Denktagebuch: 1950 - 1973 9783492319997

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Denktagebuch: 1950 - 1973
 9783492319997

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Hannah Arendt

DENKTAGEBUCH 1950-1973

Herausgegeben von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann In Zusammenarbeit mit dem Hannah-Arendt-Institut, Dresden

Mit 17 Faksimiles

Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher: www.piper.de

Eine Liste aller Titel, die von Hannah Arendt im Piper Verlag vorliegen, finden Sie ab Seite 1196.

Für die Förderung der Veröffentlichung danken Herausgeberinnen und Verlag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Bonn), der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank (Frankfurt / Main) und der Robert-Bosch-Stiftung (Stuttgart)

Altphilologische Fachberatung: Dr. Karl Bayer Koordination: Professor Dr. Hans Maier

Unser Versprechen für 7

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mehr Nachhaltigkeit e FSC®-zertifiziertes Papier « Hergestellt in Europa

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tungsvollen Quellen FSC®

C083411

Ungekürzte Taschenbuchausgabe

ISBN 978-3-492-31999-7 1. Auflage Oktober 2020 2. Auflage Januar 2022 © Hannah Arendt Bluecher Literary Trust, New York 2002, und Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2002 Umschlaggestaltung: Buero Jorge Schmidt, München Satz: seitenweise, Tübingen Gesetzt aus der Stempel Garamond Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Printed in the EU

Inhalt Editorische Vorbemerkung Heft I Heft II

Juni 1950 bis September 1950 September 1950 bis Jannar 1951

Heft II

Februar 1951 bis April 1951 Mai 1951 bis Juni 1951 Juli 1951 bis August 1951 September 1951 bis November 1951 November 1951 bis Jannar 1952 Januar 1952 bıs April 1952 April 1952 bis August 1952 August 1952 bis September 1952 September 1952 bis November 1952

Heft IV Heft V Heft VI Heft VII Heft VIII

Heft IX Heft X Heft XI Heft XII Heft XII Heft XIV

Heft XV Heft Heft Heft Heft

XVI XVII XVII XIX

November 1952 bis Dezember 1952

Januar 1953 bis März 1953 März 1953 bıs April 1953 April 1953 bis Mai 1953

vi

29 55 7/7 99 123

147 IyI

199 225

247 269 293 319 343

Mai 1953 bis Juni 1953 Juli 1953 bis August 1953

369

August 1953 bis September 1953

421

September 1953 bıs Februar 1954

395

449

Heft XX

März 1954 bis Januar 1955

475

Heft XXI

Jannar 1955 bis Januar 1956 Januar 1956 bis Juni 1958 August 1958 bis Jannar 1961

SI

Heft XXI Heft XXIII

559 597

HeftXXIV

1963 bis Februar 1966

HeftXXV HeftXXVI Heft XXVIL Heft XXVIII

Februar 1966 bis September 1968 November 1968 bis November 1969 November 1969 bis November 1970 1971 bis 1973

615 651

699 751 799

Kant-Heft

807

Nachwort der Herausgeberinnen

825

Anhang Thematisches Inhaltsverzeichnis

Anmerkungen Wörterverzeichnis Griechisch - Deutsch Wörterverzeichnis Lateinisch - Deutsch Literaturverzeichnis

Hinweise zur Autorin und zu den Herausgeberinnen Personenregister Sachregister Bildnachweis

865 905 1171 1178 1181 1193 1201 1207 1232

Editorische Vorbemerkung

Das Denktagebuch ist in 28 Schreibheften überliefert. Diese eher willkürliche Einteilung — immer wenn ein Heft voll war, hat Hannah Arendt ein neues begonnen — wurde als Strukturelement ın der Druckfassung übernommen und eine vergleichbare, als »Kant-Heft« gekennzeichnete Einheit hinzugefügt. Ein weiteres Strukturelement stellen die von Hannah Arendt (unregelmäßig) mitgeteilten Daten dar. Heft- und Datumsangaben wurden als Bestandteile der lebenden Kolumnentitel gewählt, um die Orientierung zu erleichtern. Ein drittes Strukturelement bilden die von den Herausgeberinnen durch Nummern gekennzeichneten Texteinheiten, über deren Zustandekommen

ım Nachwort

(dort 5.842) im einzelnen Auskunft

gegeben wird. Die Numerierung erfolgte heftweise. Die jeweiligen Eintragungen sind durch die Heftnummer (römisch) und die Textnummer (arabısch) identifiziert. Ein Inhaltsverzeichnis,

in dem in chronologischer Folge jede Texteinheit thematisch gekennzeichnet ist, erlaubt den Gesamtüberblick (S. 863).

Abgesehen von der Bildung von Texteinheiten sind die editorischen Eingriffe auf ein Minimum beschränkt. Die Texte wurden so gedruckt, wie Hannah Arendt sie niedergeschrieben hat, d.h. fremdsprachliche Zitate wurden belassen, nur am Original überprüft und bei eindeutigen Fehlern verbessert. Die jeweiligen Übersetzungen sind nicht im Text-, sondern im Anmerkungsteil zu finden. Demgegenüber sind solche Eintragungen, für die die Autorin selbst die englische statt der deutschen Sprache wählte, gleich im vll

EDITORISCHE

VORBEMERKUNG

Anschluß ım Textteil von den Herausgeberinnen übersetzt und dort durch Kursivschrift in eckigen Klammern vom übrigen Text abgehoben worden. Bei den griechischen und lateinischen Zitaten und eingestreuten Wörtern wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Die von Arendt häufig gebrauchten Wörter und Phrasen sind in Wörterverzeichnissen

(griechisch,

S. ı171ff.;

lateinisch,

$. ı178ff.)

zusammengestellt und erhalten im Text keine Umschrift und Übersetzung, um den Lesefluß nicht unnötig zu beeinträchtigen. Für nur vereinzelt auftretende Wörter und Phrasen befinden sich die entsprechenden Angaben in den Fußnoten. Die Übersetzungen für längere Zitate, soweit nicht Arendt selbst sie in ihre Aufzeichnungen integriert hat, sind im Anmerkungsteil zu finden (siehe auch die Vorbemerkungen zum Anmerkunsgsteil, S. 907).

Hervorhebungen ın der Form von Unterstreichungen entsprechen dem Arendtschen Original. Die Kursivschrift wird für Titelangaben verwandt und, wie oben erwähnt, für die deut-

schen Übersetzungen von Textstücken, die Hannah Arendt in englischer Sprache niedergeschrieben hat. Hervorhebungen ın den Schriften der zitierten Autoren (Kursiva, Sperrungen) bleiben unberücksichtigt. —- Nicht gekennzeichnete, in eckige Klammern gesetzte Wörter, die sich aus der Einbindung des jeweiligen Zitats in den Text ergeben, stammen entweder von Hannah Arendt oder von den Herausgeberinnen; entsprechende Zusätze in Arendts Text sind Einfügungen der Herausgeberinnen. — Für ausführlichere Auskünfte über die editorischen Festlegungen sei auf das Nachwort (dort $. 841 ff.) verwiesen.

VI

HeftI

Juni 1950 bis September 1950

HeftI Juni 1950

[1] bis [3] Anmerkungen

908

Juli 1950 [4] bis [20]

Anmerkungen

909

Angust 1950

[21] bis [23] Anmerkungen

15 912

September 1950

[24] bis [34] Anmerkungen

19 913

Thematisches Inhaltsverzeichnis

865

Juni 1950 [1]

Juni 1950.

Das Unrechte, das man getan hat, ist die Last auf den Schultern,

etwas, was man trägt, weil man es sich aufgeladen hat. Dies gegen den christlichen Sündenbegriff, wonach das Unrechte aus einem hervorgestiegen ist, als Sünde in einem verbleibt und den bereits potentiell affizierten inneren Organismus vergiftet, sodass man Gnade und Vergebung braucht, nicht um ent-lastet, sondern um gereinigt zu werden. Die Last, die man sich selbst auf die Schultern geladen hat,

kann einem nur Gott abnehmen. Christen aber niemals. Verzeihung gibt es nur unter prinzipiell qualitativ voneinander Geschiedenen, also: Die Eltern können den Kindern verzeihen,

solange sie Kinder sind, wegen der absoluten Überlegenheit. Die Geste der Verzeihung zerstört die Gleichheit und damit das Fundament menschlicher Beziehungen so radikal, dass eigentlich nach einem solchen Akt gar keine Beziehung mehr möglich sein sollte. Verzeihung zwischen Menschen kann nur heissen: Verzicht, sich zu rächen, schweigen und vorübergehen', und das heisst: der grundsätzliche Abschied - während Rache immer nah am Anderen bleibt und die Beziehung gerade nicht abreisst. Verzeihung, oder was gewöhnlich so genannt wird, ist in Wahrheit nur ein Scheinvorgang, in dem der Eine sich überlegen gebärdet, wie der Andere etwas verlangt, was Menschen einander weder geben noch abnehmen können. Der Scheinvorgang besteht darın, dass dem Einen scheinbar dıe Last von den Schul-

tern genommen wird von einem Andern, der sich als unbelastet darstellt.

HEFTI

Versöhnung dagegen hat ihren Ursprung im Sich-abfinden mit dem Geschickten. Dies muss unterschieden werden von der fundamentalen Dankbarkeit für das Gegebene. Mit dem Geschickten, weil es sich als Schicksal zeitlich auseinanderlegt, muss ich mich immer erst versöhnen, während ich mich mit dem Gegebenen, auch mit mır selbst, sofern ich auch mir gege-

ben worden und nicht von mir selbst gemacht worden bin, ein für allemal abfinden muss. Dieses Sich-abfinden kann im Modus der grundsätzlichen Dankbarkeit — dass es überhaupt für mich so etwas wie Sein gibt— oder im Modus des grundsätzlichen Ressentiments — dass Sein überhaupt so etwas ist, was ich’ nicht selbst machen kann und nicht gemacht habe - vor sich gehen. Versöhnung mit dem Geschickten ist nur auf der Grundlage der Dankbarkeit für das Gegebene möglich. Versöhnung mit dem Andern ist zwar kein Scheinvorgang, denn sie gibt nicht vor, Unmögliches zu leisten — verspricht nicht die Entlastung des Andern und spielt nicht eigene Unbelastetheit -; aber dafür geschieht auch in der Versöhnung verzweifelt wenig: Der sich Versöhnende lädt sich einfach dıe Last, die der Andere ohnehin trägt, freiwillig mit auf die Schultern. Das heisst, er stellt

Gleichheit wieder her. Dadurch ist Versöhnung das genaue Gegenteil der Verzeihung, die Ungleichheit herstellt. Die Last des Unrechts ist für den, der es begangen hat, das, was er sich

selbst auf die Schultern geladen hat; dagegen für den, der sich versöhnt, das, was ihm geschickt wurde. Alles sieht natürlich anders aus auf der Grundlage der Erbsünde. Dann ist Verzeihung vielleicht möglich, insofern sie nur die ausdrückliche Anerkennung des Wir-sind-alle-Sünder ist, also behauptet, dass jeder jedes hätte tun können, und auf diese Weise eine Gleichheit - nicht der Rechte, sondern — der Natur

herstellt: Pharisäertum ist dann die Anmassung, die Gleichheit der Menschen nicht anerkennen zu wollen. Als sich entsprechende Gegensätze gehören Verzeihung und Rache zusammen. Der Verzeihende verzichtet darauf, sich zu

rächen, weil er ja auch hätte schuldig sein können. Der Rächende wünscht nicht zu verzeihen, weil er ja das Gleiche tun kann, 4

Ar

HEFTI

was man ihm angetan hat. Dies ist eine Art negativer Solidarität, die aus dem Begriff der Erbsünde, d.h. aus der Vorstellung, dass wir alle vergiftet geboren sind, entspringt. Der entsprechende Gegensatz der Versöhnung ist der abgewendete Blick - schweigen und vorübergehen. Die Versöhnung versöhnt sich mit einer Wirklichkeit, unabhängig von aller Möglichkeit. Die Rache kann zwar die Wirklichkeit auch nicht einfach auslöschen, aber überspringt sie, indem sie aus der Realität des Erleidens sofort die Re-aktion macht. Reaktion ist wahrscheinlich der äusserste Gegensatz der Aktion. Von nun an spielt sich alles im rein Subjektiven, Re-aktiven ab. Genau das Gleiche gilt für die Verzeihung, die auch - dies ist vom Verzeihenden wie von dem, der um Verzeihung bittet, intendiert - den

hybriden Versuch macht, Geschehenes ungeschehen zu machen. Mit anderen Worten, ın der Verzeihung und in der Rache wird das, was der Andere getan hat, zu dem, was ich selbst hätte

tun können, beziehungsweise tun kann. In der Versöhnung oder dem Vorübergehen wird das, was der Andere getan hat, zu dem, was mir nur geschickt ist, das ich akzeptieren kann oder dem ich, wie jeder Schickung, aus dem Wege gehen kann. Das Wesentliche ist einmal, dass Wirklichkeiten nicht in Möglichkeiten zurückverwandelt werden und dass andererseits keine Selbst-Reflexion auf eigenes Schuldigwerden-können statthat. Politisch gesprochen setzt die Versöhnung einen neuen Begriff der Solidarität. Innerhalb der christlichen Welt ist in der Tat die Alternative zwischen Verzeihung - d.h. christlichem Verzicht auf irgendein Tun in der Welt - und der Re-aktion der Rache unausweichlich. Beides entspringt der christlichen Solidarität zwischen Menschen, die allzumal Sünder sınd und sıch selbst wıe ihren Mitmenschen alles, auch das Böseste zutrauen. Es ist

eine Solidarität, gegründet auf dem fundamentalen Misstrauen in die menschliche Substanz. Die Solidarität der Versöhnung ist vorerst nicht das Fundament der Versöhnung (wie die Solidarität des Sündigseins das Fundament der Verzeihung ist), sondern das Produkt. Die Versöhnung setzt handelnde, und möglicherweise Unrecht tuende, 6

JUNI 1950

Menschen, aber keine vergifteten Menschen voraus. Übernommen als Last, die der Andere verursacht hat, wird nicht die

Schuld - d.h. ein psychologischer Fakt -, sondern das wirklich geschehene Unrecht. Man entschliesst sich, mit-verantwortlich zu sein, aber unter keinen Umständen mit-schuldig. Diese Eliminierung der Schuld im Solidaritätsbegriff kann auf der einen Seite es den Völkern sehr erleichtern, sich zu ver-

söhnen, weil ıhnen die Qual der Möglichkeit — die Qual, sagen zu müssen: Auch dies ist menschlich, mit der falschen (vergifteten) Folgerung, auch dies hätten wir tun können - erspart bleibt. Auf der anderen Seite hat die Versöhnung eine umbarmherzige Grenze, die die Verzeihung und die Rache nicht kennen - nämlich an dem, wovon man sagen muss: Dies hätte nie geschehen dürfen. Dies hatte Kant im Auge, als er die Regeln für den Krieg formulierte, in dem keine Handlungen vorkommen dürften, die einen späteren Frieden zwischen den Völkern unmöglich machen würden.” Das radikal Böse ıst das, was nicht hätte passieren dürfen, d.h. das, womit man sıch nicht versöhnen kann, was man als

Schickung unter keinen Umständen akzeptieren kann, und das, woran man auch nicht schweigend vorübergehen darf. Es ist das, wofür man die Verantwortung nicht übernehmen kann, weil seine Folgerungen unabsehbar sind und weil es unter diesen Folgerungen keine Strafe gibt, die adäquat wäre. Das heisst nicht, dass jedes Böse bestraft werden muss; aber es muss, soll man sıch versöhnen oder von ıhm abwenden können, bestraf-

bar sein. Rache und Verzeihung können zwar bestrafen, aber da sie von der sündigen Natur des Menschen ausgehen, d.h. davon, dass jeder möglicherweise jegliches begangen haben kann, können sie eigentlich nicht urteilen. Sie können nur wider-tun oder verzeihen. Daher haftet der Strafe im christlichen Rechtssystem immer noch das jüdische Element der reinen Vergeltung an. Die Versöhnung oder das Abwenden des Blickes dagegen setzt Urteil voraus - und das ist das eigentlich Furcht-einflössende: dass wir imstande

sein sollen zu urteilen, ohne Einfühlung, 7

HEFTI

ohne die Voraussetzung der Möglichkeit, ohne Reflexion auf uns selbst. Solches Urteilen wiederum ist möglich nur, wenn man eine Gottesvorstellung hat, die nun in vollem Ernst alles offen lässt, d.h. wenn man in nur menschlichen Masstäben urteilt und dabeı ausdrücklich offen lässt, dass Gott alles vielleicht gar nicht und vielleicht ganz anders beurteilt. Nur wenn man nicht mit der verlogenen Lautverstärkung, als sei die eigene Stimme auch Gottes Stimme, urteilt, kann man ein Leben ohne Rache und

Verzeihung, die ja beide Gottes Zorn und Gottes Gnade nachzuahmen vorgeben, aushalten.

[2] Person - Ich - Charakter »Persona«: Maske, ursprünglich die Rolle, die das Ich sich für das Spiel unter und mit den Menschen wählt, die Maske, die es sich vorhält, um identifizierbar zu sein.

Person: Kann aber auch die Rolle oder die Maske sein, mit der wir geboren werden, die uns von der Natur ın Gestalt des Leibes und der Geistesgaben, von der Gesellschaft in der Form unserer Stellung in ihr verliehen worden sind. Person im ersten Sinne ist eigentlich Charakter, sofern hier Person eın Produkt des Ich ist. In beiden Fällen entsteht die Frage der Identität. Im Falle des Charakters so, dass das Ich souveräner Herr des Charakters,

seines Produkts bleibt, beziehungsweise durch den Charakter immer wieder durchbricht. Im zweiten Falle so, dass die Person ein Anderes, scheinbar Tieferes, verdeckt und das Ich nur noch

das formalıstische Prinzip der Einheit von Leib und Seele einerseits, der einheitlichen Bezogenheit vielfacher Gaben andererseits wird. Dagegen: »Persona« als »per-sonare« — durchtönen.

JULI 1950

[3] »My life closed twice before its close; It yet remains to see If Immortality unveil A third event to me,

So huge, so hopeless to conceive As these that twice befel. Parting ıs all we know of heaven And all we need of hell.«'

Juli 1950 [41

Juli 1950

Verglichen mit der vergangenen Ewigkeit, die war, bevor wir waren, und mit der zukünftigen Ewigkeit, die sein wird, nach-

dem wir gewesen sind, ist unsere gesamte Existenz hier reine Präsenz." Wirklich leben heisst, diese Gegenwart realisieren — ein Mittel unter vielen das Nie-vergessen — und sie sich nicht in Vergangenheit und Zukunft auseinander schlagen lassen. Denn die eigene zeitliche Vergangenheit wie die eigene zeitliche Zukunft, im Gegensatz zu den Ewigkeiten, haben die Tendenz,

Gegenwart zu verzehren. Mit anderen Worten, die sogenannte Zeitlichkeit unseres Lebens, wenn sie mehr besagen soll als unsere Sterblichkeit, die wiederum mit Zeit noch nıchts zu tun

zu haben braucht, ist nur die Form, unser Leben zu versprechen.” Gedächtnis könnte auch dazu da sein, um die Gegenwärtigkeit des Lebens substantiell zu machen und das Wissen von allem zu präsentieren. Das Erinnerte hat als solches keinen Zeitindex, nur das Vergessene hat den Index der Vergangenheit.

HEFTI

[5]

Juli 1950.

Denken - Handeln:" Handeln wird gewöhnlich vorgestellt wie Herstellen. Beim Herstellen ist der gedachte Entwurf erst einmal fertig, ist Denken nicht nur überflüssig, es stört sogar die Herstellung. Das Herstellen ist in diesem Sinne immer bedenkenlos, sonst bringt es es zu nichts. — Die Goethesche Vorstellung, dass der Handelnde immer gewissenlos ist,” kommt aus dieser Identifizierung mit dem Herstellenden, und dieser ist nicht gewissenlos, sondern nur bedenkenlos, unbedacht.

Herstellen gehört natürlich ebenso sehr zum Wesen des Menschen wie Handeln. Aber Herstellen ist eine Partialtätigkeit, während Handeln, wie Denken, das Leben selber ıst. In diesem Sinne hat es kein Ende, durch das es sich von dem handelnden

Menschen emanzipieren könnte — das Herstellen eines Tisches emanzipiert sich vom Tischler dadurch, dass zum Schluss der Tisch da ıst, um dessentwillen der Tischler etc. Der Tischler wird partial, d.h. ein Mensch existiert als Tischler, nur weil der Tisch ein Weltteil ist, um dieses Tisches willen.

Wenn das »ipsa cogitatio spirat ignem amoris«? wahr wäre, wäre vieles gut — heisst, könnte man in Frieden sterben. Die Identifizierung von Handeln und Herstellen hat sich so verfestigt, weil das Handeln Gottes als Schöpfung ım Grunde auch nach dem Modell des Herstellens vorgestellt wird. Das Nichts in dem »ex nihilo creare«* ist nur eine Art vergöttlichte Substanz. Kant versuchte dem abzuhelfen durch den Begriff des »intuitus originarius«®!

[6] Dankbarkeit ist keine christliche Tugend, kommt im Christentum nicht vor, sondern ist abgelöst von Ergebenheit in den WilA aus dem Nichts erschaffen IO

JULI 1950

len Gottes, d.h. eigentlich von der Überwindung des Ressentiments gegen Gott. Dankbarkeit ist frei, im Gegensatz zur Ergebenheit, hat nichts mehr zu tun mit Gottesdienst. Aus dem von

Nietzsche gesehenen Diener-Ressentiment gegen den göttlichen Herren entspringt das tiefere Ressentiment gegen alle Realität, sofern sie gegeben ist und nicht vom Menschen hergestellt wird. Aus dieser entspringt dann das Ressentiment gegen das von andern Menschen Gemachte, d.h. gegen die gesamte Welt. Aber des Christentums Misstrauen gegen die Natur ist auch ein Mangel an Dankbarkeit; ihm liegt ein Misstrauen gegen das der menschlichen Souveränität Entzogene zugrunde. Christliche Freiheit ist natur-feindlich, nämlich besagt Souveränität Unabhängigkeit von der oder Herrschaft über die Natur.

[7] Besser als Rache und Verzeihen ist reiner Zorn oder das, worın

der Zorn abklingt, reine Trauer.

[8] Alles entzieht sich dem Schock der Wirklichkeit unter Berufung auf die Möglichkeit. Lebende Leichname." Dabei ist es doch offenbar, dass nur, weil wir nicht ungeschehen machen können,

wir wirklich sein können. Die Unmöglichkeit der Reue.

[9] Wenn einer erst einmal beschlossen hat: Wo gehobelt wird, da fallen Späne," ist er nicht mehr erreichbar für seine Freunde, denn er hat bereits entschieden, keine mehr zu haben, er hat sıe

bereits alle geopfert. Lauter Späne.

Il

HEFTI

[10] Es gibt ın der Politik zwei Grundprinzipien, die nur ın sehr indirekter, vermittelter Weise etwas mit Staatsformen zu tun ha-

ben. Das Eine ist formuliert von Clemenceau und lautet: Die Affäre eines Einzigen ist die Affäre Aller," nämlich das Unrecht,

das öffentlich einem Einzigen geschieht, ist die Angelegenheit aller Bürger, ist ein öffentliches Unrecht. Dies ist nur wahr ım öffentlichen Leben, aber wird, wie wir sehen werden, in kurio-

ser Weise die Grundlage auch des privaten. Der zweite Grundsatz lautet: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Er ıst die genaue Entgegensetzung des ersten. Er sieht das politische Leben aus historischer Perspektive und ist als solcher unpolitisch. Er führt in die Politik die Idee des Opfers ein, die ihr wesensfremd ist. Er entfernt aus ihr das Prinzip des eigenen Interesses, oder des Interesses überhaupt, ohne das sie jeden Masstab des Beurteiltwerdens verliert. Und er zerstört das private Leben, indem er Freundschaft, Verlässlichkeit etc. unmöglich macht. Deshalb ist Freundschaft eine so eminent republikanische Tugend.

[11] Handeln und Denken: Heidegger kann nur meinen, dass es auf der Selbigkeit von Seyn und Denken beruht, und zwar dann, wenn Denken als das Sein des Menschen verstanden wird im Sinne des Seyns von Sein. Denken wäre dann das im Menschen zum Handeln befreite Seyn. Denken ist hier weder Spekulation noch Kontemplation noch »cogitare«. Es ist eher die vollendete Konzentration oder das, wodurch und worın sıch alle anderen

»Fähigkeiten« konzentrieren, die absolute Wachheit. »Why did I wake since waking I shall never sleep again?«'

I2

JULI I950

[12] Jaspers, Von der Wahrheit:" als sei die gesamte abendländische Philosophie zur Selbsterziehung nötig. Braucht und verbraucht sie. Der einzige wirkliche Erzieher — Heidegger ist ein Lehrer. — Nachfolger Goethes, was es sonst in Deutschland nicht gegeben hat, aber gerade darum und wegen der Selbsterziehung so unglaublich »deutsch«. Schliesslich diese grundsätzliche Zufriedenheit, die im »Aufschwung«? pure Dankbarkeit wird.

113] Heinrich [Blücher]: In der Politik gilt weder »das Ganze ist mehr als seine Teile«, weil die Menschheit ein »Ganzes« ist, dessen Teile immer mehr sind als sie selbst, obwohl sıe schliesslich

nur von der Menschheit her garantiert werden können; noch: »der Zweck heiligt die Mittel«, was auf der Interpretation des Seins als Wirksamkeit beruht. Zweck und Mittel sind ım Handeln identisch, fallen nur im Tun auseinander.

[14] »Die Blindesten aber Sınd Göttersöhne. Denn es kennet der Mensch Sein Haus und dem Thier ward, wo

Es bauen solle, doch jenen ist Der Fehl, daß sie nicht wissen, wohin?

In die unerfahrne Seele gegeben.«'

[15] »Nun weiss ich, was Spielen ist. Wohin nun?«" heisst auch: schon wieder aus dem Bau gejagt. 13

HEFTI

[16] »Denn schwer ist zu tragen Das Unglük, aber schwerer das Glük.«' Die Jähe, mit der das Glück kommt, die Gefahr, von ıhm er-

schlagen zu werden. Während die Bewegungsform des Unglücks Kriechen ist, sodass man immer Zeit hat, mit Gewöhnung zu

reagieren.

[17] »One is One and all alone And evermore shall be so.«'"

118] Solange man glaubt, dass der Mensch eine Potentialität ist, und

dann noch, dass alle Menschen essentiell die gleichen Möglichkeiten haben - und darauf beruhen alle unsere moralischen Urteile -, kann man noch nicht einmal ahnen, was Liebe ist. In

der Liebe tritt einem gerade nicht eine »potentia« entgegen, sondern eine Wirklichkeit, mit der wir uns nur noch ohne Furcht

und Hoffnung abzufinden haben.

[19] Nietzsche: Was das Leben uns versprochen hat, das wollen wir dem Leben halten," und Heinrich [Blücher].

14

AUGUST 1950

[20] Der Irrweg: In einem Menschen das Allgemeine lieben, ihn zu einem »Gefäss«' machen, es liegt so nahe, weil wir ja immer

das Sinnliche als »Übersinnliches« deutend* missverstehen — und ist doch fast potentieller Mord: wie Menschenopfter.

August 1950 [21]

August 1950.

Was ıst Politik? ı. Politik beruht auf der Tatsache der Pluralität der Menschen. Gott hat den Menschen geschaffen, die Menschen sind ein menschliches, irdisches Produkt, das Produkt der menschli-

chen Natur. Da die Philosophie und die Theologie sich immer mit dem Menschen beschäftigen, da alle ihre Aussagen richtig wären, auch wenn es entweder nur Einen Menschen oder nur

Zwei Menschen oder nur identische Menschen gäbe, haben sie keine philosophisch gültige Antwort auf die Frage: Was ist Politik? gefunden. Schlimmer noch: Für alles wissenschaftliche Denken gibt es nur den Menschen - ın der Biologie oder der Psychologie wie in der Philosophie und der Theologie, so wie es für die Zoologie nur den Löwen gibt. Die Löwen wären eine Angelegenheit, die nur die Löwen etwas anginge. Auffallend ist der Rangunterschied zwischen den politischen Philosophien und den übrigen Werken bei allen grossen Denkern - selbst beı Plato. Die Politik erreicht nie die gleiche Tiefe. Der fehlende Tiefsinn ist ja nichts Anderes als der fehlende Sinn für die Tiefe, in der Politik verankert ıst. A im Original: bedeutend 15

HEFTI

2. Politik handelt von dem Zusammen- und Miteinander-sein der Verschiedenen. Politisch organisieren sich die Menschen nach bestimmten wesentlichen Gemeinsamkeiten in einem absoluten Chaos oder aus einem absoluten Chaos der Differenzen. Solange man politische Körper auf der Familie aufbaut und im Bild der Familie versteht, gilt Verwandtschaft in ihren Graden als das, einerseits, was die Verschiedensten verbinden kann, und als das, andererseits, wodurch wieder individuen-ähnliche

Gebilde sich von- und gegeneinander absetzen. In dieser Organisationsform ist die ursprüngliche Verschiedenheit ebenso wirksam ausgelöscht, wie die essentielle Gleichheit aller Menschen, sofern es sich um den Menschen handelt,

zerstört ist. Der Ruin der Politik nach beiden Seiten entsteht aus der Entwicklung politischer Körper aus der Familie. Hier ist bereits angedeutet, was ım Bild von der Heiligen Familie symbolhaft wird, dass man der Meinung ist, Gott habe nicht sowohl den Menschen als [vielmehr] die Familie geschaffen. 3. Insofern man ın der Familie mehr sieht als die Teilnahme,

d.h. die aktive Teilnahme an der Pluralität, beginnt man, Gott zu spielen, nämlich so zu tun, als ob man naturaliter aus dem Prinzip der Verschiedenheit herauskommen könne. Anstatt einen Menschen zu zeugen, versucht man, im Ebenbilde seiner

selbst den Menschen zu schaffen. Praktisch-politisch gesprochen aber gewinnt die Familie ihre eingefleischte Bedeutung dadurch, dass die Welt so organisiert ist, dass ın ıhr für den Einzelnen, und das heisst für den Ver-

schiedensten, kein Unterkommen ist. Familien werden gegründet als Unterkünfte und feste Burgen in einer unwirtlichen, fremdartigen Welt, in die man Verwandtschaft tragen möchte. Dies Begehren führt zu der grundsätzlichen Perversion des Politischen, weil es die Grundqualität der Pluralität aufhebt oder vielmehr verwirkt durch die Einführung des Begriffes Verwandischaft. 4. Der Mensch, wie ihn Philosophie und Theologie kennen, existiert — oder wird realisiert - in der Politik nur in den gleichen Rechten, die die Verschiedensten sich garantieren. In dieser frei16

AUGUST 1950

willigen Garantie und Zubilligung eines juristisch gleichen Anspruchs wird anerkannt, dass die Pluralität der Menschen, die ihre Pluralität sich selber danken, ihre Existenz der Schöpfung des Menschen verdankt. 5. Die Philosophie hat zwei gute Gründe, niemals auch nur den Ort zu finden, an dem Politik entsteht. Der erste ist:

ı) Z&ov noAtımöv:” als ob es im Menschen etwas Politisches gäbe, das zu seiner Essenz gehöre. Dies gerade stimmt nicht; der Mensch ist a-politisch. Politik entsteht in dem Zwischenden-Menschen,

also

durchaus

ausserhalb

des Menschen.

Es

gibt daher keine eigentlich politische Substanz. Politik entsteht im Zwischen und etabliert sich als der Bezug. Dies hat Hobbes verstanden. 2) Die monotheistische Gottesvorstellung - [des Gottes], in des-

sen Ebenbild der Mensch geschaffen sein soll. Von dorther kann es allerdings nur den Menschen geben, die Menschen werden zu einer mehr oder minder geglückten Wiederholung des Selben. Der im Ebenbild der Einsamkeit Gottes erschaffene Mensch liegt dem Hobbesschen »state of nature as a war of all against all«* zugrunde. Es ist der Krieg der Rebellion eines jeden gegen alle Andern, die gehasst werden, weil sie sinnlos existieren — sinn-

los für den im Ebenbilde der Einsamkeit Gottes erschaffenen Menschen. Der abendländische Ausweg aus dieser Unmöglichkeit der Politik innerhalb des abendländischen Schöpfungsmythos ist die Verwandlung oder die Ersetzung der Politik durch Geschichte. Durch die Vorstellung einer Weltgeschichte wird die Vielheit der Menschen in ein Menschenindividuum zusammengeschmolzen, das man dann auch noch Menschheit nennt. Daher das Monströse und Unmenschliche der Geschichte, das sich erst

an ihrem Ende voll und brutal in der Politik selbst durchsetzt. 6. Es ıst so schwer zu realisieren [sich vorzustellen], dass wir

in einem Bezirk wirklich frei sein sollen, nämlich weder getrieben von uns selbst noch abhängig von gegebenem Material. & Naturzustand als Krieg aller gegen alle

HEFTI

Freiheit gibt es nur in dem eigentümlichen Zwischen-Bereich der Politik. Vor dieser Freiheit retten wir uns in die »Notwendigkeit« der Geschichte. Eine abscheuliche Absurdität. 7. Es könnte sein, dass es die Aufgabe der Politik ist, eine Welt

herzustellen, die für Wahrheit so transparent ist wie die Schöpfung Gottes. Im Sinne des jüdisch-christlichen Mythos würde das heissen: Der Mensch, geschaffen im Ebenbilde Gottes, hat Zeugungskraft erhalten, um die Menschen im Ebenbilde der göttlichen Schöpfung zu organisieren. Dies ist wahrscheinlich Unsinn. Aber es wäre die einzig mögliche Demonstration und Rechtfertigung des Naturgesetz-Denkens. In der absoluten Verschiedenheit aller Menschen voneinander, die grösser ist als die relative Verschiedenheit von Völkern,

Nationen oder Rassen, ist in der Pluralität die Schöpfung des Menschen durch Gott enthalten. Hiermit aber hat Politik gerade nichts zu schaffen. Politik organisiert ja von vornherein die absolut Verschiedenen im Hinblick auf relative Gleichheit und ım Unterschied zu relativ Verschiedenen.

[22] Das radikal Böse: Woher kommt es? Wo ist sein Ursprung? Was ist sein Grund und Boden? Es hat nichts zu tun mit Psychologischem — Macbeth — und nichts mit Charakterologischem — Richard III., der beschloss,

ein Bösewicht zu werden." Wesentlich ist ı.der Über-Sinn? und seine absolute Logik und Konsequenz. 2. das Überflüssigmachen des Menschen bei Erhaltung des Menschengeschlechts, von dem man Teile jederzeit eliminieren kann.

18

SEPTEMBER

I95O

[23] Jaspers und Heidegger: Jaspers könnte sagen: Wie kann ein Philosoph so der Weisheit ermangeln? Heidegger könnte sagen: Wie kann ein Denker sıch noch um Weisheit scheren, woher

nımmt er die Legitimation? — Beide haben recht.

September 1950 [24]

September 1950.

Plato, IToAırıxog

263 (Bekker 258)* — Die Unterscheidung von u£oog und yevog (eiöog). Die Politik hat es nicht mit y&vn , sondern mit u&on zu

tun. Die Unsinnigkeit, Frauen qua Frauen zu organisieren. Die Todsünde ist, das u&0og für ein y&vog auszugeben: Rassenbegriff. Was aber gibt dem u£o0og seine Konsistenz, ohne es zum y£vog zu machen? Dies eine der Kernfragen zum Thema: Was ist Politik?

[25] Platos Überzeugung, dass die Gesetze doch nur ein Ersatz für die absolut beherrschte Staatskunst sind: Der Staatsmann, gesehen unter dem Bilde des Hirten einer Herde, hat jedem das Seine auszuteilen! - v&uewv. Gesetzgeber sind immer unzulänglich, weil sie nie das Individuelle - also eigentlich die Wirklich* hier und bei den weiteren Eintragungen in Heft I Zahlenangaben für die Platonstellen nach Stephanus (in Klammern: Bekker), genaue Stellenangaben nach Stephanus im Anmerkungsteil 19

HEFTI

keit, wie sie wirklich ist - berücksichtigen können. (Beispiel des Arztes, der dem Patienten allgemeine Weisungen gibt während seiner Abwesenheit.) Übersehen wird, dass der Hirt der Men-

schenherde desselben y&vog ist wie die Herde - also wesentlich kein Hirt. Oder ein Hirt, wie nur Gott der Hirt der Menschen

sein könnte. Infolgedessen werden die Gesetze am Masstab einer absoluten Gerechtigkeit gemessen, die es auf Erden schon darum nicht geben kann, weil niemand in das menschliche Herz schauen kann — oder mit anderen Worten, niemand je die ganze Wirklichkeit einer Tat oder eines Geschehens überblicken kann. Wenn Gerechtigkeit heisst, dass mit oder ohne vönog jeder das Seine erhält (veuewv), dann gibt es entweder Gerechtigkeit nicht, oder es gibt sie erst nach dem 'Iode, auf keinen Fall kann sie etwas mit Politik zu tun haben; sie würde nämlich, wegen der

absoluten und absolut erforderlichen Individualisierung auf den Einzelnen und das Einzelnste, gerade aus den ta xoıv& herausfallen. Plato spricht von der Weltordnung, wenn er meint, von Politik zu sprechen.

[26] Plato, 7. Brief: Der Unterschied zwischen Handeln und Raten: Zum Handeln braucht man Freunde, man kann allein nicht handeln (herstellen könnte man auch allein, nb.); raten kann man allein. Daher ıst

Rat offenbar viel gefährlicher. Daher für Herrschaft notwendig: ı. sich selbst beherrschen, 2. Freunde erwerben, xoıvwvoi tig doxfic, Genossen der Herrschaft." Armut: &avrov un RoaTovV?”

A Mitherrscher (Übers. F. Schleiermacher) B [heauton me kraton], nicht Herr über sich selbst seiend 20

SEPTEMBER I95O

[27] [Plato],

zz. Brief:

O&045

vöuwv“*

nur

möglich

unter

der

Erunedein HVgLOUV”."

[28] Zur Gerechtigkeit: Shakespeare, Troilus & Cressida »or rather, rıght and wrong between whose endless far justice resides should lose their names, and so should justice t0o.«'

[29] Überliefert sind zwei ganz verschiedene Zugänge zur Politik: Der erste geht von der Natur des Menschen aus - L00v noALtıXOV'; der zweite von der Natur der Macht - Machiarvellı.

Der erste ist seinem Wesen nach subjektivistisch. Den zweiten hat Hobbes subjektiviert - »man as a powerthirsty animal«“*.

[30] vöuog: Gegensätze bei den Vorsokratikern: vou@ — düceı” (Antiphon B 44: TO &x vöuov Ölxauov'). (Hippokrates ı2 Cı: vouov AvBewnoı uNoav”.)

EBeoav...,

bUOCLV ÖE nAvIWv

A [thesis nomon], Gesetzgebung B [epimeleia kyriu], Sorge (Fürsorge) eines Herrschers

© der Mensch als machtdurstiges Tier D [nomo - physei], durch Setzung - von Natur aus

HEol ÖLEXOO-

HEFTI

[31] Plato, IToAırıxog

268 (Bekker 271): Die Bestimmung mit dem Hirten führt zu nichts — weil zu viele darauf Anspruch machen können. Daher: EE Addng doxfis — Er£oa. 68054. Danach kosmologische Spekulation: Es war die Zeıt, da die Menschen nicht && &AANAwvB entstanden! Dies hängt zusammen - hat die gleiche Ursache wie die ueraßoAr) des Kosmos -, den der Gott manchmal selbst in seinen Bahnen hält, dann aber loslässt, so dass er ohne des Gottes Hilfe zurückrollt. (Dies die Zeit, da die Menschen aus

einander entstehen? Also ohne die Hilfe des Gottes, der gerade losgelassen hat?) Kreislauf (dvax'xınoıs) = die kleinste Abweichung von ihrer Selbstbewegung (Tfjg adTOD xıvn)oewg)." 270°: Die 4 Möglichkeiten des Laufs der Welt: 1. 0T0£bELV Eavröv - [die Welt, die] sich selbst immer ins Dre-

hen bringt; 2. dEL Uno HEOU OTEEbEodcıL — [die Welt, die] immer von einem

Gott gedreht wird; 3.600 tıv& HEW BEOVoÜVTE Eavroig Evavria OTGEDELV AUTOV — zwei Götter, die einander entgegengesetzt sind, [die] sie drehen; 4. TOTE UEV On’ ÖAANG ovunoönyelodau Belag aitlag,... TOTE 6’ öTav AvEdTj, dl EXVTOU AUTOvV Levau: dass sie einmal mitgeleitet wird von einer anderen und göttlichen Ursache - und ein ander-

mal, wenn sie losgelassen wird, durch sich selbst geht. - Nur die vierte Alternative gilt: Sie erklärt ohne allen Dualismus zugleich die Göttlichkeit und die Gott-verlassenheit des Weltlaufs. Dies ist das na0oc® des Irdischen.

272 (Bekker 278): Solange die Götter? den Menschen direkt & Tex alles arches - hetera hodos], von einem anderen Ausgangspunkt aus — ein anderer Weg B Tex allelon], aus einander © [pathos], Leiden; hier (nach Rufener) Umstand

D bei Plato im Singular: der Gott, die Gottheit 22

SEPTEMBER 1950

vorstanden und jedem das Seine austeilten, gab es keine sroAtelau*! und keine Erinnerung. ? 272 (Bekker 280): Wenn der Gott losgelassen hat, dreht die Welt zurück - einaguevn Te Xal ObubvVTog Erudvulo. 273. Nun ist ihr alles selbst überlassen - &nıu&Asıav rail xodtog

Exwv

AUTOG TOV Ev AUTO TE XaL Eavrod -, und nun bedarf sie der Erinnerung, um sich der Lehren des Gottes zu erinnern.? 274 (282): yevvnoıs E& dAANAwv?: weıl die Welt sich selbst beherrscht: Also die Tatsache, dass Menschen durch Zeugung entstehen, aus einander, ist das sicherste Zeichen a) für Gott-

verlassenheit — Gott hat losgelassen; b) für die Aufgabe autoxoateiv),

275 (284) cf. 268: der Fehler jetzt in der Bestimmung des sroAtınög: Beög Avıi OvnToü“! | 275 (285): TExvn noAtan

= TExXvN adterıraxtıen‘

(gegen

die übliche Bestimmung: [t&xvn] Ertıtaxtınn?). Dies der wesentliche Unterschied zum blossen Herde-hüten: Der gebietende und vorsorgende Hirt hat sich selbst mit einzubeziehen; seine Vorsorge (Ern£Aeıa) ist KoLvfj, nicht lölgı - das einzige Element des iöta ist in dem Selbstbezug enthalten: Wenn er den Andern in Bezug auf das #oıvöv (das, was allen gemeinsam ist) gebieten können soll, muss er sich selbst als {ötog (Einzelnem, Privatem)

gebieten können. D.h. im Herrscher oder Staatsmann ergreift das Politische auch das Private oder das, was allen gemeinsam ist, auch

das

»Individuum«,

den

Bereich

der iötwrnc.

Der

menschliche Hirte im Gegensatz zum göttlichen muss sich in das Besorgte miteinbeziehen. 276 (287): Politik = £nweieia AvOpwsivng OVUAONG KOLVWVLAG = TEXVN KEYS Rard navewv Kvdpwswv. [Politik = die Fürsorge für die ganze menschliche Gesellschaft = die Kunst der Herrschaft über alle Menschen.]° A [politeiai], Nominativ Plural von noAıteia [politeia], Staat B [gennesis ex allelon], Zeugung aus einander © [politikos: theos anti thnetou], Staatsmann: ein Gott statt eines Sterblichen (Übers. Rufener)

23

HEFTI

279 (293): Das Modell (napaöeıyua) des Politischen ist die Weberei. 280 (295): Baoıkevg verhält sich zu rroAırınög wie der Weber zum Kleidermacher überhaupt. (neoßAnuo: Hindernis im doppelten Sinn: Hindernis, das zu überkommen [überwinden] ist, und Abwehr [Abzäunung)]. Das

errichtet wird, um zu stützen. Kriegsspiele.) s

u

Q

7

.

N

beides [Text bricht hier ab]

_

284 (305): Beziehung auf den Sophistes — dass das un Öv” sei -, aber die nun folgenden Bestimmungen nAEov Et TOUTO TO Eoyov Ni Exreivo." (285 [307]) Schönes Motto für Historiker: öTav uEv ıNv TÖvV NOAAHV TIG NEGTEEOV ALOONTAL XoLv@viav, un rg0AbLOTa.00aL

olv Av Ev adri TÄg dLabogods Tön TA0AG, ÖMOCALTITEO Ev ELÖEOL KEIVTOL, ... )

285 (308): Untersuchungen nicht um ihrer selbst willen, son-

dern um zu werden. neoi nAvra Ölahertınwteoorg — und dies nicht nur von der Untersuchung des Webens, sondern ausdrücklich für N neei TOü noAıtıXod Intnoig! Verselbständigung der Methode (286-310), Desinteressement am Wirklichen, Ausnut-

zen des Wirklichen für Übung, für die »Bildung« seiner selbst. 286 (309): TOULWV ÖE Evexa nAvT’ EoTi TÜ vüv AeyOuevo."” 285: Leicht lässt sich etwas erklären auch ausserhalb des Aöyog, was nicht nera noayuarwv ıst. Also Aoyog — NETA noayuatwv"?: die Herrschaft des Logos in der Metaphysik, die Überflüssigkeit des Logos in den ne&yuata, wo er nur eingeübt wird! Von daher die Sinnlosigkeit der pragmatischen Welt, welche ohne Logos Fremde sein muss, nur zur Übung da. Von daher auch Sinnlosigkeit der Politik, es sei denn zur Sicherung des mit den uerä noayuatwv beschäftigten Menschen. Dies ıst der eigentliche Grund für die Herrschaft der Philosophen. Was für ein schrecklich folgenschwerer Nonsense. Und dann doch AöYyog wie ein Ersatz für eiöwAov. A [me on], nicht seiend

24

SEPTEMBER 1950 287 (311): die Ötadexrtızwteoon

wis TÄv övıwv Aoyw örAwoıg, nb: beinahe die Übersetzung von so passım). Kern des Dialogs:

(03,,-311,,).

sind die ! EVEETILWTEROL

ÖnAwoewc.'* (Anderer Gebrauch von wie ein strikt philologischer Beweis für dANdeıa. durch Unverborgenheit’S. Und Erörterung der Masstäbe von 283-287

[32] Man soll sich nicht vor Wiederholung fürchten. Es kann auch ein Wieder-holen sein, und dann ist es »praevenire amandoseins,...wır wollen durchaus nıcht besser sein, wır sind sehr zufrieden mit uns, wir wollen uns nur nicht untereinander

Schaden tun... wären wir Mondkälber genug, mit jenen Handlungen ihre Quelle, das »Herz«, die »Gesinnung« zu verurteilen, so hieße das unser Dasein verurteilen und mit ihm seine oberste Voraussetzung — eine Gesinnung, ein Herz, eine Leidenschaft,

die wir mit den höchsten Ehren ehren.« (Wille zur Macht, 281, p. 199/200) Handlung: »Man weiß die Herkunft nicht, man weiß die Folgen nicht: - hat folglich die Handlung überhaupt einen Wert?« Die Herkunft (Motive etc.) sind unergründlich, die Folgen sind immer unabsehbar. (ibid. 291, p. 206)

A im Original: Quadratur des Circels B Nietzsche: »Stärksten« 107

HEFT

V

Nietzsches Haupteinwand gegen Moral: »Man muß sehr unmoralisch sein, um durch die Tat Moral zu machen... Die Mittel der Moralisten sind die furchtbarsten Mittel ....“; wer den Mut

nicht zur Unmoralıtät der Tat hat, ...* taugt nicht zum Moralisten.« (397, p. 270) Die Insistenz auf der notwendigen Unmora-

lität der Mittel für gute Zwecke durchgehend. Also: Der gute Zweck kann nur mit bösen Mitteln realisiert werden; der (gute?) Zweck in seiner Subjektivität will sich in der Realität durchsetzen. Die Mittel gehören der Welt, der Realität an, ihre »Bösheit« ist objektiv, sıe sind wirklich; der Zweck ist subjektiv, ein Phantom, eine Illusion etc. Es gilt, die Qualität

der Mittel festzuhalten und zu bejahen, weil sie allein der Wirklichkeit angehören. Der Zweck ist subjektiv, die Mittel sind objektiv - reiner Hegelianismus. Nur in die Konsequenz getrieben: Alle Moral (Zwecke) ist Illusion, weil ihre Realisierung (Mittel) in die prinzipiell a-moralische Welt führt. Dagegen - um aus diesem ganzen Zweck-Mittel-Denken herauszukommen: Eine Handlung mit guten »Mitteln« um eines »bösen« Zweckes willen fügt der Welt Güte zu; eine Handlung mit »bösen« Mitteln um eines »guten« Zweckes willen fügt der Welt Bösheit zu.?

[10] Ad Amerika: Bei dem erfolgreichen Bemühen, »to make the world a better place to live ıin«', ist herausgekommen, dass man das menschliche Geschehen in der Welt so transformiıerte, dass Ereignisse nicht mehr in es eindringen können. (Warum? Warum?) »Nothing ever happens.« Nur im Ereignis aber, ın dem die Elemente des Geschehens zusammenschiessen, leuchtet der Sınn des Geschehens auf; daher die Sinn-Entleertheit des

amerikanischen Lebens. A Auslassungspunkte von H. A. 108

JULI 1951

Ferner: Nur Ereignisse »organisieren« das Geschehen, geben ihm Form - und dem Menschen Haltung. Daher die Formlosigkeit der amerikanischen Gesellschaft und die Stillosigkeit der Menschen. Überhaupt das Anarchische des amerikanischen Privatlebens.

[11] Kant, Selbstzweck: Mit welcher Konsequenz das eigentümliche Zwischen der Pluralität übersehen wird! Das absolut isolierte und selbstherrliche Subjekt begegnet einem zweiten in der Welt, gedenkt also sofort, sich dieses zweiten als Mittel zu bedienen;

denn wofür sollte es sonst gut sein, da es doch sichtlich aus der Welt her begegnet? In der Begegnung zweier Menschen, zweier Selbstzwecke, öffnet sich die Welt wie ein Abgrund, der die Zwecke auf ewig voneinander durch die Summe der Mittel, die die Welt ist, fernhält. Die Achtung und der Respekt der »Menschenwürde« ist wie ein ohnmächtiger Gruss über den Abgrund hinweg. Das Böse bei Kant ist, dieses ohnmächtigen Grusses aus der absoluten Distanz unfähig zu sein und dadurch, nämlich durch den Willen zur rücksichtslosen Realisierung der Zwecke, nämlich durch die Revolte gegen die eigene Ohnmacht, den Anderen in den Abgrund der Mittel zu reissen, ihn zu verweltlichen, zu ent-subjektivieren, ihn zu einem Objekt des Willens zu machen.

[12] Nietzsche: »wir, deren Aufgabe das Wachsein selbst ist«' -

109

HEFT

V

[13] Wenn man (mit Recht) sagt, dass nur die Liebe vergeben kann,

vergisst man meist: Nur denen, ben werden; nur denen, die man geben; nicht das Unrecht, das werden, sondern nur mir, der

die geliebt werden, kann vergeliebt, kann (und darf) man verich getan habe, kann vergeben geliebt wird. — Dies alles wird

meist vergessen, weil man vergisst, dass Liebe, wenn sie schon

ein »Gefühl« sein soll, nur als gegenseitiges Gefühl existiert. — Das Wort der Evangelien: Ihr wird viel vergeben werden, denn sie hat viel geliebt," ergibt einen Sinn erst, wenn man interpretiert: Also wird ihr von Vielen vergeben werden. Es wird ıhr bestimmt nicht um ihres berühmten »Gefühls« willen vergeben werden.

[14] Marx: »Die Scham ist schon eine Revolution .... Scham ist eine

Art Zorn, der in sich gekehrte. Und wenn eine ganze Nation sich wirklich schämte, so wäre sie der Löwe, der sich zum Sprunge in sich zurückzieht.« (Marx an Ruge, 1843, Werke, I, ı,

p- 557‘)

[15] Marx, Kapital: Bestimmung der »condition humaine«: »Die Arbeit (ist) ....eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um

den Stoffwechsel zwischen Mensch

und Natur, also das

menschliche Leben zu vermitteln.« (1. Kapitel!) Dies kann erst in Erscheinung treten, wenn »der Begriff der menschlichen Gleichheit bereits die Festigkeit eines Volksvorurteils besitztBekannte< immer mehr in ein Unbekanntes auf: - sie will aber ge-

rade das Umgekehrte und geht von dem Instinkt aus, das Unbekannte auf das Bekannte zurückzuführen.« 617: »Daß alles wiederkehrt, ist die extremste Annäherung einer Welt des Werdens an die des Seins: - Gipfel der Betrachtung.« 627: »...die psychologische Nötigung zu einem Glauben an Kausalität liegt in der Unvorstellbarkeit eines Geschehens ohne Absichten... Der Glaube an causae fällt mıt dem Glauben an

tern“ (gegen Spinoza und dessen Kausalismus).« 631. »Die Trennung des »Tuns< vom »Tuenden«, des Geschehens von einem, der geschehen macht, des Prozesses von einem Etwas, das nicht Prozess, sondern dauernd, Substanz, Ding,

Körper, Seele usw. ist... diese alte Mythologie hat den Glauben an >Ursache und Wirkung« festgestellt...« 632. »Der Fehler steckt in der Hineindichtung eines Subjekts.« 666. »...man muss einsehen, daß eine Handlung niemals verursacht wırd durch einen Zweck;

dass Zweck und Mittel

Auslegungen sind...; daß jedesmal, wenn etwas auf einen Zweck hin getan wird, etwas Grundverschiedenes und andres geschieht.«

[18] Entfernt man aus der Kausalitäts- und der teleologischen Betrachtung, welche beide uns lehren, die Geschichte als eine kausal und teleologisch zusammenhängende und explizierbare Kette von Ereignissen zu betrachten, die Erste Ursache, welche & [tele], Nominativ und Akkusativ Plural von t&Xog, Ende, Zweck

113

HEFT V

die »causa sui« sein muss, einerseits und den letzten Zweck, der der Zweck um seiner selbst willen sein muss, andererseits, d.h.

entfernt man die uns unbekannte und unbeweisbare Grösse am Anfang und am Ende der Kette - so ist es unvermeidlich, dass der ganze Prozess in einen Kreislauf zurückschlägt. Nur Gott am Anfang und Gott am Ende hat verhindern können, dass Ursache und Wirkung einerseits, Mittel und Zweck andererseits in einem

dauernden

Kreisen

zusammenfielen,

sich dauernd

ineinander verwandelten, und dies ohne jede dialektische Gestuftheit, in der etwa die Wirkung einer Ursache zu einer Ursache einer höheren Wirkung werden kann oder der erreichte Zweck benutzt werden kann als Mittel eines höheren, nämlich

dem angeblichen Endzweck angenäherteren Zweckes. Die Frage, warum Kausalitätsbetrachtung in der Geschichte beibehalten wurde, trotz stillschweigender Eliminierung der »causa sui« und des Endzwecks, hat Nietzsche beantwortet: als Mittel, das Neue, Unbekannte, das recht eigentlich die spezifi-

sche Qualität des Ereignisses ist, zu umgehen und sich ın das Alt-Bekannte zu flüchten durch Auflösung aller unbekannten, neuen Faktoren in blosse, nämlich errechenbare Wirkungen bekannter Ursachen. Spengler ist der einzige Historiker, der die Konsequenzen der »Säkularisierung«, heisst, der Eliminierung Gottes aus der

Geschichte der Menschen, zog — die Konsequenz nämlich, die sich ergibt, wenn man auf die kausale Betrachtung nicht verzichten will. Dies ist der Grund, warum er Nietzsches Ewige Wiederkehr und den Kreislauf des Geschehens in die Geschichtswissenschaft hineintrug. Es versteht sich, dass die grosse Verführung für diesen Kreislaufbegriff aus der Anschauung des natürlichen Kreislaufs von Tag und Nacht und der Jahreszeiten stammt, in die alles Leben,

das per definitionem einen Anfang und ein Ende hat, hineingeboren ist, als sei die Atmosphäre des Ewig-wechselnd-Gleichen, des ohne Anfang und ohne Ende Kreisenden notwendig, um überhaupt Anfang und Ende zu ermöglichen. Jedenfalls ging die theologisch gebundene Einsicht: »ut ini114

JULI 1951 tium esset, homo creatus est«', verloren. Und damit überhaupt die Einsicht in den Ereignischarakter der Geschichte.

Ferner: Die Anwendung

des Kausalitätsprinzips auf den

Kreislauf kann nur im vollkommenen Schwindel enden, weil

im Kreislauf der Unterschied zwischen Ursache und Wirkung prinzipiell und in jedem Augenblick nur eine Frage der Aspekte ist, also jederzeit willkürlich vertauschbar, der »Subjektivität« des Historikers ausgeliefert. Mit anderen Worten: Das Kausalıtätsprinzip, der »causa prima« und des letzten 1&X0g beraubt, ist komplett direktionslos und kann nur desorientieren. Dies wird verhüllt, wenn der Historiker sich das Air gibt, immer

nur Alt-Bekanntes zu erzählen zu haben, das er komplett zu erklären imstande seı; d.h. durch eine zur Methode gewordene Besserwisserei. Viel schlimmer die Perversion, die eintritt, wenn jeder Zweck

im Kreislauf (d.h. ohne letzte Rechtfertigung) zum Mittel wird und jedes Mittel auch als Zweck angesetzt werden kann. Während die Vertauschbarkeit von »causa« und »effectus«* nur die Geschichte durcheinanderbringt — d.h. nur das irrsinnige Kausalttätsprinzip der Erklärung in die ihr inhärente Absurdität treibt, bringt die Vertauschbarkeit von Mittel und Zweck die Politik durcheinander, d.h. treibt die der Identifizierung von Handeln mit Herstellen inhärente Unmenschlichkeit ins Extreme.

[19] Die Philosophen und die Politik: Nietzsche: »Die Politik so geordnet, dass mässige Intellekte ihr genügen, und nicht Jedermann jeden Tag drum zu wissen braucht.«' Politik eine Sache von Experten, der der Bürger entraten kann. Darauf läuft die gesamte Tradition des politischen Denkens des Abendlandes hinaus, Marx inclusive! A im Original: effect 115

HEFT

V

[20] Gegen eine ontologische Betrachtung von Gut und Böse spricht, dass Gut und Böse eigentlich immer nur zwischen Menschen

auftauchen

kann,

also

wesentlich

immer

Recht

und

Unrecht ist. Gegen dies und für ein ontologisches Deuten von Gut und. Böse spricht, dass das radıkal Böse mit Recht und Unrecht nichts mehr zu tun hat, nıcht mehr zwischen Menschen auf-

taucht oder aufzutauchen braucht, überhaupt mit anthropologischen Kategorien - und alle »moralischen« Kategorien sınd anthropologische Kategorien — nicht mehr zu fassen ist.

[21] Ad Logik einsamer, alles zum daher die

und Einsamkeit: »Kurz, ein solcher Mensch [id est ein H. A.] folgert immer eins aus dem andern und denkt ärgsten.« Die Logik ıst die Sünde der Einsamkeit; Tyrannei des zwingend Beweisbaren: die Eroberung

durch den Einsamen. (Zitat aus Luther, »Warum die Einsam-

keit zu fliehen?«, 1534, Erbanliche Schriften 6, ı58') In jeder Gemeinsamkeit stellt sich die Unzulänglichkeit der Logik in der Form einer Pluralität von Meinungen, die zwingend nicht unter einen Hut gebracht werden können, heraus. »Immer eins aus dem andern folgern« heisst von den Menschen und der Welt absehen, heisst eine beliebige Meinung zur Prämisse erheben.

II6

AUGUST 1951

Angust 1951 [22]

August, 1951

Ad: Heidegger, Heraklıt, Aöyoc.' 1.A&yewv =legen. p. 5. »Anwesendes als Anwesendes mit Anwesendem zum Vorliegen bringen, es als ein Vorliegendes liegen lassen. ... dieses Legen, worin wir überall das von sich

her Anwesende als Anwesendes beisammen vorliegen lassen, ist das höchste und weiteste Legen...[Es soll gemessen werden] an dem, was für sich von uns ein Vorliegenlassen verlangt. “Überall wo es gilt, Anwesendes als Anwesendes anwesen zu lassen, ist für uns ein Vorliegenlassen nötig. Dieses Liegenlassen bleibt wesentlich schwerer als jede andere Art von Legen ... Dem... Vorliegen-lassen liegt... einzig daran, das Anwesende in seinem Anwesen zu gewahren; um es darin zu wahren. Wenn wir Anwesendes als solches vorliegen lassen, dann liegt jeweils Anwesendes bei Anwesendem vor. Anwesendes west beisammen. Für. das Vorliegenlassen zeigt sich dieses 'Beisammen.« a) Können wir nicht nur deswegen Vorliegenlassen, weil wir zum Vorliegenbringen können? Können wir nicht nur dort lassen, wo wir auch bringen? Sind nicht Gast und Tisch und Frucht erst dadurch beisammen, dass wir die Frucht dem Gast auf dem

Tisch vorgelegt haben? Könnte nicht das Liegen-lassen darum so »schwer« sein, weil es nur durch Legen überhaupt zu erreichen ist? Diese Schwierigkeit wäre vielleicht zu lösen, wenn man »lassen« in dem vollen Doppelsinn versteht von zulassen und veranlassen. Wie wenn ich sage: Ich lasse mich operieren (lasse es zu und veranlasse den Arzt) oder ich lasse meine Schuhe reparieren. Vorliegenlassen wäre dann: zuzulassen und zu veranlassen, dass »Anwesendes als Anwesendes anwest«, d.h. dass ein Bei-

sammen statt hat. 117

HEFT

V

b) Wer oder was »verlangt für sich von uns« das Vorliegenlassen? Doch nicht das Beisammen, denn dies ist dasjenige, was offenbar erst vollbracht wird. c) A&yeıv jedenfalls macht das »Gewortfensein« zu einem »Beisammensein«. Wenn der Mensch in der »Behausung« der Sprache wohnt und »die Sprache das Haus des Seins« ist (Humanismusbrief), so besagt das Beisammen des Anwesens, dass erst im Aeyeıv, im beisammen vorliegen lassen, das einzeln Seiende ist — in dem Sinne, wie die einzelnen Glieder einer Familie erst ın

dem

gemeinsamen

Haus

eine Familie sind. Erst in seinem

Haus, wo es beisammen ist, ist Sein. d) Was ist der Gegensatz zum Beisammen? (oder zum Zusam-

menlegen und Voneinandertrennen, Identifizieren und Unterscheiden?) Vermutlich das logische Schlussfolgern, in dem nicht mehr Anwesendes

mit Anwesendem

beisammen ist, sondern

ein Einzelnes aus dem Zusammenhang gerissen hypertrophisch alles in sich verschluckt: und zwar stets, auch in der Logik, in der Form der Organisation. Zusammenhang mit dem radikal Bösen.

2.p. 6: »Das einbringende Bergen ist das dem Range nach erste im Lesen.« Man könnte einwenden: Brot und Wein sind dem Range nach das erste in der Ähren- und Traubenlese. Dagegen Heideggers Anliegen, das menschliche 'Tun ohne »das Bewirken einer Wirkung« zu denken, ausserhalb jeglichen teleologischen Zusammenhanges als reine Tätigkeit -— »vollbringen« (Brief über den Humanismus). Heidegger denkt hier selbst das Herstellen (von Brot und Wein) noch im Sinne der »Handlung«, während gewöhnlich die Handlung am Modell des Herstellens (Mittel - Zweck) vorgestellt wird. Das Modell: »Bewirken einer Wirkung« ist bereits spezifisch modern; in ihm ist gleichsam das Herstellen in eine Bewegung gerissen, in welcher alle spezifischen Zwecke als Wirkungen, die ihrerseits neu bewirken, auf-

gelöst werden. Dies die neuzeitliche Geschichtsvorstellung. Heidegger muss so viel daran liegen, das Produkt aus dem Tätigkeitsvorgang auszuschalten, um den Subjektivismus zu 118

AUGUST I95I vermeiden, der in der t£yvn mit ihrem vom Menschen vorge-

schriebenen eiöog liegt.

[23] Ach, wie die Zeit sich eilt, unverweilt

Jahr um Jahr an ıhre Kette reiht. Ach, wıe bald ist das Haar weiss und verweht. Doch wenn die Zeit sıch teilt

jählings ın Tag und Nacht, wenn uns das Herz verweilt —

spielt es nicht mit der Zeit

Ewigkeit?

[24] Arıstoteles: IIoAırıx®v [Politica], 1253a: 'Ex TO0ÜTWOV 0dv davegöv, ötı T@v düoeı f| mödıg Eoti, Kal ÖtL ö AvHewıog bVoE noAutırov LDoVv, [...] Awötı 6E noAuıtıxöv Ö AvHewnog THOV NAONG HEALTTNG Hal TAVTOG AyEeAalov LWov uärdov, ÖfjAov. [...] Aöyov dE u6vov AVOEWIoG Exeı TÜV LWWv“

[...] 6 de Aoyos Eni T@ ÖnNAoüv Eotı TO OVUbEEOV

Kai TO

BPAaßeoöv, WoTE Kai TO ÖlXaıov nal TO AdLXOV' [...] 1) 6E TOUTWwVv 119

AUGUST 1951

yowvavic, oLel Olxlav nal öALv. Kai NOÖTEQOV ÖE TTj bUoeı nörg f olnla Kai Eraotog Nußv Eorıv. TO yag ÖAOV ITEÖTEEOV avarynalov eivaı Tod uEgovg [...] ei yao un adragang EXAOTOG ywgıodeig, ÖUOLWG TOIG aAhors HEQEOLV EEeL ITOOG TO ÖAOV, l- .] H € ÖLRaLOOUVN nOoMTXöV N yao Ölen nom KOLVWVLAG taEıg EOTLv, N ÖE ÖlnaLocUvN TOD ÖLXALOV KolLotg."

ı.Der Mensch &voeı politisch, weil er nur gemeinsam mit Anderen Autarkie erreichen kann. Allein, abgetrennt, ist er wie die abgehauene Hand.

2.Der Mensch »politischer« als anderes Lebende, weil er Aöyog hat und daher unterscheiden kann zwischen nützlich und schädlich, gerecht und ungerecht. Die xoıvwvia also beruht auf der Fähigkeit, das eigene Interesse wahrzunehmen (ato®noıs) — zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. All dies auf Grund des Aöyog, der nicht nur wie die Stimme anzeigt, sondern

unterscheidet. 3.Spezifisch für die nölıg ist Öinauoodvn; die ölan ist die Ordnung der xoıvwvio, die man noAıtırn heisst. Sie besteht in der Ausscheidung des Gerechten. 4. Die Polis ist mehr als die olxia und mehr als der Einzelne, als Ganzes, das sıch zu seinen Teilen verhält. 5. Die xoıvwvia ist da, um zu leben; die nöAıg , um »gut« zu

leben. Die gesamte nach-aristotelische politische Philosophie hat all dies als selbstverständlich übernommen und nur eine neue Entdeckung gemacht: Macht. . Macht kann nicht entdeckt werden, weil doxeıv und Koxeodaı

durch Geburt geschieden sind: Daher wird das Problem immer erst unter Bedingungen der Gleichheit wesentlich werden.

[25] Ad Sorels: »force - violence«': »force« zum Schutz des Beste-

henden, »violence« zur Durchsetzung des Neuen: deyn: Anfang und Herrschaft? 121

HEFT V

»ut initium esset«°: Anfang der Herrschaft über die Erde Macht bei Machiavelli: Um etwas zu begründen, braucht m: Diktatur.‘ »Violence« - Sorel für Revolution. Dies die antike Tradition. Zu scheiden von der christlich« und stoischen: Macht als Ausfluss der Allmacht Gottes od

das Naturgesetz.

Heft VI

September 195 1 bis November 1951

Heft VI September 1951

[1] bis [19]

125

Anmerkungen

950°

Oktober 1951

[20]

Anmerkungen

143 953

November 1951

[21] bis [22]

Anmerkungen

143 953

Thematisches Inhaltsverzeichnis

870

September 1951 [1]

September 1951

Drei Aspekte: Der welthistorische: Wo gehobelt wird, da fallen Späne." Der moralische: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem Andern zu. Der politische: »L’affaire d’un seul est l’atfaire de tous.«”

[2] Denkt man erst einmal das Handeln in den Mittel-Zweck-Kategorien und die politische Grundsituation in der Kategorie von Teil - Ganzem (Individuum - Gesellschaft etc.), so kann man gar nicht mehr vermeiden, einen Menschen als Mittel zu benut-

zen und ıhn als Teil einem Ganzen aufzuopfern.

[3] Man hat so viel Aufhebens um den Glauben an Gott gemacht, weil es so schwer ist, sich zuzugestehen, dass alle menschlich-

personalen Beziehungen auf Glauben gegründet sind. Die Möglichkeit der Reservatio mentalis beruht auf der Unmöglichkeit, in das menschliche Herz wissend zu blicken, auch in das eigene Herz. Die Unmöglichkeit der wissenden Sicherheit um einen Menschen beruht auf der Fähigkeit der Freiheit. Beides zusammen, die Freiheit und die Dunkelheit des Herzens, macht die 125

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VI

Erforschung des Menschen unmöglich und erzeugt als höchst "Tugenden im Personalen Glaube, Liebe, Hoffnung. Wenn dies

Tugenden auf Gott bezogen werden, so ist Gott nur der Inbe griff menschlicher Verhältnisse. Das Schlimme daran ist nu dass, als man Gott als den grossen Unbekannten ansetzte, ma

so getan hat, als kennte man den Menschen. Luther hat dies sehr gut gewusst, als er meinte, die Existen Gottes sei notwendig, weil es ein Wesen geben müsse, dem de Mensch trauen kann. Nur ist nicht einzusehen, warum es solc

ein Wesen geben muss. Könnte es nicht sein, dass gerade di wesentliche Unbekanntheit des Menschen seine Ebenbildlich keit ausmacht? Von den drei Tugenden ist die Tugend des Glaubens di geringste und die unerlässlichste. Ohne Glauben könnte menschliche Verhältnisse auf keiner Stufe auch nur minuten weise bestehen. Vollkommenes Misstrauen ist vollkommen Kontaktlosigkeit, so wie vollkommenes Vertrauen vollkom mene Narrheit ist. Der Glaube ist keine Tugend, recht besehen sondern entspringt der Angewiesenheit der Menschen aufeinan der. Der blosse Glaube, unerlässlich für jegliche Beziehung kann immer korrigiert werden. Die Liebe macht den Glauben fest, entzieht ıhn der ständi

gen Korrigierbarkeit und ist gerade darum so gefährlich. Lieb ist nicht blind und macht nicht blind; das Gegenteil ist ehe wahr; aber Liebe verschreibt [sich] der Dunkelheit des Herzens

das auch ihr sich nur augenblicksweise erhellt und erleuchtet Das Aufleuchten der Dunkelheit des Herzens ıst der »coup d foudre«. Wo

immer ein solches Aufleuchten stattfindet, d.h

wo immer sich das Herz im wahrsten Sinn des Wortes öffnet ist Liebe. Ohne Hoffnung ist weder Glaube noch Liebe möglich. Di Hoffnung ist die Zuversicht, dass der Glaube auch morge noch standhalten wird, oder das bebende Abwarten, ob die Her zen sich nıcht wieder schliessen.

Die Politik ıst dazu da, ein Minimum an Vertrauen zu garan tieren. Das Gesetz, das sagt: Wenn Du das und das tust, wir 126

SEPTEMBER I9$I Dir das und das geschehen; der Vertrag, der sagt: Wenn Du dies und dies erfüllst, werde ich das und das erfüllen, schaffen einen

Rahmen der Voraussehbarkeit im Unvoraussehbaren. Dies tun auch Sitten; und Politik und Verfassungen werden darum umso unerlässlicher, je weniger Verlass auf Sitten ist - also in allen Zeıten der Erweiterung der Welt, wo der Zusammenstoss der Sitten

und Sittlichkeiten einander relativieren. Der Betrug ist die Reservatio mentalis. Er ist im politisch Öffentlichen, im Gesetz und im Vertrag vorgesehen; auf ihn stehen sofort bestimmte, vorhergesagte Sanktionen. Er ist furchtbar nur ım Personalen, weil es da keine mögliche Sanktion gibt. Das Wagnis der Liebe, ihre »Blindheits, ist, dass sie mit dem

Betrug nicht rechnet und nicht rechnen kann. Darum stimmt: „Wer sich der Liebe ergibt, hält er sein Leben zu Rat?«' Die Descartessche Vorstellung eines konsequent uns narrenden Gottes ist auch nur der Inbegriff des in allen menschlichen Beziehungen immer präsenten Alptraums des Misstrauens, der Inbegriff der Angst vor der Reservatio mentalıs.

[4] Solidarität: Alle Solidaritätsbegriffe tragen noch deutliche Spuren der ersten und ursprünglichsten Solidarität aller Menschen (also des Menschen) gegen die Natur. Solche Solidarität von Einem gegen alles Andere ist aber unter Menschen nie erlaubt. Es gibt keine unbedingte Solidarität. Das »wir sitzen alle ın einem Boot« ist ein Beispiel der falschen, verabsolutierenden Solidarität. Der Gruppenbegriff mitsamt seiner Bezogenheit auf die TeilGanzes-Kategorie stammt aus der Solidarität des Menschen gegen die Natur.

127

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VI

[5] Unterschied zwischen dem radikal Bösen und der Schlechtigkeit: Die Schlechtigkeit ist immer selbstisch und bleibt gerade dadurch an Andere gebunden; sie ist nıe radikal, weil sie immer Motiven

entspringt, also keinen eigenen Ursprung hat. Die Schlechtigkeit entspricht genau in Mass und Qualität der menschlichen Güte, von der es mit Recht heisst: »Nennt mich nicht gut. Gut ist alleın Gott, unser Vater im Himmel.«' Menschliche Güte wıe

Schlechtigkeit sind durch das Selbst limitiert. Das radikal Böse aber nicht. Das Beunruhigende ist, dass ihm kein radikal Gutes entspricht. Die Merkmale des radıkal Bösen sind: 1. Motiv-losigkeit und Selbstlosigkeit. 2. Völliger Mangel an Einbildungskraft, aus dem völliges Versagen des Mitleids, auch des Mitleids mit sich selbst!, entspringt. 3. Konsequenz alles rein Logischen, die letzten Folgerungen aus den einmal angenommenen Prämissen ziehen und die Anderen mit dem Argument: Wer A gesagt hat, muss auch B sagen, bei der Stange halten. Dies sind nur die psychologischen Symptome, nicht die eigentlichen Zwecke und nicht das Wesen des radıkal Bösen.

[6] Der Irrtum der Philosophen ist immer gewesen, dass sie dachten, der Mensch verhalte sich zu den Menschen wie das Sein zum Seienden; nämlich so, wıe das Sein als das waltende Grund-

prinzip das Seiende erst zum Seienden macht, so macht der Mensch (id est das Humane als Ideal) erst die Menschen zu Menschen. Und so wie man sich, um der Vielheit des Seienden

Rechnung zu tragen, damit begnügte, den Grundbestimmungen von »ens«, »unum«, »verum« noch das »alter« zuzufügen, so

glaubte man, der Pluralität der Menschen Genüge zu tun, wenn man zu dem Selbst noch den Andern hınzutat. 128

SEPTEMBER 1951 Der Mensch kann sich zu den Menschen immer nur wiıe der

Löwe zu den Löwen verhalten. Der Begriff Mensch bleibt hier wesentlich ein Gattungsbegriff, d.h. ein animalischer. Weil man

den Menschen brauchte wie das Sein, blieb der Begriff vom Menschen in der Vorstellung einer abgewandelten Tierart stek-

ken; während man dann den Begriff der Mensch, aus dem man das Menschliche ableitete, zu einem »Ideal« erhob. In das Ideal ging dann jeweilig all das hinein, was den Menschen vom Tiere unterscheiden sollte: das Rationale, die Sprache, der Vorsatz, der Zweck etc. Dies »Idealische« kommt nur daher, dass wir

einen Begriff von den Menschen ohne Bezug auf tierisches Leben noch nıcht haben. Politisch hat dies meist bedeutet, dass »Menschsein« von bestimmten Gruppen monopolisiert wird. Dies natürlich am deut-

lichsten ın Aristoteles’ Sklaventheorie." Dies liegt nicht nur an antiken Verhältnissen,

sondern

auch

daran,

dass

Aristoteles

sich noch nicht scheute, die Konsequenzen seiner Konzeption offen zu ziehen.

[7! Was ist gegeben? Niemals Material, das erst entsteht aus einer Teil-Zerstörung der Natur. (Um Holz für den Tisch zu gewinnen, muss ich den Baum als Baum zerstören.) Materie wiederum ist nur die Abstraktion von Material. Sollte die Attraktion der »Materıalisten« darın bestehen, dass man weiss, dass Materie als »prima causa« etwas von Menschen Erzeugtes ist? Das

Produkt menschlicher Arbeit für den Zweck weiterer Arbeit? Oder die vom Menschen selbst geschaffene Grundlage für das »human artıfice«?

129

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VI

[8] Das Verallgemeinernde in der Arbeit: Aus individuellen Bäumen machen wir Holz, aus individuellen Rindern Fleisch, aus

individuellen Pflanzen Garn. Je organisierter die Arbeit ist, desto stärker setzt sich diese Verallgemeinerung als Materialisierung durch.

[9] Gegeben scheint uns überhaupt nur: die Erde, um eine Stelle zu gewähren, an der wir ım Universum unsere Zelte aufschlagen können (also der Raum); das Leben als die Spanne für unser Ver-

weilen (also die Zeit); und die »Vernunft«, um erst uns zu leiten, uns hier für eine Weile häuslich einzurichten, und dann, wenn

das Wohnen endlich besorgt ist, im Verwundern zu enden, dass überhaupt so etwas wie Erde, Universum, Leben und Mensch

existieren. Mehr »Zweck« dürfte aus der ganzen Veranstaltung beim besten Willen nicht herauszulesen sein.

[10] »Seinlassen«:

nämlich

aus den Universalien

das

»alter«, das

Anderssein als... streichen. Diese Bezugslosigkeit ist nicht Isolieren, sondern nur das Wegräumen der Zwecke, die Dinge aus

dem Zweckzusammenhang lösen. Dies tat immer schon das »Schöne«, jedenfalls in der Kantschen Definition. Hier liegt der Zusammenhang zwischen dem Wahren und dem Schönen.

[11] America: Das politisch Neue:' 1) Die Tatsache der Konstitution, das Etablieren des höchsten 130

SEPTEMBER 1951 Gesetzes, das gegen alle Herrschaftsansprüche - die des Einzelnen, die der Wenigen und die der Mehrheit — gesichert sein muss. Erst im Moment der Konstitution wurde ein Anfang gesetzt und zwar zum ersten Mal ohne Gewalt, ohne äoyxeıv und KEyEodaı. 2) Die Teilung der Gewalten als Teilung der Souveränität. Entscheidend hierfür ist nicht die Montesquieusche Formel von Exekutive, Legislative und Judiciary, sondern die unbekümmerte Aufteilung von Befugnissen zwischen Federal Government und Staaten. 3) Das höchste Gesetz des Landes sınd nicht nur Verfassung und verfassungsgerechte Gesetze, sondern auch Verträge. Dies der Grund für die Zwei-Drittel-Mehrheit des Senates. Hier ist

zum ersten Mal Aussenpolitik zur Innenpolitik geworden. Hier liegt in der Tat eine Anweisung auf eine politische Organısation der Menschheit.

[12] Marx stellt Hegel auf den Kopf, und Nietzsche dreht den Platonismus um — so vollzieht sich das Ende der abendländischen Philosophie. Beide wollten damit das bisher nur Gedachte verwirklichen und bereiteten - oder ahnten? — damit den totalitären Weg, der auch Gedachtes, wenn auch nur Ausgedachtes, zur

Realität machen will. Von hier aus gesehen ist Nietzsches Einwand gegen Plato [zu verstehen]: Das »Übersinnliche« gibt es nicht, es verdankt seinen Ursprung den Sinnen (daher das Gewicht, das Nietzsche immer auf die Genesis der Moral, der »Wertbegriffe« etc. legte); das erkennbar »Übersinnliche« ist in Wahrheit das Gesetz des Sinnlichen, vor dem wir uns keineswegs als Erkennende zu verhalten haben, sondern das wir ım Sinnlichen verwirklichen können, wenn wir es kennen und unser Vorurteil, es mit etwas

Übersinnlichem [zu tun zu haben] - d.h. mit etwas, das der Befugnis des Menschen wesentlich entzogen bleibt -, aufgeben. 131

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VI

Das Gute, Wahre, Schöne ist im Sinnlichen greifbar und im Sinnlichen erschaffbar. Das Schaffen des Guten, Wahren, Schö-

nen ist mehr als das Erkennen, ja das Gegengift zum Erkennen, die Gegenbewegung zum Nihilismus, in dem das Erkennen endet. Der Nihilismus

ist das Ende

einer Erkenntnis,

die be-

hauptete, dass das Sinnliche nicht eigentlich sei und dass das eigentlich Seiende, das »Übersinnliche«, dem Menschen nicht fassbar, nıcht die Welt der Menschen ıst.

Marx’ Einwand gegen Hegel sagt: Die Dialektik des Weltgeistes bewegt sich nicht lıstig hinter dem Rücken der Menschen, deren scheinbar eigenständige Willens-Handlungen sie für ihre Zwecke

benutzt, sondern ist die menschliche Art und Weise

der Tätigkeit. Solange diese Tätigkeit »unbewusst« war (d.h. solange die Gesetze der Dialektik nicht entdeckt waren), stellte sich diese Tätigkeit als ein Geschehen dar, in der das »Absolute« sich offenbart. Wenn wir uns des Vorurteils entledigen, dass ein »Absolutes« hinter unserem Rücken durch uns sıch offenbart, und die Gesetze der Dialektik kennen, können wir das Absolute

verwirklichen. Im Moment des Handelns stellt sich fatalerweise heraus: 1. Dass das »Absolute« und das »Übersinnliche«, das Wahre, Gute, Schöne nıcht fassbar sind, weil nıemand konkret weiss,

was es ist. Jeder hat zwar einen Begriff davon, aber stellt sich konkret etwas ganz anderes darunter vor. Sofern Handeln auf die Pluralität der Menschen angewiesen ist, ist die erste Katastrophe der abendländischen Philosophie, die schliesslich ın ihren letzten Denkern sich des Handelns bemächtigen will, dass Einigung prinzipiell unmöglich und Tyrannei prinzipiell notwendig wird. 2. Dass zum Zwecke des Handelns jegliches als das Absolute gelten kann - Rasse, klassenlose Gesellschaft, etc. Alles ist gleich zweckmässig, »everything goes«. Die Wirklichkeit scheint dem Handeln so wenig Widerstand entgegenzusetzen wie den verrücktesten Theorien, die ein Scharlatan sich ausdenken mag. Alles ist möglich. 3. Dadurch, dass man Absolutes - Gerechtigkeit z.B. oder das 132

‚SEPTEMBER I9$I

'„Ideal« überhaupt wie bei Nietzsche - zum Zweck ansetzt, ermöglicht man vorerst ungerechte, bestialische Handlungen, weil das »Ideal«, die Gerechtigkeit ja als Masstäbe nicht mehr existieren, sondern zu innerweltlich erreichbaren, herstellbaren Zwecken geworden sind.

Mit anderen Worten, die Realisierung der Philosophie schafft die Philosophie, die Realisierung des »Absoluten« schafft das Absolute wirklich tatsächlich aus der Welt. So schafft schliess-

lich die vorgebliche Realisierung des Menschen die Menschen einfach ab.

[13] Nietzsches umgekehrter Platonismus nach der Heidegger-Vorlesung', abgelesen an Kunst - Wahrheit: Plato: Gott - iöea (Wahrheit); Handwerker - Öv (ausgerichtet an der iö£o, an der Wahrheit, ihr gemäss); Künstler - eiöwAov

(Versuch der Herstellung der iö£a, bei der nur ein Schein herauskommen kann). Nietzsche: Wenn es Gott nicht gibt, der die iö£aı bereitstellt, gibt es auch keine Wahrheit. Dann stellt der Handwerker nicht mehr Dinge gemäss ihrem Wahrsein, gemäss der iöga, die ıhn beim

Herstellen

leitet, her, sondern

gemäss

ihres

Nutzens;

Funktionalisierung der Welt. (Hier zeigt sich, dass die konsequente Vulgarisierung der Welt in eine Zweckwelt erst anheben kann, wenn das platonische Weltbild nicht mehr gilt.) Um der der Wahrheit - des wahren Seins - beraubten Welt wieder Wahrheit - Sein — zu geben, bedarf es des Künstlers, der nun nicht mehr in der uiunoıg einen Schein der ım Vielerlei der Erscheinungen erblickten einheitlichen iöga gibt; sondern diesen Schein freı schafft, ohne ihm Seinsrang geben zu können. So wird der Schaffer der eiöwAa der höchste Typ Mensch. Dabei bleibt die Kunst Schein, eiöwAov; aber dieser Schein tritt nun

an die Stelle der Wahrheit. Dagegen wäre zu setzen die Goethesche Kunstauffassung: 133

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VI

Der Künstler bildet nicht nach (pniunors) das in der Natur Erkannte, sondern das Sich-zeigen der Natur, d.h. die Natur, sofern sıe ın den Bereich des Menschen tritt, und zwar dieses Eintreten selbst. Ihr Gegenstand, mit anderen Worten, ist nicht

der Gegenstand der Erfahrung, sondern die Erfahrung selbst. (Heinrich [Blücher]) Sie gibt die Wahrheit des Seins, sofern dies Sein dem Menschen sıch darbietet. (»Ins Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist.«*)

[14] »Stumm geboren« sind wir alle. Das Sprechen lernen wir in dem Masse, ın dem wir erfahren, dass alles Nicht-gesagte eigentümlich realitätslos bleibt, also in dem Masse, in dem wir hungrig sind nach Wirklichkeit. Es gibt keine stumme Wirklichkeit. Dann gibt es noch die falsche Identifizierung von Sich-verbergen mit Geborgensein. Bergen kann man sich nur, indem man sich zeigt, das Sich-zeigen riskiert. Bergen können uns nur die Anderen, ihre Liebe, denen wir uns durch das Verbergen

entziehen. Geborgenheit ist in der schlechthinnigen Souveränität des Stolzes, der in der Verborgenheit blüht und gedeiht, nicht möglich.

[15] Nietzsches Wille zur Macht ist wesentlich der Wille über sich hinaus — nıcht der Wille, als ein »Selbst« Andere zu beherrschen. Über sich hinaus, aber wohin? Das Über-sich-Hinaus durchstösst zwar die Grenzen des Selbst, aber stösst ins Leere. Darum kann man sich schwer des Verdachts erwehren, dass

auch dies nur die grösste der modernen Veranstaltungen ist, sıch selbst los zu werden. Wenn die Einsamkeit ohne Gott nicht

zu ertragen ist, liegt der Schluss nahe, dass die Gesellschaft des eigenen Selbst, die erst in der Einsamkeit ohne Gott voll

134

SEPTEMBER I9SI zur Geltung kommt, das wahrhaft Unerträgliche an der Einsamkeit ıst.

[16] Aus der 2. Abhandlung Zur Genealogie der Moral. „Ein Tier heranzüchten, das versprechen darf - ist das nicht... das eigentliche Problem vom Menschen? ... Eben dieses

notwendig vergeßliche Tier, an dem das Vergessen eine Kraft, eine Form der starken Gesundheit darstellt, hat sich nun ein

Gegenvermögen angezüchtet, ein Gedächtnis, mit Hülfe dessen für gewisse Fälle die Vergeßlichkeit ausgehängt wird, - für die Fälle nämlich, dass versprochen werden soll: somit... ein aktives Nicht-wieder-los-werden-wollen, ein Fort-und-fort-wollen des

ein Mal Gewollten, ein eigentliches Gedächtnis des Willens: so dass zwischen das ursprüngliche »ich will >sich werde tun« und die eigentliche Entladung des Willens, seinen Akt, unbedenklich eine Welt von neuen fremden Dingen, Umständen,

selbst Willensakten dazwischengelegt werden darf, ohne daß diese lange Kette des Willens springt... Wie muß der Mensch, um dermaßen über die Zukunft voraus zu verfügen, ... selbst vorerst berechenbar, regelmäßig, notwendig geworden sein, ... um... für sich als Zukunft gut sagen zu können!«' Hier, und nicht in der Umwertung der Werte und nicht im verkehrten Platonismus, liegt die Stiftung einer neuen »Moral«. Das Versprechen ist so zentral das moralische Phänomen par excellence, wie der aus dem Vermögen zum Versprechen hervorgehende Kontrakt das zentrale politische Phänomen ist. (Wie merkwürdig, dass Nietzsche, nachdem er die Genealogie der Moral ausdrücklich mit dem Versprechen als einem positiven Phänomen begonnen hatte, sich so nachlässig verächtlich über die Vertragstheorie äussern konnte.) Hier liegt auch der echte, nicht »weltgeschichtliche«s, Zusammenhang zwischen Geschichte und Politik; insofern das Versprechen das »Gedächtnis des Willens« ist, stiftet es Geschichte. Das Gedächtnis auf die 135

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VI

Zukunft, das der Zukunft die Gegenwart und die Vergangenheit im Modus des Nicht-vergessen-Wollens garantiert. Dabei ist wesentlich, dass man - im Gegensatz zu Nietzsche weder sich selbst noch die Umstände als »berechenbar« vorstellt; das Grossartige am Versprechen ist, dass es gerade im Material des Unberechenbaren, zu dem man selbst noch gehört, etwas Verlässliches aufstellt. Das Wesentliche aller Moral sollte sein, dass nur Versprechen gelten innerhalb einer Welt, die man prinzipiell »unberechenbar«, »unregelmässig«, »un-notwendig« belässt; innerhalb der Menschenwelt heisst das, dass es ausser-

halb des Versprechens keine »Moralisiererei« geben darf, dass das Spontane nur an dem Versprechen seine Grenze finden darf, dass andererseits diese Grenze absolut sein muss. In die-

sem Sinne ist auch das Folgende allein zu verstehen: »Dieser Freigewordne, der wirklich versprechen darf, dieser Herr des freien Willens, dieser Souverän - wie sollte er es nıcht wissen,

welche Überlegenheit er damit vor Allem voraus hat, was nicht... für sich selbst gutsagen darf. ... Der »freie« Mensch, der Inhaber eines langen, unzerbrechlichen Willens, hat in diesem

Besitz auch sein Wertmass.«? Der Stolz (die Ehre des Menschen) ist gerade, im Unberechenbaren Verantwortung zu übernehmen, das »stolze Wissen... dieser Macht über sich und das Geschick«.?

[17] Über die Beurteilung von Handlungen: (Moral): Die Verantwortungsethik! nennt eine Handlung gut, die, unabhängig von allen Motiven, in die »Welt« passt, sich ihr einfügt und in ihr vollbringt, was intendiert war. Sie setzt voraus, setzt ın aller Unschuld voraus, dass der Mensch ın die Welt

passt, von dieser Welt ist und das, was er will, vollbringen kann. Oder, auf einer früheren, »primitiveren« Stufe (und alle »primi-

tive Moral« ist Verantwortungsethik, ist pragmatisch) wird vorausgesetzt, dass es nur auf das rechte Gefüge der Welt ankommt 136

SEPTEMBER 1951 und dass Unrecht das objektive, beurteilbare, freiwillig oder unfreiwillig begangene Vergehen gegen dies Gefüge ist, in das der Mensch miteingefügt ıst. Jegliche Verantwortungsethik ist in diesem Sinne weltlich und pragmatisch. In Amerika entstand der Pragmatismus aus dem Verantwortungsgefühl und nicht umgekehrt. Die amerikanische Gottlosigkeit, die so wenig mit europäischem Atheismus zu tun hat, isteng

mit beiden verknüpft und besagt nur ein entschlossenes Vondieser-Welt-Sein. Nun allerdings nicht — oder nicht mehr - im

Sinne des Eingefügtseins in ein Bestehendes und Vorgegebenes, sondern im Sinne des Verantwortung-für-die-Welt-Übernehmens. Das Böse ist infolgedessen nie »wickedness«, Schlechtigkeit, an die man in Amerika nicht glaubt, sondern »evil«, das

Übel, das man objektiv sowohl in der Natur als in der Natur des Menschen vorfindet und das als objektiv feststellbarer Bestandteil aus der Welt eliminiert werden muss. Schlechtes Gewissen ist das schlechte Gewissen des eigenen Versagens, nicht »Schuld«, kein Zweifel an den eigenen Motiven, Ausdruck der Schwäche eher als »Schuld«. - An die Stelle des Glaubens an das Eingefügtsein in diese Welt trıtt das Vertrauen, dass menschliche Kraft mit der gegebenen Welt und dem Übel in ihr fertig werden kann. Die Gesinnungsethik beurteilt eigentlich Handlungen überhaupt nicht, sondern nur den Willen, der sie veranlasst. Da der Mensch nicht von dieser Welt ist, kann er in Handlungen nur das vollbringen, was er eigentlich nicht gewollt hat, und wird durch seine Handlungen in die Welt, in die Fremde und in die Schuld verstrickt. Obwohl der Mensch nicht von dieser Welt ist, kann er nur die Dinge dieser Welt, wenn auch vorläufig, erkennen und beurteilen. Seine eigene Heimat kennt er nicht. Aus dieser Überzeugung heraus ist die »Dunkelheit des menschlichen Herzens« entdeckt worden. Eigentlich kann der Mensch auch seinen eigenen Willen nicht beurteilen; er aber steht allein zum Urteil da; dies Urteil ist Gott vorbehalten. Das Jüngste Gericht ist wesentlich der Tag, an dem wir überhaupt erst erfahren werden, was Recht und Unrecht war. 137

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VI

Das berechtigte Misstrauen gegen alles Moralisieren entstammt nicht so sehr dem Misstrauen gegen die Masstäbe für Gut und Böse als dem Misstrauen gegen die Kapazität des Menschen für moralisches Urteil, für die Beurteilungen von Handlungen unter dem Gesichtspunkt der Moral. Der Verantwortungsethiker und Pragmatiker interessiert sich nicht für Motive, und der Gesinnungsethiker kann sie nicht kennen, Oder, der Pragmatiker braucht kein moralisches Urteil, weil er

von dem nicht-menschlichen, »natürlichen«, »unschuldigen« Ursprung des Übels überzeugt ist; und der Gesinnungsethiker kann seine Masstäbe konkret niemals anwenden. Aus diesem Dilemma hat es in neuerer Zeit drei grosse Auswege gegeben - Kant, Hegel, Nietzsche. Das Grossartige der Kantschen Lösung besteht darin, dass der Kategorische Imperativ - handle so, dass die Prinzipien Deiner Handlung allgemeines Gesetz werden können - die Moralfrage aus der Gewissensfrage des Individuums (vis-a-vis Gott) herausnimmt und in die Pluralität der Menschen stellt. Und dies, obzwar auch bei Kant die vom Menschen und seinem Wil-

len initiierte Kausalität in eine ihm prinzipiell fremde Kausalität der Natur hineinhandelt, welche alle Handlung entstellt und alles Vollbringen frustriert. Dadurch aber, dass Kant hier an die Stelle des Menschen die Menschen, beziehungsweise die Menschheit, setzt, deutet er die Möglichkeit einer Gegenwelt

zur gegebenen Welt an. Nicht der Mensch, sondern die Menschen sınd nicht von dieser Welt- und damit imstande, in und

gegen die Welt ihre eigene »moralische« Welt zu errichten. Das Furcht-einflössende der Kantschen Lösung ist, dass hier die Menschen weder von dieser noch von jener Welt sind, sondern Einwohner einer zukünftigen, dass ihnen gewissermassen die Heimat, sofern Heimat immer den vergangenen Ursprung mit beinhaltet, unter den Füssen weggeschlagen ist. Hegel: Hegels Ausweg ändert den Sinn von Urteilen überhaupt, und in seiner Nachfolge hat man Beurteilen von Handlungen als »Moralisieren« depraviert. Hegels Ausweg ist der Kantschen Lösung genau entgegenge138

SEPTEMBER 1951 ‚setzt. Von Kant übernimmt er die Diskrepanz zwischen Wollen und Vollbringen, die im Geschehen als dem Sich-offenbaren des Geistes, der Gott ist, nicht sowohl

aufgelöst wird

als ihrer

‘Bedeutung entleert wird. Da menschliche Handlungen ihren Sinn nur in dem vom Geiste gewebten Teppich des Geschehens haben, in welchem sie als Material gebraucht und verbraucht werden, ist ihr menschlich intendierter, gewollter Sinn moralisch neutral. Gut und Böse erscheinen, werden verbraucht im

Pattern des Teppichs, in dem alles sinnvoll, also gut ist. Damit ist Urteil aus der Welt geschafft. Selbst Gott könnte nicht mehr urteilen. Gott offenbart sıch, und der Mensch erfreut sich des

Schauspiels. Sinn gibt es nur für die Kontemplation; aller intendierte Sınn ıst Illusion. Wenn alles Sein in Wahrheit Werden ist, dann ist alles Handeln in Wahrheit Geschehen. Die Moral hat nicht Nietzsche, sondern Hegel abgeschafft.

Nietzsche folgt Hegel und missachtet Kant, weil er die Moral erledigen will. Man kann aber die Moral nur erledigen, wenn man Handeln abschafft. Nietzsche dreht Hegel insofern um, als bei ihm nicht mehr der Mensch das göttliche Spektakel der Selbstoffenbarung des Geistes betrachtet, sondern Gott das menschliche Schauspiel der »ewigen Wiederkehr«. Die »ewige Wiederkehrs, das ist der »circulus vitiosus deus«, das ewig sich wiederholende Spektakel des menschlichen Geschehens, zu dem »da capo« zu rufen göttlich ist, Beweis des Anteils am Göttlichen; ein Schauspiel, das sich immer wiederholt, weil es Einen gibt, der es »so wie es war und ist, wieder haben will, ın

alle Ewigkeit hinaus..., der gerade dies Schauspiel nötig hat und nötig macht: weil er immer wieder sich nötig hat — und nötig macht« (Jenseits von Gut und Böse, 56°). Dies ist Nietz-

sches Gottesbeweis! — Wie? Zu einem so grossartigen Schauspiel, wie es die Geschichte des Menschen ist, sollte es keinen Zuschauer geben, also keinen, der ausserhalb der Akteure, im

Jenseits der Bühne,

im Zuschauerraum

sitzt? Der

Ȇber-

mensch«, dessen wesentliches Zeichen »amor fatı« ist, ıst der göttliche Mensch, der imstande ist, Gott im Zuschauerraum

Gesellschaft zu leisten. Dies ist Nietzsches Ausweg vor dem 139

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VI

»Nihilismus«, dessen einzig radikale Definition lautete: »Für das Nichts Gott opfern - dieses paradoxe Mysterium der letzten Grausamkeit blieb dem Geschlechte, welches jetzt eben heraufkommt, aufgespart.« (ibid. 5?) Alle neuen »Werte« Nietzsches sınd die Qualitäten, die der Gott haben müsste, um sich des Schauspiels erfreuen zu können, und die der »Übermensch« sich »anzüchten« soll. Mitleid ist auch deshalb die grösste Gefahr, weil es verlockt, an Einzelhei-

ten hängenbleibend das Grandiose des Ganzen zu übersehen. Nietzsches Verzweiflung ist der Zweifel darüber, ob es einen Gott gıbt, der zuschaut. Gibt es aber einen Zuschauer, so ist der Sinn des Schauspiels gerettet, der Sinn des Geschehens auf Erden. Insofern die Ewige Wiederkehr in der Tat die nächste Annäherung des Werdens an das Sein ist, würde der »da capo« rufende Zuschauer »im Sein« sein, das heisst durch sein »Da-

capo«-Rufen das Werden zum Sein erretten. Dass hier von Beurteilung keine Rede mehr sein kann, ist evident. Das Rufen nach dem Zuschauer, der zugleich Zeugnis abzulegen hat - und dies ist der eigentliche Grund für die Nietzschesche Einschätzung der Kunst, die vom Künstler aus beurteilt wird (dem Zuschauer, dem, der nur die Erfahrung der Erfahrung akzeptiert und von ıhr aus alles abschätzt, nicht beurteilt) —, stammt aus einer Einsamkeit, die vorher nie erfahren

war und in der erst die grundsätzliche Vernachlässigung der Pluralität der Menschen durch die abendländische Philosophie aktıv verderblich werden konnte. Radikale Einsamkeit gibt es erst, wenn dem Menschen weder Gott noch die Götter noch sein »Werk« (oder die imaginierte Menschheit, Nachwelt etc., der er etwas zu sagen hat) noch sein Selbst Gesellschaft leisten. In Nietzsches Philosophie löst sich das Selbst in die Sehnsucht nach dem Übermenschen auf;

in dieser Selbst-Verlassenheit erst taucht das moderne Phänomen der Einsamkeit auf. Wenn der Historismus die sogenannten Werte aufgelöst hat und damit der Urteilskraft ihren ihr selbst unbewussten Boden entzogen oder besser sie ihrer eigentlichen Kraft beraubt hat, so 140

SEPTEMBER IOSI ‚st Nietzsches Ruf nach dem Zuschauer-Gott nur die letzte Konsequenz des Historismus.

Mit der Auflösung des Selbst, der modernen Selbst-losigkeit beginnt die Teufelei, weil ohne das Selbst ein Kontakt zu Anderen schlechterdings nicht mehr herstellbar ist. (So konnte christliche sogenannte Selbstlosigkeit nur funktionieren, weil sie sich um die höchst selbstische Sorge um das Heil der eigenen Seele zentrierte.) Kontaktlosigkeit ıst psychologisch der Zustand, in dem alle Anderen überflüssig geworden sınd. Trotz allem ist es rätselhaft, warum nur Kant je auf die Idee gekommen ist, sich überhaupt mit der Urteilskraft als einem getrennten Vermögen zu beschäftigen.

[18] Die zentrale Frage einer künftigen Politik wird immer wieder das Problem der Gesetzgebung sein. Die Antwort des Nationalstaats war, dass Gesetze gibt, wer Souverän ist -— der Monarch, der Staat, das Volk, die »volonte generale«, die Nation - d.h.

wer und nur, vom

die Macht hat zu wollen. Impliziert ist, dass der Mensch weder Gott noch Natur - Souverän auf Erden ist; die Frage wer diesen Souverän vertritt. Impliziert ist, dass Gesetze Willen abhängen und dass bestimmte Körperschaften oder

Menschen mit der Macht zu wollen, für Andere zu wollen, aus-

gestattet werden müssen. Nietzsches Wille zur Macht ist nur die Umkehrung dieser Macht zu wollen, wie sıe sich in allen souveränen Staaten zu seiner Zeit ausdrückte. Dies war eine typische Idee des 19. Jahrhunderts. Um nämlich die Macht zu wollen zu haben, muss es erst einmal einen Willen geben, der die Macht zu wollen will; oder um wollen zu können, muss ich wollen wol-

len. Daher Heideggers: Wille zum Willen ist Wille zur Macht. Dass ıch Macht haben muss, um wollen zu können, macht

das Machtproblem zum zentralen politischen Faktum aller Politik, die auf Souveränität gründet - also aller mit Ausnahme der amerikanischen. I41

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VI

[19] Nietzsche,

Fröhliche

Wissenschaft,

109:

»Hüten

wir uns

zu

sagen, dass Tod dem Leben entgegengesetzt sei. Das Lebende ist nur eine Art des Toten, und eine sehr seltene Art.«' — Dazu

zu vergleichen (Wille zur Macht oder Jenseits von Gut und Böse) die Identifizierung von Sein und Leben - als das einzige, was uns als Sein bekannt sei. Der Widerspruch ist scheinbar; bei näherer Überlegung ergibt sich, dass hier der Punkt liegt, wo Nietzsches Moral beinahe ihre metaphysische Rechtfertigung gefunden hätte. Dass das Lebende das einzig Seiende sei, folgt natürlich aus der abendländischen Philosophie; es ist nur eine Neubenennung des alten »actu«, dem das nur »potentia« — anorganische Materie — entgegengesetzt ist; eigentlich ist das »actu« von der Materie als »potentia« umgeben (dies meint noch Jaspers’ Umgreifendes). Wesentlich ist die Vorstellung von der Seltenheit des Lebenden. Damit ist die Brücke geschlagen zu dem Seltenen in der moralischen Wertschätzung und zu der Verachtung alles Durchschnittlichen. Wesentlicher: Damit ist die Brücke geschlagen zu einer »neuen« Art Wahrheit: Sie braucht sich nicht mehr am Durchschnittlichen, Alltäglichen, jedermann Bekannten, jederzeit Überprüfbaren zu erweisen. Die Wahrheit kann »rar«, »jJäh«, wıe »der Blitz« sein. Hier liegt die eigentliche Verbindung zwischen Nietzsche und Heidegger. Wenn Leben Sein ist, dann ist das »Lebendigste« das Seiendste. Wenn das Lebende nur eine sehr seltene Art des Toten ist, dann

ist das Seltenste das Lebendigste und das Seiendste. (»Im Jähen, Raren zeigt sich Sein, / Wir spähen, wahren, schwingen ein.«?)

Dann ist alles Durchschnittliche Decadence, Neigung zu der Allgemeinheit des Toten. Siehe auch Nietzsche, Die ewige Wiederkehr, Aus dem Nachlass 1881, 23: »Unsere ganze Welt ist die Asche unzähliger lebendiger Wesen ...«3 Nietzsche: »Der politische Wahn ....ist vor allem Verweltlichung... Sein Ziel ist das Wohlbefinden des flüchtigen Individuums...«* Nietzsches kategorischer Imperativ: Die Frage bei allem, was 142

NOVEMBER 1951 du tun willst: Ist es so, dass ich es unzählige Male tun will?, ist das grösste Schwergewicht. (ibid. 28°) »...so leben, dass wir

nochmals leben wollen und in alle Ewigkeit so leben wollen!«

(ibid. 36°)

Oktober 1951 [20]

October 1951.

Faulkner: »T'he past is never dead; it is not even past.«'

November 1951 [21]

November 1951.

Zu Heideggers »Bauen - Wohnen - Denken«’: p. 2: »Die Sprache bleibt die Herrin des Menschen. Vielleicht ist es vor allem anderen die vom Menschen betriebene Verkehrung dieses Herrschaftsverhältnisses, was sein Wesen in das Unheimische jagt.« Warum Herrschaftsverhältnis? ’Ev doyfiniv öAöyog*? Und ist die »ursprüngliche« Sprache göttlichen Ursprungs, Gottes Wort, dem der Mensch in der Entwicklung des Wortes zur Sprache gehorsam oder ungehorsam sein kann? Soll dies »ursprüngliche Wort«, der Aöyog &v deyxfl, den Masstab des Denkens abgeben, und zwar als aussermenschlicher, »übermenschlicher« Masstab? A [en arche en ho logos], im Anfang war das Wort

143

HEFT

VI

p. 3: »Die Weise, nach der wir Menschen eigentlich auf der Erde sind, ist...das Wohnen. Menschsein: Als Sterblicher auf der Erde sein, heisst: Wohnen.« Menschsein = die Erde bewoh-

nen = als Sterblicher auf der Erde sein; die Flüchtigkeit des menschlichen Bezugs zur Erde, der Mensch ist »nicht von dieser Welt«, er ist auf ıhr nur im Modus des Wohnens. Dies besagt seine Sterblichkeit. Dagegen die Götter, deren Unsterblichkeit gerade ihre Irdischkeit verbürgt. Sie garantieren den Sterblichen die Unsterblichkeit der Behausung, in die die Sterblichen einund aus der sie wieder ausziehen. Daher des Menschen doppelter Bezug: zu den irdischen unsterblichen Göttern aus Dankbarkeit für die Erde und zu dem ausserirdischen ewigen (nicht unsterblichen!) Gott, der den Sterblichen nur auf Grund ihrer

Sterblichkeit »sichtbar« wird. Dass der Mensch »den Tod vermag« (Achill), gibt ihm eine Überlegenheit nicht nur über alle anderen Bewohner der Erde, sondern über die Götter; gibt ihm einen Bezug zu etwas Nicht'irdischem. Daher sind die Götter gottlos; aber der Mensch nur Gott-verlassen. Wenn der Mensch die Erde entgöttert, hat er ıhr ihre Unsterblichkeit geraubt und damit sich die Bleibe für seine Sterblichkeit. Dies kann aus einem Missverständnis Gottes geschehen: Im Christentum machte sich der Mensch bewusst fast heimatlos auf der Erde; dies natürlich gelang nicht, aber die Entgötterung der Erde, d.h. der Verlust der unsterblichen Heimat der Sterblichen vollzog sich doch. Auf dieser entgötterten Erde, die keine Bleibe mehr bot, hat man sich dann auch noch ohne Gott eingerichtet. p- 3: Wohnen = als Nachbar in der Nähe sein. p. 12: »Vielmehr gehört es zum Wesen unseres Denkens an die genannte Brücke, dass es die Ferne zu diesem Ort durchsteht.«

Denken an = die Ferne zu etwas durchstehen ist die reale Einbildungskraft im Gegensatz zur Vorstellung einerseits und zur Erinnerung andererseits.

144

NOVEMBER

IYSI

[22] Montesquieu, De /’Esprit des los, I, chapitre 2: gegen Hobbes: Der ursprüngliche Impuls des Menschen ist nicht der Krieg aller gegen alle, sondern die Flucht aller vor allen. Der Beginn der Gesellschaft ist daher nicht der Verzicht auf Macht um

der Sicherheit wegen, sondern die Erkenntnis der gemeinsamen Furcht. »La crainte porterait les hommes ä se fuir; mais jes marques d’une crainte r&ciproque les engageraient bientöt ä s’approcher.«' Chapitre 3: »L’objet de la guerre, c’est la victoire; celui de la victoire, la conqu£te; celui de la conqu£te, la conservation.«”

»La loı, en general, est la raison humaine, en tant qu’elle gouverne tous les peuples de la terre.«?

Heft VII

November 195 1.bis Jannar 1952

Heft VII November 1951 Anmerkungen

149 954

Dezember 1951 [3] bis [7] Anmerkungen

954

[1] bis [2]

Januar 1952 [8] bis [13]

151

160

Anmerkungen

961

Thematisches Inhaltsverzeichnis

871

November 1951 [1]

Nov. 51.

Jeder Mensch ist natürlicherweise mehr als alles, was er tut oder denkt, mehr als alles, was er je tun oder denken könnte. Dies ist sein eigentlicher Stolz, der Stolz des Natürlich-Irdisch-

Menschlichen, dass das eigentliche Wesen, das jeder ist, dass die eigentliche Grösse, die jeder hat, mit ihm aus der Welt geht, ihn nicht überlebt wie ein Ding, sondern sterblich ist wie er und

so unrettbar verloren geht, wie dies »Wesen«, solange er lebt, unbezweifelbar wirklich ıst. Das dämonische Element ım Genie ıst, dass das Genie dauernd in der Gefahr steht, dass sich dies Verhältnis bei ıhm umkehrt, dass das, was es erzeugt, in Wahrheit (und nicht nur im Vorurteil der Narren) mehr ist als es selbst. Sein Fluch ist es, als Mensch dauernd in Konkurrenz zu stehen mit seinen

Taten und Werken, gejagt von der Angst, dieser nicht würdig zu sein. (Hieraus entspringt dann die sich selbst missverstehende Furcht so vieler »schöpferischer« Menschen, dass das neueste Werk nicht »besser« als alle vorangegangenen ist, oder die dieser Furcht zugrundeliegende permanente Angst, die Produktivität könnte plötzlich aussetzen.) Die Angst ist berechtigt, obwohl ım Genie gerade sich das natürliche Grundverhältnis zwischen Werk und Schöpfer nie umkehrt. Denn sobald dies eintritt, haben wir statt des Genies den Lite-

raten, den Intellektuellen vor uns, ganz gleich, wie »gut« die Leistung sein mag. Das spezifisch Empörend-Widerwärtige des Intellektuellen

besteht

darin,

dass

selbst seine

schlechtesten

Sachen noch besser sind als er selbst. Hier also tritt die Verkeh-

149

HEFT

VI

rung eines menschlichen Grundverhältnisses, von der das Genie ständig bedroht ist, wirklich ein. Daher der weitverbreitete Hass auf die Intellektuellen und der Ekel, den der Umgang mit ihnen unweigerlich auslöst.

[2] Gesetze regeln den »politischen«, d.h. den Bereich des Zwischen der menschlichen Welt. Wo

immer dies Zwischen, das

zugleich Abstand und Verbindung herstellt und als solches den Raum konstituiert, in dem wir uns miteinander bewegen und gegeneinander verhalten, durchschlagen wird, also ın der Liebe zum Beispiel, gelten Gesetze nicht mehr, verlieren sie ihre Relevanz. Gesetze dürfen nıe erlassen werden für irgendeinen Bereich ausser dem strikt »politischen«. Sie schützen mich vor dem Unrecht der Anderen, sie schützen die Anderen vor dem Unrecht, das ich ihnen tun kann. Sie dürfen aber nie vorgeben, mich vor mir selbst zu schützen — wie alle Gesetzgebung gegen Laster, Spiel, Trunksucht etc. Aller Einbruch der Moral ins Politische, d.h. moralisierenden Raisonierens, das über den Begriff des Unrechts, verübt am Andern, hinausgeht, ist immer ein Angriff

auf die Freiheit. Praktisch würde dies heissen: Eine Rauschgiftgesetzgebung darf bestrafen nur den, der Rauschgift auf dem Schwarzen Markt verkauft - also einem Andern schadet dadurch, dass er sich an seiner Sucht bereichert -, nicht den Käufer, der das Mor-

phium sich selbst spritzt. Dies geht niemanden etwas an, solange der Morphinist nicht kriminell wird. Montesquieu zu der Frage: »Il est aise de regler par des lois ce qu’on doit aux autres; il est difficile d’y comprendre tout ce qu’on se doit ä soi-me&me.« (Esprit des loıs, VII, ch. 10)

150

DEZEMBER 1951

Dezember 1951 [3]

Dec. 51.

Montesquieu, De l’Esprit des loıs: ], 1: »... les lois sont les rapports qui se trouvent entre! ... [une raison primitive] et les differents &tres, et les rapports de ces divers &tres entre eux.«*" (Gesetze regeln den Bereich des Zwischen!) I, 3: »L’objet de la guerre, c’est la victoire; celui de la victoire, la conqu£te; celuı de la conqu£te, la conservation.«? (Dies gerade trifft nicht mehr zu. The aim of war is extermination even at the cost of victory. The aim of victory is annıhila-

tion even at the cost of making the victory meaningless; the aim of conquest is the permanent transforming of reality into the totalitarian fiction even at the price of not being able to conserve what one has.®)

I, 3: »La loı, en general, est la raison humaine, en tant qu’elle gouverne tous les peuples de la terre.«? (Das Zwischen wird geregelt von der Vernunft, auf die sich alle einigen können. Sıe ist wie bei Hobbes der Deus ex machina. Bei Hobbes erlöst sie vom Krieg aller gegen alle; bei Montesquieu ist sie positiv die Quelle des Gesetzes. Da ja aber die Gesetze verschieden sınd in den verschiedenen Staatsformen,

setzt die Vernunft den Willen oder das Ereignis, das eine spezifische Staatsform gewollt oder als daseiende akzeptiert, voraus.)

A diese Passage ist mit Bleistift am Rand angestrichen B das Ziel des Krieges ist die Zerstörung, sogar auf Kosten des Sieges; Ziel

des Sieges ist die Verwüstung, sogar auf Kosten der Tatsache, daß damit der Sieg seines Sinnes beraubt wird; Ziel der Eroberung ist das ständige Verändern von Wirklichkeit in die totalitäre Fiktion, sogar um den Preis, daß man das, was man hat, nicht bewahren kann

151

HEFT

VII

II, 2: »...la division de ceux qui ont droit de suftrage est, dans la republique, une loı fondamentale«* (nämlich um eine »klassenlose Gesellschaft« im Staate der »Egalıte« zu verhindern). II, 4: Die Macht der Priester, gefährlich in der Republik, in

einer Despotie die einzige, »qui arr&te seul la puissance arbitraire«Ihe logic of Lenin’s speeches is like a mighty ten® tacle which seizes you on all sides as in a vise and from whost grip you are powerless to tear yourself away; you must eithef surrender or make up your mind to utter defeat.< I think thaf this characteristic of Lenin’s speeches was the strongest feature of his art as an orator.« (Speech, Jan. 28, 1924. Quoted from Lenin, Selected Works, vol. I, p. 33, Moscow 1947.')

"

Rn

AUGUST 1952 er:

(291 Ad Freiheit: Immer festhalten, dass es Freiheit nur in der PluraIirät geben kann, in dem Raum, der zwischen Menschen entsteht, sofern sie miteinander leben und handeln. Nur Handeln steht unter der Kategorie der Freiheit. Alle Versuche, Freiheit

;„ die Arbeit oder das Herstellen (Homo faber) hineinzugeheimnissen, sind verlogen; es läuft immer auf die »in der Not-

wendigkeit verborgene Freiheit« und ähnliche Kunststücke hin-

„us, (Bezeichnend, weil absurd: L’Etre et le travail von Jules Vuillemin'. Arbeit ist den dvayxala und Herstellen dem Vorgegebenen verhaftet. Freiheit hat da nichts zu suchen.)

Heft X

August 1952 bis September 1952

HeftX Angust 1952

[1] bis [11] Anmerkungen

977

September 1952 [12] bis [19] Anmerkungen

241 980

Thematisches Inhaltsverzeichnis

874

227

Angust 1952 [4 ]

Palenville*. Aug. 52.

[Dostojewski,] Schuld und Sühne: ad »Moral«: Nur theologischmetaphysisch gesprochen ist der Mord das grösste Vergehen. „Moralisch«, und das heisst »charakterlich«, gesehen ist Luschin, der Sonja fälschlich des Diebstahls beschuldigt und bewusst eine Situation herbeiführt, in der sie als Diebin erscheinen muss, und

nicht Raskolnikow der Verbrecher des Buches. Im Sinne Dostoiewskis ist der Mord als Rebellion gegen das Leben eine Schuld, die die Erde besudelt (Sonja) und gesühnt werden kann; sie ent-

springt der Verlassenheit und verliert ihre Realität gleichsam (erscheint Raskolnikow als rein »äusserliches« Geschehnis) im Moment, wo er bereit ist, Sonja zu lieben. Aber Vergehen innerhalb der Menschenwelt, wie z.B. an der Türe-horchen, scheinen unverzeihlich, so dass in der Tat Swidrigailow recht hat, wenn er

meint, Raskolnikow sei der Überzeugung, »man dürfe zwar nicht an Türen horchen, aber dafür... alte Weiber totschlagen«. (II, 402) Den Menschen gegenüber ist und bleibt Raskolnikow der Meinung, dass er ihnen gegenüber, die »Millionen von Menschen [umbringen und] das noch für ein Verdienst [halten]«, keı-

nerlei Schuld hat. (II, 279) Darum ist die Umkehr auch nicht Reue, sondern Liebe, und d.h. »Ja« sagen zum Leben, sich nicht gegen die Schöpfung überhaupt auflehnen. Rein menschlich gesprochen, behält Raskolnikow recht: Die Alte war »eine

A zu Palenville, dem Urlaubsort von Hannah Arendt, siehe im Anmer* kungsteil $. 977

227

HEFTX

Laus«, nur haben Menschen nicht das Recht, so etwas zu entscheiden."

[2] [Plato,] IToAıreia, Buch 4.

427 D: kommt auf die 372 A offengelassene Hauptfrage nach ÖLRALO0UVN zurück: wo sie sei und wo die Aöıxla, und was das die beiden voneinander Unterscheidende seı: ti AAANAoLV ÖtabEEToV, nal NOTEDOV del Kerntfiodan TOV HEAAOVTO EVÖOLLOVA eivaı, &ivre Aavddavn &avre un növıas Beo'g Te xal dvB-

oeWrovG', und ob derjenige, der im Begriff steht, eddaluwv* zu sein, sie (?) erworben haben muss, wenn er (sie?) auch allen Göt-

tern und Menschen verborgen bleibt oder auch nicht bleibt. (Cf.

367 E) Weicht wieder aus, da er ja nun den, der die Gerechtigkeit gefunden hat, so bestimmt hat, dass er weder die Stadt der Men-

schen noch die der Götter noch nötig hat. Ist Gerechtigkeit auch in der absoluten Verborgenheit möglich, dann hat sie jedenfalls nichts mehr mit Politik zu tun. Sie ist Wahrheit geworden. 428 B: Statt Gerechtigkeit wird oodia und eüßovAia, Weisheit und Wohlberatenheit, eingeführt. Es liegt im Wesen der Eruornun, dass sie immer bei der kleinen Zahl nur ist (&mornun unvermittelt mit oodia. identifiziert, d.h. 00®la konstruiert nach &mıornun). Es liegt ferner (428 E) in der Natur der Sache, dass dem kleinsten Teil zufällt die &miotnun des Verstehens und &eyxeıv, und nach ihr wird die ganze Stadt von genannt. Diese &muotnun, die sich auf das Verhalten der nölıs im Verstehen und &oyxeıv bezieht, verdient allein, oodla. genannt zu werden. (429 A) 429 C: Zwrnoiav Eyoy, einov,. Ayo Tivä eivar MV

avögeiov - die Tapferkeit, sage ich, ist eine Art Retten.” 430 D: Kommt zurück zur Gerechtigkeit, um deretwillen A Teudaimon], glücklich 228

HEFTX

alles andere untersucht wird. Weicht aus und spricht übeoWPE000VN. Sie kommt nicht wie 00obla oder Avögeia nur einem Teil zu, sondern ist dıe alle Teile zur deuovia* abstim-

mende,

in allen Teilen verbreitete

Öuovora,

Einmütigkeit

(431 E-432 A)

433 B: Sixa1ooVvn: = TO Ta auToD ngätteiv - das Seinige (})

tun, denn dieses ist das, ö näoıv Exeivoug [id est der 00&_00Uwn,

der ävöoeia und der deovnans - statt 00bl plötzlich? —,;,H.A, tiv Suvauıv NOgEoyEv DOTE eyyeveodaı, xl, EyyEvoNEVoLg ye oWrneLav nag£geıv, EwWoneo Av Evij— nämlich das allen jenen die öbvauıg darreicht, sodass sie werden, und den Gewordenen eine Rettung darreicht, solange es ist.” — Dies die erste Bestim-

mung von Gerechtigkeit. Das Öixactewv? (433 E): Dass ein Jeglicher weder etwas Fremdes erhält noch ıhm etwas von dem Seinigen geraubt wird, Daher din woodvn: TOD olxXelov TE Kal EaAvToV EEG TE Xai noägıg?. — Dies die zweite Bestimmung von Gerechtigkeit. 439 C: ad Vorrang des Aoyıotıxöv“ über die Begierden: Der Aoywouög” befiehlt, während die Begierden nur nadnnara sind, nur erlitten werden. Dies ist der eigentliche Grund, dass dem Aoyıorıröv das Aoyeıv zukommt — 441 E. Um dam schliesslich dies Dem-Aoyıotıxöv-Gehorchen mit der Gerechtigkeit zu identifizieren (443 B): dass nämlich ein jeglicher Teil der Seele Tü& abtTod nodTteı doyfig te neo Xoi TOD AoxEodaı.-

Und das läuft schliesslich darauf hinaus, navranaoıv Eva yevöuevov Ex. noAAGWv (443 E), nämlich gänzlich aus Vielen Einer geworden zu sein. | 445 D: Beginn des Versuchs, eine philosophische Begründung, d.h. eine menschlich einsichtige, der Staatstormen zu finden: nevre uev, NV 6° &yo, [toönor] noAıteiwv, evre öt wuxfig.” Dies gerade wird von Aristoteles nicht übernommen: A [harmonia], Übereinstimmung, Harmonie B [dikazein], Recht sprechen, richten, entscheiden © Tlogistikos, e, on], zum Rechnen oder Berechnen gehörend

D [logismos], Rechnung, Vernunftschluß 230

AUGUST 1952 ı) Baorheia = AvVÖ0OG Evög Ev TOIS KEXovoL ÖLabEEOVTOg — unter den Herrschenden zeichnet sich Einer aus; keine Rede davon, dass nur Einer herrscht! Primus inter pares. Dies der

ursprüngliche [Sinn] des Königtums zum Unterschied von der Monarchie. Das Königtum hier eigentlich nur eine konsequente Aristokratie! 2) Aristokratie daher mAeıövwv Ölabeoövrov”, Beides nennt Plato: Ev eiöog — die gleiche Sache. — In beiden Fällen setzt er eigentlich durch das &v tolg dgxovoıv” eine ‚herrschende

Klasse«

voraus,

in

welcher

das

Prinzip

des

Sıab&oeıv” gültig ist - einer oder mehrere. Die Macht liegt bei der herrschenden Klasse.

[3] [Plato, JIoAızeia,] Buch 5 (E). Alle übrigen Staatsformen gelten als schlechte. Nun werden sie auseinander abgeleitet (449 B) - &8 AAAnAwv ueraßoiveuv. Fortsetzung 8. Buch (H), 543 C.

[4] Ad

Denken:

toiBovres

xoi

WONEQ

tay’

&r

Av

soo”

nVEElwv

AAAmAa

OXONOÜVTES

Hal

ErAdapipau

NOLMOOLMEV

TV

öirauoolvnv ([Plato, IIoAıreia], 435 A) - und vielleicht wenn

wir beides gegeneinander betrachten und reiben, werden wir wie aus Feuersteinen die Gerechtigkeit herausblitzen machen So verhält sich jeder Gedanke zum Denken: Er ist immer der Funke, der dem Dialog der Einsamkeit entspringt; er ist nie Resultat eines Prozesses. Er hat qualitätsmässig mıt dem Denken so viel und so wenig gemein, wie das Reiben der Feuersteine A [pleionon diapheronton], wenn mehrere sich auszeichnen ® [en tois archusin], unter den Herrschenden “ [diapherein], sich unterscheiden, sich auszeichnen

231

HEFTX

mit dem Erblitzen des Funkens. Ein Gedanke kann nıe »bewie.

sen«, er kann nur wie der Funke erzeugt werden.

[5] [Plato, JIoAıreia] Buch ; (E).

Der beste Staat am Bild des einzelnen Menschen konstruiert, wo sich alle Bürger verhalten, als seien sie Ein Mensch (wie der ganze Mensch Schmerzen hat, wenn das Einzelglied verwunder ist). Aber von Plato nicht organisch gemeint, sondern nur alg Prinzip des Einen und Ungeteilten, als Negation der Pluralität, die ja in Wirklichkeit vorliegt. 462 C: Kai ftis N Eyybraro Evos AvHEwnov Exei; Oloy ÖTAV NOV NUWV ÖOHTVAOS NOV anyi, TÄOCO. N xovovia KATı. TO oöyc. TTEÖG uiv Yuxnv TETAUEVN Eig Hilary obvrakiv wmv TOD Öoxovıos Ev aüıfı N0oderTö Te xal nÄ0A Aue EvvnAyNoEevV HEEOVG NOVNOAVTOG

ÖAN, Hal odtw

öN Aeyouev

ötı 6 AvOopwnıog TOv ddxtuhov Adyei..." Dieses Eins-sein wird befördert durch Weibergemeinschaft, weil ja jeder jedes Bruder oder Vater sein kann. (463 C) Ferner Abschaffung des Eigentums als »principium individuationis«. Scheinbare Abschaffung der Familie, in Wahrheit Konstruktion des gesamten Staates nach dem Vorbild der Familie und den in der Familie waltenden Gesetzen. Denn alle Zwietracht wird verhütet durch ö£og te xal alöwg, Furcht und Scham; Scham, man könnte sich am eigenen

Vater vergreifen, Furcht, dem Angegriffenen werden Mitbürger beistehen - ToÜg u&v @c beig, TOUg 6 @g A6EADOUG, TOVG Ö& &g ntateoag (465 B).?

472 B: Nachdem Sokrates Abschweifungen vorgeworfen wurden, wieder Frage nach der Gerechtigkeit — siehe die Bestimmungen 433 ff. Jetzt aber die Frage nach der möglichen Verwirklichung gestellt. 472 D: Die bisherige Darstellung zeigte ein nagaöeL yo. 473 [A]: dVoıv Exeı noäEıv AeEewg Ntrov AAmdelag Edanteodaı die Natur der neäB&ıs ist, dass sie weniger an der Wahrheit haftet 232

AUGUST 1952

als die A8Eıc. (Cf. 372 E, wo ein nicht-ıidealer, guter Staat seschildert wird.) Die Antwort (473 D): ’Eav un...) ol PLAOgobot Baoıkedoworv Ev Tais möAeoıv Tj ol BaoıAfg Te vüv AeyöpevoL al SVVvA0TaL BLUA0COGN0WOL...KAL TOUTO EIG TAUTOV

Euu&on, SUvanis TE TTOALTIXT) Kol BLAO00GIA, TOV ÖE VÜV NOgevouev@v Xweig Ed’ EXATEDOV AL TOAAaL PVOEIG EE Avaryang &norheuo0Worv, OUX EOT KARDV NADAQ... TOLG MÖAEOL, HOND 5 0088 10 AvBownivo yEveı ...— Wenn nicht entweder die Phi-

losophen als »Könige« regieren in den möktıg oder die jetzt sogenannten Könige und Machthaber philosophieren und die-

ses mit jenem zusammenfällt (das Baoıkevewv“ und $U.000beiv), nämlich die Macht in der nölıg und die Philosophie, die

sielen Naturen aber von denen, die jetzt von aussen zu jedem von den beiden gehen, durch ävayın ausgeschlossen werden, wird es keine Erholung von den Übeln geben für die nökcsız oder das Menschengeschlecht... Diese Verbindung, vor allem,

dass man nicht zur Philosophie darf, ohne sich zum Ba.oıAebeuv vorzubereiten und umgekehrt, hat eigentlich eine Basıs ın Platos Philosophie nicht. Dies nur, um den xaxa zu entrinnen. Die

Zentralstelle seiner politischen Philosophie gerade hat philosophisch keine Basis. Dabei bleibt der Vorrang der Philosophie selbstverständlich! 474 C: Öu Tolg nEv nEoONKEL dVosı Anteodai Te dıAO00GLAG

hyeuovederv 7’ Ev nökeı, Tolg Ö° AAAoıg unTe AnTEodou AXoAovBeiv te TO fyovusv@ — dass denen, welche von Natur an der Philosophie haften, es zukommt, in der Stadt zu führen, den

Anderen aber, sich nicht an jene [die Philosophie] zu heften und? dem Führenden zu folgen. ($bvayıg wie im Deutschen: Macht von Vermögen. Siehe besonders 476 ff.) 478. Aö&0: zwischen &mornun und üyvora“ — So sicher ist der Weltbezug,

dass

von

der

Existenz

der

Öö&a

auf

ein

A [basileuein], König sein ® Übersetzung genau: »sondern« statt »und« © [anoia], Unwissenheit, Unverstand

233

HEFT X

6oSaorov" geschlossen wird, das zwischen dem öv der &ruornun und dem un Öv der Aryvorc liegen muss, als etwas [T6] &upoteowv uetexov, TOD eivai te xai un elvau — 478 F?. In diesem Zwischenreich aber zwischen eivou und un eivaı liegen alle die vielen menschlich existierenden Dinge, noMAd Kor TTOAAA Ölnaua etc., die, wenn sie nicht auf aÖTO TO KaAdy

oder das adrö TO Ölxaıov bezogen sind, einmal so und danach. wieder anders erscheinen, so wıe Grosses und Kleines immer.

nur relatıv gross oder klein sein können, ein Grosses aber auch klein, wenn verglichen mit einem Grösseren. In dieser Welt der Perspektiven ist alles 6080.0T6v, und in ihr herrscht die 8680.

[6] [Plato, IIoAıreia] Buch 6 (£). Über die pÜoıs der Philosophen: 485 B: ötı nadnuarög ye dei

EoWorv Ö Üv adroig Öndol Exeivng tig OVOLaG TfG GEL Obong xai un nAavmuevng

und yeveoswg Hal BBogÄg

— dass [sie]

immer lieben, was ihnen offenbart von jener o0ola, die immer ist und nicht umherirrt unter Entstehen und Vergehen. Folglich wäre die Aufgabe der Philosophen, sobald sie Baoıkebovorv, die

Verhältnisse der Menschen von dem Joch des Entstehens und Vergehens möglichst zu retten. 486 A: "Hı o0v ündoyeı dLovoig HEYaAongENEL«. xal Hewpia

NAVTög HEV XgOVoV, nüong dE Obolacg, OLOV TE OLEL TOUT@ UEyYa tı ÖoXelv eivaı TOV avdganıvov Biov;... OvVxXoüV ra HAvarov

Od ÖELvov IL NyNoETaı 6 TOLOUTOG — Derjenige [ist] dazu berufen, die menschlichen Angelegenheiten zu verwalten, dem das menschliche Leben und der Tod angesichts der ganzen Zeit und des ganzen Seins nicht viel gilt! Gegen diejenigen, welche an der Berufung der Philosophen zu herrschen zweifeln, weil die Philosophen sich um die Herrschaft A [doxaston], gemeint

234

Neutrum

des Adjektivs

d0&aotög

[doxastos],

vermutet,

AUGUST 1952 | R cht bemühen: Wer immer es nötig hat, beherrscht zu werden — ‚ie der Kranke den Arzt [nötig hat] -, muss sıch an den zur Herr-

schaft Berufenen wenden und nicht umgekehrt. 489 B-C. - (Über die eigene Berufung zur Philosophie - nachdem er eine Reihe günstiger äusserer Umstände angeführt hat, wie Verbandung, Kränklichkeit oder sonstige Abhaltung vom tätigen Leben: To 8’ hu£Tegov oUn (ELov Aeyeıv, TO ÖauoVvıiov ONNEIoV' N) yög moÜ zıvı AA N) 0LdEVi TWV Eurte00dev yEyovev. [496 C'])

[7] [Plato, IToAıreia,] 7. Buch (Z). Höhlengleichnis. (rexvn fig negiayoyfis: 518 D: die Technik der Herumwendung -!)

[8] [Plato, IIoAıteia] 8. Buch (H). 543 C: Lass uns nach der Abschweifung zurückkehren zu 449 B. . 544 D: Oi00’ odv...ötı noi KvOEHNWv elön TooaDTa Avaryan TOONWV Eivoı, 600TEQ xal NOALTELOY; Tj oleı &% Ögvög odev fi]

&u, neroas Tüg noALtelag ylyveodaı, KGAA Obxl Ex TOV NIDV TÜV &v TOIG TOAEON ... OUKODV EL TA TÜV NÖAEWV NEVTE, KOL Al TÜV ÖLWTÖV KATAOXEVAL TG Yung nevre Av elev.' (CA. 445 D) Die Staatsformen sind ja Formen menschlichen Zusammenlebens, sie können nicht gut aus Eiche oder Fels entstanden sein, sondern nur aus Grundverfassungen der menschlichen Seele. Dass Plato von den Verfassungen der Seele spricht statt von den Grunderfahrungen im Zusammensein, ist umso erstaunlicher, als er ja bereits Montesquieus Prinzip der »distinction« gefunden hat - als das Prinzip einer monarchischen Aristokratie, sofern der Baoıkevg als dsuadeowv* unter den Anderen, Pri& Tdiapheron], sich auszeichnend, ausgezeichnet

235

HEFTX

mus inter pares, gekennzeichnet ist. Der Begriff des Königs al; desjenigen, der die Macht monopolisiert, also wirklich Monarch ist, entstammt ganz anderen und Plato fremden Überlegungen, Immer wieder die beiden, in sich ganz verschiedenen Zu. gänge zur Politik in der abendländischen Tradition, symbolisiert durch Plato einerseits, Machiavelli andererseits. Plato an Macht so uninteressiert wie Machiavelliı am Wesen des Menschen. (Wenn Machiavelli die Bösartigkeit aller Menschen »natura« behauptet, so nur, um dem Christentum eine Verbeu-

gung zu machen und einen Ansatz zu gewinnen für das ausschliessliche Interesse an dem Machtproblem.) Wie nun der Ehrgeiz gleichsam das Laster der Auszeichnung ist, so entartet

eine Aristokratie

in eine TWUOXEATIA”

oder

tuuooxia® (545 B). Danach die öAıyaepyia; auf sie folgt die ÖNNoxeatia, die in der Tugavvig endet. Jener entspricht der ivno Önnoxgatıxög“, [dieser] die yuxn rugavvırn etc. (545 C). Die Timarchie ist eine Art Militärherrschaft, die Oligarchie eine Geldherrschaft und die Demokratie die Herrschaft des Pöbels. s62 Aff.: Tyrannıs: 1 xaAAorn N... noAteia Te Kai 6 #OAALOTOG AVNE... TUEAVVIS TE Kal TÜEAvVVog [Anspielung auf Euripides: Ironie (568 A), H. A.]...ötı uev yaQ Ex ÖnuorEATIag

ueraßardcı oXeöov ÖfjAov.” So wie die Oligarchie sich durch Unersättlichkeit am Gelde auflöst, so die Demokratie durch die Unersättlichkeit an Freiheit. (562 B) 564 A: ...o0r &E AAAıng noAutelag TUEAVVIS HAHLOTATALN) Ex Önuoxgatiacg, &E, oma, tNg dneorämng EXevdsgiag 6oVAEIa

Aelorn Te al Üyoıwrarn (aus der auf die Spitze getriebenen Freiheit die völligste und wildeste Knechtschaft).? Aus einem Volksvorsteher (neootArng) wird ein Tyrann (565 Df.). Dadurch, dass er Unrecht tun muss und ihm dann nur übrigbleibt, A [timokratia], Timokratie B Ttimarchia], Timarchie © faner demokratikos], demokratischer Mann

D [psyche tyrannike], tyrannische Seele 236

AUGUST 1952

H AnorwAEera Ind T@v EXHo@v 7 TvVoavveiv nal Abaw E& ivHoWstov

veveodoı (566 A)*. Die dauernde Alternative des

Tyrannen — entweder gemordet zu werden oder Iyrann zu sein und aus einem Menschen ein Wolf zu werden!! Der Machtzwang aus Angst und der Vorstellung: entweder „sie« oder »ich«. Bild des Volkes ın der Tyrannıs [569 C]: ö öfuog devywv üv Hanvov ÖovAslas EAeEVHEEWV Eis NÜQ s00LWv dEONOTELUG Üv EUNENTWNWG Ein — das Volk, fliehend den Rauch der Knechtschaft der Freien, stürzt ın das Feuer der Despotie der Knechte. Tyrannis = Despotie der Sklaven.

[9] [Plato, TIoAızeia] 9. Buch (©): 6 Tugavvinög avi“: 571 A: erklärt aus den Enıdvnicu nagdvouoı”, die im Schlaf frei werden. Sie werden ım wesentlichen mit Eros identifiziert. Kai TÖ ara ÖLd TO TOLOÜTOV TÜEAvvoG 6 "Eowg Agyerau." Also das

Modell des Tyrannen ist der Eros. (573 B) Und dann mit Anspielung auf Sophokles (?)*: xai unv Ö ye nawvönevog. xai ÖNOKEXLVINKWG OL UÖVoV AVHEWAWYV, KAAA Hal HEWV Ertixeigei te naı EAriber duvarög eivaun Koyeiv (573 C)’. Wie ein Wahnsinniger will er herrschen über Götter und Menschen. (Es ist schwer, bei Platos Ausführungen über die Dichter, besonders aber ım 10. Buch der /ToAızeia bei den Ausführungen über Homer - der ja sein Lieblingsdichter war -, sich des Eindrucks zu erwehren, hier ist der Philosoph einfach auf den Dichter neidisch. Die Fadenscheinigkeit der Argumentation dass Homer keinen wirklichen Krieg geführt und keiner wirklichen Stadt Gesetze gegeben habe - ist umso frappanter, als Plato diesen Einwand als gegen ihn selbst gerichtet am Ende des 9.Buches bereits beantwortet, und zwar in einer Weise, die wahrhaftig auch des Homer würdig gewesen wäre: ’AAN’... Ev A [ho tyrannikos aner], der tyrannische Mann

? [epithymiai paranomoi], gesetzwidrige Begierden 237

HEFTX

oheavo long napd.deıyua. dvaneıtcı TO BovAousvo 80ÄV Xai vEWVTi ERvröv natorriLev. Auab£Eoeı ÖE OUÖEV ELITE ITOV Eotıy eitE Eotau TA yo Tauıng uovng Av modgeev, AdAng Se odöemäg [592 B].* Ganz deutlich wird dieser Neid da, wo er

davon spricht, dass Homer Hellas erzogen haben soll - 606 E —, und noch deutlicher, wo

er von der naAaıd

ÖLabood”

und

Evavıiaorg? zwischen Philosophie und Dichtkunst spricht 607 C.) 574 E: Der avno Tvpavvınög ist vom Eros tyrannisiert und lebt, wıe Andere nur träumen.

Monarch: uövaexog = Alleinherrscher, hier vom tyrannischen Eros gesagt, identisch mit Tyrann und nicht mit BaoWevc (siehe oben). 575 A. Der Tyrann aber ist das genaue Gegenteil des Paoıevg: 576 D. 576 A: Die tyrannısche Natur: ’Ev navıi

00 TO Bio EHo1 BIA0L HEV OVHENTOTE OVÖEVI, KEIL ÖE TOU ÖEONOGovres

f

ÖoVAevVovres

AMD,

Eievdeoiag

HE

Hal

buklac

AAmdoüs Tvpavvırn dvoıs dei Ayevorog — in ihrem ganzen Leben niemals jemandes Freund, immer aber einen despotisierend oder einem Andern als Knecht dienend, die Freiheit und

die wahre Freundschaft niemals kostend 580 Dff.: Drei Y6ovoi = drei Arten der Lust (?), Freude (?):

1) uavOaveıv = eidevaı nv AANdELGv = dUA600boG 2) Huuelv = dıAOVıXoV = BLAÖTLUOV 3) Erıdvuelv = diAoxoNuaTog = dIAOoHERÖEG.’

Die beiden letzteren nennt der Philosoph Nöoväg [...] dvaryrolas dG OUÖEV IÖV AAAMV deÖuEvov, ei un dvayın NV. da er ihrer gar nicht bedürfen würde, wenn die ‘Avayxn nicht wäre.

Wegen der alles beherrschenden ’Avayxn aber ıst der Philosoph von den drei Typen der einzige, der Erfahrungen in allen drei Erfahrungsfeldern hat, da ja auch er den dvaryxoio unterworfen ist. 582.

A [palaia diaphora], alte Verschiedenheit B Tenantiosis], Hader

238

AUGUST 1952 (Nöyov

de Tobtov

- Toü

dLA000BoV

- nah1ota

Ögyoa.vov

[582 D]’)

590 C: Der Grund für die Verachtung der Arbeit, dass sie mit den &varyrola und daher mit &rudvuetv“ und Buuög in Zusammenhang steht: Bavavola ÖE xal xeıgorexyvia ÖL TI, Ole, äveudog bEoeı; för AAO Tı PIOONEV Tj Ötav tig K0Dev&g hUoeEL Zum TO TO BeAtiotov eldog, WoTE un Av SUvaodaı Äpyeıv TOV iv au HBosundatwv, KAAC HegasteVerv Exeiva, Kal TÜ OWITEUNOLTE. AUT@V UOVov HVvNTaL navdaveiv. - Warum wohl, glaubst

Du, liegt ein Schimpf auf Arbeit und Handwerk? Wenn nicht deshalb, weil einer von Natur schwach ist für das Eiöog des Besten, sodass er nicht vermag, über die »Tiere« [= Triebe, H. A.] in ihm zu herrschen, sondern nur ıhnen zu dienen und die Dienstleistungen für sie zu erlernen vermag.

s90 D: Die wahre Herrschaft nützlich auch für die Beherrschten, am besten oixeiov Exovrog Ev aUT® — wenn einer es als Eigenes in sich selbst hat: so nämlich bei den Herrschern. Sodass

der sich selbst Beherrschende identisch wird mit dem guten Herrscher: Er führt bei Anderen nur aus, was er bei sıch selbst

getan und was sie eigentlich auch leisten müssten. Der wahre Herrscher als Selbst-beherrscher hilft allen, sich zu beherrschen.

[10] [Plato, IToAıreia] 10. Buch: Demiurg: 596 A: Eidos: ist etwas Eines für das Viele, das wir mit dem gleichen Namen nennen. (Ergo: entspricht das eiöog dem Övoua®, das Eidos ist die Wirklichkeit (?), die Wahrheit (?) des Namens?) Jeder xeupotexvng“

macht das Viele, indem er auf das Eine (eiöoc) sieht. Der önuovoyög” aber macht alles, nicht nur Erde und Himmel etc.,

A [epithymein], begehren B [onoma], Name © [cheirotechnes], Handarbeiter, Handwerker

239

HEFTX

sondern die Geräte und Götter und die eiön von allem, das ist.

Sodass also für den Menschen ohnehin nur übrigbleibt, immer ein Fines zu vervielfältigen - dies ist die eigentliche uiunoıg -,

wobei jedesmal eine Art Realitätsverlust eintritt, weil Wahrheit und Realität identifiziert sind. Und dies folgendermassen: Da irgendein Bett niemals das Bett ist, ist es 1) weniger wahrhaftig Bett und 2) vergeht, hat also weniger Realität. Hier liegt die Wurzel der abendländischen Identifizierung von Sein und Wahrheit. Eines kann der Demiurg immer nur machen, weil, wenn er

zwei Betten machte, es ja sofort das (dritte ?) gäbe, auf die diese beiden sich beziehen müssen, umüberhaupt Betten zu sein. 597C. Der Demiurg müsste, da er nur das eiöog = die dVoıg eines jeden Seienden erschafft, eigentlich dvrovoyög” heissen. 597 D. 602 D: Die Mittel, um dem Bereich, wo alles relativ ist — das

Grosse nur gross relativ zu Kleinerem, aber klein relativ zu Grösserem -, zu entfliehen, sind Messen, Zählen, Wägen. Daher der Vorrang der Mathematik, damit nämlich nicht (doxeıv &v

Yuiv TO daıvöuevov ueitov N EAattov t) nAEov 1) BaeUTEEoV) in uns herrsche das, was erscheint als grösser oder kleiner oder mehr oder schwerer, sondern TO AoyLoduevov Xol NETETIOA.Y fi »al OTfjoav” - d.h. der Masstab für es. So Mass nehmend, zählend, messend, wiegend sind wir her-

umspaziert, bis uns klar wurde - eigentlich seit Descartes oder Kant, handgreiflich aber seit Einstein —, dass diese Masstäbe

selbst relativ auf etwas anderes sind, das wır nicht kennen und dessen Relativität sich daher - und das ist das Schlimmste — so zeigt, als sei Jegliches von Jeglichem abhängig und auf es in Relativität bezogen. Wir sind also genau bei den Komparativen — grösser als und zugleich kleiner als - wieder angekommen, von denen die Griechen ausgingen und denen wir mit Plato entflohen zu sein glaubten. A [demiurgos], Demiurg B [phyturgos], Gärtner; erster natürlicher Urheber © Tto logisamenon kai metresan e kai stesan], das Rechnende und Messende

oder auch Wägende 240

SEPTEMBER 19$2

[11] Platos kategorischer Imperativ: Herrsche über Andere so, wie

du über dich selbst herrschst. Herrschaft gegründet auf Selbstbeherrschung. Der Stolz, die Überzeugung, dass es zur Würde des Menschen gehört, niemandem zu gehorchen ausser sich selbst.

September 1952 [12]

Sept. 52.

Madison in The Federalist: »But what is government itself but the greatest of all reflections on human nature? If men were angels, no government would be necessary. If angels were to govern men, neither external nor internal controls on government would be necessary:«' Politik immer als etwas, das da ist »faute de mieux« - weil Men-

schen keine Engel sind oder weıl Götter uns nicht regieren oder weil wir aneinander gebunden sind durch materielle Not und Zwang und also, da wir »eigentlich« autark zu sein bestimmt sind, weder ohne einander noch miteinander leben können.

Der entscheidende Unterschied zwischen Plato und aller nicht-griechischen politischen Philosophie ist, dass Plato noch meinte, dass einige Wenige »Engel« seien und daher des »government« nicht bedürftig. Da sie sich selbst beherrschen, bedürfen sie keiner Herrschaft. Sie muss man zwingen zur Herrschaft über Andere, da sie sonst von diesen anderen »wilden Tie-

ren«, die sie in sich selbst gebändigt haben, zerrissen würden. Die Selbst-Herrschaft geht dann durch alle »positive«, nicht völlig pessimistische politische Theorie. Gegen sie ist zu sagen, was unwiderleglich zu Rousseaus Kontrakt-Theorie als eigent241

HEFTX

lich einem Kontrakt mit mir selbst zu sagen ist und von ihm selbst zitiert wird: »Nul n’est tenu aux engagements pris avec lui-m&me.« (Contrat Social, Livre I, chapitre 7”)

[13] Rousseaus »volonte generale« ist die vielleicht mörderischste Lösung

der

Quadratur

des

Cirkels

[Kreises],

nämlich

des

Grundproblems aller politischen Philosophie des Abendlandes, wie man aus einer Pluralität eine Singularıtät machen könne - in Rousseaus Worten: »r&unir une multitude en un corps« (Contrat Social, I, 7)‘. Was diese Lösung so mörderisch macht, ist, dass der Souverän nicht mehr eine oder eine Vielheit von mich

beherrschenden Personen ist, sondern gleichsam in mır sitzt als der »citoyen«, der dem »homme particulier« entgegengesetzt wird. In der »volonte generale« wird in der Tat jeder sein eigener Henker.

[14] »Nullum crimen sine lege«*: Also ist in der Tat das Gesetz früher als das Verbrechen oder in den Worten des Römerbriefs - durch das Gesetz kam die Sünde in die Welt." Sagt man nun weiter, das

Gesetz sei um des möglichen Verbrechens willen da, so hat man bereits die sündhafte Natur des Menschen stipuliert. (Paulus notabene interpretiert ganz offenbar das jüdische Gesetz auf hebräische Weise, d.h. auf eine Weise, in der das Gesetz als Zaun

nicht existiert.) Andererseits: Wenn es kein Verbrechen gibt ohne Gesetz, gibt es ein Verbrechen an sich überhaupt nicht. Alle Moralität ist schlechterdings Sittengesetz — eine Frage der »mores« — und nichts sonst. Es hat mit dem Problem des Bösen überhaupt nichts zu tun. Dadurch, dass man in der Moral A& kein Verbrechen ohne Gesetz

242

SEPTEMBER I952 Gut und Böse suchte und dann natürlich nur unendlich ver-

schiedene Verbote, Tabus etc. entdeckte, hat man geglaubt, Gut und Böse gibt es nicht. In der Moral allerdings nicht.

[15] Ad gerechter Krieg: Es kann nur Kriege für die Freiheit geben, nur Freiheit hat irgendetwas mit Gewalt zu tun. Einen gerechten Krieg kann es in der Tat nicht geben, weil das voraussetzte, dass

Menschen abwägen können, ob das Leid des Krieges mit seinem Inhalt kommensurabel ist. Dies aber ist unmöglich. Hier steckt der Kardinalfehler von Schmitt." Gerechtigkeit kann es nur innerhalb des Gesetzes geben. Jeder Krieg aber spielt sich ausserhalb des Gesetzes ab, auch ein Verteidigungskrieg, in dem ıch eben gezwungen bin, den Rahmen — den Zaun des Gesetzes zu überschreiten.

[16] Ad »volonte generale«: Die Schwierigkeit ıst, dass Rousseau selbst nicht verstand, wovon er handelte, beziehungsweise im

Verlauf des Contrat Social vergass, wovon er eigentlich ausgegangen war. Die »volonte generale« entdeckte er ursprünglich als das Subjekt des Gesetzes, das allgemein sein musste, weil

das Gesetz bekanntlich allgemein ist. Dies wırd klar in Folgendem: »Par le pacte social, nous avons donne l’existence et la vie au corps politique; il s’agit maintenant de luı donner le mouvement et la volonte par la legislation ... ... Alors la matiere sur laquelle on statue est generale comme la volont€ qui statue. C’est cet acte que j’appelle une loi. Quand je dis que l’objet des lois est toujours general, j’entends que la loı considere les sujets en corps et les actions comme abstraites, Jjamais un homme comme individu ni une action particuliere.« (I, 6")

243

HEFTX

Offenbar ist, dass Rousseau vom

Inhalt des Gesetzes, das

immer erst angewandt werden muss, um auf bestimmtes Eıinzelnes zu passen, auf den Gesetzgeber schliesst, und da er weder Gott noch Natur als Gesetzgeber zulässt, braucht er ein Allgemeines als Subjekt, und das ıst die »volont& generale« - eigentlich ein Wille, der sich auf Allgemeines bezieht. Dadurch dass er diesen Willen mit »peuple« identifiziert, entstehen alle Schwierigkeiten.

[117] Macht ist nıcht ein Korrelat des Willens, aber das Vorurteil von

der Unteilbarkeit der Macht kommt einerseits aus dem Irrtum, Macht als ein natürliches Korrelat des Willens zu sehen, und

andererseits aus der richtigen Einsicht in die Unteilbarkeit des Willens. Die Teilbarkeit der Macht in der Teilung der Gewalten ist der beste Beweis hierfür, wıe auch dafür, dass Macht nicht ein

von einem wollenden Subjekt oder einem subjektiven Willen Erzeugtes ist, sondern das, was zwischen Menschen entsteht, wenn sie zusammen handeln.

[18] Gerechtigkeit setzt immer einen »consensus« voraus. Darum ist sie ein so eminent politischer Begriff. Die Strafe für den Verbrecher ist ein Akt der Gerechtigkeit, insofern der Verbrecher ausgesprochen oder implizite dies Verbrechen als Verbrechen beurteilt, also mit seinen Richtern einig ist darüber, was ın der menschlichen Gesellschaft ein Verbrechen ist. Bricht dieser »consensus«, so wird die Strafe zu einem Akt der Rache oder der Notwehr oder des Interesses einer Majorität, kurz, zu dem,

als was moderne Psychologen und Soziologen sie ohnehin erklären, weil sie, ohne es zu wissen, bereits aus dem Zusammenbruch

heraus argumentieren, in welchem mit dem »consensus« auch

244

SEPTEMBER 1952

die Möglichkeit für Gerechtigkeit verschwunden ist. Der Massstab, an dem die Gerechtigkeit sich misst und der ihre Realität ist - wie das Zwischen die Wirklichkeit der Freiheit ist -, ist im

„consensus«

gegeben

und

kann

durch

nichts

»Absolutes«

ersetzt werden, wenn der »consensus« aueinanderbricht. Auch

für das Gesetz Gottes bedarf es noch des hörenden, zustimmenden und (erst ın letzter Linie) gehorchenden Menschen. Die Anwendung von Gewalt, so wie sie der Krieg bringt, wo

immer (nicht das Recht des Stärkeren gilt, aber) der Stärkere schliesslich recht behält, setzt auch immer voraus, dass ein »consensus« gebrochen oder willkürlich zerstört ıst. Der Krieg ist also gleichsam die Folge davon, dass es Gerechtigkeit als Ka-

tegorie nicht mehr gibt. Daher gibt es in einem echten Sinne in der Tat weder gerechte noch ungerechte Kriege - ein gerechter Krieg wäre eine Polizei-Aktion und ein ungerechter Krieg ein Verbrechen.

Das internationale Recht beruhte im Kriege darauf, dass innerhalb der zivilisierten Welt, auch wenn

der »consensus«

zwischen den Staaten abgebrochen war, derjenige »consensus«, auf dem jeder von ıhnen beruhte, unangetastet bleiben musste. Ohne dies wäre jeder Krieg zu einer Bedrohung des gesetzlich festgelegten Systems des Staates selbst geworden. Mit anderen Worten, der Krieg musste so geführt werden, dass Mord nicht vorkam. Daher der Unterschied zwischen wehrloser Zivilbevölkerung und Militär. Jede Kampfhandlung musste immer, vom Einzelnen aus gesehen, noch als Selbstverteidigung erscheinen können. Der Wehrlose hört auf, Feind zu sein. Dies ändert sich

a) durch Technisierung des Krieges, b) durch das Eintreten totalitärer Herrschaftsapparate in die Weltpolitik. Dies führt ı. zum Mord der Zivilbevölkerung, nachdem der Krieg bereits ein Massenschlachten geworden ist, und 2. zur Kriminalisierung des Gegners. Beides aber bereits nach dem Ersten Weltkrieg. Und dies bedeutet, dass [es eine] veränderte

Kriegstrage [gibt], unabhängig von den totalitären Herrschaftsformen, die von dieser Änderung nur profitieren- und die einzigen sind, die von ihr profitieren können.

245

HEFTX

[19] Denken und Reden: Insofern das Denken immer in der Einsamkeit dialogisch ist, ist es per definitionem Zweifeln. Der Zweifel hat die Zwei, die beiden Möglichkeiten dauernd ın der Unterschiedenheit

und

Unentschiedenheit

festzuhalten;

zwischen

ihnen geht der Dialog hin und her, bis aus ihm - gleich dem Reıben der Platonischen Feuersteine' — der Funke des Gedankens herausspringt. Der Zweifel wird Verzweiflung, wenn er sich entscheidet für die Unentschiedenheit, d.h. die Geduld verliert.

Verzweiflung ist eigentlich, wenn das Denken am Gedanken verzweifelt. Misstrauen hat mit Zweifel und Verzweiflung nichts zu tun. Es ıst die Haltung des Verlassenen, das Gesetz, nach dem er sich unter Menschen bewegt, also nie die Stimmung des Einsamen. Reden ist nicht Denken; sie [die Rede] teilt Gedanken mit, und das Worüber der Rede - A&yeıv Ti Katd. TLvog - ist dasjenige, was zwischen Menschen ist, sofern sie miteinander reden. Dies

Worüber tritt erst zwischen Menschen überhaupt auf; das Denken denkt nicht über, es denkt die Sachen selbst, in dem direkten

akkusativischen Bezug. Darum ist das Denken auch dem Tun verwandt — aber nicht dem Handeln. Das Reden ist das dem Denken entsprechende Handeln und hat Sinn nur in dem Kasus des Dativs. Die Subjekt-Objekt-Spaltung und alle Kategorien, die aus ihr abgeleitet sind, identifiziert das Denken mit dem Reden, aber entfernt aus dem Worüber der Rede den dativischen Bezug, löst es also aus dem Zwischen-raum zwischen Menschen, die miteinander über etwas reden, heraus. Dies wird dann das 1so-

lierte Objekt, dem ein gleich isoliertes Subjekt gegenübersteht. Das Objekt hat den Zusammenhang im Zwischenraum zu Anderen verloren — das Subjekt, das eigentlich nicht denkend, sondern :redend ist, den Zusammenhang und den Zweifel mit sich selbst. So ıst beides isoliert, und so kann jedes jederzeit das Andere beherrschen.

246

Heft XI

September 1952 bis November 1952

Heft X1 September 1952 [1] bis [9] Anmerkungen

249 982

Oktober 1952

[10] bis [16]

262

Anmerkungen

991

November 1952 [17] bıs [22]

265

Anmerkungen

992

Thematisches Inhaltsverzeichnis

875

]

Palenville*, Sept. 1952.

Denken ist die einzige reine Tätigkeit, die wir kennen, weil der Gedanke, der immer ein Gedankenblitz ist - dies die Wahrheit

der Offenbarungsreligionen, dass jeder Gedanke und jede Wahrheit nur im Blitz offenbaren, was immer sie offenbarend für einen Moment erhellen -, niemals ein eigentliches Resultat

dieses Tuns ist- wie das Getreide das Resultat von Säen, Mähen und Ernten. Die Gedanken, sofern sie resultathaft wiedergegeben werden können, sind nur die Folgen?, die unsere Erinne-

rung aus jener reinen Tätigkeit, die plötzlich sich aus sich selbst erhellt, herüberrettet. Als solche müssen sie dann »Rede stehens; d.h. sie werden kontrolliert dadurch, dass die Rede (und nicht mehr der unendliche Dialog des Denkens) etwas über etwas aussagt. So zwingt die Rede den Gedanken wieder aus der Einsamkeit des Denkens in das Miteinander. : So wie Denken kein Objekt hat und daher reine Aktion“ ist, so hat Liebe kein Subjekt und ist reine Passion. In diesem Sinne gibt es nur eine wirkliche Leidenschaft, und das ist die Liebe,

alle andern sogenannten »Leidenschaften« sind Begierde öge&ic”. Alle Subjekt-Objekt-Kategorien aber kommen aus der Erfahrung des Herstellens, wo allein ein Subjekt wirklich A siehe im Anmerkungsteil S. 977 B kann auch »Fetzen« heißen

© ursprünglich »Tätigkeit« - dies Wort wurde von H. A. durchgestrichen und durch »Aktion« ersetzt D Torexis], Streben (nach etwas), Trieb

249

HEFT

XI

ein Objekt erfährt, nämlich insofern das Subjekt das Objekt

macht. So überwältigend war diese Erfahrung, dass alle anderen Erfahrungen von der Philosophie an ihrem Leitfaden interpretiert wurden. Homo wirklich und ausschliesslich Homo faber.

Als solcher aber kann man weder denken- nämlich rein tätig “ sein — noch lieben- nämlich rein leiden. So wie der Mensch als Homo faber das Objekt eigentlich konstituiert, so konstituiert der Wille, der seinen Grund in der Öoe&isg und damit das ıhm allein Entsprechende in den dvoryrolo hat, das Subjekt. In der Liebe vergeht der Wille so, wie im Denken das Herstellen vergeht. In der Liebe löst sich das »Subjekt« ebenso wie im Denken das »Objekt35

HEFT

XXI

(Anımal stoAıtıxöv) und Miteinanderreden (Aöyov Exwv) im Gegensatz zum Einen, zur reinen Anschauung und zum

voeiv (voüs Avev Aöyov); 3. als die Vita activa im Gegensatz zur Vita contemplativa; 4. als das Gesellschaftliche im Gegensatz zum Intimen; 5. als die Sicherung des Lebens des »Geschlechts« im Gegensatz zum Leben des Einzelnen, als Gemeinschaft versus Indivi-

duum.

[52] Jeder Zeitgewinn ist ein Raumverlust. Folgt daraus, dass ein Raumgewinn ein Zeitverlust ıst??

[53] Aög yoı od 0T@" - Mit den Augen des Universums - durch die Apparatur des Auges (des Teleskops) und die Apparatur des »inneren Auges« (des Verstandes), die Mathematik des Unendlichen — auf die Erdnatur blickend, fanden wır allen Anlass,

unseren erdgebundenen fünf Sinnen zu misstrauen. Wir hatten die Natur zu erkennen nicht vermocht, weıl wir, selbst Natur,

uns auf unsere natürlichen Organe verlassen hatten. Um die Natur zu erkennen, darf man Natur gerade nicht bleiben. Wir begannen, Natur zu erkennen, als wir »universal« wurden. Da aber die Natur ins Universum gefügt 1 ist, ist sie vom Standort des Universums »gemacht«. Als wır die Natur zu erkennen begannen, stellte sich sofort heraus, dass wir Natur auch machen können. (Erkennen und Machen, Herstellen, Tun gehören so zusammen wie Handeln und Denken.) Das Zwischen zwischen Mensch und Natur, das noch bei

Montesquieu dem Naturgesetz unterstand, Teil der natürlichen Gesetzmässigkeit war, ist seither »universal«, d.h. »unnatür-

lich« geworden. Es untersteht nicht mehr den naturgegebenen 536

JULI 1955 Bedingungen der Erde. Dies aber gilt nicht für das Zwischen zwischen den Menschen. Dies haben wir ruiniert, als wir es »universalisierten«. Einer der Gründe ıst, dass der Mensch,

ungleich der Natur, prinzipiell vom Menschen nicht zu erkennen ist, dass also hier Erkennen - Tun nur destruktiv sein kann.

Da wir immer von der Menschen-Natur sprachen, glaubten wir, dass wir uns auch des Menschen bemächtigt hätten - ihn »erkannt« hätten -, als wır von »aussen«, nämlich auf universale

Weise, begannen, die Natur zu erkennen. Was

so schwer einzusehen ist, ıst, dass der Mensch

keine

»Natur« hat, obwohl er nur unter natürlichen Bedingungen leben kann. Er ist Natur, sofern er lebendig ist, und als solch »Teil der Natur«, der er nie ıst, auch »erkennbar«, d.h. misskennbar.

Der Mensch ist ein »universales« Wesen unter den Bedingungen einer erdgebundenen Natur, sofern er lebt. Da wir Sein und Leben immer identifizieren (weil wir Sein am Lebendigsein ablesen, also an der Natur), sind wir der Meinung, dass der Mensch

nicht mehr ist, wenn er nicht mehr lebt. Dies ist eigentlich in Anbetracht seines universalen Wesens sehr unwahrscheinlich. Für die »Politik« erhebt sich hier die Frage, ob Pluralität, die sicher durch die Naturbedingungen garantiert ist, auch zum »universalen« Wesen des Menschen gehört. Die Schwierigkeit der Frage liegt darin, dass wir nur »Natur« erkennen können, und zwar einzig darum, weil wir nicht Natur sind. Also: Das Wesen des Menschen ıst uns unerkennbar, und das Wort »uni-

versal« zeigt nur einen Standort an, den der Mensch beziehen kann, es charakterisiert nıcht, und es definiert nicht. Auf die

Frage: Wer aber sind wir? gibt es schlechthin keine Antwort.

[54] Ad Heideggers Bemerkungen zu Jünger: I. Arbeit und Technik sind nicht nur nicht das gleiche, die Technik verdankt ihre Entstehung unter anderem gerade dem Bestreben, die Arbeit nicht nur zu erleichtern (wie wenn man >37

HEFT

XXI

sich Tiere zur Hilfe zieht oder dem Wind und Wasser sich anbequemt und von ihnen sich helfen lässt), sondern zu eliminieren. Jünger spricht nie von der »Gestalt« des Arbeiters, die gibt es gar nicht, sondern immer nur von der des Technikers.? 2.Auf p.22 fragt Heidegger — nicht Jünger! - nach dem Wesen der Arbeit und landet gleich wieder in der Technik. Warum dieses Missverständnis? Die Verwechslung ist für Jünger einzusehen, nicht für Heidegger. 3.Ad Geschichte der Arbeit: Von Anbeginn gibt es zwei Bestrebungen, die sich vielfach verschränken, prinzipiell aber auseinanderzuhalten sind: Man wollte a) die Arbeit erleichtern

durch die Erfindung von Werkzeugen etc.; man wollte b) die Arbeit abschaffen durch die Versklavung anderer Menschen. — Die Technik entstammt beiden Bereichen: Wichtig ist, dass ein Element der Gewalt in beiden wohnt: die Gewalttätigkeit des Herstellens und der Zwangscharakter der Herrschaft. Die Gewalt dient der Eliminierung der Notwendigkeit, die sich in der Arbeit tätig bekundet. 4. Aus diesem Zusammenhang stammt die Verwechslung von Macht und Gewalt, die Jünger mit Heidegger teilt. 5. Nichts: umgedeutet als eine »ausgezeichnete Praesenz« p. 25 und passım. 6. Sein: »Das >Sein< löst sich in die Zuwendung auf.«* p. 33: »Der Schwund, die Absenz, ıst aus einer Praesenz her und durch

diese bestimmt.« 7.»Das Menschenwesen gehört selber zum Wesen des Nihilismus... Der Mensch macht als jenes in das Sefn” gebrauchte Wesen die Zone des Seas und d.h. zugleich des Nichts mit aus.« (p. 32) (Cf. p. 28f.: »Im Menschenwesen liegt die Bezie-

hung zu dem, was durch den Bezug, das Beziehen ım Sınne des

% bei Heidegger (p. 31): »Gehört zum >»Sein< die Zuwendung und zwar so, daß jenes in dieser beruht, dann löst sich das »Sein< in die Zuwendung

auf.« B Heideggers Schreibweise?

538

JULI 1955 Brauchens, als »>Sein« bestimmt und so seinem vermeintlichen san

und für sich< entnommen ist.«) Dies gerade ist fragwürdig: Die Wüste ist nicht »in«, sondern zwischen den Menschen. a) Der Mensch braucht Seiendes, aber

nie Sein oder Nichts. b) Das Sein ist in Wahrheit die Welt, die hier mit Sein und Natur identifiziert wird als das blosse » Aussen« oder Nicht-menschliche, ganz im Sinne der Metaphysik. Der Mensch bezieht seine Nahrung aus der Natur und braucht die Dinge der Welt. 8. Wille zur Macht oder Wille zum Willen p. 35 bestimmt als das, was »alles Anwesende einzig nur in der Bestellbarkeit seines Bestandes will, d.h. herausfordert, stellt.« Ergo: Utilitarısmus und der Schwund, erklärt durch ein verzehrendes Brau-

chen. Dies hängt mit Arbeit, und nicht mit Technik, zusammen: der konsumierende Charakter der Arbeit. - Bei Heidegger aber liegt eine Konfusion vor: Er sieht im Brauchen bereits etwas »Verzehrendes«. Dies ist noch der griechischen Verachtung allen blossen Bedürfens, Gebrauchens, Herstellens geschuldet. Dies gerade ist nicht der moderne Nihilismus, der zum Ausbruch erst kommt, wenn alle utilitaristischen Kategorien erschöpft sind.

[55] Amor Mundi': Handelt von der Welt, die sıch als Zeit-Raum bildet, sobald Menschen ım Plural sind — nicht mit-, nicht

neben-einander, reine Pluralität ist genug! (das reine Zwischen) [der Welt], in der wir dann unsere Gebäude errichten, uns ein-

richten, ein Permanentes hinterlassen wollen, zu der wir gehören, insofern wir im Plural sind, der wir ewig fremd bleiben,

sofern wir auch im Singular sind, von deren Pluralität her wir überhaupt unsere Singularität nur bestimmen können. Sehen und

Gesehen-werden,

Hören

und

Gehört-werden

ım

Zwi-

schen. Wir hängen nicht am Leben, das sich von selbst erschöpft, wir hängen an der Welt, für die wir ja seit eh und je J39

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XXI

das Leben zu geben bereit waren. Die Todesangst ist Angst vor Schmerz, in dem wir lebendigen Leibes der Welt verlustig gehen. »Oh Leben, Leben, Draußensein ...«? Kenntlich sind wir nur im Zwischen der Welt, der Name haf-

tet uns im Zwischen an. Im reinen Innen gibt es keine Namen; nur ıch und du, die verwechselbar sind. Der Wunsch nach dem

Überleben des Namens ist der Wunsch, in der Welt zu bleiben, ganz unabhängig vom Leben. Unser Begriff der Unsterblichkeit ist unbrauchbar, weil er doppeldeutig ist: Ewiges Leben oder ewige Praesenz in der Welt. Das Ewige Leben ist so bereit, die ewige Präsenz in der Welt zu opfern, wie die Ruhmsucht bereit ist, das Leben und sogar das ewige Leben zu opfern. (Machiavelli)

[56] Religion und Politik: wie die Tugend des Gehorsams zustande kam: »Superbia« ursprünglich verstanden als die Rebellion gegen Gott. Diese Rebellion, als ein möglicher Akt, wird »psychologisiert«; der Mensch will nicht so sehr gegen Gott, und zwar im Angesichte Gottes, rebellieren, als er seiner Beschaffen-

heit nach rebellisch ist. Jetzt wird Rebellion erklärt aus einer menschlichen Anlage, die man brechen muss, damit es nicht zur Rebellion komme. Um nicht gegen Gott zu rebellieren, lässt oder vielmehr zwingt man ıhn, Menschen zu gehorchen. - Hier also ist die Psychologisierung oder »Verinnerlichung«, die sonst dem Politischen zuwiderläuft, aus politischen Gründen erfolgt und für politische Zwecke gehandhabt. Allerdings könnte die Kirche zu ihrer Rechtfertigung sagen: Rebellion gegen Gott, da Gott unsichtbar ist, ist ebenfalls unsichtbar. Gehorsam gegen Gott kann sich daher nur als Demut nämlich der Gehorsam gegen die Menschen um Gottes willen, oder in anderen Worten: mit dem Hintergedanken, dass ich den Menschen ja doch nur scheinbar gehorche — manifestieren. Scheinheiligkeit wird zur Heiligkeit - weil eben Heiligkeit sich

540

HEFT

XX1

nicht manifestiert und bereits Hypokrisie ıst, wenn sie zu »scheinen« beginnt. Bei Thomas wird der Umschlag ganz deutlich im folgenden: Summa Theologica (II-II, quaestio 162, articulus V'): »Superbia« erst definiert als das Gegenteil von »humilitas«, die als »subiectio hominis ad Deum« - also nie »ad homines«! — bestimmt ist.

Gleich darauf aber wird »superbia« nicht einfach als »rebellio« gegen Gott bestimmt, was diesem entsprechen würde, sondern Thomas sagt: »inıtium superbiae hominis est apostatare a Deo« — der Abfall von Gott ist nur der Anfang. Damit ist allen Interpretationen Tor und Tür geöffnet. Nun kann man sagen: Hinter dem Ungehorsam gegen Menschen sitzt der Anfang des Abtalls von Gott, mit dem die »superbia« angefangen hat. Thomas ist der Meinung, dass die »superbia« zwar die grösste, aber nicht die erste Sünde war; die erste war Ungehor-

sam (quaestio 163°), der nicht gleich ist mit Hochmut, weil »superbia« durchgehend definiert ist als: »appetitus inordinatus excellentiae«*. Daher sitzt sie ın allen Tugenden: nämlich, wenn man etwas Gutes um der »excellentia sui« tut, etc.

[57] Ad Lord Acton’s Essays über »Freedom in Antiquity« und »Freedom ın Christianity«: Die christliche Freiheit, die er absolut setzt, ist, wie er richtig sieht, die Freiheit von Politik, welche

die Philosophen nach Sokrates einstimmig fordern. Bemerkenswert ist, wie bei ihm diese Freiheit sofort mit »security« ıdentifiziert wird, so nämlich, dass die politische Aufgabe par excellence wird, dieser Freiheit von Politik ihre Sicherheit politisch zu garantieren. (Ganz abwegig, ihn mit Tocqueville zu vergleichen, für den Freiheit etwas eminent Positives war.) Acton in dem Essay »on Christianity« drückt dies so aus: »Religious liberty is the generating principle of civil, and ... civil liberty is the necesA ungeordneter Drang nach Hervorragen (Geltungssucht)

542

JULI 1955 sary condition of religious«', und meint, dies sei eine Idee des 17. Jahrhunderts gewesen. Dies heisst: Freiheit von Politik ıst das schöpferische Prinzip der politischen“ Freiheit, und politische Freiheit ıst die notwendige Bedingung der religiösen. Oder: Freiheit von Politik ist das eigentliche Prinzip aller Freiheit, sie kann aber nur garantiert werden unter den Bedingungen politischer Freiheit. Politische Freiheit ist letztlich dazu da, Frei-

heit überhaupt und Freiheit von Politik als ıhr eigentliches Prinzip zu garantieren. Acton on »The Study of History«: »For the science of politics is the one science that ıs deposited by the stream of history, like grains of gold in the sand of a river.«? Progress: The assumption is always that »the earthly wants and passions of men remain almost unchanged« (Acton, »Study of History«)?, for without something unchangeable we could not measure Progress. Moreover, the assumption includes that man’s wants and passions are his nature and that this nature emerges fully only in adult life as against the immaturity of youth and the decrepitude of old age. None of these assumptions is any longer believed. A progress of - not the world we move in, but - mankind or man himself is, properly speaking, an ıdiotic notion. Who decides about the progressive character of the process? The first sign of the idiotic confusion was the worship of Child and Youth which is no »progressive mood« at all, rather the reverse: Everything goes down, etc. Progress - Wants / Passions —- Reason: The assumption is that unchangeable human nature consists in wants and passions and that Reason, because of the capacity of learning, changes the world (to cater better to passions and wants) as well as itself: The perfection of a tool.

A ım Original stand ursprünglich »bürgerlichen«, wurde eingeklammert und mit »politischen« überschrieben J43

HEFT

XXI

Acton in »Study of History«: »A student of history ... is the politician with his face turned backwards.«*? Burke: »The principles of true politics are those of morality enlarged; and I neither now do, nor ever will admit of any other.«? Against this Acton: »The principles of public morality are as definite as those of the morality of private life; but they are not identical.«® Acton: »History deals with Life; Religion with Death.«? [Fortschritt: Immer wird angenommen, daß die irdischen Bedürfnisse und Leidenschaften der Menschen fast unverändert bleiben (Acton, »Study of History«); denn ohne etwas Unveränderliches könnten wir Fortschritt nicht messen. Dabei ist impliziert, daß die Bedürfnisse und Leidenschaften des Menschen seine Natur sind und daß sich diese Natur erst im erwachsenen Leben voll zeigt, im Gegensatz zu der Unreife der Jugend und dem Verfall des Alters. Keine dieser Annahmen kann man noch aufrechterhalten. Ein Fortschritt - nicht der Welt, in der wir uns bewegen, son-

dern - der Menschheit oder des Menschen selbst ıst, genan genommen, eine dumme Vorstellung. Wer entscheidet über den fortschrittlichen Charakter des Prozesses? Das erste Anzeichen dieser Dummheit und Verwirrung war die Anbetung von Kind und Jugend - was überhaupt keine »fortschrittliche Tendenz« ist, eher das Umgekehrte: Alles bewegt sich nach unten etc. Fortschritt -— Bedürfnisse/Leidenschaften - Vernunft: Angenommen wird, daß die unveränderliche menschliche Natur aus Bedürfnissen und Leidenschaften besteht und daß die Vernunft, wegen der Lernfähigkeit, die Welt ebenso verändert (um besser den Leidenschaften und Bedürfnissen zu dienen) wie sich selbst: die Vervollkommnung eines Werkzengs. Acton (»Study of Hıistory«): Wer die Geschichte studiert, ist ein Politiker, der seinen Blick nach rückwärts richtet.*

Burke: Die Prinzipien wahrer Politik sind die der erweiterten Moral; und jetzt und für alle Zeit möchte ich nichts anderes behaupten.° Dagegen Acton: Die Prinzipien der öffentlichen Mo-

544

JULI 1955 ral sind so eindeutig wie die des privaten Lebens, doch sind sıe nicht identisch.® Acton: Die Geschichte befaßt sich mit dem Leben, die Relıgion mit dem Tod.’]

[58] Ad »forms of government«*: Bemerkenswert, wie spät der alten Einteilung von Monarchie — Oligarchie -— Demokratie die ebenso alte Unterscheidung von tyrannischer und konstitutioneller Herrschaft übergeordnet wird. Das Interesse am spezifisch Politischen muss dafür ganz verschwunden sein, sodass man noch nicht einmal mehr gewahr ist, dass es sich ursprünglich darum gehandelt hatte: Wer hat das Privileg zum Handeln und ist frei, und wer muss arbeiten und ist der Notwendigkeit versklavt: Einer - Wenige - Alle? Dies ist nach Rousseau und Kant am klarsten ın Calhoun (»Disquisition on Government«, Works, I, 7-83): »Ihe great

and broad distinction between governments is, — not that of the one, the few, or the many, — but of the constitutional and the absolute.«' Zu diesem Schluss kommen alle, die in der Macht

ein notwendiges Übel sehen. Dagegen Montesquieu, der nie auf die Idee kommt, obwohl er doch gerade mit dem »Gesetz« zu tun hat. Er zieht sogar noch das Gesetz als »Bezüge« in die Staatsformen.? Calhoun: »I care not what the form of Government is - it is nothing, if the Government be despotic, whether it be in the hands of one, or of a few, or of many men, without limitation.«

(Works IV, 351, 550, 553°)

Wer spricht eigentlich zuerst von einem Tyrannen, der nicht Einer ist?

A Herrschafts-/Staatsformen

J45

HEFT

XXI

[59] Medieval Philosophy: John of Saliısbury knows three sources of knowledge: Senses — Reason — Faith, i.e., three organs of cognition of the given. The model is sense cognition. We are left without knowledge in all (strictly speaking) philosophical matters, such as origin and substance of the soul, time and space, Free Will, origin and nature of speech. One reserves judgment. — God is Wisdom - »Philosophus amator Dei est«.' [Mittelalterliche Philosophie: John of Salısbury kennt drei Quellen der Erkenntnis: die Sinne - den Verstand - den Glauben, d. h. drei Organe der Wahrnehmung dessen, was ist. Das Modell ist die Sinneswahrnehmung. Wir müssen uns damit abfinden, daß es in allen (im strengen Sinne) philosophischen Fragen — wie Ursprung und Substanz der Seele, Zeit und Raum, Freier Wille, Ursprung und Natur der Sprache - keine Erkenntnis gibt. Mit dem Urteilen (dem Antwort-Geben, Übers.) muß man sich zurückhalten. — Gott ist Weisheit — »Philosophus amator Dei est« (der Philosoph ist ein Gottesliebender).”]

[60] Tertullian: Not: »credo quia absurdum«, but: »credo quia ineptum«. (»The son of God died; it is by all means to be believed because it is absurd.« - On the Flesh of Christ, ch. 5')

[61] Der Leib das Gefängnis der Seele seit Adams Fall (Augustin): Die Seele fängt sich in der Notwendigkeit der Arbeit: dass der Körper nur durch Arbeit ernährt werden kann. Hiervon gibt es keinen Ausweg.

546

JULI 1955 [62] Die

endlos

wiederholte

Banalität, dass die Neuzeit

mit der

Frage: Wie? die Frage: Warum? ersetzt, hat immerhin eine Berechtigung, wenn man versteht, dass hier nicht ein neuer Wahrheitsbegriff auftaucht, sondern ein (neues?) Desinteressement an Wahrheit: Ich will nıcht wissen, warum etwas ist, und auch nicht, wie es zustande kam, sondern: Wie kann ich [etwas]

machen?

[63] Ad Property — Labor (Locke): The Physiocrats maintained (according to Acton): ı. Land (not Labor!) is the source of all wealth. 2. Labor is man’s most sacred property - i.e., the property of the property-less classes, i.e., the property in the state of nature. Cf. Locke’s mingling of body = primordial property with Earth: Labor." [Ad Eigentum/Besitz — Arbeit (Locke): Die Physiokraten behaupteten (nach Acton): 1. Der Boden (nicht die Arbeit!) ist die Quelle allen Reichtums. 2. Arbeit ist des Menschen heiligster Besitz - d.h. der Besitz der besitzlosen Klassen, d.h. der Besitz

im Naturzustand. Vgl. Lockes Vermischen des Körpers (= uranfänglicher Besitz) mit der Erde [als das, was Gott den Menschen gemeinsam gegeben hat]: Arbeit.”]

[64] Ad »Property and Equality«: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Egalität der Gleichheit (Lastträger und Philosoph bei Smith’) je durch »equality of condition«, also Gleichheit der Besitzverhältnisse, zu erreichen ist. Nur völlige Enteignung wie die »Vergesellschaftung des Menschen« kann diese Gleichheit 74

HEFT

XXI

zustande bringen. Sie besteht in Welt-losigkeit, die Besitzlosigkeit ist, und wird dadurch erreicht, dass dem Menschen

der

»Standpunkt«, der ihm gehörige Ort, den er mit den ıhm gehörenden Dingen errichtet und eingerichtet hat, entzogen wird. Wo alle »Standpunkte« zusammenfallen, entsteht die »Gleichheit« der Herde. Diese Stand- und Standpunktslosigkeit setzt die öffentliche Meinung voraus.

[65] Öffentliche Meinung: So sehr die Meinung an die Öffentlichkeit drängt, so wenig kann sie sich je in Uniformität bezeugen. In der »öffentlichen Meinung« verliert die Meinung gerade ihren Meinungscharakter.

[66] Die Variationen der Pluralität in ihrem Weltbezug: 1. Handeln (politisch): a) Tat: Auszeichnung des Einzelnen vor allen Andern. b) Zusammenhandeln: Macht und das Beginnen von Etwas (üoyxeıwv), das der Hilfe der Andern bedarf (neüTTEeLV), um zu Ende geführt zu werden. 2. Zusammensein (Leben) (sozial): a) Aktivität, die das in Tat

und Macht Etablierte, Gegründete konserviert und fortführt. b) Sprechen und Meinungen offenbaren. 3. Leben: a) Arbeiten im Haushalt. b) Austausch der Haus-

halte: Ökonomie. c) Eigentum: Anteil an Welt. 4. Intimität: Zu-zweit-Sein: a) Freundschaft im Zwischen, das zwischen Zweien ist: ein Weltausschnitt. b) Liebe: die Verbren-

& zunächst hatte H. A. das Wort »Leben« geschrieben, dann darüber »Zusammensein« und »Leben« eingeklammert (aber nicht durchgestrichen)

548

AUGUST 1955

nung des Zwischen, aus deren Brand ein neues Zwischen entsteht, das in die Welt eingefügt wird. s. Alleinsein: a) Isoliert von Andern: Produktivität in der Distinktheit. Ähnlichkeit mit der Tat. b) Isoliert als Einer gegen alle Anderen: Gewalt und Herrschaft. c) Einsam mit sich selbst: Denken. d) Verlassen von allen Anderen und sich selbst: a) Ver-

lassenheit: Weltverlust im Tod. ß) Oavuaterv als Schock des Sehens, das nicht mehr in Worte übersetzt werden kann - wo also doxeiv sich nicht in booveiv verwandeln kann (Azax'):

voüg üvev Aöyov; die sogenannte mystische Schau.

[67] Die verschiedenen Um-willen der Politik: 1. Sicherung des Lebensprozesses. 2. Sicherung der personalen Grösse = dHavariCev. 3. Sicherung der gegründeten Welt. 4. Sicherung des »Materiellen« um des »Spirituellen« willen. s. Sicherung des Zusammens als solchem - »equality« und Pluralität, »company«.

Angust 1955 [68]

Palenville*, August 1955.

Heidegger hat unrecht: »In die Welt« ist der Mensch nicht »geworfen«'; wenn wir geworfen sind, so - nicht anders als die Tiere - auf die Erde. In die Welt gerade wird der Mensch geleitet, nicht geworfen, da gerade stellt sich seine Kontinuität her A siehe im Anmerkungsteil $. 977

J49

HEFT XXI

:

und offenbart sich seine Zugehörigkeit. Wehe uns, wenn wir in die Welt geworfen werden!

[69] Gilbert Murray, Five Stages of Greek Religion (paper ed.):' p.41, ad Iyrann und Gründung: »If we wish for a central moment as representing this selfrealization of Greece, I should be ınclined to find it in the reign of Pisistratus (560-527 BC) when that monarch made, as ıt were, the first sketch of an Athe-

nıan empire based on alliances and took over to Athens the leadership of the Ionian race. ... It seems to have been under Pisistratus that the Homeric Poems, in some form or other, came from Ionia to be recited in a fixed order at the Panathenaic Festival, and to find a canonical form and a central home ın Athens

till the end of the classical period. Athens is the centre from which Homeric influence radiates over the mainland of Greece.« p-. 45, ad Schöpfung: »The gods of most nations claım to have created the world. The Olympians made no such claim. The most they ever did was to conquer it.« p. 46, die homerischen Götter: »They never existed. They are only concepts... They change every time they are thought of, as a word changes every time it is pronounced.« p. 64, Polis: Konstituiert durch »a common circuit-wall«, der die Stämme zusammenfasst »in times of danger and constant war. The idea of tribe remained. In the earliest classical period we find every Greek city still nominally composed of tribes, but the tribes are fictitious. ... Now in the contest between city and tribe, the Olympian gods had one great negative advantage. They were not tribal or local.« Cf. Apollo: akzeptiert, obwohl er offen Partei für Troja (Hektor) und gegen die Griechen nimmt!

J50

AUGUST 1955

[707 ı. und 2. September 1955: 3. bis 10. September: 7. September bis 8.:

Venedig

9. September:

Bologna

11. bis 16. September: 17. bis 22. September:

Paris Ferrara Ravenna

Padua - Mantua Mailand/ms. [??] Rom

Spanische Treppe; Villa Medici; Gärten; Villa Borghese.

17. Rom:

Santa Maria della Pace; San Ignazio; Pantheon/2o. Tivoli (?)

23. Athen 25. Sunion 26. Delphi 29. Daphni Oktober 2: Oktober 3: Oktober 4:

Oktober Oktober Oktober Oktober Oktober

5: 6: 7: 8- 10: 11-13:

Oktober 13: bis 15:

Athen - Korinth Olympia Nauplia Epidauros Argos - Mykene - Eleusis Athen Delos - Mykonos Athen Tel-Avıv

Emek Jesreel, Ein Charod, Nazareth

19 bis 20:

Haifa

22 bis 26: bis 28: Oktober 28:

Jerusalem Tel-Avıv Istanbul Zürıch

Oktober 31:

JJ51

HEFT

XXI

November

ı bis ır:

12 bis 20: 21.: 22. bis 30.: 26.: 30. bis Dez. 4: Dezember 5-8: Dezember 9: 10. bis 14.: 15. bis 20.: 21.:

Basel — Jaspers Luxemburg - Anne? Köln - Trier Frankfurt Heidelberg Köln Berlin Hamburg Basel - Jaspers London New York

November 1955 [71]

Luxembourg. November 14, 55

Der römische Raum, der sich nach innen öffnet, begründet die Innerlichkeit des Mittelalters und die Innigkeit (Intimität) der

Neuzeit. Im Griechischen, wo alles völlig erscheint und sich darstellt - sich entfaltet und ragend zu stehen kommt (n£Xeıv) -, gibt es gar keinen Raum für diesen Raum. Aber auch bei Jesus gibt es solches Innen nicht. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass mit dem Christentum auch »Innenleben« beginnt, zeugt vielmehr bereits von der Romanisierung des Christentums. Es ist, als erfülle sich nun der römische Raum

erst ganz, als er-

wärme er sich. So deutlich in Byzanz: Was einzieht, sind Augen und Hände.

J)2

JANUAR 1956

[72] Ad Chicago': Es gehören zusammen: Lebensprozess — Arbeitsprozess - Geschichtsprozess: Circulationsprozess.

Januar 1956 [73]

New York, Jan. 56

Max Weber‘: Arbeitsethos entspringt a) aus Mönchsaskese, die innerweltlich geworden ist: Arbeit, gleich welche, als Mittel, die Sinne zu betäuben und sie von ihrer Weltgerichtetheit abzulenken; b) aus der Notwendigkeit der Rechtfertigung: Nun kommt umgekehrt alles auf die Leistung, d.h. das Produkt, an. Genau umgekehrt als unter a). Werk»heiligkeit« gegen Arbeits-»freude«, wobei Freude wie Heiligkeit höchst fragwürdiger Natur sind. c) Aber beides entsteht aus dem Misstrauen, und zwar 0) dem Misstrauen gegen die »contemplatio« und ß) dem Misstrauen gegen das »Sein« — wir kennen nur, was wir selbst gemacht haben, beziehungsweise wir können nur vertrauen, wo wir durch Produktion von etwas Objektivem unser gegebenes Sein gerechtfertigt haben.

[74] Der Übergang vom Leben ins Sein ist der Tod. Mit dem Tod bezahlen wir, dass wır sein können. Im Tod stellt sich heraus,

ob wir lebend gewesen sind; nur dann können wir auch tot sein. Totsein heisst: in der Welt bleiben ohne Leben, also unab-

hängig von den irdischen Bedingungen, unter denen uns ursprünglich Existenz überhaupt gegeben ist. 333

HEFT

XXI

Alles Leben, auch das menschliche, ist an die Erde gebunden, nirgend sonst im Universum scheint es Leben zu geben. Aber unser Wesen ist universal, das hat die Naturwissenschaft bewiesen: Wir können, obwohl natürlicherweise dafür nicht ausgestattet, das Universum »schauen«.

[75] Die Sinnlosigkeit aller Sinnkonstruktionen der Geschichte beziehungsweise des geschichtlichen Prozesses: Sie gehen alle auf. Cortez' konstruiert alles nach einer inneren Macht (Religion) und einer äusseren Macht (Polıtik), die sich die Waage hal-

ten, so dass das Politische sinkt bei hohem Stand der Religion und umgekehrt. Das ist primitiv, geht aber genau so schön wie Hegel oder »challenge and response«* oder jeglich anderes allgemeines Prinzip. Es ist immer das Gleiche - wie Leibniz’ beliebig hingeworfene Punkte auf das Papier, die sich sofort zu einer mathematisch berechenbaren Kurve fügen.? Sobald man der Beliebigkeit und Kontingenz des Konkreten entrinnen will, fällt man in die Beliebigkeit und Kontingenz des Abstrakten, die sich darin äussert, dass das Konkrete bereit ıst, sich von jeglicher gedanklichen Notwendigkeit beherrschen zu lassen. Und damit werden die Notwendigkeiten eben beliebig. Das meinte Einstein, als er sagte, dass Gott unmöglich mit dem Universum Würfel spielen könne?

[76] Luther: »Weinen geht vor Wirken und Leiden übertrifft alles Tun.« Bei Max Weber, Religionssoziologie, ohne Quellenangabe."

)34

JANUAR 1956

[77] Die Erde ist die Bedingung; unter der dem Menschen das Leben gegeben ist, nirgends anderswo scheint es Leben zu geben. Dies besagt aber nicht, dass Leben das Sein oder das Wesen des Menschen ist. Leben und Sein sınd so wenig ıdentisch, dass gerade der Mensch auch irdisch erst zu sein anfangen kann, wenn er nicht mehr lebt; in den Kategorien des Lebens ausgedrückt ist alles Sein: Gewesensein. Dass wır das Universum »erkennen« können, scheint zu indizıeren, dass wir »universale Wesen« sınd, denen aber sich das

Universum nur unter den Bedingungen, in der Perspektive des irdischen Lebens zeigt. Dies ıst das Paradox der Naturwissenschaften seit Galilei.

[78] Adam Smith‘: Labor ıs Measure of values, and their creator. Creator of values is Stock, or Capital, that sets »labor into

motion,« 1.e., organizes it and ıs at the root of Division of Labor. What makes Labor productive is Division (organization) of Labor, »menial tasks« are unproductive. Productivity comes about through Capital. Labor as Measure 1s important because everything seen in the circulating process of Exchanges. Measure the required absolute. Question: Why is this circulating process not circular? It is characteristic of Physiocrats that the circulating process is seen as circular - II, 161° — whereas only soil produces new things. Model: Two people, man and woman, can produce an x number of people. This alone is judged to be true new produce and surplus.? [Adam Smith': Arbeit ıst das Maß der Werte und deren Schöpfer. Schöpfer von Werten ist Rohstoff oder Kapital, der/das »die Arbeit in Bewegung« setzt, d. h. sie organisiert und an der Wurzel 555

HEFT

XXI

der Arbeitsteilung hegt. Was die Arbeit produktiv macht, ıst die Teilung (Organisation) der Arbeit, »niedere, knechtische Arbeiten« sind unproduktiv. Produktivität entsteht durch Kapıtal. Arbeit als Maß ist wichtig, weil alles im Zirkulationsprozeß der Austauschvorgänge gesehen. Das Maß als das notwendig Absolute. Frage: Warum ist dieser Zirkulationsprozeß nicht zirkular? Kennzeichnend für die Physiokraten ist, daß der Zirkulationsprozeß als zirkular gesehen wird - II, 161” -, wohingegen nur der Boden nene Dinge hervorbringt. Modell: Zwei Menschen, Mann und Frau, können eine x-beliebige Reihe von Men-

schen produzieren. Dies allein wird als wirklich nene Frucht und als Überschuß angesehen]

[79] Verachtung des Ökonomischen in der Antike: ı. der Arbeit: wegen der Notwendigkeit (politisch) 2. der Aktivität wegen der deweta (philosophisch) 3. des Tauschens wegen »banausisch« = Zweck - Mittel Dagegen in der Moderne: 1. Mensch als Animal laborans 2. Mensch als Homo faber: Ich weiss nur, was ich mache

3. Gerade der Austausch ist der Motor der Produktivität - Relativierung

[80] Dass die griechische Verachtung der Arbeit ausschliesslich vom Politischen her bestimmt ist, erweist sıch an Homer, der diese

Verachtung noch nicht kannte. Sie geht Hand Verachtung des täglichen Lebens, das die wollte für die Freien. Sie bezog sich daher auf lichen Werke geleistet wird, und nicht nur auf 556

in Hand mit der Polis abschaffen alles, was im tägArbeit.

JANUAR 1956

[81] Die grosse Zahl der Haussklaven erinnert an indische Verhältnisse: Der Aufwischer wischt den ganzen Tag, der Koch kocht den ganzen Tag etc., so wie der Lebensorganismus immer funktioniert, dem die Arbeit hier noch ganz unmittelbar verhaftet ist.

[82] Aristoteles, Politica, [Buch] VII, 3. 1337b30 sq.: doxoXeiv” für arbeiten. oxoAaLeıv- doyn navıwv.® Die Frage ist (1337b35): Was sollen wir tun (moıeiv), wenn wir müssig sind (OXoAdQGew)?!" - CHA. Öfuov A0XoAov Övra moög Tois Epyoug”

(1305a20).” Cf. Nikomachische Ethik, 1177b8,12,17: wo auch die regi TA noAtmd nodgeıs K0XoAoı genannt werden. Ethica Nicomachea, 1177b4-5: &0XoAoVueda iva OXoAaLwuev.?

* Dem entspricht: 0oXoAdGeıv neög Toig Löloıg — 1308636 (Politica)’, nämlich frei von Politik,

oxoAdteıv



opposite

[gegensätzlich

1291b26 sq. (Politica) o

, _,

..

zu]

&oyateodar“:

oxoAr TEerog aoyoAlac: Politica, 1333236, 1334b15. OÖ OXOAN Ö0VAOLG: 1334a20— 21.7 N TOv Kvarykaiov oXoAN: 1269a35.°

6

[853] Alle Moral versagt, sobald wir anfangen zu handeln. Aus dieser

Not erfindet man die »ethischen« Regeln und Masstäbe. Man will das Handeln einschränken. Aber: Diese Regeln können, da A fa-scholein], nicht müßig sein B [scholazein: arche panton], Muße üben: der Ursprung von allem © Tergazesthai], arbeiten, herstellen

357

HEFT

XXI

sie prinzipiell von aussen kommen, immer nur beschränken, sie können nie vorschreiben, und das Handeln wird sie immer wie-

der durchbrechen und übersteigen, sich gegen sie »vergehen«.

[84] Die Natur des Menschen ıst im Anımal laborans entdeckt; das ist das Ende des Humanısmus. Er hat sein Ziel erreicht.

[85] Das Allgemeine erweckt Staunen; das Einzelne, Partikulare erregt Neugier. Goethes Grösse, dass er vor dem Kleinsten ins Staunen geriet. Dies ist die »subjektive« Seite des Urphänomens. I

Heft XXII

Januar 1956 bıs Juni 1958

Heft XXI Januar 1956 [1] bis [7]

Anmerkungen

561 1078

Februar 1956 [8] bis [14]

Anmerkungen

563 1078

Oktober 1956

[15] bis [16] Anmerkungen

567 Io8I

November 1956

[17]

568

August 1957 bis Ende 1957

[18] bis [37]

Anmerkungen

569 1081

Anfang 1958 bis Juni 1958

[38] bis [51]

Anmerkungen Thematisches Inhaltsverzeichnis

584 1082

889

Jannar 1956 [1]

New York, Jan. 1956

So ıst meın Herz: Wie diese rote Scheibe

des Mondes, ganz verhängt von Tränenwolken, der Nacht bedarf, um glühend am stillen Brande heiss sıch zu verzehren, auch wıe des Holzes heisser Schimmer im Schwarzen eines nicht mehr leuchtenden Kamins —

So brennt mein Herz in sich und glüht, und leuchtet nicht. Wenn dann des Tages mild’res Licht erscheint,

und alle Dinge und keines hat - sie kommen dem Spiel von so hängt mein

zeigen sich gestaltet, der Nacht verglühter Brand verzehrt, heil und schön sich zu gesellen Licht und Luft, von Ton und Tau Herz dem blassen Sichelmonde gleich

Unscheinbar, unbemerkt und unberührt

am viel zu hellen Himmelsfirmament.

[2] Des Glückes heisst Stigma, Hiervon gibt Nur Dichters

Wunde nicht Narbe. Kunde Wort. 561

HEFT

XXI

Gedichtete Sage ist Stätte, nıcht Hort.

[3] Prozess und Welt: Sieht man Natur oder Geschichte als Prozess an, so ıst es unvermeidlich, dass man sie im Sinne des verzeh-

renden Lebensprozesses, der unserer Erfahrung am unmittelbarsten gegeben ist, konstruiert. Dies aber besagt sofort, dass alle Phänomene und alles Partikulare sich nicht mehr im Sinne eines Aspektes oder eines Beispieles zeigt: Es »zeigt sich« überhaupt nicht mehr, sondern wird ständig verzehrt, »processed«.

[4] Moderne und antike Geschichtsschreibung: An die Stelle Tat tritt das Ereignis. Dies fängt in Rom an: Die Gründung Rom ist ein Ereignis, der trojanische Krieg ist eine Folge Taten und Leiden. Die Tat ist, was herausragt aus dem Strom der Ereignisse.

der von von (?)

[5] Ad Schliessen (Hegel): ı) Zwangscharakter aller deduktiven Schlüsse: Notwendigkeit im Prozess des Schliessens selbst. 2) Dagegen steht die Willkür der Prämisse: Chaos des Wählens. Dem entspricht in den Wissenschaften: Stimmigkeit der Systeme und die Möglichkeit, alles Partikulare in ihnen unterzubringen. Auf der andern Seite: die Unendlichkeit der möglichen Systeme.

562

FEBRUAR 1956

[6] Ad Orff, Antigone: Als seı alles darauf angelegt, uns zum Ertönen zu bringen. Wir aber verschliessen uns, verstummen und klagen nicht. Antigone — die klagende, tönende menschliche Stimme, in der alles offenbar wird.

[7] Ad »in order to and for the sake of«“: Beides bei Aristoteles od Evera® im Sinne des t&Xoc. Er sieht

die Differenz nicht, weil das Problem des Sinnes noch gar nicht da war. Der Sinn einer Handlung im Unterschied zu ihrem Zweck war nie fraglich. Dies geschieht erst, wenn alles utilitaristisch vor sich geht, und man nun die Frage Lessings: Was aber ist der Nutzen des Nutzens?" stellt. Denn Nutzen des Nutzens gibt es nicht mehr; wohl aber einen Sinn.

Februar 1956 [8]

Februar 1956

Handeln als Prozess: Gemessen am Herstellen mag Handeln etwas ganz Flüchtiges sein; betrachtet man es an sıch selbst, hat es umgekehrt eine furchtbare Dauerhaftigkeit: Einen Tisch kann ich verbrennen, eine Handlung ist nicht rückgängig zu machen, weil sie einen Prozess losgelassen hat, der sofort unA um zu und um... willen

B [hu heneka], wegen, um... willen (Bezug: Aristoteles, Metaphysica, 4 das Ding, um dessen willen ein anderes da ist)

563

HEFT

XX1

überschaubar ist - die Welt hat sich sofort in ihrer Gesamt-Konstellation geändert. In diesem Sinne hat die Handlung eine Unzerstörbarkeit, mit der kein Produkt, überhaupt kein einzelnes Ding sich messen kann. Diese Unzerstörbarkeit des Handelns als Loslassen eines Prozesses liegt letztlich der irdischen Unsterblichkeit des Geschichtsbegriffes zugrunde. Andererseits: setzt der moderne Geschichtsprozess die Ohnmacht des Handelns

(siehe Kant) voraus. Er ist ohnmächtig,

weıl er dem losgelassenen Prozess gegenüber ohnmächtig gegenübersteht. Dies ganz unvermeidlich, wenn Handeln im Sinne des Herstellens konstruiert wird. Dann wird der HandelnsProzess automatisch. Die Ohnmacht des Handelnden ist eigentlich eine 'Tautologie; der Mensch ım Singular ist immer ohnmächtig, erfährt es aber nur im Handeln, wo er Macht will.

Der alles umgreifende moderne Geschichtsprozess also doppelt: ı) zweifache Unendlichkeit, die den Raum der möglichen Unsterblichkeit stiftet; 2) automatisch ablaufender Prozess, der Bedeutung haben soll, aber nicht mehr hat.

[9] Archimedischer Punkt:" Kafka: »Er hat den archimedischen Punkt gefunden, hat ıhn aber gegen sich ausgenutzt, offenbar hat er ihn nur unter dieser Bedingung finden dürfen.«* Das ist genau, was wir augenblicklich in den Naturwissenschaften tun. Der archimedische Punkt liegt ausserhalb der Erde; wird er von Erdbewohnern ausgenutzt, so kann er sich nur gegen sie richten; nur unter der Bedingung, dass die Erdbewohner von ihrem eigenen Wohl und Wehe abzusehen vermögen, kann er überhaupt gefunden werden.

564

FEBRUAR 1956

[10] Die Gesetze der Geschichte - ein Widerspruch in sich selbst. Gesetze hören überall auf, wohin der Mensch ım Handeln seine

Unberechenbarkeit trägt. Gerade darum muss Handeln sich mit Gesetzen umgeben. Die Naturgesetze verloren ihre Gültigkeit, als der Mensch handelnd in die Natur trat.

[11] Livius, Buch 43, Kap. 13: »Mihi vetustas res scribenti nescio quo pacto antiquus fit anımus et quaedam religio tenet« — mir, der ich die uralten Sachen schreibe, wird, ich weiss nicht durch wel-

che Bindung, der Geist alt, und eine Art re-ligio hält. Aus der verlorenen Vorrede zu einem der verlorenen Bücher,

bei dem älteren Plinius zitiert: »Omnis te exempli documenta in illustri posita monumento intueri.« — Kerenyi: »Dadurch wird die Kenntnis geschichtlicher Tatsachen vornehmlich heilbringend und fruchtreich, daß du da jeder Art lehrreiche Beispiele in einem weit sichtbaren Denkmal aufgestellt anschaust... Daraus mögest du für dich und dein Gemeinwesen [deine res publica, H. A.] entnehmen, was du nachahmen, daraus was als

schädlich in seinem Beginn, als schädlich in seinem Ausgange du meiden sollst.« Karl Kerenyi, Die Geburt der Helena, p. 109."

[12] £oödeıv: wirken, Stamm für £&oyov Era.0Tog: von: Exac: fern!

doyöc: faul = K-eoyos oXoAN: oxeiv - anhalten

565

HEFT

XXI

Faulheit bei den Griechen keineswegs gerühmt. Herodot, 5, 6: Thraker sind faul." Peisistratos verbot &oyia*, Griechen führen dies Verbot auf Solon zurück, was ihre Zustimmung ausdrückt. Sokrates wird vorgeworfen, er habe zur deyla verführt (Gigon,

139°). Hesiod: verwirft deoyein? - Works and Days, 309 -, nicht etwa oxoAN.? Sokrates wird auch vorgeworfen, er habe zur Arbeit verführt — und zwar gleich welcher, und damit den Tyrannen gedient. [Xenophon,] Memorabilia, I, I, 56 sq.*

[13] öaumövıov bei Sokrates in Zusammenhang mit onuaivewv“ (Heraklit!). Xenophon, Memorabilia, L, 1, 4."

Man braucht es für das, was nicht offenbar ıst (dönAca) 6-9, nämlich alles, was sich auf Handeln bezieht. Der Gegensatz zu dem Unvorhersehbaren sind die dvaryxoia in den Techniken. Das AönAov bezieht sıch auf Haushalte und Polis, sofern sie xorög olmeiv? wollen, cf. ei Giv.

[14] Privat-Leben: Tautologie, alles Leben ist privat. Kein Leben, solange es gelebt wird, kann Öffentlichkeit ertragen. Daher kann das Leben gerade kein »Kunstwerk« sein.

A [argia], Untätigkeit B [aergeie] = &oyia [argia] © [semainein], ein Zeichen geben

D [kalos oikein], gut haushalten 566

OKTOBER 1956

Oktober 1956 [15]

1.-4. Oktober - 1956 Amsterdam, Rotterdam, Haag, Harlem, Delft.*

Holland Grüne, grüne, grüne Wiesen, Kühe fleckig auf den Weiden, Himmel hängt die schweren Wolken tief ins Land hinein. Braunes, braunes, braunes Wasser fliesst quadratisch um die Wiesen in Kanälen: Zaun und Strasse;

stille liegt die Welt. Menschen knıen zwischen Wassern auf den Wiesen unter Wolken, hacken nasse, schwarze Erde, weite Welt ım Blick."

[16]

5. Okt. Paris

15. Okt. - 20.

Genf

20.-21. 21.—27.

Bern Basel

27.-29. 30.-3. Nov.

Brüssel Köln

2.5. 6.-10.

Münster" (Harder!) Kiel

A Zu Einzelheiten über Hannah Arendts vierte Europareise siehe Nr. 16

und im Anmerkungsteil S. 1080f.

567

HEFT

XXU

11.-17. (?)

Köln, Geisenheim, Frankfurt, Köln

18. 22.(?)

Parıs New York

November 1956 [17]

Kiel, 6/11/56

Schlagend hat einst mein Herz sich den Weg geschlagen durch fremde wuchernde Welt. Klagend hat einst mein Schmerz den Wegrand bestellt. gegen das Dickicht der Welt. Schlägt mir das Herz nun, so geht es geschlagene Wege, und ich pflücke am Rain, was mir das Leben erstellt.

568

AUGUST 1957

August 1957 [18]

Palenville*, August 57.

Freiheit: Freiheit der Wahl, die nie zu beweisen ist, und Freiheit

der Spontaneität, wo überhaupt nur die Annahme der Freiheit irgend etwas erklärt.

[19] Urteilen: Kant: die Unmöglichkeit, das Individuelle zu subsumieren. Das Individuelle kann nur im Urteil getroffen oder verfehlt werden. Darum handelt es sıch in der Polıtık, wo wir immer mit Situationen konfrontiert sind, für die es höchstens

Präzedenzfälle, aber keine allgemeinen Regeln gibt. Daher die Rolle der Präzedenzfälle bei den Römern, den Engländern. Kants Altersproblem (Jaspers): den Schritt vom Apriori zum Aposteriori [zu vollziehen]; sein Zwischenglied: Schema der Einbildungskraft.

Reflektierende

Urteilskraft — Jaspers: ([Die

großen Philosophen] 477'): »Wir sind im Besitze der Erfahrung eines Besonderen und denken es unter Annahme eines nicht gekannten Allgemeinen« (dies der Gegensatz zum Subsumieren, wo wir von einem gekannten Allgemeinen ausgehen oder der bestimmenden Urteilskraft). Mit anderen Worten: In der bestimmenden Urteilskraft gehe ich von der Erfahrung des »Ich denke« und der also im Selbst gegebenen (apriorischen) Prinzipien, in der reflektierenden Urteilskraft von der Erfahrung der Welt in ihrer Besonderheit aus. Der Grund, warum Kant den Schritt vom Apriori zum Aposterıori nicht vollziehen konnte, mag darin liegen, dass die Entdek-

kung der Urteilskraft das Schema von apriori — aposteriori sprengt. Denn die Allgemeingültigkeit des Urteilens ist nıcht & siehe im Anmerkungsteil S. 977

569

HEFT

XX11

aprıori - lässt sich nicht aus dem Selbst herleiten -, sondern ist abhängig von dem Gemeinsinn, d.h. der Präsenz der Anderen. Hiervon hatte Kant mehr als eine Ahnung, wenn er unter die »Maximen des gesunden“ Menschenverstandes«, also des Gemeinsinns, neben dem Selbstdenken und dem »mit sich selbst

einstimmig denken« setzt: »an der Stelle jedes andern denken«?. Damit fügt er dem Satz des Widerspruchs, der Einstimmigkeit mit sich selbst, den Satz von der Einstimmigkeit mit Anderen hinzu - und das ist in der politischen Philosophie der grösste Schritt seit Sokrates. Denn die »gesetzgebende Vernunft« geht nur von dem sich nicht widersprechenden Selbst aus, lässt also die Anderen aus. Das ist ıhr Fehler. Die Bedingung der Möglichkeit der Urteilskraft ist die Präsenz der Andern, die Öffentlichkeit. Darum meint Kant, und nur er, dass eine Freiheit des Denkens ohne Öffentlichkeit nicht

möglich sei: Das besagt bei ihm die letzte Maxime des Gemeinsinns, die »erweiterte Denkungsart«, die sich über die »subjektiven Privatbedingungen des Urteils« wegsetzen kann. (Kritik der Urteilskraft, 146) Also garantiert die Öffentlichkeit die Gültigkeit des Urteils, und was für die »bestimmende Urteilskraft« die Präsenz des Allgemeinen, das Apriori in der Vernunft, ist, ist für

die »reflektierende Urteilskraft« die Präsenz der Andern. Oder: Was die Präsenz des Selbst für die formale Widerspruchslosigkeit, das ist die Präsenz der Andern für die konkrete Allgemeingültigkeit, die aber nie universal ist, deren Anspruch auf Geltung nie weiter reichen kann als die Anderen, an deren Stelle sie denkt. Da nun aber nicht die selbst-gebundene Vernunft, sondern nur die Einbildungskraft es möglich macht, »an der Stelle jedes andern [zu] denken«, ist es nicht die Vernunft, sondern die Ein-

bildungskraft, die das Band zwischen den Menschen bildet. Gegen den Selbst-Sinn, die Vernunft, die aus dem Ich-denke

lebt, steht der Welt-Sinn, der als Gemeinsinn (passiv) und als Einbildungskraft (aktiv) von den Andern lebt. A bei Kant: gemeinen 579

AUGUST 1957 Wie nahe verwandt Kunst und Politik [sind], weil sie beide es mit der Welt zu tun haben, kann man auch daran sehen, dass

Kant die Bedeutung der Urteilskraft im Bereich des Ästhetischen zuerst aufstiess. Er nahm an der »Willkür« und »Subjektivität« der Geschmacksurteile Anstoss, weil sie seinen politischen Sinn verletzten. Er geht davon aus, dass der Geschmack »anderen eben dasselbe Wohlgefallen zumutet« (50), dass sie »jedermann Einstimmung ansinnen« (54). (Cf. Kritik der Urteilskraft, 28) Das alles hat natürlich nichts mit Teleologie zu tun, wie Kant meinte.

[20] [Kant] Kritik der Urteilskraft - Edition Vorländer" Vorrede, p. 3: Urteilskraft: »unter dem Namen des gesunden Verstandes

[wird]

kein

anderes

als

eben

dieses

Vermögen

gemeint«. Zweı Rätsel:

ı) Wenn

Urteilen Subsumieren

heisst, so ist

eigentlich »wiederum eine andere Urteilskraft erforderlich ..., um unterscheiden zu können, ob es der Fall der Regel sei oder nicht«. (Dies besagt eigentlich, dass es eben nur eine »reflektierende« Urteilskraft gibt!) 2) »Beziehung... auf das Gefühl der Lust und der Unlust«. (4)

[21] [Kant, Kritik der Urteilskraft, Einleitung] Urteilskraft als »Mittelglied zwischen dem Verstande und der Vernunft« (12) soll ermöglichen, dass »der Freiheitsbegriff... [seinen] Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen« kann (11).

Wie zwischen Erkenntnis- und Begehrungsvermögen die Lust, so zwischen Verstand und Vernunft die Urteilskraft (14-15). 15: »Urteilskraft... ist das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemei571

HEFT

XXI

ne... gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert,....bestimmend. Ist aber nur das Besondere

gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft bloß [!!!] reflektierend.«

17: Das Vermögen

der reflektierenden Urteilskraft »gibt

sich... selbst und nicht der Natur ein Gesetz«. (Es gilt nur für

die Menschenwelt.) Dies Gesetz ist die »Zweckmässigkeit«!!! 22: »Die Zusammenstimmung der Natur zu unserem Erkenntnisvermögen wird von der Urteilskraft...a priori vorausgesetzt...« Urteilskraft = Weltsinn; denn in der Urteilskraft, die

die Natur nach ihrer Zweckmässigkeit beurteilt, wird die Natur zur Menschenwelt. Und zwar handelt es sich nur um die reflektierende Urteilskraft, da Zweckmässigkeit ihr Prinzip ist (23). Das Urteilen erhebt Anspruch auf Gültigkeit, ohne doch im mindesten zwingen zu können. Es ist keineswegs subjektiver als andere Erkenntnisse, aber es ermangelt des Zwanges im Schliessen. Darum liegt im Urteilen immer ein Risiko, es gehört schon Mut dazu, ein Buch zu beurteilen. Dafür gibt es im Urteil die Evidenz; aber die Evidenz zwingt nicht. Gültigkeit: heisst hier (im Gegensatz zu universaler Geltung): »für jeden Urteilenden überhaupt« (27) - also nicht für Leute, die sich dem Urteilen entziehen. Daher erhebt das Geschmacksurteil nicht Anspruch, a priori gültig zu sein, sondern »für jedermann zu gelten« (28).

30: Es besteht das Geschäft des Urteilens auch darin, »dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung zur Seite zu stellen«. Bei Kant geht die Gesetzgebung aus dem Prinzip der Übereinstimmung mit sich selbst und die Urteilskraft aus der »erweiterten Denkungsart«, der Einstimmung mit den Anderen [hervor]. In beiden Fällen Einstimmung als Voraussetzung der Stimmigkeit. Die logische Stimmigkeit tritt auf, wenn es weder die Übereinstimmung mit sich selbst noch die Einstimmigkeit mit den Anderen gibt.

J72

AUGUST 1957

[22] [Kant, Krıtik der Urteilskraft, $ 1-2] 39: »Das Geschmacksurteil ist... kein Erkenntnisurteil..., sondern ästhetisch..., dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann.« Im Urteil wird etwas entschieden - das unterscheidet es vom Meinen, ohne das aber nie etwas entschieden werden kann -,

und seine »Subjektivität« ist die gleiche wie die der Meinung, die Subjektivität eines Standorts. 40: Eine Vorstellung wird zu einem Urteil, wenn sie »auf das Subjekt und zwar auf das Lebensgefühl desselben« bezogen wird. (Kant identifiziert Lebensgefühl mit dem Gefühl der Lust und Unlust - ganz unzureichend.) Dies Lebensgefühl ist die Bewusstheit des Standortes in der Welt. Er nennt offenbar die »reflektierenden« Urteile so wegen ihrer Rückbezüglichkeit auf das Lebensgefühl des Urteilenden. Im Urteil artikuliert sich das Lebensgefühl, das an sich stumm ist. 41: »uninteressiertes Wohlgefallen« = ı. unabhängig von Lebensinteressen und 2. unfähig, ein (moralisches) Interesse hervorzubringen. Diese Zweiteilung von Lebens- und moralischem Interesse aber gerade nicht gültig: Das »ästhetische Interesse«, das Kant nur für die Gesellschaft zulässt, ist ein Welt-Interesse.

[23] [Kant, Krıtik der Urteilskraft, 96-9] 47: Schönheit nur für Menschen,

[das] Angenehme

auch für

Tiere, [das] Gute für jedes vernünftige Wesen überhaupt. Ferner: Nur am Schönen gibt es »freies Wohlgefallen«, weil weder ein Interesse der Sinne, noch der Vernunft »den Beifall

abzwingt«. Also dies das eigentliche Reich des Menschen, und nur in diesem Reich, das gleich weit entfernt ist von den tierischen Bedürfnissen und der »Vernunft überhaupt«, gibt es Freiheit. Ergo: Freiheit und Vernunft sind nicht ıdentisch, haben 573

HEFT

XXI

verschiedene Ursprünge. Bei Kant aber ist diese Freiheit eine rein »kontemplative« (46); sie kann nichts bewirken. Aus dieser doppelten Interesselosigkeit entsteht bei Kant die Allgemeingültigkeit der Geschmacksurteile: Man kann »jedermann ein ähnliches Wohlgefallen zumuten«, weil es von »Privatbedingungen« unabhängig ist (48). Diese Gültigkeit nennt er: »subjektive Allgemeinheit« (49). Diese »urteilt nicht bloß für sich, sondern für jedermann« und »fordert« von Andern »Einstimmung in sein Urteil«. Zu sagen: »Ein jeder hat seinen besonderen Geschmacks, läuft darauf hinaus zu sagen: »Es gibt gar keinen Geschmack.« (50) 51: Diese Allgemeingültigkeit ist eine »Merkwürdigkeit«, die eine »Eigenschaft unseres Erkenntnisvermögens« (sic! trotz p. 39) anzeigt. Ihr steht entgegen das »bloße Privaturteil«, an dem gemessen dies ein »gemeingültiges (publik)« ist. Also hier ausgesprochen, dass die Publizität die Gemeingültigkeit ausmacht. (52) (Ästhetisches Urteil: Diese Rose ist schön. Logisches Urteil: Alle Rosen sind schön. (53) Ergo: Es handelt sich um die Beurteilung des Besonderen.) 53: »Wenn man Objekte bloß nach Begriffen beurteilt, so geht alle Vorstellung der Schönheit verloren.« Die Erfahrung des Schönen: Diese Rose ist schön. Das Urteil »alle Rosen sind schön« entspricht keiner Erfahrung, sondern einer Verallgemeinerung. Die Qualität »schön« ist aber nicht zu verallgemeinern, weil nur das Einzelne überhaupt schön sein kann. Oder: Nur in der einzelnen Rose erscheint das Rose-sein = Schönheit. Wenn ich sage: Das Rosenbeet oder der Wald ist schön, so habe ich nichts verallgemeinert; viele Rosen in ihrem

Zusammen, viele Bäume in ihrer Reihung ergeben ein neues Besonderes. Publizität: Im Geschmacksurteil wird eine »allgemeine Stimme« postuliert (54). Was erwartet wird, ist »der Beitritt« der Anderen. 55: Bedingung des Geschmacksurteils ist »die allgemeine Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustandes«, und die »Lust« >74

AUGUST 1957

entspringt der »Mitteilbarkeit« als solcher! Empirisch: Geselligkeit. —

[24] [Kant, Kritik der Urteilskraft, $ 13-17] 62: »Der Geschmack ist jederzeit noch barbarisch: wo er der Beimischung der Reize und Rührungen zum Wohlgefallen bedarf, ja wohl diese zum Maßstab seines Beifalls macht.« 71: Dem Schönen entspricht eine »Gemütsstimmung, die sich selbst erhält und von subjektiver allgemeiner Gültigkeit istWeder dem Vergangenen anheimfallen noch dem Zukünftigen. Es kommt darauf an, ganz gegenwärtig zu sein.< Dieser Satz traf mich mitten ins Herz ....« Siehe Arendt-Jaspers-Briefwechsel, 5. 189. Das Zitat

ist zu finden in Karl Jaspers, Von der Wahrheit [Philosophische Logik: Erster Band, 1947], Neuausgabe 1991, München-Zürich: Piper (Serie Piper, 1001), S. 25. - Dieses Motto ist allen Ausgaben von The Orıgins of Totalitarianism und Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft vor-

angestellt. Den darin enthaltenen Gedanken wird Arendt im veröffentlichten Werk später im Sinne der These von der »Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft« weiterentwickeln, vgl. dazu ıhr Vorwort zu

Between Past and Future sowie das Kapitel 20 (»I'he Gap Between Past and Future«) ın ihrem Werk Thinking. 2 Siehe unten Nr. 19.

999

HEFT I

[5] ı Dies

dürfte die früheste

bekannte

Äußerung

zu H.A.s

Lebensthema

»Denken - Handeln« sein. Das Thema zieht sich wıe ein roter Faden

durch das Denktagebuch. 2 Johann Wolfgang von Goethe: »Der Handelnde ist immer gewissenlos; es hat niemand Gewissen als der Betrachtende«, Maximen und Reflexionen, Nr. 251, in: Goethes Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. ı2, S. 399.

Vgl. auch H.A.s Exzerpt aus Heideggers Sein und Zeit im oben abge-

w

druckten Kant-Heft (S.815): »Jedes Handeln ist faktisch notwendig »gewissenlos»Was Freunde besitzen, ist in Wirklichkeit gemeinsames Gut.« Ob das nun schon jetzt so ist oder ob es je sein

wird — daß nämlich die Frauen gemeinsam und die Kinder gemeinsam sind und auch alles Geld gemeinsam ist -: wenn alles, was man als eıgen bezeichnet, auf jede Weise und überall aus dem Leben ausgeschaltet ist

und man es, soweit das möglich ist, dazu gebracht hat, daß auch das, was uns von Natur zu eigen ist, irgendwie gemeinsam wird, zum Beispiel

Augen und Ohren und Hände gemeinsam zu sehen und zu hören und zu handeln scheinen, ja, wenn sogar alle miteinander möglichst einstimmig loben und tadeln, weil sie sich über dasselbe freuen oder betrübt sind,

und wenn alle Gesetze nach Kräften die Stadt möglichst als eine Einheit schaffen: so wird keiner jemals diese Gesetze in ihrer Vorzüglichkeit überbieten und eine Regelung treffen können, die richtiger und besser ist. Mögen dann Götter oder Göttersöhne - und zwar mehr als einer -

eine solche Stadt besiedeln: so werden sie ihr ganzes Leben hindurch ın Freuden dort wohnen. Wir brauchen deshalb nirgends sonst nach einem Beispiel für einen Staat auszuschauen, sondern können uns an diesen halten ...« - Die hervorgehobenen Passagen werden von H.A. griechisch

zitiert.

[6] Zu den benutzten Platon-Ausgaben siehe oben unter Nr. ı ı Platon, Nöuoı, 752c6; Übers. Schöpsdau-Müller: »... durch irgendwelche Mittel und Wege in der rechten Weise...« Diese von H.A. behaup925

HEFT

II

tend zitierte Passage wird bei Platon durch einteg, also eine bedingende Konjunktion, eingeleitet: wenn es wirklich durch irgendwelche Mitte] und Wege in der rechten Weise [geschieht]... 2 Platon, Nouot, 753e6 bis 754a1: »Denn es heißt doch in einem unserer

Sprichwörter, der Anfang sei schon die Hälfte des ganzen Werkes, und einen guten Anfang preisen wir alle auch immer wieder, ja, mir scheint, der gute Anfang sei sogar mehr als die Hälfte ...« — Die hervorgehobenen Stellen werden von H.A. griechisch zitiert.

[7] Zu den benutzten Platon-Ausgaben siehe oben unter Nr. ı ı Platon, Nöuoı, 757b1-d6: »Es gibt nämlich zwei Arten von Gleichheit, die zwar denselben Namen führen, sıch aber in Wirklichkeit in manchen

Beziehungen fast gegensätzlich verhalten; die eine davon, die auf Grund von Maß und Gewicht und Zahl gleich ist, kann jede Stadt und jeder Gesetzgeber bei seinen Ehrungen anwenden, indem er bei den Verteilungen das Los entscheiden läßt; die wahrste und beste Gleichheit jedoch ist nicht mehr für jeden leicht zu erkennen. Sie beruht nämlich auf der Entscheidung des Zeus, und den Menschen steht sie immer nur in geringem Maße zur Verfügung; wo das aber der Fall ıst, bei Städten oder auch bei einzelnen Menschen, da bewirkt sie alles Gute; denn dem Bedeutenderen teilt sie mehr zu, dem Unbedeutenderen aber weniger und schenkt so ihre Gaben einem jeden seiner Natur nach im richtigen Maße und verleiht damit den infolge ihrer Tugend Bedeutenden auch bedeutendere Ehren, während sie jenen, die sich in bezug auf Tugend und Bildung umgekehrt verhalten, das einem jeden Zustehende entsprechend zuteilt. Denn eben diese Art von Gerechtigkeit macht für uns das staatsmännische Wesen aus;...: daß den Ungleichen jedesmal das verliehen wird, was für sie das verhältnismäßig Gleiche ist.« — Die hervorgehobenen Sätze beziehungsweise Satzteile werden von H.A. in griechischer Sprache aneinandergereiht. 2 Platon, Nouoı, 775e2-3; Rufener übersetzt: »Denn der Anbeginn ist gleichsam wie ein Gott in den Menschen errichtet, der allem Bestand

verleiht.«

926

SEPTEMBER 1950 BIS JANUAR IgQ5SI

[11] Zu den benutzten Platon-Ausgaben siehe oben unter Nr. ı ı Platon, Nduoı, 797d9- 10; Übers. Schöpsdau-Müller: »Daß nämlich die

vw

Veränderung bei allen Dingen außer bei dem Schlechten das weitaus gefährlichste ist...« Platon, Nöuoı, 798bı-3;

Übers.

Schöpsdau-Müller:

»...die

Geset-

ws

ze...[sind] dank einem göttlichen Glücksfall durch lange und viele Zeiten hindurch unverändert geblieben ..., so daß niemand eine Erinnerung oder eine Kunde davon besitzt, daß es sich je anders damit verhalten hätte als jetzt...« | Platon, Nouoı, 803b3-5 und 803c3-4: »Nun verdienen zwar die menschlichen Dinge nicht, daß man sie allzu ernst nimmt; aber man kommt doch nicht darum herum, sıe mit Ernst zu behandeln, was nicht

gerade ein glücklicher Umstand ist... Ich behaupte, .... Gott aber sei gemäß seiner Natur unseres ganzen heiligen Ernstes wert...« 4 Platon, Nöuoı, 804b3-4; Übers. Schöpsdau-Müller: »ja größtenteils Marionetten.... und... [haben] an der Wahrheit nur geringen Anteil«.

[12] Zu den benutzten Platon-Ausgaben siehe oben unter Nr. ı ı Platon, Nouoı, 832c2-5: »Denn keine von diesen ist eigentlich eine Staatsverfassung, sondern sıe alle könnte man wohl am treffendsten als

Parteiherrschaften bezeichnen; denn nicht eine von ihnen übt ihr Regiment auf Grund von gegenseitiger Freiwilligkeit aus, sondern eine jede regiert nach ihrem Willen und jederzeit auch mit Gewalt über widerwillige Untertanen.«

[13] ı Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen III: Schopenhauer als Erzieher, in: Nietzsche, Kritische Studienausgabe, Bd. 1, S. 409.

927

HEFT

II

[14] ı Blaise Pascal, Pensees, in: ders., (Euvres completes, Paris: Gallimard (Bibliothöque de la Pl&iade), 1954, 5. 1084-1345, S. 1108 (Nr. 84). »Was wir an Sein haben, entzieht uns die Kenntnis der Urgründe, die aus dem Nichts geboren werden, und das bißchen Sein, das wir haben,

verbirgt uns die Sicht auf das Unendliche.« Blaise Pascal, Schriften zur Religion, übertragen und eingeleitet von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln: Johannes (Christliche Meister, 17), 1982, S. 104 (Nr. 84).

[17] ı »Mundstück der Zeit« ist ein an Nietzsche erinnernder Ausdruck, den H.A. von Wolfskehl übernommen haben könnte, siehe Karl Wolfskehl an Emil Preetorius, 17. März 1947, in: ders., Zehn Jahre Exil: Briefe aus

Neuseeland, 1938-1948, hrsg. und eingel. von Margot Ruben, mit einem Nachwort von Fritz Usinger, Heidelberg-Darmstadt: Lambert Schneider (Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt, 13), 1959, $. 320-323, $. 322; siehe auch H.A.s

Vorwort zu ihrer Essaysammlung Men in Dark Times (dt. Ausg., Menschen in finsteren Zeiten, 2001, 5.7).

[20] ı Alexandre Kojeve, »L’Action politique des philosophes« (= Rezension von Leo Strauss, On Tyranny, 1948), in: Critique: Revue generale des publications frangaises et Etrangeres, 6.]g., Heft 41 (Oktober 1950), S. 46-55, Heft 42 (November 1950), S. 138-155, siehe besonders $. 146.

[21] I Gedicht von Emily Dickinson; Übers. G. Kübler: »Aufwärts trag das Lebensbündel / Auch wenn’s steil erscheint - / Wenn Entmutigung mich hindert - / Wenn der jüngste Schritt / Matter wirkt als alte Hoffnung - / Beide sind ja rein / Herz das vorschlug und das guthieß / NichtDaheim, als Heim —« Emily Dickinson, Gedichte englisch und deutsch, 928

SEPTEMBER

I95O

BIS

JANUAR

IOY5I

hrsg., übersetzt und mit einem Nachwort von Gunhild Kübler, München: Carl Hanser Verlag, 2006, S. 346ff. Die bei Kübler abgedruckte englische Fassung des Gedichts unterscheidet sich in Orthographie und

Zeichensetzung von der, die Arendt zitiert.

[23] ı Diese im Dezember 1950 niedergeschriebene Eintragung beschäftigt sich erstmals mit dem Problem »Mittel und Zweck ın der Politik«, das

H.A. zunächst in ihrem Aufsatz »Ideologie und Terror« und später ın Vita activa weiterverfolgen wird. Die Grundlinien ihrer Auffassung sind in dieser und der folgenden Eintragung skizziert. Einer früheren Eintragung (1,13) ist zu entnehmen, daß es Heinrich Blücher war, der

ihre Aufmerksamkeit auf dieses Problem gelenkt hat.

[26] ı Für H.A.s Gedanken zum Thema »Liebe und Ehe« bieten sich aus der

Zeit der Niederschrift biographische Bezüge an: Nicht nur war H.A. durch das Wiedersehen mit Martin Heidegger im Februar 1950 an ihr Liebeserlebnis zu Beginn ihres Studiums (1924/25) nachhaltig erinnert worden, sondern sie hatte auch den Geliebten als Ehemann kennenge-

lernt. Siehe hierzu Arendt-Heidegger-Briefe, besonders den Abschnitt »Der Wieder-Blick« (S.7ıff.). Darüber hinaus hatte sıe eine Krise ın

ihrer eigenen Ehe zu verkraften, nachdem sie erfahren hatte, daß sich Heinrich Blücher 1948-49 einer »lebhaften und sinnlichen jungen Jüdin russischer Abstammung« (von der wir heute wissen, daß es die

Lektorin und Schriftstellerin Rose Feitelson gewesen ist) zugewandt hatte. Hierzu Young-Bruehl, Hannah Arendt, S. 338f. Aus H.A.s Briefen aus der Zeit - u.a. an Heinrich Blücher (Arendt-Blücher-Briefwechsel) und Hilde Fränkel (unveröffentlicht, siehe im Nachwort, $. 837.) — wissen wir ferner, daß es weitere Liebes- und Eheverhältnisse gegeben

hat, die sie damals beschäftigten: die Ehe ihrer Jugendfreundin Anne Mendelssohn, verheiratete Weil, die von Hermann Broch mit Annemarie Meier-Graefe (siehe unten S.941) sowie die Beziehung zwischen Hilde Fränkel und Paul Tillich. 2 Sophokles, Artigone, Chorlied auf Eros, 788-790:

929

HEFT

II

»Kein unsterblicher Gott kann dir entrinnen,

dir keiner der Eintagsmenschen, doch die Ergriffenen rasen.« In:Sophokles, Dramen, griechisch und deutsch, hrsg. und übers. von Wil-

Aw)

helm Willige, überarbeitet von Karl Bayer, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Bernhard Zimmermann, 3. Aufl., München-Zürich: Artemis, 1995, 5. 241/243. Siehe hierzu auch Martin Heidegger für Hannah

Arendt: »Als Gegengruß«, in: Arendt-Feidegger-Briefe, S. 364. Ein Zitat bei Kant, das diese Behauptung von H.A. (»Definition der Ehe, deren Gegenseitigkeit ein Kontrakt der Freundschaft verbürgt«) belegt, konnte nicht gefunden werden. Wahrscheinlich bezieht sie sich mit ihrer

Aussage auf Kants Ausführungen zum Eherecht in der Metaphysik der Sitten (dort $ 24ff.), siehe Kant, Werke (Weischedel), Bd. 7, S. 389 ff.

4 Unter den vielen Äußerungen Nietzsches zur Ehe ist, soweit wir sehen, eine »Bemerkung, dass der grösste Teil der Ehe der Unterhaltung gilt«, nicht nachzuweisen.

[27] ı Letzte Zeile von Goethes Gedicht »Marienbader Elegie«, in: Goethes Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 1, 5. 381-385, S. 385. 2 Diese Eintragung hat H.A. ın abgeänderter Form in einen Brief an Karl Jaspers (28. September ı951) übernommen, Arendt-Jaspers-Briefwechsel, S. 209.

[28] ı Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen, Nr. 488, in:

Goethes Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 12, S. 432.

[30] ı Vgl. hierzu und zum folgenden auch den etwa zur gleichen Zeit verfaßten Brief von H.A. an Karl Jaspers vom 4. März 1951, Arendt-Jaspers-

Briefwechsel, S. 202. 2 »Der Mensch« steht in der von H.A. hier gewählten Zuspitzung für 939

FEBRUAR I95I BIS APRIL I9sı »Philosophie«, »die Menschen« für »Politik«. Mit anderen Worten: Dieser Text enthält - wenn auch in weniger klarer Form als die Eintragungen unter I,2ı und II,ı6 - den Kern von Arendts Gedanken zum Thema »Philosophie und Politik«, das sie in den kommenden Jahren vorrangig beschäftigen wird. Im veröffentlichten Werk ist das Thema nachweisbar ab dem Beitrag zur Festschrift von Karl Jaspers aus dem Jahre 1953 unter dem Titel »Ideologie und Terror«, ferner ab den verschiedenen Aufsät-

zen, die ın die Essaysammlung Fragwüärdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart aufgenommen wurden (Wiederabdruck in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, in englischer Sprache überarbeitet in: Between Past and Future). »Philosophy and Politics« ist darüber hinaus das explizite Thema von H.A.s dreiteiliger englischsprachiger Vorlesung an der University of Notre Dame ım März 1954, deren dritter Teil postum veröffentlicht wurde (genaue Angabe Heft XIX,2ı [Anm. 1], S. 1046; vgl. auch $. 968). Das Thema wird schließlich ın den

nachgelassenen Fragmenten zu dem geplanten Buch Politik« (siehe die postume Veröffentlichung Was ıst und es beschäftigt H.A. wieder, wie mit Hilfe des belegen ist, im Zusammenhang mit ihrem Buch über tıva (siehe Heft XXV,36).

»Einführung in die Politik?) behandelt, Denktagebuchs zu die Vita contempla|

Anmerkungen zu Heft III Seite 55-76

[2] ı Die Quellenangabe bezieht sich auf die alte (nicht vollendete) MarxEngels-Gesamtausgabe (siehe Literaturverzeichnis), I. Abteilg., Bd. 1,1, S. 266 ff.: »Verhandlungen des 6. Rheinischen Landtags. Dritter Artikel. Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz«. Ihre Gedanken zu Marx’ Artikel aus der Rheinischen Zeitung, den sie hier stichwortartig zusammenfaßt, hat H.A. in einem Brief an Karl Jaspers etwas breiter ausgeführt. Die dortige Passage endet mit den Worten: »Ich will ihn [Marx] nicht retten als Wissenschaftler (obwohl er ein großer Wissenschaftler 931

HEFT

III

wat, hat er sich doch gerade die Wissenschaft ideologisch verdorben)

und sicher nicht als »Philosophen«, wohl aber als Rebellen und Revolutionär.« H.A. an Karl Jaspers, 4. März 1951, Arendt-Jaspers-Briefwechsel, S. 203 f.

[4] ı Matthias Claudius, »Über einige Sprüche des Predigers Salomo« (zum zweiten Spruch: Alles hat seine Zeit), in: ders., Werke, hrsg. von Urban Roedel, Stuttgart: Cotta, 1965, $. 294-302, $. 298f. Offenbar hatte H.A,

in einem nicht erhalten gebliebenen Brief diese Claudius-Stelle an Martin Heidegger

gesandt, vgl. seinen Antwortbrief vom

ı1.April

1951

(Arendt-Heidegger-Briefe, S. 125).

[9] ı »Man’s enduring chronicle« ist eine Wendung, die H.A. dem Roman

Intruder in the Dusk von William Faulkner entnommen hat und mehrfach (ohne Nennung der Quelle) verwendet. Am Schluß der ersten Auf-

lage von The Origins of Totalitarianism ın den ın späteren Auflagen gestrichenen »Concluding Remarks« zitiert sie etwas ausführlicher: »Such gratitude expects nothing except - in the words of Faulkner one’s own one anonymous chance to perform something passionate and brave and austere not just in but into man’s enduring chronicle.... in gratıtude for the gift of [one’s] time in it« (1. Aufl., 1951, $. 438). 2 Der Begriff »human artifice«, den H.A. häufig verwendet, konnte

begriffsgeschichtlich nicht nachgewiesen werden. In H.A.s veröffentlichtem Werk tritt er bereits in den späten vierziger Jahren auf. Er wird von ihr, im Kapitel »Die Aporien der Menschenrechte« (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 452-470, S. 467 ff.), wıe folgt ins Deutsche übertragen: »die von Menschen errichtete Welt«, »das >künstliche«, von menschlichen Künsten entworfene Gebilde«, »die von Menschen

errichtete und von ihren Künsten ersonnene Welt«. Vgl. auch H.A., Vita activa, 5. 8: »die Welt als ein Gebilde von Menschenhand« als Übersetzung des Englischen »the human artifice of the world«. Vgl. ferner unten Heft VI,7, S. 129, sowie, als Kant-Bezug (»operarii« versus »artifices«), Heft VII,ıo, $. 165.

932

FEBRUAR IQSI BIS APRIL I95I

[10] ı Martin Heidegger, »Hegels Begriff der Erfahrungs, in: ders., Holzwege, Frankfurt am Main: Klostermann, 1950, S. 147f. (= Heidegger, Gesamtausgabe, Bd. 5, S. 161). Heideggers Abhandlung liegt Hegels Phänomenologie des Geistes, nicht dessen Rechtsphilosophie zugrunde.

[12] ı Tertullian, Apologeticum, 38: »Nichts ist uns [Christen] fremder als die öffentlichen Angelegenheiten. - Wir erkennen die Welt als die eine Repu-

blik aller an.« Vgl. auch H.A., »Religion and Politics« (1953), deutsch (übers. von U. Ludz) in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 305 324,9. 319. 2 Charles Norris Cochrane, Christianity and Classical Culture: A Study of Thought and Action from Augustus to Augustine, London etc.: Oxford University Press, 1944, $. 177.

[13] ı H.A. bezieht sich hier auf ein (bisher unveröffentlichtes) maschinen-

schriftliches Manuskript »Der Weg: Der Gang durch Sein und Zeit« (1946/47), das sie von Heidegger erhalten hatte (im Arendt-Nachlaß des Deutschen Literaturarchivs Marbach unter der Nr. 76.1044 ver-

wahrt). Nach Auskunft von Dr. Hermann Heidegger ist eine Veröffentlichung des Textes in Band 82 (Zu eigenen Veröffentlichungen) der Heidegger-Gesamtausgabe vorgesehen.

[15] ı Siehe dazu Herodots Persergeschichten, Vorwort zum ı. Buch: »... auf daß die menschlichen Werke bei der Nachwelt nicht in Vergessenheit geraten, und damit große und wunderbare Taten .... nicht ohne Gedenken bleiben« (Herodot, Historien: Griechisch-deutsch, hrsg. von Josef Feix, München-Zürich: Artemis, Bd. ı (1988), $. 7.

933

HEFT

IIl

[16] H.A. zitiert Augustins De civitate Dei offenbar nach der Ausgabe im Rah-

men des Patrologiae cursus completus. Series latina (Migne). Als Überserzung wird hier sowie in den Texten 17 und 18 die von Wilhelm Thimme herangezogen (siehe Literaturverzeichnis). ı Augustinus, De civitate Dei, XU, 21; Übers. W. Thimme: »... es ist nicht schwer einzusehen, daß es weit besser war, wenn das Menschengeschlecht, wie es denn auch wirklich geschah, sich aus einem einzigen

zuerst geschaffenen Menschen vermehrte, als wenn es mit mehreren seinen Anfang genommen hätte.« - Die Kapiteleinteilung bei Thimme, der die lateinische bei Teubner erschienene Ausgabe von Dombart-Kalb

D

zugrunde legte, weicht von der des Patrologiae cursus completus ab. Das vorangehende Zitat ist bei 'Thimme in Buch XII, Kapitel 22, zu finden. Augustinus, ibid.; Übers. W. Thimme im Zusammenhang: »Denn als Gott die Tiere schuf, teils ungesellig und als Einzelgänger, die die Einsamkeit lieben, wie Adler, Weihen, Löwen, Wölfe und andere ihresgleichen, teils gesellig, wie die Tauben, Stare, Hirsche und Rehe und dergleichen,

die lieber in Scharen und Herden leben mögen, da hat er von beiden Sorten nicht etwa zunächst bloß Einzelwesen geschaffen, aus denen dann die

Nachkommen erwachsen sollten, sondern gleich mehrere. Anders den Menschen... Ihn... schuf Gott als Einzigen und Einzelnen, freilich nicht um ihn allein und ohne menschliche Gesellschaft zu lassen. Sondern um

ihm desto nachdrücklicher die Gemeinschaft und das Band der Eintracht ans Herz zu legen, verknüpfte er die Menschen nicht nur durch Gleichheit der Natur, sondern auch durch Zuneigung der Verwandtschaft. Darum gefiel es ihm, auch das Weib, das dem Manne zugesellt werden sollte, nicht so zu schaffen wie ihn, sondern aus ihm, so daß also das Menschenge-

schlecht von einem einzigen Menschen sich ausbreitete.« - Die hervorgehobenen Passagen werden von H.A. lateinisch zitiert.

[17] I Dieses Zitat aus Augustinus (De civitate Dei, XII, 20) wird von H.A. häufig angeführt. Es kann als ein Schlüssel zu ihrer Philosophie der »Gebürtlichkeit« oder »Natalität« — sie selbst benutzt im Deutschen

beide Worte - angesehen werden. Ihre Übersetzung des aus dem Zusam934

FEBRUAR I95I BIS APRIL 1951 menhang herausgenommenen und eigenwillig interpretierten Satzes lau-

tet: »Damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen, vor dem es niemand gab.« Zum Vergleich sei die Übersetzung von Thimme (dort Kap. 21) im Zusammenhang wiedergegeben: »Ob aber die Zahl der erlösten Seelen, die nie wieder in ihr Elend zurückkehren, immer weiter vermehrt wer-

den kann, mögen die ausmachen, die so spitzfindig dafür streiten, die Unendlichkeit der Dinge müsse eingedämmt werden. Unsere Beweisführung ist in jedem Fall abgeschlossen und gültig. Kann die Zahl vermehrt werden, gibt es nichts, was uns veranlassen könnte zu leugnen, daß Gott schaffen konnte, was er noch niemals schuf. Denn dann ist die

Zahl der erlösten Seelen, die es nie vorher gegeben, nicht auf einmal erschaffen, sondern dasselbe geschieht immerfort. Gehört es sich dagegen, daß die Zahl der erlösten Seelen, die niemals wieder ins Elend zurückkehren, feststeht und nicht weiter vermehrt werden kann, so war auch sie, gleichviel welches sie sein mag, vorher niemals da. Denn sie könnte

unmöglich wachsen und zuletzt ihre bestimmte Größe erreichen ohne einen Anfang. Solchen Anfang aber konnte es nur einmal geben. Diesen Anfang zu machen, ward der Mensch erschaffen, vor dem es keinen anderen gab.«

In Arendts veröffentlichtem Werk findet sich das verkürzte Zitat »Initium ut esset, creatus est homo« erstmals in dem Beitrag »Ideologie und Terror« zur Festschrift für Karl Jaspers zum 70. Geburtstag (1953)

und damit ab 1955 am Ende des Buches Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (siehe dort S. 730) und aller weiteren Auflagen, auch der von The Origins of Totalitarianism (seit der zweiten, erweiterten von 1958).

An dieser prominenten Stelle kommt ihm die Funktion des »erlösenden Wortes« zu, es leistet die gesuchte Versöhnung mit der Wirklichkeit. Die für Arendts Interpretation maßgebliche, genaueste theoretische Beschreibung ist ın dem Kapitel »Die Enthüllung der Person im Handeln und Sprechen« in Vita activa zu finden, dem die oben zitierte Überset-

zung entnommen wurde (siehe dort S. 166). Vgl. auch »Verstehen und Politik« (1953) und »Freiheit und Politik« (1958), in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 125 beziehungsweise S$. 220.

935

HEFT

III

[18] ı Siehe oben Anmerkung ı zu Nr. 12. 2 Augustin, De civitate Dei, XV, 7; Übers. W. Thimme: »Und das eben ist die Art des irdischen Staates, Gott oder Götter zu verehren.... Nicht lie-

bende Fürsorge beseelt ihn dabei, sondern Herrschsucht. Denn die Guten gebrauchen die Welt zu dem Zweck, um Gott zu genießen; die

Bösen dagegen wollen Gott gebrauchen, um die Welt zu genießen.« Augustin, Vom Gottesstaat, Bd. II, S. 227.

3 Das Zitat ıst einem Brief (Epistula CLIU) des Augustin an den Mazedonier entnommen, in: Patrologiae cursus completus. Series latina, Tom.XXXIII (Paris: Migne, 1865), Sp. 653-665, Sp. 660. Übers. im Zusammenhang: »Deshalb ist wahrlich nicht vergebens eingesetzt die

Gewalt des Königs, das Recht über Leben und Tod auf Seite des Richters, das Folterzeug des Henkers, die Waffenrüstung des Soldaten, die

Polizei des Gewalthabers, die Strenge selbst eines guten Vaters. Denn alles dies hat seine Art und Weise, seine Ursache, seinen Grund, seinen Vorteil. Wenn man sich vor diesen Dingen fürchtet, so werden die Bösen im Zaume gehalten und leben die Guten mit größerer Ruhe in Mitte der

Bösen.« Aurelius Augustinus, Ausgewählte Briefe, übersetzt von Theodor Kranzfelder, Zweiter Teil, Kempten: Kösel (Bibliothek der Kirchenväter, 60), 1879, S. 109. — Der hervorgehobene Satz entspricht dem von H.A. lateinisch zitierten.

4 Cochrane, Christianity and Classical Culture, a.a.O. (Anm. 2 zu Heft IL,ı2).

Zu

H.A.s

Kritik an Cochranes

Position siehe »Natur

und

Geschichtes, in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 390 (Anm. 4).

[20] ı »Origins«, im Original groß geschrieben, aber sonst nicht (etwa durch Unterstreichung) hervorgehoben, könnte sich auf H.A.s Buch The Origins of Totalitarianism beziehen, das im Februar/März 1953 (siehe Arendt-Jaspers-Briefwechsel, S.201) erschienen war. Dann wäre dies

eine der wenigen Stellen im Denktagebuch, an der H.A. explizit ein eigenes Werk erwähnt. Zugleich würde sie damit ihr Ungenügen an dem für die amerikanische Ausgabe gewählten Titel ausdrücken, wie etwa in ihrem unveröffentlichten Brief an Hugo Friedrich vom

ı15.Juli 1953

(Hannah Arendt Papers, Library of Congress, Cont. 9, Folder »F mis-

936

FEBRUAR I9SI BIS APRIL 1951 cellany«). Die Notiz kann aber auch ganz allgemein darauf abheben, daß es-ın H.A.s Auffassung — keine chronologische Abfolge von Ursachen für den 'Totalitarismus gibt.

[21] ı Vgl. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 562; dort heißt es

genau (Ausgabe Weischedel): »eine Reihe von Begebenheiten ganz von selbst anzufangen«.

[22] ı Das, was hier in Anführungszeichen festgehalten wird (siehe auch unten Nr. 27), könnte ein geplanter Titel für die deutsche Ausgabe von The Origins of Totalitarianism gewesen sein. Auf jeden Fall deutet es darauf hin, daß die Themen des Buches The Origins of Totalitarianism nach dessen Erscheinen H.A. weiter beschäftigten. Die Frage, »warum aus der großen Tradition keine Wege gebahnt werden konnten, so daß die Hintertreppen-TIradition die Pfade vorzeichnen konnte«, hatte sich mehr und mehr als die entscheidende herauskristallisiert, die weiterer Analyse (insbesondere hinsichtlich des Marxismus und Bolschewismus) bedurfte, siehe auch Arendts Brief an Karl Jaspers vom 4. März 1951

(Arendt-Jaspers-Briefwechsel, 5. 202). Ende 1951 stellte sie bei der John Simon Guggenheim Memorial Foundation einen Antrag auf finanzielle Unterstützung für ein entsprechendes Projekt, nach dessen Genehmigung sie ein zweites Mal nach Europa reisen konnte, siehe unten S. 968.

[23] ı Machiavelli, 7! principe, XVII: »E nelle azıoni di tutti glı uomini, e massime de’ principi, dove non & iudizio da reclamare, sı guarda al fines; Übers. Ph. Rippel: »und bei Handlungen der Menschen, zumal bei denen der Fürsten, derentwegen man kein Gericht anrufen kann, sieht

‚man auf den Enderfolg.«

937

HEFT IV [25] ı Zitat aus der in Nr. 16 zitierten Stelle aus Augustinus, De civitate Dei, siehe oben S. 66; Übersetzung S. 934.

[27] ı Siehe Nr. 22.

[30] ı Welche Ausgabe von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts Arendt benutzte, ist nicht bekannt. Die beiden Zitate wurden an der im Literaturverzeichnis aufgeführten, im Verlag Suhrkamp erschienenen Ausgabe (dort Bd. 7, 5. 49) überprüft.

2 Im Anschluß an diesen Absatz steht im Original eine durchgestrichene Passage, von der die folgenden Zeilen zu entziffern waren: »In dem Zweifel der absoluten Einsamkeit kann ich alles Mögliche erfahren, nur keine Realität und nicht mich selbst. Ich wüsste so wenig von der Tatsache des Todes...«

Anmerkungen zu Heft IV Seite 77-97

[1] ı Hannah Arendt plante seinerzeit eine Studie über die totalitären Elemente im Marxismus, siehe oben Heft IIl,22 und im Anmerkungsteil S. 937 sowie weiter unten in Heft VIII die Anmerkung zur Europareise

1952 (5.193). 2 Vgl. hierzu H.A.: »Eine böse Tat um eines guten Zwecks willen erzeugt

Bosheit, eine gute Tat um eines bösen Zwecks willen erzeugt Güte« (Ele-

938

MAI

mente

und

ww

Menschen

Ursprünge in finsteren

totaler Herrschaft, Zeiten,

S.168

I95I BIS JUNI

S.713);

(»Hermann

I951I

siehe ferner H.A., Broch«).

Vgl.

auch

unten Heft V;9. Edmund Burke ın Thoughts on the Cause of the Present Discontents (1770): »They [i.e., the Whigs ın the reign of Queen Anne, Hrsg.) believed that no man could act with effect, who did not act in concert; that no man could act in concert, who did not act with confidence; that no men

could act with confidence, who were not bound together by common opinions, common affections and common interests.« Hier zitiert nach dem Auszug in Edmund Burke, Or Government, Politics and Society,

ausgewählt und hrsg. von B. W. Hill, New York: International Library, 1976, 9.75-119, 5. 113.

[2] ı Rainer Maria Rilke am Ende der 2. Duineser Elegie, in: Sämtliche Werke,

hrsg.vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn, Frankfurt am Main: Insel, Bd. ı (?1962), S. 692. 2 Sophokles, Antigone, 988; Übers. W. Willige; Keiner »kann dir entrin-

nen«, in: Sophokles, Dramen (genaue Angabe siehe oben Anmerkung 2 zu Heft II,26, S. 929f.).

[3] ı Zu der herangezogenen Ausgabe von G. W. F. Hegel, Grundlinien der 2 3 4 5 6 7 8

Philosophie des Rechts, siehe Anmerkung ı zu Heft III,30. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 5. 55. Ebenda. A.a.O.,S.74. A.a.0., $.74/75. A.a.O., 5.64. A.a.0.,5.75. A.a.0., 5.84.

939

HEFT

IV

[4] ı Zu der herangezogenen Ausgabe von G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts siehe Anm. ı zu Heft III, 30. 2 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 47. 3 Ebda. 4 A.a.O., 5.78. 5 A.a.0., 5.87.

[5] ı Henri de Rohan (1579-1638), ehemaliger Hugenottenführer; gemeint ist seine Schrift De /’Interest des Princes et Estats de la Chrestiente (1638).

[6] ı Karl Marx, A Contribution to the Critique of Political Economy, translated from the second German edition by N. I. Stone, with an

appendix containing Marx’s introduction to the critique recently published among the posthumous papers, 2., überarbeitete Ausgabe, New York: Library Publishing Company, 1904.

[8] ı Nach dem Erscheinen ihres Buches The Origins of Totalitarianism hat sich H.A., auf kritische Stimmen zum Buch reagierend, u.a. auch mit

der »Methode« der Geschichts- und Politikwissenschaften beschäftigt. Siehe auch Heft V,5 und ı7f., sowie Heft XV,ıı mit Anmerkung 2 auf S. 1011.

[10] H.A. zitiert die Schlußzeilen aus dem Gedicht »Dreizehnte Antwort. Für Erika [Mitterer] zum Feste der Rühmung«, Ragaz, am 24. August 1926. In:

940

MAI I9SI BIS JUNI 1951 Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, hrsg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn, Frankfurt am Main: Insel, Bd.2 (1963), S.318£.; vgl. auch Arendt-Heidegger-Briefe, 5,129 und 305.

[11] ı H.A. und Hermann Broch haben sich 1946 bei einer gemeinsamen Freundin, Annemarie Meier-Graefe, der späteren Frau Brochs, kennen-

gelernt. Es entwickelte sich zwischen beiden eine Freundschaft, die geprägt war durch persönliche

Sympathie

und

eine feine ironische

Distanz, die vor allem von H.A. ausging, durch gemeinsame geschichtliche Erfahrungen und das Interesse an der Analyse des Totalitarismus. Siehe dazu Arendt-Broch-Briefwechsel, ebenso H.A.s Essays »Nicht mehr und noch nicht: Hermann Brochs Der Tod des Vergil« (1946) und »Hermann Broch und der moderne Roman« (1949) sowie ihre »Einlei-

tung« (1955) zu den von ihr herausgegebenen Bänden 6 und 7 ım Rahmen der Gesammelten Werke von H. Broch (Zürich: Rhein Verlag), alle abgedruckt ım o.g. Briefwechsel. Siehe ferner Nr. ı5 und Nr. 16 in diesem Heft.

[14] ı Statt »zum Raum« hat H.A. als Variante »zum Haus« eingefügt.

[15] ı Statt »wo ıst der Laut« hat H.A. als Variante »wo gibt es den Laut« stehengelassen. 2 Statt »wie« »und« in Klammern. 3 Statt »was hilft« »was macht«. 4 Das Gedicht schrieb H.A. zu Brochs Tod. Siehe oben Nr. ıı. Paul

Michael Lützeler hat es ebenso wie Text Nr. 16 in seiner Ausgabe des Briefwechsels zwischen Arendt und Broch abgedruckt und macht darauf aufmerksam, daß die letzte Zeile »Das umgedrehte Fühlen ist doch wie der Dolch, den man im Herzen umdreht« auf den Schluß von Kafkas

941

HEFT

IV

Roman Der Prozeß zurückgeht, wo es heißt: »Aber an K.’s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte.« Siehe Arendt-Broch-Briefwechsel, S. 165 f.

[16] ı Siehe oben unter Nr. 11. 2 Wahrscheinlich spielt H.A. mit »Kardinalfehler« auf die Ehe von Broch

und Annemarie Meier-Graefe an, die bereits nach wenigen Monaten zerbrach. Siehe dazu Hermann Broch - Annemarie Meier-Graefe, Der Tod im Exil: Briefwechsel 1950-51, hrsg. von Paul Michael Lützeler, Frank-

furt am Main: Suhrkamp, 2001. Siehe auch Heft II,26.

[18] ı »Eine Reihe von selbst anfangen können« ist in Anlehnung an ein KantZitat formuliert, siehe oben Heft III,21 ($.68, und Anm. ı, $S. 937). Für

H.A.s Vorstellungen von der Freiheit ist der philosophiegeschichtliche Bezug auf die »Kantsche Spontaneität« ähnlich wichtig wie der auf den »Augustinschen Anfang«, vgl. im veröffentlichten Werk ihren Vortrag »Freiheit und Politik« (1958), in: H.A., Zwischen Vergangenheit und

Zukunft, S. 201-226, $. 220.

[20] ı Martin Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik (1929), 4. Auflage, Frankfurt am Main: Klostermann, 1973, S. 222 und $. 235. Im Lite-

raturarchiv Marbach befindet sich ein Exemplar dieser Ausgabe mit einer handschriftlichen Widmung für Hannah Arendt. 2 G. W. F Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 445 und 446. Zur Zitierweise siehe oben Heft III,30. 3 Hegel, a.a.O., S. 449. 4 Augustinus, De civitate Dei XII, 20: Gott schuf den Menschen, »damit

ein Anfang sei«. Zur Zitierweise und Bedeutung des Zitats für H.A.s Werk siehe Heft II,ı7 (Anm. 1).

942

MAI I9$I BIS JUNI 1951

[21] ı G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 451. Zur Zitierweise siehe oben Heft III,30. 2 Karl Marx, »Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie: Kritik des Hegelschen Staatsrechts«, in: Marx-Engels-Werke, Bd. ı, 5.236. H.A. zitiert nach der (alten) Marx-Engels-Gesamtausgabe.

[22] ı G. W. FE Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 451. Zur Zitierweise siehe oben Heft III, 30.

2 Karl Marx, »Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie: Kritik des Hegelschen Staatsrechts«, in: Marx-Engels-Werke, Bd. ı, 5.237. H.A. zitiert nach der (alten) Marx-Engels-Gesamtausgabe. 3 Hegel, a.a.O., 5.455.

[23] 1 Über einen angemessenen Titel ihres Totalitarismusbuches hat H.A. viel

nachgedacht, vgl. Young-Bruehl, Hannah Arendt, S. 285 ff. The Origins of Totalitarianism und The Burden of Our Time (der Titel der amerikanischen beziehungsweise britischen Erstausgabe, erschienen im Februar/ März 1951) waren in ihren Augen Kompromißlösungen. Für die erste

deutsche Ausgabe (1955) wählte sie später: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.

[24] ı G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 5.459. Zur Zitierweise siehe oben Heft III, 30. 2 Karl Marx, »Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie: Kritik des Hegelschen Staatsrechts«, in: Marx-Engels-Werke, Bd. ı, 5. 243 f. H.A. zitiert

nach der (alten) Marx-Engels-Gesamtanusgabe.

943

Anmerkungen zu Heft V Seite 99-122

11] ı Welche Ausgabe von Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts Arendt benutzte, ist nıcht bekannt. Ihre Zitate wurden an der im Litera-

turverzeichnis aufgeführten, im Verlag Suhrkamp erschienenen Ausgabe (dort Bd. 7) überprüft.

[4] ı »Con-scire« (wörtlich: mit-wissen) beziehungsweise »conscientia« steht

am Beginn der Geschichte des Bewußtseins- ebenso wie des Gewissensbegriffs, siehe dazu Historisches Wörterbuch der Philosophie, Artikel »Bewußtsein«,

Bd. ı (1971), Sp. 888-896,

Sp. 888-890,

und

Artikel

»Gewissen«, Bd. 3 (1974), Sp. 574-592, SP. 574-577:

[5] ı Siehe oben Heft IV;8 und die dazugehörende Anmerkung, S. 940.

[6] ı »Io make the world a better place to live in« (die Welt zu einem Ort machen, an dem man besser leben kann) ist eine bekannte idiomatische

Wendung; als Zitat konnte sie nicht nachgewiesen werden. Siehe auch unten Nr. 10.

2 Anspielung auf die optimistische Weltsicht, wie sie in der Philosophiegeschichte mit dem Namen Gottfried Wilhelm Leibniz verbunden ist, über

die dann Voltaire in seinem Candide »im Anblick der Fragwürdigkeit der Wirklichkeit die Schalen seines Spottes ausgießen« wird (W. Weischedel).

944

JULI IYO5I BIS AUGUST I95I

[7] ı Hier bezieht sich H.A. auf die bekannte Stelle aus Die deutsche Ideologie (1845/46): »Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat

Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen

Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu Jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.« Marx-Engels-Werke, Bd. 3, S. 33.

[8] ı G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, ın: ders., Werke (Suhrkamp), Bd. 10, 5. 322.

[?] ı Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht: Versuch einer Umwertung

aller Werte, mit einem Nachwort von Alfred Baeumler, Leipzig: Kröner, 1930. Die Ausgabe bei Kröner stimmt in der Anordnung der Texte von Der Wille zur Macht mit der bei Musarıon (siehe Literaturverzeichnis)

überein. H.A. zitiert hier und ım folgenden die Seitenzahlen nach Kröner und/oder die Nummern nach Kröner und Musarion. 2 Siehe oben Heft IV,ı (Anmerkung 2) auf Seite 938.

[10] ı Sıehe oben Nr. 6.

945

HEFT

V

[12] ı Friedrich Nietzsche in der »Vorrede« zu Jenseits von Gut und Böse, in: Nietzsche, Kritische Studienausgabe, Bd. 5, 5. 12.

[113] ı Lukas 7, 47 (Salbung Jesu durch die Sünderin).

[14] ı Karl Marx an Arnold Ruge, März 1843, in: Marx-Engels-Werke, Bd. ı, S.337. -— H.A. zitiert nach der (alten) Marx-Engels-Gesamtausgabe (siehe Literaturverzeichnis), I. Abteilung, Bd. 1,1.

[15] ı Karl Marx, Das Kapital I, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, S. 57. 2 Marx, Das Kapıtal I, a.a.O., $. 74. 3 Ibid. Marx bezieht sich hier auf Aristoteles, Ethica Nicomachea, 1133b16-28. 4 Marx, Das Kapital I, a.a.O., S. 109.

[16] ı Diesen Gedanken führt H.A. genauer aus in ihrem Essay »Tradition und die Neuzeit« (1957), in: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, $.23-53, 9.42-45. 2 Karl Marx, Das Kapital I, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, S. 229 (Note

zur 2. Ausgabe). 3 4 5 6

Marx, Marx, Marx, Marx,

946

Das Das Das Das

Kapital Kapital Kapital Kapıtal

I, I, I, I,

a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O.,

S. S. S. 5.

217. 229 (Note zur 2. Ausgabe). 559. 561.

JULI I9SI BIS AUGUST 1951

[17] ı Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht, siehe oben Anm. ı zu Nr. 9, 5.945. H.A. gibt hier und im folgenden die Nummern der Textstücke

(nicht die Seitenzahlen) an. Ihre Unterstreichungen entsprechen weitgehend den Sperrungen bei Nietzsche.

[18] ı Siehe oben Heft III,17 (S. 66) und im Anmerkungsteil $. 934.

[19] ı Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1880-1882, in: Nietzsche, Kritische Studienausgabe, Bd. 9, S. 135.

[21] ı Martin Luther, »Warum die Einsamkeit zu fliehen?« (1534), in: Luthers

Werke für das christliche Haus, hrsg. von Pfarrer D. Dr. Buchwald et al. (Braunschweiger Ausgabe, 1889-1892), Bd. 6 (1891), S. 159.

[22] ı Martin Heidegger hatte im Juli 1951 die »Logos-Abschrift« geschickt

(Arendt-Heidegger-Briefe, 5. 129). H.A. hat ihm offenbar nach der Lektüre in einem nicht erhalten gebliebenen Brief einige Fragen dazu gestellt, deren briefliche Beantwortung Heidegger zwar in Aussicht gestellt (a.a.O., S.130), aber, soweit erkennbar, nie vorgenommen hat. Es ist

anzunehmen, daß Arendt ihren Brief auf der Grundlage dieser Eintragung im Denktagebuch verfaßte. - Die von H.A. zitierten Stellen wurden mit der Druckfassung von Heideggers Aufsatz »Aoöyog: Das Leitwort Heraklits« (in: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze [Pfullingen: Neske, 1954]), S.207-229) und seinem Brief über den Humanismus (1946, in: Heidegger, Gesamtausgabe, Bd. 9, 5. 313-364) verglichen.

947

HEFT

V

[24] ı Die Stelle Aristoteles, Politica, 1253a1-39, einschließlich der von H.A, ausgelassenen Teile (von den Herausgeberinnen in eckige Klammern gesetzt), lautet in der deutschen Übersetzung von Olof Gigon (siehe Literaturverzeichnis), $. 65-67: »Daraus ergibt sich, daß der Staat zu den naturgemäßen Gebilden ge-

hört und daß der Mensch von Natur ein staatenbildendes Lebewesen ist; [derjenige, der auf Grund seiner Natur und nicht bloß aus Zufall außerhalb des Staates lebt, ist entweder schlecht oder höher als der Mensch; so etwa der von Homer beschimpfte: >ohne Geschlecht, ohne Gesetz und

ohne Herd«. Denn dieser ist von Natur ein solcher und gleichzeitig gierig nach Krieg, da er unverbunden dasteht, wie man im Brettspiel sagt.] Daß

ferner der Mensch in höherem Grade ein staatenbildendes Lebewesen ist als jede Biene oder irgendein Herdentier, ist klar. [Denn die Natur macht, wie wir behaupten, nichts vergebens.] Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Sprache besitzt. [Die Stimme zeigt Schmerz und Lust an und ist darum auch den anderen Lebewesen eigen (denn bis zu diesem

Punkte ist ihre Natur gelangt, daß sie Schmerz’und Lust wahrnehmen und einander anzeigen können);] die Sprache dagegen dient dazu, das Nützliche und Schädliche mitzuteilen und so auch das Gerechte und Ungerechte. [Dies ist nämlich im Gegensatz zu den anderen Lebewesen

dem Menschen eigentümlich, daß er allein die Wahrnehmung des Guten und Schlechten, des Gerechten und Ungerechten und so weiter besitzt.] Die Gemeinschaft in diesen Dingen schafft das Haus und den Staat. Der Staat ist denn auch von Natur ursprünglicher als das Haus oder jeder Einzelne von uns. Denn das Ganze muß ursprünglicher sein als

der 'Ieil. [Wenn man nämlich das Ganze wegnimmt, so gibt es auch keinen Fuß oder keine Hand, außer dem Namen nach, wie etwa die Hand aus Stein; nur in diesem Sinn wird eine tote Hand noch eine Hand sein. In Wahrheit ist alles bestimmt durch seine besondere Leistung und

Fähigkeit, und wenn es diese nicht mehr besitzt, kann es auch nicht mehr als dasselbe Ding bezeichnet werden außer dem bloßen Namen nach. Daß also der Staat von Natur ist und ursprünglicher als der Einzelne, ist klar.] Sofern nämlich der Einzelne nicht autark für sich zu leben vermag, so wird er sich verhalten wie auch sonst ein Teil zum Ganzen. [Wer aber nicht in Gemeinschaft leben kann oder in seiner Autarkie ihrer nicht bedarf, der ist kein Teil des Staates, sondern ein wıldes Tier oder ein Gott. Alle Menschen haben also von Natur den Drang zu einer

948

JULI I95I BIS AUGUST 1951 solchen Gemeinschaft, und wer sie als erster aufgebaut hat, ist ein Schöpfer größter Güter. Wie nämlich der Mensch, wenn er vollendet ist, das

beste der Lebewesen ist, so ist er abgetrennt von Gesetz und Recht das schlechteste von allen. Das schlimmste ist die bewaffnete Ungerechtigkeit. Der Mensch besitzt von Natur als Waffen Klugheit und Tüchtigkeit, und gerade sie kann man am allermeisten in verkehrtem Sinne gebrauchen. Darum ist der Mensch ohne Tugend das gottloseste und wildeste

aller Wesen und ın Liebesglut und Eßgier das schlimmste.) Die Gerechtigkeit dagegen ist der staatlichen Gemeinschaft eigen. Denn das Recht

ist die Ordnung der staatlichen Gemeinschaft, und die Gerechtigkeit urteilt darüber, was gerecht ist.«

[25] ı Zu Georges Sorels Unterscheidung von »force« und »violence« siehe das 5. Kapitel, Abschnitt IV, seiner Reflexions sur la violence (1908). Dort heißt es: »Nous dirions donc que la force a pour objet d’imposer l’organisation d’un certain ordre social dans lequel une minorit& gouverne, tandıs que la violence tend & la destruction de cet ordre. La bourgeoisie

a employe& la force depuis le debut des temps modernes, tandis que le proletariat r&agit maintenant contre elle et contre l’Etat par la violence.« Hier zitiert nach der »septieme Edition avec plaidoyer pour L£nine«, Paris: Riviere, 1930, $. 257. - »Wir würden also sagen, daß es Ziel der

Macht sei, die Organisation einer bestimmten sozialen Ordnung aufzurichten, in der eine Minderheit regiert; während die Gewalt auf die Zerstörung ebendieser Ordnung hinzuwirken strebt. Das Bürgertum hat

seit Beginn der Neuzeit die Macht angewendet, während heute das Proletarıat gegen sie und gegen den Staat auf dem Wege der Gewalt reagiert.« Georges Sorel, Über die Gewalt, aus dem Französischen von Ludwig Oppenheimer (1928), mit einem Nachwort von George Lichtheim, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1969, S. 203. 2 Vgl. oben Heft II,3 (S. 33) und im Anmerkungsteil $. 923. 3 Vgl. oben Heft, III,17 (S. 66) und im Anmerkungsteil S. 934. 4 Siehe Machiavelli in seinen Discorsi (1531), I. Buch, Kapitel 9.

949

Anmerkungen zu Heft VI Seite 123-145

[1] ı Vgl. Anmerkung ı zu Heft 1,9, S. g9ıof.

2 H.A. übersetzt: »Die Affäre eines Einzigen ist die Affäre Aller.« Siehe Heft L,ıo.

[3] ı Aus dem Gedicht »Amyntas« von J. W. Goethe. Die Zeile lautet richtig: »Wer sıch der Liebe vertraut, hält er sein Leben zu Rat?« In: Goethes

Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 1, S. 197.

[>] ı H.A. bezieht sich hier auf das Gleichnis »Der reiche Jüngling«, Markus, 10.

[6] ı Aristoteles, Politica, Buch I, Kapitel 5.

[7] I Die Reflexionen in den Texten Nr. 7 bis Nr. 10 stehen im Zusammenhang mit einer erneuten Beschäftigung mit Heideggers Philosophie. Der Anlaß könnte das Wiedersehen mit Heidegger. im Frühjahr 1950 gewesen sein. Außerdem hat Heidegger H.A. verschiedene Schriften von sich zugesandt, die Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung (2. Aufl., 1951) und

Kant und das Problem der Metaphysik (Ausg. v. 1951).

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[11] I

H.A.s Beschäftigung mit dem amerikanischen politischen System dürfte seinerzeit u.a. der Tatsache geschuldet gewesen sein, daß sie sich auf ihr Examen zum Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft vorbereitete, die sie im Dezember 1951 erhielt. Einige der hier niedergelegten Gedanken wird sie über ein Jahrzehnt später (1963) in ihrem Buch On

Revolution ausführen.

[13] I

Heideggers Nietzsche-Vorlesungen (1936-1946) waren noch nicht veröffentlicht; auch das Nietzsche-Buch nicht, das erst 1961 erschien. H.A. hatte aber bereits 1949 an Karl Jaspers geschrieben, daß sie »ganz

scheußliche, verschwatzte Nietzsche-Vorlesungen« gelesen habe (Brief vom 29.9. 1949). Dabei dürfte es sich um Nachschriften, die unter Heidegger-Schülern kursierten, gehandelt haben. Im Arendt-Nachlaß in

Marbach befindet sich eine solche Nachschrift der Vorlesung des Win-

D

tersemesters 1936/37. Vgl. in diesem Zusammenhang aber auch H.A.s begeisterte Kommentare zu Heideggers Nietzsche-Buch in den Briefen an Heinrich Blücher vom 22.5.61 und 28.35.61, in: Arendt-BlücherBriefe, S. 543 und 546.

Dies ist eine Zeile aus Albrecht von Hallers Lehrgedicht »Die Falschheit menschlicher Tugenden«, 1730, Vers 289f. (in: Deutsche Nationallıteratur, hrsg. von J. Kürschner, Berlin: Spemann, Bd. 41, 2 [1885], S. 56), das im 18. Jahrhundert viel zitiert wurde, so auch von Goethe in dem Alters-

gedicht »Allerdings« (1820), in: Goethes Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 1, 5.359, aber ebenso von Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie ...., ın: Hegel, Werke (Suhrkamp), Bd. 2,5. 137.

[16] Welche Ausgabe von Nietzsches Zur Genealogie der Moral H.A. benutzt hat, ist nicht erkennbar. Die Zitate wurden überprüft anhand der Kritischen Studienausgabe (siehe Literaturverzeichnis), Bd. 5.

951

HEFT

VI

ı Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, S. 307f. 2 A.a.O.,S.293f. 3 A.a.O.,$. 294.

117] ı Die Begriffe Verantwortungethik und Gesinnungsethik hat H.A. von Max Weber übernommen. Vgl. seinen Vortrag »Politik als Beruf« (1919), 2 Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, in: ders., Kritische Stydienausgabe, Bd. 5, 5.75. | 3 A.a. O.,S.74.

119]

D

ı Friedrich Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, Nr.109. Das Zitat wurde überprüft anhand der Äritischen Studienansgabe, Bd. 3, 5. 468.

Zu den Gedichten Heideggers, die im Nachlaß Arendt in Marbach aufbewahrt werden, gehört der folgende Zweizeiler: »In Jähen, raren, blitzt

ww

uns Seyn. / Wir spähen, wahren - schwingen ein.« Er trägt, von Hannah Arendts Hand, die Datumsangabe »Februar 1950«. Heidegger hat ihn H.A. wahrscheinlich anläßlich des Wiedersehens am 7. Februar 1950 mit-

gegeben (siehe Arendt-Heidegger-Briefe,S. 79). Nach welcher Ausgabe H.A. zitiert, konnte nicht ermittelt werden. Die folgenden Zitate wurden nachgewiesen anhand von: Friedrich Nietzsche, »Die Wiederkunft des Gleichen, in: Nietzsche, Kritische Gesamiausgabe, 5.Abt., Bd.2 (Nachgelassene Fragmente, Frühjahr-Herbst 1381), Nr. 84, S. 370. Das vollständige Fragment lautet: »Unsere ganze (?) Welt ıst die Asche unzähliger lebender Wesen: und wenn das Leben-

dige auch noch so wenig im Vergleich zum Ganzen ist: so ist alles schon einmal im Leben umgesetzt gewesen, und so geht es fort. Nehmen wir eine ewige Dauer, folglich einen ewigen Wechsel der Stoffe an -.« 4 Nietzsche, »Die Wiederkunft des Gleichen«, Nr. 163, a.a.O., S. 4o02f.

Das vollständige Fragment lautet: »Der politische Wahn, über den ich eben so lächle, wie die Zeitgenossen über den religiösen Wahn früherer Zeiten, ist vor allem Verweltlichung, Glaube an die Welt und Aus-demSinn-Schlagen von »Jenseits< und >Hinterwelt«. Sein Ziel ist das Wohlbe-

finden des flüchtigen Individuums: weshalb der Sozialismus seine 952

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Frucht ist, d.h. die flüchtigen Einzelnen wollen ihr Glück sich erobern,

durch Vergesellschaftung, sie haben keinen Grund zu warten, wie die Menschen mit ewigen Seelen und ewigem Werden und zukünftigem Besserwerden.« s Nietzsche, »Die Wiederkunft des Gleichen«, Nr. 143, a.a.O., S. 394. 6 Nietzsche, »Die Wiederkunft des Gleichen«, Nr. 161, a.a.O., $. 401. Das

vollständige Fragment lautet: »Nicht nach fernen unbekannten Seligkeiten und Segnungen und Begnadigungen ausschauen, sondern so leben wollen und in alle Ewigkeit so leben wollen!«

[20] ı »Die Vergangenheit ist niemals tot; sie ist noch nicht einmal vergangen.« William Faulkner, Requiem for a Nun (Akt ı, Szene 3).

[21] ı Ein Manuskript »Bauen -— Wohnen -— Denken« von Martin Heidegger

mit handschriftlichen Bemerkungen von H.A. befindet sich im Nachlaß Arendt in Marbach (Sıgn. 76.1034). Es handelt sich um die zweite Fas-

sung eines Vortrags, mit folgenden Hinweisen: Darmstadt, 5. August 1951; Schloß Walchen, 20. August 1951. H.A. zitiert hier nach diesem

Manuskript. Der Vortrag erschien zuerst in dem Band Mensch und Raum, Darmstadt (Darmstädter Gespräch, 2), 1952, S. 72-84, später in:

M. Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen: Neske, 1954, 5. 145 162.

[22] ı Montesquieu, De l’Esprit des lois, Buch I, Kap. 2; Übers. E. Forsthoff: »Die Angst [treibt] die Menschen dazu..., einander zu fliehen; aber

Anzeichen für das Vorhandensein der gleichen Furcht bei den anderen [bewegen] sie bald dazu..., sich einander zu nähern.« Die benutzten

Montesquieu-Ausgaben sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. 2 Montesquieu, De l’Esprit des lois, Buch I, Kap. 3; Übers. E. Forsthoff: ...: »Das Ziel des Krieges ist der Sieg, das des Sieges die Eroberung 953

und das der Eroberung die Erhaltung.« Dieses wie das folgende Zitat wird von H.A. unten in Heft VII, 3 ($. 151) kommentiert. 3 Montesquieu, De l’Esprit des lois, Buch I, Kap. 3; Übers. E. Forsthoff: »Das Gesetz ganz allgemeinhin, ist die menschliche Vernunft, sofern sie alle Völker der Erde beherrscht.«

Anmerkungen zu Heft VII Seite 147-169

[2] ı Montesquieu, De l’Esprit des lois, Buch VII, Kap. 10; Übers. E. Forsthoff: »Es ist leicht, durch Gesetze zu bestimmen, was man anderen

schuldig ist, aber schwer, darin zusammenzufassen, was man sich selbst schuldet.« — Zu den benutzten Montesquieu-Ausgaben siehe unter Nr. 3.

[3] Hier und ım folgenden werden die Pleiade-Ausgabe von Montesquieus De P’Esprit des lois und Ernst Forsthoffs Übersetzung herangezogen (siehe Literaturverzeichnis). Die von H.A. exzerpierten Zitate wurden mit der

Pleiade-Ausgabe verglichen und gegebenenfalls ihr entsprechend (aber mit modernisierter Schreibweise) verbessert. — Die Montesquieu-Lektüre kommt in H.A.s veröffentlichtem Werk aus der Zeit vor allem in zwei Essays von 1953 zum "Tragen: »Ideologie und Terror« (später in: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, siehe besonders S$. 724f., vgl. auch unten Anm. 6) und »Understanding and Politics« (deutsch [übers. von U. Ludz]

in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, besonders S. 118 ff.). ı Die ersten drei Abschnitte bei Montesquieu, De l’Esprit des loıs, 1,1, aus

denen H.A. zitiert, lauten vollständig: »Les loıs, dans la signification la

plus etendue, sont les rapports necessaires qui derivent de la nature des 954

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choses: et, dans ce sens, tous les tres ont leurs loıs; la Divinite a ses lois; le

monde materiel a ses lois; les intelligences sup£rieures A l’homme ont leurs lois; les betes ont leurs loıs; ’homme a ses lois. - Ceux qui on dit qu’une fatalite aveugle a produit tous les effets que nous voyons dans le monde, ont dit une grande absurdit&; car quelle plus grande absurdit& qu’une fatalite aveugle quı aurait produit des &tres intelligents? -Ily a donc une raison primitive; et les lois sont les rapports qui se trouvent entre elle et les differents &tres, et les rapports de ces divers Etres entre eux.« — »Gesetze im weitesten Sinne des Wortes sind Beziehungen, die sich aus der Natur der Dinge mit Notwendigkeit ergeben. In diesem Sinne haben alle Wesen ihre Gesetze: die Gottheit und die körperliche Welt, höhere geistige Wesen, Tiere und Menschen haben ihre eigenen Gesetze. — Es ist völlig unsinnig, zu behaupten, ein blindes Schicksal habe alles hervorgebracht,

was wir ın der Welt sehen. Denn was wäre unsinniger als ein blindes Schicksal, das vernunftbegabte Wesen hervorgebracht hätte? — Es gibt also eine ursprüngliche Vernunft, und Gesetze sind die Beziehungen, die zwischen ihr und den verschiedenen Wesen bestehen, sowie die Beziehungen dieser Wesen untereinander.« - Die in der deutschen Übersetzung

hervorgehobene Passage wırd 2 Montesquieu, De l’Esprit des das des Sieges die Eroberung 3 Montesquieu, De l’Esprit des

von lois, und lois,

H.A. wörtlich zitiert. I, 3: »Das Ziel des Krieges ist der Sieg, das der Eroberung die Erhaltung.« I, 3: »Das Gesetz, ganz allgemein, ist

die menschliche Vernunft, sofern sie alle Völker der Erde beherrscht.« 4 Montesquieu, De P’Esprit des lois, II, 2: »... das Gesetz über die Eintei-

lung der Stimmenberechtigten ist... ein Grundgesetz der Republik.« 5 Montesquieu, De l’Esprit des lois, II, 4: die alleın die Willkürherrschaft ın Schranken hält, vgl. Übers. E. Forsthoff, Bd. 1, $. 29. 6 Montesquieu, De P’Esprit des lois, III, 1: »Zwischen der Natur und dem Prinzip der Regierung besteht folgender Unterschied: Die Natur der Regierung ist das, was sie so sein, das Prinzip, was sie so handeln läßt;

die Natur ist ihre besondere eigene Struktur, das Prinzip liegt ın den menschlichen Leidenschaften, welche ihre Bewegung bestimmen.« Dies ist ein Schlüsselzitat für H.A.s Überlegungen zu den Staatsformen. Sie folgt Montesquieu in seiner Unterscheidung zwischen der »Struktur der Staatsform« und dem »Prinzip des ıhr angemessenen Handelns«. Diese Unterscheidung und Montesquieus Erkenntnisse über die Monarchie, die Aristokratie, die Republik und die Tyrannis nutzend, sucht sie

in ihrem Essay »Ideologie und Terror« die totalitäre Herrschaft als Staatsform zu bestimmen (siehe Elemente und Ursprünge totaler Herr955

HEFT

VII

schaft, S.724ff.). Vgl. auch Arendts Bemerkungen zu den in der vorlie. genden Eintragung folgenden Exzerpten. 7 Übers. Hrsg.: Was das Prinzip der drei Staatsformen angeht, so ist dasje. nige der Demokratie die Liebe zur Republik, d.h. die Liebe zur Gleich. heit. Jean le Rond d’Alembert, »Analyse de l’esprit des loıs«, in: Montesquieu, De l’Esprit des lois, precede de l’analyse de cet ouvrage par d’Alembert, Paris: P. Pourrat Freres, Bd. ı (1845), $S.1-22, $.4. Vgl.

H.A.: »Solch eine Grundlage menschlichen Lebens, die zu ausschlagge-

co

bender Bedeutung in einer Republik gelangt, ist die Erfahrung, daß alle Menschen gleich sind; dieser Gleichheit entsprechen republikanische Gesetze, und aus der Liebe zu ihr, die Tugend ist, entspringt republika-

nisches Handeln« (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 5. 724). Mit »amor appetitus quidam« bezieht sich H.A. auf Augustinus, siehe ihre Dissertation Der Liebesbegriff bei Augustin: Versuch einer philoso-

phischen Interpretation, Berlin: Springer (Philosophische Forschungen, 9), 1929, 9.7. 9 Montesquieu, De l’Esprit des lois, IV, 3; im Zusammenhang: »Der unbe-

dingte Gehorsam setzt Unwissenheit bei dem Gehorchenden, aber auch bei dem Befehlenden voraus, denn er darf nicht überlegen, nicht zweifeln, nicht abwägen; er hat nur zu wollen.« - Der hervorgehobene Text wird von H.A. wörtlich zitiert.

10 Montesquieu, De l’Esprit des lois, IV, 8. Die Stelle, die Montesquieu aus Xenophon (Memorabilia, V) zitiert, wird von Forsthoff wie folgt übersetzt: »Die meisten Handwerke verderben den Körper derer, die sie ausüben; sie müssen bald im Schatten, bald nahe am Feuer sitzen und haben weder für ıhre Freunde noch für den Staat Zeit übrig.« Montesquieu

fährt fort: »Erst zur Zeit des Niedergangs einiger Demokratien erlangten die Handwerker das Bürgerrecht. Das berichtet uns Aristoteles [Politica, Buch III, Kap. 4], und er behauptet zugleich, eine gute Republik werde ihnen überhaupt niemals das Bürgerrecht gewähren.« Zu

I

>

letzterem siehe $. 291. - Später hat H.A. hier noch den Hinweis » Aristoteles, Oixovouav, IV, 2« hinzugefügt. Montesquieu, De I’Esprit des lois, IV, 8: »Man befand sich daher in den griechischen Republiken ın großer Verlegenheit, denn einerseits wollte

man nicht, daß die Bürger im Handel, in der Landwirtschaft oder im Handwerk arbeiteten, andererseits sollten sie nicht müßig gehen... Daher muß man die Griechen als einen Verband von Athleten und Kämpfern betrachten.« 12 Montesquieu, De /’Esprit des lois, V, 9: »Der Druck der Belastungen

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führt zunächst zur Arbeit, die Arbeit aber zur Erschlaffung und diese

zum Geist der Trägheit.« 13 Montesquieu, De l’Esprit des lois, V, 10: »Die monarchische Regierungsform hat einen großen Vorzug vor der republikanischen, da die Geschäfte nur von einem einzelnen geleitet werden, ist eine schnellere

Vollstreckung möglich. Da aber diese Schnelligkeit in Übereile ausarten könnte, müssen die Gesetze für eine gewisse Verlangsamung sorgen.«

ı4 Montesquieu, De P’Esprit des loıs, V, 13: »Wenn die Wilden von Louisiana Früchte haben wollen, so schlagen sie den Baum an der Wurzel ab und pflücken die Früchte. So ist die despotische Herrschaft.« ıs Montesquieu, De l’Esprit des lois, V, 14: ».. man entzieht dem Boden alles

und gibt ihm nichts zurück; alles liegt brach und öde.« 16 Montesquieu, De l’Esprit des lois, V, 14: »Die despotische Regierung

beruht auf dem Prinzip der Furcht... Da hier alles nur um zwei oder drei Vorstellungen kreist, sınd neue Gedanken überflüssig... Ein solcher Staat befindet sich am wohlsten, wenn er sich für den einzigen auf der Welt halten kann... Bildet die Furcht das Prinzip, so ist die Ruhe das Ziel der despotischen Regierung; aber diese Ruhe ist kein Friede, sondern die Stille von Städten vor der Eroberung durch den Feind.« 17 Montesquieu, De l’Esprit des loıs, V, 16: »Unter einer despotischen Regierung geht die Gewalt vollständig in die Hände dessen über, dem

man sie anvertraut. Der Vezir ist der Despot selbst und jeder einzelne Beamte ist ein Vezir... Da endlich das Gesetz nur der Augenblickswille des Fürsten ist, so müssen die, welche für ihn wollen, auch jeden Augen-

blick wollen wie er.« 18 Die bewundernde Feststellung »ce grand homme« für Machiavelli fällt bei Montesquieu in folgendem Zusammenhang: »Machiavelli schreibt den Verlust der Freiheit von Florenz dem Umstand zu, daß nicht das

Volk als Ganzes, wie in Rom, die gegen es verübten Hochverratsverbrechen abgeurteilt habe. Es waren hierfür acht Richter bestellt, aber, sagt Machiavelli, wenige werden durch wenig bestochen. Ich möchte den Grundsatz dieses großen Mannes...übernehmen...« Siehe Montesquieu, De l’Esprit des lois, VI, 5, Hervorhebungen bei Montesquieu.

19 Montesquieu, De l’Esprit des lois, VII, 4: »... die Republiken gehen am Luxus, die Monarchien an der Armut zugrunde.« 20 Hinsichtlich der Frauen in despotischen Staaten spricht Montesquieu (De P’Esprit des lois, VII, 9) von »jener Kunst, mit der kleine Seelen große gefangen zu nehmen verstehen« .

957

HEFT

VII

21 Montesquieu, De l’Esprit des lois, VII, 1: »Der Verfall einer jeden Regie-

rung beginnt fast immer mit dem Verfall ihrer Grundsätze.« 22 Montesquieu, De l’Esprit des lois, VIIL, 3: »Im Naturzustand werden die Menschen zwar in der Gleichheit geboren, sie können aber nicht darin verharren. Die Gesellschaft läßt sie die Gleichheit verlieren, und nur

durch die Gesetze werden sie wieder gleich.« 23 Übers.

Hrsg.: Das Interesse, das Bedürfnis und die Freude haben die

Menschen einander näher gebracht; aber die gleichen Motive treiben sie ohne Unterlaß dazu, die Vorteile der Gesellschaft genießen, ohne deren

Lasten tragen zu wollen; und in diesem Sınn kann man mit dem Autor [d.h. Montesquieu, Hrsg.] sagen, daß die Menschen sich, seit sie in Gesellschaft sind, im Zustand des Krieges befinden. D’Alembert, » Analyse de l’esprit des lois«, a.a.O. (Anm. 7), 5. 2. 24 Montesquieu, De l’Esprit des loıs, VIN, 5: »...je größer die Sicherheit dieser Staaten ist, um so mehr sind sie, wie zu stille Gewässer, der Fäul-

nis anheimgegeben.« 25 Übers. Hrsg.: Eine einzige Regierung... macht aus dem Menschengeschlecht nur einen abgespannten und matten Körper, der sich ohne Kraft auf der Erdoberfläche ausbreitet. D’Alembert, »Analyse de esprit des lois«, a.a.O., S. 3.

26 Montesquieu, De l’Esprit des lois, VII, 8: »Die meisten Völker Europas werden noch von den Sitten beherrscht. Sollte aber infolge langen Mißbrauchs der Macht oder einer großen Eroberung sich einmal der Despotismus durchsetzen können, so würden ıhn weder die Sitten noch das Klıma aufhalten können, und die Menschheit müßte ın diesem schönen Erdteil, zum mindesten eine Zeitlang, dieselbe Schmach erdulden, die

man ihr in den drei anderen zufügt.« 27 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, vollständig neu nach den Quellen hrsg. von Johannes Hoffmeister, Leipzig: Meiner

(Philosophische

Bibliothek,

166),

1938.

H.A.

zitiert

den

Abschnitt C.I: »Der Anfang der Geschichte der Philosophie«. Ein direkter Bezug zu dem S. 233 nicht erkennbar.

Montesquieu-Zitat

ist auf der angegebenen

28 Montesquieu, De P’Esprit des lois, VIII, 10: »Das Prinzip der despotischen Regierung entartet unaufhörlich, weil es von Natur aus schon verdorben ist. Die anderen Regierungsformen gehen zugrunde, wenn besondere Ereignisse ihr Prinzip verletzen; diese aber geht an ihrer inneren Fehlerhaftigkeit zugrunde, wenn nicht zufällige andere Anlässe ıhr Prinzip vor dem Verderben schützen.«

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NOVEMBER

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9 Übers. Hrsg.: Die Vollendung dieser Herrschaft [d.h. der tyrannischen, H.A.] bedeutet l’esprit des lois«, 30 Montesquieu, De Merkmal kleiner

deren Zusammenbruch. D’Alembert, »Analyse de a.a.O., 5. 6. l’Esprit des lois, VIII, 20: »Wenn es also ein natürliches Staaten ist, eine republikanische Staatsform zu haben,

3

u|

mittelgroßer, einem Monarchen zu unterstehen, und der großen Reiche, von einem Despoten beherrscht zu werden, so folgt daraus, daß der Staat, um die Prinzipien der bestehenden Regierungstorm bewahren zu können, seine bisherige Größe beibehalten muß.« Montesquieu, De l’Esprit des lois, VII, 21: der Wunsch Neros, das Men-

schengeschlecht möge nur einen Kopf haben (vgl. Übers. E. Forsthoff, D

Bd. 1, S. 177). 3

Montesquieu, De l’Esprit des lois, Preface: »Der Mensch, same Wesen, das sich in der Gesellschaft den Gedanken und gen der anderen anpaßt, ist gleich fähig, seine eigene Natur wenn man sie ihm zeigt, aber auch selbst das Gefühl dafür wenn man sie ihm verbirgt.«

dieses biegEmpfindunzu erkennen, zu verlieren,

33 Montesquieu, De P’Esprit des loıs, X, 3 (Vom Rechte der Eroberung): »Denn selbst, wenn die staatliche Gemeinschaft [la societe, Hrsg.] zerstört werden dürfte, folgt daraus noch nicht, daß auch die Menschen, die sie bilden, vernichtet werden dürften. Die Gemeinschaft [la societe, Hrsg.] ist ein Verband von Menschen und nicht die einzelnen Menschen;

der Bürger als solcher darf zugrunde gehen, aber der.Mensch muß erhalten bleiben.« 34 Montesquieu, De P’Esprit des loıs, X, 16: »Ist die Eroberung ungeheuer

groß, so erfordert sie den Despotismus. Dann genügt eine über die Provinzen verteilte Armee nicht, sondern dann... (muß eine) Milız.... alle

die ın Furcht halten, denen man zwangsläufig einigen Einfluß im Reich belassen mußte.« 35 Montesquieu, De /’Esprit des loıs, XI, 5: »Es gibt auch eine Nation in der

Welt, die als unmittelbaren Zweck ihrer Verfassung die politische Freiheit hat.« 36 Montesquieu, De P’Esprit des lois, XI, 6: »...das Gesetz, das klarsichtig

und blind zugleich ıst.« -»...ich...., der ich glaube, daß selbst ein Zuviel an Vernunft nicht immer wünschenswert ist«.

37 Montesquieu, De l’Esprit des lois, XI, 2: »Die philosophische Freiheit besteht in der Ausübung seines Willens... Die politische Freiheit besteht in der Sicherheit.« 38 Montesquieu, De l’Esprit des lois, XII, 4: »Das ist der Triumph der Frei-

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HEFT

VII

heit, wenn die Strafgesetze jede Strafe der besonderen Natur der Straftat entnehmen. Alle Willkür entfällt. Die Strafe hängt nicht von der Laune des Gesetzgebers ab, sondern von der Natur der Sache, und es ist nicht der Mensch, der dem Menschen Gewalt antut.« 39 Montesquieu, De P’Esprit des lois, XII, 19: »... es [gibt] Fälle..., in denen man zeitweilig der Freiheit einen Schleier überwerfen muß, wie man die

Bilder der Götter verhüllt.« 40 Montesquieu. De l’Esprit des lois, XII, 30 (Fußnote, Despotie in Persien): »»Man brachte Cavadesin das Schloß der Vergessenheit, Ein Gesetz verbietet, von denen zu sprechen, die dort eingesperrt sind,

und sogar ihren Namen zu nennen.Schweiß deines Antlitzes«. 5 In der überarbeiteten Fassung, $. 13: »...ihn zu bedienen und ihn zu hüten.«

6 »Vielfältig das Unheimliche« (Übers. M. Heidegger) sind die Eingangsworte des Chors im 2. Akt von Sophokles, Antigone, VS 332. Heidegger hat H.A. wahrscheinlich die Übersetzung mitgegeben, siehe Arendt-

Heidegger-Briefe, 5. 285. 7 Sophokles, Antigone, VS 338-341.

[14] ı Gemeint ist wahrscheinlich Franz Delitzsch. In seinem Commentar über die Genesis (Leipzig: Dörffling und Franke, 1860) konnte eine entsprechende Aussage aber nicht gefunden werden.

[16] ı William Wordsworth, Zeilen aus dem Gedichtzyklus The Prelude, Buch 14. H.A. verwendet dieses Zitat in ihrem Essay Understanding and Poltics (1953); deutsch (übers. von U. Ludz) in: H.A., Zwischen Vergangen-

heit und Zukunft, S. 127.

[17] ı Friedrich Hölderlin, »Reflexions, in: Sämtliche Werke (Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe), hrsg. von Friedrich Beissner, Stuttgart: Cotta, Bd. 4,1 (1961), $.235.

[18] ı Das Zitat von Herman Melville konnte nicht gefunden werden.

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JANUAR

1952 BIS APRIL

1952

[19] ı Rainer Marıa Rilke, »Briefwechsel in Gedichten mit Erika Mitterer 1924/1926«: »Für Heide«, in: ders., Sämtliche Werke, hrsg. vom RilkeArchiv ın Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zion, Frankfurt am Main, Insel, Bd. 2 (1956), S. 292.

[21] ı John Milton, Paradise Lost (1667); deutsch: »Was Hoffnung an Erstar-

kung uns mag geben, / Wenn nicht, was an Entschlußkraft die Verzweiflung.« - »Zu herrschen in der Hölle hier ist mir/ Lieber, als in dem Hımmel nur zu dienen.« - »... wo die alte Nacht / Sich mit dem Chaos in die Herrschaft teilt, / Die diesen Vorderfahren der Natur / Inmitten des Getöses steter Kriege / In immerwährendem Anarchentum / Als Reich des Durcheinander fortbesteht.« John Milton, Das verlorene Paradies,

aus dem Englischen übertragen und hrsg. von Hans Heinrich Meıer, durchgesehene Ausgabe, Stuttgart: Reclam (Universal-Bibliothek, 2191), 1986. Die Verszählung dieser Ausgabe weicht von der von H.A. angegebenen ab; die Zitate finden sıch hier unter den Zeilennummern: I, 220-221; I, 306-307; II, 1170-1176.

[22] ı Die zitierten Sätze befinden sich im 17. Kapitel von William Faulkners Roman Light in August aus dem Jahr 1932. Als Byron Bunch zu dem

schlafenden (entehrten) Geistlichen Hightower ins Zimmer tritt, heißt es: »Er näherte sich dem Bett. Der noch immer unsichtbare Schläfer

schnarchte schwer. Etwas von tiefer, völliger Verlorenheit lag darin. Nicht Erschöpfung, sondern Verlorenheit, als hätte er ganz und gar aufgehört, an jenem Konglomerat von Stolz und Hoffnung und Eitelkeit und Furcht festzuhalten, an jenem Vergnügen, sich an Niederlage oder Sieg zu klam-

mern, das das Ich-Bin ausmacht und dessen Aufgabe gemeinhin den Tod bedeutet.« W. Faulkner, Licht im August, Roman, aus dem Amerikanischen von Franz Fein, München-Zürich: Droemer-Knaur (Knaur Bücher der Welt, 16), o.J. (1962), S. 360. Die hervorgehobenen Stellen werden von H.A. zitiert.

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HEFT

VIII

Ile de France (Europareise vom März bis August 1952) H.A. reiste im Frühjahr 1952 ein zweites Mal im Auftrag der Commission

on Jewish Cultural Reconstruction nach Europa. Während ihres Aufenthaltes erfuhr sie, dass sie für 1952/53 ein Stipendium der Guggenheim Foundation für die geplante Studie »Iotalitarian Elements ın Marxism« bekommen hatte. Sie wohnte längere Zeit bei ihrer Freundin Anne Mendelsohn-Wejl

in Paris, auch weil eine geplante Israel-Reise nıcht zustande kam. In Paris traf sie u.a. Albert Camus, den »besten Mann, den es augenblicklich in

Frankreich gibt«, Alexandre Koyre, Jean Wahl und Raymond Aron. Sie besuchte Jaspers in Basel und verbrachte mit ihm und seiner Frau Ferien in St. Moritz. Zu zwei mehrtägigen Aufenthalten reiste sie nach Freiburg, wo sie sich immer wieder mit Martin Heidegger traf und zwei Stunden seiner Vorlesung »Was heißt Denken?« hörte (siehe hierzu Heft IX, 17). In meh-

reren deutschen Städten hielt sie Vorträge, u.a. über »Ideologie und Terror«. In München, wo sie sich wegen Recherchen für die Commission on Jewish Cultural Reconstruction aufhielt, besuchte sie die Vorlesung ihres alten Lehrers Romano Guardini. Zu weiteren Einzelheiten siehe ArendtBlücher-Briefwechsel, S. 235-328.

Das Projekt »Totalitarian Elements ın Marxism« ist nie zum Abschluß gebracht worden, ein Verlängerungsantrag wurde nicht bewilligt. Dennoch kommt diesem Vorhaben eine Schlüsselstellung in Arendts intellektueller Biographie zu, vgl. E. Young-Bruehl, Hannah Arendt, 5.300, und U. Ludz in ihrem Kommentar in H.A., Was ist Politik?, S. 145 f. - Arendts Stu-

dien im Rahmen des Guggenheim Stipendiums haben Spuren hinterlassen: (1) in den Vorlesungen der Christian Gauss Seminars in Criticism an der Princeton University im Oktober/November 1953 mit dem Thema »Karl Marx and the Tradition of Western [Political] Thought Platon, IIoAıreia, 370b7-8; Übers. R. Rufener: »daß eine Arbeit verdor-

ben ist, wenn man die richtige Zeit dafür verpaßt«. 3 Platon, IToAıteia, 371b4-6; Übers. R. Rufener: »Wie sollen sie einander liefern, was ein jeder herstellt? Gerade deshalb haben wir ja die Gemein-

schaft gebildet und die Stadt gegründet.« Anstelle von »liefern« für »uETasL80OVvOL« übersetzt H.A. mit Schleiermacher: »mitteilen«. 4 Platon, IIoAıreia, 372a1-2; Rufener übersetzt: »durch ein gegenseitiges Bedürfnis ..., das diese Menschen zueinander führt«.

[17] ı Im Wintersemester 1951/52 hatte Martin Heidegger seine erste Vorlesung nach dem Lehrverbot gehalten und diese im Sommersemester 1952 fortgesetzt. Das Thema lautete: »Was heißt Denken?« H.A. , die am 19. Mai für eine knappe Woche nach Freiburg gekommen war, hatte bereits die Stunde am 23. Mai gehört. Am 30. Mai war sie noch einmal zurückgekehrt (siehe Arendt-Blücher-Briefe, S. 274f., 282f.) und hatte

in der vierten Vorlesungsstunde im Auditorium gesessen (siehe auch Arendt-Heidegger-Briefe, Dokumente 79 und 81). - H.A.s Mitschrift

973

HEFT

IX

dieser vierten Stunde am Freitag, d. 30. Mai, wurde mit der gedruckten Fassung von Heideggers Vorlesung verglichen beziehungsweise diese zur Entzifferung des besonders schwer zu lesenden Originals herange. zogen: Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen: Niemeyer, 1954, 9. 157-159, 8.95 -101. Wörter und Satzteile in eckigen Klammern D

stammen von den Herausgeberinnen. Dieser Satz bezieht sich auf das abendländische Denken. Heidegger schreibt (Was heißt Denken?, a.a.O., S. 98): »In der Tat beginnt die Ge: schichte des abendländischen Denkens nicht damit, daß es das Bedenklichste denkt, sondern es in der Vergessenheit läßt. Also beginnt

das abendländische Denken mit einem Versäumnis, wenn nicht gar mit einem Versagen. So scheint es, solange wir in der Vergessenheit lediglich einen Ausfall und somit etwas Negatives sehen. Überdies finden wir hier

nicht auf den Weg, wenn wir eine wesentliche Unterscheidung übergehen. Der Beginn des abendländischen Denkens ist nicht das gleiche

w

wie der Anfang. Wohl aber ist er die Verhüllung des Anfangs und sogar

eine unumgängliche. Wenn es sich so verhält, dann zeigt sich die Vergessenheit in einem anderen Licht. Der Anfang verbirgt sıch im Beginn.« Vgl. bei Heidegger (a.a.O., $. 100): »Der Name. »Logik« ist die Abkürzung des vollständigen "Titels, der griechisch lautet: &mowmun Aoyımn, das Verstehen, das den Aöyog betrifft. Aöyog ist Hauptwort für das Zeitwort A£&yeıv.«

[18] Zu den benutzten Ausgaben von Platon, IToAızeia, siehe oben unter Nr. 10. ı Platon, IoAıreia, 373b2-5; Übers. R. Rufener: »So müssen wir also wiederum die Stadt vergrößern. Denn jene, die gesunde, genügt nicht mehr, sondern sie muß jetzt durch eine Menge Menschen aufgefüllt wer-

Aw

den, die nun nicht mehr um des Notwendigen willen in den Städten wohnen, wie zum Beispiel die Jäger aller Art und die nachahmenden Künstler ...« - Der hervorgehobene Satzteil wird von H.A. griechisch zitiert. 2 Das »Die-Grenzen-Überschreiten« erzeugt »Ungerechtigkeit« und ist »Entstehungsgrund des Krieges«, vgl. Platon, JIoAıreia, 373dı0 sq. Platon, IloAızeia, 375b2- 3; Mut: »etwas Unwiderstehliches und Unbe-

siegliches..., und daß, wo er sich findet, jede Seele allem gegenüber furchtlos ist und nicht unterliegen kann« (Übers. R. Rufener).

974

APRIL 1952 BIS AUGUST 1952 „ Platon, HoAıreia, 387dır-387e1. Von dem »anständig denkenden« (R. Rufener) - dem »rechtschaffenen« (F. Schleiermacher) - Mann wird

un

gesagt, daß er »in besonderem Maße sich selbst genügt, um glücklich zu leben, und daß er viel weniger als die übrigen eines anderen bedarf« (Übers. R. Rufener). - Der hier hervorgehobene Satzteil ist von H.A. griechisch zitiert und unterstrichen. Platon, /IoAıteia, 405b1ı-4. Rufener übersetzt: »Oder hältst du es nicht

für schimpflich und für ein deutliches Zeichen von Unbildung, wenn man gezwungen ist, mit einer von anderen Menschen, als Herren und Richtern, hergeholten Gerechtigkeit zu leben, weil man selbst keine besitzt?«

[19] ı Eine Zeile aus Rilkes Zyklus »Briefwechsel in Gedichten mit Erika Mitterer 1924/1926«, siehe oben Heft VIII,ı9 und im Anmerkungsteil $. 967. 2 Bei Rilke heißt es in der 1. Duineser Elegie: »Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du / so viel liebender fandst als die Gestillten ...« Siehe

Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, hrsg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn, Frankfurt am Main: Insel, Bd. ı (1955), 5. 686.

[20] ı Gemeint ist wohl das Zitat aus Goethes Maximen

und Reflexionen:

»Der Handelnde ist immer 'gewissenlos; es hat niemand Gewissen als der Betrachtende.« Siehe oben Heft I,; und im Anmerkungsteil S. 910.

[23] ı Dieser Eintragung liegt die Lektüre von Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum (Köln: Greven, 1950)

zugrunde. Zu Schmitts Polemik gegen den »gerechten Krieg« siehe dort 5.126 ff., S.232 ff.; über seine "These von der »Kriminalisierung des Angriffskriegs« besonders den Abschnitt » Ansatz zu einer Kriminalisierung des Angriffskriegs im Genfer Protokoll von 1924«, S. 244 ff. 975

HEFT

IX

[24] ı Das Zitat konnte in dieser Form nicht verifiziert werden, siehe aber: »E, ist ein ewiges Leben, Werden und Bewegen in ıhr [der Natur]... Fürs

Bleiben hat sie keinen Begriff und ihren Fluch hat sie ans Stillestehen gehängt.« Johann Wolfgang von Goethe, Fragment Die Natur, ın: Goethes

Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 13, 5. 46. 2 Siehe Goethe, Maximen und Reflexionen, in: A.a.O., Bd. 12, S. 517 (hier unter der Nummer 1081).

[25] ı Martin Heidegger, Sein und Zeit (1927), 5. 253, in: Heidegger, Gesamtausgabe, Bd. 2 (1977), S. 336.

[26] ı In Heft III,13 ($. 64) zitiert H.A. aus einem bisher nicht veröffentlichten

Manuskript von Martin Heidegger einen Satz, auf den sie sich hier beziehen könnte, siehe auch im Anmerkungsteil $. 933.

[28] ı Stalin über Lenin: »Mich fesselte jene unüberwindliche Kraft der Logik in Lenins Reden, die... die Zuhörerschaft völlig in ıhren Bann zieht... Ich erinnere mich, wie viele der Delegierten damals sagten: »Die Logik in Lenins Reden gleicht allmächtigen Fangarmen, die dich wie Zangen von allen Seiten umfassen und aus deren Umklammerung du dich nicht befreien kannst: Entweder du ergibst dich, oder sei deiner völligen Niederlage sicher.< Ich glaube, daß diese Besonderheit der Reden Lenins die stärkste Seite seiner Rednerkunst ist.« J. Stalin, »Über Lenin«, Rede auf dem Gedenkabend der Kremlkursanten, 28. Januar 1924, in: W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Stuttgart: Verlag Das Neue Wort, 1952, Band ı, S. 30-38, S. 32.

976

AUGUST

1952 BIS SEPTEMBER

1952

[29] ı Jules Vuillemin, Z’Etre et le travail: les conditions dialectiques de la psy-

chologie et de la sociologie, Paris: Bibliotheque de la philosophie contemporaine, 1949. H.A. ausführlicher zu Vuillemin in ihrem Buch Vita activa, S. 339. (Anm. 48).

Anmerkungen zu Heft X Seite 225-246

Palenville (Urlaubsort von 1951 bis 1967) Seit 1951 verbrachten H.A. und ihr Mann häufig ihre Ferien in Palenville,

einem Ort in den Catskill Mountains nördlich von New York. Palenville war für H.A. aber auch ein Ort, an den sie sich zum Arbeiten zurückzog. In einem Brief an Kurt Blumenfeld vom 6. August 1954 heißt es: »Wir sitzen hier wie jedes Jahr, um dem NY Sommer zu entgehen, der es ja, wie Du weißt, in sich hat. Arbeiten, spazieren, schwimmen, Grünes, Bäume, Bächlein mit vielen Wasserfällen, Hügel, Felsen, kurz, alles was man braucht. Ich genieße vor

allem die Stille. NY ist in den letzten Jahren viel lärmender geworden als zu Deiner Zeit, vor allem auch durch den großen Flugverkehr, und ich bin oft ziemlich verzweifelt mitmeinem Ruhebedürfnis.« (Arendt-Blumenfeld-Korrespondenz, 5. 104; vgl. auch das kleine Gedicht in Heft XVII,27, S. 419) - in späteren Jahren wird H.A.auchandere Orteinden Catskillsbesuchen: Roscoe (sieheS. 382)undim Oktober 1969 die Hotelanlage Minnewaska (sieheS. 743).

[1] ı EM. Dostojewski, Schuld und Sühne. Aus welcher Ausgabe H.A. zitiert hat, konnte nicht ermittelt werden. Entsprechende Zitate befinden sich in der Ausgabe von F. M. Dostojewski, Schuld und Sühne, München: Piper, 1953, auf den Seiten: 563; 564; 653.

977

HEFTX

[2] H.A. setzt in dieser und den folgenden Eintragungen ihre in Heft IX begonnene Lektüre von Platons /IoAıreia fort. Zu den benutzten Ausgaben siehe oben im Anmerkungsteil unter Nr. 10, S. 971.

5%)

D

ı Platon, IoAıreia, 427d6-7; Übers. F. Schleiermacher: »wie sie voneinander verschieden sind und welche von beiden nun der besitzen muss, der glückselig sein soll, mag er nun auch allen Göttern und Menschen verborgen bleiben oder nicht«.

Platon, IToAıreia, 42905. Die Übersetzung bei Schleiermacher lautet: »Ich meine also, antwortete ich, die Tapferkeit sei eine Bewahrung und Aufrechterhaltung.« Platon, IToAıteia, 433b3-c1; Übers. F. Schleiermacher: »Dieses also, o

Lieber, sprach ich, wenn es auf gewisse Weise geschieht, scheint die Gerechtigkeit zu sein, dass jeder das Seinige verrichtet. Weißt du, woher ich das schließe? — Nein, sondern sag es! antwortete er. - Mich dünkt nämlich, ... das noch übrige in der Stadt, ausser dem, was wir schon betrachtet haben, der Besonnenheit, Tapferkeit und Vernünftigkeit,

müsse dasjenige sein, was jenen insgesamt die Kraft gibt dazusein, und müsse auch jenes, nachdem es nun da ist, erhalten, solange es selbst vor-

handen ist...« - Die hervorgehobenen Stellen werden von H.A. griechisch zitiert. 4 Platon, IIoAıreia,

433e12-434a1;

Übers.

F. Schleiermacher:

Daher

Gerechtigkeit: »dass jeder das Seinige und Gehörige hat und tut«. 5 Platon, IIoAıreia, 443b2; Übers. F. Schleiermacher: »daß jeder das Sei-

nige verrichtet auf Herrschen und Beherrschtwerden«. 6 Platon, IIoAızeia, 443d5 -e3; Übers. F. Schleiermacher: »... sondern jeg-

lichem sein wahrhaft Angehöriges beilegt und sich selbst beherrscht und ordnet und Freund seiner selbst ist und die drei in Zusammenstimmung bringt, ordentlich wie die drei Hauptglieder jedes Wohlklangs, den Grundton und den dritten und fünften, und wenn noch etwas zwischen

diesen liegt, auch dies alles verbindet und auf diese Weise einer wird aus vielen ...« -— Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. 7 Platon, IIoAıreia, c9-d2; Übers. F. Schleiermacher: »Soviel, sprach ich,

wie es Arten der Staatsverfassung gibt, so viele mögen auch wohl die Gestalten der Seele sein. — Wieviel also? — Fünf, sprach ich, [Arten] der Staatsverfassungen und fünf der Seele.« — Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert.

978

AUGUST 1952 BIS SEPTEMBER 1952

[5J I

Platon, IToAıteia, 462c11-d3; Übers. F. Schleiermacher: »Und derjenige also, welcher dem einzelnen Menschen am allernächsten sich verhält. So wie, wenn einem unter uns der Finger verwundet ist, die gesamte, dem in

der Seele Herrschenden als eins zu Gebote stehende, über den ganzen Leib sich erstreckende Gemeinschaft desselben mit der Seele es zu fühlen pflegt und insgesamt zugleich mitzuleiden mit einem einzelnen schmer-

zenden Teil, sie, die ganze, und wir sodann sagen, dass der Mensch Schmerzen hat am Finger.« 2 Platon, Söhne, 3 Platon, teilhat,

MoAıreia, 465b3-4; Übers. F. Schleiermacher: »...einige als andere als Brüder, andere als Väter«. IToAıreia, 478e2; Übers. F. Schleiermacher: »... was an beiden am Sein und am Nichtsein«.

[6] I

Platon, IToAıteia,

496c249602-4

4; Übers. F. Schleiermacher: »Von den meini-

gen lohnt es nicht zu reden, dem göttlichen Zeichen, mag es nun sonst schon einem anderen oder auch noch keinem zuvor geworden sein.«

[3] I

Platon, IToAıreia, 544d7-es; Übers. F. Schleiermacher: »Und du weißt

doch, daß es gewissermaßen ebensoviel Arten von Menschen geben muß wie von Verfassungen. Oder meinst du, daß die Verfassungen von der Eiche oder vom Felsen entstehen und nicht aus den Sitten derer, die in den Staaten sınd.... Also wenn fünf Arten des Staates, müssen auch die

Seelen der einzelnen auf fünferlei Art eingerichtet sein.« Platon, IIoAıteia, 5624-9; Übers. F. Schleiermacher: »Nun wäre uns

Aw)

mithin noch übrig, ... die trefflichste Verfassung und den trefflichsten Mann [durchzugehen], die Tyrannei und den Tyrannen .... Denn daß sie sich aus der Demokratie abändert, ist wohl fast offenbar.« Platon, ToAıreia, 56437 -9; Übers. F. Schleiermacher: »So kommt denn

wahrscheinlich

die Tyrannei

aus

keiner

anderen

Staatsverfassung

zustande als aus der Demokratie, aus der übertriebensten Freiheit die

strengste und wildeste Knechtschaft.« 979

HEFTX

4 Platon, IToAıreia,

566a3-4;

Übers.

F. Schleiermacher:

»... entweder

durch seine Feinde unterzugehen oder ein Tyrann und also aus einem Menschen ein Wolf zu werden?«

[91

w

D

I

Platon, ToAıteia, 573b7-8; Übers. F. Schleiermacher: »Heisst auch... etwa eben deshalb schon von alters her Eros ein Iyrann?«

Gemeint ist der Kommentar des Chors zur Verurteilung Antigones durch Kreon, in: Sophokles, Antigone, Vers 781-800. Platon, IToAıreia, 57303 - 5; Übers. F. Schleiermacher: » Aber auch einer, bei dem es nicht recht richtig ist, wenn er zum Wahnsinn gesteigert wird,

nımmt einen Ansatz und lebt der Hoffnung, er werde über Menschen nicht nur, sondern gar auch über Götter herrschen können.« Platon, IToAızeia, 592b3 -6; Übers. F. Schleiermacher: »Aber... im Him-

mel ist doch vielleicht ein Muster aufgestellt für den, der sehen und nach

un

dem, was er sieht, sich selbst einrichten will. Es gilt aber gleich, ob ein solcher irgendwo ist oder sein wird, denn dessen Angelegenheiten allein wird er doch verwalten wollen, eines anderen aber gar nicht.« Platon, IIoAıteia, 5s8ocıı-583a11.—- Als drei Arten der Lust ([hedonai], Lust, Freude) unterscheidet H.A. mit Platon (Übersetzung in Anlehnung an Schleiermacher): ı.[manthanein] verstehen = die Wahrheit erkennen = Philosoph; 2. [thymein] = zürnen, erzürnen = der Ehrliebende = der Streitlustige; 3. [epithymein] = begehren = der Geldgierige = der Eigennützige. 6 Platon, ToAıteia, 581e3-4; Übers. F. Schleiermacher: »... notwendige Lust, weil er diese anderen gar nicht brauchen würde, wenn die Not nicht wäre...« 7 Platon, IToAıteia, 582dı2; Übers. in Anlehnung an F. Schleiermacher:

»Begriffe von diesem — dem Philosophen - sind das vorzügliche Werkzeug.«

[12] ı James Madison in: The Federalist Papers, edited and with an Introduction by Clinton Rossiter, New York: New American Library, 1961,

S. 322. — »Aber ist nicht die Notwendigkeit von Regierung schon an sich 980

AUGUST 1952 BIS SEPTEMBER 1952 die stärkste Kritik an der menschlichen Natur? Wenn die Menschen Engel wären, so bräuchten sie keine Regierung. Wenn Engel die Menschen regierten, dann bedürfte es weder innerer noch äußerer Kontrollen der Regierung.« Hamilton, Madison, Jay, Die Federalist-Artikel, hrsg., übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Angela Adams und Willi Paul Adams, Paderborn: Schöningh (UTB, 1788), 1994, S. 314. 2 Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social, Buch ı, Kap. 7: »Du Souve-

rain«, in: ders., Euvres Completes, S. 362; Übers. H. Brockard: »Niemand [ist] an Verträge mit sich selbst gebunden, in: J.-]. Rousseau, Vom

Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts, 5. 19. - Genaue Angaben für die Titel siehe Literaturverzeichnis.

[13] ı Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social, S. 363; Übers. H. Brockard im Zusammenhang: »Sobald jene Menge auf solche Art zu einer Körperschaft verschmolzen ist, kann man keines ihrer Glieder verletzen, ohne

die Körperschaft anzugreifen; noch weniger kann man die Körperschaft verletzen, ohne daß die Glieder die Wirkung spüren. So zwingen Pflicht und Vorteil die beiden Vertragsteile gleicherweise zu gegenseitigem Beı-

stand, und die gleichen Menschen müssen versuchen, in dieser Doppelbeziehung alle sich daraus ergebenden Vorteile zu vereinen.« ($. 20) — Genaue Angaben für die Titel im Literaturverzeichnis.

[14] ı Siehe Paulus, Römer, 2, VS ı2ff.; 3, VS 20ff.; 7, VS 7-8.

[15] ı Gemeint ist Carl Schmitt. Siehe Heft IX,23 und Anmerkungsteil $. 975.

981

HEFT

XI

[16] 1 Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social, 5. 378; Übers. H. Brockard:

»Durch den Gesellschaftsvertrag haben wir der politischen Körperschaft Dasein und Leben gegeben; jetzt handelt es sich darum, ihr durch das Gesetz Antrieb und Willen zu verleihen... Dann ist die Sache, übe; die man

bestimmt,

so allgemein wie der Wille, der bestimmt.

Diesen

Akt nenne ich ein Gesetz. Unter der Behauptung, daß der Gegenstand

der Gesetze immer allgemein ist, verstehe ich, daß das Gesetz die Untertanen als Gesamtheit und die Handlungen als abstrakte betrachtet,

nie jedoch einen Menschen als Individuum oder eine Einzelhandlung.« (S. 39-40) - Genaue Angaben für die Titel siehe Literaturverzeichnis.

[19] ı Siehe oben Nr. 4

Anmerkungen zu Heft XI Seite 247-268

[2] ı Im folgenden wird die spätere (5.) Auflage von 1993 der von Karl Büch-

ner übersetzten lateinisch-deutschen Ausgabe von Ciceros Der Staat (siehe Literaturverzeichnis) zugrunde gelegt. - H.A. hat seinerzeit offenbar auf Anregung von Karl Jaspers die philosophischen Schriften von Cicero gelesen, siehe ihren Brief vom 7.9. 1952, Arendt-JaspersBriefwechsel, S. 237.

2 Cicero, De re publica, I, 1: »...daß eine so große Notwendigkeit zu männlicher Bewährung dem Geschlecht der Menschen und eine so große Liebe, das allgemeine Wohl zu schützen, von Natur verliehen ist,

daß diese Kraft alle Verlockungen der Lust und der Muße besiegt hat.« 3 Cicero, De re publica, I, 2: »Nicht genug aber ist’s, diese männliche Voll-

982

SEPTEMBER kommenheit

1952 BIS NOVEMBER

zu besitzen wie eine Kunst, wenn

1952

du sie nicht betätigst.

Während eine Kunst, magst du sie nicht betätigen, sich doch eben im Sichverstehen auf sie selbst festhalten läßt, raht die männliche Vollkommenheit ganz in der Betätigung ihrer selbst; ihre größte Betätigung aber ist die Lenkung des Staates.« - Die hervorgehobene Passage wird von

H. A. lateinisch zitiert, siehe auch unten Nr. 3. 4 Cicero, De re publica, I, 4: »Aber nicht nach dem Gesetz hat uns die Heimat gezeugt oder aufgezogen, daß sie kein Ziehgeld gleichsam von uns erwartete und nur selber unserem Vorteil dienend eine sichere Zu-

flucht für unsere Ruhe zur Verfügung stellt und einen ungestörten Platz zum Ausruhn, sondern daß sie die meisten und größten Teile unseres Geistes, unserer Anlage, unserer Einsicht selbst sich zu ihrem Nutzen ausbedang, und uns nur soviel zu unserem eigenen Gebrauch überließ,

wie ıhr selber entbehrlich sein könnte.« — Die hervorgehobenen Zeilen wurden von H.A. in lateinischer Sprache zitiert. s Gemeint ist Cornelius Scipio Aemilianus Africanus Minor Numantius -

jener Scipio, »den Cicero zur Hauptgestalt seines Dialoges macht«. In ihm, so Büchner, »findet zum ersten Male eine wirkliche Verschmelzung

griechischen und römischen Geistes statt, und Cicero konnte keinen besseren Vertreter seiner Gedanken wählen« (Cicero, Der Staat, 5. 360). 6 Cicero, De re publica, 1, 7: »Denn es gibt nichts, wobei menschliche Vollkommenheit näher an der Götter Walten heranreichte, als neue Staa-

ten zu gründen oder schon gegründete zu bewahren.« 7 Zum Traum des Scipio (»Somnium Scipionis«) am Ende von Ciceros De re publica siehe unten Nr. 6 (Anm. 1). — »Aus Plato entlehnt« ist eine

mißverständliche Formulierung. Gemeint ist wohl, daß Cicero sıch insofern Platons Politeia zum Vorbild nimmt, als er am Ende von De re

publica mit seinem »Somnium Scipionis« eine dem Platonschen Jenseitsmythos vergleichbare Darstellungsebene wählt. 8 Diesen Satz (recte: des P. Cornelius Scipio Africanus nach Catos Zeugnis), der bei Cicero, De re publica 1, 17, überliefert ist, hat H.A. gerne zitiert -— an prominenter Stelle am Ende ihres Buches Vita activa (S. 317), wo sıe hinzufügt: »was übersetzt etwa heißt: »Niemals ist man tätiger, als wenn man dem äußeren Anschein nach nichts tut, niemals ist man weniger allein, als wenn man ın der Einsamkeit mit sich allein ist.«« Später wählte sie das Zitat in lateinischer Sprache als eines der Motti für den ersten Band von The Life of the Mind. 9 Cicero, De re publica, I, 18: »... weil er das erforschte, was er doch niemals finden würde.«

983

HEFT

Io

XI

Cicero, De re publica, 1, 25: »Es ist also

Gemeinwesen« — weil nämlich »nur das ein Volk [ist]..., das durch die Anerkennung des Rechts zusammengehalten wird«. H.A. zitiert hier aus einem nicht erhaltenen Stück, siehe den Zwischentext von K. Büchner (a.a.O., $S. 201); vgl. auch Büchners Nachwort »Zur Einordnung der Fragmente« (a.a.O., S. 394 ff.). Büchner verweist an der

erstgenannten Stelle auf das Werk Divinae institutiones von Lactantius (Laktanz), der die »Hauptquelle« bei der Rekonstruktion von Ciceros De re publıica darstelle. H.A. übernimmt. diese Angabe. 4 Die bei Nonius überlieferte Stelle (Cicero, De re publica, II, 7) lautet in

der Übersetzung von Büchner: »Diese Tugend richtet sich vor den anderen ganz auf fremden Nutzen und entfaltet sich dabei.«

s Epitome ist ein Auszug aus dem Werk Divinae institutiones des Laktanz, siehe oben Anmerkung 3. 6 Cicero, De re publica, II, 7: Sie »haben ... jene höchste Tugend, das heißt

das gemeinsame Gut aller, nur wenigen zugewiesen«, obwohl doch »keiner unter den Menschen [ist], auch nicht unter den geringsten und Bettlern, den die Gerechtigkeit nicht angehen könnte«. 7 Cicero, De re publica, IN, 26: »... wenn alles dies auf den Nutzen bezo-

gen wird, läßt sich der gute Mann nicht finden.« - Den ganzen Satz hat H.A. später eingefügt. 8 Cicero, De re publica, III, 7: »Die Gerechtigkeit schaut nach außen,

streckt sich vor und ragt heraus.« 9 Cicero, De re publica, IN, ı1: »Ich frage aber, wenn es Pflicht eines

gerechten Mannes, und wenn es Pflicht eines guten Mannes ist, den Gesetzen zu gehorchen: Welchen? Etwa allen, wie sie auch immer sınd?

Aber Vollkommenbheit verträgt keine Widersprüchlichkeit und die Natur duldet keine Verschiedenheit und die Gesetze werden durch Strafe,

nicht durch unsere Gerechtigkeit gutgeheißen; nichts hat also das Recht von Natur; woraus jenes folgt, daß es auch nicht Gerechte von Natur gibt.«

o Die Stelle bei Cicero, De re publica, III, 13, lautet in Büchners Überset-

I

mn

zung: »...der Gerechtigkeit Mutter ist nicht die Natur und nicht der Wille, sondern die Schwäche.« Cicero, De re publica, III, 17: »>Ich frage: wenn zwei sind, von denen der eine der beste Mann...ist, der andere von ausnehmender Verruchtheit..., und wenn die Gemeinde in dem Irrtum lebt, daß sie jenen guten

987

HEFT

XI

Mann für einen verbrecherischen ... hielte,....: wer wird dann denn so wahnsinnig sein, nicht zu wissen, welcher von beiden er lieber sein möchte?««

ı2 Cicero, De re publica, III, 22: daß das wahre »Gesetz die richtige Ve,. nunft [ist], die mit der Natur in Einklang steht, sich in alle ergießt.... alle Völker und zu aller Zeit wird ein einziges, ewiges und unveränderliche, Gesetz beherrschen und einer wird der gemeinsame Meister gleichsam und Herrscher aller sein: Gott! ... wer ıhm nicht gehorcht, wird sich sel. ber fliehen.« - Die hervorgehobenen Stellen werden von H.A. lateinisch

zitiert. Bei dem Platon-Bezug könnte es sich um folgende Stelle handeln: sIc-e. 13 Zu Scipios ’Iraum siehe den folgenden Eintrag. 14 Cicero, De re publica, III, 23. Die nach Augustinus (De civitate Dei, 2, 6) zitierte Stelle lautet im Zusammenhang (Übers. K. Büchner): »Aber diesen Strafen, die auch die Dümmsten spüren, .... werden einzelne oft entgehen, da ein schneller Tod möglich ist. Staaten aber ist gerade der Tod, der die einzelnen von der Strafe zu befreien scheint, Strafe; es muß

nämlich ein Staat so eingerichtet sein, daß er ewig ist. Deshalb gibt es keinen natürlichen Untergang eines Gemeinwesens wie den eines Men-

schen, bei dem der Tod nicht nur notwendig, sondern auch häufig wünschenswert ist. Wenn aber ein Staat beseitigt, vernichtet, ausgelöscht wird, so ist es, um Kleines mit Großem zu vergleichen, in gewisser Weise dem ähnlich, als ob diese ganze Welt zugrunde ginge und zusammen-

stürzte.« — Die hervorgehobenen Stellen sind im Text von H.A. lateinisch zitiert.

[6] Zu der benutzten lateinisch-deutschen Ausgabe von Ciceros De re publica, übersetzt von Karl Büchner, siehe Literaturverzeichnis und vgl. oben Anm. ı unter Nr. 2. ı Das berühmte »Somnium Scipionis« am Schluß von Ciceros De re publica ıst eine Traumerzählung, ein irdisch-menschlicher Traum, der vom Jenseitsmythos, mit dem Platons Politeia zu Ende geht, beeinflußt

ist. Cicero läßt Aemilianus Scipio von einem Traum und den visionären Gesprächen mit dem älteren Scipio Africanus berichten. Von einem Ort

im Hımmel weist Afrıcanus auf Karthago hinab und belehrt den Aemi988

SEPTEMBER

1952

BIS

NOVEMBER

1952

lianus u.a. über seine politischen Aufgaben. Dje Erzählung, »Ciceros

persönlichste und lebendigste philosophische Leistung« (R. Harder), ent-hält Elemente der Verkündung, der Mahnung, der Verheißung, der Ros-

DW)

»

mosschau sowie der Unsterblichkeitslehre. Es kann angenommen werden, was auch H.A.s Interpretation grosso modo entspricht, daß Cicero bestrebt war, mit dieser Erzählung auf seine Zeitgenossen mahnend einzuwirken. Cicero, De re publica, VI, 17: »der höchste Gott selber, die übrigen einschließend und umfassend«. Cicero, De re publica, VI, 19: »schaue immer auf diese himmlischen

Dinge, jene menschlichen schätze gering«.

|

4 Die Vorstellung von Gott als dem »unbewegten Beweger«

bestimmt

H.A. als »griechisch« und kontrastiert sie dem »jüdischen Schöpfergott« (vgl. Heft XIV, 6, S. 325; ferner die Auszüge aus Platons Politikos in

Heft I, 31, $. 22f.). Philosophiegeschichtlich geht diese Gottesvorstellung auf Xenophanes zurück, siehe den Artikel »Beweger, unbewegters, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. ı (1971), Sp. 863 f. un

Cicero, De re publica, VI, 25, 26: »Denn was sich immer bewegt, ist ewig; was aber einem Bewegung bringt und was selber von irgendwoher getrieben wird, muß notwendig, da es ein Ende der Bewegung hat, auch ein Ende des Lebens haben. Allein das also, was sich selbst bewegt, hört, weil es nie von sich im Stich gelassen wird, nie auf, sich zu bewegen ... So

kommt es, daß der Ursprung der Bewegung aus dem stammt, was sich selbst von sich aus bewegt... Da also am Tage liegt, daß ewig ist, was sich selbst bewegt...«

[8] ı Eine Angabe über die von H.A. benutzte Ausgabe von Rousseaus Contrat social fehlt. Ihre Zitate wurden überprüft mit: Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat social; on, Principes du droit politique; als deutsche

Übersetzung diente die von Hans Brockard (in Zusammenarbeit mit Eva Pietzcker): Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (für beide siehe Literaturverzeichnis). Die Seitenzahlen in Klammern verweisen auf die deutsche Ausgabe. 2 Rousseau, Du Contrat social, 1: »Ich werde mich bemühen, ... das, was das Recht zuläßt, stets mit dem zu verbinden, was der Vorteil vor-

schreibt, damit Gerechtigkeit und Nutzen nicht getrennt werden.« ($. 5)

989

HEFT

XI

3 Rousseau, Du Contrat social, I, 2: »La famille est...le premier mod2l;

des societes politiques.« — »Die Familie ist... das Urbild der politischen Gesellschaften.« (S. 7) 4 Rousseau, Du Contrat social, I, 3: »Der Stärkere ist nie stark genug, immer Herr zu sein, wenn er nicht seine Stärke in Recht und den Gehor. sam in Pflicht überführt.« ($. 9) 5 Rousseau, Du Contrat social, I, 4: »Puis qu’aucun homme n’a une auto:

rit€ naturelle sur son semblable, et puisque la force ne produit aucun droit, restent donc les conventions pour base de toute autorite legitime

parmi les hommes.« — »Da kein Mensch von Natur aus Herrschaft [autorite naturelle] über seinesgleichen ausübt und da Stärke [force] keinerlei Recht erzeugt, bleiben also die Vereinbarungen [conventions] als

Grundlage jeder rechtmäßigen Herrschaft [autorite legitime] unter Menschen.« ($. 10) | 6 Rousseau, Du Contrat social, I, 5: Gesellschaft entsteht durch den Akt, »durch welchen ein Volk zum Volk wird« ($. 16). 7 Die korrespondierende Stelle bei Rousseau, Du Contrat social, I, 6, lau-

tet in deutscher Sprache: »Diese Bestimmungen lassen sich bei richtigem Verständnis sämtlich auf eine einzige zurückführen, nämlıch die völlige

Entäußerung jedes Mitglieds mit allen seinen Rechten an das Gemeinwesen als Ganzes.« ($. 17) 8 Rousseau, Da Contrat social, 1, 6: »... wie jeder, indem er sich mit allen

vereinigt, nur sich selbst gehorcht ...« (S. 17) 9 Rousseau, Du Contrat social, I, 6: »Gemeinsam stellen wir alle, jeder von

uns, seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens; und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.« ($. 18) 10 Rousseau, Du Contrat social, II, 6: »... der Gegenstand der Gesetze [ist]

immer allgemein...der Gegenstand, über. den man entscheidet, [ist] genau so allgemein wie der Wille. Diesen Akt nenne ich ein Gesetz ... die Gesetze [sind] Akte des Gemeinwillens...das Gesetz [vereint] die Gesamtheit des Willens mit der des Gegenstandes.« (S. 40f.) ıı Rousseau, Du Contrat social, II, 7: »Es bedürfte der Götter, um den Menschen Gesetze zu geben.« ($. 43)

999

SEPTEMBER 1952 BIS NOVEMBER 1952

10] ; Heinrich

Heine,

Zur Geschichte

der Religion und Philosophie in

Deutschland (1834), in: ders., Gesammelte Werke, 2., vermehrte und verbesserte Aufl., Berlin: Aufbau, Bd. 5 (1955), S. 197-340, $. 253. „ Bei Kant, Kritik der Urteilskraft, B 313 ($ 70) heißt es: »So fern die Ver-

nunft es mit der Natur, als Inbegriff der Gegenstände äußerer Sinne, zu tun hat, kann sie sich auf Gesetze gründen, die der Verstand teils selbst a priori der Natur vorschreibt, teils, durch die ın der Erfahrung vor-

kommenden empirischen Bestimmungen, ins Unabsehliche erweitern kann.«

[11] ı Alexander von Rüstow, »Vereinzelung: Tendenzen und Reflexe«, in: Gegenwartsprobleme der Soziologie: Alfred Vierkandt zum 80. Geburtstag, hrsg. von Gottfried Eisermann, Potsdam: Athenaion, 1949, S.45 -78.

[12] ı Dies sind die ersten Zeilen eines Liedes des Harfners in Goethes Wil-

helm Meisters Lehrjahre, siehe Goethes Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 7, 5. 137.

2 Titel des Kapitels 13 im dritten Buch von Epiktets Dissertationes; deutsch wörtlich: »Was ist Einsamkeit [&oeuie] und. wie ist der Einsame [Eoeuog] beschaffen?« — Das Werk wird ım folgenden zitiert nach

Epiktet, Teles und Musonius, Ausgewählte Schriften, griechisch-deutsch hrsg. und übers. von Rainer Nickel, Zürich: Artemis & Winkler (Sammlung Tusculum), 1994, S. 108-115. 3 Epiktet; deutsch (a.a.O., S. 109): »Denn wer allein ist, ist darum nicht gleich auch einsam [verlassen].« Zusatz in Klammern gemäß H.A.s Interpretation.

4 Epiktet; deutsch (a.a.O., S.ııı) im Zusammenhang: Man muß »sich auch darauf einstellen, daß man sich selbst genügen, nur mit sich selbst allein [zusammen] sein kann. Wie Zeus nur mit sich zusammen ist, in sich selbst ruht, das Wesen seines Waltens durchdenkt und in Betrachtungen versunken ist, die seiner würdig sind, so müssen auch wir ın der

991

HEFT

XI

Lage sein, nur mit uns selbst zu sprechen, keinen anderen zu benötigen

und genau zu wissen, wie wir unser Leben verbringen sollen.« - Die her.

vorgehobenen Stellen werden von H.A. griechisch zitiert; Zusatz in Klammern gemäß H.A.s Interpretation.

[13] I noög tu [pros ti] steht für »Relation« im Sinne der vierten Kategorie in Aristoteles’ Kategorienlehre:T& noög tı [ta pros ti], das, was in bezug

auf etwas ist. Siehe die Artikel »Kategorie, Kategorienlehre« und »Relation«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4 (1976), Sp. 716, beziehungsweise Bd. 8 (1992), Sp. 579f.

[16] ı Die letzte Zeile verbessert aus: »bald ist es ein Traum«.

[17] ı Mit kleinen Verbesserungen im Original. -— Hermann Broch war am 30.Mai 1951 ın New Haven (Connecticut, USA) gestorben, siehe den Eintrag in Heft IV,ı1, und die Anmerkung im Anmerkungsteil $. 941. Am ı. November 1952, Brochs 66. Geburtstag, wurde das Broch-Archiv

an der Yale University offiziell eingeweiht, siehe Paul Michael Lützeler, Hermann Broch: Eine Biographie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985, S. 369. Das Gedicht im Denktagebuch mit der genauen Datumsangabe

legt die Vermutung nahe, daß H.A. zu der Feier nach New Haven gekommen war und bei dieser Gelegenheit Brochs Urnengrab (Abbildung bei Lützeler vor Seite 353) auf einem kleinen, abgelegenen Fried-

hof in Killingworth besuchte.

[18] ı In dieser Reflexion bezieht sich H.A. auf ihre Besuche bei Martin Heidegger in Freiburg Februar/März 1950 und im Mai 1952, siehe zu letzte-

992

SEPTEMBER 1952 BIS NOVEMBER 1952 rem Heft IX,17 (S.230ff. und im Anmerkungsteil $. 973 £.); vgl. »Die

wahre Geschichte von dem Fuchs Heidegger«, in Heft XVII,7 (S. 403 £.).

[19] ı Leopold von Ranke, Über die Epochen der neneren Geschichte: Historisch-kritische Ausgabe, hrsg. von "Theodor Schieder und Helmut Berding (= Ranke, Aus Werk und Nachlaß, Band II), München-Wien: Oldenbourg, 1971, 5. 63. 2 Bei Friedrich Engels, Dialektik der Natur (1873-1883) heißt es: »Die

Arbeit...ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sınn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.« Marx-Engels-Werke, Bd. 20,

5. 444. 3 Ein Zitat von Friedrich Schiller, siehe sein Gedicht »Resignationg, in: Schillers Werke: Nationalausgabe, Weimar: Böhlau, Bd. 2,1, hrsg. von Norbert Oellers (1983), S. 403. Vgl. bei Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, in: Hegel, Werke (Suhrkamp), Bd. 10, $. 347.

[22] ı Marx schreibt: »Engels hat... mit Recht Adam Smith den nationalökonomischen Luther genannt. Wie Luther als das Wesen der wirklichen Welt die Religion, den Glauben erkannte und daher dem katholischen

Heidentum gegenübertrat, wie er die äußere Religiosität aufhob, indem er die Religiosität zum innern Wesen des Menschen machte, wie er die

außer dem Laien vorhandenen Pfaffen negierte, weil er den Pfaffen in das Herz der Laien versetzte, so wird der außer dem Menschen befind-

liche und von ihm unabhängige - also nur auf eine äußerliche Weise zu erhaltende und zu behauptende - Reichtum aufgehoben, d.h. diese seine äußerliche gedankenlose Gegenständlichkeit wird aufgehoben, indem sich das Privateigentum inkorporiert im Menschen selbst und der Mensch selbst als ein Wesen erkannt - aber darum der Mensch selbst in der Bestimmung

des Privateigentums

wie bei Luther

der Religion

gesetzt wird. Unter dem Schein einer Anerkennung des Menschen ist also die Nationalökonomie, deren Prinzip die Arbeit, vielmehr nur die 993

HEFT

XII

konsequente Durchführung der Verleugnung des Menschen, indem e, selbst nicht mehr in einer äußerlichen Spannung zu dem äußerlichen Wesen des Privateigentums steht, sondern er selbst dies gespannte Wesen

des Privateigentums geworden ist.« Das Zitat entstammt einem Text aus Marx’ Nachlaß, der zusammen mit anderen Manuskripten erstmals 193 von Siegfried Landshut (als »Nationalökonomie und Philosophie« jm Rahmen einer Kröner-Taschenbuchausgabe: Karl Marx, Die Frühschrif. ten) und dann 1932 im von H.A. angegebenen 3. Band der Ersten Abtei.

lung der (alten) Marx-Engels-Gesamtausgabe (siehe Literaturverzeichnis) unter dem Titel »Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844« veröffentlicht worden war (obiges Zitat dort auf S. 107f.). Im Rahmen der Marx-Engels-Werke sind die Manuskripte im Ergänzungsband (Erster Teil) erschienen.

Anmerkungen zu Heft XII Seite 269-292

[2] 1 Gemeint

ist die berühmte

elfte Feuerbachthese

von Karl Marx:

»Die

Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern« Engels-Werke, Bd. 3, S. 5 ff.).

(»Thesen

über Feuerbach«,

in: Marx-

[3] ı Zu Adam Smith siehe Heft XXI,78 und im Anmerkungsteil $. 1076.

[7] ı H.A. bezieht sich auf die »Ökonomisch-philosophischen Manuskripte, siehe Anmerkung ı zu XI,22. Dort heißt es: »Die Natur ist der unorga994

NOVEMBER nische Leib des Menschen,

1952 BIS DEZEMBER

19553

nämlich die Natur, soweit sie nicht selbst

menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben. Daß das physische und geistige Leben des Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen andren Sinn, als daß die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur.« Marx-Engels-Werke, Ergänzungsband. Erster 'Teil, S. 535.

[8] ı William Shakespeare, Hamlet, Dritter Akt, 2. Szene, VS 210: »Des Den-

kens Herr sind wir, des Ausgangs nicht.« In: W. Shakespeare, Gesamtausgabe: Zweisprachige Ausgabe, neu übers. und mit Anmerkungen versehen von Frank Günther, München: dtv, (32000), 5. 161.

[9] ı Karl

Rosenkranz,

Georg

Wilhelm

Friedrich

Hegels

Leben

(1844).

Unveränderter reprographischer Nachdruck, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1971, S. 543.

[12] ı In einem Brief (13.5.1925 ) an H.A. hat Heidegger diesen Satz als ein Zitat von Augustinus ausgegeben: »Amo heißt volo, ut sis, sagt einmal Augustinus: ich liebe dich - ich will, daß Du seiest, was Du bist.« (Arendt-Heidegger-Briefe, 5.31) Nach Auskunft der Redaktion des

Augustinus-Lexikons ist das Zitat in dieser Form bei Augustinus nicht nachweisbar. Eine Quelle dem Sinn nach ist in Augustinus, Sermo Lambot 27, 3, in: Patrologiae cursus completus. Series latına (Migne). Supplementum, Vol. II, Paris: Garnier, 1960, Sp. 832-834, Sp. 833, zu finden. Für H.A. hat dieser Satz zeitlebens eine große Rolle gespielt,

siehe dazu Arendt-Heidegger-Briefe, S. 269.

995

HEFT

XI

[13] ı Zu Rilkes »Verlassenen« siehe Heft IX,19 (S.215) und die dazugehö. rende Anmerkung ($. 975).

[15] ı Siehe G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Kapitel IV A: »Selb. ständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft«.

[18] ı Übers. K. Bayer: Denn das Gesetz wird nur durch den freien Willen erfüllt. - Das Zitat konnte bei Augustin nicht gefunden werden. 2 Aristoteles, Politica, 1269a19-20; Übers. O. Gigon: »Das Gesetz kann sich durch keine andere Macht durchsetzen als durch die Gewohnheit.« 3 M.B. Foster, The Political Philosophies of Plato and Hegel, Oxford: Cla-

rendon, 1968, $. 136. Übers. Hrsg.: Die Lehre, daß für das Gesetz ein

positives Element wesentlich ist, impliziert ein dem Menschen innewohnendes Willensvermögen, doch ist sie ihrerseits in der Lehre enthalten, daß oberstes Gesetz für den Menschen das Gebot Gottes ist, d.h. es gehört zu ihrem Wesen, von Gottes Willen auszugehen.

[20] H.A. zitiert Hegels Wissenschaft der Logik nach der von Georg Lasson edierten Ausgabe, Hamburg: Meiner (Philosophische Bibliothek, 57), 1923. Ihre Zitate wurden an dieser Ausgabe überprüft

[22] ı Heraklit B44: »Kämpfen soll die Bürgerschaft für ihr Gesetz wie für die Mauers, in: Diels-Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 1,5. 160.

996

NOVEMBER 1952 BIS DEZEMBER 1952 25] ı Über das Wort »ward« ıst als Variante »wär« geschrieben.

29] ı Aristoteles, Politica, 1275223; Übers. O. Gigon: »Bürger sein besteht in

der Teilhabe am Gericht und an der Regierung.«

30] ı Pindar, Siegeslieder, griechisch und deutsch, hrsg. von Oskar Werner, München: Heimeran (Sammlung Tusculum), 0.]. - H.A. bezieht sich

auf die »Zweite pythische Ode«, in der es heißt (S. 125): »Bei jeder Form tritt hervor der gradzüngig-ehrliche Mann, / Bei der Alleinherrschaft, sowie wenn des Volks Ungestüm / Herrscht, und wenn die Weisen walten des Staats. Doch darf / man nicht mit der Gottheit hadern.« 2 Herodot, Historien, Drittes Buch, 80.

3 Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, Drittes Buch. 4 Platon, Politikos; vgl. dazu Heft 1,25. s Platon, Nomoi, 713e3-714a2; Übers.

Schöpsdau-Müller:

»Und

so

behauptet denn auch heute noch diese Sage und trifft damit die Wahrheit, daß es für alle Staaten, über die nicht ein Gott, sondern irgend so

ein Sterblicher herrscht, kein Entrinnen vor Unheil und Leiden gibt; vielmehr müßten wir, meint sie, mit allen Mitteln die Lebensweise, die unter Kronos bestanden haben soll, nachahmen und dem, was an Un-

sterblichkeit in uns ist, folgend im öffentlichen wie im persönlichen Leben unsere Häuser und Staaten verwalten, indem wir die Verteilung der Vernunft als Gesetz bezeichnen.« In: Platon, Werke in acht Bänden, Bd. 8,1, S. 249. — Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch

zitiert.

997

Anmerkungen zu Heft XIII Seite 293-318

[2] ı Was genau H.A. im Sinn hatte, als sie den Begriff »experimental notebook« prägte, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Es bieten sich zwei Deutungen an, eine werkgeschichtlich rückschließende und eine, die sich aus dem Inhalt der Eintragung ergibt. Zu (t): Bereits das Vorwort zu ihrem Buch The Origins of Totalitarianism, das H.A. im Sommer ı195c fertigstellte, enthielt den Appell, nach einem »neuen politischen Prinzip« zu suchen (siehe The Origins of Totalitarianism, S. IX; dt. Über den Totalitarısmus,S. 14). Danach wird sie sich- unter dem Einfluß von Tocque-

villes Forderung nach einer »neuen politischen Wissenschaft« (siehe Denktagebuch, Heft XIX,27, 5.465) und ın Auseinandersetzung miı Erich Voegelins Buch The New Science of Politics (1952) - ihrerseits für

eine »neue politische Wissenschaft« einsetzen (»Concern with Politics in Recent European Philosophical Thought«, in: H.A., Essays in Understanding, 5. 428-447, 5. 445). Ein »experimental notebook« unter diesem Gesichtspunkt wäre ein Notizbuch, in dem mit neuen, für die politische

Wissenschaft relevanten Gedanken »experimentiert« wird — es wäre sc etwas wie H.A.s Denkwerkstatt in diesen Fragen (von wo aus sich eine

Linie zu den späteren »Übungen im politischen Denken« ziehen ließe). Zu (2): Vom Inhalt der Eintragung her geschlossen, ist ein anderer Gesichtspunkt entscheidend. »Experimental« steht im Gegensatz zu Kants Grundfragen des Interesses der »spekulativen« wie »praktischen« Vernunft aus der Kritik der reinen Vernunft, die am Ende der Eintragung wörtlich zitiert werden

(siehe auch unten Anm. 3). Dann bedeutete

»experimental« soviel wie Verzicht auf Wesensfragen und Orientierung an Erfahrung beziehungsweise Suche nach »Elementen der Vernunft« (freilich, wie die selbst formulierten Fragen »Was ist Liebe« etc. andeuten, nur bedingt im Sinne der experimentellen Naturwissenschaft oder der Experimentalphilosophie). - Wie dem auch sei, die Eintragung reiht sich ein in H.A.s Bemühen um eine Neubestimmung des Politischen, wie es im Denktagebuch erstmals ın der Eintragung »Was ist Politik?« (Heft 1,21, S.ı5 ff.) sichtbar wird (vgl. auch Heft II,3o [Anm. 2] im Anmer-

kungsteil S. 930f.) und in ihrem (Euvre an unzähligen Stellen nachweisbar

998

JANUAR

1953 BIS MÄrz

1953

Ay 57

v

ist. Ein »experimental notebook« der beschriebenen Art allerdings hat sie, soweit bekannt, nie in Angriff genommen. Siehe 1. Mos. 1, 27; Luther-Übers.: »Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sıe einen Mann und ein Weib.« Vgl. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 833: » Alles Interesse

meiner Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische) vereinigen sich in folgenden drei Fragen: ı. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen?«

[4] ı Diese Aussage Hegels zitiert H.A. auch an anderer Stelle- als »Worte auf dem Totenbett«, siehe ihren Essay »Karl Jaspers: Bürger der Welt«, in: Menschen in finsteren Zeiten, 5.99-112, $. 105. Sie entstammt Heinrich Heines Essay Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch-

land. 2 Siehe zum Beispiel Friedrich Nietzsche in der »Vorrede» zu Jenseits von Gut und Böse, wo es heißt, das »Perspektivische« sei »die Grundbedingung alles Lebens« (Kritische Studienausgabe, Bd. 5, 5. 12). Vgl. auch die folgende Eintragung.

[5] ı Wahrscheinlich in Anlehnung an John Locke, der »memory« als »storehouse of our ideas« (Lagerhaus, Speicher unserer Vorstellungen) beschreibt. John Locke, Essay on Human Understanding, Book II, Chapter X (»Of Retention«), $ 2.

[6] ı Vgl. Homer, Odyssee, XI, 488-491.

999

HEFT

XII

[7] ı Heraklit: &v näv [hen pan], nach Fragment 50: Ev navra eivou: alles [ist] eins; vgl. Diels-Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. ı, S. ı61.

»So ist es weise, dem Sinn gemäß zu sagen, alles sei eins.« 2 Parmenides, Fragment 3: T6 yag abo voeiv Eotiv TE xal EiVAL; Übers,

Diels-Kranz: »denn dasselbe ist Denken und Sein«, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 1, 5.231.

[9] ı H.A. bezieht sich hier auf Aristoteles, Politica, 1275223. Dort heißt es

(Übers. ©. Gigon): »Der Staatsbürger schlechthin läßt sich... durch nichts anderes bestimmen als dadurch, daß er am Gerichte [sc. xgioıg] und an der Regierung [sc. dexi] teilnimmt.«

[10] ı Der hier kurz zusammengefaßte Gedanke ist grundlegend für H.A.s Essays, die 1957 unter dem Titel Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart veröffentlicht wurden (Wiederabdruck in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft; in englischer Sprache überarbeitet in: Between Past and Future). Sie kommt später, am Ende des Teils Thinking von The Life of the Mind (dort 5. 212), darauf zurück, wo sie von der »Roman trinity that for thousands of years united religion, authority, and tradition« (Übers. H. Vetter: der »Tausende von Jahren

alten römischen Dreieinigkeit von Religion, Amtsmacht und 'Iradition«) handelt und darauf hinweist, daß der Verlust der »Trinttät« die Vergangenheit nicht zerstört: »The loss of this trinity does not destroy the

past.«

[13] ı Franz Rosenzweig, Hegel und der Staat, ursprünglich in zwei Bänden, Nachdruck der Ausgabe 1920, Aalen: Scientia, 1962, [Bd. 1], S. 147.

IO0oOoO

JANUAR 1953 BIS MÄRZ 1953

[14] ı Konzeption und Begriff des »Nachtwächter-Staates« gehen auf Wilhelm

von Humboldt und Heinrich von Treitschke zurück, vgl. Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in

Deutschland, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck, Stuttgart: Klett-Cotta, Bd. 6 (1990), S. 34 (Art. »Staat und Souveränität«, Abschnitt III von R. Koselleck).

[15] ı Die Stelle bei Hegel, die H.A. zitiert, konnte nicht gefunden werden. Zum Marx-Zitat siehe oben Heft VIII,23 (Anm. 1), S. 969.

[16] ı Siehe oben Heft VIII,28 (S. 195) und im Anmerkungsteil $. 969. 2 Zu Hegel über »das Schließen« an der Stelle des Urteilens siehe Heft XI, 20.

[17] ı »Tun« ist hier im Sinne von »Arbeiten« und »Herstellen« zu verstehen,

vgl. auch oben Heft XII,19. 2 Vgl. H.A., »Natur und Geschichte« (1957), in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S.74; Vita activa, 5. 231ff.; sowie »Fernsehgespräch mit Günter Gaus« (Oktober 1964), in: H.A., Ich will verstehen, S. 44-70, S.70.

[23] ı Zum Satz des Protagoras: »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«, der in der Philosophiegeschichte auch als »Homo-mensura-Satz« bezeichnet wird, siehe Diels-Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 2, S. 263.

IOol

HEFT

XIII

[25] ı Deutsch: Vor dem Tod ist keiner groß; über niemanden ist Gutes [zı sagen], es sei denn über die Toten. — Diesem Eintrag liegen wahrschein. lich die beiden folgenden Zitate zugrunde: »Nemo ante mortem beatus« und »De mortuis nil nisi bene«. Das erste (Übers. K. Bayer: »Keiner isı

vor seinem Tod glücklich zu preisen«) stammt aus Ovids Metamorphosen, das zweite (Übers. K. Bayer: »Über Tote soll man nur Gutes chen«) ist ein Ausspruch des Chilon, eines der Sieben Weisen, den genes Laertius überliefert hat. Siehe Karl Bayer, Nota bene! lateinische Zitatenlexikon, München-Zürich: Artemis & Winkler, S. 270, S. 364. - Vgl. H.A. ım veröffentlichten Werk: »... das Wesen

spreDioDas 1994, des-

sen Wer-einer-ist - kann überhaupt erst entstehen und zu dauern beginnen, wenn das Leben geschwunden ist...« (Vita activa, 5. 186). Vgl. auch oben Heft XII, 12, S. 276f.

[27] ı Den Begriff »Sprung« entlehnt H.A. in diesem Zusammenhang sowohl beı Kierkegaard wie bei Marx, siehe ihren Essay »Tradition und die Neuzeit« (1957), in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S.23-53, S. 46. Dort wird auch der im vorliegenden Eintrag enthaltene Gedanke

weiter ausgeführt.

[28] ı Zeilen aus dem Gedicht »My life closed twice before its close« von Emily Dickinson, siehe Heft 1,3 (S.9) und die Übersetzung im Anmerkungsteil (S. 909).

[32] ı Siehe John Locke, Two Treatises of Government (1690), a critical edition

with an introduction and apparatus criticus by Peter Laslett, Cambridge: University Press, 1960, $.286 (H.A.s Schreibweise und Interpunktion entsprechen nicht dieser Ausgabe). Deutsch im Zusammen1002

JANUAR 1953 BIS MÄRZ 1953 hang: »Unter politischer Gewalt verstehe ich dann ein Recht, für die Regelung und Erhaltung des Eigentums Gesetze mit Todesstrafe und folglich auch allen geringeren Strafen zu schaffen, wie auch das Recht,

die Gewalt der Gemeinschaft zu gebrauchen, um diese Gesetze zu vollstrecken und den Staat gegen fremdes Unrecht zu schützen, jedoch nur zugunsten des Gemeinwohls.« John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, hrsg. und eingeleitet von Walter Euchner, übersetzt von

Hans Jörn Hoffmann, Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt; Wien: Europa Verlag, 1967, S. 200 (= 2. Abhandlung, Kap. 1, $3).

[34] ı Deutsch: gegen alle überwältigenden, wieder und wieder auftretenden Schwierigkeiten. Vgl. dazu H.A., »Über den Arbeitskampf«, in Vita activa,S. 911.

[36] ı Dies sind Stichwörter, die als Vorboten des Werkes The Human Condition (1958) angesehen werden können, vgl. auch unten Heft XIX,ı7 und

die dazugehörende Anmerkung ı auf Seite 1045 f.

[38] ı Letzte Strophe des Gedichtes »Aus dem Nachlaß des Grafen C. W. (Erste Reihe)«, in: Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, Frankfurt am Main: Insel, Bd. 2 (1956), S. 123. - Zur Interpretation vgl. H.A., »Natur

und Geschichte« (1957), in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S.76f.

[39] ı Diese Eintragung und die in Heft XIV,16 und 17 enthaltene erste Formulierung zu dem Artikel »Understanding and Politics«, den H.A. ım Frühjahr 1953 geschrieben hat (siehe ihren Brief an Jaspers, 13.5.1953,

1003

HEFT

XIV

Arendt-Jaspers-Briefwechsel, S.252). Er wurde in der Zeitschrift Parri. san Review (20.]g., 1953, Heft 4, S.377-392) veröffentlicht; deutsch (übers. von U. Ludz) in: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 110-127; vgl. auch H.A., Essays in Understanding, 5. 307-327.

2 Zu »Reden in Klischees«, »Sprachlosigkeit« und »Gedankenlosigkeit. vgl. H.A., Eichmann in Jerusalem, 5. 78; Thinking, 5. 4.

[40] ı Gemeint ist, daß das fünfte (biblische) Gebot »Du sollst nıcht töten«

unter den Bedingungen des totalitären Terrors zum Befehl »Du sollst töten« wird, vgl. H.A., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S. 708 ff. 2 Unter »logical men« sind jene zu verstehen, die »die letzten Folgerun-

gen« aus »einmal angenommenen Prämissen« ziehen und sich selbst und andere »mit dem Argument: Wer A gesagt hat, muß auch B sagen, bei der Stange halten« (siehe Heft VI;s5, S. 128).

Anmerkungen zu Heft XIV Seite 319-342

[1] ı John Locke, Two Treatises of Government (1690), genaue Angaben siehe Heft XIII,32 (Anm. 1).

[2] ı Aristoteles, Nikomachische Ethik, [Buch] A, 1094a2-3; Übers. F. Dirl-

meier: »Jedes praktische Können und jede wissenschaftliche Untersuchung, ebenso alles Handeln und Wählen strebt nach einem Gut, wie allgemein angenommen wird. Daher die richtige Bestimmung von »Gut« als

1004

MÄRZ 1953 BIS APRIL 1953 ‚das Ziel, zu dem alles strebt«.« — Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. „ Platon, Nomoi, Buch XII, 967d4-7; Übers. Schöpsdau-Müiller: »Es ist unmöglich, daß jemals einer von uns sterblichen Menschen zu einer festen Gottesfurcht gelangt, wenn er sich nicht die beiden eben erwähnten Wahrheiten zu eigen gemacht hat - erstens daß die Seele das älteste

von allem ist, was des Werdens teilhaftig ward, und daß sie unsterblich ist und daher über alle Körper herrscht, und sodann, ... daß die Vernunft in den Gestirnen die Führerin alles Seienden ist....« — Die hervorgehobenen

Stellen werden von H.A. griechisch zitiert.

[3] ı Platon, Politeia, VII. Buch. 2 Die Anekdote von »Heraklit am Herde des Hauses« stammt von Aristo-

teles. H.A. hat sie aller Wahrscheinlichkeit nach von Heidegger übernommen, der sie an den Anfang seiner Heraklit-Vorlesung gestellt hat. Dort

heißt es: »Von Heraklit erzählt man ein Wort, das er zu den Freunden gesagt habe, die zu ihm vorgelangen wollten. Herzukommend sahen sıe ıhn, wie er sich in einem Backofen wärmte. Da blieben sie stehen (überrascht und dies vor allem deshalb), weil er nämlich ihnen (den Zaudernden) auch

noch Mut zusprach und sie hereinkommen hieß mit dem Wort: »Auch hier nämlich sind anwesend Götter.« (in: Heidegger, Gesamtausgabe, 2. Abt.: Vorlesungen 1923 - 1944, Bd. 55, S. 6).

[4] ı Mit »notebook II« ist Heft II des Denktagebuchs gemeint. Dieses ist die einzige Stelle, an der das Denktagebuch namentlich bezeichnet wird (siehe dazu im Nachwort der Herausgeberinnen $. 828). 2 Platon, Nomoi, 89405 -7; Übers. Schöpsdau-Müller: »Diejenige [Bewe-

gung], die sowohl sich selbst als auch etwas anderes bewegt und die sich allem Tun und allem Leiden einfügt und wahrhaft als Ursprung der Veränderung und Bewegung alles Seienden bezeichnet wird, diese also wollen wir etwa für die zehnte erklären.« — Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. 3 Der Satz heißt bei Kant: »Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer 1005

HEFT

XIV

neuer

und

zunehmender

Bewunderung

und

Ehrfurcht,

je öfter und

anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.« Kritik der praktischen

Vernunft, in: Kant, Werke (Weischedel), Bd. 6, S. 300.

[5] ı Aristoteles, Politica, 1254a7; Übers. O. Gigon: »Das Leben wiederum ist ein Handeln und kein Produzieren.«

[9] ı Sıehe Arıstoteles, Nikomachische Ethik, Buch], ı.

[12] ı Euripides, Alexandros, Fragment 49; Übers. G. A. Seeck: »[Das steht für

mich fest,] denn so übel ist das Sklavengeschlecht:/ ganz Bauch — was darüber hinausgeht, kümmert es nicht.« In: ders., Fragmente, hrsg. von G. A. Seeck, München: Artemis, 1981, S. 23. Mit »cf. Schlaifer« bezieht sich H.A. auf Robert Schlaifer, »Greek Theories of Slavery from Homer to Aristotle« (in: Harvard. Studies in Classical Philology 47, 1936, S. 165-204). Vgl. auch Vita activa, S. 325 (Anm. 30).

[13] ı Aristoteles, Politica, Buch I, Kapitel 5. 2 Siehe Nr. 12 (Anm. 1).

[14] ı Apostelgeschichte 20, Vers 35.

1006

MÄRZ 1953 BIS APRIL 1953

[16] ı In diesem Hinweis auf den Standpunkt des Anderen läßt sich Kants Maxime der »erweiterten Denkungsart« (das An-der-Stelle-jedesAndern-Denken) ım $40 der Kritik der Urteilskraft erkennen, siehe unten Heft XXII,32 ($. 580). »Ist nicht das Verstehen dem Urteilen nah verwandt?« fragt H.A. in ihrem Aufsatz über »Verstehen und Politik« (siehe Heft XIII,39 und die

dazugehörende Anmerkung auf S. 1003 f.). Doch eine ausführlichere Behandlung des Urteilens unterbleibt zu diesem frühen Zeitpunkt. Erst später, ın »Freiheit und Politik«, dem Vortrag, den sie 1958 in Zürich halten wird, arbeitet sıe dann auch die im Urteilen, wie es Kant verstand, enthaltenen Elemente einer politischen Theorie heraus: »Die Freiheit er-

scheint in der Urteilskraft als ein Prädikat der Einbildungskraft, nicht des Willens, und die Einbildungskraft hängt aufs engste mit jener »erweiterten Denkungsart< zusammen, welche die politische par excellence ist, weil wir durch sie die Möglichkeit haben, >an der Stelle jedes anderen zu denken«« (Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 216).

[23] ı G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, ın: ders., Werke (Suhrkamp), Bd. 12, 5. 540.

2 Die Zitatbruchstücke aus Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Religion konnten im Wortlaut nicht gefunden werden.

[24] ı Der Begriff des »Überflüssigseins«, der in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft auf drei Ebenen, der Zerstörung der juristischen, der

moralischen Person und der individuell-körperlichen Existenz erörtert wird, wird hier zum ersten Mal mit der Vergesellschaftung der Arbeit in Zusammenhang gebracht. An diesen Gedanken anknüpfend, beab-

sichtigte H.A., die »totalitären Elemente im Marxismus« in einem seinerzeit geplanten Buch herauszuarbeiten. Siehe auch S. 341.

1007

HEFT

XIV

[25] ı Siehe Platon, Politikos, 30124-303b7; ebenso Heft 1,34.

[26] ı Sıehe Heft VII,28.

[27] ı Johann Georg Hamann, »Brocken«, in: ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Josef Nadler, Wien: Herder, Band ı (1949), S. 309.

[29] ı Augustinus, Confessiones, Buch X, Kapitel 6; Übers. J. Bernhart: Ich liebe, »wenn ich liebe meinen Gott: Licht und Klang und Duft und

Speise und Umarmung meines inneren Menschen. Dort erstrahlt meiner Seele, was kein Raum erfaßt; dort erklingt, was keine Zeit entführt; dort

duftet, was kein Wind verweht; dort mundet, was keine Sattheit vergällt; dort schmiegt sich an, was kein Überdruß auseinanderlöst. Das ist’s, was ich liebe, wenn ich liebe meinen Gott.«

[31] ı Siehe John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, II. Abhand-

lung, Kap. 5: »Das Eigentum«, $ 27. Vollständige Literaturangabe unter XTIl,32 (Anm. ı).

[34] ı Zu »Scipios Traum« siehe Heft XL,2 ff. und im Anmerkungsteil, $. 9881.

1008

: Anmerkungen zu Heft XV , Seite 34373

=

. [2]

ı Siehe Hesiod, Theogonie/Werke und Tage, griechisch und deutsch, hrsg. und übers. von Albert von Schirnding, mit einer Einführung und einem Register von Ernst Günther Schmidt, München-Zürich: Artemis & Winkler (Sammlung Tusculum), 1991. Alle Zahlenangaben in dieser Eintragung beziehen sich auf dieses Werk von Hesiod. Die von H.A. griechisch zitierten Satzteile lauten in deutscher Übersetzung: »denn im Verborgenen halten die Götter die Nahrung den Menschen« (Vers 42) beziehungsweise »weit von den Übeln entfernt und ohne drückende

Plage« (Vers 91). - Vgl. auch Heft XVL,ıı. 3 Montesquieu, De P’Esprit des lois, XIX, 9. Aus diesem Kapitel hält H.A. im Heft VII, (siehe S.156) den Satz fest: »La paresse est l’effet de

P’orgueil; le travail est une suite de la vanit&« —. »Faulheit ist die Folge des Stolzes, Arbeit die der Eitelkeit« (Übers. E. Forsthoff).

[3] ı Montaigne, Essais, texte Etablı et annot& par Albert Thibaudet, Paris: Gallimard (Bibliotheque de la Pleiade), 1950, S. 35 (Schreibweise modernisiert). - Übers. H. Stilett: »So sind wir niemals bei uns, wir sind stets

außerhalb. Furcht, Verlangen und Hoffnung schleudern uns der Zukunft entgegen und berauben uns des Gefühls und der Wertschätzung dessen, was ist, um uns mit dem in Anspruch zu nehmen, was sein wird - selbst wenn wir nicht mehr sind.« Michel de Montaigne, Essais, erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stilett, Frankfurt am Main: Eichborn, 1998, 5. 12.

[4] ı Zu

den

Vorstellungen

(»ideas«)

als

Abbildern

unserer

Eindrücke

(»copies of our impressions«) bei David Hume siehe seine Schrift An 1009

HEFT

XV

Enquiry Concerning Human Understanding ('1748), Abschnitt 2 (Of the Origins of Ideas«) und Abschnitt 7 (»Of the Idea of Necessary Con. nexion«). Deutsche Ausgabe: ders., Eine Untersuchung über den mensch. lichen Verstand, 7., mit der 6. gleichlautende Aufl., hrsg. von Raoul Richter, Leipzig: Meiner (Philosophische Bibliothek, 35), 1911, S. ı7ff, S.74ff.

[5] ı Mit ihrer Aussage bezieht sich H.A. auf Cicero, De re publica, V, 2, siehe

oben Heft XI,7, S.259, sowie H.A., Vita activa, 5.79 beziehungsweise S.335 (Anm. 13). 2 Hesiod, Werke und Tage, siehe oben Nr. 2.

[6] ı Montaigne, Essais, a.a.O. (Anm. ı zu oben Nr. 3), S. 278, 280; Übers. H. Stilett: »Wir müssen uns ein Hinterstübchen zurückbehalten, ganz für

uns, ganz ungestört, um aus dieser Abgeschiedenheit unseren wichtigsten Zufluchtsort zu machen, unsre wahre Freistatt. Hier gilt es, den all-

täglichen Umgang mit uns selbst zu pflegen... Unsere Seele vermag ihre Bahn um die eigene Mitte zu ziehn; sie kann sich selbst Gesellschaft leisten, sie hat genug anzugreifen und zu verteidigen, genug sich zu geben und von sich zu empfangen.« »Der Verständige hat in der Tat nichts verloren, solange er sich selbst besitzt.« »Die größte Sache der Welt ist, daß man sich selbst zu gehören weiß. Sobald wir der Gesellschaft nicht mehr nützlich sein können, ist es Zeit, uns aus ıhr zu lösen. Wer nichts mehr zu verleihen hat, verbiete sich, zu leihen! Die Kräfte schwinden uns. Ziehen wir, was davon geblieben ist, in unserm Inneren zusammen.« M. de Montaigne, Essais [deutsch], a.a.O. (Anm. ı zu oben Nr. 3), $. 125f.

[7] ı Zu »waste« als ökonomischer und sozialer Kategorie, die sich im Zuge

der Entwicklung der US-amerikanischen Industriegesellschaft herausgebildet hat, siehe den Artikel »waste« (von H. $. Person) in: EncyclopaeIOIO

APRIL 1953 BIS MAI 1953 dia of the Social Sciences, hrsg. von Edwin R. A. Seligman und Alvin Johnson, New York: Macmillan, Bd. 15 (1935), S. 367 ff. » Gemeint ist der »Widerspruch«, der darin besteht, daß der »Konsumtionswert im Gebrauchswert stillschweigend« verschwindet beziehungsweise »der Zeitfaktor draußen gelassen wird«, siehe unten Nr. 14.

[8] ı Siehe Aristoteles über die Sklaverei in Politica, 1253b25 ff., und dazu H.A., Vita actıva, S. 78f., 5.335 (Anm. 9); vgl. auch Heft XIV,5; XIV;13.

[11] ı »Es bleibt alles dasselbe.« Titus Lucretius Carus, De rerum natura -

Welt aus Atomen, lateinisch und deutsch, Textgestaltung, Einleitung und Übersetzung von Karl Büchner, Zürich: Artemis (Die Bibliothek vw

der Alten Welt), 1956, S. 306 und 307 (Buch III, 945).

Im veröffentlichten Werk hat H.A. seinerzeit ihre Auffassung über die Geschichtswissenschaft vor allem an folgenden Stellen mitgeteilt: (1) in ihrer Antwort auf die Besprechung von The Origins of Totalitarıanism durch Eric Voegelin, in: The Review of Politics ı5, 1953, S.73-84; deutsch (übers. von U. Ludz) in: H.A., Über den Totalitarismus, S. 33 -

52; (2) in dem Essay »Understanding and Politics«, in: Partisan Review 20, 1953, 9. 377-392; deutsch (übers. von U. Ludz), in: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 110-127, dort besonders $. 122-125. -

Siehe auch ihre Eintragungen zur »Methode in den Geschichtswissenschaften« in Heft IV,8 und 23; Heft V,;5 und ı7£.; vgl. unten Nr. 19 und

die dazugehörende Anmerkung ı auf S. 1013.

[12] I »Philosophieren heißt sterben lernen«. Das ist der Titel von Kapitel XX des Ersten Buches von Montaignes Essais. 2 Montaigne, Essais,a.a.O.(Anm. ı zuobenNr. 3),S. 117; Übers. H. Stilett:

»Wie die Geburt für uns die Geburt aller Dinge war, so wird unser Tod für uns der Tod aller Dinge sein.« Montaigne, Essais [deutsch], a.a. O.,S. 50. IOII

HEFT

XV

3 Montaigne, Essais, ibid.; Übers. H. Stilett: »So beschwerlich kann doch

nicht sein, was uns nur einmal begegnet.« Montaigne, Essais, S. 118-119; Übers. H. Stilett: »Und wenn ihr einen

Tag gelebt habt, habt ihr alles gesehn ... Höchstens ein Jahr, so die Natur weiter, brauche ich für den Durchlauf aller so vielfältig gegliederten

Akte meines Stücks: Wenn ıhr auf den Reigen meiner vier Jahreszeiten achtet, seht ihr, daß sie Kindheit, Jugend, Mannes- und Greisenalter der

Erde umfassen. Damit ist ihr Spiel gespielt. Es fällt ihr kein andrer Dreh mehr ein, als immer wieder von vorn anzufangen, und es wird stets dasselbe sein... [Ergo, H.A.:] Macht also anderen Platz, wie andre euch

Platz gemacht haben!« Montaigne, Essais [deutsch], S. 51.

[13] I

Heinrich Blücher hielt seinerzeit kunstgeschichtliche Vorlesungen an der New School for Social Research. Eine Veröffentlichung Blüchers

über C£zanne gibt es nicht, vgl. aber Arendt-Blücher-Briefwechsel, D

S.251f.,5.259, S. 265.

Diese Eintragung ist offenbar in der Auseinandersetzung H.A.s mit dem Romanisten Hugo Friedrich entstanden, in der es um Heideggers Trakl-

Interpretation ging- konkret um Heideggers Aufsatz »Georg Trakl: Eine Erörterung seines Gedichtes« (zuerst in: Merkur 7, 1953, Heft 3, S. 226-

258). H.A. berichtete Martin Heidegger von der »Streitkorrespondenz« mit Friedrich in ihrem Brief vom 8. Mai 1954 (Arendt-Heidegger-Briefe, S. 147). Die wichtigsten Passagen ihres Briefes an Friedrich vom 135. Juli 1953 sind abgedruckt in den Anmerkungen zum o.g. Brief an Heidegger (a.a.0., $. 316f.).

[15] I

Vgl. hierzu im veröffentlichten Werk den Essay »Tradition und die Neu-

2

zeit« (1957), in: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 5. 43 ff. Karl Marx, Das Elend der Philosophie (1846-1847), in: Marx-EngelsWerke, Bd. 4, S. 107.

3 Wörtlich konnte diese Aussage (»niemand kann frei sein, der andere

beherrscht«) ebensowenig bei Marx gefunden werden wie das weiter unten zitierte Satzbruchstück (daß »menschliches Zusammensein wesentIOI2

APRIL

1953 Bıs MAI

1953

lich um der Wirtschaft willen« da ist). Wahrscheinlich handelt es sich um Formulierungen, die H.A. einem Werk der Marx-Sekundärliteratur entnommen oder aus einer englischen Marx-Ausgabe rückübersetzt hat.

[19] ı Vgl. zu H.A.s Kritik an der Funktions- (im Gegensatz zur Substanz-) Orientierung der Sozialwissenschaften ihren 1953 erschienenen Aufsatz »Religion and Politics«, wiederabgedruckt ın: H.A., Essays in Understanding, S. 368-390; deutsch (übers. von U. Ludz): »Religion und Poli-

tik«, in: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 5. 305-324. Siehe auch H.A. in ıhrem (bisher nicht in deutscher Sprache vorliegenden) Aufsatz »Social Science Techniques and the Study of Concentration Camps« (in: Jewish Social Studies 12, 1950, Nr. 1, S. 49-64), wo sie - aufgrund des Phänomens der Konzentrations- und Vernichtungslager - ihre

grundsätzliche Kritik an den Sozial- (und den Geschichts-)Wissenschaften eindringlich formuliert.

[20] ı Thomas von Aquin, Summa theologiae, vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe, Schriftleitung: P. Heinrich Maria Christmann O.P., Salzburg-Leipzig: Pustet, Bd. 3 (1939), S. 91: »Denn die Ein-

samkeit wird nicht aufgehoben durch die Gesellschaft von Wesen, die anderer Natur sind; man sagt nämlich, einer sei allein im Garten, wenn

es dort auch Pflanzen und Tiere gibt.«

[22] Hier und in der folgenden Eintragung wird die griechisch-deutsche Ausgabe von Platons Phaidon im Rahmen von Platon, Werke in acht Bänden (dort Bd. 3, S. 1-207), mit der deutschen Übersetzung von Friedrich Schleiermacher zugrunde gelegt. ı Platon, Phaidon, 62b6-8: »Wie denn auch dieses, o Kebes, mir ganz

richtig gesprochen scheint, daß die Götter unsere Hüter und wir MenIOI3

HEFT

XV

schen eine von den Herden der Götter sind.« — Zu Platon über den Staatsmann, »gesehen unter dem Bilde des Hirten einer Herde«, im Pol;tikos vgl. H.A.s Exzerpte und Notizen in Heft 1,25; 1,31; 133. Platon, Phaidon, 62c7-63bs: »Dieses freilich, sagte Kebes, scheint ganz

billig. Was du jedoch vorher sagtest, daß jeder Philosoph gern werde sterben wollen, dieses, o Sokrates, kommt dann ungereimt heraus; wenn doch, was wir eben sagten, sich richtig so verhält, daß Gott es ist, der

uns hütet, und wir zu seiner Herde gehören .... Und so käme ja wohl, o Sokrates, das Gegenteil von dem heraus, was eben gesagt wurde, den Vernünftigen nämlich ziemte es, ungern zu sterben, und nur den Unvernünf-

tigen, gern. Als Sokrates dies gehört hatte, schien er mir seine Freude zu haben an des Kebes Eifer ın der Sache und, indem er uns ansah, sagte er: Immer

spürt doch Kebes irgendwelche

Gründe

aus und will sich gar

nicht leicht überreden lassen von dem, was einer behauptet. - Darauf sagte Simmias: Aber jetzt, o Sokrates, scheint auch mir etwas an dem zu sein, was Kebes vorbringt...

Und

zwar scheint mir Kebes

mit seiner

Rede auf dich zu zielen, daß du es so leicht erträgst, uns zu verlassen

und auch jene guten Herrscher, wie du selbst gestehst, die Götter. — Ihr habt recht, sprach er. Ich denke nämlich, ıhr meint, ich solle mich hier-

über verteidigen wie vor Gericht. - Allerdings, sagte Simmias. —- Wohlan denn, sprach er, laßt mich versuchen, ob ich mich mit besserem Erfolg vor euch verteidigen kann als vor den Richtern.« — Die hervorgehobene Passage wird von H.A. griechisch zitiert. 3 Siehe dazu unten Nr. 24. 4 Platon, Phaidon, 114c10-d7: »Daß sich nun dies alles gerade so verhalte,

wie ich es auseinandergesetzt habe, das ziemt sich wohl einem vernünftigen Mann nicht zu behaupten; daß es jedoch, sei es nun diese oder eine ähnliche Bewandtnis haben muß mit unsern Seelen und ihren Wohnun-

gen, wenn doch die Seele offenbar etwas Unsterbliches ist, dies, dünkt mich, zieme sich gar wohl und lohne es auch zu wagen, daß man glaube, es verhalte sich so. Denn es ist ein schönes Wagnis, und man muß mit sol-

ww

cherlei gleichsam sich selbst besprechen.« - Die hier hervorgehobenen Passagen werden von H.A. griechisch zitiert. Platon, Gorgias, 483e3—-484a3: »Also, meine ich, tun sie dieses [Kriegführen] der Natur gemäß und, beim Zeus, auch dem Gesetz gemäß, nämlich dem der Natur; aber freilich vielleicht nicht nach dem, welches

wir selbst unter uns gleich von Jugend an, wie man es mit dem Löwen macht, durch Besprechung gleichsam und Bezauberung knechtisch einzwängen, indem wir ihnen immer vorsagen, alle müssen gleich haben,

1014

APRIL 1953 BIS MAI 1953 und dies sei eben das Schöne und Gerechte.« — Auf die hervorgehobene Stelle (hier in der Übersetzung von F. Schleiermacher) bezieht sich H.A. in ihrem Hinweis.

[23] ı Platon, Phaidon, 70d7-e7; Übers. F. Schleiermacher: »Betrachte es nur

nicht allein an Menschen ..., sondern auch an den Tieren insgesamt und den Pflanzen und überhaupt an allem, was eine Entstehung hat, laß uns zusehen, ob etwa alles so entsteht, nirgend anders her als jedes aus seinem Gegenteil, was nur ein solches hat, wie doch das Schöne von dem

Häßlichen das Gegenteil ist und das Gerechte von dem Ungerechten und ebenso tausend anderes sich verhält. Dies also laß uns sehen, ob

nicht notwendig, was nur ein Entgegengesetztes hat, nirgend anders her selbst entsteht als aus diesem ihm Entgegengesetzten. So wie wenn etwas größer wird, muß es doch notwendig irgendwie aus einem vorher kleiner Gewesenen hernach größer werden?« — Die hervorgehobenen Stellen sind von H.A. griechisch zitiert und kommentierend ins Deutsche übersetzt.

[24] ı F.M. Cornford, Principium Sapientiae: The Orıgins of Greek Philosophical Thought, Cambridge: Cambridge University Press, 1952, S. 69.

[25] ı Für Baoıevtegog [basileuteros] siehe Homer, Ilias, 9. Gesang, 160, 392,

und 10. Gesang, 239 — Übers. J. H. Voß: »höher an Macht« beziehungsweise »erhabener an Macht«; bei Baoıevrarog [basileutatos] in ZLas,

9. Gesang, 69, übersetzt Voß: »Obergebieter«.

IoIs

HEFT

XV

[26] I

»Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft« (Karl Marx, Das Kapital I, in: Marx-Engels-Werke, Bd. 23, 5.779). Siehe auch Kar] Marx, »Der demokratische Panslawismus« (Artikel in der Neuen Rheinischen Zeitung, 1849), in: Marx-Engels-Werke, Bd.6, S.279; ferner

Friedrich Engels, »Die Rolle der Gewalt in der Geschichtes, in: MargxEngels-Werke, Bd. 21, S. 407ff.

[27] I

Mit den Themen »säkulare Religion«, »politische Religion« und »totalj-

täre Religion« (siehe auch weitere Eintragungen in diesem und dem folgenden Heft) beschäftigte sich H.A., weil sie sich seinerzeit auf die Summer School Conference der Harvard University (20.-23.Juli 1953) vorbereitete. Dort hielt sie den später unter dem Titel »Religion and

Politics« veröffentlichten Vortrag. — Hinsichtlich des Begriffs »politische Religion« bezieht sich H.A. auf Erich Voegelin, Die politischen Religionen (Stockholm: Bermann-Fischer, 1939), siehe H.A., »Religion and Politics« (1953), in: H.A., Essays in Understanding, 5. 368-390, S. 387; deutsch (übers. von U. Ludz): »Religion und Politik«, in: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 305-324, S. 423 (Anm. ıo). -

Ihr Denktagebuch hatte H.A. nach Harvard mitgenommen, siehe weiter unten im Anmerkungsteil, $. 1026. Vgl. auch unten Heft XVI,ı6 und im

D

Anmerkungsteil S. 1023.

Zu den politischen Implikationen der Lehre von der Hölle äußert sich H.A. ausführlicher in dem oben genannten Aufsatz »Religion und Politik« (S. 319ff.). Vgl. auch Heft XVI,2 (Anm. 2).

[29] I

Siehe oben Nt. 27.

1016

MAI 1953 BIS JUNI 1953

[32] I

Der Arbeiter... arbeitet mehr für seine Arbeit als für sich selbst. Yves Simon, Trois legons sur le travail, Paris: T&qui, 0.]. (1938), S. 2.

Anmerkungen zu Heft XVI Seite 369-393

[1] I

Siehe Heft XI,2 ff. und im Anmerkungsteil, S. 988 f.

[2] I

Karl Marx, »Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung«,

v

in: Marx-Engels-Werke, Bd. 1, 5. 378.

In mehreren Schriften hat H.A. auf den säkularen und politischen, auf Platon zurückgehenden Ursprung der mittelalterlichen Höllenvorstellung hingewiesen. In ihrem Aufsatz über »Religion und Politik« (in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 319 ff.) interpretiert sie Platons Mythos von der Hölle als ein »politisches Instrument«, um die Mehrheit der Menschen, die nıcht an der Wahrheit interessiert seien, zur Anerken-

nung der herrschenden Ordnung zu zwingen. Ferner weist sie in ihrer Antwort an Eric Voegelin (in: Über den Totalitarismus) darauf hin, daß

die Verwendung der Vorstellung der Hölle für die Vernichtungslager ın ihrem Buch The Origins of Totalitarianism nicht »allegorisch« sondern »buchstäblich« gemeint sei, nämlich in dem Sinn, daß diejenigen, »die ihren Glauben an die Hölle verloren haben, .... willens und fähig sein könnten, exakte Abbilder dessen, was Menschen über die Hölle zu glauben pflegten, auf Erden zu schaffen.« ($. 45)

1017

HEFT

XVI

[3] ı Elizabeth Barrett-Browning, Sonette aus dem Portugiesischen, übertr.. gen von Rainer Maria Rilke, Englisch und Deutsch, mit einem Nach. wort von Elisabeth Kiderlen, Leipzig: Insel, 1991, S. 90f. Rilke übersetzt die Zeilen in dem XLIII. Sonett »- and, if God choose, / I shall but love thee better after death« anders als H.A.: »... will [!] ich dich besser lie.

ben ....« Siehe auch Arendt-Heidegger-Briefe, S.65f. 2 Sıehe Heft IX,19, Anm. 2.

[7] ı H.A. erörtert die politische Dimension des Verzeihens eingehender in der Vita activa. Dort heißt es: » Ausschlaggebend ist..., daß ın der Verzeihung zwar eine Schuld vergeben wird, diese Schuld aber sozusagen nicht im Mittelpunkt der Handlung steht; in ihrem Mittelpunkt steht

der Schuldige

($. 236f.).

selbst, um

dessentwillen

der Verzeihende

vergibt«

[8] ı Rudolf K. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament, begründet von H. A. W. Meyer), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1950, 5. 242.

[9] ı Platon, Nomoi, 857c4-e1; Übers. Schöpsdau-Müller: »Unser Vergleich war nicht übel, als wir alle diejenigen, denen heutzutage Gesetze gegeben werden, mit Sklaven verglichen, die von Sklaven ärztlich behandelt

werden. Denn darüber muß man sich völlig im klaren sein: wenn einmal einer der Ärzte, welche die Heilkunst rein empirisch ohne theoretische Grundlage betreiben, auf einen freien Arzt träfe, der sich mit einem

freien Kranken unterhält und sich dabei beinahe philosophischer Argumente bedient und die Krankheit bei der Wurzel packt, indem er auf die allgemeine Natur des Körpers zurückgeht, so würde jener gleich in lau1018

MAI 1953 BIS JUNI 1953 tes Gelächter ausbrechen und keine anderen Reden vorbringen als die, welche in diesem Fall die meisten der sogenannten Ärzte schnell bei der Hand haben; er würde nämlich sagen: »Du Tor, du behandelst ja

nicht den Kranken, sondern belehrst ihn geradezu, als müßte er ein Arzt, nicht aber gesund werden.«« In: Platon, Werke in acht Bänden, Bd. 8,2, 5. 189.

[10] ı Alcmaion, Fragment 4: »Gesundheitszustand sei die Gleichberechti-

gung [isonomia] der Kräfte ...., die Alleinherrschaft [monarchia] dagegen sei... krankheiterregend.« In: Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 1,5. 215.

[11] ı Siehe Werner Jaeger, Paideia, Berlin-Leipzig: de Gruyter, 1934, Bd. ı, das Kapitel: »Hesiod und das Bauerntum«, $. 89-112. Zu Hesiods ein-

geschränkter Verachtung der Arbeit siehe oben Heft XV;2. 2 H.A. bezieht sich mit Werner Jaeger auf Homer, Ilias, Buch 9, 443;

Übers. J. H. Voß: »Beides beredt in Worten zu sein, und rüstig in Taten.« H.A. zitiert nach der englischen Ausgabe des Werkes von Werner Jaeger: Paideia: The Ideals of Greek Culture, translated by Gilbert Highet, New York: Oxford University Press, 1939 ff.

Roscoe In diesem Sommer hielt H.A. sich nıcht nur in Palenville (siehe S. 977) auf,

sondern auch in dem nahegelegenen Roscoe.

[14] ı Werner Jaeger, Paideia (siehe Anm. ı unter ı1). In einer Anmerkung zu

ihrem Aufsatz »Was ist Autorität?« faßt H.A. die Position Jaegers folgendermaßen zusammen: »Werner Jaeger meint, daß sich durch Platos 1019

HEFT

XVI

ganzes Werk die Vorstellung von einer vollkommenen Meßkunst zieh. und daß er die philosophische Erkenntnis der »Werte< für die Fähigkeit, diese Maßstäbe zu beherrschen und anzuwenden, gehalten habe. Diese

Behauptung trifft nur für Platons politische Philosophie zu. Allein da; von

Jaeger

in

diesem

Zusammenhang

erwähnte

Wort:

phronesis

bezeichnet bei Plato und Aristoteles mehr die Einsicht des Staatsmann; als die »Weisheit« des Philosophen.« (In: H.A., Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 5. 406) 2 Platon, Laches, 192b5 9; Übers. F. Schleiermacher: »Versuche also auch

du, o Laches, so die Tapferkeit zu erklären, welche Kraft wohl seiend dieselbe in der Lust und Unlust und allen andern Dingen, worin wir sag-

ten, daß sie statthabe, die Tapferkeit genannt wird.« - Die hervorgehobene Stelle hat H.A. griechisch zitiert. 3 Platon, Politeia, 454b6-8; Übers. F. Schleiermacher: »... wir haben aber auch nıcht im mindesten untersucht, welche Art von Verschiedenheit und Gleichheit der Natur... wir damals bestimmt haben, als wir der verschiedenen Natur verschiedene Geschäfte, der gleichen aber die gleichen

zuteilten.« — Die hervorgehobene Stelle hat H.A. griechisch zitiert. 4 Platon, Euthyphron, 6d10- 11; Übers. F. Schleiermacher: »Du erinnerst dich doch, daß ich dir nicht dieses aufgab, mich einerlei oder zweierlei von dem vielen Frommen zu lehren, sondern jenen Begriff selbst, durch

welchen alles Fromme fromm ist.« - Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. 5 Platon, Kratylos, 389a5-b3, Übers. F. Schleiermacher: »Wohl, so be-

trachte nun weiter, worauf der Gesetzgeber wohl sieht, indem er die Worte bestimmt. Mache es dir nur aus dem vorıgen klar. Worauf sieht wohl der Tischler, wenn er die Weberlade macht? Nicht auf so etwas, dessen Natur und Wesen eben dies ist, das Gewebe zu schlagen?... Und wie, wenn ihm die Lade während der Arbeit zerbricht, wird er eine andere wieder machen, indem er auf die zerbrochene sieht, oder

wieder auf jenes Bild, nach welchem er auch die zerbrochene gemacht hatte?« 6 Platon, Phaidros, 270d6-7; Übers. F. Schleiermacher: »... was sie ihrer Natur nach ausrichten (und was) sievon welchem anderen erleiden kann.« 7 Platon, Politeia, 507b7; Übers. F. Schleiermacher: »... was es ist« — nämlich »dasselbe Bild«.

8 Platon, Symposion, 211b1; Übers: F. Schleiermacher: »...an und für und in sich selbst ewig überall dasselbe seiend....«

1020

MAI 1953 BIS JUNI 1953

[15] Hinsichtlich Platons Gorgzas wird ım folgenden die im Literaturverzeichnis zitierte

achtbändige

Werkausgabe

mit

der

Übersetzung

von

Friedrich

Schleiermacher herangezogen. Einzelne Zitate und Gedanken in dieser Eintragung hat H.A. in eckige Klammern gesetzt. Es ist zu vermuten, daß diese Klammern später hinzugefügt wurden. Sie könnten — wie bei 482c1-3 angemerkt wird (siehe unten Anm. ı1ı) - darauf hinweisen, daß die betreffenden

Stellen von ihr in Vorlesungs- oder Vortragsskripten und im veröftentlichten Werk berücksichtigt wurden.

D

ı Platon, Gorgias: 448: TExvn - Tüyn [techne - tyche], eine Kunst, die sich auf den Zufall verläßt; 462: Texvn - Euneigia [techne — empeiria], eine Kunst, die man durch Übung erreicht; 465: &Aoyov öntooian (TExvn) [alogon rhetorike (techne)], eine Kunst ohne schlüssige theoretische Grundlage. Platon, Gorgias, 450b8-c1: »... die Redekunst aber hat nichts dergleichen Handgreifliches, sondern ihre ganze Verrichtung und Vollführung

ww

geht durch Reden.« Platon, Gorgias, 45 1d7-8: »Die wichtigsten ... unter allen menschlichen

Dingen und die herrlichsten.«

4 Platon, Gorgias, 45 3a8-b3: »So höre denn, Gorgias. Denn ich, das wisse

nur, glaube gewiß, wenn irgendwer im Gespräche beabsichtigt, das wirklich zu erforschen, wovon die Rede ist, bin ich gewiß auch ein solcher,

und ich denke, du auch.« - Die Hervorhebungen werden von H.A. grieun

chisch zitiert. Platon, Gorgias, 463dı-2:

»Nach meiner Erklärung ist die Redekunst

von einem Teil der Staatskunst das Schattenbild.« - Die Hervorhebung wird von H.A. griechisch zitiert. 6 Platon, Gorgias, 467c6-9: »Denkst du denn, daß die Menschen dasje-

nige wollen, was sie jedesmal tun? Oder vielmehr jenes, um deswillen sie dasjenige tun, was sie tun?« 7 Platon, Gorgias, 469c6-9: »Ich verstehe eben darunter das Vorige, daß man Macht habe im Staate, was einen gut dünkt, auszurichten, zu töten,

zu vertreiben und alles zu tun nach eigenem Wohlgefallen.« - Die Hervorhebung wird von H.A. griechisch zitiert. 8 Platon, Gorgias, 476b4-5: »Wenn jemand etwas tut, muß es dann nicht

notwendig auch ein Leidendes geben von diesem Tuenden?« 9 Platon, Gorgias, 476d5 -6:»... wiedas’Tuende tut, so das Leidendeleidet.« IO21

HEFT

XVI

I

u|

ıo Platon, Gorgias, 478a12-bı: »Die Erwerbsarbeit also befreit von der Armut, die Heilkunde von der Krankheit... ?« Platon,

Gorgias,

482b6-c2:

»Und

ich wenigstens,

du Bester, bin der

Meinung, daß lieber ... die meisten Menschen nicht mit mir einstimmen, sondern mir widersprechen mögen, als daß ich allein mit mir selbst nicht zusammenstimmen, sondern mir widersprechen müßte.« - Die Hervor. hebung wird von H.A. griechisch zitiert. — Dieser Satz spielt in H. A.s Konzeption des Denkens in ihrem späteren Werk Vom Leben des Geistes eine bedeutende Rolle, und zwar für die Frage, in welcher Weise

das Denken die Menschen »davon abhalten oder geradezu dagegen prä-

12

disponieren (kann), Böses zu tun«. Siehe insbesondere das Kapitel III, 18 (»Zwei in Einem«), S. 179ff., in dem Band Das Denken. Platon, Gorgias, 484bı-8: »Auch Pindaros scheint mir das, was ich meine, anzudeuten in dem Liede, worin er sagt: »Das Gesetz, der Sterblichen König und Unsterblichen«, und dies, sagt er, führt von Natur her-

bei rechtfertigend das Gewaltsamste mit übermächtiger Hand...Ai000ı Aöyoi (etwa >doppelsinnige Beweise«) — ein sophistischer Traktat von etwa 400 v.Chr. gemeint sind, die die Relativitätslehre des Protagoras referieren, derzufolge sich von jeder Behauptung auch das Gegenteil beweisen und für jede Ansicht auch ein Gegenbeispiel erbringen läßt. Die von Aristoteles angeführten Beispiele [siehe Heft XVII,1ı8], etwa Kreon — Antigone, deuten darauf ebenso hin wie die Zodıotıxoi EAeyxoı, etwa >sophistische

Beweise»augmentare< (augere)] the world« (HA Papers, Library of Congress, Cont. 45, p. 023943); siehe auch H.A.,

»Was ist Autorität?« (1957), in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, $. 159-200, $. ı88f.

2 H.A. gibt keine Stelle bei Aristoteles an, auf die sie sich hier bezieht. Gemeint sein könnte Nikomachische Ethik, Buch II, ıı12b31-111324;

Übers. F. Dirlmeier: »Es ist also richtig...., daß der Mensch das bewegende Prinzip von Handlungen ist. Und sein Überlegen richtet sich auf das, was er selbst verwirklichen kann. Die Einzelakte aber haben Ziele,

1049

HEFT

XX

die über sie selbst hinausweisen. Denn es kann ja nicht das Ziel Gegen.

stand des Hin- und Herüberlegens sein, sondern nur die Mittel zum Ziel Und natürlich können auch nicht die Einzeltatsachen Gegenstand des Überlegens sein, z.B. ob dies Brot sei oder ob es richtig gebacken ist:

das ist Gegenstand der Sinneswahrnehmung. Falls ein Mensch unaufhörlich hin und her überlegen wollte, müßte er ins Endlose [Arteigov]

geraten.«

[44] ı Siehe Hobbes im 4. Kapitel (»Of Speech«) des ersten Teils seines Leviathan.

2 Siehe hierzu den Abschnitt D (»Das Urteil des Begriffs«) ım 2. Kapitel des Zweiten Teils von Hegels Wissenschaft der Logik, in: Hegel, Werke (Suhrkamp), Bd. 6, S. 344ff.; vgl. auch H.A., »Natur und Geschichte« (1957), in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 5.68 und zg1f. (Anm. 17).

Anmerkungen zu Heft XX Seite 475-510

[9] I Dieses »Buch« hat H.A. so nie geschrieben. Zur Veröffentlichung zu Lebzeiten gelangte lediglich der unter 2) charakterisierte Teil, nämlich als The Human

Condition (1958; deutsch Vita activa, 1960). Zugleich

weist die Eintragung auf ein Buchprojekt hin, das H.A. seit 1955/56 verfolgte, eine »Einführung in die Politik«. Bruchstücke für dieses Werk sind 1993 aus dem Nachlaß herausgegeben worden: H.A., Was ist Po-

tik? — Offensichtlich war der Buchplan seinerzeit noch recht unbestimmt. Wahrscheinlich hatte er keineswegs deutlichere Konturen angenommen,

als Arendt mehrere Monate später in einem Brief an Karl

Jaspers das Buch, an dem sie arbeitete, als »Buch über politische 'Theo1050

MÄRZ 1954 BIS JANUAR 195, rien«

beschrieb,

das

sie »Amor

Mundi«

nennen

wolle

(siehe unten

XXL 26 und im Anmerkungsteil S. 1065). Siehe zu diesen werkgeschicht-

lichen Zusammenhängen U. Ludz, »Hannah Arendts Pläne für eine ‚Einführung in die Politik««, in: H.A., Was ist Politik, S. 148; vgl. auch

oben die Eintragungen Nr. 17 und 21 ın Heft XIx.

11] ı Waldemar Gurian (1902-1954), Publizist und Hochschullehrer russisch-deutscher Herkunft, emigrierte 1933 über die Schweiz in die USA. Seit 1937 lehrte er an der (katholischen) University of Notre Dame (im amerikanischen Bundesstaat Illinois), wo er die Zeitschrift

Review of Politics gründete. Im »Gurian Memorial Issue« dieser Zeitschrift veröffentlichte H.A., die Gurian bereits in den zwanziger Jahren in Berlin kennengelernt hatte, ihren Gedenkartikel, später ın: H.A., Men in Dark Times, deutsch (übers. von U. Ludz) in: Menschen in finsteren Zeiten.

[12] ı Platon, Politikos, 285e4-286a1; Übers. F. Schleiermacher: »... daß aber

von den größten und wichtigsten [Dingen] es kein handgreifliches Bild für die Menschen gibt«.

[14] ı Blaise Pascal, Pensees, Nr. 294 (137), in: ders., (Euvres completes, Paris: Gallimard (Bibliotheque de la Pleiade), 1954, S. 1084-1345, $. 1163;

deutsch: ders., Gedanken, nach der endgültigen Ausgabe übertragen von Wolfgang Rüttenauer, mit einer Einführung von Romano Guardini, Leipzig: Dietrich’sche Verlagsbuchhandlung (Sammlung Dietrich, 7), 0.J., Nr. 326, $. 161.: »Man stellt sich Platon und Aristoteles nur in der feierlichen Gewandung des Lehrers vor. Es waren Ehrenmänner, die wie andere Menschen mit ihren Freunden lachten; und wenn sıe zu ihrer

Zerstreuung ihre Gesetze und ihre Politik machten, war das für sie nur ein Spiel; es war der am wenigsten philosophische und am wenigsten IosI

HEFT

XX

ernste Teil ihres Lebens; der philosophischste war, einfach und ruhig zu

leben. Wenn sie über Politik schrieben, dann taten sie es gleichsam, um ein Narrenhaus zu ordnen; und wenn sie zum Schein davon sprachen

wie von einer großen Sache, so geschah das nur darum, weil sie wußten, daß die Narren, zu denen sie sprachen, Könige und Kaiser zu sein glaub. ten. Sie gingen auf deren Prinzipien ein, um ihre Narrheit so unschädlich

wie möglich zu machen.«

[15] ı H.A. bezieht sich hier wahrscheinlich auf die folgenden Titel: Werner

Heisenberg, Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft: Zehn Vorträge, Stuttgart: Hirzel, ı1., erw. Aufl. 1980; Alexandre Koyre, From the Closed World to the Infinite Universe, Baltimore: Johns Hopkins, 1957; deutsch: Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum, übers. von Rolf Dornbacher, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1969, vgl. S. 216, 248. Siehe im veröffentlichten Werk H.A., »The Con-

quest of Space and the Stature of Man« (1968 ) und »The Archimedian Point« (1969); übers. von U. Ludz, in: H.A., In der Gegenwart, 5. 373384 und $. 389-402.

[17] ı Anton P. Chekhov, Selected Letters, hrsg. von L. Hellman, übersetzt von S. Lederer, London: Hamilton, 1955. Die von H.A. zitierte Stelle steht in einem Brief Tschechows an den Herausgeber der Zeitung Nowoje wremja, Alexej Sergejewitsch Suworin (1834-1912), der Tschechow als

Mitarbeiter beschäftigte. Sie bezieht sich nicht auf Alfred Dreyfus, sondern auf Emile Zola, der sich mit seinem »J’accuse« in der DreyfusAffäre zu Wort gemeldet hatte. Tschechow verteidigt Zola (Brief vom

6. Februar 1898): »Mag Dreyfus schuldig sein — Zola hat trotzdem recht, weil es Sache der Schriftsteller ist, nicht anzuklagen oder zu verfolgen, sondern sich sogar für die Schuldigen einzusetzen, auch wenn sie schon verurteilt sind und ihre Strafe verbüßen. Man wird sagen: Aber die Politik? Die Interessen des Staates? Aber die großen Schriftsteller und Künstler sollen sich mit Politik nur so weit beschäftigen, als sie sich ihrer erwehren müssen.« Anton Tschechow, Briefe, aus dem Russischen von

1052

MÄRZ

1954 BIS JANUAR

1955

Ada Knipper und Gerhard Dick, hrsg. von Gerhard Dick, München: Winkler, 1971, S. 343. 2 Nietzsche, Kritische Studienausgabe, Bd.9, S. 135, dasselbe Zitat oben Heft V,19 (S. 115). H.A. zitiert aus Nietzsches Nachlaß, wie er in der

sog. Großoktavausgabe: Nietzsches Werke, hrsg. vom Nietzsche-Archiv, Leipzig: Naumann, veröffentlicht wurde (hier Bd. 12 [1904)).

[21] ı Goethe über die Kirchengeschichte: »Mischmasch von Irrtum und von Gewalt«, in: Goethes Werke: Hamburger Ausgabe, Bd. 1, 5. 334. 2 Siehe oben Heft XVII,25 (Anm. 2), S. 1032.

[26] ı Gottfried Wilhelm Leibniz, Discours de la metaphysigne, Nr. VI, ın: Die philosophischen Schriften, hrsg. von C. J. Gerhardt, Berlin: Weidmann, Bd. 4 (1880), S.431. Nachdruck Hildesheim - New York: Georg Olms, 1978.

[28] ı Friedrich Hölderlin, »Sokrates und Alcibiades«, in: ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Friedrich Beissner, Stuttgart: Cotta, Bd.ı (1946), S. 260.

[29] ı Bertolt Brecht, »Choral vom Manne Baal«, ı. und 9. Strophe, in: ders., Gesammelte Gedichte, Frankfurt am Main: Suhrkamp, Bd.ı (1981), S.249 und 250.

10573

HEFT

X

[31] ı Novalıs, Blütenstaub, in: ders., Schriften, hrsg. von Richard Samuel, Stuttgart: Kohlhammer, Bd. 2 (1960), S. 413.

[35] ı Das »Höhlengleichnis« steht im 7. Buch von Platons Politeia.

[37] ı Seneca, Hercules Furens: A critical text with introduction and commen-

tary by John G. Fitch, Ithaca and London: Cornell University Press, 1987, S. 80.

[38] ı Sıehe Heft XIX, 16.

[39] ı Alfred North Whitehead, Science and the Modern World, New York: The

New

American

Library

of World

Literature

(Mentor

Books)

51954; deutsch: ders., Wissenschaft und moderne Welt, übers. von Hans Günter Holl, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988. Die von H.A. wie

Zitate gekennzeichneten Sätze: »Mittelalter: »Glaube beruht auf Rationalitäts; Neuzeit:

>Rationalität beruht auf Glauben«,

konnten nicht

gefunden werden. Sie sind wahrscheinlich Resümees der Darstellung Whiteheads. Als Belege seien die beiden folgenden Stellen angeführt: »Das Mittelalter war...durch und durch rationalistisch ... Es liegt auf der Hand, daß die Gewohnheit eindeutigen, exakten Denkens des europäischen Geistes durch die lange Vorherrschaft der scholastischen Logik und Theologie nachhaltig geprägt wurde... Die Herausbildung der wissenschaftlichen Bewegung... [beruht auf dem] unbeirrbaren Glauben, daß jedes einzelne Vorkommnis in einer völlig bestimmten Weise auf

1054

MÄRZ 1954 BIS JANUAR 1955 seine Vorgänger bezogen werden kann, als Exemplifikation allgemeiner Prinzipien ... Vergleichen wir diese Stimmung des Denkens in Europa mit der Haltung anderer, sich selbst überlassener Zivilisationen, dann

scheint sie nur aus einer Quelle gespeist zu sein. Sie muß von dem mittelalterlichen Beharren auf der Rationalität Gottes kommen ...« (S. 23f.).

Andererseits blieb die Wissenschaft »eine antirationalistische Bewegung, die auf einem naiven Glauben beruhte, ... die Wissenschaft weist die Phi-

losophie ab. Sie hat sich mit anderen Worten nie darum gekümmert, ihren Glauben zu rechtfertigen oder ihre Bedeutungen zu erklären ... Natürlich war die historische Auflehnung völlig gerechtfertigt. Sie war an der Zeit und mehr als das: Sie war im Sinne des gesunden Fortschritts sogar absolut notwendig. Die Welt brauchte Jahrhunderte der kontemplativen Betrachtung widerspenstiger und eigenwilliger 'Tatsachen« (S. 28).

[41] ı Die näheren Umstände und der Adressat dieser Widmung konnten nicht ermittelt werden.

[42] ı H.A. zitiert in abgekürzter Form. Es ist anzunehmen, daß sie folgende Kant-Stelle im Sınn hatte: »Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch

die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.« Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785), Zweiter Abschnitt, BA 52, in: ders., Werke (Weischedel), Bd.6, S. sı. Vgl. auch Heft VII,1o, $. 164.

[44] ı Thomas von Aquin, Summa theologiae, vollständige, ungekürzte Ausgabe, übers. von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, hrsg. vom Katholischen Akademikerverband, SalzburgLeipzig: Pustet, I, 2 (1934), S. 290f.: »Unter die Allmacht Gottes fällt IO$5

HEFT

X

D

nicht, was einen Widerspruch besagt«, wie zum Beispiel erstens »zugleich sein und nicht sein«, zweitens »was geschehen ist, [sei] nicht geschehen«. Aristoteles setzt sich kritisch mit dem Dichter Agathon (geb. ca. 450 v. Chr.) auseinander, dessen Werk verlorengegangen ist, in: Nichomachische Ethik, 1139b9; Übers. F. Dirlmeier: »Denn dies allein ist auch der

DW)

Gottheit nicht vergönnt: / Vollbrachte Taten ungeschehn zu machen.« Aristoteles, Metaphysik, 10065; Übers. F. Schwarz: »Nun aber... gibt

es einige, die behaupten, daß dasselbe sein und nicht sein könne und daß es möglich sei, dies so anzunehmen. Diese Behauptung vertreten

auch die Naturphilosophen. Doch wir haben eben angenommen, es sei unmöglich, daß etwas zugleich sei und nicht sei, und haben daraus gezeigt, daß dies das sicherste Prinzip von allen ist.« — Die Hervorhebung ist von H.A. griechisch zitiert. 4 Protagoras,

A2o.

Das

eigentliche Fragment,

B 6a, lautet: Ȇber

jede

Sache gibt es zwei einander entgegengesetzte Aussagen (Meinungen).« In: Diels-Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 2, S. 260. H.A. gibt zusätzlich die Quelle an, in der das Protagoras-Fragment überliefert ist: Clemens Alexandrinus, Stromata, Buch VI, 65, siehe die Ausgabe (hrsg. von Otto Stählin) in der Reihe Die griechischen. christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte (Bd. ı5, Leipzig: Hinrichs, 1906, S. 464).

[45] Demokrit, B 145: »[Das] Wort [ist] der Tat Schatten«, in: Diels-Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 2, 5. 171. 2 Demokrit, B 190, in: Diels-Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 2, 5. 184. I

[46] I Siehe Heft XVII,25 (Anm. 2), S. 1032. 2 Siehe Heft XX,26, Anm. ı.

1056

MÄRZ 1954 BIS JANUAR 1955 [47] ı Aristoteles, Metaphysik, 1015230; Übers. F. Schwarz: »Die Notwendig-

keit... gilt für etwas Unerbittliches.«

[48] ı Leo Schestow, Athen und Jerusalem: Versuch einer religiösen Philosophie, aus dem Russischen von Hans Ruoff, mit einem Essay von Raimundo Panikhar, München: Matthes & Seitz, 1994, $. 364.

[49] ı Baruch Spinoza, Ethik, IV, 52: »Zufriedenheit mit sıch selbst kann aus

der Vernunft entspringen, und gerade diese Zufriedenheit, welche aus der Vernunft entspringt, ist die höchste, die es geben kann.« In: ders., Werke, lateinisch und deutsch, hrsg. von Konrad Blumenstock, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Bd. 2 (1967), S. 456f.

[50] 1 Rene Descartes, »Brief an Mersenne«, Ende November 1633, in: (Euvres et leitres de Descartes, hrsg. von Andre Bridoux, Paris: Gallimard (Bibliotheque de la Pleiade), 1953, S. 947f.; Übers. Hrsg.: Ich bin beinahe

entschlossen, alle meine Papiere zu verbrennen ... ich gebe zu, daß, wenn die Bewegung der Erde falsch ist, alle Grundlagen meiner Philosophie es auch sind.

[51] ı Leibniz über die »ewigen Wahrheiten«: »Die Gesetze, diese Richter zwingen nicht: Sie sind stärker, denn sie überzeugen«, in: Gottfried Wilhelm Leibniz, Die Theodizee von der Güte Gottes, der Freiheit des Men-

schen und dem Ursprung des Übels, französisch und deutsch, hrsg. und übersetzt von Herbert Herring (= G. W. Leibniz, Philosophische Schrif1057

HEFT

XXX

ten, Bd.II, ı), Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 1265), 1996, $. 40ıf.

[52] ı Epiktet, Dissertationes, Buch II, Kap. ı1: »Ein Anfang der Philosophie ist bei denen, die sie sachgemäß in Angriff nehmen und den richtigen Einstieg wählen, das Bewußtsein der eigenen Schwäche und Unfähigkeit angesichts

dessen,

was

notwendig

ist.« In: Epiktet, ’Teles, Musonius,

Ausgewählte Schriften, griechisch und deutsch, hrsg. und übers. von Rainer Nickel,

Zürich: Artemis

& Winkler

(Sammlung

Tusculum),

1994, 9. 323.

[53] ı Aristoteles, Metaphysik, 984b10; Übers. F. Schwarz: »...von der Wahrheit selbst genötigt«.

[54] ı Baruch Spinoza, Ethik, IV, 67; Mensch denkt an nichts weniger, nicht eine Betrachtung des Todes, (siehe oben Anm. ı unter Nr. 49),

1058

Übers. K. Blumenstock: »Der freie als an den Tod, und seine Weisheit ist sondern des Lebens.« In: ders., Werke S. 479.

Anmerkungen zu Heft XXI Seite 511-558

[1] Von Platons Sophistes (Der Sophist) werden ım folgenden der griechische Text und die deutsche Übersetzung von Friedrich Schleiermacher in Platon, Werke in acht Bänden (siehe Literaturverzeichnis), Bd. 6 ($. 219-401) zu-

grunde gelegt. »Platon — Sophistes« war die Vorlesung, die H.A. in ıhrem ersten Studiensemester 1924/25 bei Martin Heidegger hörte, siehe Arendt-Heidegger-Briefe, S.268 und 320, vgl. auch S.232, 236. In der Heidegger-Gesamtausgabe wurde sie 1992 als Band

ı9 (hrsg. von Ingeborg Schüßler)

veröffentlicht. I

Platon, Sophistes, 217c2-4; Sokrates fragt 'Theaitetos: »Sage uns..., ob du gewohnt bist, lieber für dich alleın in fortlaufender Rede sprechend dasjenige durchzuführen, was du jemandem darstellen willst, oder ın

Fragen ....« — Die hervorgehobene Stelle entspricht der von H.A. griechisch zitierten. - Die wörtliche Übersetzung für Schleiermachers »für dich allein... sprechend« lautet: mit dir selbst sprechen, reden; daraus wird bei H.A. das »Mit-sich-selber-Reden«. Platon, Sophistes, 233c10-ı1: »Eine scheinbare Erkenntnis also von

allen Dingen, nicht aber die Wahrheit besitzend zeigt sich der Sophist.« — Die Hervorhebungen werden von H.A. griechisch zitiert. 3 Platon, Sophistes, 236e1-2: »Denn Erscheinen und Scheinen [,] ohne zu sein...«

4 Platon, Sophistes, 23743 -9: »Diese Rede untersteht sich ja vorauszuset-

zen, das Nichtseiende sei. Denn sonst gäbe es auf keine Weise Falsches wirklich. Parmenides der Große, aber, o Sohn, hat uns als Kinder von Anfang an und bis zu Ende dieses eingeschärft, indem er immer unge-

bunden sowohl als in seinen Gedichten so sprach. Nimmer vermöchtest du ja zu verstehn, sagt er, Nichtseiendes seie sondern von solcherlei Weg halt fern die erforschende Seele.« Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. - Zu Parmenides, auf den Bezug genommen wird, siehe Diels-Kranz, 28 B7 (Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. 1, 5. 234).

1059

HEFT

XXI

5 Platon, Sophistes, 238d4-7: »Wie doch, du Wunderbarer, merkst du denn nicht eben an dem Gesagten, daß auch den Gegner das Nichtse;ende in Not bringt, so daß, wie auch jemand versuche, es zu widerlegen,

er gezwungen wird, ihm selbst Widersprechendes davon zu sagen?« _ Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. 6 Platon, Sophistes, 253C7-d3: »FREMDER:...sind wir, ohne es zu be-

merken, ın die Wissenschaft freier Menschen hineingeraten? Und mögen wohl gar den Sophisten suchend zuerst den Philosophen gefunden haben? - THEAITETOS: Wie meinst du das? - FREMDER: Das Tren-

nen nach Gattungen, daß man weder denselben Begriff für einen andern, noch einen andern für denselben halte, wollen wir nicht sagen, dies gehöre für die dialektische Wissenschaft?« — Die hervorgehobenen Stellen werden von H.A. griechisch zitiert. 7 Platon, Sophistes, 254a8-9: »...bei der Idee des Seienden in vernunft-

mäßigem Verfahren ...« 8 Platon, Sophistes, 263e3-5: »Also Gedanken und Rede sind dasselbe,

nur daß das innere Gespräch der Seele mit sich selbst, was ohne Stimme vor sich geht, von uns ist Gedanke genannt.« — Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert. 9 Platon. Sophistes, 268bı-4: »... mir erscheinen... deren zwei: der eine

[der Demologikos], der öffentlich und in langen Reden vor dem Volke sich zu verstellen versteht; der andere [der Sophist], der unter wenigen und in kurzen Sätzen seinen Mitunterredner zwingt, sich selbst zu

widersprechen.«

[2] ı David Hume, A Treatise on Human Nature, Book II, Part III, Section 3: »Die Vernunft ist nur der Sklave der Affekte und soll es sein; sıe darf nie-

mals eine andere Funktion beanspruchen, als die, denselben zu dienen und zu gehorchen.« David Hume, Ein Traktat über die menschliche Natur, Deutsch mit Anmerkungen und Register von Theodor Lipps (1904-1906), mit einer Einführung neu hrsg. von Reinhardt Brandt, Hamburg: Meiner (Philosophische Bibliothek, 283), 1973, Bd. 2, $. 153.

1060

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956

[3] Deutsch: nicht kunstgerechter, planloser, der Methode nicht zugänglicher (Roh-)Stoff, siehe Sextus Empiricus, /Ioög yoauuatıxoüg [Pros grammatikus], 254.

I

[4] I

Eın Beleg für dieses Zitat konnte nicht gefunden werden. Vgl. aber H.A., Vita activa, S. 141, wo sie als Frage, »die Lessing einmal den uttlitaristi-

schen Philosophien [Philosophen ?] seiner Zeit stellte«, ohne Quellenangabe formuliert: »Und was ist der Nutzen des Nutzens?«

iA

[5] "Avo& [anax] ıst ein von Homer häufig gebrauchtes Wort; es bedeutet »der Oberste, König, Fürst, Herr, Gebieter, von allen Göttern, den himmlischen wie den unterirdischen ...bei Homer vorzugsweise vom

Apoll,

der sogar ohne

weitere

Benennung

so bezeichnet

wird«.

F. Passow (et al.), Handwörterbuch der griechischen Sprache (5. Aufl., Leipzig 1841), Nachdruck Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, Bd. 1, 5. 186.

[6] ı Vgl. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Kap. IX (»Soziologie der Herrschaft«), 8. Abschnitt, $5 (» Antike und mittelalterliche Demokra-

tie«), über die »Klienten«. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie, 4., neu hrsg. Aufl., besorgt von Johannes Winckelmann, 2 Halbbde., Tübingen: Mohr, 1956, 2. Halbbd., S.8ı4f.

1061

HEFT

XX1

Berkeley (Gastprofessur im Frühjahr 1955) Für das Frühjahrssemester 1955 hatte H.A. eine Gastprofessur am Department of Political Science der University of California at Berkeley angenommen. Sie bot eine Vorlesung (»History of Political Theory«), ein »under-

graduate seminar« (»Contemporary Issues and Political Theory«) und ein »graduate seminar« (»European Political Theory«) an. Anfang Februar 1955 fuhr sie mit dem Zug (»drei Tage und drei Nächte«) auf die andere Seite des amerikanischen Kontinents und kam dort an - in einer »Herrlichkeit«, wo, wie sie Goethe zitierend schrieb, »das All mit

Machtgebärde in die Wirklichkeit brach«. Bis Ende Juni blieb sie in Berkeley, konnte von Lehrerfolgen, der Beliebtheit bei Studenten und dem ihr fremden akademischen Betrieb (»die Kollegen lieben mich nicht«) berichten. Siehe Arendt-Blücher-Briefe, S. 331-390; Arendt-Jaspers-Briefwechsel,

S. 288-296; Arendt-Blumenfeld-Korrespondenz,S. 123.

[8] ı Vgl. sinngemäß Karl Jaspers, Descartes und die Philosophie, 4., unveränderte Aufl., Berlin: de Gruyter, 1966, wo es heißt, daß die »nova scientia«

(und deren Vertreter Galileo Galilei) »die Frage nach dem Wesen eines Dinges als unbeantwortbar beiseite läßt, um nur die Gesetze des Geschehens zu erforschen« ($. 55).

[?] ı Siehe Machiavelli, Zl principe (Der Fürst), Kap. ı5. Vgl. auch H.A., Vita activa (5.74) — unter Verweis auf dieses und das Kap. 8 von Il principe: »... Güte als eine in sich stimmige Lebensform innerhalb der Grenzen des öffentlichen Bereichs [ist] nicht nur unmöglich, sondern, wo immer

sie versucht wird, ausgesprochen zerstörerisch. Niemand ist sich der ruinösen Qualitäten der tätigen Güte klarer bewußt gewesen als Machiavelli, der in einem so berühmten wie berüchtigten Absatz zu sagen wagte, er wolle die Menschen lehren, nicht gut zu sein. Natürlich hat er damit nicht sagen wollen, er wolle die Menschen lehren, schlecht zu sein... Machiavellis Kriterion für politisches Handeln war das gleiche 1062

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956 wie das des klassischen Altertums, nämlich der »strahlende Ruhm«, und

Schlechtigkeit kann ebensowenig »erstrahlen< wie Güte. So verwirft er Schlechtigkeit... nicht weniger als die Güte.«

[10] I

Aristoteles,

Oeconomica,

1343a1-4;

Übers.

U. Victor:

»Die

Leitung

einer Haushaltung und die Leitung eines Staates unterscheiden sich nicht nur in dem Maße wie Haushaltung und Staat (denn diese sind ihre Gegenstände), sondern auch darın, daß die Leitung des Staates aus vielen

Machthabern besteht, in der Haushaltung aber einer allein die Macht hat.« Siehe Ulrich Victor, Oikonomikos: Das Erste Buch der Ökono-

v

mik-Handschriften -— Text, Übersetzung und Kommentar - und seine Beziehungen zur Ökonomikliteratur, Königstein/Ts.: Hain (Beiträge zur klassischen Philologie, 147), 1983. Aristoteles, Oeconomica, 1343a10- 11; Übers. U. Victor: »Der Staat ist nun eine Menge von Haushaltungen ... die für ein gutes Leben eine aus-

Aw)

reichende Grundlage bieten.« Aristoteles, Oeconomica,

1343b24-25; Übers. U. Victor: Die Natur

erreicht »durch diesen Kreislauf [von Alt und Jung] das Immer-Sein. Denn sie vermag es nicht auf der Ebene des Individuums, wohl aber für die Art.«

[15] I

Ein Bruchstück aus dem von H.A. häufig zitierten Satz des Augustin: »[Initium].... ut esset, creatus est homo, ante quem nullus fuit.« Genaue

Angabe und Übersetzung siehe oben im Anmerkungsteil S. 934.

[117] I

Der durch die Begriffe »Isolierung«, »Einsamkeit« und »Verlassenheit« und den Oberbegriff » Alleinsein« gekennzeichnete Themenbereich, der in den Umkreis ihrer Vorstellungen von der Pluralität (siehe unten Nr. 66) gehört, beschäftigte H.A. lebenslang. Sehr früh bereits unterscheidet sie zwischen »Einsamkeit« und »Verlassenheit«. Die erste 1063

HEFT

XXI

bekannte diesbezügliche Stelle findet sich in einem Briefkonzept an Martin Heidegger (datiert 22. 4. 1928), Arendt-Heidegger-Briefe, 5.65;

vgl. auch die Hinweise im Denktagebuch, wo H.A. (Rilkes) »Verlassene« anführt. Im Falle des Briefes an Heidegger erfolgt die Begriffsklärung noch ganz im Horizont des Nachdenkens über die eigene Lebens-

situation. Ein Vierteljahrhundert später, 1953, erscheint das Begriffspaar in dem Essay »Ideologie und Terror« erstmals in politisch-gesellschaftlichem Bezug, siehe H.A., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, S.727ff. Die Erweiterung des Reflexionsraumes um den Begriff »Isolie-

rung« nimmt H.A. anschließend bei der Überarbeitung von »Ideologie und Terror« für die englische Fassung »Ideology and Terror: A Novel Form of Government« (Erstveröffentlichung ebenfalls 1953) vor, siehe H.A., The Origins of Totalitarianism, 5. 474f. »Einsamkeit« als (not-

wendige) Bedingung des Philosophierens wird sie schließlich gegen Ende ihres Lebens ın der Vorlesungsreihe Thinking - ın Absetzung von »Verlassenheit« — besonders hervorheben. Die entscheidende Stelle hier (S. 185) lautet: »Thinking, existentially speaking, is a solitary but not a

lonely business; solitude is that human situation in which I keep myself company. Loneliness comes about when I am alone without being able to split up into the two-in-one, without being able to keep myself company, when, as Jaspers used to say, »I am in default of myself« (ich bleibe mir aus), ot, to put it differently, when Iam one and without company.« In der deutschen Übersetzung (siehe Das Denken, S. 184) ist diese Stelle

mißverständlich wiedergegeben; wir übersetzen: »Das Denken ist, existentiell gesehen, ein einsames (solitary) Geschäft, aber man ist dabei nicht verlassen (lonely). Einsamkeit ist die menschliche Situation, in der ich mir selbst Gesellschaft leiste. Verlassenheit tritt dann ein, wenn ich allein (alone) bin, ohne mich in das Zwei-in-Einem aufspalten zu können, ohne fähig zu sein, mir selbst Gesellschaft zu leisten (ich bleibe mir aus< pflegte Jaspers zu sagen) — beziehungsweise, um es anders auszudrücken, wenn ıch Einer bin und ohne Gesellschaft.«

[18] I Das Sokrates-Zitat bei Xenophon, Memorabilia, II, 6, 39; für Machia-

velli konnte kein. Beleg gefunden werden. — Beide Zitate diskutiert H.A. (ohne Quellenangabe) ausführlich in ihrem Buch Über die Revolution, siehe dort 5. 128 ff., siehe ferner H.A., Was ist Politik®, S. 195.

1064

JANUAR

1955 BIS JANUAR

1956

[26] ı Seinerzeit plante H.A. ein Buch »über politische 'Theorien« mit dem Titel »Amor Mundi«, vgl. auch unten Nr. 55. An Karl Jaspers schrieb sie am 6. August 1955 aus Palenville, als sie ihn über ihre bevorstehende

Europareise informierte und ihren Besuch in Basel ankündigte: »Ja, die Weite der Welt möchte ich Ihnen diesmal bringen. Ich habe so spät, eigentlich erst in den letzten Jahren, angefangen, die Welt wirklich zu

lieben, daß ich es eigentlich können müßte. Aus Dankbarkeit will ich mein Buch über politische Theorien »Amor Mundi< nennen. Davon will ich die Kapitel über Arbeit in diesem Winter schreiben, als eine Vor-

tragsserie für die Chicagoer Universität, die mich für April [1956] eingeladen hat.« (Arendt-Jaspers-Briefwechsel, S. 301)

Dieses Buch »über politische Theorien« mit dem Titel »Amor Mundi« hat H.A. nie geschrieben, vgl. oben die Anmerkung

zu Heft XX,9,

S. 1050f. Vielmehr verselbständigten sich »die Kapitel über Arbeit« zu ihrem - nach The Origins of Totalitarianism - zweiten großen monogram

phischen Werk The Human Condition (1958; deutsch Vita activa, 1960).

Die an Leibniz und Heidegger anknüpfende Frage, warum überhaupt Jemand sei und nicht vielmehr Niemand, wird weiter oben (in Nr. 15)

als »die Frage der Politik« bezeichnet. Vgl. zu Leibniz Heft XXVII,69 (S. 786), zu Heidegger H.A., Das Denken, S. 146.

[29] ı Vgl. hierzu H.A.s »Conclusion« zu ihrer Vorlesung »History of Political Theory« (University of California at Berkeley, Spring Term 1955, LCCont. 46), in deutscher Übersetzung (von U. Ludz) veröffentlicht in: H.A., Was ist Politik?, S. 181-185.

[31] ı Ein Zitat aus William Faulkner. H.A. notierte es bereits in den vierziger

Jahren in dem Schreibheft, mit dem sie das Denktagebuch begann. Eine Quelle hat sie auch dort nicht angegeben.

2 Ihomas Edward Lawrence, The Mint: A Day-book of the R.A.E Depot Between August and December 1922, with later notes ..., London: Cape,

1065

HEFT

XXI

1955; deutsche Ausgabe: Unter dem Prägestock, Neuausgabe München: List (List-Bibliothek), 1990. 3 Gemeint ıst der Gestaltpsychologe Wolfgang Köhler (1887-1967), der

lange Jahre am Swarthmore College in Swarthmore (Pennsylvania) forschte und lehrte, vgl. etwa sein Buch The Place of Valnes ın a World of Facts (1938); deutsch:

Werte und Tatsachen, übersetzt von Mira

Koffka, redigiert von Ottilie C. Selbach, Heidelberg-New York: Springer, 1968, 5.156.

[33] ı Vgl. hierzu den Abschnitt über »das Mitleiden in den Herzen und Köpfen derer ...., welche...in der Französischen Revolution die Handelnden wurden«, H.A., Über die Revolution, S. 100ff.

[36] ı Johann Wolfgang von Goethe an Ernst Wolfgang Behrisch, 2. November 1767, in: Goethes Briefe: Hamburger Ausgabe in 4 Bänden, hrsg. von Karl Robert Mandelkow, Hamburg: Wegner, Band ı (3., überarb. Aufl., München: Beck, 1986), S. 54-57, S. 55f. (Orthographie und Interpunktion modernisiert).

[37] ı Aristoteles, Metaphysica, 107623 -4; Übers. F. W. Schwarz: »Die Dinge aber wollen nicht schlechtbeherrscht werden: »Vielherrschaft ist nicht gut; nureinerseiHerrscher.««DasZitatim Zitatstammtaus Homer, Ilias, 2,204.

[40] ı Rainer Marıa Rilke, Sämtliche Werke, hrsg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn, Frankfurt am Main: Insel, Bd.2 (1956), $S.sı1; das Gedicht trägt keinen Titel, die

Angaben der Herausgeber der Sämtlichen Werke zur Entstehung lauten: 1066

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956 »Val-Mont, wohl gegen Mitte Dezember 1926: Letzte Eintragung im letzten Taschenbuch.« Vgl. auch unten Nr. 55.— H.A. hat dieses Gedicht

nicht handschriftlich in ihr Denktagebuch eingetragen, sondern einen maschinenschriftlichen Zettel eingeklebt.

[#1] ı Sophokles, Aias, 942; Sophokles, Tragödien: Aias, Antigone, Trachinie-

rinnen; König Ödipus, Elektra, Philoktetes, Ödipus auf Kolonos, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Wolfgang Schadewaldt, ZürichStuttgart: Artemis (Die Bibliothek der Alten Welt), 1968, S. 3-64, S. 44. —

»

Vgl. auch die Interpretation unten in Nr. 66. Sophokles, Antigone, Verse aus dem Schlußchor, der ın der deutschen

Übersetzung von Schadewaldt lautet: »Das weitaus Erste an höchstem Glück Ist Besonnensein. Und not auch ist, Vor den Göttern nie zu verletzen die Scheu.

Doch große Worte Großprahlender, Wenn unter großen Schlägen sie gebüßt, Haben im Alter gelehrt die Besinnung.« Siehe Sophokles, Tragödien, a.a.O., S.65- 117, S. 117. — Die hervorge-

hobenen Stellen werden von H.A. griechisch zitiert.

[43] ı Platon, Apologia Sokratus (Des Sokrates Verteidigung), 23e1-24a1; Übers. F. Schleiermacher (in: Platon, Werke in acht Bänden, Bd. 2, siehe

Literaturverzeichnis): »Weil sie [solche Menschen, die zwar glauben etwas zu wissen, aber wenig oder nichts wissen, Hrsg.] nun, denke ich, ehrgeizig sind und heftig und ihrer viele, welche einverstanden miteinander und überzeugend von mir reden: so haben sie schon lange und gewaltig mit Verleumdungen euch die Ohren angefüllt. Aus diesen sind Meletos gegen mich aufgestanden und Anytos und Lykon; Meletos der Dichter wegen mir aufsässig; Anytos wegen der Handarbeiter und Staatsmänner, Lykon aber wegen der Redner.«-H.A. interpretiert diese Stelle im Sinne eines Gegensatzes (eines Gegenüber, »opposite«) von

»Handarbeiter« und »Staatsmann«. 1067

HEFT

XXI

2 Das Wort önwoveyoi [demiurgoi] wird bei Thukydides (Geschichte des Peloponnesischen Krieges, 5, 47, 9) für den Rat (»magistratus«) in Mantineia und Elis verwandt, d.h. in der Bedeutung »Verwalter von öffentliww

chen Angelegenheiten«. Aristoteles, Politica, 1275b29, wofür H.A. einen »Doppelsinn« des Begriffs önoveyög notiert, wird von O. Gigon im Zusammenhang

(b27-30) wie folgt übersetzt: »Gorgias von Leontinoi sagte, halb fragend, halb wohl ironisch: wie das ein Mörser sei, was die Mörsenmacher

fabriziert hätten, so seien auch jene Larisaier, die von den entsprechen-

den Handwerkern dazu gemacht worden seien; es gebe nämlich Fabrıkanten von Larisaiern.« In den Anmerkungen hierzu ($. 296) erläutert

Gigon: »Das eingelegte Dictum des Gorgias ... paßt nicht recht. Es zielt keineswegs auf das Problem Ahnenreihe - Staatsgründer, sondern auf die ganz andere... Frage, wie diejenigen Staatsbürger zu beurteilen seien,

die durch einen vom politischen Interesse diktierten Beschluß einer Behörde eingebürgert worden sind. Dies muß einmal im thessalischen Larisa geschehen sein, und zwar durch eine Behörde, die anscheinend den Titel »Demiurgoi« trug. Die Pointe ist ein Wortspiel, das wir nicht völlig verstehen: Der Stadtname Larisa muß gleichzeitig die Bezeichnung eines Topfes oder Kessels sein, in welchem der Stößel das Korn zerreibt, und wie es Fabrikanten für das eine gibt, so auch für das andere.«

[44] I

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Der Glaube der Hellenen, Band 1, Berlin: Weidmann, 193 1, $. 140. - Wilamowitz stellt an der angegebe-

nen Stelle fest, daß das Wort Baoıeüg »auf Götter... nicht häufig und erst spät angewandt [wird]«, siehe im einzelnen die dazugehörende Anmerkung. 2 Max Pohlenz, »Kronos und die Titanens, in: Neue Jahrbücher für das

klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 37, 1916, S. 549-594, 5.559. - Pohlenz macht an der angegebenen Stelle auf BaoıLedg Xoövog aufmerksam.

1068

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956

[47] ı Vgl. hierzu H.A., »Natur und Geschichte« (1957), in: H.A., Fragwür-

dige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart (wiederabgedruckt in: Zwischen

Vergangenheit und Zukunft, S. 54-79), und

»The Modern Concept of History« (1958), in: The Review of Politics 20, 1968, Heft 4, $. 570-590 (in überarbeiteter Form aufgenommen in H.A., Between Past and Future).

[50] ı Siehe H.A. , »Natur und Geschichtes, in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 54-79, S. 64f. (über den Standpunkt, den »archimedischen Punkte, außerhalb der Erde) und S. 71 (über das »Machen« der Natur).

Vgl. auch unten Nr. 53.

|

[53] ı Das sind die ersten Worte des berühmten Ausspruchs des griechischen Mathematikers Archimedes (287-212 v.Chr.) im Zusammenhang mit der Entdeckung der Hebelgesetze: Aög uol dnjoL OU OTÖ Kol Kıy@ NV

yfiv -— »Gib mir einen Standpunkt und ich bewege die Erde.« Pappos, Collectio, 8, 10; siehe Der Sammlung des Pappus von Alexandrien sie-

bentes und achtes Buch, griechisch und deutsch, hrsg. von C. J. Gerhardt, Halle: H. W. Schmidt, 1871, S. 330 und 331. - H.A. bezieht sich

auf dieses Zitat in ihrem Vortrag »The Archimedian Point« (Quellenangabe siehe oben Heft VII,ıo [Anm. 1], S. 962.)

[54] ı Siehe Martin Heidegger, »Über Die Linie«. in: Freundschaftliche Begegnungen: Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Armin Mohler, Frankfurt am Main: Klostermann, 1955, $.9-45. Die

von H.A. exzerpierten Stellen wurden an dieser Erstveröffentlichung überprüft. 2 Die Bemerkung bezieht sich auf Ernst Jünger, Der Arbeiter: Herrschaft

1069

HEFT

XXI

und Gestalt (1932) - das Werk, mit dem sich Heidegger in dem o.g. in

Briefform gehaltenen Festschriftbeitrag auseinandersetzt. 3 Der späte Heidegger versucht, mit der »kreuzweisen Durchstreichung

des Seins« auf die »Vollendung« der »Zuwendung« hinzuweisen, in die das neue, nicht mehr in Aussagesätzen sich artikulierende Denken das Sein auflöst. Siehe Heidegger, »Zur Seinsfrage« (1955), in: ders., Wegmarken (Heidegger, Gesamtausgabe, Bd.9 [?1996], S.385-426, S. 410f.); vgl. Artikel »Sein, Seiendes«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, Abschnitt V, 6, Sp. 219.

[55] ı Gemeint ist ein Buchprojekt, siehe oben Nr. 26. 2 Zeile aus einem Rilke-Gedicht, siehe oben Nr. 40.

[56] ı Ihomas von Aquin, Summa theologiae, vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe, übers. und kommentiert von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, Graz-WienKöln: Styria, Bd. 22, kommentiert von Josef Groner OP (1993), S. 252255. Die von H.A. lateinisch zitierten Stellen lauten in dieser Ausgabe: »Unterwerfung des Menschen unter Gott« (S. 253); »Der Stolz des Menschen beginnt mit dem Abfall von Gott« ($. 254). 2 Thomas von Aquin, a.a.O., S. 267f.

[57] ı Übers. Hrsg.: Die Religionsfreiheit ist das Prinzip, das die bürgerliche Freiheit hervorbringt, und ... die bürgerliche Freiheit ist die notwendige Bedingung für die religiöse. John Emerich Edward Dalberg-Acton, »The History of Freedom in Christianity« (1877), ın: ders., Essays on Freedom and Power, selected, and with an introduction by Gertrude Himmelfarb, Glencoe, IIl.: Free Press, 1949, S. 58-87, 5. 79.

2 Übers. Hrsg.: Denn die Wissenschaft von der Politik ist diejenige Wissenschaft, die der Strom der Geschichte wie Gold im Sand eines Flusses

1070

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956 ablagert. Dalberg-Acton, »Inaugural Lecture on the Study of History«

3;

4

(1895), in: ders., Essays..., a.a.O., $.3-29, S.4. Deutsche Ausgabe: Lord Acton, Über das Studium der Geschichte: Eröffnungsvorlesung gehalten zu Cambridge am 11. Juni 1895, rechtmäßige Übersetzung von J. Imelmann, Berlin: R. Gaertner, 1897, dort S. 2. Die Übersetzung von Imelmann wurde nicht herangezogen. A.a.0.,$.22; dt. S. 26.

A.a.O., S.23; dt. S.28. Dalberg-Acton bezieht sich mit dieser Aussage auf ein Zitat von Aloys Gügler: »Die Geschichte und die Politik sind Ein und derselbe Janus mit dem Doppelgesicht, das in der Geschichte in die Vergangenheit, in der Politik in die Zukunft hinschaut«; nach

Joseph L. Schiffmann, Lebensgeschichte des Chorherrn und Professors s

Aloys Gügler, 2 Bde., Augsburg: Kollmann, 1833, Bd. 2, S. 59. A.a.O., S.29; dt. S.35. Dalberg-Acton zitiert Edmund Burke ohne

6

Quellenangabe. Dalberg-Acton im Brief an Mandell Creighton (5. April 1897), in: ders.,

7

Essays ..., a.a.O., S. 359-369, S. 368. Der Bezug zum Zitat vonE. Burke stammt von H.A. A.a.O.,S.369.

[58] ı Übers. Hrsg.: Der nach Art und Umfang wichtige Unterschied zwischen Regierungen ist nicht, ob einer, wenige oder viele regieren, sondern es ist der zwischen konstitutioneller und absoluter Herrschaft. Siehe John C. Calhoun, A Disquisition on Government (1851), in: The Works of John C. Calhoun, New York: Russell & Russell, Bd. ı (1968), S. 37. 2 Siehe Montesquieu, De l’Esprit des lois, I, ı und I, 3. »Bezüge« steht bei

H.A. für das französische Wort »rapports«. Vgl. auch oben Heft VII,3, S. 151.

3

Übers. Hrsg.: Mich interessiert nicht, was das für eine Herrschaftsform ist; denn sie ist nichts wert, wenn die Herrschaft despotisch, ohne Begrenzung ist - ob sie sich nun in den Händen eines oder weniger oder vieler Menschen befindet. Calhoun in einer Rede im Senat (am 20. Februar 1847), siehe John C. Calhoun, Speeches, Delivered in the

House of Representatives and in the Senate of the United States, in: The Works of John C. Calhoun, a.a.O., Bd. 4 (1968), 5. 351.

1071

HEFT

XXI

[59] ı An den oberen Rand der Seite, auf dem diese Eintragung steht, hat H.A_. als Quelle vermerkt: Etienne Gilson, History of Christian Philosophy in the Middle

Ages.

Sie hält einige

Gedanken

aus

dem

Unterabschnit

»John of Salisbury« fest; siehe E. Gilson, History of Christian Philosophy in the Middle Ages, London: Sheed and Ward, 1955, S. 150-153. Eine

deutsche Übersetzung des Werkes von Gilson gibt es nicht.

[60] ı Diesen Satz aus dem 5. Kapitel von Tertullians Schrift De carne Christi

zitiert E. Gilson in seiner Geschichte der mittelalterlichen christlichen

Philosophie (genaue Angabe siehe die Anmerkung zur vorangehenden Eintragung) ım Abschnitt über 'Tertullian ($. 44-45). Das Originalzitat lautet: »et mortuus

est dei filius: prorsus

credibile est, quia ineptum

est.« — »Gottes Sohn ist gestorben - das ist erst recht glaubwürdig, weil es eine Torheit ist.« Tertullians sämtliche Schriften, aus dem Lateinischen

von Dr. Karl Ad. Heinrich Kellner, Köln: DuMont-Schauberg, Bd.2 (1882), S. 386.

[63] ı H.A. bezieht sich mit dieser Aussage vermutlich auf John Lockes The Second Treatise of Government, Section 27, und speziell ein Zitat, das

in deutscher Übersetzung lautet: »Die Arbeit meines Körpers und das Werk seiner Hände sind... im eigentlichen Sinne mein Eigentum« (John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, hrsg. und eingeleitet von Walter Euchner, übersetzt von Hans Jörn Hoffmann, Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt; Wien: Europa Verlag, 1967, S. 218).

Aus diesem Zitat formt H.A. den Titel für ihre Walgreen Lectures: »Ihe Labour of Man’s Body and the Work of His Hands«. Vgl. im

Nachlaß in der Library of Congress, Cont. 39, Folder »Walgreen Foundation«; siehe auch unten unter Nr. 72, Anm.

ı. - Zum Acton-Bezug

siehe J. E. E. Dalberg-Acton, »The Background of the French Revolution«, in: ders., Essays on Freedom Nr. 57, Anm. 1), S. 251-268, $. 261.

1072

and Power, a.a.O. (siehe oben

JANUAR 1955 BIS JANUAR Igs6 64] ı Siehe Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776), Buch I, Kapitel 2.

[66] ı Bezug auf die Tragödie Aias von Sophokles (vgl. oben Nr. 41), Vers 942.

[68] ı Zu Heideggers Auffassung von der »Geworfenheit«, dem »In-die-Weltgeworfen-Sein« des Menschen siehe Martin Heidegger, Sein und Zeit, $ 29 (Heidegger, Gesamtausgabe, Bd. 2, 5. 178 ff.). Zu H.A.s Argumentation in dieser Eintragung vgl. dies., »Die Krise in der Erziehungs, in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 5. 255-276, 5. 266 ff.

[69] ı Gilbert Murray, Five Stages of Greek Religion (1951), Garden City, New York: Doubleday (Anchor Books, A 51), 1955; Übers. Hrsg.: Ad Tyrann

und Gründung: »Wenn wir einen Zeitpunkt festlegen möchten, der für diese Selbstverwirklichung Griechenlands entscheidend ist, neige ich dazu, dafür die Herrschaftszeit des Peisitratos (560 bis 527 v.Chr.) an-

zugeben, als nämlich dieser Monarch den sozusagen ersten Entwurf eines Athenischen, auf Allianz gegründeten Reiches verwirklichte und die Führung der ionischen Rasse nach Athen brachte... Unter Peisistratos scheinen die Homerischen Epen in der einen oder anderen Form von Ionien gekommen zu sein, um bei den Pan-athenischen Festspielen in festgelegter Reihenfolge zitiert zu werden und bis ans Ende der klassischen Zeit eine kanonische Form und einen Mittelpunkt, eine Heimstatt in Athen zu finden. Athen ist das Zentrum, von dem aus der Homerische Einfluß auf ganz Griechenland ausstrahlte.« (S. 41)

Ad Schöpfung: »Die Götter der meisten Nationen nehmen für sich in Anspruch, die Welt geschaffen zu haben, die Olympischen Götter tun das nicht. Das Äußerste, was sie je taten, war, die Welt zu erobern.« ($. 45) 10773

HEFT

XXI

Die homerischen Götter: »Nie hat es sie gegeben, sie sind nur Vorste].

lungen ... Jedes Mal, wenn an sie gedacht wird, ändern sie sich, so wie ein Wort sich jedes Mal ändert, wenn es ausgesprochen wird.« (S. 46)

Die Polis: konstituiert durch einen gemeinschaftlichen, abgegrenzte, Raum, der die Stämme, »in der Zeiten der Gefahr und des anhaltenden Krieges« zusammenfaßt. »Die Idee des Stammes blieb. In der frühesten klassischen Zeit finden wir, daß jede griechische Stadt sich nominell aus Stämmen zusammensetzt, doch die Stämme sind Fiktionen ... Inder Aus-

einandersetzung nun zwischen Stadt und Stamm hatten die Olympischen Götter einen großen negativen Vorteil. Sie waren weder stammesmäßig noch örtlich geprägt.« (S. 64)

[70] I

H.A.s dritte Europareise (zu den beiden vorangegangenen Reisen siehe im Anmerkungsteil $.908 und 968), die sie auch erstmals zu Besuchen von Familie und Freunden nach Israel führte, war veranlaßt durch ihre

Teilnahme an der vom Congress for Cultural Freedom veranstalteten internationalen Konferenz »The Future of Freedom« (Mailand, 12. bis 17. September 1955), für den sie ein Referat ausgearbeitet hatte: »The

Rise and Development of Totalitarianism and Authoritarıan Forms of Government in the Twentieth Century« (zur genauen Angabe siehe die Bibliographie in: H.A., Ich will verstehen, S. 282 [Titel 124]). Es war eine Reise, bei der sie berufliche Verpflichtungen und private Begegnungen miteinander verband und ein umfangreiches touristisches Programm absolvierte. Im einzelnen ist die Reise in H.A.s inzwischen veröffent-

lichten Briefen an ihren Mann dokumentiert: Arendt-Blücher-Briefe, S.393-438; vgl. aber auch H.A. in Briefen an Karl Jaspers (ArendtJaspers-Briefwechsel, $. 300-309), ferner Arendt-Blumenfeld-Korrespondenz, 5.128-ı40 und Arendt-McCarthy-Briefwechsel, S.93. -

D

Diese Eintragung im Denktagebuch wurde von den Herausgeberinnen formal vereinheitlicht, einige Eigennamen eingedeutscht. Zwei Wörter konnten nicht entziffert werden. Die Jugendfreundin Anne Mendelsohn, verheiratete Weil, arbeitete sei-

nerzeit in Luxemburg bei der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion).

1074

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956

[72] 'ı Gemeint sind wahrscheinlich die Vorlesungen (Walgreen Lectures), zu denen H.A. für April 1956 an die University of Chicago eingeladen worden war; Thema der insgesamt sechs Vorlesungen war »The Labour of Man’s Body and the Work of His Hands« (siehe oben Nr. 63 und die dazugehörende Anmerkung auf Seite 1072). Aus ihnen ist ihr Buch The

Human Condition (deutsch Vita activa) hervorgegangen. — Diese Eintragung hat H.A. mit Kugelschreiber begonnen und dann mit Bleistift fortgeführt. Die so gut wie nicht entzifferbaren Bleistiftpassagen sind durchgestrichen.

[73] ı Dies ist eine Zusammenfassung der Gedanken Max Webers zum Thema Arbeit. H.A. hatte seinerzeit »sehr viel Max Weber« gelesen, insbesondere seine Untersuchung »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus« (1905) - eine Studie »von einer unglaublichen Genialität«, wie sie am 17.2.1956 an Karl Jaspers schreibt (Arendt-Jaspers-Briefwechsel, S. 319). In ihrer Vita activa (S. 249) wird sie Webers Einsichten

noch weiter verkürzen und auf den Begriff bringen: »Weltentfremdung« - im Unterschied zu Marx’ »Selbstentfremdung«.

[75] ı H.A. bezieht sich hiermit vermutlich auf die »Rede über die Diktatur«, die Juan Donoso Cortes am 4. Januar 1849 in den spanischen Cortes

gehalten hat, siehe Donoso Cort&s, Der Abfall vom Abendland: Dokumente, hrsg. und eingeleitet von Paul Viator, Wien: Thomas Morus Presse im Verlag Herder, 1948, $. 27-54, S. 44.

2 »Challenge and response« (Herausforderung und Erwiderung) ist ein von dem Historiker A. J. Toynbee eingeführtes Kategorienpaar zur Erfassung kulturellen Wandels, siehe Lexikon der Soziologie, hrsg. von Werner Fuchs et al., 2., verb. und erw. Aufl., Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 127.

3 Siehe Leibniz, Discours de la metaphysique, genaue Angabe oben im Anmerkungsteil $. 1053. 1075

HEFT

XXI

4 Diese Aussage geht auf einen häufig und in verschiedenen Formen zitierten Satz zurück, den Albert Einstein ın seinem Brief vom

4. Dezember 1926 an Max Born geschrieben hatte: »Jedenfalls bin ich überzeugt davon, daß der nicht würfelt.« Einstein sagt: Zitate, Einfälle,

Gedanken, hrsg. von Alice Calaprice, Vorwort von Feeman Dyson, Betreuung der deutschen Ausgabe und Übersetzungen von Anita Ehlers, München-Zürich: Piper (Taschenbuchsonderausgabe), 2001, 5. 141.

[76] I

Max Weber, »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismuss, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen: Mohr, Bd. I (1920), $. 17-206, S. 125.

[78] I

Im folgenden faßt H.A. wichtige Gedanken zusammen, die Adam Smith in seinem An Inguiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nati-

D

ons (1776) niedergelegt hatte.

Diese Stellenangabe könnte sich auf die von Edwin Cannan besorgte, mehrfach aufgelegte zweibändige Ausgabe des in Anmerkung ı genannten Werkes von Smith beziehen. Wenn diese Annahme stimmt, dann ver-

weist sie auf Buch IV, Kapitel 9 unter dem Titel »Of the agricultural systems, or of those systems of political economy, which represent the

produce of land as either the sole or the principal source of the revenue and wealth of every country.« Vgl. zum Ganzen H.A., Vita activa, Kap. 14: »Die Fruchtbarkeit der Arbeit im Unterschied zu ihrer vermeintlichen >Produktivität«.«

[82] I

Die Stelle in Aristoteles’ Poltica, auf die sich H.A. bezieht, lautet in der Übersetzung von O. Gigon (siehe Literaturverzeichnis) im Zusammen-

hang (1337b22-36): »Die gegenwärtig üblichen Lehrgegenstände schwanken nun, wie gesagt, hın und her. Es sind im wesentlichen vier Dinge, in denen man zu unterrichten pflegt: Grammatik, Turnen, Musik 1076

JANUAR 1955 BIS JANUAR 1956 und gelegentlich das Zeichnen; die Grammatik und das Zeichnen als

nützlich fürs Leben und vielfältig anwendbar, die Gymnastik als Übung zur Tapferkeit. Bei der Musik erheben sich Fragen: die meisten interessieren sich für sie um des Vergnügens willen, ursprünglich aber galt sie als ein Stück Erziehung, weil die Natur selbst danach strebt, wie oftmals

gesagt, nicht nur richtig tätig zu sein, sondern auch in edler Weise Muße üben zu können.

Denn dies ist der Ursprung von allem, um einmal mehr davon zu reden. Wenn man nämlich beides braucht, so ıst doch die Muße wünschenswerter als die Arbeit; sie ist das Ziel, und man muß sich fragen,

was man in der Muße tun soll. Spielen soll man nicht, denn dann müßte das Spiel das Ziel unseres Lebens seın.« 2 Aristoteles, Politica, 130520; Übers. Hrsg.: das mit Arbeiten nicht

müßige (beschäftigte) Volk. 3 Übers. Hrsg.: ...wo auch diejenigen &oyoAoı (der Muße entbehrend) genannt werden, die im öffentlichen Leben stehen. Hierfür verweist H.A. auf Aristoteles, Ethica Nicomachea, ı177b8, 12, 17. Vgl. Übers. F. Dirlmeier (siehe Literaturverzeichnis), 1177b4-17: »Ferner gilt, daß das Glück Muße voraussetzt. Denn wir arbeiten, um dann Muße zu

haben, und führen Krieg, um dann in Frieden zu leben. Alle praktische Trefflichkeit nun entfaltet ihre Aktivität entweder in den Aufgaben des

öffentlichen Lebens oder den Aufgaben des Krieges. Das Handeln ın diesem

Bereiche verträgt sich aber erfahrungsgemäß

nicht mit der

Muße, kriegerisches Tun schon gar nicht...aber auch wer im öffentlichen Leben steht hat keine Muße... Wenn nun unter den hochwertigen Tätigkeiten das Handeln ım öffentlichen Leben und im Krieg durch Glanz und Größe hervorragt, aber der Muße entbehrt...« 4 Aristoteles, Ethica Nicomachea, 1177b4- 5; Übers. F. Dirlmeier: »Denn

wir arbeiten, um dann Muße zu haben.« Vgl. die vorangehende Anmerkung. 5 Siehe Aristoteles, Politica, 1308b34-36; Übers. O. Gigon: »Denn dann

wird sich die Menge nicht darüber ärgern, daß sie von den Ämtern ausgeschlossen ist, sondern ist sogar zufrieden, wenn man sie bei ihren privaten Geschäften in Ruhe läßt.« - Die hervorgehobene Stelle wird von H.A. griechisch zitiert.

6 Übers. Hrsg.: Die Muße auf das Ziel der Nicht-Muße ausgerichtet (siehe Aristoteles. Politica, 1333236, 1334b15). 7 Aristoteles, Politica, 1334a20-21; Übers. Hrsg.: Sklaven haben keine Mufße. 1077

HEFT

X

8 Aristoteles, Politica, 126923436; Übers. O. Gigon: »Daß in einem gut eingerichteten Staat das Staatsvolk von der Sorge um das Lebensnotwen.

digste frei sein muß, ıst allgemein anerkannt.« - H.A. bezieht sich auf dje hervorgehobene Stelle. |

185] ı H.A. könnte sich hier auf Bemerkungen Goethes beziehen, die sein Sekretär Eckermann unter dem Datum 18. 4. 1827 mitteilt, siehe Goethes Gespräche mit Eckermann, Berlin: Aufbau, 1955, S. 314£. Vgl. zu dem

von Goethe geprägten Begriff »Urphänomen« und seiner Geschichte den Artikel »Urphänomen« (von G. Malsch), in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. ı1 (2001), Sp. 375-377.

Anmerkungen zu Heft XXII Seite 559-595

[7] ı Siehe oben Heft XXI,4 (Anm. 1).

[?] ı Zum Archimedischen Punkt siehe Heft XXI,53 (Anm.ı).

2 Franz Kafka, »Paralipomena (Zu der Reihe »Erer habe sich schon genug Ruhm erworben und könnte sich jetzt eigentlich Ruhe

gönnen,

wenn

sich nicht sein rastloser Geist an dem

ergötzte! Auf alle Fälle hätte weltbesiegelnden Volkes und geleistet zu haben.wird sein« sind gewordene Formen der Zeit, die wir, uns selbst

unbewußt, unrichtig auf das ewige Sein übertragen.« Platon, Werke in acht Bänden, Bd.7,S. 55. 2 Mit »Kafka« bezieht sich H.A. auf den letzten Aphorismus aus dem Zyklus »Ermit Worten und Musik< zu besingen. Die neuen gottähnlichen Wesen, die Pindar meinte, waren die Dichter und Sänger, die den Menschen zur Unsterblichkeit verhalfen, denn »die Geschichte von den Taten lebt diesen weiter«, und >etwas Gesagtes geht in die Unsterblichkeit wenn es gut gesagt ist.»denken könnte«« (Das Wollen, 5. 26, und im Anmerkungsteil auf $. 244). Die Gegenposition verkörpert Henri Bergson, der in seiner Schrift L’Evolution creatrice (Paris: Alcan, 1909; deutsch: Schöpferische Entwicklung, übers. von Gertrud Kantorowicz, Jena: Diederichs, 1912) zwi-

schen »divergierenden Richtungen der Lebensentwicklung« unterscheidet. In dem Kapitel »Urfunktion des Intellekts«, Abschnitt »Natürliche Funktion des Intellekts«, wird am Beispiel der Ameisen deren »Zusammenhandeln« auf den »Instinkt [zurückgeführt] und folglich auf Handlungen oder Verfertigungen, die mehr oder weniger eng an die Form der

Organe gebunden sind«. Umgekehrt sind nach Bergson »in einer menschlichen Gesellschaft Verfertigung und Handlung von wandelbarer Form, und es muß außerdem jedes Individuum, da es zu seiner Rolle

nicht von Natur aus prädestiniert ist, diese Rolle erst lernen... Das instinktive Zeichen ist ein angewachsenes, das intelligente ein bewegliches Zeichen« (S. 162 f.; französisch $. ı71f.). Siehe auch H.A., Das Wollen, S. 34f.

9 Mit der Gesinnungs- im Unterschied zur Verantwortungsethik hat sich H.A. seinerzeit anläßlich eines für die BBC ausgearbeiteten Rundfunkvortrages befaßt, der später unter dem Titel »Personal Responsibility Under Dictatorship« veröffentlicht wurde. Unter dem Gesichtspunkt, daß man nur in »Grenzsituationen«, »wenn man für die Welt Verant-

wortung nicht mehr übernehmen kann«, ein Recht auf Gesinnungsethik hat, enthält dieser Essay eine subtile Einsicht, die - nebenbei bemerkt -

auch als Verteidigung der Haltung von Karl Jaspers unter dem Nationalsozialismus gelesen werden kann: »Ich glaube, wir sollten zugestehen, daß es extreme Situationen gibt, in denen man Verantwortung für die I159

KANT-HEFT

Welt, die primär ein politisches Gebilde ist, nicht mehr übernehmen

kann, weil politische Verantwortung immer zumindest ein Minimum an politischer Macht voraussetzt. Ohnmacht und absolute Machtlosigkeit sind, so glaube ich, eine stichhaltige Entschuldigung. Dies stimmt um so mehr, als offenbar eine bestimmte moralische Eigenschaft erforderlich ist, Machtlosigkeit sich überhaupt einzugestehen, nämlich der gute Wille und die gute Absicht, sich der Realität zu stellen und nicht in Illusionen zu leben. Überdies liegt genau in diesem Eingeständnis der eigenen Ohnmacht begründet, daß man sich sogar unter diesen zweifelhaften Bedingungen einen Rest von Stärke und selbst noch von Macht erhalten kann.« H.A., »Personal Responsibility Under Dictatorship«, in: The Listener, 72. Jg., Nr. 1845, 6. August 1964; deutsch (nach

dem ungekürzten Vortragsmanuskript übers. von Eike Geisel): »Persönliche Verantwortung in der Diktaturs, in: H.A., Israel, Palästina und der

Antisemitismus: Aufsätze, hrsg. von Eike Geisel und Klaus Bittermann, aus dem Amerikanischen von Eike Geisel, Berlin: Wagenbach, S. 7-38, Io

siehe dort S. 35 f. Vgl. auch weiter unten ın diesem Heft. Zitate und Seitenzahlen im Text beziehen sich auf die zuerst 1949 erschienene englische Übersetzung von Kants Kritik der praktischen Vernunft durch L. W. Beck. Sie wurden an der folgenden Ausgabe überprüft: Immanuel Kant, Critigue of Practical Reason, edited and translated, with notes and introductions by Lewis White Beck, 3. Aufl., Upper Saddle River, N. J.; Prentice Hall (The Library of Arts), 1933. — In unse-

rer deutschen Übersetzung sind die Stellen durch die Seitenangaben der

II

1788 erschienenen Erstausgabe (A) belegt (Text nach Kant, Werke [Weischedel)). H.A. zitiert aus Karl Jaspers, The Great Philosophers, edited by Hannah

Arendt, translated by Ralph Manheim, New York: Harcourt, Brace & World (A Helen and Kurt Wolff Book), 1962. Siehe im deutschen Original Die großen Philosophen: Erster Band, München: Piper, 1957, $. 481:

»Imperative sind von zweierlei Art. Die hypothetischen Imperative gelten unter Voraussetzungen eines Zwecks. Wenn du diesen erreichen

willst, mußt du die geeigneten Mittel anwenden. Die kategorischen Imperative dagegen machen den Anspruch einer unbedingten Geltung. Die hypothetischen Imperative sind technisch, sind Imperative der Geschicklichkeit und der Klugheit, geführt von einem ihnen vorgeordneten Zweck; die kategorischen haben ihren Grund in sich selbst.« — S. 490 (engl. S.298) im Unterabschnitt über »Gesinnungsethik, Erfolgsethik, Verantwortungsethik« beruft sich Jaspers auf ein Kant-Zitat (ohne I1l60

KANT-HEFT

Beleg): »Was brauchen die Menschen »den Ausgang ihres moralischen Tuns und Lassens zu wissen, den der Weltlauf herbeiführen wird? Für

sie ist’s genug, daß sie ihre Pflicht tun.hard facts< über dich Briefe 1939-1975 Hg. von Kerstin Putz

Das Denken. Das Wollen

Hg. von Mary McCarthy Vor Antisemitismus ist man nur

noch auf dem Monde sicher Beiträge für die deutsch-jüdische Emigrantenzeitung »Aufbau«

1941-1945 Hg. von Marie Luise Knott

Wahrheit gibt es nur zu zweien Briefe an die Freunde Hg. von Ingeborg Nordmann

Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur? Hg. von Marie Luise Knott Wir Juden Schriften 1932 bis 1966 Hg. von Marie Luise Knott und Ursula Ludz

Denktagebuch 195071973

Hg. von Ursula Ludz und Ingeborg

Nordmann

1197

Die Herausgeberinnen

Ursula Ludz, Diplomsoziologin, geboren 1936 ın Leverkusen, Studium der Soziologie an der FU Berlin, danach wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Peter Christian Ludz, den sie später heiratete. Nach dessen Tod freie Übersetzerin, Redakteurin und Herausgeberin, seit den achtziger Jahren mit dem Schwerpunkt »Hannah Arendt«. Sie übersetzte von Arendt die postum erschienene Vorlesung Das Urteilen und im Briefwechsel Arendt/McCarthy die Arendt-Briefe. Folgende Ausgaben von Arendts Werken im Piper Verlag hat sie herausgegeben: Menschen in finsteren Zeiten (1989/2001), Zwischen ‚Vergangenheit und Zukunft (1994/2001), Ich will verstehen (1996), In der Gegenwart (2001). Außerdem ist sie Herausgeberin der Briefe 1925-1975 zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger (Klostermann, 1998, 2002).

Ingeborg Nordmann, Dr. phil., geboren 1944 in Berlin, Studium der Literaturwissenschaft, Politischen Wissenschaft und Philosophie, danach wissenschaftliche Assistentin an der FU Berlin. Tätigkeit als Publizistin und Studienleiterin an der Evangelischen Stadtakademie Frankfurt am Main. Von 1999 bis 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hannah-Arendt-Institut

für Totalitarismusforschung

in Dresden.

Veröffentlichungen:

Hannah

Arendt. Einführung (Campus, 1994), Portrait zu Arendts Besuch in Deutschland (Rotbuch, 1993), Hannah Arendt und Kurt Blumenfeld, Die Korrespondenz (hg. mit Iris Pilling, Rotbuch, 1995), Essay zu Arendts Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten (Europäische Verlagsanstalt, 1999).

Register

Personenregister

Abraham a Santa Clara 754 Adams, John 592, 609 Anaxagoras 586 Alembert, Jean le Rond d’ 152, 154f. Anselm von Canterbury 734, 785

Antıphon 21 Aristoteles 25, IIO, II, 129, 152, 183, 230, 256, 258, 280, 282, 287,

291, 297, 301, 304, 322ff., 326,

328, 330, 333, 335, 337, 348, 350,

363, 365, 380, 390, 392, 407f., 412, 414, 416, 418, 423, 43 1f., 442, 452,

458, 4661., 469, 471, 478, 482, 485,

so4f., 507, 518, 529, 532, 557, 563,

Blücher, Heinrich 13 f., 181, 354, 406, 416, 797, 801

Blumenberg, Hans 728 Blumenfeld, Kurt 701 Boethius 785 Bradley, A. C. 633 Broch, Hermann 90, 92. Buber, Martin 189 Büchner, Karl 250 Büttner, Herman 609 Bultmann, Rudolf K. 377 Burckhardt, Jacob 402, 404, 407, 424, 599

Burke, Edmund 82, 544

645, 677, 679, 684, 724, 730, 789,

794 Asop 625 Augustinus 66f., 95, 178, 256, 282, 340, 404f., 414, 423, 520, 648f., 653, 664, 688, 766, 314

Calhoun, John C. 545 Cameron, J. M. 771, 773 Case, Th. 626 Cassırer, Ernst 163, 168, 601, 809

Cato, Marcus Porcius 251, 253, 445;

447 Bacon, Francis 626

Balzac, Honore de 672 Bayer, Karl 163, 212 Beaufret, Jean 725

Behrisch, Ernst Wolfgang 529 Bekker, Immanuel 19, 22f., 26, 31 Benjamin, Walter 667, 669, 702, 704,

771,773 Bergson, Henri 390, 491, 816 Berlin, Isaiah 654 | Blondel, Maurice 688

Celler, Emanuel 632 Cezanne, Paul 354 Chomsky, Noam 702, 704 Churchill, Winston 607, 638 Cicero, Marcus Tullius 160, 250,

253, 256-259, 286, 337, 348, 363,

426, 438ff., 445 f., 462, 595, 657, 762,785 Claudius, Matthias 58

Clausewitz, Carl Philipp von 696 Clemenceau, Georges Benjamin 12 I20I

REGISTER

Feuerbach, Ludwig 661f.

Clemens Alexandrinus 504 Cochrane, Charles Norris 64, 67 Cornford, FM. 362 Cortes, Juan Donoso 554

Fichte, Johann Gottlieb 686 Fink, Eugen 785

Daiches, David 632

Freud, Sigmund 658f.

Dalberg-Acton, John Emerich

Friedrich, Carl Joachım 160, 634f£. Friedrich II. von Preussen 352

Foster, M. B. 282

Franz von Assisi 442

Edward 542-545, 547 Dante Alighieri 716, 785 Dareios I. 435 Darwin, Charles 47, 415 Delitzsch, Friedrich 190 Demokrit 505, 584, 729, 756, 760 Demosthenes 677 Denneny, Michael 766 Descartes, Ren& 127, 240, 393, 479,

so6f., 516,738, 741,759, 761,763, 775: 785 Diels, Hermann 378, 729 Dilthey, Wilhelm 523 Dinesen, Isak 639 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 227

Dreyfus, Alfred 486

Galilei, Galileo 506, 517, 555, 742f., 739

Gandhi, Mahatma 273 Gigon, Olof 566 Gilson, Etienne 716, 771, 773

Goethe, Johann Wolfgang von ıo0, 13, 51, 53, 133, 215, 218, 398, 488, 496, 529, 558, 599, 638, 792, 802 Grotius, Hugo 160 Günermann, Heinz 442 Gurian, Waldemar 484

Habermas, Jürgen 803 Händel, Georg Friedrich 208

Dubos, Jean Baptiste 766 Duns Scotus, Johannes 687

Hamann, Johann Georg 339 Harder, Richard 567 Harrington, James 635

Eckhart, gen. Meister Eckhart 381,

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 44, 62, 72, 74, 83, 85, 94-97,

609

Eichmann, Adolf 620 Einaudi, Luigi 716 Einstein, Albert 240, 554 Engels, Friedrich 266, 268 Ennius, Quintus 440f. Epiktet 263, 507 Euripides 329 Faulkner, William 67, 143, 193, 415, s25f. 1202

1o1ff., 106, 131f., 138f., 155, 187, 266, 271, 273, 275, 280ff., 286, 288, 298, 302f., 337, 362, 411, 416,

418, 453, 468, 473, 478, 480, 505, 507, 508, 523, 554, 562, 661f., 666-669, 686, 691 f., 695, 7ı8f.,

722, 726f., 733, 735, 757f., 761, 775 ff., 782, 785 tf., 790ff., 804 Heidegger, Martin ı2f., 19, 43, 62, 65, 68, 80, 94, 117, 118, 133,

ı41ff., 179, ı81f., 185, 190, 195,

PERSONENREGISTER

207, 209f., 218f., 262, 266, 279f.,

301, 303, 334, 338, 340, 353 £., 360, 392, 4031., 416, 454f., 489, 520, s37ff, 549, 660, 664, 666, 668, 675,

sı7f., 552, 569, 607, 626, 629, 662, 696, 706, 717, 726, 742, 793, 822f. Jesus Christus 69, 182, 304, 334,

342, 359, 372, 381, 398, 416, 418,

677, 696, 701,717, 723-727,

730-733, 735-738, 742, 7448,

504, 521, 528, 552, 618, 656 John of Salisbury 546

762, 767, 774 7841., 793, 803, 814,

Johnson, Lyndon B. 654f.

817

Jonas, Hans 720 Jünger, Ernst 195 f., 390, 537.

Heine, Heinrich 262

Heisenberg, Werner 485 Heraklıt 117, 287, 300, 322, 416,

467, 472, 495, 504, 566, 600, 730, 758, 792 Herder, Johann Gottfried von 411 Herodot 65, 291, 400f., 433 ff., 505, 566, 708 Herzen, Alexander 654 Herzog, Arthur 633 Hesiod 346, 348, 378f., 518, 566,

677 Hippokrates 21 Hitler, Adolf 359, 618, 620f., 624,

655 f., 709, 714 Hobbes, Thomas 17, 21, 26, 31, 81, 96, 145, 151, 154, 158, 161, 168,

Kafka, Franz 564, 591, 647, 666, 669, 671f., 746, 766, 805 Kant, Immanuel 10, 47, 50, 53, 68, 81f., 109, 112, 130, 138f., 141,

163 ff., 167ff., 173, 178, 180-185, 187f., 240, 262, 274, 302, 309, 453,

473, 488, 502, 505 1., 545, 564, 569-583, 601-606, 644f., 653, 656ff., 663, 674, 679, 681, 687,

702, 704, 716, 723, 728, 731f., 736, 741, 7548. 7578. 769, 775-780, 785-791, 794, 796, 803, 809-824 Kerenyi, Karl 565 Kierkegaard, Seren 309f., 381, 507, 618

184f., 313, 468f., 473, 483, 495;

Klopstock, Friedrich Gottlieb 672

510, 516, 628, 646, 755

Knights, L. C. 633 Köhler, Wolfgang 525, 527 Kojeve, Alexandre 45 Koyre, Alexandre 485 Kranz, Walther 378, 729 Krüger, Gerhard 464, 813 Kuhn, Thomas $. 783

Holbach, Paul-Henri Thiry d’ 686 Hölderlin, Friedrich 13 f., 191, 782 Homer 32,237f.,363,371, 379,400,

419,429,433 f.,483,526f.,550,556, 672,677,678,683,771,773,782 Hopferwieser, Richard 783 Humboldt, Wilhelm von 595, 690 Hume, David 347, 516, 780 Husserl, Edmund 717, 724 Jaeger, Werner 380, 382 Jaspers, Karl 13, 19, 45, 51, 142, 173,

Lactantius, Lucius 256f. Lawler, James M. 688 Lawrence, Thomas Edward 525, 527

Leavis, ER. 632

1203

REGISTER

Leibniz, Gottfried Wilhelm 490f.,

5osf., 554, 786, 791, 794 Lenin, Wladimir Iljitsch 72, 80, 82, 222 Lessing, Gotthold Ephraim 489, 516, 563, 624, 742f. Livius 565 Locke, John 313, 321, 325, 335, 341,

360, 547 Lorenz, Konrad 660f., 719 Lucretius 352, 477 Luther, Martin 116, 126, 268, 381, 554

Lynd, Staughton 710f.

Montesquieu, Charles de Secondat 131, 145, ı5off., 158, 180, ı84f.,

235, 328, 338, 346, 350, 482, 536,

545

Müller, Hieronymus 36 Murray, Gilbert 550 Mussolini, Benito 714 Nero 155 Neumann, Erich 613 Newton, Isaac 262

Nietzsche, Friedrich ı1, 14, 42, 50, 64, 107ff., ıı1f., ı14f., 131, 133136, 138-142, 161, 188, 263,

298f., 304, 308f., 322, 454, 486, Machiavelli, Niccolö 21, 26, 33, 48, zoff., 81, 86, 122, 153, 236, 280,

509, 518, 521, 540 Madison, James 241 Marx, Karl 44f., s7ff., 71, 75 £., 79, 86 ff., 94-97, 102, 105 f., ııoff., 115, 131f., 183, 188, 202, 208, 264, 267f., 271-274, 276, 280, 284f.,

288, 303, 309f., 333, 337, 348ff., 356f., 363, 365, 390, 392, 407, 418, 444, 4531. 458, 465, 480, 508, 528, 661f., 686, 695 Matisse, Henri 658f. McCarthy, Mary 429, 666, 706, 721f. Megabyzos 434 Melville, Herman 191 Mendelssohn, Moses 167 Mersenne, Martin 506 Michelet, Jules 453 Milton, John 192, 634 Mommsen, Theodor 566 Montaigne, Michel de 347f., 352, 665

1204

491, 502, 508, 654, 657, 666, 668,

708, 730, 732f., 735 ff., 744, 791, 794, 804 Nisbet, Robert 685 Nonius 256 Novalis 494 Orff, Carl 563 Otanes 434f. Overbeck, Franz 731 Paeschke, Hans 696 Paine, Thomas 437 Parekh, Bhikku C. 705 f. Parmenides 300, 495, S14f., 708,

758, 774 792 Pascal, Blaise 42, 381, 526f. Passerin d’Entreves, Alessandro 716 Paulus 242, 258, 528, 656 Peisistratos 550, 565 Perikles 387, 392, 435, 467, 613 Pindar 291, 386, 400, 708, 733, 791 Platon ı5, ıgff., 22, 25 ff., 31-37, 40f., 45, 8of., 96, 131, 133, 185,

PERSONENREGISTER

206f., 209f., 212, 222, 228, 231239, 241, 246, 250f., 253, 2561., 275, 281ff., 288, 291, 298, 302f.,

Rüstow, Alexander von 262 Rufener, Rudolf 22f., 212

309, 322-325, 328f., 335, 338ff., 345» 348, 350, 359, 361 ff., 371f., 375, 3778., 380ff., 384, 390 ff.,

Sarraute, Nathalie 721

397f., 406, 408ff., 414, 416, 423,

426, 430ff., 439, 442, 446, 452, 454, 4561., 459, 462, 4641., 469, 4721., 478, 4841., 487, 497, 500, 503, 508, 513, 515, 519, 526f., 532f., 585f., 589, 592, 594f., 607, 610, 639, 654f., 658f., 674f., 679,

683 f., 723, 7478f., 754, 763, 784, 786, 791 Plinius d. Ä. 565 Plotin 768 Pohlenz, Max 532 Polybius 420 Portmann, Adolf645 f.,649, 684, 701 Protagoras 430, 504 Pythagoras 784, 791 Ranke, Leopold von 266 Richardson, William J. 728 Rickert, Heinrich 717 Rilke, Rainer Maria 90, 215, 279,

315, 531, 690, 759 Roget, Peter Mark 770, 772 Rohan, Henri de 86 Romulus 253 Rosenkranz, Karl 275 Rosenzweig, Franz 302 Rostovtzeff, Michael 627 Rousseau, Jean Jacques 132, 241,

2431.,2591., 335, 495, 502, 509, 526f., 530, 545, 639, 646, 664, 705 f., 824

Sauer, Karl Adolf 628

Scheler, Max 673 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 175 f., 178, 727, 756, 767f. Schestow, Leo 506 Schlaifer, Robert 329f.

Schlegel, Karoline 628 Schleiermacher, Friedrich 20, 26, 212, 384, 613

Schmitt, Carl 217, 243 Schopenhauer, Arthur 641, 657 Schöpsdau, Klaus 36

Schrader, George A. 627 Scipio, Cornelius 251, 257f., 342,

371 Seneca 498 Shakespeare, William 21, 633 Sieveke, Franz Günter 408f. Simon, Yves 366 Simonides von Keos 640 Smith, Adam 268, 272, 547, 555 Sokrates 209, 212, 232, 361f., 381f.,

384, 386ff., 406, 413 f., 430, 437,

443, 462, 504, 506, 515, 521, 532f., 542, 566, 570, 585-590, 592; s94f., 610-613, 618, 625, 640, 656, 691, 693, 708, 735, 791, 801

Solon 303, 402, 566, 758, 784 Sophokles 237, 505, 791 Sorel, Georges ı121f., 743 Sorel, Jean 390 Souvarine, A. 486

Spengler, Oswald 114 Spinoza, Baruchde 113, 176,464,

506f.,653,708,733,7578.,785793 1205

REGISTER

Stalin, Iossif Wissarionowitsch 80, 82, 222, 624, 655f. Stephanus 19, 26, 31 Stevens, John Paul 628 Stifter, Adalbert 608 Stone, N. 1.87 Swift, Jonathan 166 Tacıtus, 390

Tarrant, Dorothy 610 Tertullian 64, 67, 404, 546 Thälmann, Ernst 714 Thibaudet, A. 353 Thomas von Aquin 360, 414, 504,

542, 716, 785 Thukydides 291, 401, 405, 426, 433,

435, 532

Ustinov, Peter 670 Valery, Paul 255, 709, 738 Venturi, Franco 654 Vergil 371 Vico, Giambattista 505 Vierkandt, Alfred 262 Vollrath, Ernst 803 Vorländer, Karl 571 Vuillemin, Jules 223 Wallenstein, Albrecht von 715 Weber, Max 182, 517, 553. Weil, Simone 201, 208 f., 607 Weil-Mendelsohn, Anne 552, 707 Whitehead, Alfred N. 501, 590 Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich

von 532

Tocqueville, Alexis de 465, 542 Tolstoi, Leo 486 Tschechow, Anton 486

Wild, John 793 Wilson, Edmund 703 f.

Tschernyschewski, Nikolai

Wittgenstein, Ludwig 785

Gawrilowitsch 654 Tucker, Robert C. 661.

Wordsworth, William 191 Xenophon 152, 443, 566

1206

Sachregister

Das Sachregister ergänzt das Thematische Inhaltsverzeichnis (S. 865-904). Es ist »immanent« beı der Arbeit an den Texten entstanden und berücksich-

tigt vor allem die Begriffe, die in Hannah Arendts Denken eine besondere

Rolle spielen. - Wie beim Personenregister sind alle Hefte des Denktagebuchs und das Kant-Heft, jedoch nicht der Anmerkungsteil, einbezogen.

Zahlen in Klammern verweisen auf die deutsche Übersetzung der in der vorangehenden Angabe verzeichneten englischen Originalstelle. Abendland, abendländische Tradition 38, 69, 72, 105, 115, 122,

216, 236, 240, 253, 305, 376, 389, 478 abwesend : anwesend - Siehe Denken; Logos Administration, administrieren 444,

654 (655) Aggressionstrieb 719 agonal, das Agonale 379, 402, 414ff. Alleinsein — Siehe Einsam-Sein; verlassen Allmacht 53 f., 62, 64, 167f., 175

Alltagssprache 770ff. Alter, altern 51, 349, 452, 486, 781,

792 Alterslosigkeit 665, 788. Altertum, Alte Welt 86, 95, 122, 183, 186f., 305, 424, 426, 429f.,

442, 458, 482, 516, 518, 556, 562, 666 (668), 686, 809, 811 — Siehe auch christlich; Griechen; Rom ; Sklave Altes Testament ı89f., 325

Altruismus 648 Amerika (USA) 105, 108, 130f., 137, 202, 208, 214, 217, 264, 349, 357;

447, 592, 665 Amor fati (Liebe zum Schicksal) 139

Amor mundi (Liebe zur Welt) 522f., 539f. Analogie, analogisieren 674, 740f., 777

ananke (dvayın), ta anankaia (TA d.voryrala) — Siehe notwendig anders, der/die Anderen, Anderssein 3 ff., 73 ff., 93, 101 ff., 106, 125, 128, 130, 150, 164, 214f.,

263 f., 276f., 282f., 376, 393, 399f., 402, 451, 468, 548, 601 ff., 708 f., 720, 722, 734f., 761, 763,

767f., 811, 818 Anfang, anfangen 28, 33, 36f., 66, 68, zıf., 94f., ıı4f., 121£., 131, 157, 161, 175, 178, 183, 203, 206,

208, 211, 312, 324, 327, 334, 342, 352, 364, 367, 381, 389, 410, 4161., 1207

REGISTER

419, 423, 436, 442, 444, 456, 465 f., s20f., 548, 557, 666 (668), 722,

729, 767 Angst 65, 149, 203, 220, 353, 371,

425, 540 Anımal laborans 314, 350, 377, 426,

482, 497, 509, 556, 558 Anımal rationale 280, 340, 426, 737 anorganisch, das Anorganische 314,

494 Anschauung 286, 487, 522, 528, 536, 572, 582, 739, 766f., 778ff., 787 Anthropomorphismus 219f., 674 Antike - Siehe Altertum antisemitisch 68, 72, 619 Apolitie 420, 424 Arbeit, arbeiten 71, 75, 80, 102, 105 f., 1roff., 129f., 152, 165, 182, 186, ı89f., 195, 201ff., 207, 209, 223, 239, 259, 264, 266ff., 271 ff., 275f., 280f.,

argumentieren 196 Arendt, Hannah — Reisedaten ssıf., 567f., 670, 696, 706f., 802, 8osf. — über eigene (Buch-)Projekte 482f., 523, 539f., 624ff., 664, 675, 701, 784f.

— über sich 266, 619f., 635 f., 641, 663, 701, 789, 770f£. (772 f.), 801

Aristokrat, Aristokratie, aristeuein (KgLOTEVELV) 169, 231, 236, 252f.,

305, 363, 379, 402, 412, 415, 425, 457, 461 (462), 466f., 481 Armut 20, 89, 385, 389f. Arzt 26, 212, 377, 397 Askese 190, 553, 719 Atheismus 137, 389, 454 Athen, Athener 301, 435, 550, 587,

754 Atombombe 672.

285, 290, 303, 306, 309, 311,

Atomphysiker 480, 626

313f., 324f., 328ff., 337, 340f., 346, 348ff., 356f., 365 f., 374£..

Auschwitz 619 auszeichnen, Auszeichnung - Siehe Arıstokrat; Ehre; Monarch;

377t£., 383, 385, 389, 407, 410f., 418, 424f., 428, 435,

439, 442, 453., 458f., 460f., 471, 482, 487f., 491ff., 497, 5o8f., 519, 524f., 528, 535, s37ff., sa6ff., 553 ff., 566, 693, 724 — Siehe auch Animal laborans Arbeiter, Arbeiterklasse 201 ff.,

208f., 333, 350, 375, 377, 425; 538 - Siehe auch Proletariat arche, archein (doxeıv, doxN) -

Siehe Anfang; Herrschaft archimedischer Punkt 163, 536, 564, 777 1208

Tugend Autarkie 121, 165

Autor 255, 299, 354 Autorität 185 f., 252, 260, 262, 299,

301f., 334, 342, 364, 375, 3811, 460, zıoff. Barbar, barbarisch 222, 392, 397,

400, 433, 467 bedingt, das/der Bedingte, Bedingtheit 195, 303, 310ff., 338, 392, 461 (462), 671, 813

bedürfen, Bedürfnis, Bedürftigkeit 57, 75f., 86, 88, zo1f., 106, ı58f.,

SACHREGISTER 168, 203, 210, 212, 216, 218f., 374,

— das radikal Böse 7, 18, 68, 116,

386, 460, 530, 539, 543 (544), 755; 779 (772), 822 Befehl, befehlen 162, 207, 282, 399,

444, 638 begehren, das Begehren, Begierde

67, 230, 237, 249, 281, 322, 325 ff., 328, 333, 335f., 438, 440, 468, 525 (526), 534, 571, 770, 805, 819 (821), 822 Begriff (begreifen) 85, 286, 437, 572,

574 577#., 582, 602, 629, 679, 682, 728, 737, 755, 767, 770%. (772.), 778, 786, 788 ff. bekannt, das Bekannte, Bekanntes : Unbekanntes ı13 ff., 638, 822

(823) beraten, Beratung 20, $of., 207,

409f., 419, 587, 654 (655) Besuchsrecht 168. Bewegung, Bewegungsdenken 44f.,

118, 128, 181, 339, 341

brauchen, Gebrauch 37f£., 111, 305,

311, 324f., 340, 357, 378, 411, 457, 472, 487 - Siehe auch Konsum; Wert Bürger (citizen, citoyen) 115, 165, 183, 186, 232, 287, 291, 379f., 425,

467, 497, 533, 640 - Siehe auch Polis; Staatsform Bürokratie 96, 364, 451 Chaos 16, 69, 74, 193, 215, 562, 635,

738 Charakter 8, 437 christlich, christliche Kirche/ Religion, Christentum ıof., 64f., 67, 70f., 81, 144, ı58f., 164, 190, 208, 250, 257, 262,

302, 334, 340, 376, 398, 4011., 404, 416, 429, 442ff., 463, 481f.,

75, 118, 153, 204, 218, 259, 267,

542, 546, 552, 656, 686, 7331.,

299, 3221f., 334, 423, 744, 747

760, 777, 785 - Siehe auch Abendland; Juden

(748) - Siehe auch Kreislauf

Bewußtsein, Bewußtseinsphilosophie 62, 83, 87, 195, 263, 488, 657

(658), 695, 709, 718, 721, 727, 736, 738, 741, 776, 779 (780), 791, 794

cogitare, cogito 12, 176, 516, 736,

738, 741, 761, 778ff. common sense (sensus communis,

Gemeinsinn, gesunder

Bild (eiöog, eiöwAoVv) 25, 133, 365,

Menschenverstand) 316 (317),

382f., 386f., 446, 484, 575, 592,

335 f., 342, 360, 437, 461 (462), 468f., 473, 477, 483, 501, 509, 570, 572, 576, 578 #f., 590f., 595, 6ooff., 633, 675, 677, 726,

594, 600, 607, 641, 747 bios theoretikos (ßiog dewentixög)

287, 423, 431, 684, 765 Black Power (die Schwarzen) 678,

714 (715) böse, das Böse 81, 109, 137, ı77ff.,

236, 341, 345, 377, 388, 622f.,

653 1., 673, 716, 740, 747, 767, 812,

785 — Siehe auch Sinn) condition humaine 43, 110, 208,

350, 390, 461 (462), 491, 523, 681, 701 - Siehe auch bedingt

817 - Siehe auch gut 1209

REGISTER

Daimonion 235, 566, 586, 612, 677 Dank, danken 4, ı0f., 13, 68, 2ıo0f.,

697 Dauer 365 f., 461 (462), 487f., 492,

661 (662), 703 (704), 765, 780 Demiurg 239f., 365, 423 Demokratie 26ff., 41, 71, 169, 236, 254, 291, 380, 412, 416, 426, 434f.,

4661., 545 Denken 10, 12, 45, 62, 67, 74, 85, 143 f., ı61f., 195 £., zıoff., 23 1f., 246, 249f., 261, 274, 277f., 279f., 283f., 286ff., 295, 297f., 306, 313, 322, 332, 340, 346ff., 415f., 432,

459, 461f., 487 ff., 507, 521f.,

deutsch, das/der Deutsche, Deutschland 13, 58, 630, 709 Dialektik, Dialektiker 24, 85, 103, II4, 132, 211 ff., 309, 362, 408f., 473, 669, 818

Dialog, dialogisches Denken 213 ff., 220, 231,246, 251, 263f., 340, 381, 384ff., 392f., 397 ff., 426, 464,

484, 504, 513, 519, 523, 612, 622, 648, 653, 708, 754, 785, 787#f., 819 (820) - Siehe auch EinsamSein; Rede

— Dialog, schweigender (tonloser) 688, 695, 701, 721, 723 — Zwei-in-Einem 73 f., 263, 354,

525 ff., 536, 549, 569ff., 580,

386, 389, 392, 407, 410, 437,

s86f., 5g90f., 603, 607, 622, 642ff., 653 ff., 663, 671, 675, 680-697, 708 f., 718, 723-750, 753-793, 796f., 818 - Siehe auch Bewegung; cogitare;

459, 461 (462), 506, 612, 718,

Dialog; erweiterte Denkungsart; Kontemplation; Logik; Perspektive; Prozeß; Rede; Repräsentation; Selbstdenken; Spekulation — Denken, Ort des D. 749f., 753,

757, 763 — Denken, politisches 185, 484,

591, 644,734 — Denken : Nicht-Denken 300,

740

721,725 dichten, Dichter, Dichtung 214, 237f., 373, 386, 407, 410, 428f.,

461 (462), 469, 4831., 524, 526 (527), 590, 599., 606, 672, 728, 749, 771 | Diktatur zıf., 122, 625 Ding 149, 165, 176f., 2ı8f., 234, 300, 308, 310ff., 336, 338f., 374,

378, 392, 455, 458, 472, 481, 487f., 505, 695, 723, 749, 818 Distinktion - Siehe Aristokrat dokei moi (Ö60xei uOL) 391, 399, 402,

406, 420, 784, 796 (797) doxa (ö0&0) — Siehe meinen

Denker 19, 298, 520, 733 ff., 786,

796 (797) Denkungsart - Siehe erweiterte Denkungsart Despot, Despotie, Despotismus 80, 82, ı52ff., 162, 169, 185, 237, 398, 606 I2IO

Ebenbild, Ebenbildlichkeit ı6ff., 70f., 105, 126, 219f., 275, 340,

359, 429, 481 Ehe 34, 49ff., 439 Ehre 152, 287, 305, 311, 338, 379,

418, 443, 445, 447

SACHREGISTER

Eid 447

entscheiden, Entscheidung 94, ıor,

eidos (eiöog) — Siehe Bild Eifersucht 39 Eigeninteresse 121, 713

entwurzelt, Entwurzelung 33

Eigentum 71, 101, 106, III, 186,

Erde (Natur/Universum) 59, 189f.,

195, 232, 272, 279ff., 302f., 305 f.,

310f., 313, 325,335, 338, 341, 348, 364, 385, 389f., 411, 4451., 547f. Einbildungskraft 128, 144, 316, 570, 579, 582f., 602, 604, 680, 682, 741,

764, 767, 776 Einfühlung zf., 523 Einsam-Sein, Einsamkeit 7, 17, 73f., 101, II6, 134, 140, 157, 160ff., 167, 213 ff., 246, 249,

301, 356, 418f 444,., 573

f.,

337, 341, 451

258, 310, 314, 374, 480, 522, 524,

533, 535 H., 549 5555 564 Erde (Wohnort) 59, 104, 130, 144, 168f., 173, 216, 307, 310, 325, 378,

390, 438, 445 480, 535 H., 555 Ereignis 44, 49f., 68f., 93 f., 96f., ı08f., 113 ff., 151, 326, 352f., 479, 488 ff., 496, 562, 707, 716, 723 Erfahrung 73, 134, 140, 157, 196,

238, 250, 335, 342, 399, 458, 4681.,

251, 263, 277, 287, 289, 295 f.,

490, 562, 569, 574f., 590, 606, 632,

298, 347f., 360, 390, 393, 399, 437, 440, 4428, 454, 458,

643, 680, 687, 695, 716, 739; 741;

460f., 486, 521, 549, 591, 722f., 758, 818

787ff., 803, 814, 818 — Erfahrung, politische 253, 255,

Einzelner, Einzigartigkeit 54, 66,

322, 334, 350, 352, 364, 367, 375 384, 419, 453, 460, 468, 575

91, 121, ı58f., 160ff., 204, 207, 257, 262, 286, 357, 460f., 470, 498, 500, 653, 720

Einzelner: die Anderen, dıe Vielen

755, 759#., 771 (773), 778 (779);

erhaben, das Erhabene, Erhabenheit 161, 255, 577, 813, 816 Erinnerung 23, 144, 249, 254, 284,

81, 230f., 264, 359, 392, 399, 468,

290, 295, 326, 353, 400f., 411, 415,

548, 587, 708f. Eitelkeit 796 Elend 106, 201f., 208, 357 Emanzipation 59, 71, 350, 375, 425;

440, 488f., 496f., 526f., 643, 671,

592

708, 744, 777, 789 Erkenntnis 24f., 26ff., 32, 44, 131f., 271f., 288, 336, 393, 406, 413, 430f., 438, 462, 516, 536f., 546,

empirisch, Empirismus 321, 581,

571, 573, 654f., 674, 679, 7418.,

777#£., 811, 8ı7f. Endlichkeit 84f., 102, 337, 725, 784 England 36, 336, 569 Entfremdung (alienation), Entäußerung 260, 267, 272, 356, 366f., 460 Entnazifizierung 194

787, 791 Erkenntnistheorie 501, 738 Erklärung 196, 776 Eros ı158f., 237f., 464 erscheinen, Erscheinung 103, 133,

234, 412, 414, 430, 451, 457f., 514,

521,530, 532, 552, 562, 592 f., 607,

I211

REGISTER

644ff., 658 (659), 660, 663 f., 680, 684, 690f., 695, 701, 722f., 732,

7348. 738 #., 746, 748, 756, 759 762, 768, 776, 778, 780f., 784, 791f., 794ff., 8oıf. erweiterte Denkungsart 570, 572, 580, 583

erzählen, Erzählung 326, 352f., 400ff., 407, 411, 785 Eschatologie 88, 266, 463, 743 Ethik 181, 297, 419, 677, 688, 818 — Siehe auch Gesinnungserthik Europa 54, 166, 201, 216

Evidenz 176, 205, 188, 205, 500,

503, 506, 571, 622,739 Evolution, Evolutionstheorie 47,

783 ewig, Ewigkeit 9, 61, ı58f., 258, 284, 429, 666, 732

Ewige Wiederkehr 139, 723, 733; 744, 791 - Siehe auch Kreislauf Existenz 9, 60, 279f., 310, 647

183, 186, 201, 203, 205, 223, 236,

238, 243, 245, 252, 261f., 273, 276, 280, 282f., 305 ff., 324, 328, 342,

356, 377, 392, 3971., 402, 4041., 411f., 425, 428, 440, 458, 464, 467,

519, 530, 5428., 5568., 5691., 573f., 602, 604, 606 f., 617, 622, 624, 627,

632, 675, 680, 7181., 746, 755,758, 767 ff., 775 ff., sogff., 813, Sı6ff. — Freiheit : Notwendigkeit 18, 157, 173, 175, 223, 291, 310,

366, 818, 819 (821) Freizeit 203, 458 fremd, das/der Fremde, Fremdheit

34, 37, 65, 214, 230, 279f., 470, 539, 720, 780 Freund, Freundschaft ııf., 20, 31,

35, 41, 50f., 238, 279, 289, 295 (297), 361, 437, 53% 548, 595, 685; 688, 695, 756

Frieden 153, 160, 166f., 173, 216,

307, 677 Funktion, Funktionalisierung 133,

Familie 16, 33, 38, 70f., 118, 232,

251,259, 342, 420, 437, 439, 441, 446, 451, 469f., 482 - Siehe auch Ehe

Feind 31, 153, 222, 245, 673, 678, 756 Forschung 485, 618, 703 Fortschritt 165 f., 207, 266, 482, 543,

654, 662f., 667, 717, 743 fragen, Frage 414, 513 ff., 547, 693,

728, 775, 814 Frankreich 336, 465

Frau 19, 49f., 154, 295 (297), 508 Siehe auch männlich: weiblich Freiheit ı7f., 41, 45, 50, 74, 82, 93 f., 101, 125,150, 156, 163 ff., 173 ff., 1212

258f., 267, 341, 359, 363, 436, 738, 802

Gattung, Gattungswesen 129, 268, 286, 606, 661 ff., 686f. - Siehe auch Menschheit Gebot, Gebote 54, 180, 213, 260,

318, 399, 401, 437, 657, 824 Geburt, Gebürtlichkeit 84, 121,

134, 208, 326, 342, 353, 380, 428, 461 (461), 463, 489f., 508, 681, 744f., 780, 791f. Gedächtnis 9, 104, 135 f., 210f., 299f., 483, 488f., 491, 496 Gedanke 62, 231f., 249f., 487,

691f., 701, 735, 753

SACHREGISTER

gedankenlos, Gedankenlosigkeit

654 (655) Gefühl 49ff., sgf., 83, 110, 173, 181,

372#., 525. (527), 573, 576, 606, 705 8., 720, 741, 793 gegeben, das Gegebene, Gegebenheit 4, 62, 129, 767, 810 Gegenstand 62, 83f., 95, 111, 282f.,

285, 479, 674 gehorchen, Gehorsam 162, 230,

257,2598., 398, 401, 444, 473, 540, 638, 670

Gegenwart 9, 136, 181, 290, 292, 350, 667 (668), 689, 705 f., 743 ff.,

767, 803 Geist 44, 53, 62, 85, 139, 160, 195,

337, 346, 507, 5171., 653, 671, 675, 709, 718, 737, 761, 770, 778, 782, 793

Geisteswissenschaften 702 (704) Geld ı11, 236, 331, 356 gemeinsam, das Gemeinsame, Gemeinsamkeit 16, 23, 31f., 35, 65, 116ff., 121, 152, 203 f., 214,

260, 3151. (3161.), 3358. 342, 379 384, 388, 399, 408, 501, 590f., 600, 753

Gemeinschaft 23, 38, 42 f., 66, 107, 121,155, 264, 438 ff., 467, 518, 536 Gemeinsinn — Siehe common sense Gemeinwesen

384ff., 410, 418f., 439, 443, 445 f., 493, 586, 626, 639, 735, 747, 755

168f., 438, 589, 635

— Siehe auch Polis; Staat Generationsbruch 300 Genie 149f., 255, s8ıf. gerecht, Gerechtigkeit 20f., 37f., 106, 121, 132f., 183, 201, 203, 206, 208ff., 212, 230ff., 244f., 252, 256ff.,

Gerede —- Siehe meinen

Geschichte 12, ı7f., 58f., 65, 68f., 7ıf.,75, 84, 102, ı13 ff., 125, 135, 152f., 158, 176, 187,202, 253, 264, 266, 284, 290ff., 295, 297f., 311,

326, 337, 352, 400ff., 405, 407, 411, 415f., 424, 433 ff., 453, 477, 480ff., 488 ff., 493, 496, 505, 516, 538, 562, 564f., 601, 654, 661, 730 Geschichtsschreibung, -wissenschaft 59, 71, 84, 89, 94, 96, 105, ı12ff., 118, 266, 297, 304, 337, 352, 400ff., 405, 411, 415f., 433 f.,

453, 465, 4775 479 48218, 494, 505, 516, 533, 543 8., 554, 562, 5648. 595, 599, 617 (619), 686f., 720f., 742, 756 - Siehe auch Historiker Geschick - Sıehe Schicksal Geschmack 500, 575 ff., 581 ff., 604ff., 636, 680f., 765, 794 Geschmacksurteil 572f., 576ft.,

583, 680, 794 Geselligkeit Gesellschaft 75f., 79f., 145, ı54f.,

575, 583 8, 44, 49, 57, 66, 69, 87f., 93, ıııf., 125, 158, 186, 244, 259f.,

311ff., 337, 341, 349, 352, 355f., 359, 363 f., 377, 436#., 445 ff, 460, 483, 488, 509, 530, 533, 536, 580, 604, 664, 678, 685, 702f.

(703 ff.) 27, 35, 188, 228f., 302,

307, 339, 360, 363, 371f., 379,

Gesellschaftsvertrag (contrat social)

243, 2598. Gesellschaftswissenschaften 352, 355 359

Gesetz ı9ff., 26ff., 32 ff., 40f., 49,

1213

REGISTER

57, 59, 81, 87 (88), 96, 131, 141,

189f., 215f., 219f., 245, 251, 259, 262, 266, 275 ff., 282, 306, 340,

ısoff., 157£., 164, 168f., 181, 237, 242ff., 252, 257f., 260, 282, 287ff., 303, 305, 310f., 313, 318,

359f., 366, 371, 379, 381, 392, 399, 401, 404, 442, 4441. 460, 468, 472,

321, 323 ff., 338, 363, 371, 376,

479, 481, 489, 504, 546, 550, 592,

386, 410, 412f., 426, 435, 442,

600, 609, 642f., 649, 653, 660 ff.,

4461., 455, 465, 5o2f., 545, 586,

674, 683, 722, 734, 749, 758, 763,

590, 625, 657, 811, 822 (823) Gesinnungsethik ı37f., 818, 822

(823) Gespräch - Siehe Dialog Gewalt 41, 62, ı21f., 153, 156f., 162, 185, 203, 206, 243, 245, 273,

305, 307, 328f., 340, 345 f., 350, 363, 365, 380, 385 ff., 389, 397; 399, 412ff., 419, 428, 439, 445; 459, 470f., 488, 507, 513, 519, 528,

538, 549, 577, 590, 602, 606f., 625, 631, 673, 676, 685 f., 689 (690), 696, 708f., 714 (715) - Siehe auch Macht Gewaltenteilung 131, 169, ı84f.,

235, 244, 302 Gewissen 10, 88, 137, 180, 437,

775, 777f., 810, 813 — Siehe auch christlich; Daimonion; Demiurg; Glaube; Hirte; Juden; Religion;

Säkularisierung; Schöpfer; Teufel Griechen, Griechenland, griechisch, 36, 79, 86, 153, 156, 159, 190, 201, 205, 240, 250, 253 ff., 258f., 281f., 295, 299, 302, 325, 328ff., 334, 338, 364f., 367f., 374ff., 385, 390, 397£., 400ff., 404f., 412ff., 416, 419f., 423 f.,

429, 4331. 437, 441, 457, 464, 471, 480ff., 493, 500 506, 539, 550, 552, 556, 565.f., 592, 600, 607,

6398., 677, 733, 781, 784, 796 (797) griechisch : römisch 253 ff., 256 ff.,

4438. 459 653, 657 (658), 673,

3641., 375, 381, 419f., 429, 437;

754, 762, 768, 794, 809, 813 f., 819 (820) Glaube 125 f., 137, 179, 261, 268,

439ff., 446f., 482, 552, 656, 677f. Größe 149, 290f., 295, 297 ff., 429,

277, 309f., 381f., 461, 501, 546,

728, 732f., 763, 768, 814 Gleichheit 3 f., 16, 34, 37, 65, ı1of.,

121, 152, 154, 337, 340, 378, 337,

4341, 4668., 534, 547. Glück 14, 164f., 282, 332 (333), 411,

429, 7555 775: 793 Gnade 3f., 376, 504 Gott, Götter 3, 8, 10f., 17, 22, 25, 40, 54, 61f., 65, 67, ıo2f., 127, 133f., 139, 144, 160, 167f., 175 ff.,

1214

433 f., 451f., 549 gründen, Gründung 33, 36, 122,

157f., 252, 334, 342, 364, 371, 381,

389, 400ff., 419, 429, 436, 442, 549f., 635 gut (üyadöc), das Gut, das Gute 121, 132, 180ff., 322, 372, 455 ff.,

459, 463, 518, 521, 573, 575, 583 585, 587, 611, 640, 646, 656, 794, 810, 819 (821) — gut: böse 67, 108, 116, 128, 136ff., 166f., 177ff., 187, 242f.,

SACHREGISTER

297, 341, 463, 622f., 625 f., 644, 653, 811 Handeln ıoff., 20, 28, 47f., 61, 62, 65, 67tf., 8of., 88, 95 f., 103, 1o7f., 111,113, 118, 125, 132, 136f., 152, 156f., 163 f., 176, 178, 180, 184, 194, 207, 215, 223, 246, 249, 273 f., 277f., 281ff., 287ff., 295 f., 302 ff., 309f., 312, 315 (316), 321f., 327f.,

331, 333, 340, 345, 349f., 362, 365,

619, 628, 676, 742 (743) — Siehe auch regieren Herrschaftsform - Siehe Staatsform herstellen, Herstellung 10, 20, 46f., 61, 75, 79, 82, 102, 105 ff., 115, 119, 133, 188, 201f., 209, 223, 249f., 264, 267, 272, 279, 281 ff., 288 ff., 305, 310, 313 f., 322, 324f.,

327, 331, 339#f., 346, 348 f., 357; 363 ff., 374f., 380, 385, 390, 441, 453, 4598., 4708., 482f., 4871.,

491f, 500, 508, 513, 517, 524f.,

372, 374, 375, 380, 385 1., 397, 399, 407, 409, 413, 419f., 429, 432, 436ff., 444, 452, 455 8., 4588., 461 (462), 464, 470f., 478, 483, 487{f.,

Herz (das menschliche Herz) 20,

496, 502, 508, 520ff., 525 ff., 529,

83, 107, 125f., 137, 334, 4671,

5358, 545, 548, 5571, 563 f., 603,

525f. (526f.), 529, 609, 754, 812 Hirte ı9f., 22f., 25, 34, 179, 207,

617, 642, 644, 648, 653 ff., 660

(661), 681, 683, 724, 732, 735; 742f., 746, 762, 766, 786, 792, 801, 8ı1, 8ı5, 819 (820), 824 Handwerk 105, 133, ı52f., 183, 209,

239, 291, 330, 386, 532 Harmonie 230, 340, 386f., 755, 768,

791

526 (527), 529, 536, 5388. 564, 622, 724

361

Historiker 24, 266, 290, 304, 416f., 595 - Siehe auch Geschichtsschreibung

Hoffnung 14, 126 Höhlengleichnis 235, 398, 454 ff.,

458, 497, 586f., 675

Haus (oixio), Haushalt 121, 322, 347f., 482, 518, 548, 566 Heimat, Heimatlosigkeit 59, 137f.,

Hölle, Höllenlehre, Höllenvorstellung 105, 177, 339, 361,

251, 310, 325, 332 (332f.), 480,

Homo faber 105 f., 188, 202, 250,

737

Herrschaft, herrschen 11, 20f., 23 f., 26ff., 32 ff., 35, 41, 54, 73, III, 121f., 131, 143, 152, 157, ı61f., 189, 206f., 212, 230f., 234f., 237, 239, 2411., 260, 276, 291, 322, 324,

327ff., 333, 335, 348, 350, 352, 356, 364f., 367£., 375 f., 391, 397; 412, 423 1f., 434, 444, 451, 453, 456, 465 f., 482, 516, 529, 538, 549,

363, 371f., 388, 398 264, 290, 314, 375, 471, 483, 556 hören, das Hören 354, 399, 539,

592, 600, 603, 725, 749, 815 human artifice 61, 129, 203, 325,

336, 340, 349, 366, 375, 378, 398, 438, 459, 461 (462) Humanismus, Humanität 255, 558, 583, 606

|

Hybris 160f., 330, 372, 434, 525

(526f.), 649 121$

REGISTER

Ich 3 ff., 8, 62, 73, 85, 214, 646ff., 656, 663, 665, 675, 680, 684f., 687,

88, 97, 186, 210, 259, 291, 327f.,

333, 335, 363, 367, 445, 485, 5738.,

689, 718, 723, 776, 778, 787H.,

576f., 580f., 631, 634, 680, 705

819 (820) Ideal, Idealist 88, 128 f., 133, 363, 459

(706), 710 (711), 713, 755, 777&.,

Idealtypus 359, 771 (773)

esse; Wohlgefallen

Idee, Ideenlehre 27, 193, 274ff., 283,

303, 322, 325, 340, 3461f., 361, 363, 366, 372, 375 f., 382f., 410,

446, 452ff., 457, 459, 463, 465, 473, 478, 484, 500, 503, 578, 581f., 594 735, 742 (743), 7708. (7721. ), 788, 790

813, 817 - Siehe auch EigeninterInteressengruppen 61 8, 629, 631 interpretieren 353 f., 520, 756 Intimität 52gf., 548f.

isolieren, Isoliertsein, Isolierung 162, 339, 375, 458f., 521 - Siehe auch Einsam-Sein Israel 620 (621)

identifizieren, Identität 8, 399, 481,

721, 727, 7341., 789 Ideologie, Ideologisierung 189, 193,

Jenseits 257f., 360 Juden, Judentum 7of., ı89f., 242,

217, 318, 371, 482, 485, 617,

262, 302, 325,359, 4011., 429, 442,

619ff., 6541. (655 f.), 771 (773)

482, 592, 600, 619, 666 (668)

image 620, 666

Imperialismus, imperialistisch 68, 72, 216f. »in concert« — Siehe zusammen individuell, Individuum, Individualität 88, 102, 104, 125, 138, 142, 158f., 298, 335, 402, 501, 5ogf., 518, 569, 645 f., 660, 664, 734, 776f., 820 (821)

Industriegesellschaft, industrielles Zeitalter 349, 480, 488 — Siehe auch Revolution innen, das Innere, Innerlichkeit

529f., 540, 552, 663, 738, 741 Sıehe auch Gewissen; Sinn; Ver-

innerlichung — innen : außen 523, 636, 645 f., 658 (659), 663 f., 690, 695, 718, 720f., 795 f. Intellektueller 149. Interesse, Interessentheorie 12, 86, 1216

— jüdisch-christliche Tradition 7, 18, 70f., 105, 400, 429f. Jüngstes Gericht 137, 266, 276, 628 kategorischer Imperativ 8ıf., 138, 142f., 164, 167, 180, 182, 241, 308,

502, 641, 794, 815 f., 818, 820ff. Katharsıs 527

Kausalität, Kausalitätsbetrachtung 96, ı12ff., 138, 166, 175, 352f., 638, 803, 8ıgf. (821) Klasse, Klassenbegriff 202, 335, 348, 364, 453, 467 - Siehe auch Arbeiter Klassenkampf 621, 710 (711) klassenlose Gesellschaft 106,132, 152, 284f., 6861. Klugheit (deövnoıs) 230, 432, 532, 584, 610 Kommunikation, Kommunikationslehre 45, 51, 442, 607

SACHREGISTER

Kommunismus 272, 364, 655 (656) König, Königtum 231, 233 ff., 252,

305, 338, 367, 378f., 412, 435, 532 Konsens (consensus) 2441. Konsum, konsumieren 264, 267,

282, 285, 324f., 330, 340, 349, 355; 357, 378, 425, 473» 4875 491, 525, 528, 562, 703 (704) Kontemplation, kontemplatives Denken 12, 72, 139, 305, 313 f.,

322, 331, 345f., 365 ff., 452, 529, 603 f., 708, 727, 760, 767, 813 — vita contemplativa 471, 488, 536 - Siehe auch Arendt, Hannah

Körper, körperlich, das Körperliche

9,53,195,282,313,329ff.,335,339, 377» 497, 509, 534, 738, 760, 822 — Körper : Seele 9, 322ff., 383, 388, 546f., 658f., 760 Kosmos 22, 104, 274, 379, 387;

5338. Kreislauf 22, ı14f., 362, 492, 494,

497, 608, 722, 744 Krieg 7, 17, 31, 145, I5I, 154, 217,

222, 243, 245, 254, 3061., 346, 397; 414, 439, 677, 696

5535 555» 566, 573, 575, SS6HH., 601, 603 f., 640f., 681, 693, 701,

715, 719, 724, 740, 763, 785, 791, 810 — Siehe auch Arbeit; Denken; Gesellschaft; Pluralität; sterben; Tod

Lebensphilosophie 491 Lebensweg 44 leiden, Leiden, Leidenschaft 5gf., 152, 249f., 283f., 289, 328, 334,

371, 385 f., 415, 525 ff., 543 (544), 554, 625, 672, 678, 747 (747f.), 795 Liebe, 126, 215,

- Siehe auch Mitleid lieben ı4f., 37, 49ff., 83, ı1o, 134, 150, 179, ı81f., 203f., 228, 249f., 276f., 289, 355,

372f., 376, 427, 459, 464, 470, 493, 510, 525 (526), 530, 548f., 624, 646, 648 f., 674, 682, 720, 729, 748 (749) - Siehe auch Amor mundi; Eros List (der Natur / der Vernunft) 132, 165 f., 168, 187, 453, 505 Logik 18, 35, 45, 94, I16, 118, 128,

157, 162, ı88f., 193, 204f., 2ı1f., 213ff., 222, 230, 261, 274, 286f.,

303, 330, 342, 345, 380, 384, 408,

437, 4681., 473, 516, 562, 572, 654 (655)

Kunst, Künstler 105, 133 f., 140, 152, 165, 201, 398, 405, 581 ff., 785 — Siehe auch dichten; Rhetorık; Staatskunst; techne Kunstwerk 81, 255, 284, 365 f., 566, 628, 765

Lüge, lügen 167, 208, 469, 617-638,

leben, Leben 9, 14, 44, 48, 51, 6of.,

Lust 238, 250, 5o9f., 571, 573, 575;

Logos (Aö'yog) 24f., ıı7ff., ı19ff.,

211, 350, 385, 390, 392f., 484, 514f., 592, 594, 708, 737, 747, 760 665, 707, 801

105, 130, 142, 176, I9I, 251, 258,

s78f., 603, 606, 679, 822

287f., 299f., 304, 306, 310f., 314,

346f., 404, 459, 479, 481, 491 ff, 497, so8f., 518, 535 ff., 540, 548f.,

Macht 21, 28, 62, 64, 74, 8of., 83, 86, 96, 121f., 134, I4I, 145, 152,

1217

REGISTER

160ff., 167ff., 175, ı84ff., 192, 233, 236f., 244, 273, 280f., 283, 313, 372ff., 440, 462, 465, 518,

538, 545, 548, 627, 630f., 6341, 676, 689 (690), 696, 708{f., 7321. Siehe auch Allmacht; Gewalt; Ohnmacht; Wille zur Macht Malerei, moderne 353 f., 658. Man, Man-Analyse 218, 360, 664, 813 ff. manifestieren 540f., 701, 721 (722), 738 ff., 762 männlich : weiblich 19, 190, 330, 359 Marxismus, marxistische Lehre 64,

68, z9ff., 253 f., 274 Maß, Maßstab 25, 71, 143, 180, 215, 240, 267, 2761., 302f., 334, 3381.,

361, 372, 375, 381#., 387, 406, 452f., 457, 472f., 500, 521, 532 (533), 543 (544), 645, 680, 756, 758 Material, Materialisierung, Materie, Materialismus 61f., 79ff., 87, 94, 129f., 201, 205, 210, 322, 424, 479;

487

420, 4341., 440, 514, 585 ff., 590, 592, 602, 623

Mensch, Menschenbild, Menschenwelt ı5ff., 22ff., 33, 43, 53 f., 57, 79 ff., 87f., 91, 1o2ff., 106f., ırof., 119, 121. 128ff., 136ff., 145, 149, 168., 175 ff., 189f., ı9r, 2o1ff., zroff., 2ı5f., 241ff., 255, 262f., 271ff., 288, 300, 303 f., 308ff., 323-341, 366f., 374f., 413,

423, 426, 429, 4331., 438, 458, 460f., 463, 465, 481f., 502, s21f.,

529, 5348., 543 (544), 5478. 555, 553, 564, 572, 581, 624, 647, 653, 662, 664; 667 (668), 674, 677f.,

686, 719f., 723, 727, 734f., 744, 769, 771 (773), 774, 776., 780, 790, 812-824 - Siehe auch Anfang; anders; Anımal laborans; Animal rationale; Herz; Hirte; Homo faber; Pluralität; Übermensch; zoon logon echon; zoon

politikon; Zwischen — Mensch : Gott (Götter) 22f., 25f., 40, 61f., 125 ff., 167f., 2ı19f., 189f., 251, 275, 357£.,

Mathematik 240, 524, 536 meinen, Meinung (Öoxeiv, 6050)

361, 379, 399, 443 f., 454, 468,

116, 233f., 298, 345, 375, 3855

— Mensch : Maß aller Dinge 308,

392, 397, 402, 404, 406, 409, 414, 419, 429, 430, 432, 440, 456, 462,

338f., 392, 4721. — Mensch : Tier 13, 66, 70, 280,

469, 513, 531f., 548, 573, 590, 617, 621, 624, 630f., 676, 684, 705 (706) — Siehe auch dokei moj; Schein — Meinung, öffentliche 548, 585 Meinungsfreiheit 464

Menge (die Vielen : die Wenigen) 228f., 252, 254, 256, 392f., 398, 1218

540f., 609, 677, 683

300, 342, 345, 357, 439, 442, 447, 549, 647, 734 — der Mensch : die Menschen 31, 45, 53 ff., 62, 64, 75, 83f., 138, 158 ff., 180, 207f., 275, 297

(298), 523 Menschheit, Menschengeschlecht 13, 44, 61, 65f., 80, 164, 169, 173,

SACHREGISTER 222, 233, 268, 284, 290, 295, 304,

IO1f., 141, 231, 235f., 238, 29r,

306ff., 337, 392, 444, 446, 461

297, 363, 367, 378, 412, 434f., 535,

(462), 463, 601, 662f., 686f., 8ırff. - Siehe auch Gattung Menschenwürde 53, 109, 241, 264 Metapher 46, 48, 583, 645, 674, 680,

708, 725, 7281., 740, 744, 764, 771 (773) Metaphysik 24, 94, 321, 508f., 539, 720, 723, 736, 786 ff., 813 Methode, Methodenlehre 24, 72, 89, 96, 105, 414, 515, 610, 716, 738 —

Siehe auch Geschichtsschreibung; Kausalıtät Mimesis 34, 133 f., 240, 407 Mißtrauen 127, 246, 393, 479, 618

(das) Miteinander 249, 298, 345,

405, 440, 578, 591, 729 - Siehe auch Rede, zusammen Mitleid 128, 140, 330, 523, 526 (527), 528 — Siehe auch leiden mitteilen, Mitteilung 67, 210, 392, 402, 574f., 603 ff., 731 Mittel - Zweck 46ff., 53, 57, 61, 70, 79, 81, 95, zoıff., ro6ff., 113 f., 118, 125, 283f., 322, 324f., 385, 411, 517, 642, 8ı5 - Siehe auch

Selbstzweck; Um-willen; Zweck Mittelalter 501, 517, 546, 552, 673 Moderne, moderne Welt 79f., 86, 95, 118, 185f., 264, 267, 330f.,

363, 371, 391, 393, 401f., 405, 411, 428, 454, 458ff., 465, 473, 479 482f., 487f., 491, 501, 509, 522,

524, 529 533, 547, 552, 556, 562, 658 (659), 686

möglich, das Mögliche, Möglichkeit — Siehe notwendig; wirklich Monarch, Monarchie 26, 95 f.,

54)

Monotheismus 102 f., 357. Moral, moralisch, das Moralische

54, 89, 108, 125, 132f., 135 ff., 150, 163 f., ı81f., 213, 217, 227, 242f., 250, 324, 362, 445, 457;

s20f., 5448., 5578. 5735 581, 648, 735» 737» 740, 755» 776, 787, 794, 801, 809-824 — Siehe auch kate-

gorischer Imperativ Moralphilosophie 794, 816 Mord 15, 71, 158f., 227, 245, 377; 429f., 482, 625 Muße 153, 156, 202, 250, 254, 379,

390, 437, 440, 4455 488, 5575 565 8, 587 - Sıehe auch Freizeit Mut 36, 108, 311, 413, 443, 525

(526), 607 Mythologie, Mythos 25, 32f., 113, 291, 295 nah, Nähe : fern, Ferne 65, 730, 734,

739, 763, 793 Name 42, 239, 540, 629 Natalität - Siehe Geburt Nationalcharakter 664. Nationalstaat, Nationalismus 141, 216f., Natur (Naturwelt) ı1, 57, 61, 64, 66, 82, 96, 103 f., 107, 1rıf., 127, 134, 137, 152ff., 161, 168f., 173, 179, 218, 234, 271ff., 325, 329,

334, 337, 356, 413, 445 ff., 4798., 482, 495, 518, 533 ff, 562, 572, 578, 581f., 635, 778, 810, 8ı3f., 824 - Siehe auch List — Stoffwechsel mit der Natur 79,

1219

REGISTER

110, 202, 309, 357, 366, 425, 461

(462), 530 — Siehe auch Arbeit Naturgesetz, -recht 82, 88, 122, 160,

244, 262, 4381., 565, 657,759 Naturwissenschaft 415, 482, 517

(518), 522, 524, 555, 564, 643 Naturzustand 17, 31, 158, 168f., 495

Negerfrage 678 Neid 237f., 346, 411, 416, 418, 434,

586, 653 Neuzeit - Siehe Moderne Nichts, Nichtseiendes (Nichts : Etwas) 10, 42, 61, 68, 520, 523,

538, 667 (668), 718, 786t., 803 Niemand (Niemand : Jemand) 218,

364, 451, 520, 523 Nihilismus 132, 139f., 308f., 356,

5381., 791 notwendig, das Notwendige, Notwendigkeit (dvayan, T& Avaryraloı) 65, 86, 101, 178, 183, 186f., 190, 201 ff., 209ff., 218,

176, 179, 234, 249, 275, 280, 375, 399, 622, 660, 725, 734, 739 768, 784 Offenbarungsreligion 205, 622, 768 öffentlich, Öffentlichkeit 64, 7of.,

89, 97, 315f. (3161), 327, 431, 452,458, 518, 548, 570, 5748, 585, 612, 618, 621, 626 (627), 629, 754, 815 — Siehe auch meinen — öffentlich : privat ı2, 25ıff.,

259, 283, 338, 379ff., 402, 420, 425f., 440f., 4458., 455, 458, 521, 529f., 535, 566, 577, 583, 601f., 618, 630, 664, 753, 8IO Ohnmacht 107, 109, 160ff., 187f.,

273, 315 (3161.), 346, 564, 732, 818, 820 (821) Ökonomie 75 f., 87, 267f., 271f.,

3498., 355 H., 363 f., 410, 473, 548, 556, 743

238, 250, 252, 264, 281, 331, 333,

Oktoberrevolution 2531. Oligarchie 26, 41, 236, 291, 367, 412, 426, 434f., 466f., 545

348, 408f., 425, 432f., 442, 466,

Opfer ı2

491, 504f., 507, 519, 530, 538, 546,

Ordnung 74, 323, 386, 412, 657 Organisation 118, 291, 376, 623, 632

554 556, 562, 566, 642, 653, 672, 677, 733, 743 — Siehe auch Arbeit; Freiheit; Sklave; Zwang Nürnberger Prozesse 670 Nutzen, das Nützliche 119, 133,

410, 412, 419, 442, 445, 447, 611 Oberfläche, oberflächlich, Oberflächlichkeit 173, 332 (332 f.),

4518., 740 Objekt - Siehe Subjekt objektivieren, Objektivierung 88f., 682

offenbaren, Offenbarung 103, 132, 1220

Paradies 70, 190, 374 Partei, Parteilichkeit (Parteiischkeit) 41, 72, 402, 631, 634, 711

(712), 715, 796 (797) partikular, das Partikulare, Partıkularität 335, 402, 406, 413, 558, 562, 624f., 679, 776 Passion, Pathos 22, 5gf., 105, 152,

357, 415, 525. (5261.), 528, 625, 672, 678 - Siehe auch leiden Pazifismus 307 peithein (rteideıv) 384, 387£., 391,

SACHREGISTER

393, 408ff., 412, 418, 503, sosf.,

— Philosophie, politische (Philo-

513, 576, 585, 590, 630, 684f.

sophie und Politik) 15 ff., 24,

Person, persona 8, 203, 242, 376,

40, 43, 45 #f., 54, 64, 67, 71, 80,

381, 595, 607 Perspektive, perspektivisches Denken 298f., 356 Pflicht 54, 163 f., 259, 787, 811, 817, 8ıgf. (820) Phänomenologie 724 Philosoph, die Philosophen 45, 128,

173, 233, 272, 298, 321, 352, 360, 362f., 386, 406, 420, 426, 440, 443,

464, 4681., 478, 484f., 493, 497, 507, 513, 520, 542, 586f., 592, 6061., 657, 684, 717, 723, 733, 770 (772), 820 (821), 824 Philosophie, philosophieren 15, 54, 62, 71, 84, 87, 140, 158, 167, 175 f., 185, 188, 233 ff., 250, 261, 273,

287, 303, 337, 353, 386, 393, 406, 416f., 428, 432f., 438f. 447, 456,

463, 468, 484, 507f., S14f., 529, s86ff., 604, 606f., 688, 692, 708,

719, 727f., 731, 733 8., 7548. 7575 7718. (772f.), 776 f., 784ff., 791 f., 804 - Siehe auch Bewußtsein;

Lebensphilosophie; Moralphilosophie; Sprachphilosophie; Willensphilosophie — Philosophie, abendländische 13, 47, 54, 62, 131, 142, 158, 279, 357 - Siehe auch christlich; Mittelalter — Philosophie, deutsche 336 — Philosophie, englische 771

(773) — Philosophie, griechische 257,

365, 423, 733, 781, 784 — Philosophie, orientalische 765

115, 121, 158, 160f., 185, 230, 233, 241f., 252, 254, 281, 287,

295 (297), 302f., 321f., 324, 329, 357, 362, 380ff., 390 ff.,

408, 414, 424, 4311., 442, 445; 452f., 457f., 464, 472f., 482f.,

485 f., 493, 495, 497, 503, 509, 513, 524, 542, 556f., 575, s86ff., 591, 6ı10ff., 675, 683,

792 (703), 705 (706), 734 — Philosophie, römische 257, 733» 785 — Philosophie als Wissenschaft 32, 121, 261, 283, 432f., 464, 514, 619

Physik 522 Physiokraten 547, 555 (556) Platonismus 64, 75, 131, 133, 135,

275, 333 359, 381, 426, 452, 519 Pluralität 15 ff., 37f., 42, 66, 7of., 73 f., soff., 84f., 96, ı01f., 103f., ı11f., 116, 128, 132, 140, 159,

161f., 164, 190, 210, 218ff., 223, 232, 241f., 263, 275f., 281, 295

(297), 304, 328, 336, 342, 359, 376, 3g91ff., 453 f., 458 ff., 468 ff., 484,

521, 535, 537, 539 5481, 577, 583 624, 688, 722, 768

— Pluralität : Singularität 6o0f., 168, 204, 460, 470

Pogrom 617 Polis (nölıs) 28, 31 ff., 121, 183, 210, 212f., 232f., 255, 280, 301, 305f., 324f., 338, 367f., 378 ff., 384f., 387, 390ff., 400, 402, 414,

423, 447, 453, 467, 4778, 480ff., 1221

REGISTER

4955 4975 532, 5355 550 556, 566, s84f., 590, 638, 811 Politik, politisch, das Politische ı2f., ısff., ıgf., 21, 23 ff., 35 f., 45 ff., s8f., 61, 64, 68, 7ıf., 74, 80,

86, 96f., roıff., 115, 125 ff., 135, I41, 150, 160ff., 164 ff., 180, 204, 207, 210, 228, 236, 241, 250f., 254, 264, 274, 276, 280, 284, 301f., 304,

75, 87, 105, III, 264, 267, 284, 306, 311f., 324f., 341, 355 f.,

363 f., 460, 473, 479, 488, 5241., 528, 553, 555 (556), 738 Profit 75, 363 Proletariat, Proletarisierung 341,

348 Prometheus-Legende 346 Prozeß, Prozeßdenken 84f., 113 f.,

306, 310, 313 f., 322, 327ff., 332f.,

193, 204, 215, 288, 482, 487, 491,

335, 348, 350, 3575 365, 374 H., 381, 387f., 392, 397, 404, 414, 419,

524f., 553, 562f., 691 (692), 723, 733 £., 742 (743), 781

424, 429, 437, 439, 445, 451, 455

Psychoanalyse 389, 645 ff., 720, 769,

480ff., 485 f., 488, 490f., 496, 520,

77° (772) Psychologie, Psychologisierung 15, 18, 93, 244, 376, 389, 468, 540,

523f., 537, 540, 542, 5448. 5488., 554 556, 5648, 569 8f., 582, 584, 591, 617, 621, 624ff., 629, 631,

634, 638, 644, 7075 754 775 Siehe auch Philosophie; Religion Politikwissenschaft (Politik und Wissenschaft) 12, 295 (297), 419,

465, 591, 702 (704), 754 politische Theorie 54, 437, 544, 654

(655) Prädestination, Prädestinations-

lehre 382, 733

pragmatisch, das Pragmatische, Pragmatismus 136ff., 380, 400ff. prattein (noATTeıv) — Siehe Praxis Praxis 173, 204, 232, 281, 323 ff.,

327, 350, 407, 444, 457, 469, 503; 654 (655), 819 (821) — Siehe auch Theorie privat, das Private, Privatheiıt 23,

258, 338, 348, 439, 441, 446, 483, 529f., 566, 576, 601, 664 - Siehe auch öffentlich Privateigentum 272, 439, 443 Produkt, Produktion, Produktivität 1222

645 f., 658 (659) Puritanismus 479 Rache 3 ff., 11, 182, 244, 339 Rasse ı$8f., 70, 132, 217, 274

ratgeben - Siehe beraten Rationalisierung 407 Raum 130, 150, 180, 267, 315.

(316f.), 354, 458, 536, 546 Realitätslosigkeit 488, 503 Rebell, Rebellion 181, 315 (316f.),

549, 702 (703) rechnen, berechnen (»reckoning with consequences«) 196, 469,

473, 516, 654 (655), 7361. - Siehe auch Logik; Theorie Recht 7, ı6f., 158, ı64f., 168f., 179ff., 194, 227f., 252, 259f., 313,

321, 367, 385, 408, 410, 418f., 439, 441, 445 f., 621, 657, 676 - Siehe auch Strafe; Unrecht; Völkerrecht | — Recht : Unrecht 3 ff., 54, 116,

SACHREGISTER

121, 136f., 150, ı79ff., 194, 212, 215, 244f., 256ff., 384 ff., 410, 588

— Recht, internationales 164, 245 Rede, reden 214, 246, 249, 256,

3451., 354, 373, 380, 384, 392, 397 #., 407, 410, 461 (462), 505, 508, 513 766, 815 meinen; — reden Reflexion Regel 569,

ff., 520, 536, s84f., 718, — Siehe auch Dialog; Rhetorik; Sprache in Klischees 316 (317) 74, 83, 187, 778 (779) 581, 679, 766

regieren, Regierung 26ff., 96, 152, 154f., 184, 206f., 241, 254, 301, 437 545, 705 (706) - Siehe auch Herrschaft; Staat; Staatsform Reichtum 202, 411f., 466, 547 Relation, Relativierung, Relativität

180, 234, 240, 298, 339, 341, 356, 375, 391, 436, 556, 729 Religion, religio 163, 165, 249, 257f., 261f., 301f., 310, 342, 359,

363 f., 371, 389, 443 f., 446, 460, 478, 497, 524, 5401., 544 (545), 550, 554, 768 - Siehe auch’ christlich — Religion, säkulare 363 f. — Religion, totalitäre 371, 389 Repräsentation, repräsentatives Denken 279f., 393, 680, 689, 705

(706), 734, 778 repräsentative Regierung 705 (706) Republik 64, ı52ff., 184, 297, 305,

439, 446 Reservatio mentalis 125, 127 res publica 26, 252ff., 256, 258, 260,

441, 443, 445, 463, 565 Ressentiment 4, 11, 161, 654

Revolte 68, ı61f., 208 Revolution, revolutionär, das

Revolutionäre 110, 122, 158, 208f., 348, 363, 389, 465, 524, 628, 639, 666 (668) — Siehe auch Oktoberrevolution

— Revolution, französische 363, 465 — Revolution, industrielle 285,

341, 348, 465, 524 Rhetorik 381, 384 ff., 391 ff., 408 ff., 418f., 442, 462f. - Siehe auch

peithein; Rede Rom, Römer, römisches Reich 64, 71, 253ff., 290, 298 ff., 334, 336,

342, 371, 3741., 389, 4191., 429, 436f., 442, 460, 482, 517, 533, 552, 562, 569, 666 (668) — Siehe auch Griechen Ruhm 259, 295, 400ff., 411, 420,

433, 4401., 447, 480f., 540, 609, 683 Säkularisierung, Säkularisation 114,

266, 357, 371, 398, 477 ff. Scham 110, 232, 530 Schauspiel 139f., 796 (797) Schein, scheinen 133, 391, 440,

455f., 500, 514, 585, 587, 741, 791f. - Siehe auch erscheinen; meinen Schema 569, 682, 755 Schicksal 4ff., 49f., 65, 175, 404,

411, 413, 657, 733, 769, 782 Schlechtigkeit (wickedness) 128,

137, 767 schließen - Siehe Logik Schmerz 353, 428, sogf., 523, 531, 603, 689

1223

REGISTER

schön (#aAöG), das Schöne, Schönheit 130, 132, 392, 410, 456f., 459, 500, 573-583, 604, 6ıo0ff., 655,

681, 794 Schöpfer, schöpferisch, Schöpfung 66, 158, 175, 179, 190, 201, 203f.,

266, 314, 423, 454, 550, 718, 817 Schöpfungsgeschichte, -mythos

70f., 295 (297), 359 Schuld, schuldig 4ff., 69 £., 137, 215, 227, 815

Schweigen 607 - Siehe auch Dialog Seele 235, 281, 328f., 333 ff., 361,

375, 378, 387f., 431f., 607, 609, 646, 658 (659), 757 - Siehe auch

Dialog; Körper; unsterblich sehen, das Sehen 43 1f., 455 f., 484,

525 (527), 539 592, 636, 740f., 793, 810 sein, Sein, Seiendes 12, 42, 68, 87, 94, 103f., 118, 128f., 130, 132 ff., 139f., 142, 176ff., 240, 276 ff., 288, 380, 455, 468, 504, so8f.,

Sensualismus 516 sensus communis — Siehe common sense Sich-Zeigen 134, 347, 391, 530, 660,

749, 796 sichtbar, das Sichtbare, Sichtbarkeit

4548. 583, 645, 725, 7408. — sichtbar : unsichtbar 690, 708,

728 f., 749, 758, 785 Singularität — Siehe Pluralität Sinn (Bedeutung), Sinnlosigkeit 24, 108, 254, 267, 326, 331f., 405, 411,

416, 453, 490f., 517, 563, 721, 739 f., 760, 763, 779, 790 - Siehe auch Über-Sinn Sinn (die Sinne), Sinnenwelt 15, 18,

131f., 177, 309, 325, 335T., 360,

391, 393, 405, 430f., 477, 479, 501, so7ff., 516, 536, 546, 571 #., 577;

5378. 553, 555, 592f., 611, 645,

6ooff., 612, 636, 739f., 755, 759f., 764, 786, 817 - Siehe auch hören; sehen; tasten - Sinn, innerer 5ogf., 516, 523, 602f., 788

661 (662), 691, 697, 701, 709, 718,

— Sinn, sechster - Siehe common

722ff., 731ff., 740f., 747 (748), 762, 774, 784, 787, 803, 815, 817 — Sein : Nicht-Sein 24, 300, 431,

514, 532 Selbst 83 f., 94f., 128, 134, 214, 218, 241f., 569f., 592f., 623, 647f., 682, 685, 688, 695, 721, 723, 726,

732, 734{f., 756, 768, 770, 778 (779), 789, 793, 814, 818f., 819 (820) Selbstbeherrschung 239, 241, 376 Selbstdenken 570, 580, 603 Selbstliebe 648, 682, 810 Selbstzweck 57, 109

1224

sense; Urteil Sitte, Sıttlichkeit 32, 36, 127, 154, 156, 242, 260, 412, 441 ff., 677, 816 Sklave, Sklaverei 156, ı82f., 186, 195, 280f., 324f., 328ff., 348, 350,

367%., 375 #f., 390, 397, 405, 418, 424f., 446f., 4661., 493, 519, 528, 538, 557, 638f., 718, 811 Söldner 311, 414f. Solidarität, Solidaritätsbegriff 6, 89, 127, 290 Solipsismus 775, 793 Sophist, Sophisten 431, 493, 513 ff., 610f., 640

SACHREGISTER

Souverän, Souveränität IoI, 106f., 131, 134, 136, 141, 158f., ı84ff.

Sowjet-Rußland 186 sozial, das Soziale, Sozialisierung 277, 310, 348, 355, 3775 548» ‚647 Sozialismus, sozıalıstische Tradi-

tion 105, 352, 377, 389 Sozialwissenschaften 702 (703 f.) Soziologie 244f., 356f., 389

Spekulation, spekulatives Denken 12, 22, 83f., 168, 359, 722, 727f.,

776, 787 Spiel, spielen 13 spontan, das Spontane, Spontaneität 33, 65 f., 68, 74, 94, 136, 162, 203, 210, 312, 569, 814, 817

Sprache, sprechen 42f., 46, 104, 118f., 129, 134, 143, 211, 214, 340,

Siehe auch unter den einzelnen Staatsformen Staatskunst (TEXvN noArtıxn) 23, 27,

385, 387, 391 Staatslehre, Staatswissenschaft 287,

352 Staatsmann 23, 27f., 42, 80, 254, 387, 451, 532, 617, 664 — Siehe

auch Hirte; Philosoph stark, der Starke, Stärke ı21, 160f., 189, 192, 230f., 259, 467 staunen (OavudLeıv) 405, 413,

430ff., 456, 458, 558, 730, 7578, 7801., 786, 791, 796 (797) sterben, sterblich, Sterblichkeit 9, 149, 460, 463, 498, 586 ff., 608, 673, 681, 726, 746, 792 — sterblich : unsterblich 144, 306, 398, 686

353#., 392f., 426, 528, 532, 548,

Stoffwechselprozeß 285 — Siehe

642ff., 672, 674, 684, 690f., 723,

auch Natur Stoa, Stoiker 157, 330f.,

738, 749 755, 785, 795 — Siehe auch Alltagssprache; Begriff; Dialog; Metapher; Rede; Weltsprache — Sprache, aesopische 625 sprachlos, Sprachlosigkeit — Siehe stumm

Sprachphilosophie 690, 770ff. Staat, Staatswirklichkeit 41f., 67,

70f., 95, 155, 164, 259, 302, 352, 412, 437f., 444, 447, 451, 509, 656 - Siehe auch Nationalstaat;

Polis; regieren; res publica Staatsform, Staatsformenlehre (Lehre von den Herrschaftsformen) 12, 26, 80, ısıff., 169, 230f., 235 f., 252ff., 378, 434f., 466f., 482, 545, 606. -

Stolz - Siehe superbia Strafe, Strafrecht 7, 150, 156, 158, 244, 418, 670

Streik 710 (711) Studentenunruhen 702 (703), 711

(712) stumm, Stummheit 134, 316 (317),

345, 418f., 528, 619, 793 Subjekt, subjektiv : Objekt, objektiv 75, 79f., 86, 88f., 95 £., 108f.,

246, 2498., 276, 335 1., 407, 5755 679, 705 (706) Subjekt, Prädikat 286 subjektivieren, Subjektivierung 21, 26, 84, 86, 113, 184ff., 335, 342,

426, 509 Subjektivismus 118, 299, 501

1225

REGISTER

Subjektivität 507, 573 f., 776, 792 Substanz - Siehe Wesen Substanzverlust 193, 267 Sünde, Sündenfall 3, zof., 107, 112, 189f., 242, 258, 398, 528, 542 superbia (Stolz) 134, 149, 156, 330f., 525 (526f.), 540f., 649 Syllogismus 408, 684

Symbol 583, 681 tapfer, Tapferkeit 228, 382, 801 tasten, Tastsınn 636, 793 Tat, das Getane 20, 108, 178, 312, 380, 400ff., 415, 420, 496, 505,

582, 590, 644 tätig, Tätigkeit, tätigsein (tun) 75, 118, 132, 209f.,218, 249ff., 282ff., 288 ff., 330f., 334, 378f., 389f.,

401, 436f., 441f., 459, 471, 533, 536, 557, 654 (655), 671, 701, 769 Tatsache 53, 253, 326, 405, 591, 624,

629, 632, 636 (638), 707, 748 Tatsachenwahrheit 624, 631 Tauschwert - Siehe Wert techne (texvn) 23, 26f., 105, 119, 207, 213, 281f., 325, 384f., 391, 313, 639. - Siehe auch Kunst, Rhetorik Technik 206f., 281, 283, 313, 479f.,

485, 487, 538f., 566 Teleologie, teleologisch 113 ff., 118,

340, 803 Terror 318, 482 Teufel 167, 177, 377 Theologie 15 f., 62, 167, 227, 261, 277, 660

Theorie, theoretisch, das Theoretische 53, 85, 311f., 724 — Siehe

auch politische Theorie 1226

— Theorie - Praxis 163, 204, 281,

305, 325, 380, 6541. (65 5f.) Tiefe 301, 352f., 451f., 622, 729, 740 Tier 189f., 442 - Siehe auch Mensch Timarchie 236 Timokratie 236 Tod, das Tote, "Totsein 51, 142, 144, 178, 202, 216, 258, 262f., 277, 290,

308f., 314, 326, 377, 383, 386, 388, 398, 4141., 470, 483, 486, 492, 4978., 507, 510, 534, 540, 549, s86ff., 591, 604, 635 f., 684, 688,

726, 730, 744, 746, 763, 781, 785 — Sokrates zu Tod und Leben 361f., 586ff. Todesangst 540 Todestrieb 719 Toleranz 415, 464, 803 totalitär, totalitäre (totale) Herrschaft, Totalitarısmus 43, 38, 53 f., 66, 68f., 72, 82, 131, 204, 217, 245, 253, 285, 332, 624f. - Siehe auch

Religion tradieren, Tradition 290, 301, 322,

334, 342, 361f., 414, 424, 441, 445; 478, 514, 520, 672, 702, 717, 771 (773) - Siehe auch Abendland; christlich; Griechen; Juden; Rom; Sozialismus Traditionsbruch 301, 523

Tragödie 407 transzendent, Transzendenz 266f.,

325, 338f., 382, 479, 600, 660, 755; 786

Trauer Traum nis) Treue

17 des Scipio (somnium Scipio251, 257ff. 38f., 50, 191, 338

Trieb 239, 534, 719

SACHREGISTER

Troja, trojanischer Krieg 379, 550, 562, 586 Tugend (dgetn, virtus) ıoff., 126, 165, 25off., 256f., 438, 451, 467,

525 (526), 540, 6398. (640), 656, 678, 8ııf. Iyrann, Tyrannis, tyrannisch, Tyrannisierung 26f., 32f., 41, 45, 71, 74, 80f., 96, 132, 161, 168,

2368f., 2551., 274, 315, 338, 367, 377t, 385, 388, 390f., 3981., 402, 412, 425, 446, 465, 545, 624

unsichtbar, das Unsichtbare, Unsichtbarkeit 454f., 519, 583, 645, 659, 682, 690f., 728., 746f., 753» 755, 758, 767 - Siehe auch sichtbar unsterblich, Unsterblichkeit 9, 34, 167, 259, 284, 290f., 295, 322, 324, 361, 404, 471, 477f., 480ff., 483 f.,

4935 497, 526 (527), 549, 564, 591, 601, 647, 744 755, 789 — Siehe auch Sterben

unterscheiden, Unterschied 16, ı21,

246, 502, 7678., 770 (772) Über-Sinn 18 Überflüssigsein 18, 43, 53, 141,

158f., 337, 341 Übermensch 139f., 454

Unterwelt (Hades) 299 Urphänomen 558 Ursache 22, 65, 413, 456, 465, 758

Ursprung, das Ursprüngliche 32,

überreden - Siehe peithein

4off., 65, 68, 70, 127, 138, 143,

Übervölkerung 59

219, 267, 375, 424, 433, 489, 722, 765, 783

überzeugen - Siehe peithein Um-willen 357, 471, sı7£., 549

unabhängig, Unabhängigkeit 341, 623, 629, 634 (das) Unbewußte 658 (659) unendlich, das Unendliche, Unendlichkeit 42, 84, 2ı8ff., 337, 536,

564, 667 (668), 717, 719 universal, Universalismus, Universalıtät 130, 178, 391, 522, 536,

554 570, 583 Universität 632 f., 702. (703 ff.), 710f. (z11f.), 717 Universum 130, 177, 454, 490, 494,

522, 524, 5351., 5548, 717, 722, 744» 767 Unrecht 4, 12, 68 ff., 72, ı1o, 137, 179ff., 186, 194, 236, 324, 385 f.,

388, 410, 412, 588, 595, 729 Siehe auch Recht

Urteil, urteilen, Urteilskraft 7f., 14, 27, 58, 89, 136ff., 158, 163, 266, 286, 301ff., 336, 388, 409, 418,

435» 473, 500, 546, 569-583, 601, 603, 625, 636, 655 f., 679ff., 685, 687f., 701, 742f., 756, 765 ff., 770, 791, 794, 802, 813, 818, 822 (823)

— Siehe auch Geschmack . Utilitarismus 516, 539, 563 Utopie 76, 106, 272, 591, 686

Veränderung 32, 40, 47f., 271f., 284f., 288, 402, 618, 789 Verantwortung 7, 96, 136ff., 203, 446, 471, 644, 769, 818, 822 (823)

verbergen, verborgen, das Verborgene, Verborgenheit 65, 134, 228, 346f., 412, 420, 726, 730, 762, 794 Verbrechen 156, 227, 242, 429f., 625

1227

REGISTER

Verfassung 32, 35, 41, 45, 130f., 156,

235, 254, 412, 426

523, 692, 718, 725, 757, 775, 782

Vergangenheit 9, 39, 72, 135 f., 143, 181, 253, 290ff., 295, 297ff., 301,

350, 433 f., 460, 465, 520, 667 (668 f.), 671, 702 (704), 716, 742ff., 766f., 771 (773), 8o2f. vergänglich, Vergänglichkeit 312,

322, 429 355, 377, 392, 444

135f., 208, 338, 623, 657, 775, 789, 801

Verstand 84, 177f., 230, 468, 536, 570, 576, 578f., 581 f., 601 ff., 737, 754, 777, 787$., 818 - Siehe auch echon verstehen, das Verstehen ı91, 228,

287, 315 (316), 331 {f., 353, 402,

Vergessen 9, 39, 135, 156, 211, 299,

420, 428, 433, 451, 523, 531, 714

(715), 7201., 737

756 Verhalten (behavior) 312, 520, 660 (661) Verinnerlichung 59, 426, 540, 708, 759

verlassen, Verlassen-Sein, Verlassenheit 22, 159, 167, 220, 227, 246, 262f., 279, 287, 316 (317),

345, 458, 460, 461 (462), 486, 521, 580

501 130, 162f., 257, 284,

291, 309, 329, 360, 391f., 426, 438, 468, 479, 503, 505. 516, 543 (544), 5708, 5738. 577#., 582, 600, 607, 625, 631, 660 (661), 675,

705 (706), 714 (715), 731f., 736f., 741, 748, 75418. 757, 769, 775%, 77738. 785, 787 #., 794, 803, 809, 814, 817ff., 823 £. - Siehe auch List Verpflichtung 93, 342, 441, 6261. versöhnen, Versöhnung 4ff., 69, 1228

Versprechen 9, 14, 54, 73f., 93,

Anıma rationale; zoon logon

Vergeben 3, 69, 110, 504 Vergesellschaftung 311, 337, 341,

Verläßlichkeit 12, 73 f., Vernunft 45, 64, 84, 88, 145, 151, ı56ff., 160, 173, 178, ı87ff., 191,

303 f., 312, 315 (316), 3318£., 337,

Vertrag, Vertragstheorie 127, 131, 135, 157, 168, 181, 217, 241ff.,

259f., 338, 413, 447, 623, 657 Vertrauen sgf., 126f., 137, 446, 517 verzeihen, das Verzeihen, Verzeihung 3 ff., 11, 69, 303 f., 312,

330f., 376 (die) Vielen - Siehe Einzelner; Menge Vietnam, Vietnam-Krieg 642, 655,

665 f.

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vita actıva, vita contemplativa 471, 488, 536 - Siehe auch Arendt, Hannah Volk ı8, 37, 71, 83, 141, 168f., 209, 217, 237, 252, 260, 262, 304, 307,

375, 400f., 434f., 520, 601 ff., 608, 623, 665, 758 - Siehe auch Tyrann Völkerrecht 164, 445 Volksversammlung 375 volonte generale 141, 182, 242ff.,

335, 509 »volo ut sis« 276, 748 Vorsehung 173, 490

vorstellen, Vorstellung, Vorstel-

SACHREGISTER

lungskraft 62, 85, 95, 144, 420,

777, 78°, 782, 7918., 796 (797) -

573, 660, 739, 741

Siehe auch human artifice

Vorurteil ı1o, 131, 149, 408 Wahl 179, 435, 462, 642, 767f. wahr, das Wahre, Wahrheit 13, 18, 38f., 44, 46, 48, 83 ff., 130, 132f., 175, 191, 205, 228, 232, 239f., 249,

251,259, 281, 298, 303, 350, 375, 380 391, 393, 406, 408, 412ff.,

420, 440, 456, 459, 477, 4891., 503, 506, 515, 519, 528, 532f., 547, 586, 592, 595, 600, 610, 617-638, 634, 636, 654 (655), 665 f., 675, 680,

684, 692, 703 (705), 707, 729; 731;

733, 739 755» 7675 777, 791 Siehe auch Tatsachenwahrheit Wahrnehmung 600, 682, 739, 741,

778 (779), 789, 78 7t. Ware - Siehe Wert weise, Weisheit 19, 228f., 258, 349,

392, 430, 463, 521, 585 f., 603, 624f., 640 Welt 11, 16, 18, 20, 22f., 42ff., 44, 46ff., 53, 57f., 62, 64f., 68, 74f., 85, 87, IOI-IO9, II6, 127, 133,

135 ff., 142, 149f., 161, 186f., 204, 207f., 214, 233f., 242, 245, 251, 272, 277ft., 284f., 288, 290, 315

(316), 331, 335, 3418., 347, 349, 353, 360, 3661f., 3748. 378, 383, 398, 423, 426, 428, 438, 451, 4591., 464, 4691. (470), 4775 481, 488, 490f., 493 ff., soof., sogf., 518,

Weltanschauung 419 Weltbürgerrecht 164 Weltentfremdung, -losigkeit 67,

135, 279, 366, 459, 488, 510, 534, 5481., 724 Weltgeist 85, 132, 507

Weltgeschichte, weltgeschichtlich 44, 58, 68, 72, 125, 337, 420, 595 Weltkrieg (Erster und Zweiter) 245, 300 Weltregierung 595 Weltsicherheit 44 Weltsprache 43

Werk (£gyov) 53, 65, 149, 204, 384, 386 f., 407, 433, 471, 481, 505, 533, 553, 672 Werkzeug 53, 314, 3461., 460, 479,

491, 538 Wert, Gebrauchswert, Tauschwert 75, ı11f., 267, 3118., 355 ff., 555 — gesellschaftlich, politisch, moralisch 131, 135 f., 140, 267,

3318, 355 ff., 359, 424, 466 Wertfreiheit - Siehe Methode Wesen 42, 117, 143, 149, 276, 280,

342, 389, 503, 517, 537 #., 733 widersprechen, Widerspruch 64,

211, 364, 385f., 414, 437, 504, s14f., 519, 730f., 733, 739 774;

790 wiederholen, Wiederholung 17, 25,

491

522f., 529, 534, 5398. 543 (544), s48#f., 554, 562, 564, 5698., 572,

Wiederkehr, Wiederkunft 113, 308,

575 f., 604, 618, 626, 629, 681, 686, 690, 718, 722, 724, 726, 733 Hf.,

Wille, wollen, das Wollen ıo0f., 62, 64, 738., 82, 84f., 95 f., ıorf., 106f., 109, 131, 134ff., 141, 151,

738, 753 756#., 771 (773), 775;

353, 494, 508, 732f., 735

1229

REGISTER

159, 163 ff., 169, 173, 176ff., 182, ı84ff., 195, 215, 244, 250, 259ff., 276, 281f., 286, 308, 315 (316),

338, 354, 384, 502, 509, 539, 546, 622f., 627, 638f., 642, 653, 675,

686, 696, 701, 705 (706), 725, 730,

732#., 740f., 743, 755 £., 7678., 779 774, 794, 804f., 811, 812, 8ı14ff., 819 (820) — Siehe auch volonte generale Wille zur Macht 107, 134ff., 141, 185 f., 308, 539, 732f., 8o4f.

Willensphilosophie 195 Willkür 101, wirklich, das keit 6, 11, 84f., 94f.,

186, 354 Wirkliche, Wirklich14, ı9f., 24, 48, 58, 67, 102, 108, 135, 179, 239,

337, 3598. 372, 383, 455, 462, 465,

Woblgefallen 573, 576, 685, 813

wohnen, Wohnung 13, 44, 47, 103, 118, 130, 143 f., 209, 216, 251, 314,

375, 677, 760, 782 Wort 42f., 143, 426, 492, 505, 642f.,

739, 747, 756, 7708. (772f.) Wunder 748 (748 f.), 786 Wurzellosigkeit 39 Wüste 44, 54, 217, 524, 539

Zahl, zählen 219f., 240 Zeit, Zeitbegriff 9, 43, 58, 119, 130, 176, 178, 210, 234, 292, 301, 355,

357, 536, 546, 592, 640f., 647, 666 f. (668 f.), 671, 689, 723 f., 732,

742, 744, 765 {f., 780, 804 (805) — zeitlos, Zeitlosigkeit 119, 647,

723, 742

469, 488, 490, 501, 503, 516, 595,

Zerstörung 61, 66, 215, 307, 522

619f., 622, 643, 655 (657), 707; 732, 743, 748, 761, 776, 786, 7891.,

Zeuge 140, 756, 762

803, 818

— wirklich : unwirklich 488, 503,

619f., 655 (657) —- Schock der Wirklichkeit 48 Wirklichkeitssinn 462, 595, 600, 622 wissen, Wissen (£rLotNuN) 9, 125, 233f., 261, 276, 418f., 430ff., 585, 702f. (704f.), 728f., 735 f., 742

(743), 746, 766, 775, 781, 803 — wissen : nicht-wissen 261, 585,

729, 736, 775, 781 Wissenschaft (&motNun), wissenschaftlich 15, 28, 32, 113, 228, 261, 283 ff., 393, 419, 430, 432f.,

454, 485, 501, 514, 517 (518), 562, s90f., 619, 622, 702f. (703 ff.), 714

(715), 717, 754, 757, 783 (783 f.), 813

1230

Ziel 113, 286f., 322, 412, 489, 521,

563, 642, 654 (655), 783 Zionismus 619 Zirkulationsprozeß 553, 555 (556)

Zivilisation, Zivilisationsprozeß 491, 495, 714 (715) zoon logon echon (G$ov Aöyov

ExXov) 280, 340, 392, 397, 409, 425 f., 536, 737 zoon politikon (G®ov noALtıXOV) 17, 21, 25f., 119, 180 Zufall 96, 107, 175, 178, 384, 415, 804 zufrieden, Zufriedenheit 13, 107,

757

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Zukunft 9, 135 f., 291f., 347, 434, 465, 685 ff., 716, 742 ff., 766f., 803 zusammen (»in concert«), das Zusammen so, ı17f., 152, 184,

SACHREGISTER

212, 214, 235, 251, 375, 397, 415, 444, 459, 53% 535, 5481, 553 Zuschauer 140, 796 (797), 804

(805) Zwang, 34f., 241, 374,

zwingend, das Zwingende 157, ı88f., 201 ff., 205, 214f., 281, 326, 328 ff., 361, 366, 386ff., 413, 428, 503, 506f.,

519, 562, 617, 733 Zweck 13, 48, 53, 61f., 72, 102, 106f., 113f., 125, 128, 130, 132f., 164f., 259, 283 ff., 305, 356, 365,

385, 432, 469, 471, 494» 496, 556, 563, 572, 583,719, 783, 786, 814, 820 (821) — Siehe auch Mittel

— zweckmäßig : zwecklos 259,

471, 572 Zwei-in-Einem - Siehe Dialog Zwei-Sein (Zwiespältigkeit, Zweideutigkeit) 73f., 214f.,

220f., 443, 459, 718 Zweifel 140, 167, 215, 246, 360, 391,

393, 479 5075 7575 761, 763 (das) Zwischen 17, 61, 69, 109, 116,

150f., 160, 234, 246, 275 f., 399, 471, 501, 5361., 539f., 548f., 705 (706)

Bildnachweis

Die 20 Faksımiles werden mit freundlicher Genehmigung der nachfolgend genannten Besitzer der Archivalien und des Hannah Arendt Bluecher Literary Trust, New York, abgedruckt. Library of Congress, Washington D.C., Manuscript Division, The Papers of Hannah Arendt: $. 5 Schiller-Nationalmuseum / Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar, Handschriften-Sammlungen, Teilnachlaß Hannah Arendt: S. 52, 63, 120,

174, 221, 229, 278, 296, 351, 358, 417, 427, 499, 541, 593, 605, 637, 694 und 745

Zu diesem Buch

Im Sommer 1950 vollendete Hannah Arendt ihre große Arbeit

über die »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft«. Gleichzeitig begann sie damit, handschriftlich Aufzeichnungen in ein Tagebuch einzutragen. Gegenüber Freunden sprach sie von ihrem »Denktagebuch«. In der Tat haben die 28 vollständig erhaltenen Hefte kaum etwas mit einem herkömmlichen Tagebuch gemein. Sie enthalten vielmehr philosophische und politische Gedanken, die seine Schreiberin aufbewahren, Exzerpte aus klassischen Texten,

mit denen sie sich weiter auseinandersetzen wollte, ihr wichtige Zitate, auch eigene Gedichte und Reisedaten. Sie dokumentieren eine lebenslange Anstrengung, sich dem erlebten Jahrhundert der Kriege, Revolutionen und totalitären Systeme zu stellen. Viele

der heute weltweit diskutierten Themen des Arendt’schen Werkes kommen zur Sprache. Die vollständige Ausgabe des »Denktagebuchs«, ausgestattet mit einem ausführlichen wissenschaftlichen Apparat, ist unverzichtbar für alle, die Hannah Arendt näher kennenlernen wollen. Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 im heutigen Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte

unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 als Jüdin aus Deutschland vertrieben, lebte Arendt zunächst in Paris, ab 1941 in New

York. Von 1946 bis 1948 arbeitete sie als Lektorin, danach als freie

Autorin und akademische Lehrerin. In den letzten Lebensjahren war sie »university professor« an der New School for Social Research in New York (heute: New School University).