieben, erhielten Beschäftigte aus der Zugangskohorte niedrigere Löhne als Gleichaltrige, deren Beschäftigungsverhältnis über den gesamten Beobachtungszeitraum bestand196. b) Aussagewert des festgestellten Zusammenhangs Die isolierte Feststellung von Senioritätslöhnen stellt noch keinen hinreichenden Beleg dafür dar, dass Arbeitsentgelt und Wertgrenzprodukt im Sinne einer „verzögerten“ Lohnzahlung voneinander entkoppelt sind. Hierfür müsste zudem ausgeschlossen werden, dass steigende Alters-Einkommens-Profile durch eine 193

Hierbei handelt es sich um die Geburtsjahrgänge 1950–55. Die jüngsten Arbeiter, deren Alter im Jahr 1976 zwischen 20 und 26 Jahre betrug, und zwischen deren Betriebswechsel mindestens ein halbes Jahr Beschäftigungslosigkeit lag, wiesen im Jahr 1983 einen kumulierten Lohnzuwachs von 61,4 % gegenüber 56,1 % bei gleichaltrigen Betriebsverbleibern auf, siehe Blien/Rudolph (1989), S. 560 (Tabelle 1a, Spalte 1 und 4). Da fast ein Drittel der Betriebswechsler dieser Altersgruppe angehört, ist der „Ausreißer“ für das Gesamtergebnis bedeutsam. 195 Ein möglicher Grund für den statistischen „Ausreißer“ in der Gruppe der jüngsten Betriebswechsler könnte darin liegen, dass diese die Zeit einer längeren Beschäftigungslosigkeit in besonderem Maße zur Weiterqualifizierung nutzten. Auffällig ist zudem, dass die jüngsten als „unfreiwillige“ Betriebswechsler eingestuften Arbeiter zuvor ein besonders niedriges Lohnniveau im Vergleich zu ihren gleichaltrigen Betriebsverbleibern aufwiesen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Gefahr eines bedeutsamen „Mismatch“ zwischen Arbeitsplatzanforderungen und Arbeitsnehmerqualifikation zu Beginn des Berufslebens besonders hoch ist. Junge Arbeitnehmer könnten dann eher geneigt sein, nach einem besseren „Job Match“ – auch unter Inkaufnahme längerer Beschäftigungslosigkeit – Ausschau zu halten. Insgesamt könnte das Ergebnis von Blien/Rudolph (1989) damit auch auf eine insbesondere bei den jüngsten Arbeitern fehleranfällige Unterscheidung von freiwilligen und unfreiwilligen Betriebswechsel zurückzuführen sein. 196 Dies gilt für alle Altersgruppen der Neuzugänge, siehe Blien/Rudolph (1989), S. 560, Tabelle 1a und 1b. 194

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Parallelentwicklung der Arbeitsproduktivitäten bedingt sind. Deren Messung erweist sich jedoch als außerordentlich problematisch, zumal das Bestimmungsproblem von individuellen Arbeitsproduktivitäten gleichsam als Prämisse der vorgestellten Lohntheorien aufgefasst werden kann197. Empirische Studien, welche steigende Alters-Einkommens-Profile ohne entsprechende Zunahme der Arbeitsproduktivität ermitteln, sind damit stets dem methodischen Einwand ausgesetzt, einen nicht angemessenen Indikator für die Produktivität gewählt zu haben198. Dementsprechend wird der festgestellte Zusammenhang von Betriebsseniorität und Entlohnung vereinzelt als Ergebnis eines betrieblichen Selektionsprozesses interpretiert, in welchem Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung erhalten blieben, während unproduktivere abgebaut würden199. Betriebsverbleiber werden somit als Gewinner eines betriebsinternen Ausleseprozesses verstanden, die sich wegen einer höherer Produktivität bzw. eines besseren job match gegenüber Betriebswechslern durchgesetzt hätten und deshalb höhere Löhne erzielten200. Diese Sicht lässt jedoch freiwillige Betriebswechsel unberücksichtigt, die gerade wegen der Aussicht auf eine höhere Entlohnung vorgenommen werden und damit den Senioritätseffekt systematisch schmälern201. Dieser Zusammenhang erfährt durch Blien/Rudolph (1989) eine empirische Bestätigung: Beschäftigte, deren Betriebswechsel sich fast nahtlos vollzog und daher als freiwillig interpretiert werden kann, wiesen höhere Einkommenszuwächse als Betriebsverbleiber auf202. Auch unter Berücksichtigung derartiger Selektions- und job searchEffekte stellen verschiedene Studien signifikante Senioritätseffekte fest203: Dustmann/Meghir (2005) haben zur Vermeidung möglicher Verzerrungen in der „Betriebswechsler“-Kohorte nur Arbeitnehmer betrachtet, die ihren Arbeitgeber aufgrund einer Betriebsstilllegung verlassen mussten204. Flabbi/Ichino (2001), 197

Dies gilt insbesondere für die Theorie der nachgelagerten Entlohnung und die Effizienzlohn-Theorie, deren Zielsetzung ja gerade in der Minimierung des durch „Messprobleme“ bedingten „Shirking“ besteht. 198 Als Indikator für die Produktivität verwenden Medoff/Abraham (1980) die Einschätzung der direkten Vorgesetzten („rating by immediate supervisor“); Flabbi/Ichino (2001) benutzen Informationen aus den Personalakten, z. B. über Fehlzeiten oder Abmahnungen. Beide Studien stellen steigende Löhne ohne nennenswerte Produktivitätszuwächse fest. 199 Abraham/Farber (1987), S. 278 f. 200 Abraham/Farber (1987), S. 279. 201 Hutchens (1989), S. 60; Topel (1991) hält diesen Effekt insbesondere aufgrund von Mobilitätskosten für besonders bedeutsam, vgl. S. 152. 202 Blien/Rudolph (1989), S. 560, Tabelle 1a, 2. Spalte. 203 Topel (1991), S. 172 gelangt zu dem Ergebnis, dass eine 10-jährige Betriebszugehörigkeit einen positiven Einkommenseffekt von ca. 25 % ausmacht. 204 Damit soll sichergestellt werden, dass der Betriebswechsel weder freiwillig noch das Ergebnis eines betriebsinternen Selektionsprozesses war.

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die in einer Einzelfallstudie Senioritätslöhne ohne entsprechende Zunahme der Arbeitsproduktivitäten ermitteln, schließen systematische Verzerrungen durch Selektionseffekte aufgrund geringer Fluktuationsraten bei den Beschäftigten aus205. Systematische Verzerrungen in den empirischen Studien können damit als unwahrscheinlich gelten. Dennoch ist einzuräumen, dass der Nachweis „verzögerter“ Löhne aufgrund der Probleme, Arbeitsproduktivitäten hinreichend genau zu bestimmen, nicht zweifelsfrei bleibt. c) Tradeoff zwischen Überwachungsintensität und Senioritätsentlohnung Um die Schwierigkeiten bei der Bestimmung individueller Arbeitsproduktivitäten zu vermeiden, konzentrieren sich einige Studien darauf, den Zusammenhang von Überwachungsintensität und Senioritätsentlohnung zu untersuchen. Diesbezüglich ist auf Grundlage der Theorie der nachgelagerten Entlohnung ein tradeoff anzunehmen, da die Motivation des Arbeitnehmers, sein „Pfand“ nicht zu verlieren, ein geringeres Überwachungsniveau erlaubt. Um diese Prognose zu überprüfen, bietet sich ein Vergleich der Alters-Einkommens-Profile zwischen Beschäftigten an, deren Tätigkeit mit einem und ohne ein „Überwachungsproblem“ verbunden ist. Ein solches besteht beispielsweise nicht bei Selbstständigen oder rein erfolgsabhängig vergüteten Arbeitnehmern206, weil diese von shirking nicht profitieren könnten. Sollten daher „verzögerte Löhne“ ein verbreitetes Anreizinstrument zur Senkung von shirking sein, dürften sie bei diesen Personengruppen eine weitaus geringere Rolle spielen als bei Arbeitnehmern mit überwiegend festen Lohnbestandteilen. Diese Vermutung wird durch die Untersuchung von Lazear/Moore (1984) in Bezug auf Selbstständige bestätigt207. Zudem ermittelt Barth (1997) Senioritätseffekte zwar bei Fixlohn-, nicht jedoch bei Stücklohnempfängern208. Einen tradeoff zwischen „Monitoring“ und Senioritätsentlohnung bestätigt auch eine neue Studie zur verarbeitenden Industrie in Spanien209, die auf Befra205 Die Fluktuationsrate im betrachteten Unternehmen betrug ca. 4 %, siehe Flabbi/ Ichino (2001), S. 385. In dem Unternehmen waren im Beobachtungszeitraum (21 J.) zwischen 15.000–19.000 Mitarbeiter beschäftigt. Entlassungen aus „verhaltensbedingten Gründen“ soll es dabei nur 424 gegeben haben, was als weiteres Indiz gegen die Relevanz von Selektionseffekten angeführt wird, vgl. S. 385. 206 Dies ist bei Zahlung von Stücklöhnen („piece-rate wages“) der Fall. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine individuell zurechenbare Erfolgsgröße [d.h. kein von Alchian/Demsetz (1972) beschriebenes „Messproblem“] existiert. 207 Lazear/Moore (1984), S. 285 ff. 208 Barth (1997), S. 505. 209 Bayo-Moriones/Galdon-Sanchez/Güell (2004).

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gungen von Managern zur Personalpolitik in ihrem Betrieb basiert210. Mitarbeiter von Unternehmen, in denen die Betriebsseniorität nach Auskunft des Personalmanagements einen wesentlichen Einfluss auf die Lohnhöhe hat, erhalten weniger häufig explizite Anreize in Form von erfolgsabhängigen Lohnbestandteilen211. Zudem gaben Manager dieser Unternehmen eine signifikant geringere Überwachungsintensität in Bezug auf ihre Mitarbeiter an212. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Zahlung von Senioritätslöhnen ein (partielles) Substitut für Überwachung und „explizite“ Arbeitsanreize darstellt. d) Sektorale Lohnunterschiede als Indiz für Effizienzlöhne? Vereinzelt wird das Phänomen sektoraler Lohnunterschiede (inter-industry wage differences)213 als Indiz für die Existenz von Effizienzlöhnen angesehen214. Unter der Annahme, dass die Lohndifferenzen vorwiegend auf branchenspezifische Überwachungskosten zurückzuführen sind, scheinen sie einen von der Effizienzlohn-Theorie prognostizierten tradeoff zwischen „Monitoring“ und Lohnhöhe zu bestätigen: Ist die Überwachung des Arbeitsinputs in bestimmten Branchen besonders teuer, bietet sich verstärkt das (Teil-)Substitut „Exzesslohn“ an. Der Rückschluss von der Existenz branchenabhängiger Lohnunterschiede auf die Zahlung von Effizienzlöhnen bleibt jedoch zweifelhaft, da ebenso eine Vielzahl alternativer Erklärungsansätze plausibel erscheint. So liegt es zunächst nahe, die Lohndifferenzen mit einer unterschiedlichen Verteilung von besonders produktiven Arbeitnehmern in den einzelnen Branchen zu erklären215. Aber auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Arbeitnehmer, die mit der Erzielung hoher Arbeitsentgelte typischerweise einhergehende Eigenschaften aufweisen, überproportional in „Hochlohn“-Branchen beschäftigt sind, verbleibt ein Großteil der Lohndifferenzen216. Auch charakteristische Unterschiede auf den einzelnen Teilarbeitsmärkten, wie etwa branchenverschiedene Organisa-

210 Dabei wurden insgesamt 734 Betriebe untersucht und 965 Interviews geführt, siehe Bayo-Moriones/Galdon-Sanchez/Güell (2004), S. 3 und S. 9. 211 Bayo-Moriones/Galdon-Sanchez/Güell (2004), S. 15. 212 Bayo-Moriones/Galdon-Sanchez/Güell (2004), S. 17. 213 So ist z. B. das Lohnniveau im Hotel- und Gastronomiegewerbe in der Regel wesentlich niedriger als in der Schwerindustrie, vgl. etwa Goux/Maurin (1999), S. 498, Table 1. 214 Krueger/Summers (1988), S. 280 f.; auch Akerlof/Katz (1990), S. 194. 215 Ein weiterer Erklärungsansatz ist die Annahme einer Konzentration von typischen „Niedriglohnempfängern“ in bestimmten Branchen. So erzielen Frauen typischerweise ein geringeres Arbeitsentgelt und sind überproportional im Dienstleistungssektor beschäftigt. 216 Krueger/Summers (1988), S. 268.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

tionsgrade der Arbeitnehmer217, vermögen die Lohndifferenzen nicht zufriedenstellend zu erklären218. Die Ableitung eines empirischen Belegs für Effizienzlöhne aus sektoralen Lohndifferenzen beruht auf der Annahme, dass Arbeitnehmer aus verschiedenen Branchen trotz identischer Produktivität unterschiedliche Löhne erzielen. Die Richtigkeit dieser Annahme lässt sich jedoch aufgrund der Schwierigkeiten, Arbeitsproduktivitäten zu bestimmen, empirisch kaum bestätigen. Dass unmeasured abilities in der Tat eine wesentliche Ursache der Lohndifferenzen darstellen können, zeigt ein Vergleich der Lohnentwicklung von Arbeitnehmern, die zwischen den Branchen wechseln. Wäre ihr Arbeitsentgelt entscheidend durch branchenspezifische Überwachungskosten determiniert, müssten bei „Branchenwechslern“ ähnliche Lohndifferenzen feststellbar sein. Dies ist jedoch nicht der Fall219. Ein weiterer Einwand ergibt sich aus der Beobachtung, dass „Niedriglohnbranchen“ ihre Arbeitskräfte überproportional aus dem Bereich der Arbeitslosen beziehen220. Dies scheint einer aufgrund von branchenabhängigen Effizienzlöhnen bestehenden Arbeitslosigkeit zu widersprechen: Wären hohe Lohnniveaus in einzelnen Branchen auf die Zahlung von „Exzesslöhnen“ zurückzuführen, müsste ein Überangebot an Arbeitskräften vielmehr in „Hochlohnbranchen“ zu erwarten sein221. Das Phänomen branchenspezifischer Lohndifferenzen scheint damit weniger Indiz für Effizienzlöhne als vielmehr Ausdruck anderer lohnbildender Faktoren zu sein, die in den Studien offenbar nur unzureichend erfasst wurden. e) Tradeoff zwischen Überwachungsintensität und Lohnhöhe? Vor dem Hintergrund branchenabhängiger Lohndifferenzen hat Neal (1993) eine explizite Untersuchung des Zusammenhangs von Lohnhöhe und Überwachungsintensität vorgenommen222. Die Studie offenbart eine tendenziell gerin217 Hierbei kann ein besseres „Rent-Sharing“ für Arbeitnehmer durch einflussreiche Gewerkschaften anzunehmen sein. 218 Dickens/Katz (1987), S. 71. 219 Goux/Maurin (1999) stellen bei Branchenwechslern lediglich Lohndifferenzen von 2–3 % fest und folgern, dass zwei Drittel der intersektoralen Lohnunterschiede auf unmessbare Produktivitätsmerkmale der (jeweils „branchentypischen“) Arbeitnehmer zurückzuführen sind, vgl. S. 494 und S. 513. 220 Murphy/Topel (1990), S. 225 f. 221 Vgl. zur diesbezüglichen „Dual Labor Market“-Theorie auch Neal (1993), S. 409. 222 Der Studie liegen Umfragen bei ca. 2.600 Privathaushalten zugrunde. Neben der Branchenzugehörigkeit ihres Arbeitsplatzes wurde die Frage gestellt, wie häufig der Vorgesetzte ihre Tätigkeit überwacht, siehe Neal (1993), S. 410.

IV. Arbeitsökonomische Erkenntnisse

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gere Überwachungsintensität bei Arbeitnehmern aus „Niedriglohnbranchen“ und steht damit in offensichtlichem Widerspruch zu den Vorhersagen der Effizienzlohn-Theorie223. Fernab einer Auseinandersetzung mit sektoralen Lohndifferenzen haben weitere Studien Beachtung erfahren, die einen tradeoff zwischen Lohnhöhe und Überwachungsintensität ermitteln. Hierbei ist zunächst die Studie von Capelli/ Chauvin (1991) zu nennen, deren Untersuchungsgegenstand ein Unternehmen mit zahlreichen Niederlassungen bildet. Obwohl sich diese in Regionen mit z. T. stark unterschiedlichen Lohnniveaus befinden, sind alle Mitarbeiter zu gleichen Arbeits- und Lohnbedingungen beschäftigt. Capelli/Chauvin (1991) zeigen nun, dass „verhaltensbedingte“ Kündigungen in „Niedriglohnregionen“ deutlich seltener ausgesprochen werden und werten diesen Umstand als Beleg für die Motivationswirkung von Effizienzlöhnen224. Hierbei gilt jedoch zu bedenken, dass sich der Aussagewert der Untersuchung zunächst darauf beschränkt, dass höhere Entlassungskosten für den Arbeitnehmer zu einem verbesserten Arbeitseinsatz führen. Die Studie lässt jedoch keine Deutung dahingehend zu, dass die Zahlung von Effizienzlöhnen ein zielgerichtetes Instrument der Personalpolitik darstellt225. Denn in diesem Fall wäre eine Differenzierung des Arbeitsentgelts nach regionalem Lohnniveau zu erwarten, um optimale Entlassungskosten für alle Beschäftigten festzulegen. Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Effizienzlohn-Theorie scheint darüber hinaus eine Studie zu liefern, in der die Entlohnung von Mitarbeitern eines Unternehmens untersucht wird, das mit einem Filialnetz und einem Franchise-System zwei parallele Vertriebskanäle aufweist226. Weil der Franchisenehmer als Betriebseigner das Residuum erhält, hat er annahmegemäß größere Anreize, seine Mitarbeiter zu überwachen als ein angestellter Filialleiter, der mit einem Festbetrag entlohnt wird. Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter im Filialnetz einer weniger intensiven Überwachung durch ihren Vorgesetzten ausgesetzt sind227. Die Studie offenbart eine höhere Entlohnung für Filialangestellte als für Mitarbeiter mit gleichem Tätigkeitsbereich im Franchise-System. Ergeben sich hieraus zwar Anhaltspunkte für einen tradeoff zwischen Lohnhöhe und Überwachungsintensität, kann der Befund dennoch nicht als überzeugender Beleg für 223

Neal (1993), S. 416. Capelli/Chauvin (1991), S. 784. 225 Dies ist die eigentliche Kernaussage der Effizienzlohn-Theorie, denn ein Tradeoff zwischen Entlassungskosten und „Shirking“ wird ebenfalls von der Theorie der „verzögerten“ Entlohnung prognostiziert. Insofern wird die Studie von Capelli/Chauvin (1991) dem selbstgesteckten Anspruch nicht gerecht, einen „direct test of the main implications of the shirking efficiency wage model“ (S. 769) darzustellen. 226 Krueger (1991), S. 75 ff. 227 Krueger (1991), S. 76. 224

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

die Effizienzlohn-Theorie angesehen werden. Naheliegender erscheint nämlich, den gefundenen Zusammenhang darauf zurückzuführen, dass der Franchisenehmer einen größeren Anreiz zur Kostensenkung hat228. Die höhere Lohnzahlung im Filialsystem erscheint dann eher ein Ergebnis unausgeschöpfter Einsparpotentiale als einer bewussten Effizienzlohnpolitik geschuldet zu sein. Ein bemerkenswertes, wenn auch wenig beachtetes Ergebnis der Studie ist die Feststellung von steileren Alters-Einkommens-Profilen bei Mitarbeitern im Filialnetz229. Diese scheinen eher Ausdruck einer anreizorientierten Lohngestaltung zu sein als die Zahlung von „Exzesslöhnen“, da eine Senioritätsentlohnung nicht durch Anreize zur Kostenminimierung zu erklären ist; die Studie scheint damit im Ergebnis sogar eher die Theorie der nachgelagerten Entlohnung zu stützen230.

V. Bewertung 1. Die Existenz spezifischer Investitionen der Arbeitnehmer Die empirischen Studien haben nur wenige Hinweise auf die Existenz von Effizienzlöhnen geliefert. Dem shirking-Problem im Arbeitsverhältnis scheint vielmehr durch zeitlich nachgelagerte Lohnzahlungen begegnet zu werden. Dafür spricht die Feststellung von „Senioritätseffekten“, deren Ausmaß offenbar von der Notwendigkeit bestimmt wird, Leistungsanreize für die Arbeitnehmer zu setzen. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass sie in Arbeitsbeziehungen, in der „asymmetrische Information“ eine untergeordnete Rolle spielt oder eine intensive Überwachung der Arbeitnehmer stattfindet, nicht bzw. weniger stark ausgeprägt auftreten231. Der beobachtete Senioritätseffekt bezog sich dabei nur auf die eigentlichen Lohnzahlungen. Bezieht man darüber hinaus sämtliche Leistungen des Arbeitgebers in die Betrachtung mit ein, ergeben sich weitere Anhaltspunkte für die 228 Dieser alternative Erklärungsansatz wird auch von Krueger (1991) in Erwägung gezogen, vgl. S. 99. Er begegnet diesem jedoch mit dem Einwand, dass die Löhne im Filialsystem nicht von den Filialleitern, sondern von „middle-level“-Managern festgelegt werden, die keinen direkten Kontakt zur Belegschaft haben. Dies überzeugt jedoch nicht: Zwar besteht für die „middle-level“-Manager damit kein Anlass, sich etwa den „Goodwill“ der Belegschaft durch „Rent Sharing“ zu erkaufen; nach wie vor fehlt es aber an einem dem Franchisenehmer vergleichbaren Anreiz zur Kostenminimierung, weil er von dieser nicht persönlich profitieren würde. 229 Krueger (1991), S. 99. 230 Damit erscheint es ebenfalls vor dem Hintergrund der angenommenen Subsidiarität von „Exzesslöhnen“ gegenüber der „verzögerten“ Entlohnung [vgl. oben A. IV. 2. c)] unwahrscheinlich, dass die höheren Lohnzahlungen im Filialsystem aus Anreizgründen erfolgen. Denn dies wäre nicht ohne weiteres einsichtig, wenn die Möglichkeit der Senioritätsentlohnung daneben offenbar besteht. 231 Vgl. oben A. IV. 4. c).

V. Bewertung

75

empirische Relevanz „verzögerter“ Entgeltzahlungen232. So ist der Umfang betrieblicher Pensionszusagen oftmals an die Höhe des letzten Gehalts gekoppelt, wodurch der Effekt von Senioritätslöhnen verstärkt wird233. Die Aussicht für Arbeitnehmer, in den Genuss einer Pensionszusage zu kommen, bleibt zudem aufgrund ihrer prinzipiellen Kündbarkeit durch den Arbeitgeber auch im Falle eines Betriebsverbleibs mit einer Unsicherheit behaftet. Es erscheint daher durchaus plausibel, betriebliche Rentenzahlungen als einen gerichtlich nicht durchsetzbaren Teil des Arbeitsentgelts zu begreifen234. Trotz der zahlreichen Anhaltspunkte dafür, dass die festgestellten Senioritätseffekte Ausdruck einer „verzögerten“ Entlohnung sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie in Teilen auf die Aneignung unternehmensspezifischer Qualifikationen zurückzuführen sind235. Senioritätslöhne werden nämlich ebenfalls von der Humankapital-Theorie prognostiziert; die Theorien unterscheiden sich diesbezüglich allein in ihrer Vorhersage zur relativen Entwicklung des Lohnes im Verhältnis zur Produktivität236. Deren äußerst problematische Bestimmbarkeit erschwert eine Entscheidung zwischen den beiden Theorieansätzen jedoch in erheblicher Weise. Dass betriebliche Ausbildungsmaßnahmen den Erwerb von spezifischen Qualifikationen beinhalten, legt eine damit einhergehende Senkung der Arbeitnehmermobilität nahe237. Senioritätslöhne ließen sich damit gleichsam als Ergebnis eines shared investment zwischen den Arbeitsvertragsparteien im Sinne der Humankapital-Theorie deuten238. Da sich auf Grundlage beider Theorieansätze eine Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer im Unternehmen ergibt239, kann eine diesbezügliche Entscheidung letztlich dahinstehen. Dies gilt umso mehr, als die Ansätze in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen und damit „nebeneinander“ Gültigkeit beanspruchen können: So mag für manche Teamproduktionen der Erwerb spezi-

232

Dies räumen auch Abraham/Farber (1987), S. 295 ein, die einen Senioritätseffekt in Bezug auf die eigentlichen Lohnzahlungen bezweifeln. 233 Dadurch wächst insbesondere die Bedeutung „später“ Lohnerhöhungen für die Arbeitsvertragsparteien, weil sie über die Dauer des kurzen (Rest-)Arbeitsverhältnisses hinaus wirken. 234 Vgl. Petersen (1992), S. 1037 f.; Allen (1993), S. 463 ff. 235 Vgl. Dilger/Frick/Speckbacher (1999), S. 35 f. Fn. 8, auch Bellmann (1986), S. 151. 236 Bei der Theorie der nachgelagerten Entlohnung wird ein mit der Betriebsseniorität steigender Quotient aus Lohn und Arbeitsproduktivität angenommen. Die Humankapitaltheorie geht hingegen davon aus, dass die Produktivität schneller als der Lohn steigt, vgl. dazu oben A. IV. 1. und A. IV. 2. a). 237 Vgl. Parent (1999), S. 313. 238 So etwa Topel (1991), S. 172 und Felli/Harris (1996), S. 867; mehrheitlich werden die Senioritätseffekte jedoch als Beleg für verzögerte Löhne interpretiert, vgl. zu dieser Einschätzung auch Dilger/Frick/Speckbacher (1999), S. 35 f. Fn. 8. 239 Vgl. oben A. IV. 3.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

fischer Qualifikationen maßgeblich sein, bei anderen die Lösung des shirkingProblems im Vordergrund stehen240. 2. Implikationen für die Leitmaxime unternehmerischen Handelns Die Empirie hat aufgezeigt, dass spezifische Investitionen der Arbeitnehmer in zwei Spielarten anzunehmen sind – entweder durch Beteiligung an den Kosten für eine unternehmensspezifische Ausbildung, oder durch ein „Pfand“ in Form temporären „Lohnverzichts“241. Unter der Annahme, dass sich die spezifischen Investitionen nicht vollständig durch Vertragsregelung ex ante absichern lassen242, ist damit auch der Arbeitnehmer als Träger von unternehmerischem Risiko anzusehen243. Dies steht im Widerspruch zu den vertragstheoretischen Grundannahmen und impliziert nach dem Prinzip der Einheit von Risiko und Kontrolle das Erfordernis, Arbeitnehmerinteressen in der Unternehmenspolitik zu berücksichtigen244. Durch die Entkoppelung des Lohnes vom Wertgrenzprodukt der Arbeit wird die Überwachung der Belegschaft ein partiell substituierbares Mittel, um shirking zu senken. Die im Falle einer interessenpluralistischen Leitmaxime zu befürchtende Minderung der Überwachungseffizienz wird durch eine Motivierung der Arbeitnehmer damit zumindest teilweise kompensiert245. Gerade der Schutz der Arbeitnehmer durch Mechanismen der Corporate Governance ermöglicht den Parteien des Arbeitsvertrags die Vereinbarung eines Arrangements, das durch eine verzögerte Entlohnung gekennzeichnet ist. Aufgrund der Entlassungskosten, die der Arbeitnehmer damit im Falle eines aufgedeckten shirking zu tragen hat, braucht die Zweckrichtung des Unternehmens nicht mehr allein in der Lösung des Überwachungsproblems zu bestehen. Hierdurch wird der Unternehmensleitung die Wahrnehmung einer Mediatorfunktion eröffnet, wodurch 240 Vgl. hierzu auch die mögliche Klassifizierung unterschiedlicher „Teamproduktionen“ bei Williamson (1985), S. 245 ff. 241 Damit wäre der Aussage von Junkes/Sadowski (1999), S. 62 zu widersprechen, dass sich für allgemeines Humankapital ein Schutzerfordernis auf Ebene der Corporate Governance – in diesem Fall durch Einräumen von Mitbestimmungsrechten – nicht begründen ließe. Wie aufgezeigt, kommt es für die Beurteilung dieser Frage nicht auf das Vorliegen spezifischer Qualifikationen, sondern auf spezifische Investitionen der Arbeitnehmer an, die auch durch Hinterlegung eines „Pfands“ beim Arbeitgeber erfolgen können, vgl. oben A. IV. 2. c). 242 Vgl. dazu A. III. 7. Auch die hohe Anzahl von Vergleichen in Arbeitsgerichtsprozessen zeigt, dass der Entlassungsgrund gerichtlich schwer nachprüfbar ist und daher auf eine einvernehmliche Lösung durch die Vertragsparteien („private ordering“) hingewirkt wird. 243 Vgl. auch Backhaus (1979), S. 253. 244 Dilger/Frick/Speckbacher (1999), S. 23. 245 Alchian/Demsetz (1972), S. 786 haben dies explizit verneint.

V. Bewertung

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das notwendige Vertrauen für die verschiedenen Teammitglieder zur Vornahme spezifischer Investitionen geschaffen wird. Eine stakeholder-orientierte Unternehmenspolitik bietet daher auch für den Fall, dass shirking und sharking in der Teamproduktion eine Rolle spielt, einen grundsätzlich zielkompatiblen Lösungsansatz. Gegen die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen im Rahmen der unternehmerischen Leitmaxime wird vielfach eingewandt, dass deren Schutz angemessener durch das Arbeitsrecht zu bewerkstelligen sei246. Diese Argumentation verkennt jedoch, dass das Schutzbedürfnis aus dem impliziten Charakter vertraglicher Ansprüche hergeleitet wird. Hieraus resultiert eine eingeschränkte Überprüfbarkeit der Vereinbarung durch Dritte, wie etwa der Gerichtsbarkeit, weshalb eine private governance structure als vorteilhaft angesehen wird247. Würde durch gesetzliche Regeln und deren gerichtliche Durchsetzung ein umfassender Schutz vor hold ups erreicht, hätten die Austauschpartner ebenso gut einen vollständigen Vertrag ex ante schließen können. Gegen eine Regelung des Stakeholder-Schutzes durch das Arbeitsrecht spricht ferner, dass hierdurch ein einheitliches Schutzniveau ohne Rücksicht auf den Grad der spezifischen Investitionen und das Überwachungsproblem im konkreten Unternehmen vorgenommen wird. Demgegenüber bietet eine Verankerung im Rahmen der unternehmerischen Leitmaxime den Vorteil eines flexiblen, auf die Bedürfnisse der einzelnen Teamproduktion zugeschnittenen Arrangements248. 3. Zwischenergebnis: Die Vorzugswürdigkeit einer interessenpluralistischen Leitmaxime Die Festlegung, welche Interessen in der Unternehmenspolitik maßgebliche Berücksichtigung finden sollen, ist auf Grundlage von Abwanderungskosten der einzelnen Ressourcengeber zu treffen – unabhängig davon, ob diese dem Unternehmen Human- oder Finanzkapital zur Verfügung stellen249. Auch Arbeitnehmern steht ein kostenloser exit regelmäßig nicht zur Verfügung. Die Ursache hierfür muss nicht allein in der Existenz spezifischer Qualifikationen liegen, sondern kann ebenfalls auf einem temporären „Lohnverzicht“ beruhen. Der Arbeitnehmer kann hierdurch glaubhaft versichern, dass er seinen 246 Mülbert/Birke (2001), S. 715; vgl. auch Bainbridge (2002), S. 428 f.; Wackerbarth (2001), S. 1744. 247 Klein (1998), S. 242; Richter/Furubotn (1999), S. 248 und S. 331. 248 Vgl. Williamson (1985), S. 245 ff., der vier Kategorien möglicher Teamproduktionen unterscheidet. So wäre im Falle einer kostenlosen Messbarkeit des Arbeitsinputs und dem Fehlen spezifischer Qualifikationen („internal spot market“) das Bedürfnis, Arbeitnehmerinteressen durch Mechanismen der Corporate Governance zu schützen, ausnahmsweise zu verneinen. 249 Vgl. Furubotn (1988), S. 167 f.

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A. Pflichtenbindung der Zielverwaltung und Corporate Governance

Informationsvorsprung in Bezug auf den tatsächlichen Arbeitsinput nicht ausnutzen wird. Hat diese Form eines bonding der Arbeitnehmer, aber auch die Relevanz von spezifischem Humankapital eine empirische Bestätigung gefunden, lässt sich eine zielmonistische Leitmaxime, die das Aktionärsinteresse zur alleinigen Richtschnur für unternehmerische Entscheidungen erhebt, nicht mehr rechtfertigen. Die Aufgabe des Unternehmens ist vielmehr darin zu sehen, den verschiedenen Teammitgliedern optimale Anreize zur Vornahme beziehungsspezifischer Investitionen zu geben250. Dem entspricht eine governance structure, die den Austauschpartnern die Vereinbarung und Durchsetzung impliziter Ansprüche ermöglicht. Das hierzu notwendige Vertrauen in die Stabilität der Austauschbeziehung und die angemessene Teilhabe am Teamoutput wird dadurch erreicht, dass die Unternehmensleitung als Mediator der unterschiedlichen Anspruchsgruppen fungiert und sich nicht als Treuhänder eines einzelnen Ressourcengebers versteht. Folgt hieraus die grundsätzliche Vorzugswürdigkeit einer stakeholder-orientierten Unternehmenspolitik, ist damit jedoch noch nicht entschieden, ob dies auch für die spezifischen Umstände der Übernahmesituation zutrifft. Die Beurteilung dieser Frage hängt wesentlich davon ab, ob feindliche Übernahmen als ein Vehikel für opportunistisches rent seeking angesehen werden können oder regelmäßig nur dazu führen, dass ein ineffizientes Management zum Wohle des gesamten Teams abgelöst wird251.

250 251

Vgl. Zingales (1998), S. 497 ff.; Williamson (1985), S. 298 ff. Dazu unten D. I.

B. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach deutschem Recht I. Die Fortgeltung der interessenpluralistischen Leitmaxime in der Übernahmesituation § 3 Abs. 3 WpÜG verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat während des Übernahmeverfahrens auf ein Handeln im „Interesse der Zielgesellschaft“. Ausweislich der Regierungsbegründung wollte der Gesetzgeber hiermit klarstellen, dass die allgemeinen aktienrechtlichen Pflichten dieser Organe auch in der Übernahmesituation fortgelten1. Nach überwiegender Auffassung sieht das Aktiengesetz in Form des sogenannten Unternehmensinteresses eine interessenpluralistische Handlungsmaxime für die Verwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft vor. Dieser Ansicht liegen verschiedene Begründungsansätze zugrunde: Vielfach wird angenommen, der Gesetzgeber wollte bei der Aktienrechtsreform 1965 die in § 70 Abs. 1 AktG 1937 vorgesehene Verpflichtung des Vorstands, „die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“, sinngemäß fortgelten lassen2. Darüber hinaus wird verschiedentlich an die in Art. 14 Abs. 2 GG verankerte Sozialpflichtigkeit des Eigentums3 sowie die gesetzliche Regelung der Mitbestimmung angeknüpft4. Teilweise wird in der Literatur hingegen eine zielmonistische Handlungsmaxime befürwortet, die allein die Interessen der Aktionäre zur Richtschnur für das Verwaltungshandeln erhebt5. Zuzugeben ist der Kritik an einer interessenpluralistischen Handlungsmaxime zunächst, dass sich den Gesetzesmaterialien ein Wille zur sinngemäßen Fortgeltung von § 70 Abs. 1 AktG 1937 nicht zweifelsfrei entnehmen lässt6. Zutref1

BT-Drucks. 14/7034 S. 35. Hopt (1993), S. 536; Mertens (1996), Rn. 16; Oechsler (2003), Rn. 21, weitere Nachweise bei Schmidt-Leithoff (1989), S. 9 Fn. 1. 3 Schmidt-Leithoff (1989), S. 169 ff.; Raiser/Veil (2006), S. 143 f. 4 Ballerstedt (1977), S. 136; vgl. auch Hopt (1993), S. 540: „Klare Wegmarken fände man nur mit der extrem-monistischen Theorie: ,Alle Macht den Aktionären‘. Diese Theorie tut sich aber nicht nur mit dem rechtlichen Faktum der Unternehmensmitbestimmung schwer [. . .].“ 5 Vgl. etwa Adams (1990), S. 243. 6 So Nussbaum (2003), S. 41 f.; Paefgen (2002), S. 48 ff. 2

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

fend ist auch, dass der Gesetzgeber des Jahres 1976 mit der Verabschiedung des Mitbestimmungsgesetzes keine materielle Änderung des Gesellschaftsrechts herbeiführen, sondern sich auf eine formale Partizipation der Arbeitnehmer beschränken wollte7. Gleichwohl vermag der Schluss, § 76 Abs. 1 AktG verpflichte den Vorstand allein auf das Aktionärsinteresse, nicht zu überzeugen, weil hierdurch dem Bedürfnis nach einer widerspruchsfreien Integration der Mitbestimmung in die Unternehmensverfassung nicht Rechnung getragen werden würde. Denn formale Legitimation und materielle Pflichtenbindung müssen sich grundsätzlich entsprechen, will man die Mandatsträger nicht einem dauerhaften Konflikt aussetzen. Ein solcher wäre jedoch gegeben, wenn man die Arbeitnehmervertreter zur exklusiven Wahrnehmung von Interessen verpflichten würde, die mit denen derjenigen Gruppe in Widerspruch geraten können, von der sie ihr Mandat erhalten haben8. Da sich die Handlungsmaxime an den Aufsichtsrat als Kollektivorgan richtet, lässt sich das beschriebene Spannungsverhältnis auch nicht dadurch auflösen, dass man einen uneinheitlichen Pflichtenmaßstab für die Vertreter der Anteilseigner und Arbeitnehmer annimmt9. Einen Ausweg bietet die Verpflichtung „auf den kleinsten gemeinsamen Nenner“, wie sie letztlich ihren Ausdruck in der Leitmaxime des „Unternehmensinteresses“ findet. Diese müsste dann auch für den Vorstand gelten, der seine Legitimation vom Aufsichtsrat ableitet10. Wäre der Gesetzgeber des Jahres 1976 von einer zielmonistischen Leitmaxime ausgegangen, müsste überraschen, dass der dann bestehende Konflikt zwischen Legitimation und Pflichtenbindung auf Seiten der Arbeitnehmervertreter im parlamentarischen Verfahren zum Mitbestimmungsgesetz keinerlei Beachtung gefunden hat. Dieser Umstand legt vielmehr nahe, dass der Gesetzgeber die Geltung einer interessenpluralistischen Leitmaxime vorausgesetzt hat, weil sich nur dann die Mitbestimmung friktionslos in die Unternehmensverfassung hätte integrieren lassen. Der Wille des Gesetzgebers, durch Schaffung des Mitbestimmungsgesetzes nur eine formale Partizipation der Arbeitnehmer ohne Änderung der materiellen Rechtslage herbeiführen zu wollen, kann vor diesem 7 In der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf wird ausgeführt, BT-Drucksache 7/2172 S. 17: „Durch den Entwurf soll die Mitbestimmung unter weitgehender Beibehaltung des geltenden Gesellschaftsrechts geregelt werden. Es ist nicht beabsichtigt, [. . .] das Unternehmensrecht umfassend neu zu gestalten.“ Gegen eine Modifizierung der unternehmerischen Leitmaxime durch das MitbestG auch Schmidt-Leithoff (1989), S. 238 ff.; Krämer (2002), S. 63. 8 Auch Krämer (2002), S. 64 sieht einen „Widerspruch zwischen materiellen Vorgaben und prozessualer Ausgestaltung der Willensbildung“, wenn man den Aufsichtsrat allein auf die Wahrnehmung der Aktionärsinteressen verpflichten würde. 9 Dass alle Mitglieder des Aufsichtsrats einem einheitlichen Pflichtenmaßstab unterliegen entspricht ganz herrschender Auffassung, vgl. Krämer (2002), S. 23, siehe auch BVerfGE 34, 103. 10 Nach allgemeiner Ansicht besteht für Vorstand und Aufsichtsrat eine identische Leitmaxime, vgl. Paefgen (2002), S. 44; Krämer (2002), S. 23.

I. Fortgeltung der interessenpluralistischen Leitmaxime

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Hintergrund nicht als Argument für die Annahme einer zielmonistischen Leitmaxime herhalten. Bedenkt man darüber hinaus, dass bereits im Betriebsverfassungsgesetz von 1952 eine Entscheidungsteilhabe der Arbeitnehmer im Sinne einer Drittelparität vorgesehen war11, lässt sich ein weiterer Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass im Zuge der Aktienrechtsreform von 1965 keine inhaltliche Änderung der unternehmerischen Leitmaxime beabsichtigt war. Denn auch wenn der Wille zur Beibehaltung nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, lässt sich den Gesetzesmaterialien jedenfalls nicht entnehmen, dass sich der Gesetzgeber bewusst war, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der oben beschriebenen Konfliktsituation auszusetzen. Gerade diese hätte man jedoch herbeigeführt, wenn man die Arbeitnehmervertreter in Abänderung der bis dato unzweifelhaften Rechtslage auf die exklusive Wahrnehmung der Anteilseignerinteressen verpflichtet hätte. Mangels entgegenstehender Anhaltspunke ist daher zu unterstellen, dass der Gesetzgeber die Kompatibilität von Unternehmenszielbestimmung und Partizipation der Arbeitnehmer durch die Aktienrechtsreform von 1965 nicht aufgeben wollte. Die in neueren Arbeiten vielfach anzutreffende Argumentationskette, aus den Gesetzesmaterialien zur Aktienrechtsreform 1965 und zur Einführung der Mitbestimmung auf die alleinige Maßgeblichkeit des Aktionärsinteresses zu schließen12, erweist sich damit bei näherer Betrachtung als nicht tragfähig. Aus dem Willen des Gesetzgebers, durch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 keine Änderung des materiellen Gesellschaftsrechts zu bewirken, ließe sich ein solcher Schluss nur dann ziehen, wenn die Änderung des § 70 AktG 1937 darauf abzielte, eine interessenmonistische Pflichtenbindung für den Vorstand einzuführen. Eine dahingehende Intention des Gesetzgebers müsste allerdings positiv dargelegt werden. Dagegen reicht es nicht aus, den Willen zur sinngemäßen Fortgeltung in Frage zu stellen, insbesondere wenn die Zweifel allein auf Ausführungen in den Gesetzesmaterialien gestützt werden, ohne eine Gesamtschau von Unternehmensverfassung und der bereits seit 1952 kodifizierten Mitbestimmung vorzunehmen13. Eine solche legt jedoch nahe, dass der bundesdeutsche 11

Vgl. § 76 BetrVG 1952 bzw. seit dem 1.7.2004 § 4 Abs. 1 DrittelbG. Vgl. Mülbert (1997), S. 148 und S. 151; Paefgen (2002), S. 46 ff. und S. 50 f.; Nussbaum (2003), S. 42 ff. und S. 46. 13 Diese angreifbare Argumentationskette zeigt sich beispielhaft bei Nussbaum (2003), S. 38 ff.: Zunächst gelangt er zur Feststellung, „daß dem § 76 AktG 1965 eine Pflicht des Vorstands, ein besonderes Unternehmensinteresse zu beachten, nicht schon aufgrund der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und der zugehörigen Begründung des Regierungsentwurfs entnommen werden kann [S. 42, Hervorhebung durch den Autor]“. Hieran schließen sich Überlegungen an, ob durch die Verabschiedung des MitbestG „eine Änderung der Vorgaben für die Leitungstätigkeit [. . .] stattgefunden hat“, S. 43. Dies wird schließlich mit Verweis auf den gesetzgeberischen Willen, „die unternehmensrechtlichen Zielbestimmungen des Aktienrechts weder neu zu definieren 12

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

Gesetzgeber kontinuierlich von einer interessenpluralistischen Leitmaxime im Aktiengesellschaftsrecht ausgegangen ist, weil nur unter dieser Voraussetzung eine fortwährende Kompatibilität von Pflichtenbindung und Mitbestimmungsregeln bestanden hätte. Schließlich ging auch der Gesetzgeber der 14. Wahlperiode von einer Bindung der Verwaltungsorgane an das „Unternehmensinteresse“ aus, als er in § 3 Abs. 3 WpÜG die aktienrechtliche Handlungsmaxime auch zum grundsätzlichen Pflichtenmaßstab in der Übernahmesituation erklärte14. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu15: „Absatz 3 stellt klar, dass auch während eines Angebotsverfahrens Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft weiterhin im Interesse des Unternehmens handeln müssen; die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichten dieser Organe werden daher durch das Gesetz nicht suspendiert. Dabei sind die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und die Interessen der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen16.“ Eine besondere Rangfolge der Partikularinteressen wird hierbei nicht vorgegeben, der Vorstand hat vielmehr auch in der Übernahmesituation für einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen einzelner Anspruchsgruppen Sorge zu tragen17. Aus dem Umstand, dass in § 3 Abs. 3 WpÜG nicht vom „Unternehmensinteresse“ die Rede ist, sondern auf das „Interesse der Zielgesellschaft“ abgestellt wird, kann nicht gefolgert werden, dass allein die Aktionärsbelange für das unternehmerische Handeln maßgeblich sind18. Denn auch § 76 Abs. 1 AktG spricht von

noch zu modifizieren“, dem „in der rein organisationsrechtlichen Konzeption des MitbestG Ausdruck verliehen wurde“, abgelehnt, S. 44. Weder wird eine Absicht des Gesetzgebers, im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 eine zielmonistische Leitmaxime einzuführen, positiv festgestellt noch ein mutmaßlicher Wille in Betracht gezogen, die Kompatibilität von Unternehmenszielbestimmung und der bereits im BetrVG 1952 kodifizierten Mitbestimmung zu erhalten. 14 Obwohl Nussbaum (2003), S. 196 ff. von der Annahme ausgeht, dass durch § 3 Abs. 3 WpÜG eine interessenpluralistische Leitmaxime statuiert wird [a. A. Schlitt (2004), Rn. 19] sieht Nussbaum (2003), S. 54 darin eine speziell übernahmerechtliche Regelung, die nicht auf das gesamte Aktienrecht übertragbar sei. Dies führt jedoch zum offenbar sinnwidrigen Ergebnis, dass den Aktionärsinteressen im Übernahmeverfahren ein geringere Bedeutung zuteil wird als nach allgemeinem Gesellschaftsrecht. Aus der Sicht derjenigen, welche die Einführung einer zielmonistischen Leitmaxime durch die Aktienrechtsreform 1965 behaupten, erscheint zudem erklärungsbedürftig, warum der Gesetzgeber der 14. Wahlperiode plötzlich von einer aktienrechtlichen Verpflichtung der Verwaltungsorgane auf das „Unternehmensinteresse“ ausgeht, ohne darin eine Abkehr zur Interpretation vorangegangener Gesetzgeber zu erblicken. 15 BT-Drucksache 14/7034 S. 35. 16 Hervorhebungen durch den Autor. 17 Eine interessenpluralistische Leitmaxime während des Übernahmeverfahrens befürworten auch Schüppen (2005), Rn. 15; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 72 f.; Baums/ Hecker (2004), Rn. 30. 18 So aber Wackerbarth (2004), Rn. 19, der nach eigenem Bekunden die Begründung nicht „ernst nimmt“, weil sich der Gesetzeswortlaut dann in eine „undefinierbare Interessenwolke“ auflösen würde.

I. Fortgeltung der interessenpluralistischen Leitmaxime

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der „Gesellschaft“ und meint damit offensichtlich nicht den „Gesellschafterverband“, weil dessen „Leitung“ durch den Vorstand keinen Sinn ergäbe19. Aber auch aus dem Eigentumsartikel des Grundgesetzes lassen sich Argumente für eine interessenpluralistische Leitmaxime gewinnen. Denn selbst wenn man eine unmittelbare Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG ablehnt20, ist zumindest eine an der Sozialpflichtigkeit des Eigentums orientierte Auslegung des § 76 Abs. 1 AktG angezeigt21. Den Verwaltungsorganen die Möglichkeit einzuräumen, im Rahmen ihres Leitungsermessens auch andere Interessen als die der Anteilseigner zu berücksichtigen, trägt diesem Erfordernis in angemessener Weise Rechnung. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht verschiedentlich betont, dass der Vorstand im Rahmen des ihm in § 76 AktG gewährten Leitungsermessens nicht verpflichtet ist, sein unternehmerisches Handeln ausschließlich an den Interessen der Aktionäre auszurichten22. Dass dabei, ebenso wie bei Urteilen des BGH, nicht durchgängig der Begriff des „Unternehmensinteresses“ verwendet wird23, dürfte angesichts der unmissverständlichen Ablehnung einer zielmonistischen Leitungsmaxime unschädlich sein. So kann etwa dem Mitbestimmungsurteil keinesfalls eine Bestätigung der „verbandsrechtlichen Konzeption“ des Aktiengesetzes entnommen werden, auch wenn diesem der Begriff des Unternehmensinteresses „fremd“ sein sollte24. Denn auch ohne Verwendung dieser Begrifflichkeit stellen die Verfassungsrichter in der Urteilsbegründung ausdrücklich fest, dass dem Leitungsorgan „die Wahrung von Interessen aufgegeben ist, die nicht notwendig diejenigen der Anteilseigner sein müssen“25. 19

Mertens (1996), Rn. 6. So etwa Nussbaum (2003), S. 49 ff.; ebenso Krämer (2002), S. 70 ff. m. w. N. 21 So auch Krämer (2002), S. 192 f.; Art. 14 Abs. 2 GG als „Auslegungshilfe“ für § 76 AktG heranzuziehen dürfte ebenfalls der vom Bundesverfassungsgericht im Mitbestimmungsurteil eingenommen Sichtweise entsprechen, nach der die Bestandsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG), der Regelungsauftrag (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) sowie die Sozialpflichtigkeit einen unlösbaren Zusammenhang bilden und daher in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen seien, ohne dass einer dieser Faktor über Gebühr verkürzte werden dürfe (BVerfGE 50, 290, 340). 22 BVerfG, Beschluss v. 20.9.1999 – 1 BvR 168/93 (veröffentlicht in: NJW 2000, 129); BVerfGE 50, 290, 343. 23 Vgl. dazu Schmidt/Leithoff (1989), S. 55 f. 24 So aber Mülbert (1997), S. 153 f., der unter der „verbandsrechtlicher Konzeption“ ein Gewinnmaximierungsziel zugunsten der Aktionäre versteht, vgl. Mülbert (1997), S. 141. 25 BVerfGE 50, 290, 343. Weiterhin stützt Mülbert (1997) seine Ansicht auf Ausführungen der Verfassungsrichter zur Zweckrichtung des MitbestG. Demnach sei durch die institutionelle Mitbestimmung eine „Kooperation und Integration“ „angestrebt“, „die eine Berücksichtigung auch anderer als der unmittelbaren eigenen Interessen erfordere[n]“ (BVerfGE 50, 290, 350). Mülbert (1997) folgert hieraus, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats „keineswegs bereits durch ein materielles Unternehmensinteresse darauf verpflichtet [sind], die Interessen der jeweils anderen Gruppe zu be20

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

Nach alledem sind berechtigte Einwände an der von Rechtsprechung und überwiegender Rechtslehre vertretenen Auffassung, dass für die Verwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft keine Verpflichtung zur ausschließlichen Wahrnehmung von Aktionärsinteressen besteht, nicht ersichtlich. Vorstand und Aufsichtsrat müssen ihr Handeln vielmehr am „Unternehmensinteresse“ ausrichten, welches die Interessen sämtlicher Anspruchsgruppen im Sinne einer stakeholderorientierten Unternehmensführung umfasst. In der Übernahmesituation gilt wegen § 3 Abs. 3 WpÜG im Grundsatz nichts anderes. Zugleich sieht jedoch § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG ein Vereitelungsverbot vor, wonach der Vorstand sämtliche Handlungen zu unterlassen hat, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Das sich hieraus für den Fall eines Übernahmeangebots, welches den Interessen des Unternehmens zuwiderlaufen würde, ergebende Spannungsverhältnis wird schließlich durch die in § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG normierten Ausnahmen zum Vereitelungsverbot aufgelöst. Bevor die Rezeption des § 33 WpÜG im juristischen Schrifttum einer kritischen Würdigung unterzogen wird, soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob sich aus dem Aktiengesetz besondere Verhaltensanforderungen für die Verwaltungsorgane in der Übernahmesituation ergeben.

II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem Aktiengesetz? Bereits vor Inkrafttreten des WpÜG wurde überwiegend eine Neutralitätspflicht26 für die Verwaltungsorgane aus dem Aktienrecht abgeleitet, wobei in-

rücksichtigen“, sondern dieser Effekt durch die Mitbestimmung lediglich „angestrebt“ werde (S. 154). Dieser Schluss beruht jedoch auf einer unpräzisen Lesart der Urteilsbegründung, denn danach werde nicht die Berücksichtigung auch anderer Gruppeninteressen durch das Mitbestimmungsgesetz „angestrebt“, sondern eine „Kooperation und Integration“. Fraglos ist zu deren Verwirklichung eine Leitungsmaxime unabdingbar, die eine Berücksichtigung verschiedenartiger Interessen erlaubt. Jedoch besteht ein qualitativer Unterschied darin, ob die Verwaltungsorgane dem Unternehmensinteresse im Rahmen ihres weiten Leitungsermessens lediglich Rechnung zu tragen haben oder die Arbeitnehmer ihre Interessen in den Leitungsgremien artikulieren können. Erst durch ihre gleichberechtigte Teilhabe am Entscheidungsprozess aber, welche eine erklärte Zielsetzung des MitbestG darstellt, wird ein entsprechender Druck zu Kooperation und Integration erzeugt. Vor diesem Hintergrund passen die o. g. Ausführungen im Mitbestimmungsurteil ohne weiteres zur Annahme, dass bereits aktienrechtlich eine interessenpluralistische Leitungsmaxime für die Verwaltungsorgane besteht. Darüber hinaus sei angemerkt, dass die Schlussfolgerung von Mülbert (1997) in offenem Widerspruch zu vorangegangenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts steht, so etwa in BVerfGE 34, 103, 112: „Ebenso können die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht lediglich als Interessenvertreter der Arbeitnehmer angesehen werden. Sie haben ebenso wie die von den Anteilseignern entsandten Mitglieder des Aufsichtsrats die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen.“

II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem AktG?

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nerhalb dieser Auffassung Einigkeit darin bestand, dass die Hauptversammlung den Vorstand von der Neutralitätspflicht befreien können soll. Auch für die heutige Rechtslage spielt die Existenz einer aktienrechtlich begründeten Neutralitätspflicht eine nicht unerhebliche Rolle27. Dies gilt zum einen für die Frage, welche Beschränkungen für den Vorstand außerhalb des Anwendungsbereichs von § 33 WpÜG bestehen, wie z. B. in Bezug auf präventive Abwehrmaßnahmen28 oder bloße Erwerbangebote, die nicht auf eine Kontrollerlangung abzielen29. Aber auch für die Auslegung des § 33 WpÜG ist die Frage von Bedeutung: Wie noch zu zeigen ist, wird im Schrifttum überwiegend eine restriktive Auslegung der dort normierten Ausnahmen zum Vereitelungsverbot vertreten, die sich teilweise auf die Annahme übernahmespezifischer Verhaltensanforderungen aus dem Aktiengesetz stützt30. Aufgrund der auch nach Inkrafttreten des WpÜG bestehenden Bedeutung verbandsrechtlicher Erwägungen soll im Folgenden eine kritische Auseinandersetzung mit den Begründungsansätzen für eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht erfolgen.

26 Die Begriffsbildung für das Verbot der Zielorgane, ein Übernahmeangebot zu vereiteln, ist nicht einheitlich. Vor Inkrafttreten des WpÜG wurde dieses Verbot überwiegend als „Neutralitätspflicht“ oder „Neutralitätsgebot“ bezeichnet. Diese Terminologie ist insbesondere nach Inkrafttreten des WpÜG vielfach als irreführend kritisiert worden, da der Vorstand keineswegs verpflichtet sei, eine neutrale Position einzunehmen, sondern vielmehr nach § 27 WpÜG eine begründete Stellungnahme zum Angebot abzugeben habe, vgl. Hirte (2003), Rn. 26; Schlitt (2004), Rn. 58. Im neueren Schrifttum wird daher überwiegend auf die Bezeichnung „Neutralitätspflicht“ verzichtet und stattdessen die Begriffe „Vereitelungsverbot“ oder „Verhinderungsverbot“ verwendet. Im Folgenden werden die Begriffe „Neutralitätspflicht“ und „Vereitelungsverbot“ synonym verwendet. 27 Vgl. etwa Möslein (2007), S. 559 f., der annimmt, dass § 33 WpÜG die übernahmerechtlichen Verhaltenspflichten für den Vorstand nicht abschließend regelt, sondern aktienrechtliche Verhaltensstandards weiterhin zu beachten sind. 28 Vgl. dazu Hopt (2002), S. 425. 29 Vgl. dazu Tröger (2002), S. 402. 30 Hierbei ist insbesondere die Versagung des weiten Ermessensspielraums nach der sog. ARAG-Rechtsprechung durch die h. M. zu nennen, wenn sich der Vorstand auf eine Ausnahme vom Vereitelungsverbot nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG berufen will, vgl. dazu unten B. III. 4.; ferner wird vereinzelt eine Sperrwirkung des § 33 Abs. 2 WpÜG in Bezug auf das Ausnutzen von delegierten Hauptversammlungskompetenzen in der Übernahmesituation mit aktienrechtlichen Erwägungen begründet, vgl. etwa Bayer (2002), S. 613 ff., siehe unten B. III. 6. Eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielt, dass die ersten Entwürfe für ein Übernahmegesetz noch vom Bestand einer aktienrechtlichen Neutralitätspflicht und insofern von der bloßen Normierung einer ohnehin bestehenden Rechtslage ausgegangen sind [vgl. Drygala (2001), S. 1866; Schlitt (2004), Rn. 52; BT-Drucks. 14/7034 S. 57], bevor der übernahmespezifische Handlungsspielraum im parlamentarischen Verfahren schließlich eine wesentliche Erweiterung erfahren hat, die einem Paradigmenwechsel gleichkam, vgl. hierzu Röh (2005), Rn. 9.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

1. Reduktion des Leitungsermessens bei Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises? Vielfach wird eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht aus der Annahme abgeleitet, für den Vorstand bestehe ein Verbot, Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen31. Ob dem Aktiengesetz ein derartiger Grundsatz entnommen werden kann32, erscheint jedoch fraglich, da dieses an verschiedenen Stellen eine gestaltende Rolle der Unternehmensführung in Bezug auf den Aktionärskreis anerkennt: Beispielsweise kann der Vorstand unter den Voraussetzungen des § 203 Abs. 2 AktG eine gezielte Platzierung junger Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts vornehmen. Zudem fällt die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Aktien nach § 68 Abs. 2 S. 2 AktG grundsätzlich in die Kompetenz des Vorstands33. Aufgrund der in § 76 Abs. 1 AktG statuierten Leitungskompetenz des Vorstands, die im Grundsatz sämtliche unternehmensstrategischen Entscheidungen umfasst, könnte ein Verbot zur Beeinflussung des Aktionärskreises nur dann bestehen, wenn diesem eine Bedeutung für das Gesellschaftsinteresse generell abzusprechen wäre34. Denkbar sind jedoch zahlreiche Konstellationen, in denen sich ein bestimmtes Unternehmenskonzept vom Vorstand nur verwirklichen lässt, wenn er unmittelbar in die Aktionärsstruktur eingreift. Hierzu zählt etwa das Eingehen strategischer Allianzen durch den Aufbau wechselseitiger Beteiligungen oder der Zukauf eines Unternehmens, der nicht mit liquiden Mitteln, sondern nur unter Einsatz eigener Aktien als „Akquisitionswährung“ finanziert 31 Mertens (1996), Rn. 26; Assmann/Bozenhardt (1990), S. 112; Hopt (2000), S. 1376; Drygala (2001), S. 1866; Schanz (2000), S. 340. 32 Dies verneinend Maier-Reimer (2001), S. 259. 33 Vgl. dazu Hens (2004), S. 125. Koch (2001) sieht dagegen wegen der Notwendigkeit eines zustimmenden Aktionärsbeschlusses zur Vinkulierung die Existenz des § 68 Abs. 2 AktG „eher als Argument für eine Neutralitätspflicht“, S. 33. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Neutralitätspflicht ein Entzug originärer Vorstandskompetenzen bedeutet. Die für vinkulierte Aktien grundsätzlich angeordnete Zustimmungskompetenz des Vorstands erweitert jedoch dessen Handlungsrahmen auf Kosten der Aktionäre. Dass dies nicht ohne Zustimmung der betroffenen Aktionäre erfolgen kann, ist letztlich Ausfluss der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Anders als bloße Abwehrmaßnahmen, die eine Veräußerungsmöglichkeit nur in tatsächlicher Hinsicht beeinträchtigen können, gibt die Vinkulierung dem Vorstand die Möglichkeit, die Übertragung rechtlich zu verhindern, was sich aus der Sicht des Aktionärs als ein von Verfassungs wegen bedenkliches Veräußerungsverbot darstellen kann. Eine einmal beschlossene Vinkulierung gibt dem Vorstand damit ein weitaus effektiveres Mittel an die Hand, Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen, als dies durch die Gestattung von Abwehrmaßnahmen im Rahmen seiner Leitungsmacht der Fall sein könnte. Aus § 68 Abs. 2 AktG lässt sich daher für eine Einschränkung der unternehmerischen Leitungsmacht in der Übernahmesituation nichts gewinnen, wie hier Paefgen (2002), S. 338. 34 Vgl. Paefgen (2002), S. 345, der insoweit vom „unternehmenspolitisch-strategischen Primat des Vorstands“ spricht.

II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem AktG?

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werden kann. Auch stellt die gezielte Platzierung eigener Aktien an ausländischen Börsenplätzen eine grundsätzlich zulässige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands dar35. In all diesen Fällen nimmt der Vorstand gezielt Einfluss auf die Aktionärsstruktur, indem er die Altaktionäre vom Bezug junger Aktien ausschließt. Selbst wenn man aber die Auffassung vertreten sollte, dass es aus Sicht der Gesellschaft stets unbeachtlich ist, in welchen Händen sich das Aktienkapital befindet36, ließe sich hieraus nicht ohne weiteres eine Neutralitätspflicht für den Vorstand folgern. Denn die Wirkungen eines erfolgreichen Übernahmeangebots erschöpfen sich nicht in einem personellen Austausch des Aktionärskreises, sondern bedeuten für die Zielgesellschaft darüber hinaus eine Konzentration der Anteilsstruktur. Schon im Hinblick darauf, dass der Anteil des Streubesitzes („Free Float“) ein maßgebliches Kriterium für die Aufnahme bzw. den Verbleib in bestimmten Aktienindizes bildet37, kann die Aktionärsstruktur schlechterdings als ein generell unerheblicher Faktor für die Gesellschaft angesehen werden. Sofern man mit der herrschenden Meinung die Geltung einer interessenpluralistischen Leitmaxime annimmt, ließe sich eine Relevanz der Aktionärsstruktur für das Gesellschaftsinteresse überdies dann begründen, wenn mit der Anteilskonzentration die Gefahr einer Umverteilung zu Lasten der übrigen Stakeholder einhergeht38. Abseits der dogmatischen Unzulänglichkeiten ist schließlich anzumerken, dass die Reichweite der Neutralitätspflicht, wie sie von den Befürwortern einer aktienrechtlichen Fundierung ganz überwiegend angenommen worden ist, nicht mit der dargestellten Herleitung in Einklang zu bringen ist39: Denn die Suche nach einem weißen Ritter soll zulässig sein, obwohl ein hierauf gerichtetes Handeln des Vorstands unzweifelhaft auf eine Veränderung der Aktionärskreises abzielt.

35

Nussbaum (2003), S. 73. So Hirte (1986), S. 43 f.; ihm folgend Wackerbarth (2004), Rn. 37; dagegen explizit Paefgen (2002), S. 342 ff. 37 Die Aufnahme bzw. der Verbleib in einem Aktienindex richtet sich nach dem Umsatz des Unternehmens und seiner Marktkapitalisierung. Im Juni 2002 hat die Deutsche Börse die Indexberechnung auf eine sog. Freefloat-Gewichtung umgestellt. Für die Bestimmung der Marktkapitalisierung eines Unternehmens ist demzufolge nur noch die Anzahl der im Streubesitz befindlichen Anteile von Bedeutung. 38 Vgl. dazu D. I. 39 Kirchner (2000b), S. 1825; vgl. auch Weisner (2000), S. 145; Merkt (2001), S. 248 f. 36

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

2. Neutralitätspflicht für den Vorstand aufgrund seiner Treuhänderstellung? Zur Herleitung einer Neutralitätspflicht wird zudem auf die Funktion des Vorstands als Wahrer fremder Interessen verwiesen40. In rechtsdogmatischer Hinsicht liegt diesem Begründungsansatz eine teleologische Reduktion des in § 76 AktG niedergelegten Leitungsermessens zugrunde, deren Notwendigkeit in der Regel aus einer Prinzipal-Agenten-Betrachtung der Aktiengesellschaft gefolgert wird41. Dass der Vorstand als Agent handelt, seinen unternehmerischen Ermessensspielraum also nicht zur Verfolgung eigennütziger Motive ausnutzen darf, dürfte unbestritten sein42. Nicht hinreichend Beachtung findet dabei jedoch die Frage, wer als Prinzipal im Unternehmen anzusehen ist bzw. bei normativer Betrachtung sein sollte43. Unerheblich wäre diese Fragestellung nur dann, wenn die Abwehr von Übernahmeangeboten allein den Interessen des Managements dienen würde. Angesichts der negativen Auswirkungen, die erfolgreiche Übernahmen auf verschiedene Stakeholder-Gruppen, etwa Arbeitnehmer oder Fremdkapitalgeber, haben können44, wäre eine solche Behauptung zumindest in ihrer Allgemeingültigkeit unhaltbar. Damit aber ließe sich eine Neutralitätspflicht aus der Treuhänderstellung des Vorstands allenfalls dann begründen, wenn ihm die Wahrnehmung dieser Stakeholder-Interessen verwehrt bliebe, er mithin allein dem Aktionärsinteresse verpflichtet wäre. Wie bereits dargelegt, gilt jedoch für die Verwaltungsorgane im Aktienrecht eine interessenpluralistische Leitmaxime45. Eine Neutralitätspflicht des Vorstands, die allein auf das Interesse der Aktionäre abstellt, ungestört über die Annahme des Angebots entscheiden zu können, ist hiermit nicht in Einklang zu bringen46.

40 Hopt (1993), S. 546 f.; Drygala (2001), S. 1866; Dimke/Heiser (2001), S. 248 f.; Maier-Reimer (2001), S. 260: „Als Verwalter fremden Vermögens darf der Vorstand dieses Vermögen nicht gegen die Interessen der Vermögensträger einsetzen.“ 41 Vgl. etwa Dimke/Heiser (2001), S. 248 f.; Hopt (1993), S. 541. 42 Hopt (1993), S. 538; Schwennicke (2002a), Rn. 26. 43 Zu Recht weist Kirchner (2000b), S. 1824 darauf hin, dass zur Bestimmung der angemessenen Vorstandspflichten im Übernahmeverfahren zunächst eine Klärung erforderlich ist, wer unter ökonomischen Gesichtspunkten als Prinzipal anzusehen ist. In Betracht käme dabei auch eine Verpflichtung auf die Interessen mehrerer Prinzipale, wie es dem geltenden Aktienrecht entspräche, vgl. S. 1825. 44 Kirchner (2000b), S. 1822; Nussbaum (2003), S. 79; siehe dazu insbesondere D. I. 45 Siehe oben B. I. 46 Kirchner (2000b), S. 1824 f.; Nussbaum (2003), S. 79.

II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem AktG?

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3. Neutralitätspflicht aufgrund des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes? Teilweise wird eine Neutralitätspflicht des Vorstands auf den in § 53a AktG normierten Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt47. Dieser Begründungsansatz erweist sich schon deshalb als untauglich, weil das Bestehen einer Neutralitätspflicht damit an den sachlich kaum zu rechtfertigenden Umstand geknüpft würde, dass der Bieter bereits Aktionär der Zielgesellschaft ist48. Denn ausweislich seiner Stellung im Dritten Teil des Aktiengesetzes regelt § 53a AktG das Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern, setzt also eine Mitgliedschaft des Begünstigten voraus. Auch ließe sich mit der vorgeschlagenen dogmatischen Fundierung allenfalls eine umfassende Neutralitätspflicht der Zielgesellschaft, jedoch keine auf die Verwaltungsorgane beschränkten Verhaltensanforderungen begründen. Denn das Gleichbehandlungsgebot richtet sich an sämtliche Organe der Aktiengesellschaft49. Würde man demnach in jeder Abwehrmaßnahme stets auch einen Verstoß gegen § 53a AktG sehen, müssten einzelne Aktionäre gleichsam von der Hauptversammlung eine Neutralität einfordern können, etwa dergestalt, dass einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsauschluss die erforderliche Zustimmung zu verweigern wäre. Unter den Befürwortern einer aktienrechtlichen Neutralitätspflicht wird jedoch einhellig die Auffassung vertreten, dass Abwehrmaßnahmen nicht per se unzulässig sind, sondern lediglich einer Zustimmung der Aktionärsmehrheit bedürfen. Als typisches Minderheitenrecht lässt sich das Recht auf Gleichbehandlung aber nicht zur Disposition der Mehrheit stellen50. Schließlich verbietet § 53a AktG nur eine Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung. Eine solche kann sich jedoch aus dem Interesse der Gesellschaft ergeben, welches der Vorstand im Rahmen seines Leitungsermessens zu definieren hat. Damit stellt sich auch in diesem Zusammenhang letztlich die – unter B. II. 1. bereits bejahte – Frage, ob der Vorstand im Rahmen seiner Pflichtenbindung zur Einwirkung auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises berechtigt sein kann51. Demnach lassen sich aus dem Gleichbehandlungsgebot, selbst wenn man es kapitalmarktrechtlich verstehen wollte, unmittelbar keine generellen Verhaltensanforderungen für die Verwaltungsorgane einer Zielgesellschaft herleiten52.

47 48 49 50 51 52

Mertens (1996), Rn. 18; Michalski (1997), S. 159; Schanz (2000), S. 340. Hopt (1993), S. 546; Merkt (2001), S. 247. Hüffer (2008), § 53a Rn. 4. Maier-Reimer (2001), S. 260. Paefgen (2002), S. 340; Nussbaum (2003), S. 76. Nussbaum (2003), S. 76.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

4. „Holzmüller“-Kompetenz für die Hauptversammlung? Vereinzelt wurde für Abwehrmaßnahmen eine generelle „Holzmüller“-Kompetenz der Hauptversammlung angenommen, weil hierdurch stets auch ein Eingriff in die individuellen Vermögensinteressen der Aktionäre erfolge53. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Annahme einer „Holzmüller“-Kompetenz einen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs voraussetzt, der bei Abwehrmaßnahmen nicht losgelöst von ihrer konkreten Ausgestaltung unterstellt werden kann. Denn diese betreffen generell nur das Interesse des Aktionärs am Verkauf seiner Anteile zu den besonderen Angebotsbedingungen des Bieters. Dieses Interesse ist jedoch nicht durch das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs vermittelt, sondern folgt allein aus dessen Position als Kapitalmarktteilnehmer54. Durch die „Holzmüller“-Rechtsprechung werden Vermögensinteressen der Aktionäre aber nur insoweit geschützt, als sie Bestandteil ihrer Verwaltungsrechte sind wie beispielsweise das Recht auf Gewinnverwendung55. Hingegen ist dem Aktiengesetz ein aus der Mitgliedschaft fließendes Recht des Aktionärs auf Realisierung einer angebotenen Kontrollprämie fremd56. Sofern man auch die Beendigung der Mitgliedschaft als einen geschützten Teil des Verwaltungsrechts verstehen will, wird diesem Interesse bereits durch die Veräußerungsmöglichkeit zu dem am Aktienmarkt gebildeten Kurswert genüge getan. Demzufolge kann eine „Holzmüller“-Kompetenz nur angenommen werden, wenn die Abwehrmaßnahme im Einzelfall einen tiefen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre bedeutet; allein aufgrund des angebotsvereitelnden Charakters folgt hingegen keine Zuständigkeit der Hauptversammlung für eine außerhalb der Übernahmesituation unbestritten als Geschäftsführungsmaßnahme zu qualifizierende Handlung des Vorstands57. Ebenfalls eine Überdehnung des kapitalmarktrechtlichen Aktionärsschutzes liegt der vereinzelt geäußerten Ansicht zugrunde, dass die Entscheidung über 53

Mülbert (1999a), S. 88; Dimke/Heiser (2001), S. 251; Ekkenga (2003), Rn. 64. Vgl. Ekkenga (2003), Rn. 11, der dessen ungeachtet eine generelle „Holzmüller“Kompetenz für Abwehrmaßnahmen bejaht. 55 Dementsprechend sieht Hüffer (2003) den Zweck der „Holzmüller“-Rechtsprechung in der Absicherung der Gewinnverwendungszuständigkeit der Hauptversammlung, S. 288. 56 Paefgen (2002), S. 350. 57 Als Argument für eine generelle „Holzmüller“-Kompetenz hat Mülbert (1999a), S. 88 zudem angeführt, dass Abwehrmaßnahmen, die die Unabhängigkeit der Gesellschaft erhalten und das Eingreifen von § 311 AktG verhindern sollen, eine positive Bestätigung des Verbandszwecks darstellen, die in dem Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung falle. Diese Argumentation ist in der Literatur zu Recht auf breite Ablehnung gestoßen, siehe Paefgen (2002), S. 349; Nussbaum (2003), S. 85; Hens (2004), S. 123. 54

II. Übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem AktG?

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die Annahme eines Angebots eine autonome Deinvestitionsentscheidung der Aktionäre darstelle und daher der verbandsrechtlichen Sphäre entzogen sei58. Die Deinvestitionsfreiheit umfasst als geschütztes „Eigentümerinteresse“ des Aktionärs nur die rechtliche Befugnis zur Veräußerung seiner Anteile, die durch Abwehrmaßnahmen jedoch nicht betroffen wird59. Denn diese zielen nur auf die Vereitelung einer bestimmten Veräußerungschance in tatsächlicher Hinsicht ab; außerhalb einer Vinkulierung kann dem Aktionär ein Verkauf seines Anteils – auch an den Bieter – vom Vorstand hingegen nicht untersagt werden. Als strategische Geschäftführungsmaßnahmen sind Abwehrhandlungen von der Leitungskompetenz des Vorstands gedeckt und somit Ausdruck der aktienrechtlichen Zuständigkeitsverteilung, der sich der Aktionäre durch den Kauf seines Anteils unterworfen hat60. Darüber hinaus vermag die Behauptung, die Möglichkeit zur Annahme eines Übernahmeangebots stelle eine autonome Deinvestitionsentscheidung des Aktionärs dar, keine Neutralitätspflicht im Sinne einer bloßen Kompetenzverlagerung vom Vorstand auf die Hauptversammlung zu begründen. Denn will man den korporativen Zusammenhang der Aktionäre vollständig ausblenden, müsste konsequenterweise auch eine Abwehrkompetenz der Hauptversammlung verneint werden; es wäre nicht einsichtig, warum eine individuelle Verkaufsentscheidung durch einen Mehrheitsbeschluss der übrigen Anteilseigener vereitelt werden dürfte. 5. Neutralitätspflicht zur Sicherstellung eines funktionsfähigen „Markts für Unternehmenskontrolle“? Während die vorgenannten Begründungsversuche an das geltende Recht anknüpfen, wurde teilweise eine Neutralitätspflicht auch auf die rechtspolitische Erwägung gestützt, dass hierdurch die Funktionsfähigkeit des Markts für Unternehmenskontrolle gefördert und damit eine effizientere Verwendung der Unternehmensressourcen erreicht werde61. Abgesehen von der Frage nach ihrer empirischen Absicherung vermag diese Argumentation nur zu überzeugen, wenn eine Beeinträchtigung von Stakeholder-Interessen durch Übernahmen ausgeschlossen werden kann62. Fehlt es an 58 So Tröger (2002), S. 401; auch Hopt (2000), S. 1376, der in der Vereitelung der Deinvestitionsentscheidung die Eigentümeriunteressen der Aktionäre betroffen sieht; Diregger/Winner (2002), S. 1589: „Eigentümer der Aktiengesellschaft sind die Aktionäre; daher steht ihnen die Entscheidung über Erwerb und Verkauf ihrer Anteile zu“. 59 Vgl. Nussbaum (2003), S. 84. 60 Paefgen (2002), S. 344. 61 Adams (1990), S. 243 ff.; Hopt (1993), S. 547; Dimke/Heiser (2001), S. 255 f. und S. 258; in diese Richtung auch Oechsler (2003), Rn. 22. 62 Vgl. dazu D. I. 3.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

einem allgemeingültigen Erfahrungssatz dieser Art, kann die Ergreifung von Abwehrmaßnahmen einer Einzelfallentscheidung des Vorstands nicht entzogen werden, wenn man den Grundsatz der interessenpluralistischen Leitungsmaxime nicht außer Kraft setzen will. Jedenfalls kann auf einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für eine derartige Ausnahme nicht verzichtet werden. 6. Zwischenergebnis: Keine übernahmespezifischen Verhaltensanforderungen für Verwaltungsorgane aus dem Aktiengesetz Die Begründungsansätze für eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht können nicht überzeugen. Für die Verwaltungsorgane einer Aktiengesellschaft, die Ziel eines Übernahmeangebots geworden ist, ergeben sich demzufolge keine spezifischen Vorgaben aus dem Aktiengesetz63. Vielmehr verbleibt es insoweit bei der Geltung der §§ 76, 93 AktG, die dem Vorstand bei seiner Verpflichtung, das Unternehmensinteresse zu wahren, einen weiten Ermessensspielraum einräumen. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 33 WpÜG stehen dem Vorstand damit sämtliche aktienrechtlich zulässigen Maßnahmen zur Verfügung, ohne dass sich aus deren Geeignetheit, die Erfolgsaussicht eines feindlichen Angebots vereiteln zu können, Restriktionen ergeben. Einschränkungen der Leitungsmacht in der Übernahmesituation können sich demzufolge allein aus den Vorschriften des WpÜG ergeben. Im Folgenden soll der Handlungsrahmen untersucht werden, der den Verwaltungsorganen der Zielgesellschaft durch § 33 WpÜG gewährt wird.

III. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung gemäß § 33 WpÜG 1. Der Norminhalt im Überblick § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG untersagt dem Vorstand sämtliche Handlungen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Dieses umfassende, allein auf die objektive Geeignetheit der Maßnahme abstellende Vereitelungsverbot verfolgt ausweislich der Gesetzesbegründung den Zweck, eine autonome Entscheidung der Aktionäre als Adressaten des Angebots sicherzustellen64. Der zeitliche Anwendungsbereich des übernahmerechtlichen Vereitelungsverbots erstreckt sich von der publizierten Entscheidung, ein Angebot abzugeben, bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses, welche gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 63 So auch Hens (2004), S. 135 f.; Kirchner (2000b), S. 1829; Wiese/Demisch (2001), S. 849; Weisner (2000), S. 144. 64 Vgl. BT-Drucks. 14/7034 S. 57.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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WpÜG unverzüglich nach Ablauf der Annahmefrist durch den Bieter zu erfolgen hat. In sachlicher Hinsicht beschränkt sich § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG nach zutreffender Meinung auf Übernahmeangebote65. Dies sind nach der Legaldefinition des § 29 WpÜG Angebote, welche die Kontrolle der Zielgesellschaft bezwecken, d.h. der typisierten Betrachtungsweise des Abs. 2 gemäß auf das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte gerichtet sind. Vereinzelt wird eine – zumindest analoge – Anwendung des Vereitelungsverbots auf sonstige Angebote befürwortet66. Gestützt wird diese Ansicht auf die unterschiedliche Begriffsverwendung innerhalb des § 33 WpÜG, der nur in Absatz 2 von Übernahmeangeboten spricht67. Zudem sei es widersprüchlich, dem Vorstand in Bezug auf sonstige Angebote mehr Verteidigungsmöglichkeiten an die Hand zu geben als im Fall einer beabsichtigten Kontrollerlangung68. Zu bedenken ist jedoch, dass der Gesetzgeber durch das Vereitelungsverbot dem Interessenkonflikt auf Seiten des Vorstands Rechnung tragen wollte, der im Falle einer erfolgreichen Übernahme um seine Position fürchten muss69. Diese Sorge besteht aber nur im Falle einer Kontrollerlangung durch den Bieter, so dass die alleinige Anwendbarkeit des Vereitelungsverbots auf Übernahmeangebote eine sachgerechte Entscheidung darstellt. Dieses Anliegen hat der Gesetzgeber durch die systematische Stellung des § 33 im 4. Abschnitt des WpÜG („Übernahmeangebote“) zudem hinreichend zum Ausdruck gebracht70. Demgegenüber fällt die unterschiedliche Begriffsverwendung innerhalb der Norm nicht ins Gewicht; schließlich wird auch an anderer Stelle des 4. Abschnitts vom „Angebot“ gesprochen, wobei die alleinige Geltung für Übernahmeangebote unstreitig ist71. Das Vereitelungsverbot erfährt durch die Ausnahmetatbestände des Abs. 1 S. 2 schließlich eine weitreichende Relativierung: Hiernach sind Handlungen ausgenommen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte (Alt. 1). Darüber hinaus ist dem Zielvorstand die Suche nach einem konkurrierenden Angebot gestattet (Alt. 2), und er darf Handlungen vornehmen, denen der Aufsichtsrat zugestimmt hat (Alt. 3). Schließlich besteht nach § 33 Abs. 2 WpÜG die Möglichkeit, dass die Hauptversammlung zu Abwehrzwecken im Vorfeld eines Übernahmeangebots Kompetenzen an den Vorstand 65 Thaeter/Brandi (2003), Rn. 309; Steinmeyer (2007), Rn. 11; Schlitt (2004), Rn. 81. 66 Hirte (2003), Rn. 30 f.; Grunewald (2004), Rn. 15. 67 Hirte (2003), Rn. 30. 68 Hirte (2003), Rn. 31. 69 Vgl. BT-Drucks. 14/7034 S. 57. 70 Schlitt (2004), Rn. 81. 71 Vgl. § 31 Abs. 4 WpÜG. Dies wird auch von Hirte (2003), Rn. 31 Fn. 64 eingeräumt.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

überträgt. Eine solche „Vorratsermächtigung“ ist mit satzungsändernder Mehrheit zu beschließen und kann höchstens für einen Zeitraum von 18 Monaten erteilt werden. Will der Vorstand hiervon in der Übernahmesituation Gebrauch machen, ist er auf die Zustimmung des Aufsichtsrats angewiesen. 2. Vereitelungsverbot für den Aufsichtsrat bei initiativem Verwaltungshandeln? Obwohl der Aufsichtsrat in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG keine Erwähnung findet, soll er nach ganz überwiegender Meinung zumindest dann dem Vereitelungsverbot unterliegen, wenn er ausnahmsweise als Verwaltungsorgan initiativ tätig wird72. Dies betrifft mit der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG) sowie der Festlegung ihrer Vergütung (§§ 86, 87 AktG) für den Ausgang des Übernahmeverfahrens durchaus nicht unwesentliche Maßnahmen. Begründet wird diese Auffassung damit, dass der Aufsichtsrat noch im Regierungsentwurf explizit vom Vereitelungsverbot erfasst war und dessen Herausnahme im Zusammenhang mit der in Abs. 1 S. 2 neu eingefügten Alt. 3 zu sehen sei, der angebotsvereitelnde Maßnahmen des Vorstands bei Zustimmung des Aufsichtsrats für zulässig erklärt. Erforderlich wurde damit aber allein die Befreiung des Aufsichtsrats vom Vereitelungsverbot, wenn dieser als Kontrollorgan tätig wird; dass Initiativhandlungen nunmehr ebenfalls ausgenommen sein sollen, beruhe insofern auf einem „Versehen“ des Gesetzgebers73. Diese Sicht hätte zur Folge, dass vereitelungsgeeignete Verwaltungsmaßnahmen des Aufsichtsrats stets unzulässig wären, wenn sie aus Anlass des Übernahmeangebots ergriffen werden und damit auch nicht von § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG gedeckt sind. Der Zielgesellschaft würden damit bestimmte, aktienrechtlich zulässige Maßnahmen in der Übernahmesituation nicht zur Verfügung stehen. Dies entsprach jedoch zu keinem Zeitpunkt dem Anliegen des Gesetzgebers, der stets nur eine übernahmerechtliche Kompetenzordnung, nicht aber eine – auch nur partielle – Neutralitätspflicht der Zielgesellschaft schaffen wollte. Der Regierungsentwurf sah noch vor, dass die Hauptversammlung Vorstand und Aufsichtsrat vom Vereitelungsverbot befreien konnte74. Der Zielgesellschaft verblieb damit im Grundsatz die Möglichkeit, Verwaltungsmaßnahmen, die in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fallen, als Abwehrmittel einzu72 Schlitt (2004), Rn. 64; Hirte (2003), Rn. 49; Ekkenga (2003), Rn. 24; Zech (2003), S. 176; Grunewald (2004), Rn. 16; a. A. Krause/Pötzsch (2005), Rn. 78; Möslein (2007), S. 492. 73 Ekkenga (2003), Rn. 24. 74 § 33 Abs. 1 S. 1 RegE WpÜG war wie folgt gefasst: „Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bedürfen Handlungen des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte, der Ermächtigung der Hauptversammlung.“

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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setzen. Dadurch, dass die grundsätzliche Abwehrkompetenz der Aktionäre im parlamentarischen Verfahren schließlich aufgegeben wurde75, sollte die Abwehrbereitschaft der Zielgesellschaft jedoch keinesfalls geschwächt werden. Vor diesem Hintergrund war die Befreiung des Aufsichtsrats vom Vereitelungsverbot nicht nur deshalb geboten, um ein Leerlaufen des mit Alt. 3 eingefügten Ausnahmetatbestands zu verhindern. Es galt auch, das Entstehen eines Kompetenzvakuums in der Zielgesellschaft nach Wegfall der Abwehrzuständigkeit der Hauptversammlung zu vermeiden, welches mangels Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 AktG auf Handlungen des Aufsichtsrats76 auch nicht durch Vorlage an die Aktionäre überwunden werden kann. Beide Zwecke lassen sich nur durch eine vollständige Herausnahme des Aufsichtsrats vom Vereitelungsverbot erreichen. Dass dies keine explizite Erwähnung in den Gesetzesmaterialien gefunden hat, ist angesichts des klaren Wortlauts in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG unschädlich, zumal dem Aktienrecht eine funktionale Interpretation des Begriffs „Vorstand“ fremd ist77. Schließlich steht eine Privilegierung von Abwehrmaßnahmen des Aufsichtsrats auch im Einklang mit seiner herausgehobenen Stellung in der Übernahmesituation, die der Gesetzgeber durch die übernahmespezifische Kompetenzerweiterung in § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 und Abs. 2 S. 4 WpÜG zum Ausdruck gebracht hat78. Demzufolge besteht entgegen ganz überwiegender Auffassung ein Vereitelungsverbot für den Aufsichtsrat auch dann nicht, wenn dieser ausnahmsweise 75 Teilweise wird trotz der Änderungen im parlamentarischen Verfahren weiterhin eine grundsätzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Entscheidung über Abwehrmaßnahmen angenommen, vgl. Röh (2005), Rn. 77. Die Hauptversammlung könnte demnach die Verwaltungsorgane nach wie vor vom Vereitelungsverbot befreien, so Grunewald (2004), Rn. 61; Nussbaum (2003), S. 145 ff.; a. A. Schlitt (2004), Rn. 206; Ekkenga (2003), Rn. 77; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 211. Gestützt wird diese Auffassung insbesondere auf die Möglichkeit der Hauptversammlung zu Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG, vgl. Röh (2005), Rn. 77; Nussbaum (2003), S. 146. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Anwendbarkeit der Norm im parlamentarischen Verfahren ausdrücklich auf Maßnahmen beschränkt wurde, „die in die (aktienrechtliche) Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“. Auch der Verweis von Röh (2005), Rn. 77, dass der BGH bei „Holzmüller“-Sachverhalten von einer besonderen Zuständigkeit der Hauptversammlung ausgehe, vermag nicht zu überzeugen, da Abwehrmaßnahmen keinesfalls per se eine „Holzmüller“-Kompetenz begründen, vgl. oben B. II. 4. 76 Vgl. Hüffer (2008), § 119 AktG Rn. 13. 77 Vor diesem Hintergrund obliegt es vielmehr der Gegenauffassung, einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers darzulegen, dass der Zielgesellschaft Verwaltungsmaßnahmen, die ausnahmsweise in die Kompetenz des Aufsichtsrats fallen, zu Abwehrzwecken nicht zur Verfügung stehen sollen. 78 Vgl. auch Möslein (2007), S. 492, der zutreffend darauf hinweist, dass es für eine analoge Anwendung des Vereitelungsverbots auf den Aufsichtsrat an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, da der Gesetzgeber mit Einfügen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Aufsichtsrat in der Übernahmesituation als weniger befangen einstuft.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

als Verwaltungsorgan initiativ tätig wird. Dies bedeutet selbstverständlich kein Freibrief für den Aufsichtsrat, der auch in der Übernahmesituation an die Beachtung des Unternehmensinteresses gebunden bleibt (§ 3 Abs. 3 WpÜG). 3. Der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG Vom Vereitelungsverbot nimmt § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG Handlungen aus, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft vorgenommen hätte, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist. Nach verbreiteter Auffassung soll es dabei auf eine Kausalbeziehung zwischen Angebot und Vorstandshandeln nicht ankommen, sondern vielmehr entscheidend sein, ob der Vorstand die Maßnahme auch bei Ausblendung der Übernahmesituation hätte vornehmen dürfen79. Rechtstheoretisch wird diese Ansicht auf ein paralleles Normverständnis des wortlautähnlichen § 317 Abs. 2 AktG gestützt80, der den konzernrechtlichen Haftungsausschluss bei nachteiligen Rechtsgeschäften der abhängigen Gesellschaft regelt. In diesem Zusammenhang entfällt eine Ersatzpflicht des herrschenden Unternehmens nach allgemeiner Ansicht bereits dann, wenn die für den Nachteil kausale Maßnahme keinen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach § 93 AktG darstellt81. Eine konsequente Übertragung dieser Norminterpretation auf § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG würde jedoch bedeuten, dass für den Zielvorstand im Ergebnis kein verschärfter Pflichtenmaßstab bestehen würde und das Vereitelungsverbot damit vollständig ausgehebelt wäre82. Dass dieses Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann, zeigt bereits die Existenz weiterer Ausnahmetatbestände in § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG, die dann ohne eigenen Anwendungsbereich bleiben würden. Dies gilt insbesondere für die in Alt. 3 vorgesehene Möglichkeit des Vorstands, Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats zu ergreifen83. Mit § 33 WpÜG sollte aber unzweifelhaft ein übernahmespezifischer Pflichtenmaßstab für Zielvorstände geschaffen werden, welche den autonomen Handlungsspielraum des Vorstands angesichts der Angebotssituation einschränkt. Dieses Regulierungsziel wäre jedoch bei einem Normverständnis, welches die Übernahmesituation gerade ausblendet und damit die gewöhnlichen Sorgfaltspflichtanforderungen des § 93 AktG zum Maßstab für Vorstandshandeln erhebt, verfehlt worden.

79 Hirte (2003), Rn. 67; Winter/Harbarth (2002), S. 6; Schlitt (2004), Rn. 133, Krause/Pötzsch (2005), Rn. 146; Drygala (2001), S. 1867. 80 Zech (2003), S. 138; Schlitt (2004), Rn. 133; Winter/Harbarth (2002), S. 6; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 146. 81 Kropff (2000), § 317 Rn. 73. 82 Drygala (2001), S. 1867. 83 Steinmeyer (2007), Rn. 23; Nussbaum (2003), S. 123.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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Zur Vermeidung der dargestellten Sinnwidrigkeiten beschränken die Befürworter der „Ausblendungslösung“ den Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG auf Maßnahmen, die dem Tagesgeschäft zuzuordnen sind oder in Verfolgung der bisherigen Unternehmensstrategie ergriffen werden84. Damit wird zwar auf die Gesetzesbegründung Bezug genommen, in der Maßnahmen der genannten Art ausdrücklich als zulässig erachtet werden85. Mit dem o. g. Normverständnis, wonach entscheidendes Kriterium sein soll, ob ein dritter Geschäftsleiter unter Hinwegdenken der spezifischen Übernahmesituation die Maßnahmen hätte durchführen dürfen, sind derartige Einschränkungen jedoch nicht in Einklang zu bringen. Denn zweifellos sind auch unternehmensstrategische Neuausrichtungen im Grundsatz von § 93 AktG umfasst. Um einen ausufernden Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestands zu vermeiden, müssen die Anhänger der „Ausblendungslösung“ damit letztlich die Gesetzbegründung zum Normtext erheben86. Dies zeigt sich insbesondere an der Forderung nach hinreichender Publizität der verfolgten Unternehmensstrategie: Dem Zielvorstand soll eine Berufung auf § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG versagt bleiben, wenn die Unternehmensstrategie, mit der die betreffende Maßnahme im Einklang stehen soll, nicht zuvor in Geschäftsberichten oder ähnlichen Dokumenten veröffentlicht worden ist87. Der Wortlaut der Norm bietet hierfür allerdings keinerlei Anknüpfungspunkte. Auch lässt sich ein Publizitätserfordernis nicht ohne weiteres aus der Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ableiten, da schon die „Weiterverfolgung der Unternehmensstrategie“ kein Tatbestandsmerkmal des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG darstellt, sondern lediglich der Gesetzesbegründung entnommen ist. Ohnehin bleibt fraglich, ob die darin erfolgte Aufzählung als abschließend oder nur als beispielhafte Nennung anzusehen ist88. Eine sachgerechte Anwendung der Norm lässt sich auch ohne die aufgezeigten dogmatischen Unzulänglichkeiten erreichen, wenn man § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG im Sinne einer Kausalitätsbeziehung von Angebot und Abwehrmaßnahme interpretiert. So verstanden wären vereitelungsgeeignete Handlungen des Vorstands ausnahmsweise zulässig, wenn sie auch ohne die konkrete Übernahmesituation ergriffen worden wären, d.h. nicht durch das Angebot veranlasst worden sind89.

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Schlitt (2004), Rn. 134 ff.; Zech (2003), S. 142; ferner Grunewald (2004), Rn. 44. BT-Drucksache 14/7034 S. 58. 86 Zech (2003) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Schönheitsfehler“ (S. 142) und plädiert dafür, die in den Materialien genannten Begrenzungen in den Gesetzestext aufzunehmen (S. 151). 87 Cahn/Senger (2002), S. 288; Winter/Harbarth (2002), S. 7; kritisch dazu Hirte (2003), Rn. 70; Schlitt (2004), Rn. 137. 88 Vgl. Thaeter/Brandi (2003), Rn. 371; Pötzsch, (2002), S. 40 f. 85

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

Der Wortlaut liefert für beide Auslegungsvarianten Anknüpfungspunkte und ist daher als wenig geglückt anzusehen90: Der Verweis auf einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, spricht zunächst für die „Ausblendungslösung“. Hieran schließt sich jedoch eine hypothetische Betrachtungsweise an, die Handlungen vom Vereitelungsverbot ausnimmt, welche auch ein solcher „vorgenommen hätte“. Diese Wortwahl – von der Gegenauffassung stillschweigend in „hätte vornehmen dürfen“ umgedeutet – weist deutlich auf das Erfordernis hin, dass zwischen Angebot und Maßnahme keine Kausalitätsbeziehung besteht. Dass dabei statt einer konkreten Bezugnahme auf den Zielvorstand eine abstrakte Betrachtungsweise vorgenommen wird, steht dem nicht notwendig entgegen. Denn hierdurch wird klargestellt, dass Maßnahmen, die schon außerhalb einer Angebotssituation nicht vom Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG gedeckt wären, auch im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG stets unzulässig sind91. Ein gewichtiges Argument für die „Ausblendungslösung“ scheint aber die gängige Interpretation des wortlautähnlichen § 317 Abs. 2 AktG zu liefern, nach der eine Ersatzpflicht des herrschenden Unternehmens schon dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Vorstand der abhängigen Gesellschaft nur innerhalb der Ermessensgrenzen des § 93 Abs. 2 AktG gehandelt hat92. Anders als im Rahmen von § 33 WpÜG scheidet eine Interpretation des § 317 Abs. 2 AktG im Sinne eines „negativen Kausalitätserfordernis“ jedoch denknotwendig aus. Denn der Haftungstatbestand des Abs. 1 fordert ja gerade, dass die Maßnahme durch das herrschende Unternehmen „veranlasst“ worden ist; ein Haftungsausschluss bei fehlender Kausalität würde demnach vollständig ins Leere laufen. Zudem gilt zu bedenken, dass der allgemeine Sorgfaltspflichtmaßstab für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft durch den § 317 AktG zugrunde liegenden Konzernsachverhalt gelockert wird: Aus § 311 AktG ergibt sich, dass der Vorstand nachteilige Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen durchführen darf, wenn sie durch das herrschende Unternehmen veranlasst worden sind und ein angemessener Ausgleich erfolgt; der Haftungsmaßstab des § 93 AktG wird insoweit verdrängt93. Damit aber ist es sachgerecht, die Unwägbarkeiten einer hypothetischen Kausalitätsprüfung zu vermeiden, indem man ausreichen lässt, 89 So auch Schwennicke (2002b), Rn. 44; Hopt (2002), S. 426; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 371; Hens (2004), S. 206; Nussbaum (2003), S. 121. 90 Auch Hirte (2003), Rn. 67 und Schlitt (2004), Rn. 133 räumen eine Missverständlichkeit des Wortlauts ein. 91 Deren Alt. 1 ließe sich demnach auch wie folgt fassen: „Dies gilt nicht für Handlungen, die der Vorstand auch dann vorgenommen hätte, wenn die Gesellschaft nicht von einem Übernahmeangebot betroffen wäre, sofern diese im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ergriffen werden.“ 92 Kropff (2000), § 317 Rn. 73. 93 Hüffer (2008), § 311 Rn. 48.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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dass die umstrittene Maßnahme auch den strengeren Anforderungen des § 93 AktG genügt hätte. Demgegenüber soll der übernahmespezifische Sorgfaltspflichtmaßstab eine Verschärfung gegenüber den allgemeinen aktienrechtlichen Anforderungen darstellen, so dass sich ein Rückgriff auf diesen verbietet. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsituationen, die § 317 Abs. 2 AktG und § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG zugrunde liegen, ist eine identische Normanwendung trotz des gleichen Wortlauts damit abzulehnen94. Gegen die Interpretation des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG als negatives Kausalitätserfordernis wird verschiedentlich eingewandt, dass die Prüfung hypothetischer Geschehensabläufe erhebliche Probleme aufwerfe und der Vorstand seiner diesbezüglichen Beweislast kaum jemals genügen könne95. Entschärft würde dieses Problem jedoch, wenn man das Fehlen eines Kausalzusammenhangs für den Fall vermutet, dass sich die Maßnahme nahtlos in die bisherige Unternehmensstrategie einfügt. Dies würde dem gesetzgeberischen Willen Rechnung tragen, ohne die Gesetzesbegründung zum Normtext erheben zu müssen. Dem Vorstand wäre es damit grundsätzlich auch in der Übernahmesituation nicht verwehrt, einen Strategiewechsel zu vollziehen96, auch wenn ihm der Nachweis fehlender Kausalität zum Angebot in diesem Fall nur selten gelingen dürfte. Für die Darlegung, dass sich die vereitelungsgeeignete Maßnahme in die bisherige Unternehmensstrategie einfügt, ist deren vorausgegangene Publizierung zwar hilfreich, jedoch keineswegs zwingend erforderlich, um eine Ausnahme vom Vereitelungsverbot zu begründen97. Demgemäß greift die Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG immer dann ein, wenn dem Vorstand der Nachweis gelingt, dass die betreffende Maßnahme auch ohne Vorliegen des Übernahmeangebots durchgeführt worden wäre. Keine Rolle spielt dabei, ob die Maßnahme noch dem „Tagesgeschäft“ zugeordnet werden kann oder als außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs liegend zu qualifizieren ist. Über die ursprüngliche Zweckrichtung hinausgehend, ein Lahmlegen der Zielgesellschaft durch Abgabe eines Übernahmeangebots zu verhindern, schützt § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG damit in einem umfassenden Sinn das strategische Unternehmenskonzept des Zielmanagements.

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So auch Nussbaum (2003), S. 123. Winter/Harbarth (2002), S. 6; kritisch auch Thaeter (2001), S. 789. Gegen den Vorwurf der Unpraktikabilität hypothetischer Kausalverläufe wendet sich Nussbaum (2003), S. 121 f. 96 Thaeter/Brandi (2003), Rn. 371; in diese Richtung tendierend auch Pötzsch (2002), S. 40 f. und Nussbaum (2003), S. 122. 97 So auch Schlitt (2004), Rn. 137; Hens (2004), S. 209. 95

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

4. Die Reichweite des Leitungsermessens in der Übernahmesituation: Versagung der „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze? Nach ganz überwiegender Ansicht soll dem Vorstand und Aufsichtsrat ein weiter Ermessensspielraum, wie er vom BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung98 gewährt worden ist, in der Übernahmesituation grundsätzlich verwehrt bleiben99. Begründet wird dies mit dem Interessenkonflikt, in dem sich die Zielverwaltung in der Übernahmesituation typischerweise befinde, und dessen Nichtbestehen Voraussetzung für die Einräumung des weiten Ermessensspielraums sei100. Die Ermessensreduzierung soll zumindest für Maßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrat gelten, während sie in Bezug auf Alt. 1 nur teilweise angenommen wird101. Diese Differenzierung gründet auf der Annahme, dass der Gesetzgeber in § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpÜG die Übernahmesituation zur Bestimmung des Handlungsermessens gerade ausgeblendet haben wollte102. Demgemäß soll der Vorstand zur Abwehr eines Übernahmeangebots mit Zustimmung des Aufsichtsrat nur solche Maßnahmen ergreifen dürfen, die durch ein dem Veräußerungsinteresse der Aktionäre deutlich überwiegendes Unternehmensinteresse gerechtfertigt sind103.

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BGHZ 135, 244. Hirte (2003), Rn. 83 f.; Steinmeyer (2007), Rn. 29 f.; Ekkenga (2003), Rn. 58 und Rn. 62; Schlitt (2004), Rn. 171 und Rn. 178; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 376 und Rn. 387; Krause (2002b), S. 1058; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 162 und Rn. 185; Zech (2003), S. 171 ff.; Winter/Harbarth (2002), S. 10; Röh (2005), Rn. 161; Hopt (2002), S. 428; a. A. Tröger (2002), S. 403; Nussbaum (2003), S. 192 ff.; Grunewald (2004), Rn. 49; kritisch ebenfalls Möslein (2007), S. 586. 100 Schlitt (2004), Rn. 170; Winter/Harbarth (2002), S. 9 f.; Ekkenga (2003), Rn. 58. 101 So Bayer (2002), S. 614. Bedenken gegen die Anwendung des ARAG-Maßstabes im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG äußert auch Zech (2003), S. 139 f.; siehe auch Krause/Pötzsch (2005), Rn. 162. 102 Vgl. Hirte (2003), Rn. 69 und Rn. 83; Winter/Harbarth (2002), S. 6 f.; Ekkenga (2003), Rn. 48 f. und Rn. 58. Zur Kritik an der „Ausblendungslösung“ siehe oben B. III. 3. Interpretiert man den Ausnahmetatbestand jedoch – wie hier vertreten – im Sinne einer negativen Kausalitätsbeziehung zwischen Angebot und Maßnahme, ist ein Differenzierungsgrund nicht erkennbar. 103 Winter/Harbarth (2002), S. 9 sprechen insoweit von einem „qualifizierten“ Unternehmensinteresse; Ekkenga (2003), Rn. 58 f.; Schlitt (2004), Rn. 171 m. w. N. Innerhalb dieser Ansicht ist umstritten, ob der Interessenkonflikt einzelfallbezogen festzustellen ist oder in typisierender Betrachtungsweise angenommen werden kann. In ersterem Fall wären Konstellationen denkbar, in denen dem Vorstand ausnahmsweise ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist, weil in der besonderen Situation nicht von einem Interessenkonflikt ausgegangen werden könne, etwa im Falle eines baldigen Ruhestands oder eines umfangreichen Besitzes an Aktien der Zielgesellschaft, so Winter/Harbarth (2002), S. 9. Hiergegen wendet Ekkenga (2003), Rn. 59 zu Recht ein, dass die Konfliktvermutung den Vorstand als Organ betreffe, während die genannten „Entlastungsgründe“ regelmäßig nur in der Person einzelner Vorstandsmitglieder vorliegen würden. 99

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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Ein Pflichtenmaßstab, der dem Aktionärsinteresse eine herausragende Bedeutung beimisst, widerspricht jedoch der in § 3 Abs. 3 WpÜG angeordneten Fortgeltung der aktienrechtlichen Leitungsmaxime in der Übernahmesituation. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch diese Norm klargestellt werden, dass der Vorstand verpflichtet bleibt, die Interessen der Aktionäre, Arbeitnehmer und des Gemeinwohls zu beachten104; eine besondere Rangfolge der Partikularinteressen wird hierbei nicht vorgegeben, der Vorstand hat vielmehr auch in der Übernahmesituation für einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen einzelner Anspruchsgruppen Sorge zu tragen105. Im Übrigen wird auch in der Einzelbegründung zu § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG betont, dass der Vorstand während eines Übernahmeangebots auf eine interessenpluralistische Handlungsmaxime verpflichtet bleibt106. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den im 1. Abschnitt des WpÜG („Allgemeine Vorschriften“) festgelegten Maßstab des Unternehmensinteresses ohne Modifikationen auch im Rahmen des § 33 WpÜG zur Leitschnur erklären wollte. Im Rahmen dieser Handlungsmaxime kann ein Veräußerungsinteresse keinen abwägungsrelevanten Gesichtspunkt darstellen107: Zunächst ist zu bedenken, dass die Zielsetzung, den Gesellschafterverband zu verlassen, nicht vom Unternehmensinteresse gedeckt sein kann, weil sich das darin enthaltene Aktionärsinteresse auf die Maximierung künftiger Gewinnausschüttungen bezieht, an denen der verkaufsbereite Aktionär jedoch gerade nicht mehr partizipieren möchte108. Selbst wenn man das Aktionärsinteresse aus einer streng kapitalmarktorientierten Sicht definieren wollte, ließe sich ein Interesse, seine Aktien ungestört an den Bieter zu veräußern, nicht als Bestandteil einer unternehmerischen Leitmaxime ansehen. Denn das in Rede stehende „Veräußerungsinteresse“ bezieht sich nicht auf den am Kapitalmarkt gebildeten Aktienpreis; auch nach Abgabe eines 104 BT-Drucksache 14/7034 S. 35. Trotz dieser eindeutigen Willensbekundung lehnt Wackerbarth (2004), Rn. 19 f. eine interessenpluralistische Leitmaxime ab und befürwortet stattdessen den gleichen Pflichtenmaßstab wie er an einen „Prokuristen eines Einzelkaufmanns“ anzulegen sei. 105 Zur Geltung der interessenpluralistischen Leitmaxime in der Übernahmesituation siehe oben B. I. 106 BT-Drucksache 14/7034 S. 58. 107 So auch Lange (2002), S. 1741; ebenso Nussbaum (2003), S. 196, der bei seiner Kritik an Lange (vgl. hierzu S. 191) offensichtlich übersieht, dass dieser das Interesse der verbleibenden Aktionäre sehr wohl im Rahmen der Pflichtenbindung berücksichtigt wissen will, vgl. Lange (2002), S. 1741: „Hingegen bleiben die das Übernahmeangebot nicht annehmenden Aktionäre der Zielgesellschaft verbunden, was es gerechtfertigt erscheinen lässt, ihre Interessen in die Ermittlung des Unternehmensinteresses der Zielgesellschaft einzubeziehen.“ 108 Ähnlich Lange (2002), S. 1741, der meint, dass die Berücksichtigung „derjenigen, die ihr Interesse am Unternehmen verloren haben“, das „Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft verfälschen würde“; siehe auch Nussbaum (2003), S. 196, der das Veräußerungsinteresse als „kein unmittelbares Interesse der Aktionäre im materiellen Sinne“ bezeichnet.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

Übernahmeangebots bleibt es dem Aktionär unbenommen, seine Anteile zum herrschenden Aktienkurs zu veräußern109. Mit dem „Veräußerungsinteresse“ kann daher allein das Interesse des Aktionärs gemeint sein, von einem „Überbieten“ des Kapitalmarkts in Form einer „Übernahmeprämie“ zu profitieren110. Dessen Behandlung als Korrektiv zum Unternehmensinteresse würde verkennen, dass die Regelung des § 33 Abs. 1 WpÜG selbst bereits das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen der verkaufswilligen Aktionäre und der im Unternehmen verbleibenden Anspruchsgruppen – inklusive der nicht verkaufsbereiten Aktionäre – darstellt111: So leitet die Einzelbegründung zu § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG des Regierungsentwurfs mit der Feststellung ein, dass die – auch während des Angebots geltende – interessenpluralistische Leitmaxime mit dem Vereitelungsverbot in Konflikt geraten kann, welcher schließlich „durch die in Satz 2 enthaltene Regelung [. . .] aufgelöst“ werden soll112. Da der Zweck des Vereitelungsverbots gerade darin besteht, die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre zu gewährleisten113, ist Satz 2 damit selbst als Ergebnis einer vom Gesetzgeber getroffenen Abwägung zwischen dem Veräußerungs- und dem Unternehmensinteresse anzusehen. Statt einer „Pflichtenlösung“ hat sich der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG demnach für eine „Zustimmungslösung“ entschieden: Der Vorstand unterliegt in der Übernahmesituation – wie durch § 3 Abs. 3 WpÜG klargestellt – keinem modifizierten Pflichtenmaßstab, wird aber in Bezug auf angebotsbedingte Vereitelungsmaßnahmen dem Plazet des Aufsichtsrats unterworfen. Damit soll dem Umstand des Übernahmeangebots ausschließlich dadurch Rechnung getragen werden, dass der autonome Handlungsspielraum des Vorstands eingeschränkt wird. Diese Entscheidung ist zu respektieren, auch wenn man sie als unbefriedigend empfinden mag, weil hierbei Kompetenzen auf ein Gremium übertragen werden, deren Mitglieder in der Übernahmesituation einem ähnlichen Interessenkonflikt wie der Vorstand ausgesetzt sein können114: Denn 109 Damit ist die Verkehrsfähigkeit der Aktie in einem weitaus geringerem Maße betroffen wie im Fall eines Delisting, bei dem der BGH in der „Macrotron“-Entscheidung (BGH NJW 2003, 1032) eine grundsätzliche Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung angenommen hatte. 110 Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der verkaufswillige Aktionär durch den Zielvorstand nicht unmittelbar in seiner rechtlichen Dispositionsmöglichkeit (= Eigentümerbefugnisse) beeinträchtigt werden kann. Daher ist durch Abwehrmaßnahmen auch keine der Leitungsbefugnis des Vorstands grundsätzlich entzogene Entscheidungsfreiheit der Aktionär betroffen, so aber Tröger (2002), S. 401 f. Denn sofern nicht ausnahmsweise eine Vinkulierung gemäß § 68 AktG vorliegt, hat der Vorstand keine Möglichkeit, die rechtswirksame Übertragung der Aktien an den Bieter zu verhindern. Scheitern kann diese vielmehr allein an einer entsprechenden Gestaltung der Angebotsbedingungen durch den Bieter, etwa an einem Annahmequorum. 111 So ausdrücklich Schwennicke (2002a), Rn. 22; ähnlich Tröger (2002), S. 403. 112 BT-Drucksache 14/7034 S. 58. 113 BT-Drucksache 14/7034 S. 57.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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auch den Aufsichtsratsmitgliedern droht eine Abberufung nach erfolgreicher Übernahme, weil das Zustandekommen einer hierfür notwendigen 3 / 4-Mehrheit durch die Verdichtung des Anteilsbesitzes wahrscheinlicher wird. Zu beachten ist jedoch, dass der hierdurch bedingte Interessenkonflikt beim Aufsichtsrat aufgrund der nach wie vor großen Unterschiede in der Vergütung und des geringeren Zeitaufwands der Aufsichtsratstätigkeit weit weniger stark ausgeprägt ist. Abseits qualitativer Unterschiede hinsichtlich der Schwere des Interessenkonflikts scheitert eine Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung schließlich daran, dass diese in vollem Bewusstsein der Gefahr getroffen worden ist, dass die Ablehnung des Übernahmeangebots durchaus auf eigennützigen Motiven beruhen kann. So nimmt die Begründung zum Regierungsentwurf ausdrückliche auf den Konflikt Bezug, „in dem Vorstand und Aufsichtsrat115 im Hinblick auf eigene Interessen stehen, nicht auf Grund einer Übernahme Einfluss und ggf. die eigene Position zu verlieren“116. Auch erscheint das vom Gesetzgeber gefundene Abwägungsergebnis, die interessenpluralistische Verantwortung der Verwaltungsorgane nicht aus Sorge vor eigennützigem Missbrauch des eröffneten Handlungsspielraums zu opfern, durchaus vertretbar. Die Gegenauffassung setzt den Vorstand zu Unrecht einem Generalverdacht aus, in der Übernahmesituation stets eigennützig zu handeln117. Bedenklich erscheint zudem, dass der potentielle Interessenkonflikt ausschließlich unter der Prämisse einer positiven Allokationswirkung der Übernahme diskutiert und daher nur in der Ablehnung des Angebots ein eigennütziges Managementverhalten gesehen wird. Lässt man diese Annahme jedoch fallen, so wäre gleichsam denkbar, dass der Vorstand einem Übernahmeangebot, welches zu einer Verschlechterung der Ressourcenallokation führen würde, allein aufgrund eines persönlichen Vorteils zustimmt, etwa weil er durch hohe Abfindungszahlungen (golden parachutes) überkompensiert würde oder selbst ein umfangreiches Aktienpaket an der Zielgesellschaft hält118. Den Verwaltungsor114 Mit diesem Argument wird mehrheitlich auch die Versagung eines weiten Ermessensspielraums für den Aufsichtsrat begründet, siehe Winter/Harbarth (2002), S. 11; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 386; Schlitt (2004), Rn. 178. 115 Hervorhebung durch den Autor. 116 BT-Drucksache 14/7034 S. 57. 117 Nussbaum (2003), S. 194; vgl. auch Hens (2004), S. 132 ff. mit einer Auflistung von zahlreichen Beispielsfällen, in denen der Vorstand das Übernahmeangebot nicht abgelehnt hat. 118 Die in der Literatur vorherrschende eindimensionale Betrachtung in Bezug auf den Interessenkonflikt des Managements zeigt sich insbesondere daran, dass der umfangreiche Aktienbesitz an der Zielgesellschaft als Ausnahmefall für die Gewährung eines weiten Handlungsermessens diskutiert wird, vgl. Winter/Harbath (2002), S. 9. Zwar dürfte sich hierbei das Eigeninteresse des Vorstands mit dem Interesse der verkaufswilligen Aktionäre decken, gleiches könnte jedoch in Bezug auf Belegschaftsinteressen der Fall sein, wenn der Vorstand ein Übernahmeangebot ablehnt, weil er mit seiner Abberufung rechnen muss, in deren Folge ein weitreichender Stellenabbau

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

ganen sollte jedoch nicht die Möglichkeit gegeben werden, die Belange des Unternehmens mit Hinweis auf die Veräußerungsinteressen der Aktionäre zu vernachlässigen. Entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung ist den Verwaltungsorganen der Zielgesellschaft ein weites Handlungsermessen zuzubilligen, wie es aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG und den Grundsätzen der „ARAG/Garmenbeck“Rechtsprechung folgt. Aufgrund des in § 3 Abs. 3 WpÜG angeordneten Handlungsmaßstabs „Unternehmensinteresse“ und der in § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG getroffenen Abwägungsentscheidung, die dem Veräußerungsinteresse durch einen partiellen Kompetenzentzug des Vorstands Rechnung trägt, lässt sich eine Einengung des Handlungsermessen übernahmerechtlich nicht begründen. Die Gegenauffassung missachtet diese gesetzgeberische Entscheidung und bedeutet letztlich den Versuch, übernahmespezifische Verhaltensanforderungen aus dem Aktiengesetz herzuleiten. Dass die herrschende Meinung bei ihrer Einschränkung des Ermessensspielraums nicht an das WpÜG anknüpfen kann, zeigt sich insbesondere im Hinblick auf den Aufsichtsrat, dessen Handlungsermessen gleichsam eingeschränkt sein soll, ohne dass er dem übernahmerechtlichen Vereitelungsverbot (§ 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG) unterliegt119. 5. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG Angesichts der durch § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG eingeräumten Möglichkeit für die Verwaltungsorgane, umfangreiche Abwehrmaßnahmen ohne Zustimmung der Aktionäre zu ergreifen, wird die Verfassungsmäßigkeit der Regelung vor dem Hintergrund des durch Art. 14 GG vermittelten Eigentumsschutzes vielfach angezweifelt120. Derartige Zweifel werden insbesondere für den Fall einer mitbestimmten Aktiengesellschaft geäußert, in der Vereitelungsmaßnahmen des Vorstandes auch gegen den Willen der Mehrheit der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat eine Zustimmung finden könnten121. eingeleitet werden soll. Sowohl Aktionärs- als auch Belange der Belegschaft sind aber Teil des für die Entscheidung relevanten „Unternehmensinteresses“. 119 Dies entspricht für die hier in Rede stehende Tätigkeit des Aufsichtsrats als Kontrollorgan (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 WpÜG) der einhelligen Auffassung, vgl. Schlitt (2004), Rn. 63 m. w. N. 120 Winter/Harbarth (2002), S. 8; Ekkenga/Hofschroer (2002), S. 734; Schlitt (2004), Rn. 40; Cahn/Senger (2002), S. 289; Zschocke (2002), S. 82; auch Thoma (2002), S. 110; a. A. Grunewald (2004), Rn. 54; Hens (2004), S. 212 ff.; auch Krause/ Pötzsch (2005), Rn. 53 und Röh (2005), Rn. 59, die jedoch die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG in Betracht ziehen. Siehe auch Möslein (2007), S. 587, der in Anlehnung an die „Macrotron“-Entscheidung des BGH (BGH NJW 2003, 1032) ein Zweckmissbrauchsverbot hinsichtlich Abwehrmaßnahmen aus Art. 14 GG ableitet, welches § 33 WpÜG überlagern soll. 121 Winter/Harbarth (2002), S. 8; Schlitt (2004) Rn. 40.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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a) Abwehrmaßnahmen als Eingriff in verfassungsmäßige Aktionärsrechte? Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfällt das Anteilseigentum dem verfassungsrechtlichen Schutzbereich des Art. 14 GG. Dies gilt sowohl für die in der Aktie verkörperten Mitgliedschaftsrechte, als auch für die hierdurch vermittelten Vermögensrechte. Die Veräußerungsbefugnis genießt als elementarer Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung dabei einen besonderen Schutz122. Für die Beurteilung der Frage, ob § 33 WpÜG das Eigentumsrecht des Aktionärs verfassungswidrig beschneidet, ist zunächst zu beachten, dass zulässige Abwehrmaßnahmen die Veräußerungsmöglichkeit des Aktionärs nur in faktischer Hinsicht beschränken können. Rechtlich bleibt der Aktionär dagegen auch nach eingeleiteten Abwehrmaßnahmen in der Lage, sein Anteilseigentum an den Bieter zu übertragen. Gleichwohl steht diese Tatsache einer verfassungsmäßigen Überprüfbarkeit an Art. 14 GG nicht zwangsläufig entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum nämlich auch dann vorliegen, wenn durch die angegriffene Regelung eine Veräußerungsmöglichkeit in wirtschaftlich sinnvoller Weise nicht realisiert werden kann123. Zwar können Abwehrmaßnahmen die für den Aktionär lukrativste Veräußerungsmöglichkeit vereiteln, von einem Ausschluss jedweder wirtschaftlich sinnvollen Verwertungsmöglichkeit kann jedoch keine Rede sein, da dem Aktionär der Anteilsverkauf zu dem an der Börse herrschenden Kurswert unbenommen bleibt124. Von einer Gleichwertigkeit mit einem Veräußerungsverbot kann daher nicht gesprochen werden. Da Art. 14 GG ein Recht und nicht einen realisierbaren Vermögenswert schützt, genießt die Aussicht, seine Aktie zu einem regelmäßig über dem Kurswert liegenden Preis veräußern zu können, keinen verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz125. Demgemäß stellt die Vereitelung bloßer Gewinnchancen grundsätzlich keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG dar126. 122

BVerfGE 50, 290, 340. BVerfGE 52, 1, 31 f. 124 Insoweit unterscheidet sich die Konstellation erheblich vom Fall eines Delisting, das der BGH in der „Macrotron“-Entscheidung (BGH NJW 2003, 1032) zu beurteilen hatte. Durch Abwehrmaßnahmen des Vorstands wird dem Aktionär anders als beim Delisting nicht der Markt genommen, der ihn in die Lage versetzt, den Wert seiner Aktien jederzeit durch Veräußerung zu realisieren. 125 Aber selbst wenn man eine solche Gewinnaussicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst sehen will, bleibt das Wesen des Anteilseigentums zu beachten, das in einen korporationsrechtlichen Rahmen eingebettet ist. Dieser gilt nur dort nicht, wo es um die rechtliche Veräußerungsbefugnis des Aktionärs geht. So ließe sich die tatsächliche Entscheidungsfreiheit des einzelnen Aktionärs nur durch ein generelles Verbot von Vereitelungsmaßnahmen wahren; denn auch die Zuweisung der Entscheidungszuständigkeit an die Hauptversammlung schützt den Einzelnen nicht vor einem 123

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

b) Verfassungsrechtliches Gebot zur Delegation der „Abwehrkompetenz“ an die Aktionäre? Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG stellt verfassungsrechtliche Anforderungen an die Binnenstruktur eines Unternehmens, die den Aktionären ein Mindestmaß an Gestaltungsmacht einzuräumen hat. Zwar wird damit keine Unternehmensverfassung gefordert, die ausschließlich von den Interessen der Kapitalinvestoren geprägt ist, doch müssen in einem Mindestumfang Letztentscheidungsrechte für die Eigentümer gewährleistet bleiben127. Durch das WpÜG werden die aktienrechtlichen Entscheidungskompetenzen zwischen den Verwaltungsorganen und der Hauptversammlung jedoch nicht angetastet. Zwar ist einzuräumen, dass dem Aufsichtsrat durch die kritisierte Regelung eine nicht unerhebliche Bedeutung in der Übernahmeauseinandersetzung zukommen kann. Dieser übernahmerechtliche Kompetenzzuwachs bedeutet jedoch keinen „Machtverlust“ für die Hauptversammlung, sondern geht allein zu Lasten der Handlungsmöglichkeiten des Vorstands. Voraussetzung für eine Zustimmungsmöglichkeit nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG bleibt nämlich, dass die in Frage stehende Maßnahme aktienrechtlich in den Kompetenzbereich des Vorstands fällt. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG können sich daher nur ergeben, wenn man eine Änderung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung in der Übernahmesituation verfassungsrechtlich für geboten hält. Es wäre jedoch nicht einsichtig, warum gerade in der Übernahmeauseinandersetzung, in der nicht selten eine Neuordnung der StakeholderAnsprüche droht, für Maßnahmen der Geschäftsführung nicht mehr das Unternehmensinteresse, sondern allein das Veräußerungsinteresses der Aktionäre maßgeblich sein soll. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes fordert gerade keine strikte Ausrichtung von Unternehmensentscheidungen auf die Interessen der Anteilseigner128. Demgemäß ist die Entscheidung des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, von einem Vereitelungsverbot des Vorstands insoweit Abstand zu nehmen, als dieses im Gegensatz zum aktienrechtlichen Gebot stehen könnte, im Interesse des Unternehmens zu handeln129. Diese entgegenstehenden Mehrheitswillen. Schon aus dem Wesen des Anteilseigentums folgt damit, dass der einzelne Aktionär keinen Anspruch haben kann, faktische Beeinträchtigungen seiner Veräußerungsmöglichkeit seitens der Gesellschaft zu unterbinden, solange hiervon nicht seine rechtliche Veräußerungsbefugnis betroffen ist. 126 Jarass (2004), Rn. 22; vgl. auch BVerfG NVwZ 2002, 1232; BGHZ 48, 58, 61; 98, 341, 351 f. 127 Papier (2002), Rn. 502. 128 BVerfGE 50, 290, 343. 129 Vgl. BT-Drucks. 14/7034 S. 58: „Auch während des gesamten Übernahmeverfahrens bleibt das Management der Zielgesellschaft zur Wahrnehmung der in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls verpflichtet. Unter Umständen kann diese Pflicht jedoch mit der Pflicht nach [§ 33 Abs. 1] Satz 1 in Konflikt geraten, Handlungen zu unterlassen, durch die

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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– verfassungsrechtlich nicht in Zweifel gezogene – Pflichtenbindung der Verwaltungsorgane stellt schließlich eine zulässige Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums dar130. Verfassungsrechtlich zwingende Gründe für die Aufgabe der interessenpluralistischen Leitmaxime in der Übernahmesituation sind nicht ersichtlich131. Bleibt schon zweifelhaft, ob das Leitungsermessen des Vorstands von Verfassung wegen in der Übernahmesituation überhaupt zu beschränken ist, kann eine Regelung, die bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen von einer Beteiligung des Aufsichtsrates abhängig macht, erst recht nicht als verfassungswidrig angesehen werden. Da sich diese Beteiligung zudem in einem Zustimmungserfordernis erschöpft, dem Aufsichtsrat also kein Initiativrecht für Vereitelungsmaßnahmen eingeräumt wird, kann es dann auch keinen Unterschied machen, ob dieser aufgrund von Mitbestimmungsregeln mit Vertretern der Arbeitnehmerseite besetzt ist oder nicht. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht im Mitbestimmungsurteil132 die umfassende Beteiligung der Arbeitnehmerseite an unternehmerischen Entscheidungen gebilligt. Schließlich folgen auch aus der „Macrotron“-Entscheidung des BGH133 keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zuweisung der Abwehrkompetenz in der Aktiengesellschaft. Zwar hat der BGH in der „Macrotron“-Entscheidung ebenfalls die Verkehrsfähigkeit der Aktie unter den Schutz des Art. 14 GG gestellt und hieraus eine Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung gefolgert. Dem Urteil lag jedoch ein Delisting zugrunde, in deren Folge dem Aktionär der Markt genommen werde, der ihn in die Lage versetze, den Wert seiner Aktien durch Veräußerung jederzeit zu realisieren134. Im Gegensatz dazu beeinträchtigen Abwehrmaßnahmen lediglich die Aussicht des Aktionärs, in den Genuss einer den Börsenkurs übertreffenden Kontrollprämie zu kommen. Da es dem Aktionär weiterhin unbenommen bleibt, seine Aktien zum herrschenden Börsenkurs zu veräußern, ist die Verkehrsfähigkeit der Aktien als solche nicht betroffen. Selbst unter Berücksichtigung der stark kapitalmarktorientierten Interpretation des aktienrechtlichen Eigentumsschutzes durch den BGH in der „Macrotron“-Entscheidung bestehen demgemäß keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG.

der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Durch die in Satz 2 enthaltene Regelung wird der Konflikt insoweit aufgelöst [. . .].“ 130 Grunewald (2004), Rn. 54; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 53. 131 Dem entspricht es, dass die vor Inkrafttreten des WpÜG weithin angenommen aktienrechtliche Neutralitätspflicht – soweit ersichtlich – nicht auf verfassungsrechtliche Erwägungen gestützt worden ist. 132 BVerfGE 50, 290. 133 BGH NJW 2003, 1032. 134 Vgl. BGH NJW 1032, 1034.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

6. Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG auf originäre Vorstandskompetenzen? Ein Teil der Literatur will den Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG im Grundsatz auf originäre Vorstandskompetenzen beschränkt wissen. Innerhalb dieser Ansicht kann danach differenziert werden, ob und in welchem Ausmaß eine verdrängende Spezialität von § 33 Abs. 2 WpÜG in Bezug auf Hauptversammlungskompetenzen angenommen wird135, auch wenn die Unterschiede im Ergebnis als marginal anzusehen sind; letztlich gelangen sie übereinstimmend zum Ergebnis, dass die effektivsten Abwehrmaßnahmen – die Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss und der Rückkauf eigener Aktien – nur dann vom Vorstand während des Übernahmeverfahrens ergriffen werden dürfen, wenn der Ermächtigungsbeschluss den Anforderungen des § 33 Abs. 2 WpÜG genügt136. Die wohl herrschende Meinung lässt hingegen zu, dass der Vorstand auch von „aktienrechtlichen“, d.h. nicht nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 WpÜG erteilten Ermächtigungen während eines Übernahmeangebots Gebrauch machen darf, sofern die Voraussetzungen des Abs. 1 S. 2 erfüllt sind137. Hierfür spricht der Umstand, dass in § 33 Abs. 1 WpÜG keine Differenzierung zwischen originären und abgeleiteten Kompetenzen getroffen, sondern schlicht auf Handlungen des Vorstands abgestellt wird138. Die Gegenansicht stützt sich im Wesentlichen auf gesetzessystematische Erwägungen: Würde man § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG uneingeschränkt auch auf bloß „aktienrechtliche“ Ermächtigungen der Hauptversammlung anwenden, wäre § 33 Abs. 2 WpÜG weitgehend funktionslos139: Da auch bei Ausnutzen einer „Abwehrermächtigung“ gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG eine nochmalige Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich ist, könnte der Vorstand im Übernahmefall gleichsam von einer „aktienrechtlichen“ Ermächtigung nach Abs. 1 S. 2 Alt. 3 135 Hirte (2003), Rn. 92 und Diregger/Winner (2002), S. 1591 f. befürworten eine vollständige Sperrwirkung von § 33 Abs. 2 WpÜG; Ekkenga (2003), Rn. 50 f. lehnt eine solche zwar ab, fordert jedoch eine ausdrückliche Ermächtigung zu Abwehrzwecken auch für „aktienrechtliche“ Ermächtigungen, damit sie im Rahmen des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG eingesetzt werden dürfen. Bayer (2002), S. 613 ff. und Zech (2003), S. 168 f. nehmen eine Sperrwirkung von § 33 Abs. 2 WpÜG nur hinsichtlich solcher Verteidigungsmaßnahmen an, die einen direkten Eingriff in die Aktionärsstruktur bedeuten. 136 In diesem Fall liegt ein direkter Eingriff in die Aktionärsstruktur vor, vgl. Bayer (2002), S. 602. Auch nach der Auffassung von Ekkenga (2003) wäre dies im Ergebnis zu bejahen, da der wesentliche Unterschied zwischen einer Ermächtigung nach § 202 AktG und § 33 Abs. 2 WpÜG ja gerade in der ausdrücklichen Zweckrichtung der Angebotsvereitelung zu sehen ist, vgl. Rn. 102, zum Aktienrückkauf Rn. 95. 137 Schwennicke (2002b), Rn. 75; Schlitt (2004), Rn. 141; Grunewald (2004), Rn. 45, 51; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 379; Röh (2005), Rn. 135; Krause (2002a), S. 137. 138 So auch Schlitt (2004), Rn. 141; Grunewald (2004), Rn. 45. 139 Bayer (2002), S. 613; Zech (2003), S. 169; Diregger/Winner (2002), S. 1592.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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Gebrauch machen, so dass es für ihn keinen Sinn mache, eine spezielle „Abwehrermächtigung“ von der Hauptversammlung zu erbitten140. Dieser Einwand vermag jedoch allenfalls dann zu verfangen, wenn man § 33 Abs. 2 WpÜG nicht als eigenständige Delegationsnorm betrachtet, sondern lediglich dahingehend versteht, dass hierdurch weitergehende Anforderungen aufgestellt werden, um eine bereits nach Aktienrecht zulässige Ermächtigung auch zu Abwehrzwecken erteilen zu können141. Denn andernfalls ergäbe sich ein eigenständiger Anwendungsbereich der Norm jedenfalls für Hauptversammlungskompetenzen, für die aktienrechtlich keine Delegationsmöglichkeit vorgesehen ist. Aber auch wenn man den in § 33 Abs. 2 WpÜG eröffneten Delegationsumfang restriktiv auslegt, ist die Norm insofern nicht völlig funktionslos, als dass hierdurch der frühere Meinungsstreit entschieden wird, ob die Hauptversammlung dem Vorstand zu Abwehrzwecken ein genehmigtes Kapital unter Bezugsrechtsausschluss erteilen darf oder insoweit selbst einer Neutralitätspflicht unterliegt142. Aber selbst wenn man den Anwendungsbereich von § 33 Abs. 2 WpÜG als zu eng empfinden sollte, wird man ihn kaum auf Kosten der Ausnahmetatbestände zum Vereitelungsverbot erweitern können, ohne sich in Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention zu setzen143. Denn mit der Abänderung des Regierungsentwurfs im Finanzausschuss des Bundestages wurde unzweifelhaft die Zielsetzung verfolgt, die Abwehrmöglichkeiten der Verwaltungsorgane zu erweitern144. Die systematische Argumentation für eine Sperrwirkung des § 33 Abs. 2 WpÜG stützt sich aber auf einen Vergleich des Anwendungsbereichs mit der in Abs. 1 S. 2 Alt. 3 geschaffenen „Zustimmungsalternative“145, ohne deren Existenz eine Notwendigkeit, den Anwendungsbereich der Ausnahmen zum Vereitelungsverbot einzuschränken, nicht erkennbar wäre. Denn in diesem Fall läge die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 33 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 WpÜG auf der Hand: Maßnahmen aus Anlass des Angebots könnten nur unter Rückgriff einer Abwehrermächtigung durchgeführt werden, andernfalls würde eine Ermächtigung aufgrund aktienrechtlicher Vorschriften ausreichen. Mit dem Einfügen der „Zustimmungsalternative“ wollte der Gesetzgeber aber den sonsti140

Vgl. Bayer (2002), S. 613. So jedoch die herrschende Auffassung, vgl. unten B. III. 7. 142 Vgl. Röh (2005), Rn. 167 mit Nachweisen zum damaligen Streitstand; vgl. auch Ekkenga (2003), Rn. 75. 143 Auch zahlreiche Autoren, die im Ergebnis eine restriktive Auslegung des § 33 WpÜG befürworten, verneinen aus diesem Grund eine Sperrwirkung von Abs. 2, vgl. etwa Thoma (2002), S. 110: „[. . .] wird man dem Bericht des Finanzausschusses entnehmen müssen, dass die Norm [. . .] dem Vorstand auch die Möglichkeit einräumt, nicht als Vorratsbeschlüsse i. S. des § 33 Abs. 2 WpÜG gefasste Hauptversammlungsbeschlüsse zu Abwehrmaßnahmen einzusetzen.“ Siehe auch Cahn/Senger (2002), S. 289. 144 Schlitt (2004), Rn. 141; vgl. dazu BT-Drucks. 14/7477 S. 50. 145 Vgl. Bayer (2002), S. 613 ff.; Nussbaum (2003), S. 177. 141

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

gen Handlungsrahmen der Verwaltungsorgane nicht beschneiden, wie aus der Beschlussempfehlung des Bundestags-Finanzausschusses deutlich hervorgeht: „Im Übrigen schränkt die Möglichkeit zur Ermächtigung von Abwehrmaßnahmen durch die Hauptversammlung nach Absatz 2 das Recht des Vorstands zur Durchführung von Maßnahmen im Rahmen von § 33 Abs. 1 S. 2 nicht ein. Maßnahmen des Vorstands, die auf Ermächtigungen nach anderen Rechtsvorschriften beruhen – wie zum Beispiel die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals nach § 202 AktG oder der Rückkauf von Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG – können daher vom Vorstand auch während eines Angebots durchgeführt werden, sofern die Anforderungen von § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG eingehalten werden.“146 Angesichts dieser Klarstellung bleibt kein Raum für Zweifel an der gesetzgeberischen Intention, § 33 Abs. 2 WpÜG ohne eine Sperrwirkung zu versehen147. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem Umstand folgern, dass im Gesetzgebungsverfahren an der in § 33 Abs. 2 WpÜG vorgesehenen 18-Monatsfrist ausdrücklich festgehalten wurde, obgleich deren Bedeutung angesichts der regelmäßig längeren Fristen bei „aktienrechtlichen“ Ermächtigungen148 gering ist149. Eher lässt sich hieraus ein Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 WpÜG eine allgemeine Delegationsmöglichkeit für Hauptversammlungskompetenzen schaffen wollte150. Dann aber wäre eine Notwendigkeit, die Ausnahmetatbestände zum Vereitelungsverbot restriktiv auszulegen, um einen sinnhaften Anwendungsbereich der Norm zu gewährleisten, ohnehin nicht mehr gegeben. Zweifelhaft bleibt schließlich auch der Versuch, eine Sperrwirkung von § 33 Abs. 2 WpÜG zumindest für Verteidigungsmaßnahmen anzunehmen, die einen „direkten Eingriff in die Zusammensetzung des Aktionärskreises“ bedeuten, wie etwa die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre151. Diese aus dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 auszuklammern, soll mit der Intention des Gesetzgebers vereinbar sein, weil die Gesetzesbegründung in ihrer beispielhaften Aufzählung von Hauptversammlungskompetenzen, die auch ohne Ermächtigung nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 WpÜG vom Vorstand in einer Übernahmesituation eingesetzt werden können, die Möglichkeit zum Bezugsrechtsausschluss nicht erwähnt152. 146

BT-Drucks. 14/7477 S. 53. So auch Thoma (2002), S. 110; Cahn/Senger (2002), S. 289. 148 Beispielsweise kann ein genehmigtes Kapital nach § 202 Abs. 1 AktG für einen Zeitraum von 5 Jahren erteilt werden. 149 Dies wird von Diregger/Winner (2002), S. 1591 f. und Zech (2003), S. 171 als Argument für die Annahme einer Sperrwirkung angeführt. 150 Vgl. dazu unten B. III. 7. 151 Bayer (2002), S. 614 sowie S. 622 (These 8 und 9); Hirte (2002), S. 647 f. 152 Bayer (2002), S. 614. 147

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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Abgesehen davon, dass diese auf Spitzfindigkeiten beruhende Deutung wohl kaum geeignet sein dürfte, dem gesetzgeberischen Willen angemessen Rechnung zu tragen153, gründet die Ansicht letztlich auf der unzutreffenden Annahme einer aktienrechtlichen Neutralitätspflicht des Vorstands, die auch nach Inkrafttreten des WpÜG fortwirke. Denn die Ableitungen werden unter der Prämisse getroffen, dass dem Vorstand aktienrechtlich nur gestattet wäre, ein genehmigtes Kapital ohne Bezugsrecht für Zwecke der normalen Geschäftsführung, nicht aber zur Abwehr einer feindlichen Übernahme auszunutzen154. Dies soll aus der Vergleichbarkeit zielgerichteter Eingriffe in die Aktionärsstruktur mit einer Strukturveränderung folgen, für die besondere formelle und materielle Schranken gelten und daher ein Kompetenzvorrang für die Hauptversammlung bestehen würde155. Die alleinige Zustimmung des Aufsichtsrats könne demgemäß nur in dem Bereich zur Anwendung kommen, der nicht dem Kompetenzvorrang der Hauptversammlung unterliege156. Wie bereits dargelegt, folgt aus dem Aktiengesetz weder ein übernahmespezifischer Verhaltensstandard noch eine spezielle Kompetenzzuweisung in der Übernahmesituation, die neben den Bestimmungen des WpÜG Geltung beanspruchen könnte157. Ob aktienrechtlich im Grundsatz zulässige Maßnahmen in der Übernahmesituation zum Zwecke der Abwehr eingesetzt werden dürfen, bestimmt sich demzufolge allein nach den übernahmerechtlichen Vorschriften. Das WpÜG aber nimmt keine Differenzierung danach vor, ob die Abwehrmaßnahme einen direkten Eingriff in die Aktionärsstruktur darstellt. Eine Sperrwirkung des § 33 Abs. 2 WpÜG ist demnach abzulehnen. Dem Vorstand bleibt es in der Übernahmesituation unbenommen, auch von Hauptversammlungskompetenzen Gebrauch zu machen, die nicht nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 WpÜG, sondern nach allgemeinen Vorschriften ohne ausdrückliche Zweckermächtigung delegiert worden sind.

153 Ähnlich Krause (2002a), S. 137; vgl. auch Heinrich (2002), S. 659. Mit dem Einfügen von Alt. 3 in § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG bezweckte der Gesetzgeber, dem Vorstand wirksame Verteidigungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals vermag jedoch nur dann ein effektives Abwehrinstrument sein, wenn zugleich das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen wird, vgl. Nussbaum (2003), S. 171 mit Verweis auf Krause (2002b), S. 1054. 154 Bayer (2002), S. 602 und S. 617: „Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass mangels einer ausdrücklichen Abweichung durch den Gesetzgeber die aktienrechtliche Kompetenzverteilung durch § 33 Abs. 1 Satz 2 1. Alt WpÜG nicht außer Kraft gesetzt wird und es der Verwaltung somit nicht gestattet ist, während eines aktuellen Übernahmeangebots zweckfreie Ermächtigungen der Hauptversammlung auszunutzen, die zu einem direkten Eingriff in die Aktionärsstruktur führen.“ 155 Bayer (2002), S. 599 und S. 602. 156 Bayer (2002), S. 614. 157 Siehe oben B. II.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

7. Der Umfang der Ermächtigungsbefugnis nach § 33 Abs. 2 WpÜG Nach ganz herrschender Auffassung soll auch § 33 Abs. 2 WpÜG einschränkend auszulegen sein. Die Norm statuiere keine Ermächtigung der Hauptversammlung zur umfassenden Kompetenzverlagerung auf den Vorstand, sondern setze deren Möglichkeit nach aktienrechtlichen Vorschriften voraus. Demnach würden durch § 33 Abs. 2 WpÜG nur zusätzliche Anforderungen geschaffen, um eine bereits aktienrechtlich zulässige Ermächtigung auch für Abwehrzwecke erteilen zu dürfen158. Versteht man § 33 Abs. 2 WpÜG hingegen als umfassende Delegationsnorm159, erfahren „Abwehrermächtigungen“ insofern eine Privilegierung, als dass sie auch solche Kompetenzen der Hauptversammlung umfassen, die aktienrechtlich an sich nicht auf den Vorstand übertragbar wären160. Demnach könnte etwa eine Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 174 Abs. 1 AktG), die Veräußerung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG) oder der Abschluss eines Unternehmensvertrags (§ 293 Abs. 1, 2 AktG) zu Abwehrzwecken an die Verwaltung delegiert werden161. Auch hinsichtlich der praktisch wohl bedeutsamsten Verteidigungsstrategie einer Kapitalerhöhung – ggf. unter Ausschluss des Bezugsrechts – ist der Meinungsstreit von Relevanz: Nach der vorherrschender Auffassung wäre die Ausgabe neuer Aktien durch den Vorstand nur unter den Voraussetzungen des genehmigten Kapitals (§§ 202 ff. AktG) möglich, so dass auch die Kapitalgrenze des § 202 Abs. 3 AktG zu beachten wäre162. Begreift man § 33 Abs. 2 WpÜG mit der Gegenauffassung hingegen als eigenständige Delegationsnorm, könnte dem Vorstand auch eine summenmäßig unbegrenzte Kapitalerhöhung gestattet werden163. Der Wortlaut des § 33 Abs. 2 WpÜG spricht allgemein von „Handlungen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“ und liefert damit ein starkes Indiz für die Annahme einer umfassenden Delegationsbefugnis164. Nach Auffassung vieler könne ein derart weit reichender Eingriff in die Zuständigkeitsord158 Hirte (2003), Rn. 96 f.; Röh (2005), Rn. 170; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 206; Nussbaum (2003), S. 141 ff., Schlitt (2004), Rn. 205; Ekkenga (2003), Rn. 76 f.; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 318; Tröger (2002), S. 404; Möslein (2007), S. 535. 159 So Steinmeyer (2007), Rn. 37 ff; Schneider (2002), S. 131. 160 Aus dem Grundsatz der formellen Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) folgt, dass die Kompetenzordnung des Aktienrechts zwingend ist und von ihr daher nur in den gesetzlich ausdrücklich genannten Fällen abgewichen werden darf, vgl. Hüffer (2008), § 23 Rn. 36; Lutter/Leinekugel (1998b), S. 811. 161 Vgl. Schneider (2002), S. 131; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 206. 162 Hirte (2003), Rn. 97; Nussbaum (2003), S. 144. 163 Vgl. Steinmeyer (2007), Rn. 39. 164 Steinmeyer (2007), Rn. 35. Dies wird von den Vertretern der h. M. auch eingeräumt, vgl. Nussbaum (2003), S. 141; Hirte (2003), Rn. 96.

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nung der Aktiengesellschaft vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollt sein165. Fraglich bleibt dann aber der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Regelung. Denn anders als noch im Regierungsentwurf ist in § 33 Abs. 1 WpÜG keine grundsätzliche Abwehrkompetenz der Hauptversammlung vorgesehen, so dass der Zweck des § 33 Abs. 2 WpÜG nicht darin gesehen werden kann, der Hauptversammlung den Verzicht auf die übernahmerechtliche Spezialkompetenz im Vorfeld eines Angebots zu ermöglichen. Da nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers § 33 Abs. 2 keine Sperrwirkung für „Abwehrermächtigungen“ entfalten sollte166, bleibt der Norm kein sinnvoller Anwendungsbereich, wenn man sie nicht als umfassende Delegationsnorm verstehen wollte167. Denn zumindest im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat kann der Vorstand nunmehr sämtliche aktienrechtlich zulässige Maßnahmen auch zur Abwehr eines Übernahmeangebots ergreifen (§ 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG). Einer Befreiung vom Vereitelungsverbot durch die Hauptversammlung bedarf es daher nicht168. Dem Einwand eines nahezu bedeutungslosen Anwendungsbereichs versucht die herrschende Meinung teilweise dadurch zu begegnen, dass sie § 33 Abs. 2 WpÜG als umfassende Möglichkeit der Hauptversammlung interpretiert, den Vorstand im Vorfeld eines Übernahmeangebots vom Vereitelungsverbot des Abs. 1 S. 1 zu befreien169. Demzufolge wären die Vorschrift auch auf Maßnahmen anwendbar, die in den Kompetenzbereich der Verwaltungsorgane fallen, wie etwa die Abgabe eines Gegenangebots oder die Schaffung kartellrechtlicher Probleme durch den Erwerb eines mit dem Bieter konkurrierenden Unternehmens170. Eine solche Auslegung ist jedoch mit der Fassung, die § 33 Abs. 2 WpÜG auf Vorschlag des Bundestags-Finanzausschusses erhalten hat, nicht vereinbar. Denn durch Einfügen des Teilsatzes „die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“ hat der Gesetzgeber klargestellt, dass § 33 Abs. 2 WpÜG nicht auf Maßnahmen im aktienrechtlichen Kompetenzbereich des Vorstands Anwendung findet171. Sprechen demnach sowohl der Wortlaut der Norm als auch gesetzessystematische Erwägungen für eine umfassende Delegationsbefugnis der Hauptver-

165 Schlitt (2004), Rn. 205; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 318; Nussbaum (2003), S. 143. 166 Vgl. BT-Drucks. 14/7477 S. 53. 167 Steinmeyer (2007), Rn. 38; auch Ekkenga (2003), Rn. 77 Fn. 201, der sich jedoch mit einer „klarstellenden Funktion“ des § 33 Abs. 2 WpÜG begnügt. 168 Zweifelhaft daher die Ausführungen von Schlitt (2004), Rn. 205: „Wie Abs. 1 Satz 2 will auch die Regelung des Abs. 2 den Vorstand nur vom übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot befreien.“ 169 Vgl. Nussbaum (2003), S. 146; Grunewald (2004), Rn. 61; dagegen Schlitt (2004), Rn. 206; Ekkenga (2003), Rn. 77; Krause/Pötzsch (2005), Rn. 211. 170 Nussbaum (2003), S. 146. 171 Schlitt (2004), Rn. 206.

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

sammlung, ergibt sich schließlich auch aus den Gesetzesmaterialien nichts Gegenteiliges. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Ausführungen des Bundestags-Finanzausschusses, dass Maßnahmen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, auch weiterhin in ihrer Zuständigkeit verbleiben sollen172. Denn zum einen steht diese Klarstellung im Zusammenhang mit dem neu eingefügten § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG. Darüber hinaus enthält der nachfolgende Satz die Feststellung, dass Maßnahmen, die nicht in die Zuständigkeit des Vorstands fallen, von diesem nur im Falle einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung ergriffen werden dürfen173. Bedenkt man, dass eine Erhöhung der Abwehrbereitschaft durch die Änderungen im parlamentarischen Verfahren intendiert war174, erscheint die Feststellung, die aktienrechtliche Kompetenzverteilung bleibe durch das WpÜG unberührt, eher als Begründung dafür, Delegationsmöglichkeiten im Hinblick auf Abwehrmaßnahmen zu schaffen, die in den Kompetenzbereich der Hauptversammlung fallen. Auch steht der Interpretation von § 33 Abs. 2 WpÜG als umfassende Delegationsbefugnis nicht entgegen, dass nach der Begründung zum Regierungsentwurf für Hauptversammlungs-Beschlüsse zusätzlich die „allgemeinen aktienrechtlichen Erfordernisse“ gelten sollen175. Denn darin ist gerade nicht von „den jeweiligen aktienrechtlichen Erfordernissen“ die Rede. Demzufolge dürfte der betreffende Hinweis lediglich als Klarstellung aufzufassen sein, dass die Hauptversammlung auch in der Übernahmesituation den Vorstand nicht von Beschränkungen suspendieren kann, an deren Beachtung sie selbst aktienrechtlich gebunden wäre. Dies bedeutet beispielsweise, dass die Vorratsermächtigung zur Ausgabe junger Aktien, wenn auch nicht den Vorschriften über das genehmigte Kapital (§§ 202 ff. AktG), so doch den Anforderungen genügen muss, die sich aus den §§ 182 ff. AktG ergeben176. Auch ist es mit Blick auf § 71 Abs. 2 S. 1 AktG nicht möglich, dass der Vorstand zum Aktienrückkauf ermächtigt wird, in deren Folge der Bestand an eigenen Aktien 10 % des Grundkapitals überschreiten würde. Insgesamt liefert die Gesetzbegründung eher Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden Delegationsermächtigung an die Hauptversammlung in § 33 Abs. 2 WpÜG177. So ist in der Begründung des Finanzausschusses im Zusammenhang mit einem nach § 202 AktG erteilten genehmigten Kapitals bzw. ei172 Vgl. BT-Drucks. 14/7477 S. 53. Hirte (2003), Rn. 96 führt dies jedoch als Indiz für die h. M. an. 173 Hierin sieht Steinmeyer (2007), Rn. 37 einen deutlichen Beleg für die Auffassung, mit § 33 Abs. 2 WpÜG sei die Schaffung einer umfassende Delegationsbefugnis intendiert. 174 Vgl. Pötzsch (2002), S. 39. 175 BT-Drucksache 14/7034 S. 58. 176 Steinmeyer (2007), Rn. 39. 177 So auch Thaeter/Brandi (2003), Rn. 317 f.; Steinmeyer (2007), Rn. 37.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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nem Aktienrückkauf gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG von „Ermächtigungen nach anderen Rechtsvorschriften“ die Rede. Bei einem Normverständnis im Sinne der herrschenden Meinung hätte es jedoch nahe gelegen, insofern von „Ermächtigungen, die nicht den besonderen Anforderungen des § 33 Abs. 2 WpÜG genügen“ zu sprechen. Ein starkes Indiz gegen die herrschende Auffassung ergibt sich schließlich aus der Erwähnung von Beteiligungsveräußerungen als Beispiel für eine nach § 33 Abs. 2 WpÜG delegierbare Kompetenz178. Denn sofern hierfür eine Zuständigkeit der Hauptversammlung gegeben ist, fehlt es an einer aktienrechtlichen Delegationsmöglichkeit, die nach vorherrschender Auffassung gerade die Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 33 Abs. 2 WpÜG sein soll. Die beispielhafte Nennung von Beteiligungsveräußerungen stellt auch kein Relikt des Regierungsentwurfs dar, in dem § 33 Abs. 1 WpÜG noch eine grundsätzliche Abwehrkompetenz der Hauptversammlung und Abs. 2 demgemäß eine umfassende Befreiungsmöglichkeit des Vorstands vom Vereitelungsverbots vorsah, da sie sich erstmals in der Begründung des Bundestags-Finanzausschusses findet. Demzufolge kann hiermit nur eine aktienrechtliche Kompetenz der Hauptversammlung gemeint sein. Eine solche kann sich zum einen aus § 179a AktG ergeben, wenn nach der Veräußerung kein oder nur ein unwesentliches Vermögen bei der Aktiengesellschaft verbleiben würde179. Auch ist denkbar, dass die Veräußerung zu einem „Unterschreiten des Unternehmensgegenstands“ führen würde und sich damit eine Zuständigkeit der Hauptversammlung aus ihrer Satzungshoheit gemäß § 179 AktG ergibt180. Ob für Beteiligungsveräußerungen darüber hinaus auch ungeschriebene „Holzmüller“-Kompetenzen in Betracht zu ziehen sind, ist umstritten181, jedoch mangels Mediatisierungseffekts der Maßnahme abzulehnen182. 178

Vgl. BT-Drucksache 14/7477, S. 53. Vgl. Lutter/Leinekugel (1998a), S. 226. 180 Hüffer (2008), § 179 Rn. 9a m. w. N.; Lutter/Leinekugel (1998a), S. 226 ff. 181 Gegen die Anwendbarkeit der „Holzmüller“-Grundsätze auf Beteiligungsveräußerungen Groß (1994), S. 271 ff.; Emmerich/Habersack (2005), Vor § 311 Rn. 43 m. w. N. zum Streitstand; a. A. Lutter/Leinekugel (1998a), S. 230 f.; Krause (2002b), S. 1060 f. 182 Dies gilt insbesondere nach der sog. „Gelatine“-Entscheidung des BGH (veröffentlicht in ZIP 2004, 993), durch die klargestellt wurde, dass ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung „nur ausnahmsweise und in engen Grenzen anzuerkennen“ sind, vgl. dazu auch Liebscher (2005), S. 24. Ausgangspunkt für die „Holzmüller“-Entscheidung (BGHZ 83, 122) war eine Abspaltung von Betriebsvermögen durch Gründung einer Tochtergesellschaft („Ausgliederung“). Hierdurch kommt es zu einer Verschiebung des Machtgefüges in der Gesellschaft, da die Aktionäre unmittelbare Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich des ausgegliederten Betriebsvermögens an den Vorstand verlieren. Bei der Beteiligungsveräußerung liegen die Dinge jedoch genau umgekehrt, da die in der Tochtergesellschaft (Beteiligung) gebundenen Mittel wieder an die Obergesellschaft fließen und damit zurück in den Einflussbereich der Anteilseigner gelangen, so auch Groß (1994), S. 275; Habersack (2005), Vor 179

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

Nur unter der Prämisse, dass der Gesetzgeber „Holzmüller“-Kompetenzen in Bezug auf Beteiligungsveräußerungen anerkannt und überdies deren aktienrechtliche Übertragbarkeit auf den Vorstand183 für zulässig erachtet hat, ließe sich die herrschende Meinung mit der Gesetzesbegründung in Einklang bringen. Andernfalls kann der beispielhaften Nennung von Beteiligungsveräußerungen nur entnommen werden, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 WpÜG eine generelle Delegationsmöglichkeit von Hauptversammlungs-Kompetenzen zu Abwehrzwecken schaffen wollte. Dafür spricht im Übrigen der Umstand, dass sich der Bundestags-Finanzausschuss ausdrücklich gegen eine Verlängerung der in § 33 Abs. 2 WpÜG vorgesehenen 18-Monatsfrist ausgesprochen hat184. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass mit dem Gesetz nicht die Absicht verfolgt werde, Übernahmen zu verhindern185. Im Hinblick auf die regelmäßig längeren Fristen bei „aktienrechtlichen“ Ermächtigungen186 scheint das Festhalten an einem kürzeren Ermächtigungszeitraum jedoch nur dann praxisrelevante Auswirkungen zu haben, wenn man § 33 Abs. 2 WpÜG nicht bloß als weitere Anforderung für aktienrechtlich delegierbare Hauptversammlungs-Kompetenzen versteht. Denn der Wille des Gesetzgeber zielte darauf ab, dem Vorstand das Ausnutzen von „aktienrechtlichen“ Ermächtigungen auch nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG zu gestatten187. Vor diesem Hintergrund ist die in § 33 Abs. 2 WpÜG vorgesehene 18-Monatsfrist für bereits aktienrechtlich delegierbare Kompetenzen weitgehend bedeutungslos188. § 311 Rn. 43. Deren Mitgliedsrechte werden mithin nicht ausgehöhlt, sondern effektiv gestärkt. Eine generelle Zuständigkeit der Hauptversammlung für „grundlegende“ Beteiligungsveräußerungen [so Lutter/Leinekugel (1998a), S. 230] liefe auf die Anerkennung eines von Mitgliedschaftsrechten isolierten Vermögensinteresses hinaus und ist daher aus der „Holzmüller“-Rechtsprechung nicht ableitbar. Auch sind schützenswerte Aktionärsinteressen durch die Beteiligungsveräußerung regelmäßig nicht betroffen, wenn ein angemessener Veräußerungserlös erzielt wird. Nur wenn – zumindest annähernd – das gesamte Vermögen der Gesellschaft veräußert werden soll, sieht das Aktiengesetz in § 179a AktG eine Beteiligung der Aktionäre vor. Diese Regelung würde funktionslos, wenn man darüber hinaus gehend ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen anerkennen würde, so auch Joost (1999), S. 815 f.; dagegen sehen Wollburg/Gehling (1997), S. 155 f. § 179a AktG nicht als abschließende Regelung an. 183 Eine solche bejahen Lutter/Leinekugel (1998b), S. 811 ff.; Henze (2003), S. 231; a. A. Mülbert (1999b), § 119 Rn. 67 f. 184 Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Verlängerung der Frist auf 36 Monate wurde mehrheitlich abgelehnt, vgl. BT-Drucks. 14/7477 S. 50 f. Auch der Bundesrat hatte angeregt, die 18-Monatsfrist zu verlängern, vgl. BR-Drucks. 574/1/01 S. 6. 185 BT-Drucks. 14/7477 S. 51. 186 Beispielsweise kann ein genehmigtes Kapital nach § 202 Abs. 1 AktG für einen Zeitraum von 5 Jahren erteilt werden. 187 BT-Drucks. 14/7477 S. 53. 188 Ähnlich Diregger/Winner (2002), S. 1591 f. und Zech (2003), S. 171, die hieraus jedoch den Schluss ziehen, dass § 33 Abs. 2 WpÜG insofern eine Sperrwirkung erzeugt. Dies widerspricht jedoch dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers und findet zudem keine Stütze im Wortlaut der Norm, vgl. oben B. III. 6.

III. Der Handlungsrahmen gemäß § 33 WpÜG

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Nach alledem vermag die vorherrschende Auffassung, § 33 Abs. 2 WpÜG finde nur auf Hauptversammlungs-Kompetenzen Anwendung, die auch nach aktienrechtlichen Vorschriften an den Vorstand delegiert werden können, nicht zu überzeugen. Diese restriktive Auslegung findet weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze. Letztere spricht neben gesetzessystematischen Erwägungen vielmehr für die Annahme einer umfassenden Delegationsbefugnis der Hauptversammlung. Demzufolge erfahren „Abwehrermächtigungen“ des Vorstands insofern eine Privilegierung, als dass sie sich auch auf Kompetenzen beziehen können, die zu anderen Zwecken nicht delegiert werden können, wie etwa die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 174 Abs. 1 AktG) oder den Abschluss eines Unternehmensvertrags (§ 293 Abs. 1, 2 AktG). Da § 33 Abs. 2 WpÜG eine eigenständige Delegationsnorm darstellt, bestehen für Kapitalerhöhungen zu Abwehrzwecken beispielsweise auch nicht die Restriktionen des § 202 Abs. 3 AktG. Der Vorstand kann daher grundsätzlich auch zu einer summenmäßig unbegrenzten Kapitalerhöhung ermächtigt werden, soweit hiermit die Abwehr eines Übernahmeangebots bezweckt wird. 8. Zusammenfassung Auch in der Übernahmesituation gilt für Vorstand und Aufsichtsrat eine interessenpluralistische Handlungsmaxime. Dem Vorstand steht bei seiner Verpflichtung zur Wahrung des Unternehmensinteresses ein weites Leitungsermessen zur Verfügung, und zwar auch bezüglich solcher Abwehrmaßnahmen, die allein zur Abwehr des Angebots ergriffen werden, und daher grundsätzlich der Zustimmung durch den Aufsichtsrat bedürfen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 WpÜG). Eine vielfach vertretene Einengung des Leitungsermessens zugunsten des Veräußerungsinteresses der Aktionäre würde die gesetzgeberische Entscheidung für eine übernahmerechtliche „Zustimmungs“- und gegen eine „Pflichtenlösung“, wie sie letztlich auch in § 3 Abs. 3 WpÜG deutlich zum Ausdruck gekommen ist, konterkarieren. Im autonomen Handlungsbereich des Vorstands verbleiben grundsätzlich nur solche vereitelungsgeeigneten Maßnahmen, die dieser auch ohne die konkrete Übernahmesituation vorgenommen hätte, also nicht durch das Angebot veranlasst sind (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpÜG). Mangels einer besonderen Abwehrkompetenz der Hauptversammlung steht den Leitungsorganen jedoch im Zusammenwirken auch in der Übernahmesituation der aktienrechtlich zulässige Handlungsrahmen vollumfänglich zur Verfügung. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Entgegen ganz überwiegend vertretener Auffassung stellt § 33 Abs. 2 WpÜG eine eigenständige Delegationsnorm dar, so dass auch solche Kompetenzen, für die eine entsprechende Ermächtigung im Aktiengesetz fehlt, zu Abwehrzwecken auf den Vorstand übertragen werden können. Das Instrument der Vorratsermächtigungen nach Maßgabe dieser Norm schränkt im Übrigen nicht die Möglichkeit

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

des Vorstands ein, von aktienrechtlich erteilten Ermächtigungen auch in der Übernahmesituation Gebrauch zu machen.

IV. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach der EG-Übernahmerichtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Recht Nach rund dreißigjähriger Diskussion auf europäischer Ebene ist schließlich am 21.04.2004 die EG-Übernahmerichtlinie189 in Kraft getreten, deren Vorgaben bis zum 20.05.2006 in nationales Recht umzusetzen waren190. Die Richtlinie trägt insofern einen „Kompromisscharakter“, als dass sie hinsichtlich des Handlungsrahmens der Zielverwaltung ein zweistufiges Optionsmodell vorsieht. Danach wird den Mitgliedsstaaten zwar die Möglichkeit zum opt out der als Regelfall vorgesehenen Neutralitätspflicht nebst sog. Durchbrechungsregel eingeräumt, jedoch besteht für diesen Fall die Verpflichtung, den einzelnen Gesellschaften ein opt in zu ermöglichen. Im Folgenden werden die einzelnen Vorgaben der Übernahmerichtlinie vorgestellt, soweit sie die durch § 33 WpÜG eröffneten Abwehrmöglichkeiten der Zielverwaltung betreffen. 1. Striktes Vereitelungsverbot (Neutralitätspflicht) für die Zielverwaltung als Regelfall (Art. 9 Ü-RiLi) Die EG-Übernahmerichtlinie statuiert in Art. 9 ein striktes Vereitelungsverbot für die Zielverwaltung191, das gemäß Abs. 2 Unterabs. 2 zumindest ab dem Zeitpunkt gelten soll, an dem der Zielgesellschaft Informationen über das Angebot übermittelt worden sind. Handlungen der Unternehmensleitung benötigen dann regelmäßig eine Ermächtigung durch die Hauptversammlung, sofern diese geeignet sind, das Angebot zu vereiteln. Hiervon nimmt Art. 9 Abs. 2 Ü-RiLi zunächst nur die Suche nach einem konkurrierenden Angebot aus. Eine weitere Ausnahme vom Vereitelungsverbot folgt jedoch aus Art. 9 Abs. 3 Ü-RiLi, wo es heißt: „Vor dem in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten Zeitpunkt gefasste Entscheidungen, die weder teilweise noch vollständig umgesetzt worden sind, bedürfen der Zustimmung oder Bestätigung der Hauptversammlung der Aktionäre, wenn diese Entscheidungen außerhalb des normalen Geschäftsverlaufs gefasst wurden und ihre Umsetzung dazu führen würde, dass das Angebot vereitelt wird.“ 189 Richtlinie 2004/25/EG betreffend Übernahmeangebote, ABl. EG Nr. L 142 vom 30. April 2004, S. 12; nachfolgend: „Ü-RiLi“. 190 Zur Entstehungsgeschichte der Richtlinie Röh (2005), Rn. 10 ff., Schlitt (2004), Rn. 13 ff. 191 Aufgrund von Art. 9 Abs. 6 Ü-RiLi gilt das Vereitelungsverbot auch für den Aufsichtsrat.

IV. Der Handlungsrahmen nach der EG-Übernahmerichtlinie

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Im Umkehrschluss folgt daraus zum einen, dass vor Eintritt des Vereitelungsverbots beschlossene Maßnahmen, die innerhalb des normalen Geschäftsbetriebs liegen, keiner Zustimmung durch die Hauptversammlung bedürfen, und zwar unabhängig davon, ob mit ihrer Umsetzung bereits begonnen worden ist oder nicht192. Demzufolge bleibt der autonome Handlungsspielraum der Unternehmensleitung in Bezug auf das „Tagesgeschäft“ auch in der Übernahmesituation erhalten193. Darüber hinaus sind aber auch außergewöhnliche Handlungen der Zielverwaltung ohne Zustimmung der Hauptversammlung zulässig, sofern sie auf Entscheidungen beruhen, die zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe zumindest teilweise umgesetzt worden sind194. Fraglich erscheint, ob Art. 9 Ü-RiLi Vorratsermächtigungen der Hauptversammlung im Sinne des § 33 Abs. 2 WpÜG zulässt. Hiergegen spricht, dass die nach Abs. 2 erforderliche Ermächtigung „innerhalb der in Unterabsatz 2 genannten Frist“ einzuholen ist. Zwar nennt Unterabsatz 2 diesbezüglich keinen expliziten Anfangszeitpunkt195, doch wird hierdurch nur der Zeitraum geregelt, währenddessen eine Ermächtigung „erforderlich“ ist. „Erforderlich“ können Ermächtigungen jedoch nur im zeitlichen Geltungsbereich des übernahmerechtlichen Vereitelungsverbots sein; eine andere Frage hingegen ist, ob diese im Vorfeld eines Übernahmeangebots möglich sind. Demgemäß wird durch Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 Ü-RiLi in erster Linie der Zeitrahmen für die Geltung des Vereitelungsverbots geregelt, der im Übrigen nicht enger sein darf als der Zeitraum möglicher Hauptversammlungsermächtigungen, wenn man eine Handlungsunfähigkeit der Zielgesellschaft vermeiden möchte. Der Grund für die bloße Festlegung eines spätestmöglichen Zeitpunkts („Diese Ermächtigung ist zumindest ab dem Zeitpunkt erforderlich“) ist vor allem darin zu sehen, dass der britische Regelungsansatz durch die Richtlinie nicht abgeschnitten werden soll, wonach das Vereitelungsverbot bereits dann eingreift, wenn der board Grund zur Annahme hat, in unmittelbarer Zukunft Adressat eines Übernahmeangebots zu werden196. Gegen die Zulässigkeit von Vorratsermächtigungen im Anwendungsbereich des Art. 9 Ü-RiLi spricht zudem, dass sich Ermächtigungen nach Abs. 2 auf Maßnahmen beziehen, „durch die das Angebot (und nicht nur ein Angebot) vereitelt werden könnte“. Die Regelung geht demzufolge davon aus, dass sich die Übernahmeabsichten des Bieters bereits hinreichend konkretisiert haben, was zum Zeitpunkt einer Vorratsermächtigung üblicherweise gerade nicht der Fall 192

Röh (2005), Rn. 16; Kindler/Horstmann (2004), S. 868. Schlitt (2004), Rn. 21; Seibt/Heiser (2002), S. 2196; Krause (2002c), S. 2342. 194 Röh (2005), Rn. 16. 195 Hopt/Mülbert/Kumpan (2005), S. 112 sehen darin eine mögliche Erwägung, mit der sich die Zulässigkeit von Vorratsermächtigungen begründen ließe. 196 Vgl. Rule 21.1 des britischen City Code on Takeovers and Mergers. Dazu mehr unter C. II. 2. 193

120

B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

ist. Auch legt die in Art. 9 Absatz 4 vorgesehene Option für die Mitgliedsstaaten, verkürzte Einberufungsfristen für Hauptversammlungen zu schaffen, „damit die vorherige Ermächtigung [. . .] im Sinne der Absätze 2 und 3 eingeholt werden kann“, eine Begrenzung der Ermächtigungen auf den Zeitraum nach Eingreifen des Vereitelungsverbots nahe197. Schließlich folgt die Unzulässigkeit von Vorratsermächtigungen auch aus einem Vergleich zum Richtlinienvorschlag aus dem Jahr 2001198. Denn dieser hatte in Art. 9 Absatz 2 eine solche Möglichkeit der Hauptversammlung noch explizit vorgesehen, diese aber auf Maßnahmen der Kapitalerhöhung beschränkt. Zudem war die Geltungsdauer einer Vorratsermächtigung auf 18 Monate begrenzt. Würde man trotz Streichung dieses Passus die Möglichkeit zu Vorratsbeschlüssen weiterhin bejahen, müssten die vorgenannten Beschränkungen mangels Anknüpfungspunkten im Richtlinientext entfallen. Anhaltspunkte dafür, dass das umstrittene Instrument der Vorratsermächtigung in sachlicher sowie zeitlicher Hinsicht sogar ausgeweitet werden sollte, sind im Verabschiedungsverfahren der Richtlinie jedoch nicht zutage getreten. Aus alledem folgt, dass Vorratsermächtigungen im Sinne von § 33 Abs. 2 WpÜG im Anwendungsbereich von Art. 9 Ü-RiLi ausgeschlossen sind199. 2. Die „Durchbrechungsregel“ des Art. 11 Ü-RiLi Mit der sogenannten Durchbrechungsregel wurde ein Vorschlag der von der Kommission eingesetzten Expertengruppe aufgegriffen200, dessen Zielsetzung in der Schaffung eines level playing field durch den Abbau gesellschaftsrechtlicher Hindernisse für Übernahmen bestand201. Art. 11 Ü-RiLi unterscheidet dabei zwei Phasen der Kontrollerlangung: Während die Absätze 2 und 3 für die Phase der Angebotsdauer gelten, bezieht sich die Regelung des Absatzes 4 auf die erste Hauptversammlung nach einem Übernahmeangebot, infolgedessen der Bieter mindestens 75 % der Stimmrechte erwerben konnte. Sofern diese vom Bieter zwecks Änderung der Satzung oder Abberufung bzw. Ernennung von Mitgliedern der Leitungsorgane einberufen wird, entfalten satzungsmäßige oder 197

Vgl. Glade/Haak/Hellich (2004), S. 518. Vgl. den Kompromissvorschlag der Arbeitsgruppe von Parlament, Kommission und Rat vom 6. Juni 2001, Dossier 96/0085 (COD) PE-CONS 3629/01, abgedruckt in: ZIP 2001, 1256 ff. 199 So auch Röh (2005), Rn. 15; Seibt/Heiser (2005), S. 223; Glade/Haak/Hellich (2004), S. 520 f.; Maul/Muffat-Jeandet (2004), S. 311. 200 Nachdem ein Richtlinienvorschlag im Juli 2001 denkbar knapp im Europäischen Parlament gecheitert war, setzte die Kommission zunächst eine Expertengruppe („Winter Committee“) ein, deren Abschlussbericht vom 10.01.2002 eine Kombination aus Neutralitätspflicht und Durchbrechungsregel enthielt, vgl. zur Entstehungsgeschichte der Übernahmerichtlinie Schlitt (2004), Rn. 13 ff. 201 Schlitt (2004), Rn. 19. 198

IV. Der Handlungsrahmen nach der EG-Übernahmerichtlinie

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schuldrechtliche Beschränkungen der Stimmrechtsausübung sowie Mehrfachstimmrechte keine Wirkung. Gleiches gilt gemäß Art. 11 Abs. 3 Ü-RiLi im Rahmen einer Hauptversammlung, die innerhalb der Angebotsfrist über etwaige Abwehrmaßnahmen zu beschließen hat („Abwehrhauptversammlung“). In der ersten Hauptversammlung nach Angebotsschluss sind darüber hinaus satzungsmäßige Sonderrechte einzelner Gesellschafter zur Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans außer Kraft gesetzt (Art. 11 Abs. 4 Ü-RiLi). Betroffen sind hiervon insbesondere Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 AktG202. Nach Art. 11 Abs. 6 Ü-RiLi soll die Durchbrechung von Stimmrechtsbeschränkungen auf einer Abwehrhauptversammlung (Abs. 3) oder einer ersten Hauptversammlung nach Angebotsschluss (Abs. 4) nicht gelten, wenn dafür besondere finanzielle Vorteile gewährt werden. Daher sind stimmrechtslose Vorzugsaktien aufgrund ihrer bevorzugten Dividendenberechtigung (§ 139 Abs. 1 AktG) von der Durchbrechungsregel nicht betroffen203. Nach Abschaffung von Höchst- und Mehrfachstimmrechten durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) im Jahr 1998 ist die in Art. 11 Abs. 3 und 4 Ü-RiLi vorgesehen Durchbrechung von Mehrstimmrechten für deutsche Gesellschaften praktisch bedeutungslos204. Nach Art. 11 Abs. 2 Ü-RiLi sind satzungsmäßige und vertragliche Beschränkungen hinsichtlich der Übertragbarkeit von Wertpapieren für die Dauer der Annahmefrist unwirksam205. Hiervon erfasst werden in erster Linie vinkulierte Namensaktien im Sinne des § 68 Abs. 2 AktG206. Einigkeit besteht darüber, dass die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus bis zur vollständigen Abwicklung des Übernahmeangebots anwendbar bleibt207. Denn andernfalls würde der Regelungszweck bei bestimmten Angebotsgestaltungen verfehlt, etwa wenn das Angebot unter der aufschiebenden Bedingung einer kartellrechtlichen Freigabe abgegeben wird208.

202

Röh (2005), Rn. 28; Maul/Muffat-Jeandet (2004), S. 312. Glade/Haak/Hellich (2004), S. 524; Krause (2004), S. 115; Seibt/Heiser (2002), S. 2200. 204 Röh (2005), Rn. 26; Seibt/Heiser (2005), S. 226. Mehrstimmrechte sind zum 01.06.2003 zwingend abgeschafft worden, vgl. Hüffer (2008), § 12 Rn. 11. 205 Hinsichtlich vertraglicher Beschränkungen gilt dies nach Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 Ü-RiLi jedoch nur, soweit diese Vereinbarungen „nach Annahme der Richtlinie“ geschlossen worden sind. 206 Vgl. Röh (2005), Rn. 23; Krause (2004), S. 115. 207 Röh (2005), Rn. 24; Glade/Haak/Hellich (2004), S. 522; Krause (2004), S. 115. 208 Krause (2004), S. 115. 203

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

3. Möglichkeit der Mitgliedsstaaten zum opt out vom Vereitelungsverbot und der Durchbrechungsregel (Art. 12 Ü-RiLi) Art. 12 Abs. 1 Ü-RiLi räumt den Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Vereitelungsverbots (Art. 9 Abs. 1 und 2 Ü-RiLi) und der Durchbrechungsregel (Art. 11 Ü-RiLi) ein Anwendungswahlrecht ein. Entscheidet sich der nationale Gesetzgeber diesbezüglich für ein opt out, muss er den Gesellschaften nach Art. 12 Abs. 2 Ü-RiLi jedoch eine widerrufliche Wahlmöglichkeit einräumen, sich dem vorgenannten Regelungsregime freiwillig zu unterwerfen. Die Wahlmöglichkeiten des Mitgliedstaates bzw. der einzelnen Gesellschaft hinsichtlich der Geltung von Neutralitätspflicht und Durchbrechungsregel bestehen dabei sowohl alternativ als auch kumulativ209. Der Ratio eines Optionsmodells, wodurch eine flexible Rechtsanwendung bei geringen Informationskosten Dritter ermöglicht werden soll, würde es jedoch widersprechen, wenn man die Wahlmöglichkeiten darüber hinaus auf einzelne Bestimmungen innerhalb des Art. 11 bzw. 12 Ü-RiLi erstrecken würde. Dementsprechend kann das opt in durch die Hauptversammlung nur einheitlich erfolgen210. Nicht möglich wäre daher ein Beschluss, in der Übernahmesituation nur Stimmrechtsbeschränkungen, nicht aber Übertragungsbeschränkungen außer Kraft zu setzen. Nach Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 Ü-RiLi bedarf ein opt in-Beschluss der Hauptversammlung einer satzungsändernden Mehrheit, d.h. regelmäßig einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 179 Abs. 2 AktG). Art. 12 Abs. 3 Ü-RiLi räumt der Hauptversammlung dabei die Möglichkeit ein, den Beschluss unter den Vorbehalt der Reziprozität zu stellen und damit für eine gewisse Waffengleichheit in der Übernahmesituation zu sorgen. Der opt in-Beschluss kann demgemäß vorsehen, dass eine Anwendbarkeit der Neutralitätspflicht bzw. der Durchbrechungsregel entfällt, wenn der Bieter seinerseits diesen Regeln nicht unterfällt. Ein Vorbehalt der Reziprozität gilt gemäß Art. 12 Abs. 5 Ü-RiLi für einen Zeitraum von maximal 18 Monaten. 4. Änderungsbedarf im WpÜG Durch die Möglichkeit des nationalen Gesetzgebers zum opt out kann § 33 WpÜG in vollem Umfang bestehen bleiben211. Zur Gewährleistung der zwingend vorgeschriebenen opt in-Möglichkeit auf Unternehmensebene muss daneben jedoch ein Handlungsrahmen geschaffen werden, welcher den Anforderun209 Vgl. den Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 und 2 Ü-RiLi, wonach sich die Wahlmöglichkeit jeweils auf „Artikel 9 Absätze 2 und 3 und/oder Artikel 11“ bezieht. 210 So auch der Handelsrechtsausschuss des DAV (2006), S. 178; Krause (2004), S. 114 f. 211 Krause/Pötzsch (2005), Rn. 40; Röh (2005), Rn. 45.

IV. Der Handlungsrahmen nach der EG-Übernahmerichtlinie

123

gen des Art. 9 und Art. 11 Ü-RiLi genügt. Innerhalb dieses alternativen Regelungsregimes sind angebotsbedingte Vereitelungsmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG) sowie Vorratsbeschlüsse der Hauptversammlung im Sinne des § 33 Abs. 2 WpÜG unzulässig. Dagegen bleibt für den Zielvorstand die Suche nach einem konkurrierendem Angebot (§ 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG) weiterhin möglich. Verschiedentlich wird vertreten, dass der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG auf Maßnahmen des normalen Geschäftsbetriebs beschränkt werden müsste212. Dem liegt jedoch eine unzutreffende Lesart des Art. 9 Abs. 3 Ü-RiLi zugrunde, denn das darin statuierte Zustimmungserfordernis bezieht sich überhaupt nur auf Entscheidungen, die außerhalb des normalen Geschäftsverlaufs gefasst wurden213 und verlangt darüber hinaus, dass diese „weder teilweise noch vollständig umgesetzt worden sind“. Obwohl die Übernahmerichtlinie damit außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung nicht per se einem Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung unterwirft, ist der durch Art. 9 Abs. 3 Ü-RiLi gezogene Handlungsrahmen des Vorstands gleichwohl enger als nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 WpÜG214. Denn hiernach sind außergewöhnliche, d.h. nicht dem Tagesgeschäft zuzurechnende Maßnahmen bereits dann zulässig, wenn sie nicht durch das Angebot veranlasst sind, wobei es auf eine Manifestation nach außen im Sinne einer „Teilumsetzung“ nicht ankommt. Ausreichend ist vielmehr der Nachweis des Vorstands, dass er die Maßnahme auch ohne Abgabe des Übernahmeangebots durchgeführt hätte215. Zwar erscheint die Diskrepanz zwischen Richtlinie und WpÜG an dieser Stelle nicht so groß, als dass sie nicht durch eine richtlinienkonforme Auslegung zu überwinden wäre. Macht der Bundesgesetzgeber jedoch von der Möglichkeit des opt out nach Art. 12 Abs. 1 Ü-RiLi Gebrauch, wäre ohnehin die Schaffung eines 212

So Hopt/Mülbert/Kumpan (2005), S. 112; Glade/Haak/Hellich (2004), S. 520. Dies wird auch von Seibt/Heiser (2005), S. 223 verkannt, wenn sie ausführen, dass vom Vereitelungsverbot solche Maßnahmen ausgenommen seien, „die teilweise oder nicht endgültig umgesetzt sind und [Hervorhebung durch den Autor] den normalen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft betreffen.“ Zutreffend dagegen Röh (2005), Rn. 16; in diesem Sinne wohl auch Krause (2004), S. 114, der als Beispiel einer nach Art. 9 Abs. 3 Ü-RiLi zulässigen Maßnahme den „angebahnten, aber noch nicht durch Vertragsschluss besiegelten Verkauf eines wesentlichen Unternehmensteils“ anführt, der sich kaum als gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme ansehen ließe. Anzumerken ist hierzu, dass die beschriebene Maßnahme nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpÜG auch ohne „Geschäftsanbahnung“ zulässig wäre, wenn nur die Verkaufsentscheidung im Vorstand vor Abgabe des Angebots gefallen wäre. 214 Anders jedoch Wiesner (2004), S. 347 Fn. 33, der meint, Art. 9 Abs. 3 Ü-RiLi stehe „wohl im Einklang mit der sinngemäßen Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG.“ 215 Vgl. oben B. III. 3. Auch diejenigen, die strenge Anforderungen an § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpÜG stellen, verlangen keine Teilumsetzung der Maßnahme, sondern stellen lediglich besondere Publizitätsanforderungen an die ihr zugrunde liegenden Unternehmensstrategie, vgl. etwa Winter/Harbarth (2002), S. 7. 213

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B. Handlungsrahmen nach deutschem Recht

neuen, neben § 33 WpÜG stehenden Regelungsregimes erforderlich. In diesem Fall sollte sich die Formulierung am Richtlinientext orientieren. 5. Das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz Mit dem am 14.07.2006 in Kraft getreten Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz216 hat der deutsche Gesetzgeber von der opt out-Möglichkeit des Art. 12 Abs. 1 Ü-RiLi in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Damit bleiben die Verteidigungsmöglichkeiten der Zielverwaltung nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG sowie die Möglichkeit der Hauptversammlung zur Erteilung von Vorratsermächtigungen nach Absatz 2 erhalten. Daneben tritt in § 33a WpÜG ein neues Handlungsregime, das den Vorgaben des Art. 9 Ü-RiLi genügt und durch einen entsprechenden satzungsmäßigen Beschluss der Hauptversammlung zur Anwendung gelangt. In diesem Fall besteht nach § 33a Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Vereitelungsverbot für Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft. Davon ausgenommen sind gemäß § 33a Abs. 2 Satz 2 WpÜG neben von der Hauptversammlung nach Angebotsabgabe autorisierte Handlungen (Nr. 1) und der Suche nach einem konkurrierendem Angebot (Nr. 4) nur solche Handlungen, die innerhalb des normalen Geschäftsbetriebs liegen (Nr. 2) oder der Umsetzung von Entscheidungen dienen, die vor dem Angebot gefasst und teilweise umgesetzt wurden (Nr. 3). In § 33b WpÜG ist nunmehr die europäische Durchbrechungsregel normiert, welche der Möglichkeit eines opt in durch die Hauptversammlung mittels satzungsmäßigen Beschlusses unterliegt. Die Option zum Vorbehalt der Reziprozität für Gesellschaften, die von den opt in-Möglichkeiten des § 33a Abs. 1 WpÜG bzw. § 33b Abs. 1 WpÜG Gebrauch gemacht haben, findet sich schließlich in § 33c WpÜG.

216

BGBl. I 2006 S. 1426.

C. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach US-amerikanischem und britischem Recht I. Recht des US-Bundesstaates Delaware 1. Die grundlegende Verteilung der Entscheidungsrechte im Gesellschaftsrecht von Delaware a) Der weite Gestaltungsspielraum im Gesellschaftsrecht von Delaware Anders als in Deutschland, wo im Recht der Aktiengesellschaft die Gestaltungsfreiheit durch den Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) stark eingeschränkt ist, herrscht in den USA ein weitgehend liberales Gesellschaftsrecht, insbesondere im Hinblick auf die public corporation. Dieser Umstand stellt im Wesentlichen das Ergebnis eines „Wettbewerbs um Inkorporationen“ zwischen den US-Bundesstaaten dar, denen die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zusteht. Aufgrund der kollisionsrechtlich geltenden Gründungstheorie und der sog. franchise tax, die eine Steuerpflicht bereits an die bloße Inkorporation knüpft, haben die Einzelstaaten einen hohen Anreiz für die Bereitstellung einer „unternehmensfreundlichen“ Gesellschaftsrechtsordnung. Diesen „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ konnte der US-Bundesstaat Delaware mit seinem als besonders liberal geltenden Delaware General Corporate Law (DGCL) insofern für sich entscheiden, als dass dort mittlerweile knapp 60 % der Fortune 5001 Gesellschaften inkorporiert sind2. Die unterschiedliche Bedeutung der Satzungsautonomie im US-amerikanischen und deutschen Aktiengesellschaftsrecht lässt sich am übernahmerechtlich relevanten Beispiel des Verwässerungsschutzes für Altaktionäre bei Ausgabe junger Aktien illustrieren: Während das Aktiengesetz in den §§ 186 ff. zwingende formelle und materielle Anforderungen an einen Bezugsrechtsausschluss stellt, sieht § 102 (b) (3) DGCL ein Bezugsrecht überhaupt nur dann vor, wenn ein solches im certificate of incorporation (Gründungsurkunde) ausdrücklich 1 Die Fortune 500-Gesellschaften sind die vom US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin „Fortune“ bestimmten – gemessen an der Marktkapitalisierung – größten USamerikanischen Unternehmen. 2 Vgl. Bebchuk/Cohen (2003), S. 389. Zudem stellen Bebchuk/Cohen fest, dass sogar 68 % der Unternehmen, die im Zeitraum 1996 bis 2000 an die Börse gegangen sind, in Delaware inkorporiert sind.

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

vorgesehen ist3. Aufgrund der hohen Satzungsdispositivität des DGCL erscheint die Sichtweise der public corporation als „Nexus von Verträgen“ damit wesentlich plausibler als in Bezug auf die deutsche Aktiengesellschaft. Denn deren Verfassung beruht im Wesentlichen auf zwingendem Recht und lässt sich daher allenfalls über die Annahme eines „hypothetischen Verhandlungsergebnisses“ als privatautonom ausgestaltetes Vertragsnetzwerk beschreiben4. Das US-amerikanische Gesellschaftsrecht kennt mit dem certificate of incorporation und den bylaws zwei Regelungsinstitute privatautonomer Gestaltung. Die Grundlagen der Gesellschaft werden im certificate of incorporation niedergelegt, welches – wie die Satzung einer Aktiengesellschaft – zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Sein Mindestinhalt umfasst gemäß § 102 (a) DGCL neben Namen und Adresse der Gesellschaft den Unternehmenszweck5 sowie das autorisierte Kapital, d.h. die Festlegung einer Obergrenze für die Ausgabe junger Aktien. Nach § 102 (b) (1) DGCL kann darüber hinaus „any provision for the management of the business and for the conduct of the affairs of the corporation, and any provision creating, defining, limiting and regulating the powers of the corporation, the directors, and the stockholders“ zulässiger Regelungsinhalt des certificate of incorporation sein, sofern hierin kein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften liegt. Da nach § 109 (b) DGCL jede Bestimmung „relating to the business of the corporation, the conduct of its affairs, and its rights or powers or the rights or powers of its stockholders, directors, officers or employees“ auch Gegenstand der bylaws sein kann, besteht hinsichtlich des Innenverhältnisses der Gesellschaft im Wesentlichen eine Wahlfreiheit bezüglich des Regelungsortes. Weil die bylaws jedoch keiner Publizität durch Registereintragung bedürfen und daher schneller und kostengünstiger als das certificate of incorporation geändert werden können, stellen sie in der Praxis das ausführlichere Regelungswerk dar. Bylaws stehen im Rang jedoch unter dem certificate of incorporation, so dass diese im Konfliktfall zurücktreten6.

3 Satz 2 von § 102 (b) (3) DGCL lautet: „No stockholder shall have any preemptive right to subscribe to an additional issue of stock or to any security convertible into such stock unless, and except to the extent that, such right is expressly granted to such stockholder in the certificate of incorporation.“ 4 Insofern muss überraschen, dass die Vertragssicht des Unternehmens im deutschen Schrifttum zunehmend Anklang findet, ohne dass in gleicher Weise die Forderung nach einer Stärkung der Satzungsautonomie erhoben wird. Vgl. etwa Mühle (2002), die auf Grundlage dieser Sicht fordert, die Möglichkeit zu Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG abzuschaffen und ein gesetzliches Verbot von Abwehrmaßnahmen unter Auflistung vereitelungsgeeigneter Maßnahmen vorschlägt, S. 58 f. und S. 307 ff. 5 Dieser kann gemäß § 102 (3) DGCL in jedem rechtlich zulässigen Zweck bestehen, so dass auf Grundlage der ultra vires-Doktrin keine nennenswerte Begrenzung des unternehmerischen Ermesssen mehr stattfindet, vgl. dazu Krämer (2002), S. 124 f. 6 Vgl. § 109 (b) DGCL.

I. Recht des US-Bundesstaates Delaware

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Während das certificate of incorporation nach § 242 (b) (1) DGCL nur auf Initiative der Direktoren und mit Zustimmung der Aktionäre geändert werden kann, sieht § 109 (a) S. 2 DGCL als gesetzlichen Regelfall das alleinige Recht der Hauptversammlung zur Änderung der bylaws vor. Allerdings räumt § 109 (a) S. 2, 2. HS DGCL zugleich die Möglichkeit ein, die Beschlusskompetenz durch entsprechende Regelung im certificate of incorporation an die Direktoren zu übertragen. Da hiervon in aller Regel bereits im Gründungsstadium Gebrauch gemacht wird, besteht im Ergebnis eine parallele Zuständigkeit der Direktoren und Aktionäre; denn nach § 109 (a) S. 3 DGCL können letztere in keinem Fall vom Recht zur Änderung der bylaws ausgeschlossen werden. b) Treuepflichtbindung der Unternehmensleitung und die Business Judgment Rule Die Direktoren unterliegen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten (fiduciary duties), die sich in eine Sorgfaltspflicht (duty of care) und eine Pflicht zur Loyalität (duty of loyalty) aufgliedern lassen. Die duty of care beinhaltet die Verpflichtung, Entscheidungen auf Grundlage ausreichender Information zu treffen und dabei die Interessen der Gesellschaft in bestmöglicher Weise zu wahren7. Die duty of loyalty obliegt dem Management gegenüber der Gesellschaft sowie ihren Aktionären und soll einem Missbrauch der Leitungskompetenz zu eigennützigen Zwecken entgegenwirken8. Im Falle von Interessenkonflikten – etwa im Rahmen von Insichgeschäften (self-dealings) – erfolgt eine gerichtliche Überprüfung der Handlung regelmäßig am entire fairness-Maßstab, dem strengsten gesellschaftsrechtlichen Haftungsmaßstab. Dabei obliegt dem board of directors (im Folgenden auch: board) der Beweis, dass ein fair dealing vorlag, d.h. insbesondere ein Leistungstausch zu angemessenem Preis stattgefunden hat; im Falle des Unternehmensverkaufs wird darüber hinaus die Darlegung verlangt, dass der maximale Verkaufspreis realisiert wurde9.

7 Vgl. die Definition der Principles of Corporate Governance des American Law Institute (A.L.I.), § 4.01: „A director or officer has a duty to the corporation to perform the director’s or officer’s functions in good faith, in a manner that he or she reasonably believes to be in the best interests of the corporation, and with the care that an ordinarily prudent person would reasonably be expected to exercise in a like postion and under similar circumstances.“ Ähnlich die Regelung in § 8.30 des „Revised Model Business Corporation Act“ (R.M.B.C.A.), eines von der American Bar Association (ABA) 1984 erlassenen Modellgesetzes, dass inzwischen von vielen Bundesstaaten – mit einzelnen Abweichungen – übernommen worden ist. In Delaware ist die Definition der duty of care mangels gesetzlicher Regelung der Rechtsprechung überlassen, vgl. Merkt/Göthel (2006), Rn. 828. 8 Krämer (2002), S. 135; Weisner (2000), S. 56. 9 Cede & Co. v. Technicolor, Inc. 634 A.2d 345, 361 (Del.Supr.1993).

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

Die Pflichtenbindung der Unternehmensleitung erfährt jedoch eine wesentliche Lockerung durch die Business Judgment Rule. Diese weist sowohl ein prozess- als auch ein materiellrechtliches Moment auf10. In prozessualer Hinsicht stellt sie die Vermutung auf, dass die Unternehmensleitung ihre Entscheidung in gutem Glauben, auf Basis hinreichender Information und in der ehrlichen Überzeugung getroffen hat, dass diese im besten Interesse der Gesellschaft liegt11. Der Kläger hat damit den Nachweis zu führen, dass der Vorstand seine Treueoder Sorgfaltspflichten verletzt hat. Gelingt ihm dies, so findet eine vollständige Überprüfung der in Frage stehenden Handlung anhand des entire fairness-Maßstabs statt; andernfalls gilt die Vermutung der Business Judgment Rule und die materiellrechtliche Folge der Haftungsfreistellung tritt ein12. Die Business Judgment Rule hat damit zum Ergebnis, dass eine gerichtliche Überprüfung von unternehmerischen Entscheidung nicht erfolgt, sofern die Direktoren unbefangen (disinterested) waren, in gutem Glauben gehandelt und keine Entscheidung getroffen haben, die bei verständiger Würdigung der Umstände nicht nachvollziehbar ist. Ferner dürfen die Direktoren keine wesentlichen Informationen, die für eine sachgerechte Beurteilung erforderlich waren, in grob fahrlässiger Weise unberücksichtigt gelassen haben13. § 102 (b) (7) DGCL sieht ferner vor, dass der Haftungsmaßstab auf Grundlage einer entsprechenden Regelung im certificate of incorporation weiter gelockert werden kann. Ausgenommen von dieser Möglichkeit ist jedoch die Haftung für Verletzungen der duty of loyalty, für bösgläubiges Handeln sowie in Bezug auf Transaktionen, aus denen der Direktor einen unangemessenen Vorteil gezogen hat. Nach allgemeiner Ansicht kommt dem board im Gesellschaftsrecht von Delaware ein weiter Handlungsspielraum zugute, in dem ihm keine Inanspruchnahme droht, selbst wenn sich dessen Entscheidungen als ungünstig erwiesen haben. Durch die Business Judgment Rule wird anerkannt, dass unternehmerisches Handeln stets auf Grundlage unsicherer Prognose erfolgt und einen gewissen Grad an Risikobereitschaft erfordert; eine umfassende ex post-Kontrolle durch Gerichte, die dem Marktwettbewerb selbst nicht ausgesetzt sind, würde diesem Gedanken widersprechen14. Durch die weitgehende Freistellung des board von den Risiken unternehmerischer Fehlentscheidungen soll auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Direktoren mangels Diversifizierbarkeit ihres Humankapitals eine andere Risikopräferenz als die Anteilseigner aufweisen. Demgemäß sei der Sinn der Business Judgment Rule auch darin zu sehen, dass auf Seiten des Managements eine optimale Risikobereitschaft beför-

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Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1156, 1162 (Del.Supr.1995). Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del.Supr.1984). McMullin v. Beran 765 A.2d 910, 917 (Del.Supr.2000). Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244, 264 Fn. 66 (Del.Supr.2000). Krämer (2002), S. 132 m. w. N.

I. Recht des US-Bundesstaates Delaware

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dert werde15. Auf der anderen Seite eröffnet die Business Judgment Rule der Unternehmensleitung aber auch einen autonomen Handlungsspielraum, der die Verfolgung anderer als der Aktionärsinteressen erlaubt. c) Die Bedeutung des Aktionärsstimmrechts (Blasius-Rechtsprechung) Auf den ersten Blick fällt dem Aktionärstimmrecht im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht ein im Vergleich zu Deutschland höheres Gewicht zu: So muss sich ein Mitglied des board üblicherweise auf jedem annual meeting (Jahreshauptversammlung) zur Wahl stellen16 und kann überdies jederzeit ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden17. Allerdings kann das certificate of incorporation gestaffelte Amtszeiten (staggered terms) dergestalt vorsehen, dass sich jedes Jahr nur die Hälfte bzw. ein Drittel der Mitglieder zur Wahl stellen muss und sich dementsprechend die Amtszeit auf bis zu drei Jahre verlängern kann. Auch wenn staggered boards nach Gründung der Gesellschaft nur mit Zustimmung der Aktionäre geschaffen werden können18, haben diese – nicht zuletzt wegen ihrer Eignung als Abwehrinstrument – inzwischen eine weite Verbreitung gefunden. Eine wesentliche Flankierung erfährt die durch staggered boards bewirkte Beschneidung des Aktionärstimmrechts zudem durch § 141 (k) (1) DGCL, wonach ihre Mitglieder nur aus wichtigem Grund abberufen werden können19. Staggered boards mindern die Erfolgsaussichten von sog. proxy contests (Stimmrechtskämpfe), ein in den USA durchaus verbreiteter Kampf um Stimmrechtsvollmachten zwischen dem amtierenden board (incumbents) und einer Aktionärsgruppe, die das Ziel einer Neubesetzung der Unternehmensleitung verfolgt (insurgents)20. Denn die Herausforderer sind durch die gestaffelten Amtszeiten gezwungen, die Stimmenmehrheit in zwei aufeinander folgenden Jahreshauptversammlungen zu erreichen, um schließlich eine Mehrheit des board be15

So Easterbrook/Fischel (1991), S. 100; Bainbridge (2002a), S. 259 ff. § 141 (b) DGCL bestimmt lediglich, dass eine Amtszeit bis zur Neuwahl oder Abberufung dauert, vgl. Bainbridge (2002a), S. 446 Fn. 9. 17 Nach dem Aktiengesetz kann der Vorstand hingegen für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren bestellt werden, siehe § 84 Abs. 1 AktG. Eine Abberufung ist zudem nur aus wichtigem Grund möglich, Abs. 3. Aufsichtsratsmitglieder können zwar auch ohne wichtigen Grund abberufen werden, dann aber nur mit einer 3 / 4-Mehrheit, sofern es sich nicht um entsandte Mitglieder handelt, vgl. § 103 Abs. 1 AktG. 18 Vgl. § 141 (d) DGCL: „The directors of any corporation organized under this chapter may, by the certificate of incorporation or by an initial bylaw, or by a bylaw adopted by a vote of the stockholders, be divided into 1, 2 or 3 classes; [. . .].“ 19 Etwas anderes gilt nur, sofern dies im certificate of incorporation ausdrücklich vorgesehen ist. Da sich dieses jedoch nicht ohne Mitwirkung des board ändern lässt, kommt dieser Fall praktisch nicht vor. 20 Näher Merkt/Göthel (2006), Rn. 810 ff. 16

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setzen zu können. Ohnehin befinden sich die Amtsinhaber bereits durch die bessere Kenntnis des Aktionärskreises und den hohen Anteil an Stimmrechtsvollmachten, die regelmäßig dem amtierenden board übertragen werden21, im Vorteil. Zudem sind die Direktoren nicht verpflichtet, shareholder proposals, die sich auf Personalentscheidungen beziehen, in die offiziellen proxy contestMaterialien aufzunehmen, so dass die Kosten insoweit von den Herausforderern zu tragen sind22. Demzufolge ist das finanzielle Risiko eines Stimmrechtskampfs zwischen Amtsinhabern und Herausforderern asymmetrisch verteilt, was wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich dieser nicht zu einem wirksamen Instrument der Managementkontrolle entwickeln hat23: Während der amtierende board für die mitunter kostenintensiven Werbekampagnen unabhängig von den Erfolgsaussichten auf Unternehmensressourcen zurückgreifen kann, haben die Herausforderer höchstens im Falle des Erfolges Aussicht auf eine Entschädigung durch die Zielgesellschaft. Doch selbst in diesem Fall beurteilen die Gerichte Delawares die Erstattungsfähigkeit der Kosten anhand des strengen entire fairness-Maßstabs24. Die Durchschlagskraft eines proxy contest wird darüber hinaus durch die Befugnis der amtierenden Direktoren abgemildert, Vakanzen im board mit eigenen Personalvorschlägen zu füllen25 und die Anzahl der board-Mitglieder in den bylaws zu regeln26. In Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp.27 hatte der Chancery Court die Grenzen einer hierauf basierenden Machterhaltungsstrategie zu beurteilen: Aufgrund von Streitigkeiten über die künftige Unternehmensstrategie strebte der Großaktionär Blasius Industries eine Entmachtung des siebenköpfigen board von Atlas Corporation an. Hierzu initiierte Blasius Industries einen proxy contest mit der Zielsetzung, den board auf die nach dem certificate of incorporation zulässige Höchstzahl von 15 Direktoren zu erweitern und sodann acht neue Direktoren zu wählen, die ihr strategisches Konzept unterstützten. Dies versuchte der amtierende board jedoch dadurch zu vereiteln, dass er zuvor die Zahl der Direktoren auf neun erhöhte und die dadurch entstandenen Vakanzen mit eigenem Personal füllte. Blasius war es damit nicht mehr mög21

Vgl. Gevurtz (2000), S. 206. SEC Rule 14a-8(i) (8). 23 Vgl. Bainbridge (2002a), S. 483 ff. Durch das Aufkommen der sog. poison pill als Abwehrstrategie hat der proxy contest jedoch wieder an Bedeutung gewonnen, vgl. dazu unten C. I. 2. 24 Heineman v. Datapoint Corp., 611 A.2d 950 (Del.Supr.1992). 25 §142 (e) DGCL bestimmt: „Any vacancy occurring in any office of the corporation by death, resignation, removal or otherwise, shall be filled as the bylaws provide. In the absence of such provision, the vacancy shall be filled by the board of directors or other governing body.“ 26 Diese Möglichkeit besteht, sofern das certificate of incorporation insoweit keine anderen Festlegungen trifft, vgl. § 141 (b) DGCL. 27 564 A.2d 651 (Del.Ch.1988). 22

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lich, in der nächsten Hauptversammlung eine Stimmenmehrheit im board zu erlangen und klagte daraufhin gegen Atlas. In seinem Urteil führte der Chancery Court aus, dass Maßnahmen des board, deren einziger oder überwiegender Zweck in der Vereitelung einer effektiven Stimmrechtsausübung liegt, am entire fairness-Maßstab zu beurteilen sind und deshalb nur bei Vorliegen einer compelling justification als rechtmäßig betrachtet werden können28. Auch wenn das von den Herausforderern verfolgte Unternehmenskonzept mit Skepsis zu betrachten ist, kann sich daraus regelmäßig nur ein Recht des board ergeben, im Aktionärskreis – auch durch Einsatz des Gesellschaftsvermögens – auf eine Meinungsbildung in seinem Sinne hinzuwirken; hiervon zu unterscheiden sind jedoch Maßnahmen mit der Zweckrichtung, die Effektivität von Aktionärshandeln zu beeinträchtigen. Angesichts des Umstands, dass Blasius lediglich 9 % der Stammaktien hielt und nach Ansicht des Gerichts genügend Zeit für eine Informationskampagne blieb, verneinte der Chancery Court schließlich das Vorliegen einer compelling justification29. Die Ausführungen des Gerichts offenbaren eine deutliche Anlehnung an die Prinzipal-Agenten-Sicht der Unternehmung, auf deren Grundlage die Grenzen der Business Judgment Rule hergeleitet werden30. Aus der Blasius-Entscheidung folgt aber zugleich, dass Maßnahmen des board selbst dann nicht per se als unzulässig einzustufen sind, wenn ihr Zweck allein auf die Vereitelung einer effektiven Stimmrechtsausübung durch die Aktionäre gerichtet ist31. 2. Die poison pill als zentrales Abwehrinstrument des board a) Erscheinungsformen und Wirkungsweise der poison pill Das effektivste Abwehrinstrument des board stellt die sog. poison pill dar. Hierbei handelt es sich um eine Dividende in Form von Optionsrechten, welche die Aktionäre zum Kauf von Anteilscheinen zu einem Bruchteil des Marktpreises berechtigen, üblicherweise der Hälfte des Börsenkurses. Der Abschreckungseffekt beruht auf der Möglichkeit des board, den Bieter(aktionär) von

28

Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 660 (Del.Ch.1988). Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 662 f. (Del.Ch.1988). 30 Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 659 (Del.Ch.1988): „[. . .] ordinary considerations to which the Business Judgment Rule originally responded are simply not present in the shareholder voting context. That is, a decision by the board to act for the primary purpose of preventing the effectiveness of a shareholder vote inevitably involves the question who, as between the principal and the agent, has authority with respect to a matter of internal corporate governance.“ 31 Vgl. Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1379 Fn. 21 (Del.Supr.1995). 29

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der Ausübung dieser Rechte auszuschließen, wodurch dessen Beteiligung verwässert und die Übernahme exorbitant verteuert wird. Ihre Bedeutung für den Übernahmekontext erlangt die poison pill durch die Wahl einer entsprechenden Bedingung, vor deren Eintritt die Rechte nicht ausgeübt werden können (triggering event)32. Poison pills älteren Datums wiesen dabei in der Regel eine sog. flip over-Bestimmung auf, die als auslösendes Ereignis eine Fusion vorsieht, der ein Anteilserwerb in bestimmter Höhe vorausgegangen war33. Damit aber versagte der Schutz der poison pill, wenn der Bieter sich mit der Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft begnügte, ohne einen second step merger anzustreben34. Diese Schwachstelle wurde schließlich mit der flip in-pill behoben, die ihre Wirkung bereits entfaltet, sobald eine bestimmte Beteiligungshöhe an der Zielgesellschaft – in der Regel 15 bis 30 % der Stammaktien – erlangt wird. Häufig wird die poison pill bereits durch eine tender offer ausgelöst, sofern dabei der Erwerb einer bestimmten Beteiligungshöhe beabsichtigt ist35. Ihren weiten Verbreitungsgrad verdankt die poison pill nicht zuletzt dem Umstand, dass sie vom board jederzeit und ohne Zustimmung der Aktionäre durch eine entsprechende Änderung der bylaws implementiert werden kann36. Da sie zudem gegen Zahlung eines geringen Entgelts vom board wieder zurückgenommen werden kann37, eröffnet die poison pill der Zielverwaltung in der Übernahmeauseinandersetzung eine beachtliche Verhandlungsposition. Übernahmestrate32 Vor dem Eintritt der Bedingung besteht das Bezugsrecht regelmäßig nur zu einem aus Aktionärssicht vollkommen unangemessenen Preis, vgl. Bainbridge (2002a), S. 680; Letsou (2000), S. 1107. 33 Diese Bestimmung wurde vom Delaware Supreme Court in Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346 (Del.Supr.1985) ausdrücklich für zulässig befunden. Dem Einwand, dass hierdurch eine andere Gesellschaft verpflichtet würde, Anteile zu einem günstigen Preis zu veräußern, wurde dabei mit der grundsätzlichen Zulässigkeit von „anti destruction clauses“ bei Optionsscheinen (warrants) begegnet. Dass sich eine Gesellschaft einer gegenüber ihren Aktionären bestehenden Verpflichtung nicht einfach durch eine Umwandlung entledigen kann, gelte auch im Rahmen von poison pills, Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1352 (Del.Supr.1985). 34 Letsou (2000), S. 1109; Bainbridge (2002a), S. 681. 35 Denkbar ist auch eine Kombination der beiden Möglichkeiten. So sah etwa die vom Moran-board implementierte poison pill zwei „triggering events“ vor, nämlich zum einen den Erwerb einer 20 %igen Beteiligung, zum anderen die Abgabe eines Übernahmeangebots auf mindestens 30 % des Stammkapitals, vgl. Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1348 (Del.Supr.1985). Auch können flip in- und flip over-Bestimmungen miteinander kombiniert werden, wie etwa in Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1183 f. (Del.Ch.1998). 36 Dagegen können sog. „shark reppelents“ nur mit Zustimmung der Aktionäre implementiert werden, vgl. Letsou (2000), S. 1104 Fn. 11. 37 Die ersten poison pills wurden in Form von Vorzugsaktien mit Wandlungsoption implementiert, so dass eine „redemption provision“ nicht möglich war. Dies führte dazu, dass nach dem auslösenden Ereignis auch eine einvernehmliche Fusion – etwa mit einem white knight – erheblich erschwert wurde, vgl. Letsou (2000), S. 1107.

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gien feindlicher Bieter sehen daher regelmäßig eine Koppelung von tender offer und proxy contest vor, mit dem eine Abberufung der amtierenden Zielverwaltung und die anschließende Rücknahme der poison pill durch einen neu besetzten board angestrebt wird38. Üblicherweise wird dabei das Angebot an die Bedingung geknüpft, dass die Rücknahme der poison pill gelingt. Die Verbreitung der poison pill hat damit zu einer Wiederbelebung des proxy contest geführt. Stellt sich die poison pill demnach als eine Art „Maginot-Linie“ dar, die zwar uneinnehmbar zu sein scheint, aber über den Weg eines proxy contest umgangen werden kann, bestand das Bemühen potentieller Zielvorstände ab Ende der achtziger Jahre in erster Linie darin, die Effektivität der poison pill durch Einschränkung der shareholder voice im Übernahmekontext abzusichern. Beispiele hierfür sind das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten für Aktionärsbeschlüsse39, die Verlängerung der Einberufungsfristen einer von Aktionärsseite geforderten Hauptversammlung40, die Einführung einer Ausschlussfrist für Aktionärsvorschläge41 oder die Abschaffung der Möglichkeit, Beschlüsse außerhalb von Hauptversammlung durch schriftliches Einverständnis (written consent) zu fassen42. Eine wirksame Flankierung der poison pill wird darüber hinaus durch die Einführung einer classified board structure erreicht, die trotz des grundsätzlichen Zustimmungserfordernisses in der Unternehmenspraxis häufig anzutreffen ist43. Der Bieter ist dadurch gezwungen, mindestens zwei aufeinander folgende proxy contests zu gewinnen, bevor er eine Mehrheit im target board erlangen kann44. Bereits aus der damit verbundenen Verzögerung der Übernahme um mindestens ein Jahr folgt ein hoher Abschreckungseffekt45. 38

Thompson/Smith (2001), S. 317. Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293 (Del.Ch.2000). 40 Vgl. Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 35 (Del.Ch.1998), Verzögerung eines special shareholder meeting um mindestens 90 Tage. Diese bylaw-Änderung wurde – anders als die no hand-Bestimmung bezüglich der poison pill vom Chancery Court ausdrücklich als zulässig erachtet. 41 Sog. „advance notice bylaw“, vgl. Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1368 (Del.Supr.1995). 42 Im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Varianten kann die Abschaffung des „acting by written consent“ nicht ohne Zustimmung der Aktionäre erfolgen, weil hierfür eine Änderung des certificate of incorporation erforderlich ist, siehe § 211 (b) DGCL. Im Fall In re Gaylord Container Corp. Shareholders Litigation, 753 A.2d 462, 469 (Del.Ch.2000) wurde diese Änderung zehn Tage vor dem Auslaufen der Mehrstimmrechte (dual class stock) vorgenommen, die dem amtierenden board einen maßgeblichen Einfluss auf der Hauptversammlung sicherten. 43 Nach Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 895 weisen 59 % der US-amerikanischen Gesellschaften ein classified board auf. Zudem lag der Anteil von Gesellschaften, die in den Jahren 1999 und 2000 an die Börse gingen und gestaffelte Amtszeiten der board-Mitglieder vorsahen, bei 82 %. 44 Vgl. Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 890. 45 Bebchuk/Coates/Subramanian (2002) berichten, dass von 45 Übernahmeangeboten, die im Zeitraum von 1996 bis 2000 für eine Gesellschaft mit einem classified 39

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Die stärkste Absicherung einer poison pill wird jedoch durch eine sog. dead hand provision erzielt, wodurch die Möglichkeit zur Rücknahme einer poison pill auf den Kreis derjenigen Direktoren begrenzt wird, die dem board bereits zum Zeitpunkt des auslösenden Ereignisses angehört haben bzw. mit deren Einverständnis später hinzugekommen sind46. Dead hand pills waren insbesondere Ende der neunziger Jahre verbreitet47. Die weniger einschneidenden slow handBestimmungen sehen eine Ausschlussfrist vor, während der eine Rücknahme der poison pill ausgeschlossen wird, sofern der board in der Zwischenzeit durch einen erfolgreichen proxy contest neu besetzt worden ist48. b) Die Moran-Entscheidung des Delaware Supreme Court In der Entscheidung Moran v. Household International, Inc.49 hatte der Delaware Supreme Court erstmalig über die Zulässigkeit einer poison pill zu befinden. Diese bestand in einem vom Household-board zu Präventivzwecken verabschiedeten preferred stock rights dividend plan, der eine Kaufoption zum halben Preis sowie einen flip over für den Fall vorsah, dass jemand eine Beteiligung von mindestens 20 % erwerben und es infolgedessen zu einer Fusion kommen sollte50. Die Richter bejahten die Kompetenz des board zur Implementierung einer poison pill. Dabei verwarfen sie insbesondere die Auffassung, dass § 157 DGCL, der die Ausgabe von Optionsrechten auf den Kauf junger Aktien erlaubt51, nur auf Maßnahmen der Unternehmensfinanzierung anzuwenden sei, board abgegeben wurden, der Bieter in keinem einzigen Fall eine Mehrheit im target board erlangen, d.h. zwei aufeinander folgende proxy contest für sich entscheiden konnte. Von den fünf Bietern, die einen ersten proxy contest gewonnen hatten und damit ein Drittel des board bestimmen konnten, erlangte schließlich nur ein einziger auch die Kontrollmehrheit über die Zielgesellschaft (im Ergebnis durch eine einvernehmliche Fusion), S. 927 f. 46 Diese Bestimmung wird daher auch „continuing director provision“ genannt. 47 Rodmann (1999), S. 991 berichtet von einer Studie, wonach im Jahr 1997 von 1600 poison pills 280 mit einer dead hand-Bestimmung versehen waren. 48 Vgl. Kirchner/Painter (2000), S. 372. 49 500 A.2d 1346 (Del.Supr.1985). 50 Darüber hinaus sah die poison pill von Household eine flip in-Bestimmung für den Fall vor, dass ein Angebot für mindestens 30 % der Aktien erfolgt. Im Gegensatz zur flip over-Bestimmung war in diesem Fall die poison pill wieder zurücknehmbar, vgl. Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1349 (Del.Supr.1985). 51 § 157 (a) DGCL lautet: „Subject to any provisions in the certificate of incorporation, every corporation may create and issue, whether or not in connection with the issue and sale of any shares of stock or other securities of the corporation, rights or options entitling the holders thereof to purchase from the corporation any shares of its capital stock of any class or classes, such rights or options to be evidenced by or in such instrument or instruments as shall be approved by the board of directors.“

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nicht hingegen dann, wenn allein die Vereitelung einer Übernahme bezweckt werde. Weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte der Norm konnte das Gericht einen Anhaltspunkt für einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers entdecken52. Zudem würde es der Dynamik und Entwicklungsfähigkeit des Gesellschaftsrechts von Delaware widersprechen, aus dem bloßen Schweigen des Gesetzes auf die Unzulässigkeit der in Frage stehenden Maßnahme zu schließen53. Neben der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit der poison pill bejahte der Supreme Court auch die Organkompetenz des board für deren Implementierung, die er aus der in § 141 (a) DGCL statuierten Befugnis herleitete, die Geschäfte und Angelegenheiten der Gesellschaft zu besorgen54. Eine Beschränkung der verbandsrechtlichen Leitungskompetenz aufgrund einer übernahmevereitelnden Wirkung lehnten die Richter ab. Dabei verwiesen sie insbesondere auf den Umstand, dass der potentielle Bieter durch Initiierung eines proxy contest Einfluss auf die Zusammensetzung der Zielverwaltung nehmen könne, um die Rücknahme der poison pill zu erreichen55. Die Moran-Entscheidung hat kürzlich eine Bestätigung durch den Delaware Supreme Court erfahren. In Account v. Hilton Hotels Corp.56 stellten die Richter unter Anwendung des stare decisis-Grundsatzes57 klar, dass aus der MoranEntscheidung die Kompetenz des board zur Implementierung einer poison pill unabhängig von einer Zustimmung der Aktionäre folgt58. 52

Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1351 (Del.Supr.1985). Siehe Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1351 (Del. Supr.1985) unter Verweis auf Unocal Corp. v. Mesa Petroleum (Del.1985), 493 A.2d 946, 957: „Our corporate law is not static. It must grow and develop in response to, indeed in anticipation of, evolving concepts and needs. Merely because the General Corporation Law is silent as to a specific matter does not mean that it is prohibited.“ 54 § 141 (a) DGCL lautet auszugsweise: „The business and affairs of every corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a board of directors, except as may be otherwise provided in this chapter or in its certificate of incorporation.“ 55 Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1354 (Del.Supr.1985). Zu beachten ist jedoch, dass aufgrund der Irreversibilität der poison pill von Household ein proxy contest nur vor Erreichen der 20 %-Schwelle sinnvoll war. Aufgrund dieser Begrenzung kann sich die Zielverwaltung durch einen entsprechend höheren Besitz an eigenen Aktien einen mitunter erheblichen „Startvorteil“ verschaffen. Der Delaware Supreme Court sah jedoch die Erfolgsaussichten eines proxy contest durch die 20 %-Schwelle nicht als nennenswert beeinträchtigt an, Moran v. Household International, Inc., 500 A.2d 1346, 1355 (Del.Supr.1985). 56 780 A.2d 245 (Del.Supr.2001). 57 Hierunter ist die bindende Kraft von Präjudizien zu verstehen. 58 Account v. Hilton Hotels Corp., 780 A.2d 245, 249 (Del.Supr.2001): „While it is technically correct to argue that Moran did not explicitly pass upon the question of whether a rights plan required express consent of all parties affected by it, there is little doubt that Moran, inter alia, denied objecting shareholders the right to oppose implementation of a rights plan. Moran addressed a fundamental question of corporate law in the context of takeovers: whether a board of directors had the power to adopt 53

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3. Der gerichtliche Überprüfungsmaßstab für Abwehrmaßnahmen (standard of judicial review) a) „Unocal“ contra „Revlon“: Die unterschiedlichen Pflichtenstandards und ihre Anwendungsbereiche aa) Die Unocal-Entscheidung des Delaware Supreme Courts Eine grundlegende Bestimmung des übernahmerechtlichen Pflichtenstandards der Zielverwaltung hat der Supreme Court in der Entscheidung Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co.59 vorgenommen. Gegenstand der höchstrichterlichen Überprüfung war ein Aktienrückkaufprogramm (self tender offer) des Unocal-board unter Ausschluss des feindlichen Bieters Mesa Petroleum, der 13 % der Stammaktien von Unocal hielt. Die Übernahmestrategie von Mesa bildete ein zweistufiges Angebot (two-tier tender offer), das zunächst auf den Erwerb von 37 % der Stammaktien gegen Bargeld gerichtet war und nach Erlangung der Kontrollmehrheit eine Abfindung der verbliebenen Aktionäre in Wertpapieren vorsah. Zwar entsprach deren Nominalwert dem Barangebot der ersten Stufe, doch handelte es sich dabei um nachrangige Wertpapiere mit hohem Risiko (junk bonds), so dass eine sog. front-loaded offer vorlag. Eine solche ist in hohem Maß geeignet, Druck auf die Zielaktionäre auszuüben, weil diese aus Angst, im zweiten Schritt einen schlechteren Preis für ihre Aktien zu erzielen, zur Annahme eines als unangemessen empfundenen Angebots gedrängt werden könnten. Der Bieter macht sich damit das klassische „Kollektivhandlungsproblem“ der Aktionäre einer im Streubesitz befindlichen Gesellschaft zunutze, die ihr Vorgehen nicht zu vertretbaren Kosten koordinieren können. Der Angebotspreis von $ 54 pro Aktie lag nach Einschätzung der von Unocal beauftragten Investmentbanker mindestens $ 6 unter dem tatsächlichen Unternehmenswert. Die self tender offer von Unocal, die zunächst unter der Bedingung abgegeben wurde, dass Mesa mit seiner first-tier offer Erfolg haben würde60 und daher auf den Erwerb von 49 % der Anteile gerichtet war, sah einen Preis von $ 72 je Aktie vor. Hierdurch sollte nach der erklärten Zielsetzung des Unocal-board das unangemessene Angebot von Mesa vereitelt, zumindest unilaterally a rights plan the effect of which was to interpose the board between the shareholders and the proponents of a tender offer. The power recognized in Moran would have been meaningless if the rights plan required shareholder approval.“ 59 493 A.2d 946 (Del.Supr.1985). 60 Diese Angebotsgestaltung war äußerst trickreich, wurde doch gerade durch die Attraktivität der „self tender offer“ ihr eigener Bedingungseintritt vereitelt. Nach entsprechenden Beschwerden von Aktionärsseite entschloss sich der board jedoch, von der Bedingung hinsichtlich eines Aktienvolumens von knapp 30 % abzusehen, siehe Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 951 (Del.Supr.1985).

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aber die verbliebenen Aktionäre vor der nachteiligen Abfindung bewahrt werden61. In abweichender Auffassung zur Vorinstanz hielt der Supreme Court die Abwehrmaßnahme für rechtmäßig. Die Richter sahen in dem Aktienrückkauf eine gemäß § 160 (a) DGCL gesellschaftsrechtlich zulässige Maßnahme, die von der Leitungskompetenz des board grundsätzlich umfasst sei. In diesem Zusammenhang betonten sie die Verpflichtung des board, die Gesellschaft und ihre Aktionäre vor Schaden zu bewahren und verwiesen auf die aktive Rolle, die das DGCL dem board in Angelegenheiten fundamentalen Wandels der Gesellschaft zugedacht habe62. Der Supreme Court vertritt die Auffassung, dass in der Übernahmesituation im Grundsatz kein anderer Maßstab für Entscheidungen des board gelte, als er im Rahmen gewöhnlicher Geschäftsführungsmaßnahmen anzulegen wäre63. Jedoch erfordere die im Übernahmekontext allgegenwärtige Gefahr, dass die Zielverwaltung in erster Linie in eigenem statt im Interesse der Gesellschaft handelt, eine erhöhte gerichtliche Kontrolle der in Frage stehenden Maßnahme64. Für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit nahm der Supreme Court dabei eine zweistufige Prüfung („Unocal-Test“) vor, der dem board den Nachweis auferlegt, dass erstens nachvollziehbare Gründe bestanden, eine Gefahr für die Unternehmenspolitik und deren Effektivität anzunehmen, und zweitens die gewählte Abwehrmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Bedrohung stand. Seiner Beweislast hinsichtlich des ersten Prüfungspunktes soll der board genügen, wenn er ein Handeln in gutem Glauben (good faith) und nach sorgfältiger Untersuchung (reasonable investigation) darlegt. Hierbei schauen die Gerichte von Delaware auch auf die Zusammensetzung des target board: Bilden unabhängige Direktoren (outside bzw. disinterested directors) die Mehrheit im board, werden geringere Anforderungen an den Nachweis eines Handelns in gutem Glauben und nach sorgfältiger Untersuchung gestellt65. 61

Vgl. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 956 (Del.Supr.1985). Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 Fn. 8 (Del.Supr.1985): „Even in the traditional areas of fundamental corporate change, i. e., charter, amendments [8 Del.C. § 242(b)], mergers [8 Del.C. §§ 251(b), 252(c), 253(a), and 254(d)], sale of assets [8 Del.C. § 271(a)], and dissolution [8 Del.C. § 275(a)], director action is a prerequisite to the ultimate disposition of such matters.“ 63 Siehe Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del.Supr.1985): „When a board addresses a pending takeover bid it has an obligation to determine whether the offer is in the best interests of the corporation and its shareholders. In that respect a board’s duty is no different from any other responsibility it shoulders, and its decisions should be no less entitled to the respect they otherwise would be accorded in the realm of business judgement.“ 64 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del.Supr.1985). 65 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del.Supr.1985). Von den 13 Mitgliedern des Unocal-board galten 8 als unabhängige Direktoren, siehe Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 950 (Del.Supr.1985). 62

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Mit der Unocal-Entscheidung hat sich die Delaware-Rechtsprechung damit für die Geltung eines intermediate standard of review in der Übernahmesituation entschieden66: Handlungen des Vorstands werden aufgrund der Gefahr eines primär eigennützigen Verhaltens zwar nicht per se unter den Schutz der Business Judgment Rule gestellt; andererseits aber wird der situationsbedingte Interessenkonflikt nicht als derart gravierend beurteilt, als dass – wie im Falle des Selbstkontrahierens – der entire fairness-Maßstab zur Anwendung gelangen müsste. Hierzu passt auch die in späteren Entscheidungen bestätigte Rechtsauffassung, dass der im Einzelfall anzuwendende Überprüfungsmaßstab von der konkreten Zusammensetzung des target board abhängt67. Outside directors haben im Falle einer erfolgreichen Übernahme nicht auch den Verlust einer Managementposition im Unternehmen zu befürchten, so dass sich eher eine sorgfältige Abwägung des Angebots vermuten lässt, wenn sie die Mehrheit des board bilden. Im konkreten Fall sahen die Richter das Übernahmeangebot von Mesa als „Bedrohung für die Unternehmenspolitik“ an, weil es aufgrund seiner Ausgestaltung als two-tier front-loaded offer geeignet war, die Zielaktionäre vorwiegend aus Sorge vor dem folgenden squeeze out zur Annahme zu bewegen. Der Erwerb eigener Aktien durch Unocal wurde zudem als verhältnismäßige Reaktion hierauf eingestuft, nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Zielsetzung, eine Benachteiligung der späteren Minderheitsaktionäre zu verhindern, die sich mit nachrangigen Schuldtiteln (junk bonds) hätten abfinden müssen. Schließlich wurde es auch als gerechtfertigt angesehen, den Bieter vom Aktienrückkaufprogramm auszuschließen, weil von diesem die Bedrohung für die Zielgesellschaft und ihren Aktionären ausging. Bemerkenswert an der Unocal-Entscheidung ist, dass der Supreme Court die Abwehrbefugnis mit einer Zwangswirkung des Übernahmeangebots begründete, dem target board aber zugleich eine Verteidigungsmaßnahme gestattete, die ihrerseits keineswegs anreizneutral war. Denn dadurch, dass der im zweiten Schritt von Unocal gebotene Rückkaufpreis den Angebotspreis deutlich übertraf und sogar über dem – nach eigenem Bekunden – „tatsächlichen“ Unternehmenswert lag, wurde ein Zwang zur Ablehnung ausgeübt68; selbst für Aktionäre, die das Unternehmenskonzept von Mesa favorisierten, stellte unter diesen Umständen die Annahme des Angebots grundsätzlich nicht die beste Alternative dar69. Hierdurch wird deutlich, dass es dem Supreme Court in der Unocal-Entscheidung nicht darum ging, die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre sicherzu66

Vgl. Möslein (2007), S. 560 ff. Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1154 (Del. Supr.1989); In re Gaylord Container Corp. Shareholders Litigation, 753 A.2d 462, 475 (Del.Ch.2000); Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1375 (Del. Supr.1995). 68 Gevurtz (2000), S. 697 f.; vgl. auch Herkenroth (1994), S. 174. 67

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stellen, sondern vielmehr die Verteidigungsfähigkeit des target board im Vordergrund stand. Denn andernfalls hätte das Gericht den Aktienrückkauf für unverhältnismäßig befinden müssen, soweit er den Angebotspreis des first-tier übersteigt. bb) Die Revlon-Entscheidung: Die Zielverwaltung als Auktionator im Aktionärsinteresse Nur wenige Monate nach seiner Unocal-Entscheidung formulierte der Delaware Supreme Court in Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc.70 einen speziellen Handlungsmaßstab für Zielvorstände, deren Unternehmen unvermeidbar vor dem Verkauf oder vor einer Auflösung stehen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem Pantry Pride, dessen Mehrheitsaktionär MacAndrews & Forbes Holdings war, Interesse am Erwerb von Revlon bekundet hatte, lehnte dessen board, das mehrheitlich aus interested directors bestand, einen Zusammenschluss ab. Stattdessen ergriff es diverse, durch Anleihen finanzierte Abwehrmaßnahmen, darunter die Implementierung einer poison pill sowie die Durchführung eines Aktienrückkaufprogramms. Nachdem Pantry Pride daraufhin ein im Laufe der Zeit mehrfach nachgebessertes Übernahmeangebot unterbreitet hatte, hielt das Revlon-board nach einem sog. white knight Ausschau, den es schließlich in Forstmann Little & Co. fand. Dessen Ziel war u. a. der Verkauf von zwei Revlon-Sparten nach einem Zusammenschluss, in dessen Vorfeld Revlon zudem seine cosmetics and fragance-Sparte für ca. $ 900 Mio. veräußern sollte. Im Verlaufe des sich anschließenden Bieterwettbewerbs steigerte Pantry Pride seine Offerte abermals auf nunmehr $ 56,25 je Aktie, woraufhin Forstmann dem Revlon-board ein Angebot von $ 57,25 unterbreitete und sich zudem bereit erklärte, die zur Finanzierung des Aktienrückkaufs ausgegebene Revlon-Anleihe durch werthaltigere Schuldtitel zu ersetzen. Forstmann knüpfte sein Angebot allerdings an die Bedingung, dass zu seinen Gunsten eine lock-up-Option eingeräumt und zusätzlich eine no shop-Klausel vereinbart würde, was die RevlonDirektoren schließlich akzeptierten. Die Option berechtigte Forstmann zum Kauf von zwei wichtigen Unternehmenssparten zu einem Vorzugspreis71, sobald ein anderer Bieter mindestens 40 % der Revlon-Aktien erwerben sollte. Durch 69 Aus Sicht des Einzelaktionärs wäre die Ablehnung des Angebots in jedem Fall dann sinnvoll, wenn auch ohne seine Annahme die Kontrollmehrheit für Mesa erreicht würde, weil er dann in den Genuss des höheren Rückkaufpreis in der nachfolgenden Übernahmephase kommen würde. 70 506 A.2d 173 (Del.Supr.1985). 71 Für den Verkauf von „Vision Care“ und „National Health Laboratories“ wurden $ 525 Mio. und damit ein Preis vereinbart, der ca. $ 100–175 Mio. unter dem Wert lag, den Revlons Investmentbanker diesen Unternehmensteilen beimaßen.

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die no shop-Klausel wurde Revlon untersagt, Gespräche mit anderen Bietern über einen Zusammenschluss aufzunehmen. Pantry Pride klagte gegen die lockup-Option. Gleichzeitig gaben sie ein weiteres Angebot in Höhe von $ 58 je Aktie ab, stellten dieses jedoch unter die Bedingung einer gerichtlichen Untersagung der lock-up-Option. Der Klage von Pantry Pride gaben sowohl der Chancery als auch der Supreme Court statt, der darüber hinaus die no shop-Klausel für rechtswidrig erklärte. Zwar sei diese ebenso wie die lock-up-Option grundsätzlich zulässig72; zudem seien die poison pill und das Aktienrückkaufprogramm von Revlon nicht zu beanstanden, zumal hierin ein Grund für die Nachbesserungen des Übernahmeangebots von Pantry Pride gesehen werden könne73. Das Gericht konzedierte der Zielverwaltung zwar ein Handeln in Übereinstimmung mit den UnocalPflichten74, erklärte diesen Verhaltensmaßstab jedoch für unanwendbar, sobald ein Verkauf oder die Auflösung der Gesellschaft (break up) unausweichlich geworden ist. Von diesem Zeitpunkt an würde sich die Rolle des board vom „Verteidiger der Gesellschaft“ zum „Auktionator“ wandeln, dessen einzige Pflicht nunmehr darin bestünde, im Interesse der Aktionäre den maximalen Verkaufspreis zu erzielen75. Die Voraussetzungen für einen Übergang vom „Unocal“-Maßstab zum „Auktionsmodus“ sah der Supreme Court spätestens mit der Entscheidung des Revlon-board, einen white knight zu suchen, als erfüllt an, weil hierin ein Eingeständnis liege, dass eine Verteidigung von Revlon als unabhängige Gesellschaft aussichtslos geworden sei76. Mit diesem modifizierten Pflichtenmaßstab, der die Erzielung des maximalen Verkaufspreises zur alleinigen Maxime unternehmerischen Handelns erhebt, waren die lock-up-Option und die no shop72 Der Delaware Supreme Court erkennt insbesondere die positive Anreizwirkung eines lock-up zur Stimulierung eines Bieterwettbewerbs an, vgl. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 183 (Del.Supr.1985): „A lock-up is not per se [Hervorhebung im Original] illegal under Delaware law. [. . .] Such options can entice other bidders to enter a contest for control of the corporation, creating an auction for the company and maximizing shareholder profit. Current economic conditions in the takeover market are such that a ,white knight‘ like Forstmann might only enter the bidding for the target company if it receives some form of compensation to cover the risks and costs involved.“ 73 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 181 (Del.Supr.1985): „Under the circumstances it cannot be said that the Rights Plan as employed was unreasonable, considering the threat posed. Indeed, the Plan was a factor in causing Pantry Pride to raise its bids from a low of $ 42 to an eventual high of $ 58.“ 74 Vgl. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 185 (Del.Supr.1985). 75 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 (Del.Supr.1985). 76 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 (Del.Supr.1985).

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Klausel nach Auffassung des Gerichts nicht vereinbar, weil sie dem für die Zielaktionäre lukrativen Bieterwettbewerb ein Ende setzten77. In diesem Zusammenhang betonte das Gericht, dass die Interessen der Anleihegläubiger, deren Situation sich bei einem Zusammenschluss mit Forstmann verbessert hätte, im Auktionsmodus für den Vorstand kein abwägungsfähiges Kriterium darstellen würden78. Gehen die Richter in der Revlon-Entscheidung noch von der strikten Verpflichtung des board aus, die Gesellschaft an den Bieter mit dem höchsten Gebot zu veräußern, erfuhr das unternehmerische Ermessen im Rahmen des Auktionsmodus in späteren Urteilen eine Erweiterung. So wurde dem board im Fall Paramount v. QVC ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich des „besseren“ Angebots zugebilligt79: „In determining which alternative provides the best value for the stockholders, a board of directors is not limited to considering only the amount of cash involved, and is not required to ignore totally its view of the future value of a strategic alliance. Instead, the directors should analyze the entire situation and evaluate in a disciplined manner the consideration being offered.“ Dabei soll der board bei seiner Abwägung sogar die Unternehmensstrategie des Bieters und deren Auswirkungen auf die Aktionärsinteressen berücksichtigen dürfen80. Die Diskrepanz zwischen Revlon- und Unocal-Maßstab hat sich durch diese Entwicklung relativiert81. 77 Der Grund lag darin, dass der Kauf von Revlon für Pantry Pride ohne die beiden Unternehmensteile, für die Forstmann eine lock-up-Option erhalten hatte, nicht mehr interessant gewesen wäre. Die „Vision Care“- und die „National Health Laboratories“Sparte von Revlon stellten insofern „crown jewels“ dar. 78 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 f. (Del.Supr.1985). Diese strikt interessenmonistisch formulierte Leitmaxime lässt sich wohl nicht zuletzt darauf zurückführen, dass das Gericht den Revlon-board als den eigentlichen Nutznießer der lock-up-Option ansah, weil eine Übernahme durch Forstmann dessen Haftungssrisiko gegenüber den Anleihegläubigern deutlich verringert hätte, vgl. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 184 (Del.Supr.1985): „In reality, the Revlon board ended the auction in return for very little actual improvement in the final bid. The principal benefit went to the directors, who avoided personal liability to a class of creditors to whom the board owed no further duty under the circumstances.“ 79 Paramount Communications Inc.v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 44 (Del. Supr.1994). 80 Paramount Communications Inc.v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 44 (Del. Supr.1994). 81 Diese Entwicklung hat sich bereits in Mills Acquisition Co. v. Macmillan, Inc., 559 A.2d 1261 (Del.Supr.1989) angedeutet, dazu Paredes (2004), S. 164. Vgl. auch die Ausführungen des Chancery Court in City Capital Ltd. v. Interco, Inc., 551 A.2d 787, 802 (Del.Ch.1988): „[. . .] I do not think that Revlon intended to narrowly circumscribe the range of reactions that a board may make in good faith to an attempt to seize control of a corporation. Even when the corporation is clearly ,for sale,‘ a disinterested board or committee maintains the right and the obligation to exercise business judgement in pursuing the stockholders’ interest. [. . .] Revlon should not, in my opinion, be interpreted as representing a sharp turn in our law. It does not require, for

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

cc) Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Unocal- und Revlon-Maßstabs Durch die unterschiedlichen Handlungsrahmen, die der Unocal- und RevlonStandard der Zielverwaltung jeweils eröffnen, kommt der Entscheidung über den anwendbaren Pflichtenmaßstab eine erhebliche Präjudizwirkung für die Zulässigkeit der Abwehrmaßnahme zu. Die Abgrenzung der jeweiligen Anwendungsbereiche stellt damit eine zentrale Fragestellung im US-amerikanischen Übernahmerecht dar. Der Delaware Supreme Court präzisierte in den beiden Paramount-Entscheidungen aus den Jahren 1989 und 1994 die Trennlinie zwischen dem Unocal- und Revlon-Maßstab. Im Fall Paramount Communications Inc. v. Time Inc.82 (im Folgenden auch: „Time“-Entscheidung) lag der Sachverhalt vordergründig wie in der RevlonEntscheidung: Paramount machte im Juni 1989 ein Barübernahmeangebot für Time, deren Zielverwaltung jedoch eine mittels Aktientausches finanzierte Fusion (stock for stock merger) mit Warner bevorzugte, zu deren Absicherung eine lock-up-Option83 sowie eine no shop-Klausel vereinbart worden war. Im Unterschied zum Sachverhalt in der Revlon-Entscheidung stellte sich die geplante Fusion, in deren Folge Warner eine Tochtergesellschaft von Time werden sollte, jedoch nicht als eine durch das Angebot bedingte Maßnahme dar, sondern war das Ergebnis vorangegangener Verhandlungen, deren Ursprung bis in das Jahr 1987 zurückreichte84. Geknüpft an die Bedingung, dass die bereits drei Monate zuvor für ein Zusammengehen mit Warner implementierten Sicherungsmaßnahmen vom Time-board zurückgenommen würden, gab Paramount sein Angebot nur zwei Wochen vor der Abstimmung der Time-Aktionäre zum geplanten Aktientausch ab. Time reagierte auf das Übernahmeangebot von Paramount, indem es seine Erwerbstrategie vom Aktientausch auf ein Barangebot example, that before every corporate merger agreement can validly be entered into, the constituent corporations must be ,shopped‘ or, more radically, an auction process undertaken, even though a merger may be regarded as a sale of the Company. But mergers or recapitalizations or other important corporate transactions may be authorized by a board only advisedly. There must be a reasonable basis for the board of directors involved to conclude that the transaction involved is in the best interest of the shareholders. This involves having information about possible alternatives. The essence of rational choice is an assessment of costs and benefits and the consideration of alternatives.“ 82 571 A.2d 1140 (Del.Supr.1989). 83 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1146 (Del. Supr.1989): „At its March 3, 1989 meeting, Time’s board adopted several defensive tactics. Time entered an automatic share exchange agreement with Warner. Time would receive 17,292,747 shares of Warner’s outstanding common stock (9.4 %) and Warner would receive 7,080,016 shares of Time’s outstanding common stock (11.1 %). Either party could trigger the exchange.“ 84 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1144 (Del. Supr.1989).

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für 51 % der Warner-Aktien umstellte, um so dem börsenrechtlich begründeten Zustimmungserfordernis der Aktionäre zu entgehen. Paramount und einige Time-Aktionäre, welche sich die Aussicht auf die inzwischen von Paramount gebotene 50 %ige-Übernahmeprämie erhalten wollten, verklagten daraufhin Time auf Unterlassung der Übernahme von Warner. Der Delaware Supreme Court sah keinen Anlass zur Annahme, dass eine Zerschlagung (break up) oder die Auflösung (dissolution) von Time durch die Fusionsverhandlungen mit Warner unausweichlich geworden war, und wandte daher – in Übereinstimmung mit dem Chancery Court – den Unocal-Maßstab an85. Hiernach wurden die von Paramount angegriffenen deal protections schließlich als ein verhältnismäßiges Mittel angesehen. Dabei wurde eine Einschätzungsprärogative des Vorstands hinsichtlich des Ertragswertes seiner verfolgten Langfriststrategie angenommen, auf deren Grundlage die Möglichkeit einer rechtlich erheblichen Bedrohung durch das Paramount-Angebot bejaht wurde86. Im Fall Paramount Communications Inc. v. QVC Network Inc.87 hingegen wurden ebenfalls umstrittene deal protections am Maßstab der Revlon-Rechtsprechung bewertet: Paramount plante nunmehr ein Zusammengehen mit Viacom, deren beherrschender Großaktionär nach Durchführung des angestrebten stock for stock merger 70 % an der neuen Gesellschaft gehalten hätte. Zur Sicherung der Transaktion wurde eine no shop-Klausel und für den Fall, dass die angestrebte Fusion aufgrund eines Konkurrenzangebots für Paramount scheitern sollte, eine für Viacom vorteilhafte Aktienoption88 sowie eine Vertragsstrafe (termination fee) in Höhe von $ 100 Mio. vereinbart. Daraufhin modifizierte Paramount seine poison pill dergestalt, dass sie auf eine Fusion mit Viacom keine Anwendung finden würde. Auch nach dem Übernahmeangebot durch QVC, das den Paramount-Aktionären eine höheren Kaufpreis versprach, hielt die Zielverwaltung an der Fusion mit Viacom unter Verweis auf langfristig bessere Ertragschancen fest und verweigerte die Aufnahme von Verhandlungen mit QVC. Der Delaware Supreme Court begründete die Anwendbarkeit des RevlonMaßstabs mit der Konzentration der Anteilsstruktur, die sich durch die geplante 85 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1150 (Del.Supr. 1989). 86 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del.Supr. 1989). 87 637 A.2d 34 (Del.Supr.1994). 88 Viacom wurde darin die Option auf den Erwerb von 19,9 % der Paramount-Aktien eingeräumt, wobei die Bezahlung durch senior subordinated notes gestattet wurde und zudem ein sog. put feature vereinbart wurde, aufgrund dessen Viacom von Paramount eine Barzahlung in Höhe der Differenz zwischen Kauf- und Marktpreis der Paramount-Aktien verlangen konnte.

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

Fusion ergeben und einen „Kontrollwechsel“ für Paramount bedeuten würde. Denn während der Zusammenschluss zwischen Time und Warner eine neue Gesellschaft mit breit gestreutem Anteilsbesitz hervorgebracht hat, würden sich die Paramount-Aktionäre nach der Fusion in der Rolle von Minderheitsaktionären wiederfinden, denen ein beherrschender Großaktionär gegenüber stünde89. Die damit verbundene Entwertung ihrer Stimmrechte und die verlorene Aussicht, in den späteren Genuss einer Kontrollprämie zu gelangen, würden die Interessen der Aktionäre in ähnlicher Weise wie im Fall eines Verkaufs der Gesellschaft berühren, so dass der Revlon-Maßstab auch im vorliegenden stock for stock merger eingreifen könne90. Indem das Paramount-board durch die umstrittenen deal protections den Bieterwettbewerb zu beenden suchte und das aus Aktionärssicht ungünstigere Angebot favorisierte, ohne Verhandlungen mit QVC in Betracht zu ziehen, verstieß er nach Auffassung des Gerichts gegen seine Treuepflichten91. Eine Berufung auf vermeintlich bessere Ertragschancen, die ein Zusammengehen mit Viacom in langfristiger Sicht bieten könnte, wurde der Zielverwaltung verwehrt; obwohl der chief executive officer von Paramount auch das fusionierte Unternehmen führen sollte, wurde ihm aufgrund der konzentrierten Anteilsstruktur die notwendige Autorität abgesprochen, für die tatsächliche Umsetzung der Unternehmensstrategie Sorge zu tragen92. Der Kontrollerwerb über das Gesellschaftsvermögen von Paramount spielte damit in zweifacher Hinsicht eine Rolle für die Entscheidung des Gerichts, allein auf den kurzfristig für die Aktionäre erzielbaren Verkaufserlös abzustellen: Zum einen wurde die Partizipation der Paramount-Aktionäre am langfristigen Erfolg der neuen Gesellschaft durch den beherrschenden Mehrheitsaktionär in Frage gestellt93. Darüber hinaus wurde dem geringeren Handlungsspielraum des Vorstands in einer Gesellschaft mit konzentriertem Anteilsbesitz Rechnung getragen, in der die Aktionärsseite nicht mehr aufgrund von Kollektivhandlungsproblemen an einer effektiven Einflussnahme auf die Geschäftspolitik gehindert ist. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Revlon-Maßstab immer dann Anwendung findet, wenn der board einen Bieterwettbewerb mit der Absicht initiiert, die Zielgesellschaft zu verkaufen oder er seine langfristige Geschäfts89 Paramount Supr.1994). 90 Paramount Supr.1994). 91 Paramount Supr.1994). 92 Paramount Supr.1994). 93 Paramount Supr.1994).

Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 46 f. (Del. Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 46 f. (Del. Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 49 f. (Del. Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 50 (Del. Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 47 (Del.

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strategie aufgibt und stattdessen eine Transaktion anstrebt, die zu einer Auflösung der Gesellschaft führen würde. Hingegen sind Restrukturierungsmaßnahmen in der fortbestehenden Gesellschaft auch dann nicht anhand des RevlonMaßstabs zu beurteilen, wenn sie als Reaktion auf ein Übernahmeangebot ergriffen werden. Dies gilt selbst dann, wenn die in Frage stehenden Maßnahmen einen tiefen Einschnitt in die bisherige Gesellschaftsstruktur bedeuten94. Schließlich ist eine Abwehrmaßnahme auch dann am Revlon-Standard zu messen, wenn mit dieser eine Konzentration der bis dahin diffusen Anteilsstruktur verbunden ist, so dass die Kontrolle über das Gesellschaftsvermögen auf einen beherrschenden Aktionäre übergeht (change of control). Diese im Fall Paramount v. QVC begründete Rechtsprechung ist wesentlich vom Gedanken des Minderheitenschutzes für die Aktionäre geprägt95. b) Die Weiterentwicklung des Unocal-Maßstabs in der Unitrin-Entscheidung Eine Aufweichung erfuhr der Unocal-Maßstab in der Entscheidung Unitrin, Inc. v. American General Corp.96. Die Zielgesellschaft Unitrin hatte verschiedene Abwehrstrategien miteinander kombiniert, die nach Auffassung des Supreme Court auch in ihrer Gesamtheit der Verhältnismäßigkeitskontrolle des Unocal-Test genügten. Obwohl das certificate of incorporation von Unitrin bereits eine sog. supermajority provision vorsah, implementierte die Zielverwaltung als Reaktion auf das Übernahmeangebot von American General eine poison pill und initiierte zudem ein Aktienrückkaufprogramm für bis zu 20 % der ausstehenden Aktien. Die supermajority provision bewirkte, dass eine Fusion mit einem Unterneh94 Vgl. City Capital Ltd. v. Interco, Inc., 551 A.2d 787 (Del.Ch.1988). Interco beabsichtigte zur Abwehr des Übernahmeangebots von City Capital die Veräußerung von Vermögensgegenständen, mit denen ca. die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet wurde („crown jewels“). Die Abwehrpläne sahen ferner die massive Aufnahme von Schulden und die Ausschüttung von Werten an die Aktionäre vor, die ca. 85 % des Marktwerts der Aktien entsprachen. Dennoch lehnte der Chancery Court die Anwendung des Revlon-Maßstabs in diesem Fall ab, vgl. a. a. O. S. 801 ff. 95 Das Gericht deutete in Paramount Communications Inc. v. QVC Network Inc. an, dass bei Vorliegen anderer Instrumente des Minderheitenschutzes – etwa einer supermajority provision – möglicherweise nicht der strenge Revlon Standard zur Anwendung gelangt wäre, 637 A.2d 34, 43 (Del.Supr.1994): „In the absence of devices protecting the minority stockholders, stockholder votes are likely to become mere formalities where there is a majority stockholder. For example, minority stockholders can be deprived of a continuing equity interest in their corporation by means of a cash-out merger. Absent effective protective provisions, minority stockholders must rely for protection solely on the fiduciary duties owed to them by the directors and the majority stockholder, since the minority stockholders have lost the power to influence corporate direction through the ballot.“; vgl. dazu auch Weisner (2000), S. 102. 96 651 A.2d 1361 (Del.Supr.1995).

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

men, welches bereits 15 % der Unitrin-Aktien hielt, an die Zustimmung der amtierenden Direktoren oder einer 3 / 4-Mehrheit der Unitrin-Aktionäre geknüpft wurde97. Die poison pill entfaltete ihre Wirkung ab dem Erreichen einer Beteiligungsschwelle von 15 %98. Der kombinierte Effekt der einzelnen Abwehrmaßnahmen sah wie folgt aus: Infolge des Aktienrückkaufs würde sich der Stimmenanteil der Direktoren auf der Hauptversammlung auf 28 % erhöhen99 und ihnen damit eine Sperrminorität hinsichtlich der von American General angestrebten Fusion verschaffen, sofern zuvor American General einen Anteil von mindestens 15 % an der Zielgesellschaft erwerben würde. In diesem Fall könnte American General eine Fusion ohne Zustimmung derjenigen Direktoren, welche dem Unitrin-board bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligungsschwelle angehört haben, nicht mehr durchführen. Um ein solches Vetorecht zu vermeiden, blieb American General nur die Option, vor Erreichen der Beteiligungsschwelle einen proxy contest mit der Zielsetzung durchzuführen, eine Neubesetzung des board mit anschließender Rücknahme der poison pill zu erreichen. Für American General war die Ausgangsposition für einen proxy contest jedoch deutlich ungünstiger als für die Zielverwaltung, die einen doppelt so großen Stimmenblock kontrollierte. Unter der Voraussetzung einer „Wahlbeteiligung“ von 90 %100 bedeutete dies für die Herausforderer, dass sie zur Kontrollerlangung ca. zwei Drittel und zur Durchführung des second step merger sogar knapp 75 % der offenen Stimmen auf sich vereinen mussten, da § 251 DGCL hierfür die absolute Mehrheit sämtlicher Stimmen vorschreibt101. Der Chancery Court sah den Aktienrückkauf als eine im Sinne des UnocalTest unverhältnismäßige Maßnahme an, da die – nicht zu beanstandende – poison pill und supermajority provision der Zielgesellschaft und ihren Aktionären bereits ausreichenden Schutz vor unangemessen Übernahmeangeboten bieten würde. Dem widersprach der Supreme Court, wobei er die Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung dahingehend präzisierte, dass diese bereits dann erfüllt 97

Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1377 (Del.Supr.1995). Vgl. Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1382 (Del.Supr. 1995). 99 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1377 f. (Del.Supr. 1995). 100 Diese Zahl legten die Gerichte ihren Überlegungen zugrunde, vgl. Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1382 ff. (Del.Supr.1995). 101 Bei einem maximalen Stimmenpaket von 15 % und einer „Wahlbeteiligung“ von 90 % brauchte American General mindestens einen zusätzlichen Stimmenblock von 30 % zur relativen Mehrheit. Zum Erreichen der absoluten Mehrheit aller Stimmen, die zur Durchführung der Fusion erforderlich ist (§ 251 DGCL), brauchte American General noch einen zusätzlichen Stimmenanteil von 35 %. Insgesamt zur Verfügung stand jedoch lediglich ein Stimmenpotential von 47 % [= 90 % („Wahlbeteiligung“) – 28 % (Stimmenanteile der Direktoren) – 15 % (max. eigener Stimmenanteil)]. 98

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seien, wenn die Abwehrmaßnahme weder „ausschließend“ (preclusive) noch „zwingend“ (coercive) und darüber hinaus im Rahmen vernünftiger Erwägungen als vertretbar erscheine (within range of reasonableness). Dabei sei eine Abwehrmaßnahme als „ausschließend“ nur anzusehen, wenn hierdurch die Übernahme „mathematisch unmöglich“ oder „realistischerweise unerreichbar“ gemacht werde, nicht hingegen wenn sie lediglich erschwert werde102. Einen „zwingenden“ Charakter weise eine Abwehrmaßnahme auf, wenn durch diese den Zielaktionären die vom eigenen board favorisierte Unternehmensstrategie gleichsam oktroyiert würde103. Auf Grundlage dieser Interpretation des UnocalTest bejahte der Supreme Court schließlich die Verhältnismäßigkeit der Abwehrstrategie und verwies dabei insbesondere auf die hohe Anzahl institutioneller Investoren bei Unitrin, wodurch die Chancen eines erfolgreichen proxy contest steigen würden104. Durch die Unitrin-Entscheidung wurden die Anforderungen an den Nachweis einer verhältnismäßigen Abwehrmaßnahme deutlich gesenkt und die Unzulässigkeit von Abwehrstrategien im Ergebnis auf „drakonische“ Maßnahmen beschränkt105. Zwar blieb der erste Prüfungspunkt des Unocal-Test durch Unitrin unberührt, doch wurden hierdurch ohnehin keine über die Business Judgment Rule wesentlich hinausgehenden Erfordernisse aufgestellt106. Damit beschränkt sich der übernahmespezifische Verhaltensmaßstab für den target board im Wesentlichen auf eine Umkehr der Beweislast107: Handelt dieser in Abwehr eines Übernahmeangebots, obliegt ihm die Pflicht, loyales und sorgfältiges Handeln darzulegen.

102 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1388 f. (Del.Supr. 1995). 103 Vgl. Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1390 (Del.Supr. 1995). 104 42 % der Unitrin-Aktien wurden von institutionellen Investoren gehalten. Der Anteilsbesitz war zudem relativ konzentriert: Ein Drittel der Aktien war im Besitz von nur zwanzig institutionellen Investoren. Der Supreme Court stellt hierzu fest, 651 A.2d 1361, 1383 (Del.Supr.1995): „Thus, American General’s own assumptions and calculations in the record support the Unitrin Board’s argument that ,it is hard to imagine a company more readily susceptible to a proxy contest concerning a pure issue of dollars.‘ That institutions held a high percentage of Unitrin’s stock is not as significant as the fact that the relatively concentrated percentage of stockholdings would facilitate a bidder’s ability to communicate the merits of its position.“ 105 Thompson/Smith (2001), S. 292 f.; Paredes (2004), S. 168; Regan (2001), S. 951. 106 Vgl. Thompson/Smith (2001), S. 282. 107 Thompson/Smith (2001), S. 281.

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c) Das Spannungsverhältnis zwischen dem Leitbild einer Aktionärsdemokratie und der Abwehrkompetenz der Zielverwaltung in der Rechtsprechung Delawares Aufgrund der weiten Verbreitung der poison pill wurden Übernahmangebote seit den neunziger Jahren regelmäßig mit einem proxy contest verbunden. Als Reaktion darauf konzentrierten sich Abwehrmaßnahmen von Zielverwaltungen zunehmend auf eine Beschränkung der shareholder voice im Übernahmeverfahren. Insbesondere sollte die Möglichkeit der Aktionäre beschnitten werden, den board mehrheitlich mit Vertrauten des Bieters zu besetzen, die den Weg für die Übernahme schließlich durch Rücknahme der poison pill frei machen würden. Beispiele für derartige Vereitelungsmaßnahmen sind die Errichtung formeller Hürden für Aktionärsbeschlüsse, etwa durch qualifizierte Beschlusserfordernisse, Beschränkungen der Möglichkeiten zum written consent oder verlängerte Einberufungsfristen für Hauptversammlungen, aber auch materielle Beschränkungen der Stimmrechtsausübung wie etwa die Einführung von gestaffelten Amtszeiten für Mitglieder des board („staggered board“). Auch kann sich die Zielverwaltung einen erheblichen Startvorteil im proxy contest dadurch verschaffen, dass sie eine niedrige Beteiligungsschwelle für das Auslösen der poison pill bestimmt und ihr eigenes Stimmenpotential durch ein umfangreiches Aktienrückkaufprogramm steigert. Darüber hinaus waren target boards bemüht, die Schlagkraft von proxy contests durch continuing director provisions abzumildern, die neu gewählten boards eine Rücknahme der poison pill erschwerten oder sogar unmöglich machten. Bezwecken Verteidigungsmaßnahmen damit zu einem wesentlichen Teil die Vereitelung einer effektiven Stimmechtsausübung der Zielaktionäre, stellt sich die Frage nach deren Vereinbarkeit mir der Blasius-Rechtsprechung. Dabei ist zu entscheiden, ob der Unocal/Unitrin-Maßstab auf derartige Fälle unverändert anzuwenden ist oder darüber hinaus von der Zielverwaltung ein erhöhter Rechtfertigungsaufwand – etwa im Sinne einer compelling justification – verlangt wird. Im Spannungsverhältnis zwischen Aktionärsdemokratie und Abwehrkompetenz des Vorstands sind in der Rechtsprechung des Chancery und Supreme Court unterschiedliche Präferenzen sichtbar geworden, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll. aa) Die Rolle des Blasius-Standards in der Unitrin-Entscheidung und der jüngeren Rechtsprechung des Chancery Court Auch in seiner Unitrin-Entscheidung hebt der Delaware Supreme Court die Bedeutung des Aktionärsstimmrechts hervor108: 108 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1378 f. (Del.Supr. 1995).

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„This Court has been and remains assiduous in its concern about defensive actions designed to thwart the essence of corporate democracy by disenfranchising shareholders. [. . .] Management has attempted to utilize the corporate machinery and the Delaware Law for the purpose of perpetuating itself in office; and, to that end, for the purpose of obstructing the legitimate efforts of dissident stockholders in the exercise of their rights to undertake a proxy contest against management. These are inequitable purposes, contrary to established principles of corporate democracy. [. . .] More recently, this Court stated: ,we accept the basic legal tenets‘, set forth in Blasius Indus., Inc. v. Atlas Corp. [. . .].“

Nichtsdestotrotz wird die Anwendbarkeit des Blasius-Standards ohne nähere Erläuterung abgelehnt. Das Gericht beschränkt sich insoweit auf die Feststellung, dass der primäre Zweck des Verwaltungshandelns nicht auf eine Beeinträchtigung der Stimmrechtsausübung gerichtet war109. Auch in nachfolgenden Entscheidungen des Supreme Court gelangte der Blasius-Standard regelmäßig nicht zur Anwendung, wobei die Begründung hierfür mitunter auf einer rein ergebnisorientierten Argumentation beruhte110. Mit deutlicher Kritik an der Unitrin-Entscheidung ist der Chancery Court in einer jüngeren Entscheidung – Chesapeake Corp. v. Shore111 – der Tendenz des Supreme Court entgegengetreten, den Blasius-Maßstab im Übernahmekontext auszublenden112: Chesapeake hatte auf ein Vollangebot von Shorewood mit einem Gegenangebot reagiert (sog. pac man-Verteidigung), das mit einem proxy contest gekoppelt war. Um der drohenden Abschaffung seiner classified board structure zuvorzukommen, in deren Folge Chesapeake eine sofortige Auswechslung der Direktoren und die Rücknahme der poison pill möglich würde, beschloss der Shorewood-board verschiedene Hürden für aktionärsseitige Änderungen der bylaws. Diese sahen neben der Einschränkung des Rechts, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, insbesondere eine superma109 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1379 (Del.Supr.1995). Die Richter nahmen dabei Bezug auf Stroud v. Grace, 606 A.2d 75 (Del.Supr.1992), in der die Blasius-Rechtsprechung des Chancery Court erstmalig eine Bestätigung durch den Supreme Court erfahren hatte. 110 Vgl. etwa die lakonische Anmerkung in Williams v. Geier, 671 A.2d 1368, 1376 (Del.Supr.1996): „[the Blasius] burden of demonstrating a ,compelling justification‘ is quite onerous, and is therefore applied rarely.“ 111 771 A.2d 293 (Del.Ch.2000). 112 In Chesapeake führt der Chancery Court zur Unitrin-Entscheidung des Supreme Courts u. a. aus, Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 321 (Del.Ch.2000): „[. . .] the Supreme Court appeared to eschew any application of the compelling justification test. The Supreme Court did start its analysis with a sentence stating: ,We begin our examination of Unitrin’s Repurchase Program mindful of the special import of protecting the shareholder’s franchise within Unocal’s requirement that a defensive response be reasonable and proportionate.‘ Yet the Court never cited to Blasius after that point in its opinion, never referenced or applied the compelling justification standard, and, to the contrary, emphasized the latitude a board of directors must be given to adopt reasonable defensive measures in its business judgement.“

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jority provision vor. Hierdurch wurden Änderungen der bylaws an das Erfordernis einer 2/3-Mehrheit der ausstehenden Aktien geknüpft. Aufgrund des Umstands, dass die Sherwood Direktoren ca. 24 % der Stimmenanteile kontrollierten, bedeutete das qualifizierte Mehrheitserfordernis für Chesapeake eine erhebliche Minderung ihrer Erfolgsaussicht, die schon rechnerisch nur im Falle einer „Wahlbeteiligung“ von über 90 % bestanden hätte. Kurz vor Prozessbeginn senkte der Sherwood-board die erforderliche Mehrheit schließlich auf 60 % der Stimmen ab. Der Chancery Court wandte den Blasius-Standard an und gelangte damit zur Rechtswidrigkeit der supermajority provision. Dabei stützte er sich insbesondere auf den Umstand, dass der Shorewood-board zunächst die Hürden für einen erfolgreichen proxy contest unerreichbar hoch ansetzte und das später abgesenkte Mehrheitserfordernis willkürlich festlegte, ohne sich mit den Erfolgsaussichten für Chesapeake sorgfältig auseinandergesetzt zu haben. Hieraus folgerte der Chancery Court, dass der primäre Zweck der Maßnahmen in der Vereitelung eines für Chesapeake erfolgreichen Ausgangs des proxy contest bestanden habe und somit der entire fairness-Maßstab zur Anwendung gelange113. Indem er die Maßnahme auch anhand des Unocal/Unitrin-Standards prüfte und hiernach ebenfalls einen Verstoß bejahte, vermied der Chancery Court jedoch eine Festlegung über den anzuwendenden Pflichtenmaßstab114. bb) Die Rechtsprechung zu dead hand- und slow hand-pills Die stärkste Absicherung der poison pill vor einem Stimmrechtskampf des Bieters wird durch eine dead hand-Bestimmung erzielt, welche die Möglichkeit, einen wirksamen Rücknahmebeschluss zu fassen, grundsätzlich auf den Kreis der amtierenden Direktoren beschränkt. Während in diesem Fall die Möglichkeit der Aktionäre ausgeschlossen ist, durch Neuwahl des board eine Rücknahme der poison pill zu erreichen, gilt dies bei der slow hand-pill nur für einen bestimmten Zeitraum. Obwohl zwischen Chancery und Supreme Court Einigkeit über die Unwirksamkeit beider Spielarten besteht, sind auch die hierzu ergangenen Urteile von einer unterschiedlichen Gewichtung der shareholder voice in der Corporate Governance geprägt. Erstmalig hatte der Delaware Chancery Court im Fall Carmody v. Toll Brothers, Inc. über die Wirksamkeit einer dead hand-Bestimmung zu befinden115.

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Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 345 (Del.Ch.2000). Näher zur Entscheidung Chesapeake Corp. v. Shore unten C. I. 3. d) aa). 115 723 A.2d 1180 (Del.Ch.1998). „dead hand“-pills waren zuvor in den US-Bundesstaaten New York und Georgia Gegenstand richterlicher Überprüfung. Während die „dead hand“-Bestimmung in Bank of New York v. Irving Bank, 528 N.Y.S.2d 482 (Sup.Ct.1988) für ungültig befunden wurde, bestätigte ein US District Court deren 114

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Diese beschränkte die Möglichkeit zur Rücknahme der poison pill auf den Kreis derjenigen Direktoren, die dieses Amt entweder bereits zum Zeitpunkt der Implementierung innehatten oder mit Zustimmung bzw. auf Vorschlag dieser sog. continuing directors zu einem späteren Zeitpunkt berufen wurden116. Das Gericht sah hierin einen unzulässigen Eingriff in die Leitungskompetenz eines neugewählten board, weil ein solcher gemäß § 141 (a) DGCL nur aufgrund eines Gesetzes oder einer entsprechenden Bestimmung im certificate of incorporation erfolgen dürfe117. Ferner wurde auf § 141 (d) DGCL verwiesen, wonach unterschiedliche Stimmrechte von board-Mitgliedern ebenfalls einer Verankerung im certificate of incorporation bedürfen118. Darüber hinaus stellte der Chancery Court einen Verstoß gegen die BlasiusRechtsprechung fest. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Zielaktionäre durch die dead hand-Bestimmung in einem proxy contest dazu genötigt sein könnten, entgegen ihrer Überzeugung für die Amtsinhaber zu stimmen, weil nur diese in der Lage sind, die poison pill zurückzunehmen119. Zudem wird auf die Moran-Entscheidung verwiesen, in der die poison pill nicht zuletzt deswegen für zulässig erachtet wurde, weil den Aktionären die Möglichkeit verblieb, durch eine Neubesetzung des board auf deren Rücknahme hinzuwirken120. In der Entscheidung Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design Systems, Inc.121 erklärte der Chancery Court ferner eine slow hand pill für rechtswidrig. Diese hatte Quickturn im August 1998 in Abänderung einer bis dahin bestehenden dead hand pill implementiert122, nachdem Mentor zwei Wochen zuvor ein Übernahmenangebot abgegeben und einen proxy contest angekündigt hatte. Für den Fall eines Mehrheitswechsels im board sah die slow hand-Bestimmung vor, dass die poison pill für einen Zeitraum von sechs Monaten nicht zurückgenom-

Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsrecht von Georgia, siehe Invacare Corp. v. Healthdyne Technologies, Inc., 968 F. Supp. 1578 (N.D.Ga.1997). 116 Siehe Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1184 (Del.Ch.1998). 117 Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1191 (Del.Ch.1998): „[. . .] the ,dead hand‘ provision would impermissibly interfere with the directors’ statutory power to manage the business and affairs of the corporation. That power is conferred by 8 Del. C. § 141(a), which mandates: The business and affairs of every corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a board of directors, except as may be otherwise provided in this chapter or in its certificate of incorporation [. . .].“ [Hervorhebung im Original] 118 Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1190 f. (Del.Ch.1998). 119 Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1193 (Del.Ch.1998). 120 Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1193 (Del.Ch.1998). 121 728 A.2d 25 (Del.Ch.1998). 122 In Carmody v. Toll Brothers (Del.Ch.1998) wurde nur wenige Wochen zuvor die Unzulässigkeit von „dead hand pills“ festgestellt.

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men werden kann, wenn hierdurch eine Transaktion mit einer interested person123 – wie etwa Mentor – befördert würde124. Anders als in der Carmody-Entscheidung wurde eine Überprüfung weder anhand der Blasius-Rechtsprechung noch des § 141 DGCL vorgenommen. Vielmehr wurde die Unzulässigkeit der slow hand-Bestimmung allein auf einen Verstoß gegen den Unocal/Unitrin-Maßstab gestützt125. Bemerkenswert dabei ist, dass der Chancery Court zu diesem Ergebnis gelangte, obwohl er die Einschätzung des Quickturn-board für vertretbar hielt, dass die Offerte trotz der Prämie, die 50 % des aktuellen Kurswertes betrug, unangemessen sei126. Der Chancery Court stellte hingegen auf die Verhältnismäßigkeit der slow hand-Bestimmung ab und befand diese schließlich als ungeeignet für die vom board verfolgte Zielsetzung127. Der Quickturn-Vorstand hatte nämlich behauptet, die slow hand-Bestimmung verfolge den Zweck, einem neu gewählten board Zeit zu geben, um sich mit der Ertragskraft des Unternehmens vertraut zu machen und so einen übereilten Verkauf unter dem tatsächlichen Wert zu verhindern128. Dem hielt das Gericht entgegen, dass die slow hand-Bestimmung nur für Transaktionen mit einer interested person gelte. Käme es aber mit einem diese Kriterien nicht erfüllenden Dritten zu einem Bieterwettbewerb, in dem Mentor letztlich das bessere Angebot abgeben würde, könnte der Quickturn Vorstand die poison pill nur hinsichtlich des niedrigeren Angebots außer Kraft setzten. Die slow hand-Bestimmung würde in diesem Fall auf eine Begünstigung des 123 Eine „Interested Person“ wurde dabei definiert als „any Person who (i) is or will become an Acquiring Person if such Transaction were to be consummated or an Affiliate or Associate of such a Person, and (ii) is, or directly or indirectly proposed, nominated or financially supported, a director of [Quickturn] in office at the time of consideration of such Transaction who was elected at an annual or special meeting of stockholders.“, Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 35 (Del.Ch.1998). Als „Acquiring Person“ galt dabei jemand, der unmittelbar oder mittelbar mindestens 15 % der Aktien hält. 124 Quickturn Design Systems, Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1287 (Del.Supr. 1998). 125 Vgl. Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 44 (Del.Ch.1998): „[. . .] the Quickturn board, even though motivated by a good faith belief that their actions were in the company’s best interests, nonetheless transgressed their fiduciary duties under Unocal and Unitrin. Because the Court decides the validity of the DRP [Delayed Redemption Provision] on that basis, it does not reach the plaintiffs’ Blasius and statutory claims.“, vgl. auch 728 A.2d 25, 44 Fn. 73 und 52 Fn. 105 (Del.Ch.1998). 126 Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 47 (Del.Ch.1998). Allerdings lag der Angebotspreis etwa 20 % unter dem ein halbes Jahr zuvor notierten Börsenkurs [vgl. 728 A.2d 25, 33 (Del.Ch.1998)], was zur Überzeugungsbildung des Gerichts beigetragen haben dürfte. 127 Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 49 ff. (Del.Ch.1998). 128 Vgl. die Aussagen von fünf Quickturn-Vorstandsmitgliedern, Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 50 (Del.Ch.1998).

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schlechteren Angebots hinauslaufen und damit im Widerspruch zur erklärten Zielsetzung stehen, die Gesellschaft vor einem unangemessenen Angebot zu schützen129. Darüber hinaus befand der Chancery Court die Zeitbemessung von sechs Monaten für unangemessen. Das Gericht sah hierin einen Widerspruch zur zeitgleich vom board verabschiedeten Änderung der bylaws, die bestimmte, dass außerordentliche Hauptversammlungen frühestens 90 Tage nach einem entsprechenden Verlangen der Aktionärsseite einberufen werden können130. Denn auch diese Frist wurde vom Quickturn-Vorstand mit einem „Übereilungsschutz“ begründet, der den Aktionären die nötige Zeit für eine informierte Entscheidung über das Angebot gewähren sollte131. Nach Auffassung des Chancery Court sei aber nicht einsichtig, warum ein neu gewählter board die im Vergleich zu den Aktionären doppelte Zeit benötigen soll, um zu einer sachgerechten Beurteilung des Angebots zu gelangen132. In der anschließenden Berufung vor dem Delaware Supreme Court wurde die Urteilsformel zwar bestätigt, jedoch ausschließlich auf einen Verstoß gegen § 141 (a) DGCL gegründet133: Ein solcher wurde bejaht, weil die slow handBestimmung einen neu gewählten board für sechs Monate an der Ausübung seiner Vorstandspflichten hindere und dem certificate of incorporation von Quickturn keinerlei Beschränkungen der direktoralen Leitungskompetenz zu entnehmen waren. Zwar knüpfte der Supreme Court damit nahtlos an tragende Entscheidungsgründe des Chancery Court in der Carmody-Entscheidung an134. Allerdings unterbleibt anders als dort und insbesondere anders als im vorinstanzlichen Urteil eine Würdigung der Treuepflichtbindung des board. Die Rechtsprechung zu dead hand und slow hand pills in Delaware offenbart unterschiedliche Ansichten zwischen dem Chancery und Supreme Court hin-

129 Siehe Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 50 f. (Del.Ch.1998). Diese Argumentation suggeriert, dass die „slow hand“-Bestimmung jedenfalls dann zulässig gewesen wäre, wenn sich ihr Geltungsbereich auf sämtliche Angebote bezogen hätte. Ein solches Ergebnis dürfte jedoch kaum der Intention des Chancery Court entsprechen, der erst kurz zuvor die fundamentale Rolle des Aktionärstimmrechts in der Corporate Governance betonte, und hierauf die Legitimation der direktoralen Leitungskompetenz gegründet sah, vgl. Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1193 (Del.Ch.1998) mit Verweis auf die Blasius-Entscheidung. 130 Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 35 (Del. Ch.1998). 131 Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 36 (Del. Ch.1998). 132 Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design System, Inc., 728 A.2d 25, 51 f. (Del.Ch.1998). 133 Quickturn Design System, Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1293 (Del.Supr. 1998). 134 So auch Weisner (2000), S. 119.

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sichtlich der Bedeutung des Aktionärsstimmrechts in der Corporate Governance. Auch wenn beide Gerichte zum gleichen Ergebnis gelangten, wird deutlich, dass der Supreme Court weniger geneigt ist, Abwehrmaßnahmen aufgrund eines Verstoßes gegen die Blasius-Rechtsprechung anzunehmen. Statt die Bedeutung von shareholder choice in der Übernahmesituation hervorzuheben, betont der Supreme Court die Leitungskompetenz künftiger Direktoren. d) Zulässige Abwehrziele aa) Von der Abwehr zweistufiger Angebote zur Anerkennung „substantiellen Zwangs“ (board knows best-Doktrin) Den Ausgangspunkt der gerichtlichen Überprüfung von Abwehrmaßnahmen im Rahmen des Unocal-Tests bildet die Frage, ob der Zielgesellschaft oder ihren Aktionären durch das Übernahmeangebot eine rechtlich anerkannte Gefahr droht. In der grundlegenden Unocal-Entscheidung war eine solche schon aufgrund des zweistufigen Teilangebots von Mesa zu bejahen, da dieses wegen seiner geringwertigen Abfindung geeignet war, einen Annahmezwang auf die verbleibenden Aktionäre auszuüben (structural coercion). Nicht zuletzt aufgrund der besseren Finanzierbarkeit größerer Transaktionsvolumina durch sog. junk bonds wurden „strukturell zwingende“ Teilangebote jedoch ab Ende der achtziger Jahre zunehmend durch Vollangebote verdrängt135. Auch diesbezüglich eröffneten die Gerichte von Delaware Zielvorständen im Grundsatz eine Abwehrbefugnis, indem sie die Gefahr von „unangemessenen Angebotspreisen“ als rechtlich erheblich einstuften. Erklärte Zielsetzung dieser Rechtsprechung war eine Stärkung der Verhandlungsmacht der Zielverwaltung, von der man sich insbesondere die Realisierung eines höheren Angebotspreises erhoffte136. Allerdings nahm der Chancery Court bei Vorliegen von Vollangeboten zunächst nur einen mild threat an, woraus er stärkere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit hiergegen gerichteter Verteidigungsmaßnahmen ableitete. Der Zielverwaltung sollte grundsätzlich nur erlaubt sein, Zeit zu gewinnen, um Verhandlungen mit dem Bieter aufzunehmen, die eigenen Aktionäre zu informieren, einen white knight zu suchen oder das Unternehmen zu restrukturieren; keinesfalls aber sollte die Abwehrmaßnahme darauf abzielen dürfen, die Ent-

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Vgl. dazu Thompson/Smith (2001), S. 288. So ausdrücklich der Delaware Chancery Court in City Capital Ltd. v. Interco, Inc., 551 A.2d 787, 797 f. (Del.Ch.1988): „We have held that a board is not required simply by reason of the existence of a noncoercive offer to redeem outstanding poison pill rights. The reason is simple. Even where an offer is noncoercive, it may represent a ,threat‘ to shareholder interests in the special sense that an active negotiator with power, in effect, to refuse the proposal may be able to extract a higher or otherwise more valuable proposal [. . .].“ 136

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scheidungsfreiheit der Aktionäre über die Annahme eines Vollangebots (shareholder choice) dauerhaft auszuschließen137. Dieser Relativierung trat der Supreme Court in der Time-Entscheidung jedoch ausdrücklich entgegen und stellte klar, dass der Unocal-Prüfungsmaßstab auch im Fall eines Vollangebots uneingeschränkt Anwendung finde138. Die rechtlich erhebliche Gefahr liege dabei in dem Risiko begründet, dass die Aktionäre ein unangemessenes Angebot akzeptieren, weil sie der Darstellung des Managements zum eigentlichen Unternehmenswert keinen Glauben schenken139. In diesem Fall spricht der Supreme Court von einer „substantiellen“ Zwangswirkung auf die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre (substantive coercion), wodurch der Zielverwaltung in demselben Umfang Abwehrbefugnisse eröffnet würden wie im Fall eines „strukturellen Zwangs“140. Den Beurteilungsspielraum, welcher der Zielverwaltung hinsichtlich des wahren Unternehmenswertes und damit der Angemessenheit des Angebotspreises zugestanden wird, leitet der Supreme Court aus der Business Judgment Rule her, deren Maßgeblichkeit in der Übernahmesituation durch die Unocal-Rechtsprechung im Kern bejaht worden ist141. Demgegenüber habe der Chancery Court in unzulässiger Weise in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen, indem er 137 City Capital Ltd. v. Interco, Inc., 551 A.2d 787, 798 (Del.Ch.1988): „Our cases, however, also indicate that in the setting of a noncoercive offer, absent unusual facts, there may come a time when a board’s fiduciary duty will require it to redeem the rights and to permit the shareholders to choose. [. . .] In this instance, there is no threat of shareholder coercion. The threat is to shareholders’ economic interests posed by an offer the board has concluded is ,inadequate.‘ If this determination is made in good faith, it alone will justify leaving a poison pill in place, even in the setting of a noncoercive offer, for a period while the board exercises its good faith business judgement to take such steps as it deems appropriate to protect and advance shareholder interests in light of the significant development that such an offer doubtless is. That action may entail negotiation on behalf of shareholders with the offeror, the institution of a Revlon-style auction for the Company, a recapitalization or restructuring designed as an alternative to the offer, or other action.“ 138 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del.Supr. 1989). 139 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del.Supr. 1989): „In this case, the Time board reasonably determined that inadequate value was not the only legally cognizable threat that Paramount’s all-cash, all-shares offer could present. [. . .] One concern was that Time shareholders might elect to tender into Paramount’s cash offer in ignorance or a mistaken belief of the strategic benefit which a business combination with Warner might produce.“ 140 Der Begriff „substantive coercion“ geht auf Gilson/Kraakman (1989) zurück und wurde vom Supreme Court endgültig in der Unitrin-Entscheidung übernommen, nachdem auf diesen in Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del.Supr.1989) nur in den Fußnoten verwiesen wurde, Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1383 ff. (Del.Supr.1995). 141 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del.Supr. 1989); Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1386 (Del.Supr. 1995).

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seine Ansicht zur Angemessenheit des Angebots über die Einschätzung der Zielverwaltung stellte142. Insbesondere die Wahl des maßgeblichen Investitionshorizonts stünde im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands, so dass dieser bei seiner Beurteilung des Übernahmeangebots berechtigt sei, der langfristigen Wertentwicklung des Unternehmens einen höheren Stellenwert beizumessen als der Realisierung eines kurzfristigen Aktionärsgewinns143. In der Time-Entscheidung setzte das höchste Gericht Delawares damit dem vom Chancery Court ins Spiel gebrachten shareholder choice-Ansatz eine board knows best-Doktrin entgegen144: Die Befugnis des Vorstands, den für die Bewertung des Angebots maßgeblichen Zeithorizont zu bestimmen, folge aus seiner gesellschaftsrechtlichen Leitungskompetenz und könne nicht an die Aktionäre delegiert werden. „Delaware law confers the management of the corporate enterprise to the stockholders’ duly elected board representatives. The fiduciary duty to manage a corporate enterprise includes the selection of a time frame for achievement of corporate goals. That duty may not be delegated to the stockholders. Directors are not obliged to abandon a deliberately conceived corporate plan for a short-term shareholder profit unless there is clearly no basis to sustain the corporate strategy.“145

Die Berechtigung der Zielverwaltung, ein als unangemessen eingestuftes Übernahmeangebot abzuwehren, ist dabei nicht auf Sachverhalte beschränkt, in denen es um die Einschätzung von Ertragschancen eines komplexen Unternehmenszusammenschlusses geht. War dies hinsichtlich der angestrebten Fusion von Time mit Warner der Fall, wandte der Supreme Court die board knows best-Doktrin in der Unitrin-Entscheidung auf ein Übernahmeangebot an, dem die Zielverwaltung die bloße Fortführung der bisherigen Unternehmensstrategie entgegensetzte146. Damit wurde dem target board das Privileg zugesprochen, 142 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del. Supr.1989): „Plaintiffs’ position represents a fundamental misconception of our standard of review under Unocal principally because it would involve the court in substituting its judgement as to what is a ,better‘ deal for that of a corporation’s board of directors. To the extent that the Court of Chancery has recently done so in certain of its opinions, we hereby reject such approach as not in keeping with a proper Unocal analysis. See, e. g., Interco, 551 A.2d 787, and its progeny“. Siehe dazu insbesondere die Entscheidung Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co., 558 A.2d 1049, 1057 (Del.Ch.1988): „The record contains substantial evidence that the per share price offered by Grand Met for Pillsbury is fair and adequate.“ 143 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del. Supr.1989): „The open-ended analysis mandated by Unocal is not intended to lead to a simple mathematical exercise: that is, of comparing the discounted value of TimeWarner’s expected trading price at some future date with Paramount’s offer and determining which is the higher. Indeed, in our view, precepts underlying the Business Judgment Rule militate against a court’s engaging in the process of attempting to appraise and evaluate the relative merits of a long-term versus a short-term investment goal for shareholders.“ 144 So auch Gevurtz (2000), S. 689. 145 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1154 (Del.Supr. 1989).

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Abwehrmaßnahmen auf die Behauptung zu gründen, die Gesellschaft sei an der Börse unterbewertet147. Die Unitrin-Entscheidung, die den bisherigen Höhepunkt der managementfreundlichen Rechtsprechung in Delaware bildet, ist im Schrifttum verbreitet auf Kritik gestoßen148 und hat auch den Chancery Court zu einer kritischen Würdigung des Konzepts der substantive coercion veranlasst. In seiner Entscheidung Chesapeake Corp. v. Shore führt er hierzu aus: „Substantive coercion is a slippery concept. To note abstractly that management might149 know shareholder interests better than shareholders themselves cannot be a basis for rubber-stamping management’s pro forma claims in the face of market skepticism and the enormous opportunity losses that threaten target shareholders when hostile offers are defeated. Preclusive defensive tactics are gambles made on behalf of target shareholders by presumptively self-interested players.“150

Gerade aufgrund dieses Interessenkonfliktes berge die Möglichkeit der Zielverwaltung, Abwehrmaßnahmen mit einer substantive coercion der Aktionäre zu rechtfertigen, ein hohes Missbrauchspotential. Denn nahezu jeder chief executive officer sei davon überzeugt, dass der Aktienmarkt sein Unternehmen zu gering bewerte und er selbst hinsichtlich der Ertragschancen einen Informationsvorsprung besitze151. Vor diesem Hintergrund regt der Chancery Court an, die Darlegungslast für die Zielverwaltung hinsichtlich einer behaupteten Unterbewertung des Unternehmens zu erhöhen. Denn auch außerhalb einer Übernahmesituation falle die Pflege der investor relations in den Aufgabenbereich der Unternehmensleitung, die durch zielgerichtete Kommunikationsstrategien für eine angemessene Bewertung des Unternehmens am Markt Sorge zu tragen habe. Sollten diese Bemühungen fruchtlos bleiben, treffe zunächst den board die Begründungslast dafür, dass trotz der ergriffenen Maßnahmen eine Unterbewertung anzunehmen sei, bevor den Zielaktionären die Kontrollprämie mit der Behauptung einer stockholder confusion verwehrt werden kann152. Nach Ansicht des Chancery Court sei gerade im Fall der Unitrin-Entscheidung die Gefahr einer stockholder confusion der Aktionäre gering gewesen. Nur unzureichend habe der Supreme Court die Anteilseignerstruktur von Uni146 Gordon (1997), S. 524 f. sieht darin eine Erweiterung der Rechtsprechung in Paramount v. Time (Del.Supr. 1989). 147 Vgl. Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1376 (Del.Supr. 1995): „[. . .] the directors of a Delaware corporation have the prerogative to determine that the market undervalues its stock and to protect its stockholders from offers that do not reflect the long-term value of the corporation under its present management plan.“ 148 Vgl. etwa Regan (2001), S. 966 ff.; Paredes (2004), S. 156 ff. 149 Hervorhebung im Original. 150 Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 329 (Del.Ch.2000). 151 Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 327 (Del.Ch.2000). 152 Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 327 (Del.Ch.2000).

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trin gewürdigt, die eine starke Konzentration auf wenige institutionelle Investoren aufwies153. Aufgrund des hohen Grads an Professionalität auf Seiten der Anteilseigner wäre es naheliegend gewesen, die Gefahr als gering anzunehmen, dass die Attraktivität des Angebots aus Unkenntnis über den tatsächlichen Unternehmenswert überschätzt werden würde. Stattdessen aber fand die Anteilseignerstruktur von Unitrin allein im Zusammenhang mit der Frage Berücksichtigung, ob das Rückkaufprogramm „präklusive“ Wirkung hinsichtlich einer erfolgreichen Übernahme entfalten würde. Dies verneinte das höchste Gericht Delawares u. a. mit dem Verweis auf die überschaubare Anzahl von Aktionären und den damit nur geringen Kosten für den Bieter, durch eine entsprechende Informationskampagne für seinen Standpunkt zu werben; gerade Unitrin sei daher äußerst empfänglich für einen erfolgreichen proxy contest gewesen154. Dass der geringe Kommunikationsaufwand aber gleichermaßen für den amtierenden board gelte und man daher geneigt sein könnte, einen fairen Wettbewerb um die Gunst der Aktionäre als probates Mittel gegen eine substantive coercion anzusehen, wurde nicht in Erwägung gezogen155. Nicht ohne „Spannungen“ zur Unitrin-Rechtsprechung einzuräumen156, gelangte der Chancery Court schließlich zum Ergebnis, dass die supermajority provision des Shorewood-board eine im Sinne des Unocal-Tests unverhältnismäßige Reaktion darstellte. Der drohenden Gefahr für das Unternehmen hätte auch durch eine „aggressive“ Kommunikationsstrategie angemessen begegnet werden können157. Ungeachtet der entgegenstehenden Ausführungen des Supreme Court in der Time-Entscheidung knüpfte der Chancery Court dabei an seine frühere Rechtsprechung aus der Interco-Entscheidung an, wonach Vollangebote lediglich eine „milde Bedrohung“ für die Zielgesellschaft bedeuten und dem board daher nur ein begrenztes Arsenal an Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen würde158. 153

Vgl. Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 326 (Del.Ch.2000). Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1383 (Del.Supr.1995). 155 Der Chancery Court übt in diesem Zusammenhang auch Kritik an der Time-Entscheidung des Supreme Court, siehe Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 326 Fn. 73 (Del.Ch.2000): „Unitrin is not the first case in which this tension has emerged. Consider the following two sentences from Time: ,At these June meetings, certain Time directors expressed their concern that Time stockholders would not comprehend the long-term benefits of the Warner merger. Large quantities of Time shares were held by institutional investors.‘ 571 A.2d at 1148 (emphasis added).“ 156 Der Chancery Court hält seine Entscheidung im Ergebnis jedoch für vereinbar mit dem Unitrin-Urteil und verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf einen stärkeren Vereitelungseffekt der Abwehrmaßnahmen von Shorewood. Ferner stützt er sich auf den Umstand, dass im Gegensatz zum Unitrin-board der Sherwood-board von „inside directors“ dominiert wurde und diese einer Bewertung der Erfolgsaussichten einer Übernahme weniger Beachtung geschenkt hätten, vgl. 771 A.2d 293, 344 (Del.Ch.2000). 157 Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 343 (Del.Ch.2000). 154

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Trotz dieser deutlichen Kritik des Chancery Court ist das höchste Gericht Delawares bislang nicht von seiner board knows best-Doktrin abgerückt. Ob sich der Supreme Court der in der Chesapeake-Entscheidung deutlich gewordenen Tendenz anschließen und dem shareholder choice-Gedanken im Übernahmeverfahren einen stärkeren Ausdruck verleihen wird, bleibt abzuwarten. Dies würde jedoch eine Abkehr von den in der Time- und insbesondere in der Unitrin-Entscheidung aufgestellten Grundsätzen bedeuten. bb) Abwehrmaßnahmen zum Schutz von Stakeholder-Interessen? Zum Teil widersprüchlich sind die Aussagen der Gerichte Delawares zur Frage, ob die Zielverwaltung zur Abwehr berechtigt sein kann, wenn das Übernahmeangebot die Interessen anderer Anspruchsgruppen als die der Aktionäre gefährdet. In der Unocal-Entscheidung wird dies vom Supreme Court ausdrücklich bejaht, wobei neben der Maßgeblichkeit von Fremdkapitalgeber-, Kundenund Arbeitnehmerinteressen sogar die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, Abwehrmaßnahmen mit einer Beeinträchtigung von Gemeinwohlbelangen zu rechtfertigen159. Zu beachten ist jedoch, dass die betreffenden Ausführungen nur als obiter dicta ergingen, da wegen des Vorliegens eines zwangausübenden Teilangebots (structural coercion) bereits eine offensichtliche Gefahr für die Aktionärsinteressen gegeben war. Als die Frage des Stakeholder-Schutzes nur wenige Monate später entscheidungserheblich wurde, weil der Revlon-Vorstand die abwehrgeeigneten deal protections mit Forstmann Little u. a. mit einer dadurch verbundenen Besserstellung der Gläubiger zu rechtfertigen suchte, propagierte der Supreme Court hingegen die alleinige Maßgeblichkeit der Aktionärsinteressen160. Gilt diese strikt am Aktionärsinteresse orientierte Leitmaxime zunächst nur im Rahmen des 158 Vgl. insbesondere 771 A.2d 293, 325 (Del.Ch.2000): „A time period that permits the board to negotiate for a better offer or explore alternatives would also be logically proportionate to the threat of substantive coercion.“ sowie 771 A.2d 293, 331 (Del.Ch.2000): „[. . .] the defendants have not convinced me that the threat posed by Chesapeake’s all-shares, all-cash Tender Offer was a particularly dangerous on.“ Im Weiteren verwendet der Chancery Court den aus der Interco-Entscheidung entlehnten Begriff des „mild threat“ zur Beschreibung der „Bedrohungslage“ für Shorewood, vgl. etwa 771 A.2d 293, 343 u. 345 (Del.Ch.2000). 159 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del.Supr.1985): „If a defensive measure is to come within the ambit of the Business Judgment Rule, it must be reasonable in relation to the threat posed. This entails an analysis by the directors of the nature of the takeover bid and its effect on the corporate enterprise. Examples of such concerns may include: [. . .] the impact on ,constituencies‘ other than shareholders (i. e., creditors, customers, employees, and perhaps even the community generally), [. . .].“ 160 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 (Del.Supr.1985). Dies dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass die Richter den Revlon-board als den eigentlichen Nutznießer der lock-up-Option ansahen, weil

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„Auktionsmodus“, dessen Eintritt letztlich in der Hand der Zielverwaltung liegt, nutzte das Gericht seine Revlon-Entscheidung zugleich dazu, die in der Unocaleingenommene interessenpluralistischen Sicht zu relativieren: Der Vorstand soll demnach nur dann Stakeholder-Interessen in seine Entscheidung einbeziehen dürfen, soweit diese bei vernünftiger Betrachtung mit einem Vorteil für die Aktionäre (related benefit) verbunden sind161. Mit der Time-Entscheidung erfuhr die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit von Stakeholder-Interessen in der Übernahmesituation eine neuerliche Wendung. Dies gilt zunächst hinsichtlich des maßgeblichen Investitionshorizonts für die Bestimmung des Aktionärsinteresses, über den der Vorstand aufgrund seiner Leitungsbefugnis weitgehend autonom befinden können soll162. Dann aber dürfte es dem Vorstand in aller Regel auch nicht schwer fallen, einen für die Aktionäre zumindest mittelbaren Vorteil aus der Verteidigung von Stakeholderinteressen – wie in der Revlon-Entscheidung gefordert – darzulegen. Denn zumindest in langfristiger Perspektive ist von einem weitgehenden Gleichlauf der Interessen aller Anspruchgruppen im Unternehmen auszugehen. Darüber hinaus kann den Ausführungen in der Time-Entscheidung, die sich mit dem vom Chancery Court in der Interco-Entscheidung ins Spiel gebrachten shareholder choice-Ansatz auseinandersetzen, ein klares Bekenntnis für eine grundsätzliche Abwehrbefugnis im Stakeholder-Interesse entnommen werden: „[In those cases,] the Court of Chancery determined that whatever threat existed related only to the shareholders and only to price and not to the corporation. From those decisions by our Court of Chancery, Paramount and the individual plaintiffs extrapolate a rule of law that an all-cash, all-shares offer with values reasonably in the range of acceptable price cannot pose any objective threat to a corporation or its shareholders. [. . .] We disapprove of such a narrow and rigid construction of Unocal, for the reasons which follow. [. . .] we have said that directors may consider, when evaluating the threat posed by a takeover bid, the [. . .] impact on ,constituencies‘ other than shareholders [. . .].“163

eine Übernahme durch Forstmann dessen Haftungsrisiko gegenüber den Anleihegläubigern deutlich verringert hätte, vgl. 506 A.2d 173, 184 (Del.Supr.1985). 161 Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 176 (Del.Supr.1985). 162 Vgl. Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1150 (Del.Supr.1989): „Delaware law imposes on a board of directors the duty to manage the business and affairs of the corporation. This broad mandate includes a conferred authority to set a corporate course of action, including time frame, designed to enhance corporate profitability. Thus, the question of ,long-term‘ versus ,short-term‘ values is largely irrelevant because directors, generally, are obliged to charter a course for a corporation which is in its best interest without regard to a fixed investment horizon.“ 163 Siehe Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1152 f. (Del.Supr.1989).

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Aber auch in der Rechtsprechung des Chancery Court wurde die stakeholderorientierte Sichtweise der Unocal-Entscheidung durchaus rezipiert. So wird etwa im Fall Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co.164 die Möglichkeit, Abwehrmaßnahmen zum Schutz anderer Anspruchsgruppen als der Aktionäre zu ergreifen, ausdrücklich erwähnt und nur deshalb nicht weiter erörtert, weil sich die Zielverwaltung darauf nicht berufen hat165. Vor diesem Hintergrund muss die lakonische Anmerkung des Chancery Court im Fall Chesapeake Corp. v. Shore überraschen, wonach die Interessen der Arbeitnehmer oder der Gemeinschaft im Gesellschaftsrecht von Delaware allenfalls von geringer, wenn überhaupt von Bedeutung seien166. In Delaware, wo anders als in zahlreichen Bundesstaaten keine gesetzlichen Vorgaben in Form sog. other constituencies statutes existieren, hat die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit von Stakeholder-Interessen im Übernahmeverfahren noch keine abschließende Klärung erfahren167. Eine einheitliche Linie hat sich in der Rechtsprechung Delawares bislang noch nicht herausgebildet. Dazu mangelte es an insofern entscheidungserheblichen Fallkonstellationen; soweit ersichtlich wurde innerhalb der Anwendbarkeit des Unocal-Maßstabs bislang von den Gerichten Delawares noch kein Fall entschieden, in dem ein target board seine Abwehrbefugnis explizit und ausschließlich auf die anderenfalls zu besorgende Gefahr für Stakeholder-Interessen stützte. Die dargestellten, sich teilweise widersprechenden Ausführungen der Gerichte waren insoweit stets obiter dicta. Dieser Umstand dürfte indes nicht allein auf die US-amerikanische Unternehmenskultur zurückzuführen sein, in der eine interessenpluralistisch orientierte Unternehmensführung weit weniger Akzeptanz als in Kontinentaleuropa aufweist; eine Rolle hierbei dürfte auch spielen, dass der Zielverwaltung durch die board knows best-Doktrin bereits ein hinreichender Handlungsspielraum gewährt wird, um feindliche Übernahmeangebote effektiv abwehren zu können. 4. Ausblick: Neujustierung der Machtbalance zwischen Unternehmensleitung und Aktionären durch shareholder rights bylaws? Steht der Unternehmensleitung nach gefestigter Rechtsprechung ein breites Arsenal an Verteidigungsmaßnahmen zur Verfügung, hat im neueren Schrifttum vor allem die Frage an Bedeutung gewonnen, inwieweit es den Aktionären durch Verabschiedung sog. shareholder rights bylaws möglich ist, im Vorfeld von Übernahmeangeboten auf eine „aktionärsfreundliche“ Handhabung der 164 165 166 167

558 A.2d 1049 (Del.Ch.1988). Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co., 558 A.2d 1049, 1056 (Del.Ch.1988). Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 328 Fn. 82 (Del.Ch.2000). Vgl. Gevurtz (2000), S. 693; Allen/Jacobs/Strine (2002), S. 1079.

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Instrumentarien durch den board hinzuwirken168. Praxisrelevanz erlangt diese Frage insbesondere durch das Aufkommen institutioneller Investoren und einer damit einhergehenden Intensivierung der Kontrolltätigkeit, wie sie sich etwa in einer gestiegenen Anzahl von aktionärsseitig initiierten Hauptversammlungsbeschlüssen bemerkbar macht169. Nicht wenige sehen hierin die einzige Chance, eine stärkere Orientierung des Übernahmerechts am Gedanken des shareholder choice-Ansatzes zu erreichen, ohne sich in Widerspruch zur gewachsenen Rechtsprechung setzen zu müssen170. Über die Frage der Zulässigkeit von shareholder rights bylaws haben sich die Gerichte bislang nur in obiter dicta geäußert171. Zwar existiert diesbezüglich bereits eine – uneinheitliche – Rechtsprechung in anderen Bundesstaaten172, doch wird diese weitläufig als unbrauchbar angesehen, um den Ausgang einer entsprechenden Gerichtsentscheidung in Delaware zu prognostizieren173. Würden shareholder rights bylaws für zulässig befunden werden, wäre die Folge eine dramatische Veränderung der Machtverteilung zwischen Aktionären und boards174. Typischerweise sind shareholder rights bylaws so formuliert, dass sie ihre Wirkung nur entfalten, wenn das Übernahmeangebot bestimmte Kriterien erfüllt; regelmäßig muss es sich dabei um ein ausreichend finanziertes Vollangebot mit einer bestimmten Kontrollprämie handeln. Zu unterscheiden sind sog. redemption bylaws und second generation bylaws. Bylaws der ersten Gattung verpflichten den board zur Rücknahme von poison pills bzw. verbieten ihre 168

Grundlegend Coffee (1997), S. 605 ff.; zuletzt McDonnell (2005), S. 205 ff. Dazu Gilson (2001), S. 512. 170 Vgl. etwa Gilson (2001), S. 507. 171 Während der Chancery Court in American International Rent A Car, Inc. v. Cross, 1984 WL 8204, 3 (Del.Ch.1984) die Ansicht vertrat, die Aktionäre könnten dem board das Recht zur bylaw-Änderung wieder entziehen, äußerte das Gericht in einer neueren Entscheidung Zweifel, dass eine aktionärsseitig initiierte bylaw vor einer Modifizierung durch den board „immun“ gemacht werden könne, siehe General Datacomm Indus., Inc. v. Wisconsin Inv. Bd., 731 A.2d 818, 821 n.1 (Del.Ch.1999). Der Supreme Court geht in Centaur Partners, IV v. National Intergroup, Inc. von der Unwirksamkeit einer shareholder bylaw aus, welche die Anzahl der board-Mitglieder fixiert und insofern eine Abänderung durch den board verbietet, obgleich dieses Recht in den articles of incorporation niedergelegt ist, siehe 582 A.2d 923, 929 (Del. Supr.1990). 172 So erklärte der Oklahoma Supreme Court eine bylaw-Bestimmung für rechtsgültig, die für die Implementierung einer poison pill ein vorhergehendes Aktionärsvotum vorschrieb, International Brotherhood of Teamsters Gen. Fund v. Fleming Co., Inc., 975 P.2d 907 (Okla. 1999). Hingegen erachtete der U.S. District Court für Georgia eine bylaw-Bestimmung für unzulässig, die den board zur Rücknahme der „continuing director provision“ in einer poison pill verpflichten sollte, Invacare Corp. v. Healthdyne Techns., Inc., 968 F. Supp. 1578, 1581–82 (N.D.Ga.1997). 173 Vgl. Hamermesh (1998), S. 423 f.; McDonnell (2005), S. 228 ff. 174 So auch die Einschätzung von Weisner (2000), S. 126. 169

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Implementierung ohne ein vorangegangenes Aktionärsvotum und greifen damit am stärksten in die Abwehrkompetenz des board ein. Second generation bylaws hingegen beschränken sich auf besondere prozessuale Anforderungen, denen der board in der Übernahmesituation genügen muss. Hierunter fallen etwa sog. early action bylaws, die den Vorstand im Falle eines Übernahmeangebots, das die o. g. Kriterien erfüllt, zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung verpflichten175. Auch anti-disenfranchisement bylaws, die dem Vorstand ein einmütiges Vorgehen hinsichtlich vereitelungsgeeigneter Maßnahmen auferlegen, solange die Hauptversammlung das Angebot nicht abgelehnt hat, gehören zu dieser Kategorie176. Weiterhin können second generation bylaws vorsehen, dass der Vorstand Abwehrmaßnahmen nur unmittelbar vor einer Hauptversammlung ergreifen darf, um so dem board eine zeitnahe Rechtfertigungspflicht aufzuerlegen bzw. den Aktionären eine schnelle Reaktionsmöglichkeit an die Hand zu geben177. a) Zulässige Regelungsgegenstände von aktionärsseitig initiierten bylaws Den Ausgangspunkt der kontroversen Diskussion im juristischen Schrifttum bildet ein augenscheinliches Spannungsverhältnis zwischen § 109 DGCL und § 141 (a) DGCL: § 109 (a) DGCL gewährt den Aktionären das Recht zum Erlass von bylaws; gemäß § 109 (b) DGCL können diese sämtliche Regelungsinhalte zum Gegenstand haben, sofern sich aus dem Gesetz oder dem certificate of incorporation nichts anderes ergibt178. Auf der anderen Seite gewährt § 141 (a) DGCL dem board eine autonome Leitungskompetenz, die ihre Schranken nur in den gesetzlichen Vorgaben oder im certificate of incorporation findet. 175

Siehe Coates/Faris (2001), S. 1338 f. Dazu Coates/Faris(2001), S. 1339 ff. 177 Vgl. dazu Coffee (1997), S. 618. 178 § 109 DGCL lautet: „(a) The original or other bylaws of a corporation may be adopted, amended or repealed by the incorporators, by the initial directors if they were named in the certificate of incorporation, or, before a corporation has received any payment for any of its stock, by its board of directors. After a corporation has received any payment for any of its stock, the power to adopt, amend or repeal bylaws shall be in the stockholders entitled to vote, or, in the case of a nonstock corporation, in its members entitled to vote; provided, however, any corporation may, in its certificate of incorporation, confer the power to adopt, amend or repeal bylaws upon the directors or, in the case of a nonstock corporation, upon its governing body by whatever name designated. The fact that such power has been so conferred upon the directors or governing body, as the case may be, shall not divest the stockholders or members of the power, nor limit their power to adopt, amend or repeal bylaws. (b) The bylaws may contain any provision, not inconsistent with law or with the certificate of incorporation, relating to the business of the corporation, the conduct of its affairs, and its rights or powers or the rights or powers of its stockholders, directors, officers or employees.“ 176

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Damit stellt sich die Frage, ob aktionärsseitig initiierte bylaws überhaupt Bestimmungen für unternehmerische Entscheidungen treffen können. Dies wäre zu bejahen, wenn man die in § 109 DGCL angeordnete Kompetenz der Aktionäre zur Verabschiedung von bylaws als gesetzliche Vorgabe im Sinne des § 141 (a) DGCL auffassen würde179. Gegen ein derart weites Verständnis spricht jedoch der Umstand, dass § 141 (a) DGCL ausdrücklich nur Beschränkungen anerkennt, die sich aus Gesetz oder dem certificate of incorporation, nicht aber aus den bylaws ergeben. Da § 141 DGCL in seinen übrigen Abschnitten mehrfach auf bylaws Bezug nimmt, kann deren Nichterwähnung in Absatz (a) kaum auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen sein. Aus einem Vergleich mit § 102 DGCL, der den zulässigen Regelungsinhalt des certificate of incorporation bestimmt, folgt gegen eine weite Interpretation des Merkmals „gesetzlicher Vorgaben“ zudem ein systematisches Argument: Würde man im certificate of incorporation festgelegte Beschränkungen der Leitungskompetenz bereits hierunter subsumieren, bliebe die zweite Alternative des § 141 (a) S. 1 DGCL ohne Anwendungsbereich180. Legt man ferner die bisherige Rechtsprechung des Supreme Court zur poison pill zu Grunde, wird man schließlich zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass zumindest redemption bylaws einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten dürften181. Denn die Zulässigkeit von poison pills wird seit der Moran-Entscheidung auf die Leitungskompetenz des board gestützt182. Gerade nach der erst kürzlich in der Entscheidung Account v. Hilton Hotels Corp.183 vorgenommenen Klarstellung des Supreme Court, dass ihre Implementierung in den autonomen Verantwortungsbereich des board fällt, müsste es überraschen, wenn nunmehr den Aktionären das Recht zugestanden würde, die Rücknahme einer poison pill zu verlangen. Schließlich lassen auch die Ausführungen zur slow hand pill in der Quickturn-Entscheidung vermuten, dass redemption bylaws vom Delaware Supreme Court mit großer Skepsis betrachtet würden: „One of the most basic tenets of Delaware corporate law is that the board of directors has the ultimate responsibility for managing the business and affairs of a corporation. Section 141(a) requires that any limitation on the board’s authority be set out in the certificate of incorporation. The Quickturn certificate of incorporation contains no provision purporting to limit the authority of the board in any way. The 179

So Garms (1999), S. 442 f. Hammermesh (1998), S. 432. 181 So auch Coates/Faris (2001), S. 1334. 182 Soweit in dieser Entscheidung die Zulässigkeit von poison pills im Übrigen auf § 157 DGCL gestützt wird, lässt sich gegen die Rechtmäßigkeit von redemption bylaws weiterhin anführen, dass die Norm in Absatz (b) ausdrücklich eine Regelung nur im certificate of incorporation oder in einer „resolution adopted by the board of directors“ zulässt, vgl. McDonnell (2005), S. 228 f. Damit erscheint es umso fraglicher, eine poison pill gegen den Willen des board zurücknehmen zu können. 183 780 A.2d 245 (Del.Supr.2001). 180

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Delayed Redemption Provision, however, would prevent a newly elected board of directors from completely discharging its fundamental management duties to the corporation and its stockholders for six months.“184

Zwar sind die Ausführungen zur Beschränkbarkeit der Leitungsmacht insofern unvollständig, als dass sie die erste Alternative von § 141 (a) S. 1 DGCL nicht erwähnen. Aus der Betonung des certificate of incorporation als Regelungsort, in dem zulässigerweise Restriktionen für die Leitungsmacht niedergelegt sein können, lässt sich aber gleichwohl entnehmen, dass jedenfalls die Pflicht zur Rücknahme einer poison pill schlechterdings Gegenstand einer aktionärsseitig initiierten bylaw sein kann. Folgt daraus, dass den Aktionären zumindest verwehrt sein dürfte, dem board materielle Vorgaben für die Ausübung unternehmerischen Ermessens zu machen, bleibt noch die Frage nach der Zulässigkeit von second generation bylaws zu beantworten. Will man den in § 109 DGCL niedergelegten Grundsatz, wonach die Aktionäre zum Erlass, der Änderung und zur Rücknahme von bylaws berufen sein sollen, einen sinnvollen Anwendungsbereich belassen, wird man kaum zum Ergebnis gelangen können, dass auch rein prozessuale Vorgaben in shareholder rights bylaws per se unzulässig sind. Vielmehr erscheint eine Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen § 109 DGCL und § 141 DGCL durch eine harmonische Auslegung angezeigt, die an eine Gesamtbetrachtung möglicher Regelungsgegenstände von bylaws anknüpfen sollte185. Mangels eindeutiger Leitlinien im DGCL dürfte das dabei gefundene Ergebnis im Wesentlichen von rechtspolitischen Erwägungen getragen sein, weshalb auf eine rechtsdogmatische Erörterung der bisher gemachten Vorschläge verzichtet werden soll186. b) Sperrwirkung von shareholder rights bylaws in Bezug auf entgegenstehende Beschlüsse des board? Soweit man second generation bylaws für zulässig erachtet, schließt sich die Frage an, ob dem board damit auch die Abänderung entsprechender Aktionärsbeschlüsse bzw. die Verabschiedung entgegenstehender bylaws verwehrt 184 Quickturn Design Systems, Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1291 (Del.Supr. 1998). 185 Vgl. McDonnell (2005), S. 214 ff. 186 Vgl. zur Relevanz rechtspolitischer Erwägungen in der Diskussion um die Zulässigkeit von shareholder bylaws Garms (1999), S. 451 f.: „Even in the absence of clear statutory authority, however, Delaware courts should allow such shareholder action as a way to keep the market for corporate control operating efficiently and to maximize economic efficiency. The most accurate empirical evidence available strongly supports this conclusion, as poison pills typically have a negative impact on share prices. Economic efficiency thus requires that shareholders have the power to prohibit or redeem these defensive tactics.“ Vgl. auch Thompson/Smith (2001), S. 320 und McDonnell (2005), S. 235 ff.

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bleibt187. Andernfalls könnte sich der Vorstand aufgrund seines Vorteils gegenüber der Hauptversammlung, Beschlüsse auch ohne lange Vorbereitungszeit fassen zu können, der Vorgaben der Aktionäre jederzeit wieder entledigen. Ob ein solches Vorgehen statthaft wäre, wird im juristischen Schrifttum ebenfalls nicht einheitlich beantwortet188. Für eine Sperrwirkung von shareholder rights bylaws spricht zunächst, dass nach § 109 (a) S. 3 DGCL das Recht der Aktionäre zur Verabschiedung von bylaws nicht ausgeschlossen werden kann189. Ein Abänderungsverbot für die Direktoren kann sich aus § 109 (a) DGCL jedoch nur ergeben, wenn man hierdurch nicht nur das formale Recht der Aktionäre zur Verabschiedung von bylaws als geschützt ansieht. Andernfalls ließe sich die Norm als Anordnung einer konkurrierenden Zuständigkeit verstehen, so dass ihr ein eigenständiger Regelungsgehalt auch im Falle einer Abänderungsbefugnis der Direktoren zukommen würde. Entscheidend gegen eine Sperrwirkung von shareholder rights bylaws spricht aber, dass die Kompetenz des board im certificate of incorporation verankert ist, das den bylaws als höherrangiges Recht gemäß § 109 (b) DGCL vorgeht. Selbst bei einer materiellen Interpretation des § 109 DGCL kann einer Sperrwirkung damit entgegengehalten werden, dass sich die Aktionäre mit der Beschränkung ihrer Kompetenzen durch Zustimmung zum certificate of incorporation bereits einverstanden erklärt haben190. Schließlich lässt sich für die Ansicht, dass die bylaw-Kompetenz des board durch entgegenstehende Aktionärsbeschlüsse nicht eingeschränkt werden kann, ein Umkehrschluss aus § 203 (b) (3) DGCL anführen, in dem ein entsprechendes Verbot ausdrücklich bestimmt wird191. Würde aber bereits nach allgemeinen Grundsätzen eine Sperrwirkung bestehen, wäre deren Anordnung im Einzelfall überflüssig192. Selbst wenn man shareholder rights bylaws, die den Direktoren hinsichtlich des Gebrauchs von Abwehrinstrumenten restriktive Vorgaben machen, für zuläs187 Die praktische Relevanz dieser Frage ergibt sich aus dem Umstand, dass regelmäßig von der Möglichkeit des § 109 (a) S. 2, 2. HS DGCL, den Direktoren eine bylaw-Kompetenz im certificate of incorporation einzuräumen, Gebrauch gemacht wird. 188 Bejahend Hamermesh (1998), S. 467 ff.; Coffee (1997), S. 618 hält zumindest Bestimmungen in bylaws für zulässig, die dem board eine Abänderung nur zu einem bestimmten Zeitpunkt gestatten, etwa kurz vor einer Hauptversammlung; siehe ferner Coates/Faris (2001), S. 1366 ff. 189 Vgl. Coffee (1997), S. 616; Coates/Faris (2001), S. 1368. 190 Vgl. Coates/Faris (2001), S. 1369. 191 Hamermesh (1998), S. 471 f. 192 Der mögliche Einwand, mit der entsprechenden Regelung in § 203 (b) (3) DGCL sei lediglich der Zweck verfolgt worden, den Aktionären eine ausdrückliche Anordnung der Unabänderlichkeit im betreffenden bylaw zu ersparen, würde nicht überzeugen. Denn angesichts des Streitstandes in der Literatur wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber eine derart begrenzte Regelungsintention deutlich zum Ausdruck gebracht hätte.

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sig erachten würde, wäre der board demzufolge nicht daran gehindert, diese kurzfristig wieder außer Kraft zu setzen. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass sich Direktoren ein Hinwegsetzen über Aktionärsbeschlüsse dauerhaft leisten können193. Ob die Machtbalance zwischen Unternehmensleitung und Aktionären durch shareholder rights bylaws eine Verschiebung zugunsten der letzteren erfährt, erscheint daher weniger eine juristische als vielmehr eine Frage der vorherrschenden Unternehmenskultur zu sein. 5. Zusammenfassende Bewertung des Übernahmerechts von Delaware: Die Zielverwaltung als Verteidigerin der Gesellschaft a) Das Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Anteilseignern: Die unterschiedlichen Sichtweisen in der Rechtsprechung Delawares In der Rechtsprechung Delawares sind hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Anteilseignern und Unternehmensleitung zwei Grundströmungen auszumachen: Die eine lehnt sich an die Prinzipal-Agenten-Sicht der Unternehmung an und hebt die Rolle des Aktionärsstimmrechts in der Corporate Governance hervor; die andere hingegen betont die autonome Leitungskompetenz des board und räumt diesem eine nicht unerhebliche Definitionsmacht hinsichtlich des Aktionärs- und Gesellschaftsinteresses ein. Während letztere Sichtweise vor allem Eingang in die Rechtsprechung des Supreme Court gefunden hat, etwa in Form der board knows best-Doktrin, findet sich die agency-theoretische Sicht des Unternehmens insbesondere in Urteilen des Chancery Court wieder, am prononciertesten wohl in der Blasius Entscheidung194: „Action designed principally to interfere with the effectiveness of a vote inevitably involves a conflict between the board and a shareholder majority. Judicial review of such action involves a determination of the legal and equitable obligations of an agent towards his principal. This is not [. . .] a question that a court may leave to the agent finally to decide so long as he does so honestly and competently; that is, it may not be left to the agent’s business judgement. [. . .] The theory of our corporation law confers power upon directors as the agents of the shareholders; it does not create Platonic masters.“195

Zwar hat die Blasius-Rechtsprechung durch den Supreme Court in formaler Hinsicht eine Bestätigung erfahren, doch war das höchste Gericht Delawares in der Folge bestrebt, den Anwendungsbereich von Blasius möglichst gering zu halten. Der darin angelegte shareholder choice-Gedanke war mit der Anerkennung einer umfassenden Abwehrkompetenz für den board, wie er insbesondere in der Time-Entscheidung durch die Annahme einer „substantiellen Zwangswir193 194 195

So auch Coates/Faris (2001), S. 1369 f. Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 660 u. 662 (Del.Ch.1988). Hervorhebungen durch den Autor.

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kung“ bei Vollangeboten begründet worden ist, nur schwer zu vereinbaren196. Als im Zuge einer neuen Bieterstrategie, die das Übernahmeangebot mit einem proxy contest koppelte, die Effektivität der poison pill als Abwehrinstrument in Frage gestellt wurde, gestatte der Supreme Court den target boards schließlich, zu Abwehrzwecken grundsätzlich auch in die Stimmrechtausübung der Aktionäre einzugreifen197. In der Chesapeake-Entscheidung des Chancery Court aus dem Jahr 2000 sind grundlegende Differenzen zur Rechtsprechung des Supreme Court zutage getreten. Die darin angedeutete Rückkehr zu den Grundsätzen der Interco-Entscheidung, nach denen bei Vollangeboten nur eine eingeschränkten Abwehrbefugnis des board bestehen soll, steht im Widerspruch zur Time-Entscheidung des Supreme Court und würde dessen board knows best-Doktrin grundlegend in Frage stellen. Aber auch insoweit beide Gerichte zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen, sind die Urteile von unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Rolle von Aktionären in der Corporate Governance geprägt, wie etwa die Urteilsbegründungen zur Rechtswidrigkeit von continuing director provisions belegen. So stützt der Chancery Court die Unwirksamkeit von dead hand-Bestimmungen auf einen Verstoß gegen Blasius und führt dabei zur Rolle des Aktionärsstimmrechts in der Corporate Governance aus198: „[. . .] the shareholder vote has primacy in our system of corporate governance because it is the ,ideological underpinning upon which the legitimacy of directorial power rests.‘“

Dagegen stellte der Supreme Court allein auf die Leitungskompetenz künftiger boards ab, als er eine slow hand pill für rechtswidrig erklärte199: „One of the most basic tenets of Delaware corporate law is that the board of directors has the ultimate responsibility for managing the business and affairs of a corporation. [. . .] Therefore, we hold that the Delayed Redemption Provision is invalid

196 Siehe die Ausführungen des Chancery Court in Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp., 564 A.2d 651, 662 f. (Del.Ch.1988): „A majority of the shareholders, who were not dominated in any respect, could view the matter differently than did the board. If they do, or did, they are entitled to employ the mechanisms provided by the corporation law and the [. . .] certificate of incorporation to advance that view.“ Vgl. dazu die Begründung der Abwehrbefugnis in Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1153 (Del.Supr.1989): „[. . .] the Time board reasonably determined that inadequate value was not the only legally cognizable threat [. . .]. One concern was that Time shareholders might elect to tender into Paramount’s cash offer in ignorance or a mistaken belief of the strategic benefit which a business combination with Warner might produce.“ 197 Siehe Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1382 (Del.Supr. 1995). 198 Carmody v. Toll Brothers, Inc., 723 A.2d 1180, 1193 (Del.Ch.1998). 199 Siehe Quickturn Design Systems, Inc. v. Shapiro, 721 A.2d 1281, 1291 f. (Del.Supr.1998).

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under Section 141(a), which confers upon any newly elected board of directors full power to manage and direct the business and affairs of a Delaware corporation.“

Insbesondere der Supreme Court scheint weit davon entfernt, die Unternehmensleitung als einen bloßen Agenten der Aktionäre anzusehen, welche in der Rolle eines Prinzipals – zumindest unter den besonderen Umständen eines Übernahmeangebots – quasi zum Selbsteintritt in die unternehmerische Entscheidungsbefugnis berufen wären. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erweist sich vielmehr als geprägt durch die Annahme einer director primacy, die dem board einen unentziehbaren Handlungsspielraum auch dann überlässt, wenn auf Aktionärsseite eine abweichende Auffassung über die künftige Unternehmensstrategie vorherrschen sollte. Statt sich einem Mehrheitsvotum der Aktionäre unterwerfen zu müssen wird der Unternehmensleitung grundsätzlich zugestanden, selbst das maßgebliche Aktionärswohl durch entsprechende Wahl des Investitionshorizontes zu definieren200. Darüber hinaus finden sich in verschiedenen Urteilen des Supreme Court deutliche Hinweise darauf, dass auch die Verteidigung sonstiger Stakeholder-Interessen eine Abwehrbefugnis des board begründen könnte201. Auch wenn diesbezügliche Ausführungen bislang nur obiter dicta waren, zeigen sie doch, wie wenig das Leitbild einer shareholder primacy Eingang in die Rechtsprechung Delawares gefunden hat. Abgesehen vom engen Anwendungsbereich des Revlon-Standards, dessen Maßgeblichkeit im Übrigen allein von der Verteidigungsstrategie der Zielverwaltung abhängt, verbleibt es bei den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen: Der board führt die Gesellschaft unter eigener Verantwortung und im Rahmen eines weiten unternehmerischen Ermessens. Die dem board zugesprochene Abwehrkompetenz stellt dabei auch nicht lediglich ein Mittel dar, um die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre in Bezug auf das Angebot sicherzustellen, wie die Unocal-Entscheidung auf dem ersten Blick nahelegen könnte. Zwar leitete der Supreme Court in diesem Fall die Abwehrbefugnis aus der Zwangswirkung der two-tier tender offer von Mesa ab. Wäre es dem Gericht aber um einen fairen Wettbewerb der Unternehmenskonzepte gegangen, hätte es den von Unocal gebotenen Rückkaufpreis für unverhältnismäßig befinden müssen. Denn dieser lag deutlich über dem von Mesa im firsttier gebotenen Preis und entfaltete damit seinerseits eine Zwangswirkung dergestalt, dass selbst Aktionäre, die das Unternehmenskonzept von Mesa favorisierten, von der Annahme des Angebots abgehalten wurden202. Letztlich billigte das Gericht sogar einen Rückkaufpreis, der nach eigenem Bekunden des Unocal-board über dem „tatsächlichen“ Unternehmenswert lag. Mit der Unocal200 Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1150 (Del.Supr. 1989). 201 Siehe oben C. I. 3. d) bb). 202 Vgl. dazu Gevurtz (2000), S. 697 f. und Herkenroth (1994), S. 174, sowie bereits oben C. I. 3. a) aa).

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Entscheidung wurde damit nicht nur ein Schutz der Zielaktionäre vor der Zwangswirkung einer two-tier tender offer erreicht, sondern dem target board darüber hinausgehend ein scharfes Schwert gegen solche Übernahmeangebote an die Hand gegeben, die dieser als „unangemessen“ einstuft, ohne dabei den Aktionären Gelegenheit zu einer entgegenstehenden Willensbekundung geben zu müssen. b) Die untergeordnete Bedeutung des Kontrollmarkt-Konzepts in der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court In den Urteilen des Delaware Supreme Courts finden sich nur wenige Ausführungen, die den Schluss zulassen, dass Übernahmen als ein willkommener Beitrag zur Managementkontrolle verstanden werden. Stattdessen wird mit der Informationseffizienz der Kapitalmärkte eine Grundannahme des KontrollmarktKonzepts in Zweifel gezogen und die Marktkapitalisierung als maßgeblicher Indikator für den Unternehmenswert abgelehnt203. Mit der grundsätzlichen Anerkennung einer „substantiellen Zwangswirkung“ von Vollangeboten wurde der Zielverwaltung schließlich die Möglichkeit eröffnet, Abwehrmaßnahmen auf eine behauptete Unterbewertung der Gesellschaft durch den Kapitalmarkt zu stützen. Der board verfügt über eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich des „wahren“ Unternehmenswerts, wie insbesondere die richterlichen Ausführungen in der Unitrin-Entscheidung verdeutlichen204: „The board determined that Unitrin’s stock was undervalued by the market at current levels and that the board considered Unitrin’s stock to be a good long-term investment. The board also discussed the speculative and unsettled market conditions for Unitrin stock [. . .]. The record appears to support Unitrin’s argument that the board’s justification for adopting the Repurchase Program was its reasonably perceived risk of substantive coercion, i. e., that Unitrin’s shareholders might accept American General’s inadequate Offer because of ,ignorance or mistaken belief‘ regarding the board’s assessment of the long-term value of Unitrin’s stock.“

Nach verbreiteter Auffassung können sich Manager einer Disziplinierung durch den Markt für Unternehmenskontrolle schlicht dadurch entziehen, dass sie das Übernahmeangebot als unangemessen zurückweisen205. Angesichts des weiten Gefahrbegriffs und der restriktiven Handhabung der Verhältnismäßig203 Vgl. etwa Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1150 Fn. 12. (Del.Supr.1989): „[. . .] we endorse the Chancellor’s conclusion that [. . .] the present stock market price of shares is not representative of true value or that there may indeed be several market values for any corporation’s stock.“ 204 Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1384 f. (Del.Supr. 1995). 205 Die Einschätzung, dass die Zielverwaltung nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware stets die Option zum „just say no“ habe, äußern etwa Subramanian (2003), S. 626 f. und Paredes (2004), S. 140.

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keitsprüfung, an der nach der Unitrin-Entscheidung nur solche Maßnahmen scheitern sollen, die eine erfolgreiche Übernahme „mathematisch unmöglich“ bzw. „realistischerweise unerreichbar“ machen, erscheint diese Einschätzung durchaus zutreffend. Schließlich lässt sich auch die Revlon-Rechtsprechung nicht als Beleg dafür anführen, dass die Gerichte von Delaware dem Markt für Unternehmenskontrolle einen besonderen Stellenwert in der Corporate Governance beimessen. Denn der Übergang zum Revlon-Maßstab setzt stets eine bestimmte Reaktion der Zielverwaltung auf das Übernahmeangebot voraus, in dessen Hand es damit letztlich liegt, ob das Verkaufsinteresse der Aktionäre zum obersten Gebot avanciert. Im Ergebnis dürfte die Revlon-Rechtsprechung nur eine unwesentliche Beschränkung der Möglichkeit bedeuten, ein Übernahmeangebot durch die Suche nach einem white knight zu vereiteln: Bleibt dessen Angebot hinter der feindlichen Offerte zurück, darf die von der Zielverwaltung angestrebte Fusion zwar keinen Verkauf wesentlicher Geschäftsbereiche beinhalten oder zu einem grundlegenden Wandel in der Kontrollstruktur führen. Doch bleibt der white knight mit hinreichend diffuser Anteilsstruktur stets eine uneingeschränkte Option für die abwehrwillige Zielverwaltung206. Zudem darf nicht übersehen werden, dass der strikte Pflichtenmaßstab der Revlon-Entscheidung in späteren Urteilen gelockert und dem Unocal-Maßstab angenähert wurde, indem ein Beurteilungsspielraum des board hinsichtlich des „besseren“ Angebots anerkannt wurde207. Dass eine Disziplinierung der Unternehmensleitung durch den Kapitalmarkt kein Leitmotiv der gerichtlichen Entscheidungen darstellte, verdeutlicht darüber hinaus der Anwendungsbereich des Revlon-Standards wie er in den beiden Paramount-Urteilen herausgebildet worden ist. Demgemäß soll für angebotsvereitelnde Fusionsbestrebungen des target board mit einem Dritten der strengere Pflichtenmaßstab gerade dann gelten, wenn sich dadurch in der Zielgesellschaft ein „Kontrollwechsel“ dergestalt vollziehen würde, dass sich der gestreute Aktienbesitz in der Hand eines Mehrheitsaktionärs konzentriert. Der board müsste in diesem Fall jedoch einen erheblichen Machtverlust hinnehmen, weil durch die Anteilskonzentration das Trittbrettfahrer-Problem auf der Aktionärsseite entfallen würde. Strebt der target board hingegen wie in der Time-Entscheidung 206 So auch Paredes (2004), S. 152 f. In diesem Fall ließe sich regelmäßig ohne Probleme gewährleisten, dass die – aus einem stock for stock merger – hervorgehende Gesellschaft nicht von einem Großaktionär beherrscht und somit nach den in Paramount v. QVC aufgestellten Grundsätzen auch nicht der Revlon-Maßstab zur Anwendung gelangen würde. Damit könnte die Zielverwaltung das Zusammengehen mit dem weißen Ritter auch dann befördern, wenn der vorzunehmende Aktientausch für die Aktionäre zunächst ungünstiger wäre als die Annahme des Angebots, sofern die Zielverwaltung nur nachweisen kann, dass ihre Annahme einer langfristig besseren Renditeerwartung auf einer sorgfältigen Prüfung beruht. 207 Siehe Paredes (2004), S. 163 ff. und vergleiche bereits oben C. I. 3. a) bb).

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

einen Unternehmenszusammenschluss mit einem Dritten an, der die diffuse Anteilsstruktur unberührt ließe, wendet der Supreme Court den großzügigen Unocal-Maßstab an. Mit ihrem Abgrenzungskriterium des „Kontrollwechsels“ begünstigt die Rechtsprechung demzufolge strategische Abwehrmaßnahmen des Zielmanagements, die diesem die Option zum entrenchment belassen208. Dies steht im Widerspruch zur Grundannahme der Kontrollmarkt-These, wonach die positive Wirkung von Übernahmen gerade in der drohenden Konzentration des Aktienbesitzes und der damit verbundene Überwindung der Trittbrettfahrer-Problematik gesehen wird. Stattdessen weisen die Richter dem target board eher die Rolle eines legitimen Verteidigers der Gesellschaft und der Interessen ihrer Aktionäre zu. Hierzu passt, dass der Supreme Court in der Entscheidung Paramount v. QVC die Anwendung des Revlon-Maßstabs auch damit begründete, dass dem Paramount-board nach der Fusion die notwendige Autorität fehle, seine Unternehmensstrategie notfalls auch gegen einen Mehrheitsaktionär durchzusetzen209. Der board soll sich demzufolge nur dann auf eine Überlegenheit seines Unternehmenskonzepts berufen dürfen, wenn er dessen Realisierung seinen Aktionären gegenüber auch glaubhaft versichern kann. Fehlt diesem aber das notwendige entrenchment, d.h. liegt die Entscheidungskompetenz letztlich in der Hand eines Mehrheitsaktionärs, bleibt ihm die aus der Business Judgment Rule erwachsene Einschätzungsprärogative in Bezug auf künftige Ertragsaussichten verwehrt. Damit ist festzustellen, dass sich der Supreme Court selbst

208 Ähnlich die Einschätzung von Gevurtz (2000), S. 684: „In the end, the outcome in Time and QVC is to create something of a paradox [. . .]. The shift of control in QVC [. . .] triggered intense scrutiny. By contrast, in Time, the court applied lesser scrutiny to Time’s marriage to Warner – even though this marriage left Time’s board and management in charge of the combined entity. As a result, the rule appears to be the greater the conflict-of-interest by the target’s board (as far as retaining the current directors’s and managers’ power), the less the court’s scrutiny of the board’s action.“ Die gegenteilige Auffassung von Bainbridge (2002a), S. 734, wonach der Interessenkonflikt der Zielverwaltung in Paramount v. QVC besonders groß gewesen sein soll, weil durch den angestrebten Zusammenschluss mit Viacom im Gegensatz zum TimeWarner-deal eine Isolierung vom Markt für Unternehmenskontrolle erreicht würde, vermag indes nicht zu überzeugen. Denn sie übersieht, dass die Disziplinierungswirkung des „Markts für Unternehmenskontrolle“ letztlich auf den Kontrollmöglichkeiten eines beherrschenden Aktionärs beruht. Existiert ein solcher jedoch bereits, ist die Disziplinierungswirkung konkret und gegenwärtig, während die Möglichkeit einer künftigen Anteilskonzentration im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots für das Management lediglich eine abstrakte „Gefahr“ bedeutet. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Funktionsfähigkeit des „Markts für Unternehmenskontrolle“ mit der Größe des Unternehmens aufgrund höherer Transaktionskosten der Finanzierung abnimmt; die Wahrscheinlichkeit für Time-Warner, Adressat eines Übernahmeangebots zu werden, ist demnach geringer einzuschätzen als im Falle eines „stand alone“. 209 Paramount Communications Inc. v. QVC Network Inc., 637 A.2d 34, 50 (Del.Supr.1994).

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in seiner aktionärsfreundlichen Paramount v. QVC-Entscheidung nicht von den Prämissen der Kontrollmarkt-These hat leiten lassen. Die Anwendung des Revlon-Maßstabs in der Paramount v. QVC-Entscheidung stützt das Gericht im Wesentlichen auf Überlegungen zum Minderheitenschutz: Die Aktionäre sollen – wie beim beabsichtigten Zusammenschluss von Paramount und Viacom – nicht ungefragt in eine Minderheitsposition gedrängt werden dürfen, wenn zugleich die Alternative auf eine Kontrollprämie besteht. Dabei spielte für den Supreme Court offenbar eine wichtige Rolle, dass den Paramount-Aktionären eine zweite Chance, Adressat eines öffentlichen Übernahmeangebots zu werden, durch den Kontrollwechsel verwehrt geblieben wäre. Bringt die angestrebte Fusion hingegen ein Unternehmen mit diffuser Anteilsstruktur – wie im Falle der angestrebten Fusion von Time und Warner – hervor, bleibt den Aktionären die Aussicht erhalten, durch ein späteres Übernahmeangebot in den Genuss einer Kontrollprämie zu gelangen. Zwar wird damit in abstrakter Hinsicht ein Recht des Streubesitzaktionärs anerkannt, nicht dauerhaft von einer Kontrollprämie ausgeschlossen zu werden. Dieses Recht folgt für das Gericht jedoch nicht aus Überlegungen zur Corporate Governance und dem Verhältnis zwischen Aktionär und Unternehmensführung210. Die Kontrollprämie stellt sich vielmehr allein als eine Entschädigung für die Minderheitsposition in der Hauptversammlung dar; sie ist nicht etwa ein Ausgleich für die Agenturkosten, die der Streubesitzaktionär bislang aufgrund von Defiziten in der Überwachung des Managements zu tragen hatte. c) Trendwende zu mehr shareholder choice in der jüngeren Rechtsprechung des Delaware Supreme Court? Einige Autoren wollen im Zuge der US-amerikanischen Unternehmensskandale zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen neuen Trend in der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court ausgemacht haben, der durch eine Hinwendung zum shareholder choice-Gedanken auf Kosten der direktoralen Leitungskompetenz gekennzeichnet sei211. Verwiesen wird dabei insbesondere auf die Entscheidung Omnicare, Inc. v. NCS Healthcare, Inc.212, in der verschiedene deal protections anhand des Unocal/Unitrin-Maßstabes verworfen wurden213. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem Verhandlungen über den Kauf des finanziell schwer angeschlagenen Unternehmens NCS 210 Kritisch zur Rechtsprechung des Supreme Court in Paramount v. QVC auch Paredes (2004), S. 153, der darauf hinweist, dass die Kontrollprämien-These keine Grundlage in der Theorie der Unternehmung oder der Corporate Governance finde. 211 Subramanian (2003), S. 681; McDonnell (2004), S. 526. 212 818 A.2d 914 (Del.Supr.2003); vgl. dazu aus dem deutschen Schrifttum Bolsinger/Leicht (2003), S. 1044 ff., Möslein (2007), S. 602 f. 213 Subramanian (2003), S. 682; McDonnell (2004), S. 526.

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

Healthcare durch Omnicare gescheitert waren, weil Omnicare die vorherige Insolvenz zur Bedingung erhoben hatte, fand sich schließlich Genesis zu einer Übernahme von NCS außerhalb eines Insolvenzverfahrens bereit. Zur Absicherung der Transaktion verpflichtete sich der board von NCS auf Betreiben von Genesis, den Verschmelzungsvertrag auch dann den Aktionären zur Entscheidungen vorzulegen, wenn er später selbst eine andere Alternative – etwa ein Zusammengehen mit Omnicare – bevorzugen sollte. Der Verschmelzungsvertrag enthielt keine sog. fiduciary-out clause, die dem board die Möglichkeit eingeräumt hätte, den Vertrag zu kündigen, um ein besseres Angebot zum Kauf des Unternehmens annehmen zu können. Mit zwei Großaktionären von NCS, die zusammen über eine Stimmenmehrheit verfügten, vereinbarte Genesis darüber hinaus einen Stimmbindungsvertrag, in dem sich diese verpflichten, einer Fusion mit Genesis die Zustimmung zu erteilen. Wenige Tage darauf gab Omnicare – nunmehr zur Akquisition ohne vorangegangene Insolvenz bereit – ein Übernahmeangebot für NCS ab und klagte gegen die Wirksamkeit der deal protections zwischen Genesis und NCS bzw. dessen Mehrheitsaktionären. Der board von NCS gab seine Unterstützung für die Verschmelzung mit Genesis zwischenzeitlich auf und empfahl stattdessen die Annahme des Angebots von Omnicare. Abgesehen davon, dass die Urteilsbegründung deutliche Kritik hervorgerufen hat214, dürfte die Entscheidung schon wegen des für feindliche Übernahmen untypischen Sachverhalts kaum geeignet sein, um als Beleg für eine neue Machtbalance zwischen Unternehmensleitungen und Aktionären in der Übernahmesituation herzuhalten215. Zunächst handelte es sich bei NCS mit ihrer stark konzentrierten Stimmrechtsstruktur um eine ungewöhnliche Übernahmekandidatin. Auch spielte aufgrund des Umstands, dass der target board die Übernahme letztlich befürwortete, die Gefahr eines Interessenkonflikts auf Seiten des Zielmanagements, dessen Entscheidung vom drohenden Verlust des Arbeitsplatzes beeinflusst sein könnte, offensichtlich keine Rolle. Damit bestand vorliegend kein Grund für eine verschärfte Pflichtenstellung des board, der nach der Unocal-Entscheidung in dem „omnipresent specter that a board may be acting primarily in its own interests, rather than those of the corporation and its shareholders“216 bestehen soll217.

214 Kritisch etwa Paredes (2004), S. 161 f. und Veasey/Di Guglielmo (2005), S. 1458 ff. Veasey hatte im Übrigen als Richter des Supreme Court die dissenting opinion – Omnicare erging in einer ungewöhnlichen 3 zu 2 Entscheidung – verfasst. 215 ähnlich auch McDonnell (2005), S. 526 Fn. 111: „The facts in Omnicare are pretty odd, particularly the presence of a lock-up agreement with two controlling shareholders, and the decision is a divided 3-2, unusual for Delaware. It could therefore be that the case has limited precedential value.“ 216 Vgl. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del.Supr.1985).

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Entscheidend gegen die Annahme einer Trendwende zu mehr shareholder choice durch die Omnicare-Entscheidung spricht, dass die Zielrichtung des Urteils gerade nicht darin gesehen werden kann, den Handlungsspielraum des target board zu beschneiden. Denn die Aussichtslosigkeit einer erfolgreichen Übernahme durch Omnicare beruhte ja letztlich auf der Handlungsunfähigkeit des Vorstands, der sich einem zwingenden Votum der Hauptversammlung unterworfen hatte. Sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Beeinträchtigung der shareholder choice die Rede sein kann, folgte diese jedoch nicht in erster Linie aus einem Verhalten des board, sondern war vielmehr Konsequenz der Stimmbindungsverträge von Genesis mit den beiden Großaktionären218. Zwar werden durch das Urteil die Grenzen dafür aufgezeigt, eine Gesellschaft bereits vor Abgabe eines öffentlichen Angebots „übernahmefest“ zu machen. Auch mit der Omnicare-Entscheidung verfolgte die Mehrheit der Richter des Delaware Supreme Court aber offenkundig nicht das Ziel, die Strahlkraft des Kapitalmarkts auf die Corporate Governance zu erhöhen. Vielmehr erscheint wiederum der Gedanke des Minderheitenschutzes den Ausschlag gegeben zu haben, was insbesondere in der Anlehnung an die Paramount v. QVCEntscheidung zum Ausdruck kommt219. Offenbar wird von der Mehrheit der Supreme Court-Richter ein gleichwertiges Schutzbedürfnis für die Minderheitsaktionäre in dem vorliegenden Sachverhalt angenommen, in dem zwei Großaktionäre durch Verträge mit Dritten unwiderruflich zu einem Mehrheitsblock zusammengeschweißt wurden, den auch die Minderheit im Falle eines lukrativen 217 Es fragt sich daher, ob die „deal protections“ richtigerweise nicht anhand des Unocal/Unitrin-Maßstabes, sondern vielmehr auf Grundlage der Business Judgment Rule zu beurteilen gewesen wären. Schließlich fand auch in der Time-Entscheidung der Unocal-Maßstab auf die mit Warner beabsichtigte Fusion nur deswegen Anwendung, weil deren Bedingungen angesichts des Übernahmeangebots von Paramount modifiziert worden waren. Hingegen wurde die ursprüngliche Vereinbarung zwischen Time und Warner an der Business Judgment Rule gemessen. Da sich NCS zur Fusion mit Genesis bereits vor Abgabe des Übernahmeangebots entschlossen hatte und in dessen Folge keine Abänderung des angestrebten Fusionsprozesses vornahm, hätte an sich die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule nahegelegen. 218 Vgl. Omnicare, Inc v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914, 934 (Del.Supr. 2003): „In this case, the stockholder voting agreements were inextricably intertwined with the defensive aspects of the Genesis merger agreement. In fact, the voting agreements with Shaw and Outcalt were the linchpin of Genesis’ proposed tripartite defense.“ Der Vorwurf der die Entscheidung tragenden Richter zielte in erster Line auf das Versäumnis des board von NCS ab, eine sog. fiduciary-out clause in den Verschmelzungsvertrag aufzunehmen. Hierdurch sei es dem board unmöglich geworden, seine auch gegenüber den Minderheitsaktionären fortbestehende Treuepflicht zu erfüllen, siehe Omnicare, Inc v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914, 936 (Del.Supr.2003); vgl. auch Bolsinger/Leicht (2003), S. 1047. 219 Vgl. Omnicare, Inc v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914, 937 ff. (Del.Supr. 2003).

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

Angebots nicht mehr auseinanderbringen konnte. Keine Rolle scheint dabei zu spielen, dass die Minderheitsposition im Fall von Omnicare nicht wie bei Paramount v. QVC das Ergebnis einer Strukturentscheidung des board ist, sondern auf dem Umstand beruht, dass sich zwei Großaktionäre zu einem gemeinsamen Handeln verpflichtet haben220. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der Omnicare-Entscheidung für die Verteilung der Entscheidungsrechte zwischen Unternehmensleitung und Aktionären in der Corporate Governance nichts herleiten. Erst recht kann hierin keine Hinwendung des Supreme Court zum shareholder choice-Gedanken erblickt werden.

II. Der Handlungsrahmen der Zielverwaltung nach britischem Recht 1. Verbandsrechtliche Vorgaben Die Direktoren einer britischen public company haben ihr Handeln am Interesse der Gesellschaft auszurichten221. Dieser richterrechtlich geprägte Grundsatz wird überwiegend in dem Sinne verstanden, dass die Unternehmensleitung zur Wahrung der langfristigen Aktionärsinteressen verpflichtet ist222. Abweichend davon schreibt § 309 (1) Companies Act 1985 (im Folgenden: CA) jedoch vor, dass auch die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, ohne diesbezüglich eine Rangfolge festzulegen223. Allerdings stellt § 309 (2) CA klar, dass die Pflichten nur gegenüber der Gesellschaft bestehen und der Belegschaft kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Interessen zusteht. Dementsprechend hat die Norm, die im Sinne einer interessenpluralistischen Leitmaxime verstanden werden kann, in der Rechtspraxis nur eine untergeordnete Rolle gespielt224. Nach vorherrschender Auffassung ist die gesellschaftsrechtliche Leitmaxime durch das Konzept eines enlightened shareholder value geprägt, deren Zielsetzung in der Maximierung des Aktionärsvermögens gesehen wird, ohne dass die Interessen anderer Stakeholder aus dem Blickfeld geraten dürfen225. 220 Kritisch zur Anlehnung an die Paramount v. QVC-Entscheidung auch die dissenting opinion, vgl. Omnicare, Inc v. NCS Healthcare, Inc., 818 A.2d 914, 934, 945 f. (Del.Supr.2003). 221 Re Smith and Fawcett Ltd [1942] Ch 304, CA, Brady v. Brady [1989] AC 755, HL. 222 Davies (2003), S. 266; Ferran (1999), S. 158. 223 § 309 (1) Companies Act 1985 lautet: „The matters to which the directors of a company are to have regard in the performance of their functions include the interests of the company’s employees in general, as well as the interests of its members.“ 224 Armour/Deakin/Konzelmann (2003), S. 537; Davis (2003), S. 267; Ferran (1999), S. 136.

II. Handlungsrahmen nach britischem Recht

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Bleibt diese Interpretation vor dem Hintergrund des § 309 (1) CA zwar nicht frei von Einwänden, wird die Vorrangestellung der Aktionärsinteressen jedoch im Zuge der Reform des britischen Gesellschaftsrechts durch den Companies Act 2006 eine ausdrückliche gesetzliche Verankerung erfahren. So verpflichtet § 172 (1) Companies Act 2006, der § 309 (1) CA voraussichtlich zum Oktober 2008 ablösen wird226, die Direktoren zu einem Handeln im besten Interesse der Gesellschafter, wobei sie u. a. die Interessen der Arbeitnehmer, aber beispielsweise auch die Auswirkungen der betrieblichen Tätigkeit auf das Gemeinwesen und die Umwelt zu berücksichtigen haben227, Damit werden einerseits die für unternehmerisches Handeln maßgeblichen Stakeholder-Interessen explizit benannt, jedoch zugleich deren Nachrangigkeit gegenüber den Aktionärsbelangen festgeschrieben. Ein besonderes Merkmal des britischen Gesellschaftsrechts ist die in § 303 (1) CA gesetzlich festgeschriebene Möglichkeit der Aktionäre, einzelne Direktoren auch auf einem special meeting mit einfacher Mehrheit abberufen zu können. Anders als nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware müssen die Aktionäre daher nicht auf die nächste ordentliche Jahreshauptversammlung (annual meeting) warten, um den board of directors personell austauschen zu 225 Vgl. Davies (2003), S. 268. Auch der Handels- und Industrieausschuss (Trade and Industry Committee) des britischen Unterhauses betrachtet das Konzept des enlightened shareholder value als geltendes Recht. Dementsprechend führt er in seinem Sixth Report on White Paper on Modernising Company Law vom April 2003 (abrufbar im Internet unter ) aus [Nr.13–15, Kapitel 3 („The Role of Directors“)]: „The Enlightened Shareholder Value approach towards defining directors’ duties maintained that the primary duty of a company director was to maximise value for the company’s shareholders. [. . .] Such an approach would require no fundamental change to existing company law, which obliges directors to act in the interests of members of the company; and therefore any revision of the laws along Enlightened Shareholder Value lines would consist of codification rather than significant reform. The pluralist approach to defining directors’ duties would require a more fundamental change in company law [. . .]“. 226 Vgl. Torwegge (2007), S. 196. § 1300 Companies Act 2006 sieht vor, dass einige Teile bereits mit Verabschiedung des Gesetzes, der Großteil der Regelungen jedoch erst nach einer entsprechenden Verfügung des „Secretary of the State or the Treasury“ in Kraft treten. 227 § 172 (1) Companies Act 2006 lautet: „A director of a company must act in the way he considers, in good faith, would be most likely to promote the success of the company for the benefit of its members as a whole, and in doing so have regard (amongst other matters) to – (a) the likely consequences of any decision in the long term, (b) the interests of the company’s employees, (c) the need to foster the company’s business relationships with suppliers, customers and others, (d) the impact of the company’s operations on the community and the environment, (e) the desirability of the company maintaing a reputation for high standards of business conduct, and (f) the need to act fairly as between members of the company.“

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

können228. Die Einberufung eines special meeting kann gemäß § 368 (2) (a) CA durch 10 % des stimmberechtigten Grundkapitals erzwungen werden. Das Recht der Aktionäre zur jederzeitigen Abberufung von Direktoren schließt auch die Festlegung von gestaffelten Amtszeiten (staggered terms) für die Mitglieder des board aus229. Darüber hinaus zeichnet sich das britische Corporate Governance Modell dadurch aus, dass die Aktionäre in der Lage sind, die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung durch eine entsprechende Änderung der articles of association zu modifizieren und sich dadurch Mitspracherechte bei bestimmten Unternehmensentscheidungen einräumen zu lassen; ein unentziehbarer Handlungsspielraum der Unternehmensleitung – wie im deutschen oder US-amerikanischen Recht – ist der britischen Unternehmensverfassung grundsätzlich fremd230. Die starke Stellung der Aktionäre in der Corporate Governance zeigt sich auch anhand der begrenzten Möglichkeiten des board, Eingriffe in die Aktionärsstruktur ohne Einschaltung der Hauptversammlung vornehmen zu können. Anders als im Recht des US-Bundesstaates Delaware, wo Bezugsrechte der Altaktionäre nur bei entsprechender Festlegung im certificate of incorporation bestehen, sind diese in Großbritannien gesetzlich vorgeschrieben231. Ihr Ausschluss erfordert neben einer ausdrücklichen Ermächtigung in den articles of association eine gesonderte Zustimmung der Hauptversammlung232. Demzufolge hat der board einer britischen public company keine Möglichkeit zur einseitigen Implementierung einer poison pill233. Auch der Rückerwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft bedarf anders als im US-amerikanischen Recht grundsätzlich der Zustimmung durch die Hauptversammlung234. In letzter Zeit wird der Überwachung des Managements durch unabhängige Direktoren eine zunehmende Bedeutung beigemessen. So schreibt der Combined Code on Corporate Governance235 in der Fassung von 2003 in Abschnitt A.3.2 nunmehr vor, dass mindestens die Hälfte der board-Mitglieder aus inde228

Davies (2003), S. 265. Underhill/Austmann (2002), S. 99. 230 Vgl. Bebchuk (2005), S. 849. 231 Siehe § 89 Companies Act 1985. 232 § 95 Companies Act 1985. 233 Underhill/Austmann (2002), S. 105; Armour/Deakin/Konzelmann (2003), S. 534. 234 Ferran (1999), S. 438; Armour/Deakin/Konzelmann (2003), S. 534. 235 Der seit 1998 bestehende Combined Code ist ein freiwilliger Code of Best Practice, abrufbar im Internet unter . Nach den UK Listing Rules sind britische Gesellschaften verpflichtet, in ihren jährlichen Geschäftsberichten eine Entsprechenserklärung abzugeben oder Abweichungen von den Kodex-Vorgaben zu erklären. Dieses comply or explain-Prinzip war Vorbild für den deutschen Corporate Governance Kodex. Die Akzeptanz des Combined Code ist in der britischen Unternehmenspraxis sehr hoch, vgl. Armour/Deakin/Konzelmann (2003), S. 537. 229

II. Handlungsrahmen nach britischem Recht

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pendent directors zu bestehen hat, wobei zugleich Anforderungskriterien an die Unabhängigkeit der Direktoren vorgegeben werden236. Zudem haben die unabhängigen Direktoren aus ihrer Mitte einen senior independent director zu bestimmen237, unter dessen Leitung separate Sitzungen des board in Abwesenheit der executive directors (Management) stattfinden sollen238. Darüber hinaus schreibt Abschnitt A.2.1 die personelle Trennung zwischen chief executive officer und chairman of the board vor und ordnet insofern eine klare Zuständigkeitsabgrenzung an. 2. Das britische Übernahmerecht Seit dem Jahr 1968 besteht in Großbritannien mit dem City Code on Takeovers and Mergers, ein umfassendes Regelwerk für Unternehmensübernahmen auf Basis freiwilliger Selbstregulierung. Dieser besteht aus sechs General Principles, die durch 38 Rules konkretisiert werden, und findet Anwendung auf sämtliche britischen public companies, die Adressat eines Übernahmeangebots werden239. Überwacht wird die Einhaltung des City Code durch eine nichtstaatliche Behörde, dem sogenannten Takeover Panel, deren Mitglieder sich vorwiegenden aus der Finanzwirtschaft, Industrie und der Londoner Wertpapierbörse rekrutieren240. Die Sanktionsmöglichkeiten des Takeover Panel beschränken sich im Wesentlichen auf eine öffentliche Rüge des Unternehmens, das den Regeln des City Code zuwiderhandelt; einschneidende Maßnahmen, wie etwa der Entzug der Zulassung zum Wertpapierhandel können hingegen nur bei der Financial Services Authority (FSA) angeregt werden241. Nichtsdestotrotz hat der City Code – anders als etwa der bis zum Jahr 2002 geltende Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission242 – eine flächendeckende Akzeptanz gefunden243. Gemäß General Principle 3 des City Code in der Fassung vom 20. Mai 2006 hat die Unternehmensleitung die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre hinsicht236

Siehe Combined Code on Corporate Governance 2003, Abschnitt A.3.1. Vgl. Combined Code on Corporate Governance 2003, Abschnitt A.3.3. Dort ist ferner vorgesehen, dass der senior independent director als direkter Ansprechpartner für die Aktionäre dienen soll, „if they have concerns which contact through the normal channels of chairman, chief executive or finance director has failed to resolve or for which such contact is inappropriate.“ 238 Combined Code on Corporate Governance 2003, Abschnitt A.1.3. 239 Forstinger (2002), S. 120. 240 Forstinger (2002), S. 119. 241 Vgl. Herkenroth (1994), S. 259; Zinser (2000), S. 70. 242 Vgl. Kirchner/Ehricke (1998), S. 105. 243 Vgl. Forstinger (2002), S. 118. 237

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

lich des Übernahmeangebots zu respektieren. Hierzu im Spannungsverhältnis steht augenscheinlich die ebenfalls in General Principle 3 niedergelegte Pflicht des board of directors, im Interesse der „Gesellschaft als Ganzes“, und nicht etwa – wie in § 172 (1) Companies Act 2006 angeordnet – zugunsten der „Mitglieder der Gesellschaft“ zu handeln244. Durch die Konkretisierung in Rule 21.1 (a) wird jedoch klargestellt, dass die Unternehmensleitung keinesfalls als Verteidigerin der Gesellschaft fungieren darf, sondern vielmehr einem strikten Vereitelungsverbot unterliegt245. Im Einzelnen darf der board of directors in der Übernahmesituation gemäß Rule 21.1 (b) und Rule 37.3 (a) folgende Maßnahmen nicht ohne die vorherige Zustimmung der Hauptversammlung durchführen: – Ausgabe genehmigten Kapitals; – Ausgabe oder Gewährung von Bezugsrechten auf neue Aktien; – Schaffung oder Ausgabe von Anteilen, die ein Umtausch- oder Bezugsrecht für Aktien gewähren oder die Erteilung einer Erlaubnis hierzu; – Kauf oder Verkauf von Gesellschaftsvermögen in erheblichem Umfang246 oder die Verpflichtung hierzu; – Abschluss von Verträgen, die den Umfang des üblichen Geschäftbetriebs überschreiten; – Rückkauf eigener Aktien. Die Zustimmung der Aktionäre hat grundsätzlich in Ansehung des konkreten Angebots zu erfolgen; eine Vorratsermächtigung wie in § 33 Abs. 2 WpÜG vorgesehen kennt das britische Übernahmerecht nicht247. Die Suche nach einem konkurrierenden Angebot wird auch ohne ausdrückliche Erwähnung im City Code allgemein als zulässig angesehen248. Ebenfalls nicht vom Vereitelungsverbot umfasst sind präventive Abwehrmaßnahmen249. Dementsprechend lassen die 244 General Principle 3 lautet: „The board of an offeree company must act in the interests of the company as a whole and must not deny the holders of securities the opportunity to decide on the merits of the bid.“ 245 Rule 21.1 lautet auszugsweise: „During the course of an offer, or even before the date of the offer if the board of the offeree company has reason to believe that a bona fide offer might be imminent, the board must not, without the approval of the shareholders in general meeting; – (a) take any action which may result in any offer or bona fide possible offer being frustrated or in shareholders being denied the opportunity to decide on its merits; [. . .].“ 246 Die Schwelle der Erheblichkeit soll dabei regelmäßig erreicht sein, wenn das Transaktionsvolumen 10 % des Unternehmenswertes überschreitet, vgl. die Anmerkungen (notes) zu Rule 21.1 im City Code. 247 Vgl. Rule 21.1 (b), 3. Unterabs.: „The notice convening any relevant meeting of shareholders must include information about the offer or anticipated offer.“ 248 Underhill/Austmann (2002), S. 115; Zinser (2001), S. 486; Kirchner (2000a), S. 107.

III. Vergleich der übernahmerechtlichen Pflichtenstellung

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o. g. Rules Vereitelungsmaßnahmen des Vorstands ausdrücklich zu, die in Erfüllung einer zuvor vertraglich begründeten Verbindlichkeit vorgenommen werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Neutralitätspflicht des Vorstands nicht erst mit der Angebotsveröffentlichung durch den Bieter, sondern bereits dann eintritt, wenn der Vorstand Grund zur Annahme hat, dass die Abgabe eines Übernahmeangebots unmittelbar bevorsteht250. Auch können die besonders wirkungsvollen Präventivmaßnahmen – anders als im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht – im Regelfall nur mit Zustimmung der Aktionäre eingeleitet werden.

III. Vergleich der übernahmerechtlichen Pflichtenstellung von Zielverwaltungen nach deutschem, britischem und US-amerikanischem Recht Von den betrachteten Rechtsordnungen genießt das Aktionärsinteresse im britischen Gesellschafts- und Übernahmerecht die höchste Priorität. Bereits verbandsrechtlich findet der shareholder choice-Ansatz durch die jederzeitige Möglichkeit zur Abberufung der Direktoren und durch weitreichende Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung in Großbritannien seine stärkste Ausprägung251. In der Übernahmesituation schließlich ist die Sicherung der Entscheidungsfreiheit der Anteilseigner das oberste Gebot, hinter der die verbandsrechtliche Leitungsverantwortung des board of directors zurücktritt. Abweichend von der in § 309 (1) Companies Act 1985 niedergelegten stakeholderorientierten Leitmaxime bzw. der Idee eines enlightened shareholder value wird der Unternehmensleitung in der Übernahmesituation die Rolle eines Agenten zugewiesen, der unternehmerische Entscheidungen nur mit Zustimmung der Anteilseigner treffen kann252. Demgegenüber treffen sowohl das deutsche als auch das US-amerikanische Übernahmerecht eine grundlegend andere Wertung. Im Spannungsfeld zwischen dem Aktionärsinteresse an einer ungestörten Entscheidung über das Angebot und der Leitungsverantwortung des Vorstands entscheiden sich beide Regelungsansätze im Grundsatz für die Fortgeltung der verbandsrechtlichen Kompetenzordnung. Dem in der Übernahmesituation zu befürchtenden Interessenkonflikt der Unternehmensleitung wird im US-amerikanischen Recht durch einen ver249

Vgl. Herkenroth (1994), S. 275. Vgl. Rule 21.1: „During the course of an offer, or even before the date of the offer if the board of the offeree company has reason to believe that a bona fide offer might be imminent, the board must not, without the approval of the shareholders in general meeting: [. . .].“ 251 Vgl. Davies (2003), S. 265, der in § 303 und § 368 Companies Act 1985, welche die Möglichkeit der Aktionäre zur jederzeitigen Abberufung des board vorsehen, „significant provisions in promoting the primacy of the shareholder interest“ sieht. 252 Vgl. Deakin/Hobbs/Nash/Slinger (2003), S. 306. 250

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

schärften Pflichtenmaßstab („enhanced scrutiny“) Rechnung getragen, nach deutschem Recht durch die Einschränkung des autonomen Handlungsspielraums des Vorstands. Da hiermit jedoch keine Erweiterung der Hauptversammlungsbefugnisse einhergeht, verbleibt es bei der Leitungsmacht der Verwaltungsorgane: im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat kann der Vorstand sämtliche aktienrechtlich zulässigen Handlungen auch in der Übernahmesituation vornehmen. Der Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 WpÜG liegt letztlich die gesetzgeberische Ansicht zugrunde, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats keinem der Unternehmensführung vergleichbaren Interessenkonflikt ausgesetzt sind und daher als eine geeignete Kontrollinstanz fungieren können. Unter Berücksichtigung der eingliedrigen Leitungsstruktur US-amerikanischer Aktiengesellschaften lässt sich insoweit eine Parallelwertung in der Rechtsprechung von Delaware ausmachen, die an den Nachweis eines Handelns im besten Interesse der Gesellschaft geringere Anforderungen stellt, wenn die Mehrheit des board aus outside directors besteht253. Stellt demnach die Zusammensetzung des board oftmals ein Präjudiz für die Frage der Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen dar254, bleibt im Falle einer Mehrheit von outside directors letztlich die Business Judgment Rule maßgebend. Eine Entsprechung in der Jurisdiktion Delawares findet darüber hinaus auch die durch § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpÜG vermittelte Privilegierung des Vorstands zur Weiterverfolgung bereits eingeschlagener Unternehmensstrategien255. Trotz der in den USA und Deutschland gleichen Grundentscheidung des Übernahmerechts zugunsten einer prinzipiellen Fortgeltung der verbandsrechtlichen Leitungsverantwortung darf jedoch nicht übersehen werden, dass US-ame253 Vgl. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del.Supr.1985); Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1154 (Del.Supr.1989); Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361, 1375 (Del.Supr.1995). 254 Während in den zuvor genannten Entscheidungen die Abwehrmaßnahmen der mehrheitlich aus outside directors bestehenden Zielverwaltungen gebilligt wurden, bestand beispielsweise der Revlon-board sowie der Shorewood-board in der Mehrzahl aus inside directors. Die von den betreffenden boards ergriffenen Vereitelungsmaßnahmen wurden von den Gerichten aufgehoben, vgl. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 183 (Del.Supr.1985) bzw. Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293 (Del.Ch.2000). Eine Ausnahme bildet jedoch die Paramount v. QVC-Entscheidung des Delaware Supreme Court, in der Abwehrmaßnahmen eines mehrheitlich mit outside directors besetztem board als rechtswidrig angesehen wurden. 255 Vgl. etwa die Ausführungen des Delaware Supreme Court in der Time-Entscheidung, durch die der Anwendungsbereich des Revlon-Standards eingeschränkt wurde, Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140, 1154 f. (Del.Supr. 1989): „Directors are not obliged to abandon a deliberately conceived corporate plan for a short-term shareholder profit unless there is clearly no basis to sustain the corporate strategy. [. . .] Time’s responsive action to Paramount’s tender offer was not aimed at ,cramming down‘ on its shareholders a management-sponsored alternative, but rather had as its goal the carrying forward of a pre-existing transaction in an altered form.“

III. Vergleich der übernahmerechtlichen Pflichtenstellung

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rikanische boards im Abwehrkampf weit weniger aktienrechtlichen Restriktionen unterliegen als deutsche Vorstände. Der flexiblere Handlungsrahmen USamerikanischer Unternehmensleitungen drückt sich insbesondere in der Möglichkeit zur Implementierung einer poison pill aus, die mit Grundwertungen des Aktiengesetzes unvereinbar wäre256. Auch soweit es im Zuge der geänderten Kapitalrichtlinie zu Flexibilisierungen verbandsrechtlicher Vorgaben für abwehrrelevante Maßnahmen – wie etwa hinsichtlich des Erwerbs eigener Aktien – kommen sollte257, werden die Verteidigungsmöglichkeiten deutscher Vorstände hinter denen US-amerikanischer Direktoren zurückbleiben. Zu beachten ist jedoch, dass die Wirkungskraft des Kontrollmarkts nicht allein von den Abwehrmöglichkeiten der Zielverwaltung, sondern auch vom Umfang der gesetzlichen Pflichtenbindung des Bieters bestimmt wird258. In den USA bestehen dabei vergleichsweise geringe Vorgaben für die Gestaltung der Angebotsbedingungen, insbesondere ist die Abgabe von Teilangeboten zulässig259. Dementsprechend wird der Zielverwaltung ein weiter Handlungsspielraum zugestanden, um als „Verteidigerin der Gesellschaft und ihrer Aktionäre“ fungieren zu können, wie etwa zum Schutz vor den Zwangswirkungen eines zweistufigen Angebots (twotier tender offer). Diese Schutzfunktion wird in Großbritannien durch umfassende Regelungen hinsichtlich der Bieterpflichten verwirklicht. Insbesondere die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe eines Vollangebots260 und Mindestpreisregeln261 schützen die Zielaktionäre vor einem pressure to tender, so 256

Vgl. Weisner (2000), S. 223. Mit der Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 (ABl. EU Nr. L 264 S. 32) wurden zahlreiche Vorgaben der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie („Kapitalrichtlinie“) vom 13. Dezember 1976 (77/91/EWG) liberalisiert. Demnach können Ermächtigungen zum Erwerb eigener Aktien nunmehr eine Laufzeit bis zu fünf Jahren (bisher 18 Monate) haben; zudem entfällt die Grenze von 10 % Höchstbesitz der Gesellschaft, siehe Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/68/EG; näher (zum entsprechenden Kommissionsvorschlag) Oechsler (2006). S. 73 ff. Ob der deutsche Gesetzgeber insoweit von der durch die geänderte Kapitalrichtlinie eröffneten Liberalisierungsmöglichkeiten Gebrauch machen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Der am 6. Mai 2008 vom Bundesministerium der Justiz vorgestellte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechtlinie (ARUG), mit der zugleich die Richtlinie 2007/36/EG (ABl. EU Nr. L 184 S. 17) umgesetzt werden soll, sieht jedenfalls keine Änderungen des in § 71 AktG geregelten Erwerbs eigener Aktien vor. 258 Vgl. Kirchner/Painter (2000), S. 387. 259 Gemäß § 14 (d) (6) des Securities Exchange Act ist der Bieter im Falle eines Teilangebots jedoch zu einer proratorischen Berücksichtigung der verkaufswilligen Aktionäre verpflichtet; näher Kirchner/Painter (2000), S. 373 ff. 260 Nach Rule 36.1 des City Code bedürfen Teilangebote stets der Genehmigung durch das Takeover Panel, die bei Angeboten zum Kontrollerwerb (mindestens 30 % der stimmberechtigten Aktien) regelmäßig versagt wird; näher dazu Zinser (2000), S. 120 ff. 261 Nach Rule 9.5 des City Code darf der Angebotspreis im Falle eines Pflichtangebots nicht geringer sein als der höchste Preis, der innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Übernahmeangebot gezahlt worden ist. Nach Rule 9.1 wird ein Pflichtange257

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C. Handlungsrahmen nach US-amerikanischem und britischem Recht

dass eine „Gefahrenabwehr“ durch die Zielverwaltung nicht erforderlich erscheint. Der zur Vermeidung eines Interessenkonflikts angeordnete Kompetenzentzug führt jedoch dazu, dass Stakeholder-Belange – anders als nach US-amerikanischem Recht – in der Übernahmesituation vollständig ausgeblendet werden262. Das deutsche Übernahmerecht ist dem britischen Regelungsansatz nur hinsichtlich der Bieterpflichten gefolgt263, ohne eine korrespondierende Neutralitätspflicht der Zielverwaltung264 zu normieren. Diese Inkongruenz der Pflichtenlage ist zweifellos der Gesetzgebungsgeschichte zum WpÜG geschuldet, das unmittelbar vor seiner Verabschiedung mit der Aufnahme der Zustimmungsalternative in § 33 Abs. 1 Satz 2 eine wesentliche Veränderung erfahren hat. Vor dem Hintergrund einer Verteuerung von Übernahmeangeboten durch restriktive Bieterpflichten, insbesondere durch die Vollangebotsregel, ist festzustellen, dass die Idee des Kontrollmarkt-Konzepts in das deutsche Recht noch weniger Eingang gefunden hat als in die Rechtsprechung des Delaware Supreme Court.

bot regelmäßig bei Erwerb von mindestens 30 % der stimmberechtigten Aktien ausgelöst. 262 Kirchner/Painter (2000), S. 390. 263 Vgl. etwa § 32 WpÜG (Unzulässigkeit von Teilangeboten), § 35 WpÜG (Pflichtangebotsregel) oder die in § 31 WpÜG normierte Mindestpreisregel. 264 Vgl. dazu Kirchner/Painter (2000), S. 387: „Strict regulation of the bidder thus has in practice gone along with the imposition of the strict neutrality rule on the target corporation.“

D. Rechtspolitische Überlegungen I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien zu Unternehmensübernahmen Den Schwerpunkt empirischer Untersuchungen zu Unternehmensübernahmen bildeten zunächst sog. event studies, welche die Aktienkursentwicklung von Bieter- und Zielgesellschaften vor, während und nach Ablauf des Angebots beobachteten1. Um die übernahmespezifischen Kurseffekte zu isolieren, wurden dabei die sog. kumulierten Überrenditen (cumulative abnormal returns, CARs) der Gesellschaften ermittelt, d.h. die unternehmensspezifischen Abweichungen von der durchschnittlichen Kursentwicklung des gesamten bzw. branchenspezifischen Aktienmarkts. Ziel der fast ausschließlich auf den US-amerikanischen Aktienmarkt bezogenen Portfolioanalysen war die Klärung der Frage, welche Motive den takeover-Markt bestimmten. Die Studien vermochten diesbezüglich jedoch keine aussagekräftigen Ergebnisse zu liefern2. Übereinstimmend wurde lediglich bei Zielgesellschaften ein starker Kursanstieg nach Bekanntwerden eines Übernahmeangebots festgestellt, der in der Regel zwischen 20 % und 40 % des Aktienpreises in der Vorangebotsphase betrug3. Diese Kursreaktion erklärt sich jedoch bereits aus dem bloßen Umstand der Angebotsabgabe, ohne Rückschlüsse auf die Motive des Bieters und die ökonomischen Auswirkungen von Übernahmen zuzulassen. Denn in diesem Fall wird der Aktienkurs wesentlich von der Einschätzung der Kapitalmarktteilnehmer hinsichtlich der Erfolgssaussichten des Angebots, d.h. der Wahrscheinlichkeit des Erreichens der angestrebten Beteiligungsschwelle, geprägt4. Ob der Angebotspreis durch die Realisierung von Effizienzgewinnen in der Zielgesellschaft, durch eine Vermögensumverteilung zu Lasten anderer Stakeholder oder auf Kosten der Bieteraktionäre, etwa durch ineffizientes empire building, finanziert werden soll, dürfte für die Bewertung der Zielgesellschaft in der Übernahmephase dagegen nur eine untergeordnete Rolle spielen.

1 Eine detaillierte Auseinandersetzung mit entsprechenden Aktienpreisstudien findet sich bei Preuschl (1997), S. 133 ff. 2 Preuschl (1997), S. 171 ff. 3 Für die Bietergesellschaften finden die Studien im Schnitt weitaus geringere Überrenditen nach Angebotsabgabe, teilweise werden auch negative oder insignifikante CARs gemessen, vgl. Preuschl (1997), S. 142 f.; Mühle (2002), S. 102. 4 Vgl. Reul (1991), S. 165.

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D. Rechtspolitische Überlegungen

Entscheidend für eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Übernahmemotiven ist die Kursentwicklung in der Vorangebotsphase5. So könnte beispielsweise eine unterdurchschnittliche Kursentwicklung späterer Zielgesellschaften auf einen Disziplinierungseffekt von Übernahmen hindeuten. Gerade diesbezüglich ist das Datenmaterial jedoch gering und liefert überdies widersprüchliche Ergebnisse6. Im Hinblick auf den Kurseffekt von „Übernahmegerüchten“ bereitet insbesondere die Abgrenzung der Vorangebotsphase Schwierigkeiten7. Ein weiteres Defizit zahlreicher Aktienpreisstudien besteht in der mangelnden Differenzierung zwischen einvernehmlichen und feindlichen Übernahmen, die für eine empirische Überprüfung der Disziplinierungs- und der breach of trust-These jedoch von entscheidender Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund erlauben die betrachteten Aktienpreisstudien für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang der Zielverwaltung ein Handlungsspielraum in der Übernahmesituation zugebilligt werden sollte, nur wenige Anhaltspunkte zu liefern. Im Folgenden soll sich daher empirischen Studien zugewandt werden, welche explizit die Wohlfahrteffekte von Abwehrbefugnissen der Zielverwaltung untersuchen. 1. Abwehrmöglichkeiten der Unternehmensleitung: Abschottung vom Markt für Unternehmenskontrolle oder Verhandlungsmacht im Aktionärsinteresse? Im Mittelpunkt der ganz überwiegend aus den USA stammenden Studien steht die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Abwehrmaßnahmen der Zielverwaltung und dem Aktionärsinteresse. Anhänger der bargaining powerThese sehen Abwehrbefugnisse im Einklang mit dem Maximierungsziel der Aktionäre, weil das Management hierdurch in die Lage versetzt werde, für die Zielaktionäre verbesserte Angebotsbedingungen auszuhandeln. Nach der Disziplinierungsthese hingegen führt dies zu einer Schwächung des Unternehmenskontrollmarkts mit der Folge, dass die Aktionäre aufgrund höherer Agenturkosten Vermögenseinbußen erleiden würden.

5

Preuschl (1997), S. 172. Ruback (1988) stellt für den Zeitraum von 60 bis 41 Tagen vor dem Angebot bei den Zielgesellschaften durchschnittliche CARs von –3,36 % fest. Dagegen finden Jarell/Poulsen (1988) für einen vergleichbaren Zeitraum CARs von +11,2 %; vgl. auch Preuschl (1997), S. 135 ff. und S. 172. Bezogen auf den britischen Aktienmarkt untersuchten Franks/Mayer (1996) auch die langfristige pre-bid performance (Zeitraum bis 5 Jahre vor dem Übernahmeangebot) späterer Zielgesellschaften, ohne eine signifikant schlechtere Kursentwicklung feststellen zu können, vgl. S. 171 f. 7 Vgl. Preuschl (1997), S. 174. 6

I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien

187

a) Ergebnisse und Aussagekraft von pill studies Zur empirischen Überprüfung der bargaining power-These wurde vielfach untersucht, welche Auswirkungen die Implementierung einer poison pill auf den Aktienkurs des betreffenden Unternehmens hat. Diese sog. pill studies offenbarten überwiegend eine negative Kursreaktion: So stellen etwa Malesta/Walking (1988) bei der Untersuchung von 132 poison pills einen durchschnittlichen Kurseffekt von –0,92 % fest8. Ryngaert (1988) misst bei seiner Studie von 283 poison pills jedoch nur einen Kurseffekt von –0,34 %. Selbst eine Beschränkung der Untersuchung auf 57 Unternehmen, die eine poison pill vor dem Hintergrund von Übernahmespekulationen implementierten, zeigt nur eine durchschnittliche Kurseinbuße von 1,51 % auf9. Die hiermit verbundene Vermögenseinbuße der Aktionäre fällt angesichts der üblicherweise mit einem Kursaufschlag zwischen 20 % und 40 % versehenen Übernahmeprämien und des hohen Vereitelungspotentials, das der poison pill landläufig zugeschriebenen wird, damit eher bescheiden aus10. Ungeachtet der überwiegend festgestellten Kursverluste gelangen Comment/Schwert (1995) zum Ergebnis, dass Zielgesellschaften mit poison pills signifikant höhere Übernahmeprämien erzielen, ohne dass hiermit ein nennenswerter Abschreckungseffekt auf potentielle Bieter verbunden wäre. Im Ergebnis gelangen Comment/Schwert (1995) zu einem positiven Nettoeffekt von poison pills auf das Aktionärsvermögen in Höhe von 1,4 %11. Die Diskrepanz zu den Aktienpreisstudien versuchen sie mit einer möglichen Fehleinschätzung der Kapitalmarktteilnehmer über den tatsächlichen Vermögenseffekt von poison pills zu erklären12. Coates (2000) erklärt die weitgehend insignifikanten und z. T. widersprüchlichen Ergebnisse der pill studies damit, dass die Implementierung einer poison pill für die Frage der Verteidigungsfähigkeit einer Gesellschaft letztlich kein relevantes event darstellt13. Denn der board kann praktisch zu jedem beliebigen Zeitpunkt – etwa in unmittelbarer Reaktion auf ein Übernahmeangebot – zusammentreten und im Rahmen seiner autonomen Leitungskompetenz über die Implementierung einer poison pill befinden14. Steht der Zielverwaltung die poison pill damit im „Ernstfall“ ohnehin zur Verfügung, führt ihre präventive Verabschiedung zu keiner Verbesserung der strukturellen Verteidigungsfähigkeit. Die präventive pill stellt vielmehr ein reines Instrument der Informationspolitik dar, mit der unterschiedliche Signale an die Kapitalmarktteilnehmer ausgesendet 8

Malesta/Walking (1988), S. 360 ff. Ryngaert (1988), S. 377 ff. 10 Vgl. Coates (2000), S. 281. 11 Vgl. Comment/Schwert (1995), S. 31, Tabelle 4. 12 Comment/Schwert (1995), S. 38. 13 Coates (2000), S. 286 ff. 14 Coates (2000), S. 286 ff. 9

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D. Rechtspolitische Überlegungen

werden können, etwa der Hinweis auf ein bevorstehendes Übernahmeangebot, eine Unterbewertung der Gesellschaft oder die Abwehrbereitschaft der Zielverwaltung15. Der Nettoeffekt auf den Börsenkurs hängt dabei von unternehmensspezifischen Umständen ab und ist daher im Einzelfall nur schwer zu prognostizieren16. Dem Einwand von Coates (2000) gegen die Aussagekraft herkömmlicher pill studies versuchen Danielson/Karpoff (2006) in ihrer Studie dadurch zu begegnen, dass sie die Untersuchung auf poison pills beschränken, die vor 1992 implementiert wurden. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Implementierung einer poison pill nach Abgabe des Übernahmeangebots erst durch die Entscheidung des Delaware Supreme Court in Unitrin, Inc. v. American General Corp. sanktioniert wurde17. Aufgrund der bis dahin bestehenden Unsicherheit, ob eine nachträgliche Implementierung rechtlich zulässig war, bestand für Gesellschaften mit präventiven pills zumindest in dem betrachteten Zeitraum ein relativer Vorteil bezüglich ihrer Verteidigungsfähigkeit. Um zu verhindern, dass kurzfristige Signaleffekte und Fehleinschätzungen des Kapitalmarkts über die tatsächlichen Vermögenseffekte der poison pill zu einer Beeinflussung der Ergebnisse führen, untersuchten Danielson/Karpoff (2006) zudem nicht die Aktienkursreaktionen, sondern die langfristige Entwicklung des Betriebsergebnisses (EBIT) und der Umsatzrendite (operating margin)18. Dabei stellen sie fest, dass Gesellschaften, die zwischen 1984–1992 eine poison pill implementierten, in den nachfolgenden fünf Jahren leicht bessere Betriebsergebnisse und Umsatzrenditen aufweisen als andere Unternehmen19. Auch wenn die Unterschiede mit 0,9 % beim EBIT und 0,6 % in Bezug auf die Umsatzrendite nur gering ausfielen, wird die positive Disziplinierungswirkung des Unternehmenskontrollmarkts durch diese Ergebnisse in Frage gestellt. b) shark repellents als Untersuchungsgegenstand Um den dargestellten Einwänden gegen die Aussagekraft von pill studies Rechnung zu tragen, ohne eine Abgrenzung danach vornehmen zu müssen, bis zu welchem Zeitpunkt die beteiligten Akteure von einer effektiven Verteidigungswirkung der „präventiven pill“ ausgehen konnten, bietet sich die Betrach15

Vgl. Coates (2000), S. 297 ff. Coates (2000), S. 299. 17 Danielson/Karpoff (2006), S. 537; vgl. auch Bebchuk/Cohen (2005), S. 412. In der Moran-Entscheidung des Jahres 1985 hatte der Delaware Supreme Court demgegenüber nur über die Zulässigkeit einer präventiven poison pill zu befinden. 18 Danielson/Karpoff (2006), S. 538. 19 Vgl. Danielson/Karpoff (2006), S. 544, Tabelle 3. Die Stichprobe bestand aus 463 Gesellschaften, von denen 302 im genannten Zeitraum eine poison pill implementierten. 16

I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien

189

tung von sog. shark repellents an. Im Gegensatz zu poison pills lassen sich diese vom board im Falle eines Übernahmeangebots nicht ad hoc implementieren, da hierfür die Zustimmung der Aktionäre erforderlich ist. Kann das Vorhandensein von shark repellents demgemäß als ein aussagekräftiges Kriterium für die Beurteilung der Verteidigungsfähigkeit dienen, ist jedoch zu beachten, dass einigen Ausprägungen im Zusammenspiel mit poison pills keine eigenständige Bedeutung zukommt. Dies gilt beispielsweise für sog. fair price provisions, die den Bieter im Rahmen eines zweistufigen Angebots (twotier offer) dazu verpflichten, den Zielaktionären auf der zweiten Stufe den gleichen Angebotspreis zu zahlen, um so einen Annahmedruck aufgrund diskriminierender Preisgestaltung zu verhindern20. Da fair price provisions regelmäßig nur für den Fall einer feindlichen Übernahme gelten, kann der Bieter deren Abwehreffekt durch eine vorherige Auswechslung des Zielmanagements zunichte machen. Den dazu erforderlichen proxy contest kann das Zielmanagement jedoch bereits dadurch zur unabdingbaren Voraussetzung einer erfolgreichen Übernahme machen, dass es ad hoc eine poison pill implementiert. Wird durch eine fair price provision damit im Ergebnis kein weitergehender Schutz vor feindlichen Übernahmen erreicht, erfährt die Vereitelungswirkung von poison pills dagegen durch gestaffelte Amtszeiten der Direktoren (staggered boards) eine erhebliche Verstärkung. Denn hierdurch wird der Bieter gezwungen, mindestens zwei aufeinanderfolgende proxy contest zu gewinnen, um eine Mehrheit der board-Mitglieder auswechseln zu können. Aufgrund des Umstands, dass eine Wahl des board – anders als etwa in Großbritannien – nur auf dem annual meeting erfolgen kann, ist der Bieter dadurch gezwungen, sein Angebot mindestens ein Jahr lang aufrechtzuerhalten. Bereits die damit verbundenen Kosten bergen ein erhebliches Abschreckungspotential21. Mangels Differenzierung zwischen den einzelnen shark repellents, die aufgrund des unterschiedlichen Zusammenspiels mit der – vom board einseitig und zu jedem Zeitpunkt implementierbaren – poison pill jedoch geboten erscheint, vermögen zahlreiche der empirischen Studien letztlich keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern22. Aus diesem Grund konzentrieren sich Bebchuk/Coates/ Subramanian (2002) in ihrer Untersuchung auf den kombinierten Effekt von staggered boards und poison pills auf feindliche Übernahmeversuche23. Im Ge20

Coates (2000), S. 320 ff.; Bebchuk/Cohen (2005), S. 416. Vgl. Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 922 ff. 22 Coates (2000), S. 320 ff.; Bebchuk/Cohen (2005), S. 416. 23 Der verwendeten Stichprobe liegen insgesamt 92 feindliche Übernahmeversuche im Zeitraum von 1996 bis 2000 zugrunde. Davon richteten sich 45 Angebote gegen eine Zielgesellschaft mit einem „effective staggered board“, worunter Bebchuk/Coates/Subramanian (2002) gestaffelte Amtszeiten verstehen, die in den articles of association festgeschrieben sind und daher – anders als bei einer Regelung in den bylaws – nicht ohne Mitwirkung der Direktoren abgeändert werden können. 11 der 47 Gesell21

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D. Rechtspolitische Überlegungen

gensatz zu Comment/Schwert (1995) stellen sie einen erheblichen Vereitelungseffekt fest, der trotz geringfügig höherer Übernahmeprämien im Ergebnis zu einer relativen Vermögenseinbuße der Aktionäre führen soll, die sie auf 8–10 % beziffern24. Der Studie zufolge erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Abwehr von 34 % auf 60 %, wenn in den articles of association der Zielgesellschaften gestaffelte Amtszeiten vorgesehen sind25. Demgegenüber liegen die gebotenen Übernahmeprämien für derartige Gesellschaften im Durchschnitt nur knapp zwei, im Falle erfolgreicher Übernahmen knapp fünf Prozentpunkte über dem Niveau von Zielen ohne gestaffelte Amtszeiten26. Die Schlussfolgerung von Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), dass Abwehrmöglichkeiten des board gesamtwirtschaftlich zu Vermögenseinbußen der Aktionäre führen, begegnet gleichwohl Bedenken. Denn die Studie betrachtet die Auswirkungen von gestaffelten Amtszeiten allein auf feindliche Übernahmeversuche. Effektive Abwehrmöglichkeiten stärken die Verhandlungsposition des board aber auch im Rahmen von einvernehmlichen Zusammenschlüssen, da sie die Möglichkeit der Gegenseite verringern, Verhandlungen mit dem board vorzeitig abzubrechen und sich stattdessen mittels eines öffentlichen Angebots direkt an die Aktionäre zu wenden27. Die Studie offenbart zudem höhere Übernahmeprämien bei Zielgesellschaften mit gestaffelten Amtszeiten, was darauf hindeutet, dass die Direktoren ihre Verhandlungsmacht zumindest teilweise auch im Interesse der verkaufswilligen Aktionäre einsetzen28. Vor diesem Hinschaften, welche nicht über ein „effective staggered board“ verfügten, sahen zwar gestaffelte Amtszeiten des board vor, hatten diese jedoch lediglich in den bylaws verankert. Kritisch zum geringen Umfang der Stichprobe Kahan/Rock (2003), S. 540 Fn. 120. 24 Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 950. 25 Umgekehrt liegt bei gestaffelten Amtszeiten die Erfolgswahrscheinlichkeit für den (ersten) Bieter lediglich bei 16 %, andernfalls bei immerhin 32 %. In den verbleibenden Fällen wurden die Zielgesellschaften schließlich durch einen white knight übernommen, nämlich bei gestaffelten Amtszeiten in 24 %, andernfalls in 34 % der Fälle, vgl. Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 930. 26 Verfügte die Zielgesellschaft über ein staggered board, betrug die zuletzt gebotene Übernahmeprämie 44,1 %, andernfalls nur 42,4 % des Vorangebotskurses. Betrachtet man nur die erfolgreichen Übernahmeversuche, war die Differenz mit 54,4 % im Falle von staggered boards bzw. 49,6 % ohne staggered boards größer, siehe Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 935. Allerdings sind die gefundenen Ergebnisse statistisch nicht signifikant, a. a. O. S. 936. Die Stichprobe der erfolgreichen Angebote umfasste lediglich 22 Übernahmen, davon 7 gegen Ziele mit gestaffelten Amtszeiten des board. 27 In einer Vielzahl von Fällen gehen dem feindlichen Übernahmeangebot gescheiterte Fusionsverhandlungen zwischen der Bieter- und der Zielgesellschaft voraus, vgl. Schwert (2000), S. 2600. 28 Dass die höheren Übernahmeprämien bei Zielen mit gestaffelten Amtszeiten des board für die bargaining power-These spricht, räumen Bebchuk/Coates/Subramanian (2002) ein, verweisen jedoch insoweit auf die mangelnde statistische Signifikanz ihrer Ergebnisse, siehe a. a. O. S. 936. Als ein Fallbeispiel für die positiven Auswirkungen

I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien

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tergrund erscheint die Vermutung naheliegend, dass sich gestaffelte Amtszeiten auch im Falle einvernehmlicher Zusammenschlüsse für die Aktionäre positiv auswirken. Aufgrund der vergleichsweise hohen Zahl von friendly deals könnte dabei bereits ein geringfügiger „Verhandlungseffekt“ zu einer positiven Gesamtwirkung für die Aktionäre führen29. Letztlich vermag die Studie von Bebchuk/ Coates/Subramanian (2002) damit lediglich zu belegen, dass gestaffelte Amtszeiten eine effektive Abwehr von feindlichen Übernahmeangeboten ermöglichen, nicht jedoch, welche Konsequenzen daraus für die Vermögensinteressen der Aktionäre folgen30. Um den Gesamteffekt von Abwehrmöglichkeiten des board auf die Aktionärsinteressen zu bestimmen, vergleichen Bebchuk/Cohen (2005) die Unternehmenswerte von Gesellschaften mit und ohne gestaffelte Amtszeiten. Diese Herangehensweise bietet den Vorteil, dass nicht nur der kleine Ausschnitt von feindlichen Übernahmeauseinandersetzungen betrachtet wird. Als Indikator für den Unternehmenswert verwenden Bebchuk/Cohen (2005) den sog. Tobin’s Q, d.h. das Verhältnis zwischen Marktwert und Wiederbeschaffungskosten der Aktiva einer Gesellschaft. Sie zeigen, dass Gesellschaften mit staggered boards im Zeitraum von 1995–2002 im Durchschnitt einen geringeren Tobin’s Q aufwiesen als andere31. Fraglich ist jedoch die Richtung des Wirkungszusammenhangs: Sind staggered boards ursächlich für die geringeren Unternehmenswerte oder werden diese vielmehr nur deswegen implementiert, weil die Gesellschaften unterbewertet sind und daher potentielle Übernahmekandidaten darstellen? Bebchuk/Cohen von gestaffelten Amtszeiten auf die Aktionärsinteressen führen Lipton/Gordon (2002) darüber hinaus die im Frühjahr 2002 erfolgte Übernahme von Willamette durch Weyerhaeuser an, a. a. O. S. 1057 f. Der board von Williamette willigte schließlich nach 14-monatigem Abwehrkampf in die Übernahme ein, als Weyerhaeuser sein Angebot um 16 % erhöhte, obwohl es bereits einen proxy contest gewonnen hatte und damit ein Drittel der Mitglieder des target board stellte. Subramanian (2003) sieht hierin jedoch keine Bestätigung der bargaing power-These und verweist dabei insbesondere auf den Umstand, dass die erzielte Steigerung der Übernahmeprämie nur geringfügig über derjenigen liege, die üblicherweise auch bei Zielgesellschaften ohne gestaffelte Amtszeiten im Verlauf des Angebots erzielt werde, siehe a. a. O. S. 640. Im konkreten Fall hätte es ohne gestaffelte Amtszeiten des target board jedoch keine Nachbesserung bezüglich der Übernahmeprämie gegeben, denn dann wäre die Übernahmeauseinandersetzung bereits durch den erfolgreichen proxy contest entschieden worden. 29 So Kahan/Rock (2003), S. 504. 30 Kahan/Rock (2003), S. 504. 31 Die Kennzahl Tobin’s Q lag bei Gesellschaften mit „effective staggered boards“ um 17 Prozentpunkte niedriger als bei Gesellschaften ohne gestaffelte Amtszeiten, Bebchuk/Cohen (2005), S. 424. Bei Gesellschaften, deren staggered boards durch einseitiges Aktionärsvotum wieder abgeschafft werden können, weil sie nicht in den articles of association, sondern lediglich in den bylaws niedergelegt sind („non-effective staggered boards“), wird ein negativer Effekt auf den Tobin’s Q von lediglich 8,6 Prozentpunkten festgestellt, Bebchuk/Cohen (2005), S. 429, Tabelle 5.

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D. Rechtspolitische Überlegungen

(2005) räumen ein, dass sich diese Frage kaum zufriedenstellend beantworten lässt32. Der Umstand, dass die Verankerung von staggered boards in den articles of association überwiegend bereits in den achtziger Jahren erfolgte, liefert jedoch zumindest einen Anhaltspunkt dafür, dass diese tatsächlich die Ursache und nicht lediglich die Folge von niedrigeren Tobin’s Q-Werten bilden33. Sprechen die Ergebnisse von Bebchuk/Cohen (2005) damit insgesamt für die Disziplinierungsthese, darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Tobin’s Q einer Gesellschaft maßgeblich vom Börsenkurs bestimmt wird. Die gezogene Schlussfolgerung gilt daher nur unter der Prämisse, dass der Kapitalmarkt keinen Fehleinschätzungen hinsichtlich der Auswirkungen von Abwehrmöglichkeiten des board unterliegt34 und den tatsächlichen Wert des Unternehmens korrekt abzubilden vermag. c) Unternehmensverfassung und Abwehrmöglichkeiten des board zum Zeitpunkt des Börsengangs (IPO-Studien) Nach verbreiteter Ansicht wählen Manager zum Zeitpunkt des Börsengangs (Initial Public Offering) ihres Unternehmens eine governance structure, die eine Minimierung von Agenturkosten verspricht, um einen möglichst hohen Ausgabepreis für die Aktien zu erzielen35. Sollten Abwehrmöglichkeiten des board tatsächlich einen negativen Effekt auf die Aktionärsinteressen ausüben, ist daher zu erwarten, dass diese in der Unternehmensverfassung von Börsenneulingen regelmäßig nicht anzutreffen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach der Untersuchung von Field/Karpoff (2002) räumten über die Hälfte der Börsenneulinge der Jahre 1988 bis 1992 dem board autonome Abwehrbefugnisse ein, in 36 % der Fälle waren gestaffelte Amtszeiten vorgesehen36. Nach Daines/Klausner (2001), die Börsengänge im Zeitraum von 1994 bis 1997 untersuchen, weisen sogar zwei Drittel der Gesellschaften substantielle Abwehr32

Bebchuk/Cohen (2005), S. 426. Der Betrachtungszeitraum der Studie beginnt zwar erst im Jahr 1995. In den neunziger Jahren scheiterten jedoch Änderungen der articles of association zwecks Einführung von staggered boards regelmäßig am Widerstand der Aktionäre. Ebenso kam es – wegen des notwendigen Einverständnisses der Direktoren – nur in Ausnahmefällen zu einer Abschaffung von gestaffelten Amtszeiten. Daher könne näherungsweise davon ausgegangen werden, dass die im o. g. Zeitraum betrachteten Unternehmen mit staggered boards diese bereits im Jahr 1990 aufwiesen, vgl. Bebchuk/Cohen (2005), S. 426. Auch eine Konzentration der Untersuchung auf Gesellschaften, die 1990 bereits börsennotiert waren, kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass diese einen niedrigeren Tobin’s Q aufweisen, wenn die Amtszeiten des board gestaffelt sind, siehe Bebchuk/Cohen (2005), S. 427, Tabelle 4. 34 So jedoch die Vermutung von Comment/Schwert (1995), S. 38. 35 So Jensen/Meckling (1976), S. 313 ff.; Easterbrook/Fischel (1991), S. 204 f.; Daines/Klausner (2001), S. 84; siehe auch Mülbert/Birke (2001), S. 710. 36 Field/Karpoff (2002), S. 1858 und S. 1861, Tabelle 2. 33

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mechanismen auf37. Selbst im Fall hochspezialisierter Investoren wie etwa Venture-Capital-Fonds findet sich in der Unternehmensverfassung kein geringeres Schutzniveau vor feindlichen Übernahmen38. Trotz der zunehmenden Zahl institutioneller Anleger hat sich der Anteil der Unternehmen, die beim Börsengang über gestaffelte Amtszeiten des board verfügen, in den neunziger Jahren von einem Drittel auf über 80 % im Jahr 1999 gesteigert39. Weil sie zudem eine positive Korrelation zwischen Abwehrmöglichkeiten und Entlohnung des Managements feststellen, werten Field/Karpoff (2002) dieses Phänomen als Beleg von Agenturkosten40. Dass der Schutz vor einem Arbeitsplatzverlust in Folge eines erfolgreichen Übernahmeangebots mithin kein partielles Substitut für den Managerlohn darstellt, deutet jedoch nicht zwangsläufig auf eine Aneignung von Überrenditen durch die Unternehmensleitung hin. Vielmehr bietet auch die Humankapital-Theorie einen plausiblen Erklärungsansatz41: Verlangt die Unternehmung ein hohes Maß an spezifischen Humankapitalinvestitionen des Managements, bietet sich die Vereinbarung eines „geglätteten“ Lohnprofils an, in dem anfangs ein über dem Wertgrenzprodukt der Arbeitskraft liegender Lohn bezahlt wird42. Dieses Arrangement lässt sich vor einem Dazwischentreten Dritter schließlich dadurch absichern, dass ein hohes Schutzniveau in Bezug auf feindliche Übernahmen satzungsmäßig verankert wird. Sollte die höhere Entlohnung von Managern hingegen Ausdruck ineffizienter Agenturkosten sein, bliebe erklärungsbedürftig, warum die Aktionärsinteressen selbst im Stadium des Börsengangs keine hinreichende Berücksichtigung finden. Denn in diesem Zeitpunkt steht ja gerade die Erzielung einer möglichst hohen Kapitaleinlage im Vordergrund, die zu einem Großteil von hochspezialisierten Fonds aufgebracht werden soll. Gegen die Agenturkostenerklärung spricht ferner die Feststellung von Field/Karpoff (2002), dass Unternehmen mit strukturellen Abwehrmöglichkeiten des board in den drei dem Börsengang nachfolgenden Jahren eine höhere Gesamtkapitalrentabilität aufweisen43. Die IPO-Studien liefern damit ein deutliches Indiz für die These, dass eine Abschottung des Managements vom Markt für Unternehmenskontrolle durchaus im Interesse der Aktionäre liegen kann44.

37

Daines/Klausner (2001), S. 85. Daines/Klausner (2001), S. 95. 39 Coates (2001), S. 1376. 40 Field/Karpoff (2001), S. 1869 f. 41 So auch Stout (2003), S. 706 f. 42 Vgl. oben A. IV. 1. 43 Field/Karpoff (2001), S. 1881 ff. 44 Anders jedoch Mülbert/Birke (2001), S. 711, die den hohen Anteil struktureller Verteidigungsmöglichkeiten des board im Stadium des Börsengangs u. a. damit erklä38

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2. Zusammenfassende Bewertung Das vorgestellte Untersuchungsmaterial liefert nur wenige Anhaltspunkte für die Annahme, dass autonome Abwehrmöglichkeiten des Vorstands negative Auswirkungen auf die Aktionärsinteressen haben. Trotz ihrer Popularität im juristischen Schrifttum weist die Kontrollmarkt-These damit eine nur geringe Fundierung in der empirischen Ökonomie auf. Dies liegt zum einen an durchgreifenden methodischen Einwänden gegen die lange Zeit dominierenden pill studies, die dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen haben, dass die präventive Implementierung einer poison pill dem Zielvorstand letztlich keinen strategischen Vorteil in einer späteren Übernahmeauseinandersetzung zu verschaffen vermag. Zum anderen wird die Kontrollmarkt-These durch die Ergebnisse sog. IPO studies erschüttert, wonach Aktiengesellschaften regelmäßig bereits zum Zeitpunkt des Börsengangs über ein hohes Schutzniveau vor feindlichen Übernahmen verfügen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sind Anhänger der Kontrollmarkt-These gezwungen, die Annahme einer besonderen Beachtung der Aktionärsinteressen im Stadium der Anteilsemission fallen zu lassen. Der in diesem Zusammenhang geäußerte Verweis auf ein „Marktversagen“45 ist zwar nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, erscheint jedoch gleichermaßen geeignet, den Zusammenhang zwischen Kursbewertung und Managementleistung – eine Grundannahme der Kontrollmarkt-These – insgesamt in Frage zu stellen. Zu begrüßen ist, dass neuere Untersuchungen nicht mehr allein die Auswirkungen von Abwehrmöglichkeiten des board auf feindliche Übernahmeauseinandersetzungen beobachten46. Denn auch bei einvernehmlichen Zusammenschlüssen dürfte das Verhandlungsergebnis der Managementteams maßgeblich von den Erfolgsaussichten bestimmt sein, sich mittels Abgabe eines Übernahmeanren, dass die Verwaltung dem Kapitalmarkt einen Verzicht auf spätere Änderungen der entsprechenden Satzungsbestimmungen nicht glaubhaft signalisieren könne. Demzufolge wäre die satzungsmäßig verankerte governance structure für die Investoren eines going public letztlich ohne Belang, so dass die Unternehmensleitungen auch im Falle von autonomen Abwehrmöglichkeiten keinen Abschlag bei der Emission hinnehmen müssten. Für zahlreiche Abwehrmaßnahmen, insbesondere für die Einführung von staggered boards, ist jedoch die Zustimmung der Aktionäre erforderlich. In diesen Fällen kann entgegen der Behauptung von Mülbert/Birke (2001) a. a. O. auch nicht die Rede davon sein, dass die Verwaltung nach einem Börsengang zumindest de facto in der Lage wäre, einseitig die Satzung zugunsten autonomer Abwehrmöglichkeiten zu verändern. Vielmehr scheiterten in den neunziger Jahren zahlreiche Versuche von Unternehmensleitungen zur Einführung gestaffelter Amtszeiten regelmäßig am Widerstand institutioneller Anleger, vgl. Bebchuk/Cohen (2005), S. 426; siehe auch Field/ Karpoff (2002), S. 1861 f., die feststellen, dass die zum Zeitpunkt des IPO gewählte satzungsmäßige Verteidigungsstruktur später in der Regel keine nennenswerte Veränderung erfährt. 45 So etwa Bebchuk/Coates/Subramanian (2002), S. 943 Fn. 158. 46 So etwa die Studien von Bebchuk/Cohen (2005) und Danielson/Karpoff (2006).

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gebots direkt an die Aktionäre der Gegenseite wenden zu können. Sofern eine Abschirmung vom Markt für Unternehmenskontrolle der Unternehmensleitung Spielräume verschaffen sollte, um den Ressourcengebern Anreize zu spezifischen Investitionen zu bieten, erscheint zudem eine Partizipation der Aktionäre an Produktivitätssteigerungen denkbar. Nicht zuletzt aus diesem Grund dürfte die in neueren Studien festzustellende Tendenz, statt der Aktienkursentwicklung bilanzielle Kenngrößen zu beobachten, für deren Aussagekraft von Vorteil sein. Die Untersuchungen von Field/Karpoff (2002) und Danielson/Karpoff (2006) liefern Anhaltspunkte dafür, dass Aktionäre von Abwehrmöglichkeiten der Verwaltungsorgane profitieren können. Insgesamt ist die Anzahl aussagekräftiger Studien jedoch noch zu gering und z. T. widersprüchlich, um die Auswirkungen von Abwehrmöglichkeiten auf die Interessen der Anteilseigner abschließend beurteilen zu können. 3. Die Auswirkungen von feindlichen Übernahmen auf implizite Arbeitnehmeransprüche Während sich die überwiegende Zahl empirischer Studien der Frage widmet, welche Auswirkungen autonome Abwehrbefugnisse auf die Interessen der Zielaktionäre haben, existieren nur wenige Untersuchungen, die eine Überprüfung der breach of trust-These zum Gegenstand haben. Derartige Studien beziehen sich regelmäßig auf den US-amerikanischen Wirtschafsraum, seit neuerem existieren jedoch auch einige Untersuchungen aus Europa, insbesondere aus Großbritannien. a) US-amerikanische Untersuchungen Die erste umfassende Untersuchung der Lohn- und Beschäftigungseffekte von Kontrollwechseln bildet die Studie von Brown/Medoff (1988), die zwischen Unternehmenskäufen (simple sale), Fusionen (merger) und dem isolierten Kauf von Aktiva (asset-only sale) differenziert. Während in den beiden zuerst genannten Fällen eine Abnahme der durchschnittlichen Lohnkosten pro Mitarbeiter und ein Anstieg der Beschäftigung gemessen wird, liegen die Dinge beim isolierten Verkauf von Aktiva genau umgekehrt47. Die Auswirkungen von Kontrollwechseln auf die Belegschaft fallen damit insgesamt eher gering aus. Für eine empirische Überprüfung der breach of trust-These erscheint die verwendete Stichprobe jedoch denkbar ungeeignet, da diese von kleinen und mittleren Unternehmen dominiert wird, die überwiegend als Familiengesellschaften ge47 Brown/Medoff (1988), S. 19 ff. Im Einzelnen finden sie bei Fusionen einen Beschäftigungseffekt von +2 % und einen Lohneffekt von –4 %, bei Unternehmenskäufen +9 % bzw. –5 %, beim bloßen Kauf von Anlagevermögen –5 % bzw. +5 %.

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führt werden48. Die feindliche Übernahme einer Aktiengesellschaft, in deren Folge eine Anteilskonzentration und – dadurch vermittelt – eine gewachsene Machtstellung der Kapitalgeber eintritt, wird gerade nicht betrachtet49. Dass Übernahmen zumindest auf bestimmte Arbeitnehmergruppen erhebliche Auswirkungen haben können, zeigt die Studie von Lichtenberg/Siegel (1990). Demnach sind nach einem Kontrollwechsel insbesondere die Unternehmenszentralen von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen, während die Beschäftigungseffekte im Fertigungsbereich eher gering ausfallen. Die Belegschaft in den Unternehmenszentralen, die regelmäßig durch einen hohen Anteil leitender Angestellter (white-collar employees) gekennzeichnet ist, müsste zudem Einbußen bezüglich ihrer künftigen Lohnentwicklung hinnehmen, die im Vergleich zu Gesellschaften ohne Kontrollwechsel um ca. 9 Prozentpunkte niedriger ausfiele50. Mangels Differenzierung von einvernehmlichen Fusionen und feindlichen Übernahmen ist der Aussagewert dieser Studie für die Gültigkeit der breach of trustThese jedoch ebenfalls gering. Eine explizite Betrachtung von feindlichen Übernahmen nehmen Bhagat/ Shleifer/Vishny (1990) vor, deren Stichprobe aus 62 Übernahmeversuchen im Zeitraum von 1984 bis 1986 besteht, die ein Transaktionsvolumen von mindestens 50 Millionen Dollar aufweisen51. Bei 28 Übernahmeversuchen kam es innerhalb der auf das Angebot folgenden zwei Jahre zu einem Beschäftigungsabbau, der sich in 21 Fällen quantifizieren ließ. Im Durchschnitt waren dabei 5,7 % der Arbeitnehmer von Entlassungen betroffen, wobei im Einzelfall bis zu einem Viertel der Belegschaft ihren Arbeitsplatz verlor52. Bhagat/Shleifer/ Vishny (1990) schätzen die damit verbundenen Kostensenkungen und setzen diese in Relation zu den Übernahmeprämien, wobei sie zum Schluss gelangen, dass sich im Durchschnitt 27 % und im Einzelfall bis zu 90 % der Übernahmeprämie durch Rationalisierungsmaßnahmen auf Kosten der Belegschaft erklären lassen53. Für den Fall, dass die hierdurch erzielten Einsparungen nachhaltig 48 Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl des Unternehmens lag – je nach der betrachten Unterstichprobe – zwischen 20 (simple sale im Jahr 1984) und 268 (merger im Jahr 1984), vgl. Brown/Medoff (1988), S. 16, Tabelle 1.3. Vgl. zur Studie von Brown/Medoff (1988) auch Carliner (1988), S. 28: „Studies like this one will offer important insights into the ways in which industries grow and contract. They have little to do, however, with [the] hostile takeovers and other ownership changes among large firms [. . .].“ 49 Dessen ungeachtet führen Mülbert/Birke (2001), S. 708 die Studie von Brown/ Medoff (1988) als Beleg dafür an, dass feindliche Übernahmen „keine signifikanten Auswirkungen [. . .] auf die Belegschaft“ hätten. 50 Lichtenberg/Siegel (1990), S. 407. 51 Die Stichprobe umfasst 12 vereitelte und 50 vollzogene Kontrollwechsel, wobei die Zielgesellschaft in 20 Fällen schließlich von einem weißen Ritter übernommen wurde, vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 12 und S. 30, Tabelle 6. 52 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 22. 53 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 22.

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sind, schätzen sie deren Anteil sogar auf durchschnittlich zwei Drittel der Übernahmeprämie, die in sechs Fällen vollständig durch Einkommensverluste der Arbeitnehmer finanziert werde54. Berücksichtigt man jedoch, dass 34 Übernahmeversuche keinen Beschäftigungsabbau nach sich zogen, relativiert sich der Anteil der Rationalisierungsgewinne an den Übernahmeprämien auf 11 % bzw. im Fall permanenter Kosteneinsparungen auf 26 %55. Eine Differenzierung der mit quantifizierbaren Entlassungen verbundenen Übernahmen nach den Kriterien „erfolgreich“, gescheitert“ und „Übernahme durch einen weißen Ritter“ ergibt dabei folgendes Bild56: Die Übernahme durch einen weißen Ritter führt in einem geringeren Ausmaß zu Rationalisierungen als im Falle eines erfolgreichen feindlichen Bieters, insbesondere wenn man die Relation von Kosteneinsparung und Übernahmeprämie betrachtet57. Auch kam es bei Übernahmen durch weiße Ritter nie zu einer Schließung bzw. einem Verkauf der Unternehmenszentrale, während dies bei feindlichen Bietern in 10 von 30 erfolgreichen Übernahmen der Fall war58. Offensichtlich sind weiße Ritter eher als feindliche Bieter geneigt, implizite Ansprüche der Arbeitnehmer zu respektieren. Der Umstand, dass die höchste Zahl der Entlassungen bei Zielgesellschaften festgestellt wurde, die ihre Unabhängigkeit verteidigen konnten, spricht jedoch gegen die breach of trust-These59. Eine mögliche Ursache hierfür kann allerdings in dem für unabhängige Gesellschaften fortbestehenden Übernahmedruck liegen60. Angesichts der hohen Aktivität des Takeover-Markts in der betrachteten Periode und des Umstands, dass sich die poison pill in dieser Zeit noch nicht als effektives Verteidigungsinstrument etabliert hatte, erscheint eine solche Erklärung durchaus naheliegend. Letztlich ziehen Bhagat/Shleifer/Vishny (1990) aus ihrer Studie den Schluss, dass eine Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer kein primäres Motiv für feindliche Übernahmen darstellt, auch wenn eine solche im Einzelfall eine bedeutende Rolle spielen kann61. Dabei räumen sie jedoch die Möglichkeit einer systematischen Unterbewertung der Beschäftigungsverluste ein, die aus dem Umstand herrühren kann, dass das Schicksal von Arbeitnehmern in ausgegliederten Unternehmensbereichen nicht erfasst wurde62. Vor dem Hintergrund, dass es in zwei Dritteln der betrachteten Fälle nach Abschluss des Übernahmeverfahrens 54

Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 22. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 26. 56 Jeweils sieben der betrachteten Übernahmeversuche konnten diesen Gruppen zugeordnet werden, vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 29. 57 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 32. 58 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 32. 59 Vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 30, Tabelle 6. 60 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 32. 61 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 52. 62 Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 20. 55

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zu einem Verkauf von einzelnen Unternehmensbereichen kam63, kann sich hieraus in der Tat eine nicht unerhebliche Verzerrung ergeben. Zudem beschränkt sich die Studie darauf, Verluste der Arbeitnehmer aufgrund eines Beschäftigungsabbaus zu messen. Denkbar ist jedoch auch ein Bruch impliziter Ansprüche der Belegschaft ohne Entlassungen, etwa durch Änderung von Pensionsplänen oder Enttäuschung berechtigter Erwartungen auf künftige Lohnsteigerungen. Zu bedenken ist ferner, dass feindliche Übernahmen – insbesondere im betrachteten Zeitraum – in erheblichem Maße zu einer Dekonglomeratisierung der Unternehmen beigetragen haben64. Ohne Diversifizierung auf Unternehmensebene steigt jedoch für die Belegschaft das systematische Risiko des Arbeitsplatzverlusts, so dass die Beschäftigten mangels Lohnkompensation bereits allein aus diesem Umstand einen Verlust erleiden. Die Verluste von Arbeitnehmern, die aus der Änderung von Pensionsplänen nach erfolgreichen Übernahmen resultieren, untersuchen Pontiff/Shleifer/Weißbach (1990), deren Stichprobe aus 139 feindlichen und 274 einvernehmlichen Übernahmen in der Zeit von 1981 bis 1988 besteht. In Einklang mit der breach of trust-These stellen sie fest, dass Pensionspläne nach feindlichen Übernahmen fast doppelt so häufig zum Nachteil der Belegschaft geändert werden wie nach einvernehmlichen Zusammenschlüssen65. Darüber hinaus zeigen sie, dass fast ausschließlich sog. unit-benefit plans, bei denen sich die Pensionsleistung nach der Höhe des letzten Gehalts richtet, von einer Revision betroffen sind66. Derartige Pensionspläne stellen den Beschäftigten im Vergleich zu flat-benefit plans, die einheitliche Pensionen für sämtliche anspruchsberechtigten Mitarbeiter vorsehen, regelmäßig eine höhere Altersrente in Aussicht, da Lohnsteigerungen im Laufe des Berufslebens berücksichtigt werden67. Dass ganz überwiegend unitbenefit plans revidiert werden, liefert damit ein zusätzliches Indiz für die These, dass Kontrollwechsel mit einem Bruch impliziter Arbeitnehmeransprüche einhergehen68. Die Verluste der Arbeitnehmer, die aus einer übernahmebe-

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Vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 35. Vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 56: „Many of the hostile takeovers [. . .] aimed to deconglomerate large corporations and to allocate their various divisions to related acquirers.“ 65 Während dies bei 15,1 % der feindlichen Übernahmen der Fall ist, werden Pensionspläne nach einvernehmlichen Fusionen nur in 8,4 % der Fälle revidiert, siehe Pontiff/Shleifer/Weißbach (1990), S. 606 Tabelle 1, rechte Spalte. 66 Pontiff/Shleifer/Weißbach (1990), S. 609. 67 Vgl. Petersen (1992), S. 1044. 68 Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass 75 % der gesamten Stichprobe unitbenefit plans (nämlich 417 von 556, vgl. Pontiff/Shleifer/Weißbach (1990), S. 605 u. 609) und nur 12 % flat-benefit plans waren. Von 23 abgeänderten Pensionsplänen waren schließlich 19 der ersten und keiner der zweiten Gattung zuzuordnen, vgl. a. a. O. S. 609. 64

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dingten Änderung von Pensionsplänen resultieren, beziffern Pontiff/Shleifer/ Weißbach (1990) schließlich auf 13 % der gezahlten Kontrollprämie69. Dass sich übernahmebedingte Einkommenseinbußen der Belegschaft keineswegs in einem Beschäftigungsabbau ausdrücken müssen, zeigt darüber hinaus die Studie von Gokhale/Groshen/Neumark (1995), welche die Entwicklung der Lohnprofile nach einem Kontrollwechsel zum Gegenstand hat. Die Untersuchung zeigt, dass Unternehmen mit einem relativ hohen Anteil älterer Arbeitnehmer nach einer feindlichen Übernahme flachere Lohnprofile aufweisen70. Im Falle einvernehmlicher Zusammenschlüsse werden derartige Effekte hingegen nicht gemessen71. Offensichtlich neigen feindliche Bieter dazu, den Arbeitnehmern an die Seniorität gekoppelte Lohnsteigerungen vorzuenthalten, während die amtierende Verwaltung solche auch nach bedeutsamen Strukturveränderungen gewährt. Zeigen die vorgenannten Studien nicht unerhebliche Einbußen der Arbeitnehmer auf, behaupten McGuckin/Nguyen (2001) dagegen einen grundsätzlich positiven Effekt von Kontrollwechseln auf Beschäftigung und Lohn. Die Studie, welche die verarbeitende Industrie der USA im Zeitraum von 1977 bis 1987 betrachtet, offenbart jedoch auch erhebliche Einbußen für Arbeitnehmer, die in den größten 10 % der Unternehmen beschäftigt sind. Diese erhalten im Fall eines Kontrollwechsels geringere Lohnzuwächse als ihre in unabhängig gebliebenen Gesellschaften beschäftigten Kollegen72. Kontrollwechsel durch feindliche Übernahmen dürften schwerpunktmäßig in Unternehmen dieser Größenordnung auftreten. Da die Studie jedoch nicht zwischen einvernehmlichen und feindlichen Unternehmenszusammenschlüssen differenziert, bleibt ihr Aussagewert für die Frage nach der empirischen Gültigkeit der breach of trust-These letztlich gering. Zudem darf nicht übersehen werden, dass sich ein positiver Lohneffekt nur dann ergibt, wenn man als Bezugsgröße die Anzahl der Kontrollwechsel wählt, da die Mehrzahl der Arbeitnehmer in den 10 % der größten Unternehmen beschäftigt ist. Hieraus folgt, dass der Lohneffekt von Kontrollwechseln für ca. drei Viertel der Beschäftigten negativ ausfällt73. b) Britische und kontinentaleuropäische Untersuchungen Conyon/Girma/Thompson/Wright (2002) untersuchen insgesamt 442 Unternehmenszusammenschlüsse im Zeitraum von 1967 bis 1996, wobei sie die Entwicklung von Beschäftigung und Output in den vier Folgejahren beobachten. 69 70 71 72 73

Pontiff/Shleifer/Weißbach (1990), S. 612. Gokhale/Groshen/Neumark (1995), S. 479. Gokhale/Groshen/Neumark (1995), S. 481. McGuckin/Nguyen (2001), S. 757. McGuckin/Nguyen (2001), S. 757.

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Sie stellen fest, dass der Arbeitsplatzabbau nach feindlichen Übernahmen signifikant höher ausfällt als im Fall einvernehmlicher Zusammenschlüsse74. Da der Output bei feindlichen Übernahmen im Verhältnis zur Beschäftigung in einem geringeren Ausmaß zurückgeht, schließen Conyon/Girma/Thompson/Wright (2002) auf einen spezifischen Effizienzgewinn, ohne jedoch die Möglichkeit eines Bruchs impliziter Arbeitnehmeransprüche ausschließen zu können75. Eine explizite Überprüfung der breach of trust-These bezweckt die Studie von Beckmann/Forbes (2004), der eine Untersuchung von 62 Übernahmen im Zeitraum von 1987 bis 1995 zugrunde liegt. Dabei wird ein nicht unerheblicher Beschäftigungsabbau festgestellt, der jedoch im Fall einvernehmlicher Zusammenschlüsse nicht geringer ausfällt als bei feindlichen Übernahmen76. Allerdings lässt auch diese Studie das Schicksal von Arbeitnehmern in ausgegliederten Unternehmensbereichen unberücksichtigt. Da die spätere Zerschlagung der Zielgesellschaft ein durchaus charakteristisches Merkmal feindlicher Übernahmen darstellt77, kann dies zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen, wenn Mitarbeiter in ausgegliederten Unternehmensbereichen typischerweise einen hohen Einkommensverlust hinnehmen müssen78. Ihre Schlussfolgerung einer mangelnden Bestätigung von Umverteilungseffekten stützen Beckmann/Forbes (2004) letztlich auf die Erkenntnis, dass übernommene im Verhältnis zu unabhängig gebliebenen Gesellschaften eine schlechtere Aktienkursentwicklung aufweisen und demnach auch die Anteilseigner Verluste hinnehmen müssten79: „Workers experience job loss in the postacquisition joint entity, but their losses are not large, given the sharp decline in 74

Conyon/Girma/Thompson/Wright (2002), S. 41, Tabelle 2. Conyon/Girma/Thompson/Wright (2002), S. 47. Der Schluss, dass feindliche Übernahmen zu einer spezifischen Steigerung der Arbeitsproduktivität führen, lässt sich dem Zahlenmaterial jedoch nicht zweifelsfrei entnehmen. Denn die Beschäftigung wird in der Studie allein als Zahl der Mitarbeiter gemessen. Denkbar wäre daher auch, dass die relative Steigerung des Output pro Mitarbeiter auf eine Verlängerung der Arbeitszeiten zurückzuführen ist. 76 Die Studie ergibt sogar einen stärkeren Arbeitsplatzabbau bei freundlichen Übernahmen. Dieses überraschende Ergebnis führen Beckmann/Forbes (2004) jedoch auf den Umstand zurück, dass die feindlichen Übernahmen schwerpunktmäßig vor der Rezessionsphase von 1990 bis 1992 auftraten, S. 155. 77 Vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 35; zur Situation in Großbritannien Conyon/Girma/Thompson/Wright (2001), S. 433 f. 78 Eine hierauf basierende Fehleinschätzung der Einkommenseinbußen von Arbeitnehmern nach feindlichen Übernahmen wird von Beckmann/Forbes (2004) auch eingeräumt, vgl. S. 162 f. Möglich ist etwa, dass sich betriebsbedingte Kündigungen in ausgegliederten Betriebsteilen leichter durchsetzen lassen und damit den Arbeitnehmern auch eher Lohnzugeständnisse abgerungen werden können. 79 Nach Beckmann/Forbes (2004), S. 150 ergibt sich fünf Jahre nach der Übernahme eine relative underperformance von 35–57 % im Vergleich zu unabhängig gebliebenen Gesellschaften. 75

I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien

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shareholder value. Our results, albeit tentatively, suggest takeovers do not redistribute rents within the post-acquisition entity and this is because there are rarely any rents to be redistributed. Rather workers and shareholders experience a sort of ,equal misery‘ resulting from the poor performance of newly formed firms.“80 Bei dieser Argumentation wird jedoch allein auf die späteren Kontrollinhaber bzw. die verbleibenden Zielaktionäre abgestellt, ohne dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die ausgeschiedenen Aktionäre regelmäßig in den Genuss einer beträchtliche Übernahmeprämie gelangt sind. Im Fall einer schlechten Kursentwicklung der fusionierten Gesellschaft wurde die Übernahmeprämie letztlich vom Bieter bzw. dessen Anteilseignern und der Belegschaft gemeinschaftlich aufgebracht. Dass sich der Bieter bezüglich der späteren Amortisation der gezahlten Übernahmeprämie im Irrtum befand, vermag an dem Umstand, dass innerhalb der Zielgesellschaft eine Umverteilung von den Arbeitnehmern zu den ausgeschiedenen Aktionären stattgefunden hat, nichts zu ändern. Anhaltspunkte für einen breach of trust durch feindlichen Übernahmen zu Lasten der Belegschaft liefert auch die Studie von Gugler/Yurtoglu (2004), die vergleichend Unternehmenszusammmenschlüsse in den USA, Großbritannien und Kontinentaleuropa beobachtet81. Im Gegensatz zu Beckmann/Forbes (2004) werden dabei auch Beschäftigungseffekte in ausgegliederten Unternehmensbereichen in die Betrachtung einbezogen82. Während bezogen auf die USA kein nennenswerter Arbeitsplatzabbau festgestellt werden kann, zeigt die Studie bei europäischen Zusammenschlüssen einen signifikant negativen Beschäftigungseffekt auf83. Unabhängig von der betrachteten Region offenbart die Studie erhebliche Differenzen zwischen feindlichen und einvernehmlichen Zusammenschlüssen. Diese unterscheiden Gugler/Yurtoglu (2004) nach dem Kriterium, ob der späteren Fusionsvereinbarung ein Übernahmeangebot vorausgegangen ist, woraus sich ein Indiz für die „Feindlichkeit“ der Transaktion ergeben soll84. Sofern dies der Fall ist, zeigt sich auch in den USA ein erheblicher Verlust von Arbeitsplätzen, während als „freundlich“ eingestufte Zusammenschlüsse sogar 80

Beckmann/Forbes (2004), S. 163. Der Stichprobe liegen insgesamt 646 Zusammenschlüsse im Zeitraum von 1987 bis 1998 zugrunde, davon 364 im US-amerikanischen, 104 im britischen und 178 im kontinentaleuropäischen Wirtschaftsraum, vgl. Gugler/Yurtoglu (2004), S. 490. 82 Vgl. Gugler/Yurtoglu (2004), S. 490 und S. 499. 83 Gugler/Yurtoglu (2004), S. 495 messen bei europäischen Fusionen einen Beschäftigungsrückgang von 10 %. 84 Gugler/Yurtoglu (2004) wählen dieses Kriterium zur Abgrenzung von freundlichen und feindlichen Zusammenschlüssen, weil der verwendeten Stichprobe lediglich 23 Übernahmen zugrunde lagen, in denen es zu einer formellen Zurückweisung des Angebots durch die Zielverwaltung kam, vgl. S. 493. Für diese statistisch nicht signifikante Gruppe ermitteln Gugler/Yurtoglu (2004) einen Beschäftigungsrückgang um 8,2 %, vgl. S. 496, Tabelle 5. Vgl. zu den Problemen einer trennscharfen Abgrenzung zwischen freundlichen und feindlichen Übernahmen auch Schwert (2000), S. 2599 ff. 81

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D. Rechtspolitische Überlegungen

positive Auswirkungen auf die Beschäftigung haben85. Bezogen auf Kontinentaleuropa liegt der Beschäftigungsrückgang nach Zusammenschlüssen, die mit einem Übernahmeangebot eingeleitet worden sind, mit 14,5 % etwa doppelt so hoch wie im Fall einvernehmlicher Fusionen86. Deakin/Hobbs/Nash/Slinger (2003) untersuchen die Auswirkungen von Übernahmen auf implizite Arbeitnehmeransprüche mittels Befragungen von Direktoren, institutionellen Investoren, Arbeitnehmervertretern, Bankern und Rechtsanwälten, die an insgesamt 15 Übernahmen im Zeitraum von 1993 bis 1996 beteiligt waren87. Dabei gaben 38,5 % der Befragten an, dass Arbeitnehmer in der Zielgesellschaft nach der Übernahme schlechter stünden, während 23,1 % die Belegschaft als Profiteur ansahen. Nach Einschätzung von 55 % der Befragten waren im Rahmen von einvernehmlichen Zusammenschlüssen Arbeitnehmerinteressen von Relevanz. Im Fall von feindlichen Übernahmen sahen jedoch nur 13 % die Belange der Beschäftigten als berücksichtigt an. Schließlich stellen Deakin/Hobbs/Nash/Slinger (2003) in der fallbezogenen Betrachtung einen hohen Beschäftigungsabbau speziell nach feindlichen Übernahmen fest88. 4. Zusammenfassende Bewertung Das vorhandene Studienmaterial zeigt auf, dass Arbeitnehmer infolge feindlicher Übernahmen entgegen verbreiteter Meinung im juristischen Schrifttum oftmals bedeutende Einkommensverluste erleiden89. Aufgrund der Vielzahl möglicher Übernahmemotive vermögen Umverteilungseffekte zu Lasten der Belegschaft zwar nicht generell die Herkunft der gezahlten Kontrollprämien zu erklären. In nicht wenigen Fällen stellen sich Rationalisierungsmaßnahmen im Anschluss an feindliche Übernahmen jedoch als ein tragendes Motiv des Kontrollerwerbs dar90. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass Einschnitte für die Belegschaft keinesfalls auf Maßnahmen des Beschäftigungsabbaus beschränkt sind. Demgemäß belegen einige Untersuchungen, dass auch weiterbeschäftigte Arbeitnehmer – in Form revidierter Pensionspläne bzw. flacherer Lohnprofile – Einkommensverluste nach Kontrollwechseln hinnehmen müs85 Die Beschäftigungseffekte betragen –8,2 % bzw. 2,1 %, vgl. Gugler/Yurtoglu (2004), S. 496, Tabelle 5. 86 Gugler/Yurtoglu (2004), S. 496. 87 Deakin/Hobbs/Nash/Slinger (2003), S. 307. 88 Beispiele sind die Übernahme von Wellcome durch Glaxo, in deren Folge 7.500 Arbeitsplätze abgebaut wurden, oder die Übernahme von Dobson Park durch Harnishfeger, die zu einem Beschäftigungsabbau von rund 20 % der Belegschaft führte, vgl. Deakin/Hobbs/Nash/Slinger (2003), S. 322 f. 89 Einen negativen Beschäftigungseffekt von feindlichen Übernahmen verneinen etwa Mülbert/Birke (2001), S. 708; Mühle (2002), S. 83; Liekefett (2004), S. 835. 90 Vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 22; siehe auch die case studies bei Deakin/Hobbs/Nash/Slinger (2003), S. 322 ff.

I. Ergebnisse und Aussagekraft empirischer Studien

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sen91. Aus Mangel an Anhaltspunkten dafür, dass vorzugsweise Gesellschaften in wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ziel feindlicher Übernahmeversuche werden92, kann schließlich auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Belegschaft von derartigen Einschnitten auch ohne Kontrollwechsel betroffen worden wäre, die Übernahme mithin nicht die eigentliche Ursache für die Einkommensverluste bildet. Dass Arbeitnehmern speziell infolge feindlicher Übernahmen ein erheblicher Einkommensverlust droht, deutet auf eine „Schicksalsgemeinschaft“ zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft hin93. In Übereinstimmung mit der breach of trust-These scheinen die Arbeitnehmer von einer Ablehnung des Übernahmegebots zu profitieren, während ihre Interessen bei Zusammenschlüssen, die im Einvernehmen mit der eigenen Unternehmensleitung vollzogen werden, weit weniger tangiert werden. Trotz der festgestellten Einkommenseinbußen für die Belegschaft infolge feindlicher Übernahmen verbietet sich jedoch eine vorschnelle Interpretation der Ergebnisse im Sinne der breach of trustThese. Denn fraglich bleibt, ob die Verluste der Arbeitnehmer tatsächlich „implizite Ansprüche“ oder lediglich ökonomisch nicht gerechtfertigte Überrenditen betreffen94. In diesem Fall würde durch feindliche Kontrollwechsel letztlich ein optimales Beschäftigungsniveau bzw. ein Effizienzgewinn realisiert. Die Studie von Gugler/Yurtoglu (2004), wonach der Arbeitsplatzabbau nach Kontrollwechseln in Europa wesentlich höher als in den USA ausfällt, legt zwar nahe, dass Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt einen hohen Beschäftigungsabbau begünstigen95. Hiermit ist jedoch noch nicht gesagt, dass ein – etwa aufgrund von arbeitnehmerfreundlichen Kündigungsschutzregeln – vergleichsweise rigider Arbeitmarkt auch eine ineffiziente Faktorallokation zur Folge hat, die durch Restrukturierungsmaßnahmen optimiert würde. Zumindest kann aber ein vermeintlich zu hohes Schutzniveau des Arbeitsrechts nicht die alleinige Ursache 91 Vgl. dazu die Studien von Pontiff/Shleifer/Weißbach (1990) und Gokhale/ Groshen/Neumark (1995). 92 Vgl. Franks/Mayer (1996), S. 180; siehe auch Beckmann/Forbes (2004), S. 153. 93 Anders jedoch Bebchuk (2002), S. 1023 f.: „[. . .] managers’ interests are actually more likely to be aligned with those of shareholders rather than stakeholders. Whereas managers usually have a significant fraction of their wealth in the form of shares and options, they do not usually have as much of their wealth tied to bondholder or employee wealth. And managers’ private interests in the takeover context cannot be expected to be aligned with the interests of stakeholders. To be sure, some correlation between managers’ and stakeholders’ preferences might arise because some acquisitions might be a threat to managers (who might lose their private benefits of control) and also to employees (who might lose their jobs) or creditors (who might be harmed by an increase in leverage). But this correlation of interests is likely to be rather limited; managers’ and stakeholders’ interests can be expected to overlap occasionally but not in general.“ 94 Vgl. Bhagat/Shleifer/Vishny (1990), S. 11 f.; Gugler/Yurtoglu (2004), S. 497 f. 95 So Gugler/Yurtoglu (2004), S. 481.

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D. Rechtspolitische Überlegungen

für den festgestellten Beschäftigungsrückgang bilden, da selbst in den USA ein signifikanter Arbeitsplatzabbau nach feindlichen Übernahmen festzustellen ist96. Die erheblichen Rationalisierungsmaßnahmen, die insbesondere im europäischen Wirtschaftsraum einem Kontrollwechsel nachfolgen, zeigen damit vor allem, dass eine Absicherung von Arbeitnehmerinteressen auf Ebene der Corporate Governance – unabhängig davon, ob sie ökonomisch sinnvoll erscheint – auch im Fall eines arbeitsrechtlich hohen Schutzniveaus nicht an Bedeutung verliert. Für die Annahme, dass die übernahmebedingten Einkommensverluste der Arbeitnehmer aus einem Bruch impliziter Ansprüche herrühren, spricht zum einen, dass von der Umverteilung auch Vereinbarungen einer nachgelagerten Entlohnung wie Senioritätslöhne oder Pensionspläne betroffen sind. Denn diese Instrumente sind geeignet, ein ex ante optimales Investitionsniveau der Arbeitnehmer zu ermöglichen, bieten zugleich aber Anreize für Ex post-Opportunismus. Vor dem Hintergrund, dass typische Ziele feindlicher Übernahmen keine schlechteren betriebswirtschaftlichen Kennzahlen aufweisen97, darf zudem eine ausschließliche Senkung von Überrenditen der Arbeitnehmer mittels feindlicher Kontrollwechsel bezweifelt werden. Zuzugeben ist jedoch, dass ein Nachweis des Bruchs impliziter Vereinbarungen durch Übernahmen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Denn die impliziten Vereinbarungen beinhalten regelmäßig eine strategische Lohnsetzung, die auf eine im Zeitablauf konstante Übereinstimmung von Wertgrenzprodukt und Faktorlohn verzichtet. Stellt man daher allein auf den Zeitpunkt des Bruchs der impliziten Vereinbarung ab, so ließe sich in der Tat die Rückführung einer Überrendite des Arbeitnehmers und die Verwirklichung des neoklassischen Prinzips einer Entlohnung zum Wertgrenzprodukt belegen. Ein Verlust, der aus der für die Zukunft sinkenden Akzeptanz zum Abschluss impliziter Verträge resultiert, dürfte hingegen schwer zu quantifizieren sein98. Untersuchungen, die überlegene Fundamentaldaten für 96 Letztlich halten auch Gugler/Yurtoglu (2004) ihre Ergebnisse sowohl mit der „breach of trust“-These als auch mit der Annahme vereinbar, dass durch Kontrollwechsel ein optimales Beschäftigungsniveau verwirklicht werde, vgl. a. a. O. S. 497: „Mergers need not to be used as a vehicle to restore optimum employment in the USA, since company managers can do so at any time at fairly low cost. The only category of mergers that also reduces labour demand in the USA is takeovers via tender offers. This is consistent with a ,breach of trust‘ hypothesis of mergers’ effect on labour. [. . .] Mergers enable companies to reduce what they view as excess labour in otherwise rigid labour markets. At least some mergers may, therefore, be viewed as the optimal endogenous response to high labour adjustment costs.“ 97 Vgl. Franks/Mayer (1996), S. 180; Beckmann/Forbes (2004), S. 153. 98 Vgl. Conyon/Girma/Thompson/Wright (2002), S. 47: „[. . .] if the observed employment reductions constitute a reneging on the implicit terms of the labour contract, in the sense of Shleifer and Summers (1988), there may be associated costs generated through subsequent reductions in firm-specific human capital investment by employees. These will be manifested in lower output levels but any such changes would be very hard to identify.“

II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen

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vergleichsweise „übernahmefeste“ Gesellschaften aufzeigen99, liefern zumindest einen indirekten Hinweis dafür, dass Abwehrbefugnisse den Abschluss effizienter Vereinbarungen mit impliziten Ansprüchen der Arbeitnehmer begünstigen. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die festgestellten Einkommenseinbußen der Arbeitnehmer zu einem wesentlichen Teil aus einem Bruch impliziter Vereinbarungen herrühren.

II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen der Zielverwaltung 1. Die Übernahmeauseinandersetzung als ein „Wettbewerb der Unternehmenskonzepte“? Vielfach wird die Übernahmeauseinandersetzung als ein „Wettbewerb der Unternehmenskonzepte“ um die Gunst der Aktionäre angesehen100. Zulässige Abwehrmaßnahmen sollen daher im Wesentlichen auf den Einsatz kommunikativer Instrumente beschränkt bleiben, etwa die Vermittlung der eigenen Unternehmensstrategie durch entsprechende Werbekampagnen; der Vorstand darf zwar auf die Meinungsbildung der Aktionäre einwirken, hat aber deren Entscheidungshoheit durch eigene Passivität im Übrigen sicherzustellen101. Eng verknüpft mit dieser Sichtweise ist die Behauptung, die Entscheidung über die Annahme eines Übernahmenangebots betreffe eine reine Deinvestitionsentscheidung des Aktionärs und sei damit Ausdruck seiner autonomen Eigentümerbefugnisse102. Verkannt wird dabei jedoch, dass durch ein erfolgreiches Über99

Vgl. Danielson/Karpoff (2006), S. 544; auch Field/Karpoff (2002), S. 1881 ff. So etwa Becker (2001), S. 281 ff.; Thaeter/Brandi (2003), Rn. 411 sehen den Zweck des WpÜG in der Ermöglichung eines „transparenten Meinungskampfs zwischen Bieter und Management der Zielgesellschaft“. Vgl. auch Geibel (2002), Rn. 53: „Der Erfolg oder Misserfolg eines Übernahmeangebots wird auf dem Markt für Unternehmenskontrolle in einem Wettbewerb zwischen dem Konzept des Bieters und dem Konzept der Verwaltung der Zielgesellschaft ermittelt.“ 101 Bebchuk (2002), S. 999 ff. Maßnahmen, die nicht in der Suche nach einem konkurrierendem Angebot bestehen oder eine direkte Steigerung des Shareholder Value bewirken, wie etwa die Zahlung einer Sonderdividende, sollen nur mit Zustimmung der Hauptversammlung zulässig sein, vgl. Becker (2001), S. 285 f. 102 Vgl. etwa Diregger/Winner (2002), S. 1592, welche die Sachgemäßheit der Leitmaxime „Unternehmensinteresse“ in der Übernahmesituation unter Hinweis darauf bezweifeln, dass es nur um eine Verkaufsentscheidung der Aktionäre hinsichtlich ihrer Anteile ginge. Ähnlich Tröger (2002), S. 401: Die mit der Offerte eröffnete Veräußerungsmöglichkeit spreche die Aktionäre als Kapitalmarktteilnehmer an, also primär deren außerverbandliche Interessen, auf die einzuwirken die dem korporativen Bereich entspringende Leitungsbefugnis nicht berechtige. In diese Richtung auch Wackerbarth (2001), S. 1744; Drygala (2001), S. 1863: „[. . .] Ausgangspunkt der besonderen [Stillhalte-]Pflicht ist der Umstand, dass die Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme von den Aktionären in Gestalt einer Entscheidung über den Verkauf oder Nichtverkauf zu treffen ist. Sie, die Aktionäre sind die Eigentümer der betroffenen 100

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D. Rechtspolitische Überlegungen

nahmeangebot nicht nur die personale Zusammensetzung des Aktionärskreises verändert, sondern zugleich eine Anteilskonzentration mit erheblichen Auswirkungen auf das Machtgefüge im Unternehmen herbeigeführt wird: Stand dem Vorstand bis dahin eine von Kollektivhandlungsproblemen geprägte Aktionärsgemeinschaft gegenüber, verfügt der beherrschende Großaktionär über effektive Möglichkeiten, auf die Unternehmenspolitik Einfluss zu nehmen. Wie die empirischen Untersuchungen zeigen, stellt die Übernahme einen tiefgreifenden Wandel für die Corporate Governance der Aktiengesellschaft dar, infolgedessen Stakeholder-Belange in erheblichem Ausmaß berührt werden können103. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht sachgerecht, die Übernahme einer Publikumsaktiengesellschaft auf eine bloße Verkaufsentscheidung der Kapitalmarktteilnehmer zu reduzieren104. Aber auch für den Fall, dass Stakeholder-Belange durch Kontrollwechsel nicht beeinträchtigt würden, erscheint die Sichtweise der Übernahmesituation als ein fairer Wettbewerb der Unternehmenskonzepte, den es durch ein weitgehendes Vereitelungsverbot des Zielvorstands sicherzustellen gilt, nicht angemessen. Denn hierbei würde übersehen, dass der Bieter durch die Abgabe seines verbindlichen Angebots einen entscheidenden „Wettbewerbsvorteil“ aufweist. Anders als der Zielvorstand braucht der Bieter die Aktionäre nicht von der Werthaltigkeit seiner Unternehmensstrategie zu überzeugen, denn durch die Offerte wird eine regelmäßig erheblich über dem Vorangebotskurs liegende „Rendite“ gleichsam garantiert. Das Risiko eines späteren Nichterfüllens der Ertragserwartungen verbleibt beim Bieter bzw. dessen Stakeholdern, so dass eine Prüfung des Bieterkonzepts für die Zielaktionäre entbehrlich bleibt. Demgegenüber fehlt es dem Zielvorstand an einer Möglichkeit, die Erfolgsaussichten seiner Strategie in ähnlicher Weise glaubwürdig zu signalisieren. Dessen Versprechen bliebe für die Zielaktionäre eine riskante Entscheidungsvariante, die eine kritische und detaillierte Auseinandersetzung erforderlich macht. Unabhängig vom Fehlen einer „Waffengleichheit“ zwischen Bieter und Zielverwaltung spricht gegen die Idealisierung der Übernahmesituation als ein „Wettbewerb der Konzepte“ schließlich, dass sich die Annahmeentscheidung des Zielaktionärs nicht ohne weiteres im Sinne einer Präferenz für das Bieterkonzept deuten lässt. Denn auch wenn der Zielaktionär eine spätere Amortisation des gebotenen Preises als unrealistisch erachten sollte, wäre für ihn – zumindest im Falle eines Aktien und auch des betroffenen Unternehmens. Ihr Aktien-Eigentum steht unter dem Schutz von Art. 14 GG, und die Befugnis, über das Eigentum auch zu verfügen, nimmt an der Institutsgarantie des Eigentums teil.“ 103 Vgl. Gugler/Yurtoglu (2004), S. 499 und oben D. I. 3. 104 Im Übrigen zielen Abwehrmaßnahmen nur auf eine Vereitelung der Veräußerungschance, nicht jedoch auf eine Entziehung der rechtlichen Verfügungsbefugnis ab, die nur im Falle einer Vinkulierung gemäß § 68 Abs. 2 AktG möglich wäre. Eigentumsrechte an der Aktie sind demnach durch Vereitelungsmaßnahmen des Vorstands unmittelbar nicht betroffen.

II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen

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Barangebots – die Angebotsannahme vorteilhaft, in deren Folge er aus der Gesellschaft ausscheiden und damit am weiteren Schicksal der Ressourcenkombination nicht mehr teilhaben würde. Trotz des hohen Anteils institutioneller Investoren in den USA hat auch der Delaware Supreme Court zu keinem Zeitpunkt eine Sichtweise der Übernahmesituation als „Wettbewerb der Konzepte“ eingenommen105. Schon bevor das Gericht mit der board knows best-Doktrin die Einschätzungsprärogative der Direktoren hinsichtlich des tatsächlichen Unternehmenswerts festschrieb106, ließ es keinen Zweifel daran, dass der Zweck von Abwehrmaßnahmen deutlich über die Herstellung einer „Waffengleichheit“ zwischen Bieter und Zielverwaltung hinausgehen darf. So erachtete der Supreme Court in der Unocal-Entscheidung107 ein Rückkaufprogramm als Abwehrmaßnahme gegen ein zweistufiges Angebot (two-tier tender offer) für verhältnismäßig, obwohl der Rückkaufpreis deutlich über dem Angebotspreis lag108. Damit aber zielte die Abwehrmaßnahmen nicht nur auf eine Kompensation der mit der Angebotsgestaltung verbundenen Zwangswirkung ab, sondern erzeugte seinerseits einen „Ablehnungsdruck“ (quasi ein pressure not to tender) auf Seiten der Zielaktionäre 109, denen hierdurch eine autonome Entscheidung auf Basis einer Bewertung der vorgeschlagenen Unternehmensstrategien verwehrt blieb. 2. Abwehrermessen der Zielverwaltung und die Pflicht zur Wahrung des Unternehmensinteresses Aufgrund des verbandsrechtlichen Leitungsermessens, welches dem Vorstand die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen erlaubt, wird die Möglichkeit zum Abschluss von Arrangements eröffnet, die implizite Vereinbarungen mit Ressourcengebern der Unternehmung beinhalten. Das in der Publikumsaktiengesellschaft typischerweise bestehende „Kontrolldefizit“ schirmt die Unternehmensführung dabei von einer aktionärsseitigen Einflussnahme weitgehend ab 105 Anders jedoch die Tendenz in der jüngeren Rechtsprechung des Chancery Court, etwa in Chesapeake Corp. v. Shore, 771 A.2d 293, 329 (Del.Ch.2000), vgl. dazu oben C. I. 3. c) aa). 106 Die Ansicht des Delaware Supreme Court, dass dem Zielvorstand hinsichtlich des wahren Unternehmenswertes und damit der Angemessenheit des Angebotspreises ein weiter Beurteilungsspielraum gebührt, hat seinen Ausdruck insbesondere in den Entscheidungen Paramount Communications Inc. v. Time Inc., 571 A.2d 1140 (Del. Supr.1989) und Unitrin, Inc. v. American General Corp., 651 A.2d 1361 (Del.Supr. 1995) gefunden, vgl. oben C. I. 3. d) aa). 107 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946 (Del.Supr.1985). 108 Der Unocal-board reagierte auf die first-tier offer von Mesa in Höhe von $ 52 mit einem Rückkaufpreis von $ 72 je Aktie, wobei der tatsächliche Unternehmenswert nach Einschätzung der von Unocal beauftragten Investmentbanker knapp $ 60 je Aktie betragen haben soll, vgl. oben C. I. 3. a) aa). 109 Vgl. dazu Gevurtz (2000), S. 697 f. und Herkenroth (1994), S. 174.

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D. Rechtspolitische Überlegungen

und kann hierdurch das notwendige Vertrauen in die Stabilität der Austauschbeziehung schaffen. Vor diesem Hintergrund lassen sich die durch eine diffuse Anteilsstruktur bedingten Kollektivhandlungsprobleme gleichsam als ein precommitment der Anteilseigner auffassen, das den Verzicht auf opportunistisches Verhalten zu signalisieren vermag110. Öffentliche Übernahmeangebote bieten jedoch eine schnelle und relativ kostengünstige Möglichkeit, um eine Konzentration der Anteilsstruktur und damit eine erhebliche Verschiebung der Machtverhältnisse in der Aktiengesellschaft herbeizuführen. Wie das empirische Untersuchungsmaterial aufgezeigt hat, gehen Übernahmen nicht selten mit einer Umverteilung zu Lasten impliziter Ansprüche der Arbeitnehmer einher111. Die Gefahr eines breach of trust durch feindliche Kontrollwechsel droht die Realisierungschancen von ex ante vorteilhaften Vereinbarungen zu schmälern, die geeignet sind, das der Teamproduktion innewohnende Shirking-Problem zu mindern und Anreize zur Vornahme beziehungsspezifischer Investitionen zu geben. Ein autonomer Handlungsspielraum der Unternehmensleitung in der Übernahmesituation bietet demgegenüber die Möglichkeit, ein entsprechendes precommitment der Aktionäre abzusichern und ein Unterlaufen impliziter Vereinbarungen zu verhindern. Erst durch eine eigenständige „Abwehrkompetenz“ wird die Unternehmensleitung in die Lage versetzt, den Ressourcengebern die künftige Beachtung der gerichtlich nicht durchsetzbaren Ansprüche glaubhaft zu versichern, da sich andernfalls die Gefahr einer Intervention durch Dritte, die das inhärente hold up-Problem ausnutzen könnten, nicht in hinreichendem Maße ausschließen ließe. Auf der anderen Seite birgt ein Abwehrermessen des Zielvorstands jedoch die Gefahr des Missbrauchs zu eigennützigen Zwecken112. Weil dessen Mitgliedern nicht selten ein Arbeitsplatzverlust infolge des Kontrollwechsels droht, ist der Interessenkonflikt dabei gegenüber der „normalen“ verbandsrechtlichen Konstellation durchaus als „qualifiziert“ anzusehen113. Dennoch vermag ein in der Übernahmesituation anzunehmendes Missbrauchspotential keinen vollständigen Kompetenzentzug des Vorstands zu rechtfertigen, wie er von Verfechtern eines Vereitelungsverbots gefordert wird. Denn zum einen hat eine vermeintlich positive Allokationswirkung des „Markts für Unternehmenskontrolle“ in der empirischen Forschung bislang keine ausreichende Stütze erfahren114, als dass hierdurch ein Abweichen von der deutschen Unternehmensverfassung und ihrem prinzipiell vorzugswürdigen Stakeholder110 Vgl. dazu Falaschetti (2002), S. 160 ff.; siehe auch Bainbridge (2002), S. 687 ff. („dead hand pills as a precommitment strategy“); Kahn/Rock (2003), S. 516 ff. 111 Vgl. oben D. I. 3. 112 Vgl. dazu Kirchner/Painter (2002), S. 467. 113 So auch Bebchuk (2002), S. 995; vgl. ferner Winter/Harbarth (2002), S. 9 f.; Ekkenga (2003), Rn. 58; Schlitt (2004), Rn. 44. 114 Siehe oben D. I. 2.; vgl. auch Bainbridge (2002), S. 717.

II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen

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Modell115 gerechtfertigt erschiene. Die Untersuchungen haben vielmehr gezeigt, dass durch ein Abwehrermessen des Vorstands neben der Absicherung von Stakeholder-Ansprüchen auch eine Stärkung der Verhandlungsmacht im kurzfristigen Aktionärssinne erreicht werden kann116. Zudem ist zu bedenken, dass die Abwehrentscheidung der Zielverwaltung nicht bereits dann eine unzulässige Eigenbereicherung darstellt, wenn den Aktionären ein lukrativer Verkauf ihrer Anteile vorenthalten wird. Aufgrund der insbesondere mit der Belegschaft bestehenden Interessenskongruenz als „Humankapitalgeber des Unternehmens“, dürfte das Management in einer Vielzahl von Fällen nicht der alleinige Nutznießer eines gescheiterten Übernahmeversuchs sein, auch wenn das Leitmotiv seines Handelns der Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes gewesen sein sollte. Vor diesem Hintergrund gebührt dem US-amerikanischen Regelungsansatz, der auch in der Übernahmesituation die Leitungskompetenz der Unternehmensführung anerkennt, diese jedoch einem gesteigerten Sorgfaltspflichtmaßstab unterwirft, prinzipiell der Vorzug. Gerade in der für das Schicksal der Gesellschaft so entscheidenden Phase eines Übernahmengebots bildet dementsprechend das Interesse des Unternehmens – und nicht wie im britischen Regelungsansatz allein das kurzfristige Veräußerungsinteresse der Aktionäre – den Maßstab für unternehmerisches Handeln. Eine andere übernahmerechtliche Grundkonzeption wäre insbesondere mit dem deutschen Corporate Governance Modell nicht kompatibel, in dem der Unternehmensleitung nicht zuletzt aufgrund der interessenpluralistischen Handlungsmaxime und der gesetzlichen Mitbestimmung eher die Funktion eines mediating hierarch zuteil wird als die eines auf Partikularinteressen verpflichteten Agenten117. Die Entscheidung des WpÜG-Gesetzgebers, die Fortgeltung der verbandsrechtlichen Leitmaxime in der Übernahmesituation (§ 3 Abs. 3) anzuordnen und den Leitungsorganen eine Vereitelungskompetenz zu belassen (§ 33 Abs. 1 Satz 2), verdient daher im Grundsatz Zustimmung. Dem besonderen Interessenkonflikt des Zielvorstands in der Übernahmesituation versucht das WpÜG ausschließlich durch eine Beschränkung seines autonomen Handlungsspielraums Rechnung zu tragen, indem angebotsbedingte Vereitelungsmaßnahmen grundsätzlich einer Zustimmung durch den Aufsichtsrats unterworfen werden (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3). Die „Abwehrkompetenz“ verbleibt damit bei der Zielverwaltung, die im Einvernehmen beider Leitungsorgane über den aktienrechtlich eingeräumten Handlungsrahmen auch in der Übernahmeauseinandersetzung verfügen kann. Da auch den Aufsichtsratsmit115

Siehe oben A. V. 3. Siehe oben D. I. 1. 117 Zu Recht weist Kirchner (2000b), S. 1829 daraufhin, dass der Diskussionentwurf eines Übernahmegesetzes aus dem Jahr 2000, der eine strikte Neutralitätspflicht für den Zielvorstand vorgesehen hatte, zu einem Konflikt mit dessen gesellschaftsrechtlicher Pflichtenlage geführt hätte. 116

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D. Rechtspolitische Überlegungen

gliedern der Verlust ihrer Organstellung im Falle eines erfolgreichen Übernahmeangebots droht, bleibt zwar ein potentieller Interessenkonflikt bestehen. Zu beachten ist jedoch, dass dieser beim Aufsichtsrat aufgrund der nach wie vor großen Unterschiede in der Vergütung und des geringeren Zeitaufwands der Aufsichtsratstätigkeit weit weniger stark ausgeprägt ist. Nicht übersehen werden darf ferner, dass dieses Ergebnis letztlich Ausfluss einer gebotenen Anerkennung mehrer Prinzipale in der Corporate Governance ist118, die denknotwendig nur eine second-best solution des Überwachungsproblems erlaubt119. Statt auf die zweifelhafte Wirkung einer externen Kontrolle durch einen aktiven Übernahmemarkt zu setzen, gilt es vielmehr, auf eine Verbesserung der internen Kontrollinstrumente in der Aktiengesellschaft hinzuwirken. Auf Basis der gesetzgeberischen Grundentscheidung im WpÜG, dem Aufsichtsrat eine zentrale Rolle in der Übernahmesituation zuzuweisen, besteht jedoch ein gesteigertes Bedürfnis, dessen Effektivität als Überwachungsorgan im Interesse des Unternehmens zu stärken. Vor diesem Hintergrund sind jüngste Reformbemühungen hinsichtlich der Corporate Governance von Aktiengesellschaften ausdrücklich zu begrüßen. Zu nennen ist hierbei insbesondere das zum 01.11.2005 in Kraft getretene Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), welches durch erleichterte Klagemöglichkeiten das Haftungsrisiko der Organmitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand erhöht und diese zu einer verstärkten Überwachungstätigkeit anhalten dürfte120. Auch die Änderung des Corporate Governance Kodex vom 02.06.2005 zielte auf eine Verbesserung der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ab, indem die Unabhängigkeit seiner Mitglieder gestärkt und hierfür erstmals Kriterien formuliert wurden121. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang schließlich auch die Einschränkung von aktienkursorientierten Vergütungen für Aufsichtsratsmitglie118

Vgl. Kirchner (2000b), S. 1824 ff. Vgl. Blair/Stout (1999), S. 255. 120 Nunmehr ist für die Erzwingung der Einleitung eines Klageverfahrens durch die Gesellschaft ein Aktienkapital ausreichend, das 1 % des Grundkapitals oder einen Börsenwert von 100.000 e repräsentiert. Zu Vermeidung von missbräuchlichen Schadensersatzklagen ist jetzt in § 148 AktG ein besonders Klagezulassungsverfahren vorgesehen. Näher Paal (2005), S. 426 ff. 121 Vgl. Ziff. 5.4.2 DCGK. Danach ist ein Aufsichtsratsmitglied als unabhängig zu betrachten, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründet. Ferner empfiehlt der Kodex nun, dass der Wechsel des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsratsvorsitz oder den Vorsitz eines Aufsichtsratsausschusses nicht die Regel sein soll (Ziff. 5.4.4). Eine entsprechende Absicht soll in der Hauptversammlung besonders begründet werden. Weiter wird empfohlen, dass Wahlen zum Aufsichtsrat als Einzelwahlen durchgeführt werden sollen. Außerdem sollen Kandidatenvorschläge für den Aufsichtsratsvorsitz den Aktionären bekannt gegeben werden (Ziff. 5.4.3). Zu den Änderungen des Kodex siehe auch die Darstellung bei Hüffer (2005), S. 637 ff. 119

II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen

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der durch die neuere Rechtsprechung des BGH122. Denn es widerspräche der Rolle eines auf das Unternehmensinteresse verpflichteten mediating hierach, wenn sich dessen Vergütung statt am Gewinn des gesamten Teams an der Faktorentlohnung eines einzelnen Ressourcengebers orientieren würde. 3. Die EG-Übernahmerichtlinie und deren Umsetzung in deutsches Recht Obwohl vielfach als Kompromissformel gescholten123, ist die EG-Übernahmerichtlinie im Vergleich zu den übrigen in der fast dreißigjährigen Diskussion um eine europäische Regelung vorgelegten Entwürfen durchaus als positiv zu bewerten124. Dies gilt vor allem deshalb, weil die verbindliche Vorgabe einer strikten Neutralitätspflicht, wie sie noch im Vorschlag der EU-Kommission vom 02.10.2002 vorgesehen war125, auf Druck zahlreicher Mitgliedsstaaten fallengelassen wurde. Sofern der einzelne Mitgliedsstaat von der nunmehr eingeräumten Möglichkeit des opt out bezüglich der Neutralitätspflicht und Durchbrechungsregel (Art. 12 Abs. 1 Ü-RiLi) Gebrauch macht, eröffnet sich auf Gesellschaftsebene eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Handlungsrahmen in der Übernahmesituation. Diese Flexibilität ist angesichts des Umstands, dass der Grad an spezifische Investitionen der Ressourcengeber zwischen den verschiedenen Unternehmungen variiert und demgemäß kein einheitliches Schutzbedürfnis für Stakeholder besteht126, im Grundsatz zu begrüßen127. Bedenken ergeben sich jedoch daraus, dass der Schutz vor feindlichen Übernahmen damit zur Disposition der Aktionäre gestellt wird. Der Aufsichtsrat könnte hierdurch in seiner Rolle als zentrales Überwachungsorgan in der Übernahmesituation entwertet und die Vereinbarung von impliziten Stakeholder-Ansprüchen aufgrund der dadurch steigenden Gefahr eines breach of trust erschwert werden. Von diesem Standpunkt aus ist die relativ hohe Hürde eines satzungsmäßigen Beschlusses als Voraussetzung für das opt in einer Neutralitätspflicht positiv zu bewerten. Durch die opt out-Möglichkeit, von der zahlreiche Mitgliedsstaaten Gebrauch machen dürften, wird zwar das Ziel einer Vereinheitlichung des Binnenmarktes 122 Aktz.: II ZR 316/02 (veröffentlicht in: ZIP 2004, 613). Vgl. dazu auch Meyer/ Ludwig (2004), S. 940 ff. 123 Kritisch etwa Kann/Just (2006), S. 330; Merkt (2006), S. 4 ff.; Kindler/Horstmann (2004), S. 873; vgl. auch Liekefett (2004), S. 835 f. 124 Zur Entstehungsgeschichte der EU-Übernahmerichtlinie siehe Schlitt (2004), Rn. 13 ff. 125 ABl. EG Nr. CH 5 E, S. 1 ff., abgedruckt in: ZIP 2002, 1863 ff. 126 Vgl. Williamson (1985), S. 245 ff. und oben A. II. 4. b). 127 Dies gilt auch vom Standpunkt einer allein auf die Maßgeblichkeit der Aktionärsinteressen abstellenden Leitungsmaxime, da sich Abwehrmöglichkeiten der Zielverwaltung durchaus positiv auf die Übernahmeprämie auswirken können, vgl. oben D. I. 2.

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D. Rechtspolitische Überlegungen

durch die Förderung grenzüberschreitender Fusionen verfehlt128. Auch wenn die Herstellung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen in Europa eine unterstützenswerte Zielsetzung darstellt, sollte diese nicht um den Preis eines ökonomisch bedenklichen Eingriffs in die Corporate Governance von Aktiengesellschaften verwirklicht werden129. Dass der deutsche Gesetzgeber in vollem Umfang von der opt out-Möglichkeit des Art. 12 Abs. 1 Ü-RiLi Gebrauch gemacht hat, ist uneingeschränkt zu begrüßen130. 4. Änderungsvorschläge zum WpÜG Da die gesetzgeberische Entscheidung gegen eine „Abwehrkompetenz“ der Hauptversammlung und für eine stärkere Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats – auch in Anbetracht seiner insgesamt verbesserungswürdigen Überwachungseffizienz – Beifall verdient, ist ein wesentlicher Änderungsbedarf im WpÜG nicht auszumachen. Zu überlegen bliebe allerdings, das Instrument der Vorratsermächtigung nach § 33 Absatz 2 WpÜG auszubauen. In der Unternehmenspraxis sind derartige Beschlüsse der Hauptversammlung bislang weitgehend bedeutungslos geblieben. Vielfach wird vertreten, dass Vorratsermächtigungen tendenziell zu Kursverlusten führen und damit Übernahmen im Ergebnis sogar erleichtern würden131. Eine Reduzierung der „Übernahmephantasie“ durch Vorratsermächtigungen stellt jedoch nur ein mögliches Szenario dar. Denkbar ist auch, dass dem Kapitalmarkt durch Vorratsermächtigungen erst ein bevorstehendes Übernahmeangebot oder eine Unterbewertung der Zielgesellschaft signalisiert wird. Durch die Bekräftigung der Abwehrbereitschaft kann ein potentieller Bieter zudem zur Abgabe eines höheren Angebots veranlasst werden. Wie auch die empirischen Kapitalmarktstudien gezeigt haben, sind die möglichen Kurseffekte von präventiven Abwehrmaßnahmen komplex und daher im Einzelfall schwer zu prognostizieren132. Ein Grund für die praktische Bedeutungslosigkeit von Vorratsermächtigungen dürfte demnach eher in der Auslegung des § 33 Abs. 2 WpÜG durch die herrschende Literaturmeinung zu finden sein, wonach die Norm weder eine Delegation sämtlicher Hauptversammlungskompetenzen erlaube133 noch eine Sperrwir-

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Kritisch zur opt out-Möglichkeit daher Merkt (2006), S. 23. Ähnlich Kirchner (1999), S. 485. 130 A. A. Merkt (2006), S. 13, der eine ersatzlose Streichung von § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 und Abs. 2 WpÜG befürwortet. 131 Schlitt (2004), Rn. 42; Hirte (2003), Rn. 24; Grunewald (2004), Rn. 59; vgl. auch Liekefett (2004), S. 835 f.; differenzierend Kirchner (1999), S. 488. 132 Coates (2000), S. 299; differenzierend auch Kirchner (1999), S. 488. 133 Nach h. M. soll § 33 Abs. 2 WpÜG keine eigenständige Delegationsmöglichkeit schaffen, sondern deren aktienrechltiche Existenz voraussetzen, vgl. oben B. III. 7. 129

II. Schlussfolgerungen für den angemessenen Handlungsrahmen

213

kung in Bezug auf „aktienrechtliche“ Ermächtigungen entfalte134. Kann eine entsprechende Ermächtigung aber bereits nach anderen Rechtsvorschriften erteilt werden, ist ein Bedürfnis, diese nach Maßgabe des § 33 Abs. 2 zu fassen, regelmäßig zu verneinen, zumal derartige Beschlüsse gemäß Satz 2 höchstens für den Zeitraum von 18 Monaten gelten würden. In der Literatur wird darüber hinaus die ökonomische Sinnhaftigkeit von Vorratsermächtigungen unter Hinweis darauf bezweifelt, dass sich die Aktionäre damit der Möglichkeit berauben würden, in Kenntnis der konkreten Angebotsbedingungen zu entscheiden135. Nicht in Betracht gezogen wird dabei jedoch, dass die „Selbstentmachtung der Aktionäre“ auch Teil einer precommitmentStrategie sein kann, die das Ziel verfolgt, den übrigen Ressourcengebern die Sorge vor einem breach of trust zu nehmen und dadurch Anreize für spezifische Investitionen zu setzen. Angesichts ihrer kurzen Geltungsdauer, die einen neuerlichen Beschluss auf praktisch jeder Jahreshauptversammlung erforderlich machen würde, bieten Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG derzeit jedoch kein praktikables Instrument für eine derartige precommitment-Strategie. Wünschenswert wäre daher eine deutliche Verlängerung der maximalen Geltungsdauer von Vorratsermächtigungen136. Europarechtliche Vorgaben würden dem nicht entgegenstehen, da sich die 18-monatige Höchstfrist in Art. 12 Abs. 5 Ü-RiLi nur auf Beschlüsse bezieht, mit denen ein opt in der Neutralitätspflicht unter den Vorbehalt der Reziprozität gestellt werden soll137. Hingegen werden Vorratsermächtigungen, die sich an einen Vorstand richten, der in Ermangelung eines opt in-Beschlusses gemäß § 33a Abs. 1 WpÜG grundsätzlich keiner Neutralitätspflicht unterliegt, dem eindeutigen Wortlaut nach nicht erfasst138.

134

Siehe dazu oben B. III. 6. Steinmeyer (2007), Rn. 40; siehe auch Hirte (2003), Rn. 24 und Grunewald (2004), Rn. 69, die insoweit von einer „Selbstentmündigung“ der Hauptversammlung sprechen. 136 Auch im Gesetzgebungsverfahren zum WpÜG wurde eine Verlängerung der Frist des § 33 Abs. 2 Satz 2 WpÜG diskutiert. Entsprechende Anregungen der CDU/ CSU-Fraktion bzw. des Bundesrats wurden jedoch nicht aufgenommen, vgl. BTDrucks. 14/7477 S. 50 f. und BR-Drucks. 574/1/01 S. 6. 137 Art. 12 Abs. 3 Ü-RiLi, § 33c WpÜG. 138 Art. 12 Abs. 5 Ü-RiLi bezieht sich ausdrücklich auf „Maßnahmen, die in Anwendung des Absatz 3 durchgeführt werden sollen“. Art. 12 Absatz 3 Ü-RiLi regelt aber lediglich die jetzt in § 33c WpÜG vorgesehene Möglichkeit, dass die Hauptversammlung den Zielvorstand von der Anwendung des Vereitelungsverbots (§ 33a Abs. 2 WpÜG) bzw. der Durchbrechungsregel (§ 33b WpÜG) befreit. Unzutreffend insofern die gemeinsame Stellungnahme von BDI, BDA, DIHK und GDV zum Regierungsentwurf eines Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 17.03.2006, in der die Verlängerung der Frist des § 33c Abs. 3 WpÜG unter Hinweis darauf gefordert wird, Art. 12 Abs. 5 Ü-RiLi erfasse lediglich Vorratsbeschlüsse, a. a. O. S. 3. Die Stellungnahme ist abrufbar unter: http://www.bundestag.de/ausschuesse/a07/anhoerungen/016/ Stellungnahmen/index.html. 135

214

D. Rechtspolitische Überlegungen

Im Sinne einer höheren Flexibilität sollten zudem Vorratsermächtigungen nach § 33 Abs. 2 WpÜG auch hinsichtlich solcher Hauptversammlungskompetenzen zulässig sein, die nicht bereits aufgrund aktienrechtlicher Vorschriften an den Vorstand übertragen werden können. Da eine dementsprechende Interpretation der Norm, die offensichtlich dem gesetzgeberischen Willen entsprach, von der herrschenden Literaturansicht jedoch abgelehnt wird139, wäre insoweit auch eine klarstellende Änderung des § 33 Abs. 2 WpÜG zu empfehlen.

139

Siehe oben B. III. 7.

E. Ergebnis der Arbeit Die Modellierung der Aktiengesellschaft als eine Prinzipal-Agenten Beziehung zwischen den Anteilseignern und der Unternehmensleitung greift zu kurz. Sie lässt unberücksichtigt, dass auch andere Ressourcengeber des Unternehmens, insbesondere die Arbeitnehmer, beziehungsspezifische Investitionen leisten und demzufolge auf den Schutz durch Mechanismen der Corporate Governance angewiesen sind. Der Zweck der unternehmensinternen Kontroll- und Überwachungsstruktur kann sich daher nicht darauf beschränken, das von Alchian/Demsetz (1972) formulierte „Messproblem“ hinsichtlich des Arbeitsinputs zu lösen. Vielmehr ist die Aufgabe des Unternehmens darin zu sehen, den verschiedenen Teammitgliedern optimale Anreize zur Vornahme beziehungsspezifischer Investitionen zu geben. Dem entspricht eine governance structure, die den Austauschpartnern die Vereinbarung und Durchsetzung impliziter Ansprüche ermöglicht. Das hierzu notwendige Vertrauen in die Stabilität der Austauschbeziehung und die angemessene Teilhabe am Teamoutput lässt sich dadurch erreichen, dass die Unternehmensleitung als Mediator der unterschiedlichen Anspruchsgruppen fungiert, anstatt sich als Treuhänder eines einzelnen Ressourcengebers zu verstehen. Die Festlegung, welche Interessen in der Unternehmenspolitik maßgebliche Berücksichtigung finden sollen, ist auf Grundlage von Abwanderungskosten der einzelnen Ressourcengeber zu treffen, und zwar unabhängig davon, ob diese dem Unternehmen Human- oder Finanzkapital zur Verfügung stellen. Auch Arbeitnehmern steht ein kostenloser exit regelmäßig nicht zur Verfügung. Die Ursache hierfür muss nicht allein in der Existenz spezifischer Qualifikationen liegen, sondern kann ebenfalls auf einem temporären „Lohnverzicht“ etwa in Form einer Senioritätsentlohnung beruhen. Der Arbeitnehmer kann hierdurch glaubhaft versichern, dass er seinen Informationsvorsprung in Bezug auf den tatsächlichen Arbeitsinput nicht ausnutzen wird. Hat diese Form eines bonding der Arbeitnehmer, aber auch die Relevanz von spezifischem Humankapital eine empirische Bestätigung gefunden, lässt sich eine zielmonistische Leitmaxime, die das Aktionärsinteresse zur alleinigen Richtschnur für unternehmerische Entscheidungen erhebt, nicht mehr rechtfertigen. Um der Unternehmensführung die Verfolgung einer interessenpluralistischen Leitmaxime zu ermöglichen, ist eine Begrenzung der aktionärsseitigen Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik erforderlich. Da hierdurch die Verwirklichung eines optimalen Investitionsniveaus der übrigen Ressourcengeber gefördert wird, kann eine Machtbegrenzung ex ante sogar im eigenen Interesse der

216

E. Ergebnis der Arbeit

Aktionäre liegen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das in der Publikumsaktiengesellschaft anzutreffenden Kontrolldefizit auch als ein precommitment der Anteilseigner verstehen, das den Verzicht auf opportunistisches Verhalten zu signalisieren vermag. Dieses Signal erscheint umso glaubhafter, je kostspieliger eine Konzentration der Anteilsstruktur ist, in deren Folge sich die realen Machtverhältnisse in der Aktiengesellschaft erheblich verschieben würden. Mit der Möglichkeit öffentlicher Übernahmeangebote existiert jedoch ein Mechanismus zur schnellen und wirksamen „Überwindung“ des Kontrolldefizits. Wie das empirische Untersuchungsmaterial aufgezeigt hat, gehen feindliche Übernahmen nicht selten mit einer Umverteilung zu Lasten impliziter Ansprüche der Arbeitnehmer einher, während sich eine positive Allokationswirkung zum Nutzen des gesamten Produktionsteams nicht bestätigt hat. Auch wenn die Aktionäre im Zuge von feindlichen Übernahmen Umverteilungsgewinne erzielen, kann ein breach of trust letztlich nicht in ihrem Interesse liegen, da hierdurch die Realisierungschancen von ex ante vorteilhaften Vereinbarungen langfristig geschmälert werden. Vor diesem Hintergrund begegnet eine Neutralitätspflicht der Zielverwaltung, wie sie der EG-Übernahmerichtlinie als Regelungsidee zugrunde liegt, prinzipiellen Einwänden. Vorzugswürdig erscheint vielmehr der ebenfalls vom Delaware Supreme Court favorisierte Ansatz, der Zielverwaltung in der Übernahmesituation autonome Handlungsmöglichkeiten zu belassen, damit diese ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Unternehmensinteresses gerade in einer für das weitere Schicksal der Gesellschaft entscheidenden Phase gerecht werden kann. Erst durch eine eigenständige „Abwehrkompetenz“ wird die Unternehmensleitung in die Lage versetzt, den Ressourcengebern eine künftige Beachtung ihrer gerichtlich nicht durchsetzbaren Ansprüche glaubhaft zu versichern, da sich andernfalls die Gefahr einer Intervention durch Dritte nicht in hinreichendem Maße ausschließen ließe. Die Entscheidung des WpÜG-Gesetzgebers, in der Übernahmesituation die interessenpluralistische Leitmaxime des Aktienrechts fortgelten zu lassen und auf eine Abwehrkompetenz der Hauptversammlung zu verzichten, verdient daher im Grundsatz Zustimmung. Empfehlenswert – und auf nationaler Ebene auch umsetzbar – erscheint jedoch eine Ausweitung des Instruments der Vorratsermächtigungen durch eine entsprechende Änderung des § 33 Abs. 2 WpÜG. Nach dem hier gefundenen Ergebnis sprechen gute Gründe dafür, dass Aktiengesellschaften auf ein opt in der europarechtlich als Regelfall vorgesehenen Neutralitätspflicht verzichten sollten. Dem Gesetzgeber sei Dank, dass er vom diesbezüglichen Anwendungswahlrecht Gebrauch gemacht und den Unternehmen damit eine flexible Entscheidung hinsichtlich des übernahmespezifischen Handlungsrahmens ermöglicht hat.

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Sachverzeichnis Abwehrermächtigung 108 f., 112 f., 117 Abwehrermessen 207 ff. Abwehrhauptversammlung 121 Abwehrkompetenz 24 ff., 91, 95, 106 f., 113, 115, 117, 148, 163, 167, 169, 208 f., 212, 216 Agenturkosten (agency costs) 19, 21 ff., 25 f., 50 f., 173, 186, 192 f. Aktiengesellschaft, Prinzipal-AgentenBetrachtung 19, 88 Aktienrückkauf 108, 110. 114 f., 136 ff., 145 f., 148, 178, 180 Angebotsbedingte Vereitelungsmaßnahmen 102, 123, 209 Annahmedruck (pressure to tender) 183, 189 annual meeting 129, 177, 189 „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung 100, 104 Arbeitsinput 38 f., 60 f., 63, 71, 78, 215 articles of association 178, 190, 192 Aufsichtsrat 21, 79 ff., 84, 93 ff., 100, 102 ff., 111, 113, 117, 121, 123 f., 182, 209 ff. Auktionsmodus 140 f., 160 (siehe auch Revlon-Maßstab) Ausblendungslösung (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WpÜG) 97 f. bargaining power-These 186 f. Beschäftigungsabbau 196 ff., 202 f. Beteiligungsveräußerungen 115 f. Betriebsseniorität 66, 69, 71 Bezugsrechtsausschluss 108 ff., 125 Bieterpflichten 183 f. Blasius-Rechtsprechung 129, 148, 151 f., 154, 167 Blasius-Standard 148 ff.

board knows best-Doktrin 154, 156, 159, 161, 157 f., 207 board of directors 18, 40, 48, 51 ff., 127, 141, 164 f., 168 f., 177, 180 f. bonding (der Arbeitnehmer) 64, 78, 215 breach of trust 208, 211, 213, 216 (siehe auch Bruch impliziter Ansprüche) breach of trust-These 18, 23 ff., 186, 195 ff., 203 Bruch impliziter Ansprüche 198, 204 (siehe auch breach of trust) Business Judgment Rule 127 ff., 131, 138, 147, 155, 172, 182 bylaws 126 f., 130, 132, 149 f., 153, 162 ff. Carmody-Entscheidung 152 f. (siehe auch Delaware Chancery Court) certificate of incorporation 153, 163 ff., 178 Chesapeake-Entscheidung 159, 168 (siehe auch Delaware Chancery Court) City Code on Takeovers and Mergers 179 f. Companies Act 1985 176, 181 Companies Act 2006 177, 180 continuing director provision 148, 168 (siehe auch dead hand pill sowie slow hand pill) cumulative abnormal returns (CARs) 185 dead hand pill 134, 150 f., 153 (siehe auch continuing director provision) deal protections 143, 159, 173 f. Delaware Chancery Court – Blasius Industries, Inc. v. Atlas Corp 130 (siehe auch Blasius-Rechtsprechung)

Sachverzeichnis – Carmody v. Toll Brothers, Inc. 150 (siehe auch Carmody-Entscheidung) – Chesapeake Corp. v. Shore 149, 157, 167 (siehe auch Chesapeake-Entscheidung) – City Capital Ltd. v. Interco, Inc. siehe Interco-Entscheidung – Grand Metropolitan PLC v. Pillsbury Co. 161 – Mentor Graphics Corp. v. Quickturn Design Systems, Inc. 151 Delaware General Corporation Law (DGCL) 125 Delaware Supreme Court – Account v. Hilton Hotels Corp. 135, 164 – Moran v. Household International, Inc. 134 (siehe auch Moran-Entscheidung) – Omnicare, Inc. v. NCS Healthcare, Inc. 173 (siehe auch Omnicare-Entscheidung) – Paramount Communications Inc. v. Time Inc. 142 f. (siehe auch TimeEntscheidung) – Paramount Communications Inc. v. QVC Network Inc. 143 – Quickturn Design Systems, Inc. v. Shapiro 151 (siehe auch QuickturnEntscheidung) – Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. 139 (siehe auch Revlon-Entscheidung) – Unitrin, Inc. v. American General Corp. 145, 188 (siehe auch UnitrinEntscheidung) – Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co. 136 (siehe auch Unocal-Entscheidung) Delegationsbefugnis, umfassende (§ 33 Abs. 2 WpÜG) 112 ff., 117 director primacy-Ansatz 55 ff. Disziplinierungsthese 24 f., 186, 192 (siehe auch Kontrollmarkt-These) Durchbrechungsregel 118, 120 ff., 124, 211 duty of care 127

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duty of loyalty 127 f. Effizienzlöhne 65 f., 71 ff. Effizienzlohn-Theorie 61, 64 f., 71, 73 f. EG-Übernahmerichtlinie 17 f., 118, 123, 211, 216 Eigentumsgarantie, verfassungsrechtliche 106 empire building 185 empire building-These 25 enlightened shareholder value 176, 181 entire fairness-Maßstab 127 f., 130 f., 138, 150 entrenchment 50, 172 event studies 185 exit-Option 37, 41, 45 Ex post-Opportunismus 33, 42, 204 fair price provision 189 Faktorentlohnung 64, 211 feindliche Übernahme 18 f., 23 ff., 111, 171, 186, 189 ff., 211, 216 fiduciary-out clause 174 genehmigtes Kapital 109 ff., 114, 180 gestaffelte Amtszeiten (staggered terms) 129, 148, 178, 189 ff. (siehe auch staggered boards) Gleichbehandlungsgebot 89 golden parachutes 103 governance structure 33 f., 37, 40, 54, 77 f., 192, 215 Handlungsermessen 100, 104 hold up 33 ff., 45 ff., 51, 60, 62, 65 f., 77, 208 „Holzmüller“-Kompetenz 90, 115 f. Humankapital-Theorie 61, 66, 75, 193 Hybris-These 25 implizite Ansprüche 26, 59, 197, 203 independent director 53, 179 (siehe auch outside director)

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Sachverzeichnis

Informationsineffizienz-These 24 ff. Interco-Entscheidung 158, 160, 168 (siehe auch Delaware Chancery Court) Interessenkonflikt 19, 93, 100, 102 f., 127, 138, 157, 174, 181 f., 184, 208 ff. interessenpluralistische Leitmaxime 18, 27, 83, 88, 102, 216 IPO-Studien 192 f. Kapitalerhöhung 21, 89, 108, 110, 112, 117, 120 Kollektivhandlungsproblem 19, 22, 136, 144, 206, 208 Kontrolldefizit 21, 24, 207, 216 Kontrollmarkt-Konzept 19, 170, 184 (siehe auch Kontrollmarkt-These) Kontrollmarkt-These 18, 22 f., 26 f., 172 f., 194 (siehe auch Disziplinierungsthese) Kontrollprämie 23 f., 90, 107, 144, 157, 162, 173, 199, 202 Kontrollwechsel 144, 171 ff., 195 f., 198 f., 202 ff., 206, 208 Leitungsermessen 83, 86, 88, 89, 100, 107, 117, 207 Leitungskompetenz 86, 91, 127, 135, 137, 151, 153 f., 156, 163 f., 167 f., 173, 187, 209 level playing field 120 lock up-option 139 f., 142 Lohnverzicht 24, 64 f., 76 f., 215 „Macrotron“-Entscheidung 107 Markt für Unternehmenskontrolle 22, 25, 91, 170 f., 186, 193, 195, 208 Marktmacht-These 24 f. mediating hierarchy-Ansatz 48 ff., 54 f. Messproblem 29, 37 ff., 60, 215 Mitbestimmungsurteil 83, 107 Mitbestimmungsgesetz 80 f. Monitoring 30, 32, 39, 70 f. Moran-Entscheidung 134, 135, 151, 164 (siehe auch Delaware Supreme Court)

Neutralitätspflicht 17 f., 84 ff., 94, 109, 111, 118, 122, 181, 184, 211, 213, 216 (siehe auch Vereitelungsverbot) Omnicare-Entscheidung 175 f. (siehe auch Delaware Supreme Court) opportunistisches Verhalten 24, 33 f., 208, 216 Opportunitätskosten 43 ff. Opportunitätslohn 39, 60, 62 ff. opt in 17, 118, 122, 124, 211, 213, 216 Optionsmodell 118, 122 opt out 17, 118, 122 ff., 211 f. outside director 138, 182 (siehe auch independent director) Paramount-Entscheidungen 142 (siehe auch Delaware Supreme Court) Paramount v. QVC-Entscheidung 173 (siehe auch Delaware Supreme Court) Pensionspläne 198 f., 202, 204 pill studies 187 f., 194 poison pill 131 ff., 139 f., 143, 145, 148 ff., 162, 164 f., 168, 178, 183, 187 ff., 194, 197 precommitment 208, 213, 216 Prinzipal-Agenten-Sicht der Unternehmung 31, 55, 131, 167 proxy contest 129 f., 133 ff., 146 ff., 158, 168, 189 (siehe auch Stimmrechtskampf) Quasi-Renten 33 f., 38, 40, 44 ff., 60 ff., 66 Quickturn-Entscheidung 164 (siehe auch Delaware Supreme Court) Regierungsentwurf (WpÜG) 94, 102, 103, 109, 113 ff. rent seeking 44, 48, 50 f., 57, 61 f., 78 Residualanspruch 30, 32, 39 Residualrisiko 33 Residuum 26, 73

Sachverzeichnis Revlon-Entscheidung 139, 141 f., 160, 171 (siehe auch Delaware Supreme Court) Revlon-Maßstab 142 ff., 171 ff. (siehe auch Auktionsmodus) Satzungsstrenge 125 Senioritätsentlohnung 70, 74, 215 (siehe auch Theorie der nachgelagerten Entlohnung) Senioritätslöhne 67 f., 70, 75, 204 shareholder choice 58, 154 ff., 159 f., 162, 167, 173, 175 f., 181 shareholder primacy 27 f., 38 ff., 47, 49 f., 55 ff., 169 shareholder rights bylaws 161 f., 165 ff. shark repellent 188 f. shirking-Problem 39, 53 f., 61, 63, 65, 74, 76, 208 slow hand pill 150 ff., 164, 168 (siehe auch continuing director provision) spezifische Investitionen 34, 42, 45 f., 48, 51, 54, 60, 76, 211, 213, 215 staggered boards 129, 189, 191 f. (siehe auch gestaffelte Amtszeiten) Stakeholder-Ansatz 27, 40, 60 Stimmrechtskampf 130, 150 (siehe auch proxy contest) structural coercion 154, 159 substantive coercion (substantielle Zwangswirkung) 154 f., 157 f., 167, 170 supermajority provision 145 f., 150, 158 Synergiethese 24 target board 57, 133, 137 ff., 147 f., 156, 161, 168, 170 ff., 174 f. Teamproduktion 29, 36 ff., 45, 47, 52, 75, 77, 208 Teilangebot 154, 159, 183 Theorie der nachgelagerten Entlohnung 61, 64, 66, 70, 74 (siehe auch Senioritätsentlohnung)

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Theorie der Unternehmung (theory of the firm) 18, 27 f., 48, 61 third party ownership 44, 47, 52 Time-Entscheidung 155 f., 158, 160, 167 f., 171 (siehe auch Delaware Supreme Court) Tobin’s Q 191 f. Transaktionskosten-Theorie 33 f., 50, 42 Treuepflichten (fiduciary duties) 55, 127, 144, 156 Trittbrettfahrer-Problem 21 f., 30, 39, 171 f. Two-tier tender offer (zweistufiges Angebot) 136, 138, 154, 169 f., 183, 189, 207 Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz 17, 124 Überwachungsintensität 21 f., 70 ff. Umverteilungsgewinn 24, 216 unabhängige Direktoren 137, 178 (siehe auch independent director) Unitrin-Entscheidung 145, 147 ff., 156 ff., 170 f. (siehe auch Delaware Supreme Court) Unocal-Entscheidung 136, 138 f., 154, 159, 161, 169, 174, 207 (siehe auch Delaware Supreme Court) Unocal-Maßstab 141, 143, 145, 161, 171 f. (siehe auch Unocal-Test) – Weiterentwicklung durch die UnitrinEntscheidung 145 Unocal-Test 137, 145 ff., 154, 158 (siehe auch Unocal-Maßstab) Unocal/Unitrin-Maßstab 148, 150, 152, 173 Unternehmensinteresse 48, 79 f., 82 ff., 92, 96, 100 ff., 104, 106, 117, 207, 211, 216 Unternehmensspezifische Qualifikationen 40, 60, 61, 62, 75 Veräußerungsinteresse 100 ff., 104, 106, 117, 209

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Sachverzeichnis

Vereitelungsverbot 25, 84 f., 92 ff., 95 f., 98 f., 102, 104, 106, 109 f., 113, 115, 118 ff., 122, 124, 180, 206, 208 (siehe auch Neutralitätspflicht) Verfassungsmäßigkeit (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 WpÜG) 104, 106, 107 Verfügungsrechtsanalyse (property rights approach) 33 ff., 45 versunkene Kosten (sunk costs) 33 f., 42, 46 vertragstheoretische Sicht der Unternehmung 29, 31, 38 vinkulierte Aktien 86, 121 Vollangebot 149, 154 f., 158, 162, 168, 170, 183 f. Vorbehalt der Reziprozität 122, 124, 213

Vorratsermächtigung 94, 114, 119 f., 124, 180, 212 ff., 216

117,

weißer Ritter (white knight) 87, 139 f., 154, 171, 197 Wertgrenzprodukt (der Arbeit) 39, 41, 62 ff., 68, 76, 193, 204 Wettbewerb der Unternehmenskonzepte 169, 205 f. zielmonistische Leitmaxime 55, 78 ff., 83, 215 Zielvorstand 17, 24, 27, 93, 96 ff., 97, 98, 123, 194, 206, 208 f. zweistufiges Angebot siehe two-tier tender offer