Das Zeitbewusstsein und der Bürgerkrieg: Eine Untersuchung zur geistigen und politischen Situation im Umbruch zwischen Republik und Principat 9783897442030, 9783846902431, 3897442035

Im Januar 49 v. Chr. bricht in Rom der Bürgerkrieg aus. Dies ist nicht der erste Bürgerkrieg für Rom, doch als im Jahre

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Das Zeitbewusstsein und der Bürgerkrieg: Eine Untersuchung zur geistigen und politischen Situation im Umbruch zwischen Republik und Principat
 9783897442030, 9783846902431, 3897442035

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Das Zeitbewusstsein und der Bürgerkrieg: Eine Untersuchung zur geistigen und politischen Situation im Umbruch zwischen Republik und Principat
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Inhaltsverzeichnis

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Beihefte zum Göttinger Forum für Altertumswissenschaften Herausgegeben von Siegmar Döpp und Jan Radicke

Band 11

Iris Mäckel Das Zeitbewusstsein und der Bürgerkrieg Eine Untersuchung zur geistigen und politischen Situation im Umbruch zwischen Republik und Principat

Edition

rtJ Ruprecht

Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet uber http://dnb.ddb.de abrufuar. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K. Postfach 1716, 37007 Göttingen - 2007 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung fur Lehrund Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG.

@ 1. Auflage : Duehrkohp & Radicke 2002 Satz: Iris Mackel Umschlaggestaltung: klartext GmbH, Göttingen Druck: buch buch er dd-ag, Birkach

ISBN: 978-3-89744-203-0 (Print) - 978-3-8469-0243-1 (eBook)

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Gunter und Götz Baldur

Dies ist die geringrugig überarbeitete Passung meiner im Wintersemester 2000 von der (jeorg-August-Uni versi tät (jöttingen angenommenen Dissel1ation. Danken möchte ich an dieser Stelle Heml Prof. Dr. Jochen Bleicken als Doktorvater rur die vielen (jespräche und die Betreuung, seiner Prau, Heml Prof. Dr. S. Döpp als Zweitgutachter rur die große Hilfe und rur die Aufnahme in diese Reihe, Heml Prof. Dr. P. Quaß rur die Übemahme der mündlichen Prüfung, Heml Prof. Dr. K. Nickau rur den Rat im Doktorandenkolloquium und Iris Hinerasky rur ihre unel111üdliche und konstruktive Hilfe, El111unterung und Rat, Babette Schmidt und Christian Schmidt rur so große und beständige Unterstützung und viele andere Aufgaben, diesen genannten und 1. Jansen rur das Konekturlesen und (junter Mäckel, der die vorliegende Arbeit möglich machte, sowie dem Verlag. (jewidmet sei diese Arbeit meinem Mann und meinem Sohn.

Inhaltsverzeichnis 1. Das hellwn civile und das politische Bewußtsein der Menschen ...... 11

2. Cicero und das hellwn civile .............................................................. 19 2.1 Cicero und der pompeianische Bürgerkrieg .......................................... 19 2.2 Cicero und die Iden des März .......................................................... 28 2.3 Cicero, Republikaner und Caesarianer: ... me principem senatui populoque Romano professLLs sum ........... 35

2.4 Ciceros Wandel im hellwn civile: Ein neues politisches Bewusstsein ................................................... 54 2.5 Das hellwn civile und die Zeitgenossen: Die Bewußtseinslage Ciceros und der jüngeren Generationen im Bürgerkrieg ................. 63

3.1 Die Dichter und das hellwn civile: proice tela manu. sanguis meus .................................................................................... 97

3.1.1 Die Dichter, das Erlebnis des Bürgerkrieges und die Gesellschaft .................................................................................. 99 3.2 Vergil .............................................................................................. 101 3.2.1 Vergil und das Erlebnis des Bürgerkrieges ............................... I 03 3.3 Horaz .............................................................................................. 119 3.3.1 Horaz und das Erlebnis des Bürgerkrieges ................................ 121 3.4 Properz ............................................................................................ 131 3.4.1 Properz und das Erlebnis des Bürgerkrieges ............................. 132 3.5 Die Dichter und das Erlebnis des Bürgerkrieges ........................... 139

4.1 Die Dichter in der Gesellschaft Roms zur Zeit des Bürgerkrieges und in den Jahren danac h ............................................. 149 4.2 Vergi l und die mächtigen Männer ........ ..... .................................... 163 4.3 Horaz und die mächtigen Männer ................................................. 169

4.4 Properz und die mächtigen Männer .............................................. 186

4.5 Die Dichter, der Bürgerkrieg und die mächtigen Männer ............. 194

5.1 Die Dichter und der Bürgerkrieg ................................................... 203 5.2 Vergil und der Bürgerkrieg ................ ..................................... ....... 208 5.3 Horaz und der Bürgerkrieg ............................................................ 224 5.4 Properz und der Bürgerkrieg .................... ................................... 262 5.5 Der Bürgerkrieg in der Dichtung ...... ... ..................................... .... .... .... 275

6.1 bellwn civile- pax! - P ax-bellwn?! Ein Paradigmenwechsel? ...... 283 6.2 Die Bürgerkriege und die Bew usstseinslage der Zeitgenossen .... 303

7.1 Quellen ............. ............................................................................. 313 7.2 Sekundärliteratur .................................................................... ........ 313

" l. Das hellum civile und das politische Bewußtsein I der Menschen

l mmillef armorum rahies ./errique pofesfus

cOlljill1det ius omlle mUIlU, scelerique lIeji;mdo nomen eri! virfu.\', mulfosque exihif ill all/ws hicjilfOT, ef superos quid prodesf po.\'cere.!i'lIem? cum domino pax isfa vellif, duc, Roma, maloTum cOllümwm seriem cIademque ill tempora mulfa

,

exfrahe civili falllurn iam Iihera heIIo.-

1m Januar 49 v. ChI'. bricht in Rom der Bürgerkrieg aus. Erst im Jahre 30 v. ChI'. he11'scht wieder ein dauerhafter Friede, und durch den Staatsakt

V0111

Januar 27 v. ChI'.

erhält der Staat dann emeut eine festere (jestalt. Doch die ronn des Staates hat sich gewandelt. Innerhalb der Jahre 49 - 27 v. ChI'. zerbticht die jahrhundertealte, ehrwürdige res puhlica, und schließlich wird der Principat geschaffen.

Schon lange, seit dem Jahr 133 v. Chr., hatten immer wieder schwere Krisen die römische Republik erschüttel1. Seit dieser Zeit erfolgte in einem schleichenden Prozeß die Desintegration der fLihrenden (jeseIlschaftsschicht, der Nobilität, verursacht durch die Unvereinbarkeit der stadtstaatlichen Adelshe11'schaflmit der Welthe11'schaft Roms. Rom als Weltenbehe11'scherin zerbricht durch inneren Zwist. Diese Tatsache ist heute unumstritten. Aber die Forschung hat auch einen anderen (jegenstand als ein grundlegendes Charakteristikum der res puhlica herausgestellt: die erstaunliche Dauerhaftigkeit ihrer Institutionen und politischen Strukturen. 3 Diese sind nämlich im

Bewußtfiein der Zeitgenossen stark und gültig bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 49

I Es geht um das politische Bewußtsein der Zeitgenossen vor. während und nach dem hellum civile. Dieses schließt hei den Römern einerseits ihre Beziehung zu den Institutionen der res puhlica. andererseits auch ihr Verhältnis zu ihrer Geschichte. zu dem Werden und Bestand ihres Staates ein. Lucan. I 666-672 1 So äußert sich Chr. Meier in dem Vorwort zur Neuauflage von Res puhlica amissa. Wieshaden 1980. dahin. daß es zunächst seine Ahsicht war. den Untergang der römischen Repuhlik zu verstehen. Dann aher erschien ihm die Frage. wie die .,res puhlicu umissu" so lange funktionieren konnte. wichtiger. .• Insofern wurde deren Struktur zum Thema." S. XV. Einen Forschungsüherhlick üher die letzten Jahre giht E. S. Gruen in seiner neuen Einfühmng zu seinem 1995 wieder aufgele!o>ten Buch: The last Generation of the Roman Repuhlic. Wie ein roter Faden zieht sich die Fragestellung nach den Strukturen der res puhfica und deren Dauer durch die neuere Forschung. B. Rink. Morihus unliquis res sIal Romunu virisque Versuche. das Bestehende in der Krise zu verteidigen. Klio 73 (1991). 634-647. wählt programmatisch zu seiner Rezension dreier von der Thematik her ganz verschiedener neuerer Untersuchungen diesen Enniusvers. Denn jede dieser Arheiten heschäftigt sich damit. wie man die gültigen Institutionen in Rom auch in der Krise ständig zu hewahren suchte. Als Randprohlem hleiht jedoch die Frage nach dem Bewußtsein. das die Zeitgenossen von ihrem Staat hatten. Vor allem an dem Bild Caesars wird in der heutigen Forschung das Denken in der Zeit vor dem Bürgerkrieg in Ansätzen hetrachtet.

v. Chr., obwohl sie in der politischen Praxis auf das heftigste erschüttert sind. Jeder hat sie verinnerlicht und mhlt sich an sie gebunden. 4

Auch die mächtigen Einzelnen, die im Laufe des Zusammenbruchs der Republik hervortreten und diese mit ihrer herausragenden Stellung verdunkeln, stehen bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 49 v. ChI'. ganz und gar in der vorgegebenen Ordnung. Das wird gerade an der (jestalt Caesars deutlich, die schon vonjeher das besondere Interesse der Forschung e11'egt hat. Das Caesarbild der neuesten Forschung sieht den Diktator ganz den Strukturen und dem Denken seiner Umwelt verbunden. 5 Als Caesar in der 4 Es wird hier nicht behauptet daß die Stl1lkturen der res puhlica in der politischen Praxis zu diesem Zeitpunkt noch so stark waren. daß sie noch lange hätten weiterhestehen können. Diese Meinung vertritt vor allem E. S. Gl1len. The last Generation ofthe Roman Repuhlic. Berkeleyl974. Neuauflage 1995. Für ihn besitzen die politischen Strukturen aher auch in der politischen Praxis noch eine solche Lehenskraft. daß sie noch lange hätten weiterhestehen können. wenn der pompeianische Bürgerkrieg nicht ausgehrochen wäre ..• Civil war caused the fall ofthe Repuhlic - not vice versa.". S. 504. Ähnlich äußert sich neuerdings wieder K.-W. Welwei. Caesars Diktatur. der Prinzipat des Augustus und die Fiktion der historischen Notwendigkeit Gymn.l 03 (1996). 477-497. Seiner Meinung nach hat Cicero in de feRihus .• ein durchaus sinnvolles Programm für eine verantwortungsvolle Herrschaftsausühung und effektive Kontrolle der Herrschaftsträger" entwickelt. Die res puhfica sei aher von den .• kolossalen Individualitäten üherwältib>1:" worden. J. Bleicken. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. Stuttgartl995. S. 116L wendet sich scharf gegen diese Sicht von der res puhlica. Er macht klar. daß die Strukturen der Repuhlik durch die seit der Gracchenzeit angelegte und durch den marianisch-sullanischen Bürgerkrieg und den Bundesgenossenkrieg verschärfte Krise so erschüttert waren. daß jeder größere Streit zum Zusanunenhl1lch führen mußte. Doch in der vorliegenden Untersuchung geht es. ahgelöst von der Ehene der politischen Praxis. um die Lehenskraft der Stl1lkturen. der Institutionen und des Denkens der res puhlicu im BnvujJfsein der Menschen von ihrem Staat und von sich seIhst. 1 Lange Zeit war man einern Bild von Caesar gefolgt der den Ruhikon üherschreitet um aus einem höheren Wissen heraus eine den Erfordernissen entsprechende Staatsform zu hringen. Immer noch giht es Forscher. die der Ansicht sind. daß Caesar schon sehr früh. lange vor Beginn des Bürgerkrieges. das Königtum als Ziel verfolgt und sozusagen als Monolith in oder vielmehr nehen dem Staatsgefüge stehend die res puhfica zerstört hahe. vgl. W. Burkert. Caesar und Romulus-Quirinus. HistOl'ia 11 (1962).356376. A. Demandt Antike Staatsformen. Berlinl995. darin zu Caesar S. 444L oder K. M. Girardet. Politische Ver'antwortung im Ernstfall. Cicer·o. die Diktatur und der Diktator Caesar. in FS C.W. Müller. Stuttgart/Leipzigl996. S. 217-251. vor allem S. 247ft: Neuere Forschungen hrachten aher die Erkenntnis. daß Caesar nichts in dieser Art heim Üherschreiten des Ruhikon heahsichtigte: H. Strashurger. Caesars Eintritt in die Geschichte. München 1938. oder wieder in Studien 1.1982. S.181-327. und ders .. Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen. DarmstadtI968". Chr. Meier in seinen Arheiten zu Caesar und K. A. Raaflauh. Dignitatis contentio. Studien zur Motivation und politischen Taktik im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius. München 1974. zeichnen ein anderes Bild Caesar ohne progranunatischen Anspruch oder Willen zu einer Verfassungsändel1lng. Caesar üherschreite den Ruhikon rein um der Verteidigung seiner persönlichen diRnifus willen. wie ungeheuerlich das auch dem Zeitgenossen und dem heutigen Betrachter erscheinen mag. Man muß Caesar innerhalh der vorhandenen und der nicht gegebenen Möglichkeiten und vor allem innerhalh des Denkens. das er mit den anderen nohifes teilte. sehen. So scheint uns der siegreiche Caesar ratlos vor den Tliimmern der res puhlicu zu stehen. vgl. A. Heu!.\. u.a.: in Römische Geschichte. S. 214ft". und ihm folgend Ch. Meier. Was Caesar im Rahmen seiner Herrschaft endgültig wollte. ist his heute umstritten. M. Jehne. Der Staat des 0 ictators Caesar. Köln 1987 . gehört zur kleineren Gl1lppe von Forschern. die die Monarchie für das Ziel Caesars halten. J. Bleicken. Geschichte der römischen Repuhlik. München 1992"'. S. 88. sieht auch hier Caesar in dem Denken seiner Zeit verhaftet und legt dar. daß die Quellen eine solche Mal.l1osigkeit nicht helegen. Sicher ist. daß Caesar zu Beginn des Bürgerkrieges sich seIhst die Monarchie nicht vorstellen konnte. Vgl. zu einem Üherhlick der' verschiedenen Caesarhilder in der Forschung K. Christ. Caesar. Annäherungen an einen Diktator.

13

Nacht

V0111

11. auf den 12. Januar 49 v. ehr., getrieben

VOll

seinen innenpolitischen

(jegnem, den Rubikon überschreitet und so den Bürgerkrieg eröffnet, will er keine Re[ol111 des Staates, keine Veränderung der res puhlica, er will seine digl1itas gegen seine innenpolitischen Feinde vet1eidigen. Das bedeutet aber, daß es ihm in diesem Moment um seine persönliche Position innerhalb der vorgegebenen Ordnung geht. Er beansprucht damit eine ihm seiner Meinung nach zukommende Stellung im Staat, die seine (jegner ihm nicht zubilligen wollen. Doch Caesar beginnt den Kampf nicht mit dem Ziel einer "Ref01111" der Republik, und seine (jegner kämpfen auch gerade daHir, solche Veränderungen unter allen Umständen zu verhinde111. Er steht durch die Fülle seiner Macht schon neben dem Staat, bleibt diesem aber innerlich verhaftet. Keiner will - jedenfalls bewußt - einen Wandel der altell1würdigen res puhlica herbeiruhren. Alles Denken bezieht sich auf die res puhlica - auchjeglicher Ehrgeiz.

Denn Caesar verkörpet1 zunächst "nur" den Höhepunkt einer Entwicklung, die fast genauso alt ist wie die res puhlica selbst: Der einzelne l10hilis bezieht sich einerseits in seinem Denken und Handeln auf die Strukturen der res puhlica, die schon über Jahrhunderte ein blühendes Staatswesen und eine starke Welthe11'schaft garantiert haben. Doch andererseits ist in seinem Denken auch von Anfang an ein Streben nach 6

digl1itas verankert. Der l10hilis will innerhalb der res puhlica hohe Ämter bekleiden,

vor allem das höchste Amt vor allen anderen l1ohiles, um so Ansehen rur sich und seine gens zu gewinnen. (jleichzeitig hilft er durch seine Leistungen dem Staat, an Macht und

(jröße zu wachsen. Doch dieses Streben verabsolutiert sich im Laufe der Ktise der Römischen Republik immer mehr. Die Anforderungen der Welthen'schaft machen die Limitierung der Macht des Feldhe11'en, der in Rom seit jeher das größte Ansehen besaß, immer schwieriger. Dieser aber verliert im Krieg weit entfemt von Rom den Bezug zur Adelsgemeinschaft. Der digl1itas-Anspruch wird so im Laufe der Ktise der Republik überdehnt und steht bald im (jegensatz zur Forderung nach (jleichheit der Mitglieder der Nobilität untereinander. Somit ist das Streben des l10hilis nach digl1itas, welche die der anderen l10hiles übersteigt, der Teil der res puhlica, der lange zum Wachstum des München 1994. sowie zwei neuere Caesarhilder. L. Canfora. Caesar. Der demokratische Diktator. München :WOI und G. Zecchini. Cesare e il mos maiorum. Stuttgart :WOI. Vgl. zu der Rolle der Einzelpersönlickeit. gerade in Bezug auf Wehers Olarima-Begritl". Ch. R. Hatscher. Charisma und Res puhlica. Stuttgart :WOO. (' Zur diRIlilaI' allgemein: H. Wegehaupt. Die Bedeutung und Anwendung von diRIlilas in den Schriften der repuhlikanischen Zeit. Diss. phil. Breslaul932.

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Staates beigetragen hat. Es ist ein Teil des allgemeinen Bewußtseins der Nobilität, der Zeitgenossen allgemein. Doch die immer stärker werdende Überdehnung des Anspruchs auf digl1itas ist auch ein (jrundcharakteristiku111 der Krise der res puhlica. Denn der

Anspruch eines Caesar auf digl1itas hat seinen Bezug zur (jemeinschaft verloren. Aber niemand kann in diesem Moment darin eine grundlegende Veränderung des Bestehenden erkennen. Caesar steht mit seinem Anspruch auf digl1itas ganz im Denken seiner Zeitgenossen. Er verliel1 "nur" das Maß. Wie soll man aber ein solches Streben auch begrenzen können? Dieses im Wesen des Staates liegende Problem hat man im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in den (jri[[ bekommen können. Die (jegner Caesars hatten keinen (jrund zu zweifeln, daß es auch in diesem Moment möglich war. Sie wollen ein im (jrunde altes Problem lösen, das jetzt wie nie zuvor in der (jestalt 7

Caesars groß geworden war. Denn die Dimension des Kampfes gegen den mächtigen Einzelnen ist ein wichtiger Unterschied zu der Zeit zuvor. Die Feinde des Imperators aber bekämpfen einen Standesgenossen, der droht, zum Despoten zu werden, noch keinen Monarchen.

Man ist sich in der Forschung darüber einig, daß nur eine kleine radikale (jruppe um Cato den Bürgerkrieg gegen die Mehrheit des Senats erzwingt. Der weitaus größere Teil des Senats will lieber den Ftieden bewahren und den mächtigen Einzelnen in die 8

res puhlica einbinden. Aber auch die beiden herausragenden Feldhe11'en Caesar und

Pompeius wollen zunächst keinen Krieg. So spricht Caesar in seinen Rechtfertigungen nie direkt von einem hellum civile, sondem betont immer wieder die Legitimität seines HandeIns und weist darauf hin, nur gegen einen Klüngel weniger Männer zu kämpfen. 9

Das zentrale Prohlem der römischen Adelsgesellschaft war stets die Begrenzung des übermächtigen Einflusses eines einzelnen /lohilis. Der Vorwurf: den man Caesar und jedem anderen mächtigen Einzelnen machen konnte. war zunächst nicht gewichtiger als der. den man ti"üher anderen ehrgeizigen /lohifes gemacht hatte. Dies macht J. Bleicken. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. S.103fL deutlich. Neu war nur die Dimension der Bedrohung aus der Sicht der Optimaten durch die Person Caesars. K. A. Raaflauh. ebenda. S. IDOL sieht in den innenpolitischen Ereignissen der ersten Januarwoche 49 v. Chr. an sich kein Novum. Nur der Wille heider Parteien zu extremen Handlungen sei neu. So sei Caesar entschlossen. sein Ziel gegen jeden Widerstand zu erreichen. die Optimaten hereit. sogar einen Bürgerkrieg zu wagen. ii Cicero ist ein Vertret~r diese~' Politik. das Triumvirat vom Jahre 60 v. Chr. in das politische Kräftespiel der Repuhlik einzuordnen. Vgl. dazu J. SpielvogeL Amicitia und res puhlica. Ciceros Maximen während der innenpolitischen Auseinandersetzungen der Jahre 59-50 v. Chr.. Stuttgattl993; vgl. auch hier Anm. 11. 9 Vgl. u.a. B. C. I 22, 5: se ef populum Roma/lum.!acüo/le pauconlm oppressum i/lliherfafem Villdicari Und so bemerkt U. Knoche. Caesars Conunentarii. ihr Gegenstand und ihre Ahsicht. in: Caesar WdF 43. Darmstadtl967. S. 224-254: .• Wer den Konflikt ein .• Bellum Civile" nannte. waren seine

15

Deshalb wird sogar VOll111anchen Porschem bezweifelt, daß der Bürgerkrieg zu diesem Zeitpunkt überhaupt ausbrechen 111ußte. IO Sie nehmen also an, daß die res puhlica ohne Ausbruch des Bürgerkrieges noch hätte weiterbestehen können. Doch hätte man Caesar und Pompeius zunächst in die Republik integrieren müssen. Das ganze (jeschehen bezeugt jedenfalls die (jültigkeit der res puhlica im Bewußtsein der Zeitgenossen, auch der einzeln dastehenden Mächtigen.

Dem politischen Bewußtsein nach war gegen Ende des Jahres 50 v. ChI'. die res puhlica zwar in der politischen Praxis auf das heftigste erschüttert und bis in den

Lebensnerv getroffen, aber nicht hinterfragt, sondem unwandelbar fest im Bewußtsein der Menschen verankel1. Die Strukturen, Institutionen, der mos maiorum sind tier im Bewußtsein der Zeitgenossen verwurzelt. Die res puhlica ist bis zum Ausbruch des Bürgerklieges die einzig vorstellbare, die einzig gültige 1'01111 des Staates im Denken der Zeitgenossen. Es hat sich zwar gerade anhand der außerordentlichen imperia der letzten Jahre ein deutliches Krisenbewußtsein herausgebildet. Doch der mächtige Einzelne steht noch

immer

innerhalb

der

(jesellschaft. 11

Etwas

anderes,

eine

sogenat111te

Widersacher.'. S. 234. K. A. Raaflauh. Dignitatis contentio. sucht die Argumentationsgänge der Parteien nachzuzeichnen.. ,Caesar seIhst war - dies kann nicht oft genug hetont werden - üherzeu!o>t. keineswegs in einem Gegensatz zum Senat als solchem zu stehen. ". S. 325f 111 Vor allem E. S. Gmen. ehenda. ist generell dieser Ansicht. vgl. Anm. 4. K. A. Raaflauh. ehenda. spricht für die Politik in den Jahren 51/50 v. Chr. von einer enormen Aktivität und Offenheit .. , .. die Politik war wieder spannend und dramatisch geworden." Die Positionen sind seiner Meinung nach offen his zum Aushmch des Bürgerkrieges. Nur der Gegensatz zwischen Caesar und seinen inimici schien unüherhrückhar zu sein. Ähnlich heurteilen auch D. L. Stockton. Quis iustius induit arma. HistOl'ia 24 (1975). 232-259. und H. Botermann. Denkmodelle am Vorabend des Bürgerkrieges (Cic. Att. 7.9). Handlungsspielräume oder unausweichliche Notwendigkeit? HistOl'ia 38 (1989). 410-430. die Lage zu dieser Zeit. Beide sehen einen Verhandlungsspielraum noch his zum Januar 49 v. Chr. hestehen. 11 Cicero hetont zwar immer wieder in seinen Briefen der 50er Jahre. daß Unti"eiheit durch den Zusammenschluß der Mächtigen im Jahre 60 v. Chr. entstanden ist. Doch dies hat für ihn nicht den Kampf mit Waffen zur Folge. Für Olr. Meier. Res puhlica amissa. S. 7ft:. allerdings ist die Politik der 60er und 50er Jahre durch eine .,Spaltung" hestimmt. Während Caesar und Pompeius das Bild der Quellen heherrschen. stellen sie in der täglichen Politik nur ein Thema neben vielen anderen dar. Ähnlich sieht auch P. A. Brunt. The Fall ofthe Roman Repuhlic. Oxfordl988. S. 443-502. die Stellung des Pompeius. Caesars und des Crassus in der Gesellschaft. J. Bleicken. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. zeigt das komplizierte Verhältnis zu den Mächtigen am Beispiel des heliihmten Briefes Ciceros an P. Cornelius Spinther vom Dezemher 54 v. Chr. auf In diesem Briefäußert Cicero. daß dieamicifia zu Caesar und Pompeius in seinen Augen ein Wert sei. der dem Einstehen für die res puhlica im Zweifelsfalle vorzuziehen sei. .,Der Gegner. der die Ordnung sprengende Standesgenosse. ist erkannt. Aher er wird nicht aus dem Kreis der Gesellschaft ausgestoßen; er hat weiter Anteil an der Ordnung. an ihren \Verten und Regeln der Kommunikation. so monströs er sich innerhalh der Ordnung ausnimmt.'. S. 107.

16

"Altemative,,12 zur res puhlica ist überhaupt nicht denkbar. Es gibt zu diesem Zeitpunkt

keine Altemative, da man nicht außerhalb der vorgegebenen Ordnung denken kann. Der Mensch klammert sich vielmehr an die althergebrachten Traditionen, die den Staat groß gemacht haben. 13 Man ist gefangen in einem jahrhundertealten Denken, das die Ren"schaft der Nobilität gesichert hat. Nichts deutet auf einen bevorstehenden Wandel des Staates hin. Vor allem beabsichtigt auch keiner der Protagonisten eine solche Veränderung. Die einen wollen unter allen Umständen Re[ol111en verhindem, die anderen fordem innerhalb der gegebenen Ordnung die Anerkennung ihrer Stellung. Wahrscheinlich machen sie sich gar nicht bewußt, daß mit der Einbeziehung ihrer herausragenden Machtstellung Umwälzungen innerhalb der res puhlica drohen. Sonst könnte sich auch die Mehrheit des Senats nicht fLir die Bewahrung des PI;edens einsetzen. Dabei nehmen die Senatoren aber in Kauf, die behe11'schende Stellung eines einzelnen zu akzeptieren. So denkt Caesar nicht anders als seine Standesgenossen. Alles Denken, das ganze Bewußtsein steht innerhalb der gegebenen res puhlica.

Doch die Bürgerkriege in den Jahren zwischen 49 und 30 v. ChI'. verändem alles. Aus ihnen heraus wird schließlich der Principat geschaffen. Dabei sind dies nicht die ersten Kriege zweier mächtiger Einzelner gegeneinander. Nicht zum erstenmal zieht ein mächtiger Peldhe11' gegen Rom. Caesar selbst hat in seiner Jugend den Kampf zwischen Sulla und Marius und Sullas Marsch auf Rom miterlebt. 14 Damals fLihrte der siegreiche Sulla Refol111en zur Stärkung der Senatshe11'schafl durch und zog sich danach freiwillig wieder in das PI; vatleben zurück. Aus den Wi11'en des dreißig Jahre später beginnenden Bürgerkrieges tritt zunächst der Diktator Caesar hervor, der nach der Königskrone zu greifen scheint, und dann en'ingt in weiteren Kämpfen nach der El1110rdung des Tyrannen der Princeps Augustus den Sieg. Beide aber waren Monarchen, und sie wurden selbstverständlich auch als solche wahrgenommen. Denn welcher Zeitgenosse

12 Chr. Meier präb>te diesen Begriffvon der .,Krise ohne Alternative." Er zeib>t. daß es diese .,Alternative" ehen nicht gegehen hat. Vgl. die Kritik an diesem Begriff A. Heuß. Grenzen und Möglichkeiten einer politischen Biographie. HZ 237 (1983). S. 87f 11 J. Bleicken. Lex puhlica. Berlinl975. zur Idealisierung von mos. S. 371 ff 14 K. A. Raaflauh. ehenda. sucht die Parallele zwischen Caesar und Sulla. Er sieht in Sullas Verhalten. in dem persönliche Ansprüche und erlittenes Unrecht sowohl bei seinem ersten Marsch auf Rom wie auch hei der Wiedereröffnung des Bürgerkrieges eine hedeutende Rolle gespielt haben. Ähnlichkeiten im Vergleich zu Caesar. .,Es fehlte also. auch wenn sich die Voraussetzungen von Fall zu Fall unterscheiden. durchaus nicht an Vorhildern für den unerhörten und scheinhar so einmaligen Entschluß. vornehmlich um der persönlichen diRllifas willen einen Bürgerkrieg zu eröffnen.' . S. 327fT".

17

sollte dies etwa nicht hätte erkennen kÖllnen?15 Nichts hat zuvor im politischen Denken der Menschen, in ihrem Bewußtsein

VOll

ihrem Staat auf einen solch grundlegenden

Wandel hingedeutet. Das allgemeine Bewußtsein der Zeitgenossen richtete sich zurück auf die Vergangenheit und fand dort sein Selbstverständnis. Denn Rom war als res

puhlica zur Behenschetin der Welt geworden. Wie sollte es auch anders sein! Was ist also anders an dem Bürgerkrieg der .lahre 49 - 27 v. ehr.? Was unterscheidet ihn von den Kämpfen zwischen Bürgem zuvor, daß er eine neue, vorher nicht vorstellbare und vor allem rur einen Römer nicht akzeptable Staats[ol111 hervorbringen kann? Nachdem in der jüngeren Forschung gerade die (jültigkeit der Strukturen der res puhlica bis zum Ausbruch des Jahres 49 v. ChI'. und die Eingebundenheit auch eines Caesar in die Strukturen und das Denken seiner Umwelt bis zu diesem Zeitpunkt betrachtet wurden, soll in dieser Untersuchung in einem ersten Schritt die Ebene des politischen HandeIns verlassen und die Frage nach dem politischen Bewußtsein der Zeitgenossen während des Bürgerkrieges gestellt werden. Machtverhältnisse können sich in Richtung auf eine neue Staatsf01111 nur verschieben, wenn die Menschen es vel111ögen, diese neue Staatsf01111 auch zu denken. 16

Um dies zu untersuchen, sollen die Reaktionen der Zeitgenossen auf das Erlebnis des Bürgerkrieges das Leitmotiv der Untersuchung bilden.

Für alle Abschnitte dieses hellum civile liegen uns heute zeitgenössische Quellen vor, wenn auch sehr unterschiedlicher Al1.

Vgl. J. Bleicken, Zwischen Repuhlik und Prinzipat. Zum 01arakter des Zweiten Triumvirats, Göttingen 1990, S. 11 Of. 1(' Chr. Meier, in der Neueinfühl1lng zu Res puhlica amissa. S. XLIII. meint. daß sich erst ganz zum Schluß die Machtverhältnisse so verschohen hahen, daß Au!o'Ustus eine Alternative zum Bestehenden aufstellen konnte. Doch was war im Bewußtsein der Menschen zuvor also nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges im Jahr 49 v. 01r.- geschehen, die so eng mit einem fünfhundert Jahre alten Staat verhunden waren, daß sie sich nichts anderes vorstellen konnten? - Wenig üherzeugend sucht neuerdings W. Chr. Schneider, Vom Handeln der Römer. Kommunikation und Interaktion der politischen Führungsschicht vor Aushl1lch des Bürgerkriegs im Brienvechsel mit Cicero, Hildesheim/Zürch/New Yorkl998, aufzuzeigen, daß unter dem zunehmenden Einfluß der Hellenisierung Roms die Identität des IndividuUlllS, d.h. die .,eigenwertige Person griechisch-hellenistischer Tradition", gegenüher dem Konsens der Gesellschaft die Oherhand gewann, wcxlurch eine Umstl1lkturierung der Vorstellungswelt fol!o>te. Daraus resultiere .,das Brüchigwerden des traditionellen Verstehens.. der römischen Werteordnung ehenso wie der Handlungsselhstverständlichkeiten in Kommunikation und Interaktion", S. 713. Den Bürgerkrieg faßt Schneider nur als eine .,Begleiterscheinung und Ausdruck der Transformation" zu Beginn des I. Jahrhunderts auf: S. 727, die Hellenisiel1lng Roms aber als .,zutiefst politischer Vorgang", durch den sich die .,Grundkomponenten der traditionellen römischen Vertaßtheit verändern", S. 715. 11

18

Für die Jahre 49 - 43 v. ehr., also rur die Zeit des pompeianischen Bürgerkrieges, der kurzen Zäsur der Ruhe unter der Henschaft Caesars und rur die Zeit der wieder aufOackemden Kämpfe nach der El1110rdung des Diktators, besitzen wir als eine

einzigartige Quelle die Briefe des COllsulars Marcus Tullius Cicero an seine Freunde, allen voran an seinen engen Vertrauten und Freund Atticus. Diese epistulae bieten uns ein farbenprächtiges Bild der Ereignisse. Deutlich können wir Ciceros Reaktionen, (jefLihle und Hoffnungen ablesen. Wichtig rur die Zeit nach der El1110rdung Caesars ist gerade der Briefwechsel mit den Caesal111örde111. Wenige Monate vor der El1110rdung

Ciceros versiegt diese rur uns so wichtige Quelle. Cicero soll uns als Pali beispiel zeigen, wie man auf diese ersten Jahre des Bürgerklieges reagiert hat. Durch die an Cicero gerichteten Briefe kann man das Bild noch vervollständigen. Wie schätzte man das (jeschehen ein, welche Lösungen sah man? Wie nahmen Cicero und die übrigen Zeitgenossen die res puhlica innerhalb dieser Kämpfe wahr?

Für die Zeit nach der El1110rdung Ciceros müssen wir uns auf zeitgenössische Quellen ganz anderer Art beziehen: auf die frühen augusteischen Dichter. Vergil und Horaz verfassen ihre ersten (jedichte in den späten 40er Jahren, mitten in den Kämpfen des römischen Bürgerkrieges. Ihre ersten (jedichte mit politischer Thematik haben das Leid und die Folgen des Bürgerkrieges zum (jegenstand. Selbst die frühesten als politisch interpretierbaren (jedichte des jüngeren Properz, der erst nach Beendigung des Bürgerkrieges sein erstes (jedichtbuch veröffentlicht, sind eine Reaktion auf die erlebten Schrecken der Kämpfe. Das hellum civile ist damit das erste zentrale, politische Thema mehrerer Dichter und ]X)litisiert die Dichtung, die sich so lange fem von politischen Themen gehalten hatte.

So soll das hellum civile ein Leitmotiv bilden, um zu erkennen, wie die Zeitgenossen auf die sie umgebende Welt reagie11en und wie sie diese deuteten.

19

2. Cicero und das hellum civile

I'

1m folgenden sollen die Ereignisse des Bürgerkrieges ganz mit den Augen des Marcus Tullius Cicero betrachtet werden. Damit bestimmt die Sicht eines Protagonisten der Zeit die Darstellung des (jeschehens während des Zusammenbruchs der Republik. Ciceros Ansichten zur Tagespolitik, aber auch seine Reaktionen und sein Handeln innerhalb der Ereignisse sollen zunächst in chronologischer Reihenfolge dargestellt werden,

U111

dann in einem eigenen Abschnitt untersucht und interpretiert zu werden.

Daran anschließend wird diese Untersuchung durch die Frage erweitert, wie andere l1ohiles, die Angehörigen jüngerer (jenerationell, denken und handeln. Damit soll das

politische

Be\\'ußtsein

der Zeitgenossen

während

der Jahre des

römischen

Bürgerkrieges und der Einrichtung des Plincipats bestimmt werden. Wie sehen die Menschen in diesen Jahren ihre Welt, und wie entwickelt sich ihr Verhältnis zur res puhlica?

2.1 Cicero und der pompeianische Bürgerkrieg Cicero ist gerade von seinem Proconsulat in Kilikien zurückgekehrt, als er fassungslos mit ansehen muß, wie sich die Ereignisse in Rom immer mehr auf einen 18 Dieser Bürgerklieg trifft den Consular unerwartet. Die

Bürgerkrieg hin zuspitzen.

I'

Vgl. die Biographien zu Ciceros Lehen: M. Gelzer. Cicero. Ein hiographischer Versuch. Wieshaden

1983. ND von 1969. M. Fuhrmann. Cicero und die römische Repuhlik. Eine Biographie. München und Zürich 1989. und Chr. Hahicht. Cicero der Politiker. München 1990. I, Erste Befürchtungen wegen des drohenden Krieges treten in Ciceros Briefen gegen Ende des Jahres 50 v. Olr. auf: vgl. Att. VII 5,416. Dezemher 50 v. Chr.: De re puhfica coffidie magis fimeo; mJ/! ellim hOlli·. uf puJallfur. collsellfiullf

Pace opus esf; ex vicforia cum mulfa mafa fum cerfe fyramws exsisfef

Die Briefe an Atticus VII 1-9. geschriehen kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges. vom 16. Oktoher his zum 27. Dezemher 50 v. Chr.. zeigen lehendig die Gefühle Ciceros. seine Angst vor dem Krieg und seine Qual. sich entscheiden zu müssen - wohei seine Wahl eigentlich keine ist. denn er muß sich aus seiner Stellung heraus Pompeius zuwenden. Gerade im geheimen Gespräch mit Pompeius hom er auf eine friedliche Einigung. doch Pompeius will keinen Frieden mehr. Att. VII 8,4-5. Atticus gegenüher zeigt er. wie sehr ihn die Situation quält. Att. Vll 9,4 27. Dezemher 50 v. Oll'.: Equidem dies lIocfesque forqueor. Vgl. auch schon die zwei Monate ti"üheren Briefe Att. VI 8,2 I. Oktoher 50 v. Olr.. farn. XIV 5,116. Oktoher 50 v. Chr. Am gleichen Tag. am 16. Oktoher 50 v. Chr.. schreiht er auch Atticus einen Brief(Att. VII 1,3-5), in dem er einen großen Streit (summa illfer eos cOllfellfio) zwischen Pompeius und Caesar drohen sieht. Hier ist er ratlos. auf wessen Seite er sich im Falle des Kampfes stellen soll. da heide auf ihn zählen. Man kann in diesem Brief !o'Ut erkennen. wie verwohen die heiden Mächtigen mit der Gesellschaft. in der sie stehen. sind. Für Cicero ist es aher vor allem ein Machtkampf zwischen den heiden Feldherren. kein Kampf der Nohilität gegen einen einzelnen. (Vgl. Att. Vll 3,4 9. Dezemher 50 v. Oll'.: De sua

Lage entwickelt sich ganz und gar gegen den Willen Ciceros. Die Jahre zuvor, in denen das im Jahre 60 v. ChI'. zwischen Caesar, Pompeius und Crassus geschlossene sogenannte erste Triumvirat immer stärker geworden war, hatte er eine Politik der Integration der Mächtigen vertreten. 19 Nun aber gelingt es den optimatischen Feinden Caesars, einer kleinen radikalen (jruppe, diesen in die Enge zu treiben. Caesar, der keinen Krieg will, aber auch keine kriegerische Auseinandersetzung scheut, hat immer wieder Vorschläge zur Einigung gemacht. 2o Doch er kann sich nicht mehr gegen seine (jegner durchsetzen. Statt dessen sieht sich Cicero, wie er in einem Brief wenige Monate nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges schreibt, in den Wahnsinn derer gestürzt, die auf beiden Seiten zum Ktieg treiben. 21 Der Consular versucht vergeblich zu vel111itteln, denn er glaubt, daß der Ftieden auch jetzt noch zwischen den beiden Milität'}X)tentaten möglich ist. Seiner Meinung nach muß man mit dem mächtigen Einzelnen zu einer Übereinkunft gelangen. Er macht sich aber im Jahre 50

V.

ChI'. nicht

selbst zum Sprecher des Senats, d.h. der Mehrheit, die den Frieden will, sondem sucht, die Einigung im von den anderen abgesonderten, geheimen (jespräch mit Pompeius zu e11'eichen. 22 Die kleine radikale (jruppe um Cato gewinnt die Oberhand. Der Staatsnotstand wird erklärt. Vorher erfolgt die sogenannte Schwertübergabe an Pompeius, der somit der Feldhe11' des Senats ist. Am 11. Januar überschreitet Caesar den

pofellüa dimicallf homilles hoc fempore pericuIo civifafis. In diesem Brief sagt Cicero deutlich. er wolle sich auf die Seite des Pompeius stellen. ihn aher ahgesondert zur Eintracht mahnen. Att. VII 3,5: [psum fameIl Pompeium separafim ad collcordiam Iwrfahor; sic ellim sellüo. mutimo ill pericuIo rem esse.) Den sich in den letzten Jahren verstärkenden Gegensatz zwischen Pompeius und

Caesar nutzen die Gegner Caesars nun für sich aus. 19 Mit dieser politischen Einstellung fand Cicero offensichtlich. gerade seit dem Frühjahr 56 v. Chr.. auch heftige Kritik hei seinen Standesgenossen. wie sich deutlich in dem Brief an P. Cornelius Lentulus Spinther. farn. I 9 Dezemher 54 v. all".. zei!o,>t. wo sich Cicero für sein Handeln rechtfertigt. Vgl. dazu J. Bleicken. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. S.12f Doch wichtig ist. daß schliel.l1ich nur eine Minderheit den Krieg gegen Caesar unter Beiseiteschiehen aller Bedenken und der Verfassung geradezu erzwingt. Cicero gehört der Mehrheit der Nohilität an. die den Kampf zu meiden sucht; vgl. auch die Dm'stellung Caesars seIhst zum Geschehen civ. 11-10 211 So äußert sich Cicero farn. IX 6,2 Ende Juni 46 v. Chr. rückhlickend: Vidi ellim lIosfros amicos cupere helIum. Inlllc aufem /Um farn cupere quam /Um firnere; er{.;o haec cOlIsiIi ./iwnlllf. reliqua lIecessaria. villcere aufem auf hm auf ilIos lIecesse esse

21 Farn. XVI 11,2-312. Januar 49 v. Chr.: Sed i/l(~idi ill ipsamjIammam civiIis discordiae. veI pofius heIli; cui cum cuperem mederi ef. uf arhifror. possem. cupidifafes cerfornm homimlm (llam ex ufraque parfe sUllf qui pU{.;lIare cupiallf) impedimellfo mihi ./iwnmf },.'umquam maiore ill pericuIo civifas ./ilif. lIumquam improhi cives Iwhuerullf paraüorem ducern. Vgl. farn. XVI 12,2 27. Januar 49 v. Oll'.: Equidem. uJ velli ad urhem. /Um desüfi omllia ef sellfire ef dicere ef ./acere quae ad collcordiam perfillerellf; sed mirns illvu\'eraf ./ilfor /Um soIum improhis sed eüam iis qui hOlli hahellfur. uf pU{.;lIare cuperellf me cIamallfe lIihiI esse hello civili miserius. Vgl. farn. IV 1,1 Anfang April 49 v. Chr: ... soIus ;;{a~.

i/l(~ideram i~1 hO~illu~ pU{.;II~lIdi.cup~·dornm iI.~\"Ullias

-- Viele moderne Historiker folgen Ihm 111 dieser Meillung. vgl. hier die Einfühmng. Zu den geheimen Gesprächen mit Pompeius vgl. hier Anm.18.

21

Rubikon. Die Kämpfe beginnen. Doch noch im Jahre 46 v. ChI'. wird Cicero nicht von der Berechtigung dieses Bürgerkrieges überzeugt sein. Er ist auch dann der Meinung, daß Pompeius durch diejenigen zum Klieg gehieben worden sei , die glaubten, ein Sieg wäre günstig rur ihr Vel111ögen und ihre sonstigen Begierden. 23 Cicero selbst wollte lieber auf die Forderungen Caesars eingehen, um so den Klieg zwischen Bürgem zu vel111eiden. 24

In Ciceros Äußerungen tritt schon im Januar 49 v. ChI'. das grundsätzliche Credo des berühmten Redners zum pompeianischen Bürgerkrieg hervor: Nichts ist elender als der Bürgerkrieg - selbst ein ungerechter Fliede unter jeder Bedingung ist besser als auch der gerechteste Klieg gegen Mitbürger. 25 Kein guter Bürger sollte einen solchen Krieg beginnen oder auch nur daran teilnehmen. 26

Ciceros ganze Haltung während des Kampfes zwischen Caesar und Pompeius bleibt unschlüssig. Er ist ratlos und fragt seinen engsten Freund und Ve11rauten Atticus n immer wieder, was er tun solle. Zunächst einmal sucht er, neutral zu bleiben, auch um zwischen den Pat1eien vel111itteln zu können. 28 Allerdings ist Cicero immer wieder gezwungen, sein Verhalten vor der Partei des Pompeius, die rur ihn als Optimat auch die 21 Farn. VI 6,5~ Anfang Oktoher 46 v. Chr : ... quid e;:;o praetermisi auf mOllifomm auf quereIamm. cum veI illiquissimam pacem iusfissimo hello allfe!errem? Vida esf audorifas mea. mJ/! farn a Pompeio (llam is movehafurj quam ah iis qui duce Pompeio!refi peropporfullam et rehus domesficis et cupidifafihus suis ilIius heIli vidoriamjiJre pufahallf.

241n seinen Augen war Caesar viel zu stark geworden. als daß man gegen ihn kämpfen könnte: Att. VII 5,5 16. Dezember 50 v. Chr.: J....'am e;:;o is sum qui iIli cOllcedi pufem ufilius esse quod pmfulaf quam si;:;lIa cOII!erri; sero ellim resisfimus ei quem per all/ws decem aluimus cOllfra 1I0S. Vgl. Att. VII 7,5_719. Dezemher 50 v. Chr.: Caesar sei zu viel Macht gewährt worden. nun müsse man sich mit ihm arrangieren. Für Cicero hat Caesar alle Waffen und Truppen. er sei wohl vorhereitet und sehr stark. hloß die causa fehle ihm. Att. VII 3,59. Dezember 50 v. Chr.: causam solum ilIa causa mJ/! Iwhet. ceteris rehus ahulldaf. Diese Meinung vertritt er auch noch im April 46 v. all".. vgl. farn. V 21,2: E;:;o sum qui lIuIlius vim plus vaIere volui quam IWllesfum ofium. idemque. cum ilIa I/isa arma quae semper fimueram plus posse sellsi quam ilIum cOllsellsum hOllomm quem e;:;o idem e!!eceram. quamvis fofa cOlldiciolle pacem aCCI/iere malui quam virihus cum vaIellfiore pU;:;lIare. Caesar ist zwar zu mächtig. aher er steht immer noch

innerhalh der Gesellschaft. 21 Att. VII 14,325. Januar 49 v. all".: Equidem ad pacem Iwrfari mJ/! desillo; quae veI illiusfa ufilior esf quam iusfissimum helIum cum civihus. Diese Maxime durchzieht Ciceros Äußerungen während des pompeianischen Bürgerkrieges. 2(' Cicero seihst will. daß die Menschen ihn so gesinnt erkennen. farn. 11 16,34. Mai 49 v. Oll': ... me lIihil maluisse quam pacem. ea de.lperafa lIihil fam.!i/;:;isse quam arma civilia; Att. IX 6,711. März 49 v. Chr.: MeIioris medius Jidius civis et viri puJaham quovis supplicio adfici quam iIli crudeIifafi mJ/! solum w:aeesse :'erum efiam I:llferess~ .videtur vel mo~i safi~s!ilisse qua~ esse .cum his.

-' Vgl. eme neuere Biographie zu Attlcus: O. Perhvltz. Tltus Pompollius Attlcus. Untersuchungen zur Person eines einflußreichen Ritters in der ausgehenden römischen Repuhlik. Stuttgatt 1992. und N. E. Welch. Titus Pomponius Atticus: A Bankier in Politics? HistOl'ia XL V (1996). 450-471.

seine ist, zu rechtfertigen- vor allem mit der oben genannten Maxime seines Denkens. 29 Caesar aber ist diese Neutralität ganz recht. Wer nicht gegen ihn kämpft, ist in seiner Sicht ein Freund. So kann er seine Rechtfertigung, nur gegen eine kleine Schar persönlicher Feinde statt gegen die res puhlica zu kämpfen, aufi·echterhalten. 30

Während Cicero die sich überschlagenden Ereignisse aus dem Hintergrund beobachtet, ist er über alle Maßen erschrocken über die ungeheure Schnelligkeit Caesars. 31 Dieser läßt dem Senat keine Zeit, seine Kräfte zu konsolidieren, sondem eröffnet ohne Zögem den Bürgerkrieg. Innerhalb kürzester Zeit ist ganz Italien in seiner Hand. Pompeius dagegen scheint Cicero ohne Plan und ängstlich, sogar feige zu sein, da er die Hauptstadt räume und seine Freunde im Stich lasse. 32 Mit diesen Äußerungen aber spiegelt Cicero nicht nur seine eigene Meinung wider, sondem auch die Stimmung in den Municipien. Denn auf dem Land verändel1 sich die Stimmung zunehmend zugunsten Caesars. Dieser eningt offensichtlich schon fi'üh mit seiner dementia Politik Erfolge und steht nun als col1sen-ator il1imicorum im krassen (jegensatz zu Pompeius, dem desertor amicorum. 33 Man beginnt nach den Worten Ciceros die Milde des einen zu verehren, den Jähzom des andem aber zu fUrchten. Optimaten wie aber auch ganze Städte laufen zahlreich zu Caesar über. 34

Ciceros gesamtes Verhältnis zu den beiden Militärpotentaten ist mehr als zwiespältig. Beiden fUhlte er sich vor Ausbruch des Bürgerkrieges durch eine amicitia 2, Att. IX 11 A 20. März 49 v. Chr.: Cicero hietet sich Caesar als Vermittler hei Pompeius an. 29 Fanl. 11 164. Mai 49 v. Chr.: Hier rechtferti!o>1: Cicero sein zurückhaltendes Verhalten während dieser Wochen mit seiner Friedensliehe und Angst vor den Folgen des Bürgerkrieges. 111 Caesar seIhst fordert Cicero auf: für den Frieden einzutreten. vgl. Att. VII 21,3 8. Fehruar 49 v. Olr. 11 Att. VII 22,1 9. Fehl1lar 49 v. Oll'.: () ceIerifafem illcredihilem! Vgl. Att. VIII 13,1 I. März 49 v. Oll'.: Sed videslle ill quem Iwmillem illciderif res puhlica. quam acufum. quam viRilalIfern. quam parafum?

12 An zahlreichen Stellen äußert sich Cicero derartig üher Pompeius. vgl. Att. VII 21,1 8. Fehl1lar 49 v. Chr.: mJ/! allimus esf. mJ/! collsilium. mJ/! copiae. mJ/! diliRelltia. Vgl. Att. VIII 1,3 16. Fehl1lar 49 v. Oll'.: Quo millus mirere si illvifus ill eam causam descelldo ill qua lIeque pacis lIeque vicforiae ratio quaesifa sif umquam sed semperjlaRitiosae et calamifosae .Ii/Rae ... ; Att. VIII 9",1 25. Fehruar 49 v. Chr.: ... lIam sive timuif. quid iRllavius?; Att. IX 10,2 18. März 49 v. Chr.: Vidi Iwmillem pIellum.liJrmidillis. Auch später vertritt er noch diese Meinung. vgl. farn. VII 3,2-6 August/Septemher 46 v. Chr. Dort nimmt er noch einmal Stellung zum Geschehen des pompeianischen Bürgerkrieges. wohei er rückhlickend lIihil hOlli praefer causam. fanl. VII 3,2, erkennen kann. 11 Att. VIII 13,2 I. März 49 v. Chr : ... iIfum quo allfea cOlljideoollf metuullf. Inlllc amallf quem fimehallf. 14 Att. VIII 16,14. März 49v. Chr.: Quihus optimafihus. di hOlli;' qui mlllc quo modo occurrullf. quo modo aufem se velldifallf Caesari;' MUllicipia vero ad eum. lIec simulallf. uf cum de ilIo aeRrofo vofajacieoollf.

Vgl. H. Bl1lhns. Caesar und die römische Oherschicht in den Jahren 49-44 v. Chr.: Untersuchungen zur Herrschaftsetahliel1lng im Bürgerkrieg. Göttingen 1978. Bl1lhns versucht mit Hilfe dieser Fragestellung

23

verbunden, wenn auch die Affinität zu Pompeius die stärkere ist. 35 Er lehnt die Anhängerschaft Caesars ab. Caesar selbst vergleicht er sogar mit Hannibal, dem schlimmsten Feind Roms. 36 Caesars Kampf um seiner dignitas willen kann er nicht nachvollziehen oder gar verstehen. 37 Pompeius fUhlt er sich zwar verpflichtet und beteuert stets seine Liebe zu ihm, doch nur um ihn gleichzeitig immer wieder mit schweren Vorwürfen zu überschütten. Kein Staatsmann, so ruft Cicero aus, habe jemals so schmählich gehandelt wie noster amicus, als er Rom aufgegeben habe. 38 Allzu klar erkennt Cicero die Schwächen des einen und die Stärken des anderen. Alles Handeln, jede Maßnahme des Pompeius erscheint Cicero planlos und voller Angst. Von Caesar muß man zwar alles befUrchten, von Pompeius kann Cicero aber auch nichts erhoffen.

Er erwartet noch nicht einmal, daß Pompeius als siegreicher Feldhe11' des Senats die res puhlica wiederherstellt. Beide Militärpotentaten - nicht nur Caesar - wollen seiner

Meinung nach nur die dominatio, nur regnare, allein he11'schen, ohne an die Bürgerschaft auch nur zu denken. So schreibt er in einem Brief, daß Pompeius vielleicht gar nicht gezwungenel111aßen aus Italien geflohen sei, sondem um alle Länder und Meere in Aufruhr zu versetzen, Barbarenstämme aufzuwiegeln und wilde Stämme bewaffnet nach Italien zu fUhren, da er nach Art des Sullanum regnum he11'schen wolle. 39 Immer wieder sieht Cicero Pompeius als neuen, bedrohlicheren Sulla. Er ist sich schon zu Beginn der Kämpfe bewußt, daß Pompeius genauso wie Caesar in einem (jegensatz zur res puhlica steht. 4o So bedeutet sowohl der Sieg Caesars wie der des

eine Analyse der Parteiungen. der Tendenzen und Gruppierungen innerhalh der römisch-italischen Bürgerschaft zu Beginn des Bürgerkrieges. 11 Att. VII 1,3-516. Oktoher 50 v. Chr.: Hier zeigt er die ganzen Schwierigkeiten. sich für einen der heiden Macht1mher entscheiden zu müssen. auf Vgl. Anm.l8. 1(' Att. VII 11,1 21. Januar 49 v. Chr.: Ufrum de imperafore populi Romalli all de HmmihaIe Ioquimur? () :I.omillem amellfem d miserum. qui lIe umhram quidem umquam ro( .u:d.o( viderif! ihidem: Afque Iwec aif omllia.!acere se diRllifaüs causa. Uhi esf aufem diRllifas lIisi uhi IWllesfa\'? IWllesfum iRifur Iwhere exercifum lIullo puhlico cOllsilio. occupare urhis civium quojacilior sif adifus ad pafriam ... ? Cicero setzt hier die diRllifas des einzelnen in Bezug zur Gemeinschaft.

1, Att. VIII 2,217. Fehruar 49 v. Olr. 19 Att. VII' 11,227. Fehruar 49 v. Chr.: Noch in diesem Moment hält Cicero ein Ahkommen zwischen heiden Machthahern für mögl ich: All cellses lIihiI illfer eos collvellire. lIuIIam pacüollem .fieri POfuisse? Iwdie pofesf. Sed lleufri

411 Att. X

OKordru esf

ilIe. uf 11m heafi simus; uferque reRllare wUf.

22. April 49 v. Chr.: ReRllalldi collfellfio esf. ill qua puIsus esf modesfltJr rex

ef proh!or d illfeRrior ef iso qui lIisi villcif. 110meIl populi Romalli deleafur lIecesse esf. sill aufem villcif. SuIImw more exemploque villcd. Cicero macht Unterschiede in der Art der Herrschaft. im Falle des Sieges Caesars

7,1

sieht er das Staatswesen zerstört. heim Sieg des Pompeius sieht er eine Diktatur wie die Sullas drohen. Doch heide wollen in seinen Augen nur allein herrschen.

24

Pompeius in seinen Augen die Aufhebung der res puhlica. Es besteht nur ein Unterschied in dem Maß der Zerstörung. 4 1

Auch die Schuld rur den Ausbruch des Bürgerkrieges sieht Cicero auf beiden Seiten. Einerseits glaubt er, daß der Bürgerklieg durch die audacia ul1ius eh'is (Caesars) verursacht ist. 42 Aus diesen (jründen scheint es ihm noch nicht einmal ein der Definition entsprechender Bürgerkrieg zu sein. Andererseits hat Pompeius das CJudele et existiosum hel1um begonnen. Zuerst aber hat der Feldhe11' des Senats zugelassen, daß

Caesars Macht über die des Senats hinauswuchs, dann hat er ungerüstet jeden Friedensvorschlag des wohl vorbereiteten Caesar abgelehnt. 43 Pompeius hat in Ciceros Augen so schwere Schuld auf sich geladen, daß er noch nicht einmal glaubt, jenem als Verursacher des Krieges helfen zu dürfen44

-

wenn Pompeius überhaupt einmal auf

seinen Rat hören würde.

Was soll Cicero also tun? Aus Überzeugung kann er sich keiner der beiden Parteien anschließen. Schließlich aber will Cicero doch nach langem Zögem Pompeius folgen. Caesars Anhängerschaft, dessen ganzer Nimbus schrecken ihn zu sehr ab. Zudem will er lieber zu denen zählen, die wenigstens als hOl1i gelten, auch wenn er nur deren Planlosigkeit folgenmuß. 45 Denn von Anfang an glaubt Cicero nicht an einen Sieg des Pompeius. Doch er will auch nicht der Teilhaber des Sieges des Pompeius sein, sondem ihn auf dessen Flucht begleiten. Nur der besiegte Pompeius kann Cicero wahrhaftig begeistel11. So schließt sich Cicero Pompeius an, nicht wegen der res puhlica, die seiner Meinung nach von (jrund auf zerstört ist, sondem damit niemand ihn rur undankbar hält. 46 Am 7. Juni 49 v. Chr., ungehihr runfMonate nach Ausbruch des Bürgerkrieges, 41 Att. IX 7,113. März 49 v. Chr.: Sic ellim video. lIec duohus his vivis lIec hoc UIIO 1I0S urnquarn rem puhlicarn Iwhifuros

42 Att. VII 13,1 23. Januar 49 v. Chr: Quarnquarn ;:;ellus heIli quod sif vides: ifa civile esf uJ mJ/! ex civiurn disselIsiolle sed ex tmius perdifi civis audacia lIafurn sif

41 Att. VIII 8 23. Fehmar 49 v. Chr.. wo er alles aufzählt. was er Pompeius vorwirft. vgl. Att. IX 6,711. März 49 v. Chr. +1 Att. IX 13,323. März 49 v. Chr.: ]'lec e;:;o mlllc eurn iuvare qua re possim scio lIec. si possern. curn farn peSf/jen/rn helIum pararef. adiuvulldurn pufarern

41 So äul.\elt er sich wiederholt. vgl. Att. VII 7,7 19. Dezemher 50 v. Chr.: Nachdem er zuerst deutlich gemacht hat. daß er zumindest keinen ordo der hOlli kennt. nur einzelne hOlli viri. will er trotzdem seinesgleichen folgen: ... uf hos armellfa. sic e;:;o hOllos viros auf em quicurnque dicellfur hOlli sequar. efiarn si ruellf; vgl. auch Att. VIII 1,3 16. Fehmar 49 v. Olr. und Att. X la 3. April 49 v. Chr.: Auf 1I0S fernerifalern hOllorurn sequarnur ..

4(' Att. IX 15,325. März 49 v. Chr: ... mJ/! farn ad heIli quarn ad/i/;:;ae sociefafern. In Att. IX 1018. März 49 v. Olr. schildert Cicero all die Gefühle. die ihn hinsichtlich des Pompeius und des Bürgerkrieges

25

folgt Cicero Pompeius nach (jriechenland. Aber auch dort beteiligt er sich kaum am (jeschehen. Er bleibt weiter im Hintergrund. Sogleich nach Pharsalos kehl1 er wieder aus dem Osten nach Italien zurück. Für ihn sind die Kämpfe mit der Niederlage des Pompeius beendet.

47

Denn dieses hellum civile bedeutete rur Cicero lediglich die

Auseinandersetzung zwischen den beiden Feldhe11'en Caesar und Pompeius. Tm Oktober 48 v. ChI'. landet er in Brundisium. Hier muß er lange, bis zum September 47 v. Chr., voller Angst auf die Rückkehr Caesars warten. Von Caesar begnadigt, hält sich Cicero seit Juli 46

V.

ChI'. wieder in Rom auf.

Der siegreiche Caesar aber reißt alles an sich. Er hört noch nicht einmal auf den Rat seiner Anhänger, sondem folgt nur seiner eigenen Meinung. 48 Aber Cicero verha11't auch unter der He11'schaft Caesars in dem (jlauben, daß es besser gewesen wäre, den Frieden zu bewahren.49 Tm August 46

V.

ChI'. schildert er in einem Brief noch einmal seine

ungeheure Angst vor dem Sieg welcher Partei auch immer im Bürgerkrieg. Denn der Sieg selbst läßt die causa einer Partei unwichtig werden, der Sieg selbst depraviert den Sieger, der schon durch seine Anhänger dazu genötigt wird, ihn auszunutzen. Der Sieg selbst also zerstöl1 die res puhlica - welche Pat1ei auch immer siegt. 5o Dieses grundsätzliche Credo Ciceros bleibt in jener Zeit noch immer bestehen. Dabei ist sich der berühmte Consular darüber im klaren, daß der Kampf gegen Caesar de iure puhlico

quälen. Vgl. Att. IX 19,2 Anfang April: ]'lee me lIereufe lIoc '/aeio rei puhlime causa. quam ./illldifus deletarn pufo. sed lIe quis me pufe! ill!{rafum ill eum qui me fevavif iis illcommodis quihus idem adjeeeraf Bereits seit dem Januar 60 v. Chr. klagt Cicero immer wieder. daß der Staat zerstört sei. vgl. u.a. ad Q. ti". 1,2,15 Ende Novemher/Anfang Dezemher 59 v. Oll': Rem puhlicam ./illldifus amisimus Doch er meint dies nicht wörtlich. sondern er macht damit deutlich. daß wichtige Teile des Staates nicht mehr richtig funktionieren. Vgl. dazu Ch. Meier. Res puhlica amissa. S.I fI 4' Farn. XV 15,1-2 Mitte August 47 v. Chr.: Hier kritisiert er die weitergehenden Kämpfe in Afrika. Er hekräftigt noch einmal seine Liehe zum Frieden und verhindet dies mit seiner Liehe zum Staat: e!{o aufem ex illferifu eius (rei puhlime) mdlam .Ipem seiliee! milli propolleham, ex reliquiis ma!{lIam. Cicero glauht also. daß die res puhliea. solange sie nur - wenn auch durch einzelne geschwächt - vorhanden ist. hestehen hleiht. 4, Farn. IV 9,2 Ende August 46 v. Chr.: Omllia ellim deIafa ad ullum .Iw!f; is uiifur eOllsilio lIe suorum quidem sed suo

49 Mehrfach nimmt Cicero in Briefen des Jahres 46 v. Chr. Bezug auf seine politische Haltung im Jahre 49 v. Chr. Immer wieder hekräftigt er. er sei üherzeugt. daß sein Handeln damals richtig war und noch immer ist; vgl. farn. VII 3,5 August/Septemher 46 v. Chr. und fanl. IV 14,2 Winter 46/45 v. Chr. Im April 46 v. Chr. hat er noch einmal deutlich gemacht. daß ihm Frieden unter jeder Bedingung lieher gewesen sei. vgl. farn. V 21,2. Vgl. dazu auch Anm. 24. 111 Farn. IV 9,3 Ende Au!o'Ust 46 v. Oll'.: Omllia .\'tmf misera ill heIlis civilihus sed miserius lIillil quam I/isa vicforia; quae efiam si ad meliores vellif, fameIl eos ipsos '/erociores impofellfioresque reddif. uf, efiam si lIufura fales /1(1/1 Sillf, lIeeessifafe esse eo!{allfur; mulfa ellim vidori eorum arhifrio per qUtA\" vieif efiam illvifojaeiellda swu ... ; vgl. auch farn. IV 4,2 Septemher/Oktoher 46 v. Chr. Diese Meinung giht er

unter Caesar nie auf.

geHihrt wird. 51 Doch er bleibt bei seiner schon vor Ausbruch der Kämpfe geäußerten Überzeugung, daß dieser Kampf auf anderer Ebene hätte geHihrt werden müssen. Nachdem Caesar einmal mächtiger als der Staat geworden war, hätte man ihn nach Ciceros Meinung nicht mit Waffen, sondem mit hOl1estas bekämpfen müssen. Hätte man auf ihn gehöl1, so schreibt er in einem Brief, so lebte man zwar in einem ungerechten Frieden, aber ehrenvoll. 52

Cicero gibt

unter diesen politischen Bedingungen die Hoffnung auf ein

WiederauOeben der res puhlica nicht auf. Die mächtige (jestalt Caesars und die res puhlica schließen in seinen Augen bis zu diesem Zeitpunkt einander nicht aus. Von

Caesar und dessen Anhängem umworben und zu (jesprächen über die Tagespolitik herangezogen, hofft er sogar, daß dieser zur aequitas zurückkehren wird. 53 Er sieht gleichzeitig, daß Caesar im Vollbesitz der Macht ebenso ratlos vor den Trümmem der res puhlica steht, wie er selbst.

54

Cicero hat das Vertrauen noch nicht verloren, daß die

res puhlica wieder etwas bedeuten wird.

55

Tnzwischenmuß der Consular aber erleben,

wie jegliches freie, politische Leben erlischt; auf dem Forum gibt es keine Prozesse, keine Senatsverhandlungen mehr. 56 Denn in Caesars Privathaus werden nun die

1 1 Farn. IV 4,3 Septemher/Oktober 46 v. Chr.: ... id esf posfquam armis discepfari coepfum sif de iure puhlico .. Vgl. farn. IV 14,2 \\'inter 46/45 v. Chr.: quallfo pericufo de iure puhfico discepfarefur armis ... ; und farn. VI 1,5 Ende 46 v. Oll'.: dofehamque pifis ef Rladiis. /1(1/1 collcifiis lIeque aucforifafihus lIosfris. de iure puhlico discepfari l2 Farn. VI 1,6 Ende 46 v. Oll': ... fORafi pofius pofellfiam quam armafi vicforiam suhissemus. Vgl. fanl. VII 3,6 August/Septemher 46 v. Oll'.: Qui si me audissellf. quamvis illiqua pace. hOllesfe fameIl viverellf; armis ellim illjeriores. /1(1/1 causajilissellf 11 Farn. VI IOh,2 Mitte 46 v. Chr.: jl,iiJm ef I/ise qui plurimum pofesf coffidie maRis mihi defahi ud aequifafem ef ad remm lIafuram videfur ef ipsa causa ea esf uf iam simuf cum re puhfica. quae ill perpefuum iacere /1(1/1 pofesf. lIecessario reviviscaf afque recreefur; cOffidieque aIiquid .fif felIhis ef fiheralius quam fimehamus. Vgl. ähnlich farn. VI 13,2 August 46 v. Olr. Für Chr. Hahicht. ehenda. S. 85L ist der Höhepunkt der Hotlhung Ciceros die Rede pro Marcello vom Septemher 46 v. Olr. Mit dieser

Rede hricht Cicero nach langer Zeit sein Schweigen und fordert Caesar auf: dem Staat eine Verfassung zu gehen. 14 Farn. IX 17,2-3 Herhst 46 v. Chr.: Qui si cupial esse rem puhficam quaIemjiJrfa\'se ef ilIe vuff ef omlles opfare dehemus. quidjaciaf fameIl /1(1/1 hahef; ifa se cum muffis cOllliRavif Hoc fameIl scifo. /1(1/1 modo me. qui cOllsiliis /1(1/1 illfersum. sed lIe ipsum quidem prillet/iem scire quid .fil1umm sif; 1I0S ellim iIli servimus. I/ise femporihus. Auffall ig ist hier die freundlich - neutrale Bezeichnung prillceps für Caesar. 11 Farn. IV 13,5 AUb'Ust 46 v. Chr.: Efiam ilIa quae millimum mlllc quidem pofesf. sed ,' ,',' pmsif lIecesse esf. res puhfica .. Mit diesem Ziel vor Augen sucht er jetzt. die Begnadib'Ung vieler Gegner Caesars zu erreichen. Denn er will sich nicht nur als archifecfus. sondern auch alsjiJher am Aufhau der res puhlica

heteiligen. farn. IX 2,4-5 Mitte/Ende April 46 v. Chr. Das Gleiche rät er auch ehemaligen Gegnern Caesars. vgl. auch farn. XIII 68 Mitte September 46 v. Chr. Diese Hoffnung hat er noch zu Beginn des Jahres 45 v. Chr.. vgl. farn. VI 21,2 Januar 45 v. Oll'.: Afque ufillam ficeaf aliqualldo afiquo rei puhlicae sfafu 1I0S jrui .. 1('

Att. XII 21,5 17. März 45 v. Chr.: Quid ellim mihi.fiJro sille iudiciis. sille curia. ill OCtdos illcurrellfihus

iis quos allimo aequo videre

/1(1/1

pmsum?

Prozesse geHihrt. Man darf nicht mehr frei reden. 57 Er muß sogar mit ansehen, wie Caesar Hir wenige Stunden am 31. Dezember einen Consulnachwählen läßt 58 und so die Institutionen der Republik mit Füßen tritt und die mores maiorum ins Lächerliche zieht. 1m Mai 45 v. ChI'. kommt Cicero zu der Einsicht, daß es unter der Henschaft Caesars am besten ist, zu schweigen und sich verborgen zu halten, um wenigstens halbfrei sein zu können. 59 In Caesars Monarchie gelten die Traditionen nichts mehr. Offen demontiert der Diktator die res puhlica. Cicero muß bald erkennen, daß alle (jlieder der Republik zerstöt1 oder geschwächt sind. 6o Seine Btiefe dieser Zeit offenbaren ein (jeHihl der Unfreiheit. In den Augen des Consulars aber wird Caesarjetzt vom Standesgenossen und Despoten zum rex.

Das Verhältnis Ciceros zu Caesar ist von Anfang anmehrschichtig. Cicero Hirchtet Caesar stets als Tyrannen. Unter seiner Diktatur verliet1 er immer mehr die Tllusion, daß dieser der res puhlica die Verfassung zurückgeben werde. Doch wie hätte er zuerst auch etwas anderes glauben sollen - wie sehr er auch den Bürgerkrieg und dessen Folgen geHirchtet hat -, wo Caesar lediglich mit der Forderung nach Anerkennung seiner Stellung innerhalh der res puhlica begonnen hatte?61 Aber nun im Sommer 45 v. ChI'. hat Cicero jegliche Hoffnungen und Etwartungen an Caesar aufgegeben. 62 Daß Caesar

l 'Fam. IX 16,3-5 Anfang Juli 46 v. Chr.: Cicero darf nichts mehr sagen. was Caesar oder seinen Vertrauten nicht paßt. Auch wenn Cicero nicht von Caesar direkt etwas herurchtet. so ist doch alles unsicher. ist alles curn a iure diseessurn esf ... ; vgl. auch farn. Xlli 68,2 von deI \\ lllkül emes emzelnen ahhanl!ll! Septemher 46 v. Chr. Trotzdem hofft Cicero hier noch. daß Caesar rur eine Form der - altehrwürdigen. denn welche könnte sich der Consular sonst vorstellen? - res puhfiea sorgen wird. Cicero äußert sich spöttisch zu dem so Gewählten. fanl. Vll 30,1 Anfang Januar 44 v. Chr :... juif ellim

1,

rnirijiea vigifallfia. qui .\"HO fofo eOllsufafu sornllurn mJ/! viderif Att. XIII 31,3 28. Mai 45 v. Chr.: Ohseero serniliheri saUern sirnus; quod adsequernur ef faeelldo ef fafelldo. 19

('11 Farn. V 13,3 März oder April 45 v. Chr.: Hier wundert sich Cicero. daß sein Briefpartner überhaupt noch Hofthungen rur die res puhfica heb>t. vgl. hier Anm. 83. ('I Anfang AUb'Ust 46 v. Chr. weist Cicero nicht so sehr Caesar die Schuld rur den zusammengehrochenen Staat zu. wie dem Zufall und den Optimaten seIhst: Farn. VII 28,3: ... farneIl dofeo ifa rem eornrnullern esse difapsarn uf lIe .\pes quidern rnelius aliqualldo .IiJre relillquafur, "lee veTO mille quidern cufpa ill eo esf ill euius pofesfafe ornllia .\'tmf (lIisi.liJrfe id ipsurn esse mJ/! dehuif), sed dia casu, alia efiarn ill lwsfra cufpa sie aeeidenlllf uf de praeferifis mJ/! sif querelldurn, Reliquarn spern lIuIIarn video ('2 Chr. Hahicht. ehenda. S. 89fL verweist auf das veränderte Vokabular Ciceros in Hinsicht aufCaesar. In den ersten Wochen des Bürgerkrieges hatte Cicero herurchtet. daß sowohl Caesar als auch Pompeius nur alleine herrschen. nur regllare wollten. Doch erst im Sommer 45 v. Chr. nennt er den Diktator rex. Als älteste Belege gelten Att. XIII 37,2 14. August 45 v. Chr.: lIisi viderirn seire rege rn rne allirni lIihif hahere und farn. VI 19,2 Ende August 45 v. Chr: ... rnullen/rn regwrurn .. Hahicht. ehenda. S. 87. ist der Ansicht. Cicero gehrauche hier die eigentliche Bedeutung .• Königtum". während er in ti"üheren Äußerungen oft nur .• ungewöhnliche Macht" hezeichnen wollte.

rur Cicero wirklich zum rex geworden war, macht der Consular aber erst explizit nach dessen El1110rdung in seinem Brief an den Caesarianer Matius klar. 63

Die Art und Weise, wie Cicero den Ausbruch und Verlauf des Bürgerklieges beurteilt, gibt uns wesentliche Aufschlüsse über seine Stellung zur res puhlica. 1m Jahre 50 v. ChI'. hat er den Bestand der res puhlica durch die mächtigen Militärpotentaten nicht bedroht gesehen, sondem die Lösung lag rur ihn gerade in der Integration des Mächtigen in die res puhlica. Der einzelne Mächtige und die res puhlica sind rur ihn kein unvereinbarer (jegensatz. Der Bürgerklieg aber, so berurchtet er, bringt in jedem Fall den Tyrannen hervor. Unter der He11'schaft Caesars hegt er zunächst die Hoffnung, daß der Diktator der Republik die Verfassung wiedergeben und rur Ordnung sorgen würde. Denn Caesar hat ja den Bürgerkrieg begonnen um seiner dignitas in der res puhlica willen, und in der ersten Zeit scheint ihm Caesar keinen festen Plan zur

Monarchie zu haben. Erst im Sommer 45 v. ChI'. zerbricht diese Hoffnung auf Caesars Rückkehr zur Republik. Caesar ist rur ihn zum rex geworden. Doch Ciceros (jlaube an die res puhlica besteht trotzdem ungebrochen weiter. Nur der T)Tann steht vor dem WiederauOeben der res puhlica in ihrer alten Macht und (jröße.

2.2 Cicero und die Iden des März

Für eine kurze Zeit bringt die El1110rdung des Tyrannen Cicero tatsächlich die Hoffnung auf die res puhlica zurück. Aus dem resignie11en Mann, der sich tief in das otium und in die Philosophie zurückgezogen hatte, wird wieder ein vehementer

Teilnehmer an der Politik. Nie war Cicero in den Jahren des Bürgerkrieges politisch so akti v wie in den folgenden Monaten. Zu seinem Bedauem hatte man ihn zwar an den Iden des März nicht in das Vertrauen gezogen, doch die Caesa1mörder nahmen offenbar die Rechtfertigung rur ihr Handeln aus seinen politisch-philosophischen Schriften. M

('1 Farn. XI 27,8 Ende August 44 V. Oll' : ... si Caesar rexjiwrif. quod milli quidern videfur ... Durch seine vorsichtige Formulierung gesteht er aher dem Anhänger Caesars eine andere Meinung zu. ("I Man verweist in der Forschung. wie Chr. Hahicht. ehenda. S. 89. auf einen Brief Ciceros an Atticus (Att. XIII 40,1 7./8. August 45 V. Oll'.). worin er Brutus mit seinen Vorfahren. den herühmten Tyrannenmördern Brutus und Ahala. in Verhindung hrin!o>t. Nach den Iden des März wird er von den Zeitgenossen als .,geistiger Antreiher" der Tat durch seine philosophisch - politischen Schriften gesehen.

Cicero ist zunächst voller Begeisterung über die El1110rdung des Tyrannen, die Verschwörer sind rur ihn Heroen, geradezu (jötter. 65 Doch seine Euphorie schwindet rasch. Ihm wird bewußt, daß die in seinen Augen mit der El1110rdung Caesars wiedergefundene Freiheit nicht auch automatisch die Wiederherstellung der res puhlica bedeutet. 66

Die Anhänger Caesars drohen auch weiterhin; die Legionen stellen ihre Forderungen. F011an bestimmen die Veteranen mit ihren Waffen die Senatssitzungen.

67

Die (jeschöpfe Caesm's verhanen mächtig in ihren alten Stellungen. Und wieder fehlt es der Partei, der sich Cicero angeschlossen hat, an Waffen und an (jeld. Obendrein berurchtet Cicero den Ausbruch von Kämpfen in den unterworfenen (jebieten. 68

Innerhalb kurzer Zeit wird Cicero klar, daß die El1110rdung Caesars ohne Wirkung bleibt. Nichts verändert sich. Denn in Rom regiert der el1110rdete Tyrann weiter, seine Verrugungen bleiben in Kraft - vor allem auf Betreiben des Caesatianers Marcus Antonius. Dieser hatte im Jahre 44 v. ChI'. zusammen mit Caesar das Consulat inne und bemächtigte sich nun des Staatsschatzes und der Papiere Caesars. Am 17. März, am Liberfest, stimmte

der

Senat

einem

vor

allem

von

Antonius

und

Cicero

vorangetriebenen Kompromißvorschlag zu: Die Amnestie rur die Caesal111örder und die Anerkennung der acta Caesaris, einschließlich der Bestätigung der von Caesar rur die

Brutus ruft direkt nach der Tat Ciceros Namen. Aher der Inhalt dieser Schriften Ciceros und sein politisches Handeln unter der Herrschaft Caesars sind nicht identisch. (' 1 Er bezeichnet die Caesarmörder in unterschiedlichem Zusammenhang immer wieder so. vgl. Att. XIV 4,210. April 44 v. Chr.: }.,.'osfri aufem iJp/i1EaJ. .. und Att. XIV 11.121. April 44 v. Oll': ... lIosfri iIli mJ/! heroes sed di ./ilfuri H' Cicero hatte geglauht. daß nur die Person Caesars die Wiederauti"ichtung einer voll intakten r es puhlica verhindern würde. Bereits im April muß er aher erkennen. daß sich die Verhältnisse inzwischen verändert haben. vgl. Att. XIV 4,110. April 44 v. Olr.: Equidem doIeo. quod lIumquam ill ulla civifafe accidif. mJ/!

U/w cum liherfafe rem puhlicam reciperafam. HorrihiIe esf quae loquallfur. quae millifellfur. (" Att. XIV 5,211. April 44 v. Chr.: Sed vides maRisfrafus. si quidem iIli maRisfrafus. vides fameIl fyralllli safellif::s

Imperlls. vides eiusdem exercifu.I·:. vides 111 lafere vefermws. quae sUllf t!,/P~1I:I.GTa omllla; eos aufern. qUl orhls ferrae cusfodlls mJ/! modo saepfl venlm efwm maRIlI esse dehehallf fallfum modo laudari afque amari. sed pariefihus cOllfilleri. Afque ilIi quoquo modo heafi. civifas misera. Vgl. auch zur Bedrohung des Senats durch Veteranen: Att. XIV 14,2 28./29. April 44 v.

Chr. und durch Soldaten Att. XIV 22,214. Mai 44 v. Chr.: Cicero wird gewarnt. in den Senat zu gehen. (', Att. XIV 4,1-210. April 44 v. Chr.: Ac vereor GaIlica efiam hella. I/ise Sexfus quo evadaf reIiquae res opes ef copias desiderallf. quas mdlal·lwhemus. Vgl. auch Att. XIV 8,216. April 44 v. Chr.: Quid GaIli. quid Hispalli. quid Sexfus aRaf vehemellfer exspecfo

30

nächsten Jahre designiel1en Beamten, wurden beschlossen. Dies reut Cicero allerdings schon bald. Entsetzt schildert er, wie Antonius neue acta Caesaris hilscht. 69

Die hOl1i aber verhanen in ihrer Lethargie, sie untemehmen nichts.

7o

Sehr zum

Ärger Ciceros rühl1 sich auch der populus Uomal1us nicht, um die res puhlica zu verteidigen, sondem klatscht den Caesarianem Beifal1. 71 Der Tyrann wird verhe11'lichL 72 Die Unfreiheit bleibt bestehen. Nichts hat sich an den politischen Zuständen in Rom durch die El1110rdung Caesars geändert. Statt dessen sind die Caesal111örder in Rom in (jefahr. Bereits im April 44 v. ChI'. ziehen sie sich aus Rom zurück. 73

So sieht Cicero zu dieser Zeit emeut Kämpfe drohen. (jleichzeitig erkennt er aber auch, daß er sich nun fUr eine Seite entscheiden muß. In diesen neuen Kämpfen ist es nicht mehr erlaubt, neutral im Hintergrund zu bleiben. Da er zudem so laut über die El1110rdung des Tyrannen gej ubelt hat, muß er nun die Rache der Caesarianer fUrchten. 74

('9 Atticus macht Cicero offensichtlich für sein Verhalten am Liherfest Vorwürfe: vgl. Att. XIV 10,119. April 44 v. Chr. und Att. XIV 14,228./29. April 44 v. Chr.. wo sich Cicero mit dem Zwang und der Gewalt des Geschehens zu verteidigen sucht. Doch dieser Beschluß hat Folgen. vgl. fanl. XII 1,1 3. Mai 44 v. Chr: ... mJ/! re{.;110 sed reRe liherafi videmur; illferjeeto ellim reRe reRios omllis muus fuemur. lIeque vero id solum. sed efiam quae ipse ilIe si viveref lIonjaceref ea 1I0S quasi cORifafa ah ilIo prohamus Tahulae jiRullfur. immullifafes dallfur. penmiae maximae discrihullfur. exsuIes redunmfur. sellafus cOn\"ulfajaIsa rejerullfur. uf ... res puhlica iaceaf ill iis perfurhafiollihus ill qual' eam ille colliecif. Vgl. Att. XIV 6,212. April 44 v. Chr.: Quid ellim miserius quam ea 11m fueri propferquae ilIum oderamus? Vgl. Att. XIV 9,2 17. April 44 v. Chr.: () di hOlli;' vivif fyrallllis. fyramws occidif;' Ein paar Monate später klagt Cicero. farn. XII 3,2 Anfang Oktoher 44 v. Chr.: () rem miseram;' domimlm .!erre mJ/! pofuimus. COllservo (scilicef AllfOlliu.l) servimus. Später giht Cicero die ganze Schuld für das Geschehen im Tellus - Tempel dem ~)ewalttätigen Antonius. :",gl. Phil. 2.8911". Att. XIV 6,2 12. April 44 v. Olr.: Sed vides cOn\"ules, vides reliquos maRisfrafus, si isfi maRisfrafus, vides Iall{.,'twrem hOllon/m "lec ulla illferea decrefa. Sic ellim 1l1J1lDÄ,,-cefpefJa uf viclm mefueremus. Vgl. Att. XIV 14,2 28./29. April 44v. Chr.: Quid erRo? isfa culpa Bruforum? Millime ilIon/m quidem, sed alion/m hrufon/m, qui se caufos ac sapiellfis pufallf; quihus safis .Iilif Iaefari, mJ/! lIuIlis efiam Rrafulari, mlilis permallere ' I Att. XVI 2,311. Juli 44 v. Chr: ... eo plus sfomachi ef moIesfiae esf populum Romamlm mallus .was mJ/! ill dejelldellda re puhlica, sed ill plaudelldo cOllsumere. Mihi quidem videllfur isforum allimi illcelldi ,!fiam ad repraesellfalldam improhifafem suam - Am 18. März erwirkt Antonius für Caesar eine öffentliche Leichenfeier. in deren VerlaufCaesar auf

dem Forum verhrannt wird. Ausschreitungen folgen. Später sieht Cicero darin das entscheidende Geschehen. Att. XIV 10,119. April 44 v. Chr.: Schon am Liherfest waren Cicero und seine Partei zugrundegegangen. Af ilIe (Caesar) efiam ill .Ii)ro comhusfus Iaudafusque miserahilifer servique ef eRellfes ill fecla lIosfra cum .!acihus immissi. Quae deillde? uf audeallf dicere: "Tulle cOllfra Caesaris lIufum?' Haec ef falia.!erre mJ/!possum -1 Att XIV 7,115. April 44 v. Chr.: Bmtus ist Geliichten zufolge in der Nähe von Lanuvium gesehen worden. Cicero weiß nicht. wo er sich in Zukunft aufhalten wird: Chi falldem esf.Iilfun/S. Vgl. Att XIV 8,216. April 44 v. Chr. ' 4 Att XIV 13,226. April 44 v. Oll'.: "leque ellim iam Iicehif, quod Caesaris hello licuif, lIeque huc lIeque ilIuc. Quemcumque ellim haec pars perdiforum Iaefafum Caesaris morfe pufahlf (Iaefifiam aufem aperfissime fulimus omlle.I), Inlllc ill IlOsfium lIumero Iwhehif; quae res ad caedem maximam speclaf.

31

Antonius selber läßt keine Neutralität mehr zu. Aber auch die Optimaten, Ä. jxxonvd00, Hirchten das otium.

75

In der Zeit von April bis September 44 v. ChI'. spricht Cicero

immer wieder von der drohenden (jefahr eines neuen hellum civile.

76

Keiner will den

Frieden. Cicero muß diesmal in den Krieg ziehen, ob er will oder nicht. Und noch immer Hirchtet er den Krieg. 77

Die Ursache Hir das Fortbestehen der Macht Caesars erkennt Cicero bald datin, daß die Verschwörer Mat"Cus Antonius, den Consul des Jahres 44 v. Chr., der nun immer mehr als der neue AnHihrer der Caesarianer hervortritt, am Leben gelassen haben. In der Tat hält Antonius als Consul alle Fäden in der Hand. So vergleicht Cicero die El1110rdung Caesars mit dem Fällen eines Baumes, ohne die Wurzeln auszuroden. 78 In seinen Augen hätte einer (scilicet Antonius) noch beseitigt, der Senat SOf011 einberufen, das Volk angetrieben, der Staat übemommen werden müssen. Er kann der ihm zuerst so göttlich erschienenen Tat bald zwar noch einen männlichen Mut, aber eine nur kind liehe Planung zuerkennen. 79 So verlieren die Iden des März rasch ihre euphorische Wirkung auf Cicero, gleichel111aßen schwindet aber in seinen Augen auch die Berechtigung zur Tat. 8o Sinnvoller scheint es ihm nun zu sein, wenn man auf den Tod Caesars im Feldzug gegen die Parther gehofft hätte. Doch er verleiht seiner Verzweiflung über die gegenwärtige Lage noch weitaus heftiger Ausdruck. Lieber hätte er Caesar als Henen behalten als Antonius. 81 So unerträglich erscheint ihm dieser. Wenige Monate später haben in Ciceros Augen weder der Senat noch das Volk dUl"Ch die gewalttätige Att. XIV 21,311. Mai 44 v. Chr. lI·'emo esf isfomm. qui ofium mJ/! fimeaf. Vgl. auch Att. XIV 22,1 14. Mai 44v. 01L: .. fimellf ofium Vgl. Anm.117. ' (' Vgl. Att. XIV 22,214. Mai 44 v. Chr: ... cerfe.!iJre helIum. Haec me species cogifafioqueperfurhaf. Da er den Krieg so fürchtet können ihn auch die Iden des März nicht mehr trösten wie zuvor. vgl. Att. XIV ~1,311. Mai 44 v. Chr.: Mihi aufem mJ/! esf duhium quill res speetet ad cusfra. Att. XIV 21,411. Mai 44 v. Chr.: Quidvis ellim pofius quam cusfra. So äußert sich Cicero in den Briefen wenige Wochen nach den Iden des März mehrfach. vgl. u. a. Att. XIV 13,226. April 44 v. Chr.. Att. XIV 19,18. Mai 44 v. Chr. " Att. XV 4,224. Mai 44 v. Olr.: Excisa ellim esf arhor. mJ/! evulsa '9 Dies hemerkt er immer wieder. vgl. u. a. Att. XIV 21,311. Mai 44 v. Chr.: Aeta ellim ilIa res esf allimo '1

virili. cOllsilio puerili. Quis ellim hoc mJ/! videt. reglli heredem reIietum?

,0 Immer wieder erscheint ihm die Tat zwar herrlich. aher vor allem sinnlos: Att. XIV 12,2 22. April 44 v. Chr.; Att. XV 4,2 24. Mai 44. Chr. gerade gegenüher den Vertrauten des Caesarmörders. Brutus hahe mehr für seine eigene Unsterhlichkeit gesor!o>1 als für das ofium. Att. XV 1,517. Mai 44 v. Chr. In Att. XV 11 vom 7. Juni 44 v. Chr. zieht er Bilanz. was alles in seinen Augen an den Iden des März unterlassen worden ist. "So äußert er sich hereits im April 44 v. Olr.. vgl. Att. XIV 13,626. April 44 v. Chr.: uf mJ/! lIumquam Caesar desideralldus esse videafur... ; vgl. auch Att. XV 4,3 24. Mai 44 v. Oll' : ... ifa grafiosi eramus apud iIfum (quem di morfuum perduillf:; uf lIosfrae aetafi. qWJ/!iam illfer/feto domillo liheri mJ/!.!uerif domillus ilIe.!ilgielldus

/UJ/!

sumus.

32

Unterdrückung des Antonius irgendeine Macht, es besteht kaum noch die Spur einer Bürgerschaft. 82 Nach der anh'inglichen Euphorie zeigen die Iden des März Cicero innerhalb weniger Wochen nur, wie zerstöt1 der Staat in Wirklichkeit schon ist.

In den Monaten nach der El1110rdung Caesars sehen wir Cicero in einem Strudel der (jeruhle. Seine Begeisterung und überaus große Hoffnung direkt nach den Iden des März weichen angesichts der Tagespolitik innerhalb kurzer Zeit einer immer größer werdenden Verzweiflung. Wie die Caesal111örder war Cicero in dem (jlauben gefangen, daß nur die Person Caesars vor einer funktionierenden, sich in alter Stärke wieder erhebenden res puhlica stünde. N unm uß er erkennen, daß nicht nur die Insti tutionen der Republik unter der He11'schafl Caesars zerbrochen sind,83 sondem daß offenbar auch die res puhlica im Bewußtsein seiner Zeitgenossen nicht mehr fest verankert ist. Keiner

beteiligt sich daran, die Republik wiederaufzurichten. Die Tyrannis lebt. 1m (jegenteil, die Caesatianer verkünden, daß durch die El1110rdung Caesars die res puhlica in große VetWil1'ung geraten sei. 84 Zudem will im (jrunde keiner das otium, denn alle rurchten offenbar den Frieden. So sieht Cicero schon seit April immer wieder einen neuen Bürgerkrieg drohen. Die Verschwörer scheinen ihm nicht nur schutzlos, sondem auch noch ohne festen politischen Plan zu sein. 85 Vielmehr haben sie die Lage auch noch verschuldet. 1m Mai 44 v. ChI'. hält er die Position des M. Brutus rur zu schwach, als

,] Antonius tritt uns immer mehr in seinen Briefen als Gegner entgegen: Att. XV 20,2 20. Juni 44 v. Oll'.: ... vidi lIosfros fallfum spei Iwhere ad vivelldum quallfum aCl~epissellf ah Allfollio. de.\peravi Haec omllis cufpa Bn/fi. Noch deutlicher wird er im Septemher44 v. Chr.. fanl. X 1,1: quae pofesf ellim spes esse ill ea re puhfica ill qua homillis impofellfissimi afque illfemperalllissimi armis oppressa sUllf omllia, ef ill qua lIec sellafus lIec pOJ!tdus vim hahef uIlam lIec feRes ullae .\'tlllf lIec iudicia lIec omllillo simuIacrum aliquod ac vesfiRium civifalis? ,] Farn. V 13,3 März/April 45 v. Chr.: Quid esf ellim mJ/! ifa ad/fctum uf id mJ/! defefum exslillcfumque esse.!afeare? Circum.\pice omllia memhra rei puhficae, quae ,wlissima SHlIf lihi: mdfum reperies pro/fetO quod lIon/ractum dehififafumve sif

Att. XIV 22,114. Mai 44 v. Olr. und die Matius - Briefe. fanl. Xl 27-28 Ende August 44 V. Oll'.; vgl. dazu A. Heul.\. Cicero und Matius zur Psychologie der revolutionären Situation in Rom. HistOl'ia 5 (1956). 53-73. idemque. Matius als Zeuge von Caesars staatsmännischer Gröl.\e. HistOl'iall (1962).118-122. Zu dem Besuch bei Matius äul.\ert sich Cicero auch in seinem Brief\vechsel mit Atticus. Att. XIV 1,1 7. April 44 v. Oll'.: "iihif perdili us; explicari rem mJ/! posse, "Elellim si ilIe (.\'cificef Caesar) fali illRellio exifum mJ/! reperiehaf, quis mlllc reperief?" Matius hefürchtet. daß jetzt Krieg aushrechen wird. Att. XV 1,517. Mai 44 v. Olr.: Cicero kann Brutus nicht raten. Att. XV 29,1 6. Juli 44 v. Chr.: Bn/li ud fe episfufam misi, Di hOlli, quallfa p.'fJZlXII~!Vgl. Att. XV 11.1-3 R. Juni 44 v. Chr.. wo Cicero ein Zusammentreffen mit Bmtus. Cassius und deren Angehörigen schildert. Die Reise dOl"thin hringt Cicero lediglich das Bewußtsein. seine Pflicht getan zu hahen. Zudem denkt Brutus schon flüh an ein freiwilliges Exil. vgl. Att. XIV 19,1 8. Mai 44 v. Chr. und Att. XIV 18,4 9. Mai 44 v. Olr. So erscheint es Cicero. als oh durch die Iden des März nichts erreicht worden sei. iW

,1

33

daß auf ihr die Führung in einem Bürgerkrieg beruhen könnte. 86 Seit Juni 46 v. ChI'. aber hen'scht durch die Consuln Antonius und Dolabella eine Politik der (jewalt. 87

Cicero ist emeut, wie bereits im Jahre 49 v. Chr., im Zweifel, ob er Rom, sogar Italien verlassen sollte. Er sieht, wie die Caesanllörder bereits ihre Abreise aus Italien planen. 88 Er spielt mit dem (jedanken, in (jriechenland die Studienerfolge seines Sohnes zu überprüfen. 89 Dazu hat er sich bereits die Möglichkeit durch eine LegatensteIle bei P. Comelius Dolabella verschaffl. So mächtig erscheint ihm Antonius im (jegensatz zu den Caesanllördem. Die Verschwörer können Rom nicht betreten, sie planen sogar, aus Italien fortzugehen. Die politische Lage in Rom ist nach Ciceros Überzeugung dadurch bestimmt, daß es keinen festen Plan, keine Vemunf1., keine Ordnung gibt. 9o Am 1. Januar, bei Antritt des Consulats durch Hirtius und Pansa, will er jedoch wieder zurückkehren. Er hoffl offenbar, daß sich die Verhältnisse unter den neuen Consuln ändem könnten. 91 ii(' Att. XIV 20,311. Mai 44 v. Chr.: Hier hekräftigt er zunächst Atticus gegenüher. daß in seinen Augen der Bestand des Staates von Bmtus ahhänge: Quod errare me pufas qui rem puhlicam pufem pelldere ill Bmfo. sic se res Iwhef. Auf lIuIla erif auf ah isfo islisve servahifur. Doch er schränkt im folgenden die Rolle des Bmtus auf eine ti"iedliche ein: Afque ufillam liceaf isfi cOllliollari;' Cui si esse ill urhe fufo licehif. vicimus. Ducem ellim lIovi heIli civilis auf lIemo sequdur auf ii sequellfur qui .!ilcife villcallfur.

Vgl. auch zur Unsicherheit Ciceros. wohin er sich im Fall eines Krieges begehen soll. Att. XIV 13,226. April 44 v. Chr.: Resfa! uf ill casfra Sexfi auf. si.!t)rfe. Bmli 1I0S cOII.!eramus ii' Phil.l.6 schildert er rückhlickend die Zustände: Ecce ellim Kafelldis hllliis. quihus uf adessemus edixeraf. mufafa omllia; lIihiI per sellafum. mulfa ef ma!{lw per populum d ahsellfe populo ef illvifo COlIsufeS desi!{lIafi lIe!{ahallf se audere ill sellafum vellire; pafriae Iihera!ores whe carehallf ea cuius a cervicihus iu!{um servile deicerallf Ganz ungewöhnlich scheint die Bemerkung Ciceros in einem Brief an seinen Veltrauten Tiro zu sein. er möchte sich die alte. nie gestörte amicifia zu Antonius hewahren. farn. XVI 23,2 Ende Juni 44 v. Chr. erhalten: E!{o fameIl Allfolli illvderafam sille uIla o/jellsiolle amiciliam refillere salle volo .. Doch diese Aussage macht Cicero - wenn er Marcus Antonius hier meint - unter

starkem Dmck und voller Schrecken üher die politische Lage. iiii Att. XV 20,3 20. Juni 44 v. Chr. Brutus will so üherstürzt ahreisen. daß weder Cicero noch Atticus ihn vorher sprechen können. ii9 Schon seit April 44 v. Olr. ringt Cicero mit dem Gedanken. ins Ausland auszuweichen. vgl. Att. XIV 13,4 26. April 44v. Chr. 911 Att. XV 11,3 7. Juni 44 v. Chr.: Prorsus dissoluJum o!jelldi lIavi!{ium veI polius disslj!afum lI·'ihiI cOllsilio. lIihiI raliolle. lIihiI ordille

91 Cicero war zuerst empölt gewesen. daß die durch Caesar designielten Beamten weiterhin ihren Anspmch auf das Amt hehalten sollten. Att. XIV 6,2 12. April 44 v. Olr. Unter solchen Bedingungen könne man keine Politik betreiben. Hirtius und Pansa finden schon hald nach den Iden des März in den Briefen Ciceros als ausgesprochene Caesarianer Erwähnung. Att. XIV 12,2 22. April 44 v. Chr.: Haud amo veI Iws desi!{lIafos. qui eliam decIamare me coe!{emllf Am 14. Mai glaubt Cicero von Hirtius. daß er Caesar noch immer sehr liehe. vgl. Att. XIV 22,1 meus vero disCljmlus (Hirliu.\) valde amaf ilIum. quem Bmfus lIosfer sauciavif. D. Brutus heUlteilt Hirtius von Anfang an anders als Cicero. in farn. XI 1,1 20 März 44 v. Chr. wird deutlich. daß er Hirtius eher aufseiner Seite sieht. Brutus und Cassius treten hald an Cicero heran. die designierten Consuln. gerade Hirtius. für ihre Sache zu gewinnen. vgl. Att. XIV 20,4 II.Mai 44 v. Chr. und Att. XV 6,1 2. Juni 44 v. Olr.: Hier sieht Cicero aher Hiltius inuner noch ganz als Caesarianer. der Antonius zwar persönlich zürnen mag. aher der Sache Caesars weiterhin verhunden hleiht; vgl. außerdem Att. XV 5,128. Mai 44 v. Chr. Noch heftiger kritisielt er Hiltius in einem nur wenig

34

Der Consular hält sich schon seit April 44 v. ChI'. auf seinen Landgütem auf. Am 1. Juli bricht er zögemd nach (jliechenland auf. Er befindet sich gerade in Syrakus, als er am 1. August 44

V.

ChI'. die Nachricht erhält, daß Antonius nachgebe, daß M. Brutus

und Cassius nach Rom zurückkehren. 92 Sofort hihrt Cicero zurück und trifft am 31. August wieder in Rom ein. Hier allerdings lenkt Antonius nicht ein, sondem droht mit (jewalt. 93 Cicero mhlt sich von ihm angegriffen.

Am 2. September 44 v. ChI'. hält Cicero eine große Rede im Senat. Diese Rede ist der Beginn einer grnlz neuen Haltung Ciceros. Er will vor allem einen Appell an die Consuln lichten, sich in den Dienst der res puhlica zu stellen. Und doch provoziel1 er damit eine wütende Antwort des Antonius, der am 19. September die Freundschaft zu Cicero aufkündigt. Noch ist Cicero sich im unklaren, was genau er tun soll. Er sieht sich im Krieg mit Antonius, doch zu diesem Zeitpunkt noch mehr auf einer persönlichen Ebene. Er mhlt sich selbst im Senat bedroht. 94 Die Caesal111örder sind weit fort, und aus seiner Sicht haben die Optimaten keinen Führer. Die politische Lage in Rom spitzt sich im September durch die Aktivitäten des Marcus Antonius zu. 95 Dieser gewinnt immer ti"üheren Briefan Atticus. Cicero wollte ihn zum Frieden mahnen. Doch dieser könne sich angehlich nicht entscheiden und fürchte sowohl die Waffen der Repuhlikaner wie die des Antonius: "ioll poferaf seilieef se aufem ufraque arma mefuere. Cicero hält ihn nicht für vertrauenswürdig. lIe;:;are se velle paeem. Quid quaeris. o//rv./"l'tu (Att. XV 1,317. Mai 44 v. Chr.) 1m Juni loht er an dem Caesarerhen. daß er Pansa und Hirtius nicht so recht traut. Att. XV 12,210. Juni 44 v. Chr. Wenig später äußert er heftigen Unmut üher Pansa. Att. XV 22 22 ..123. Juni 44 v. Oll'.: Pallsam helle Ioqui credo, Semper ellim eOlliullcfum esse cum Hirfio seio; amieissimum Brufo ef Cassio pufo, si expedief (sed qualldo ilIos videhif?), illimieum Allfollio; qualldo auf eur? Quousque ludernur? Nach Ciceros \VOlten achtet Pansa

also nur darauf. was ihm im Moment nutzen kann. Er ist sich der heiden Männer nicht sicher. er sieht vor allem ihr Herkommen aus der Pmtei Caesars. 1m Juli setzt er keine Hotlhung auf das Consulat Pansas. Att. XVI 1,4 8. Juli 44 v. Chr. Nur langsam und kaum wahrnehmhar ist ein Umschwung in seinem Verhältnis zu den heiden Politikern erkennhar. vgl. Att. XV 1,217. Mai 44 v. Chr. zu Hirtius und Att. XVI 94. Novemher 44 v. Chr. zu Pansa. Bei seiner Ahreise nach Griechenland scheint er nun Hotlhungen in ihr Consulat zu setzen. Ende Septemher 44 v. Chr. äußelt er sich dann sehr positiv zu Pansa und Hiltius. farn. Xll 22,2 ~ Att. XVI 719. August 44 v. Chr.: Hier wird deutlich. daß Cicero wegen seines Aufhmchs vielerlei Kritik gerade von seinen nächsten Vertrauten wie Atticus. aher auch von BmIDs erfuhr. Alle sind ti"oh üher seine Rückkehr. Cicero jedoch will sich zurückhalten: Att. XVI 7,7: "iee e;:;o mille, uf Bn/fus eellsehaf, iSfue ad rem puhIieam eapessel1dam vellio, Quid ellimJieri pofesf?

91 farn. X 1,1 Septemher 44 v. Chr. schildert er liickhlickend die Ereignisse: Ef ajili pnijieiseells ill Graeeiam ef, posfea quam de medio cursu rei puhIime sum voee revomfus, lIumquam per M Allfollium quiefusjili; cuius fallfa esf mJ/! imoIellfia (llam id quidem vuI;:;are vifium esf) sed immallifas mJ/! modo uf voeem sed lIe mUum quidem liherum j!ossif.!erre cuiusquam 94 Farn. X 2,1 Ende Septemher 44 v. Oll': ... si auf fufo ill sellafum auf hOllesfe vellire pofuissem; sed lIec sille pericuIo quisquam lihere de re puhlim sellfiells versari pofesf ill summa impullifafe ;:;Iadiorum lIec lIosfrae di;:;lIifafis videfur esse ihi sellfellfiam de re p uhIiea dieere uhi me ef melius ef propius audiallf armafi quam sellafores 91 Farn. Xll 3,1 Anfang Oktoher 44 v. Chr.: Au;:;ef fuus amieus (AllfOlliu.l) .!i/rorem ill dies. Jegliches Trachten der Caesarianer richtet sich nun darauf: Caesars Tod zu rächen.

35

mehr an Einfluß. Cicero will sich jetzt aber rur die res puhlica einsetzen. 96 Der Consular nimmt in Zukunft aktiv den Kampf gegen Antonius aur.

97

Die Rede vom 2. September

bildet den Anfang eines Redezyklus, den Cicero selbst Philippicae benennt. 98 War die erste philippische Rede in ihren Äußerungen und ihrem Stil noch verbindlich gehalten, so sind die folgenden voller Haß und Invektiven gegen Antonius und bald voller Lob auf Octavian, der nun als Adoptivsohn und Erbe Caesars neunzehnjährig die politische Bühne betritt. 99 Die politische Haltung Ciceros verändert sich damit grundlegend. Denn während der Kämpfe zuvor hatte er sich stets im Hintergrund gehalten und zum Ptieden el111ahnt. Nun rückt er immer mehr in den Mittelpunkt des (jeschehens. Er wird einer der Hauptträger der Handlung - bald wird er den bewaffneten Kampf gegen Antonius fordem.

2.3 Cicero. Republikaner und Caesarianer: ... me prillcipem sellatui

popu!oque Romallo pro(essus sum

100

Seit den Iden des März behe11'schen nach Ansicht Ciceros verschiedene Protagonisten das politische (jeschehen. Auf der einen Seite stehen die Caesal111örder, die zuerst so sehr seine Hoffhungen geweckt hatten, deren Schwachpunkte er aber bald

9(' Farn. XII 22,1-2 Ende Septemher 44 v. Chr.: Nos hic cum Iwmille Rladiafore omllium lIequissimo. cOIlIeRa lIosfro. Allfollio. helIum Rerimus. sed mJ/! pari wlldiclolle. cOllfra arma verhis Oppressa omllia sUllf. lIec hahellf ducem hOlli. lIosfrique fyralllwdolli IOIlRe Rellfium ah.nlllf Quid .lilfurum sif plalle lIescio; spes fameIl ulla esf aliquando populum Romallum maiorum similem ./lJre. E;:"'lJ cerfe rei puhlicae mJ/! deero ... ; vgl. auch farn. IX 24,4 Januar/Anfang Fehruar 43 v. Chr: ... Sic fihi. mi Paffe. persuade. me dies ef lIodes lIihil aliud aRere. lIihil curare. lIisi uf mei clves salvi liherique sillf 9' Ciceros AntwOlt auf die Rede des Antonius ist in ihrer Polemik so scharf: daß Cicero sie nicht veröffentlichen. geschweige denn halten konnte. Er will sie erst herausgehen. wenn Atticus seine Einwilligung dazu giht. Att. XV 13,1 25. Oktoher 44 v. Chr. In diesern Brief hält Cicero einen Waffenstillstand mit Antonius für unmöglich. Er will sich aher noch I1lhig vedlalterl: llldufias quas scnNs mJ/! illfeiieRojieri posse. Melior esf vavnqH.t1V1jla~ qua me usurum arhifror. Doch im gleichen Brief drückt Cicero auch die Hoffnung aus. daß die res puhlica wieder ihr Recht durch die Aktionen der Caesarmörder erlangen würde. Att. XV 13,4: Quid quaeris? videfur res puhlica ius suum reCi/ierafura Sed lIe quid allfe

9, ad Bl1ltum 23,41. April 43 v. Chr. und ad Bl1ltum 2.4.212. April

43 v. Olr. 99 Die Untersuchung der Briefe Ciceros ad'/amiliares und ad Afficum soll nun durch die Betrachtung der Philippicae erweitert werden. die ein Mittel des politischen Kampfes sind. Zusammen heleuchten die verschiedenen Alten der Quellen das Handeln Ciceros aus mehreren Perspektiven. Was in den Philippicae oft voller Kampfesmut heschworerl wird. ist in den Briefen ein Faktor der Unsicherheit. Ende März/Anfang April 43 v. Chr. treten als wichtige Quellengrundlage die Briefe ad Brufum hinzu. II~) Farn. XII 24,2 Ende Januar 43 v. Olr.

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immer unverhohlener klitisiel1. IOI Sechzig Senatoren haben sich an der El1110rdung Caesars beteiligt. Cicero widmet seine Aufinerksamkeit vor allem den fLihrenden Männem der Verschwörung, Marcus Junius Brutus Caius Cassius Longinus und j

Decimus Junius Brutus. Mit ihnen hat er sogleich nach der El1110rdung Caesars regen Kontakt, doch auch er kann ihnen keine Vorschläge unterbreiten, was in dieser Situation untemo111111en werden muß. Die Ratlosigkeit unter den Republikanem ist groß. 102 Allzu rasch werden sie in die Defensi ve gedrängt. Sie erhalten zwar Amnestie rur ihre Tat, doch gleichzeitig wird damit die Tllegalität ihres HandeIns indirekt zugegeben. In Rom können sie sich nicht sicher aufhalten und müssen auf das Land fliehen. Am 5. Juni erhalten Brutus und Cassius eine curatio frumel1ti , als vel111ittelndes Angebot von Antonius erwirkt. 103 Denn beide könnten so legal zu ihrer eigenen Sicherheit Rom verlassen. Später sollen sie die unbedeutenden Provinzen Cyrene (Cassius) und Creta (Brutus) übemehmen. 104 Sie lehnen aber diesen wenig ruhm vollen Auftrag - in ihren Augen eher eine Beleidigung - einer (jetreidebeschaffung ab. Als sich der Streit mit Antonius verschärft, reisen beide im August 44

V.

ChI'. in den Osten - zu dieser Zeit

kehrt Cicero, durch eine günstige Nachticht gerufen, wieder nach Rom zurück. Doch weder Brutus noch Cassius gehen in ihre Provinzen, sondem beide fahren zuerst mit einem Abstand von wenigen Tagen nach Athen, wo sie als Tyrannenmörder gefeiert werden, Cassius bricht bald nach S)Tien auf.

Bereits wenige Tage nach der El1110rdung Caesars berichtet D. Brutus in einem Brief von der Hinterhältigkeit des Antonius, der ihm seine rur 44 v. ChI'. zuerkannte 1111 Nicht nur Atticus gegenüher kritisiert er. daß Antonius am Lehen gelassen wurde. Auch den Caesarmördern seihst macht er deshalh die schwersten Vorwürfe. vgl. farn. X 28,1 2. Fehmar 43 v. Chr. gegenüher Trehonius. und noch am gleichen Tag schreiht er genauso. fanl. xn 4, 1 2. Fehmar 43 v. Chr.. an Cassius. 1112 Att. XV 4,224. Mai 44 v. Chr.: Quod scnNs fe lIescire quid lIosfrisjacielldum sif. iam pridem me ilIa 1Wp#asoIlicifaf. vgl. Att. XV 5,1 28. Mai 44 V. Chr. So schreiht er auch an die Caesarmörder seihst. farn. X113,1 Anfang Oktoher 44 V. Chr.: ... ufillam Iwherem quid vohis darem cOllsili;' Sed lIe mihi quidem

ipsi reperio quidjacielldum sif; quid ellim esf quod cOllfra vim sille viJieri possif? 11)1

Cicero empfindet diese Aufgahe als unwürdig für die Caesarmörder: Att. XV 9,1 2./3. Juni 44

V.

Oll'.:

() r em miserum;' primum uIlam ah isfis. deill. si aliquam. hallc IeRaforiam provillciam;' Afque haud scio all melius sif quam ud Eurofarn sedere. Ebenso äußert er sich am 5. Juni in Att. XV 10. Kurze Zeit später

rät er heiden. den Auftrag anzunehmen. Att. XV 11,1 Anfang Juni 44 V. Chr. Denn am wichtigsten sei es nun. daß Bmtus unversehrt hleihe. 1114 Wann genau ihnen die heiden Provinzen ühertragen worden sind. ist unsicher. Vgl. dazu W. Sternkop[ Die Verteilung der römischen Provinzen vor dem Mutinensischen Krieg. Hermes 47 (1912). 321-401. U. Gotter. Der Diktator ist tot! Politik in Rom zwischen den Iden des März und der Begründung des Zweiten Triumvirats. Stuttgart 1996. S. 78. Anm. 60. nimmt eine Datierung vor dem I. August an. E.-M. Kniely.

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Provinz (jallia Cisalpina nehmen will. Schon jetzt glaubt er nicht, daß die Caesal111örder in Rom bleiben kÖHnen.

I05

Anfang April sucht er seine Provinz auf. Ende Mai vel111utet

Cicero, daß Antonius mi t diesen Plänen au [einen Krieg hinarbei tet. 106 So haben spätestens in der zweiten Hälfte des August 44 v. ChI'. die herausragenden Männer der Verschwörung gegen Caesar Rom, sogar Italien verlas.."lell. Monatelang weiß man in Rom nicht, was M. Brutus und Cassius untemehmen werden. Doch nach seiner ersten Philippica und der Antwort des Antonius hofft Cicero in einem Schreiben an Cassius im September 44 v. ChI'. - er fordet1 ihn geradezu dazu auf -, daß die Caesal111örder etwas ihres Ruhmes Würdiges beabsichtigen werden.

I07

Marcus Antonius ist nach der Ansicht Ciceros der behe11'schende Protagonist auf der Seite der Caesarianer. Dieser aus altem Adel stammende Mann nutzt rasch die herausragende Stellung seines Consulats. Schon am Abend des 15. März hat Cicero jegliche Verhandlungen mit Antonius abgeiehnL

I08

In dem Besitz des Antonius

befinden sich die acta Caesaris, die nach der El1110rdung des Diktators als weiterhin bindend anerkannt werden. Damit hält er ein Machtinstrument in Händen, das er nach Ciceros Sicht rur seine Zwecke benutzL I09 Zusätzlichen Ärger e11'egt die von Antonius

Quellenkritische Studien zur Tätigkeit des M. Bmtus im Osten (44-42 v. Chr.). Wien 1974. hesonders S. 26fT".. datiert die Zuteilung der Provinzen ah Mitte Juli. II~ Farn. XI 1, 1 20. März 44 v. Oll'.: qua mellfe essef Allfollius demon\"fravif. pessima scilicef ef illjidelissima. Nam se lIeque milli provillciam dare pmse aiehaf lIeque arhifrari fufo ill urhe esse quemquam lIosfrum; adeo esse milifum cOllcifafos allimos ef pIehis. D. Brutus denkt an eine ti"eie Gesandtschaft. Weiterhin hält er ihre Erklämng zum lwsfis und die Verhannung für wahrscheinlich. Im

April äußert sich auch Cicero zu dem geplanten Tausch der Provinzen. Gerade an diesem Punkt macht er fest. oh es noch Freiheit im Staat giht. Wenn man sich frei dazu äußern dürfe. werde er sich üher die wiedererlan!o>te Freiheit ti·euen. wenn nicht. könnte ihm dieser Austausch des Herrn nur die Freude üher den mit eigenen Augen gesehenen Untergang des Tyrannen hringen. vgl. Att. XIV 14,4 28./29. April 44 v. Chr.: Quae scnNs KaI. JUli. Allfollium de provillciis refafurom. uf ef I/ise GaIlias Iwheaf Iicehiflle decemi lihere? Si licuerif. liherfafem esse reCljierafam Ia efahor; si mJ/! Iicuerif. quid milli allulerif isfa domilli muJaüo praefer Iaefiüam quam ocrdis cepi iusfo illferifu fyralllli? I IX' Att. XV 4.1 24. Mai 44 v. Chr.: Allfolli cOllsilia lIarras furhulellfa. Afque ufillam pofius per populum aRat quam per sellatum;' quod quidem ifa credo. Sed milli fofum eius cOllsilium ad helIum specfare videfur. si quidem D. Brufo provillcia eripifur. Quoquo modo eRo de iIlius lIervis exisümo. mJ/! videfur jieri posse sille hello. Sed mJ/! cupio 111' In farn. XII 2,3 Ende Septemher44 v. Chr. herichtet Cicero von den Zuständen in Rom: Qua re spes esf omllis ill vohis. Qui si idcirco ahesüs uf sl"!is ill fufo. lIe ill vohis quidem; sill aliquid diwwm vesfra Rloria cORifafis. velim salt'is lIohis. sill id millu.\". res fameIl puhlica per vos hrevi fempore ius suum reciperahif 111, Cicero hehauptet nämlich. im Gegensatz zu allen anderen nicht daran geglauht zu hahen. daß ein Ahkommen mit Antonius möglich sei. So schildert er es rückhlickend in Phil. 2.89: lfaque. cum cefen'

cOllsulares irellf. redirellf. ill sellfellüa mallsi; lIeque fe (Allfollium) ilIo die lIeque posfen) vidi lIeque ullam sociefafem opümis civihus cum imporfullissimo Iwsfe .Fiedere ullo cOlljirmari posse credidi. Vgl.

aher hier S. 29. sowie Anm. 69 und Anm. 72 zu seinern Verhalten am Liher-Fest. 11)9 Für A. Heul.\. Römische Geschichte. S. 222. ist allein Antonius nach der Ermordung Caesars im Besitz einer klaren Vorstellung davon. wie er vorzugehen hahe.

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gewünschte Begnadigung des Sextus Cloelius, eines Anhängers des ihm tier verhaßten P. Clodius, bei Cicero. I 10 Bereits im APlil44 v. ChI'. ersehnt sich Cicero lieber Caesar als Antonius als Heml. Inzwischen sucht Antonius, die Veteranen rur sich zu gewinnen. 111 Tm Juni sieht Cicero, daß Antonius zunehmend eine Politik der (jewalt ausübt. 1m Hochsommer e11'eicht Antonius, daß seine Statthalterschaft auf run[ Jahre ausgedehnt wird. Überdies setzt er durch, daß ih111nicht Makedonien als Provinz zuhillt, sondem daß er die des Decimus Brutus durch die lex de permutatüme provil1ciarum erhält. (jallia Comata soll später hinzugefLigt werden. In der Tat en"eicht Antonius dadurch eine Stellung, die dem außerordentlichen imperium Caesars vergleichbar ist. Die Verschwörer dagegen befinden sich nach Ciceros DafLirhalten ganz und gar in der (jewalt des Antonius. Sie selbst sind ohne festen Plan und zu schwach fLir Auseinandersetzungen mit den Caesmianem. 1m September hat sich Ciceros Haß auf Antonius bedeutend gesteigert.

Antonius ist in der Sicht Ciceros von Anfang an ein (jegner, der bereits gehihrlicher als Caesar ist. Denn Caesar war rur ihn erst allmählich vom Despoten zum rex geworden, Antonius aber tritt seiner Meinung nach die Königshe11'schaft als Erbe an.

Er ist damit in Ciceros Augen schon zu Beginn der Auseinandersetzung ein ganz anderer Feind. Die Dimensionen des Kampfes haben sich rur Cicero im Jahre 44

V.

ChI'.

im Vergleich zum Jahr 49 v. ChI'. wesentlich verschoben. Man bekämpft nicht mehr einen Standesgenossen, der zum Despoten zu werden droht, sondem einen Feind, der die Absicht hat, die Nachfolge in der Monarchie anzutreten.

1111 Vgl. Att. XIV 13,626. April 44 v. Chr.: Redeo enirn ad miserum seu nuIIarn pofius rem puhlicarn. Cicero herichtet im folgenden von einem Brief des Antonius wegen der Begnadib'Ung des Sextus Cloelius. Antonius sei fürchterl icher als Caesar und glauhe. ihm sei alles erlauht. 111 Att. XIV21,211. Mai44v.Chr.

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Dieser schon unverhältnismäßig große Haß auf Antonius ist aber vielen Zeitgenossen geradezu unverständlich, ebenso vielen heutigen Porschem. 112 Die Verschwörer wollten schon am 15. März Antonius rur sich gewinnen. M. Brutus hatte den reinen Tyrannen1110rd gefordert. Als hochadliger l1ohi!is will er sich mit Antonius, der aus altem Adelsgeschlecht stammt, noch im Jahr 43 einigen. 113 Die (jefahr sieht er vielmehr in Octaviall. Dieser aber sucht, Cicero auf seine Seite zu ziehen.

1m November en"eichen Cicero, der noch immer unentschlossen ist, was er tun soll, immer drängendere Briefe des Octavian.

Zuerst hatte Cicero die Ankunft des jungen Caesarerben wenig interessierL I14 Trotzdem hatte er es nicht unterlassen, dessen einzelne Handlungen zu verfolgen. Er argwöhnt ständig Konflikte zwischen Octavian und Antonius, vor allem als er erGihl1, daß Octavian sein Erbe antreten will. I15 Zudem wendet sich Octavian bald, im April 44 v. Chr., an den berühmten Consular. 116 Zu diesem Zeitpunkt aber glaubt Cicero, daß der

112 Wie man sich den HaLl Ciceros auf Antonius schlüssig erklären soll. hleiht in der Forschung rätselhaft. Nach Chr. Hahicht. ebenda. S. 95. reagiert Cicero im Dezemher schließlich ohne hinreichenden Gmnd so extrem. Damit sei der Bruch vor allem Cicero anzulasten. Er sieht ihn geradezu besessen von der Idee . .• daLl Antonius. weil er ihn haLlte. ehen damm auch der Erzfeind der repuhlikanischen Verfassung und Freiheit sei.". S. 96. Heftige Kritik findet Hahicht mit seiner Deutung hei M. Bernett. Causarum cognitio: Ciceros Analysen zur politischen Krise der späten römischen Repuhlik. Stuttgartl995. S. 225f.; diese sucht Ciceros Handeln aus der politischen Lage heraus zu erklären. Cicero reagiere nur auf die Faktoren der Politik. so auf Octavian und dessen Privatarmee. Nach M. Fuhrmann. ehenda. S. 282. prallen in der Auseinandersetzung zwischen Cicero und Antonius zwei verschiedene Standpunkte aufeinander. hei der .• die Kategorien des Antonius den tatsächlichen Gegehenheiten näher" kamen ..•während Cicero sein in der groLlen Vergangenheit der Repuhlik wurzelndes Wunschdenken für die Wirklichkeit nahm." Dieses spezielle Problem. wie man Ciceros Stellung zur res puhlica im Jahre 44 v. Chr. bewerten muLI. wird hier auf S. 54fT". und S. 94f. in der vorliegenden Untersuchung näher hetrachtet. 111 Die anderen /lohifes hatten Antonius nach der Ermordung aufgesucht und auch weiterhin als Gesprächspartner innerhalh der Gesellschaft akzeptiert. Vgl. auch ad Brutum 1,16,4 Anfang Juli 43 v. Chr.: Brutus fi"ab>t Cicero sogar. worauf sein persönlicher HaLl auf Antonius hemhe: Quod aufem fihi cum A/lfo/lio privafim odium? Cicero dagegen schildert Antonius nicht nur in den Philippicae. sondern auch in seinen Briefen anderen /lohifes gegenüher stets u.a. als !{Iadiafor. trinksüchtig und untahig. Reden zu halten. vgl. farn. Xll 2,1 25. September 44 v. Olr. an Cassius und farn. Xll 25,4 19. März 43 v. Chr. an Cornif1cius. 11 4 Amll. April 44 v. Chr. fragt er Atticus. wie die Ankunft des Caesarerhen verläuft. oh ein Umsturz zu erwarten sei. Att. XIV 5,3: Sed velim scire qui adve/lfus Ocfavi. /lum qui CO/lcursus ad eum. /lum quae vetmEplapo( suspicio. Doch schon einen Tag später interessiert ihn Octavian nicht mehr. Att. XIV 6,1:

J....'am de Ocfavio susque deque 11 1

Att. XIV 10,319. April 44 v. Chr: ... ilIum lIeredifafem adifun/m. sed. uf scnNs. pt.{!gep.lvma!{/lam

cum A/lfo/lio 11(' Att. XIV 11,2 21. April 44 v. Oll'.: Modo ve/lif Ocfavius. ef quidem i/l proximam vilIam Pllilippi. milli fOfus dedifus. Vgl. Att. XIV 12,222. April 44 v. Chr.: J....'ohiscum lIic per/w/lon/ice ef peramice Ocfavius.

Seine Umgehung nennt Octavian bereits Caesar. doch Cicero kann sich dazu nicht überwinden.

40

Caesarerbe au [grund seiner Umgebung kein "guter Bürger" sein kÖllne. l17

Doch

langsam beginnt Cicero auch gute Seiten an Octavian zu sehen. Auf jeden Pali will er ihn von Antonius trennen. 118 1m Oktober setzt er bereits große Hoffhungen auf ihn. 119

T111nächsten Monat erhält Cicero von Octavian ständig Nachricht über dessen Pläne und Erfolge. Der Caesarerbe blingt die Veteranen durch großzügige Zahlungen au[seine Seite, er plant offensichtlich, wie Cicero meint, den Krieg mit - dem COllsul! - Antonius. Sogar zwei Legionen des Consuls Antonius laufen zu ihm über. Cicero aber zögert, wem er sich anschließen soll. Noch ist er unsicher, ob nicht Antonius der Stärkere ist. Dazu hat er Bedenken wegen des Namens und des Alters des Caesarerben. Dieser aber sucht nun, eine fLihrende Rolle im (jeschehen einzunehmen, und wartet auf Ciceros Mithilfe. Cicero rät ihm, nach Rom aufzubrechen. (jleichzeitig wünscht er sich M. Brutus herbei. no Er ist ratloser als je zuvor. Doch die energische Aktivität Octavians beeindruckt ihn sehr, gerade im (jegensatz zu den Caesal111ördem. Er ignoriert dabei, daß Octavian als Privatmann ein Heer von Veteranen angeworben hat und es zudem gegen den höchsten Beamten fUhren will - dies ist aber ein schwerer Bruch der Verfassung. nl Statt dessen rät er ihm sogar, mit seinem Heer nach Rom zu ziehen.

11' INdem: quem lIe;:;o posse hO/wm civem. lfa multi circumsfallf. qui quidem lIosfris morfem millifallfur. lIe;:;allf haecjerri pmse. Auch in Att. XV 2,318. Mai 44 v. Chr. kritisiert er Octavius' Handeln und Umgang und zählt ihn zu denjenigen, die lieher den Krieg wollen: Sed isti omlles. quem ad modum sellfis. mm millus ofium fimellf quam /ws arma 11, Att. XV 12,210. Juni 44 v. Chr.: [11 Ocfavimw. uf perspexi. safis ill;:;elli. safis allimi. videhafurque er;:;a lIosfros ~ ifa .!i)re uf 1I0S vellemus allimafus. Sed quid aefafi credelldum sif. quid lIomilli. quid heredifati. quid JCaf'I1Z~ ma;:;lIi cOllsili esf. Vifricus quidem lIihil cellsehaf. quem Asfurae vidimus Sed fameIl alelldus esf ef. uf lIihil aliud. ah Allfollio seiulI;:;elldus BOlla illdoles./ vlilupe#y! 11 9 Fanl. XII 23,210. Oktoher 44 V. Chr.: Quid quaeris? ma;:;lIa spes esf ill eo; lIihil esf. quod /Um exisfimefur laudis ef ;:;loria causa .!acfurus. Interessant aher ist wie Cicero in diesem Moment den

Caesarerhen heurteilt. Denn Octavian handelt offenhar in seinen Augen nicht für die Repuhlik, sondern allein für seinen eigenen Ruhm. 1211 Att. XVI 8,1-2 2./3. Novemher 44 V . Chr: ... liUerae mihi ah Ocfavimw. Ma;:;lIa molifur. Vefermws perduxif ad .\"Ham sellfelltiam Plalle hoc .Ipecfaf uf se duce helIum ;:;erafur cum Allfollio, lfaque video paucis diehus 1I0S ill armis .!iJre, Quem aufem sequamur? Vide lIome/!, vide aefafem, Octavian will eine

Geheimhesprechung mit Cicero, der aher hält es für kindlich zu glauhen, daß dies geheim hleihen könnte. Quid quaeris? ducem se proji'fefur lIec 1I0S sihi pufaf deesse oporfere, Equidem suasi uf Romam per;:;eref Videfur ellim mihi ef pleheculam urhallam ef, si .lidern .!ecerif, etiam hOllos viros secum Iwhifun/s, 0 Brufe, uhi es? quallfarn erKXXptaY amiftis;' NOIl equidem hoc divillavi, sed aliquid faIe pufavi.!i)re. \\'as

will Cicero zu diesern Zeitpunkt? Es entzieht sich uns beinahe, was der Consular mit diesen Worten meint. Will er wirklich, daß der Caesarerhe, der Sohn des verhaßten Diktators, in Rom alles für sich gewinnt? Wamm ruft er gleichzeitig nach Brutus? Welche Gelegenheit verpaßt dieser? Ciceros Verweis auf die .,b'Ute Gelegenheit" deutet auf mehr als eine rhetorische Bemer'kung hin. Vgl. auch die im Inhalt ganz ähnlichen Briefe Att. XVI 9 4. Novemher 44 V. Chr. und Att. XVI 11,65. Novemher 44 V. Chr. Vgl. Anm. 280. 121 A. Heuß, Römische Geschichte, S. 225, weist daraufhin, daß der junge Pompeius dasseihe getan hatte. Doch dieser hatte durch seine Aufhalune hei Sulla eine Art der Legitimation gefunden .. ,Octavian stand

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Octavian drängt nun Cicero, emeut die res puhlica zu reUen. In Die Erfolge, die er eningt, bringen Cicero dazu, nach Rom zu kommen. Dabei muß er Antonius ausweichen. Dennoch ist er sich im unklaren darüber, wen er bevorzugen soll. In Einerseits beHirchtet er, daß Octavian den acta Caesaris gegen Brutus noch mehr (jewicht geben wird, andererseits Hirchtet er den bei einem Sieg unerträglichen Antonius.

Cicero will also abwarten und Octavian keine Unterstützung vor Jahresbeginn geben. Seine Bedingung aber ist, daß sich der Caesarerbe gegenüber den Caesanllördem sehr freundlich verhält. 124

Zu Beginn des Dezembers steht Cicero der politischen Situation sehr schwankend gegenüber. Zwischen ihm und Antonius he11'scht offene Feindschaft. Die Caesanllörder sind in seinen Augen zu schwach. Obendrein haben sie Italien verlassen. D. Brutus hält sich in seiner Provinz (jallia Cisalpina auf. M. Brutus und Cassius sind in den Osten abgereist. Nur der Caesarerbe beeindruckt ihn mit seiner regen Tätigkeit. Doch er kann ihm aufgrund seiner Herkunft und seines Alters nicht vertrauen. Cicero hom, daß M. Brutus die Initiative ergreifen wird. Trotzdem kehl1 erjetzt von seinen Landgütemnach Rom zurück, ummiUen im möglichen (jeschehen zu stehen. Bis zum Jahresanfang will er noch abwarten.

Inzwischen ist Antonius von Rom aus aufgebrochen, um die Provinz (jallia Cisalpina in Besitz zu nehmen. Dort aber ist D. Brutus nicht bereit, seine Provinz Antonius trotz des rechtsgültigen (jesetzes zu übergeben. Als Cicero über diese Absichten des D. Brutus am 9. Dezember in Rom sichere Nachrichten erhält, schöpft er neue Hoffnung. Er schreibt sofort einen Brief, worin er ihn zu seinem Tun, obwohl es allein und mußte deshalh zum Auti"ührer und Hochverräter werden. zumal als er mit seinen Tmppen nach Rom ZOg." 122 Att.~XVI 11,65. Novemher 44 v. Olr. Cicero ist hier noch voller Vorhehalte gegenüher dem Caesarerhen. 121 Att. XVI 14,112. Novemher 44 v. Chr.: valde fihi adsenüor. si muffum pmsif Octavianus. muffo jirmhls acta fyranni comprohafum iri quam in Telluris. atque id confra Brufum .llJre. Sin aufem vincifur. vides infoIerahiIem Anfonium. uf quem velis nescias

124 Cicero ist zu dieser Zeit üher eine Volksrede des Octavian empört. hei der dieser auf das Standhild seines Vaters gewiesen und geschworen hatte. die gleichen Ehrungen wie dieser zu erlangen. vgl. Att. XVI 15,3 Anfang Dezemher 44 v. Chr.: M'qö' ~7JV ./1r) ,erow(mv:' Cicero will erst ahwarten. wie sich der Caesarerhe weiter verhalten wird.

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gegen das (jesetz verstößt, el111utigt. D. Brutus soll in Erinnerung an die Iden des März den Staat rur immer von der königlichen (jewalthenschaft befreien. 125 Noch weiter geht Cicero in einem kurze Zeit später folgenden Btief: Da es um die Freiheit des römischen Volkes gehe, soll D. Brutus auch ohne El111ächtigung durch den Senat von sich aus handeln. Er vergleicht das Handeln des D. Brutus mit der ptivaten und eigenmächtigen Initiative des jungen Octavian - er verschweigt oder nimmt vielmehr gar nicht wahr, daß Octavian durch seine Taten genauso fem von der Verfassung steht. Der Wunsch des Senats, so schreibt Cicero, müsse genug sein, wenn die ausdrückliche El111ächtigung aus Furcht unterbleibe. 126 D. Brutus soll also den Wunsch des Senats, der nicht handeln kann, selber erahnen und durchsetzen, wie er es schon einmal an den Iden des März getan hat.

Am 20. Dezember, gerade zur Senatssitzung, triffl eine offizielle Nachricht des Decimus Brutus in Rom ein, daß er Antonius seine Provinz nicht übergeben wird. In Cicero ergreift die (jelegenheit und hält seine dritte Philippica vor dem Senat. Noch am selben Tag folgt eine Rede Ciceros vor dem Volk.

Mit diesen beiden Reden hat der offene Kampf zwischen Cicero und Antonius begonnen. Cicero sieht jetzt nur noch die Möglichkeit zwischen Knechtschaft oder Freiheit. Die Freiheit aber muß man durch den bewaffneten Kampf gegen Antonius, mit 121 Farn. XI 5,1-3 9. Dezemher 44 v. Chr : ... ea de fe cO!{lwvi quae maxime opfaham. Qua re Iwrfafiolle fu quidem /Um e;:;es. si lIe ill ilIa quidem re quae a fe ;:;esfa esf posf homimlm memoriam maxima Iwrfaforem desiderasfi; ilIud fameIl hrevifer si;:;lIiji"cal1dum videfur. populum Romamlm omllia a fe enpectare afque ill fe aIiqualldo reciperal1dae liherfafis omllem spem pOliere. Brutus soll Tag und Nacht an seine Tat an

den Iden des März denken und sich dabei daran erinnern. daß Antonius nicht in den Besitz von Gallia Cisalpina gelangen darf. Denn sonst sieht Cicero keine Hofthung mehr auf Rettung: Quam oh rem fe ohsecro. isdem precihus quihus sellafus populusque Romallus. uf ill perpe!uum rem puhlimm domillafu re;:;io liheres. uf prillet/iiis comellfiallf exifus. Tuum esf hoc mUllus. fuae parfes; a fe hoc civifas. vel omlles pofius ;:;ellfes. /Um enpecfallf solum sed efiam posfulallf. So lastet nun nach Ciceros \Vorten eine

ungeheure Verantwortung auf den Schultern des Verschwörers als Einzelpersorl. Der Consular aher verspricht. sich ganz und gar für den Ruhm des D. Brutus in Rom einzusetzen. 12(' Farn. XI 7,2 Mitte Dezemher 44 v. Chr.: CapuJ aufem esf hoc. quod fe dili;:;ellfissime peret/iere ef memillisse volumus. uf lIe ill liherfafe ef salufe populi Romalli collservmrda auctorifafem sellafus enpecfes /Umdum liheri. lIe ef fuum ./actum cOlldemlles (mdlo ellim puhlico cOllsilio rem puhlicam liheravisfi. quo e!iam esf res ilIa maior ef cIarior) ef adulescellfem. vel puemm pofius. Caesarem iudices fernere '/ecisse qui fallfarn musam p uhlicam primfo collsilio susceperif. dellique homilles rusficos sed jiJrfissimos viros civisque opfimos demellfis ./uisse iudices. primum milifes vefermws. commilifO/ws fuos. deillde Ie;:;iollem Marfiam. le;:;iollem quarfam. quae suum cO/rsulem hmfem iudicavenurf seque ad salufem rei puhlicae dejelldelldam cOllfuIenurf. Volwrfas sellafus pro aucforifafe hahen' dehe!. cum aucforifas impedifur mefu. Im ührigen könne Bmtusjetzt durch sein hisheriges eigenmächtiges Handeln

nicht mehr zurück. 12' Fanl. XI 6" 20. Dezemher 44 v. Chr.

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dem ein Friedens schluß unmöglich ist, eningen. Denn dieser ist der Feind des römischen Volkes und will die res puhlica vemichten. Als Träger der Handlung erscheinen D. Brutus und Octavian. Das Vorgehen beider soll legalisie11 werden. 128 Indem D. Brutus die Herausgabe seiner Provinz verweigert hat, habe er zu Recht erkannt, daß Antonius kein Consulmehr isL 129 Die Verteilung der Provinzen vom 28. November durch Antonius soll ungültig sein. Dazu soll das Handeln der von Antonius dem Consul - zu Octavian abgefallenen Legionen anerkannt werden. Für alle Beteiligten fordert Cicero Ehrungen. Er, der im Kampf gegen Caesar stets zum Frieden, unter welcher Bedingung auch immer, gemahnt hatte, betreibt also offen den Bürgerkrieg. Dazu verletzt oder ignoriert er die Verfassung der res puhlica, indem er die Legalisierung von Verfassungsbrüchen durch den Senat fordert. Seine Vorschläge werden vom Senat akzeptie11, allerdings wird Antonius nicht zum hostis erklärt.

Auch rur Cicero selbst bedeutet dieser Tag eine Zäsur in seinem Handeln. Er ruhrt die Bürgerschaft nun zur FreiheiL l30 Die Freiheit muß gegen den 1atm, den Feind der res puhlica, Antonius verteidigt werden. Dieser hat als Consul, wie Cicero später sagt,

alle Rechte verloren, da er die res puhlica angreife. 131 Lihertas wird nun Ciceros Credo.

So sieht man zu Beginn des Jahres 43 v. ChI'. die Situation Ciceros im Vergleich zu der bei Ausbruch des Bürgerklieges zwischen Caesar und Pompeius ganz und gar verände11. Cicero wird nun selber zur bestimmenden Pm1ei des Bürgerkrieges. Dabei fordert er am lautesten den Klieg gegen Antonius. Vorher war seiner Meinung nach der Frieden, unter welcher Bedingung auch immer, dem Krieg vorzuziehen. Er hatte geglaubt, daß jeglicher Bürgerkrieg die res puhlica zerstören würde. Doch jetzt, im Winter 44/43 v. Chr., muß rur ihn die Freiheit durch Krieg gegen die Königshe11'schaft wiedergewonnen werden 12, Vgl. Phil. 33-6: Quo ellim usque fallfum helIum. farn crudeIe. farn lIe/arium privatis comifiis propuIsahifur? Cur mm quam primum puhfica accedif aucforifas? (Phil. 33).

129 Phil. 3.12: Dies hegliindet Cicero mit dem unerträglichen Wesen und Handeln des Antonius: cum aufem esf omllis servifus misera. fum vero illfoIerahife esf servire impuro. impudico. e!/emilUJfO. lIumquam lIe ill mefu quidem sohrio. HUllc iRifur qui GaIlia prol!ihef. privafo praeserfim cOllsilio. iudicaf verissimeque iudicaf /Um esse cOlIsuIem. Die private Initiative steht also üher den Gesetzen. wenn man den Consul nicht

als solchen anerkennt. Aher auch schon diese Beurteilung des höchsten Beamten hemht auf einer eigenmächtigen Entscheidung des einzelnerl. 1111 Phil. 4.16; vgl. farn. xn 25,219. März 43 v. Chr.: ERO quo die primum ill .\pem liherfatis illRressus sum ef cwrcfmrtihus ceferis a. d. Xlll KaI. lall. ./iurdamellfa ieci rei puhlicae

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In der nächsten Sitzung des Senats, am 1. Januar 43 v. Chr., begegnet Cicero dem Widerstand derer, die den Ftieden wollen. Sie fLihren Verhandlungen mit Antonius. Dieser ist inzwischen nach (jallien gezogen und belagert D. Brutus in Mutina. Octavian zieht gleichzeitig zur Unterstützung des Brutus d011hin. Man stellt nun in der Senatsversammlung den Antrag, eine (jesandtschaft zu Antonius zu schicken. Denn dieser sei zum Ftieden bereit.

Cicero sucht durch die fLinfte Philippica, den Widerstand gegen seine Politik zu brechen. Er fordert, daß gegen Antonius, der schlimmer sei als Cinna, Sulla oder Caesar, der Staatsnotstand, ein sel1atus cOl1sultum ultimum, beschlossen wird.

Weiterhin fordert er vor allem, daß die Verteidigung der Provinz (jallien durch D. Brutus und Octavian anerkannt wird. Für den adulescel1s divil1us aber, dennoch nicht zwanzig Jahre alten Octavian, verlangt er die propraetorische (jewalt, die Lockerung der m und begründet dies - was gegen die leges amwles und die Aufnahme in den Senat Verfassung verstößt - mit der Notwendigkeit der augenblicklichen Lage. 133 Die politische Lage dient ihm hier zur Legitimation seiner Forderungen und seines Konzeptes gegen Antonius.

Die Ehrungen werden beschlossen. Der Senat erlaubt dem Caesarerben, sich entgegen den leges amwles um Ämter zu bewerben, als ob er al1I10 superiore quaestor 134 jitisset. Ebenso wird er, wie Cicero gefordert hat, zum Senator durch Kooptation des Senats gemacht! 135

111 Vgl. Phil.IO.l2: Omlle ellim

ef

exercifus

ef

imperii ius amifüf is qui eo imperio

ef

exercifu rem

puhlicam 0ppu!{lIaf

112 1m größten Maße unterscheidet sich in Phil. 5.4211: die Schildemng Octavians von der in den Briefen an Atticus. Eine Gottheit hahe den Jüngling gesandt um den Staat vor Antonius zu retten. Seine Jugend wird hier durch seine virfus ausgeglichen. Denn er sei ganz und gar anders als sein Vater Caesar veranlagt. Auf Octavian ruht nach Ciceros Worten die Hoffnung auf Freiheit. Der Consular verhür!o>1: sich sogar für ihn: promiUo. recljiio ..\polldeo. pafres cOlIscnjiü. C. Caesarem falem semperjiJre civem. qualis Iwdie esf. quaIemque eum maxime velle esse ef opfare dehemus (Phil. 5.51~ 111 Phil. 5.45: ... ad lIecessifafem remm !{erelldamm

114 V(d. J. Bleicken. Lex puhlica. S. 497ft·. 11 1 Vfd. dazu hier S. 58.

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Doch gleichzeitig wird die (jesandtschaft an Antonius losgeschickt.1 36 Von nun an sind die Philippicae Ciceros dadurch bestimmt, seine Kriegspolitik im Senat zu rechtfertigen und durchzusetzen. Immer wieder fordert er den Krieg gegen Antonius. Er selber stellt seinen früheren Wunsch nach Frieden in einen großen (jegensatz zu seiner jetzigen Haltung. So macht er die Notwendigkeit des Krnnpfes gegen den Caesarianer nur noch eindringlicher. 137 Die (jesandtschaft scheitert zwar, wie von Cicero gewünscht, doch die Mehrheit des Senats zieht noch immer eine vorsichtigere Politik vor. Die Senatoren wehren sich nicht gegen Ciceros Vorstöße, weil sie die Tllegalität seines HandeIns erkennen, sondem weil er sich ihnen zu unvorsichtig und heftig auf die Seite einer Partei gestellt zu haben scheint.

Da bringt emeut die Nachricht von einem der Verschwörer Cicero neuen Handlungsspielraum rur seine Politik. M. Brutus war im August 44

V.

ChI'. nicht zu

seiner politisch unbedeutenden Statthalterschaft nach Kreta abgereist, die Antonius ihm aufzwingen wollte, sondem nach Athen. Er okkupierte im folgenden die ihm nicht zuerkannte Provinz Makedonien und schuf sich ohne Auftrag des Senats ein Heer. Der Statthalter von Makedonien, Hortensius, unterstellt sich ihm. Die Nachrichten davon gelangen im Februar 43 v. ChI'. nach Rom. Der Consul Pansa stellt den Antrag, das Schreiben des Brutus als ordnungsgemäß anzuerkennen, doch nun solle Brutus den Oberbefehl niederlegen. Dies will Cicero verhindem. In der zehnten Philippica sucht er so emeut, ein nicht verfassungsgemäßes, eigenmächtiges Handeln zu legalisieren. Die Stellung des Brutus soll anerkannt werden, indem ihm nachträglich die proconsularische (jewalt mit Finanzhoheit und Oberbefehl über die Truppen übertragen wird. Der Senat beauftragt M. Brutus daraufhin mit dem Schutz von cUl1cta Graecia, Macedonia und TlI)Ticum.

Inzwischen hegt Cicero aber zudem die Hoffnung, daß auch Cassius den gleichen Erfolg wie Brutus en'ungen hat. Auch dieser hatte die unbedeutende Cyrenaica als Provinz abgelehnt und war statt dessen nach Syrien aufgebrochen. Ohne im Besitz 11(' Farn. XII 4,1 2. Fehruar43 v. Chr.: Cicero äußert sich sehr negativ zu der Gesandtschaft. Phil. 7,71L ... e;:;o ilIe. dicam saepius. pacis semper Iaudafor. semper aucfor. pacem cum M. Allfollio

Ir

cur i;:;ifur pacem lIoIo? quia furpis esf. quia periculosa. quia esse mJ/! pofesf (Phil. 7,8-9). Im folgenden hegliindet Cicero dies, um fortzufahren: lIec e;:;o pacem 11010. sed !!acis lIomille helIum

esse 11010

illvolufum rejiJrmido. Qua re. si l!ace .Irui volumus. helIum ;:;erelldum esf; si helIum omiffimus. pace lIumquamjruemur (Phil. 7,19).

46

verbürgter Nachrichten darüber zu sein,138 was der Caesal111örder dort e11'eicht hat, [ordert Cicero in seiner elften Philippica rur Cassius die Anerkennung der s)Tischen Statthalterschaft, den Oberbefehl über die Truppen, die Finanzhoheit und ein imperium maius in Asia, dazu in der Provinz BithYl1ia et

[-JOl1tus.

Er kann im Senat mit diesen

Porderungennicht durchdringen. Doch Cicero schreibt an Cassius, wie er diese Politik in einer Rede vor dem Volk fortgesetzt hat. Er [ordert ihn auf, nach seinem eigenen Beschluß - also ohne die Bevollmächtigung durch den Senat - den Staat zu verteidigen. Denn er habe der Volksversammlung versprochen, Brutus werde nach seiner Al1 (tuo more) - er spielt damit auf die Iden des März an - den Staat verteidigen, ohne die

Beschlüsse des Senats abzuwarten. 139 Wie kurze Zeit zuvor D. Brutus fordert Cicero nun auch Cassius auf, selbst zu entscheiden, was der res puhlica nützt. Die Imperatoren fem von Rom sollen allein ihre Entscheidungen treffen, ohne Bevollmächtigung durch den Senat. 140

Das Handeln sua auctoritate et privato col1silio zur Rettung der res puhlica ist rur Cicero nun legitim. Brutus und Cassius sind sich nach den Worten Ciceros ihr eigener Senat. Denn sie wissen ja, was der Senat will. Weil sie die Wünsche des Senats kennen, müssen sie nicht die offiziellen Beschlüsse abwarten. Sie gehorchen dem (jesetz der Natur, dem (jesetz Iuppiters, das über das der Menschen hinausgeht. So ist ihr Handeln rechtmäßig. 141 m Cicero hält die I!. Philippica in der 2. Fehruarhälfie 43 v. Chr. Vgl. dazu fanl. XII 5,1 Fehruar 43 v. Chr.: Hier sieht er seine Partei schon im Besitz der Westküste Griechenlands his Ägypten durch optimorum eivium imperiis. Erst später edlält Cicero von Cassius Nachricht üher seine Erfolge in Syrien. Vgl. fanl. XII 11 7. März 43 v. Chr. und farn. XII 12 7. Mai 43 v. Chr. 119 Farn. XII 7,27. März 44 v. Chr.: Quod aufem ef ill sellafu pfurihus verhis disserui . ' ef> dixi ill eOllfiolle. ill eo veIim .lidern meam liheres. Promisi ellim ef prope eOllfirmavi fe mJ/! enpecfasse lIee enpecfafun/m deerefa lIosfra. sed fe I/i.wm fuo more rem puhlieam de/ellsurum, Ef quamquam lIillifdum audieramus lIee uhi esses lIee quas eopias Iwheres, fameIl sie sfafueham, omllis quae ill iSfis partihus essellf opes eopiaeque fuas esse, per feque Asiam provillciam colI/i'deham iam rei puhfieae reCl/!erafam Tu/ac ill au;:;ellda ;:;foria fe I/isum villeas

1411 Dieses Konzept hleiht nun tragend. Mehr als ein Jahr später stellt er Cassius erneut im Senat als einen Feldherren dar. der erst gar nicht die Beschlüsse des Senats ahwartet. ad Bmtum 2,4,2 n. April 43 v. Oll'.: De Cassio faefor ef rei puhlicae ;:;rafufor, milli etiam qui repu;:;lIallfe ef ira~eellfe Pallsa sellfellfiam dixerim uf Dofahellam hello Cassius persequefur, Ef quidem audacfer dieeham sille lIosfro se/wfus eomulfo iam ilIud eum helIum ;:;erere, Damit will er den Senat in Zugzwang hringen. aher offensichtlich können sich alle lIohifes ein solches Handeln des Cassius vorstellen. 141 Phi1.II.27: lIam ef Bn/fus ef Cassius muftis iam ill rehus I/ise sihi se/wfus .filif, lIeeesse esf ellim ill fallfa eOllversiolle ef perfurhatiolle omllium rerum femporihus potius parere quam morihus, lIee ellim mille primum auf Bn/fus auf Cassius safufem liherfafemque pafriae k;:;em sallcfissimam ef morem optimum iudieavif lIum i;:;ifur Bn/fus exsl!ecfavif deerefa lIosfra, eum sfudia IltA1'Sef? lIeque ellim esf ill provlllewm .wam Crefam pro/ecfus, ill Maeedolliam aliellam advofavif; omllia sua pufavif, quae vos vesfra esse velifis Im folgenden herichtet Cicero also. wie Bmtus und Cassius von fremden Provinzen

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Immer wieder betont Cicero in den Philippicae, daß Frieden mit Antonius Knechtschaft bedeute. In den Briefen des Jahres 43 v. ChI'. sind rur ihn die Kämpfe bei Mutina entscheidend. 142 Auch hier sucht Cicero, seine Briefpartner

VOll

der zwingenden

Notwendigkeit des Klieges gegen Antonius zu überzeugen. Antonius und seine Anhänger sind eine Räuberbande,1 43 gegen die Krieg gefLihrt wird. Jetzt, wo Cicero selber Pat1ei im Bürgerkrieg geworden ist, spricht er nicht mehr Bürgem gegen Bürger, sondem

VOll

VOll

einem Krieg von

einem Kampf gegen Feinde der res puhlica. 1m

März greifl er Lepidus und Plancus , die beide in einem Bt;efan den Senat zum Ptieden mit Antonius geraten haben, heftig an. 144 Bis zum Jahr 46 v. ChI'. hat Cicero noch den Frieden unter jeder Bedingung einem Krieg gegen den übel111ächtigen Einzelnen vorgezogen, nun kann nach seiner Meinung nur noch der bewaffnete Kampf gegen die Feinde die res puhlica bewahren.

Zur gleichen Zeit muß Cicero seine Politik des unbedingten Krieges gegen M. Antonius und die übrigen Caesarianer vor M. Brutus rechtfet1igen. Deutlich wirft er ihm vor, daß Antonius an den Iden des März verschont wurde. Kraß stellt Cicero die Milde des Brutus gegen sein eigenes, neues Denken: Brutus will vor allem den Frieden, der aber durch Reden und Verhandlungen nicht e11'eicht werden kann. Cicero will die Freiheit, die es allein im Frieden gibt. Doch rur ihn kann der Frieden nur durch Krieg Besitz ergriffen hahen. Dies sei nach dem .,natürlichen Gesetz". d. h. nach dem Gesetz der Natur. herechtigtes Handeln: Phil.ll.28: ... Qua IeRe. quo iure? eo. quod luppl"fer I/)se sallxif. uf omllia quae rei puhlime salufaria essellf IeRifima ef iusfa Iwherellfur. esf ellim Iex lIihil aliud lIisi recfa ef a lIumille deomm fmcfa ralio. imperam IWllesfa. prohihells cOllfraria. Iwic iRifur IeRi pamif Cassius. cum esf ill Syriam pro/fcfus. aliellam prOVilleiam. si homilles IeRihus scn/)fis uferellfur. iis vero oppressis suam IeRe lIafurue. Vgl. J. Bleicken. Lex puhlica. S. 503tl·.: .,Das positive Recht und Gesetz ist damit auf ein

.,natürliches Gesetz zurückgeführt; es hat nur Gültigkeit in Bezug auf dieses Gesetz und verliert von seihst seine Kraft. wenn es ihm widerspricht. Wo die Verteidiger des 'natürlichen' Gesetzes auftreten. ist die res puhlim. anderswo nicht. Die Handlungen der Vertreter dieses Gesetzes gliinden sich zwar nicht auf (positives) ius und (positive) lex. aher sie sind doch IeRifimum und iusfum: Die Legitimität steht üher der Rechtskonformität der Handlung.". S. 505; vgl. dazu Anm.I77. 142 Farn. Xli 5,2 Fehmar 43 v. Chr.: Quamquam. lIisi me.!aIIehal. res se sic Iwhehaf uJ fofius heIli omlle discrimell ill D. Bmfo posifum viderefur... \\'enn D. Brutus aus Mutina aushrechen könne. hliehe nichts mehr vom Krieg ührig; vgl. ad Brutum 2,2,211. April 43 v. Chr. In diesem Brief ist Cicero in grol.\er Sorge um D. Bmtus. 141 Cicero äul.\ert sich jetzt nur noch sehr polemisch zu Antonius und seinen Anhängern. Stets sind sie nur lafnmes oder lwsfes. die durch ihre Verhrecllen aul.\erhalh des Staates stehen. 144 Fanl. X 6,1 20. März 43 v. Chr.: (Der angesprochene Plancus ist der Statthalter der Gallia Comata). Pacis ellim aucfor eras. cum collIeRa fuus. vir cIarissimus. ajiJedissimis lafnmihus ohsiderefur; qui auf posifis armis pacem pefere dehellf auf. si pU!{lwllfes eam posfulallf. vicforia pax. mm pacfiolle. pariellda esf. Vgl. zu Plancus S. 82ft: Vgl. farn. X 27,1-2 20. März 43 v. Chr. (an Lepidus): ... sill isfa pax perdifum Iwmillem ill possessiollem impofellfissimi domillalu.\" resfifura esf. hoc allimo selfo omllis salltA\" uf morfem servifufi allfepollallf. lfaque sapiellfius meo quidem iudicio .!acies si fe ill isfam paClji"cafiollem mm illferpolles. quae lIeque sellafui lIeque populo lIec cuiquam hO/w prohafur

48

herbeigefLihrt werden. Den Kampfes111ut derer, die den Kampf [orderten, habe seine eigene Partei unterdrückt. Deshalb lobt erjetzt ausdrücklich das eigenmächtige Handeln Octavians. Dieser hat,

VOll

einem (jott gesandt, alle vor der (jewalt des verworrensten

aller Menschen Antonius gerettet. 145 Er lobt an M. Brutus vor allem des.."len Okkupierung der Provinz Makedoniell. Nie war die Begeisterung so einmütig und so groß. Er wamt ihn im folgenden eindringlich vor Milde in der KriegfLihrung, die jetzt nicht am Platze sei. Denn in dem Krieg gegen Antonius gehe es um ihre bloße Existenz. 146 Diese (jedanken unterscheiden sich völlig von seinen Äußerungen im pompeianischen Bürgerkrieg. Noch deutlicher wird der (jegensatz zwischen M. Brutus und Cicero im folgenden Btief: Brutus hatte offensichtlich Cicero gegenüber geäußert, daß eher der Bürgerkrieg vel111ieden werden müsse, als daß Jähz0111 gegenüber Besiegten ausgeübt werde. Er spielt damit auf seine Behandlung des C. Antonius an. Doch nach Ciceros Meinung wird es immer wieder Bürgerkrieg geben, wenn man milde iSt.

147

Tatsächlich wird Antonius bei Mutina in einer Doppelschlacht am 21. April 43 v. ChI'. besiegt. Doch die Republikaner verlieren die beiden Consuln, und Antonius kann Oiehen. 148 Am 26. April wird er zum hostis erklärt. Immer wieder fordet1 Cicero nun

141 Cicero äußert sich in diesem Brief zur Gesamtlage des Krieges. was sich zu einer Erörterung der gl1lndsätzlichen Standpunkte Ciceros seihst und des Brutus ausweitet. ad Bl1ltum 2,5,1-216. April 43 v. Chr.: Recellfi ilIo fempore fu omllia ud pacem. quae oraliolle cOIl/ici mJ/! poferaf. e;:;o omllia ud

liherfafem. qua sille pax lIulla esf; pacem ipsam hello afque armis e//ici posse arhifrahar; sfudia mJ/! deerallf arma poscellfium. quon/m repressimus impefum ardoremque resfillximus. lfaque res ill eum locum velleraf uf. lIisi Caesari Oetavimw deus quidam ilIam mellfem dedisset. ill pofesfafem perdifissimi homillis et furpissimi M Allfolli vellielldum.!iwrif. quocum vides hoc fempore ipso quod sif quallfumque cerfamell; id pm/fcfo lIullum esset. lIisi fum cOllservalus esset Allfollius 14(' Cicero ist aufgebracht üher die milde Behandlung des C. Antonius durch Bl1ltus. Der Caesarmörder hat in einem Schreihen an den Senat sogar dessen Proconsulat anerkannt. Cicero ist sich ganz und gar unklar daliiher. wie er auf dieses Handeln des Caesarmörders reagieren soll. vgl. ad Bl1ltum 2,5,3-516. April 43 V. Chr.: "lullc fuum esf collsilium. Bn/fe. de fofo ;:;ellere heIli. Video fe lellifafe deketari et eum pufare

/rucfum esse maximum. praecIare quidem. sed aliis rehus. aliis femporihus locus esse sold dehetque elemellfiae lIec quicquam aliud decemifur hoc hello lIisi ufn/m simus lIeclle. ad Brutum 2,5,5. Vgl. dazu

S.71ft: 14' ad Brutum 1,2",217. April 43

V. Chr.: Vehemellfer a fe. BruJe. dissellfio lIec elemellfiae fuae cOllcedo. sed salufaris severifas villclf illallem speciem elemellfiae; quod si elemellfes esse volumus. lIumquam deenlllf hella clvilia. Dies hekräftigt er wenig später noch einmal mit der Meinung des Senats und des

Volkes. ad Bl1ltum 1,3,321. April 43 V. Chr. Immer wieder kritisiert er die Milde des Bl1ltus. vgl. ad Bl1ltum 1,2,320. Mai 43 V. Olr. 14, Farn. X 14,1-25. Mai 43 V. Chr.: Afque diam Iwsfihus/i/sis .\pes omllis esf ill fe;.!i/;:;isse ellim ex proeIio Mufillellsi dicrmfur ,wfissimi lafnJ/!um duces scillfilla faderrimi heIli relillquafur,

[11 ilIam i;:;ifur curam illcumhe, mi Plallce, uf lIe quae

49

dazu auf, Antonius endgültig zu vemichten. 149 Innerhalb kurzer Zeit ist Antonius aber wieder im Besitz eines Heeres. Cicero fUhrt einen regen Btierwechselmit L. Munatius Plancus, dem Statthalter der (jallia Comata und designierten COllsul, über das (jeschehen in Mutina. Auch ihn [ordert er im Mai 43 v. ChI'. auf, keine Befehle

V0111

Senat zu erbitten, sondem eigene Entscheidungen zu treffen. Er solle - wie die Caesal111örder - sein eigener Senat sein. 150 Für Brutus stellt er im Senat den Antrag, es solle in seiner Entscheidungsgewalt liegen, was rur die res puhlica nützlich sei und was nichL

I51

Tm Mai gerät der aus Mutina befi"eite D. Brutus emeut in eine bedrängte Lage. Er hat keine Reiterei, keine Zugtiere, kein (jeld. 152 Er wirft dem Senat Furchtsamkeit vor. Cicero antwortet heftig auf die Vorwürfe. Er hebt die Entschlossenheit und den Mut bei Volk und Senat hervor. Er hom, daß Antonius nun nach dem Sieg der Republikaner bei Mutina gebrochen iSt. IS3 Doch bereits wenige Tage später muß er feststellen, daß der Krieg gegen Antonius wieder aufgeflammt ist. Cicero ist zutiefst resigniert. Er sieht kaum noch Hoffnung rur die res puhlica. 154 Mutina hatte überall große Erwm1ungen geweckt; die Nachticht von denneuen Kämpfen bringt Verzweiflung mit sich. 155

149 Vgl. farn. x 13,211. Mai 43 v. Chr: ... Qui ellim M Allfollium oppresserif. is helIum coll/ixerif .. So schreiht er auch an D. Brutus. farn. XI 12,1 Mitte Mai 43 v. Chr. Illl Fanl. X 16,227. Mai 43 v. Chr: ... fameIl hoc allimo esse dehes uf lIihil Ime reicias lIeve ill rehus farn

suhiüs famque allfiusüs a sellafu collsilium pefelldum pufes. Ilise fihi sis sellafus. quocumque fe raüo rei puhlieae duee! sequare. eures uf allfe .!actum aIiquid a fe efirefiium audiamus quam.!il1urum pufarimus.

Vgl. S. 82ft: zu Plancus. III ad Brutum 1,5,15. Mai 43 v. Olr.: lI·'ihil IWllori/i"eellfius pofuif.!aeere sellafus quam tl1 fuum esse! iudicium quid maxime eOlldueere rei puhlieae fihi viderefur. Ehenso hat Cicero dafür gesorb>1. daß BlUtus sich ti"ei entscheiden kann. oh er den Kampf gegen Dolahella aufhehrnen sollte. ad Brutum 1,2",117. April 43 v. Chr.: De Dolahella. uf serihis. si quid Iwhes lIovi . .!acies me eerfiorem; ill quo deIecfor me allfe providisse tl1 fuum iudicium liherum essef eum Dolahella heIli fierelldi. ld valde perfilluif. uf efio fum illfeIIefieham. ud rem puhlicam. uf lIulle iudico. ad difillifafem fuam. Vgl. S. 64ft: zu der Seihstauffassung

der Caesarrnörder. Il2 Farn. XI 13,1 Anfang/Mitte Mai 43 v. Chr. Il1 Farn. XI 18,119. Mai 43 v. Chr.: Sellafus ml1em. mi Bnl1e . .!t)rüs esf ef Iwhef.!t)rüs duces. lfaque moIesfe .!erehaf se a fe. quem omllium quieumque .!iüssellf.!t)rfissimum iudieare!. ümidum mque i{ilwvum iudieari. Neuerliche Befürchtungen des BlUtus hahen in Rom Beti"ernden erregt. doch Cicero hom auch hei einem wieder erstarkten Antonius auf das collsilium des Senats. die virfus des römischen Volkes und

auf BlUtuS. Il4 Farn. XI 14,1 29. Mai 43 v. Chr: ... plalle iam. Bmfe . ./Tifieo;P,avovellim erm meum sellafus; id iam esf dissolufum; farn. XII 9,2 Juni 43 v. Chr : ... Exi;:.,'tw ellim spes esf rei puhlieae (llam lIuIIam mJ/! lihe! dieere). sed. quaeeumque esf. ea despol1defur amw collsulafus fui III Farn. XI 12,1-2 Mitte Mai 43 v. Chr.; farn. XI 14,3 29. Mai 43 v. Chr.: Sed helIum iSfue rellafum mirallfur homilles. Nihil farn praefer .\pem umquam; lIam die fuo lIafali victoria mlllfiafa ill mulfa saecrda videhamus rem puhlieam liherafam; hi lIovi ümores refe.Hmf superiora

50

Immer wieder [ordert Cicero M. Brutus und Cassius auf, sobald wie möglich zu kommen. Selbst wenn sie erst nach dem Sieg über die Feinde eintreffen, so braucht die res puhlica dann immer noch ihre Unterstützung, um sich wieder zu erheben und zu l56 einem einigel111aßen el1räglichen Zustand zurückzufinden. Cicero glaubt immer

weniger, daß der bloße Sieg über die (jegner der res puhlica ausreicht, sondem auch dann 111üssen die Wunden im Staat geheilt werden. Es steht nicht mehr der T)Tall11 allein vor dem WiederauOeben der Republik, sondem die res puhlica ist so stark zerstört, daß sie auf jeden Pali der auctoritas der Caesal111örder zu ihrer Wiederherstellung bedarf. Ciceros Gaube an die res puhlica ist schwer erschüttert.

(jleichzeitig gestaltet sich das Verhältnis zu Octavian kompliziel1er als zuvor. Cicero hatte Octavianmit Lobreden vor dem Senat überschüttet. Dies geschah sicherlich vor allem aus Berechnung. In einem steigenden Maß erschien der Caesarerbe Cicero als ein (jeschöpf seiner Pläne und (jedanken. 157 Er betont stets aber auch, daß er seine Hoffhung neben den Bruti und Cassius auf Octavian setzt. 158 Vor Mutina kämpft Octavian rur die Republikaner. Nach dem Sieg kommen Cicero allerdings Zweifel, ob er 1% Bereits Ende März/Anfang April 43 v. Chr. schreiht er in dieser Form an M. Brutus wegen der Unsicherheit der Kämpfe hei Mutina. ad Brutum 2,1,3: ... Quam oh rem ifa fe para. Brufe. uf illfeiieRas

auf. si hoc fempore helle res Resfa sif. fihi meliorem rem puhlicam ese.!acielldam auf. si quid o//ellsum sif. per fe esse ealldam recljJeral1dam. Doch sein Ruf nach Bl1ltus wird in der folgenden Zeit immer lauter. und immer mehr verhindet Cicero M. Brutus und Cassius mit der respuhlica. farn. xn 10,3-4 Anfang Juli 43 v. Chr : ... rem puhlicam 11m Iwhere arhifrahimur. si vos Iwhehimus Persuade fihi iRifur ill fe et ill Brufo fuo esse omllia. vos exspecfari. Bmfum quidem iam iamque. Quod si. uf .Ipero. vicfi.~ IlOsfihus lIosfris vellerifis. fameIl aucforifafe vesfra res puhlica exsurRet ef ill aliquo sfmu foferahili cOllsisfef; .\'tlllf ellim permulfa quihus erif medelldum. efiam si res puhlica safis esse videhifur sceIerihus IlOsfium liherafa. Ebenso schreiht er an Bl1ltus: ad Bl1ltum 1,14,214. Juli 43 v. Olr.. vgl. hier Anm.163. Zu dieser

Zeit ist Cicero üher die politische Lage verzweifelt. Lepidus hat sich auf die Seite des Antonius gestellt. Der Krieg ist wieder aufgeflammt. Das Heer Octavians scheint ihm nicht verläßlich zu sein. Aher jeder gute Bürger wird seiner Meinung nach in das Heerlager des Brutus gehen. Sein Bild von Brutus. von dem er im Mai 44 v. Chr. angenommen hatte. daß er nur in der Volksversammlung Erfolge erzielen könnte. vgl. Anm. 86. hat sich durch dessen illegale Aktionen verändert. Brutus hat nach Cicero zweierlei Aufgahen: möglicherweise den bewaffneten Kampf gegen die Feinde des Staates. auf jeden Fall aher die \\'iederherstellung der res puhlica durch seine aucforifas. Letzteres wird in den Monaten des Bürgerkrieges zu einer zwingenden Notwendigkeit. 11' ad Brutum 1,15,6 Juli 43 v. Chr : ... fallfum dico. Ca esarem Inlllc adufescellfem. per quem udlmc sumus (.I'i vemm .!aferi volumu.l) .!luxisse ex .!imfe collsiliomm meorum. Für H. Bellen. Cicero und der Aufstieg Oktavians. Gymnasium 92 (1985). S.189. hatte zwar Octavian stets die Initiative in der Hand. doch Cicero hand den Caesarerhen an die res puhlica. 11, Farn. X 28,3 2. Fehl1lar 43 v. Chr : ... Omsufes eRreRii. praecIarus D, Brufus. eRreRius puer Caesar. de quo spero equidem reliqua; hoc veTO cerfum Iwhefo. lIisi ilIe vetermws ceferifer colIscnj!sissef leRiollesque duae de exercifu Allfolli ad eius se aucforifafem collfulissellf mque is opposifus esset ferror Allfollio. lIihil Allfollium sceIeris. lIihil crudeIifafis praeterifumm.!iüsse, Vgl. ganz ähnlich. aber sehr viel polemischer fanl. Xll 25,419. März 43 v. Chr.: Quem eRo rucfallfem ef lIauseallfem (.I'cilicef Anfolliu.l) cOllieci ill Caesaris Ocfavialli plaRas, Puer ellim eRreRius praesidium sihi primum ef lIohis. deillde

51

den Caesarerben noch so leicht lenken kann. Dennoch betont er gegenüber Brutus, daß durch den Knaben Octavian alle gerettet worden seien. 159 Aber schon wenig später erhält er beunruhigende Nachrichten über Octavian von D. Brutus: Caesar/Octavian habe nicht auf ihn gehört, seiner Meinung nach Antonius entkommen las.."len - er lasse sich überhaupt keine Befehle geben, noch könne er sein Heer behe11'schen. 160 Brutus könne ihm nicht ohne weiteres vertrauen. 161

Auch Cicero selbst wird unsicher hinsichtlich des Caesarerben. 1m Juni 43 v. ChI'. betont er Brutus gegenüber, daß es bei Mutina an Octavian nichts zu tadeln gäbe, manches aber an Hit1ius und selbst an D. Brutus. Dieser habe den waffenlosen Feind entkommen lassen. Doch Octavian, der bisher durch Ciceros Rat gelenkt wurde, ließe sich nun durch andere zur Hoffhung auf das Consulat verfLihren. 162 Dies geht Cicero viel zu weit. Er lobt, daß Octavians (jesuch abgelehnt wurde. Doch er ist durch die Aufregung in der Bürgerschaft beunruhigt. Jeder beansprucht nun so viel Macht, wie er durch seine Waffen e11'ingen kann. Nichts gilt mehr, weder Vemunft, noch Maß, (jesetz, Pflicht oder das Ansehen bei Mitbürgem oder vor der Nachwelt. Brutus und auch Cassius sollen nach Italien zurückkehren, die Hoffhung auf Freiheit ruht nur noch auf ihnen und ihrem Heer. 163

summae rei puhlicae comparavif .. Cicero und Octavian erscheinen als Verhündete im Kampf gegen

Antonius. doch der Caesarerhe hat zunächst vor allem Schutz für sich seihst gesucht. 119 Cicero herichtet Brutus von dem Sieg hei Mutina. ad Brutum 1,3,1 nach dem 21. April 43 v. Chr.: Caesaris vero pueri mirijica indoles virfufis. l.'fillam farn .!ilcile eum .!lorellfem ef lumorihu.\' ef Rrafia reRere ac feilere possimus quam .!ilcile udhu c felluimus;' Esf omllillo ilIud difjicilius. sed fameIl /Um dlfjidimus; persua\"Um esf ellim aduIescellfi. et maxime per me. eius opera 1I0S esse salms; ef cerfe. lIisi is Allfollium ah urhe averfissef. perissfllf omllia 1('0 Farn. XI 10,4 5. Mai 43 v. Chr.: Quod si me Caesar audissef afque Appellllillum frallsissef. ill fallfal' all;:,,'usfias Allfollium compulissem uf illopia pofius quam.!erro cOlljicerefu.r; sed lIeque Caesari imperari pofesf lIec Caesar exercifui .wo. quod ufrumque pessimum esf 1('1 Farn. XI 13,1 AnümglMitte Mai 43 v. Chr.: Caesari /Um credeham prius quam cOllvellissem et cOlllocufu.\' essern

ad Bmtum 1, 10,3-55. Juni 43 v. Chr. 1('1 ScllOn im Mai 44 v. Olr. hetont Cicero. daß die Hoffnung der res puhlica auf den heiden Bruti und Cassius mht. hier vertraut er aher auch noch auf andere. vgl. farn. XII 1,1 3. Mai 44 v. Chr. Doch Mitte des Jahres 43 v. Olr. hofft er nur noch auf die Caesarmörder. seine ganze Stimmung hat sich verändert. vgl. ad Brutum 1,10,34 Juni 43 v. Chr.: lllludimur ellim. Brufe. fum milifum deliciis. fum imperafoTtlm 1('2

illsoIellfia; fallfum quisque se ill re puhlica posse posfulaf quallfum Iwhet virium; /Um ratio. /Um modus. /Um lex. /Um mos. /Um offi'cium valef. /Um iudicium. /Um exisfimafio civium. /Um posferifafis vereculldia Quam oh rem admla. ohsecro. afque eam rem puhlicam. quam virfule afque allimi maRllifudille maRis quam eWllfis ren/rn liheravisfi. exercifu lihera; omllis omllium COllcursus ud fe.!il1urus eSf, Horfare idem per lifferas Cassium, Spes liherfafis lIusquam lIisi ill vesfrorum casfrorum pri/l(~ipiis esf. Vgl. dazu das

Verhalten des P. Cornelius Spinther. S. 85ft". Cicero sucht nun hald. Brutus davon zu überzeugen. daß er durch sein schnelles Kommen genauso nutzen kann wie an den Iden des März. ad Brutum 1,1 4,214. Juli 43 v. Chr.: Quill efiam si. rl1.lpero. vicerimus. fameIl maRllam Ruhemafiollem fui cOllsili fuaeque aucforifafis

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Immer stärker betont Cicero nun, daß die res puhlica auch bei einem Sieg seiner Partei der Lenkung durch die Verschwörer bedarf. Immer wieder ruft er sie nach Rom zurück.

In dieser Zeit sieht sich Cicero ständig gezwungen, seine Handlungen gegenüber Brutus zu erklären. IM Er wirft Brutus seine Flucht aus Italien im August vor. Die einzige Hoffnung in den folgenden Monaten war nach seiner Sicht deshalb Octavian. Daher hat Cicero ihm in Maßen Ehrungen verschafft - denn er hatte ja schon eine Al111ee. Emeut tadelt er die allzu große Milde des Brutus. Seine Begründung aber zeigt, wie groß seine Zweifel an der res puhlica schon geworden sind: "Unter allen Bürgerkriegen gab es nach meiner Erinnerung in unserer Republik keinen, in dem nicht - welche Pat1ei auch immer gesiegt hat - eine Art der res puhlica zurückblieb: Was rur eine res puhlica wir bei unserem Sieg haben werden, kann ich nicht leicht sagen, bei einer Niederlage wird es sicherlich keine res puhlica mehr geben.'d65 Er sieht in Rom, wie jeder nur noch versucht, den eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf den Staat zu sichem, nur noch auf die eigene Stellung bedacht ist. (jleichzeitig argumentiert er immer mehr auf dieser Basis. Als sein Vertrauter C. Fumius inmitten der schwierigen Lage nach Mutina aus (jallien nach Rom zu den Praetorwahlen zurückeilen will, sucht er, ihn zu überzeugen, daß er allein durch den Kampf rur die Republik jeder Ehre würdig sein werde. Er setzt in den Briefen an Fumius die digl1itas absolut, ohne Bezug auf den cursus h0/1Orum. IM

Ciceros unbedingter (jlaube an die res puhlica ist verschwunden. Noch nicht einmal ein Sieg der Republikaner kann die Wiederherstellung der alten res puhlica sichem.

res desiderahif. Suhvelli iRifur. per deos. idque quam primum. fihique persuade mJ/! fe [dihus Marfiis. quihus servifufem a fuis civihus depulisfi. plus projilisse pafriae quam. si mafure velleris. projilfumm.

ad Bmtum 1,10,211: Juni 43 v. Oll'.; vgl. ad Brutum 1,15,4IT Juli 43 v. Chr. ad Brutum 1,15,10 Juli 43 v. Chr.: "·'ullum ellim helIum civile.!ilif illlwsfra r e puhlica omllium quae memoria mea .!iwnlllf. ill quo hello 1I0n. ufracumque pars vicissef. fameIl aliqua .F)rma essef .!ilfura rei 1('4

1('1

puhlicae: hoc hello vidores quam rem puhlicam simus hahifuri mJ/!.!aciIe adjirmarim. vicfis cerfe lIuIla umquam erif Deshalh mft er noch einmal M. Bmtus auf das dringendste nach Rom zuliick. ad Brutum 1,15,12: ilIud valde lIecessarium. Brufe. fe ill Umiam cum exercifu vellire quam primum. Summa esf enpecfafio fui; quod si [faliam affiReris. ad fe cOllcursus.fief omllium. Sive ellim vicerimus . fua lIohis aucforifafe opus esf ud cOlllocalldum aliquem civifafis .I'fafum; sive efiam mlllc cerfameIl reliquum eSf, maxima .Ipes esf cum ill audorifafe fua fum ill exercifus fui virihus, Er spricht hier nicht mehr von der res puhlica. sondern von irgendeinem Zustand der Bürgerschaft allgemein. der durch Bmtus wiederhergestellt

werden soll. IH' Vgl. farn. X 25 Ende Mai 43 v. Olr.. X 26 Ende Juni 43 v. Chr. . dazu S. 87ft:

53

Octavian aber setzt durch die Waffen der Veteranen sein Consulat durch. Am 19. August wird er Consul. Cicero ist verzweifelt, da er so sein der res puhlica fLir Octavian gegebenes Versprechen nicht halten kann.

167

Noch immer hatte er auf die gute

Veranlagung des Caesarerben gehofft. Dann setzt er aber all seine Hoffnung auf M. Brutus. Dieser allerdings sieht den berühmten Redner in der Rolle des Sklaven, Octavian aber als seinen He1111. 168 Längst hatte er gefLirchtet, daß Octavian sich nicht mit den ihm zuerkannten Ehrungen zufrieden geben werde. 169 Ihm erscheint der Caesarerbe gehihrlicher als Antonius. Cicero wählt in seinen Augen nur zwischen zwei verschiedenen Henen.

1m Juli 43

V.

ChI'. henscht also unter den Republikanem große Verwinung. Wen

muß man als Freund sehen, wen als Feind? Welche Methoden und Strategien soll man anwenden? Das Handeln und die Forderungen der Protagonisten entfemen sich immer mehr von dem jahrhundertealten Denken der Republik. Doch noch von weit größerer Bedeutung ist die Tatsache, daß große Zweifel an der Republik selbst offenbar werden. Ciceros Gaube an die res puhlica zerbricht. Sein Ziel ist es nun, überhaupt irgend einen festen Zustand der Bürgerschaft zu eneichen. Und auch dieses kann er nur noch mit Hilfe des M. Brutus erhoffen. Denn er glaubt noch nicht einmal mehr an das Bestehen der res puhlica, wenn er und seine eigene Partei siegen. Er sieht also, daß sowohl die Caesarianer, wie nun Mitte des Jahres 43

V.

ChI'. auch die Republikaner nicht mehr mit

dem Denken und den Institutionen der res puhlica verbunden sind.

1(" ad Bmtum 1,18,3 27. Juli 43 v. all". I@Ygl. ad Brutum 1,16 und 1,17 vom Juli 43 v. Oll'.: In dem ersten Briefgreifi Bmtus Cicero heftig an. Er hat von einem Schreihen Ciceros an Octavian erfahren. in dem dieser ihn der Gnade Octavians anvertraut. Im folgenden Brief. ad Bmtum 1,17, zählt er gegenüber Atticus alle Fehler in den Plänen Ciceros auf: Quid enim lwsfra vidum esse Anfonium. si vidus esf uf alii vacaref quod ilIe ohfinuif? ad Brutum 1,17,5. Brutus will gegen die Tyrannis seihst den Kampf authehmen. statt nur den einen Tyrannen mit dem anderen zu hekämpfen. 1(;9 yg l. S. 72 und Anm. 218.

54

2.4 Ciceros Wandel im hellum civile: Ein neues politisches Bewußtsein Der Consular Marcus Tullius Cicero zeigt uns als ein "Fallbeispiel" durch seine Reaktionen auf den drohenden oder tobenden Bürgerkrieg, wie sein Denken und damit sein Verhältnis zur res puhlica in den Jahren seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 49 v. ChI'. beschaffen ist. Dabei werden verschiedene Phasen seiner Entwicklung deutlich:

1m Jahre 49 v. ChI'. bedeutet Bürgerkrieg rur Cicero den Kampf zwischen Caesar und Pompeius, den Streit zweier mächtiger Einzelner untereinander. Die (jemeinschaft der l10hiles muß sich in seinen Augen mit den Forderungen der Mächtigen a11'angieren. Auch ein ungerechter Frieden wäre von größerem Nutzen rur die res puhlica. Denn nach Ciceros Meinung wäre es besser, diese beiden Standesgenossen in die (jemeinschaft zu integrieren. Cicero verbitt damit dieselbe Ansicht wie die Mehrheit des Senats, die den Frieden bevorzugt. Doch er macht sich nicht zu deren Sprecher, sondem sucht geheime Besprechungen mit den Potentaten, in denen er gerade Pompeius von einer fhedlichen Übereinkunft überzeugen möchte. Er rurchtet den Bürgerkrieg selbst mehr als den einzelnen mächtigen Mann. So sind nach Pharsalos rur ihn die Kämpfe beendet. Aber auch Brutus und Cassius schließen sich zu dieser Zeit Caesar an. Dieser wird noch immer als einer der Angehörigen der Nobilität betrachtet. Cicero hom, daß Caesar die res puhlica wiederherstellen wird.

Doch Caesar, der als Standesgenosse im Jahre 49 v. ChI'. den Kampfnicht scheute, wird in seiner Diktatur zum rex. Entsetzt beobachtet Cicero, wie der Diktator die Institutionen der res puhlica zur Seite schiebt. Damit ist er rur Cicero unerträglich geworden, Caesar hat in seinen Augen den Tod des Tyrannen verdient.

Nach den Iden des März muß Cicero erkennen, daß die res puhlica nicht nur in ihren Institutionen durch Caesar zerbrochen, sondem daß sie offenbar auch nicht mehr als ein festes (jut und als ein Bezugspunkt in dem Bewußtsein der Menschen verankert ist. Ratlos stehen er und die anderen Republikaner vor dem politischen Vakuum, das sich durch Caesars Tod aufgetan hat. Die Mehrheit scheint ihm passiv die Tyrannis auch in

55

Zukunft anzunehmen. Von Anfang an sieht Cicero in dem Caesarianer Marcus Antonius den nächsten Kronprätendenten.

In dieser Zeit ist Ciceros Handeln noch durch Unsicherheit und Angst vor einem neuen Bürgerkrieg bestimmt. Er erlebt, wie die Verschwörer aufgrund der politischen Situation fliehen müssen. Mat"Cus Antonius wird rur ihn durch seine behe11'schende Stellung als Consul immer mehr zu einer (jefahr.

Wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, daß sich spätestens seit dem September 45 v. ChI'. der (jegner und damit auch die Dimension des Kampfes rur Cicero verände11 hat. Es geht nicht mehr um einen Streit zwischen Standesgenossen, zwischen Angehöligen der Nobilität, der Kampf geht gegen den Tyrannen und dessen Nachfolger. Man muß gegen die sich erhebende Monarchie kämpfen. Somit hat sich auch Ciceros politisches Ziel verände11.

Aber Ciceros große PUl"Cht vor dem Bürgerkrieg allgemein ist zunächst stärker und treibt ihn dazu, sich zurückzuhalten. Er glaubt zunächst nicht, daß die Caesal111örder anders als in der Volksversammlung aktiv werden könnten. Er hofft, daß das nächste Jahr mit dem Consulat neuer Männer, die allerdings auch Anhänger Caesars waren, eine günstigere Lage bringen wird.

So scheint die neue Politik Ciceros seit September 44 v. ChI'. einen plötzlichen Wandel seines ganzen Denkens anzuzeigen. Das erste öffentliche Zeichen rur seine neue politische Haltung ist die erste Philippica. Er fordert die Consuln auf, sich rur die res puhlica einzusetzen. Dies ist noch ein moderater Schritt. Weitaus aufhilligel' rur die

innere Entwicklung des Consulars ist der Brief Ciceros an Cassius vom 25. September 44 v. Chr., in dem er die Caesal111örder zu einer der Iden des März würdigen Tat auffordert, damit die Republik ihr Recht wiedererlangen wird. Er antwortet auf einen Brief des Cassius, der durch die Rede Ciceros zu der Hoffnung veranlaßt wurde, daß man in Rom etwas durch auctoritas und Beredsamkeit e11'eichen könnte. Doch Cicero sieht nur den einen Erfolg, daß nämlich das römische Volk wahrgenommen hat, daß Consulare aufgrund ihrer freien Meinungsäußerung nicht mehr ungehihrdet in den Senat gehen können. Viel mehr als das Erkennen dieser bloßen Tatsache könne man aber

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seiner Meinung nach nicht erwarten. Veränderungen können so nicht herbeigefLihrt werden. Er begründet dies vor alle111111it der geringen Zahl der COllsulare.

I7O

So ruht nun

die ganze Hoffnung auf den herausragenden Caesal111ördem M. Brutus und Cassius. Doch diese dürfen sich in ihrem Exil nicht ruhig verhalten; sie müssen emeut zur Rettung der res puhlica handeln. Cicero, der sich während des ]X)111peianischen Bürgerklieges immer im Hintergrund gehalten hat, sieht nun die einzige Rettung in dem Eingreifen zweier Männer. Doch wozu fordet1 er sie auf? - zur (jewalt gegen den COllsul, wie der Brief andeutet. Als Prätoren dürfen sie aber nicht gegen den höchsten Beamten vorgehen. Sie müßten sich auch erst die Mittel zu einem Kampf verschaffen. Jegliches Handeln in dieser r011n wäre illegal.

Der Brief zeigt den völligen Umschwung in Ciceros Denken. PI Das bedeutet aber gleichzeitig, daß er nun auch seine Vorgehensweise in der Politik, gerade im politischen Kampf, ändel1. Er verlangt aktives Handeln, nicht nur durch die Rede, damit die res puhlica wieder zu ihrem Recht gelangt. Doch rur den Moment glaubt er offenbar, daß-

wenn überhaupt - die Möglichkeit dazu nur rur die beiden Caesa11nörder vorhanden ist. Die politische Lage in Rom ist zu sehr von Antonius bestimmt. Die beiden Verschwörer müßten sich dazu über das Recht hinwegsetzen. Doch Cicero fragt im folgenden nicht

1'11 Fanl. XII 2,2-3 25. Septemher 44 v. Chr.: Qua re. quod serihis fe cOII/i"dere audorifafe et eloquellfia lwsfra aliquid projici posse. mJ/! lIihil uf ill fallfis malis esf pro/edum. [lIfeIleRif ellim poptdus Romallus fris esse collsularis qui. quia de re puhlica helle sellserillf. lihere locufi sillf. fufo ill sellafum vellire mJ/! possillf. ]'lec esf praeferea quod quiequam exspectes. Im folgenden zählt Cicero die wenigen Consulare reliquos. excepfis desiRllafis. iRllosce mihi sed mJ/! lIumero cOllsularis. Hahes audores cOllsili auf: puhlici; qui lIumems efiam hOllis rehus exiRuus esset. quid cellses perdifis? Vgl. Anm. 281. I' 1 Erste Anzeichen allerdings kann man hereits Anfang Mai 44 v. Chr. erkennen. als Cicero Cassius in einem Brief offen dazu auffordert. gegen die ada O;wsaris - die gerade auch auf sein eigenes Betreihen hin anerkannt wurden - vorzugehen. Bisher hahe die Ermordung des Tyrannen nur das erlittene Unrecht des Staates gerächt. nun aher solle die res puhlica auch wieder etwas von ihrer Ehre zUliickerhalten. vgl. farn. Xll 1,23. Mai 44 v. Chr.: Haec omllia (die ada Caesaris und ihre Folgerv vohis swu expediellda.

lIec hoc cORifmrdum. safis iam lrahere rem puhlicam a vohis. Hahef iIla quidem fmuum quallfum lIumquam milu' ill mellfem vellif opfare. sed cOllfellfa mJ/! esf et pro maRllifudille ef allimi et helle/i"ci vesfri a vohis mawra desideraf. Adhuc ulfa .was illiurias esf per vos illferifu fyramri, lIihil amplius; onramellfa vero sua quae reciperavif? all quod ei morfuo paret quem vivumjerre mJ/! poferaf? Cuius aera rejiRere dehehamus, eitls efiam ehiroRrapha de/endimus? Af ellim ifa decrevimus. Fecimus id quidem femporihus cedellfes, quae valellf ill re puhlica plurimum; sed immoderafe quidam ef illRrafe lwsfra jacilifafe ahufwrfur. Für Cicero sind die acta ('ßesaris durch die Umstände erzwungen. Später hegründet er in den

Philippischen Reden auch die für Octavian geforderte Gewalt auf die gleiche Weise. Zu dem Zeitpunkt dieses Briefes sieht Cicero aher die Möglichkeit zum Handeln für die Caesarmörder noch auf dem Fomm liegen. nicht in der Schlacht.

57

nach der Berechtigung rur ein solches Handeln, sondem wo die benötigten Truppen seien

In

Wir können erkennen, wie der COllsular nach den Iden des März langsam beginnt, alle Maximen seines Denkens ins (jegenteil zu kehren. Der auctoT pads wird zum Kriegstreiber gegen Mat'Cus Antonius. Die Begründung hierfLir liegt in der neuen Dimension des Kampfes, der nun gegen die sich etablierende Monarchie gefLihrt werden muß. Dazu ändert Cicero aber alle Mittel und Methoden des politischen Kampfes. Den ersten Anstoß, nun selber aktiv in die Politik einzugreifen, erhält er durch Octaviall. Dieser drängt ihn, zurück nach Rom zu gehen. Cicero ist beeindruckt

VOll

dessen

Tätigkeiten. Er nimmt aber offenbar nicht wahr, daß der Caesarerbe auf das heftigste gegen die Verfassung verstößt. Cicero selber fehlen die Mittel der Macht. In der folgenden Zeit zeigen die Briefe erzwungene HandlungsunGihigkeit, Unsicherheit und Zweifel an der politischen Situation. In

Erst die Aktivität des D. Brutus, nämlich dessen Verfassungsbruch, bewirkt ein aktives Eingreifen Ciceros in die Tagespolitik. Endlich ist das geschehen, worauf Cicero seit Monaten gewartet hat: Einer der Verschwörer handelt und lehnt sich gegen den amtierenden Consul auf, indem er ihm gegen ein gültiges (jesetz die Herausgabe seiner Provinz verweigel1. Doch dieser Verfassungsbruch stellt fLir Cicero nun legitimes Handeln dar. 174 Dadurch el111utigt, fordel1 er nun in einem immer größer werdenden Maße vom Senat Usurpationen militärischer (jewalt, d.h. aber Verfassungsbrüchen, Legitimität zu verleihen. 175 So wird der Consular selber zum AnfLihrer einer Bürgerkriegspartei in Rom. Seit diesem Moment propagiel1 er, wie es schon seit den (jracchen geschehen ist, daß der Kampf kein hellum civile mehr sei, sondem ein Kampf gegen Feinde des Staates, gegen aufrührerische Verbrecher. Diejenigen, die - wie er I'} Fanl. XII 3,1-2 Anfang Oktoher 44 v. Olr.: quid ellim esf quod cOllfra vim sille viJieri ptAl"sif? Ef fameIl me quidem .!avellfe maRis quam .Iperallfe efiam mlllc residel spes ill virfufe fua. Sed uhi sUllf copiae? De reIiquo malo fe Ili.l"Um fecum loqui quam lwsfra dicta cORlltAI"cere 1' 1 So ist sich Cicero z. B. unsicher. oh Antonius oder Octavian sich als der Stärkere erweisen wird. Dazu hat er keinerlei Kenntnis üher die Aktivitäten der Verschwörer. 1'4 Er hestärkt ihn sogar in seinem Handeln. vgl. Anm.126. Im Fehmal' 43 v. Chr. lie!o>t für Cicero sogar der höchste Ruhm des M. Bmtus und des Cassius darin. daß sie sich dem Gerede nach wider Erwarten ein Heer verschafft hahen. vgl. farn. XII 4,2 2. Fehruar 43 v. Chr.: Summa laus eI fua eI Brufi esf quod exercifum praeler .Ipem exisfimamilli comparal'se, Zu diesem Zeitpunkt ist Cicero noch nicht im sicheren Besitz von Nachrichten üher die Caesarmörder. I'l Vgl. dazu J. Bleicken. Lex puhlica, S. 491ff. hesonders S. 501.

58

selbst im pompeianischen Bürgerkrieg -Hun zum Frieden und zur Übereinkunft mit den Mächtigen raten, greift er heftig an.

So besteht Ciceros Politik in der folgenden Zeit daraus, die Verfassungsbrüche der Männer zu legalisieren, die in seinen Augen im Interesse der res puhlica wirken. Diese Verfassungsbtiiche haben entweder schon stattgefunden und sind eine bestehende Tatsache, an der der Senat nicht vorbeikommen kann, oder Cicero verlangt ihre Bestätigung, indem er hom, daß sie schon verwirklicht worden sind, wie im Pali des Cassius. Cicero selber aber nimmt die Verfassungs brüche als solche offenbar nicht mehr wahr. Er [ordert sogar ein derartiges Vorgehen

VOll

den einzelnen. Zu seinem Maßstab

wird nun, was seiner Meinung nach der res puhlica nützt. 176 Wer in dieser Situation politisch wirksam handelt, verstößt gegen die jahrhundertealte Verfassung. Wenn der Verfassungsapparat nicht dem dient, der "Republikaner" ist, muß man die Verfassung zurechtrücken. Am deutlichsten wird aber, wieweit man sich schon von der ehrwürdigen res puhlica entfemt hat, als Cicero rur den noch nicht zwanzigjährigen Octavian die

Würde eines Senators fordert. Der Senat bestätigt dies durch Kooptation. Damit ist die Volksversammlung ausgeschaltet und jeder Anspruch auf eine zumindest zur Schau getragene Regierung des Volkes beseitigt.

Der Consular Marcus Tullius Cicero aber stellt durch sein gesamtes Handeln, durch seine Mittel und Methoden, gegen die drohende Monarchie zu kämpfen, die Institutionen und Sitten der Republik, ja die res puhlica selbst zur Dis]X)sition. Er will sie auf diese Weise retten, stellt damit jedoch gleichzeitig unbewußt die jahrhundertealte Tradition zur Diskussion. Er kann jetzt auf eine Art und Weise denken, die noch beim Ausbruch des Bürgerktieges im Jahre 49 v. ChI'. unmöglich gewesen wäre. Damit aber entfemt er sich von der res puhlica, er verliert seinen Bezug zu ihren Einrichtungen, aber auch zu ihrem fest verankerten Denken. Er kann nun außerhalb des seit Jahrhundet1en stanen Rahmens denken und handeln. Die res puhlica ist rur den Consular nicht länger die unabdingbar gültige N0l111. Ciceros gesamtes Verhältnis zur res puhlica gerät ins Wanken. Er ist nicht mehr in die Traditionen der Republik fest

eingebunden. Der Consular, der gerade als homo

110VUS

so stark im Denken der

59

vorgegebenen

Ordnung

verwurzelt

gewesen

war,

denkt nun

auf eine neue,

erschreckende Art und Weise. Innerhalb weniger Jahre stehen plötzlich jahrhundel1ealte Traditionen in Frage. In

(jleichzeitig aber mhlt Cicero selber, daß ihm und seinen Zeitgenossen die res puhlica entgleitet. Nachdem er im März 44 v. ChI'. bereits den llumgelnden Einsatz rur

die res puhlica

VOll

Seiten der hOl1i, aber auch

VOll

Seiten des Volkes beklagt hatte,

schreibt er nun in seinen Briefen, daß die auctoritas der Caesal111örder zur Wiederaufrichtung der Republik dringend erforderlich sei. Einige wenige Männer - die dazu ihre Legitimation lediglich aus einer besonderen Tat ziehen und selber Verfassungsbrüche

begehen

garantieren

nach

der

Meinung

Ciceros

die

Wiederherstellung der Republik. Darum ruft er sie immer wieder und immer dringlicher nach Rom zurück. Selbst wenn Antonius besiegt ist, ist die Republik so schwer erschüttert, daß sie durch die Verschwörer erst wieder hergestellt werden muß. P8 So 1'(' J. Bleicken. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. S. 5. macht dazu deutlich: .•... und es stellen sich unversehens ganz neue. unheimliche Kategorien des Denkens ein. in denen die Gesinnung an die Stelle des Rechts tritt." I " Die zerstörerische Wirkung dieses Denkens. das die Verfassung hedroht. auf heiden Seiten. hei Repuhlikanern wie hei Caesarianern. heht J. Bleicken. Lex puhlica. S. 491ft".. deutlich hervor. .• Und wie würde die res puhlica nach einem Sieg der .• Repuhlikaner" aussehen. nachdem die Rechtsordnung. die doch die Repuhlik in einem immer stärkeren Ausmaße getragen hatte. von den .• Repuhlikanern" seihst zerstört. die Unantastharkeit des positiven Rechts in einem so großen Ausmaße aus dem menschlichen Bewußtsein der Zeit geschwunden und der Tagespolitik geopfert worden war?" C. J. Classen. Bemerkungen zu Ciceros Äußerungen üher die Gesetze. RhMI22 (1979). 278-302. macht zwar keine Entwicklung in der Einstellung Ciceros zu den Gesetzen deutlich. denn es ist sein Ziel. die Praxis Ciceros als Anwalt mit dessen theoretischen Üherle!o'Ungen zu dem Wesen der Gesetze zu vergleichen. doch er äulkrt sich ähnlich zu Ciceros Interpretation der Gesetze in Phil. 11.28: .• Hier wird die Ordnung der geschriehenen Gesetze vollends außer Kraft gesetzt zugunsten einer vagen Größe. für die jeder Einzelne seine eigene Meinung einsetzen kann. Das mag großartig und philosophisch fundiert klingen - der Willkür ist damit Tür und Tor geöffnet.'. S. 288f Ciceros politische Einstellung ist so klar erkannt. Doch gibt es in der neueren Forschung auch widerspliichliche Meinungen. K. M. Girardet. Die Rechtsstellung der Caesarattentäter Brutus und Cassius in den Jahren 44 - 42 v. Chr.. Chiron 23 (1993). 206-232. sucht. in dem Handeln der repuhlikanischen Seite Legalität zu erkennen. So glaubt er auch. daß das Handeln Ciceros als illegal mißverstanden wird. Cicero hahe allein aufgmnd eines von ihm erkannten Staats- und Rechtsnotstands gegen die Gewalt der Caesarianer gehandelt. Weiterhin hahe der Consular offen die illegalen Akte angesprochen: .•... daß Ciceros Ar!o'Umentation mit der Iex /lufurue und dem ius Jupiters in Phil.l 1.28 die Repuhlik und ihr positives Recht in keiner Weise geistig und politisch in Frage gestellt und untergrahen hat. sondern im Gegenteil angesichts des herrschenden Notstands der letzte Versuch war. im Geiste der .• unterdrückten" repuhlikanischen Rechts- und Lehensordnung zu deren Wiederherstellung die notwendigen Kräfte zu organisieren. Die Alternative wäre die Kapitulation vor der Gewalt und Unrecht gewesen." Sicherlich hat Cicero die Verfassung in Frage gestellt. weil er die res puhlica hewahren wollte. Dies ist unbestritten und keine offene Frage. Aher Cicero hat schon längst nicht mehr die 111egalität seines Handeins wahrgenommen. und wie hätte er zu der Legalität so einfach zurückkehren können. wo ein solch neues Denken sein politisches Bewußtsein längst heherrscht? Wie sich dieses neue Handeln außerhalh der Legalität und die Distanz zu den Einrichtungen der Repuhlik gerade auf das Bewußtsein der jüngeren Generationen auswirken. vgl. S. 85ft: zu P. Cornelius Lentulus Spinther. I', Vgl. farn. Xli 10,34 Anfang Juli 43 v. Chr. oder ad Brutum 1,1 4,2,14. Au!o'Ust 43 v. Chr.

60

ruht die Hoffnung auf die Rettung des Staates vomehmlich auf Männem, die rem

VOll

Rom unter Bruch der Verfassung ihr Heer gesammelt haben. Doch diese suchen sich seit ihrer Flucht aus Rom schon längst im Osten die Macht zu verschaffen, um das politische (jeschehen beeinflussen zu kÖHnen, und treffen keinerlei Anstalten zur Rückkehr.

179

Cicero aber [ordert die l10hiles dazu auf, selber die Wünsche des Senats zu erschließen und ohne Absprache als Willen des Senats durchzusetzen. Männer wie Cassius sollen sich nun selber der Senat sein, da sie wissen, was das Beste rur den Staat ist. Man müsse in diesen Zeiten eher den Umständen gehorchen als den mores .180 Doch nicht nur die Bruti und Cassius [ordert Cicero auf, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, auch die anderen politisch tätigen l1ohiles, wie der zum Consul designierte Plancus, dem er keineswegs vollkommen vertraut,

181

sollen sich dieses Denkenjetzt zu

eigen machen. Die digl1itas des einzelnen erwächst in der Argumentation Ciceros aus dem Kampf rur die res puhlica, doch sie hat keinen Bezug mehr zur (jeseIlschaft, steht absolut neben nun anscheinend unwichtigen Ämtem. 182 Dies zeigt, wie die res puhlica zur Disposition steht. Es bedeutet aber auch, daß sich die Kommunikation der l10hiles untereinander auflöst. Denn der einzelne soll entscheiden, was in dieser Situation notwendig ist. Doch man weiß gar nicht mehr, was die anderen tun, während zuvor alles durch Absprachen in den Häusem des Adels geregelt worden war. Damit ist nicht nur Rom nicht mehr der Mittelpunkt, auch der Senat ist nicht mehr die Mitte und das Entscheidungszentrum der Politik. Die einzelnen l10hiles beziehen sich nur noch auf sich selbst - sie können durch die politische Situation auch gar nicht anders -, es gibt keinen Bezug auf die Adelsgemeinschafl mehr. Das Handeln privato cOl1silio et sua auctoritate erscheint jetzt legi tim.

183

1'9 Vgl. dazu S. nt: 1,0 Vgl. Phil.ll.27: Nam ef Brulus ef Cassius mullis iam ill rehus ipse sihi sellalusjilil lI·'ecesse esl ellim ill lallla cOllversiolle ef perlurhaliolle omllium ren/rn lemporihus polius parere quam morihus. Vgl. fanl. XI 7 Mitte Dezemher 44 v. Chr.; farn. X 16,227. Mai 43 v. Chr.. vgl. Anm.126 und auch Anm.150. Cicero hegliindet auch die Ehrungen für den Caesarerhen damit. daß man der politischen Lage gehorchen müsse. vgl. Anm.133. "I Vgl. S. lQff zu Ludus Murmtius Plancus. "2 Vgl. hesonders S. 87ft".

61

In dem Briefwechsel Ciceros mit den Caesal111ördem wird deutlich, unter welchem Zwiespalt die Politik steht. Männer wie M. Brutus teilen Ciceros politische Ansichten nicht. Es he11'scht kein Konsens in der Partei der Republikaner. Cicero wirft Brutus eine zu große Milde gegenüber den Feinden des Staates, M. Antonius und seinen Brüde111, vor; M. Brutus glaubt, daß Cicero lediglich die Wahl zwischen zwei Tyrannen getroffen habe. 184 In dem Btier des Brutus an den gemeinsamen Freund Atticus wird alle Kritik des Brutus an dem älteren COllsular deutlich: In Rom scheint es seiner Meinung nach nur noch die Wahl zwischen Antonius und Octavian zu geben. Für Cicero steht Octavian auf Seiten der Republikaner. Obwohl nun jeder selbst entscheiden soll, was dem Staat nützt, henscht keine Einigkeit über das Vorgehen zwischen den Protagonisten. ISS

Doch die ganze Zeit über glaubt Cicero an die res puhlica. Er zweifelt nicht daran, daß sie die einzig gültige Staatsfo1111 ist und wieder zu ihrer alten Macht und (jröße zurückkehren wird. rür ihn gibt es nur eine einzig mögliche r01111 des Staates. Nur ist nun der Einsatz der herausragenden Republikaner - auch wenn sie siegen - nötig, um sie wiederherzustellen. Doch Cicero muß erkennen, daß die Zerstörung der res puhlica immer weitergeht. Jeder sucht sich nun, durch seine Waffengewalt Macht zu verschaffen, nichts gilt mehr, kein (jesetz, kein Herkommen. Er sieht, wie sich Republikaner und Caesarianer nicht der Republik entsprechend verhalten. Und immer stärker zweifelt Cicero an dem Bestehen der Republik. 1m Juli 43

V.

ChI'. aber glaubt er

selbst bei einem Sieg seiner Pat1ei nicht mehr an die res puhlica. Nur mit Hilfe des M. Brutus hom er überhaupt, noch irgend einen festen Zustand der Bürgerschaft herstellen zu können. Damit ist der Höhepunkt von Ciceros innerer Entwicklung eneicht. Das politische Bewußtsein Ciceros hat sich in mehreren Phasen ganz und gar von der res puhlica entfemt. Zu Beginn dieses Kapitels wurde die Frage gestellt, was diesen Bürgerkrieg derartig

VOll

anderen Bürgerkriegen zuvor unterscheidet, daß sich die

Monarchie aus ihm heraus entfalten kilim. Anhand der inneren Enf>vicklung Cicero,\" muß man als vomehmliches Charakteristikum dieses hellum civile die Zerstörung der 1,1 Vgl. J. Bleicken. Lex puhlica. S. 502 mit Stellenangahen; vgl. zu dieser Prohlematik auch S. 66ft: und S. 82f 1ii4 V gl. zu Brutus .,Das helIum civile und die Zeitgenossen". S. 70ft: 1ii1 So fragt J. Bleicken. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. S. 6. zu Recht. wer denn nun überhaupt feststellt. wer noch ein hOllus vir ist. Er macht deutlich. daß es keinen Normenkonsens mehr giht.

Bindung an die res puhlica und damit den Beginn des Verlusts des politischen Bewußtseins der Zeitgenossen hezeichnen.

Diese Veränderung im Denken und Handeln Ciceros wird oft zu wenig oder gar nicht beachtet. Die neuere Forschung stellt meist nur fest, wie Cicero gerade vorgeht, ohne die Veränderung selbst oder ihre (jründe oder Folgen genauer zu untersuchen. 186 Doch hier kann man besonders deutlich die Bewußtseinslage der politisch handelnden Menschen und ihr Verhältnis zur res puhlica erkennen. Hat man bisher an der (jestalt des "Neuerers" Caesar im Moment der Überschreitung des Rubikon im Januar 49 v. Chr. vor Augen geHihl1, wie der Imperator ganz wie die Nobilität um ihn herum dachte,18 7 zeigt Cicero, der in der heutigen Forschung als konservativer Anhänger der res puhlica, schon fast als "ein Anachronismus in der res puhlica" gesehen wird,188 wie

1,(' Meistens liegt die Intention des Darstellenden darin. die hloße Ahfolge des Geschehens wiederzugehen. So macht z. B. U. Ortmann. Cicero. Brutus und Octavian - Repuhlikaner und Caesarianer. Ihr gegenseitiges Verhältnis im Krisenjahr 44/43 v. Chr.. Bonn1988. keinerlei Entwicklung Ciceros deutlich. Olr. Hahicht. ehenda. weist zwar explizit auf dieses neue Verhalten Ciceros hin: .•Mit diesen Anträgen (und mit weiteren. die hald folgen sollten) verletzte Cicero die Verfassung und gah die Prinzipien repuhlikanischen Regierens preis. die er seihst gelehrt hatte und für die er. wie er unentwegt hetonte. gerade jetzt stritt. Cicero wußte sehr wohl. was er tat. und hot daher alle dialektischen Künste auf: um die Tatsachen zu vernebeln. Dies war nicht die Zeit für legalistische Bedenklichkeiten; das Vaterland war in Getahr. und es war ihm und Octavian zugefallen. es zu retten .. Für den Augenhlick kümmelte es Cicero nicht. daß er. um die Repuhlik zu retten. die Verfassung verletzt. War Antonius erst heseitigt. würde man zu gesetzmäßigem Handeln und einem normalen Geschäftsgang zurückkehren .. " S. 98. Indem aher Chr. Hahicht das Handeln Ciceros lediglich mit der Ausnahmesituation erklärt. ignorielt er die innere Entwicklung Ciceros und vor allem. daß Cicero nun üherhaupt zu einem solchen Denken tahig ist; vgl. auch Anm.177 zu weiteren Forschungsansätzen. Die klarste Analyse des Denkens während der Autlösung der Repuhlik giht J. Bleicken. Lex puhlica. S. 491fT".. und Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. er zeigt die akute Krise der Rechtsordnung und ihre Folgen auf '" Vgl. S.12tI und dazu Anm. 5. I" In der Forschung ist das Bild Ciceros VOll der Ahsicht hestimmt. nach dem vernichtenden Ulteil Monullsens die Bedeutung Ciceros als Politiker herauszustellen. Dahei sieht man vielfach Cicero gerade dadurch. daß er ein homo 1I0VUS war. als durch und durch konservativ. ooer. wie D. Stockton. Cicero. a political hiography. Oxfordl971. S. 306. meint. als .•ohstmctive anachronism" im Rom des Antonius und des Octavian. Doch Cicero steht völlig in dem Denken der Zeit. wie hier deutlich wurde. Ein ganz anderes Cicero - Bild zeigt U. Gotter. Der Diktator ist tot! Politik in Rom zwischen den Iden des März und der Begliindung des Zweiten Triumvirats. Stuttgattl996. Er heht Cicero aus der Gesellschaft heraus. um ihn gerade durch seine Beschäftigung mit griechischer Philosophie von der Gesellschaft und deren geschlossenem Denken zu trennen. In seiner Beurteilung des Geschehens nach den Iden des März scheint Cicero eine geradezu zerstörerische Wirkung auf die res puhlica. die in seinen Augen his zum Mutinensischen Krieg intakt ist. nach Alt eines Sulla zu hahen. Die traditionelle legitime Ordung wurde in seinen Augen .• in der Curia POillpei gewissermaßen wieder ins Lot gehracht.". S. 238. Gotter verhindet den Philosophen und den Politiker Cicero. wobei das willkürliche. der römischen Welt ti'emde Konzept der griechischen Philosophie so zersetzend wirkte. wie das politische Vorgehen des Consulars. der .• in prekären MOillenten .. immer wieder positive Gesetze außer Kraft" setzte. so hei den Ehmngen Octavians. S. 251. Gotter macht keine innere Entwicklung im politischen Denken Ciceros deutlich. stattdessen scheint der Consular mit seinen politischen Vorstellungen allein dazustehen. Richtig hezeichnet er ihn aber in seiner detailreichen Arheit als .• echtes Geschöpf der Krise' . S. 254. Doch Ciceros politisches Denken ist sicherlich nicht sin!o'Ulär. sondern wird nur durch die einzigattige Quellenlage hesonders

63

jetzt die Bewußtseinslage der Menschen und ihr Verhältnis zur res puhlica beschaffen ist - vor allem aber, wie sich das Verhältnis der Zeitgenossen zur res puhlica verändert. Auch der Politiker, der uns jetzt als der glühendste Vel1reter der res puhlica erscheint, stellt die Ordnung zur Disposition und verliert schließlich seine Bindung und seinen (jlauben an die Republik. Ciceros politisches Bewußtsein, sein Verhältnis zum Staat hat damit

innerhalb

weniger Jahre in mehreren Phasen einen

abrupten Wandel

durchgemacht. Vergleicht man dies mit der festgefLigten Struktur des politischen Bewußtseins vor Ausbruch des Bürgerklieges im Jahr 49 v. ehr., bedeutet diese Entwicklung rur den im Jahr 106 v. ChI'. geborenen COllsular und homo

110VUS -

denn er

war aufgrund seines Alters noch ganz und gar in den fest gefUgten Traditionen und in dem Denken der alten res puhlica aufgewachsen - schon einen starken Wandel, ja einen Bruch in seinem Verhältnis zur alten Ordnung.

2.5 Das hellum civile und die Zeitgenossen: Die Bewußtseinslage Ciceros und der jüngeren Generationen im Bürgerkrieg Cicero beklagt in einem Brief an Q. Comificius vom 10. Oktober 44 v. Chr., daß dieser aufgrund seines Alters eine intakte Republik nicht hat kennenlemen können. 189 Q. Comificius hatte im Jahre 48 v. ChI'. die Quaestur inne, man muß ihn also der (jeneration der um das Jahr 80 v. ChI'. (jeborenen zurechnen. Er ist eine (jeneration jünger als Cicero und ungehihr gleichaltrig mit M. Antonius und M. Brutus. Die dieser (jeneration angehörenden Männer beginnen ihre politische Tätigkeit ungehihr Mitte der 50er Jahre. Der Ausspruch Ciceros wirft ein bezeichnendes Licht auf die nächsten (jenerationen. Denn wenn die nächst jüngere (jeneration nach Ciceros Ansicht eine unversehrte Republik noch nicht einmal "kosten" konnte, wie sieht er dann ihre Stellung zur res puhlica, und wie müssen wir ihre Bindung an den Staat und damit ihr ]X)litisches Bewußtsein bewerten? So ist die vordringlichste Frage, wieweit sie in der res puhlica verhaftet sind - und dann vor allem auch, wieweit die nachfolgende, um das Jahr 60 v. deutlich. Wenn auch andere Politiker andere politische Lösungen vorziehen. so hat sich doch auch ihr politisches Bewußtsein gewandelt. vgl. Das helIum civiIe und die Zeitgenossen. S. 63-96. 1,9 Farn. Xll 23,310. Oktoher 44 v. Chr.: Hahes ./ilrmam rei puhlicae. si ill casfris pofesf esse res puhlica; ill quo fuam vicem saepe doIeo. quod lIulIam parfem per aefafem sallae ef salme rei puhlicae !{usfare pofuisfi

64

ChI'. geborene (jeneration - wie Octavian - noch mit der res puhlica verbunden sein kann.

Dazu sollen einzelne Mitglieder der fLihrenden (jruppe als Beispiel rur ihr Denken und Bewußtsein

V0111

Staat herangezogen werden. 190 In ihren Briefen an Cicero suchen

sie in der Zeit der Bürgerkämpfe, ihr Handeln und ihre Ziele darzulegen oder zu rechtfertigen. Aber auch durch die Briefe Ciceros entsteht ein Bild

VOll

diesen Politike111

und ihren Ansichten. Bisher hat Cicero ganz und gar die Sicht der Darstellung bestimmt. NUll soll also der Blick auf die nächste (jeneratioll der um das Jahr 80 v. ChI'. geborenen Politiker, ihre Interessen und ihr Verhältnis zur res puhlica gelenkt werden. Den Anfang

bilden die Caesal111örder, die bereits bei der Betrachtung von Ciceros ]X)litischem Bewußtsein während des Bürgerkrieges indirekt zu Wort gekommen sind. Weitere Mitglieder dieser (jeneration sollen dann zeigen, daß die Verschwörer mit ihrem Denken nicht allein stehen.

Von den Mitgliedem dieser (jeneration haben vor allem die Caesal1nörder M. J unius

44 - 42

Brutus~ V.

D. J unius Brutus und C. Cassius Longinus gerade während der Jahre

ChI'. Aufinerksamkeit gefunden. Erst ihre Tat rückt sie in das Zentrum der

Forschung. Cassius ist 86/85

V.

ChI'. geboren, D. Brutus, wie auch M. Brutus, 85 v. ChI'.

D. Brutus war spätestens seit 56 v. ChI'. bei Caesar in (jallien, 51150 v. ChI'. ist er Quaestor,45 v. ChI'. Praetor, rur das Jahr 42 v. ChI'. designierter Consul. Er ist schon früh ein Anhänger Caesars. Cassius hatte 53 v. ChI'. in SYlien die Quaestur inne, 49 v. ChI'. ist er Volkstribun auf der Seite des Pompeius, 44 v. ChI'. zusammen mit M. Brutus und C. Antonius Praetor. M. Brutus ist 53

V.

ChI'. Quaestor, nach Pharsalos von Caesar

begnadigt, ist er 44 v. ChI'. praefor urhal1us, rur das Jahr 41 v. ChI'. ist er zum Consul designiert. (jerade er hält sich im cursus h0l1Orum deutlich zurück. Sie alle wählten ihre

M. H. Dettenhofer. Perdita luventus. Zwischen den Generationen von Caesar und Au!o'Ustus. München 1992. hefaßt sich mit den Biographien von siehen Männern dieser Generation. die um das Jahr 80 v. Chr.. also zwischen der Generation Caesars und Octavians. gehoren sind: M. Antonius. M. lunius Brutus. D. lunius Bmtus Alhinus. C. Cassius Longinus. P. Cornelius Dolahella. C. Scrihonius Curio. M. Caelius Rufus. Für sie gehören diese Männer einer .•verlorenen Generation" an. da sie hei der Erlan!o'Ung der höheren Ämter hereits mit heginnenden monarchischen Strukturen konfrontiert worden sind. aber auch . .• da sie Opfer des gewaltsamen Ühergangs von der Repuhlik zur Monarchie wurden und nie zur vollen Entfaltung kamen.'. S.137. In der Übernahme der politischen Macht wird die Generation schließlich ühersprungen. M. H. Dettenhofer will dahei die Handlungsmöglichkeiten. Spiel räume und die Bedin!o'Ungen des Handeins dieser Generation aufzeigen. 1911

65

Partei im pompeianischen Bürgerkrieg au[grund persönlicher Bindungen. 191 Schließlich gehörten sie alle dem Kreis Caesars an. Doch was erwarteten sie

VOll

dem Diktator? Sie

glaubten, sich einem Standesgenossen angeschlossen zu haben, und erkennen, wie Cicero, in ihm erst spät den Tyrannen. Die Iden des März zeigen die Verschwörer als reine Tyrannen111örder - auf Drängen des M. Brutus wurde allein Caesar el111ordet. Manche wie Cassius hatten auch zur Beseitigung des Consuls M. Antonius geraten, doch die Ansicht des M. Brutus hatte sich durchgesetzt. Offensichtlich glaubten die Verschwörer, daß mit der Beseitigung des T)Tallnen die res puhlica unversehrt wieder funktionieren würde. Doch sie mußten erkennen, wie zerstört die Republik nach der Diktatur Caesars bereits ist. Allein schon ihre Tat, die El1110rdung Caesars, zeigt eine Entfremdung von den Strukturen der Republik. Wie glaubten sie denn weiter vorgehen zu können, ohne im Besitz der konsularischen (jewalt zu sein? Wenig später werden sie aus der Legalität gedrängt. 192 Doch werden sie durch die politischen Verhältnisse und die Maßnahmen der (jegenpartei zu einem solchen Handeln gezwungen? Oder wie weit ist ihr ]X)litisches Bewußtsein rur ein Handeln außerhalb des jahrhundertelang gültigen politischen Denkens schon offen? Stellen sie unbewußt schon selbst (jesetze, Institutionen und die res puhlica in Frage, wobei der äußere Zwang nur den Anlaß bietet?

Erst nach der El1110rdung Caesars erhalten wir einen näheren Einblick in das Verhalten der Verschwörer und damit in ihr Denken. In die Defensive gedrängt und ohne politische Handlungshihigkeit müssen sie Rom verlassen, bald auch Italien. Als Beamte, nämlich als Praetoren, müßten sie eigentlich in Rom bleiben. Sie erhalten aber die Sondererlaubnis des Consuls M. Antonius dazu, um die Lage in Rom zu beruhigen. Schließlich brechen sie in den Osten auf, doch sie suchen nicht ihre politisch unbedeutenden Provinzen auf. Als man Cato im Jahre 58 v. ChI'. mit einem Auflrag l93 19 1 Vgl. Anm.196 zu Cassius und Anm. 237 zu Asinius Pollio. Eine Ausnahme hildet M. Brutus. der sich entgegen persönlicher Verhindungen zuerst Pompeius angeschlossen hat - wenn er nicht auch hereits damals anderen necessifudines. nämlich dem My'thos und der Verpflichtung seines Namens. gefolgt ist. 192 Dies ist die communis opinio der Forschung. Die Caesarmörder werden durch die politische Lage zur Illegalität ihres Handeins getriehen. Dies ist sicherlich auch der Fall. Doch noch im Jahre 50 v. Chr. hätte man sich ihre Reaktionen üherhaupt nicht vorstellen können. vgl. J. Bleicken. Zwischen Repuhlik und Prinzipat. Zum Charakter des Zweiten Triumvirats. Göttingenl990. S. 7. Die Art und Weise ihrer Gegenmal.lnahmen lieb>t allein hei ihnen und ist als seihstgewähltes politisches Mittel Teil ihres politischen Bewul.ltseins. In Ciceros Äul.lemngen dazu sehen wir hestätib>t. dal.l dieses Denken allgemein gültig ist. 191 Clodius hrachte das Gesetz ein. Cato mit der Einziehung Cyperns und der Schätze des Königs Ptolemaios zu heauftragen.

66

politisch abschieben wollte, war er noch der Aufforderung der Amtsgewalt gefolgt. Nach der Ordnung zu

handeln war

rur ihn wichtiger, als gegenüber dem

innenpolitischen (jegner die Oberhand zu behaupten. Anders verhalten sich nun die Caesal111örder. D. Brutus weigel1 sich, seine Provinz an M. Antonius zu übergeben. M. Brutus und Cassius betreten ihre unbedeutenden Provinzen Creta und C)Tene nicht, sie suchen sich nun -lange ohne Nachricht in Rom -, im Osten Machtmittel zum Kamp[zu verschaffen. Mehr als jede literarische Äußerung zeigen ihre Usurpationen

VOll

Provinzen und Heeren ihr tatsächliches ]X)litisches Bewußtsein und ihre Distanz zur staatlichen Ordnung. 194 Obwohl sie in der funktionierenden, nicht in Frage gestellten Republik zu einer relati v ruhigen Zeit geboren und aufgewachsen sind, 195 offenbaren sie nun neue Maßstäbe ihres Denkens und ihres HandeIns. Cicero aber lobt dieses seiner Meinung nach notwendige Verhalten der Caesal111örder und fordert es sogar von ihnen.

In ihren literarischen Äußerungen zum Bürgerkrieg können wir die Caesal111örder vorwiegend erst nach den Iden des März fassen. l96 194 M. Bmtus seiher scheint zu sehen. daLl nicht alle glauhen werden. daLl er anstelle der res puhlica handelt: ad Brutum 1,11,2 Juni 43 v. Chr: ... omnihus !{rafum essedehef qui modo iudicanf Inlllc exercifum esse rei puhlicae.. Nachdem scllOn Plutarch Cassius gegen den gesetzestreuen Brutus ahgesetzt hat (Bmtus 35.2). sucht man in der heutigen Forschung die Caesarmörder M. Bmtus und C. Cassius in ihren Intentionen zu trennen. denn gerade in M. Bmtus will man den Mann sehen. der ganz und gar der Verfassung verhaftet gehliehen ist. So unternimmt man in der neueren Forschung den Versuch. die Usurpation einer Provinz durch M. Brutus rechtlich ahzusichern. W. Stroh. Die Provinzverlosung am 28. Novemher 44. Hermesill (1983).452-458. hehauptet. M. Bmtus hahe erst nach dem SenatshescllluLl vom 20. Dezember die Provinz legal ühernommerl. M. H. Dettenhofer. ehenda. S. 301. folgt ihm in dieser Meinung. da auch sie in M. Brutus denjenigen erkennen möchte. der sich stets strikt an die Legalität hält. Dieser SenatsheschluLl allerdings macht den amtierenden Statthaltern zur Aufgahe. die Provinzen weiterhin in ihrer Hand zu behalten. his der Senat einen Nachfolger schickt. Brutus ist die Provinz Cyrene zugeteilt worden. er ist nicht der amtierende Statthalter von Makedonien; dieses Amt hatte Q. Hortensius inne. der sich ihm unterstellt. Brutus hat also auch durch diesen SenatsheschluLl keine Grundlage seines Handeins. seihst wenn er mit seinen MaLInahmen so lange gewartet hahen sollte. Auch Cicero sa!o,>1 explizit in den Philippicae. daLl Brutus statt Crefa Macedonia als ti'emde (aliena) Provinz ühernommen hat. vgl. Anm.141. Vgl. dazu auch Gotter. ehenda. S. 20lfL der sich für eine fliihe Ahsprache der militärischen Handlungen zwischen Bmtus und Cassius ausspricht. Die Bemühungen. die Aktionen des M. Bmtus als legal von dem illegalen Handeln des Cassius. der den 20. Dezemher nicht ahgewartet hat. ahzusetzen. sind nicht halthar und aucll unnötig. Auch der gleichaltrige Zeitgenosse P. Cornelius Lentulus Spinther sieht kein Sonderverhalten hei M. Brutus vorliegen. vgl. S. 85tt: M. Bmtus glauht. die Legalität zu vertreten und will dies auch. aber in der Realität ist seine Distanz zu der Verfassung der Repuhlik hereits zu groLl. 191 So äuLlert sich auch M. H. Dettenhofer. ebenda. S.131. ahschlieLlend zu den Jugendjahren der siehen Männer: "Trotz aller Bestechungsskandale und popularer Agitationen dürfte ihre politische Sozialisation im großen und ganzen in Bahnen verlaufen sein. die ihnen ein Anknüpfen an repuhlikanische Traditionen vergleichsweise mühelos ermöglichen würde." 19(' Eine Ausnahme ist der zwischen Cicero und Cassius erhaltene Briet\vechsel; aus den Jahren 47-45 v. Chr. sind fünf Briefe. vier Briefe Ciceros an Cassius. ein Brief des Cassius an Cicero. (tarn. XV 15-19) erhalten. Davon hat nur der erste Brief Ciceros fanl. XV 15 Mitte August 47 v. Chr. das politische Tagesgeschehen zum Thema. während sonst die Philosophie üherwiegt. Cicero hegründet dies im Januar 45 v. Chr. damit. daLl unter den herrschenden politischen Verhältnissen ÄuLlemngen zur Politik nicht

67

Schon am 20. März mhlt sich D. Brutus, gerade auch in dem Besitz seiner Provinz, VOll

Antonius soweit bedroht, daß er an eine freie (jesandtschaft oder sogar Verbannung

denkt. den

197

Einen Monat später schreiben die Praetoren Cassius und Brutus mehrfach an

COllSU[

Antonius. Die Schreiben sind durch die persönliche Unsicherheit der

Verschwörer bestimmt. Zunächst wollen sie wissen, ob Antonius ihre Sicherheit und ehrenvolle Stellung garantiere. 198 Sie beteuem, daß sie nur auf otium und lihertas bedacht seien. 199 Antonius antwortet aber darauf offensichtlich empöl1, daß Praetoren ihm als Consul eine Forderung stellen?OO Die Caesa1mörder erwide111 ihm: Al1tol1ius kwm dellen nicht hefehlen, denen er es zu verdanken hat, frei zu

seil1?OI

In dem

Bewußtsein ihrer Tat ruhlen sie sich dem Consul, der ihre politischen Ansichten nicht verhitt, überlegen. Durch ihre Befreiungstat stehen sie über ihm. Die Beft'eier des Staates gelten mehr als der Consul, der höchste Beamte. Sie wollen M. Antonius offensichtlich nur noch als Consul anerkennen, wenn er ihrer Meinung nach politisch richtig handelt. 202 Sie begründen dies damit, daß sie frei sind. Was aber bedeutet rur sie diese Freiheit? Können sie deshalb (jesetze und Institutionen nach ihren eigenen Vorstellungen, nach ihrem eigenen (jutdünken neu interpretieren? Mit drohenden erti"eulich seien. farn. XV 16,3. Diese vertrauensvolle Bemerkung zeigt hereits. wie Cicero Cassius einschätzt; vgl. dazu auch M. H. Dettenhofer. Cicero und C. Cassius Longinus: Politische Korrespondenz ein Jahr vor Caesars Ermordung (Cic. farn. 15.16-19). HistOl'ia 39 (1990). 249-256. Cassius wählt in farn. XV 19,4 Ende Januar 45 v. Chr. zwischen zwei Üheln: ... Peream lIisi soIlicifus sum; ac malo veferem ef cIemellfem domimlm (scilicet Caesar) Iwhere quam lIovum ef cmdeIem (scilicet der jüngere Cn. Pompeius) experiri. Dies zeigt aher nur. daß auch er persönlichen lIecessifudilles im pompeianischen Bürgerkrieg gefolgt ist. 19' Farn. Xtt20. ~1ärz 44 v. Chr. 1% Vor allem der Brief farn. Xl 2 Ende Mai 44 v. Chr. ist hestimmt davon. daß die Verschwörer sich durch die ungeheure Ansammlung von Veteranen in der Stadt heunruhigt fühlen. Schon hier drohen sie. daß alles mit ihnen untergehen und in Verwirrung geraten würde. Darin gleichen sie Caesar. Auch der Diktator hatte geäußert. daß ohne ihn der Staat in Unruhen stürzen würde. vgl. Sueton Caes. 86,2. 1'11 Farn. Xl 2,2 Ende Mai 44 v. Chr.: ]....'os ah illifio .Ipecfasse ofium lIec quicquam aIiud Iiherfafe commulli quaesisse exifus decIaraf

21~) Man kann dieses Schreihen des Antonius aus der uns erhaltenen Antwort des Bmtus und des Cassius erschließen. vgl. farn. Xl 3,1 4. August 44 v. Chr.: Nos, Allfolli, fe mdla Iacessiimus illiuria lIeque mirafur um credidimus si praefores ef ea diRllifafe homilles aIiquid edicfo posfulassemus a COlIsuIe, Quod si illdiRllaris ausos esse idjacere, cOllcede lIohis uf doIeam us lIe hoc quidem ahs fe Bmfo ef ('ßssio frihui Sie hemfen sich einmal auf ihr Amt. dann als Privatleute auf ihre diRllifas Ein ungeheures

Selhsthewußtsein spricht aus ihren Worten. Fanl. Xl 3,3 4. August 44 v. Oll'.: lIeque ellim decef auf cOllvellif lIohis perimlo fdIi suhmiffere

JOI

allimum lIosfrum lIeque esf Allfollio posfulalldum uf iis imperef quomm opera Iiher eSf, Nos si dia Iwrfarellfur uf helIum civiIe suscifare vellemus, IiUerae fuae lIihiI projicerellf; lIuIIa ellim millallfis aucforifas apud IihertA\' esf; sed pulehre illfelIeRis mJ/! posse 1I0S quoquam impeIli ef ./iJrfaSsis ea re millacifer aRis uf iudicium lIosfnlm mefus videafur,

J. Bleicken. Lex puhlica. S. 502n:. vergleicht diese Äußerung der Verschwörer mit denen Ciceros (Phi I. 10.12: omlle ellim ef exercifus ef imperii ius amiffif is, qui eo imperio ef exercifu rem puhlicam oppuRllaf): .,Nach dieser und anderer 'Repuhlikaner" Meinung vermag also die aucforifas des Gegners.

21l:l

68

Worten schließen sie das Schreiben ab: Sie wollen Antonius zwar groß und geehrt sehen, aber in einer freien res puhlica. Ihre Freiheit bewerten sie höher als seine Preundschafl203 ; sie verabsolutieren die lihertas. 204 Sie stellen so den Streit statt auf eine staatsrechtliche Basis auf eine persönliche Ebene. Antonius dagegen hatte sich offenbar als

COllSU[

gegen die Forderungen

VOll

Praetoren

velwahrt.

Sie erkennen Antonius nicht

mehr als einen höheren Beamten an; allein ihr Bewußtsein von der rechten Staatsgesinllung spricht dagegen. Und in diesem Bewußtsein, das nicht zuletzt aus ihrer Tat erwachsen ist, weigem sie sich, den Aufträgen des Senats zu gehorchen oder erlassene (jesetze zu anzuerkennen.

befolgen oder die Amtsgewalt eines höheren Beamten

205

Fast alle übrigen Briefe der Caesal111örder an Cicero sind vorwiegend von den einzelnen Kampfhandlungen und politischen Aktionen bestimmt. Sie äußem sich kaum direkt zum Problem des Bürgerkrieges, sie geben kein allgemeines Urteil darüber ab. Doch treten die Strukturen ihres Denkens deutlich hervor:

Ein zentrales Thema in diesem Briefwechsel ist die dignitas des einzelnen Verschwörers. Ständig wenden sie sich an Cicero, in Rom rur ihre Stellung einzutreten. Aber auch Cicero beteuert, daß ihm nichts teurer sei, als sich rur die dignitas der Verschwörer zu verwenden, und argumentiert stets auf dieser Basis. 206 Besonders rur D. Brutus ist seine dignitas überaus wichtig - dies ist aufhillig, da er deljenige der

Verschwörer ist, der sich schon früh Caesar angeschlossen hat. Er wendet sich an Cicero, sich rur ihn in Rom einzusetzen. Voller Stolz berichtet er von seinen militärischen Erfolgen in den Tnneralpen. Vordergründig gibt er vor, mit diesem Feldzug und sei er auch im Besitze der ordentlichen Amtsgewalt hei denen. die die Sache der liherfa\' und cOllcordia vertreten. nichts." 2111 Farn. XI 3,4: "...'os ill hac sellfellfia sumus. uf fe cupiamus ill fihera re puhfica maWlUm afque IWllesfum esse. vocemus fe ad mdfa\' illimicifias. sed fameIl pfuris lIosfram liherfafem quam fuam amicifiam aesfimemus. Antonius solle daran denken. wie kurz Caesar nur geherrscht hahe. ansonsten solle der Staat

durch ihn möglichst wenig Schaden nehmen. Zu der Verahsolutiemng der liherfas durch die Verschwörer gerade in den Edikten vgl. M. H. Dettenhofer. Perdita luventus. S. 283fT".. und vgl. hier Anm. 276. Zur fiherfas allgemein und ihrer Entwicklung vgl. C. Wirszuhski. Liherfa\' als politische Idee im Rom der späten Repuhlik und des frühen Prinzipats. Darmstadtl967. 2ü l Das Selhsthewußtsein ist nämlich Teil des historischen Bewußtseins der Menschen. vgl. A. Heuß. Verlust der Geschichte. Göttingenl959. Damit gehört es auch zum politischen Bewul.ltsein des Römers. 21)(' Vgl. u.a. farn. XI 6 Septemher/Oktober 44 v. Chr.. XI 6,~ 2 20. Dezernher 44 v. Chr.: Cicer'o weist D. Brutus gegenüher daraufhin. daß die Macht des Antonius dessen ganze Verdienste zunichte mache. vgl. farn. XI 12,113. Mai 43 v. Chr.

2ü4

69

seinen Soldaten einen (jefallen zu tun, sie auch zu trainieren. Doch er erhebt au[grund seiner Erfolge während dieses Untemehmens Anspruch auf die Unterstützung Ciceros im Senat. Denn Cicero werde so auch rur das gemeinsame Wohl sorgen.

207

Es ist nicht

ungewöhnlich, daß D. Brutus gerade aus seinen 111ilitätischen Erfolgen seine Ansprüche ableitet, doch vor allem seine räumliche Entfemung als Peldhe11' in (jallien läßt ihn die Vorgehensweise in Rom immer weniger verstehen. Stets mhlt sich D. Brutus zu wenig in seiner Stellung gefördet1. 208 In seinen Augen ist der Senat zu ängstlich und träge. 209 D. Brutus ktitisiet1 mit harten Worten die Mitte des Staates. Offensichtlich hat er, während die Kämpfe schwieriger werden, viel von seiner Achtung gegenüber dieser ehrwürdigen Institution verloren. Wie Cicero sieht er den Zwang zur Entscheidung bei dem handelnden Individuum. Immer wieder kommt in dieser F011n die räumliche Entfemung des Feldhe11'en - der mit einem Heer fem von Rom und oft ohne Verbindung zu den Standesgenossen dort steht - von den Institutionen der res puhlica zum Tragen.

Auch die Briefe des Cassius aus der Zeit, als er schon die Provinz Sytia okkupiert hat, handeln vorwiegend von militärischen Angelegenheiten. In dem Btief, in dem er Cicero seine Erfolge im Osten mitteilt, bittet er den Consular zuerst, fLir ihn in der Feme einzutreten, als zweites nennt er die Verteidigung der res puhlica. 2lO Wenig später bittet er Cicero emeut darum. Der enge Zusammenhang zwischen der digl1itas des Cassius und seinem Kampf gegen die Tyrannei wird dabei überdeutlich. Ohne jegliche Bedenken erzählt er - und will gerade dafLir belobigt werden -, daß er sich ein Heer zur Verteidigung des Staates, vor allem aber zur Befreiung von der Tyrannei verschafft

211' Vgl. farn. XI4,1-2 Septemher 44 v. Chr.: Er zählt seine Erfolge auf und hetont dann: j\,.'ollsille causa ad sellafum Iifferas misi. Adiuva 1I0S fua sellfellfia; quod cum ,/acies. ex ma!{lw parfe commulli commodo illservieris. Vgl. auch das SeIhstverständnis des Cassius in farn. XII 12,27. Mai 43 v. Chr.. der sich seiner

militärischen Erfolge bei der Okkupierung Syriens rühmt. vgl. Anm. 211. Vgl. farn. XI 10,1 5. Mai 43 v. Chr.: Bmtus hekla!o>t die Undankharkeit für seine Leistungen gegenüher der Repuhlik aufgmnd von Übelwollen und Neid. ehenso in farn. XIII,2 6. Mai 43 v. Chr. 21)9 Farn. XI 18,119. Mai 43 v. Chr.: Sellafus aufern. mi BruJe . ./iJrüs esf ef Iwhef./iJrfis duces. lfaque 21)8

moIesfe ./erehaf se a fe. quem omllium quicumque ./iüssellf./iJrfissimum iudiearef. ümidum mque iRllavum iudieari. Cicero ist hier geradezu gezwungen. den Senat gegen den Verschwörer den er sonst als

Einzelpersönlichkeit so gegenüher dieser Institution helvorheht - zu verteidigen. Den einzelnen derartig in seiner Stellung herauszustellen und ihn doch in die Gemeinschaft eingebunden sehen zu wollen. kann offensichtlich nicht in der politischen Praxis funktionieren. 211) Fanl. XII 11,2 7. März 43 v. Chr.: },hlllc fe colwrfmiolle mJ/! pufo illdiRere uf 11m ahsellüs remque puhlieam. quallfum esf ill fe. dejelldas. Hier meldet Cassius Cicero zum erstenmaL daß er nach Syrien gegangen und im Besitz eines Heeres ist.

70

habe. Er splicht dabei gleichsam

VOll

etwas ganz Selbstverständlichem. 211 Er versucht

noch nicht einmal, wie Cicero, dies mit einem Handeln sua aucton"tate zu kennzeichnen.

Das

Handeln

außerhalb

der

Legalität

ist

ihm

also

noch

selbstverständlicher und unbewußter als dem COllsular. Sein gesamtes Selbstverständnis beruht

11Ull

auf der Okkupierung einer Provinz im Kampf rur die res puhlica und die

Freiheit gegen die Tyrannis.

Das eigenmächtige Handeln des M. Brutus liegt zeitlich vor der Reaktion Ciceros. Doch es ist wichtig, wieweit Cicero M. Brutus die Initiative zum selbständigen Handeln zum ißt. Das Handeln des Brutus und die Forderungen Ciceros k011'espondieren zwar miteinander, beruhen aber auf eigenständigen Entscheidungen. 1m Mai stellt Cicero im Senat den Antrag, es dem Ul1eil des Brutus zu überlassen, welches Vorgehen im Interesse der res puhlica liege. m Wenige Wochen später findet der Entschluß des M. Brutus, sein Heer in Bewegung zu setzen, um auf die Ereignisse nach Mutina zu reagieren, Ciceros Beifall. Brutus hat offensichtlich diesen Beschluß selbständig gefaßt. Cicero aber lobt ihn, da dieses seiner digl1itas und dann auch der res puhlica gemäß sei. 213 Es ist bezeichnend, daß Cicero die digl1itas des Brutus vor der res puhlica nennt. Ein weiteres Mal appelliert Cicero auf der gleichen Ebene an M. Brutus im Juli 43 v. Chr.: Brutus soll wegen des Staates, aber auch aufgrund seiner gloria und seiner digl1itas nach Italien zurückkehren?14 1m Laufe des Bürgerkriegs gewinnt die digl1itas

des M. Brutus in den Briefen Ciceros eine immer größere Bedeutung. Der Consular Farn. XII 12,2 7. Mai 43 v. Chr.: Exercifus omnis qui in Syriajiwnlllf feneo A fe pefo uf diRnifafem meam commel1dafam fihi Iwheas si me infeIIeRis nullum neque periculum neque Iahorem pafriae deneRasse. si confra imporfunissimos Iafnmes arma cepi fe Iwrfanfe ef audore. si mJ/! soIum exercifus ud rem puhlicam Iiherfafemque dejel1dendam comparavi sed efiam cmdelissimis fyrannis enjmi Die JII

Beti"eiung von den Tyrannen wird sogar noch mehr als die Verteidigung der Repuhlik und der Freiheit hetont. Das SeIhstverständnis des Beti"eiers von der Tyrannenherrschafi steht also üher allem. Vgl. dazu auch das Denken des M. Brutus. S. 70ft:; vgl. auch M. H. Dettenhofer. Perdita luventus. S. 297. die diese Stelle schon als Definition von diRnifas auflaßt. JIJ ad Bmtum 1,5,1 5. Mai 43 v. Chr.: ... decrevi hoc amplius. uf fu. si arhifrarere ufiIe exque re puhlica esse. persequere hello Dolahellam; si minus id commodo rei puhlicae ./acere posses sive mJ/! exisfimares ex re puhlica esse. uf in isdem Iocis exercifum confineres. lI·'ihiI Iwnonji"cenfius pofuif ./acere se/wfus quam uf fuum essef iudicium quid maxime conducere rei puhlicae fihi viderefur. Dieser Beschluß hedeutet einen ungeheuren Gewinn für die diRnifas des Brutus. Jll ad Brutum 1,2",117. April 43 v. Chr.: [d valde perfinuif. uf eRo fum infelIeReham. ad rempuhlicam. uf mlllc iudico. ud diRnifafem fuam. ad Bmtum 1,2,2 20. Mai 43 v. Chr.: Tuum consilium vehemenfer Iaudo [faque quod scnNs pmf ea (Ereignisse hei Mutina) sfafuisse fe ducere exercifum in Chersonesum nec pafi sceIerafissimo Iwsfi Iudihrio esse imperium populi Romani. '/acis ex fua diRnifafe ef ex re puhlica JI4 ad Brutum 1,12,2 Juli 43 v. Chr: ... cum ad rem puhlicam summam fum ad Rloriam ef diRnifafem fuam vehemenfer perfinef fe. uf anfe scnjisi. in lfaliam venire quam primum; eRef enim vehemenfer cum virihus fuis fum efiam comilio res puhlica

71

selber räumt Brutus alle Entscheidungsfreiheit ein, die aus seiner digl1itas elwächst. Brutus aber nimmt längst dieses "Recht", das keines ist, rur sich in Anspruch.

Die Briefe des M. Brutus lassenlloch eine andere Problematik dieser Zeit erkennen. Vielfach versteht er den älteren COllsular nicht. Seine Angst um die Kinder seiner Schwester und des Lepidus, der wohl nur wenig älter als er selbst ist, zeigt seine Bindung an die (jesellschaft, gerade auch zum möglichen (jegner. 215 Seine überaus freundliche Behandlung des C. Antonius, des Bruders des M. Antonius, wird

VOll

Cicero

mit hat1en Worten kritisiet1. Brutus sieht in diesem eher einen möglichen Verbündeten. 216 Er mhlt sich diesen Altersgenossen verbunden, in der Milde gegenüber dem (jegner sieht er im Bürgerklieg mehr Erfolg liegen als in dessen Vemichtung. So setzt er den ganzen Senat in Erstaunen, als er C. Antonius in einem offiziellen Schreiben den Titel Proconsul zuerkennt, obwohl der Senat die VerHigungen des M. Antonius aufgehoben hat. m Aus Ciceros Reaktion wird deutlich, in welchem Zwiespalt M. Brutus hittet Cicero inständig. sich für seine Neffen. die Kinder seiner Schwester und des Lepidus. einzusetzen. ad Brutum 1,13,1 I. Juli 43 v. Olr. Nach Ansicht des Brutus muß er als Onkel mehr ins Gewicht fallen als der Vater Lepidus: si lIihil valuerif apud fe reIiquumque sellafum collfra pafrem Lepidum Brufus aWlllculus? Cicero glauht aher zunächst nicht. den Bitten des M. Brutus für die Kinder seiner Schwester entsprechen zu können. vgl. ad Brutum 1,12 im Juli 43 v. Chr. Brutus seiher scheint nicht nur die Einstellung Ciceros gegenüher C. Antonius zu hart zu sein. sondern auch die gegenüher Lepidus. vgl. ad Brutum 1,15,311: Juli 43 v. Chr.. wo Cicero eine Rechtferti!o'Ung für seine Politik insgesamt giht. zu den Strafen vgl. hesonders ad Bl1ltum 1,15,IO!: SO heteuert Cicero. ad Brutum 1,15,13, aher schließlich doch. für die Kinder zu sorgen. mehr als er eigentlich darf: vgl. ad Brutum 1,18, 627. Juli 43 v. Chr. Bl1ltus hat sich durchgesetzt. 21(' ad Bl1ltum 2,3,21. April 43 v. Chr.: Allfollius ad/mc esf lIohiscum. sed mediusjidius ef moveor homillis precihus ef fimeo lIe ilIum aliquorum.fimJr excipiaf Die Rechtfeltl!o'Ung fül sem Velhalten gegenuhet C Antonius macht die Unsicherheit des Rechts zu dieser Zeit deutlich. vgl. ad Brutum 1,4,2 7. Mai 43 v. Chr.: 21 1

Quod scr ihis mihi frium Allfollion/m ullam afque ealldem causam esse. quid e;:;o sellfiam mei iudici esse. sfafuo lIihil lIisi hoc. sellafus auf populi Romalli iudicium esse de iis civihus qui pU;:;lIallfes mm illferierillf "Af hoc ipsum' illquies 'illique .facis qui /lOsfilis allimi ill rem puhlicam homilles civis appelles' lmmo iusfissime; quod ellim mmdum sellafus cellsuif lIec poptdus Romallus iussif. id adro;:;allfer mJ/! praeiudicio lIeque revoco ad arhifrhlm meum. Bl1ltus will lieher die Elenden verschonen. als den

mächtigen Männern (Octavian) allzuviel nachzugehen. ad Bl1ltum 2,5,311:16. April 43 v. Chr.: Ein Schreihen des Bl1ltus. in dem er C. Antonius Proconsul entgegen den Beschlüssen in Rom nennt. hat den ganzen Senat in Verwirrung gehracht. Cicero kritisiert die zu grol.\e Milde des M. Bl1ltus. Er zeigt die Angst der lIohifes in Rom um ihre Söhne auf: die gegen einen Proconsul gekämpft hätten. ad Brutum 2,5,4: Sesfius causae mJ/! dejilif posf me. cum quallfo suum jilium. quallfo meum ill periculo .filfun/m diceref. si cOllfra procollsulem arma fulissellf ... ; vgl. ehenso ad Brutum 1,2",217. April 43 v. Chr.: scnNs ellim acrius prohihellda hella civilia esse quam ill superafm 21 '

iraculldiam exercelldam. Vehemellfer a fe. Bn/fe. dissellfio; lIec elemellfiae fuae cOllcedo. sed salufaris severifas villcif illallem .\peciem elemellfia e; quod si elemellfes esse volumus, lIumquam deenmf hella civilia. und erneut ad Bl1ltum 1,3,3 21. April 43 v. Chr.. wie auch ad Bl1ltum 1,3" 27. April 43 v. Chr.:

Cicero greift immer wieder dieses Thema auf; vgl. dazu auch E.-M. Kniei)". ehenda. S.155-167. Für Gotter. ehenda. S. 229. ist gerade diese Handlung des Bl1ltus hezeichnend für die strenge Gesetzlichkeit des Bl1ltus. Nach seiner Meinung deutet Bl1ltus damit die Möglichkeit an. dem Antonier nach einer Eini!o'Ung wieder die Provinz zu ühet·lassen. Aher welches Verständnis hätte Bl1ltus dann von dem Geschehen in Italien. wo D. Bl1ltus und Antonius erhittelt kämpfen? Kann Brutus sich hier streng auf die

Brutus mit dieser Aktion die Nobilität in Rom stürzt. Was soll man nun noch rur gültig erachten? Was sieht M. Brutus selbst rur seine Person als verbindlich an? Er scheint gar nicht zu durchschauen, was sein Handeln in Rom bewirkt. Er erkennt Handlungen des Antonius an und verwirft gleichzeitig die Meinung des Senats. Brutus versteht die Handlungsträger in Rom nicht mehr und nimmt die Komplikationen seines eigenmächtigen HandeIns in Rom nicht wahr.

Auf der anderen Seite kann M. Brutus nicht einsehen, warum der Caesarerbe so sehr von Cicero gefördert wird. 218 Immer wieder beschwört er Cicero, die von dem Caesarerben ausgehende (jefahr zu erkennen. Cicero scheint ihm nicht so sehr gegen das Übel der Tyrannis allgemein anzugehen, wie gegen die (jewalthenschaft eines Mannes, der mit ihm persönlich verfeindet iSt. 219

(jegenseitiges Unverständnis behenscht den Btiefwechsel zwischen den beiden Männem. Dies ist nicht mehr der (jegensatz zwischen homo

110VUS

und

l10hilis

aus

uraltem (jeschlecht, die politische Kommunikation zwischen den (jenerationen ist gestöt1. Kein Protagonist versteht mehr den anderen. Rom ist rur Brutus schließlich überall d011, wo er frei sein kann. no Mit diesen Worten zeigt er seine Distanz zu Rom und dessen politischer Ordnung, aber auch zu den Gesetzlichkeit heziehen. wo dem Bl1lder des M. Antonius die Provinz durch den Senat entzogen wurde? Wenige Tage später. am 26. April 43 v. Chr.. werden dann Antonius und seine Anhänger zu lwsfes erklärt. JI, Cicero ist immer wieder gezwungen. sein Eintreten für Octavian vor M. Brutus zu rechtfertigen. vgl. u. a. ad Bl1ltum 1,15,7 Juli 43 v. Chr.: Huic Iwhiti a me Iwnores milli quidem. BruJe. nisi dehiti. nuIli nisi necessarii. Brutus seiher warnt den Consular ständig vor dem Caesarerhen. vgl. ad Bl1ltum 1,4",2-315. Mai 43 v. Chr : ... lfaque timeo de consulafu. ne Caesar fuus altius se al'censisse puJef decrefis fuis quam inde. si consuI.fudus sif. descensumm. Quod si Anfonius ah alio relidum reRni insfmmenfum occasionem reRnandi Iwhuif. qW!IIam animojiire puJas si quis audore m!ll fyralllw infer/feto sed ipso senafu pufel se imperia quaeIihef concupiscere posse? qua re fum ef .feIicifafem ef providentiam Iaudaho fuam cum explorafum Iwhere coepero Caesarem Iwnorihus qt/os acceperif exfraordinariis .flire confenfum Quod ufinam ill.lpedare posses fimorem de ilIo meum;' JI 9 ad Bl1ltum 1,17,2 Juni 43 V. Olr.: ERO aufem Rrafiam /U!II Iwhm si quis. dum ne irafo ser1.'iaf. rem ipsam m!ll deprecafur. Cicero scheint ihm nur den für ihn angenehmeren Herren zu wählen.

JJIl ad Bl1ltum 1,16 Anfang Juli 43 V. Chr.: Brutus wehrt sich in diesem Briefhefiig gegen Cicero. der sich hei dem Caesarerhen für die Verschwörer verwendet hat. Doch diRnifal' und liherfas sind für ihn nicht mehr untrennhar verhunden mit Rom. ERO vero. uf iSfuc reverfar. is sum qui m!ll modo m!ll supplicem sed etiam coerceam pmfulantis. uf sihi supplicelur; auf IonRe a servientihus ahero mihique esse iudicaho Romam uhicumque Iihemm esse licehif. ac vesfri miserehor quihus nec aefas neque Iwnores nec virfus aliena duIcedinem vivendi mimwre pofuerif. ad Bl1ltum 1,16,8. Rom ist ihm nicht mehr der Mittelpunkt.

Dieses Denken können wir wenige Jahre später noch deutlicher hei seinem Altersgenossen Marcus Antonius erkennen. der sich eine Herrschafishasis im Osten aufhaut und seinen Triumph nicht in Rom sondern in Alexandria feiert.

73

dort handelnden Politikem, die ihm als Sklaven der Tyrannei erscheinen. Cicero ruft ihn immer wieder nach Rom zurück, doch der Caesal111örder sieht dort bereits nicht mehr das Zentrum seines Denkens. Der Bezug auf Rom als Mittelpunkt des Lebens und des Denkens tritt zurück. Was ist nun rur M. Brutus wichtig? Er stellt sich selbst, seine Belange, seine Sehnsucht, frei zu sein, in den Mittelpunkt, und er möchte sich gerade dadurch

VOll

l10hiles in Rom wie Cicero unterscheiden. digl1itas und lihertas liegen rur

Brutus nicht mehr unbedingt in Rom. Cicero spricht in seinen Btieren an M. Brutus

VOll

der Wiederherstellung der Republik, doch Brutus denkt nur an seinen Kampf mit der T)Tallnis selbst, nicht mit einem bestimmten (jegner. 221 Dieser Kampf macht sein gesamtes politisches Selbstverständnis aus. Dazu braucht er auch nicht mehr die Bestätigung in Rom. m

Für die Verschwörer bedeutet dieser vonneuem drohende Bürgerkrieg im Herbst 44 v. ChI'. zunächst einen Kampf um die Freiheit, aber auch einen Streit um ihre Stellung und

um

ihre

Anerkennung

als

Befreier.

Während

der

militärischen

Auseinandersetzungen ruhlen sie sich von Rom aus zu wenig in ihren Leistungen bestätigt; sie verstehen die Politik in Rom nicht und handeln ständig eigenmächtig. Ihr Wunsch, den vor allem D. Brutus und Cassius zeigen, sich durch militärische Taten auszuzeichnen, ist ganz und gar dem Denken der alten res puhlica verhaftet, doch nach eigenem El111essen entscheiden sie nun, wann und gegen wen sie kämpfen. Ihre Umgebung billigt ihnen dies aber zu. Immer wieder argumentiet1 Cicero, daß die Zeitgenossen seit den Iden des März ein solches Handeln auch erwarten. Sie lösen sich dabei in ihrem Denken vollkommen von den Einrichtungen der Republik. Sie glauben, alles rur die res puhlica zu tun, doch ihre digl1itas wiegt bereits mehr rur sie als die Für ihn hedeutet dies. Römer zu sein. ad Brutum 1,16,3 Anfang Juli 43 v. Chr.: Quod si Roma/l()s /ws esse memllllssemus Brutus will mit der Tyrannis seIhst den Kampf aufhehmen. ad Bmtum 1,17,6 Juni 43 V.Olr.: eRo cerfe quill I/isa re helIum Reram. hoc esf cum reRllo ef imperiis exfraordillariis ef domillafitme ef pofellfia quae supra IeRes se esse veIif. mdla erif farn hOlla cOl1dicio servielldi qua deferrear... sed domimlm lIe parellfern quidem maiores lIosfri volueTtmf esse 222 Einen weiteren Hinweis auf das sich von den Institutionen der res puhlica lösende Selhsthewußtsein 221

des Brutus findet man in seiner Münzpräb'Ung. Er setzt sein eigenes Portrait auf von ihm geprägte Münzen. teils auf die Vorderseite. teils auf die Rückseite. J. Bleicken. Der Begriff der Freiheit in der letzten Phase der römischen Repuhlik. HZ 195 (1%2).1-20. rückt Bmtus mit diesem Handeln an Caesar heran. der als erster sein Bild auf Münzen gepräb>1 hattte. und erklärt es .• aus der Zersetzung aller rechtlichen wie sozialen Bindungen in diesen letzten Jahren der Repuhlik'. Auch sie mußten im Kampf gegen die Erhen Caesars immer mehr die Person in den Vordergrund liicken ..•Zudem ist Brutus nicht ganz ti"ei von dem Verdacht. daß er dahei nicht auch an sich seIhst und an die Herausstellung seiner diRllifas in dieser die Tradition so verletzenden Weise gedacht hat: Er hätte nicht Münzen mit seinem POltrait prägen m ü s sen.' - wie Cassius sein Bildnis ehen nicht auf Münzen gesetzt hat. S.17.

74

politische und rechtliche Ordnung der Republik. So sucht Cicero gerade M. Brutus immer stärker dadurch nach Rom zu holen, daß er aufseine dignitas verweist. Doch die Verschwörer sehen ihre digl1itas und lihertas bereits von Rom losgelöst. Der Kampf U111 die Republik ist rur sie zu einem Kampf gegen die Tyrannis geworden. Darin liegt ihr politisches Selbstverständnis. Dieser Kampf wiegt mehr als die Wiederherstellung der res puhlica.

Wie denken

nUll

andere, ungehihr gleichaltrige l1ohiles? Was ist rur diese wichtig

und wie deuten sie das Bürgerkliegsgeschehen?

Der oben bereits genannte Q. Cornificius steht in einem regen Btiefverkehr mit Cicero. Es sind 16 Briefe Ciceros an ihn erhalten, aber kein Briefdes Comificius an den Consular. So kann man nur indirekt auf die Äußerungen des Comificius schließen. Doch die Briefe Ciceros zeigen uns deutlich die Interessen des Briefpat1ners. Wir erhalten ein farbenprächtiges Bild des jüngeren Politikers.

Q. Comificius steht durch seinen Vater in dem Verhältnis einer amicitia zu

Cicero. m Er ist Redner, Dichter und vor allem Politiker. Zu Beginn seiner Laufbahn ist er ein Anhänger Caesars, der sich gerade auf militärischem (jebiet ausgezeichnet hat. Die ersten an Comificius gerichteten Briefe stammen aus der Zeit der Diktatur Caesars. Es ist aufhillig, daß Cicero ihm bereits zu dieser Zeit wie einem (jleichgesinnten über die politische Lage in Rom berichtet. Zwar schwächt er seine Bemerkungen mit dem Hinweis ab, daß auch Caesar keinen (jefallen an solchen Bedingungen der ]X)litischen Unfreiheit in Rom finden könnte, doch er charaktetisiert Comificius so als einen politisch aktiven, freiheitsliebenden, mit ihm auf einer Ebene stehenden Mann. 224 Er bezeichnet ihn als seinen Freund und ersehnt dessen Rückkehr aus der Provinz. 225 In den

221 Der gleichnamige Vater des Q. Cornificius hatte sich zusammen mit Cicero 64 v. Chr. um das Consulat heworben; auch er war ein homo 1I0VUS. 224 Bereits in tarn. xn 17,1 Mitte Septemher 46 v. Olr. macht Cicero derartige Andeutungen: Romae summum ofium esf. sed ifa uf malis saIuhre aliquod ef lumesfum lIe!{ofium; quod sperrl.!ilre. Video id curae esse Caesari. Deutlicher wird er in farn. xn 18,2 Septemher/Oktoher 46 v. Chr.: hic pax comecufa. sed fameIl eius modi pax ill qua. si adesses. mulfa fe mm deIecfarellf. ea fameIl quae lIe ipsum Caesarem quidem deIecfallf

Vgl. farn. xn 18,2 Septemher/Oktoher 46 v. Chr. Es ist eine Freundschatt die vom Vater des Cornificius ausgehend mit dem Sohn erneuert wurde. fanl. Xll 28,2 Ende März 43 v. Chr.: Quod

22 1

sociefafem rei puhlicae cOllservulldae fihi mecum a pafre accepfam rellOVUS !{rafum esf; quae sociefas

75

weiteren Btieren unterhält er sich stets mit ihm über die politische Lage und sucht, ihn rur seine Ansichten zu gewinnen. Wir erfahren dabei manches über die politische Stellung des Q. Comificius. Dieser war im Jahre 48 v. ChI'. Quaestor und wurde mit

einem imperium pro praefore

VOll

Caesar nach TlI)TicU111 geschickt, danll nach S)Tien. 226

46 v. ChI'. hält er sich in Kilikien auf, 45 v. ChI'. ist er vielleicht Praetof. Seit 44 v. ChI'. verwaltet Comificius als Promagistrat Africa vetus. m

Aus dieser Zeit sind die

folgenden, nun zu besprechenden Btiere Ciceros an den jüngeren Politiker erhalten.

Während seiner Promagistratur in Africa vetus gerät Q. Comificius nach den Iden des März politisch in die Streitigkeiten des wieder auffiackemden Bürgerkrieges. Am 19. September 44 v. ChI'. berichtet Cicero Comificius

VOll

seinem Kampf mit Antonius,

von der unterdrückten politischen Situation, aber auch von seiner Hoffnung rur den n8 Staat. Er sucht dabei, eine gemeinsame Basis mit Comificius gegen Antonius herzustellen.

n9

So schildet1 er dem von Rom abwesenden Statthalter vor allem, wie er

sich darur einsetzt, daß er entgegen den Absichten des Consuls Antonius seine Provinz behalten kann. Denn das Amt des Comificius als Statthalter einer Provinz ist bedroht, als Antonius Ende November 44 v. ChI'. die Provinzen neu verlosen läßt und einen Nachfolger rur ihn bestimmt. Offensichtlich neigt Comificius in dieser Zeit gegen Antonius mehr der republikanischen Partei zu. In den folgenden Briefen bemüht sich Cicero immer mehr, ihn aufseine Seite zu ziehen. Er hat im Senat am 20. Dezember 44 V.

ChI'. den Antrag eingebracht, daß die amtierenden Statthalter ihre Provinz behalten

sollen, bis der Senat einen Nachfolger in der Provinz bestimmt. Der Senat hebt tatsächlich die Verrugung des M. Antonius hinsichtlich der Verlosung der Provinzen wieder auf. Dies hat Cicero nach eigenen W011en gerade auch rur die digl1itas des

illfer 110.1' semper. rni Corlllj/ci. rnallehif. Daraus leitet Cicero offensichtlich ein gemeinsames Bündnis zur

Erhaltung des Staates ah und schildert ihm stets auf das ausführ! ichste die politische Lage in Rom. 2:li' Farn. Xll 19,1 Dezember 46 v. Oll'.: Bellum q uod esf ill Syria Syriarnque provillciarn ühi frihufarn esse a Caesare ex fuis lifteris co{ilwvi

21' App. civ. IV 53 erklärt. daß er die Provinz vom Senat erhalten hahe. Wissowa (RE lVI) folgt Ganter (Philol. L111142). daß die Verleihung in den ersten Tagen nach den Iden des März aufgrund der acta Caesaris mit Zustimmung des Antonius erfol!o>t sei. 21, Fanl. Xll n,I-2 Ende Septemher 44 v. Chr.: ERO aufern acta ad fe ornllia arhifrorperscrihi ah aliis; a rne .Iilfura dehes cORlloscere ; quon/rn quidern mJ/! esf dil!icilis cOlliecfura. Oppressa ornllia sUllf. lIee Iwhellf ducern hOlli. lIosfrique fyralllwcfolli IOIIRe Rellfiurn ahsullf Quid/il1un/rn sif plalle lIescio; spes farneIl ulla esf aliqual1do populurn Romallum mai on/rn sirnilern ./lJre. ERO cerfe rei puhlicae mJ/! deero lIIud pro/iXfO: quoad pofero. fuarn'/arnarn et diRllifalern fuehor. 219 Farn. Xll n,119. Septemher 44 v. Chr.: Af eüarn de fe cOllüollafur. lIec impulle; lIarn sellüet qum (wohl Cicero und Cornif1cius) Iacessierif

76

Comificius durchgesetzt. 230 Er sucht also, den Vorstoß des COllsuls Antonius ausnutzend, den jüngeren, in seiner Stellung bedrohten Politiker auf seine Seite zu ziehen. Sein wichtigstes Argument ist die Bedrohung der digl1itas des Comificius durch M. Antonius.

Cicero mißt der digl1itas des Q. Comificius in seinen Briefen sehr weiten Raum zu. Seine Anträge rur die Bewahrung der res puhlica dienten demnach nicht zuletzt auch der Stellung des Bliefpartners. Beides scheint er au[eine Ebene zu stellen. Cicero glaubt offenbar, daß er nur durch eine derartige Argumentation Comificius im Kampf um die Republik rur sich gewinnen kann. Er erwirkt den ehrenvollen Senatsbeschluß rur den jüngeren Politiker, setzt diesen aber sofort in Beziehung zu dem Kampf gegen Antonius. 231 (jleichzeitig wird eine Mißstimmung im Verhältnis zwischen den beiden Politikem deutlich. m Da er so mit dem jüngeren Politiker splicht und ihn auf diese

J11l Farn. XII 22",1-2 Ende Dezemher 44 v. Chr.: ... de provillciis ah iis qui ohfillerellf refillelldis lIeque cuiquam fradelldis lIisi qui ex sellmus cOllsulfu successissef. Hoc eRo cum rei puhficae causa cellsui fum mehercufe ill primi.l· refillelldae diRllifafis fuae. Quam oh rem fe amoris 1I0sfri causa rORo, rei puhlicae causa Iwrfor uf lIe cui quicquam iuris ill fua provillcia esse pmiare mque uf omllia re/eras ad diRllifafem, qua lIihif esse pofesf praesfallfius ... .fac, uf provillciam refilleas ill pofesfafe rei puhlicae. Auch nach den Worten Ciceros kann also nichts die diRllifas üherragen; er sieht hier die diRllifaswesentlich anders als in Att. VII 11,1 21. Januar 49 v. Chr.. wo er die diRllifas des einzelnen in Bezug zur Gemeinschaft gesetzt hat. Vgl. auch farn. XII 25,219. März 43 v. Olr.. siehe die folgende Anm. 231. - Schliel.l1ich setzt Cicero die diRllifas des einzelnen ahsolut. vgl. 87ft: J1 I Farn. XII 25,1-219. März 43 v. Oll' : ... causam fuam eRi, mJ/! illvifa Millerva ... .factum de fe sellafus comulfum IWllorijicum ERO, mi Corni/lci, quo die prim um ill .Ipem fiherfafis illRressus sum ef cUllcfallfihus ceferis /imdamellfa ieci rei puhficae, eo 11).1'0 die providi mulfum afque Iwhui rafiOllem diRllifafis fuae; mihi ellim esf adsellsus sellafus de ohfillel1dis provillciis. "lec vero posfea desfifi fahe/acfare eum qui summa cum fua illiuria cOllfumeliaque r ei puhficae provillciam ahsells ohfillehaf [faque crehras, veI pofius coffidiallas, compellafiolles meas mJ/! fulif seque ill urhem recepif illvifus (gemeint ist Calvisius. den Antonius als neuen Verwalter von Ati"ica vetus vorgesehen hatte). lIeque sofum spe sed cerfa re iam ef possessiolle defurhafus esf meo iusfissimo IUJ/!esfissimoque cOllvicio. Te fuam diRllifafem summa fua virfufe felluisse provillciaeque IWllorihus ampfissimis ad/ecfum vehemellfer Raudeo. Im gleichen Brief farn. XII 25,3 nennt sich Cicero fuomm cOllsifiomm aucfor und diRllifafisque /aufor. Das imperium des Cornificius wurde nämlich prorogiert. dazu hekam er eine Legion von Ati"ica

nova üherwiesen. J12 Vgl. farn. XII 25,319. März 43 v. Chr. Der genaue Sachverhalt ist unklar. Cicero verweist auf sein eigenes Fehlverhalten. sein geplantes Exil in Griechenland und gesteht dem Cornif1cius zu. dal.\ es in der Verwirrung des Staates schwierig gewesen sei. einen festen Bezugspunkt zu erkennen. Er schränkt aher in dem gleichen Brief auch seine WOlte hinsichtlich der diRllifas des Cornificius etwas ein. Denn er fordert ihn auf: sich mit ihm zusammen an das Steuer des Staates zu setzen. doch er mahnt ihn gleichzeitig. seine diRllifas mit der res puhfica zu verhinden. fanl. XII 25,5 19. März 43 v. Chr.: Quam oh rem, mi Quillfe, comcellde 1I0hiscum ef quidem ad puppim. l.'lIa lIavis esf iam hOllomm omllium, quam quidem 110.1' damus operam uf recfam felleamus, ufillam prmpero cursu;' Tu/ac uf maRllo allimo sis ef exceIso cORifesque omllem diRllifafem fuam cum re puhfica colliullcfam esse dehere. Es stellt sich die Frage. oh Cornif1cius Cicero zu solch einer versteckten Mahnung Anlal.\ gegeben hat. Vgl. farn. XII 30,1-3 Anfang/Mitte Juni 43 v. Chr. Auch hier verweist Cicero etwas kühler aufsein Eintreten für die diRllifas des Cornif1cius. XII 30,7; De reIiquo velim fihi persuadeas mJ/! esse mihi meam diRllifafem fua cariorem

77

Weise zu überzeugen sucht, muß man schließen, daß auch Comificius seiner digl1itas einen solchen Stellenwert zum ißt.

1m Juni 43 v. ChI'. gerät Comificius durch (jeldmangel während der Kämpfe in schwere Bedrängnis. 233 Cicero kann ihm nicht helfen. Schließlich weigert Comificius sich, das Ttiu111virat anzuerkennen und seine Provinz abzugeben, indem er sich auf den Senatsbeschluß

V0111

20. Dezember beruft. In den folgenden Kämpfen mllt er als (jegner

der neuen Machthaber.

Was bedeutet also der Bürgerkrieg Hir Q. Comificius? Zunächst begegnet er uns als Caesarianer, der sich dann der Partei der Verschwörer anschließt. Obwohl sein eigentliches Handeln nach den Iden des März ihn doch als einen Anhänger der republikanischen Partei zeigt, steht er uns in den an ihn gerichteten Btiefen Ciceros doch vomehmlich als ein Mann gegenüber, der seine Stellung, seine digl1itas, höher als den Staat zu bewet1en scheint. Cicero sucht, das Streben des Comificius nach digl1itas in Verbindung zur res puhlica zu setzenY4 Dabei muß er aber so argumentieren, daß seine Überzeugung, rur Comificius gelte die eigene digl1itas mehr als die res puhlica, überaus deutlich wird. Die politische Beziehung zwischen ihnen rührt von der amicitia zwischen Cicero und dem Vater des Q. Comificius her, sie basiert aber in dieser Zeit anscheinend von Seiten des Comificius vomehmlich auf dem Eintreten des Cicero fLir seine Interessen. Zudem scheint auch sein Handeln in Ciceros Augen nicht immer ganz und gar mit dem eines Republikaners übereinzustimmen. Sicher fLihlt er sich als Republikaner, doch in seinen Interessen ist er viel eher ein Anhänger Caesars. So hat Cicero zu Recht bemerkt, daß Comificius aufgrund seines Alters die funktionierende Republik nicht habe kosten können: 235 Comificius ist trotz allen Widerstandes gegen Antonius und schließlich gegen das Ttiumvirat in seinem Denken und Handeln ein echtes Kind der Zeit Caesars.

211 Vgl. farn. XII 30,4 Anfang/Mitte Juni 43 v. Chr. 214 Farn. XII 24,1 Ende Januar 43 v. Chr.: E!{o lIullum Iocum praefermiUo (llee ellim deheo) mJ/! modo Iaudalldi fui sed lIe onlalldi quidem Te famell Iwrfor uf omlli cura ill rem puhlicam illcumhas; hoc esf allimi. hoc esf ill!{elli fui. hoc eitls spei quam l!ahere dehes amplijiculldae di!{lIifafis fuae 21 1

Vgl. S. 63. Anrn.189.

78

Einen tiefen Einblick in sein Denken und Handeln gibt der Caesarianer C. Asinius Pallia in seinen Btieren an Cicero.

Asinius Pollio ist

U111

76/75 v. ChI'. geboren, 49-48 v. ChI'. war er trihul1uS militum

oder legatus. Er begleitete Caesar

a111

Rubikon, 47 v. ChI'. war er Volkstribun, 46-45

legatus in Africa und in Spanien, 45 v. ChI'. Praetof. Zur Zeit der Abfassung der Btiere

an Cicero 236 ist er Statthalter

VOll

Hispania ulterior, ihm stehen also mehrere Legionen

und damit politische Macht zur VerHigung. Trotzdem ist er sich als ein mächtiger Mann unsicher, was in der Situation der emeuten Kämpfe gegen Bürger zu tun ist. Der erste erhaltene Brief ist vor allem dadurch interessant, daß Pollio sich zu der ganzen Zeit seit 49 v. ChI'. äußert. Denn in diesem Schreiben an Cicero vom März 43 v. ChI'. gibt er zunächst eine Rechtfertigung rur sein Handeln im pompeianischen Bürgerkrieg. Zu jener Zeit war er aufgrund des Netzes von amicitiae und il1imicitiae, also des Bindungsnetzes innerhalb der Nobilität, zum Diktator Caesar gedrängt worden.

237

Caesar aber hat ihn aufgrund seiner Liebenswürdigkeit rur sich auf persönlicher Ebene gewonnen. Trotzdem hat Pollio nach eigenen Worten erkannt, wie angenehm die Freiheit ist und wie elend das Leben unter der (jewalthenschaft. 238 Doch das ist wohl nicht als Ktitik an Caesar selbst gemeint, Pollio weist vielmehr die Schuld der Mißgunst anderer zu, aber auch den politischen Umständen allgemein. Trotz seines Anschlusses an Caesar glaubt Asinius Pollio nicht, daß er damit die Republik verlassen haLm So schreibt er an Cicero und diskutiert - als Caesatianer -mit ihm auf gleicher Ebene. Der Brief vel111ittelt nämlich den Eindruck, daß er seine Legionen nur rur den Senat in

Farn. X 3116. März 43 v. Chr.. farn. X 32 8. Juni 43 v. Chr. und fanl. X 33 Ende Mai/Anfang Juni 43 v. Chr. n- Farn. X 31,2-3: Nafura aufem mea ef sfudia fruhullf me ud pacis ef liherfatis cupidifafem. lfaque ilIud

21('

illitium civilis heIli saepe dejIevi; cum vero /Um liceref mihi lIuIlius partis esse quia ufruhique ma{ilws illimicos Iwheham. ea casfru ./ilRi ill quihus plalle fufum me ah illsidiis illimici scieham /Um ./ilfumm; compuIsus eo quo millime voIeham. lIe ill eXfremis essern. plalle pericula /Um duhifallfer adii Darin ist

er Cassius ganz ähnlich. vgl. Anm.196 und dazu auch Dettenhofer. Perdita luventus. S. 219. Asinius Pollio macht im folgenden aher auch deutlich. wie sehr er Caesar aufgrund von dessen Eigenschaften gelieht hat. farn. X 31,3: Caesarem veTO diIexi summa cum piefafe ef./ide 21, Farn. X 31,316. März 43 v. Chr.: Cuius./acti illiustissima illvidia emdire me pofw"f quam iucullda liherfas ef quam misera .wh domillati(me vifa essef

Man muß hier sicherlich B. Haller. C. Asinius Pollio als Politiker und zeitkritischer Historiker. Diss. Münster 1967. S. 40. widersprechen. daß Pollio Caesar hewußt eine monarchische Stellung im Staat eingeräumt hahe.

21 9

79

Marsch setzen will. Er gibt sich als ein (jegner der Monarchie und als ein Kämpfer rur die lihertas zu erkennen?40

(jleichzeitig aber zeigt er die Unsicherheit des politischen (jeschehens und seiner eigenen Situation auf. Denn seit den Iden des März hat er erst einen Btier des Senats bekommen mit der Anweisung, öffentlich zu erklären, daß er sich und sein Heer zur VerfLigung des Senats halte. Doch er hat keine Möglichkeit, einen Brief zu schicken, geschweige denn ein Heer über die Alpen durch die Provinz des Caesatianers Lepidus zu ruhren. Er wird also ganz und gar tun habe.

24I

VOll

Rom aus im Unklaren gelassen, was erjetzt zu

In Rom aber erkennt man seine schwierige Situation offensichtlich nicht.

Asinius Pollio will auch nicht jede Anweisung befolgen, die seiner Meinung nach ungünstig rur alle wäre. Er weigert sich deshalb, die Veteranen legion an Lepidus abzutreten. 242

So bekräftigt er schließlich noch einmal, daß er zuerst den Frieden will, aber auch, daß er entschlossen ist, rur seine eigene und rur die Freiheit der res puhlica einzustehen. 243

In dem Btief an Cicero, in den F0l111ulierungen, die Asinius Pollio gegenüber dem Consular wählt, scheinen sich

beide auf einer Ebene zu

unterhalten, ohne

Schwierigkeiten in der Kommunikation. Scheinbar wollen sie das gleiche, nämlich die 2411 Wie die Caesarmörder spricht er von der Freiheit. Vgl. farn. X 31,3: [fa. si id aRifur uf rursus ill pofesfafe omllia ullius sillf. quieumque is esf. ei me projifeor illimieum; lIee perieulum esf uIlum quod pro liherfafe auf reji/Riam auf depreeer

Fanl. X 31,4: Pollio spricht an dieser Stelle lediglich von den Iden des März. doch der Zusammenhang weist auf den Zeitpunkt der Ermordung Caesars hin. Da dieser Brief Pollios allgemein auf den 16. März 43 v. Chr. datiert wird. hat Pollio dann ein Jahr lang keine Anweisungen des Senats erhalten. Aufgmnd der starken Unmhen. die sofort nach der Ermordung Caesars in Rom einsetzten. scheint dies nicht verwunderlich zu sein. B. Haller aher. ehenda. S. 37L zieht es vor. den Brief auf den 15. April zu datieren. wohei dann Pollio die Iden des März des Jahres 43 v. Chr. meint. Allerdings. wie lange der Zeitraum auch ist. der Grund des Schreihenden hleibt dergleiche: Er fühlt sich von Rom aus im Stich gelassen. Vgl. dazu auch farn. X 32,411: 8. Juni 43 v. Chr. In diesem Brief zählt Pollio noch einmal seine Leistungen für den Staat auf und fordert den Senat in Rom erneut auf: ihm mitzuteilen. was er unternehmen soll. 242 Farn. X 31,5 241 Fanl. X 31,5: Zunächst nimmt er den Gedanken vom Beginn des Briefes auf: daß er von Charakter und Neigungen her vor allem Frieden und liherfas wünscht: Qua re eum me exisfima esse qui primum r!aeis 241

eupidissimus sim (omllis ellim eivis plalle sfudeo esse salm.I). dei lide qui

ef

me

ef

rem puhlieam villdieare

80

res puhlica bewahren. Beide glauben, rur die res puhlica einzutreten. Dabei gehören

beide verschiedenen Pat1eiungen an. Man111uß Asinius Pollio, der in seiner Beziehung zur Republik in der heutigen Forschung umstritten ist, in seinen Aussagen emst nehmen. Doch seine Position in der Provinz verhindert ein direktes Eintreten rur die Republik. Es ist aurhillig, daß er sich

VOll

den fLihrenden Männem in Rom allein gelassen mhlt. Schon

durch die Verhältnisse ist er in seinen Entscheidungen aufsieh allein gestellt.

In dem folgenden Brief

VOll

EndeMailAnfangJuni43v.Chr. zeigt sich Asinius

Pollio entsetzt über die neuen Ereignisse. Er hat erschreckende Nachrichten über Mutina bekommen. Die neuen Kämpfe unter Bürgem treffen ihn ganz unelwartet. 244 Auch jetzt sieht er sich als einen Kämpfer rur die Republik. 24 5 Denn immer wieder beklagt er, daß gerade er dem Staat hätte helfen können. Doch in dieser gehihrlichen Lage fordert er, wie Cicero es schon längst getan hat, nicht mehr auf die Beschlüsse des Senats zu wat1en, sondem gerade als Verteidiger der Republik gegen die (jefahr anzugehen. 246

Als Asinius Pollio sich und seine Legionen in Bewegung setzt, muß er sich mit Lepidus und Antonius vereinigen. Welche andere Möglichkeit hatte er auch als Caesarianer? Doch die Briefe selbst haben einen anderen Eindruck elweckt. Der Leser glaubte danach eher, daß Asinius Pollio gegen die Caesarianer kämpfen und sich auf die Seite der Republikaner stellen würde. Warum schreibt Pollio dann in dieser r011n an den Consular in Rom? Er konnte als Caesatianer, der durch die Provinz des Lepidus

ill Iiherfafem parafus sim. Es ist aher hezeichnend. daß er seine eigene Person vor der Repuhlik nennt. wie auch Cassius S. 69f. 244 Farn. X 33,3 Ende Mai/Anfang Juni 43 v. Chr: ... Ef e;:;o mehercuIes IOII;:;e remofus ah omlli su.\piciolle jilfuri civilis fumulfus pellifus ill Lusifallia Ie;:;iolles ill hiherllis colIlocuram, [fa porTO .!esfillavif uferque cOlljli;:;ere famquam lIihiI peius fimerellf quam lIe sille maximo rei puhlicae defrimellfo helIum compollerefur. Er kritisiert also heide Bürgerkriegsparteien. 24 l Farn. X 33,2: ""eque e;:;o mJ/! videham quallfo usui rei puhlicae essemjilfums si ad Lepidum vellissem; omllem ellim cullcfafiollem eius dicussissem, praeserfim adiufore Plallco Doch ihn hinderte das Beziehungsgetlecht zwischen den einzelnen lIohiles. Erneut hatte er Cicero. aher auch die Consuln und

Octavian um Rat gefra!o>t. wie er dem Staat am meisten nützen könnte. Ähnlich äußert er sich auch im dritten erhaltenen Brief an Cicero. farn. X 32,5 8. Juni 43 v. Chr.: Er hat seine Legionen gegen die Bemühungen des Antonius und des Lepidus in seiner Hand hehalten - für die res puhlica. Er ist aher auch enttäuscht. daß er nicht mehr vom Senat gefordert wird: Quamm rerumjrucfum safis ma;:;lIum re puhlica salva fulisse me pufaho; sed res puhlica si me safis lIovissef ef maior pars sellafus, maiores ex me.!rucfus fulissef, Darin gleicht er ganz D. Bmtus. vgl. S. 68f. 24(' Farn. X 33,5: Quae si vera sUllf (die Ereignisse hei Mutina). lIemilli lIosfrum cessalldum esf lIee enpecfalldum quid decerllaf sellafus; res ellim co;:;if Iwic fallfo illcelldio succurrere omllis qui auf imperium auf 110meIl dellique populi Romalli salvum volullf esse, Gleichzeitig betont er seine enge Verhundenheit mit der res puhlica: ... lIam lIeque deesse lIeque superesse rei puhlicue volo

81

ziehen 111Uß, nicht anders handeln, aber er konnte auch nicht anders - da er sich selbst als Republikaner fLihlte - an den Republikaner Cicero schreiben.

So sind die Briefe des Asinius Pollio ein schillemdes Zeugnis rur die Komplexität der politischen Lage nach Caesars El111ordung. Deutlich wird die politische Situation in der (jefahr des emeuten Bürgerkrieges vor Augen gestellt. Das (jefLihl von Unsicherheit behillt jeden, auch die, die wie Pollio durch ihre Legionen Macht besitzen. Der Caesarianer Asinius Pollio sieht theoretisch mehrere Möglichkeiten der Entscheidung, doch nur eine ist rur ihn schließlich offen - nämlich die Vereinigung mit den anderen Caesariane111. In dem gesamten Brief wird schon deutlich, welchen Zwang er von der bloßen Anwesenheit des Lepidus ausgehen sieht. Doch er kann Cicero nicht sagen, daß er keine Wahl bei seiner Entscheidung hat. Cicero und die anderen Politiker in Rom aber sehen offensichtlich nicht diesen Zwang, der rur Pollio gegeben ist.

Was bedeutet also das hellum ch'ile Hir Asinius Pollio? Asinius Pollio ist ein Beispiel daHir, wie ein l10hilis seit 49 v. ChI'. allein durch persönliche Beziehungen innerhalb der Nobilität und später auch durch die politische Situation zu einem Handeln, das nicht im Einklang mit der res puhlica steht, getrieben wird. Er glaubt die ganze Zeit über, Hir die Republik einzutreten, ja ein Republikaner zu sein, obwohl er auf der Seite von deren (jegnem steht. Er ist gefangen in der politischen Situation. Er wartet immer auf Anweisungen vom Senat, was zu tun sei. (jleichzeitig Hihlt er sich von den l10hiles in Rom in seinen Entscheidungen und in seinem Handeln allein gelassen, auch zu wenig in seinen Leistungen gefordert. Diese aber verstehen aus ihrer Sicht in Rom die Situation Pollios nicht. So "schleicht" sich gerade unter dem Eindruck des Schreckens von Mutina die Überzeugung in sein Denken, daß man nicht mehr auf die Anweisungen des Senats warten dürfe, sondem selber entscheiden müsse, was zu tun sei. Es ist kein Brief Ciceros an Asinius Pollio erhalten, in dem er auch diesen wie Cassius und die beiden Bruti auffordert, "sich selber der Senat zu sein", doch beide meinen dasselbe. So ist auch Asinius Pollio entgegen seinen Beteuerungen in seinem Denken und Handeln im Jahre 43 v. ChI'. ganz fem von der alten res puhlica.

Ein weiterer enger Briefpat1ner Ciceros ist Lucius Munatius Plancus. Es sind dreizehn Briefe Ciceros an Plancus, neun Briefe des Plancus an Cicero und zwei Briefe des Plancus an den Senat vom September 44 v. ChI'. bis August 43

V.

ChI'. erhalten.

Cicero wendet sich im September 44 v. ChI'. an Plancus. Dieser ist ungehihr 85 v. ChI'. geboren; er war der Legat Caesars in (jallien, Spanien und Africa in den Jahren 5446 v. Chr., im November 46

V.

ChI'. ist er einer der acht Stadtpraefecten, 45

V.

ChI'. ist er

Praetor, 44 v. ChI'. übte er die Statthalterschaft von (jallia Comata aus und war von Caesar zusammen mit D. Tunius Brutus rur das Jahr 42 v. ChI'. zum Consul designiert. Er ist als homo

110VUS

Plancus schon lange.

24 7

ein langjähriger Anhänger Caesars. Cicero kennt die Familie des

248

Er wendet sich nun an Plancus als zukünftigen Consul, um ihn

rur seine Partei zu gewinnen. Er mahnt ihn, sich ganz und gar der res puhlica zu widmen. 24 9 Cicero sucht ihn genauso wie Comificius mit dem Versprechen, rur seine digl1itas einzutreten, rur sich und seine Politik einzunehmen.

25o

Auch hier will Cicero

wieder das Streben des Btiefpartners nach dignitas mit der res puhlica verbinden 251 und ihn gegen Antonius vereinnahmen. 252 Doch bald erlebt er, wie Plancus zum Frieden mit Antonius rät. 253 Cicero muß Plancus immer heftiger el111ahnen, sich rur die res puhlica, rur die Freiheit des römischen Volkes und rur das Ansehen des Senats einzusetzen und sich von Antonius zu trennen. Er sieht dabei sehr deutlich, daß Plancus seinem Herkommen nach ein Caesarianer ist. 254 So kritisiet1 Cicero Plancus bald in seinen 14' Vgl. T.P. Wiseman. New Men in the Roman Senate 139 B.C.- A.D. 14. Oxfordl971. no. 262. :l4ii Vgl. fanl. X 3,2 Mitte Dezember 44 v. Chr.: Er loht an dieser Stelle ausdliicklich die Leistungen des Plancus. Doch nun soll Plancus alle zukünftigen Ehrungen von dem hesten Zustand der res puhlica erwatten: ... omllem fihi reliquae vifae diRllifalem ex opfimo rei puhlicae sfafu adquires. Vgl. farn. X 4,1-2 ;~lde Dezemher 44 v. Chr.. wo Plancus seihst auf die Beziehungen zu Cicero vom Vater her hinweist. mOllere fe afque Iwrfari uf ill rem puhlicam omlli cORifafiolle Farn. X 1,2 Septemher 44 v. Chr.: curaque illcumheres. Quae si ad fuum fempus perducifur. ./acilis Ruherllafio esf; uf perduCalur aufem maRllae cum difiRellfiae esf fum efiamjiJrfwwe 2111 Farn. X 1,3: ... ef. praeferquam quod rei puhficae colIsuIere dehemus. fameIl fuae diRllifali ifajavem us uf omlle lIosfmm collsilium sfudium o/ficium. operam fahorem diliRellfiam ad ampfifudillem fuam cOlljeramus. lfajaciIlime ef rei puhficae. quae mihi carissima esf. ef amicifiae lIosfrae. quam sallcfissime lIohis cofelldam pulo. me illfeIIeRo .mfis,/adumm 211 Farn. X 3,3 Mitte Dezemher 44 v. Chr.: lllcumhe. per deos immorfaIis. ill eam curam ef cORifafiollem quae fihi summam diRllifafem ef Rforiam adjeral; u/ws aufem esf. hoc praeserfim fempore. per fof all/ws re puhfica divexafa. rei puhlicae helle Rerelldae cursus ad Rforiam. Vgl. auch farn. X 5,2 Mitte Januar 43 v. Chr.: ... uf fofa mellfe omllique allimi impefu ill rem puhficam illcumhas. lI·'ihif esf quod fihi maiori jrudui Rforiaeque esse pmsif. lIec quicquam ex omllihus rehus humalli.l· esf praecIarius auf praesfallfius quam de re puhlica helle mereri

212 Fanl. X 5,3 Mitte Januar 43 v. Chr. 211 Er ist datiiher sehr empört, farn. X 6,1 20. März 43 v. Chr.. vgl. Anm.144. 214 Fanl. X 6,2: Crede iRifur mihi, Pfallce, omllis q uos adhuc Rradus diRllifalis cOllsecufus sis (es aufem adepfus ampfissimm) eos IWllorum vocahufa Iwhifuros, mJ/! diRllifafis illsiRllia, lIisi fe cum liherfafe populi Romalli ef cum sellafus aucforifafe cOlliunteris. SeiulIRe fe, quaeso, aliqual1do ah iis cum quihus fe mJ/! fuum iudicium sed femp0nlm villcIa collhmxerullf. Ein echter Consul sei man nämlich nur. wenn man

83

Briefen, bald lobt er ihn, wenn er etwas seiner Meinung Entsprechendes VOll ihm gehört hat, und weist heftig auf die künftigen Ehrenstellungen hin. m Plancus soll Antonius nach Mutina verfolgen und so den Krieg beenden. Cicero ist mehr als glücklich, als Plancus sich tatsächlich dazu in Bewegung setzt. An dieser Stelle [ordert er den jüngeren Politiker, dessen er sich

VOll

Anfang an Hieht immer sicher war 256 und dessen

er sich in jedem seiner Briefe durch Mahnungen und Versprechungen vergewissem muß, auf, sich sein eigener Senat zu sein und nicht mehr auf die Anweisungen des Senats zu warten. Was auch immer Plancus untemehmen wird, wird der Senat nach den Worten Ciceros gutheißen.

257

Plancus auf der anderen Seite versichert Cicero gegenüber stets - wie auch in den offiziellen Schreiben

-, sich im Interesse des Senats einzusetzen. (jleichzeitig aber

wendet er sich persönlich an Cicero, er solle durch die ErHillung seiner Versprechungen 258 noch mehr Anreiz rur seinen Kampf um die Republik geben. Er will Antonius nach 259 dessen Abzug von Mutina verfolgen und von Lepidus femhalten. Diesen aber will er auf seine Seite und die Ciceros hinüberziehen und ihm dann gehorchen. Doch seinen

richtig gegenüher dem Staat gesinnt sei. Er hehält die Argumentation gegen den Consul Antonius. der durch seine Handlungen und sein Auftreten in seinen Augen kein Consul mehr ist. also allgemein hei. 21 1 Er loht ihn z. B. in farn. x 1211. April 43 v. Chr. und stellt sich wieder als dessen diRllifafis/aufor ef amplijicafor dar. Vgl. auch farn. X 145. Mai 43 v. Oll'.: Plancm soll durch die Verfolgung des Antonius nach Mutina der res puhfiea ein divillum hellejicium leisten und für sich seihst aelema Rforia erwerhen. So erwirkt er für Plancus auch einen ehrenvollen Senatsheschlul.l. als dieser nach Mutina marschieren will. farn. X 1311. Mai 43 v. Chr.: Cicero zum Senatsheschlul.l. vgl. farn. X 9,326. April 43 v. Chr. und farn. X 11,2 Ende April 43 v. Chr.. wo Plancm sein militärisches Vorhahen schildert. 21(' Fanl. X 3,3 Mitte Dezemher 44 v. Chr.: Seis pro/eeto (llihif ellim fe .!ilRere pofuif) .!ilisse quoddam fempus eum homilles exisfimarellf fe lIimis servire femporihus ... ; vgl. dazu auch ad Brutum 1,14,214. Juli 43 v. Chr.: Efsi Bn/fum praecIare eum Pfallco colliulletum Iwhemus; sed mm iRlloras quam sillf illeerfi ef allimi homimlm ill/eefi parfihus eI exifus proeIiorum M. Brutus soll deshalh möglichst rasch zu Hilfe kommen. 1m April 43 v. Chr. hat Cicero Plancm hereits inmitten all der Beteuerungen. für dessen Stellung einzutreten. gemahnt. er solle darauf achten. dal.l der Staat ihm genauso viel schulde. wie er seihst der res puhlica verdanke. farn. X 12,5 11. April 43 v. Chr : ... per/h~e uf lIe millus res puhliea fihi quam fu rei puhficae deheas 21' Fanl. X 16,227. Mai 43 v. Oll'.: Tu. quamquam collsilio /Um eRes. vef ahulldas pofius. fameIl hoc allimo esse dehes uf lIihif hue reieias lIeve ill rehus farn suhifis famque allRusfis a sellafu collsilium pelelldum pufes. ipse fihi sis sellafus. quoeumque fe rafio rei puhfieae dueel sequare. eures uf allfe .!actum aliquid a fe eRreRium audiamus quam/ilfurum pufarimus. lIIud fihi promiffo. quiequid erif a fe.!actum. id sellafum mm modo uf.!idefifer sed eliam uf sapiellfer/actum comprohafurum 21, Farn. X 7,2 Ende März 43 v. Chr.: A fe pelo uf diRllifafi meae sul/raReris ef quan/m rerum .\pe ad faudem me vocasfi harumFuetu ill reIiquum.!aeias afaeriorem. Vgl. auch farn. X 11,1 Ende April 43 v.

Chr. Farn. X 11,2-3 Ende April 43 v. Chr. Wie Cicero nennt er Antonius in den folgenden Briefen einen falro und perdifus vgl. auch farn. X 15,411. Mai 43 v. Chr.

219

84

(jehorsa111111acht er VOll dessen (jesinnung gegenüber dem Staat abhängig. 260 Wie aber will Plancus entscheiden, ob Lepidus richtig gesinnt ist? Er kann nur selber dessen Einstellung gegenüber dem Staat abwägen. So sind die Btiere des Plancus schließlich

ganz

VOll

dem (jeschehen bei und nach Mutina bestimmt, wo er rur den Senat kämpfen

will. Dabei macht er die Unsicherheit der Situation, in der unklar ist, wer zu welcher Partei gehört, deutlich.

1m Juni 43 v. ChI'. vereinigt er sich mit D. Brutus. 1m August 43 v. ehr., als die Caesal111örder durch die lex Pedia geächtet worden sind, geht er schließlich zu M. Antonius über. 42 v. ChI'. ist er COllsul, 35 v. ChI'. verwaltet er rur M. Antonius Asia

und SYlien. 32 v. ChI'. schließt er sich dann Octavian an. Seine Kan'iere ist überaus erfolgreich, allein schon durch seine immer klugen Entscheidungen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Bürgerkriegspartei zu wechseln. Nach Actium gehört er zum engeren Kreis Octavians, im Jahre 27 v. ChI'. beantragt er rur den Caesarerben den Ehrennamen Augustus.

Was bedeutet also der Bürgerklieg rur Lucius Munatius Plancus? Zunächst begegnet er uns als Caesarianer. Seine Stellung im Staat hatte er gerade als homo

110VUS

Caesar zu

verdanken. Wie aber muß man unter solchen Bedingungen die Einstellung des Plancus gegenüber der Republik beurteilen? Nach der Enllordung des Diktators ruhlt er sich zwar als Anhänger der Senatspartei. Doch bereits wenig später zerbricht diese Bindung an die Republik an den politischen Verhältnissen. Und deshalb bleibt fraglich, wieweit die caesatische Position im politischen Denken des Plancus jemals von der ]('11 Farn. X 11,3: Do quidem e;:;o operam uf efiam Lepidum ad Iwius rei sOclefafem illclfem. omlliaque ei ohsequia poIliceor si modo rem puhlicam respicere mIef Vgl. farn. X 1511. Mai 43 v. Chr., dort herichtet er von seinen Erfolgen, die für ihn seihst (seine eigene Person nennt er wie Cassius und Asinius Pollio zuerst. vgl. Anm. 243) und für die res puhlica hoffentlich fmchthar sein werden, in farn. X 2113. Mai 43 v. Chr. herichtet er empört von der Untreue des Lepidus. Cicero solle so schnell wie möglich ein Heer schicken. Doch im nächsten Brief. farn. X 1818. Mai 43 v. Chr., scheint ihm Lepidus und ein Teil von dessen Armee loyal zu sein - nur um dann in den nächsten Briefen von der Täuschung durch Lepidus zu herichten. Nie scheint sich Plancus sicher zu sein, wer auf welcher Seite steht. Schließlich aher weist er die Schuld für den noch immer andauernden Krieg wie D. Bmtus Octavian zu, farn. X 24,6 28. Juli 43 v. Chr.: quod vivif Allfollius Iwdie. quod Lepidus ulla esf. quod exercifus Iwhellf mJ/! cOllfemllelldos Iwhellf. quod sperallf. quod audellf. omlle Caesari accepfum rejerre possullf. "·'eque e;:;o superiora repefam; sed ex eo fempore quo ipse milli projessus esf se vellire si vellire voluissef. auf oppressum iam helIum essef auf ill aversissimam ilIis Hi.lpalliam cum defrimellfo eOn/m mutimo exfn/sum, Quae melis eum auf quon/m cOllsilia a fallfa ;:;loria, sihi vero efiam lIecessaria ac salufari, avocarif ef ad co;:;ifafiollem cOllsulafus semesfris summo cum ferrore lIomimlm ef illsulsa cum e!jla;:;ifafiolle frallsfulerif

85

republikanischen (jesinllung zurückgedrängt war. Plancus zeigt schon ganz und gar das Denken, das sich im Bürgerklieg herausbildete. So fUhrt er uns vor Augen, wie wichtig seine digl1itas rur ihn ist. Ebenso deutet er schon selbständige Entscheidungen an; er will eigenständig die rechte (jesinllung der anderen Protagonisten beurteilen. Aber Plancus zeigt als weitere Problematik, wie Cicero gezwungen ist, sich auf Männer zu stützen, derer er sich nicht sicher ist. Auch Plancus soll sich nach der Aufforderung Ciceros wie die Verschwörer in diesen Zeiten "selber der Senat sein" und selbständige Entscheidungen tre[[en. 261 (jlaubt Cicero in diesem Moment etwa noch an den Senat, an die Institution, die jahrhundel1elang als Mitte Rom gelenkt hat, wenn er einem einzelnen derm1ige Entscheidungskompetenzen zuweist - zumal dieser einzelne kein anerkannter Republikaner ist und er ihn selber oft und offen ktitisiert?

Bisher haben wir neben den Caesal111ördem Männer betrachtet, die uns in ihrem ersten politischen Handeln sogleich als Caesarianer begegnet sind. Was aber ist mit den Söhnen detjenigen Männer, die, der (jeneration Ciceros angehörend, uns als Republikaner und - vor allem - als (jegner Caesars bekannt sind? Unterscheiden sich diese in ihrem Denken von den bisher dargestellten Politikem? Denn es ist zu erwarten, daß gerade sie unter dem Eindruck des exemplum ihrer Väter durch ein konventionelles Denken in Bezug auf die Institutionen der res puhlica geprägt sind. Publius Cornelius

Lentulus Spinther ist der Sohn des gleichnamigen Consuls von 57 v. ChI'. Dem Vater gegenüber hatte Cicero in einem berühmten Brief itll Jahre 54

V.

ChI'. seine Freundschaft

zu Caesar und den zu ihm im Jahre 56 v. ChI'. vollzogenen Wechsel rechtfertigen müssen. 262 1m pompeianischen Bürgerkrieg war der Comelier ein überzeugter Anhänger des Pompeius. Von Caesar bei Corfinium begnadigt, kehrte er zu Pompeius zurück. Er ist ein erklärter (jegner Caesars und ein fester Anhänger der Republik. In diesem (jeist muß er auch seinen Sohn erzogen haben.

Der Sohn Publius Comelius Lentulus Spinther ist 44

V.

ChI'. Proquaestor bei

Trebonius in Asia. Nach dessen El1110rdung durch Dolabella wendet er sich am 29. Mai 43 v. ChI'. an Cicero mit der Bitte, sich seiner digl1itas im Senat oder auch sonst \\'enn Oetavian sich wieder anders verhält oder neue Truppen kommen. will Planeus von seiner Seite her die anderen sicher halten. }('I Farn. X 16,227. Mai 43 v. Oll'. vgl. Anm. 257. }('} Farn. I 9 Dezemher 54 v. Chr. expufare /Um po.\".\"um.

86

anzunehmen. 263 Diese Bitte scheint gerade zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich zu sein. Doch er verbindet damit ein konkretes Anliegen, denn er möchte anstelle der abwesenden COllsuln mit der Verwaltung Asiens beauftragt werden. 2M Interessant ist seine Begründung: Er glaubt, sich derm1ig um den Staat verdient gemacht zu haben, daß er auf eine solche Auszeichnung nicht warten 111üsse, sondem so viel elwarten kÖHne, wie die beiden Bruti und Cassius erhalten haben. 265 Er beklagt, daß er trotz alt seiner Verdienste noch keine Vorteile erhalten habe. Er werde sich zwar weiterhin rur die lihertas einsetzen, aber mit einem weitaus größeren Ansehen der res puhlica nutzen

kÖHnen, wenn er V0111 Senat und den Optimaten gerechtfertigten und verdienten Ruhm empfange. 266 In dem folgenden Brief an den Senat und das Volk von Rom vom 2. Juni 43 v. ChI'. nennt er sich proquaestor pro praetore. Damit betrachtet er sich als den rechtmäßigen Statthalter von Asien- ohne Emennung durch den Senat.

Wir wissen neben diesen Briefen wenig über den Sohn des Publius Comelius Spinther. Er gehöl1nicht zu den Caesarianem. Es ist schwielig, in diesem Jahr 44 v. ChI'. genau zu definieren, wer Caesarianer, wer Republikaner ist. Neben denen, die sich von Caesar femgehalten oder nur eine lose Bindung an den Diktator geknüpft hatten, die Verschwörer bilden eine eigene (jruppe - und den Caesarianem um Antonius, die bereits eine enge Bindung zu Caesar geschlossen hatten, steht eine große Menge, die sich zurückhaltend verhalten hatte, die man aber eher den Republikanem zurechnen muß - wie der Sohn des Comelius Spinther. Zwar war er nicht an der Verschwörung gegen Caesar beteiligt, schließt sich aber bald darauf den Verschwörem an. Seine Herkunft, der uns als Vel1reter der Republik und vor allem als (jegner Caesars gut bekannte Vater nämlich, setzt offenbar ein Aufwachsen und eine Erziehung voraus, die fest im konventionellen Denken der Republik verankert ist. Doch der Brief an Cicero aus der Zeit seiner ersten politischen Tätigkeit zeigt uns einen Mann, dessen Denken mit ]('1 Farn. XII 14,4 29. Mai 43 v. Chr.: De lIosfra diRllifafe velim fihi. uJ semper. curae sif ef. quocumque fempore occasiollem lIahueris. ef ill sellafu ef ceferis rehus Iaudi lIosfrae suljraRere Y'4 Fanl. XII 14,41'. Y' l Farn. XII 14,61:: ERO me de re puhlica pufo esse merifum uf /Um provillciae isfius hellejicium enpecfare deheam sed fallfum quallfum Cassius ef Brufi. /Um soIum iIliusjacfi periculique sociefafe sed efiam lIuius femporis sfudio ef virfufe. Er zählt im folgenden seine Verdienste gerade für Cassius auf. All das habe er getan als Freund Dolahellas. als Verwandter der Antonii. aus Liehe zum Vaterland.

ii'(' Farn. XII 14,7: Haec efsi ud/mc /Um maRllo opere milli fulisse.!rucfum allimadverfo. fameIl /Um de.\pero lIec dejafiRahor permallere /Um soIum ill sfudio liherfafis sed efiam ill Iahore ef periculis Ac farne/!, si efiam aliqua Rloria iusfa ef merifa provocahimur sellafus ef opfimi miusque oljiciis, maiore cum aucforifafe apud ceferos erimus ef eo plus prodesse rei puhlicae poferimus

87

der alten res puhlica nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Er splicht vordergründig von der Freiheit, doch was verbindet er noch damit? Versteht er überhaupt noch die republikanische lihertas? Für ihn ist seine eigene Stellung am wichtigsten. Er begründet sein Verhalten damit, daß er das gleiche wie die Caesal111örder im Staat erwarten könne. Er denkt in bezug auf die Institutionen der Republik genauso wie die Caesal111örder. Hatten diese aber noch mit einer gewissen Berechtigung durch den Druck der politischen Verhältnisse die Verfassung gebrochen, so wird die Argumentation des Spinther immer fadenscheiniger. Es besteht keine Dringlichkeit, die Verwaltung der Provinz an sich zu reißen. Dies geschieht vor allem aus seinem Ehrgeiz heraus. Das Beispiel der Verschwörer, die die legalität übertreten haben und rur sich Sonde11'echte in Anspruch nehmen, zeigt eine Wirkung, die sich zerstörend auf das politische Bewußtsein der Altersgenossen und der Jüngeren auswirkt.

267

Der junge Spinther ist nicht der einzige l1ohilz"s dieser (jeneration mit einem Herkommen, das eigentlich eine überaus enge Bindung an die res puhlica nahelegt, der aber trotzdem in dem Kampf um die Republik kein Verständnis rur das Handeln der Protagonisten zeigt: C. Furnius ist ungeGihr 85 v. ChI'. geboren, wie sich aus seiner Ämterlaufbahn ergibt. Bis 44

V.

ChI'. schließt er sich eng an Cicero an und steht unter

dessen Einfluß, um sich nach der El1110rdung Ciceros bis 31

V.

ChI'. auf die Seite des

Marcus Antonius zu stellen. 29 v. ChI'. wird er schließlich von Octavian begnadigt und in die Rangklasse der Senatoren eingeordnet.

50

V.

ChI'. ist er Volkshibun 268 und setzt sich rur ein Dankfest ein, das sich der aus

der Provinz heimgekehrte Cicero anläßlich seiner Tätigkeit dort wünscht, seit 49

V.

ChI'.

betätigt er sich wiederholt als Unten'edner zwischen Caesar und Cicero, 44-43 v. ChI'. geht er als legatus des Munatius Plancus nach (jallien, von dem er auch gefördert wird. Cicero selbst beteuert Plancus gegenüber, wie sehr er Pumius schätzt. 269 Er wird in

2('- Allein dies Verhalten des Spinther widerspricht schon den Ansichten K. M. Girardets, Die Rechtsstellung der Caesarattentäter Brutus und Cassius in den Jahren 44-42 v. Chr., vgl. dazu und zur weiteren Forschungslage Anm.177 in der vorliegenden Untersuchung. Man kann nicht einfach, wenn der politische Notstand aufgehohen ist, wieder zu dem alten Denken vor dem Bürgerkrieg zurückkehren, wenn das neue politische Bewul.ltsein schon so seihstverständlich geworden ist, vgl. dazu auch Anm.165, der Aufschrei Ciceros zur allgemeinen Willkür in der Politik. Die politische Situation entgleitet den Zeitgenossen immer mehr, und Cicero erkennt dies deutlich. 2t'ii Vgl. Att. V 2,110. Mai 51 v. Chr. 2('9 V gl. farn. x 1,4 Septemher 44 v. Olr.

88

mehreren Briefen Ciceros stets als ein Vertrauter, der in seine Pläne eingeweiht ist, und als ein Mann erwähnt, der rur die Interessen des COllsulars eintritt. 270 Ihre gegenseitige Verbundenheit rühl1 wahrscheinlich nicht zuletzt daher, daß auch Pumius ein erfolgreicher Redner ist. 27I Diese enge Beziehung zu Cicero macht es wahrscheinlich, daß Pumius eine feste Bindung an die res puhlica, schon ein nahezu republikanisches Herkommen hat. Er sucht zwar seit 49 v. ChI'. die Nähe zu Caesar, bleibt aber stets Cicero zugewandt. Während seines Aufenthalts in (jallien bewirbt sich Pumius als Praetof. Au[grund dieser Bewerbung - denn zu Wahlen 111üßte er inmitten der Kämpfe nach Rom zurückkehren - sind zwei Btiere Ciceros

V0111

Mai und

V0111

Juni 43 v ChI'. an

ihn erhalten. Immerhin befinden sich die Republikaner trotz des Erfolges über Antonius bei Mutina emeut in einer äußerst schwierigen Lage. Man kann hier noch einmal sehr gut das Denken Ciceros fassen, aber auch die Einstellung des Fumius zum Bürgerkrieg bitt deutlich hervor.

Cicero sucht, ihn mit allen Mitteln zu übe11'eden, von seinem Vorhaben einer übereilten Bewerbung abzulassen. Er beschwört ihn, er solle sich rur den Staat im Kampf gegen die Caesarianer einsetzen statt alles Streben und Trachten auf ein unbedeutendes und leicht zugängliches Amt zu richten. m Es wird deutlich, daß Cicero den Kampf rur die Republik rur wichtiger als den cursus h0l1Orum erachtet. Die digl1itas, die allein aus dem Kampf rur die res puhlica erwächst, setzt er in diesen

Briefen geradezu in einen (jegensatz zu der Bewerbung rur die Ämterlaufbahn. 273 1m nächsten Brief sucht Cicero, Fumius zu überzeugen, daß er nicht erst langsam die Stufen des cursus hm10rum emporklimmen müsse, es gehe darum, sich so um den Staat verdient zu machen, daß er jeder Ehre am würdigsten gehalten wird. 274

Cicero stellt hier emeut Institutionen der res puhlica in Frage in dem (jlauben, sie nur so bewahren zu können. Die digl1itas setzt er hier absolut, gerade auch im Hinblick

2' 11 Vgl. u. a. farn. XV 14,5 Mitte Oktober 51 v. Chr. Immer nennt er ihn lIosfer FUTllius. 2' 1Vgl . Hor. sat. I 10,86 - Horaz nennt dort einen Furnius unter den Männern. denen er als Dichter gefallen möchte. und hezeichnet ihn sogar als wIldidus. (Vergil und Maecenas redet er sonst derartig an.) Horaz könnte allerdings auch den Sohn. derl7 v. Chr. Consul und zudem ein erfolgreicher Redner ist. meinen. ~:~ Vgl. farn. X 26,2 Ende Juni 43 v. Olr. - , Farn. X 25,3 Ende Mai 43 v. Olr.: uf omllia fe mefiri dii{lIifafe malim quam amhifiolle maioremque jrucfum pOliere ill perpefuifafe laudis quam ill eeIerifafe praefurae 2'4 Farn. X 26,2-3 Ende Juni 43 v. Chr.: uf ifa de re puhliea mereare omlli IWllore uf dii{lIissimus iudieere. Ufrum lIeseis quam affe aseel1deris all pro lIillilo id pufas?

89

auf die Ämterlaufbahn. Ruhm, laus, Ehre, eine angesehene Stellung im Staat, digl1itas, kann man nur noch im Kampf rur die res puhlica e11'ingell, die Ämter ergeben sich offenbar ohne zwingende Reihenfolge aus dem Erfolg, den man dabei erzielt.

Mit diesen Argumenten versucht Cicero, Pumius, der doch so lange sein Vertrauter war, umzustimmen. Man kann in diesen beiden Briefen l10ch einmal deutlich sehen, wie Cicero nun denken, wie er mit den Institutionen der res puhlica umspringen kann. Beide Briefe hätten auch schon bei Cicero im ersten Teil der Untersuchung betrachtet werden können. Doch was ist mit Pumius und seiner Einstellung? (jlaubt dieser an die Republik, hält er sich pOichtbewußt an die Einrichtungen der res puhlica, da er sich doch legal um ein Amt bewerben will? 1m ersten Moment mag Fumius diesen Anschein elwecken, vor allem wenn man sieht, auf welcher Basis Cicero argumentiert. Betrachtet man aber die politische Situation, die in Rom henscht, -man befindet sich in einer Zeit, als Cicero mehr als einmal beklagt hat, daß kein (jlied der Republik mehr funktioniert,so drängt sich doch die Frage auf, welches Verständnis Fumius denn überhaupt rur diesen Kampf hat, ob er weiß, worum es geht. Warum ist Cicero gezwungen, solche Argumente vorzutragen? Man muß das Handeln des Fumius aus einem ganz anderen Blickwinkel sehen: Fumius achtet nur noch auf seine eigene Kaniere, es gibt keinen zwingenden (jrund rur ihn, wie Cicero deutlich macht, an diesen Wahlen teilzunehmen. Er könnte wenigstens noch ein Jahr Legat bleiben und sich dann mit noch größeren Erfolgsaussichten unter Plancus als Consul bewerben, wie Cicero zu Recht bemerkt. Doch rur Fumius ist dieser so vel111eintliche Erfolg wichtiger als alles andere. Er zeigt, wie sich in ihm das Streben nach Ehrenstellen, also die amhitio, verselbständigt hat. m Er schaut nur noch auf die eigene Stellung. Fumius hat ebenso wenig Bezug zur res puhlica wie jeder andere Zeitgenosse.

Was bedeutet also der Bürgerkrieg rur Fumius? Bedeutet er überhaupt etwas rur ihn? Für Fumius zählt nur noch seine Kaniere, etwas anderes ist rur ihn ohne Bedeutung. Den Bürgerkrieg und vor allem die gegenwä11ige Lage der Republikaner scheint er gar nicht wahrzunehmen. U. Gotter. ehenda. sieht in C. Furnius ein Beispiel dafür. daß sich die eigentlich doch so konstitutiven Kräfte der amhifio verselhständigten. was zur Zerstörung der alten Ordnung führte. S. 242ft:: .,ln dem Maße. wie die Konkurrenz das politische Handeln entscheidend hestimmte. löste sich die Amhition der Protagonisten vom traditionellen Normensystem.' . S. 243.

1' l

90

Denkt man aber an das besondere Vertrauensverhältnis, das doch offenbar zwischen Cicero und Pumius bestanden hat, so wird hier um so deutlicher, wie gestört die Kommunikation zwischen den einzelnen l10hiles und zwischen den einzelnen (jenerationen ist. Selbst über lange Jahre miteinander vel1raute Politiker verstehen einander nicht mehr.

Die Liste der hier au[gefUhrten Mitglieder der 80er (jeneratioll kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, ihre Herausstellung ist vor allem durch die Quellenlage bedingt. Doch sie zeigen die ganze Schwierigkeit ihrer Situation auf. Schauen wir uns die ]X)litischen Möglichkeiten der (jeneratioll dieser Männer an: Sie wachsen in einer relati v ruhigen Zeit auf, nehmen in den 60er Jahren, die von Pompeius bestimmt sind, die toga virilis; ihre

Kallien~

beginnt kurz vor oder mitten im

pompeianischen Bürgerkrieg. Diese (jeneration ist vor allem in den Jahren 52 - 42 v. ChI'. politisch aktiv. Ihre Angehörigen sind geprägt von der politischen Situation der Zeit, entweder von dem 60 v. ChI'. geschlossenen Triumvirat oder schon von den Kämpfen des Bürgerklieges. Zuerst folgen sie Pompeius und Caesar, die mit ihrem Aufstieg in der res puhlica jeglichen Rahmen zu sprengen scheinen. Caesar und Pompeius bieten beide ein exemplum von der den Staat übe11'agenden (jröße, das stark auf die Vorstellungen der Jüngeren wirken muß. Sie lemen, sich fLir einen der Mächtigen zu entscheiden und in dessen (jefolge zu stehen. Sie können ihre Laufbahn nicht mehr nach altem Stil durchlaufen. Zumindest das Consulat wird ihnen von einem mächtigen Einzelnen gegeben. All dieses aber muß ihr Denken, gerade ihr Bewußtsein vom Staat maßgeblich bestimmen. Neben der immer gleichen Problematik zeigt sich jeweils auch ein neuer persönlicher Aspekt. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, wie Publius Comelius Lentulus Spinther uns vor Augen fLihrt, welches Herkommen die l10hiles aufweisen und welche Erziehung sie genossen haben, alle bewegen sich nun

außerhalb des jahrhundertelang gültigen Denkens.

Was meint also Cicero damit, daß diese (jeneration der um das Jahr 80 v. ChI'. geborenen Männer eine funktionierende res puhlica nicht erleben konnte? Er meint nicht die Kindheit und Jugend dieser Männer, sondem den Zeitpunkt ihres ]X)litischen Wirkens, in dem sie geprägt sind von Ereignissen, die bereits die res puhlica bedrohen.

91

Thr politisches Denken ist schon beeinOußt

VOll

dem Beispiel der übergroßen Macht

eines einzelnen.

Allerdings hat die (jeneratioll deljenigen, die um das Jahr 80 v. ChI'. geboren sind, durch die Erinnerungen aus ihrer Kindheit und frühen Jugend noch einen Bezug zu der res puhlica. Sie hat die Republik selbst erlebt und erfahren. Diese Erinnerungen, dazu

die Erzählungen ihrer Väter und die durch diese vorhandene Verbindung zur res puhlica selbst und zum BeziehungsgeOecht der Nobilität blingen sie dahin, ihre Wurzeln noch immer in der Republik zu sehen. Sie ruhlen sich als Republikaner wie Asinius Pollio, auch wenn sie gegen ihren eigentlichen Willen zur Zerstörung der res puhlica beitragen. Jeder aber ist gefesselt durch die ]X)litische Situation; ihr Denken und Handeln, ihr gesamtes politisches Bewußtsein, unterliegt längst neuen Maßstäben. Ihre volle politische Aktivität mllt bereits in die Zeit der Bürgerkriege, und sie lemen darin ein neu es Denken kennen. Jedem der betrachteten Männer ist seine eigene digl1itas wichtiger als die res puhlica.

276

Alle ruhlen sich von Rom aus im Stich gelassen oder zu

wenig anerkannt. So treffen sie immer öfter eigenmächtige Entscheidungen. Sowohl die Caesarianer als auch die Ve11reter der republikanischen Partei zeigen dieses unkonventionelle Denken. Da zwar ein großer Teil ihrer Jugendzeit in der Republik, ein großer Teil ihrer politischen Tätigkeit aber bereits während der Hen'schaft Caesars liegt, ist die Veränderung in ihrem politischen Bewußtsein nicht so abrupt

277

wie bei dem eine

(jeneration älteren Cicero. Mußte man bei Cicero schon von einem Bruch, von einem

Verlust seines politischen Be\\'ußtseins sprechen, so liegt bei dieser jüngeren (jeneration eher ein Wandel des politischen Be\\'ußtseins vor - hervorgerufen und vorangehieben durch den Bürgerklieg und dessen Folgen.

Vgl. J. Bleicken. Der Begriff der Freiheit in der letzten Phase der römischen Repuhlik. S.14f.: .,Es geht nicht mehr um die Verfassung der Repuhlik. es geht um den politischen Einflul.l des Aristokraten. um die Erhaltung des freien Spiels der Kräfte innerhalh der adeligen Familien. mit einem lateinischen Wort: um die diR/lifas der /lohifes ... und der Kampfum die diR/lifas ist der Kampfum die Freiheit." 2" M. H. Dettenhofer. Perdita luventus. stellt richtig fest. dal.l die politische Mentalität dieser Generation in einem besonderen Spannungsfeld stand. wohei die Erweiterung der Normen und damit die Vergröl.lerung der Handlungsräume in der Stl1lktur der Repuhlik entscheidend waren. Sie sind zerrissen durch ihre Gehundenheit an die Vergangenheit auf der einen Seite und durch ihre Orientiel1lng auf das neue Denken hin auf der anderen Seite. Sie macht aher nicht den inneren Wandel im politischen Bewul.ltsein dieser Zwischengeneration deutlich. sondern hleiht hei der Betrachtung der Stl1lkturen stehen. - Zudem ist zwar autlallend. dal.l die Mitglieder der 80er Generation dazu neigen. die Gleichaltrigen hesser zu verstehen als die ältere oder jüngere Generation. doch dies ist kein hlo/.\er Generationenkonflikt. U. Gotter. ehenda. kritisiert die Dm'stellung einer vgl. hier S. 60L TIL 78t: und 88t: Zwischengeneration. S. 280t: J'('

Wie aber muß der neunzehnjährige Octavian die res puhlica sehen? Welchen Bezug hat er noch zu denjahrhundertealten Institutionen und Traditionen der Republik?

1m November 44 v. ChI'. bettitt der junge, 63 v. ChI'. geborene Caesarerbe Rom. D011 streckt er während einer Volksversammlung die Hand zur Statue seines Adoptivvaters und schwöt1 ,,ita sihi parel1tis h0l1Ores cOl1sequi liceat".2 78 Durch welche politischen Ziele der neunzehnjähtige Octa\'ian dazu bewogen wird, ist unklar. Eher scheint er von der Situation, von der Stimmung unter der Bevölkerung während der cOl1tio, dazu hingerissen worden zu sein. Consulare wie Cicero schreckt diese Nachricht.

Doch so schwer die Pläne Octavians in diesem Moment zu deuten sind - schließlich hatte er zuvor immer wieder versucht, die Unterstützung des nun erschreckten Cicero zu erhalten - so deutlich macht diese Szene auf der cOl1tio in Rom die politischen Voraussetzungen und damit das politische Bewußtsein Octavians. Er orientiert sich an den Leistungen und daraus resultierenden Ehrungen Caesars. Diese sind sein Ziel. Der Name des Diktators bedeutet rur Octavian nicht nur den Eintritt in die Politik, sein ganzes Denken ist bestimmt von dem exemplum Caesaris. 279 Die Sammlung eines Heeres als Ptivatmann, sein Marsch auf Rom, sein erstes politisches Handeln, zeigen sein Verhältnis zur res puhlica oder machen vielmehr das Fehlen eines Bezuges zu ihren Traditionen deutlich. Auf der einen Seite präsentiert er sich nach der Adoption durch Caesar als Mitglied eines alten Patriziergeschlechts, als ein Mitglied der Nobilität, auf der anderen Seite zeigt sein gesamtes Verhalten ein völliges Unverständnis rur die Traditionen der Republik und eine fehlende Einbindung in ihr Regelwerk. So fordert er

2', Cicero

schildert dieses Geschehen in einem Brief an Atticus XVI 15,3 Anfang Dezemher 44 v. Chr. Der Consular ist sehr entsetzt üher das Handeln des jungen Caesarerben. vgl. Anm.124. 2' 9 D. Kienast. Augustus. Prinzeps und Monarch. verweist ausdrücklich auf die Herkunft Octavians: .• Für Oktavians Ausgangssituation sollte man ferner bedenken. daß der Octavier von Haus aus nicht zur Nohilität zählte und daß er einer Generation angehörte. welche die ti"eie Repuhlik schon nicht mehr kannte. In der engsten Umgehung Caesars aufgewachsen. konnte der junge Caesarerhe für die fihera res puhlica gar kein Verständnis entwickeln .. Für die Beurteilung der ersten Schritte Oktavians darf schließlich auch nicht vergessen werden. daß die Stmkturveränderungen in der römischen Welt auch Rückwirkungen auf die geistige Einstellung des einzelnen gegenüher dem Staat hatten. die uns konkret allerdings nur noch sdl\ver zu fassen sind." S.14f. Kienast erkennt also den hesonderen Hintergmnd Octavians. hleiht aher hei diesem Punkt der Untersuchung stehen. ohne die .• geistige Einstellung des einzelnen gegenüher dem Staat" zu untersuchen. Stattdessen zieht er den Brienvechsel zwischen Cicero und Matius heran. um zu zeigen. daß es zwischen den Verfechtern der alten Tradition der Nohilitätherrschaft und den Caesarianern in wesentlichen Fragen keine gemeinsame Basis mehr gah. Man konnte daher von Oktavian kein Verständnis für die aristokratische fiherfas erwarten und konnte von ihm nicht verlangen. daß er sich für eine fihera res puhfica einsetzte. die er niemals erleht hat.' . S.18. Doch es ist zu wenig. die Einstellung des Octavian zur res puhlica ledigl ich auf die unterschiedliche Mental ität der einzelnen Patteien zurückzuführen.

93

von Cicero, eine Senatsversa111111lung rur ihn einzuberufen, was dieser ganz und gar als

pueril empfindet. 280 Denn Octavian ist noch nicht einmal Senator! Doch der Caesarerbe sieht darin offensichtlich nichts Ungewöhnliches oder Schwieriges, während Cicero zu dieser Zeit noch über den politisch "unbedarften" Octavian - denn so erscheint er ihm durch sein Unverständnis rur den Ablauf der Politik in Rom - geradezu entsetzt ist.

In dieser Zeit, während des Marsches auf Rom im Jahre 44 v. ChI'. und in den folgenden Monaten ist Octavians ]X)litisches Bewußtsein besonders gut zu greifen. Sein ganzes Verhalten ist illegal, sogar hochve11'äterisch. Er achtet keine der überkommenen

Regelungen wie Altersbeschränkungen oder Ämterlaufbahn. So ist es rur ihn wenig später vorstellbar, das Consulat als

neunzehl~ähriger

adulesce/1s zu fordem. Für uns

aber ist wichtig: Er kann so denken. Er scheint die Regeln der res puhlica noch nicht einmal wahrzunehmen. Die Basis seines ]X)litischen Denkens ist Caesar. Der Diktator bestimmt völlig seine Vorstellungen von der Politik. Wie könnte dies auch anders sein? Octavian ist zur Zeit von Caesars Consulat 59 v. ChI'. vier Jahre alt, bei dem Beginn des Bürgerkriegs 15 Jahre. Hatte die (jeneration vor ihm noch einen Bezug zur Republik durch ihre Erinnerungen an den funktionierenden Staat ihrer Jugend, so ist dieser rur Octavian aufgrund seines Alters nicht gegeben. Jahrhundertelang hatte der junge römische l10hilis durch eigenes Erleben und Betrachten die res puhlica täglich "gelemt". Octavian konnte die Einrichtungen der res puhlica nicht "lemen" und sich nicht vorstellen; er wächst nicht mehr in der res puhlica auf und kann sie sich durch eigene Erfahrungen nicht mehr aneignen. So wendet Octavian sich an Cicero, doch er versteht ihn nicht, wie auch Cicero den Caesarerben nicht durchschauen kann. Sie befinden sich nicht mehr auf einer Ebene des Denkens. Brutus aber versteht weder Cicero noch Octavian. Keine (jeneration kann mehr die Ziele der anderen nachvollziehen. Doch ist dies mehr als ein bloßer (jenerationenkonOikt. Das politische Verständnis zwischen den (jenerationen hat sich aufgelöst.

2&1 Att. XVI 11,65. Novemher 44 v. Chr.: Romam veniet (Ocfavianj cum manu ma!{lw. sed esf plane puer. Pufaf senafum sfafim. Quis veniet? Si venen·f. quis incerfis rehus o!jendet Anfonium? Vgl. auch Att. XVI 8,12./3. Novemher 44 v. Chr.. wo Cicero den Plan Octavians einer geheimen Besprechung für unmöglich und vor allem für puerile hoc quidem hält.

94

1m Verlauf des Bürgerkrieges

VOll

49 v. ehr., über die Diktatur Caesars bis zum

Jahr 43 v. ChI'. sieht man, wie sich das politische Be\\'ußtsein der Menschen rasch und schon fast abrupt verändert. Diese Veränderung des Bewußtseins

V0111

Staat ist aber rur

die einzelnen (jenerationen ganz unterschiedlich, das bedeutet, man muß bei den einzelnen (jenerationen differenzieren. Selbst der Unterschied von wenigen Jahren im Lebensalter des einzelnen kann ihn mehr oder weniger zur res puhlica blicken und seinen Bezug dort finden lassen.

Cicero hat schon lange vor dem Bürgerkrieg die Mißstände des Staates klar erkannt. Sicher empfand er spätestens nach seinem COllsulat 63 v. ChI'. die Republik nicht mehr als ideal. Doch besonders als homo

110VUS

hat er die Regeln und die

Institutionen der Republik verinnerlicht und sucht sie geradezu zu verkörpem. Durch sein langes ]X)litisches Wirken ist er um so mehr mit der Republik verbunden. Nach den Iden des März aber zeigt sich, wie er die Verfassung zur Disposition stellt. Er will die Republik retten, doch er steht mit diesem unkonventionellen Denken bereits auf einer Linie mit Octavian. Cicero als Protagonist rur die um das Jahr 100 v. ChI'. geborene (jeneration zeigt uns, wie sich sein Verhältnis zum Staat mit einem festgefLigten, in der res puhlica aufgewachsenen und tief velwurzelten politischen Bewußtsein \\.'andelt ja j

zerbricht \\-'odurch es zu einem Verlust seines politischen Be\\.'ußtseins kommt. j

Die Generation die um das .Tahr 80 \'. ehr. geboren und vor allem in den 40er j

Jahren politisch tätig ist, sieht sich als Vertreter der Republik, die Caesarianer ebenso wie die Republikaner. Sie fLihlen sich der res puhlica durch ihre eigenen Erinnerungen an den funktionierenden Staat und durch ihre Väter, ihre älteren Angehörigen verbunden. (jleichzeitig aber sind sie von den Ereignissen des Bürgerkrieges beeinOußt, also von der Zeit, in der sie erste politische Wirksamkeit aufgrund ihres Alters erlangen konnten. Da diese (jeneration die res puhlica vor allem als adulescel1tes und junge Männer kennt, aber schon bald von neuen Erfahrungen geprägt ist, bedeutet das neue Denken rur sie nicht einen Abbruch, sondem eher einen Wandel ihres politischen Be\\.'ußtseins. Sie fLihlen sich noch dem Regelwerk der Republik verhaftet, sie glauben, Ve11reter der res puhlica zu sein, sie denken aber bereits in denneuen Kategorien, die nun hervorgebracht worden sind. So ist die ganze (jeneration von Unsicherheit behe11'scht.

Die einzelnen

Mitglieder

dieser

(jeneration

aber

verstehen

sich

95

untereinander besser, ob sie 11Ull Caesarianer sind oder Republikaner, als daß sie Cicero verstünden. Doch ebensowenig kann die U111 80 v. ChI'. geborene (jeneratioll Octavian, also die nächstj üngere (jeneratioll, begreifen.

Octavian aber, der hier als der Protagonist rur die

U111

das Jahr 60 v. ChI'. geborene

(jeneratioll steht, zeigt uns im Jahre 44 v. ChI'. ein noch "unbesetztes" politisches Be\\'ußtsein in Bezug auf die Institutionen und Traditionen der res puhlica: Er ist geprägt

VOll

dem Erlebnis der Diktatur seines "Vaters", aber nicht

VOll

dem

funktionierenden Regelwerk der Republik. So ist er ganz und gar offen rur einneues politisches Denken, das in dem Bürgerkrieg ausgeprägt worden ist. Er zeigt zunächst Unverständnis rur die jahrhundertealten Traditionen der Republik und rur den täglichen Ablauf der Politik, denn nur auf rationale Art und Weise, nicht mehr durch Erfahrung kann er sie lemen. Die Traditionen müssen weitergegeben werden, damit sie lebendig im Bewußtsein bleiben. Doch wer soll sie ihn lehren? Denn durch den Bürgerkrieg sind ganze Jahrgänge der Nobilität ausgefallen. Damit ist der TraditionsOuß, der nicht nur zwischen einzelnen (jenerationen, sondem auch von den einzelnen Jahrgängen getragen wird, unterbrochen. Wer hat die funktionierende Republik noch mit eigenen Augen gesehen, wer hat noch eine Erinnerung an die res puhlica?281

Man

kann

zurückblickend

fragen,

was

die Zeitgenossen als Veränderung

wahmahmen. Für Cicero ist das Consulat Caesars eine deutliche Zäsur. Doch er versteht So äuLlert sich auch Asinius Pollio üher den Verlust an Menschen nach der Schlacht hei Mutina. fanl. X 33,1 Ende Mai/ Anfang Juni 43 v. Oll': Quo si qui Iaefallfur ill praesellfia quia videllfur ef duces ef

],1

veferalli Caesaris parfium illferisse. fameIl posfmodo lIecesse esf dofeallf cum vasfifafem lfaIiae respexerillf; lIam ef rohur ef suholes milifum illferiif. si quidem quae mmfiallfur uIla ex parfe vera .\"tlllf

Auch Cicero weist bereits fiiiher immer wieder auf die geringe Zahl der Consulare hin. vgl. Att. X111 40,1 Mitte AUb'Ust 45 v. Chr.: lfalle? mlllfiaf Bn/fus ilIum ad hOIltA\' viros? E'lzry1Ära. sed uhi eos? lIisi.!r)rfe se su.lpelldif, Vgl. auch fanl. xn 2,325. Septemher 44 v. Chr.: Cicero zählt einige wenige Consulare auf und hemerkt dann: Hahes audores cOllsili puhlici; qui lIumen/s efiam hOllis rehus exi!{uus essef, quid cellses perdifis? Vgl. zu der Frage. wer denn ühedlaupt im Falle eines Sieges der Repuhlikaner die Herrschaft hätte ühernehmen können. J. Bleicken. Der Begriff der Freiheit in der letzten Phase der römischen Repuhlik. S.18. und idem. Gedanken zum Untergang der römischen Repuhlik. S.117ff. mit einer genauen Aufzählung der Consulare. So sieht dann auch der Historiker Tacitus den Aufstieg des Augustus durch den Ausfall von lIohifes vorangetriehen: ... mdlo adversallfe, cum .!erocissimi per acies auf proscripfiolle cecidissellf (arm 1.2.1). M. H. Dettenhofer. Perdita luventus. findet diese Annahme des Tacitus nach ihrer personellen Analyse hestätib>1: und geht von einem Traditionshmch aus. S. 30. Der Ausfall der Generation zwischen Caesar und Augustus ist danach für die politische Entwicklung zum Principat zu diesem Zeitpunkt entscheidend. S. 3. Angesichts des BewuLltseinswandels auch bei der Generation Ciceros ist es aher fi"aglich. oh sich nicht auch ohne Ausfall dieser Zwischengeneration die Staatsform gewandelt hätte. Alle denken nun anders. d. h. das politische BewuLltsein hat sich hei jeder Generation verändert.

96

die Zäsur auf einer anderen Ebene; es sind nämlich zu dieser Zeit rur ihn die Rechtsbrüche, die

VOll

ihm erkannt werden. Später aber werden die Rechtsbrüche, der

Verstoß gegen die Ordnung nicht nur einfach hingenommen, sonde111 nicht ein111almehr wahrgenommen. Doch haben die Zeitgenossen die unterschiedlichen Bedingungen erkannt, unter denen die um das Jahr 60 v. ChI'. geborene (jeneratioll herangewachsen ist. So wird ein Ausspruch Catos an seinen in den 60er Jahren geborenen Sohn überliefet1: ,,Tch bin in einer freien Welt, die sich der Redefreiheit erfreute, aufgewachsen und kann mich nicht in meinen alten Tagen ändem und auf Sklaverei umlemell. Du hingegen wurdest unter solchen Verhältnissen geboren und großgezogen und mußt der (jottheit dienen, die dein Schicksal bestimmt.,,282 Allerdings bezieht sich auch dieses auf die Struktur des Staates, nicht auf das politische Bewußtsein.

Doch heute muß man angesichts der bis zum Jahre 50 v. ChI'. nicht kritisierten oder gar in Frage gestellten Institutionen und

Traditionen diese Veränderung des

jahrhundertelang gültigen politischen Bewußtseins überaus emst nehmen. Jeder denkt nun im Jahre 44 v. ChI'. anders als vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges. Cicero hat also Recht, wenn er auch bei einem Sieg der Republikaner den Bestand der alten res puhlica nicht gewährleistet sieht. Und diese Bemerkungen Ciceros sind das deutlichste Anzeichen darur, daß die Zeitgenossen zwar nicht die Wandlung ihres eigenen politischen Bewußtseins, so doch das Herandrohen von Veränderungen in den Strukturen des Staates deutlich wahrgenommen haben.

Bisher haben wir durch Octavian gesehen, wie sein politisches Bewußtsein beschaffen ist. Er ist aber einer der Protagonisten des (jeschehens, und er wird, als er einmal als Sohn Caesars die politische Bühne betreten hat, zu immer weiteren Aktionen vorangetrieben. Für ihn bedeutet der Bürgerkrieg die Möglichkeit, seine Ansprüche als Erbe des Diktators durchzusetzen.

Wie aber reagieren die anderen Mitglieder dieser (jeneration auf den Bürgerklieg? Der Bürgerkrieg ist das erste politische Thema der Dichter Vergil, Horaz und Properz. Sie gehören der (jeneration Octavians an. Was bedeuten rur sie die emeuten Kämpfe?

2,2

Cassius Dio 43. 10,5

97

3.1. Die Dichter und das helium civile: proice tela mallU, sallguis meus! I

Die Dichtung ist rur uns die einzige überlieferte, genuin römische, zeitgenössische Quelle rur die Jahre seit Philippi? Wenn wir wissen wollen, wie die Menschen in dieser Zeit den drohenden oder den bereits tobenden Bürgerklieg sahen und darstellten, welche Probleme und Lösungen sie darin erkannten, wann das hel1um ch'i1e überhaupt zum Thema wird, aber auch, seit welcher Zeit der Bürgerkrieg kein Thema mehr darstellen wird, müssen wir uns der Dichtung zuwenden. 3

Da der Bürgerkrieg auch in diesem Kapitel weiterhin das "Leitmotiv" der Untersuchung bleibt, sollen vor allem die Dichter zu Wort kommen, die sich mit dem (jeschehen des hellum ch'i1e beschäftigen: Vergil, Horaz und Properz. 4 Tatsächlich sind das Leid und die Folgen des Bürgerkrieges ein zentrales Thema der frühesten (jedichte der älteren augusteischen Dichter Vergil und Horaz, die uns bereits Ende der 40er/Anfang der 30er Jahre entgegentreten. Die bei ihnen aber immer wiederkehrende Thematik aus dem Bereich der Tagespolitik ist um

so aufGilliger, da ein

Charakteristikum der Dichtung noch wenige Jahre zuvor ganz entgegengesetzt deren unpolitische Haltung gewesen ist. 5 Nun aber "politisiert" in diesen Jahren der Schrecken des Bürgerkrieges die Dichtung geradezu, dringt die Tagespolitik in viele Bereiche der Dichtung ein, die dadurch eine neue aktuelle Ebene e11'eicht. Erst der sich über I VergiL Aen. VI 835. Vgl. dazu S. 220ft·. und S. 279f : Vgl. Cass. Dio LIII 19 zur Quellenlage. , Livius. der auch der Generation Octavians angehört. ist uns zu einem großen Teil nicht erhalten. auch die Bücher. die Octavians Handeln schildern. sind nur aus den Periochae hekannt. zudem sind diese erst sehr spät. erst nach 14 n. Chr.. erschienen. Vgl. zu den Historikern M. Tohet·. Augustus and the Evolution of Roman Historiography. in: K. A. Raatlauh/M. Toher (Hrsg.). Between Repuhlic and Empire. Berkeley/Los Angeles/LondonI993. S.139-154; er sieht das Zurückweichen der Geschichtsschreihung unter Augustus nicht durch den Princeps. sondern lediglich durch die Umstände verursacht. da nun der eigentliche Antrieh. der Wettstreit der Senatoren untereinander um ihre Stellung in der Gemeinschaft. entfalle. vgl. S.147tl". und wieder S.154. 4 Tihull unterscheidet sich gerade dadurch von ihnen. daß er Augustus. aher auch die Kämpfe des Bürgerkrieges allgemein als Thema seiner Dichtung vermeidet. Ovid ist zu spät gehoren und gehört schon der folgenden Genet'ation an. Die Zahl der Dichter in det· fliihen augusteischen Zeit. von deren Existenz wir sonst wissen. muLI sehr hoch gewesen sein. doch von ihnen sind nur wenige Fragmente erhalten (vgl. zu diesen unhekannteren Dichtern L. Duret. ANRW 11.30.3 (1983).1447-1560). 1 Zwar hat Catull gegen Caesar gerichtete Gedichte geschriehen. doch hlieh er mit seiner Polemik stets auf einer persönlichen Ehene. E. Letevre. Vergil. Propheta retroversus. Gymn. 90 (1983).17-40. hält allerdings diese Reduktion der Neotet'iker auf das Unpolitische auch für eine politische Äußerung. S. 26. -

98

Jahrzehnte hinziehende Bürgerkrieg scheint eine tiefergehende Beschäftigung mit dem aktuellen (jeschehen in der Politik und eine persönliche Stellungnahme der Dichter herauszufordem. Auch der ein paar Jahre jüngere ProperL - der aber doch noch zu der (jeneratioll des Caesarerben gezählt werden 111Uß 6 - befaßt sich in seiner noch Actiu111 erschienenen MOll0biblos in einer sehr persönlichen r011n mit der Problematik des Bürgerkrieges.

Das hellum ch'i1e ist also ein zentrales Motiv rur diese Dichter und zeigt ihre Einstellung und ihr Bewußtsein zur Umwelt. In bezug auf die (jedichte, die man als politisch interpretieren kann, soll deshalb die Frage gestellt werden, was im (jedicht und auch in der (jattung selber liegt und was aus der Zeitgeschichte heraus verstanden werden muß. Dabei soll zum einen die Verbindung zu den Zeitereignissen, zum anderen darüber hinausgehend die Verbindung zu dem Zeitbewußtsein dargestellt werden. Denn beide Betrachtungen beziehen sich auf unterschiedliche, doch miteinander verbundene Bereiche: Die eine fragt, welche Ereignisse der Tagespolitik die Dichter darstellen, die andere, wie sie darauf in ihrem Bewußtsein vom staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenleben reagieren. Durch die Untersuchung, wie die Dichter das Thema des Anderer Meinung zu Catull ist W. Stroh, Horaz und Vergil in ihren prophetischen Gedichten, Gymn.1 00 (1993), S. 283. (' E. Lefewe, Die unaugusteischen Züge der augusteischen Literatur, in: Saeculum Augustum 11. S.173196, sieht die Generationen etwas anders verteilt. heurteilt aher auch das Verhältnis der einzelnen Generation zur res puhlica anders. Seiner Meinung nach sind Vergil und Horaz wie auch Livius .,Kinder der Repuhlik"; gemeinsam sei ihnen .,die Liehe zur Vergangenheit. d.h. zur Repuhlik, und die Hoffnung, sie politisch und moralisch restituieren zu können', S.183. Tihull und Properz sind für ihn .,Kinder des Chaos' , geprägt durch den Krieg, der 43 v. Chr. gehorene Ovid aher ein .,Kind des Friedens". Auch K. Galinsky, AUb'Ustan Culture, ist der Ansicht. daLl Octavian, Vergil und Horaz einer Generation, Properz und Tihull hereits der nächsten angehören, S. 225ft: - Da aher in der vorliegenden Untersuchung schon gezeigt worden ist, daLl der Caesarerhe als Vertreter seiner Generation keinerlei direkte Verhindung zur Repuhlik mehr hatte, können ehensowenig auch die etwa gleichaltrigen Dichter einen Bezug zur res puhlica hahen. Nur von Vergil kann man vielleicht eine etwas engere Bindung an die Repuhlik erwarten, da er im Jahre 70 v. Chr. gehoren ist, also zwischen Asinius Pollio und Octavian, und so schon heinahe inmitten der heiden Generationen steht, vgl. hier S.I 01. Der jüngere Properz - er ist zwischen Horaz und Ovid gehoren - ist zwar, wie sich zeigen wird, vollkommen von den tohenden Kämpfen gepräb>1, doch ist er - gerade deshalh - immer noch ein Mitglied der Generation des Caesarerhen. Es liegt keine ganze Generation zwischen den Elegikern und dem Caesarerhen. Man kann aher dadurch, daLl zwischen Vergil und Horaz auf der einen Seite, zwischen Horaz und Properz auf der anderen Seite mehrere Jahre liegen, Entwicklungslinien innerhalh der Generation erkennen. Erst Ovid gehört auch nach dieser Arheit hereits der nächsten Generation an. Zu groLl erscheinen die Unterschiede im Denken im Vergleich zu ihm, für den der Frieden hereits seihstverständlich geworden ist. Ovid nennt in seinem Katalog der Lieheselegiker, trist. 2.445ff und 4JO,5IfL seine Vorgänger in chronologischer Reihenfolge, zuerst TihulL dann Properz, sich seihst zuletzt. (Tatsächlich heginnt Properzens Liehesdichtung vor der Tihulls.) Er herichtet auch davon, wie Properz ihm vorgelesen hat. trist. 4,10.45-46, dahei wird deutlich, daLl der Altersunterschied so groß ist, daß Ovid zu Properz aufSehen kann, aher klein genug, um heide in einem

99

hellum civile behandeln, können wir erkennen, auf welche Weise die Menschen die

Welt um sich herum, die sich in den Jahren des Bürgerkrieges veränderte, nun deuteten. Und so erfahren wir gleichzeitig mehr über die Bewußtseinslage deljenigen, die der gleichen (jeneratioll wie Octavian angehören. Octavian hat als politisch handelnder Protagonist rur seine (jeneratioll ein noch unbesetztes politisches Bewußtsein in bezug auf die Institutionen und Traditionen der res puhlica gezeigt. Die Reaktionen seiner ungehihr gleichaltrigen Zeitgenossen machen in der folgenden Betrachtung die verschiedenen Facetten des sich nach Philippi neu [ol111enden Zeitbewußtseins deutlich.

3.1.1. Die Dichter, das Erlebnis des Bürgerkrieges und die Gesellschaft

Zunächst soll ein kurzer Überblick über das Leben der Dichter gegeben werden, um sie in das gesellschaftliche Umfeld Roms einzuordnen. Woher kommen sie? Verbindet oder entfemt ihre Herkunft sie von der res puhlica? Wie wirkt sich das Bürgerkliegsgeschehen auf ihr Leben aus? Dabei soll die Frage, wie die einzelnen Dichter in ihren ersten (jedichten auf das (jeschehen, d. h. auf das Erlebnis des Bürgerkrieges reagieren, innerhalb der Darstellung ihres Lebens behandelt werden. Denn diese (jedichte hat jeder Dichter in einem bestimmten Lebensabschnitt geschrieben, und dies jeweils immer, bevor er in näheren persönlichen Kontakt zu den 7

fLihrenden Persönlichkeiten in Rom tritt. Der Bürgerkrieg bleibt also weiterhin das Leitmoti v und entscheidet, welche (jedichte herangezogen und unter welchem Blickwinkel diese betrachtet werden sollen. Welche Ereignisse des Bürgerkrieges stellen die Dichter in ihren ersten (jedichten heraus? Was übergehen sie? Welche Folgerungen ziehen sie aus diesem einschneidenden Erlebnis rur ihr Leben und rur ihr Denken als Individuum, aber auch rur ihr Leben in der (jemeinschaft der Bürger?

sodalicium zu vereinen. \Vill man also den Generationenwechsel allel 0 Jahre vermeiden. steht Properz gerade durch seine Präb'Ung durch den Bürgerkrieg Vergil und Horaz viel näher als Ovid . • Als Einschnitt soll der Anschluß der Dichter an Maecenas. den engen Vertrauten Octavians. hetrachtet werden. So werden im folgenden die I .. 9. und 4. Ecloge Vergils. die 7. und die 16. Epode des Horaz und die Elegien 121 und 122 des Properzuntersucht.

100

Die folgenden Überlegungen sollen den Blick darauf lenken, wie die Dichter nach der Veröffentlichung der ersten Werke ihren Platz in der (jeseIlschaft finden und dabei das Interesse ihrer Umwelt wecken. Welche Stellung nehmen die Dichter nun nach der Etablierung ihres Ruhmes in Rom ein? Wie muß man ihre Verbindung zu den mächtigen Männem in Rom bewerten? Wie finden sie ihre Stellung in der (jeseIlschaft in den Jahren des Bürgerklieges? Auch dadurch kann man einen Einblick in das (jeschehen des Bürgerkrieges und das sich entwickelnde Zeitbewußtsein erhalten. Schließlich

sollen

die

späteren

(jedichte

zum

Bürgerkrieg möglichst

in

chronologischer Reihenfolge betrachtet werden, und dies im Hinblick darauf, was die Dichter jetzt, zumeist mit einigem Abstand zum (jeschehen, über das hellum ch'i1e denken, was nun wichtig rur sie ist, wie lange das Bürgerkriegsgeschehen überhaupt ein Thema bleibt und an welcher Stelle ihrer Dichtung sie den Bürgerkrieg herausstellen. Was also hedeutet das hellum civile jur die Dichter und wie reagieren sie in ihrer Vorstellung VOll dem Staat, in dem sie lehen, aufdie Erlehnisse und die EJjilhrungen des Bürgerkrieges? Wie entwickelt sich das

Zeith(~vußtsein?

Aufgrund der noch näher zu betrachtenden Herkunft und sozialen Stellung der Dichter muß man im folgenden - auch wenn sie dem Census nach in späteren Lebensjahren zumindest die Rittelwürde e11'eicht haben - bei ihrer Deutung des Bürgerkliegsgeschehens im Vergleich zu dem Politiker Cicero zumeist von einer "allgemeineren" P01111 des politischen Bewußtseins, von dem Zeitbewußtsein sprechen, das sie uns vor Augen ruhren. Denn sie werden nicht als Politiker tätig, sie haben zwar später weitreichende Verbindungen, doch diese mehr auf gesellschaftlicher als auf politischer Ebene. 8 Wenn sie aber in ihren (jedichten eine überaus klare Vorstellung von den politischen Verhältnissen zeigen werden, dann tritt auch bei ihnen ein politisches Bewußtsein, d.h. ein Bewußtsein von dem Staat und seinem Zustand, deutlich hervor. Die Dichter stellen uns die

B(~vußtseinslage

und damit das Zeithnt'ußtsein vor Augen.

das in dieser Zeit des schon lange tohenden Bürgerkn'eges herrscht, aher auch den entstehenden Zeitgeist.

ii

VgL S. 149ft'. zur gesellschaftlichen Stellung der Dichter.

101

3.2. Vergil

Der älteste augusteische Dichter, Publius Vergilius Maro, ist am 15. Oktober 70 v. ChI'. bei Mantua, in Oberitalien, als Sohn vel111ögender Landleute geboren worden. 9 Er stammt also aus einem nicht altrömischen (jebiet. Erst unter Caesar erhielt die Transpadana durch die lex Roscia vom 11. März 49 v. ChI'. das Bürge11'echt. Auch die Zusammensetzung der Bevölkerung in dieser Region ist nicht zu klären, da Veteranen sehr verschiedener Einheiten dort angesiedelt wurden. Vergil erhielt seine Ausbildung, bei der philosophische Neigungen herv011raten, in Cremona, Mailand, Rom und Neapel.

So muß man sich die Einstellung Vergils zur Republik zu Beginn seiner Dichtung von mehreren Faktoren bestimmt vorstellen. Auf der einen Seite ist Vergil sieben Jahre älter als Octavian. Er hat immerhin als Zwanzigjähriger vor Beginn des Bürgerkrieges die noch immer funktionierende und noch nicht in Frage gestellte Republik gesehen. Dies verbindet ihn weitaus stärker als den jüngeren Caesarerbenmit der res puhlica. Er hat als junger Mann mehr von der Republik kennenlemen können. Diese relativ kurze Zeitspanne vel111ag doch einen Unterschied im politischen Bewußtsein des einzelnen auszumachen, wenn man wohl auch nur Entwicklungslinien innerhalb einer (jeneration verfolgen kann. Doch auf der anderen Seite konnte Vergil das städtische Leben nur als Außenstehender verfolgen; er ist kein Angehöriger der Nobilität, sondem kommt aus einfachen Verhältnissen, aus einem mUl1icipium. Zudem - wie muß man heute die Einwohner Oberitaliens, das stark von Caesar gefördert worden ist, einschätzen? 10 Wir haben keine genaue Kenntnis darüber, wie sich die Bewohner dieser (jegend zusammensetzten. Daher ist es unsicher, wie man ihre Einstellung zur Republik Vgl. als ausführlichere Biographien zu Vergil K. Büchner. P. Vergilius Maro: Der Dichter der Römer. in: RE VIII 1(1958).1021-1486. P. GrimaL Vergil. Biographie. München/Zürich 1987. N. HorsfhlL A companion to the study ofVirgiLI995. S.I-26. giht einen kurzen Üherhlick zu Vergils Lehen. aher mit zahlreichen Verweisen auf die Quellen; vgl. die Aufsatzsammlung zum Bimillenium Vergilianum im Gymn. 90 (1983). wo verschiedene Autoren versuchen. unterschiedliche Aspekte des Lehens und des Werkes. sowie der Lehensumstände Vergils zu erfassen; ähnlich auch R. Jenkyns. Virgil"s Experience. Nature and History: Times. Names. and Places. Oxfordl998. Vgl. auch R. F. Glei. Der Vater der Dinge. Interpretationen zur politischen. literarischen und kulturellen Dimension des Krieges hei VergiL Trier 1991. mit Üherhlick üher den Forschungsstand. sowie. auch zur Forschung. R. Rieks. Vergils Dichtung als Zeugnis und Deutung der römischen Geschichte. in: ANRW " 31.2 (1981). S. 728-868. 111 W. Schmitthenner. Die Zeit Vergils. Gymn. 90 (1983). L. P. Wilkinson. The Georgics of Virgil. A critical survey. Camhridge 1969. S. 24L ebenso D. Little. Politics in Au!o'Ustan Poetry. in: ANRW 11.30.1 (1982).254-370. nehmen die Klientelpolitik Caesars in der Heimat Vergils sehr wichtig. D. Little. 9

Im

bewerten muß. Denn auf der einen Seite sind die Menschen in den Landstädten meist am längsten der Tradition verhaftet und neigen weniger zu Veränderungen. Auf der anderen Seite scheint es aber auch sicher, daß in einem solchen (jebiet wie der erst spät in das römische Bürgergebiet einbezogenen Transpadana monarchische Bestrebungen am

leichtesten

Fuß

fassen

konnten.

Dazu

kommen noch Vergils

v011'angig

philosophischen, dem staatlichen Leben wenig zugeneigten Studien. 49 v. Chr., noch zu Beginn des pompeianischen Bürgerkrieges, hat er sich dem Schülerkreis des epikureischen Philosophen Siron in Neapel angeschlossen und bleibt d011 wohl bis zum Jahr 42

V.

ChI'. Nur einmal zuvor hat er überhaupt die Erfahrung gesucht, öffentlich auf

dem Forum aufzutreten. Die Philosophie eines "Lebe im Verborgenen!" scheint ihm wichtiger zu sein als eine Beteiligung am politischen Tagesgeschehen, wie Horaz es inm Wen des Bürgerkrieges jedenfalls versucht hat. 11

Nach Philippi, als die Veteranen mit Land versorgt werden müssen 12

-

diese

Aufgabe aber ist dem Caesarerben zugefallen -, ist der Besitz der Familie des Vergil zumindest bedroht. Einflußreiche Freunde, Alfenius Varus, Comelius (jallus und wohl auch schon Asinius Pollio, die dem Caesarerben nahe stehen, helfen ihm in dieser Bedrängnis. Die direkte Berührung mit dem Bürgerkrieg fließt in seine Eclogen ein. Das erste größere (jedichtwerk Vergils entsteht in den Jahren 42 - 39 v. Chr. 13 Er veröffentlicht seine Dichtung mit einem ungeheuren Erfolg. 14 Vergil ist der erste römische Dichter, der im großen Stil die Bukolik behandelt. Er macht sie damit zur römischen Literaturgattung. Die Eclogen, Hirtendichtung also, stehen nach der äußeren F01111

in der Nachfolge Theokrits, aber mit großen Unterschieden in ihrer inhaltlichen

Ausrichtung. 1m (jegensatz zu Theokrit befaßt sich Vergil in einem Teil seiner Hirtendichtung mit dem ]X)litischen (jeschehen und den Folgen des Bürgerkrieges, die die Hit1enwelt direkt betreffen. Denn er beschäftigt sich in seinen ersten (jedichten, die hesonders S. 257 und 263ft:. möchte Vergil aufgrund seiner Herl·mnfi ganz ahgewandt von der res puhlica und vollkommen dem Diktator zugewandt sehen. 11 Vgl. S.119ff 12 Vgl. dazu L. Kerrie. Colonisation and Veteran Settlement in ltaly.47-14 s.e.. Londonl983. 11 Dies ist die traditionelle Datiemng der Eelogen. Die im folgenden zu hesprechenden Eelogen I und 9 werden um das Jahr 41 v. Olr.. die 4. Ecloge in das Jahr 40 v. Chr. datiert. Doch auch diejenigen. die. wie E.A. Schmidt. Zur Chronologie der Eklogen Vergils. SHAWI974. 6.9. oder G.W. Bowersock. A Date in the Eigth Eclob'Ue. HSPh 76 (1972). 201-205. einen Teil der Eelogen in das Jahr 35 v. Olr. datieren. glauhen. daß die Eelogenl. 9 und 4 um das Jahr 40 v. Chr. entstanden sind.

103

das hellum ch'i1e zum Thema haben, mit einer ganz konkreten, speziellen Problematik: den Landenteignungen zugunsten der Veteranen nach Philippi, also einem (jeschehen, das den Dichter selbst zutiefst berühl1 hat. 15 Zwei Eclogen von zehn zeigen diese Thematik, und diese sollen nun im folgenden betrachtet und mit besonderem Blick auf das Zeitbewußtsein untersucht werden. Welche Zeitereignisse behandelt Vergil? Sie müssen rur ihn von großer Wichtigkeit sein. Was sagen das Interesse rur bestimmte (jeschehnisse und die 1'01111 der Darstellung rur das Zeitbewußtsein aus?

3.2.1. Vergil und das Erlebnis des Bürgerkrieges

Vergil ruhrt seine Eclogen l6 mit einem Wechselges~mg zweier Hirten, Tit)l'uS und Meliboeus, ein. Die beiden Hirten berichten einander von ihrer ganz gegensätzlichen Lebenssituation inmitten des Bürgerkrieges. Zur großen Verwunderung des Meliboeus ruht Tityrus unter einer Buche und widmet sich versonnen seiner Hirtenmusik, während er selbst auf der Flucht aus dem Vaterland ist und mühsam seine Herde mit sich schleppt.

I70S I70S

patriae finis et dulcia linquimus arua. patriamjitgimus .. 17

Denn auf den Äckem ringsum he11'scht nach den Worten des verhiebenen Meliboeus überall Unruhe. 18 (jottähnlich aber will der andere Hirte, Tityrus, denjenigen verehren, der ihm Ruhe, Muße und auch Sicherheit in dieser Zeit der (jefahr gegeben hat:

14 Tacitus schildert später die Reaktion des Puhlikums. als Vergil zutallig im Theater entdeckt wurde: fesfis ipse populu.\'. qui mwifis ill fheafro Ver Rilii versihus surrexif ulliver sus .Ipecfallfemque VerRilium vellerafus esf sie quasi Au;:,'usfum. Tac. dial.13.

ef

.fr)rfe praesellfem

11 Im folgenden werden die Eclogenl. 4 und 9 untersucht. nicht die 5. Ecloge. die ein Teil der Forschung immer wieder allegorisch oder auch typologisch auf Caesar heziehen möchte. Diel. Eeloge. die zeitlich etwas später als die 9. Ecloge anzusetzen ist. wird als erstes betrachtet. da Vergil sie an den Anfang seiner Hirtengedichte setzt und der zeitliche Ahstand nur gering ist. 1(' Vgl. zu Gesamtinterpretationen der Eelogen. M. C. ]. Putnam. Virgil's Pastoral Art Studies in the Eclogues. Princeton 1970. und G. Binder/B. Etl'e: Die antike Bukolik. Eine Einführung. München/ Zürich 1 ,989. mit Literaturübersicht. sowie W. Clausen. A Commentary on Virgil. Eclo!o'Ues. Oxfordl994. EcL I. 3-4. V gl. zur Wortwahl S. 106. I, Ecl.l. 11-12: ulldique fofis / usque adeo furhafur aRris

104

o Melihoee, deus Ilohis haec otia jixit. Ilamque erit i11e mihi semper deus.

19

Tityrus hat den fLir ihn göttergleichen Retter, den er erst später als jungen Mann

20

beschreibt, in Rom kennengelemt, wo er seine Freiheit aus der Sklaverei erkaufen wollteY So kann er nun durch dessen Hilfe auf seinen Ländem bleiben, während Meliboeus und andere mit dem gleichen Schicksal gezwungen sind, aus der Heimat wegzuziehen. Sie müssen weit entfemt nach Afhca, zu den Skythen oder zum Oxus auswandem, auch zu den Britanniem.

22

Meliboeus zweifelt, ob er je sein Land

wiedersehen wird. Fliehen aber muß er, weil Soldaten sein Landgut zugewiesen bekommen haben.

impius haec tam culta Ilouah"a miles hahehit, harharus has segetes. eil quo discordia ciuis 23 produxit miseros: his I70S cOllseuimus agros/

Dies erfLillt den Hirten mit tiefer Empörung,ja vielleicht muß man schon sagen auch mit Haß auf die Eindringlinge. Denn Meliboeus stellt den in die geordnete Hit1enwelt eindringenden Soldaten alsfreve1hajf und harharisch dar. So weit hat die Zwietracht die an11en Bürger getrieben, daß sie nun fLir solche Menschen die Äcker bestellt haben.

Noch einmal antw011et Tityrus, Meliboeus möchte wenigstens die Nacht bei ihm bleiben, wo auch dieser die Fülle des Lebens auf dem Lande genießen könnte. Doch der gerettete Hirte fLihrt mit diesen Worten dem Leser nur die ausweglose Situation des Vertriebenen vor Augen und stellt fast unbewußt sein eigenes (jlück dagegen. Das (jedicht klingt dunkel mit den fallenden Schatten der Abenddämmerung aus. Es wird

19

Ecl. L

6_7

211 Ecl.l. 42-45: lIic ilIum uidi iuuellem. Melihoee. quofwlllis

lIic milli re.lJ!ollsum primus dedif ilIe pelellfi:

his Se/WS cui lwsfra dies alfaria./ilmallf 'pascife uf allfe hoves, pueri; summifüfe fauros .

W. Clausen. ehenda. S. 31 u. 43. ist der Meinung. Vergil vermische hier ahsichtlich die private und die politische Bedeutung der Iiherfas. um so Octavian. dessen Parteiruf liherfas war. versteckt danken zu können. n EcLl. 64-66: Af 1I0S lIillc alii siüellüs ihimus Ajros, i pars Slyflliam ef rapidum crelae uelliemus (Jaxell / ef pellifus fofo diuisos orhe Brifwlllos. Auch die Äußerung des Tityrus zuvor steht in einem weiten geographischen Rahmen: Er sucht. durch Beispiele aus dem Bereich der Paradoxa zu erhärten. daß er immer an seinen \Vohltäter denken wird. Als letztes geraten seinen \Vorten nach eher Ost und \Vest durcheinander. der Parther trinke eher vom Arar. der Germane vom Tigris. als Melihoeus noch weiter geht. Er greift mit seinen WOlten his an die Grenzen der hekannten Welt. Vgl. dazu auch Horaz Epoden 7 und 16. sowie Kap. 6.1. n Ecl.l. 70_73. Vgl. S.I 06f zu harharus und impius. 21

105

emeut deutlich, daß die beiden Hirten nicht in einer gemeinsamen Welt leben. Der eine lebt voller Überfluß in einer Idylle, in der reinen Hirtenwelt, der andere - auf der Flucht aus der Heimat - kann keinen Anteil an dem otium des Tit)1'uS haben.

So stellt der Dichter dem Leser zwei ganz verschiedene Lebenssituationen vor Augen, das (jlück des Tityrus und die Flucht des Meliboeus. Unverschuldet muß der eine fliehen, während der andere alles fremder Hilfe von außen verdankt; er hat es nicht durch eigene Anstrengung gewonnen. Meliboeus spricht von vielen anderen, die wie er die ererbten Länder verlassen müssen, aber Tit)1'uS steht mit seinem (jlück, mit seiner ihm geschenkten Muße allein da. Er verdankt sein (jlück einem (jott, wie er zunächst sagt. Er selber aber schränkt dann gleich diese Bemerkung ein und macht bald klar, daß es sich um einen jungen Mann handel t, der ihm, dem Hirten, immer ein (jott sein und der von ihm immer verehrt werden wird. Uns heute kommt rasch der (jedanke, daß es sich hier um den jungen Caesarerben handelt. 24 Doch Vergilnennt keine Namen, und Octavian hat zu dieser Zeit, nur wenig später nach Philippi, noch sehr zwiespältige (jeruhle unter den Bürgem ausgelöst. Nicht jeder Zeitgenosse wird so ohne Zögem den jungen Mann der Ecloge mit Octavian im Jahre 41 v. ChI'. gleichsetzen. 25 Doch aufgrund seiner Position in der Politik ist Octavian deljenige, der zu einer solchen Rettung die Macht hat. Vergil weiß um die - noch - zwiespältige Akzeptanz des Caesarerben in der (jesellschafl: Tityrus ist sich bewußt, daß der junge Mann nur rur ihn persönlich an die Stelle eines (jottes treten kann.

P. White. Promised Verse. Poets in the Society of Au!o'Ustan Rome. Camhridge/London 1993. macht deutlich. daß TitYl1ls nur davon spricht. daß er in dem jungen Mann einen Gott sieht. daß es sich aher nicht um einen tiiihen Beleg für die Divinisation des Caesarerhen handelt. So spreche TitYl1ls auch nur einmal von einem Gott. dann immer von einem jungen Mann. 21 Man hetont deshalh in der Forschung. daß Vergil in den heiden Hirten zweierlei Stimmen zu Wort kOillmen läßt. so G. Binder. Die antike Bukolik. S. 63. wie auch E. Dohlhofer. Exil und Emigration. Zum Erlehnis der Heimatferne in der römischen Literatur. Darmstadtl987. S. 80. der dies als Beleg für die two-voices Theorie auflaßt. H. Mauch. 0 lahol1lm duke lenimen. Funktionsgeschichtliche Untersuchungen zur römischen Dichtung zwischen Repuhlik und Prinzipat am Beispiel der ersten Odensammlung des Horaz. S. 77. sieht hier verschiedene )dentitikationsangehote für die politisch heterogene Gesellschaft". Doch auch nicht immer erkennt man in Octavian den deus der Eeloge. So hält J. Liegle. Die TitYl1lsekloge. Hermes 78 (1943). 209-232. L. Antonius für den deus. M. C. J. Putnam. Virgil"s Pastoral Art. Studies in the Eelo!o'Ues. Princetonl970. S. 68. verweist in diesem Zusammenhang auf die Äußel1lngen Ciceros üher Octavian als divinus adulescens. Phil. 5.43. Er seiher stellt auch die Möglichkeit in den Raum. daß keine spezielle Person gemeint sei. sondern ROIll: .• TitYl1ls defines Rome hy the person of a young god.' . S. 71. 24

106

Was aber berichtet Vergil

VOll

dem Bürgerkrieg? Er beschränkt sich ganz auf ein

Ereignis der Tagespolitik, das eher eine Auswirkung des Bürgerkrieges auf die Landbevölkerung dm'stellt. In den Personen der beiden Hirten zeigt er nicht nur die unterschiedlichen lebenssituationen auf, sondem macht auch klar, daß der eine ohne eigenes Verschulden in diese Notlage der Vet1reibung geraten ist, der andere aber nicht ohne fi"emde Hilfe geschützt und sicher in einer geradezu idyllischen Welt mit Hirten111usik, Hirtenliebe und ÜberOuß an ländlichen Produkten leben könnte. Eine

Einzelpersoll hat ihm dieses (jlück gegeben; sie verdient daHir göttergleiche Verehrung. Die Rettung wird danach offenbar allein einem einzelnen verdankt - und sie kann auch nur durch ihn erlangt werden. 26 Doch nicht eine einzelne Person hat Meliboeus vertrieben, denn er weist die Schuld der Zwietracht zu. Zwietracht unter den Bürgem, discordia civium, hat zur Not der Bürger gefUhrt. discordia ist der (jrund dafUr, daß

Hirten wie Meliboeus ihr Land an Soldaten weggebenmüssen. 27 Meliboeus nennt den Soldaten, der ihm sein L'111d wegnimmt, impius und harharus. Dieser ist also frevelhaft in seinem Handeln, den Bauem ihr Land zu nehmen. (jleichzeitig ist er roh in seinem Charakter und verfUgt über keinerlei Kenntnisse von der Landwirtschaft; auf beides kann harharus hinweisen. 28 Die (jefUhle, die der Hirte mit dieser Beschreibung des ihn vertreibenden Soldaten zum Ausdruck bringt, einzuordnen, erscheint schwierig. 1st es noch "nur" Entrüstung oder behe11'schen den Hit1en vielmehr schon tiefer Haß auf die Soldaten und Wut wegen der Landenteignungen? Diese (jefUhle wenden sich hier gegen die Soldaten, nicht gegen die Machthaber, die die Landversorgungen der Veteranen ](' G. Binder. in: B. Etre/G. Binder: Die antike Bukolik: Eine Einführung. München 1989. ist der Ansicht. daß Vergil in Octavian den .• Stifter von Frieden und Unfrieden. von Chaos und Ordnung" sieht. S. 63. !?och heUlt.eilt Vergil das G.eschehen nicht ~nders? ... . -' Trotz dieser engen BeZiehung der ZWietracht auf die Verteilung von Land an die Veteranen nach Philippi will Vergil sicherlich auf die Zwietracht unter den Bürgern allgemein. nicht speziell auf die Unmhen nach der Ermordung Caesars hinweisen. wie R. Rieks. ehenda. hesonders S. 766ft·. glauht. In der Aeneis personifiziert Vergil später die Discordiu. Vgl. S. 222. ], Die heiden Attrihute. die den Soldaten heschreihen. werden auch anders interpretiert. R. Coleman. Virgil. Eclogues. CamhridgeI977. verweist auf den starken Rhythmus dieser Verse. mit dem die Heftigkeit von Melihoeus' Gefühlen hetont werde. Seiner Meinung nach ist der Soldat als hurhums ein ausländischer Söldner oder Angehöriger einer Hiltstruppe aus den Provinzen. der nichts weiß von .• local Italian piefUS" .•and his impiety is compounded hy his share in the civil strife". S. 87. G. Binder. ehenda. S. 65. sieht einen starken Gegensatz in den vorgestellten Personen vorliegen. Melihoeus sei ein römischer Bürger. Tityrus ein gerade Freigelassener. der Soldat womöglich ein Ausländer. ein huroorus. W. Clausen. ehenda. weist darauf hin. daß ein ausländischer Söldner nicht impius genannt werden kann: .• the contrast is hetween soldier - the hmtaL hloodstained soldier - and a civilian.". S. 58. - Der Veteran kann als römischer Soldat kein Ausländer sein. zudem wurden nur Römer in Italien nach ihrem Dienst mit Land versorgt. In diesem also einen Ausländer erkennen zu wollen. ist historisch unmöglich. huroorus verweist die nicht also ehenso wie impius vor allem auf ethische Charaktereigenschafien und auch auf vodlandenen - handwerklichen Fähigkeiten des Veteranen im Ackerhau.

107

durchfUhren. Für den Leser aber treten die Emotionen des Meliboeus deutlicher hervor als das (jlück des als Einzelpersoll dargestellten Tityrus.

Was will Vergil also in seiner Ecloge über die Schilderung

VOll

Tatsachen hinaus

darstellen? Man muß sich bei der Beantw011ung dieser Frage vor Augen halten, daß Vergil den Schrecken des Bürgerkrieges bewußt miterlebt hat, denn zu Beginn des pompeianischen Bürgerkrieges ist der im Jahre 70 v. ChI'. geborene Dichter bereits zwanzig Jahre alt. Doch in seiner Bukolik ist der Bürgerklieg der Literaturgattung entsprechend ganz auf die Welt des Hirten bezogen, der Dichter berichtet nur davon. Er erzählt nichts VOll den Jahren des Bürgerklieges zuvor. Der Dichter, der V0111 Lande stammt, zeigt sich hier also noch ganz mit dem mUl1icipium verbunden. Er schildert in der (jestalt der beiden Hirten die Landenteignungen, die (jedanken und (jeruhle der betroffenen Bauem und bezieht sich damit auf ein spezielles Teilgeschehen des Bürgerktieges nach Philippi, als die Veteranen mit Land versorgt werden müssen. Mehr noch, er stellt Ereignisse dar, von denen er und seine Familie selber betroffen oder zumindest bedroht waren. Der Dichter selbst gehört zu den wenigen (jeretteten wie Tityrus.

29

Man muß dabei bedenken, daß dieser Schrecken der Enteignung einen großen

Teil der Bevölkerung getroffen und sich zentral auf deren Zeitbewußtsein ausgewirkt hat, viele waren damals aufderFlucht. Vergil beschreibt also einen sehr speziellen Teil des Bürgerkrieges aus der Sicht der betroffenen Bauem und Hirten, doch er spricht rur sehr viele, die sich in Meliboeus wiederfinden. Er greift also ein Thema auf, das den Zeitgenossen sehr wichtig ist.

Dieses (jedicht zeigt, da es gleich zu Beginn der Eclogensammlung steht, die Bedeutung des Themas rur den Dichter, legt zudem aber auch grundlegende, neue Charakteristika der römischen Behandlung dieser aus dem (jriechischen übemommenen Fonn der Dichtung offen. Allein die W011wahl des Dichters zeigt die Besonderheit der vergilischen Bukolik im Vergleich zur Hirtendichtung des Theoktit auf. Die Tages]X)litik - die Landenteignungen sind eines der großen ]X)litischen Themen in den Jahren nach Philippi, doch da sie nur einen tem]X)rären Teilaspekt der Auswirkungen des hel1um civile darstellen, werden sie hier als Tagespolitik aufgefaßt - ist als Thema

108

neu in diese Dichtung eingedrungen, damit aber auch ein neues Vokabular. Begriffe wie patriaejil1es, lihertas , urhs, senitium,jUgere sind der griechischen Bukolik fremd.

3o

So

ist die "Tagespolitik" deutlich erkennbar rur den römischen Leser zu einem Thema der Bukolik geworden.

Vergil o[[enbat1 hier in seiner Ecloge also das Zeit bewußtsein eines Mannes, eines Römers, der mit seiner ländlichen Herkunft eng verbunden ist. Wichtig ist rur ihn innerhalb seiner Dichtung, daß emeut Frieden und Sicherheit in der Welt der Hirten he11'schen - so wie Tityrus rur den Betrachter sicher und fi"iedlich lebt, wenn es Vergil auch nicht ausdrücklich sagt. Sieht man den Dichter als Vertreter der Tnteres.."len seines Publikums, verbunden111it der großen Resonanz der im Römischenneuen Bukolik, so sind die Hit1engedichte Ausdruck eines Zeitbewußtseins, das sich nach einer "heilen Welt", also in der vom Bürgerkrieg zenissenen Zeit vor allem nach Ftieden sehnt - denn dieser ist darur die Voraussetzung -, auch wenn Vergil die Rettung rur wenige durch das Eingreifen eines einzelnen schon verwirklicht sieht. Doch er zeigt vor allem auch ein kritisches Bewußtsein von den Zuständen der Bürgerktiegszeit. Denn der an seiner Situation unschuldige Meliboeus verbitt offensichtlich die Mehrzahl der Hit1en, soweit sie römische Bürger sind , und er kritisiert hal1 die Landenteignungen zugunsten der Veteranen. 31 Diese Kritik richtet sich gegen einen Teil der Tagespolitik und vor allem gegen den Soldaten, nicht gegen den Machthaber in Rom. Dies dürfte kaum allein an der Fonn der (jattung liegen, vielmehr scheint es in diesen lahrennicht mehr wichtig zu sein, wer die Not womöglich verursacht. Man schaut nur noch auf die eigene Situation.

Daneben deutet der Dichter in Ti t)TUS einen innigen Wunsch nicht nur nach Frieden, sondem auch nach otium an. Vergil spricht in dem (jedicht nicht explizit von Ftieden,

E. A. Schmidt. Bukolische Leidenschaft oder Üher antike Hirtenpoesie. Frankfurt a. M./BerrvNew York.1987. S.129. glaubt. daß die persönl iche Betrotfenheit des Dichters nur von genetischem Interesse sei .. ,poetisch indessen irrelevant". 111 Vgl. dazu R. Coleman. Vet·gil. Eclogues. CamhridgeI977. S. n. und E. A. Schmidt. ehenda. S.129. M.C.J. Putnam. ehenda. betont. daß das Wort pafria nicht nur als Ortshestimmung in der Bukolik ti'emd ist. sondern auch auf eine Reihe von der Hirtenwelt fremden Werten. wie Patriotismus. Hingabe und Gerechtigkeit. hindeutet. Aber diese Werte hahen seiner Meinung nach keine Bedeutung für Tityrus. Dasseihe gelte fürjillis. arm. filli/uimus undjilRimus. S. 23. 11 Vergil steht mit seiner Kritik an diesen Ereignissen nicht allein. In den Dime. die als pseudovergilianisch in der Appendix Vergiliana enthalten sind. hefinden sich deutliche Bezüge zu den Eelogenl und 9.

29

109

pax, sondem

VOll

dem otium seiner Hirtenwelt. 32 Nur scheint der Frieden die natürliche

Voraussetzung dafLir zu sein. Der Hirte Tityrus hat den ersehnten Zustand eneicht, der aber bereits so idyllisch ist, daß er in der Realität kaum zu fassen und in der realen,

V0111

Bürgerkrieg heimgesuchten Welt kaum vorstellbar ist. Dies zeigt auch die Reaktion des Meliboeus deutlich. Durch sein Erstaunen über die Muße des Tityrus scham Vergil dem Leser einen Bezug zu der Wirklichkeit des Bürgerkrieges. 1st dies aber noch das otium, der alte römische Wert, oder bedeutet es rur Vergil schon etwas anderes? Tityrus lebt ja in einer Idylle, die sich bereits außerhalb eines StaatsgefLiges zu befinden scheint und zudem rur den Hirten ein ständiger Zustand ist, nicht nur die Muße von den Staatsgeschäften, mit denen er nicht in Berührung kommt. Zudem muß sie durch fremde Hilfe geschenkt werden, denn nur so scheint sie e11'eichbar zu sein. Doch Vergils Zeitgenossen, die die Eclogen begeistel1 aufnehmen, spüren offenbar selber den Drang hin zu der idyllischen Hirtenwelt, die Vergil in den anderen (jedichten als ungestört darstellt. 33 Das Zeitbewußtsein sehnt sich eine a-]X)litische Idylle, d. h. ein Leben fem von der Politik herbei. 34

Vergil spricht von ofiu. wohl aus metrischen Gliinden. vgl. R. Coleman. ehenda. S. 74. Ein weiterer Beleg für ofiu in ecl. V 60-61 steht in einem anderen Zusammenhang. Er weist zurück auf die Darstellung des Tierfriedens in den Versen zuvor. M.C.J. Putnam. ehenda. setzt ofiu in der ersten Eeloge mit .• complete disinterest in practical afl"airs" gleich. Er weist aher auch darauf hin. daß T itYl1ls schon zuvor Ienfus und im Besitz des ofium war. S. 38. So stehe für TitYl1ls Iiherfus auf der einen Seite für Freilassung aus dem Sklavenstand. auf der anderen Seite aher auch ehen für den Genuß dieser ofiu. vgl. M.C.J. Putnam. ehenda. S. 74t: Für R. Coleman. ehenda. ist ofium ein Teil .• ofthe pastoral myth". S. 74. Iiherfus aher hedeute .•otium of pastoral myth". Für E. A. Schmidt. ehenda. hedeuten die ofiu die Existenz des TitYl1ls..•Der Hirt als Sänger existiert nur im ofium." Dieses ofium müsse aher als Voraussetzung des Dichtens von außen geschenkt werden. S. BOn: - Das ofium des Tityrus liegt vor allem außerhalh jeden politischen Bereichs. Der Hirte will aher ständig in dieser staatenlosen Welt lehen. Es ist ein ideales Lehen. das sich seihst genug ist. In diesem Gedicht ist die reale Welt des Bürgerkrieges geradezu in die Hirtenwelt eingehrochen. Binder. ehenda. S. 63. macht deutlich. daß diese Einheziehung der realen Welt ganz untheokritisch ist: .•.. denn indem Vergil der Geschichte. genauer der politischen Gegenwart in so ühelmächtiger Weise Zutritt zur hukolischen Welt gewährt. erötlhet er der Hirtendichtung eine neue Dimension: Sie kann zu einem Medium werden. in dem nicht nur fiktives Hirtenleid. sondern auch reales Bürgerleid poetisch reflektiert wird und - wenigstens partiell - hewältigt wird. in dem konkrete Zukunttserwartungen. auch mehr oder weniger utopische Zukunftsentwürfe. Gestalt annehmen können." Ähnlich sieht G. Binder. Herrschattskritik hei römischen Autoren. Beispiele eines seltenen Phänomens. in: Atlirmation und Kritik. Zur politischen Funktion von Kunst und Literatur im Altertum. hrsg. v. G. Binder/B. Effe. Trierl995. S. 129-164. die I. Eeloge Vergils und hetont. es sei keine affirmative Poesie..•.. dies gilt um so mehr. als sich um das Jahr 40 v. Chr. kein politisches .•System". keine tragtahige .• ldeologie" keine starke .• Herrscherfigur" ahzeichnet. die geeignet wären. das durch den Untergang der Repuhlik entstandene Machtvakuum zu füllen". S.141. Ehenso äußert sich hereits B. Otis. Virgil. A Study in Civilised Poetry. Oxfordl963 ..• PastoraL timt most unhistorical of genres. has heen romanized and hrought into history. " S.136. 14 In der Forschung wird die Hirtenwelt Vergils oft kontrovers hehandelt. 1st sie utopisch oder wirklich gedacht? Vgl. dazu S.115t:. dazu Anm. 54 und S.140t: 12

110

Vergil nimmt das Thema der Landenteignungen noch ein zweites Mal in seiner Hirtendichtung auf. Die Problematik ist ihm also überaus wichtig; gleichzeitig muß er sie als entscheidend in ihren Auswirkungen auf seine Hirtenwelt empfinden. Er beginnt damit sein Eclogenbuch und greift sie im zweitletzten (jedicht wieder auf. 35 So legt der Dichter emeut eine große Betonung auf einen (jegenstand der Tagespolitik und macht damit dessen Bedeutung rur sein Zeitbewußtsein noch

deutlicher. Von ihrer

Entstehungszeit her muß man die 9. Ecloge etwas früher als die 1. Ecloge ansetzen. DafLir spricht, daß in dieser Ecloge die Hirten fast vollkommen ohne Hoffnung dargestellt werden. In der ersten Ecloge wird dagegen zu dem fliehenden Meliboeus in dem geretteten Tityrus ein (jegenbild geschaffen, wodurch Hoffnung und Verzweiflung nebeneinander gestellt werden. Der zeitliche Abstand der beiden Eclogen wird aber nur gering sein.

Der Dichter zeigt in der 9. Ecloge die Resignation eines Hirten vor der Waffengewalt. Emeut muß ein Hirte sein (jut verlassen, muß seinen kleinen Besitz und seine Herde einem Fremden übergeben. Er ist auf dem Weg in die Stadt, nach Rom. Dieser Weg in die Stadt ist untypisch rur die Hit1endichtung und zeigt die Hinwendung zu politischen Themen an. 36 Die Hit1en aber, so sagen sie selber, und ihre Lieder sind machtlos inmitten der Kämpfe.

sed carmina tantum nostra ualent. Lycida, tela inter Martia quantum Chaonias dicunt aquila ueniente columhas. 37

Die Hirtenwelt ist vielmehr durch die Kämpfe in ihrer Existenz bedroht, die Hirten selbst sind durch die Fremden sogar in Lebensgefahr. Dies, die Bedrohung der Hirten bis in ihre physische Existenz durch das politische Tagesgeschehen, ist das Hauptthema des (jedichtes. Nur der Stem des Venusnachkommen Caesar scheint Hoffnung rur die feme Zukunft zu geben.

Die 10. Ecloge ist in ihrer Thematik so unterschiedlich von dem ührigen Eclogenhuch. daß Vergil die Landenteignungen an den Beginn und das Ende seiner Hirtendichtung stellt. Vgl. zu dieser Ecloge L. Rumpf: Extremus lahor: Vergilsl O. Eeloge und die Poetik der Bucolica. Göttingenl996. ](' Vgl. M.C.J. Putnam. ehenda. S. 294. E. A. Schmidt. ehenda. nimmt den Weg des Hirten in die Stadt sehr wichtig: .,So macht Vergil das Neue seiner Dichtung deutlich: Der Weg in die Stadt ist das Symhol 9,er Entdeckung der Politik für die Dichtung.". S.191. , Ecl. 9. 11-13.

11

11 1

'Daphni, quid antiquos signomm suspicis ortus? ecce Dümaei processit Caesaris astrum. astrum quo segetes gauderent frugihus et quo duceret apricis in collihus uua colorem. insere, Daphni, piros: carpent tua poma nepote.\". . 38

Zumindest die Enkel werden also wieder in Frieden leben können. Die Hoffnung dieses (jedichtes liegt also nicht in der (jegenwart, sondem in einer weit entfemten Zukunft. Will Vergil mit dem Stem Caesars sagen, daß er sich zu dem Diktator hingezogen ruhlte, oder greift er damit nur eine Idee seiner Zeit auf?39 Diese Frage zu beantworten, ist schwielig. Die Nennung dieser Erscheinung in dem (jedicht zeigt jedenfalls ihre allgemeine Verbreitung in der Bevölkerung. Der Hirte aber will erst später wieder singen: Jetzt überwiegt noch der Schrecken. 4o

So velweist die 9. Ecloge, trotz der (je fahren und Unsicherheit in der (jegenwart, dennoch auf die Hoffnung einer femen Zeit. Die an den allgemeinen sozialen Zuständen geübte Kritik klingt verhalten, ist in Wahrheit aber heftig. Denn sie ist zwar eng auf eine bestimmte Situation bezogen, die dem Lebensraum des Dichters entspricht, doch Vergil ist in bei den Eclogen, wie schon bemerkt, der Sprecher rur eine Vielzahl von Betroffenen, die so wie der Dichter denken. Sehr viele Menschen sind nun auf der Flucht in das Ungewisse. Viele haben wie Tityrus versucht, sich mit der Bitte um Schonung nach Rom zu wenden. Die 1. und die 9. Ecloge sind also im wesentlichen aus dem gleichen Zeitbewußtsein heraus geschrieben. Beide zeigen eine kritische Haltung gegenüber den gegenwäl1igen ]X)litischen Zuständen, in denen die Sprecher machtlos dem (jeschehen ausgeliefert sind, bezeugen also ein klitisches Zeitbewußtsein, aber auch die Hoffnung auf eine Zukunft, die sich einmal in dem (jlück des Tityrus ausdrückt, das andere mal - wenn auch verhaltener -

in dem Stem des

Venusnachkommen Caesar, in der Zukunft also. Jedesmal liegt die Hoffnung in einem einzelnen mächtigen Mann, und sie bezieht sich nur auf die Rettung aus der eigenen persönlichen Not des einzelnen Bauem oder Hirten. Die Zeitgeschichte hat ihren Platz in der bis dahin unpolitischen Hirtendichtung gefunden. Wie sollte sich ein Zeitgenosse 1, Ecl.

9,46-50

Das Sidus lulium soll im Juli 44 v. Chr. während der von Octavian zu Ehren Caesars ausgerichteten Spiele erschienen sein. Von Octavian wird das Bild immer wieder aufgegriffen.

19

112

ohne diesen Bezug auf die dringendsten Sorgen auch in der Hirtendichtung Vergils wiederfinden können? So schildeli der Dichter in beiden Eclogen die jüngsten Zeitereignisse

und

fLihli darüber hinaus

in den Reflexionen der Hitien das

Zeit bewußtsein vor Augen. Überwiegen vor allem in der 9. Ecloge, aber auch in der 1. Ecloge Kritik, Angst und das (jeHihl der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins an politische Verhältnisse und fremde Menschen, so stellt die 4. Ecloge, die wohl bekannteste Ecloge Vergils, einzig voll und ganz den bisher an zweiter Stelle stehenden Optimismus als LebensgefLihl deutlich heraus.

Die Ecloge von demneuen Zeitalter ist wohl das am häufigsten behandelte antike (jedicht. Hier soll vor allem danach gefragt werden, welches ZeitgeHihl die Ecloge ausdrückt. Denn das (jedicht verdeutlicht mehr die Reaktion der Zeitgenossen auf die Ereignisse, als daß es eine Darstellung des (jeschehens gibt. Die Ecloge wird - aufgrund ihrer Widmung an Asinius Pollio, den Consul dieses Jahres -, in das Jahr 40 v. ChI'. datiert, in eine Zeit, in der man auf eine Einigung zwischen den Machthabem durch den Frieden von Brundisium hoffen durfte. Die Tagespolitik bildet "nur" den Hintergrund, doch aufgrund der klaren Datierung kann man sie leicht erschließen. Vergil stellt das (jedicht in einen großen Rahmen und ruft Musen und (jöHer an. Die Sprechsituation unterscheidet sich stark von den anderen (jedichten. Denn der Dichter spricht jetzt selbst in eigener Person und ist - anders als zuvor - von einem tiefen Optimismus erfLillt. Hoffnung auf eine neue Zeit ist das (jefLihl, das am deutlichsten hervortritt. Vergil glaubt an das Heranbrechen einer neuen Zeit, einer "goldenen Zeit". In dem (jedicht ist diese im Begriff, in absehbarer Zeit Wirklichkeit zu werden, ist aber noch nicht real. So zeigt diese Ecloge die hoffnungsvolle Reaktion schon auf die leiseste Andeutung von Frieden in der Tagespolitik. Frieden ist der wichtigste Wert, er wird in der Ecloge nicht mit Namen genannt, sondem steht hinter der Vorstellung von demneuen, glücklichen Zeitalter. Er ist also zudem in dem (jedicht nicht in die politische Wirklichkeit gelegt, sondem in eine Zeit, in der die Satumia regna 41 zurückkehren werden. Ihre Rückkehr erscheint nun gewiß. Mit der (jeburt des Knaben, der wohl doch die Personifikation des Zeitalters selbst ist,42 kehrt das goldene (jeschlecht, gens aurea, zurück, schon mag - so Ecl. 9. M-ti7. Ecl. 4. 6: iam redif ef Vir!{o. rederlllf Safumia refilla 42 Die Deutung des Knaben ist umstritten und wird es wohl auch hleihen. Man versucht immer wieder ein Kind zu finden. das zu der entsprechenden Zeit. also im Jahre 40 v. Chr.. gehoren ist. Oder man möchte 411 41

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ruft der Dichter aus - Apollo, der Bruder der in Lucina angerufenen Diana, hen·schen. 43 Nun werden die Spuren des Verbrechens getilgt - Vergil sagt ul1seres Verhrechel1s und die Länder vom fortdauemden Schrecken befreit.

te duce, si qua maIleIlt sceleris uestigia l1ostri. il1rita perpetua soluel1t jbrmidil1e terras. 44

Welches andere Verbrechen als das des Bürgerklieges, welchen anderen Schrecken als die Kämpfe zwischen Bürgem soll Vergil hier meinen? Die Situation, in der Vergil lebt, kann nichl"l anderes nahelegen. Die Befreiung vom Bürgerkrieg erscheint hier zuerst als die vomehmliche Aufgabe und das besondere Charakteristikum dieser neuen Zeit. Vergil bezieht dies sogar auf die ganze Welt und splicht vom befriedeten Erdkreis. 45

In der frühen Kindheit des Knaben wird es aber zunächst nach den Worten des Dichters noch einige Spuren des alten Vergehens, priscae vestigia fraudis , geben; es treibt die Menschen emeut dazu, mit Schiffen das Meer zu überqueren, die Städte mit Mauem zu umgeben und die Erde zu durchfurchen. Eine andere, neue Argo mit einem neuen Steuenllann Tiphys und anderen Helden wird dann zurückkehren; es wird auch wieder andere Kriege geben, und wiederum wird der große Achillnach Troja geschickt werden. 46 Wenn der Knabe aber erst einmal erwachsen ist, wird auch die letzte Spur der

wie G. Binder. Lied der Parzen zur Gehurt Oktavians. Vergils vierte Ekloge. Gymn. 90 (1983).102-122. annehmen. Vergil schreihe seine Ecloge aus der Sicht des Jahres 63 v. Chr.. dem Gehurtsjahr Octavians. Doch m. E. ist dem Teil der Forschung zu folgen. für den sich in der Gehurt des Kindes .,nur" die Sehnsucht nach einer hesseren Zeit ausdrückt. I n dem Kind manifestiert sich das Zeitalter seihst. 41 EcI. 4. 9-10: ... ac fofo surRet Rens aurea mtllldo. / ... fuus iam reRnaf Apollo. 44 EcI. 4.13-14. 41 Ecl. 4. 17: pacmumque reRef pafriis uirfufihus orhem. Dieser Vers hat von jeher eine grol.le Aufmerksamkeit der Forschung gefordert. und seine Interpretation ist oft davon ahhängig. was man in dem Kind sieht. oh man in ihm eine hestimmte Person erkennen will. Vgl. W. Kraus. Vergils vierte Ekloge. S. 369. der den Vers wie die herühmten Verse der Aeneis VI 851-853 versteht. Vgl. W. Clausen. ehenda. S.122. Er sieht in dem Vers weiterhin die Gestalt des Hereules angedeutet und stellt heraus. daß in hezug auf diesen Helden und seine hekannten Arheiten das Verhum pacare oft gehraucht wird. Er verweist dazu auf Aen. VI 801-803. - Daß Vergil hier hereits an eine kriegerische Befriedung des ganzen Erdkreises durch den Knaben denkt. ist wohl eher unwahrscheinlich. Da er in den Versen zuvor vom Schrecken des Bürgerkrieges spricht. scheint er vielmehr in diesem Moment seine Hotlhung auf ein Ende der Kämpfe auf die ganze Welt zu ühertragen und zu folgern. daß dann die Zustände üherall sicher sind. Vgl. dazu Kap. 6.1. 4 (' EcI. 4. 31-36: pauca farnen suhenlllf priscae uesfiRia ./Taudis. / quae fempfare Thetim rmihus. quae cinRere muris /oppida. quae iuheanf felluri injindere suIcos / alter erif fum Tlj!ltFS ef altem quae uehm ArRo / deIecfm heroas; enlllf etiam altem hella / afque lien/rn ad Troiam maRnus miffefur Achilles. Die

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priscafraus verschwinden, wird dieses Zeitalter frei von jeglicher Schuld sein. Es wird

so auch frei von Kriegen überhaupt sein. Denn die Argo, die den Anfang der Schiffahrt, aber auch den der Kriege darstellt, wird nun nicht gebaut werden, es wird überhaupt keine Schiffahrt geben, - damit begann das Verbrechen -, denn alles trägt die Erde 47 überall gleichmäßig; nicht einmal mehr der Ackerbau wird notwendig sein. Offenbar hat nur die (jier nach fremdem (jut dazu getrieben, daß Helden miteinander Krieg ruhren.

Was sieht aber der Dichter in der prisca fraus? Sieht er datin etwas anderes als das in den Versen zuvor genannte scelus, das doch offenbar den Bürgerkrieg bezeichnet?48 Vergil verwendet sicher mit Absicht zwei derartig verschiedene Ausdrücke, die man nicht einfach als variatio auffassen darf - auch wenn er beide von vestigia abhängig macht. Betrachtet man die in den Ausdrücken liegende Bedeutung, meint scelus die "gottlose, frevelnde Tat";fraus weist eher auf "Betrug" und "Tücke" hin. An den beiden Stellen bezeichnet Vergil also unterschiedliche Ereignisse, mit sce1eris vestigia l1ostn' den Bürgerkrieg, mit priscae vestigia fraudis die Spuren eines "Betruges", der lange zurück liegt - das aufhillige Adjektiv prisca meint einen "Betrug", der lange vor der Zeit des Dichters, von Beginn an da war. Vergil verbindet die prisca fraus mit Krieg - nicht mit dem Bürgerkrieg im speziellen -, doch dieser folgt erst der Kulturentstehung, die von Schiffahrt und Ackerbau gekennzeichnet ist. Das also, was im Mythos einst Prometheus den Menschen schenkte, bringt den Krieg mit sich. 49 So sieht Vergil alles, was gegenwärtig ein Übel darstellt - damit aber meint er den Krieg -, bereits ganz am Anfang der Menschheit durch den Trug des Prometheus , nämlich den Diebstahl des priscajraus tritt in den ersten Versen als logisches Suhjekt auf. sie treiht also zum Bau von Schiffen und Mauern. zur Behauung der Felder. und sie zieht altem hella. Kriege. nach siell. 4' Ecl. 4. 3745 4, A. Wallace-HadrilL The Golden Age and Sin in Augustan Ideology. Past and Present 95 (1982). 19-36. weist darauf hin. daß scelus auch in den Epoden vor Actium den Bürgerkrieg hedeute. S. 25. R. Coleman glauht. ehenda. S.135. daß der Vers üher die prisca.fTaus sowohl auf das Verhrechen des Bürgerkrieges wie auf das des Krieges allgemein hezogen sei. Er sieht keinen Bedeutungsunterschied zwischen sceIus und priscajraus. das eine sei nur ein Echo des anderen. S.135 u. S.139. Ehenso ist W. Clausen. ehenda. der Ansicht. dal.\ sceIus die Schuld des Bürgerkrieges hezeichne. und verweist auf Hol". epod. VII 1-2; 1718. sowie c. I 2.29-30. S.133. wohei auch seiner Meinung nach die priscajraus nur eine variafio für sceIus darstellt. S.137. 49 M.C.J. Putnam. ehenda. sieht in der priscajraus den Diehstahl (des Feuers) des Prometheus. der die Schuld des Romulus vemrsache: .• Whatever his purpose. Prometheus' act initiated greed and amhition. and is therefore the ultimate cause of Romulus' !o'Uilt.' . S. 151. Seiner Ansicht nach sind scelus und prisca jraus zwar miteinander verwandt. aher nicht identisch. - Da Vergil die .,alte Schuld" derartig mit der

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Feuers, verursacht. Warum aber legt er eine solche Bedeutung aufKulturentstehung und Ackerbau? Das Funktionieren der Landwirtschaft ist rur den Römer von Anfang an eine (jrundvoraussetzung im staatlichen Leben. In der (joldenen Zeit ist Ackerbau rur Vergil nicht mehr notwendig. Hier folgt er dem Vorbild des Hesiod und des Dikaiarch. Er will dam it die besondere Beschaffenheit der neuen Zei tausdrücken.

Vergil wendet sich in der (jestalt des Prometheus und auch der Argo zurück in die mythische Vorzeit über die (jründung Roms, sogar über den trojanischen Krieg hinaus. Dabei denkt er offenbar in immer wiederkehrenden Zyklen der (jeschichte. 5o Die ersehnte Zeit des goldenen (jeschlechts, die nun im Mannesalter des Knaben zurückkehren wird, liegt vor jeder mythischen Heldenerzählung. Doch Vergil ist der erste, der von ihrer Wiederkehr spricht. 51 Er scham damit ]X)etisch etwas, das uns einen wichtigen Zugang zu der Bewußtseinslage der Zeitgenossen Vergils bieten wird.

Was bedeutet also der (jedanke des (joldenen Zeitalters rur das Zeitbewußtsein während der Bürgerkliege? Der Dichter ersehnt in der (jestalt der Satumia regna und der gens aurea ein Zeitalter, das ein staatenloses ist, glücklich in einer Idylle ohne die Spur irgendeines Schattens, ein "goldenes ZeitalteI;', wie es modeme Forscher an dieser Stelle zumeist schon nennen, Vergil selbst spricht von den aurea saecula erst in der Aeneis. 52 Es liegt vor jeder historischen, in der frühesten mythischen Zeit. Vergil greift dabei auf poetische Vorlagen zurück. 53 Aber ist es nicht rur sein Denken bezeichnend, daß er jetzt überhaupt diesen (jedanken aufhimmt? Welchen Staat soll Vergil hier in dieser Zeit auch noch erhoffen? Die res puhlica ist zerstört. Jeder kann das im Jahre 40

Kulturentstehung verhindet. ist dies die richtige Deutung: Vergil greift hier tatsächlich his an den Beginn der Menschheit zurück. 111 Zu Beginn des Gedichtes. in ecl. 4. 5. spricht Vergil seiher von dem mawlUs saecIorum ordo. 11 B. Gatz. Weltalter. goldene Zeit und sinnverwandte Vorstellungen. Hildesheiml967: .• Der Gedanke der Wiederkehr des goldenen Zeitalters ist in dem gesamten griechisch-römischen Schrifttum vor Vergil nicht helegt.". S. 90. ehenso äußert sich A. Wallace-HadrilL The Golden Age and Sirl.. .. ,The Roman fascination with the Golden Age theme derives ahove all from a single epoch-making poem. Virgirs fourth Eclogue.... It is avision hoth powerful and novel.'. S. 20. Die Originalität der Eelogen lie!o>t seiner Meinung nach gerade in dem Gedanken der Rückkehr eines solchen Zeitalters. 12 Aen. VI 791-95 auf die Zeit des Au!o'Ustus hezogen. also von Aeneas' Sicht aus in die Zukunft gerichtet. Aen. VIII 314-327 auf die Zeit Saturns hezogen. also in die Vergangenheit gerichtet. Vgl. hier S. 278ft·. Vgl. zur Entwicklung des Gedankens von dem Roldenen Geschlecht zum Roldenen Zeitalter H. C. Baldry. Who invented the Golden Age. CQ N.F. 2 (1952). 83-92. der deutlich macht: .,It was Roman \\Titers \\t1O made the transition ti"om a golden race to a golden age .. ". S. 92. 11 V gl. Hesiod. der in seinen .,Werke und Tage" fünf verschiedene Menschengeschlechter. die jeweils - his auf das Heldengeschlecht - mit einem Metall verhunden sind. aufeinander folgen läßt.

116

V.

ChI'. sehen. So wendet der Dichter sich zurück in eine andere Zeit, die noch weit vor

der Republik liegt. Er scheint dabei die Verbindung zur römischen Zeitgeschichte zu verlieren und sich etwas ganz Neues zu schaffen. 54 Aber Vergil läßt den Leser nicht ganz unvel111utet in diese Saturl1ia regl1a treten. Erst in dem zukünftigen Mannesalter des Knaben wird das (joldene Zeitalter Wirklichkeit werden. In der Kindheit des Knaben wird es noch immer Spuren der pn'sca fraus geben. So schafft Vergil eine Verbindung zu dem Bürgerkriegsgeschehen, also zu der Wirklichkeit, in der der Leser lebt. 55 Damit zeigt er, daß er die Verbindung zur Zeitgeschichte nicht verloren hat, sich aber von ihr abwenden will. Er steht also in der Zeitgeschichte und wendet sich bewußt von ihr ab. Wichtig ist, dabei zu beachten, daß sich Vergil zu diesem Zeitpunkt seiner Entwicklung nicht nur gegen den Bürgerkrieg, sondem darüber hinaus gegen den Krieg allgemein wendet. Denn der Krieg überhaupt ist eine Auswirkung der prisca fraus und kein Teil der Satumia regl1a, in denen der ganze Erdkreis sicher sein wird. Der Bürgerkrieg stellt dagegen darüber hinaus ein sce1us, ein fi'evelndes, gottloses Verbrechen und Schrecken dar. Krieg und Bürgerkrieg werden also ganz unterschiedlich gewichtet.

Für A. Wallace-Hadrill. ehenda. hedeutet das Goldene Zeitalter mehr als Frieden. er sucht. die sozialen Voraussetzungen zu klären. hezieht sich aher zu rasch in seiner Darstellung auf die Aufgahen des Au!o'Ustus in den folgenden Jahren. Seiner Meinung nach ist die 4. Ecloge in einem Moment der vollkommenen politischen Instahilität geschriehen worden; sie sei die poetische Realisierung einer weit verhreiteten Meinung. die Lösung läge nicht mehr in den repuhlikanischen Institutionen. sondern in einem .,Messias'. S. 36. Glauht Vergil unter dem Eindruck der Triumviratszeit. daß die Lösung nur in einem einzelnen Mann lie!o>t? K. Galinsky. Au!o'Ustan Culture. heurteilt das Verhältnis Vergils zu den repuhlikanischen Institutionen anders: ., .. the poem quickly mm'es into the the mythical sphere. though this should not be interpreted as an antithesis to repuhlican institutions." S. 92. Vgl. dazu auch K. Kuhusch. Aurea Saecula: My'thos und Geschichte. hesonders S.126 ff in Auseinandersetzung mit M. Wifstrand Schiehe. Das ideale Dasein hei Tihull und die Goldzeitkonzeption Vergils. Uppsalal981. Für M.C.J. Putnam. ehenda. S.165. ist es eine "idealized world". sogar .,a very un-Roman. unrealistic one". Doch ist dieses Zeitalter wirklich .,unrömisch". oder zei!o>t es nur ein neues römisches Zeithewußtsein? 11 Die Verse 31-36 der 4. Ecloge gehen schon lange Schwierigkeiten in der Interpretation auf. G. Jachmann. Die vierte Ekloge Vergils. sieht in ihnen lediglich eine kompositionelle Funktion. S. 56. K. Galinsky. ehenda. hält den Einschuh Vergils durch Argo. Achilles und Kulturentstehung für eine Nachhildung des Heroengeschlechts hei Hesiod. S. 92. giht aher keine Begliindung für diesen Einschuh. Denn wamm erscheint es dem Dichter notwendig. das Goldene Zeitalter erst später in dem Mannesalter des gerade geborenen Knahen heginnen zu lassen? J. Bleicken. Au!o'Ustus. Eine Biographie. Berlin 1998. zei!o>t. daß die Verse 31-36 die mit dem Knaben eintretende neue Zeit mit der Realität des Bürgerkrieges in Einklang hringen und die Vorstellung ahrupter göttlicher Pamsie ahwehren.. ,Die Wirkung des Gedichtes auf die Zeitgenossen liegt gerade auch darin. daß hier keine leere Utopie oder gar Weissagung gegehen wird. sondern die Sehnsucht nach einer hesseren Zeit von dem Wissen um die Wirklichkeit nicht gelöst. sondern diese in die Zukunft mit hineingenommen worden ist.'. S. 714. 14

117

So zeigt uns Vergil in den Eclogen das Zeitbewußtsein eines Mannes, der Kritik vor allem an bestimmten Ereignissen äußet1, die seinen konkreten Lebensbereich berühren. Er geht in seinen Unmutsbezeugungen nicht darüber hinaus. Der Bürgerkrieg bringt Unruhe und Unordnung in die Hirtenwelt. Doch das (jeschehen ist in seinen Folgen zentral rur einen (jroßteil der Bevölkerung, die in diesen Jahren der Vertreibung, dem Hunger und einer ungewissen Zukunft ausgesetzt ist. Vergil selber spricht nicht vom hellum civile, er spricht von einer discordia civium, die zu der Vertreibung der Hirten

von ihren kleinen Landgütem geruhrt hat. Er vel111eidet hier also noch jede Begründung oder Erklärung, warum diese Zustände der Unruhe und der (jefahr he11'schen. Allein die Auswirkungen und Folgen sind rur den Dichter wichtig, aber auch die Hoffnung, daß zumindest rur die Enkel wieder das gewohnte Leben zurückkehren wird. Haß und Wut richten sich allein gegen den Soldaten. Vergil will damit ein allgemeines Zeitgeruhl ausdrücken. 56 Die Sehnsucht nach Frieden bei den Zeitgenossen ist nun übergroß geworden. Doch jeder Leser weiß auch, daß die dargestellte Not der Hirten durch die Auswirkungen des Bürgerktieges verursacht ist. Trotzdem scheinen in diesem Moment nur noch das gegenwärtige Leid und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Ftieden und ÜberOuß zu zählen; es werden keine tieferen Erklärungen rur die Ursachen gesucht.

Doch nicht allein durch die Thematik in den Einzelgedichten, sondem auch dadurch, daß Vergil überhaupt in der Bukolik, die dem griechischen Vorbild nach unpolitisch ist, der Tagespolitik Raum gibt, zeigt er ein deutlich vorhandenes Zeitbewußtsein, mehr noch, ein starkes politisches Bewußtsein. Das offenbart allein das Vokabular aus dem Bereich der Politik.

57

Der Dichter ersehnt sich in dieser Dichtung einen Zustand von

otium, der ganz fem in einer Traumwelt zu liegen scheint, aber doch mehr ist als eine

Muße neben dem Staatsleben. So politisiert der Bürgerkrieg bisher unpolitische Bereiche der Dichtung, um sie gleichzeitig von dem Staat zu entfemen, indem hier der Sehnsucht nach einer Idylle außerhalb jeden ]X)litischen Bereichs Ausdruck gegeben wird. Auch oder eher vor allem die Satumia regl1a der 4. Ecloge sind fem von der alten res puhlica. Nicht eine historische Zeit - so vielleicht eine Zeit, in der die res puhlica

D. Littk ehenda, S. 262L möchte deshalh Vergil als nicht interessiert an den politischen Ursachen des Bürgerkrieges sehen; er ist für ihn kein .,politischer" Dichter, S. 262f. Vergil dliickt wohl vielmehr das Zeithewul.ltsein der Menschen um ihn herum aus, die nicht mehr nach den Gründen des Bürgerkrieges suchen, sondern nur noch auf den Frieden hofferl. j ' Vgl. S.I07f %

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auf ihrem Höhepunkt stand - wird gesucht, sondem eine geradezu mythische, unter der Hen'schaft Apollos stehende, herbeigerufen. Doch sie wird als wirklich aufgefaßt. Vergil sieht hietin keine Utopie, sondem ein wirkliches (jeschehen. 58 Er läßt es erst später Wirklichkeit werden, im Mannesalter des Knaben, und knüpft so eine Verbindung zu den Ereignissen des Bürgerktieges in der Realität um ihn herum. Emeut verbindet der Dichter also die Wirklichkeit des Bürgerkriegsgeschehens mit seiner Dichtung. Und doch scheint er dabei in seiner Sehnsucht nach einer besseren Zeit den Bezug zur Realität zu verlieren, so unwirklich, so fem jeden Staates, so fem aber vor allem der res puhlica ist die ersehnte Welt. Aber das sie verkörpemde Zeitalter ist nicht utopisch oder gar "unrömisch", 59 es zeigt eine neue Beschaffenheit des Zeitbewußtseins, auch schon des politischen Bewußtseins. Das (jeschichtsbewußtsein oder vielmehr das Zeitbewußtsein hat sich anscheinend in diesem Moment von dem historischen (jegenwartsgeschehen entfemt, es ist zusammen mit den zerstörten Institutionen des Staates nicht mehr im Bewußtsein der Menschen verankert. Aber Vergils Wille, einen Bezug zu der ihn umgebenden Realität herzustellen, dadurch daß er erst später das (joldene Zeitalter zurückkehren sieht und die politische Welt überhaupt in die bis dahin unpolitische Welt der Bukolik hineinnimmt, zeigt ein klares politisches Bewußtsein. Offenbar besitzt er sehr wohl ein Bewußtsein von der eigenen Zeit, d. h. ein Bewußtsein von dem politischen (jeschehen um ihn herum, doch wendet er sich bewußt von der Zeitgeschichte ab und daHir einer mythischen, als wirklich empfundenen und ersehnten Welt zu. Er scham also in seiner Dichtung ein (jegenbild zu den politischen Zuständen der (jegenwart. Er nieht aus der (jegenwart. Übergroß ist jetzt die Sehnsucht nicht nur nach Frieden, der den Bürgerkrieg beendet, sonde111 nach Frieden überhaupt. Denn der Krieg ist kein Teil des wiederkehrenden (joldenen Zeitalters.

1ii Vgl. zu der Entwicklung des Arkadien - Bildes in der Forschung E. A. Schmidt. Arkadien: Ahendland und Antike. in: Bukolische Leidenschaft oder Üher antike Hirtenpoesie. Frankfurt 1987. S. 239-264. R. F. Glei. Der Vater der Dinge ... S. 44. Anm. 8. stellt klar. daß sowohl Arkadien als auch das Goldene Zeitalter für Vergil realisierhar gedacht sind. Das eine heschreihe nur einen fiktiven . das andere einen mythischen Zustand. die heide in einer zu leistenden HistOl'isiemng zusammenfallen. 19 R. F. Glei. ehenda. macht deutlich. daß der Krieg (gemeint ist hier der in den Eelogen dargestellte Bürgerkrieg) für Vergil zur Geschichte wird: .,Geschichte als solche kristallisiert sich für den Dichter im Aufund Ah von Krieg und Frieden. Der Krieg macht nicht nur die Geschichte. er isf die Geschichte: Sie endet in einem zeitlos-ewigen Friedenszustand .. in der realen Umwelt des Dichters.' . vgl. dazu hier auch vor allem Anm. 54.

119

Angesichts des zerstörten Staates verändert sich das Bewußtsein vom Staat und von der Welt; das ganze Zeitbewußtsein ist einem Wandel unterworfen. Nicht nur die Politiker sind hihig, die Institutionen des Staates nach eigenem (jutdünken zu deuten und zu benutzen,60 auch diejenigen Zeitgenossen, die wie Vergil nicht direkt in das Staatsleben eingreifen können, schaffen sich eine neue Sicht von der Welt, wenden sich jedoch dabei vom Staat ab. Als Lösung und zur Erklärung des Bürgerkrieges aber wendet sich Vergil dem Mythos zu - wie auch Horaz.

Horaz zeigt ähnliche (jedanken in seinen ersten (jedichten zum Bürgerkrieg. Seine ersten, als politisch interpretierbaren (jedichte, die E]X)den 7 und 16, stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der 4. Ecloge Vergils. Sie zeigen weitere, andere, aber auch velwandte Charakteristika des sich verändemden Zeitbewußtseins.

3.3. Horaz Horatius Flaccus wurde am 8. Dezember 65

ChI'. in Venusia im lukanisch apulischen (jrenzgebiet als Sohn eines Freigelassenen geboren. 61 Venusia war vor 90/89 V.

v. ChI'. eine latinische Kolonie, alle Einwohner sind also Römer. Sein Vater el111öglichte ihm erst eine Ausbildung in Rom, dann ein Studium in Athen. 62 D011 traf er in der Akademie den aus Rom geflohenen M. Brutus. Dessen Auftreten beeindruckte ihn so sehr, daß er sich der (jruppe von jungen Männem um Brutus herum anschloß und als trihullus militum unter diesem bei Philippi diente. 63 Man findet Horaz also im Jahre 42

V(d. S.19-96. V~I. die ausführlicheren Biographien zu Horazens Lehen, E. Lefewe, Horaz, München 1993, und auch zum zeitlichen Hintergl1lnd H. Maueh, 0 lahol1lm dulce lenimen. Funktionsgeschichtliche Untersuchungen zur römischen Dichtung zwischen Repuhlik und Prinzipat am Beispiel der ersten Odensammlung des Horaz, Frankfilltl986, der einen Neuansatz zu der Zeit der Ahfassung seiner Untersuchung zu finden sucht. indem er die his dahin seiner Meinung nach nicht genügend heliicksichtigten Erkenntnisse der neueren Au!o'Ustus-Forschung in seine Textanalyse miteinhezieht. G. Williams, Lihertino Patre natus: True or False, in: S. J. Harrison (ed.), Homage to Horace, Oxfordl995, S. 297-313, nimmt an, daß Horazens Großvater römischer Bürger war, eine sihellinische Frau heiratete und daß womöglich durch die lex Millicia von 91 v. Chr. die Kinder aus einer solchen Verhindung einen geringeren Bürgerstatus erhielten. Er sieht mit liherfillus den aus Venusia stammenden Römer bezeichnet. (,] Horaz seiher schildert ausführlich seine Jugend, vgl. sat. I 6,4511". ('1 Dieser Oftiziersrang ist für den Sohn eines Freigelassenen sehr heachtlich. Man geht deshalh in der Forschung davon aus, daß Bl1ltus Horaz zuvor zum Ritter gemacht hat; vgl. L. R. Taylor, Horace's Equestrian Career, AJPh 46 (1925),161-170, dieselhe, Au!o'Ustan Writers enrolled in the Equestrian ('11

('I

120

V.

ChI'. auf der Seite der Republikaner im Kampf gegen die Caesarianer. Aus welchen

Beweggründen er sich dieser Partei anschließt, ist unklar. Fühlt er sich derartig der altehrwürdigen res puhlica verpflichtet - die er doch aufgrund seines Lebensalters nicht mehr akti v kennenlemen konnte und in der er als Sohn eines Freigelassenen ein "Außenseiter" war - oder folgt er der Persönlichkeit des Brutus?64 Aus welcher Motivation der Dichter heraus sich auch rur eine Pat1ei entscheidet, er schließt sich der (jruppe von jungen Männem an, die die alten Werte der Republik vertreten wollen dies allerdings schon nicht mehr können. 65 Man darf ihn in diesen Jahren nicht als einzelnen, sondem muß ihn als Teil einer (jruppe sehen. Seine Teilnahme am Bürgerkrieg ist rur ihn ein prägendes Ereignis, das immer wieder in seiner Dichtung erscheint. Nach Philippi, als das väterliche (jut durch die Enteignungen zugunsten der Veteranen verloren ist, kauft er sich in eine Stelle als sen'ha quaestorius ein und sichel1 so seinen Lebensunterhalt. Nun beginnt sein dichterisches Schaffen. Bald nach 40 v. ChI'. entstehen die Epoden und die Satiren. Äußerlich lehnen sich die Werke an Archilochos und Lucilius an; ihr gemeinsames Merkmal ist also die Möglichkeit zur Äußerung von Kritik und von Unmut. 66 1m Jahre 35 v. ChI'. erscheint das 1. Satiren buch. Erst im Jahre 30

V.

ChI'. sind das 2. Satirenbuch und das E]X)denbuch

Centuries. T APhA 99 (1968). 472-486. und H. Mauch. 0 lahorum duke lenimen ... S. 83fL sowie D. Armstrong. Horatius Eques et Scriha: Satiresl.6 and 2.7. T APhA 116 (1986). 255-288. Th. Po iss. Zum Verhältnis von Dichtung und Geschichte in Horaz carm. 2. I. WS 105 (1992).129-153. kritisiert heftig. daß diese hohe soziale Stellung des Horaz zu wenig hekannt sei. S.140f Doch nicht nur Horaz ist Ritter; man darf dies für alle hekannten aUb'Usteischen Dichter annehmen. auch für VergiL Properz und Tihull. Vgl. D. Kienast. Augustus: Prinzeps und Monarch. Darmstadtl982. und P. White. Amicitia and the Profession of Poetry in Early Imperial Rome. JRS 68 (1978). 74-92; vgl. auch die Auflistung der sozialen Stellung der Dichter in P. White. Promised Verse... . S. 211-222. sowie S. 5ft: ('-/ In der heutigen Forschung will man Horaz auf der einen Seite zu der Zeit. als er hei Philippi kämpfte. als einen üherzeugten Repuhlikaner sehen. der sich dann langsam zu einem Anhänger des Augustus wandelt. oder man möchte in ihm einen stets kritischen Betrachter des Principats erkennen. Bereits R. Syme war der Meinung. der junge Horaz fühle sich nicht so sehr als ein Anhänger der res puhlica und sähe nicht so sehr Bmtus als deren Verteidiger. als daß er vielmehr allein der Persönlichkeit des Brutus folgend auf Seiten der Repuhlikaner hei Philippi kämpfe. So äul.\ert sich auch D. Little. Politics in Augustan Poetry. über Horaz: .• Without a scant sign of regret he (Horace) gives up the repuhlic. Almost nothmg suggests that he \\as e'et attached to It ". S. 285. R. G. M. Nishet. Horace's Epodes and History. in: Poetry and Politics. S.I-I8. nimmt als Gmnd für die Teilnahme des Horaz hei Philippi .•youthful idealism" an. doch er sieht SChorl in dieser Zeit eine Mil.\stinullung zwischen Horaz und den Otlizieren aus der Nohilität herrschetl und verweist dazu aufsat. I 6,4648 und c. 11 7,11_12. S. 2. Tatsächlich kann der 63 v. all". als Sohn eines Freigelassenen gehorene Hor'az aufgrund seines Alters und seiner Herkunft kaum irgendeine echte Verhindung zur alten Repuhlik hahen. ('1 Vgl. .•Das helIum civiIe und die Zeitgenossen". S. 63ft: ('t . .,daß er (HOI'az) mit Vorhedacht fermini fee/mici und Wendungen gehraucht. die er dem Geschäftsgang einer politischen Körperschaft Roms entlehnt hat". S. 51. er aher in diesem .,kühnen Unterfangen". S. 51. strikt zu trennende Formeln aus dem Senatsvertahren und aus dem Verfahren der Volksversammlung verhindet. S. 54. Für Fränkel korrespOildieren die Unwirklichkeit der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen mit der völligen Irrealität des Vorschlags. den der Sprecher des Gedichtes seinen Zuhörern vor Augen fühlt. S. 54. f.(l Epod.16. 1-2.

127

Hir die augenblickliche Situation allein bei den römischen Bürgem selbst, denn sie selbst stiften Verderben als frevelhafte (jeneration eines verfluchten Blutes.

impia perdemus devon' sal1guil1is aetas .. 82

Emeut müssen sie - Horaz schafft ein gemeinsames (jeHihl durch wir - also eine alte Schuld tragen, die schon in der Entstehung Roms liegt. Deshalb wird der Barbar als Sieger auf die Asche Roms treten und - Frevel ist es , dies zu sehen - die (jebeine des Quirinus dreist zerstreuen. 83 Die Zerstörung der Stadt ist zwar in die Zukunft versetzt, doch sie droht unmittelbar bevorzustehen. 84 Aber nun scheint es einen Ausweg zu geben, um solchen lahores zu entgehen. Der Dichter zeigt diesen Weg auf. Die ganze Bürgerschaft oder der bessere Teil der Bürger soll nach Horazens W011en Rom verlassen, unter dem Schwur, niemals zurückzukehren. Die Fliehenden sollen dem Beispiel der Phokaier folgen - von diesen berichtet Herodot 1165 -, die ihre Stadt verließen, um nicht unter fremde Henschaft zu geraten. Dies wird durch eine Reihung von Paradoxa um so eindringlicher gemacht. 85 Einen anderen Ausweg gibt es rur Horaz nicht. Die als zwingend erachtete Flucht oder eher die Aufgabe des Stadtstaates zeigt eine ungeheure Entfemung von Rom als Zentrum des politischen Denkens. Rom ist nicht mehr der Mittelpunkt in der Vorstellung von dem Leben in einer Bürgerschaft. Doch wohin geht die Flucht?

... arva heata: petamus an'a, divites et il1sulas ..

86

,I Epod.16. 3-14 ,2 Epod.16. 9. Vgl. D. Ahleitinger-Gliinherger. ehenda. S. 21 tL hesonders S. 26L zu aelas. sie verweist auf den engen Zusammenhang mit Epode 7. W. Stroh. Horaz und Vergil in ihren prophetischen Gedichten. ist der Ansicht. daß .,das .,Blut" auch dazu verflucht sein" könnte .. ,vergossen zu werden". Er nimmt für diese Stelle zumindest eine .,vage Erinnerung an das Blut des Remus" an. S. 289L Anm. 2. ,1 Epod.16. 11-14: harharus. heu. cilleres imislel vicfor .. ./ ... ossa Quirilli. / (lIejiJs videre:') dissipahil illsoIells. ,4 R.G.M. Nisbet. ehenda. hezieht diese Verse auf eine reale politische Situation: Die Parther hahen 40 v. Chr. Syrien und Kilikien üherrannt. Ventidius warf diese zUliick und feierte 38 v. Chr. den Triumph. Epod.16. 1511' ,(' Epod.16. 41-42. Ed. Fränke!. ehenda. macht darauf aufmerksam. daß in der Forschung hereits der Gedanke aufgekommen sei .. ,Horaz habe von Archilochos nicht nur die Idee der politischen Rede. sondern auch den Kerngedanken ühernommen. den Auswandemngsplan zur Sicherung einer besseren Zukunft für die Gemeinde. ". S. 57. Er betont aher. daß Archilochos wahrscheinlich einen praktischen Zweck fördern wollte. S. 57f - Um so auffälliger ist dann Horazens Umformung für das zu dieser Zeit helTschende Zeithewußtsein!

,l

128

Diese liegen außerhalb jedes politischen Bereichs. Es wird auch hier kein Staat ersehnt, sondem ein Zustand des Friedens und des (j[ückes. Mit vielen Beispielen beschreibt Horaz diese Idylle. Die Inseln hat Iuppiter rur ein frommes (jeschlecht abgetrennt, als er die goldene Zeit in Erz, dann in Eisen entarten ließ. Horaz berührt sich mit Vergil nicht nur in den aufgeruh11en exempla - auch er charaktelisiert seine Zuflucht gerade dadurch, daß dorthin niemals die Argo, nie Medea gelangt sind, - sondem auch in dem (jedanken von den Weltzeitaltem. Auch Horaz splicht also von einer goldenen Zeit, die hier aber nicht erst kommen wird, sondem als Übe11'est des goldenen Zeitalters sind die Inseln nun im eisemen Zeitalter die Zuflucht rur die Frommen allein.

87

Damit

erhält das (jedicht eine ganz und gar andere (jrundstimmung. Horaz urteilt sehr hart über die, die noch immer den Klieg wollen. Die Flucht auf die Inseln fem von Rom, der Hauptstadt der Welt im römischen Denken, bedeutet nicht nur eine Entfemung von Rom, das hier nicht mehr den Mittelpunkt des Denkens bildet; sie stellt auch eine Flucht aus der (jegenwart dar, damit zugleich eine Flucht aus der Politik. In seiner Vorstellung aber sucht Horaz einen Neuanfang trotz des Endes aller Politik. Deshalb setzt er die me!ior pars der il1doci!is grex, dem mol!is et exspes (Vers 37) entgegen, die Besseren,

Lemhihigen sollen in der Zukunft nach neuen Wegen suchen. Und doch läßt Horaz selber sein (jedicht mit dem Wortjuga ausklingen. Rom zu verlassen, bedeutet rur den Dichter, obwohl er einen Neuanfang sucht, dennoch eine Flucht.

So zeigt Horaz in diesem (jedicht ein Zeitbewußtsein, das in der Flucht aus der (jegenwart, d.h. aber aus den gegenwärtigen Zuständen, einen politischen Neuanfang sucht. Interessiert die Zeitgenossen zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch, wer genau die Bürgerkriege verursacht hat? Ein auf der ganzen Bürgerschaft ruhender Fluch ist wie in der Epode 7 der (jrund rur den Bürgerklieg. Horaz will nur noch dem Schrecken des Bürgerkrieges entkommen, auch wenn er darur Rom verlassen muß. Was kann eine größere Distanz zum römischen Staat offenbaren als dieser so eindringlich gemachte Aufi'uf des Dichters, Rom und damit den Bürgerkrieg ohne Wiederkehr hinter sich zu lassen? Die Möglichkeit dazu liegt aber seiner Meinung nach nicht mehr in der (jegenwart, aber auch nicht in dem alten Staat. Das Ziel der Flucht scheint imaginär zu

" Epod.16. 63-65: luppl"fer iIla piae secrevif lifoTU Rellfi./ uf illquillavif aere fempus aureum / aere dehillcjerro duravif saecula; quorum/ piis secullda vafe me dafurjuRa

129

sein,88 auch rur den antiken Leser, und macht auf diese Weise die Hoffnungslosigkeit angesichts der so lange andauemden Kämpfe nur noch deutlicher. Die Flucht aus der (jegenwm1 in eine mythische Welt ist der einzige Ausweg. Dort sucht Horaz den politischen Neuannmg rur den besseren, politisch interessiet1en Teil der römischen Bürgerschaft. So geht es in der Epode 16 auch um die Identität des römischen Bürgers, die in diesem Moment durch die Entfemung von Rom bestimmt ist. Schon M. Brutus hatte kurz zuvor eine große Distanz zu Rom in seinen Äußerungen deutlich gemacht. 89 Politiker, wie auch ehemalige Soldaten wie Horaz zeigen also ein solches Denken. Man muß sich dabei verdeutlichen, welche Bedeutung Rom rur einen römischen Bürger über Jahrhunderte gehabt hat. Neben Rom gab es kein anderes Zentrum im Denken. Auch die Bürger, die in anderen Städten wohnten, hatten in Rom stets ihren ersten ideellen Wohnort. Was bedeutet also ein solches neues Denken rur das Bild des römisches Bürgers von sich selbst? Man scheint das (jeruhl zu haben, daß die Identität verlorengeht, und zu versuchen, sich neue Bereiche zu erschließen. Doch diese befinden sich in einem mythischen Rahmen. Dies spricht rur die Unsicherheit der Zeitgenossen, rur ihre Orientierungslosigkeit. Horaz macht die Besonderheit der Welt, in der er den politischen Neuanfang liegen sieht, mit vielen Adynata und Paradoxa deutlich. Was sagt diese Darstellung der Inseln über das Zeitbewußtsein? Horaz erweitet1 das einzelne Adynaton, mit dem die Phokaier einst geschworen hatten, nie wieder zurückzukehren, sie versenkten ein Stück Eisen im Meer und schworen erst zurückzukehren, wenn dieses nach oben schwimmen würde - um weitere Adynata. Diese aber entsprechen den Charakteristika, mit denen Vergil in Ecloge 4 die Satumia regl1a, Horaz in den weiteren Versen der E]X)de 16 die an"a heata beschreibt. Damit geraten die arm heata in den Sog der horazischen Ad)11ata, die in der Beschreibung vorangehen. Was bedeutet das rur das Zeitbewußtsein? Auf der einen Seite ist es nur eine ]X)etische Reflexion, um die Ausweglosigkeit darzustellen, auf der anderen Seite offenbm1 es darüber hinaus die Auswirkungen des Bürgerkrieges auf die Bewußtseinslage der Zeitgenossen. Auf jeden Fall läßt Horaz dem Leser oder Zuhörer, der auch die 4. Ecloge kennt, die neuen Kämpfe um so schrecklicher, die ]X)litische Lage um so aussichtsloser erscheinen.

S. Commager, The Odes of Horace. A critical study, New Haven/LondonI962, schließt von der Beschreihung der Inseln auf .,a particular kind of escapism, an attempt to suhstitute the world of imagination for the world of fact." Doch der Dichter macht deutlich, daß er an einen politischen Neuanfang glauht. ii9 yg l. S. nt: iiii

130

In den beiden Epoden 7 und 16 nimmt der Dichter als vates eine übergeordnete Position ein. Er will hier die Zeitgenossen insgesamt von den Bruderkämpfen abbringen. Diese Mahnung ist rur ihn so wichtig, daß die frühen, fast 10 Jahre zuvor entstandenen Epoden eine zentrale Stellung in dem 30 v. ChI'. veröffentlichten Epodenbuch - als also wieder Frieden henscht - erhalten. Horaz zeigt dabei das Zeitbewußtsein eines Mannes, der, ganz von den Schrecken des sich über zwei (jenerationen hinziehenden Kampfes erHillt, nur noch auf ein Ende der Kämpfe hofft, ohne Partei zu ergreifen. Er erzählt in bei den Epoden keine konkrete Ereignisse, er zeigt vielmehr Reaktionen, die Ängste der Zeitgenossen, aber auch den blinden Wahnsinn des Bürgerklieges.

Er sucht in den

Epoden 7 und 16 die Flucht aus der (jegenwart und ihrem ]X)litischen (jeschehen. Die Möglichkeit zur Flucht ist nicht in der (jegenwart gegeben, und sie ruhrt auch nicht in einen anderen Staat, sondem in ein Überbleibsel der (joldenen Zeit, die arva divites et 9o il1sulas. Diese sind noch nicht einmal rur alle bestimmt, sondemnur rur die Frommen. So wendet sich Horaz von den Zuständen der (jegenwart ab und dem Mythos zu. Er will Rom sogar ohne Möglichkeit zur Rückkehr verlassen. 1st dies nur eine gewollte Provokation rur den Leser, oder sieht er wirklich angesichts des zerstörten Staates keine andere Möglichkeit mehr? Horaz scheint dem Staat, den er bei Philippi noch ve11eidigen wollte, ganz fem zu stehen. Er drückt damit ein Bewußtsein vom Staat aus, das sich selbst inneuen Bereichen erklären will, aber noch Schwierigkeiten hat, diese zu finden. Das Zeitbewußtsein, sogar das Bewußtsein vom Staat selbst droht in dieser Zeit den Bezug auf Rom zu verlieren, die Identität des römischen Bürgers ist unbestimmt, zenissen durch die Kämpfe.

Horaz wendet sich in diesen bei den Epoden nicht nur in seiner Deutung der Ereignisse von der Zeitgeschichte, also der historischen Zeit, selbst von der jüngsten Vergangenheit ab, er sucht nicht nur die Möglichkeit zur Flucht im Mythos, sondem er begründet auch das Übel der (jegenwart aus der mythischen Zeit heraus. Der Brudel1110rd am Anfang der mythischen (jeschichte Roms ist der (jrund rur die Bruderkämpfe der (jegenwart. Horaz will nicht die Erklärung rur das hel1um civile in der Zeitgeschichte finden. Hat er also die Verbindung zur Zeitgeschichte verloren, so 9\l R.G.M. Nishet. Horace's Epodes and History, hemerkt zu diesem Gedicht: .,... this prophet sees the good society not as something that is now heing inaugurated in Rome, hut as an unrealisahle fantasy to he set hefore the heginning or outside the known world.', S. 6. Vgl. dazu Kap. 3.2.1. zu verwandten Gedanken hei Vergil.

131

daß er aus ihr heraus nicht mehr die gegenwärtigen Zustände begründen kann? Dagegen spricht sein überaus kritisches Denken, mit dem er Mißstände der Bürgerkriegszeit klar umreißt und anprangert, denn dadurch beweist er schon beim ersten Blick ein deutliches Bewußtsein von den Zeitereignissen. Und auch gerade in der Begründung des hellum civile durch die El1110rdung des Remus tritt ein römisches Bewußtsein hervor. Denn

damit sucht der Dichter, den Bürgerkrieg aus dem römischen Wesen selbst heraus zu deuten. Vielleicht zeigt er hier sogar eine größere Verbundenheit mit dem römischen politischen Bewußtsein als Vergil, der bis auf die Kulturentstehung überhaupt zurückgreift, also griechisches Denken und vor allem griechischen Mythos einbezieht, indem er Prometheus, die Argo und Achilles an den mythischen Anfang des Übels setzt, um es zu erklären. Auch später in den (jeorgica geht Vergil bei seiner Erklärung zu Troja zurück. 91 Horaz sucht die Begründung im römischen Bereich, am Anfang der mythischen - römischen (jeschichte. Auch dort, wo er sich - bewußt - von der (jegenwm1 abwendet und im Mythos die (jegenwm1 erkläl1, zeigt er stets ein klares Zeitbewußtsein. Dieses aber verändel1 sich und zeigt bereits neue Züge seines Wesens.

Die späteren E]X)den Horazens, 1, 4 und 9, beschäftigen sich jeweils mit einer konkreten Situation des Bürgerkrieges. Doch hier entscheidet sich Horaz klar fLir eine Bürgerkriegspartei. Die (jründe dafLir sollen in dem nächsten Kapitel betrachtet werden.

3.4. Properz Noch ein anderer Dichter beschäftigt sich Ende der 30er/Anfang der 20er Jahre mit dem Leid des Bürgerkrieges: Sextus Propertius. Dies scheint um so erstaunlicher zu sein, da er einer der wenigen Hauptvel1reter der römischen Liebeselegie ist, sein Thema also die Liebe zu seiner puella ist.

Properz ist zwischen 55 - 50

V.

ChI'. - das genaue (jeburtsdatum ist nicht gesichert -

in Assisium (Assisi), in Umbrien, geboren worden. Er ist damit mehrere Jahre jünger als Vergil und Horaz.

92

Er entstammt dem Ritterstand. 1m (jegensatz zu Horaz macht er

91Georg. Isoll: Vgl. dazu S. 209f. 92 Vgl. S. 98 Anm. 6 zu der Frage. welcher Generation Properz angehört.

132

nur wenige Andeutungen zu seiner Autobiographie, doch es wird deutlich, daß er von dem Bürgerkrieg wie Vergil und Horaz 40/41

V.

ChI'. durch die teilweise Enteignung des

Besitzes seiner Familie betroITen ist, aber auch durch das Bürgerkriegsgeschehen bei Perusia, in dem einer seiner Verwandten den Tod fand. 93 Der junge Propel"Z geht nach Rom und lebt dort fLir seine Dichtung. 29/28

V.

ChI'. veröffentlicht er mit großem Erfolg

seine Monobiblos. Das (jedichtbuch handelt fast ganz von der Liebe zu seiner puella. In den beiden letzten (jedichten aber, 1 21 und 1 22, der SpJ1ragis seines (jedichtbandes, widmet er sich einer völlig anderen Thematik - dem Leid des Bürgerklieges. Er beschäftigt sich dabei, wie sich zeigen wird, mit dem Bürgerkrieg in einer sehr persönlichen

F01111.

3.4.1. Properz und das Erlebnis des Bürgerkrieges: Die beiden (jedichte 1 21 und 1 22 bilden thematisch eine Einheit, durch die sie sich von dem übrigen (jedichtbuch, das bisher ganz von der ihn behe11'schenden Liebe zu Cynthia und der daraus resultierenden LebensfLihrung des Dichters gehandelt hat, unterscheiden. 94 Es bestehen zudem andere Unterschiede, auch in der Darstellungsfo1111, doch die Besonderheit der beiden (jedichte liegt vor allem in dem, was der Dichter mit diesen beiden Elegien anspricht. Denn diese beiden (jedichte sind von einer direkten politischen Thematik bestimmt. 95 Ihre genaue Datierung ist nicht geklärt.% 91 Vgl. Prop. I 22; IV I, 121-134 zu den autohiographischen Äußerungen des Properz. und die umfangreicheren Arheiten zu Properz von J. P. Sullivan. Propertius. A Criticallntroduction. Camhridge 1976 und J. K. Ne\\man. Augustan Propertius. The Recapitulation of a Genre. Hildesheim/Zürich/New York1997; dieser will zeigen. daß man Properz hisher zu sehr auf die Liehesatl"äre mit Cynthia heschränkt hetrachtet hat. Er will die Untersuchung des Dichters ausweiten und zeigt u. a. das Eintreten des Dichters für hestimmte Tendenzen in der Gesellschaft. 94 Vgl. zu der engen Verhindung dieser heiden Gedichte J. T. Davis. Propertius 1.21-22. CJ 66 (1971). 209-213 mit einer Bihliographie zu dem Verhältnis von I 21 und I 22. W. R. Nethercut. The rlIPArir of the Monohihlos. AJP 92 (1971). 464-472 und M.C.J.Putnam. Propertius 1.22: A Poet's Selt~Detlnition. QUCC 23 (1976). 93-123. S. Döpp. Properzens Elegie L 22. Eine unvollständige Sphragis? in: Festschrift für F. Egermann .. München 1985. S.114L Anm. 9. sieht Elegie I 22 als eigenständiges Gehilde. da seiner Meinung nach zu viele Unterschiede in der Form der Gedichte zwischen 121 und I 22 hestehen. 91 Trotzdem ist man sich z. T. unsicher. oh man I 21 und I 22 als politische Gedichte deuten darf So äußert sich W. R. Nethercut. ehenda: .•To the extent that Propertius alters his orientation and emphasis his emotional ties with a specit1c district and civic hody. we may argue timt. in a deep sense - one ofwhich Maecenaswas aware -1.22 is political poetry.'. S. 471. '1t üherzeugend dar. daß der Dichter .,eine in spezifischem

135

Frage seines Freundes Tullus nach seiner Abstammung und seiner Heimat antworten. Doch er schildert im folgenden kaum äußere Lebensdaten, sondem berichtet nun von einem Ereignis in seiner Heimat, das ihn zutiefst berührt hat: Der Perusinische Krieg, das Wüten des Bürgerkrieges erfLillt den Dichter mit großem Schmerz, denn dadurch wurde der Tod eines Verwandten verursacht. 1ol Unbestattet liegt dieser noch auf der etruskischen Erde. Unvel111ittelt scheint sich Properz dann in den letzten beiden Versen wieder auf die Aufgaben der Spllragis zu besinnen und macht noch einmal den (jrund deutlich, warum er an dieser Stelle von dem Perusinischen Krieg erzählt hat: Das benachbarte Umbrien hat ihn gezeugt. Durch die Spllragis 1 22 wird auch das (jedicht 1 21

verständlich: Der Sprecher (jallus muß der Verwandte des Properz sein oder

zumindest das gleiche Schicksal wie dieser erlitten haben. 1 21 stellt aber eindrucksvoll vor Augen, wie tief den Dichter die Sinnlosigkeit des Bürgerkrieges und der dadurch verursachte Tod seines Verwandten berühl1 haben. Beide (jedichte erklären einander und verstärken gegenseitig ihre Wirkung auf den Leser. Der Bürgerkrieg ist, wie die (jedichte klar zeigen, ein Properz tief berührendes Erlebnis. Noch vergrößert wird dieser Eindruck dadurch, daß er davon in seinem Siegelgedicht an herausgehobener Stelle berichtet.

Was aber erzählt Properz genau über das Bürgerkriegsgeschehen selbst? Er begrenzt den Bürgerkrieg auf Perusia, wo er selber betroffen ist. In Perusia aber hatte Octavian L. Antonius, den Bruder des M. Antonius, eingeschlossen. Nach dessen Kapitulation wurde Perusia der Plünderung preisgegeben. Danach soll der zomige Caesarerbe die dreihundert Ratshe11'en der Stadt am Altar seines Vaters hingeschlachtet haben. 102 Doch in der heutigen Forschung ist umshitten, ob dies der Wahrheit entspricht oder in die Propaganda dieser Zeit gehört. Nach den W011en des Properz aber hat Uomal1a discordia ihre eigenen Bürger dazu gehieben. I03 Wie Vergil spricht Propel"Z

also von der Zwietracht allgemein als Ursache des Krieges. Er nimmt dabei nicht Stellung gegen oder rur eine bestimmte Bürgerkriegspartei, sondem der Perusinische Sinne 'elegische' Sphragis, in der der Dichter einen wichtigen Teil seiner Existenz enthüllt", geschaffen hat S.112. 1111 Trotz der immer wieder versuchten Interpretationen, vgl. Anm. 99, kann man aufgmnd von I 22 nur feststellen, daß es sich um einen Verwandten des Properz gehandelt hat aber nicht in welchem genauen Verwandtschaitsverhältnis der Dichter zu diesem steht. IIU Vgl. Cass. Dio 48.14,4.

136

Krieg scheint vielmehr eine Orts- und Zeitangabe zu sein. Es geht ihm nicht um die Schuldzuweisung an bestimmte Parteien, sondem um den Schrecken des Bürgerktieges selbst. Sicherlich trennt ihn Perusia von dem Caesarerben, doch es treibt ihn nicht zur (jegenpartei,104 sondem zu einem leben als Privatmann, als amal1S, zu einer vita il1ers, fem von der res puhlica.

Die Spllragis der Monobiblos ist eines der wichtigsten Zeugnisse rur die Auswirkungen der Kämpfe des Bürgerkrieges auf die persönliche Lebenswelt und vor allem auf das politische Bewußtsein des Properz. Denn hier schildet1 er, welche Auswirkungen das hellum civile auf sein Inneres hat. Properz macht deutlich, was der Schrecken des Bruderkampfes rur ihn bedeutet. Doch erst in Verbindung mit den früheren (jedichten, in denen er sich bereits zu seiner Lebensruhrung und zu seiner Liebe zu seiner puella geäußert hat, versteht man die Bedeutung dieser beiden (jedichte. Denn welche Konsequenzen er aus seinen Erlebnissen in der Kindheit rur sein politisches Bewußtsein zieht, hat Properz schon in den (jedichten zuvor deutlich gemacht. Die (jedichte, die sich auf die Lebenswahl des Properz beziehen, 105 zeigen ihn nur seiner Liebe und seiner puella ergeben, er lehnt rur sich selber eine vita activa und den cursus h0l1Omm ab. Der Bürgerktieg hat rur Propet"Z als Individuum weitreichende

11)1 Prop. I 22,5: curn Rornullu suos eRif Discordiu civis. \\'. R. Nethercut The rllPAnr of the Monohihlos. vergleicht diesen Vers mit VergiL ecl.l. 71_2: Eil quo dicordiu civis / produxif rniseros! 1114 Vgl. dazu H.-P. Stahl. ehenda. S.117L der hetont daß die Familie des Properz auf Seiten der Gegner Octavians gestanden hahe. Deshalh ist seiner Meinung nach auch der Zugang des Dichters zu dem Caesarerhen erschwert. Ebenso sieht schon Th. Birt Die Fünfzahl und die Properzchronologie. RhM 70. 1915.253-314. Properz als .;verkappten Gegner des Octavian". Doch man muß S. Döpp. ebenda. S.114. Anm.17. folgen. der fi"agt: .• Aher geht es hier wirklich um eine Schuldzuweisung und nicht vielmehr um das allgemeine Leid?" Auch I.M.Let.1. DuQuesnay. ehenda. sieht keine Feindschaft von Seiten des Properz gegenüher OctavianlAub'Ustus ausgehen. Er verweist zudem darauf. daß der Onkel des Tullus. L. Vo1cacius Tullus. Consul33. Proconsul in Asia 29-28v. Chr. war. daß sein Neffe ihn wohl als IeRufus pro praefore begleitete - vgl. dazu F.Cairns. Some Prohlems in Propertius 1.6. AJPh 95 (1974).150-163 heide gehen also einer politischen Karriere auch in dieser Zeit nach. Zudem war Aelius Gallus Praefect von Ägypten 27-26. Dieser aber ist für R. Syme. History in Ovid. OxfordI978. S.I02. sowie ders .. The AUb'Ustan aristocracy. Oxfordl986. S. 307-309. und für M. v. Alhrecht. ehenda. verwandt mit dem Gallus der Monohihlos. Vgl. auch Anm. 99. - Properz will hier sicherlich nichts anderes als die Folgen des Schreckens des Bürgerkrieges allgemein für sich seiher darstellen. Wenn die Familien der heiden Freunde ähnlich wie er seihst durch Pemsia hetroffen waren. so zieht zumindest Tullus nicht dieselben Konsequenzen für siell. \\'ie sein Onkel verfolgt er den cursus IWllorurn. Ill l Prop. I I zu seiner Liehe zu Cynthia. I 6 zu seiner Ahlehnung der Lehensführung innerhalh eines cursus IWllornrn. I 22 zu einem sein Lehen tief prägenden Geschehen. Man sieht in der Forschung eine strukturelle Verhindung zwischen I I und I 22 darin hestehen. daß der Ansprechpartner. Tullus. derseihe ist vor allem aber darin. daß sich die Gedichte motivisch beliihren: In heiden Gedichten äußert sich Properz zu Ereignissen. die für seine Lehensfühmng entscheidend waren. Vgl. dazu S. Döpp. ebenda. S. 112. und N. Holzherg. Die römische Lieheselegie. Eine Einführung. Darmstadtl990. S. 28ft".. besonders S. 37f.

137

Folgen. Betrachtet man die Bedeutung des Siegelgedichtes, so zeigt er hier die tief in seiner Psyche liegenden Moti ve rur seine Lebenswahl, rur seine innere Einstellung. In der Spllragis begründet er seine Lebensruhrung. I06 Das Erlebnis des Bürgerklieges treibt den Dichter zu einem Leben, das, wie Properz selber an anderer Stelle deutlich macht, fem von jahrhundel1ealten Regeln und Nonnen steht. Er bekennt sich zu einem solchen Leben als einzelner, er weiß, daß andere, wie sein Freund Tullus, traditionell die Ämterlaufbahn und die Ehe anstreben. Und doch können wir aufgrund dieser sehr persönlichen Stellungnahme des Properz zum Bürgerklieg einen wichtigen Einblick in das Bewußtsein der Zeitgenossen vom Staat erhalten. So sind die (jedichte 121 und 122 in ihrer Thematik von der übligen Monobiblos herauszuheben, aber sie erklären uns erst die Beweggründe des Properz rur sein Handeln und Denken, das er in den (jedichten des Buches zuvor deutlich gemacht hat. Die römische Liebeselegie, die mit ihren spezifischen Besonderheiten zur Zeit des Bürgerkrieges entsteht und in Properz, aber auch in Tibull - neben dem eine (jeneration jüngeren Ovid - ihre großen Vertreter hat, findet ein derartig großes Publikum, daß sie Entscheidendes im Denken der Menschen berührt und so rur viele spricht. Das Zeitbewußtsein entfemt sich von der res puhlica, der Schrecken des Bürgerkrieges bewirkt eine andere Lebenswahl als die seit (jenerationen übliche Lebensruhrung. Es ist jetzt möglich, in solchen Bahnen außerhalb der seit Jahrhunderten gültigen Lebensweise zu denken und zu handeln.

Die Art und Weise, wie Properz mit dem Bürgerkrieg umgeht, trennt ihn aber auch von seinen beiden etwas älteren Dichterkollegen Vergil und Horaz. Mit ihm lemen wir eine neue Al1 kennen, das Thema umzusetzen. Properz sucht, als er sich zum erstenmal mit dem hellum civile befaßt, keine tieferen (jründe rur die Kämpfe. Wie Vergil spricht er zwar von der discordia als (jrund. Er, der sonst mit dem Medium des Mythos geradezu spielt, berühl1 dabei aber keinerlei mythische Ebene. Er redet nur von den Auswirkungen des Bürgerkrieges rur ihn selbst als einzelnen im Staat. (jerade in dieser I IX' Vgl. dazu H.-J. Glücklich. Zeitkritik hei Properz. AU 2004 (1977). 45-62. Er verweist aufiV 1,127-134 und folgert: .,Die Konstanz. mit der Properz Jugenderlehnisse und Wahl der poetischen Gattung andeutungsweise verhindet. spricht dafür. daß man hinter dieser Andeutung eine entscheidende Konstante der properzischen Persönlichkeit sehen muß." S. 47. Auch H.-P. StahLehenda. sieht diese Kindheitserlehnisse als entscheidend für Properz an und hetont. daß nicht nur Cynthia Properz von einer vifa adiva fernhält. sondern auch diese ti'ühen persönlichen Erlehnisse in Perusia: .,The opposition of lover and politician in 1.6 is given a very specific hackground in 1.22.'. S. 121. Er sucht aufgmnd dieser Erfahrungen die ühermäßig ahhängige Liehe des Dichters zu Cynthia zu deuten. S.125f. Doch bewertet er

138

Zenhierung der Auswirkungen auf seine Person - er spricht nicht von dem Leid allgemein - kann man einerseits erkennen, daß Properzjünger als Vergil und auch als Horaz ist und das Bürgerkriegsgeschehen in recht jungem Alter erlebt hat, andererseits darf man datinnicht so sehr eine Auswirkung des Bürgerkrieges selbst als vielmehr eine Folge des wiederhergestellten Fliedens sehen. Dies deutet auch auf eine späte Datierung der beiden (jedichte hin. Denn das hellum civile hat die Menschen dazu getrieben, sich durch das gemeinsame Leid miteinander verbunden zu ruhlen, so wie Vergil und Horaz sich sogar als vates einer (jemeinschafl betrachtet haben. Beide sprechen auch später vom Bürgerkrieg als etwas, das alle angeht. Der Frieden aber bringt zumindest einen Teil der Zeitgenossen, wie Properz, nun dazu, ihre Individualität in den Mittelpunkt ihres Denkens zu stellen, den Staat nicht mehr im Zentrum zu sehen. Properz zeigt so im Frieden eine neue, andere Reaktion auf das hellum civile.

Auch in späteren (jedichten bleibt der Bürgerkrieg ein Thema der Dichtung des Properz, doch geht Properz dann, wie sich zeigen wird, ganz anders mit der Thematik um. Inzwischen hat er in Rom einen Mann näher kennengelemt, der nicht nur großen Einfluß auf das literarische Leben hat, sondem auch eine wichtige Rolle in der Politik spielt. Vergil und Horaz kennen ihn, der ein Freund Octavians ist, bereits seit mehreren Jahren.

1m folgenden sollen die ftiihesten Reaktionen der Dichter, vor ihrer Etablierung in Rom, noch einmal kurz zusammenfassend dargestellt werden, um dann ihr Verhältnis zu den mächtigen Männem in Rom zu klären. Dann soll weiter die Frage gestellt werden, wie die Dichter in den späteren (jedichten ihr Erlebnis des Bürgerklieges schildem und wie sich ihr Denken und ihr Zeit bewußtsein entwickeln.

sicherlich die Liehe zu Cynthia mit den Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg zu gleichwertig; erst das Erlehnis des Bürgerkrieges treibt den Dichter zu einem Lehen als umulls.

139

3.5. Die Dichter und das Erlebnis das Bürgerkrieges (jemeinsam ist den Dichtem Vergil, Horaz und Properz, daß sie sich mit dem hellum ch'i1e beschäftigen und versuchen, das ]X)litische (jeschehen um sich herum zu deuten.

Der römische Bürgerkrieg ist fLir sie ein wichtiges Thema - bereits kurz bevor sie in einen engeren Kontakt mit fLihrenden ]X)litischen Persönlichkeiten treten. Sie äußem sich zum Bürgerklieg, indem sie ihre persönlichen Erlebnisse darstellen und auch dadurch, daß sie gegen das Leid des Bürgerklieges allgemein Stellung beziehen. Durch seine Thematisierung aber politisie11 das hel1um ch'i1e die Dichtung bereits bei ihrer Entstehung und zieht die Dichter auch

weitel~lin

in das (jeschehenmit hinein.

Der Bürgerkrieg zeigt in den ersten (jedichten vielhiltige Auswirkungen auf die einzelne Persönlichkeit der Dichter. Vergil ist in diesen ersten (jedichten ganz mit einer konkreten Problematik beschäftigt, die einen speziellen Teilbereich der Tagespolitik darstellt. Das politische (jeschehen hat einen großen Teil der Bevölkerung getroffen, und so will der Dichter das Zeit bewußtsein der Menschen um sich herum vor Augen ruhren, gerade der Bürger, die keinerlei politische Einflußnahme mehr besitzen, auch wenn die Bauem Bürger waren. Doch die Schilderung des Dichters beschränkt sich auf ein zwar rur viele sehr wichtiges, doch nur einzelnes Ereignis des Bürgerkrieges. Ein klitisches Zeitbewußtsein artikuliert sich also zu dieser Zeit offenbar besonders an konkreten,

selbst

erlebten

Ereignissen.

Wie

Vergil

war

Horaz

von

den

Landenteignungennach Philippi betroffen, doch befaßt er sich nicht konkret mit dieser Thematik in seinen fi'ühen (jedichten. Er behandelt das Leid des Bürgerkrieges selbst. So sind die (jedichte des Horaz von einer tiefen inneren Anteilnahme getragen, doch in ihrem Inhalt gehen sie über eine bloße persönliche Betroffenheit hinaus. Horaz versucht das allgemeine Leid des Bürgerkrieges in W011e zu fassen. 107 Beide Dichter zeigen eine hohe Empfindlichkeit in ihren Reaktionen auf die leisesten Andeutungen von Hoffnung oder emeutem Schrecken in der Politik, wie Vergilnach dem Frieden von Brundisium, Horaz aber mit seinen Epoden auf die emeuten Kämpfe.

111' Man möchte deshalh zuweilen in der Forschung in Horaz einen politischen Dichter sehen. d. h. einen politisch interessierten Mann. Vergil erscheint dagegen hisweilen als ein von der Politik ahgewandter

140

Vergil und Horaz zeigen beide in ihren ersten (jedichten eine - wenn auch nur undeutliche - Einstellung nicht nur gegen den Bürgerkrieg, sondem gegen den Krieg allgemein. Sie wollen in diesem Moment zu Beginn der 30er Jahre überhaupt keinen Krieg mehr, weder im Tnnemnoch außen. Dies wird in der 4. Ecloge Vergils, aber auch in der 7. Epode des Horaz deutlich, die deshalb vor die Epode 16 zu datieren ist. Vergil sieht in dieser Ecloge emeut ein Zeitalter heran brechen, das durch seine Fülle und sein (jlück vor dem Anfang jeden Klieges liegt, und auch Horaz läßt indirekt in seiner frühesten Epode im Ansatz den Krieg überhaupt als Blutvergießen erscheinen. Der Schrecken des Bürgerkrieges treibt dazu, zumindest rur den Augenblick den Krieg grundsätzlich abzulehnen. Diese Einstellung bildet ein Stadium in der Entwicklung der Dichter, das sehr früh liegt, sich rasch wieder wandelt und neue F011nen annimmt. Doch es ist wichtig, dieses Denken festzuhalten und weiterhin zu untersuchen. los

Um das Zeitbewußtsein in Jahren nach Philippi zu erkennen, ist aber gerade über die Darstellung von Zeitereignissen hinaus die Deutung und Begründung der Bürgerkriege durch die Dichter von großer Wichtigkeit. Vergil und Horaz gehen beide in dem Versuch, eine Zeit ohne Bürgerklieg zu finden und die gegenwärtigen Kämpfe zu begründen, in mythische Bereiche zurück. Was sie jetzt als ersehntes Ziel empfinden, befindet sich außerhalb des staatlichen Bereichs. Die beiden Dichter wünschen sich nicht die funktionierende Republik zurück oder überhaupt irgendeine feste Staatsfo11n, sie sehnen eine Welt herbei, die ohne Kampf und voller Frieden ist. Vergil meint in einem Moment der Ruhe und des Ausgleichs zwischen den beiden Militärpotentaten kurz vor diesem idealen Zustand zu stehen und glaubt, daß dies der Anbruch der Satumia regl1a unter der He11'schafl Apolls sein wird. Horaz sieht, als die Kämpfe

emeut beginnen, die Lösung sogar nur noch außerhalb Roms selbst liegen. Er sucht, aus der (jegenwart und ihren politischen Zuständen zu fliehen - und gelangt dabei zu den mythischen ,,Inseln der Seligen", ein "Überbleibsel" der "goldenen Zeit", der aurea saecula, als Tuppiter einst die Welt in Erz ersta11'en ließ. Beide Dichter befinden sich

dabei in ihren Vorstellungen von einem neuen Zusammenleben außerhalb der res puhlica. Selbst das otium des Tityrus in der 4. Ecloge ist ein Tdealzustand fem eines

Staates. Es ist auch nicht mehr das otium der res puhlica, das die mit Literarischem und Bewohner des mUllin')ium. Doch erst aus den weiteren. noch zu besprechenden Gedichten läßt sich Genaueres erkennen.

141

Philosophischem ausgerullte Muße nach der Arbeit rur den Staat darstellte, sonde111 es wird nun selbst rur den Hirten, einen nicht-politischen Mann also, zum Ziel des Lebens, zu einem ersehnten Zustand, der nicht von kurzer Dauer ist, sonde111 der immer he11'scht. Überhaupt ist die von Vergil erschaffene Hirtenwelt von einer solchen Stimmung, 109 daß sie oft als utopisch empfunden wird. llo Doch Vergil begreift die von ihm erschaffene Welt als real, sonst hätte er keinen Bezug auf die Tagespolitik durch die Thematisierung der Landenteignungen römischer Bauem zugunsten der Veteranen genommen, nicht dem (jlück des Tit)TUS das Leid des Meliboeus entgegengesetzt oder aber das neue Zeitalter erst im Elwachsenenalter des Knaben der 4. Ecloge beginnen lassen.

Die beiden Dichter wenden sich also in ihrem Denken von der (jegenwart ab und fliehen in den Mythos. Denn im mythischen Bereich suchen sie, die unter Bürge111 tobenden Kämpfe zu begründen. Vergil splicht in seinen Eclogen, die sich mit den Landenteignungen befassen, von der Zwietracht unter Bürge111, der discordia civium, als Begründung rur das (jeschehen um ihn herum. Er sucht keine tiefere politische Begründung. In der 4. Ecloge sieht Vergil vielmehr den Anfang des Klieges in der Zeit des Baus der Argo liegen, also zu Beginn der mythischen Heldenerzählungen. Auch Horaz findet die Begründung der gegenwärtigen Kämpfe nicht in der historischen (jegenwat1. Er kleidet den Schrecken des Bürgerklieges in das (jewand des Mythos und weist damit den Weg zur Ergründung des Übels des Bürgerkrieges in mythische Bereiche. Er wählt aber die mythische Erklärung so, daß er das (jeschehen aus dem römischen Wesen selbst begründen kann. Diese Nutzung des Mythos von Remus und Romulus als Erklärung rur den Bürgerkrieg ist neu in der lateinischen Literatur. Doch hatte schon zuvor, angesichts der immer weiter anwachsenden Macht eines Caesar und eines Pompeius, dieser Mythos einen Wandel erfahren. Zunehmend war Romulus als Mörder seines Bruders und Tyrann, der von den Senatoren schließlich umgebracht wurde oder sogar umgebracht werden mußte, dargestellt worden, um auf dieser Basis die Mächtigen anzugreifen. 111 Horaz berichtet in den Jahren nach Philippi nur von dem vergossenen Blut des unschuldigen Remus - seine einzige Wertung liegt in dem Hinweis Vgl. dazu Kap. 6.1. auch zu späteren Gedichte von Properz und Tihull. Vgl. G. Jachmann. Die dichterische Technik Vergils. NJhh 49 (1922).101-122. 1111 B. SnelL Arkadien. in: Die Entdeckung des Geistes. '1975. 257-275. zu Arkadien hei VergiL vgl. dazu E. A. Schmidt. Bukolische Leidenschaft ... S. 239ft: 111 W. Burkert. ehenda. schildert das Umgehen mit den verschiedenen. z.T. widerspliichlichen Üherlieferungssträngen des Mythos von den Zwillingen im spätrepuhlikanischen Rom. S. 358. Illii

11)9

142

auf die Unschuld des el1110rdeten Bruders -, nicht von einer Tyrannis; fLir ihn ist der Mythos eine Möglichkeit, über die Bürgerkriegspm1eien hinaus das politische (jeschehen zu erklären. Er begründet so die (jegenwart aus der Vergangenheit, ein Zeichen dafLir, daß er sich angesichts der Militällhltentaten nicht anders äußem kann, aber

auch

darur,

daß

er

beim

Anblick

des

Schreckens

keine

andere

Erklärungsmöglichkeit mehr findet als im Mythos.

So suchen beide Dichter Lösungen, Pluchtmöglichkeiten und Begründungen fLir das hellum civile im Rahmen und in der Zeit des Mythos. Beiden ist klar, daß Rom nicht

durch eine (jefahr von außen, sondem durch innere Zwietracht, aus eigener Kraft sich selbst zerstört. Doch diese Erkenntnis bleibt in ihrer Darstellung vordergründig; wichtiger ist ihnen die mythische Ebene. Das ist nicht allein ]X)etische Technik. Sie wollen damit sicherlich das Zeitgeruhl der Menschen um sie herum ausdrücken. Sie stehen nicht allein da mit ihren (jedanken; sie wollen rur viele sprechen, die ihre Ansichten teilen. Die Anlagen dazu liegen bereits fi·üher. So hatten sich immer mehr mächtige Männer mit mythischen Ahnen zu umgeben gesucht, immer wichtiger war dies rur ihre Selbstdarstellung gerade im ]X)litischen Bereich geworden. Der Mythos vereinnahmt in diesen Jahren der Krise der Republik immer mehr die Zeitgeschichte. Damit ist die Dichtung mit ihrem besonderen Verhältnis zum Mythos eine überaus wichtige historische Quelle. (jerade der Umgang der Zeitgenossen mit dem Mythos ist ein deutliches Zeichen ihres politischen Denkens. l12 Der Mythos, seine Deutung und sein Wandel zeigen die Veränderungen auf. Das Verhältnis vom Mythos zur Zeitgeschichte und damit sein Verhältnis zum Zeit bewußtsein sollen im folgenden deshalb weiterhin von besonderem Interesse sein. Die spezielle Ausfol111ung eines schon lange bestehenden Mythos in einer bestimmten politischen Situation, seine inhaltliche

112 So hegründet W. Burkert. ehenda. seine Untersuchung der Bindung Caesars an Romulus-Quirinus . .,weil sich hier Mythos und Wirklichkeit in merkwürdiger Weise durchdringen. Der aktuelle Konflikt erschemt als 'Olgegehen IIn Belelch des Mythos; das politisch-geistige Ringen spiegelt sich im Widerspruch mythischer Traditionen. und umgekehrt affiziert das mythische Vorhild die Form tatsächlicher Entscheidungen.'. S.357. - Burkert zei!o>t einen hesonderen Umgang des Horaz mit dem Mythos gerade an dem Beispiel der tAl"sa Quirini auf - denn Horaz geht in der Epcxlel6 mit seiner Darstellung einen Mittelweg zwischen antiquarischer Gelehrsamkeit und der Romulus-Quirinus-Legende als solcher. So wird. verhunden mit dem neuen Gedanken von der .,Erhschuld" durch das Blut des unschuldigen Remus. - dazu Krämer. vgl. Anm. 74 -. der freie Umgang mit dem Mittel des Mythos in dieser Zeit üheraus deutlich - auch hier. auf dieser Ehene. wird das neue Zeithewul.ltsein formuliert.

143

Veränderung zu einem bestimmten Zeitpunkt weisen zunächst auf neue Inhalte in der Politik, darüber hinaus auf einen Wandel des ]X)litischen Bewußtseins hin. 113

Horaz und Vergil fragen in diesen ersten (jedichtennicht nach konkreten staatlichen Verhältnissen. Welche Verhältnisse sollen sie in diesen Jahren nach Philippi auch ersehnen? Der Staat ist zerstört. Das ist jedem Zeitgenossen offenbar, mehr noch, die Dichter gehören einer (jeneration an, die die res puhlica gar nicht akti v kennenlemen konnte. Vor den zerstörten Institutionen und Traditionen der res puhlica stehend, wenden sie sich über die historische Zeit hinaus der mythischen (jeschichte zu. Zeitgeschichte

und

daraus

resultierend

das

Zeitbewußtsein

finden

ihr

Selbstverständnis nun im mythischen Bereich. Doch das bedeutet nicht, daß sie in ihrem Inneren die Verbindung zur Zeitgeschichte ganz verlieren. So sucht Vergil, fLir seinen Leser eine Verbindung von dem gegenwärtigen (jeschehen zu dem Anbruch des (joldenen Zeitalters herzustellen, indem er zuerst noch Spuren der alten Schuld, dann erst das ersehnte (jlück heranbrechen sieht. Zudem bezieht er die Tagespolitik in die bis dahin un]X)litische Hit1endichtung mit ein. Vergil beweist also ein deutlich vorhandenes Zeitbewußtsein. Und auch Horaz zeigt mit seiner so scharf vorgetragenen Kritik in seinen frühen E]X)den ein politisches Bewußtsein und bleibt mit seiner Erklärung durch das Heranziehen des Mythos von der (jründung Roms ganz im römischen Denken. Doch trotz dieses so deutlich vorhandenen

und auch so stark ausgeprägten

Zeitbewußtseins der Dichter, gerade von dem aktuellen ]X)litischen (jeschehen, wenden sie sich von der Zeitgeschichte ab und dem Mythos zu, um die (jegenwm1 zu deuten. Die Zeitgenossen stehen zwar in der Zeitgeschichte, doch sie fliehen aus ihr. 1m Mythos machen sie die (jegenwart deutlich und erklären sie, was sie denken. Vielleicht können sie es angesichts der Machthaber bereits nicht mehr anders ausdrücken.

(jleichzeitig werden gerade in den Epoden des Horaz die Auflösung des (jefLihls der Identität

und

Zersetzungerscheinungen

in

der

(jeseIlschaft

deutlich.

Das

IdentitätsgefLihl, das so sehr auf Rom beruht hat, entfemt sich von seinem Zentrum, doch es gelangt dabei in Bereiche, die Horaz durch Adynata und Paradoxa umschreibt und die zum Mythos gehören. 111 Vgl. T.P. Wiseman. Remus. A Roman myth. Camhridgel995. zum Umgang und Gehrauch des Romulus-Mythos. hesonders aher T. Hölscher. Mythen als Exempel der Geschichte. in: Mythos in

144

Was sagen sie also durch das Mittel des Mythos über das (jeschehen aus, was denken sie? Um dies zu erkennen, sollen zunächst die Funktionen des Mythos in diesen (jedichtennäher betrachtet werden. Zuerst bedeutet er fLir die beiden Dichter Vergil und Horaz die Möglichkeit zur Flucht aus der Zeitgeschichte. Doch es ist mehr als eine Flucht, es ist eine Möglichkeit, die (jegenwm1 sichtbar zu machen und einen Neuanfang zu suchen. Horaz deutet - anders als Vergil, der den Anfang des Krieges mit dem Bau der Argo verbindet und damit poetischen griechischen Vorbildem folgt, - das (jeschehen aus dem römischen, ja aus dem "ur-römischen" Wesen heraus. Damit zeigt der Dichter ein tiefes politisches Bewußtsein von seiner Stadt, seiner Bürgerschaft und von seiner (jeschichte. Das Zeitbewußtsein ist also weiterhin vorhanden, doch es verändert sich und zieht sich in andere, mythische Bereiche zurück. Für Augustus wird der Mythos immer mehr zu einem Bezugspunkt seiner Selbstdarstellung werden. 114

Mythos und Zeitbewußtsein gehen eine enge Verbindung ein. Das Zeitbewußtsein "mythisiert" sich in diesen Jahren der Krise des Staates. Der Bürgerkrieg schafft also ein neues Zeit bewußtsein, das sich von Staat und (jegenwm1 abwendet und neue Bereiche erschließt. Der Mythos ist dabei neuer Bereich und Schlüssel zum Zeit bewußtsein zugleich.

Horaz und Vergil zeigen in diesen frühen (jedichten ihre (jedanken zu und Reaktionen auf eine Zeit, als der Bürgerkrieg noch andauert. Der Bürgerkrieg weckt bei beiden ähnliche (jefLihle. Er verbindet also offenbar die Menschen. Die Dichter sehen sich als rates und wenden sich in dieser Funktion an die (jemeinschaft der Bürger. Diese Stellung wird von einem römischen Dichter erst in der Bürgerkriegszeit beansprucht. Ein gemeinschaftliches Band verbindet in den Jahren der Kämpfe die Menschen. Auch später reden die Dichter von dem Bürgerkrieg als einem Thema, das alle betrifft.

my'thenloser Gesellschaft. Das Paradigma Roms, hrsg. v. F. Graf: StuttgartlLeipzigl993, S. 67-87. 11 4 Vgl. T. Hölscher, My'then als Exempel der Geschichte. Er folgert gerade zum Umgang des AUb'Ustus mit dem My'thos und den exempla der Vergangenheit: .,Es geht hei all diesen Manipulationen nicht nur damm, My'then zu aktualisieren. Wichtiger ist die Gegenseite: daß damit die Gegenwart 'my'thisiert" wird.', S. 85. Man hat zumeist das Verhältnis des Augustus zum My'thos hetrachtet. Interessant ist aher auch die noch zu klärende Frage, wieweit OctavianlAugustus dahei von SChOll hestehenden Bestrehungen angeregt wurde.

145

Der etwas jüngere und erst später schreibende Properz zeigt eine andere, eine neue Reaktion auf den erlebten Schrecken des Bürgerkrieges. Auch er ist von den Landenteignungen betroffen, doch er erwähnt dieses (jeschehen erst später konkret in seiner Dichtung. 115 Hier, im ersten (jedichtbuch, macht der Dichter deutlich, welche Auswirkungen das hellum civile auf sein innerstes Wesen und Empfinden, damit aber auch auf sein politisches Bewußtsein hat. Er stellt dar, wie er jetzt eine mögliche politische Rolle im Staat bewertet. Wurde in den ersten (jedichten der Monobiblos immer wieder ersichtlich, daß ProperL die vita il1ers zu seinem Ideal macht, so wird erst in den letzten beiden (jedichten, der Sphragis, klar, daß er in dem Erlebnis des Bürgerkrieges das auslösende Moment fLir ein solches Denken und Handeln sieht. Der Bürgerkrieg als zentrales Erlebnis treibt ihn als Individuum zu einem Leben fem von der res puhlica, von ihren Traditionen und ihrem Denken. Er beschränkt sich bei seiner

Schilderung auf ein einzelnes Ereignis des so lange andauemden Bürgerkrieges. Doch Properz greift dabei keine Parteien des Kampfes an. Wenn es auch gerade um den Perusinischen Krieg geht, so ist seine Kritik nicht als besonderer Vorwurf, sondem als neutrale, nüchteme AuffLihrung des Faktums, das ihn nun einmal besonders betroffen hat, zu verstehen. 1m (jrunde geht es Propel"Z um das Leid des Bürgerkrieges allgemein, das ihn so tief geprägt hat. Aufhillig ist dabei, daß Properz, der sonst den Mythos ganz unterschiedlich gebraucht, in diesen beiden (jedichten keinerlei mythische Ebene berührt. Doch gerade die Art, wie sich das Leid des Bürgerklieges auf sein Denken auswirkt, macht deutlich, daß er seine beiden Elegien zum Bürgerkrieg erst spät, als schon wieder Frieden he11'scht, geschlieben hat. Denn der Krieg, die gemeinsame Not und der gemeinsame Schrecken vereinen die Zeitgenossen - so greifen Vergil und Horaz Themen von allgemeinem Interesse auf -, der Flieden aber fLihli Properz dazu, seine Dichtung ganz au f sein eigenes Erlebnis und auf seine eigenen Empfind ungen, au f seine Einzelperson zu zentrieren. Erst der Flieden kann die Herausstellung des Individuums und seiner Interessen bewirken.

Properz mhli also eine weitergehende Veränderung des Zeitbewußtseins vor Augen. In der Zeit des so lange ersehnten Friedens spricht er fLir die Zeitgenossen, die sich von der Politik und dem Staat abwenden und sich ganz auf sich selbst als Individuum 11 1 Prop. IV 1,130. Diese Erwähnung des Geschehens ist wohl eher als eine rein autohiographische Angahe zu verstehen.

146

besinnen. Auch er hat ein politisches Bewußtsein, das gerade dann hervortritt, wenn er sich von seinem Ansprechpm1ner Tullus in seinen Zielen und Intentionen absetzt, doch er kehrt in seiner Monobiblos mit der von ihm gewählten LebensfUhrung einem politischen Leben den Rücken zu und macht die vita ölers zu seinem Lebensideal. Propet"Z macht deutlich, daß nicht alle seine Art der LebensfUhrung teilen, doch der Erfolg der Veröffentlichung seines (jedichtbuches zeigt eine breite Resonanz in der (jesellschaft.

Der Bürgerkrieg entfemt also auch dann noch oder vielmehr gerade dann den einzelnen vom Staat, als schon wieder 1'tieden he11'scht. So zeigt Properz in einer neuen 1'01111 als Indi viduum die Auflösung der Identität des einzelnen - wie schon zuvor Horaz auf der Ebene der gesamten (jeseIlschaft.

So ve11'aten die einzelnen, als politisch interpretierbaren (jedichte der vorgestellten Dichter wichtige Züge des sich verändemden und neu entwickelnden Zeitbewußtseins. Was sagt aber die Literaturgattung, die die Dichter jetzt nutzen, aus? Die nun gewählten literarischen (jenera sind in dieser Zeit erstmals aus dem (jriechischen mit spezifisch römischen Umfol111ungen übemommen worden. Vergil schreibt als erster in Rom Hirtendichtung, Horaz greift als erster die Iambendichtung auf, Properz ist einer der wenigen Vertreter der römischen Liebeselegie, die erst in diesen Jahren des Bürgerktieges entstanden und mit Ovid, der der nächsten (jeneration angehöt1, bereits zum Kunstprodukt geworden ist. 1st so nicht auch die Literaturgattung selbst, d. h. sind gerade die Charaktetistika der römischen Umfol111ung, Ausdruck eines neuen Bewußtseins von der Welt um die Dichter herum? Es ist bekannt, wie das Publikum im Theater Vergil wie Augustus selbst gehuldigt hat, aber auch, daß das erste Buch des Propet"Z bei seiner Veröffentlichung großen Erfolg hatte. Zeigt nicht die Resonanz beim Publikum, daß es diese (jeHihle des Dichters teilt? Was sagen also die römischen Umfol111ungen über das Zeitbewußtsein?

Sehr deutlich werden die Veränderungen durch den römischen Dichter bei der Liebeselegie. Ihr Ursprung liegt bereits zu Lebzeiten des Diktators. Doch es ist noch immer umstritten, ob Catull oder Comelius (jallus ihr erster Vertreter und damit ihr

147

Begründer in der lateinischen Sprache war. 116 Vollkommen ausgebildet ist die römische Liebeselegie

bei

Tibull

und

Properz;

beide

schreiben

inm itten

des

Bürgerkriegsgeschehens und geben einer neuen Lebensauffassung Ausdruck. Die spezifisch römischen Eigenarten in diesem Literaturgenus,117 die Bestandteile des elegischen Wertesystems l18 , sind bereits in der Forschung dargestellt worden. Dieses auch um die Ebene gesellschaftlicher Voraussetzungen zu erweitem, ist ein weiterer Forschungsansatz. 119 (jerade die Zeit der Entstehung und die relativ kurze Dauer im Vergleich mit anderen Literaturgattungen - Ovid behandelt die Literaturgattung bereits in unterschiedlicher Fonn - sprechen dafLir, daß die römische Liebeselegie auf besonderen gesellschaftlichen Voraussetzungen beruht. Damit ist aber auch die Literaturgattung selbst Ausdruck des Zeitbewußtseins fLir die Zeit des Umbruchs. l2o Die (jrundüberzeugungen der Elegiker von einer vita il1ers, fem vom Staat, und auch ihre weiteren Ansichten von einem Leben in der (jeseIlschaft, die aber zugleich auch Teil ihres elegischen Wet1ekanons sind, erschließen uns denneuen Zeitgeist.

Ebenso aufhillig ist Vergils Hirtenwelt in ihrer Entstehung und in ihrer Bedeutung rur das Zeitbewußtsein. 121 Vergil schreibt als erster Römer Hit1engedichte in der großen

11(' Da von Cornelius Gallus. dem ersten praejecfus Ae!(vpfi. kaum etwas erhalten ist. wird es wohl auch umstritten hleihen. Seine Dichtung und seine Liehe zu Lycoris sind vor allem aus der 10. Ecloge Vergils hekannt. Cornelius Gallus ist auf der einen Seite ein his zu seinern Sturz erfolgreicher Politiker. auf der anderen Seite drückt er in den Gedichten ähnliche Gefühle zu der pueIfa wie Properz aus. Vgl. D. O. Ross: Backgrounds to Augustan Poetry; Gallus. Elegy. and Rome. Camhridgel975. sowie N. B. Crowther: C. Cornelius Gallus. His Importance in the Developrnent ofRoman Poetry. in: ANRW" 30.3. 1622-1648. Ovid nennt in den Tristien Cornelius Gallus als Stifter der Gattung. TibulL Properz und sich seihst als dessen Nachfolger. Ihm und den Forschern. die seine Ansicht teilen. muß man m. E. folgerl. 11' F. Jacohy. Zur Entstehung der römischen Elegie. RhM 60 (1905). 38-105. hat die Charakteristika überzeugend gegen die his dahin andere Meinung der Forschung vor Augen geführt. IIIi Vgl. E. Burck. Römische Weserlsziige der' augusteischen Lieheselegie. Her'mes 80 (1952).162-200. und R.O.A.M. Lyne. Servitium amoris. CQ 29 (1979). 117-130. 119 Vgl. W. Stroh. Die Urspliinge der römischen Lieheselegie. Ein altes Prohlem im Licht eines neuen Fundes. Poetical5 (1983).205-246. Diesem folgend sieht N. Holzherg. ehenda. in der Entstehung der römischen Lieheselegie den Ausdruck .,existentieller Probleme" junger römischer Poeten. die .,am Ühergang zwischen der Repuhlik zum Prinzipat" lehen. S. IltI. hesonders S.15f. In der Tat kann man gerade hei Properz erkennen. wie er ein den traditionellerl Werten entgegengesetztes Lehen führen will. Darin sehen die Forscher den Protest einer' Gener·ation. die in Bezug auf den cursus IWllorum in die Ahhängigkeit von Militärpotentaten geraten ist. Als eine Provokation werde das so oft erzwungene ofium über das lIe!{ofium gestellt. 1211 Vgl. K. Galinsky. AUb'Ustan Culture: .,Roman love elegy is a specifically Augustan phenomenon.'. S. 269..... ,Roman elegy is a product of ist cultural amhience.' . S. 270. 121 Vgl. M. v. Alhrecht. ehenda. S. 526: .,In fliihaugusteischer Zeit ist das Bukolische so etwas wie eine Zeitstimmung. eine Mode. die auch in der hildenden Kunst zu heohachten ist." Für F. Klingner. Virgil. Bucolica. Georgica. Aeneis.1967. S.13L wird es wohl .,Vergils Geheimnis" hleiben. wie der Dichter in den Bann der bukolischen griechischen Tradition geraten ist. Er hetont den Unterschied zwischen theokritischer und vergilischer Bukolik. Während das Hiltenwesen für Theokrit noch ein .,vergleichsweise

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P01111, d.h., er begründet die römische (jattung der Bukolik, aber er scham dabei auch einenneuen Inhalt der Bukolik, indem er die Tagespolitik miteinbezieht. Dies ist ganz "untheokritisch". Vergil zeigt in den (jedichten auf der einen Seite ein deutlich vorhandenes Bewußl"lein von den politischen Ereignissen, auf der anderen Seite nieht er geradezu in einen idyllischen, mythischen - so muß man diesen Zustand wohl benennen - Bereich, der fem von jedem staatlichen Leben zu sein scheint. Diesen "Zwiespalt" muß man in der Interpretation deutlich herausstellen. In der vierten Ecloge vel111ischen sich besonders der Bezug zu der Tagespolitik und die Deutung der (jeschichte in einem mythischen Bereich. Andere Eclogen gehören ausschließlich dem Bereich der Hirtenwelt an. Was bedeuteten Vergils Eclogen und ihre Resonanz beim Publikum rur Zeit bewußtsein und Zeitgeschmack als (jattung? Auf der einen Seite zeigen sie, daß der Dichter rur sein Publikum die von ihm geschaffene dichterische Welt mit der Tagespolitik verbinden muß, auf der anderen Seite, daß auch die Leser eine Welt wie die Vergils, wenn sie auch in ihrer Beschaffenheit als staatliche (jemeinschaft ganz unbestimmt erscheint, ersehnen.

Die Epoden des Horaz werden stets ganz im Stil eines Archilochos gesehen. Haben auch sie etwas typisch Römisches, oder ist allein schon ihre Aufnahme Ausdruck des Zeit bewußtseins? Sie sprechen rur ein ]X)litisches Bewußtsein, rur einen ktitischen Umgang mit der Umwelt, doch da sie in diesem Moment im (jegensatz zu dem griechischen Vorbild noch keine Personen der Politik direkt angreifen, sondem in den Mythos ausweichen, zeigen sie auch ein zögemdes Sichannähem an das (jeschehen des Bürgerklieges. Dies muß durch die politischen Umstände bedingt sein. Doch die Epoden zeigen die Zersetzungserscheinungen in der (jesellschafl, aber auch in der Identität des römischen Bürgers auf. Wenig später aber ergreift Horaz Partei, und er nennt nun nach einigen Jahren die (jegner mit Namen.

handfestes Stück Wirklichkeit" gewesen sei, werde es für Vergil .,Arkadien", .,entrückter Bereich eines höheren, geweihten Daseins inmitten einer hmtalen, mörderisch-seelenlosen Wirklichkeit. Traumlandschaft. Seelenheimat". Ch. Martindale, Green politics: the Eclob'Ues, in: ders. (Hrsg.), The Camhridge Companion to VirgiL S.I07-124, sucht diese Deutung Snells noch zu vertiefen: .,Although Virgil allowed political matters to intmde into his Arcadia, in this departing ti"om Theocritean precedent. he converted them into myth, heing indeed 'always careful not to get involved in the slippery prohlems of political action; in fact one may presume that they never even penetrated to his dreaming ear'.' , S.II O. Doch allein dadurch, daß Vergil die Landenteignungen in seine Dichtung einhezieht. zeib>t er ein Zeithewußtsein, sogar ein politisches Bewul.ltsein.

149

4.1. Die Dichter in der Gesellschaft Roms I zur Zeit des Bürgerkrieges und in den Jahren danach Ihre Herkunft scheint die Dichter zunächst nicht näher als andere Zeitgenossen an die Republik heran-, eher sogar etwas weiter abzurücken. Vergil, Horaz und Properz stammen nicht aus altitalischem (jebiet. Sie gelangen aber bald nach Rom und gehören dem Literaturbetrieb dort an. In ihrer sozialen Stellung wachsen sie in die gehobene (jeseIlschaftsschicht hinein. Sie steigen hinauf in die Ritterwürde oder besitzen diese bereil"l.2 Vergils und Horazens Familien haben sich ihren Wohlstand erarbeitet, Properzens Familie stammt aus dem Ritterstand, Horaz als Sohn eines Freigelassenen ist wohl bereits während der Kämpfe bei Philippi durch Brutus in den Rang eines eques aufgestiegen. Durch seine Teilnahme an den Kämpfen des Bürgerkrieges auf Seiten der Republikaner hat er sich zumindest in diesem Moment der (jruppe angeschlossen, die die Tradition zu vertreten sucht. Vergil konnte in seinem Testament schließlich ein Vel111ögen aufweisen, das den Census eines Senators auszufLilIen vel111ochte. Auch er ist nach Meinung vieler Forscher bereits früh zum Ritter gemacht worden. 3 Die Dichter haben also in Rom durch ihre Arbeit Umgang mit der höheren (jeseIlschaftsschicht, mehr noch, sie selbst gehören ihr, hineingeboren oder aufgestiegen, an. Dies scheint im ersten Moment ein fester Rahmen zu sein, durch den die Dichter geprägt sind. Und doch ergeben sich aus ihrer gesellschaftlichen Stellung weitere Fragen, die auch ihre Dichtung betreffen. Dies ist nicht zuletzt deshalb wichtig, da Vergil und Horaz ihre I Vgl. zu einer ausführlichen. fundierten Darstellung P. White. Promised Verse. Poets in the Society of Augustan Rome. Camhridgel993. Einen interessanten Einhlick in den Literaturhetrieh giht E. Fantham. Literarisches Lehen im antiken Rom. Sozialgeschichte der römischen Literatur VOll Cicero his Apuleius. Stuttgartl998. Sie untersucht. unter welchen Bedin!o'Ungen und für welches Puhlikum Literatur in Rom geschaffen wurde. Von Bedeutung dahei ist. wie der Autor in seinem sozialen und politischen Umfeld stand. wie sich das Puhlikum zusammensetzte. wie das literarische Werk verhreitet wurde. vgl. hesonders S.I-116. 21n der neueren Forschung wird oft kritisch angemerkt. daß diese hochrangige Stellung der Dichter heute zu wenig wahrgenommen werde. vgl. T. Poiss. Plenum opus aleae: Zum Verhältnis von Dichtung und Geschichte in Horaz carm. 2.1. WS 105 (1992).129-149. hesonders S.141L sowie auch H. Mauch. 0 lahorum dulce lenimen. S. 82ft". Dagegen hetont J. Griftin. Caesar qui co;:;ere pmsef. S.191 fL gerade die finanzielle Ahhängigkeit vieler Dichter. nur hei den Dichtern der Lieheselegie ..•gentlemen hy hirth". S. 192. sieht er eine Beurteilung ihrer SituatiOil erschwert. Er differenziert damit die Dichter und ihre !,osition anhand ihrer unterschiedlichen sozialen Stellung. 'Vgl. zum Vermögen PI in. nat. VII 114. Gell. XVII 10,7. vgl. N.M. HorsfalL Poets and Patron. Puhl. ofthe Macquarie Ancient History Assoc. 3 (1981).1-24. L.R. Taylor. Repuhlican and Augustan Writers Enrolled in the Equestrian Centuries. T APhA 99 (1968). 469-486. ist der Ansicht. daß Vergil hereits durch Caesar. hei der Ahfassung der Eelogen. den Rang eines Ritters hesaß. S. 483f Vgl. auch W.

150

gesellschaftliche Position in den Jahren des Bürgerkrieges, Properz kurz danach finden. So bleibt auch bei dieser Fragestellung der Bürgerkrieg als Leitmotiv bestimmend.

Eine Beul1eilung der (jedichte, d.h. eine weitgehend einmütige Interpretation, wird aber dadurch erschwert, daß in der heutigen Forschung die Einflüsse der (jeseIlschaft auf die Dichter und umgekehrt umstritten sind. Deshalb soll im folgenden die gesellschaftliche Position der Dichter in Rom genauer betrachtet werden: Wessen Bewußtseinslage ruhren sie uns vor Augen?

Wie hat man sich nun die gesellschaftliche Stellung der Dichter in Rom und deren Auswirkung auf ihr Denken vorzustellen? Vergil, Horaz und Proper"Z haben die bisher betrachteten (jedichte verfaßt, bevor wir heute in ihrem Leben eine Zäsur auf gesellschaftlicher Ebene erkennen, deren Konsequenzen in ihrer Tragweite zudem umstritten sind. Bald nach dem Bekanntwerden ihrer ersten Dichtung treffen sie auf Caius (Cilnius)4 Maecenas. Immer wieder wird in der heutigen Forschung gerade diese enge Verbindung der Dichter zu Maecenas betont und verschieden gewichtet. Denn Maecenas ist der enge Freund und Vertraute des Caesarerben. Fast gleichzeitig mit dem ersten Auftreten Octavians finden wir ihn an dessen Seite. Maecenas ist wenig älter als Octavian, ungehihr so alt wie Vergil. Sein genaues (jeburtsdatum ist nicht gesichert. Er stammt aus altem etruskischen Adel und gehört dem Ritterstand an. Nie, weder die Zeitgenossen noch wir heute, hatte man Zweifel an seiner Parteizugehörigkeit im Bürgerkrieg. Für die Zeitgenossen aber tritt er, wie der

~mdere

Vertraute des Octavian,

Agrippa, sehr unvel111ittelt auf und gelangt im Verlauf der Kämpfe zu immer höherem EinOuß. 5 Immerhin befinden wir uns in den Jahren, in denen Maecenas als Förderer von Dichtung hervorzutreten beginnt, nach Philippi emeut mitten in dem Kampf um die Machtpositionen in Rom. In dem Moment, als er auf Vergil und Horaz trifft, ist seine eigene Stellung noch weit davon entfemt, gesichert zu sein. Octavian als der Erbe

Schmitthenner. Die Zeit Vergils. Gymn. 90 (1983). S.I-16. Vgl. zum Rang des Horaz D. Armstrong. Hora!ius eques ef seriha: Satires 1.6 and 2.7. T APhAI16 (1986). 255-288. 4 Der Gentilname ist nur bei Tac. arm. VIII und MaC!". Sat. 2.4.12 hele!o>t und deshalh umstritten. 1 Die Persönlichkeit des Maecenas muß auf die Zeitgenossen und die Generation danach sehr außergewöhnlich gewirkt hahen. Vgl. Vell. "88,2: C. Maeeellas. equesfri sed .\pIelldido ;:;ellere lIafus, vir, uhi res vi;:;iliam exi;:;eref, salle exsomllis, prouidem afque a;:;elldi seiells, simul vero aliquid ex lIe;:;o!io remiffi pmsef, o!io ae moIlifiis paelle ultra.!emillam.!luem, Oder Tac. arm. XIV 53,3: Au;:;uSfus C Maeeellafi urhe ill ipsa veluf pere;:;rillum ofium permisif; alter (scilicet Maecenas) Romae plurihus lahorihus iacfafus Tacitus äußert sich nicht zu den literarischen Tätigkeiten des Maecenas.

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Caesars sucht sich in dieser Zeit gegen seine innenpolitischen (jegner, vor allem gegen den Caesarianer Marcus Antonius, durchzusetzen. In den Jahren des Bürgerkrieges übemimmt Maecenas rur ihn wichtige diplomatische Aufgaben. So bricht er mehrfach zu Verhandlungen mit Marcus Antonius auf, u.a. bei den Verträgen von Brundisium und Tarent. Während der Abwesenheit des Caesarerben von Rom übemimmt Maecenas dort rur ihn die (jeschäfte, wie auch während des Krieges gegen Sextus Pompeius und dann während der Kämpfe bei Actium. 6 In dieser Zeit hat er die Verschwörung des M. Aemilius Lepidus, des Sohnes des ehemaligen Ttiumvir, unterdrückt. Später, als die Macht Octavians gefestigt ist, zieht er sich ganz aus der Politik zurück. Maecenas ist in den Jahren seiner vor allem innenpolitischen Tätigkeit, aber auch Jahre darüber hinaus tief in das literarische Leben Roms vershickt. Er schreibt selbst (jedichte, insbesondere aber fördel1 er die Dichtung anderer. Fast alle der heute bekanntesten lateinischen Dichter der frühen augusteischen Zeit finden wir an seiner Seite. Uns heute ist sein Name zum Synonym rur den (jönner in der Literatur überhaupt geworden. Aber auch 7

Martialmuß dies schon so empfunden haben. Kann man angesichts der deutlichen und nie bezweifelten Zugehörigkeit des Maecenas zu einer Bürgerkliegspartei seine politische Aktivität von seiner literarischen während der Kämpfe trennen? Dürfte er nicht seine Position wechselseitig genutzt haben, d. h., hat er seine politische Macht eingesetzt, um auf literarischem (jebiet Dichter an sich zu ziehen und diese zu beeinflussen, und hat er seinen literatischen Einfluß benutzt, um durch die Literatur seiner Zeit das politische (jeschehen und vor allem die Meinung der Menschen davon in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken?

Trotz seiner so deutlich hervortretenden Tätigkeiten sind die Persönlichkeit und vor allem die Absichten des Maecenas inmitten des literarischen Lebens in Rom rur uns nicht klar erkennbar, d. h. ob er und wenn ja, wie er seine literarische Tätigkeit politisch einsetzte. In der heutigen Forschung werden die Verbindungen der einzelnen Dichter zu Maecenas verschieden bewertet. Schon früh - Horaz bezeugt uns das Jahr 38 v. ChI'. rur

(' Tac. arm. VI 11,2: edemm AUfiuSfus heIlis civilihus Cibrium Maeeenafem equesfris ordinis eU/refis apud Romam afque lfaliam praepmuif. Zu einer ausführlichen Schilderung der politischen Aktivitäten des ~1aecenas

vgl. K. J. Reckford. Horace and Maecenas. T APhA 90 (1959).195-208. mit Quellenangahen. Martial. 8.56.5: SHlrf Maeeenafes. /Um deemnf. FlaCl~e. Marone.I"" \\'enn Martial dies auch ironisch meint. so zei!o>t es doch seine gmndsätzliche Einstellung. Er äußert sich öfter zu Maecenas und dessen Tätigkeit für die Dichter. vgl. auch 1.1073-4: ofia da nohis, sed qualiajixeraf olim Maeeenas Flaeco Verfiilioque .wo.

152

sein erstes Zusammentreffen mit Maecenas; Vergil und Varius, die ihn einfUhren, kennen den mächtigen Mann schon länger - zieht er Dichter an sich. Er handelt damit nicht anders als viele andere politisch mächtige Männer lange zuvor und auch zu dieser Zeit. In der Zeit der Republik erkennt man in der heutigen Forschung zwar literarische Zentren, die ihren Mittelpunkt in einem bekannten, politisch tätigen Mann haben, doch man spricht nicht ausdrücklich von "Kreisen". Man sieht Ausnahmen, aber da scheinen diese literarischen Kreise anders beschaffen zu sein. 8 (jerade unter Caesar, der selber ein großer Literat ist, beginnt das literarische Leben an Intensität zuzunehmen. Auch er suchte offenbar, Dichter an sich heranzuziehen. Und mit ihm scheint sich eine Veränderung im literarischen Leben zu vollziehen. Was Caesar genau wollte, kann man wegen

seines

frühzeitigen

Todes

nicht

durchschauen.

Allein

durch

seine

Ausnahmestellung im politischen Leben scheint sich die Blickrichtung im litermischen Betrieb auf ihn zu konzentrieren. (jleichzeitig finden wir aber in seiner Zeit die Neoteriker, die unabhängig erscheinen und eine feste (jruppe mit litermischen Interessen bilden. Erst fUr die Zeit nach Philippi velwendet man explizit den Tel111inus des litermischen Kreises, d.h. einer Zahl von Dichtem, die sich um einen bekannten Politiker sammeln. Mehr noch, seit dieser Zeit nimmt man zumindest von einer (jruppe an, daß sie durch einen ideologischen Hintergrund fest bestimmt ist.

Die heutige Forschung unterscheidet in der fi'ühen augusteischen Zeit hauptsächlich zwischen zwei Literaturkreisen, deren zentrale (jestalt ein Politiker ist, der - selber im Privatleben litermischen Neigungen folgend - Dichter förde11, sowohl finanziell als auch durch das Schaffen eines sozialen Umfelds rur ihre Dichtung. So haben die Dichter die

ii B.K. Gold. Literary Patronage in Greece and Rome. Chapel Hili/Londonl987. unterscheidet zwischen .,individual and group patronage" in der Literatur. .,In the third-second centuries B.C.. relationships hetween patron and dient were most ofien formed on a individual hasis. whereas in the Augustan pericxl we ofien find groups ofwriters with relationships not only to one supporter hut also with each other." Im 2. und 3. Jahrhundert v. Chr. hasierte ein solches Verhältnis zumeist auf einer .,one-to-one hasis". Man kann zwar Ausnahmen wahrnehmen. denn man sieht e ine Gruppe. einen .,Kreis". um Scipio. später um Catulus. Pompeius und andere hedeutende Männer. doch wird ein Wandel des Verhältnisses zwischen .,Patron" und Dichter erst in der Mitte des I. Jahrhunderts v. Chr. deutlich . .,Important and wealthy Romans such as Messalla and Maecenas collected around them groups of\\Titers which are ofien referred to as .,literary circles". - Auch Gold kritisiert den Begriff des .,circle" als zu eng. da die verschiedenen Gruppen miteinander in Kontakt stehen. S.183. Anm. 32. - .,The fact that these men interacted not only with the patron. hut also with each other. changed form and expectations ofliterary patronage. although patronage in general remained a relationship hetween a single patron and an individual dient.'. S. 8. K. Quinn. The Poet and his Audience in the AUb'Ustan Age. ANRW 11 30.1. kritisiert es. hei Scipio Aemilianus und Laelius von einem literarischen Kreis zu sprechen. da die Diskussion literarischer Themen nicht der Entstehungsgrund. sondern Nehenprodukt war. ". S.120.

153

Möglichkeit, ihre Schriften zu verbreiten oder auch in einem geeigneten Umfeld vorzutragen und zu diskutieren. 9 (jerade das Bereitstellen dieser Möglichkeiten in einem vorher nicht gekannten Maß scheint sehr wichtig rur den Dichter zu sein. An Maecenas rückt man Vergil, Horaz, Properz, Ludus Varius Rufus, Plotius Tucca, Quinctilius Varus, Aemilius Macer, Domitius Marsus, Atistius Fuscus und Caius Valgius Rufus heran. Diese große (jruppe ist von der Vielzahl der Literaturgattungen bestimmt, denen sich die Dichter widmen. Selbst die einzelnen Dichter beschäftigen sich innerhalb ihres Schaffens mit mehreren Literaturgenera. Meist finden wir, soweit wir es aufgrund der Quellenlage beurteilen können, Dichter an Maecenas' Seite, die bereits durch (jedichte hervorgetreten sind. So hat Vergil schon die Eclogen, Properz seine Monobiblos verfaßt. Auch ein Teil der E]X)den des Horaz ist vor der Begegnung mit Maecenas entstanden. Um M. Valetius Messalla Corvinus 1o herum steht eine kleine (jruppe von Liebeselegikem, Tibull, Sulpida, C. Valgius Rufus, Aemilius Macer, auch derjüngere Ovid, der allerdings die anderen Dichter an der Vielzahl der Literaturfol1nen noch übertreffen wird. Asinius Pollio kennt Vergil schon vor Maecenas näher. Ihm sind mehrere Eclogen gewidmet. Man sieht um ihn nicht explizit einen Kreis von Dichtem versammelt, aber sein überaus großer Einfluß im literarischen Betrieb hitt deutlich hervor. Pollio, der der (jeneration zwischen Caesar und Octavian zuzurechnen ist, scheint damit eher in der Tradition der Jahre zuvor zu stehen, als man noch keine festen Kreise wahmehmen konnte. (jerade er macht durch viele Neuerungen im literarischen Behieb in den dreißiger Jahren auf sich aufinerksam. Zuweilen nimmt er dabei Anregungen Caesars aur. 11 Die literarische Tätigkeit des Maecenas aber, des so engen Freundes und Vertrauten des Caesarerben, deutet man in der heutigen Forschung oft im (jegensatz zu der des Asinius Pollio oder der des M. Valerius Messalla Corvinus, den

9 Das Bereitstellen eines geeigneten sozialen Umfelds zur Diskussion und Verhreitung der Dichtung scheint oftmals genauso wichtig zu sein wie die finanzielle Ahsicherung durch den mächtigen Mann. Diese ist oft nicht ganz faßhar. Am deutlichsten wird sie hei Horaz. Er hat das Sahinum. ein Land!o'Ut im sahinischen Bergland. geschenkt hekommen. Vgl. dazu E. Schmidt. Sahinum. Horaz und sein Landgut im LicenzataL Heidelhergl997. und allgemein P. White. Promised Verse .... Camhridgel993. 111 Vgl. zu einer Darstellung Messallas und seiner Beweggründe H. Leppin. Der Held der Dichtung - Zur Seihstdarstellung Messallas. in: FS W. WimmeL Stuttgartl998. S. 181-197. 11 Vgl. zur politischen Karriere des Asinius Pollio S. 78ft: K. Qinn. ehenda. sieht ganz entgegengesetzt in Messalla den ..last of the great patrons in the sense in which literat)' patronage flourished within the stmcture of Roman society". Für ihn repräsentiert Maecenas .•the transition to court patronage". S.121. Seiner Ansicht nach bedeutet sogar die Einrichtung öffentlicher Bihliotheken .•a further indication ofthe shirt in the Augustan Age and under the Empire from patronage hy individuals to state patronage. ' . S. 127.

154

anderen beidenmächtigen Männem, die im Literaturbetrieb großen Einfluß besaßen, als den Versuch politischer ideologischer Einflußnahme rur Octavian. 12

Denn in dieser Zeit tritt uns ein außergewöhnliches Merkmal entgegen, das wichtig erscheint, um die Intentionen der Dichter zu bestimmen. Man scheint in der Dichtung Vergils, Horazens, aber auch in der des ProperL eine Zäsur erkennen zu können. Während die bisher vorgestellten (jedichte, die vor der Verbindung mit Maecenas entstanden sind, von einer tiefen Verzweiflung über den Bürgerkrieg mitgetragen sind, spüt1man in den späteren, noch zu betrachtenden (jedichtennach der Begegnung mit Maecenas eine andere Stimmung, eine Bejahung der

]X) Iitischen

Zustände, ja Hoffnung,

sogar Optimismus he11'schen. Die Stimmung in den (jedichten verändert sich. Wirkt Maecenas in dieser Richtung auf die Dichter ein?13 (jleichzeitig muß aber deutlich herausgestellt werden, daß alle drei Dichter, Vergil , Horaz und Properz, politische Themen in ihrer Dichtung aufgegriffen haben, bevor sie näher mit Maecenas in Verbindung gekommen sind. Doch in den ersten Jahren schreiben nur die Dichter, die Maecenas große Bereiche ihres Werkes widmen, über und an Octavian/Augustus gerichtete (jedichte. Dagegen bezieht sich der mit Proper"Z ungehihr gleichaltrige Tibull, der seine (jedichte Messalla Corvinus widmet, in seiner Dichtung nicht auf Octavian/Augustus, dichtet aber über und rur Messalla und auch rur dessen Sohn. Man hat versucht, dies mit der Thematik seiner Dichtung - er ist ein Vertreter der Liebeselegie - zu begründen. 14 Dagegen spticht, daß der andere gleichaltrige große Liebeselegiker, Properz, Verse über den mächtigen Imperator Roms verfaßt - in dem Moment, als er Maecenas sein zweites (jedichtbuch widmet. Aber auch der 64

V.

ChI'.

geborene Messalla ist bereits fi'üh ein Parteigänger des Caesarerben, wenn er ihm auch

Der herühmteste Vertreter ist R. Svme. The Roman revolution. Vgl. R.G.M. Nishet. Horace's Ep'odes and history. in: Poetry and Politics. S.I-18 .. ,The first result of Maecenas's patronage was to trivialise the poets's (Horaz) treatment of war and politics. though his experiences in the campaign against Sextus Pompeius might have seemed suitahle for Archilochean traces. they lett no traces on the Epodes.". S. 9.. ,... It was such manipulation of men's minds rather than hy any exploits at Actium that Octavians's party prevailed.". S.18. G. Williams. Phases in Political Patronage of Literature in Rome. in: B. K. Gold (ed.). Literat)· and Artistic Patronage in Ancient Rome. Austinl982. S. 3-27. hetont .,a movement from isolation and despair to optimism and reliance. S. 13f. .,The key personality is that of Maecenas. It is through hirn that political optimism is channeled and focused indirectly on the figure ofOctavian.'. S.14. 14 V gl. A. Dalzell. Maecenas and the Poets. Phoenixl 0 (1956).151-163. hesonders S.161. 12 11

155

in diesen Jahren nicht annähemd so eng verbunden ist wie Maecenas. 15 Er stand zunächst bei Philippi auf Seiten der Republikaner. Nach deren Niederlage geht er zu den Siegem über, ist danach im (jefolge des M. Antonius und wechselt dann in das Lager Octavians. Messalla kämpft bereits mit dem Caesarerben gegen Sextus Pompeius. 31 v. ChI'. bekleidet er zusammen mit Octavian das Konsulat. Auch danach verfolgt er konsequent seine politische Ka11'iere. 1m Jahre 2 v.

ChI'.

beantragt er rur

Octavian/Augustus den Beinamen pater patriae. Messalla Corvinus ragt ebenso als Redner und Schriftsteller hervor. Der jüngere Liebeselegiker Ovid, der an Messalla heranzurücken ist, beschäftigt sich dann später auch mit politischen Themen und mit Caesar Augustus. Offensichtlich ist der Zeitpunkt der Abfassung wichtig rur die Thematik und damit fLir die Interpretation der (jedichte.

Man fragt angesichts des literarischen und politischen Einflusses des Maecenas und der zunehmenden Macht des Caesarerben immer wieder nach der Auftichtigkeit der Dichter, versucht darüber hinaus, eine "zweite, ptivate Stimme" zu entdecken, die die Politik und den neuen Staat verborgen hinter der offiziellen Stimme kritisiert. Denn oftmals möchte man die Dichter nicht fLir BefLitworter der Monarchie, die sich hinter dem Principat verbirgt, halten, sondem glaubt, in ihnen Kritiker der neuen politischen Zustände erkennen zu dürfen. 16 Diese Porschungsmeinung wird zwar immer mehr in Zweifel gezogen, doch es bleiben die Stimmen, die die Dichter zurückgewandt zur res puhlica sehen wollen. Dagegen spricht aber schon ihr Lebensalter. Sie - auch der 70

V.

ChI'. geborene Vergil - sind zu jung, als daß sie ein Verhältnis zur funktionierenden Republik hätten aufbauen können. 17

11 B.K. Gold. Literary patronage in the Augustan Age: Propertius and Maecenas. Diss.1975. zum Kreis des Messalla. S. 57-141. C. Davies. Poetry in the .•circle" ofMessalla. Greece and Rome. 20 (1973). 2535. 1(' Vor allem hei Vergil suchte man die two-voices-Theorie zu belegen. Vgl. zum Forschungsüherhlick R. Rieks. Vergils Dichtung als Zeugnis und Deutung der römischen Geschichte. ANRW 11 31.2 (1981).728868. R. Glei. Von Prohus zu Pöschl: Vergilinterpretationen im Wandel. Gymn. 97 (1990). sowie ders .. Der Vater der Dinge. S.II-41. Zu der umstrittenen Interpretation der Dichtung des Properz vgl. hier u. a. S. 274. Anm.151. zu Horaz. den man meist am ehesten für einen Befürworter der neuen politischen Verhältnisse hält. vgl. die verschiedenen Forschungsüherhlicke in ANRW 11. 31. Aher auch in Horaz sucht man .,zwei Stimmen" zu erkennen. vgl. M.S. Santirocco. The two voices ofHorace: Odes 3.1-15. in: R. Winkes (ed.). The Age ofAugustus. S. 9-28. I ' Vgl. S. 92fT".. hesonders S. 95 zu der Generation der Dichter.

156

Dies

mhli wieder zu

der Frage: Was zeigen

uns die Dichter? Wessen

Bewußtseinslage spiegeln sie wider?

Nicht allein die Persönlichkeit des Maecenas, auch der Einfluß eines mächtigen Mannes auf Dichter überhaupt scheint nicht klar bestimmbar zu sein. Wieviel Einfluß hatte ein Politiker, der Dichtung förderte, auf die Dichter in seiner Umgebung? Wir wenden heute zumeist den Begriff des Patronats auf das Verhältnis zwischen Dichter und mächtigem Mann an. Man sieht den Dichter dann in einer tiefen Abhängigkeit von seinem Patron. Doch kein Dichter bezeichnet sich jemals als diens seines ,,(jönners". Die Übertragung des in Rom auf der sozialen Ebene so behe11'schenden Patronats auf die literarischen Verhältnisse erscheint der modemen Forschung zunehmend schwierig. Der Begliff des literarischen Patronats wird immer wieder in der heutigen Forschung verwendet, gerade der mächtige Mann wird zumeist der "Patron" des Dichters genannt, gleichzeitig bezweifelt man, ob diese Begliffe wirklich angemessen sind und die Besonderheiten im litermischen Bereich genau erfassen. 18

Um Maecenas und sein Verhältnis zu den Dichtem zu verstehen, soll zunächst unter Einbeziehung des heutigen Forschungsstandes ein Blick auf das litermische Leben in Rom in den 30er und 20er Jahren geworfen werden.

Nie zuvor war das dichtelische Leben in Rom so lebendig wie in den Jahren beginnend mit Caesar und in den folgenden 30er und 20er Jahren. Eine Vielzahl von Dichtem, deren Schriften uns heute nicht erhalten sind, bevölkerte das literarische Leben Roms. Bisher kaum oder gar nicht im Lateinischen behandelte Dichtungsgenera werden aus dem (jriechischen übemommen und mit römischen Charakteristika umgefonnt. Dichter wie Horaz wenden sich gleichzeitig oder nacheinander mehreren Literaturf01111en zu. Die Eclogen Vergils sind als erstes Werk der Antike als (jedichtbuch gedacht, d. h., der Leser soll die Beziehungen der (jedichte untereinander

I, Vgl. zu Arheiten. die sich mit dem Verhältnis zwischen Dichter und dem mächtigen Mann hefassen. u.a. P. White. Amicitia and the Profession of Poetry. JRS 68 (1978). 74-92. Er leb>t dar. daß der Begriff der amicifia angemessener ist. Vgl. dazu hier Anm. I. K. Quinn. Poet and Audience. ANRW" 30.1 (1982). 116ft: Quinn hetont. daß man unterscheiden muß. was der Begriff Patron heute und in der römischen Gesellschaft hedeutete. und hält den Begriff der amicifia für stark gedehnt: .,The terms amicu.\" and amicifia were stretched to disguise social inequality or dependence ... The concept of amicifia permitted social flexiahility in a relationship the nature ofwhich was understood hy all parties. ". S.18f

157

und die Symmetrie der (jesamtkomposition erkennen. 19 Dadurch, daß die (jedichte nun zunehmend auch den Leser als Publikum suchen, wird eine größere Wirkungsbreite en·eicht. Außerdem werden die Eclogen im Theater aufgefUhrt. Später wird als erstes literarisches Werk die Aeneis in großer Zahl vervielhiltigt und verkauft. Nach den Anhingen bereits unter Caesar 20 entstehen in den 30er und 20er Jahren in Rom die ersten öffentlichen BibliothekenY Asinius Pollio eröffnet 38 v. ChI'. die erste öffentliche Bibliothek mit griechischen und lateinischen Autoren im Atrium des Libertas-Tempels. rast gleichzeitig fUhrt er öffentliche Vorträge von Dichtem in Rom ein. 22 Es wird immer alltäglicher, daß Dichter ihre (jedichte vor einem größeren oder kleineren Kreis vorlesen. So trägt Vergil die fertigen (jeorgica Octavian vor, aber auch Teile der Aeneis. Ovid erzählt uns, daß er Horaz und Properz rezitieren höt1eY Octavian/Augustus eröffnete dann eine Bibliothek als Teil des von ihm neu geweihten Apollo-Tempels auf dem Palatin im Jahr 28 v. Chr. 24

-

allein dieser Ort zeigt die

19 E. Fantharn. Literarisches Lehen im antiken Rom .... verweist auf die Untersuchung von W. Clausen. Theocritus and Virgil. in: The Camhridge History of Classical Literature. Bd. 2. S. 301-19. und hetont. daß die Eelogen das erste Beispiel für eine geschlossene Kunstform sind. Sie sieht das Gedichthuch als .,Schlüssel zur neuen Form und Macht im augusteischen Zeitalter" und folgert. daß es sich .,wohl um die erste Generation in Rom" handelt .. ,hei der man angemessenerweise und mit einiger Sicherheit vom gedachten Leser sprechen kann." während zuvor der größte Teil der römischen Dichtung mündlich vorgetragen worden war. S. 58. 211 Nach~Sueton. Div. lul. 44. wollte Caesar die griechische und römische Literatur einem hreiteren Puhlikum zugänglich machen und hatte dafür hereits Varro als Leiter der Bihliothek gewonnen. 21 Asinius Pollio nahm nach Caesar die Idee der öffentlichen Bihliotheken auf: Plin. nat. 36.33; 35.10.26. 22 Vgl. Horaz. epist. I 19.3911:. ars 475t: H. Maueh. 0 lahorum duke lenimen. S. 94. datiert dies auf das Jahr 38 v. Chr.. er sieht die öffentlichen Rezitationen als .,gesellschaftliche Attraktion". S. 95. P. White. Prom ised Verse. sieht hei den öffentlichen Vorträgen der Gedichte vornehm lieh das Ziel. das I nteresse der Öffentlichkeit zu wecken. S. 60. D. Kienast. AUb'Ustus. Prinzeps und Monarch. ist dagegen der Ansicht. daß die recilaüones dem Princeps. - wenn auch entgegen den Intentionen des Pollio - die Möglichkeit zu einer .,erwünschten Kontrolle des Literaturhetriehes" gegehen hahen. S. 256. Anm. 335. Vgl. auch A. Dalzell. C. Asinius Pollio and the Early History ofPuhlic Recitation at Rome. Hermathena 86 (1955). S. 20-28. K. Quinn. The Poet and Audience in the Augustan Age. datiert die Eröffnung einer öffentlichen Bihliothek durch Pollio in das Jahr 39 v. Chr.. die Einführung der recilaüones noch ti"üher. S.158fI .,By the middle of the AUb'Ustan Age the reeilalio hecomes if we may helieve Horace ... a major aftliction of sociallife.' . S. 160. Für E. Fantharn. Literarisches Lehen im antiken Rom ... ist es unklar. oh Pollio auch zu Lesungen anderer Dichter einlud oder nur zu den eigenen. Gleichzeitig hringt sie aher im Fall des Messalla einen Beleg. daß dieser einem Dichter. Sextilius Ena. erlaubte. in seinem Haus zu lesen und seiher Gäste einzuladen. S. 64f. Im ührigen ist auch ihrer Meinung nach die Praxis der Rezitationen durch Horaz helegt. 21 Ov. trist. 4,10,41-50. G.P. Goold. The Voice of Virgil. The Pageant of Rome in Aeneid 6. in: T. Woodman/J. Powell (eds.). Author and Audience in Latin literature. S.110-123. versucht zu zeigen. wie Vergil vorgelesen hat. d. h. er untersucht die Praxis des Vortrags. Vergils Stimmtechnik. -modulation. usw. 24 E. Fantharn. ehenda. hemerkt. daß Horaz öfter einen Tempel als Ort für die Rezitationen erwähnt. wie in sat. I 10,38. Ihrer Meinung nach ist damit der Apollo-Tempel gemeint. S. 81t: .,Der Tempel sollte als Demonstration der Kunst- und Kulturpolitik des Prinzeps verstanden werden; wenn seine Entscheidung für Apollo auch von der Existenz eines Apolloheiligtums in Actium heeinflußt war. hätte das nicht

158

Bedeutung der Literatur auch in seinen Augen - und eine Bibliothek in der Porticus Octavia 23 v. ChI'. Als ein Charakteristikum dieser Zeit wird deutlich, daß die Literatur öffentlich wird. Auch auf andere Bereiche der Kunst erstreckt sich diese Entwicklung. Agrippa soll, wenn auch vergeblich, geforde11 haben, daß Kunstwerke allgemein der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die Dichter selbst sind miteinander befreundet oder zumindest bekannt. Es he11'scht ein regel' Austausch auf der literarischen Ebene. In der neueren Forschung wird gerade die Möglichkeit zu

einer solchen

literarischen Diskussion mit anderen hoch

eingeschätzt. Horaz spricht immer wieder von seiner innigen Freundschaft zu Vergil. Er nennt ihn zärtlich al1imae dimidium meae. 25 Neben anderen wie Plotius Tucca, Vmius Rufus hat Horaz auch zu Tibull ein freundschaftliches Verhältnis. verbindet ihn dagegen offenbar auf persönlicher Ebene weniger.

27

26

Mit Propel"Z

Dies ist um so

interessanter, weil Tibull - wie doch Properz - nicht an Maecenas angeschlossen ist, sondem an Messalla, sie also offenbar unterschiedlichen "Literaturkreisen" angehören. Properz nennt Vergilmit Bewunderung,28 Horaz dagegen nicht, bezieht sich aber oft auf dessen Dichtung?9 Die Dichter sind also über die sogenannten "Literaturkreise" hinaus befreundet. Auch die mächtigen Männer, Maecenas, Asinius Pollio und Messalla, sind miteinander bekannt und sprechen über litermische Themen. Horaz wendet sich am häufigsten an Maecenas, aber er spricht auch Asinius Pollio und M. Valerius Messalla Corvinus in seiner Dichtung an. 30 In der neuesten Forschung wird deshalb die Frage

unhedingt zur Darstellung des Gottes als Dichter und Sieger (in den dort aufgestellten Statuen) führen müssen.' . S. 82. 21 C. 13,8: Proemptikon für eine Reise Vergils. G.E. Duckworth. Allimue dimidium meae. Two Poets of Rome. TAPhA 82 (1956). 281 316. glauht. daß nicht Maecenas. sondern Vergil Horaz an Octavian herantührte. 2(' Epist. 14: Ein Briefan TihulL in dem Horaz Tihull als lIosfrorum sermollum wlldide iudex. epist. 1 4,1. anspricht und ihn zu einem Besuch zu sich einlädt. cUlldidus nennt Horaz auch so enge Freunde wie Vergil. 2' Dies scheint so offenhar zu sein. daß viele Philologen bei Horazens Schilderung eines imaginären Wettstreits zwischen ihm seihst und einem elegischen Dichter (epist. " 2,90-101) in dem letzteren ?ewöhnl ich Properz gesehen hahen. -, Prop. " 34,6111".. wo Properz die Aeneis ankündigt. 29 D. Flach. Properz als Dichter des Maecenaskreises. in: Candide ludex. Beiträge zur au!o'Usteischen Dichtung. FS W. WimmeL Stuttgartl998. S. 67-80. hetont Horazens großen Einfluß aufPropel"Z. gerade nach der Veröffentlichung der ersten drei Odenhücher im Jahre 23 v. Chr.. S. 60f Vgl. dazu auch H. P. Syndikus. Horaz und die elegischen Dichter. in: ehenda. S. 375-398. 111 Sat. 110,8111". Hier zählt Horaz diejenigen auf: denen er gefallen möchte: Plotius Tucca. L. Varius Rufus. Maecenas. VergiL C. Valgius Rufus. Octavius. Aristius Fuscus. die heiden Visci. Asinius Pollio. M. Valerius Messalla und dessen Bruder. C. Calpurnius Bihulus und ein Servius. sowie C. Furnius und andere nicht näher henannte Männer. Vgl. S.179f zu diesen Männern.

159

aufgeworfen, mit welcher Berechtigung man heute überhaupt von einem "Kreis des Maecenas" spricht. 31 Der Begtiff des Kreises suggeriert eine (jeschlossenheit, die offenbar nicht bestanden hat. Soll man nicht eher die Offenheit der dichterischen (jemeinschaften nach außen zu anderen betonen?32 Mehr noch, kann man von dieser Frage ausgehend wirklich von einer Patron-Klienten-Beziehung bei dem Verhältnis zwischen Dichter und mächtigem Mann reden?33 So muß man den Einfluß des einen mächtigen Mannes, an den sich der Dichter angeschlossen hat, gegen die Möglichkeit der Diskussion mit vielen anderen, gegen die Offenheit anderen gegenüber abwägen. Und doch übertrifft in den Schriften des Horaz die Freundschaft zu Maecenas alle anderen literarischen Beziehungen. Horaz widmet Asinius Pollio eine bedeutende Ode, c. Tl I, die geradezu als Nebenwidmung der Oden gesehen werden kann; er wendet sich gelegentlich auch Messalla zu, doch keinem schenkt er so viele (jedichte wie dem Maecenas. Zu diesel11 hat Horaz offenbar ein besonders enges Verhältnis. Und er berichtet von Pflichten, die aus einer solchen Beziehung he11'ühren, nur in der Beschreibung von seiner nahen Stellung zu Maecenas (s.u.).

Von Bedeutung ist dabei, welche Vorstellung man davon hat, wie die Dichter ihren Lebensuntet~1alt

bestritten.

Dazu

gibt

es

in

der

heutigen

Forschung

recht

widersprüchliche Meinungen. Ein Teil sieht sie als Ritter bereits im Besitz eines ausreichenden Vel111ögens, ein anderer hält sie nach Empfang von (jeschenken zu Beginn der amicitia rur unabhängig, ein dtitter sieht sie in einer ständigen, auch finanziellen, Abhängigkeit vom mächtigen Mann. Die jüngere Dichtergeneration wie Ovid begreift dann offenbar ihre Dichtung als Berur. 34 Da die Dichtung nun zunehmend

Vgl. P. White. Promised Verse. S. 36ft: Er zeigt. dal.\ nur zweimal in antiken Quellen Dichter von einer festgetü!o>ten Gemeinschaft herichten. Hol". Sat. 1.9.48-52 und Ellcomium PisollisI09-137. Jedesmal verfol!o>t der Dichter aher mit seiner Darstellung ein hestimmtes Ziel. An allen anderen Stellen spricht er von einer Zwei-Personen-Beziehung. S. 35f. 12 P. White. Promised Verse. hat klar dargele!o>t. dal.\ er den Begriff des Kreises als Terminus nur ohne .• ideological overtone" akzeptieren kann. S. 36ft: 11 Vgl. P. White. Amicitia and the Profession of Poetr)' in earl)' Rome. JRS 68 (1978). 74-92. sowie derseihe. Promised Verse. S. 3-91. 14 Vgl. P. White. Positions tor Poets in Earl)' Imperial Rome. in: B.K.Gold. Literat)· and Artistic Patronage in Ancient Rome. S. 50-66. Er betont. daß seit der Zeit Ciceros fast alle heute hekannten Dichter Ritter oder Senatoren waren. Gleichzeitig aher scheint den Dichtern des frühen Principats Dichtung als eine Möglichkeit zur Karriere und zum Erwerh eines Vermögens hewußt geworden zu sein. Vgl. auch H. Mauch. 0 lahorum duke lenimen ... S. 84. 11

160

öffentlich wird, werden die Möglichkeiten dazu immer größer. Zu dieser Zeit ist der Dichter als Persönlichkeit in der (jesellschafl anerkanllt. 35

Einen wichtigen Hinweis darauf, wie die Zeitgenossen selbst, die

VOll

außen auf

diese Beziehung sahen, aber dennoch einen tiefen Einblick hatten, dieses Verhältnis zwischen Dichter und Maecenas beurteilt haben, bietet der Btier des Augustus an Maecenas. Darin drückt er seinen Wunsch aus, Horaz als Sekretär

VOll

dem

"Parasitentisch" des Maecenas zu sich herüberzuziehen. 36 Dadurch, daß er sich an Maecenas wendet, zeigt er, daß dieser offenbar großen Einfluß zumindest darauf hat, wo Horaz arbeitet. Zudem stellt sich Augustus eine (jemeinschaft im Haus des Maecenas vor. Und doch konnte der Dichter es dann ablehnen, bei dem ersten Mann des Principats die Rolle des Sekretärs zu übemehmen.

Welche Begriffe sollte man also heute verwenden, wie das Verhältnis eines Dichters zu einem mächtigen Mann beurteilen? In der Forschung wird, wie schon ausgeruhrt, immer wieder der Begriff des Patrons und des Patronats genutzt. Man betont aber gerade, daß die Dichter im (jegensatz zu den Dichtem zuvor, die zumeist Freigelassene oder Sklaven waren, in dieser Zeit, der frühen augusteischen Zeit, als equites einer höheren (jesellschaflsschicht angehören. Damit hat sich auch ihr Verhältnis zu dem mächtigen Mann in ihrem Zentrum gewandelt. Dennoch darf man das soziale (jeGille zwischen den Männem nicht ign01ieren. Man geht deshalb in der Forschung zumeist von dem Verhältnis der amicitia rur diesen Zeitraum aus und weist darauf hin, daß dieser dehnbare Tel111inus angemessener ist.

37

Vgl. K. Quinn. The Poet and his Audience in the Augustan Age: .,By the end ofthe AUb'Ustan Age the position of the writer in society is estahlished. He has an assured audience. he is treated as a person of importance ... But that assured position was a recent development. it had come ahout only in the last tlfty years ofthe Repuhlic and it was already in danger of disappearing in the new order of Augustus.". S.116. 1t' Vgl. Suet. Vifa Hor. (Roth 297.19-22): mlllc occupmissimus ef injirmus Horafium nosfrum fe 11

eupio ahdueere. venief erfio ah isfa parasifiea mensa ad IUllle refiiam ef nos in episfulis ser ihendis adiuvahif

Man unterscheidet in der Forschung in der Entwicklung der römischen Literatur zwischen mehreren Phasen. G. Williams. Phases in Political Patronage of Literature in Rome. sucht die verschiedenen Phasen zu charakterisieren. Er hetont. daß in der ersten Zeit die Dichter einer niedrigen sozialen Gesellschaftsschicht angehörten; eine neue Situation erkennt er erst hei Lucilius. Mit lulius Caesar heginnt seiner Meinung nach eine neue Periode. die auf Augustus vorausweist. S.12. Die Bürgerkriege hrachten dann .,an important change'. S.13. denn Dichter hedurften in dieser Zeit der Hilfe und des Schutzes. Octavian fand in Maecenas denjenigen. der das literarische Patronat ühernahm. Eine neue Phase heginnt. als AUb'Ustus kurz nach 20 v. Chr. das literarische Lehen an sich zieht. S.16 .. ,But after 17 B.C. the strong impression one gets is that the husiness of Poets has changed: it is now their task to celehrate the solution

161

Eine weitere Schwieligkeit ergibt sich daraus, daß nuUl in der Stellung des Maecenas einen Bruch beobachten kann. Sein politischer wie literarischer Einfluß ist schon zu Beginn seines Auftretens in den frühen 30er Jahren spürbar, doch zieht Maecenas sich Ende der 30erlAnfang der 20er Jahre aus der Politik zurück, und nach 20 v. ChI'. versiegen die Widmungen an ihn. Wie hat man sich das zu erklären? Übemimmt dann Augustus das literarische Patronat von seinem Vertrauten?38 Seit dieser Zeit ist die Macht des Augustus unantastbar. (jleichzeitig wird offenbar seine (jestalt auch auf literarischem (jebiet übel111ächtig. 39 Daran schließt sich aber die Frage an, ob man die Dichtung der augusteischen Zeit zumindest seit dieser Zeit als Auftragsliteratur verstehen und darüber hinaus von einer "Hofgesellschaft" ausgehenmuß 40 oder ob, wie die entgegengesetzte Meinung darlegt, von Anfang an der Einfluß des Dichters, vor allem der des Vergil, auf Augustus größer war als der des Princeps auf die Dichter. 41 Diesen Fragen soll nach einem Vergleich der Äußerungen der Dichter zu ihrem Verhältnis zu den mächtigen Männemnoch einmal nachgegangen werden.

of all prohlems. S.17. während die Dichter in den Jahren zuvor sich mit realen politischen Prohlemen auseinandergesetzt hatten. B.K. Gold. Literary Patronage in Greece and Rome. Olapel Hill/Londonl987. verweist darauf: daß Caesar. Pompeius. Pollio und Octavian .,patrons ofa different order" aufgl1lnd ihrer politischen Position und ihres Einflusses waren. S. 39 und S. 66. H. Mauch. ehenda. sieht in der Scipionenzeit. aher auch in der Zeit Ciceros die Klientelheziehung. in der vom Patron ahhängige Dichter panegyrische Dienste leisten. vorherrschen. Einen Wechsel erkennt er erst mit dem Kreis der Neoteriker. die als Ritter wirtschaftlich unahhängig und damit ti"ei von gesellschaftlichen Bindungen dichten können. Zwar kehrt seiner Ansicht nach die Verpflichtung zur Loyalität zUliick. als die repuhlikanische Struktur des literarischen Kreises restauriert wird. doch da die Dichter nach den ersten Schenkungen unahhängig sind. sieht er zwischen Dichter und Gönner nicht die cliellfeIa. sondern die amicifia als Gl1lndlage ihres Verhältnisses hestehen. Vgl. Quinn. ehenda. der den Begriff der amicifia kritisiert. vgl. hier Anm.18. E. Rawson. Intellectual Lif"e in the Late roman Repuhlic. Londonl985. sieht nach Caesar den Weg zur .• imperial patronage" offen. S.114. 1, Diese Frage wird in der Forschung verschieden heantwortet. Zuweilen verhindet man den Rückzug des Maecenas aus dem literarischen Lehen mit dem aus der Politik und sieht als Begründung eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Maecenas und Au!o'Ustus nach dem Jahre 23 v. Chr. durch Prohleme auf der privaten Ehene an. wie R. Syme. The Roman Revolution. Oxfordl939. S. 342. oder A. DalzelL Maecenas and the Poets. PhoenixlO (1956). 151-163. Nach der Ansicht von G. Williams. Did Maecenas .• Fall ti"om Favor"? Augustan Literat)' Patronage. in: K.A. Raaflauh/M. Toher. Between Repuhlic and Empire. S. 258-275. war es von Anheginn geplant. daß Maecenas das literarische Patronat initiierte. damit ihn später Augustus zum richtigen Zeitpunkt ühernehmen konnte. Man könne Maecenas nicht von der Propaganda der 30er Jahre trennen. denn dieser hahe stets sein Patronat im Interesse Octavians ausgeüht. S. 273. H. Mauch. 0 lahol1lm duke lenimen.... re!o>1 deshalh an. die .•au!o'Usteische" Literatur in eine fiiihe .• mäzenische" und eine .• augustische" (sic) spätere Phase zu unterscheiden. S. 91. 19 Vgl. G. Williams. Phases in the Political Patronage ... der Au!o'Ustus einen .,patron offirst resort" nennt. S.18. An anderer Stelle sieht Williams gerade mit dem Jahr 17 v. Chr.. also dem carmell saeculare. einen Umhl1lch von der Behandlung realer politischer Themen zur Panegyrik heginnen. 411 Vgl. D. Kienast. Augustus. Prinzeps und Monarch. Darmstadtl982. S. 253-263. 41 Diese Ansicht wird öfter vertreten. vgl. u.a. A. DalzelL Maecenas and the Poets. S.161.

162

Wie und wann wenden sich die Dichter in ihren (jedichten an Maecenas? - Horaz berichtet uns am meisten über sein Verhältnis zu dem mächtigen Mann. Trotz der scheinbar gleichen sozialen Ausgangsposition - sowohl Maecenas wie auch Horaz sind Ritter, der eine kommt aber aus uraltem (jeschlecht, der andere ist ein Aufsteiger - ist ein starkes (jehille im Rang zwischen beiden Männem spürbar. 42 Die Entwicklung in dieser Beziehung ist in der Forschung bereits dargestellt worden. Horaz entwickelt sich in dieser Freundschaft von einem

COl1vicfOT

zu einem - auf der Basis der Zwei-Personen-

Beziehung - immer mehr gleichwertigen Mitglied dieser Freundschaft. Er gewinnt an Unabhängigkeit. Doch der soziale Abstand zwischen beiden Männem bleibt. 43 Die Beziehung Vergils zu Maecenas ist nicht so deutlich greifbar. Vergil erzählt kaum über sich selbst, aber man kann aus der Al1, wie auch er sich an Maecenas wendet, schließen, daß sie grundsätzlich ähnlich beschaffen, wenn wohl auch nicht vergleichbar innig, ist wie bei Horaz. Das Verhältnis des jüngeren Propel"Z zu Maecenas scheint ungleich komplizierter. Manchmal bezweifelt man heute sogar, ob Properz sich wirklich an Maecenas angeschlossen hat. Propel"Z schreibt erst später - in seinem zweiten, nach dem Jahr 26 v. ChI'. veröffentlichten (jedichtbuch - an Maecenas gerichtete (jedichte, und vor allem - er widmet ihm nicht mehr als zwei Elegien. 44 Diese allerdings sind bedeutend.

Man hat in der heutigen Forschung das Verhältnis des einzelnen Dichters zu Maecenas gesondert von den anderen Dichtem behandelt, aber auch getrennt von der Betrachtung

der

ersten

Äußerungen

des

einzelnen

Dichters

über

oder

an

Octavian/Augustus. Hier sollen nun die Äußerungen der Dichter gegenüber dem So wird hei Horaz hetont daß er erst nach einer langen Wartezeit und nach der klaren Aufl"ordemng durch Maecenas sich als in dessen .,Kreis" aufgenommen betrachten darf: vgl. hier S.163. Bei den vielen anderen Dichtern verfügen wir über keinerlei Informationen. wie sie zu Maecenas gelangt sind. Oftmals nimmt man an. daß diese Dichter seihst sich als der aktive Part an Maecenas mit der Bitte um Unterstützung wandten. vgl. u.a. A. Dalzell. Maecenas and the Poets. Dieser ist der Ansicht Maecenas konnte im Gegenteil der sozialen Verpflichtung des Patronats geradezu nicht entkommen: .,Patronage was a sodal obligation. A man of of Maecenas'standing could hardly have escaped it in some form or other. It was his good fOltune timt some ofthe greatest \\Titers of Rome knocked at his door.' . S.160. 41 Vgl. E. Lefewe. Horaz und Maecenas. ANRW " 31.2.1987-2029. K. Meister. Die Freundschaft zwischen Horaz und Maecenas. Gymn. 57 (1950). 3-38. K.J. Reckford. Horace and Maecenas. B.K. Gold. Literary Patronage in Greece and Rome. S.III-142. 44 Vgl. u. a. W.A. Camps. (ed.). Propertius. Elegies 11. Camhridgel967.. ,... it is not clear timt Propertius was ever intimate with Maecenas." Er verweist darauf: daß im dritten Buch nicht das erste Gedicht Maecenas gewidmet ist. Propeltius hrauchte seiner Meinung nach als Ritter keinen Patron. S. 68. Dies widerspricht der Tatsache. daß auch Vergil und Horaz in den Ritterstand aufgestiegen sind. B.K. Gold. 42

163

mächtigen Mann nebeneinander gestellt werden. Dabei ist es das Ziel, weitere Aspekte dieser Beziehung zwischen Dichter und mächtigem Mann zu

finden, sie zu

verdeutlichen und dann miteinander zu vergleichen. Auch werden die Äußerungen gegenüber Maecenas und die gegenüber Octavian/Augustus gegeneinander abgewogen. Von besonderem Interesse soll dabei der Zeitpunkt sein, wann sich die Dichter Maecenas, wann sie sich Octavian/Augustus zuwenden. Zu prüfen ist auch, ob die Dichter im Falle der Übemahme des Patronats durch Augustus sich diesem gegenüber anders verhalten. Darüber hinaus soll auch die Sicht der Zeitgenossen von dem Verhältnis des Dichters zu dem mächtigen Mann stärker als bisher herausgestellt werden. Diese sehen und beobachten in den Jahren des Bürgerklieges - das ist immer noch das Leitmotiv - die Dichter in der Begleitung der Politiker. Wie beurteilen die Zeitgenossen die Stellung der Dichter während der Bürgerkriegswin'en, welche Einsichts- und EinOußmöglichkeiten besaßen sie ihrer Meinung nach? Was erfahren wir dabei über das gesellschaftliche Leben im Bürgerkrieg, darüber hinaus über die Identität der Bürgerschaft? Die Satiren des Horaz bieten dazu einen guten Einblick. Durch diese Fragestellungen

soll

ein

besonderer Blickwinkel

eingenommen

und

so neue

Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen Dichter und mächtigen Männem gewonnen werden, aber auch über ihre Position in der (jeseIlschaft zur Zeit des hellum civile. (jleichzeitig erhalten wir dadurch einen Einblick in die Bewußtseinslage der Zeitgenossen in diesen Jahren.

4.2. Vergil und die mächtigen Männer Vergil lemt schon während der Enteignungen zugunsten der Veteranen Männer aus dem Umkreis des Caesarerben kennen, die ihm Unterstützung gewähren. Durch sie macht er sicherlich auch seine erste Bekanntschaft mit Octavian und Maecenas. Doch er widmet seine Eclogen nicht Maecenas, sondem einem anderen literarisch höchst versierten Mann, Asinius Pollio, der ihm zu dieser Zeit noch näher stehen muß. Pollio ist die 3., die berühmte 4. und die 8. Ecloge Vergils zugeeignet. Der Caesarerbe ist zwar

ehenda, hetont, daß die Bedeutung der Gedichte Prop. " I und Prop. 111 9 immens sei und ihre geringe Zahl im Vergleich zu den Tullus gewidmeten Elegien aut\viege, S. 156.

164

schon in den Eclogen indirekt Thema, wird aber nicht namentlich genannt. 45 In Vergils (jeorgica ist dann Maecenas der vom Dichter Angesprochene. Ihm sind alle vier Bücher der (jeorgica gewidmet. Vergil scheint also schon während oder kurz nach den Enteignungen in den engeren Freundeskreis des Maecenas gelangt zu sein. Doch er erzählt uns nichts darüber, wie er ihm zuerst begegnet ist. Daneben berichtet uns die indirekte Überlieferung manches über das Vel~lältnis zwischen Vergil und Maecenas. So hat Vergil ein Stadthaus in Rom neben dem des Maecenas besessen, hielt sich aber meistens in Neapel aur. 46 1m Jahre 29 v. ChI'. liest er sein zweites Werk, die (jeorgica 47 , abwechselnd mit Maecenas demnach seinem Sieg über Marcus Antonius und Cleopatra gerade aus Ägypten zurückgekehrten Octavian vor. Dies weist auf eine enge Beziehung zwischen Vergil und Maecenas hin, aber es zeigt auch, daß Maecenas selbst sich diesem Lehrgedicht eng verbunden geHihlt haben muß. Octavian/Augustus zeigt weiterhin ein großes Interesse am Werk Vergils. Wiederholt bittet er ihn vergeblich, ihm Auszüge aus der Aeneis zu schicken. Doch Vergil liest ihm später emeut drei bereits fertige Bücher vor. 48

In den (jeorgica, die vor allem in den Jahren des Bürgerkrieges entstanden sind, bitt uns der Name des Maecenas mehrfach entgegen, gleich zu Beginn des Werkes im zweiten Vers, wo Vergil Maecenas das Thema seines Werkes vorstellt. Quid jilciat laetas segetes. quo sidere terram uertere. Maecenas . ... hinc canere incipiam.

49

Mehr sagt Vergil in diesem Moment nicht zu Maecen8S. Statt dessen folgt eine Anrufung von mehreren (jottheiten: Er ruft Bacchus, Ceres, Faune, Dryaden, Neptun, Pan, Minen..-a und Silvanus, alle ländlichen (jötter, mit der Bitte an, sie sollen herbeikommen. Als letzter der Angerufenen, nach den (jottheiten genannt, aber

Ecl.l. vgl. dazu S.103tl". Der ältere Seneca herichtet dazu. daß Vergil Maecenas unterstützte und dessen Sprache gegenüher Kritikern verteidigte. suas. 1.12.2.20.3.5. 4' Vgl. zu den Georgica R.A.B. Mynors. Virgil. Georgics. Oxfordl990. M.C.J. Putnam. Virgil"s Poem of the Earth. Studies in the Georgics. Princetonl979. L.P. Wilkinson. The Georgics of Virgil. A critical survey. Camhridgel %9. 4, Vgl. Suet. poet. 31. 49 Georg. I Ilr 41

4('

165

besonders herausgestellt, auf jeden Pali als übel111enschlicher, fast schon göttlicher Mann tritt uns Caesar/Octavian5o zu Beginn des ersten (jeorgicabuches entgegen. Nachdem Vergil Octavian mit vielen Beschreibungen in eine von menschlichen Bereichen entfemte Sphäre gerückt hat, bittet er ihn schließlich, dem dichterischen Vorhaben gewogen zu sein.

da facilem cursum atque audacihus adllue coeptis. igllarosque uiae mecum miseratus agrestis 51 illgredere et uotis iam IlUIlC adsuesce uocari.

So nennt der Dichter den Namen des Maecenas gleich zu Beginn seines Werkes, doch es bleibt bei der bloßen Namensnennung. Der erste, der freundlich gewogen am Vorhaben des Dichters teilnehmen soll, ist der Caesarerbe. Wie in den Eclogen, wo er nicht mit Namen genannt worden war, ist er auch hier in einen schon übel111enschlichen Bereich entrückt.

Trennen an dieser Stelle Maecenas und Octaviannur wenig mehr als zwanzig Verse, stehen doch eine Schar von (jottheiten und die dem Caesm'erben eigene göttliche Natur dazwischen. 52 1st Maecenas aber auch sonst immer Teil des literarischen Schaffens, wird Octavian lediglich hier zu Anfang des Werkes aufgerufen, an der Entstehung der (jeorgica teilzuhaben. Nur an dieser Stelle weist Vergil ihm eine solche Rolle zu, wie sich im folgenden noch zeigen wird. Schon in den Versen (VV 24-43) zuvor hat er deutlich gemacht, wie viele andere große, göttliche Aufgaben der Caesarerbe vor sich hat. So soll sich Octavian zwar auch dem Werk Vergils zuwenden, doch vorwiegend bleibt er in der Schilderung Vergils auf andere Bereiche konzentriert.

Vergil spricht Octaviannoch einmal direkt in den letzten Versen im ersten Buch an, verläßt dabei aber den Bereich der (jeorgica und kommt auf die politischen Zustände auf den Bürgerkrieg - zu sprechen. 53 Wie in den Versen 1 24-40 verbindet er auch hier

Die Dichter sagen zunächst Caesar. später Augustus. Hier soll. der modernen Forschung folgend. der Adoptivolm Caesars zunächst Octavian. später AUb'Ustus genannt werden. 11 Georg. 140-43. Die gesamte Partie. VV 24-43. hezieht sich aufOctavianlAugustus. 12 L.P. Wilkinson. The Georgics of Virgil. sieht Octavian auch als Gottheit dargestellt: .,He (Virgil) has turned ti"om his mortal ti"iend and patron to invoke. first twelve divinities ofthe countryside. then Caesar Octavian as the thirteenth.' . S. 75. 11 Georg. 1498-514 Vgl. zu diesen Versen S. 209ff 111

166

den göttlichen Manll111it den eines Princeps würdigen Aufgaben, als Peldhen", als Retter und Beschützer der Welt. Die Aufgaben sind jetzt viel konkreter, doch wieder nähert sich Octavian dem Olymp. Als solcher berührt er dann emeut den literarischen Bereich, denn er wird zum Moti v der Dichtung.

1m zweiten Buch wendet sich der Dichter ausHihrlicher an Maecenas. 54 Hier fordet1 Vergil auch Maecenas auf, an der Vollendung seines Vorhabens Anteil zu nehmen:

tuque ades il1ceptumque ulla decurre lahorem. () decus, () famae men"fo pars maxima l1ostrae, Maecel1as, pelagoque volal1s da vela patel1ti. .. 55

40

Kanll111an Unterschiede dabei feststellen, wie Vergil die beiden111ächtigen Männer zur Teilnahme an seinen (jeorgica auffordert? Er spricht vertraulicher zu Maecenas als zu dem Caesarerben, der schon fast in den göttlichen Bereich gerückt ist. Maecenas hat vor allem Anteil, mehr noch, er ist der größte Teil des literarischen Ruhmes des Vergil. Er scheint zudem nur der Dichtung zuzugehören. Vergil verbindet Maecenas nicht mit der Welt und den Aufgaben Octavians. Octavian und Maecenas scheinen sich auf unterschiedlichen Ebenen zu befinden, nur Maecenas in einer vertrauten Nähe zu Vergil.

Auch Octavian wird im zweiten Buch angesprochen. Doch dies geschieht jetzt außerhalb der literarischen Entstehung des Werkes. Er erscheint als Teil des zu besingenden Italien.

56

Er hat nun keine Verbindung zum Werk mehr, innerhalb des

Themas kommt ihm aber eine wichtige Bedeutung zu.

(jleich zu Beginn des dritten Buches der (jeorgica tritt wieder Octavian dem Zuhörer oder Leser entgegen. Emeut hat er als Handelnder keine Verbindung zum literarischen Schaffen Vergils, er ist dagegen Thema der Dichtung, nämlich des zukünftigen Werkes Vergils. Mit vielen Versen verspricht der Dichter ein Werk voll

R.A.B. Mynors. Virgil. Georgics. Oxfordl990: )t was natural to name at the very start of Bookl the patron to whom all four hooks are dedicated. hut this was kept very short. to avoid any contlict with the long invocation of deities and of Octavian \\tlich follow.' . S.l 06. 11 Georg. 11 39-46 1(' Georg. 11170: mutime Caesar. 14

167

von Schlachtgetü111111el, und mittendrin thront ihm Caesar. Die Verse 1-48 dienen fast vollständig dieser Ankündigung.

in medio miM Caesar en"t templumque tellehit ... 57

Doch darin eingeschlossen, ungehihr an der gleichen Stelle wie im Buch zuvor, wendet sich Vergil emeut an Maecenas mit in der heutigen Forschung umstrittenen Versen. Diese wenden sich zurück zu dem vorliegenden Werk, das er erst noch mit ihm zusammen vollenden will.

il1terea Dryadum siluas saltusque sequamur il1tactos. tua. MaeCel1ils. haud nJollia iussa: te sille ni1 altum mel1s il1cohat ... 58

Maecenas erscheint hier emeut als "Muse", sogar als Anreger der (jeorgica. Er ist Teil des lHermischen Werkes und Teil des literatischen Lebens. Doch diese Aufgabe übemi111111t er -nur?- in den (jeorgica, denn allein hier wird er angesprochen. Die mol!ia iussa des Maecenas haben in der Forschung viel Aufinerksamkeit e11'egt. Man ist sich

aber einig, daß die iussa nicht wörtlich als Befehle genommen werden müssen. 59 Vergil will damit wohl nur zeigen, welchen bedeutenden Einfluß Maecenas auf sein dichterisches Schaffen ausübt.

In den folgenden drei Versen kündigt Vergilnoch einmal an, daß er in der Zukunft die Taten Caesars besingen will.

mox tamen ardentis accingar dicere pugnas Caesaris et nomen fama tot feJTe per al1I1OS. Tithoni prima quot ahest ah origine Caesar.

60

Obwohl die beiden mächtigen Männer so nahe beieinander genannt werden, schafft der Dichter keine Verbindung zwischen ihnen, er trennt sie vielmehr dadurch, daß er l ' Georg. 111 16

Georg. 111 401l" 19 Vgl. P. White, Promised Verse, S. 64 fL sowie die Auflistung des Gehrauchs von iuhere, S. 266ft".: .,Clearly the examples are numerous enough that it is fair to characterize iuhere as heing conventional term in such contexts.', S. 267. ('11 Georg. 111 46-48 lii

168

den einen dem gegenwärtigen, den anderen dem zukünftigen Werk zuweist. Zudem ist Maecenas, wie gezeigt, stets am literarischen Entstehen beteiligt, Caesar ist - mit Ausnahme der Verse zu Beginn des ersten Buches - Thema der Dichtung Vergils.

1m viel1en Buch wendet sich der Dichter gleich zu Beginll110ch ein111almit wenigen Worten an den 111ächtigen Freund, er solle auch diesen Teil des Werkes betrachten .

... hane etiam, MaeCel1ilS, aspice partern. 61

Die kurze Äußerung ist mit der im ersten Buch, (jeorg. T 2, zu vergleichen, Vergil ordnet also innerhalb der (jeorgica ganz symmetrisch an, wann und wie er Maecenas anruft. Was aber ist die Punktion dieser Verse innerhalb des in seiner Thematik weit angelegten Werkes? Welche Aufgabe hat Maecenas nach den Worten des Dichters rur sein Werk? Er ist der Ansprechpartner, darüber hinaus ist er ein Teil des Werkes als detjenige, der Vergil dazu el111untet1 hat und jetzt noch "Muse" ist. Er nimmt Anteil am Entstehen des Werkes und ist so Teil des literarischen Ruhmes. Doch er gehört rur Vergilnur zu dem Lebensbereich der Dichtung.

1m Epilog des Werkes wird noch einmal deutlich, daß der Caesarerbe eigentlich nicht zur dichtetischen Schaffenswelt gehört. In den letzten Versen der (jeorgica setzt Vergil explizit seine Lebenswelt als Dichter gegen die Welt Octavians. 62 Dieser ist in dem vierten Buch nur hier im Epilog genannt und gehöt1 ganz der politischen aktiven Welt an, während Vergil im Bereich des otium dichtet. Maecenas wird hier nicht mehr genannt. An dieser Stelle wäre wohl zu offensichtlich gewesen, daß auch er eigentlich der politischen Welt zugehört. Vergil verbindet ihn an keiner Stelle des Werkes mit dem Caesarerben, der sogar einmal mehr als Maecenas von Vergil angerufen oder zum Thema gemacht wird. Maecenas und Octavian werden zudem nie gleichzeitig von Vergil angesprochen, an einigen Stellen stehen mehrere hundert Verse zwischen ihrer Nennung oder, wie im ersten Buch, eine ganze Schar von (jottheiten. Octavian scheint zu einem anderen Bereich zu gehören, allein Maecenas zu der privaten Lebenswelt des Dichters. Während Maecenas immer nur direkt angeredet wird, so ist Octavian vor ('I Georg. IV 2. ('2

Georg. IV 559-566.

169

allem selbst Thema der Dichtung, ohne persönlich angesprochen zu werden. Er gehört nicht eigentlich in den literarischen Bereich wie Maecenas; er hat andere Aufgaben als Peldhe11', als Retter. Zudem rückt er in die enge Nähe der göttlichen Helfer. Maecenas aber ist in den (jeorgica stets ein Teil der Welt des Dichters. So gehören nicht nur Vergil und der Caesarerbe, sondem auch Maecenas und Octavian in diesem Werk unterschiedlichen Lebensbereichen an.

In der Realität ist in diesen Jahren, also zu Beginn der 20er Jahre, Maecenas noch vomehmlich Politiker. Doch der Dichter vel111ittelt einen anderen Eindruck. In Vergils Dichtung gehört Maecenas ganz der literarischen Welt an. Octavian scheint in den (jeorgica oftmals wichtiger zu sein - als Vergil ihm das Werk vorliest, ist er bereits als unumstrittener Sieger aus dem Bürgerkrieg hervorgetreten -, doch Maecenas ist deljenige, der wirklichen Anteil am literarischen Ruhm Vergils hat.

In der Aeneis spricht Vergil Maecenas nicht mehr an, aber auch keinen anderen mächtigen Mann. Ein (jrund daHir liegt sicherlich darin, daß dies nicht dem Charakter des Werkes entspricht

Mehr und Vertraulicheres erzählt uns Horaz über sein Verhältnis zu Maecenas.

4.3. Horaz und die mächtigen Männer Horaz, der uns auch sonst am meisten über sein Leben erzählt, belichtet im (jegensatz zu Vergil und Properz ausHihrlich davon, wie er zu Maecenas gelangt ist. Sein erstes, im Jahre 35 v. ChI'. veröffentlichtes Werk, das erste Satirenbuch, widmet er ihm. Zugleich stellt er darin ausHihrlich sein Verhältnis zu dem mächtigen Mann dar. Seine Dichterkollegen und Freunde Vergil und Ludus Vm'ius Rufus haben ihn im Jahre 38 v. ChI'. bei Maecenas eingeHihrt. Diese erste Begegnung schildert Horaz in Sat. 1 6. 63

('1 Im folgenden werden mehrere Satiren betrachtet und diese zumeist nicht als satirisch im heutigen Sinn verstanden, sondern als .,intimes Tagehuch" und .,lehensphilosophische Reflexion", vgl. E.A. Schmidt. Sahinum .. , S. 56, sowie ders, Zum Lachen in der römischen Satire, in: Laughter down the Centuries, vol. 2, TUli-m1995, S. 121-143.

170

Er stellte sich mit wenigen Worten vor, nach einer langen Wartezeit von neun Monaten rief ihn Maecenas zu sich .

... aheo; et revocas 110110 post mel1se iuhesque 64 esse in amicoTum l1umero.

Horaz spricht in den ersten beiden Versen dieser Satire, die zwischen 38/37 und 35 v. ChI'. entstanden sein muß, Maecenas an und rühmt dessen hohe etruskische Abstammung. Trotzdem verachte dieser nicht Horazens Herkunft als Sohn eines Freigelassenen. Andere Zeitgenossen dagegen haben Horaz offensichtlich voller Neid angegriffen, zuvor wegen seines früheren Militäl1ribunenranges bei Philippi, nun wegen seines engen Verhältnisses zu Maecenas. Niemand aber soll ih111neiden, daß dieser rur ihn ein amicus ist. Denn Maecenas ziehe nur vorsichtig Würdige an sich heran.

Maecenas wählt nach den W011en des Dichters die Menschen fLir seinen näheren Umkreis nach der vita und dem pectus purum aus, also nach der LebensfLihrung und dem Charakter des einzelnen. Es mllt auf, daß Horaz sich dabei selbst als C0/1victor 65 bezeichnet, Maecenas als amicus,66 die (jemeinschaft als /1umerus amicorum. Horaz ist auch durch andere Dichter, die Maecenas bereits nahesUmden, vorgestellt und erst nach langen Monaten des Wartens in diese IHermische (jemeinschaft aufgenommen worden. Zumindest Horaz mußte also erst durch Freunde eingefLihl1 werden.

1m folgenden, dem weitaus größten Teil dieser Satire, berichtet Horaz von der Erziehung durch seinen Vater, durch die er zu solchen Vorzügen gelangt ist. Das ist die auf den ersten Blick offensichtliche Thematik dieses (jedichtes. Horaz will sich selber, seine Herkunft und seine Stellung vorstellen.

Was aber ist darüber hinaus die Funktion dieser Satire? Der Leser erGihrt zweierlei in dem (jedicht: die genaue Herkunft und die LebensfLihrung des Horaz, aber auch viel über das Verhältnis des Dichters zu Maecenas. So liegt eine Funktion der Satire darin, autobiographische Angaben dem Leser vor Augen zu fLihren. Aufgrund seiner Erziehung

Sat. I 6,6 1-62 ('l Sat. 16,47; mlllc quiu sim fihi. Muecellus. cOllvicfor .. ('t. daß Sat. 1.6 die Folie darstellt. auf der das Verhalten des quidam in Sat.I.9 verstanden werden soll. S.12.

172

(jemeinschaft mit der Rolle des zweiten zufhedengeben. Der quidam hält also das Dichterleben um Maecenas rur einen ständigen Konku11'enzkampf, rur sich selbst aber sieht er offensichtlich die Möglichkeit zum sozialen und politischen Aufstieg. Horaz verwahrt sich dagegen, kein Haus sei reiner als das des Maecenas, jeder habe dort den ihm gebührenden Platz. Der andere aber will Maecenas weiterhin bedrängen und auf jegliche Art und Weise versuchen, Zuhitt zu ihm zu erlangen. 68

Was zeigt das (jedicht hinsichtlich der (jeseIlschaft? Wie muß man die Stellung des Maecenas in diesen Jahren des Bürgerkrieges - denn dieser tobt noch mehrere Jahre beurteilen? Horaz könnte hier sowohl eine reale Begegnung dichterisch wiedergeben oder auch mehrere Erlebnisse umsetzen, als Zeitgenossen, vielleicht Bekannte durch ihn Zugang zu Maecenas zu erlangen suchten. Die Satire zeigt auf jeden Pali, welches Bild sich zumindest ein Teil der Außenwelt von dem Dichterbetrieb um Maecenas macht. Zugang zu Maecenas bedeutet offenbar in der Mitte der 30er Jahre rur denjenigen, der ihn hat, Einfluß in der (jeseIlschaft. Man kann einerseits sehen, wie die Stellung des Maecenas in der ersten Hälfte der 30er Jahre in Rom einzuschätzen ist, andererseits auch erkennen, wie Horaz als ein Mann aus dem Umkreis des mächtigen Mannes in der (jesellschaft angesehen

und

sogar

beneidet

wird.

Angesichts

von

Horazens

gesellschaftlicher Stellung glauben andere Zeitgenossen, daß hier die Möglichkeit zum eigenen Aufstieg liegt. Der Dichter wird bedrängt, da er rur einen "einflußreichen Mittelsmann" gehalten wird. Die (jeseIlschaft wirkt innerlich ze11'issen, die Identität der Bürger unbestimmt, ihr Ehrgeiz bezieht sich auf Männer, die in Rom mächtige Positionen einnehmen. Denn deljenige, der Horaz geradezu verfolgt, stellt sich zwar als Schnelldichter vor, doch er zeigt in seiner Sicht des Maecenaskreises, daß er dort nur den sozialen Aufstieg sucht. Die nächste Satire, die betrachtet wird, zeigt, daß man glaubte, im Kreis des Maecenas auch einen tiefen Einblick in die Politik erhalten zu können.

So macht U. Schmitzer. ehenda. zu den Versen 56-60 der Satire. in denen der quidam sein weiteres Vorgehen darlegt. klar: .• Es handelt sich um die für einen römischen Politiker nötigen Tugenden und Fähigkeiten. Protektion. Intrigen. Bestechung und Konkurrenzkampf Wenn auch nur im geringsten eine Korrelation zwischen Mittel und Zweck hesteht. kann es dem quidam um nichts anderes als eine politische Karriere gehen.' . S.19. Für Schmitzer ist der quidam die Karikatur weit verhreiteter Vorstellungerl. Doch er sieht diese Vorstellungen als .,Mißverständnisse" der Zeitgenossen. die Horaz immer wieder heseitigen @

173

Nur wenige Jahre später entsteht eine weitere Satire mit einer ähnlichen Thematik. Horaz veröffentlicht im Jahre 30 v. ChI'. sein zweites Satirenbuch. Die darin enthaltenen Satiren sind während des hellum civile und kurz danach entstanden. Emeut äußert er sich in Sat. Tl 6 über sein Verhältnis zu Maecenas, emeut ist der (jrund die Reaktion seiner Umgebung. Horaz erzählt in diesem (jedicht weiterhin von seinem Leben im Umkreis des Maecenas. Doch nun hat sich sein Blickwinkel verändert.

Er stellt jetzt, inzwischen Besitzer eines kleinen Landgutes, Sabinum genannt, sein Leben dort der (jeschäftigkeit in Rom entgegen. Hier findet er Stoff rur seine Dichtung und kann in Muße dichten, in Rom dagegen wird er bedrängt von den täglichen Pflichten. Auf dem Weg zum Esquilin, zum Haus des Maecenas, eigentlich doch die Freude des Horaz,69 brechen hundert fremde Anliegen über ihn herein. Manches ergibt sich aus seinem Amt als scriha quaeston'us, vieles andere aber aus seiner Nähe zu Maecenas. Etliche Bittsteller sind offenbar der Meinung, Horaz könne durch seine Fürsprache alles bei Maecenas durchsetzen.

7Q

Nicht so sehr die Pflichten, die aus seiner

Beziehung zu Maecenas he11'ühren, scheinen ihn zu belasten, wie das Drängen seiner Umwelt, die durch ihn Zugang zu Maecenas erlangen will. Vor sieben, fast schon acht Jahrennun-man befindet sich jetzt also im Jahr 31 v. Chr., noch immer im Bürgerkrieg - hat Maecenas Horaz in suorum numero aufgenommen, aber nach Horazens Worten nur, um einen Reisegehihrten zu haben und mit diesem über Nichtigkeiten wie das Wetter und (jladiatorenspiele zu sprechen. 71 Doch die Zeitgenossen beneiden ihn und glauben, er habe aufgrund seiner Nähe zu den Mächtigen einen tiefen Einblick in die Politik. Kaum läuft ein (jerücht durch die Stadt, befragen sie ihn zu wichtigen Themen der Tagespolitik zur Zeit des Bürgerkrieges. Versichert er, er wisse nichts von der Politik, so halten ihn die Zeitgenossen rur einen Spötter oder bestaunen seine Verschwiegenhei t. n

will. S. 20. - Es spricht aber nichts dagegen. daß Horaz wirklich solchen Zeitgenossen immer wieder hegegnet ist. ('9 Sat. " 6,2911": quid fihi vis. imalle. ef quas res improhus urRes / irafis pedihus? fu pulses omlle quod ohsfaf. / ad Maecellafem memori si mellfe recurras? / hoc iuvaf ef meIli esf. /l(m mellfiar -0 Sat. " 6,381': • illprimaf his. cura. Maecella\' siRIla faheIlis . . Mit diesen \Vorten wird Horaz bedrängt.

\Venn er antwortet. er werde es versuchen. hleiht der andere dahei. Horaz könne es. wenn er nur wolle. ';lInd hedrängt ihn weiter. Sat. " ~,4Q-49 ' ] Sat. " 6,51-58.: quicumque ohvius esf. me cOllsulif: '0 hOlle. lIam fe scire. deos qwmiam propiu.\" cOllfillRis. oporfef. / lIumquid de Dacis audisfi?' 'lIil equidem . 'ui fu / semper eris derisor;" af omlles di exaRifellf me. si quidquam. "quid? milifihus promissa Triquefra / praedia Caesar all esf [fala fellure

174

Angesichts dieser Bedrängnisse möchte Horaz zu seinem Sabinum entfliehen und dort die Muße genießen. Die Zeitgenossen glauben also, er habe durch die Nähe zu Maecenas Einsicht in das politische (jeschehen im Bürgerktieg und Kenntnis von zukünftigen Plänen der Mächtigen. Diese vorgefaßte Meinung sucht er zu widerlegen. 73 Er sieht seine Beziehung zu Maecenas ganz anders. Die Tatsache, daß er sich offenbar zu einer solchen Verteidigung gezwungen sieht, macht deutlich, wie dicht die Zeitgenossen ihn an die politisch mächtigen Männer heranrücken. Doch Horaz betont, daß er keinen Einblick in politische Pläne oder in das ]X)litische (jeschehen überhaupt hat. Er unterscheidet zwischen dem privaten Leben des Maecenas, dem er angehört, und dem politischen, in das er keine Einsicht haben will.

Eine früh zu datierende Satire

74

aus dem ersten Buch vel111ag uns einen Eindruck

davon zu vel111itteln, warum die Zeitgenossen so über Horaz und sein Verhältnis zu Maecenas dachten. Horaz schildet1 in seiner in der heutigen Forschung stets iter Brulldisillum genannten Satire 1 5 eine Reise mit Freunden. In Anxur trifft er mit

Maecenas, L. Cocceius Nerva und Fonteius Capito zusammen. Maecenas optimus ist der Vertraute und Freund des Octavian, wie der Leser damals genau weiß, deshalb fLihrt Horaz dies nicht weiter aus. Cocceius ist mit beiden Bürgerkriegsparteien befreundet, doch auch darauf weist der Dichter nicht hin. Nur von Fonteius Capito berichtet er, daß er der enge Freund des Mat"Cus Antonius ist, er stellt ihn ganz als dessen redegewandten

iUTUllfem me scire lIihil mirU/uur uf ullum seiliCe! eRreRii morfalem alfique siIellfi. Ein Einfall der Daker drohte zu der Zeit von Actium, auch die Landverteilungen an die Veteranen waren erneut ein Thema der Tagespolitik. Horaz nennt hier nicht die zentralen Fragen direkt zum Kampf zwischen Octavian und Marcus Antonius, doch waren dies sicherlich Prohleme, die den Zeitgenossen sehr ~~'ichtig waren. 'P. White, Promised Verse, hestätigt aus der Sicht des heutigen Forschers die Darstellung des Horaz: .,A poet qua poet can have no hasis for sharing that side of a ti"iend's life \\t1ich has to do with his capacity as an ofticial orator or jurist. hut he can fittingly playa role in his ofl"-duty life.", S. 5. '4 Die Satire wird aufgrund des klar hervortretenden politischen Hintergmndes der Reise zu datieren versucht. Die genaue Datierung hleiht aber trotzdem unklar. Maecenas ist in diesen Jahren oft diplomatisch für den Caesarerhen tätig. Es kann sich nicht um den Frieden von Brundisium vorn Oktoher 40 v. Chr. handeln, da Horaz erst später Maecenas vorgestellt wird. Zwei mögliche Datierungen hleihen, Herhst/Winter 38 v. Chr., als Maecenas zu Marcus Antor1ius nach Athen reist, sowie der Fliihling 37 v. Chr., in dem der Frieden von Tarent zwischen den Militärpotentaten geschlossen wird. Man weist heute darauf hin, daß Hor'az kein Historiker ist. Er kann literarisches Material wie Lucilius verwendet oder andere Reiseeindrücke eingearheitet hahen. So hleiht eine genaue Datierung z. B. mit Hilfe des von Horaz heschriebenen Quakens der Frösche - was auf den Frühling hinweisen würde - letztlich ti"ab'würdig. Vgl. HJ. Musurillo, Symbol and Myth in ancient Poetry, New Yorkl%L S.149-158, und P. M. BrO\\11, Horace Satires L Warm inster 1993, S.139f.

dafums?'

175

Freund dar. 75 Es mag von Interesse rur den Leser sein, daß Horaz in diesen wenigen Versen zweimal den Namen des Maecenas und des Cocceius nennt, aber nur einmal den des Fonteius Capito. In Sinuessa kommen zu seiner großen Freude Plotius Tucca, L. Varius Rufus und Vergil, Dichter wie er selbst, dazu.

76

Über viele Stationen geht der

Weg weiter nach Brundisium. Horaz berichtet ausschließlich über die Erlebnisse der (jeseIlschaft auf der Reise, Bewirtung, Scherze, abendliches Spiel. Er erzählt kaum von der politischen Bedeutng dieser Reise. Sie wird nur deutlich, als er die Ankunft des Maecenas, des Cocceius und des Fonteius Capito kurz darstellt. Maecenas und L. Cocceius Nerva charakterisiet1 der Dichter als schon bewährte (jesandte, die es gewolmt sind, entfremdete Freunde wieder zu versöhnen. 77 Mehr berichtet Horaz von dem überaus wichtigen politischen Hintergrund dieser Reise nicht. Vielmehr erzählt er, wie Maecenas abends zum Spiel fortgeht. Horaz hat der Ankunft der Dichterfreunde genauso viele Verse wie der der Politiker gewidmet. Bis auf die Benennung des Maecenas mit dem Epitheton optimus schildet1 er seine Freude über die eingetroffenen Dichter ungleich intensiver und ausdrucksvoller. Die Freundschaft und die Etzählung von Erlebnissen auf einer gemeinsamen Reise treten uns so als das Hauptthema der Satire vor Augen.

Der zeitgenössische wie der heutige Leser aber weiß, daß es sich bei der Reise, auf der Horaz diese Politiker begleitet, um eine (jesandtschaft mit dem Ziel handelt, bestehende Spannungen zwischen Octavian und Marcus Antonius zu lösen. Doch die Schilderung der Reise endet in Brundisium, die Politik beginnt erst später. Horaz macht nur Andeutungen zum politischen Anlaß der Reise, sonst ist seine Darstellung ganz unpolitisch. Wir haben sogar Schwierigkeiten, die Satire einmütig auf eine der (jesandtschaften des Maecenas zu datieren. Hat Horaz auch Einblick in die politischen Verhandlungen erhalten? So fragt sich der Leser sicherlich damals wie heute. Horaz berichtet nur von amüsanten Erlebnissen während der Fahrt. Nach den schon dargestellten eigenen späteren W011en des Dichters in Sat. Tl 6 ist er tatsächlich nur

' j Sat. I 5,3111": inferea Maecena\' advenif mque / Cocceius ('ßpifoque simul Fonfeius. ad un{iuem jUdus homo. Anfoni mJ/! uf ma{iis alter amicus -(' Sat I 5,39-44: Posfera lux orifur multo {irafissima; namque Plofius ef Varius Sinuessae Ver{iiliusque / occurnlllf. animae quaIis neque candidiores ferra fulif neque quis me sif devincfior alter. 0 qw compIexus ef {iaudia quanfajuenmf;' / nil e{io confulerim iucundo salms amico. - , Sat. I 5,27-29: Imc venfurus eraf Maecenas opfimus mque / Cocceius. missi ma{inis de rehus uferque / Ie{iafi. aversos solifi componere amicos.

176

(jeGihrte rur die Reise gewesen. In diesem (jedicht Sat. T 5 wird nicht deutlich, warum oder auf wessen Veranlassung diese Faht1 durchgefLihrt wird. Vielmehr tritt die Fähigkeit, die politische Aufgabe lösen zu kÖHnen, als eine bloße Charaktereigenschaft der mitfahrenden Politiker hervor. Horaz sagt nicht, daß diese Eigenschaften der Männer auf jener Reise eingesetzt Untemehmens

werden müssen.

Die Darstellung

ist rur ihn nur Anlaß, die Freundschaft

Reisegesellschaft zu [eiem.

und

des

fröhlichen

den Spaß der

78

Die Zeitgenossen dagegen haben wohl vor allem wahrgenommen, daß Horaz und die anderen genannten Dichter an einer solchen, rur die Politik wichtigen Reise teilgenommen haben. Da man voraussetzen kann, daß Horaz auch sonst öfter Maecenas begleitet hat, kann es nicht erstaunen, daß die Zeitgenossen durch ihn Einblick in das politische (jeschehen zu erhalten hoffen. Sie glauben offenbar, daß der Dichter aufgrund seines nahen Verhältnisses zu Maecenas direkt und vor vielen anderen weiß, was die mächtigen Männer in Rom planen. Deshalb muß sich Horaz später immer wieder gegen vorgefaßte Meinungen seiner Umwelt, aber auch gegen Neid wehren. Und so möchten manche Zeitgenossen durch Horaz Zugang zu Maecenas bekommen, um selber Einblick in das ]X)litische (jeschehen und darüber hinaus wohl auch Einfluß zu erhalten.

Horaz erzählt in den Satiren, die 35 und 30 v. ChI'. erschienen sind, viel Privates, von Freundschaft und seinem Leben. Maecenas tritt uns dabei als wichtiger Ansprechpartner, aber auch als wichtige und mächtige Persönlichkeit in der (jeseIlschaft entgegen. In den (jedichten des zweiten Satirenbuches ist uns Horaz bereits in Sat. Tl 6 auf dem Weg zu Maecenas begegnet. Die gleiche Situation ist in Sat. Tl 7. 32-35 gegeben, wo Horaz rur seine stets vorhandene Bereitschaft, zu Maecenas zu eilen, kritisiert wird. In Sat. Tl 3. 312f. wird an Horaz Ktitik geübt, daß er sich stets Maecenas zum Vorbild und zum Maß nimmt, obwohl er doch viel kleiner und ihm unähnlich sei. In Sat. Tl 8 wird ein (jastmahl geschildert, des.."len Ehrengast Maecenas ist. Er selber hat sogar zwei -, H. J. Musurillo. ehenda. S.158: .•... all this suggests timt the poem is a kind ofmock-epic celehrating in Epicurean style the joys of the Maecenaten circle." r.M. Brown kritisiert den Versuch. die Satire als Kritik zu sehen. die an .• hlind amhition and political vanity" und an .• the meretricious goals of political amhition" geüht werde. S.140. Die Satire seihst liegt nach Brown in der Darstellung der Erlehnisse auf der Reise. Für N. Rudd. The Satires of Horace. Camhridgel966. zei!o>t das Gedicht vor allem. daß Horazens Stellung im Kreis des Maecenas konsolidiert war. S. 61. U. Schmitzer. ehenda. sieht gerade Sat.

177

uneingeladene (jäste mitgebracht. Auch Dichter wie Varius sind anwesend. Die Einladungen konnten ein wichtiges soziales Ereignis sein. Betrachtet man aber die Darstellung des Maecenas, so ist er auf der einen Seite der Mittelpunkt, der Ehrengast, auf der anderen Seite wird er wieder ganz im pri vaten Bereich geschildert. Man unterhält sich über das Essen, über den Wein und das lustige (jeschehen während des Essens. Emeut wird durch die Position des Maecenas als Ehrengast angedeutet, wie wichtig seine Stellung ist, doch gezeigt wird er nur beim Spiel und in ähnlichen Situationen. Maecenas gehöt1 eindeutig zum privaten Lebensbereich des Dichters, und, vor allem, Horaz ist Teil der privaten Welt des Maecenas.

Was ist aber mit dem Thema des Bürgerkrieges? Der Kampf hat doch in der ganzen Zeit gewütet, während Horaz seine (jedichte verfaßt hat. (jerade erst als das zweite Satirenbuch im Jahr 30 v. ChI'. erscheint, hen'scht wieder Frieden. Betrachtet man die einzelnen Satiren beider Bücher, so ist in keiner der Satiren Maecenas mit dem Bürgerkliegsgeschehen verbunden, es wird in den (jedichten noch nicht einmal deutlich, daß zu dieser Zeit Bürgerkrieg henscht. Der Bürgerklieg bleibt in den bisher betrachteten Satiren als Thema im Hintergrund. Er tritt uns bisher nur in den Fragen der Zeitgenossen an Horaz entgegen, also erst in dem im Jahre 30

V.

ChI'. erschienenen

Buch. Die Fragen stellen dort nur Beispiele darur dar, wie die Zeitgenossen Horaz bedrängen. Es wird dabei nicht direkt gesagt, daß es sich um Fragen, die den Bürgerkrieg betreffen, handelt. 79 Es ist hier nicht die Intention des Dichters, das hellum civile vor Augen zu ruhren, er will die Reaktionen der Umwelt auf sein Verhältnis zu

Maecenas zeigen. Horaz spricht dort nicht explizit vom Bürgerklieg. Auch die weiteren Satiren beider (jedichtbücher zeigen keine Situation des Bruderkampfes, nie wird eine (jefahr deutlich - erst recht nicht in Sat. 1 5, dem iter Brulldisil1um, wo Horaz deutlich auf drohende Kämpfe hätte hinweisen können. In zwei weiteren Satiren, in denen Maecenas nicht als Protagonist auftritt und die erst nach Horazens Begegnung mit ihm geschrieben sind , tritt uns das Thema des Bürgerkrieges entgegen, doch nicht als eine (jefahr oder als ein Kampfgeschehen. Diese sollen später noch behandelt werden. so

I 5 als den Versuch des Horaz, den Maecenaskreis als ganz und gar ahgewandt von der Politik darzustellen, S. 20. - Doch der Dichter wird mit Sat. I 5 eher das Gegenteil erreicht hahen. '9 Vgl. S.173f und Anm. n. iill Vgl. S. 224ft·.

178

Was zeigen die Satiren

VOll

dem Bürgerkrieg und der Bewußtseinslage der

Zeitgenossen während dieser Zeit? Einerseits ruhren uns diese Satiren aus den 30er Jahren die Stellung des Maecenas und der Männer seiner näheren Umgebung vor Augen. Maecenas erscheint als mächtige, einflußreiche Persönlichkeit

VOll

hoher

Abkunft, doch nicht als handelnder Politiker. Die Fragen der Zeitgenossen haben bereits gezeigt, wie man auf die Stellung des Maecenas und auf seine Umgebung reagierte. (jerade dadurch wird in Horazens Dichtung deutlich, welch einflußreiche Stellung Maecenas innehat. Es scheint aber ein Widerspruch zu bestehen zwischen dem, was Horaz über den Bürgerkrieg mitteilen will oder kann, und dem, was die Zeitgenossen VOll

ihm zu erfahren suchen. Wie stellen sie sich also die Stellung eines Dichters, der

der Solm eines Freigelassenen ist, vor? Was sagt dies über die Identität der Bürgerschaft in den 30er Jahren? Die Antw011 lautet: Die Identität der Bürgerschaft, die nun von einem

Dichter aus

der Reisegesellschaft

eines

einflußreichen Mannes

einer

Bürgerkriegs-partei Wichtiges über die Tagespolitik zu erfahren sucht, ist in Auflösung begriffen. Man schaut nur noch auf die mächtigen Männer und ihren Anhang. Zugleich kann man dadurch aber erkennen, wie sich die Zeitgenossen in ihrem Bewußtsein vom Staat neu an dem Anhang der Mächtigen orientieren.

Auf welche Weise aber, in welcher Rolle wird Octavian in den Satiren dargestellt? Der Caesarerbe wird in dem ersten Satirenbuch nur einmal genannt. In Sat. 1 3 behandelt Horaz ein philosophisches Thema. Er bespricht die Fehler einzelner Menschen, zuerst die Eigenart der Sänger, die sich weigem, aufgefordert ein Lied vorzutragen, unaufgefordet1 aber gar nicht mehr aufllören können. Mit Namen nennt Horaz einen Sänger namens Tigellius, der bei Octavian und seinem Adoptivvater offenbar sehr beliebt war. 81 Selbst auf Bitten Octavians, der auf seine amicitia und die seines Vaters zuvor verweist, lehnt dieser es ab zu singen .

... Caesar, qui cogere posset, si peteret per amicitiam patris atque suam. non

quidquam projiceret ... 82 ,I Sat. 1 3,1-20 zu den Sängern und Tigellius im hesonderen. Vgl. zu dieser Stelle J. Gritlin. Augustus and the Poets: 'Caesar qui cogere posseL in: Caesar Augustus. Seven Aspects. S.189-218. Er vergleicht die Stelle mit epist. 11 1,228. Doch in dem Briefan AUb'Ustus herrscht eine gänzlich andere Situation. auch die Umstände des Schreihens hahen sich verändert. ,2 Sat. 1 3,4-6

179

Octavian und auch der Diktator werden in dieser Satire mit einer besonderen Berufsgruppe, den Sänge111, in Verbindung gebracht. Horaz gebraucht dabei den Begriff

amicitia. Dies zeigt, daß die amicitia ein sehr dehnbarer BeglifT war, denn hier ist er rur

eine Beziehung mit einem klar ersichtlichen sozialen (jehille - Tigellius stammt aus Sardinien - verwendet worden. Horaz geht davon aus, daß Octavian den Sänger eigentlich zwingen könnte - er muß dabei an dessen politische Stellung denken -, doch lieber als amicus um ein Lied bittet. Der Sänger kann offenbar wegen seines künstlerischen Ansehens die Bitte ablehnen. Octavian aber nutzt seine politische Macht nicht aus.

Octavian tritt uns im ersten Satirenbuch erst in der dritten Satire entgegen und nur dort, zudem nur in einem Teilaspekt der Satire. Er wird nicht mit Dichtung und Dichtem in Verbindung gebracht. Denn auch in Sat. 110. 81-88 wird er von Horaz nicht unter den Männem genannt, denen der Dichter mit seinen (jedichten gefallen möchte. Dort nennt Horaz Männer wie Maecenas, Asinius Pollio und Messalla, andere Dichter wie Plotius, Varius, Vergil, Octavius,83 oder Aristius Fuscus und die Brüder Viscus, C. Calpumius Bibulus, den Stiefsohn des Brutus (Horaz kennt ihn seit Athen), Sen/ius, C. Fumius, einen bedeutenden Redner, - es ist nicht deutlich, ob dies der bereits erwähnte C. Fumius oder des.."len Sohn ist, aber der ältere Fumius ist zu dieser Zeit noch ein Parteigänger des Antonius 84 -, und andere doctos ... amicos, deren Namen Horaz nicht nennen will, also Männer verschiedener Parteiungen und

von

verschiedenem

Herkommen, die auch durch ihre literarischen Tätigkeiten bekannt sind. Für Horaz gehört Octavian also in dem 35

V.

ChI'. erschienenen Satirenbuch nicht zu solchen

Männem. Er wird aber hier auch nicht mit dem hellum ch'i1e in Verbindung gebracht. Der Dichter tastet sich in den Satiren sehr vorsichtig an den Caesarerben heran. Daß er vorher schon Umgang mit ihm hatte, ist wahrscheinlich, doch hat er dies in seiner Dichtung nicht berührt.

,1 Für K. Quinn. The Poet and his Audience in the Augustan Age. S.119. Anm. 137. schließt diese Liste auch Octavian ein. Horaz aher würde diesen nie Octavius - auch nicht Octavian - nennen. sondern Caesar. Er müsste also zu den nicht explizit mit Namen genannten Männern gehören. ,4 Vgl. zu ihm S. 87ft:

180

In dem ersten Satirenbuch - also Mitte der 30er Jahre - ist Maecenas die Hauptperson, Octavian begegnet uns hier nur

a111

Rand. Er tritt dem Leser, dem

zeitgenössischen wie de111111odemell, in der Dichtung des Horaz erst in dem im Jahre 30 v. ChI'. erschienenen zweiten Satirenbuch und dem gleichzeitig veröffentlichten Epodenbuch mit einer größeren Bedeutung entgegen.

Auch das Epodenbuch, das über den gesamten Zeitraum des Dezenniums der dreißiger Jahre entstanden ist, ist Maecenas gewidmet. 85 Horaz wendet sich darin in ganz verschiedenen Bereichen an den 111ächtigen Mann, in einem sehr privaten Bereich, auf sehr vertrauter Ebene, und in einem Bereich, der auch große Vet1rautheit ausdrückt,

aber mit der politischen Ebene eng velwoben ist.

Zunächst sollen die (jedichte, die Maecenas nur auf einer privaten Ebene ansprechen, kurz betrachtet werden, obwohl sie in der Reihenfolge des (jedichtbuches nachgeordnet sind. Ein verspieltes (jedicht, die Epode 3, scham eine große Nähe zu dem als iocosus angesprochenen Maecenas. 86 Offenbar hat Horaz bei diesem ein (jericht mit Knoblauch vorgesetzt bekommen und schildert nun dessen scharfe Wirkung. Wenn Maecenas selbst ein solches Mahl zu sich nimmt, so soll seine puella, das wünscht Horaz, sich von ihm zurückziehen. Das ganze (jedicht drückt große Intimität zwischen Dichter und dem mächtigen Mann aus.

In der 14. E]X)de wird deutlich, daß Maecenas Horaz drängt, das Epodenbuch fertigzustellen. Doch Horaz ist gefangen in einer Liebesbeziehung. Aber auch Maecenas, der selbst in Liebe entbrannt ist, soll sich dieses (jlücks erfreuen. Horaz nennt ihn hier Cill1didus Maecel1as. 87 Das (jedicht zeigt auf der einen Seite ihre enge persönliche Verbundenheit, auf der anderen Seite das Interesse und den Einfluß des Maecenas aufHorazens Dichtung.

,l

M. v. Alhrecht Geschichte der römischen Literatur. Bd. L München 1994. S. 566. datiert die Veröffentlichung der Epoden etwas früher. hald nach Actium (nach 31 v. ehr.). das Erscheinen des ersten Satirenhuches auf 35/34. das des zweiten Satirenhuches auf 30/29 v. Olr. iii; Vgl. epcxl. 3. 20. wo Maecenas als iocosus angesprochen wird. Ein sehr nahes Verhältnis dliickt auch c. 1117 aus. vgl. dazu D. West. Cur me querelis (Horace Odes 2.17). AJPhl n (1991). 45-52. " Epod.14. 5: wlldide Muecellus. occidis suepe TO{iUlldo Horaz nennt auch die Dichterfreunde VergiL Plotius und Varius wIldidus in sat. I 5, 3942

181

Horaz befaßt sich in beiden (jedichten mit dem Pri vatleben des Maecenas, mehr noch, er setzt es mit seinem eigenen nahezu parallel. Das Verhältnis zwischen den beiden Männem scheint sehr innig zu sein. In beiden (jedichten stehen sie anscheinend auf einer Ebene. Wenn Maecenas Horaz auch drängt, das Epodenbuch zu vollenden, befinden sie sich doch

beide in der gleichen Situation, da beide in einer

Liebesbeziehung gefangen sind. Doch Maecenas begegnet uns im Epodenbuch auch in seiner politischen Rolle.

In den Epoden gelangt der Bürgerkrieg wenige Jahre später nun auch ganz anders als in dem ersten Satirenbuch in die Dichtung des Horaz. In den (jedichten 1 und 9 behandelt er die Situation bei der Schlacht von Actium. Es soll zunächst vor allem die Frage gestellt werden, was sie über das Verhältnis des Dichters zu Maecenas, aber auch zu Octavian sagen, und was über das Verhältnis des Maecenas zu Octavian erzählt wird. Denn hier, in den Epoden 1 und 9, finden wir weitere, sehr frühe - nach einer siebenjährigen Vertrautheit mit Maecenas - direkte Äußerungen des Dichters zu Octavian.

In der ersten Epode schafft die Freundschaft zu Maecenas, den Horaz zät1lich als amicus anspricht, mit dem gemeinsam er die Unsicherheiten eines Kampfes auf sich

nehmen will, die Verbindung zu Octavian. Horaz zeigt, wie Maecenas seinerseits mit seinem Freund die (jefahren des Kampfes bestehen will. Das vorhen'schende Thema ist offenbar die Freundschaft Horazens zu Maecenas.

Ihis Lihurnis inter alta navium. amice, propugl1acula, paratus onme Caesaris periculum suhire, Maecenas, tuo. quid I70S, quihus te vita superstite iucunda, si contra, gravis? roges tuum lahore quid iuvem meo. imhe11is acjirmus parum: comes minore sum fotums in metu. qui maior ahsentis haher,

182

lihenter hoc et onme militahitur hel1um in tuae spem gratiae ... 88

So bringen die beiden Freundschaften eine Verbindung der drei Männer hervor. Caesar wird nur mittelbar zum Thema durch die Freundschaft des Maecenas zu ihm. Er wird in der Epode nur einmal genannt. 89 Horaz erzählt nichts von Actium oder gegen wen der Kampf überhaupt gerichtet ist. Er schildert seine tiefe Freundschaft zu Maecenas. Der Zeitgenosse weiß, von welcher Schlacht Horaz spricht, doch sind in diesem Widmungsgedicht die (jefUhle des Horaz offenbar wichtiger als alles andere. Die Bedeutung der Schlacht wird allein durch die Position des (jedichtes betont.

In der 9. Epode verschiebt sich das (jewicht. Horaz wendet sich emeut an Maecenas,90 doch nun will er mit ihm zusammen den Sieg Octavians feiem. Der Sieg, die vorausgehende Sorge um Octavian sind nun das Hauptthema des (jedichtes. Maecenas tritt dahinter zurück. Octavian wird in der Epode noch vor Maecenas genannt,91 doch wird Maecenas vom Dichter direkt angesprochen. Er scheint anwesend zu sein; Octavian ist das Thema, über das sie sprechen. Horaz befindet sich mit Maecenas in einem (jespräch, in dem sie sich über Octavian, d. h. über dessen entscheidenden Sieg bei Actium, unterhalten. Er schafft in diesem (jedicht eine persönliche Basis zu Maecenas, mit dem zusammen er feiem will; Octavian scheint vom Dichter nicht nur räumlich weit entfemt zu sein, sondem auch auf der persönlichen Ebene. Horaz zeigt also eine größere Nähe zu Maecenas, doch Octavian und sein Sieg sind das Hauptthema des (jedichtes. 92 Horaz wendet sich beiden Männem auf ganz verschiedenen Ebenen zu. In der 1. Epode hat Maecenas noch die wichtigere Position im (jedicht, doch bereits hier in der 9. Epode schiebt sich die (jestalt Octavians in den Vordergrund.

Aber Maecenas

und

Octavian gehören in den

beiden Epoden

unterschiedlichen Bereichen an, der eine ist das Thema, der andere der Partner im Dialog.

iiii Erodl . 1-6,15-18 und 23-24. Die Verse dazwischen füllt Horaz mit exempla. ii9 Er od. l . 3 \l.) Erod. 9.4: heale Maecellas 91 Erod. 9. 2: vicforia .. Caesare .. ~ Zur Darstellung der Schlacht vgl. Kar. 5.2.

183

C. 1 37 ist das zeitlich folgende (jedicht, in dem uns Octavian begegnet. Mit dieser

Ode beginnend, also nach Ende der Bürgerkriege, treten uns Maecenas und Octavian mit nur einer Ausnahme in den Oden des Horaz - getrennt in verschiedenen (jedichten, die zudem eine unterschiedliche Thematik aufweisen, entgegen. Maecenas erscheint in der Cleopatra-Ode, in der Horaz den Sieg Octavians feiel1, nicht mehr. Horaz spricht allgemein die sodales (V 4) an, gemeinsam den Sieg zu feiem. Nur in der ersten Zeit, in den beiden Epoden 1 und 9, als Horaz zur Zeit von Actium beginnt, auch Octavian in seiner Dichtung zum Thema zu machen, verbindet er Maecenas mit ihm.

In dem zweiten Satirenbuch, das 30 v. ChI'. erscheint, begegnet uns Octavian wieder. Er wird im (jegensatz zu dem ersten Satirenbuch gleich in der ersten Satire genannt. Diese ist später als die beiden Actium-E]X)den zu datieren. Auf Maecenas treffen wir hier erst in der dritten Satire, wie auf Octavian zuvor im ersten Buch. 93 Auch dadurch kann man sehen, wie der Caesarerbe in den Vordergrund tritt. Er wird aber nicht direkt vom Dichter angesprochen. Horaz diskutiert mit dem Rechtsgelehl1en Trebatius, worüber er dichten soll. Der (jesprächspm1ner des Horaz, C. Trebatius Testa, ist ein berühmter Rechtsgelehl1er der Zeit, ein Freund Ciceros und sehr angesehen bei AugustuS. 94 Dieser rät ihm, wenn er überhaupt dichten müsse, die Taten des unbesiegten Octavian - das (jedicht ist also nach Actium entstanden - zu nennen:

'aut, si tantus amor scrihendi te rapit, aude Caesaris iln'icti res dicere. multa lahorum praemia laturus ..95

Doch Horaz, der eben noch über Actium gedichtet hat, kann nach seinen eigenen Worten nicht Schlachten besingen. Trebatius erwidel1, er solle dann Octavians Charaktereigenschaften beschreiben:

Sat. " 3,3121: Maecenas tritt aher noch in sat. " 6. sat. " 7,33 und sat. " 8 auf: allerdings immer im privaten Bereich. als Gast oder als Gastgeher. Vgl. S.176f. 94 Ed. FraenkeL Horaz. geht auch von einer engen Bekanntschaft des Horaz mit Trehatius auf einer Vertrauenshasis aus. er hetont. daß zudem heide aus demseihen T eil Italiens kamen. S.174. 91 Sat. " 1,10-12 91

184

Ättamel1 et iustum poteras et scriherefixtem. Scipiadam ut sapiel1s Lucilius .. 'Haud miM deero. cum res ipsaferet. l1isi dextro tempore Flacci verha per attel1tam /10/1 ihul1t Caesaris aurem. cui male si palpere, recalcitret ul1dique tutus.· 96

Octavian erscheint hier als Thema der Dichtung, aber auch als ungeduldiger 7

Zuhörer. Die sehr späte Satire,9 wohl die jüngste beider Satirenbücher, zeigt ein neu es Bild davon, wie der Dichter mit dem Caesarerben umgeht. Er ist als möglicher Zuhörer genannt, auf den man Rücksicht nehmen muß, aber er bleibt vor allem durch seine militärischen Erfolge wichtiges Thema von Dichtung. Auch wenn Horaz ihn als "schwierigen" Hörer seiner (jedichte betrachtet, macht er deutlich, daß dieser dann selbst zum Thema der Dichtung wird, aber offenbar keinen Anteil an ihrer Entstehung hat. Man kann hier eine Entwicklung in dem Verhältnis zwischen Octavian und Horaz deutlich erkennen.

In den jüngeren Odenbüchem wendet sich Horaz in verschiedenen (jedichten an die beiden Männer;

Maecenas

bleibt dabei

stets auf einer anderen Ebene

als

OctavianlAugustus. Sie gehören rur den Dichter selbst offensichtlich auch hier unterschiedlichen

Lebensbereichen

an.

Der

eine

ist

rur

ihn

der

vertraute

Ansprechpartner, der andere ist Thema, vielleicht Zuhörer, weniger Partner im literarischen Dialog.

In der einzigen Ode, in der beide Männer gemeinsam erscheinen, wird dies besonders deutlich.

(jerade

hier,

in

der späteren Dichtung, zeigt sich, wie

unterschiedlich Horaz in seiner Dichtung mit den beiden Männem umgeht. In c. Tl n werden Maecenas und Octavian/Augustus in einem (jedicht genannt. 98 Doch es ist signifikant, daß Maecenas emeut direkt vom Dichter angeredet und emeut die Situation eines

(jesprächs

mit

ihm

geschaffen

wird,

während

die

Schlachten

des

Octavian/Augustus als Thema eines (jedichtes aufgeruhrt werden. Horaz lehnt es in dieser Ode ab, Kämpfe zu besingen, die sich besser rur ein (jeschichtswerk eignen. Maecenas scheint dem Dichter ganz nah, der Princeps weit entfemt von ihm und seiner 9('

9"

Sat." 1,16-20. VgL N. Rudd. ehenda. datiert diese Satire als die späteste der Satiren üherhaupt. S.124.

185

Dichtung zu stehen. Zwar sind seine Schlachten besonders erhöht dargestellt, doch die persönliche Nähe fehlt. Zudem wird durch die Aufzählung der anderen möglichen Themen zuvor eine noch größere Distanz geschaffen. Es existiert dagegen eine enge Verbindung zwischen dem Dichter und Maecenas, die ganz auf einer persönlichen Basis zu stehen scheint. Zwischen dem Verhalten des Dichters gegenüber Maecenas und dem gegenüber Octavian, sowie in deren Darstellung besteht ein großer Unterschied, der eine ist Ansprechpartner, der andere ist Thema eines (jedichtes. In den weiteren (jedichten verbindet Horaz nie mehr Maecenas mit Octavian. Dies zeigt ein ganz unterschiedliches Verhältnis des Dichters zu den beidenmächtigen Männem. Erst spät, in dem Brief an Augustus, epist. Tl

I,

erscheint Augustus als Partner im literarischen Dialog. Dazu ist der

Dichter aber offenbar vom Princeps aufgefordert worden. Wie rur Vergil ist Maecenas auch rur Horaz der vertraute Freund auf privatem und literarischem (jebiet; den Princeps verbindet er mit anderen Aufgaben. Die hohe Abkunft des Ritters Maecenas wird zwar immer wieder betont und gerühmt,99 doch Horaz will Maecenas später sogar von der Politik abbringen und zu sich und seinem Leben in Muße hinruhren. loo Er widmet ihm (jedichte, die eng mit dem pri vaten Bereich und seiner Dichtung verbunden sind. Maecenas gibt Horaz die Unsterblichkeit des (literalischen) Ruhms, der sich über Rom hinaus auch bis hin zu fremden, rur den Römer barbarischen Völkem erstreckt. lol Horaz wird dann als Dichter selbständiger, wie die epist. 1 7 zeigt, das vierte Odenbuch widmet er als ganzes dem Fabius Maximus. 102 Doch in der Ode

lVII

schenkt er

Maecel1as meus (Vers 19) emeut ein (jedicht zu dessen (jebu11stag, das die innige

Verbindung beider Männer ungebrochen zeigt.

Kiessling/Heinze datieren die Ode wohl ti"ühestens auf Mitte der :Wer Jahre. C. , 1,1: Maecellas. alavis edile regihus ... ; c. , 20,5: care Maecellas. eques ... ; c. 111 16,20: Maecellas. equilum decus; c. "' 29, I: Tyrrhella regum progellie.I" .. II~) Vgl. C. 111 8,1711:: mille civifis super urhe curas: / lIeglegells, lIe quapopulus lahoref, i parce privafus lIimium cavere ef / dOlla praesellfis cape ladus Iwrae: / fillque severa. Ehenso c. "' 29. wo er die hohe Ahkunft des Maecenas mit der Auffordemng verhindet. das einfache Lehen auf dem Land zu genießen. Vgl. zu dem Zeitgeist. der sich dahinter verhir!o>t. S.199ff und S. 283ft:. hesonders S. 298ft: 1111 C. , I; c. " 20; ~. "' 30. Gerade daran macht man auch die zunehmende Selhständigkeit Horazens deutlich: Er hetont in c. , I und c. " 20 zuerst. daß Maecenas ihm den Ruhm geschenkt hahe. später soll allein die Muse Melpomene ihn hekränzen. Horaz seihst offenhart in seiner Funktion als Dichter ein ständig anwachsendes Selhsthewul.ltsein. vgl. c. 'V 8 und c. 'V 9. Er weiß. daß erst durch den Dichter der Ruhm der Mächtigen bei den folgenden Generationen weiterstrahlt. - Heute wird das Schenken von Ruhm an den Gönner im Austausch zwischen Dichter und Gönner durch den Dichter oft sehr wichtig genommen. IIU Für K. J. Reckford. ehenda. widmet Horaz dieses späte Odenhuch dem Fahius Maximus. da es für die Jugend bestimmt sei. Fahius Maximus aher die Zukunft Roms repräsentiere. S. 208. 9, 99

186

Wirft man l10ch einmal einen kurzen Blick auf Horazens gesellschaftliche Stellung, so hatte er in den Augen der Zeitgenossen bereits zur Zeit des Bürgerkrieges Einfluß auf den mächtigen Mann und Einblick in die Tagespolitik. Später zeigt er in den Episteln selber, wie er in der (jesellschafl anerkannt wird. Auf der einen Seite hat er sich als Dichter inmitten des literarischen Lebens in Rom einen Namen gemacht; so ist er deljenige, der auf Aufforderung des Augustus das carmen saeculare zur Feier des neuen Zeitalters verfaßt. Die Bedeutung der Feier und damit der Aufgabe stellt seine Stellung deutlich heraus. Auf der anderen Seite zeigt ein Empfehlungsschreiben des Horaz, epist. T 9, in dem sich der Dichter rur seinen Freund Septimius bei Tiberius verwendet, seinen Einfluß, macht aber auch deutlich, daß andere ebenfalls wissen, daß er etwas im Haus des Augustus bewirken kann. Er bewegt sich also innerhalb der Mächtigen, er gewinnt immer mehr an Ruhm als Dichter, vor allem aber ist er angesehen in der (jeseIlschaft der Zeit.

4.4 Properz und die mächtigen Männer Properz stand bei der Veröffentlichung der Monobiblos Maecenas und den Dichtem um ihn herum offenbar fem. 103 Er splicht in seinem zuerst erschienenen (jedichtbuch immer wieder - auch in der Spllragis - Tullus an. 104 Ovid erzählt später von einem sodalicium, dem Properz und er angehörten. lOS Trgendwann zwischen den Jahren 28 - in

diesem Jahr ist die Monobiblos erschienen - und 25 v. ChI'. schließt auch Properz sich enger Maecenas an und widmet ihm das (jedicht TlI. Das zweite (jedichtbuch ist wohl nach 26 v. ChI'. erschienen. Das Verhältnis zu Maecenas gestaltet sich aber ganz anders als die Beziehung zu Tullus. Tullus erscheint als ein enger Freund des Properz in der Monobiblos, die Nähe zwischen den beiden tritt immer wieder deutlich hervor. Später

11)1 Vgl. B.K. Gold. Literat)' Patronage in the Augustan Age: Propertius and Maecenas. Arm Arhorl975. dies. (ed.). Literary and Artistic Patronage in Ancient Rorne. Austin.1982. darin: Propertius 3.9: Maecenas as Eques, Dux, Faulor. S.I03-117. dies. (ed.). Literary Patrorlage in Greece and Rome. Chapel Hill/LondonI987. zu Properz S. 142-1 n. 1114 Bei dem angesprochenen Tullus handelt es sich wohl um den Neffen des L. Vo1cacius Tullus. vgl. B. K. Gold. Literary Patronage ... Austinl987. S.143fI Tullus sind die Gedichte 11. 16.114.122 und 11122 gewidmet. IÖl Ovid. trist. 4,10,45-48: saepe suos solilus recilare Properfius iRlles / iure sodalicii, quo milli iUllcfus eral / POlllicus lIeroo, Ba\'sus quoque cIarus iamhis / dulcia cOllvicfus memhrajiwre mei Bassus tritt als Freund des Properz auf in Prop. I 4 und Ponticus in I 7 U. I 9.

187

widmet Propel'Z ihm emeut ein (jedicht,

rn :n. I06

(jerade in den (jedichten an Tullus

erläutel1 er wichtige Lebensinhalte. Aber auch in den (jedichten an Maecenas - wie in denen an Tullus - macht er wichtige Überzeugungen hinsichtlich seiner Art zu leben, aber auch zu dichten, deutlich. Properz geht also mit beiden Männem grundsätzlich in einer ähnlichen ronn um. Doch es besteht ein Unterschied in der persönlichen Nähe.

Maecenas sind nur zwei (jedichte gewidmet, TI I und TTT 9, beide (jedichte fallen aber

in ihrer Thematik aus den (jedichtbüchem heraus. Dabei wird deutlich, daß Properz im Vergleich zu seinen beiden Dichterkollegen merklich anders zu Maecenas und zu Augustus steht. (jerade die einmütige Interpretation der (jedichte des Properz scheint betrachtet man den Stand der heutigen Forschung - Schwierigkeiten zu bereiten. Wie soll man sein Verhältnis zu Augustus, gerade nach den Elegien 1 21 und 1 22, beurteilen? lo 7 Hier soll zunächst betrachtet werden, wie Properz sich an Maecenas wendet, was er in ihm sieht und wie er ihn mit Augustus verbindet. Mit diesen (jedichten befinden wir uns nun in den 20er Jahren, also mehrere Jahre im Flieden.

In dem ersten (jedicht, das das zweite Buch einleitet und so das ganze (jedichtbuch dem Maecenas widmet, nimmt Properz zu dem Thema seiner Dichtung allgemein Stellung. Die puella schafft ihm dichterischen (jeist und gibt ihm die Themen ein. Diese Äußerung entspricht ganz der Monobiblos. Da aber wendet sich der Dichter rur den Leser unvel111ittelt an Maecenas: quod miM si tal1tum, Maecenasfata dedissent, ut pos sem heroas ducere il1 arma mal1us. 11011 ego Tital1as cal1erem, 11011 Ossal1 O~vmpo impositam, ut caeli Pe1üm esset iter, l1ec veteres Thehas l1ec Pergama, 110m eil Homen·. Xersis et imperio hil1a coisse uada, regl1aue prima Remi aut al1imos Carthagil1is altae Cimhrorumque mil1as et helle facta Mari:

bellaque resque tui l1lel1lorarel1l Caesaris et tu Caesare sub l1lagno eura seeunda fores.

20

25

l1am quotiel1s Mutil1am aut, ciuilia husta, Philippos aut cal1erem Siculae c1assica hella fogae 1IX' J.E.G. ZetzeL The Poetics of Patronage in the Late First Century B. c.. in: B.K. Gold. Literary and Artistic Patronage in Ancient Rome. S. 87-102. glaubt. dal.\ in diesem Gedicht nicht Tullus. sondern der Leser der Angesprochene sei. Tullus sei nur genannt. um eine Verhindung zu 16 herzustellen. S. 99. 10" Vgl. S.132ff

188

euersosque jbcos ill1tiquae gel1tis Etruscae et Ptolemaeei litora capta Phari. auf Cill1erem Aegyptum et Nilum, cum attractus in urhem septem capfiuis dehilis ihat aquis. auf regum auratis circumdata colla catel1is. Actiaque in Sacra currere rostra Via: te mea Musa illi.'! semper contexeret armis,

30

35

et SUl1lpta et posita pace fidele caput: Theseus in/ernis, supen".\' testatur Achi11es. hic [xümidel1. i11e Mel1oetiadel1.

I08

Als die wichtigste Aufgabe des Maecenas nennt Properz in Tl I, daß dieser dasjide1e caput des Ersten Mannes sowohl im Ptieden wie im Klieg sei. Er verdeutlicht die tiefe

Freundschaft des Maecenas zu Augustus durch tui

Caesaris , sowie vor allem durch

die zwei berühmten Preundespaare Theseus und Perithous, Sohn des Txioll, und Achilles und Patroklos. Maecenas wird hier aber auch in Verbindung mit Augustus nun selbst zum - zweiten - Thema der Dichtung, d. h. bei der Schilderung von Kämpfen. Properz nennt zwar die Tätigkeit des Maecenas rur den Caesarerben im Frieden, also im diplomatischen Bereich, doch besingen würde er dessen Taten im Kampf - im Bürgerkrieg!lo9 Eine solche Funktion hatte Maecenas bei Vergil und Horaz nicht. 11o Tatsächlich setzte sich Maecenas

vor allem

im diplomatischen Bereich, auf

(jesandtschaften oder in der Velwaltung ein. Properz schafft damit ein neues Bild von Maecenas. Er betont neue Charakterzüge und setzt sie - auch das ist neu - in enge Beziehung zu Augustus. Horaz hatte zwar Maecenas in Epode 1 als h-euen Freund des Caesarerben gezeigt, der mit diesem gemeinsam die (jefahl-en des Kampfes auf sich nimmt, doch dies war nur ein Moment in der Darstellung der beiden Männer, die Freundschaft des Dichters selbst zu Maecenas das Hauptthema der Epode 1; bei Properz ist die Freundschaft des Maecenas zu Augustus das Hauptmotiv. Er spricht nicht von seinem eigenen Verhältnis zu Maecenas. Horaz trennt diesen in seiner spätel-en Dichtung stets von Caesar und schildert ihn im pri vaten Bereich. Properz dagegen stellt

Prop." 1,17-38 1119 Mit dieser technischen Form der praeferifio. durch die man zunächst vorgiht. etwas nicht sagen zu wollen und nicht zu können. und es dann aher doch tut. giht der Dichter dem Gesagten einen ironischen Ton oder oder macht die Angelegenheit wichtiger. 1111 Vgl. L. Richardson. Propertius Elegies I-IV. ed. with Introduction and Commentary. verweist auf die vor allem im diplomatischen und verwaltungstechnischen Bereich liegenden Tätigkeiten des Maecenas: .. It may he this enforced ahsence of his patron ti"om the thick of excitement timt P. is especially anxious to ennohle; it was during the ahsence of Octavian at Actium that Maecenas uncovered the conspiracy of the younger Lepidus.'. S. 214. Illii

189

ein Thema in den Vordergrund, das bei Horaz nur temporär hervorgetreten ist und immer

VOll

anderem überlagert wurde.

Aber auch Properz ruft im privaten Bereich der letzten Verse der Elegie Maecenas noch einmal als Privatperson an. Maecenas, der hier als Hoffhung der Jugend des Properz und Ruhm gleichel111aßen seines Lebens und seines Todes genannt wird, soll den durch die Hartherzigkeit der puella umgekommenen Dichter beweinen. 111 Nur an dieser Stelle scheint eine persönliche Nähe zwischen Dichter und mächtigem Mann zu bestehen, da nur hier Maecenas mit der Person und den Hoffnungen und Ängsten des Dichters verbunden wird. Auch Tullus hatte Propel'Z aufgefordert, daran zu denken, unter welch schwierigen Bedingungen er wegen seiner puella leben müsse (I 631-36). So scheint zumindest in diesen Versen von TI UHr das Verhältnis zu Maecenas ähnlich nahe wie das zu Tullus zu sein. Zudem nennt Properz Augustus in diesen Versen nicht: Dieser und seine Kämpfe sind das Thema von Dichtung, er ist nicht selber Ansprechpartner.

Doch die Darstellung des Maecenas als tl'euer Freund des Augustus überwiegt. Dadurch, daß Maecenas nun selbst zum Motiv von Dichtung wird und sein Hauptcharakteristikum seine Treue zum Princeps ist, wird aber auch Augustus stärker in die Dichtung allgemein einbezogen.

Maecenas gehört in der Elegie nur bedingt in die dichtetische Welt. Properz betont also spezielle Charakterzüge des Maecenas, setzt diesen in die aktive, ]X)litische, aber vor allem militärische Welt - im (jegensatz zu Vergil und Maecenas. Dies zeigt aber nicht, daß Augustus die literarischen Interessen und Aufgaben des Maecenas an sich gezogen hat, sondem illushiert auf der einen Seite die immer stärker in den Vordergrund tretende Person des Ptinceps, auf der anderen Seite, daß nun neue (jesichtspunkte im Denken der Zeitgenossen wichtig werden, die in der nächsten zu besprechenden Elegie noch klarer hervortreten. Denn diese neue Charakterisierung und

111 Prop. " 1,7111'.: qual1documque iRifur uifam mea .fafa reposcenf. ef hreue in exiRuo marmore nomen ero. / Maecenas. nosfrae .\pes inuidiosa iuuenfae, ef tlifae ef morfi Rloria iusfa meae, i si fe .fr)rfe meo ducef uia proxima husfo, esseda caelmis sisfe Brifmma iURis, / faliaque illacrimans muJae iace uerha jauilIae: 'Huic miserojafum dura pueIIajilif '

190

Darstellung des Maecenas durch Properz zeigt bereits Züge des Bewußtseinswandels der Zeitgenossen.

Properz aber scheint in diesem Moment Octavian/Augustus noch ganz rem zu stehen. Er betont, daß es Maecenas' Caesar sei, tuus, (V 25)112, und vor allem: Er zählt die Bürgerkriegsschlachten auf, bei denen Octavian einer der Protagonisten war und zählt sogar Actiu111 dazu! Doch auch Maecenas verbindet er mit jenen Waffen, Prop. TI 135f. , te mea Musa i11is sem per cOl1texeret armis, / et sumpta et posita pace fidele

caput .. Kanll111an also annehmen, daß Propel'Z diese Verse als Ktitik meint, wo er doch

Maecenas das (jedichtbuch widmet? Oder zeigt er nur den rur einen Moment möglichen, völlig neutralen Umgang mit dem Bürgerkriegsgeschehen, wo man die Ereignisse deutlich benennen kann? Für diesen Augenblick in der Untersuchung soll die Besonderheit der Darstellung vorerst nur herausgehoben werden, um sie später noch einmal genauer zu betrachten. lu

In dem nächsten Maecenas gewidmeten (jedicht hohe Abkunft des Maecenas.

114

rn

9 rühmt Properz zunächst die

Hier gleicht er Horaz. Emeut lehnt er es ab, ein Epos

über Augustus zu schreiben. Auch dies hatte schon Horaz in seiner Dichtung vorgeHihrt, in c. Tl n. Die sogenannte recusatio, die die F01111 beider an Maecenas gerichteten (jedichte behe11'schl, ist ein gängiges Motiv in der Dichtung dieser Zeit und hebt das abgelehnte Thema oft in einen noch höheren Bereich des Lobes. Properz findet aber eine neue Begründung. Er bringt daHir diesmal das eigene Verhalten des Maecenas vor:

at tua, Maecellas, uitae praecepta recepi. cogor et exemplis te superare tuis. cum tihz" Uomallo domilla,\" ill hO/lOre secun's et liceat medio pOllere iuraj(JTO. uel tihz" Medorum pugllaces ire per hastas atque O/lerare tuam jLya per arma dom um.

25

112 H.-P. Stahl. Propeltius: .,Love" and .,\Var" macht auf die Schwierigkeiten dieser Formuliemng aufmerksam. da das Gedicht 11 I wahrscheinlich jünger als 11 10 ist. wo Properz von mei ca\'fra ducis. 11 10,4, spricht. S.157 .. ,Over the impressive ornamental characterizations of civil war pI aces and victims. timt stand for mighty Caesars's victories. one easily loses sight of the grammatical construction which allows mighty Caesar (together with his victories) to come into the picture only as a ti'iend of Maecenas." S.I64. vgl. erneut S.167. 111 Vgl S 76'ft' 11 4 /1: Maecena\" eques Efrusco de sanRuine reRum. / infrajiJrfunam qui cupis esse fuam. / quid me scrihendi farn uasfum millis inaequor? Vgl. HOL c. 11,1.

PI~O~.· il!

191

et tihi ad ejjectum uires det Caesar et onmi tempore tam faciles insinuentur opes. pards et in tenuis humilem te co11igis umhras: ue!omm plenos suhtrahis ipse sinus. 115

30

Properz nimmt sich das zurückhaltende Verhalten des Maecenas zum Vorbild. Maecenas könnte das höchste Amt bekleiden, er könnte Feinde wie die Meder bekämpfen und sein Haus mit den erbeuteten Waffen schmücken. Augustus würde ihm dazu die Macht geben. Doch er hält sich lieber bescheiden im Hintergrund. Es ist verwunderlich, daß Properz ausgerechnet Maecenas so stark mit kriegerischem Ruhm verbindet, der zwar bei Mutina und bei Philippi mitkämpfte, aber in all den folgenden Jahren des Bürgerkrieges vor allem im diplomatischen Bereich hervorgetreten ist. Zudem stellt er ihm hier Ruhm gegen äußere Feinde in Aussicht, eine Aufgabe, mit der sich Maecenas nie befaßt hat. Hätte er selbst eine solche Darstellung von sich in Betracht gezogen? Auch auf die Zeitgenossen wirkte er nach Actium durch seinen Luxus und sein Leben in Muße. Wer unter den Zeitgenossen hätte ihn in diesen Jahren mit dem Ideal des römischen Imperator in Verbindung gebracht? Die schon genannte Äußerung des Velleius Paterculus, der zur Zeit des Tiberius schreibt, zeigt dies sehr deutlich. 116

Nur durch Augustus aber kann Maecenas diesen Ruhm en'ingen. Properz verbindet Maecenas emeut eng mit Augustus. Zwar ist Maecenas auch in diesem (jedicht ein Teil seines literarischen Schaffens - er soll die Anleitung übemehmen -, doch verweist Properz ihn sofort auf den Princeps, dessen Taten das Thema sein sollen, und so wieder auf die militärisch-akti ve Welt. Dies wird noch deutlicher in den folgenden Versen:

11 1 Prop. 1119,21-30 11(' Vgl. Anm. 5. Auch Tacitus unterscheidet in arm. XIV 53 zwischen Agrippa und Maecenas, den einen

nennt er hellorum socius, den anderen bezeichnet er als Romae plurihus Iahorihus iacfafus. Er sieht Maecenas also ganz mit innenpolitischen Tätigkeiten heschäftigt. So mit diese Darstellung des Properz in den modernen Kommentaren Verwundemng hervor, vgl. zu einem Erklämngsversuch hier Anm. 110.

192

Caesaris et jamae uestigia iuncta tenehis: Maecenatis erunt uera tropaeajides. 117

Weder bei Vergil noch bei Horaz wird Maecenas derartig eng an den Princeps herangerückt oder seine Arbeit im Hintergrund rur seinen Freund in so einem großen Maß betont wie bei Properz. Dies ist um so aufhilligel', als Properz diese (jedichte im (jegensatz zu den anderen beiden Dichtem in einer Zeit verfaßt hat, in der Maecenas sich schon vom politischen Leben zurückgezogen hat. Doch weder Horaz noch Vergil betonen die politische Seite des Maecenas so stark wie Properz. Bei Vergil und Horaz war Maecenas eine Einzelperson, vor allem eine eigene Persönlichkeit, getrennt von Octavian; Horaz geht fast immer nur nebenbei und ablehnend auf die politische Rolle des Maecenas ein. Bei Propel"Z dagegen verschmilzt Maecenas mit Octavian/Augustus zu einer Einheit - auch auf literarischem (jebiet. Maecenas' Treue gegenüber Octavian ist dessen Hauptcharakteristikum rur Properz. Properz aber will bei seiner Liebesdichtung bleiben. 118 Diesen (jedanken legt er über mehrere Verse hin dar, um plötzlich zu versichem, daß er sich unter der Führung des Maecenas auch an epischen Stoffen versuchen würde. 119 mol!ia tu coeptaejautor cape lora iuuentae. dexteraque immissis da miM signa rotis. hoc miM. Maecenas. laudis concedis. et a te est quodferar in partis ipsejuisse tuas. I2O

Mit solchen Worten, die eine persönliche Nähe spüren lassen, wendet sich Properz an Maecenas, so daß sich der Leser an Vergil und Horaz erinnert ruhlt. In diesen Versen wird Maecenas ohne Bezug auf Augustus dargestellt, als Teil der Dichtung steht er hier anscheinend allein. Und Properz weist Maecenas darüber hinaus eine wichtige Aufgabe in seiner Dichtung zu und verbindet ihn mit seinem literarischen Ruhm. So findet man

11' Prop.1II9,331' II'Prop.III 931-46 119 Prop. 111 9,4711:: fe duce Diese Wendung wird in der Forschung verschieden verstanden. einerseits wörtlich. Properz wolle der Anleitung des Maecenas folgen. andererseits sieht man darin eine hesonders subtile recusaüo: Properz meine damit. sohald Maecenas dux sein werde. werde er epische Stoffe dichten. vgl. dazu J.E.ZetzeL ehenda. S. 97L er hemfi sich auf S. Conunager. A Prolegomenon to Propertius. 1974. und S.K. Gold. Propertius 3.9: Maecenas as Eques. Dux. Faufor. Gold hezieht auch die folgenden Verse 57-60 nur auf die Lieheselegie. 1211 Prop. 111 9,57-60

193 ihn an dieser Stelle in der aus der Dichtung Vergils oder Horazens gewohnten Rolle. Doch auch hier verbindet Properz Maecenas mit Augustus, da nur er den Dichter zu einem epischen Thema, d.h. zu den Schlachten des Augustus hinfLihren könnte. Ohne Octavian/Augustus kann Maecenas in Properzens Dichtung letztendlich nicht gedacht werden.

Maecenas wird also beide Male von Properz zusammen mit Augustus genannt. Doch der Princeps erscheint auch ohne Nennung seines Vertrauten, wenn auch nicht sehr oft, in den Elegien. In dem (jedicht Tli 0 will Properz nun, da seine puella beschrieben ist, Kriege besingen und das römische Feldlager seines AnfLihrers. 121 Hier aber wird Augustus nur noch mit Kriegen gegen äußere Feinde in Verbindung gebracht, nicht mehr mit Bürgerkriegsschlachten. In der gleichen Rolle erscheint er in dem nächsten Buch, Elegie TTT 4,122 an dieser Stelle betont Properz allerdings, daß er selber solche kriegelischen Erfolge nur aus der Feme miterleben will. Er ist hier ganz den (jedanken des Vergil und des Horaz velwandt, denn auch er läßt Augustus allein der politisch-militälischen Welt angehören. Properz wechselt in diesen (jedichten, sich von seiner Liebesdichtung abwendend, in die militärische Welt über und macht den Leser stets auf seinen Wandel aufinerksam. In der Elegie Tl 7.5 , in der er sich mit seiner puella über die neue Ehegesetzgebung unterhält, betont er, daß Augustus in seiner Sicht der Welt der Waffen und des Klieges angehört: sed magnus Caesar in amJis. Für Properz gehört er nicht in seine Welt der Liebe. Noch in zwei weiteren (jedichten begegnet Augustus dem Leser, in Elegie IV 6, wo Properz Actium dem Beispiel Vergils folgend beschreibt, und in einer ganz anderen, neuen

1'01111

in Tl 31, wo wir erfahren, daß

Augustus die Porticus des Apollo-Tempels erö[fi1et hat. Zwar gelten fast alle Verse der Elegie der Beschreibung der Säulenhalle, doch erleben wir Augustus hier in einer anderen öffentlichen Rolle.

121 Prop. " 10,311".: iam Iihel eI.!lWfis memorare ud proe!ia furmas / eI Romalla mei dieere easfra dueis aelas prima eU/lUf Velleres. exfrema fumulfus: / heIIa eallam. qualldo senjifa pueIfa mea esf. Inullerhin ist erjetzt Properzens Anführer. mei ducis. Vgl. Anm.112 zur Datierung. 122 Prop. 111 4,1: Arma deus Caesar difes medifafur ud [lidos Dazu gehört in dem gleichen Zusammenhang eine kurze Erwähnung des einen Feldzug planenden Princeps in 111 12,2

194

(jrundsätzlich aber hat Properz den gleichen Zugang zu dem Princeps wie die anderen beiden Dichter, auch er stellt ihn als erfolgreichen, (fast) göttlichen HeerHihrer gegen Feinde dar. Augustus hat in der Dichtung des Properz dieselben Aufgaben wie bei Vergil und Horaz, er gehört ganz der ]X)litischen, aktiven Welt an. Auch die Weihung des Apollo-Tempels stellt eine öffentliche Funktion dar, diesmal aber eine Aufgabe, die weit entfemt von den Pflichten eines Feldhenen ist. Die Rolle des Augustus wird an dieser Stelle nicht verände11, sondem um eine neue Kom]X)nente erweitert. Properzens Maecenasbild hat sich dagegen im Vergleich zu Vergil und Horaz gewandelt und zeigt neue Charakteristika. Die Rolle des Maecenas als ]X)tentieller kriegerischer Held in den 20er Jahren, aber auch die Elweiterung der Rolle des Plinceps müssen sich aus der Neubildung des Zeitbewußtseins erklären lassen und sollen später noch einmal untersucht werden. l23

4.5. Die Dichter. der Bürgerkrieg und die mächtigen Männer

Nach der Darstellung des Verhältnisses des einzelnen Dichters zu Maecenas wie auch zu Octavian/Augustus und dem Vergleich ihrer Äußerungen soll jetzt ein Blick auf die Ergebnisse geworfen und weitergehende Folgerungen daraus gezogen werden.

Zuerst ist zu fragen, wessen Bewußtseinslage die Dichter also wiedergeben, wenn man zunächst ihre gesellschaftliche Stellung in dieser Zeit betrachtet. Sie kommen zwar aus einem (jebiet fem von Rom, bilden aber bald einen Teil des römischen Literaturbetriebes

- sie teilen

damit

die Bewußtseinslage der stadtrömischen

Bevölkerung. Die Dichter gehören nun der höheren (jesellschaflsschicht an und pflegen innerhalb dieser Umgang in vielhiltiger Fonn. Dies beschränkt sich nicht allein auf eine Bürgerkliegspartei, sondem sie sprechen literatisch interessierte Männer verschiedener Parteiungen an. Doch keinem der Zeitgenossen, der einen der Dichter in der (jesellschaft des Maecenas gesehen hat, wird es in den Sinn gekommen sein, daß der Dichter sein Verhältnis zu diesem nicht emst genommen hat. In den Satiren des Horaz wird sehr deutlich, wie eng die Außenstehenden Horaz an Maecenas heranrücken. Dies

In

Vgl. dazu Kap. 6.1.

195

fUhrt zu der weitergehenden Frage, ob man nicht hinter der gesamten Darstellung des Maecenas und der ihn als Freundeskreis umgebenden Dichter im ersten Satirenbuch politische Absichten Horazens sogar bis hin zur Propaganda erkennen kann. Verfolgt Horaz einen bestimmten Zweck bei der Schilderung des dichtetischen Lebens im Umkreis des Maecenas?124 Sicher ist, daß seine Darstellung Maecenas und dessen Umgebung als eine fröhliche (jruppe zeigt, die höchstens über philosophische Fragen reflektiert. Der Bürgerkrieg tritt dahinter in den bei den Satirenbüchem ganz zurück. Der Dichter, der in seinen frühesten Epoden 7 und 16 so eloquent und gewaltig den Wahnsinn des Bürgerkrieges angeprangert hatte, verbleibt in seiner Dichtung der Satiren nun zumeist im privaten Bereich. Doch entstehen Vergils (jeorgica in den Zeiten des Bruderkampfes und sind voller Bezüge auf den erlebten Schrecken, und auch Horaz dichtet nach der Begegnung mit Maecenas Epoden über den Bürgerkrieg, nämlich 1 und 9, wie auch die früher entstandene 4. Epode. Wie, in welcher Fonn und mit welcher Bedeutung der Bürgerkrieg in den (jedichten nach der Begegnung mit Maecenas erscheint, soll im nächsten Kapitel der Untersuchung betrachtet werden. Horaz zeigt zwar, daß er durch Maecenas nun im Bürgerkriegsgeschehen Stellung bezieht, doch die Dichter offenbaren stets in vielen Äußerungen auch eine solche Selbständigkeit, daß man eine bloße Wiedergabe der (jedanken des Maecenas ablehnen muß. Sie zeigen wohl eher in ihrer Anbindung an eine Partei und auch in ihrer daraus resultierenden Hinwendung zu Octavian eine immer stärker werdende Facette des Denkens in Roms. (jleichzeitig gelangen die Dichter im entstehenden Literaturbetrieb zu einem solchen (jrad an Bekanntheit und literarischem Ruhm, daß sie mit ihrer Dichtung viele, sehr viele Zeitgenossen angesprochen haben müssen. Sie sprechen also fUr ein immer größer werdendes Publikum, dessen Ansichten sich in der Dichtung verborgen ausdrücken.

124I.M.LeM. DuQuesnay. Horace and Maecenas. The propaganda value ofSermones L in: T. Woodman/ D. West. Poetry and politics in the age of Augustus. Camhridgel984. S.19-58. sieht in der Darstellung des Maecenaskreises durch Horaz als literarisch interessierte Freunde. die sich für römische Werte einsetzen. sehr suhtile Propaganda. Es üherwiegt aher in der Forschung die Ansicht. dal.l die Satiren vorwiegend unpolitisch seien. Vgl. u. a. N. Rudd. The Satires of HOI·ace. hetOilt dagegen. dal.l der Bürgerkrieg zur Zeit der Ahtassung zwar den politischen Hintergrund hildet. doch kaum eine Spur in dem ersten Satirenhuch hinterläl.lt. .• The few political references are mostly contined to the later poems of Book 2 .. ". S. 37. oder K. Büchner. Horaz. Die Satiren. Bologna 1970. S.I L sowie U. Schmitzer. ehenda. S. 20. Für P.M.W. Tennant. Political or personal propaganda? Horace's Sermones 1.5 in perspective. AClass 34 (1991).51-64. wird gerade heim iler Bnmdisinum die unpolitische Haltung des Horaz deutlich: .•... Horace is tal' more concerned with endearing himself to his patron and ti"iends than he is with presenting a politically palatahle view of Maecenas' circle .. ". S. 59.

196

Eine weitere Frage ergibt sich daraus, daß nun die Dichtung die Hauptquelle rur die Zeit nach Philippi bildet, nachdem der Politiker Cicero rur die Jahre 49 - 43 v. ChI'. mit seinem Briefwechsel mit Männem, die ebenso politisch tätig waren oder politische Einblicke hatten, das Material der Untersuchung geliefet1 hatte. SO[[111a11 die Dichter genauso wie den Politiker Cicero als Quelle rur das historische (jeschehen sehen, oder muß man sie - nicht nur au [grund der Eigellat1en von Dichtung als Literaturgenus, sondem auch wegen ihrer Herkunft und ihrer Stellung in der (jeseIlschaft rem der politischen Ämter - in ihrer Aussagekraft anders als eine histOlisehe Quelle beurteilen? Ein Beispiel dafLir ist die immer wieder gestellte Frage, ob Horaz bei der Schlacht von Actium, die er mehrfach in seiner Dichtung zum Thema nimmt, anwesend war. 1st es wichtig, ob Horaz an ihr teilgenommen hat, und wenn er nicht dort war, würde dies den Wet1 des (jedichtes als Quelle ven'ingem, - oder vel111ittelt er uns in seinem (jedicht nicht eher etwas anderes, eine "Stimmung" der Zeitgenossen zur Zeit dieser Ereignisse? Einleitend ist schon deutlich gemacht worden, daß trotz des - wie sich bei der Untersuchung zeigte - so oft sehr klar hervortretenden politischen Bewußtseins bei den Dichtem vor allem von dem Zeitbewußtsein gesprochen werden soll, das sie uns vor Augen ruhren. Die Dichter werden uns als poetische Quelle zu (jeschichtsereignissen oftmals nicht so sehr die Fakten, wie das "Bild" und die Vorstellungen, die sich die Zeitgenossen von einem Ereignis, einem Faktum also, gemacht haben, oder die "Stimmung", in der sie dieses Ereignis erlebt haben, zeigen. 125 Die Art und Weise, wie die Zeitgenossen ein Faktum aufgenommen haben, kann aber genauso oder sogar wichtiger sein als das Ereignis selbst.

Nach diesen allgemeineren Fragen soll ein Blick auf die Ergebnisse des Vergleichs der Äußerungen der Dichter zu den mächtigen Männem geworfen werden.

121 Aristoteles unterscheidet in seiner Poetica zwischen Geschichtsschreihung und Dichtung: Die Geschichtsschreihung teile das Besondere, die Dichtung das Allgemeine mit. Für M. v. Alhrecht erfaßt Vergil das er'"'ÖOtJJ R.G.M. Nishet. Horace's Epodes and History, sieht einen hesonderen Wert in manchen Gedichten liegen: .,The seventh and sixteenth poems organise their material in a characteristically poetic way, with few direct facts and in many literat)' motifs. yet they communicate an emotion as Cassius Dio never does; if they do not tell us what actually happened, at least they indicate what it might have feit like at timt time .. ", S.18. J.E.G. Zetzel. ehenda, S. 98, warnt geradezu vor dem unvorsichtigen Umgang mit der dichterischen Quelle: .,While poems are themselves historical facts, they do not convey and normally do not even wish to convey precise historical informations."

197

Ein deutlicher Unterschied ist in der Beziehung der einzelnen Dichter zu Maecenas erkennbar. Bei Properz kanll111an dies am klarsten aufzeigen. Aus diesem (jrund nimmt man bisweilen in der Forschung an, daß Properz nicht dem Umfeld des Maecenaskreises angehörte - eine Schlußfolgerung, die so sicherlich nicht zu halten ist. Sicherlich ist keine der drei Beziehungen 111iteinander vergleichbar. Das innige Verhältnis des Horaz ist uns durch ihn selbst am besten überliefert, aber auch die Parallelüberlieferung zeigt beide einander sehr zugetan. Vergils Verhältnis zu Maecenas scheint nicht ganz so eng zu sein, auch gemäß der sonstigen Überlieferung nicht; der im Umgang wohl eher scheue Dichter hatte aber seine Stadtwohnung in Rom neben dem Palast des Maecenas. Doch in ihren Äußerungen zeigen Vergil und Horaz eine grundsätzlich ähnliche Beziehung zu Maecenas.

Welches Verhältnis haben danach Vergil und Horaz zu Maecenas? Beide stellen heraus, wie sehr sie sich ihm verbunden fLihlen. Er ist Teil ihrer Dichtung, das bedeutet, er übemimmt in ihren Augen eine aktive Rolle bei der Entstehung ihres Werkes. Bei Vergil und bei Horaz wird deutlich, daß sie mit nur einer Ausnahme stets zwischen den zwei "Lebensbereichen" des Maecenas trennen. Für sie ist Maecenas aber nur Teil ihres literarischen Lebens, das sich im otium befindet; sie sprechen ihn nah und - vor allem Horaz - vel1raut auf einer sehr persönlichen Ebene an. Maecenas ist Teil ihres pri vaten Lebens als Dichter, wie sie selber auf der anderen Seite nur Anteil an dem privaten und literarischen Leben des Maecenas haben. Die hohe gesellschaftliche Stellung des Maecenas wird zwar mehr als deutlich, doch unterscheidet Horaz strikt zwischen dem politischen und dem literarischen Leben des Maecenas und versucht sogar, ihn von einem Leben im otium zu überzeugen. Als er beginnt, Octavian in seine Dichtung einzubeziehen, setzt er Maecenas noch in ein enges Verhältnis zu ihm. Denn nur aufgrund seiner Freundschaft zu Maecenas wendet er sich auch dessen Freund zu. Später trennt auch Horaz ihn genauso wie Vergil in den (jeorgica von Maecenas. Nur hier, in Epod. 1, zeigt er auch Maecenas in seiner Rolle als Vertrauten Octavians. Doch die politische Dimension des (jedichtes bleibt undeutlich hinter den (jefLihlen des Dichters verborgen. Horaz verbindet Maecenas auch mit dem Bürgerkrieg, unbewußt in den Fragen, die ihm die Zeitgenossen über das ]X)litische (jeschehen stellen, - denn nur über Maecenas könnte er Einblick darin erhalten haben -, bewußt nur zur Zeit von Actium. Doch Horaz stellt Actiumnicht als eine Schlacht des Bürgerkriegs dar. Er wird

198

durch Maecenas nach Philippi emeut in das Bürgerkliegsgeschehen hineingezogen. Durch ihn ergreift er Pat1ei, denn seine Freundschaft zu Maecenas wirkt bestimmend. Doch das wird erst spät deutlich. Vergil dagegen trennt Maecenas in seinen (jeorgica stets klar

V0111

]X)litischen (jeschehell. Für ihn gehört Maecenas allein zu der

literarischen Welt, zu der Entstehung seines (jedichtwerkes.

Octavianni111111t eine ganz andere Position in dem Denken dieser beiden Dichter ein.

Er tritt uns in der Dichtung des Vergil zunächst in den Eclogen, ohne mit Namen genannt zu sein, entgegen, später ist er bei beiden Dichtem durch die Aufgaben, die er übemi111111t, vor allem Thema der Dichtung. So bittet ihn Vergil nur einmal in den

(jeorgica um Hilfe bei seinem literarischen Werk, doch dies wird überlagel1 von seinen politischen Aufgaben. Zudem besteht keine persönliche Nähe zwischen den beiden Männem, da Octavian schon von Anfang an, d.h. bereits in den Eclogen, fast in den göttlichen Bereich gerückt ist. In die Dichtung des Horaz gelangt Octavian stets als politisch aktiver, bald auch als göttlicher Mann. Fast nie treten Octavian und Maecenas uns gemeinsam bei Horaz entgegen, nie haben sie vor allem dieselbe Aufgabe. Octavian gehört zu dem politischen, dem militärischen Leben und wird in dieser Rolle immer mehr zum Thema von (jedichten. Selten und erst spät tritt er als Zuhörer und Teilnehmer der Dichtung in Horazens Episteln auf.

Bei Horaz wird deutlich, wie man sich die Stellung des Dichters vorzustellen hat. Er ist zunächst

COI1ViCtOT,

Begleiter auf Reisen, doch kann sich diese Beziehung zu einer

Freundschafl im modemen Sinn vertiefen. Für Horaz ist Maecenas ein enger Vertrauter im pri vaten Bereich. Doch gleichzeitig macht der Dichter deutlich, daß die Zeitgenossen dieses Verhältnis zwischen ihm und dem mächtigen Mann anders beurteilen. Sie stellen Horaz mit in die politische Sphäre hinein. Er zeigt, was die Zeitgenossen denken, und dabei werden die Veränderungen der politischen Lebenswelt der

civitas

deutlich. Denn

sie sehen vor allem, wie Horaz Umgang mit Männem hat, die das politische Leben entscheidend beeinflussen. Und nun suchen sie, durch einen Dichter aus dem "Anhang" Antworten zur Tagespolitik zu bekommen, Ehrgeizige sogar Zugang zu den mächtigen Männem in Rom. Später aber schreibt Horaz tatsächlich Empfehlungsbriefe, die aber politisch ohne Bedeutung sind und statt dessen seine starke Position innerhalb der (jesellschafl zeigen.

199

Properz verbindet Maecenas eng mit Octavian, der bei der Veröffentlichung des zweiten Buches bereits den Namen Augustus erhalten hat. Maecenas' Treue zum Princeps ist in beiden (jedichten seine zentrale Charaktereigenschaft und gleichzeitig wichtigste Aufgabe. Er ist hier also vor allem Thema der Dichtung (TI I), da er gleich

nach den Taten seines Augustus der (jegenstand

VOll

Dichtung als dessen tl"euer Freund

sein soll. Dahinter bitt Maecenas in seiner (jestalt als Förderer der Dichter zurück. Nur in den letzten Versen der Elegie TII wird ein persönliches Verhältnis spürbar. Stärker wird seine literarische Tätigkeit in TTT 9 V0111 Dichter herausgestellt, doch auch hier ist er

stets eng verbunden mit Augustus. Man mhlt sich in den beiden (jedichten an die Äußerungen des Vergil oder des Horaz nur d011 elinnert, wo Propel'Z Maecenas schließlich in den letzten Versen von Elegie TTI 9 auffordert, ihn in einem neuen möglichen Schaffen zu leiten und so Anteil an seinem literarischen Ruhm zu nehmen. Doch diese neue Dichtung bezieht sich sogleich wieder auf Augustus.

Maecenas begegnet uns in ganz neuer (jestalt bei Properz. Kaum wird der Eindruck von Nähe zwischen den beiden Männem vel111ittelt, nur in TTI.71-78, wo man sich an die Äußerungen gegenüber Tullus elinnert ruhlt. In einer Zeit, in der er sich vom politischen Leben zurückgezogen hat, stellt Properz dem Leser ganz den politisch aktiven Maecenas vor Augen, und darüber hinaus zeigt er ihn auch noch als einen Feldhe1111, erst im Bürgerkrieg, dann gegen äußere Feinde. Welche (jründe mögen ihn dazu bewogen haben? Zunächst muß man sich vergegenwärtigen, daß Properz die beiden an Maecenas gerichteten (jedichte verfaßt und veröffentlicht, als Octavian bereits den Namen Augustus erhalten und die Leitung des Staates als Princeps übertragen bekommen hat. Die (jedichte des Properz zeigen nicht, daß er keine Verbindung zu Maecenas hatte, sondem vielmehr eine neue, veränderte Bewußtseinslage. Maecenas ist auch rur Properz noch immer deljenige, der am literarischen Schaffen Anteil hat, Octavian deljenige, der das Thema von (jedichten ist. Aber vor allem Maecenas' Taten als treuer Freund des Augustus gerade im Krieg sollen zu einem literarischen Thema werden. Dieser (jedanke - denn dabei bleibt es auch bei Properz, er schreibt nicht wirklich darüber - ist neu, Vergil und Horaz bringen derartige Äußerungen nicht vor. Warum oder aus welcher Bewußtseinslage heraus nimmt Properz nun eine solch veränderte Position gegenüber Maecenas ein? Warum stellt er ihn mit anderen, neuen Charaktelistika dar? Auf der

:wo einen Seite wird deutlich, daß sich Octavian/Augustus im Bewußtsein der Dichter immer mehr in den Vordergrund schiebt. Bedeutet es, daß er auch das "literarische Patronat" übemommen hat? Sicher ist, daß Octavian/Augustus nach Actium auch im literarischen Leben an Bedeutung gewinnt. Doch seine Darstellung ist bei allen drei Dichtem gleich. Dies spricht dagegen, daß er die Aufgaben des Maecenas im literarischen Bereich übemimmt. Er rückt zwar immer mehr in den Vordergrund, doch er hat keinen Anteil an der literarischen Entstehung von Dichtung. Und so macht Horaz in seinem Brief an Augustus - zu dem er nach Suetons Bericht von diesem aufgefordert werden mußte - mehr als deutlich, daß nicht das literarische (jespräch die Aufgabe des Princeps ist, sondem die Pflichten in und gegenüber dem Staat, und auch dem Pt;nceps scheint die epische Dichtung am besten zu gefallen. 126 Wenn Horaz mit der Widmung des ersten Briefes auch das gesamte (jedichtbuch Augustus widmet, so zeigt dies nur die zentrale Stellung des Princeps. Kann aber die wachsende Zentrierung auf die (jestalt des Princeps im Staat wie im Denken der Menschen der einzige (jrund daHir sein, daß Maecenas so anders bei Properz charakterisiert wird? Denn er wird nicht nur eng mit Octavian verbunden, er wird selber auch als Feldhe11' dargestellt. Horaz hat in c. TTT 8 Maecenas dazu aufgefordert, von den Sorgen des Staates abzulassen und froh die (jegenwart zu genießen. Das (jedicht läßt sich durch die genannten (jegner auf das Frühjahr 28 v. ChI'. datieren, in eine Zeit wenige Jahre nach dem hellum civile. Man kann hier spüren, wie Horaz den Frieden, die wiedergefundene Ruhe genießen will. Er drückt den Zeitgeist aus, der kurz nach dem Ende des Bürgerkrieges he11'scht. Die (jedichte des Properz aber sind jünger. Das zweite (jedichtbuch ist nach 26 v. Chr., das dritte nach 23 v. ChI'. veröffentlicht worden. Sie zeigen in ihrer Darstellung der mächtigen Männer bereits wieder eine Veränderung des Zeitbewußtseins, das zu dieser Zeit sich rasch wandelnd noch in der Ausf01111ung begt;ffen ist, seine Zusammensetzung sucht. (jerade die Fonn der Darstellung der mächtigen Männer kann die Entwicklung des Zeit bewußtseins verdeutlichen.

So kann man zusammenfassend anhand der Position der Dichter in den Jahren des Bürgerkrieges und danach viel über die Bewußtseinslage in dieser Zeit des Umbruchs erfahren. Denn auch hier wirkt das Leitmotiv Bürgerkrieg im Hintergrund bestimmend. Man hätte vielleicht manche dieser (jedichte auch nur unter der Fragestellung, was wir IJ(' Erist. " 1,1-4und wiederVV 245-270

201

über den Bürgerkrieg erfahren, betrachten können. Und doch henscht in allen vorgestellten (jedichten die eine Thematik vor, nämlich eine mehr oder weniger direkte Stellungnahme des Dichters zu seinem Verhältnis zu den mächtigen Männem Roms. 127 (jerade in den Satiren des Horaz wird dies deutlich. Denn eigentlich will er dort nichts über das hellum civile sagen, sondem seine Beziehung zu Maecenas erklären. Da er aber in den Jahren des Bürgerkriegs beginnt, dieses Verhältnis seinen Zeitgenossen zu erläutem oder einfach nur davon zu erzählen, erfahren wir gleichzeitig viel über die Bewußtseinslage der (jeseIlschaft in diesen Jahren. Man sieht die Ängste der Bürger, aber auch die Bestrebungen, sich nun an einen mächtigen Mann in Rom im literarischen Bereich anzuschließen, in der gleichen P011n, als ob man in der Politik noch Kaniere machen könnte. Der Zerfall der civitas tritt dort hervor. Der Vergleich der einzelnen Äußerungen aller drei Dichter ve11nag uns die Entwicklungen im Zeitbewußtsein, aber auch den he11'schenden Zeitgeist näher zu bringen. Neue Qualitäten werden betont, andere Akzente in der Darstellung sowohl des Maecenas als auch Octavians gesetzt, Octavian tritt immer mehr in den Vordergrund. 1st also die so andere Darstellung des Maecenas durch Properz nur dadurch begründet, daß sein Verhältnis zu diesem nie so nahe war, oder hat sich hier bereits eine Entwicklung vollzogen? Sehen wir bei Vergil und Horaz Octavian/Augustus nur langsam in den Vordergrund treten und später stets getrennt von der Darstellung des Maecenas, so kann Maecenas ohne Augustus bei Properz nicht gedacht werden. Wir können die zunehmend behenschende Stellung des Augustus erkennen, wie alles auf ihn zentriert wird. (jleichzeitig aber wird die Darstellung des Princeps elweitert um eine ganz und gar fi'iedliche Punktion, doch wichtige innenpolitische Aufgabe: Er eröffnet die Porticus des Apollo-Tempels. Auch dies muß sich aus dem Zeitbewußtsein erklären lassen. Warum aber stellt Propel"Z Maecenas als kliegelischen Helden dar? Auch hier muß ein neuer Zeitgeist dahinter stehen, durch den man es nun rur nötig erachtet, solche kriegelischen Qualitäten, natürlich immer dem Princeps nachgeordnet, zu betonen. Properz zeigt uns, daß nun neue Charakteristika bei der Darstellung eines bedeutenden Mannes, gleichzeitig aber auch

bei

dem

bedeutendsten

Mann

wichtig

geworden

sind.

Aus

welcher

11' E. Fantham. ehenda. hemerkt dazu: .,Die Jahre der hedeutendsten aUb'Usteischen Dichtung waren so sehr von der Autinerksamkeit. die man dem Prinzeps und seinen Programmen des nationalen Wiederaufhaus schenkte. dominiert. dal.\ wir das Belegmaterial im Hinhlick auf die sich wandelnde persönliche Beziehung des Augustus zu den Dichtern als einen wesentlichen Faktor im weitergreifenden Wandel der Kultur ansehen müssen.'. S. 73.

Bewußtseinslage heraus dies aber geschieht, das soll im Rahmen der weiteren Untersuchung geklä11 werden.

Von Bedeutung rur die Beu11eilung des Verhältnisses des Dichters zu dem mächtigen Mann wie auch rur die Bestimmung des Zeit bewußtseins ist, ob und wenn ja, in welcher F011n die Dichter die mächtigen Männer mit dem hellum civile in Verbindung bringen. Die Eclogen Vergils berichteten von einem nicht mit Namen genannten Retter rur eine Einzelperson aus einer persönlichen Bedrängnis, die bisher betrachteten Satiren des Horaz zeigen weder Maecenas noch Octavian in das Bürgerkliegsgeschehen involviert, noch schildem sie überhaupt eine Kampfsituation. Wie aber wird der Bürgerkrieg in den (jeorgica, in den Epoden und in den Elegien des Properz, die nach der Begegnung mit Maecenas entstanden sind, die vor allem aber erst im Frieden, also nach Actium, veröffentlicht werden, wie auch in den Oden und in der Aeneis thematisiert? Wie werden die Protagonisten des hellum civile dargestellt?

203

5.1. Die Dichter und der Bürgerkrieg optima civilis he11i dejel1sio ohlivio est. - "Die beste Verteidigung gegen den

Bürgerkrieg ist das Vergessen.,,1 Dieser Ausspruch des T. Labienus, eines Redners der augusteischen Zeit,2 ist bei dem älteren Seneca überliefert. (jibt er damit die überwiegende Meinung der Zeitgenossen nach Actium wieder? In der Kunst findet man keinerlei Bezüge auf die Bürgerkriege. 3 Actium ist zwar ein zentrales Thema der Kunst - doch als Kampf zwischen West und Ost. 4 Anders aber in der Dichtung: Auch ein heute unbekannter Dichter wie Sextilius Ena verfaßte ein (jedicht über den Bürgerkrieg, las es im Haus des Messalla Corvinus vor und lud sogar Asinius Pollio zu seiner Lesung ein. Es ist nicht bekannt, was er über den Bürgerkrieg geschrieben oder auch nur, wann er sein (jedicht vorgetragen hat, aber diese Überlieferung belegt das grundsätzliche literarische Interesse am Thema des Bürgerkrieges. 5 Asinius Pollio selbst hat neben anderen Werken auch Historiae verfaßt, die in 17 Büchem die Zeitgeschichte seit dem Jahr 60 v. ChI'. behandelten. Doch ist uns dieses (jeschichtswerk eines zeitgenössischen Historikers, der vor allem ]X)litisch tätig war, nicht erhalten, noch nicht einmal der Endpunkt der Darstellung bekannt. Es bleibt so fraglich, ob er über Philippi hinausgegangen ist. 6 Die beiden Dichter Vergil und Horaz haben sich gerade dadurch zu Beginn ihrer Dichtung ausgezeichnet, daß sie mit dem Bürgerklieg auch die Politik in ihre (jedichte einfließen ließen. Wie gehen sie - aber auch Propel"Z - in ihrer späteren Dichtung mit dem Thema Bürgerkrieg um? In welcher

1'01111

ist und bleibt der

Bürgerkrieg also Teil des Zeitbewußtseins, und wieweit beeinflußt das Erlebnis des hellum Givile weiterhin die Bewußtseinslage der Zeitgenossen? Sen. contr.1 03.5. Das Zitat stellt dort im Zusammenhang der Erörterung eine Sentenz dar. Lahienus wird als üherzeugter Pompeianer charakterisiert. der als Redner des neuen Stils (Quint. inst. 1.5.8.4. LI L Sen. contr.IO praef 4-8) derartig rücksichtslose Invektiven zu finden vermochte. daß er den Beinamen Rahienus edlielt. Als seine Bücher öffentlich verhrannt wurden. beging er Seihstmord. Erst unter Caligula wurden seine Schriften wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1 So äul.lert sich E. LaRocca zur Kunst: .,Aufthematischer Ehene wiederum wurde die Erinnerung an die Bürgerkriege schlichtweg ausgelöscht. als wenn es sie gar nicht gegehen hätte.". in: Augustus und die verlorene Repuhlik. hrsg. v. W.-D. Heilrneyer. S.17. 4 T. Hölscher. Denkmäler der Schlacht von Actium. Propaganda und Resonanz. Klio 67 (1985). 81-102: .• Die Schlacht von Actium ist nicht nur der Gliindungssieg des Prinzipats. sie ist auch der Ausgangspunkt der augusteischen Repräsentationskunst.' . S. 81. P. Zanker. Au!o'Ustus und die Macht der Bilder. macht darauf autinerksam .. ,wie prohlematisch die Verherrlichung des Sieges von Actium war. hei der man nicht an den eigentlichen Gegner erinnern durfte.' . S. 88. 1 Vgl. Sen. suas. 6.27. dazu E. Fantham. Literarisches Leben im antiken Rom. S. 64f I

2

204

Nach der Untersuchung, wie die Dichter, nach ihrem Anschluß an Maecenas, zu und in der (jesellschafl gerade während des Bürgerklieges stehen, werden nun die weiteren (jedichte, die die Thematik des Bürgerkrieges direkt aufgreifen, betrachtet. Dazu soll zuvor der chronologische Rahmen der Untersuchung noch einmal klar festgemacht werden. Wie schon deutlich geworden ist, haben sich Vergil, Horaz und Properz gleich zu Beginn ihres Schaffens mit dem Erlebnis des Bürgerkrieges auseinandergesetzt, das heißt, sie äußem sich in diesen (jedichten zu dem gegenwärtigen, zu dem tobenden Bürgerkrieg. Vergil und Horaz haben ihre ersten (jedichte Anfang der 30er Jahre verfaßt. (jerade Horaz erachtete diese frühen E]X)den mit ihrer Wamung vor dem tobenden Bürgerkrieg rur so wichtig, daß er sie in das erst im Jahre 30 v. ChI'. veröffentlichte E]X)denbuch aufnahm, wo sie durch ihre Thematik besonders herausragen. Auch der jüngere Properz, dessen Monobiblos erst nach 30 v. ChI'. erschienen ist, nimmt Stellung zu dem selbst erlebten Wüten, also zu dem eigenen Erlebnis des Bürgerkrieges und das in einer sehr persönlichen F011n, aber er drückt, da seine Elegien erst spät entstanden sind, bereits den Zeitgeist nach den Bürgerkriegen aus. Alle drei Dichter stehen zu dieser Zeit Maecenas noch fem. In dem jüngeren Propel"Z ve11nischen sich mehrere Faktoren, die Darstellung des vor einiger Zeit selbst erlebten Kampfgeschehens bei Perusia und die Abfassungszeit nach Actium , die aber vor der Annäherung an Maecenas, dem Verb'auten Octavians, liegt. So macht er auf der einen Seite deutlich, wie er als Individuum auf ein bestimmtes Ereignis reagiert, so wie Vergil sich zu den Veteranenansiedlungen geäußert hat, oder wie Horaz zu dem Toben des Bürgerkrieges Stellung nimmt. (jleichzeitig aber zeigt Properz auf der anderen Seite schon die Bewußtseinslage nach Actium. Deshalb scheint er aus der Chronologie herauszufallen. Doch der erste (jesichtspunkt, das Eingehen des Dichters auf das eigene Erlebnis des Bürgerkrieges, ist hier wichtiger. So kann man sagen, daß bisher in einem eigenen Kapitel, 3.1, die (jedichte der drei Dichter, die das direkte Erlebnis des tobenden Bürgerklieges und ihre Reaktion darauf widerspiegeln, betrachtet worden sind. Zudem legt der Anschluß an Maecenas einen deutlichen Einschnitt in die Sicht der Dichter vom Bürgerkrieg nahe, und man muß gerade hier fragen, welche Veränderungen im Denken es gibt. Die (jedichte, die den Bürgerkrieg entweder zum Hauptmotiv haben oder die ihn nur als ein Nebenmotiv aufzeigen, stehen nach der Begegnung mit (' Man findet Belege zu Pharsalus in Suet. lul. 30. zu Thapsus und Catos SeIhstmord in Hol". c. 11 1,24. vgl. S. 247fT".. zum spanischen Krieg in Suet. lul. 55. zu Ciceros Ermordung in Sen. suas. 6.24. zu Cassius und

:W5

Maecenas in einem bestimmten Licht, da die Dichter nun zu einer Bürgerkriegspartei gehören. Besonders deutlich wird dies in den späteren E]X)den des Horaz. Als Properz (jedichte verfaßt, steht der Sieger längst fest. Verändert sich seine Haltung nach der Annäherung an Maecenas? Wie geht er danach mit dem Thema des Bürgerkrieges um? Darüber hinaus sind auch fast alle noch zu untersuchenden (jedichte des Vergil wie die des Horaz erst nach Actium zu datieren. Eine Ausnahme bilden dabei zwei Satiren des Horaz, sat. I 7 und sat. Tl 2, sowie die E]X)de 4, da sie zwar während des noch tobenden Bürgerkrieges, also mehrere Jahre vor Actium, aber nach der Begegnung mit Maecenas entstanden sind. Die (jedichte mit einer Bürgerkriegsthematik n ach der Begegnung mit Maecenas, also die (jedichte, die zumeist

l' Ü

c k b I i c k end den Bürgerkrieg

behandeln, sollen nun in einem eigenen Kapitel betrachtet werden.

Jetzt hatte der einzelne Dichter Zeit, über das Erlebte nachzudenken, neue Aspekte zu sehen oder einen anderen Zugang zur Bürgerkriegsproblematik zu finden. (jibt es Unterschiede in der Darstellung? Welche Ereignisse des Bürgerkrieges werden überhaupt angesprochen, gerade auch nach dem Ende der Kämpfe? Womit befassen sich die (jedichte Horazens, die inmitten der andauemden Bürgerkämpfe entstanden sind? Emeut soll auf der einen Ebene gefragt werden, welche Zeitereignisse in den (jedichten behandelt werden, um danach auf einer zweiten Ebene das dahinter stehende Zeitbewußtsein zu erklären. Dabei soll möglichst die chronologische Reihenfolge der (jedichte beachtet werden, doch darf man auch die Intention eines Dichters wie Horaz, der im Jahre 23 v. ChI'. die ersten drei Odenbücher gemeinsam veröffentlichte,7 bei der Zusammenstellung der (jedichte nicht vemachlässigen. Zudem ist die genaue Datierung der einzelnen Ode bisweilen sehr schwierig, kann man gelegentlich nur einen Zeitrahmen angeben.

(jibt

es

in

den

einzelnen

(jedichtbüchem

verbindende

Brutus in Tac. arm. IV 34 Diese Tatsache hetont hesonders R. Seager, ]'ieu sinus equilure inuÜos Medm: Horace, the Parthians and the Augustan Foreign Policy, Athenaeum N.F. 78 (1980),103-118; .,There is little point in trying to reduce the poems to a chronological sequence: the dating of individualodes in the first three hooks is a rarely lessthan dehatahle, \\tlile Horace's hasic attitude does not change.', S.103. Vgl. dazu P. A. Miller, Horace, Mercury, and Augustus, or the Poetic Ego of Odesl-3, AJPhl n (1991), 365-388, .,Key to this understanding will he the assumption that Odes are a planned poetic collection and that the links hetween poems are as important as the individualodes themselves." S. 365, hesonders dort Anm. 3 zu weiterführender Literatur zu dieser Frage, wie M. Santirocco, Unity and Design in Horace Odes, Chapel Hili 1986, sowie D. H. Porter, Horace's Poetic Journey. A Reading of Odesl-3, Princetonl987, der so weit geht. daß man nur die Reihenfolge der Gedichte auf der Buchrolle beachten darf: dazu speziell Ch. Witke, Horace's Roman Odes: A Critical Examination, Leiden 1983, der diese Ansicht widerle!o->t.

206

Darstellungen des Bürgerkrieges und (jedanken dazu? Welche Absichten verfolgen Vergi I und Properz?

Um sich zu vergegenwärtigen, vor welchem zeitlichen Hintergrund die (jedichte geschrieben worden sind, soll zunächst ein kurzer Überblick über die dreißiger Jahre gegeben werden. Der Bürgerkrieg tobt bis zum Jahr 30 v. Chr., erst dann kann man eine Konsolidierung der politischen Verhältnis.."le erkennen. Die Jahre von Philippi bis zu diesem neu e11'ungenen Frieden sind von weiteren Auseinandersetzungen zwischen den Siegem über die Republikaner erHalt. Die Streitigkeiten sind vor allem durch die einzelnen Kontrahenten geprägt, die ihr Selbst verständnis immer mehr im mythischen Bereich ausdrücken. Sextus Pompeius, gegen den Octavian zunächst kämpft, sieht sich als Nachkomme des Neptun, die Auseinandersetzung zwischen Octavian und Mat"Cus Antonius erscheint als Kampf des Dionysos, in dessen (jestalt Antonius im Osten gefeiert wird, gegen ApolI, den bevorzugten (jott Octavüms. In Wirklichkeit und auch in der Bewußtseinslage ist es aber ein Kampf zwischen Militärpotentaten um die Hen'schaft, die dabei jedoch einen großen Teil ihres Selbstbewußtseins und ihrer daher rül11"enden Selbstdarstellung aus dem mythischen Denken ziehen. 8

Octavian besiegt Sextus Pompeius 36 v. ChI'. bei Naulochus. Bereits zu diesem Zeitpunkt erklät1 er das Ende der Bürgerkriege und wird in Rom besonders geehrt. Der Senat stellt rur ihn eine goldene Statue auf mit der Inschtift, er habe die Ordnung zu Wasser und zu Lande wiederhergestellt. Das Verhältnis zu Marcus Antonius verschlechtert sich immer mehr. Dieser hat im Osten seine Machtposition ausgebaut, während Octavian den Westen behe11'scht. Pamphlete, Invektiven fliegen hin und her. Eine ungeheure Propaganda wird entwickelt. Octavian vel111ag es, im Kampf gegen Mat"Cus Antonius

cUl1cta [taha

aufsich schwören zu lassen. Antonius wird im Lager des

Caesarerben als trunksüchtig und als ganz und gar der Königin Cleopatra, seiner Bündnispartnerin, unterworfen dargestellt. 9 Der Krieg wird, nach uraltem Ritus eröffhet,

Vgl. dazu P. Zanker. Au!o'Ustus und die Macht der Bilder. München '1990. Vgl. dazu K. Scott. The Political Propaganda of 44-37 B.C.. MAAR 11 (1933).7-49. sowie J.R. Johnson. Au!o'Ustan Propaganda: The Battle of Actium. Marc Antony's Will. the Fasti Capitolini Consulares. and Early Imperial Historiography. Diss. Univ. of California. Los Angelesl976. P. Wal1rnann. Triumviri Rei Puhlicae Constituendae. Untersuchungen zur Politischen Propaganda im Zweiten Triumvirat (43-30 v. Chr.). Franfurt/M. u. a.1989. und vor allem R. Syme. The Roman Revolution.OxfordI939. ii

9

207

gegen Cleopatra geruhrt. So begegnet uns die Auseinandersetzung in der Propaganda der Zeit, wird aber auch im Bewußtsein vieler Menschen zu einem Kampf zwischen West und Ost, Apoll gegen Dion)'sos. Am 2. September 31 v. ChI'. e11'ingt Octavian den Sieg über Mat"Cus Antonius und Cleopatra bei Actium. Die beiden (jegner fliehen. 30 v. ChI'. begehen Marcus Antonius in Alexandria und wenig später Cleopatra Selbstmord. Actium war aus mehreren (jründen, auch dUl"Ch die bröckelnde Anhängerschaft des Antonius, schon zuvor entschieden. Doch erscheint uns diese Schlacht heute als die entscheidende - und auch schon damals ist Actium so dargestellt worden. Octavian kehrt 29 v. ChI'. aus dem Osten zurück. Zwei Jahre später, am 13. Januar 27 v. ChI'. gibt er die gesamte außerordentliche (jewalt an Senat und Volk zurück - und bekommt die Amtsgewalt als Plinceps.

So liegen hinter den meisten hier noch zu behandelnden (jedichten fast 10 Jahre Zeitgeschehen, lang andauemde Kämpfe, die Einkehr des Fliedens, der Beginn einer neuen staatlichen Ordnung. Was bedeutet jetzt die Elinnerung an die Bürgerkriege und ihre Protagonisten vor allem rur Vergil und Horaz, nachdem uns Properz schon einen ersten Einblick in sein Denken zu Beginn der 20er Jahre gewährt hat? Wie äußert sich Properz zu dem hel1um civile nach seiner Annäherung an Maecenas? (jibt es einen Bruch in dem Umgang der Dichter mit diesem Thema?

Der Bürgerkrieg, der bisher die Veränderungen des politischen Bewußtseins, bzw. des Zeitbewußtseins allgemein bereits in den frühen (jedichten aufgedeckt hat, bleibt weiterhin das Leitmotiv der Untersuchung, deren Ziel es nun ist, Entwicklungslinien und Veränderungen im Denken der Zeitgenossen gerade auch nach dem Ende der Kämpfe aufzuzeigen. All diese Fragen sollen dahin ruhren, die Bewußtseinslage dieser (jeneration, der auch Octavian angehört, weiter zu erkennen. Das "unbesetzte" politische Bewußtsein, das der Caesarerbe in seinem ersten Handeln gezeigt hat,IO entwickelt sich weiter und nimmt allmählich wieder feste Charakteristika an, die es nun weiterhin zumindest in ihrer (jrundstruktur aufzudecken gilt.

111 Vgl. S. 92ft: und hesonders S. 95: Octavian ist zu Beginn seiner politischen Laufhahn ganz und gar offen für ein neues. im Bürgerkrieg entstehendes Denken. sein politisches Bewußtsein ist also in diesem Moment allein gepräb>1 von der Diktatur Caesars und weist keinen Bezug mehr zu dem funktionierenden Regelwerk der Repuhlik auf

:W8

5.2 Vergil und der Bürgerkrieg

Vergil veröffentlicht nach den Eclogen im Jahre 29 v. ChI'. die (jeorgica, ein Lehrgedicht über die Landwit1schafl. Dieses (jedicht, das weit mehr als die bloße Darstellung

landwit1schafllicher

Tätigkeiten

um faßt,

ist

aus

vielen

(jründen

außergewöhnlich. Dazu zählt, daß Vergil in die Zeitlosigkeit der Lehrinhalte die (jegenwart des römischen Bürgerktieges an mehreren Stellen integriert, 11 wie er bereits in die Zeitlosigkeit der Eclogen den Bürgerkrieg einbezogen hatte. So zeigt er stets in seinem

dichtetischen

Schaffen

auch

politisches

Bewußtsein,

zumindest

ein

Zeitbewußtsein von den Ereignissen um ihn herum. Hier in den (jeorgica ragt besonders der Epilog des ersten Buches heraus. Er läßt die Bedeutung der Bürgerkriegsproblematik rur den Dichter noch zu einem Zeitpunkt erkennen, als die Kämpfe beendet sind und der Sieger feststeht - und es wird deutlich, wie der Dichter nach Actium über den Bürgerkrieg denkt. Die genaue Datierung der Verse ist zwar umstritten,12 doch er trägt sie in dieser r01111 29 v. ChI'. vor, stellt sie also als seine noch immer gültige Meinung nach Actium vor.

Vergil behandelt am Ende des ersten Buches verschiedene Vorzeichen, auch die besondere Bedeutung der Sonne, als er rur den leser ganz unve1111utet nicht nur auf das Thema des Bürgerktieges allgemein, sondem auf die jüngste römische Zeitgeschichte zu sprechen kommt.

11 Vgl. R.F. Glei. Der Vater der Dinge: .• Daß Vergils Georgica nicht nur. wie alle Literatur. Ausdruck ihrer Zeit. sondern hewußte Auseinandersetzung mit ihr sind. hat man in der Georgica-Interpretation seit jeher gesehen; was aher hisher zu wenig deutlich gemacht wurde. ist der Umstand. daß diese für uns so seIhstverständliche Historizität des vergilischen Lehrgedichts durchaus einen Sonderfall in der Entwicklung darstellt. insofern Vergil damit wieder auf den Archegeten des Lehrgedichts. Hesiod von Askra. zurückgreift: .. Diesen .• historischen Auftrag" der Lehrdichtung hat erst Vergil sich wieder zu eigen gemacht. während alle andere nachhesiodeische LelH'dichtung weitgehend unhistOl'isch hleiht' . S.58f. N. HorsfhlL A cOlllpanion to the study of VirgiL macht deutlich: .• The G. are to the highest degree a mirror oftheil' age and ofits remarkahle changes.'. S. 93. Er fügt an dieser Stelle einen Appendix mit einer Liste ein. wo sich Vergil aufZeitereignisse hezieht. S. 93f. 12 Die in der Forschungsliteraturvertretenen Meinungen sind nicht einheitlich. Vgl. R. Glei. Der Vater der Dinge ..•.. der einzige sichere terminus ante quem ist die Schlacht von Actium". S. 67. N. HorsfhlL ehenda. datiert diese Verse auf 30 v. Chr.. S. 64. Oft: will man die Entstehung des Epilogs in zwei Phasen teilen. den Hauptteil voller Verzweiflung nach 39/38 v. Chr. datieren. Die Caesarverse voller Sieges- und Friedenshofl"nung (498-504) seien erst nach Actium eingefüb>t worden. So sind auch für K.E. Laage. Der Friedensgedanke in der augusteischen Dichtung. die Verse 498-504 erst später - wahrscheinlich im Jahr 30 v. Olr. - eingeschoben worden. S. 48. Dagegen wendet sich heftig F. Klingner. VirgiL Zürich 1%7. S. 222ft:

209

solem quis dicere falsum audeat? i11e etiam caecos instare tumultus saepe mOllet fraudemque et operta tumescere hella: i11e etiam exstincto miseratus Caesare Romam. cum caput ohscura nitidumfeJTugille texit impiaque aetenwm timuerunt saecula noctem. 13

465

Die Sonne wamt vor Tumulten und operta hella, Bürgerkriegen, wie in den folgenden Versen deutlich wird, so auch zu der Zeit, als Caesar enllordet wurde. 14 Deutlich spricht Vergil davon, daß impia saecula hen'schen, die nun als Strafe die ewige Nacht

fLirchten.

Mit

diesen

Worten

verweist

Vergil

Bürgerkriegssituation und den nicht enden wollenden Schrecken.

eindringlich

auf

die

15

Es folgen weitere Vorzeichen, die (jrauen und (je fahr ankündigten. 16 All dies deutet aber auf den römischen Bürgerklieg hin:

ergo inter sese parihus concurrere telis Romanas ades iterum uidere Philippi: nec foit indignum superis his sanguine nostro Emathiam et latos Haemi pinguescere campos. sdlicet et tempus veniet, cumjinihus ims agricola incun!o terram molitus aratro exesa inveniet scahra rohigine pila, aut grauihus rastris galeas pulsahit inanis grandiaque ejjbssis mirahitur ossa sepulcn·s. di patrii Indigetes et Romule Vestaque mater. quaeTuscum Tiherim et Romana Palatia seruas. hunc saltem euerso iuuenem succurrere saec10 ne prohihete. satis iam pridem sanguine nosfro womedonteae luimus periuria Troiae;

490

495

500

Georg. I 463-468 Die Ermordung Caesars ist nicht so sehr der Gmnd für die Bürgerkriege. wie eine Zeitangahe. Vgl. dazu R.A.B. Mynors. Virgil. Georgics. Oxfordl990. S. 91. Dies wird aher auch anders heurteilt. wie z. B. G.B. Miles. Virgil"s Georgics. A New Interpretation. in der Ermordung Caesars .,the immediate cause of disorder in the COSlllOS.". S.104f sieht. ebenso Glei. ehenda. S. 67. Besonders D. Little. Politics in Augustan Poetry. sieht die Ermordung Caesars als Grund des Bürgerkrieges in Georgica I. da er Vergil erst für einen begeisterten Anhänger des Diktators. dann Octavians hält. 11 R.F. Thomas stellt in seinem Kommentar. S.146. die Bedeutung dieses Verses heraus und weist auf Catulls Schildemng der Hochzeit des Peleus und der Thetis. Gedicht 64. 397-408, hin. in der Catull auch auf die verderhte Gegenwart zu sprechen kommt. omllia./i;mda lIeji;mda malo permixfa./imJre Thomas sieht sich bestätigt durch Hol". epod.16. 63-66. daß Vergil in diesem Vers speziell an das eiserne Zeitalter denkt. Vgl. auch R. Cramer. Vergils Weitsicht. Optimismus und Pessimismus in Vergils Geor!{ica. Berlin/New Yorkl998. er sieht durch impia saecula den Charakter der Zeit hezeichnet. .,aus dem Mord und Bürgerkrieg erwachsen" .,In Vergils Darstellung verhindet sich also die Vorstellung von dem Schrecken des Eisernen Zeitalters mit den Erfahrungen der jüngsten römischen Geschichte". S. 61 1(' Glei. ehenda.. ,Diese Prodigien kündigen nicht nur an - sie sind ja ganz fiktiv -. sondern symholisieren schon das Unheil seihst. den Bürgerkrieg.' . S. 58. 11

14

210

iam pn"dem l10his cae1i te regia, Caesar, il1uidet atque homil1um queritur curare triumphos. quippe uhifas uersum atque l1ejas: tot hella per orhem. tam multae scelerum jades, 11011 ullus aratro digl1us hO/70S, squalel1t ahductis arua colol1is. et curuae rigidum jalces cOl1jlal1tur il1 ellsem. hil1c movet Euphrates, mil1c Germal1ia hellum: uicil1ae ruptis il1ter se legihus urhes arma jerul1t: saevit toto Mars impius orhe. ut cum carcerihus sese ejjudere quadrigae. addul1t il1 spatia, et frustra retil1acula tel1del1.\" fertur equis auriga l1eque audit currus hahe/ws. 17

505

510

Vergil wendet sich im Epilog des ersten (jeorgicabuches dem negativen Hintergrund des Zeitgeschehens zu,

innerhalb

dessen er sein Werk

geschaffen

hat. 1m

Zusammenhang der (jeorgica bedeuten die Verse rur den Leser zunächst eine unerwartete Hinwendung zur realen Welt. Vergil spricht offen vom Bürgerkrieg, doch er beschränkt bei den erwähnten Zeitereignissen das (jeschehen auf Pharsalus - das nur angedeutet wird - und Philippi, das als besonderer Einschnitt erscheint, also auf den pompeianischen Bürgerkrieg. Pharsalus 48 v. ChI'. zeigt das Ende des Pompeius an, Philippi steht als Abschluß der Zeit Caesars. 18 Danach geht Vergilnicht auf konkrete Zeitereignisse ein. Es wird aber im folgenden deutlich, daß weiterhin Kämpfe he11'schen oder drohen. Vergil hat dabei ein festes Bild von der Welt: Der Bauer stellt in seiner Sicht die Zukunft dar; dieser wird später voller Verwunderung die Zeugnisse des vergangenen Kampfes finden. Die Rettung liegt in einem jungen Mann, der später zu den (jöHem zählen wird. Vergil ruft die (jötter an, den iuvenis nicht daran zu hindem, dem zugrunde gerichteten Zeitalter zu Hilfe zu kommen. Octavian, der sich ja hinter dem iuvenis verbirgt, steht als göttlicher Retter außerhalb des Bürgerkrieges. Der (jrund rur den Bürgerkrieg ist der Meineid des Laomedon, des trojanischen Königs, der Apoll und Poseidon beim Bau der Mauer Trojas um ihren Lohn betrogen hatte. Hier aber, in der realen, gegenwäl1igen Welt des Lesers/Zuhörers, sind Recht und Unrecht verkehrt,

I' Georg. 1 489-51 4.

I, Emathia in Vers 493 verweist poetisch auf Thessalien, wo Pharsalus lie!o>t. Die meisten Kommentare heziehen die Verse 1 48911'_ auf diese heiden Schlachten, vgL KAR Mynors, ehenda, S. 94f Er stellt sich gegen die Ansicht daß iferum aufzwei Gefechte hei Philippi hindeuten könnte, und verweist auf andere, spätere Dichter, die Pharsalus und Philippi jeweils als einen Schritt zum Principat sehen, die aher Vergil mißverstanden hahen könnten: .,To the puhlic, Pharsalus and Philippi ... were what mattered; and as they receded into history, and were seen as two decisive steps in one progress towards the Principate, the poets heightened their dramatic significance ... hy imaging, 01' writing as though they supposed, that they were actually fought on the same ground."

überall toben Kriege, he11'schen Verbrechen, das bäuerliche Leben wird nicht mehr geehrt, die Äcker sind verödet, da die Bauem weggefUhrt worden sind, die Sicheln des Bauem werden zu Schwertem umgeschmiedet (VV 505-508). Auch auf die Landenteignungen zugunsten der Veteranen nimmt Vergil hier emeut Bezug, wovon er schon in den Eclogen gesprochen hatte. Doch dort waren sie das Hauptthema, hier sind sie nur ein Motiv unter vielen, mit denen er das gegenwärtige Leid beschreibt. 1m folgenden weitet er dann die Schilderung des Bürgerkrieges zu einer Darstellung des Krieges überhaupt aus. (jel1nanien und der Euphrat, die entlegensten Ol1e, bereiten den Krieg vor - gegen Rom, benachbarte Städte brechen wide11'echtlich die Verträge und fUhren Krieg gegeneinander. Ihr Handeln ist damit fast äquivalent zum Bruderkrieg. 19 Jede Art von Krieg wird hier aufgefUhrt. Mars impius tobt im ganzen Erdkreis. Damit kann Vergil vor allem den Bürgerkrieg meinen, aber auch den Krieg allgemein, den er hier als solchen ablehnt. Klieg in jeder F011n erscheint als Bedrohung des geordneten Lebens. Das ganze Bild endet in Hoffhungslosigkeit, in der Metapher des von seinem Wagen mitgerissenen Lenkers, und das im Jahre 29 v. Chr., als der Frieden gefeiert wird.

Der Bürgerkrieg wird hier in dem im Jahre 29 v. ChI'. veröffentlichten Werk zum Thema gemacht, darüber hinaus als ein weiterhin bestehendes Problem dargestellt. 30 v. ChI'. sind die Kämpfe der Bürgerkriegsparteien beendet, Frieden he11'scht. Doch diese Verse zeigen die Situation noch immer ungelöst. Konkrete Zeitereignisse werden bis zum Jahr 42 v. ChI'. angesprochen, nur Philippi wird namentlich genannt, Pharsalus angedeutet. Die Ereignisse danach werden nicht einzeln vorgefUhrt, doch es wird deutlich, daß überall nicht nur Bürgerkrieg he11'scht - denn dieser wird von Rom auf den gesamten Erdkreis übertragen -, sondem daß Krieg überhaupt droht. Politisches (jeschehen wie die Landenteignungen, die 29 v. ChI'. der Vergangenheit angehören, werden als Mißstand der (jegenwart geschildert. Damit zeigt der Dichter ein Zeitbewußtsein, das durch den erlebten Bürgerkrieg schwer erschüttel1 ist; er kann sich noch nicht lösen von den vergangenen Ereignissen. Das tief sitzende Erlebnis wirkt noch nach der Beendigung des Bürgerkrieges fort. Vergil trägt sein Werk 29 v. ChI'. vor, nach Actium, und man kann davon ausgehen, daß der Epilog des ersten Buches erst spät 19 D. Little, ehenda, hezieht die Verse 510-11 auf den Kampf der Bundesgenossen gegen Rom: .,At the end of Georgie I, anarchie violenee hreaks the ties whieh hend the eities of hai)' to eaeh other and

entstanden ist. In dieser Zeit ist das allgemeine Bewußtsein immer noch von dem Schrecken der Kämpfe bestimmt. Was also ist die Motivation dieses Epilogs in dem (jedicht über den Landbau? Für den Leser muß der Einschub, der den negativen Hintergrund des Zeitgenossen selbst zum Thema hat, sehr übe11'aschend sein, und dies gilt wohl nicht nur fUr den modemen, sondem auch fUr den antiken ZuhörerfLeser. Für den Dichter aber ist offensichtlich die (jegenwart des Bürgerkrieges noch immer behe11'schend, und zwar so behen'schend in seiner Bewußtseinslage, daß er diese Verse in sein Werk einfUgt.

1m Vergleich zur Hit1endichtung hat Vergil hier eine ganz neue Fon11 gefunden, sich mit der Problematik des Bürgerklieges auseinanderzusetzen. In den Eclogen hatte er sich auf ein bestimmtes Problem, das sich erst aus dem Wüten ergab, nämlich die Landenteignungen zugunsten der Veteranen, beschränkt, die sich auch auf die Hirten auswirkten. Doch in den (jeorgica, die das bäuerliche Leben zum Hauptthema haben, werden diese nur als Motiv neben vielen anderen genannt. Zudem sucht er hier nun, den Bürgerkrieg tiefer zu begründen. 2o Dabei geht er noch weiter in der mythischen (jeschichte zurück als Horaz, der in der fi'ühen 7. Epode die En110rdung des Remus durch seinen Bruder Romulus als (jrund fUr die Bruderkämpfe angesehen hatte, nämlich bis zur (jründung Trojas, der Stadt, von der Rom seinen Ursprung herfUhrt. Warum geht er so weit zurück? Er verliert in seiner Begründung des Bruderkampfes damit doch den Bezug zum römischen Wesen, den Horaz noch gesucht hatte. Hatte dieser eine bei der (jründung Roms entstandene "Erbschuld" in der 7. E]X)de erkennen wollen, so geht Vergil weit darüber hinaus in die mythische Frühzeit zurück. Wie muß man es mit Bezug auf das Zeit bewußtsein deuten, daß sich die Dichter in ihrer Begründung des Bürgerklieges im mythischen Bereich immer weiter zurückwenden? Die Begründung Rome.' . S. 259. JIl D. Little. ehenda. kritisiert diese Begliindung für den Bürgerkrieg. die ihm unpolitisch erscheint: .,There is a concreteness which is ahsent from Virgil. If his answer to the question .. ,\\'hat caused the civil wars?". is myth. morality or theology. he gives no answer to the question. \\tlO caused them. He is not interested in timt kind of particularity. not interested. timt iso in their strictly political origin.'. S. 262. Doch Vergil ist kein .,unpolitischer" Dichter. Er zeigt. daß das Zeithewußtsein immer weiter im Mythos zUliickgeht. um den Zustand der Gegenwalt zu hegründen. Wenn er dahei so weit in die Vergangenheit zurückgeht. so hat er dafür Gliinde. die Rückschlüsse auf sein Zeithewußtsein ermöglichen. Vgl. R.A.B. Mynors. Virgil. Georgics. zu Vers 1502: .,But why does V. give it such prominence here? Is it not to invent the civil war was with something of the dignity and the horror of an unherited curse in early Greek poetry. like that which haunted the house of Atreus?" Vgl. G.ß. Miles. ehenda .. ,Virgil assigns the prohlems of contemporary Rome a specit1c origin. hut it exists outside the scope of history in the remote past of myth.' . S.I05f Doch das Zeithewußtsein ist deshalh nicht unpolitisch geworden.

213

des Bürgerkrieges durch den Meineid des Laomedon zeigt einen Rückzug in den Mythos, der immer mehr den Bezug zur (jegenwart und zum römischen Wesen verlie11. Und doch scheint man hier einen Teil des sich bildenden Zeitbewußtseins fassen zu können.

Wichtig rur Vergils Bewußtseinslage ist, daß er die Darstellung des Bürgerklieges in den (jeorgica zu einer des Klieges allgemein ausweitet. Der Mars impius kann bei des bedeuten, denn in Vergils Augen stellt hier in den (jeorgica beides, sowohl Bürgerklieg als auch Krieg, ein bloßes Rasen oder Wüten im ganzen Erdkreis dar. Vergil lehnt im Jahr 29 v. ChI'. den Klieg in jeder ronn ab. Und so schildert er auch das Leben seiner Bauem an anderer Stelle, im zweiten Buch, als procul discordihus armisY Die zwieträchtigen Waffen velweisen wohl besonders auf den Bürgerklieg, Vergil kann auch auf die Eigenschaft von Waffen, stets miteinander den Kampf zu suchen, anspielen. Wenig später kommt er im gleichen Buch emeut auf das Leben der Bauem zu sprechen. 22 Er zeigt die Bauem fem von Politik lebend, insbesondere ohne Bezug zum BruderkampfY Er vergleicht ihre Lebensweise mit dem (joldenen Zeitalter und setzt beides in enge Analogie. 24 Damals aber, als Satum in der (joldenen Zeit he11'schte, gab es kein Zeichen zum Angriff, keine Schwerter wurden geschmiedet. 25 Der Bauer der Zukunft kennt keinen Kampf. Auf diese Weise erklärt sich, daß er im Epilog des ersten Buches verwunde11 vor den Waffen einer Vergangenheit stehen wird, die ihm anscheinend nicht mehr bewußt sein wird. Der Krieg, der Kampf ist - so kurz nach der Einkehr des rliedens in der Realität -nicht Teil der aurea saecula. 26

21 Georg. "458-4 60: O.!iJrfullafos lIimium. sua si hOlla IlOrillf. i aRricolas;' quihu.\" I/isa proc ul discordihu.\" armis /.!illldif Iwmo .!acilem uiefum iusfissima feIlus. In den folgenden Versen 461-474 schildert Vergil

das Lehen der Bauern. in denen man die äußersten Spuren der zurückweichenden Gerechtigkeit finden (hesonders VV 473-474). -- Geo!"!!. "513-540. 21 Georg. "493-512:.!iJrfwrafus ef ilIe deos qui lIouif aRresfis / Pmraque Silumrumque seilern ",. ~Fmplrasque ~oarUl

sorores • iIfum /Um populijasces. /Um purpura reRum /.!lexif ef illjidm aRifmrs discordia ./i-afres / auf cOlliurafo descelldells Dacus ah Hisfro. i /Um res Rommrae perifuraque reRlla. Gerade die Darstellung

des Goldenen Zeitalters hei Vergil giht Hinweise auf die Entwicklung seines Zeithewußtseins. Dies wird später noch eingehender hetrachtet. vgl. S. 278ft: 24 Georg. " 532-538: Irmrc olim ueferes uifam coluere Sah/lli. Irmrc Rem us ef .!Tafer; sic .!iJrfis Efrnria creuif / scilicef ef rernmjacta esf puldrerrima Roma. sepfemque wra sihi mUni circumdedif arces / mrfe efiam scepfrum Diefaei reRis ef mrfe / impia quam caesis Rells ef epulma iuuellcis. / aureus lrU/rc uifam ill ferris Safumus aRehaf; 21 Georg. " 5391:: lIecdum efiam audiermrf illjlari dassica. lIecdum / imposifos duris crepifare illcudihu.\" ellsls

Vgl. dazu die 4. Eeloge. hier S.112fl". Doch an anderen Stellen in den Georgica zeigt Va·gi!. wie prägend auch für ihn das römische Militärwesen ist. vgl. georg. " 13611" und georg. " 27511: R. emmer.

2('

214

So hat Vergil in den (jeorgica ein allgemeineres, aber zugleich auch difTerenzie11eres Bild des Bürgerkrieges entworfen. Er findet im Vergleich zu den Eclogen zu einer ganz neuen F01111, mit dem Thema umzugehen, zeigt die tief velwurzelte Angst vor dem emeuten Ausbrechen eines Bürgerkrieges, aber auch eine Ablehnung des Krieges jeglicher Art. Ob die Verse vor Actium oder erst danach entstanden sind, Vergil trägt sie jedenfalls 29 v. ChI'. Octavian vor und zeigt so seine noch immer vorhandene Angst und auch sein Entsetzen. Er macht auch die Furcht deutlich, daß der äußere Feind (jel111anien und der Euphrat vertreten dabei die verschiedenen Himmelsrichtungen - die Unruhe, die im ganzen Erdkreis he11'scht, gegen Rom ausnutzen könnte, und berührt sich hierin mit Äußerungen des Horaz. Fragt man nach den von ihm angesprochenen Zeitereignissen, so nennt er namentlich nur die Schlacht von Philippi 42

V.

ChI'. und

deutet Pharsalus 48 v. ChI'. an. Auch nach Philippi drohen seinen W011ennach weiterhin Kämpfe, doch sie werden nicht näher erläutert. Die Bewußtseinslage, die in dem Epilog des ersten (jeorgicabuches herv011ritt, zeigt eine fortwährende Angst vor dem Bürgerklieg, die endgültige Hinwendung zu dem einen fast göttlichen Retter, Octavian, den Gauben an eine Zukunft, die, vom bäuerlichen Leben bestimmt, keinerlei Krieg mehr kennenlemen wird. In der Begründung, die Vergil rur das (jeschehen des Bürgerklieges gibt, mit dem Meineid des Laomedon beim Bau Trojas, zeigt er sich fem von einem politischen Bewußtsein über die realen (jründe des Bürgerkrieges. Durch die Verschiebung des erklärenden Mythos in eine immer größere Entfemung läßt sich ein Zeit bewußtsein erkennen, das nicht nur in den Mythos nieht und sich dort zu erklären sucht, sondem das immer mehr den Bezug zur (jegenwart meidet. Die Vor- und Frühgeschichte Roms scheint im Bewußtsein des Römers von sich selbst und seinem Staat an Bedeutung zu gewinnen. Dazu kommt als ein mögliches Charakteristikum des Zeitbewußtseins, das damit kOl1'espondiert, ein Vel111eiden, die jüngsten (jeschehnisse des Bürgerkrieges beim Namen zu nennen, allein Philippi steht als ein Höhepunkt des Kampfes da.

ehenda, weist daraufhin, daß .,die märchenhafte Welt, die Vergil in der vielten Ekloge erhoffte", hier weit entfernt ist. Er ist der Ansicht. daß der Lenker des außer Kontrolle geratenen Wagens die impiu sueculu seihst sind, S. 67f

215

Wie geht Vergil in seinem nächsten Werk, der Aeneis, die vor allem in den 20er Jahren entsteht, mit dem Thema des Bürgerkrieges um? 1st es auch hier noch rur ihn aktuell? In den mythischen Rahmen der Erzählung von dem Ursprung Roms scheint zunächst kein direkter Bezug auf den Bürgerkrieg, der zum Zusammenbruch der römischen Republik ruhrte, hineinzupassen. 27 Wenn er aber dort zu finden ist, muß er rur den Dichter um so wichtiger sein, betrachtet man die Bedeutung des Werkes als Nationalepos, dann auch rur den Leser/Zuhörer. Vergil geht an mehreren zentralen Stellen der Aeneis auf die zukünftige (jeschichte Roms, also auch auf die eigene (jegenwat1, ein: luppiter schildert Venus die Zukunft ihres (jeschlechts, Anchises zeigt seinem Sohn Aeneas die künftigen, ihm nachfolgenden Helden, der Schild des Aeneas ist geschmückt mit der (jeschichte und den Kämpfen Roms. Bezieht Vergil an diesen zentralen Stellen, die die Zukunft darstellen, den Bürgerkrieg in sein Werk ein, und wenn ja, in welcher

1'01111,

wann und welche Zeitereignisse werden dort genannt?

Welches Zeitbewußtsein steht dahinter?

1m ersten Buch der Aeneis tröstet der (jöttervater luppiter Venus. Er prophezeit ihr das zukünftige (jeschick des von ihr abstammenden (jeschlechts, dem er weder in Raum noch Zeit eine (jrenze setzen wird. Der Höhepunkt ist der von trojanischem Ursprung kommende Caesar/Augustus, der sein Reich mit dem Ozean, seinen Ruhm mit den Stemen begrenzen wird. Wenn Augustus he11'schen wird, wird es auch keine Kliege mehr geben. An dessen Person ist der Friede gebunden. 28 Vergil beschreibt mit den folgenden Versen den Zustand des Friedens ausruhrlicher.

Die Aeneis ist erfüllt von Bezügen auf Krieg und Frieden, die aus der Gegenwart in die Vergangenheit hineinreichen, vgl. Aen. XI 360-363, die an Turnus gerichteten Verse: quid misero.I' foliells ill aperfa

2'

perieula eiuis / proieis, 0 Lalio eapuf IIOn/m ef causa malon/m? lIuIla salus heIlo, paeem fe poseimus omlles, Turlle, simul pacis solum illuiolahiIe pi!{IIUS, Dies wird in der Forschung immer wieder

untersucht, vgl. u.a. L. Morgan, Assimilation and Civil War: Hereules and Cacus. Aeneid 8, in H.-P. Stahl. Vergirs Aeneid, S.175-198, er sieht die Aeneis voll von Hinweisen auf die Bürgerkriege: .,The Civil Wars represented for the Romans total cultural hreakdown (mm mos, mm ius).' , S. 183, der Kampf zwischen Hereules und Cacus wird seiner Meinung nach zu .,a kind of mythical model tor the Civil Wars.', S.185. In der vorliegenden Untersuchung sollen keine Analogien, nur direkte, konkrete Bezüge auf den Bürgel"krieg zur Zeit Vergils hehandelt werden. 2, Aen. I 286-290. R.G. Austin betont in seinem Kommentar zum ersten Buch der Aeneis die Zweideutigkeit dieser Verse, die sowohl auf den Diktator wie auf Au!o'Ustus verweisen können, S.108ff Seiner Meinung nach hat Vergil diesen Ahschnitt .,with a oracular amhigous expression" verfal.\t und es seinen Lesern üherlassen, auf wen sie diese Verse heziehen. E. Kraggerud, Which lulius Caesar. On Aeneid 1.286-296, SO 67 (1992),103-112, stellt sich gegen diese u.a. auch von J.J. O'Hara vertretene Ansicht. Vgl. zu dieser Forschungskontroverse weiter, J.J. O'Hara, Temporal Distortions, .,Fatal" Amhi!o'Uity, and Julius Caesar at Aeneid 1.286-96, SO 69 (1984), 72-82 und die Antwort E. Kraggeruds an gleicher Stelle, 83-93.

216

nascetur pulchra Troianus origine Caesar. imperium Oceano,famam qui terminet astris. [uHus, a magno demissum nomen [ulo. hunc tu oHm cae10 spoHis Orientis onustum accipies secura; uocahitur hic quoque uotis. aspera tum positis mitescent saecula he11is: cal1a Fides et Vesta, Remo cum fratre Quirinus iura dahunt; dirae jerro et compagihus artis c1audentur Be11i portae; Furor impius intus saeua sedens super amw et centum uinctus aenis 29 post tergum nodisfremet horridus ore cruento.

290

295

Der Frieden aber ist der zentrale (jedanke dieser He11'schaft. Die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, deren eskalierender Streit noch die Ursache rur den Bürgerkrieg in Horazens Epoden darstellte, sind wieder vereint, sie werden emeut zusammen (jesetze geben, vor allem aber sind die Tore des Krieges verschlossen. Was bedeutet der foror impius, der innen gefesselt immer noch über den grausamen Waffen mit blutigem Maul

sitzt? juror, eigentlich der blinde Wahn, stellte in den schon betrachteten (jedichten des Horaz, den Epoden, den Bürgerkrieg dar. (jerade die Verbindung mit impius verstärkt diesen Eindruck?O An die Epoden erinnem auch die nun wieder vereinten Brüder. Doch Vergil hat bereits in den (jeorgica das Bild des Bürgerklieges zu einem des Klieges überhaupt ausgeweitet; der Klieg zwischen benachbarten Städten weist zudem Berührungspunkte mit dem hellum civile auf. Er verband dort auch Mars mit dem Attribut impius. 31 Ob Vergil an dieser Stelle der Aeneis den Bürgerkrieg oder den Krieg überhaupt meint, muß nach den (jeorgica unklar bleiben. Er zählt denforor zum Krieg, dessen Tore fest verschlossen sind, und zeigt damit die gleiche (jrundeinstellung zum Krieg wie in seinem (jedicht über den Landbau. Doch die Stimmung hat sich verändert. Der Frieden, den luppiter rur die Zukunft verkündet, ist zu einer (jewißheit geworden. In dieser Zukunft, in der alles umgreifenden He11'schafl des Augustus , wird es keinen Krieg und keinen Bürgerklieg mehr geben. 32 Derforor, vor allem also Bürgerkrieg, ist eine (jefahr, die auch in der Friedenszeit noch bedrohlich erscheint und gefesselt bleiben

Aen. I 286-296. Vgl. u. a. K. Galinsky. AUb'Ustan Culture. dieser sieht irnjimJT irnpius den Bürgerkrieg: .,Despite the imagery ofthe closing ofthe doors ofthe Janustemple. the reference is mostly to the civil wars that were charakterized hy the hloodthirst ofjimJT irnpius (1.294-96)." 11 In den Eelogen war der rnifes. der dem Bauern sein Land nahm. irnpius. Vgl. S.I 06f. 12 D. Fowler. Opening the Gates of War. Aeneid 7.601-40. in: H.-P. Stahl (ed.). Vergirs Aeneid. S.155174. sieht einen Zwiespalt zwischen der Sicht eines Römers von sich seihst als Soldat und dem Wunsch nach einem universalen Frieden. S.162 und wieder S.164f. Vgl. zu dieser Fragestellung Kap. 6.1.

29

111

217

muß. Es ist daher ein besonderes Charakteristikum der neuen Zeit und damit gleichzeitig des sich entwickelnden Zeitbewußtseins, daß dieser Schrecken in Ketten geworfen ist.

1m VI. Buch der Aeneis wirft Vergil emeut einen Blick in die Zukunft Roms, nämlich in seine eigene (jegenwart. Aeneas besucht Anchises in der Untelwelt; dieser sagt ihm die Zukunft Roms in der berühmten Heldenschau vorher. Hier zählen gleich zu Beginn der Schilderung, wie Aeneas dorthin gelangt, der todbringende Krieg (morfljerum Bellum) und die wahnsinnige Zwietracht (Discordia demens), die auch den

Bürgerklieg verkörpert, zu den furchtell"egenden Dämonen, die Aeneas draußen im Vestibül der Unterwelt sieht?3 Beide werden in engem Bezug zueinander genannt. Sie gehören zu den Schrecken der Menschen.

In der komplex gestalteten Heldenschau sieht man die Helden Roms von der frühesten Zeit bis hin zur jüngsten (jegenwart des Dichters in einem komplizierten Verlauf dargestellt. Zuerst erscheinen die römischen Könige bis Vers 818. Doch ihre Darstellung ist durch einen großen Einschub unterbrochen, denn auf Romulus folgt sogleich Augustus, VV 789-807, dann erst zeigen sich die weitel"en Könige. So wird Augustus eng an Romulus herangerückt, er erscheint als Stadtgründer, vor allem aber als Hell' der Welt. 1m folgenden werden die Helden der Republik gezeigt, doch auch hier unterbricht ein Einschnitt die chronologische Reihenfolge. Denn gleich nach den frühen republikanischen Helden folgen zwei nicht mit Namen genannte Männer, die, noch in inniger Eintracht verbunden, obwohl beide Römer sind und sogar zu Verwandten

Aen. VI 273-294, hesonders VV 279-281: morfl!erumque aduerso in fimine Bellum / jerreique Eumenidum fhalami ef Discordia demens / uljJereum crinem uiftis innexa crnentis. Für G. Binder, Aeneas und Augustus. Interpretationen zum 8. Buch der Aeneis, Meisenheim am Glanl97L verkörpert die Discordia Streit. Anarchie und Krieg, stellt denjimJr an sich dar, .,das Kriegstreihen nach der ti"evelhafien Öfthung des lanushogens.", S. 248. Vgl. F. Cairns, Virgirs Augustan Epic, Camhridgel989, hesonders S. 85-108: .,This implies that Discordia has no place in the nether world .. " Cairns zählt S.107, Anm. 59 die Stellen auf: wo Vet'gil Discordia, discordia. discors und concors verwendet. Allein die oben zitierte Stelle widerspricht schon der Ansicht. die R. Glei, Krieg und Frieden in der Sicht des Dichters VergiL in: G. Binder/B. Effe, Krieg und Frieden im Altertum, Triel' 1989, S.ITI-190, vertritt. nämlich daß in den Hirtengedichten und den Georgica nur der Bürget'krieg als .,schlechthin verhrecherisch gehrandmarkt" werde, .,die äußeren Kriege Roms fraglos akzeptiert" werden, S.182. - Sicher wird in der Aeneis auch die Weltherrschaft des Augustus gepriesen, doch gerade auch die Einkehr des Friedens immer wieder hesonders hervorgehoben. Der Zwiespalt. unter dem Vergil steht. soll später noch untersucht werden. Vgl. S. 293ft:

218

werden, miteinander Krieg ruhren werden (VV 826_835).34 Ihre Darstellung mllt damit ganz aus der Heldenreihe heraus. Sie leben erst viel später als die dem Aeneas bisher gezeigten Männer - bis auf Augustus, der aber eine Ausnahmegestalt darstellt -, und ihr Handeln steht ganz im Widerspruch zu dem des kurz zuvor, in den Versen 819-823 dargestellten Brutus. Dieser ließ seine Söhne, die nova hella, also Aufruhr bis hin zu Bürgerkliegen planten, um die Tarquinier nach Rom zurückzubringen, himichten. 35 Mag Vergil auch die Beweggründe des Brutus zumindest zum Teil rur zweifelhaft halten - obwohl die cupido laudum eher ein Problem seiner eigenen Zeit zu sein scheint -, so nennt er doch dessen Vaterlandsliebe zuerst und macht schon zuvor darüber hinaus deutlich, daß Brutus so pro pulchra lihertate handelte. Hatte Vergil also bereits in den Versen davor in der (jestalt des Brutus klar herausgestellt, daß Bürgerkrieg und innere Unruhen der Freiheit, die hier als Einschnitt in die (jeschichte gezeigt wird, widersprechen und unter allen Umständen verhindert werden müssen, werden diese beiden folgenden Männer aber, gleich stark und einträchtig (concordes) nun, in Zukunft ein ungeheures Morden mit sich bringen. 36 (jerade der Widerspruch im Handeln also scheint ihre EinfLihrung direkt nach Brutus zu rechtfet1igen. Brutus brachte die Freiheit und suchte sie unter allen Umständen zu erhalten, diese beiden Männer aber zerstören sie durch ihren Bürgerkrieg.

37

illae autem parihus quas folgere cemis in armis. concordes animae nUllC et dum nocte prementur. heu quantum inter se hellum, si lumina uitae attigerint, quanta.\" ades stragemque ciehunt, aggerihus socer Alpini.\" atque arce M0/1Oed

830

Vgl. zu diesen Versen E. Lefewe. Vergil as a Repuhlican. Aeneid 6.815-35. in: H.-P. Stahl (ed.). Vergil's Aeneid. S.101-118. sowie M. v. Alhrecht. Vergils Geschichtsauffassung in der .,Heldenschau". zu der Darstellung des lulius Caesar in dieser Zeit allgemein vgl. P. White. Julius Caesar in Augustan Rome. Phoenix 42 (1988). 334-356. zu diesen Versen S. 349f 11 Aen. VI 82011': nafosque pafer noua hella mouenfis ad poenam pulehm pro Iiherfafe uocahif. in/eIix. ufcumque./erenf eu.!acta minores.- / uincd amor pafriae Iaudumque immensa cupido. Vgl. zu den Ahsichten der Söhne Livius" 4. R.G. Austin erklärt in seinem Kommentar zum VI. Buch nova hella so: .,nova implies hoth 'renewed' and 'strange' (from their position and their impiety)". ad. loc. 820. S. 252. 1t' F. Cairns. ehenda. zieht diese Verse zur Untersuchung eines .,vital hut neglected thematic nexus in the Aeneid. timt of 'concord' and 'discord'" heran. S. 85. Er ist der Ansicht. daß für Vergil .,the philosophically and culturally richer concept of concordia appears to have offered more scope for moral meditation.' . S. 92. Vgl. zu der Gestalt des Brutus gerade auch in Verhindung zu dem Caesarmörder E. Lefevre. ehenda. S. 103fI Lefewe hetont den Kontrast in dem Handeln des Brutus auf der einen Seite und dem des Caesar/Pompeius auf der anderen Seite. S.I 07. und folgert: .,One has to infel' that the younger Brutus killed Caesar with full justice.". S.107. Was aher ist dann mit Pompeius? Ist Brutus hier denn positiv dargestellt? Die cupido Iaudum wiegt in Vergils Zeit schwer. 14

219

descel1del1s, geiler aduersis il1stmctus Eois/ l1e, pueri, l1e tal1ta al1imi.\' adsuescite hella l1eu patriae ualidas il1 uiscera uertite uin"s: tuque prior, tu parce, gel1us qui ducis 01ympo. proice tela mal1U, sal1guis meus/ _38

83

Jeder Leser weiß, daß die beiden Männer Caesar und Pompeius sind. Ihre Darstellung ragt aus mehreren (jründen aus der Reihe der Helden heraus. Nur an dieser Stelle der Heldenschau wird klar, daß es in der zukünftigen römischen (jeschichte auch Bürgerkrieg geben wird. Vergil erzählt keine anderen Taten und E11'ungenschaften der beiden Peldhe11'en, ihre Bestimmung scheint allein in dem Kampf gegeneinander zu liegen. Er beschränkt das Bürgerkriegsgeschehen auf die Auseinandersetzung zwischen ihnen, verschärft sie in ihrer Tragweite aber noch durch die Betonung der Verwandtschaftsbeziehung zwischen Caesar und Pompeius - obwohl bei Ausbruch des Bürgerkrieges die Verwandtschaft bereits wieder aufgelöst war.

39

Die beiden Männer

kämpfen nicht in Rom, sie prallen, der eine von den Alpen und der Burg des Herakles herkommend, der andere sich im Osten zum Kampf aufstellend, zusammen. Zwei Hemisphären treffen in dem Kampf zwischen Caesar und Pompeius aufeinander. 4o Zwar ist Pompeius oft als Eroberer des Ostens dargestellt worden, doch der Kampf Westen gegen Osten, Apoll gegen Dion)'sos, hat eigentlich zwischen Marcus Antonius und Octavian stattgefunden.

1, Aen. VI 826-835 19 P. White. ehenda. macht darauf aufmerksam. daß nur an dieser Stelle in der Heldenschau .,two charakters are introduced who are linked to the same events' . sowie daß Caesar und Pompeius nicht mit Namen genannt werden. sondern durch ihre Verwandtschaftsheziehung identifizielt werden.. ,Thus Vergil makes the war a clash hetween adversaries who are kinS/nen as weil as Romans. although in fact the marital link had dissohred four years hefore the war hegan." VgL R.G. Austin. P. Vergili Maronis Aeneidos Liher Sextus. with a commentary. Oxfordl977. der noch weiter darüber hinaus geht: ., ... the marriage-relationship hetween Caesar and Pompey added a special family impiefas of civil war.' . S. 255. E. Lefevre. ehenda. verweist darauf: daß auch CatulL wie der Autor des Catalepton. sowie Lucan und Martial diese Verwandtschaftsheziehungen hetonen. S. 108, Anm. 46-49 mit Stellenangahen. VgL auch F. Cairns. ehenda. S. 96ft: 411 P. White. ehenda. S. 349L sucht zu erkären. wamm Vergil nur in Caesar und Pompeius den Bürgerkrieg fokusiert: .,.. hecause he sees in their conflict the climatic manifestation of a destmctive tendency... All the details Vergils picks out when speaking of Caesar and Pompey - the mattial tie. the alliance that ended the rivalry. and especially the dash of East and West - apply as weil 01' hetter to the suhsequent struggle hetween Octavian and Antony.'. S. 350. Doch schon in den Georgica hat Vergil den Bürgerkrieg als Zeitereignis nur auf Pharsalus und Philippi hezogen. Nach der Meinung von Lefevre. ehenda. will Vergil Caesar als Feind Italiens darstellen. S. 108. M. v. Alhrecht. Vergils Geschichtsauffassung in der Heldenschau. WS 80 (1967).156-182. sieht darin einen positiven. indirekten Hinweis auf eine gewaltige expansive Kraft. seiner Meinung nach kornrnt hier hereits in Caesar und Pompeius der Gedanke der Weltherrschaft zum Tragen. S.166 und S.170.

220

Die Darstellung gipfelt in dem zweifachen Ausruf des Anchises, sich nicht an solche Bürgerkriege zu gewöhnen, nicht die starken Kräfte gegen das eigene Innere zu richten. Solche Worte richtet er zuerst an die pueri. - Wer ist damit gemeint? Aeneas und die weiteren Nachkommen? Caesar und Pompeius? Oder werden die Römer allgemein angerufen? Jeder kann sich damit angesprochen ruhlen. - Dann aber wendet er sich explizit an seine eigene Nachkommenschaft: Sein Blut solle zuerst die Waffen aus der Hand fallen lassen. Durch den emphatischen Ausbruch - Anchises wendet sich an dieser Stelle zum erstenmal direkt an die zukünftigen Helden und weckt so besonders die Aufinerksamkeit des Lesers/Zuhörers - erhalten die Verse eine Steigerung ihrer Dringlichkeit. Wie wichtig muß es Anchises sein, daß die Römer den Frieden untereinander bewahren! Sein Blut, also seine aus der Verbindung mit Venus kommende direkte Nachkommenschaft, soll nicht nur den Frieden wieder herbeiftjhren, sondem den (jegner schonen, sogar die Waffen fallen lassen. Aufwen beziehen sich die Verse 834-835, auf Aeneas oder vielmehr auf (jaius Iulius Caesar oder auch auf seinen Adoptivsohn't l Auf den ersten Blick verschiebt Vergilmit dieser Ambiguität, wen er mit seiner Aufforderung ansprechen will, die Zwietracht, die beendet werden soll, in die Vergangenheit. Eigentlich besteht die von Anchises so kritisierte discordia - sie wird nicht namentlich genannt, tritt aber um so deutlicher in Erscheinung, weil Anchises nun ihre Eintracht hervorhebt - zwischen Caesar und Pompeius, sie geht aber lange über ihren Streit hinaus. Anchises' W011e scheinen so rur die gesamte römische (jeschichte ihre (jültigkeit zu behaupten. Doch was meint Vergilmit diesen in der Heldenschau so aufhilligen Versen? Einen Sieg im Bürgerktieg? Einen Sieg beschreibt man anders. Am wichtigsten ist es rur Anchises , also rur Vergil , den Kampf zu beenden, nicht durch einen Sieg, sondem dadurch, daß der eine, der Sproß des Anchises, zur Vemunft kommt. Er soll als erster den (jegner schonen, die Waffen wegwerfen. Wie stellt er damit seinen Nachkommen dar? Er sieht ihn doch eher als friedliebend, als einen Mann, der den Ftieden im Staat als höchstes (jut sieht. 42 Meint er damit die besondere dementia des Diktators? Damit würde Vergil aber die Eigenschaft Caesars

die von Cato gerade als die eines Königs erkannt wurde.

43

herV01~1eben,

Wenn Vergil also auf diese

41 R.G. Austin. ehenda. hezieht die Verse auf Gaius lulius Caesar. den Diktator. und verweist hesonders auf dessen herühmte Milde. dementia. ad loc. 834. S. 256. 42 Denn was hedeutet hier parcere? Es stellt doch die Fordemng dar. den Gegner zu schonen. sich seIhst zurückzuhalten. F. Cairns. ehenda. S. %. macht darauf autinerksam. daß Aeneas in der von Anchises geforderten Form handelt. Aen. XI 108-119 41 Vgl. dazu R.D. Williams. The Aeneid of VirgiL hooksl-6. New YorkI972. S. 256. ud Iocum 834.

221

besondere Eigenschaft des Diktators anspielt, kann man auch daran die Veränderung des Zeitbewußtseins erkennen. Denn die dementia ist nun zur selbstverständlichen Eigenschaft des herausragenden Mannes, des Princeps, geworden, ohne daß man sich an diesem he11'scherlichen Charakteristikum stößt. Muß sich nicht auch Augustus besonders durch diese Worte angesprochen Hihlen?44 An keiner anderen Stelle kommt Vergil der Problematik des Bürgerklieges so nahe, doch bleibt er auch hier beim pompeianischen Bürgerkrieg und geht in dem direkten Bezug auf bestimmte Zeitereignisse nicht darüber hinaus, wohl aber in den gestellten Forderungen, die sich an jeden Nachkommen des Anchises lichten. In seinem Zeitbewußtsein zeigt er auf diese Weise den Schrecken über das ungeheuerliche (jeschehen und den Wunsch, den Kampf durch Vemunft und Einsicht zu beenden. Die Mahnung des Anchises an die kommenden (jenerationen, sich nicht an solche Kämpfe zu gewöhnen, stellt einen zentralen (jedanken der Heldenschau dar und zeigt gleichzeitig die Auswirkungen des hel1um civz"le auf Vergils Zeitbewußtsein: 1m historischen Bewußtsein Vergils spielen

der Bürgerkrieg, vor allem die Zwietracht zwischen Caesar und Pompeius und ihre Auswirkungen eine sehr große Rolle, und diese Empfindung wird von vielen Zeitgenossen geteilt worden sein.

1m VTTT. Buch, in der Schildbeschreibung, kommt Vergil emeut auf den Bürgerkrieg zu sprechen.45 Denn Actium ist die zentrale Schlacht, die auf dem Schild des Aeneas dargestellt ist (VV 675-713). Doch Actiumnimmt hier andere Züge an und ist kein Teil des Bürgerklieges. Wie dringend Vergil auch an den anderen beiden Stellen die Wamung vor dem Rasen des Bürgerkrieges erscheint, so stellt doch die entscheidende Schlacht zwischen Octavian und Marcus Antonius offenbar keinen Bruderkampf dar.

44 Vgl. Properz" 16,41 -42 zu der Darstellung des Siegers. vgl. dazu S. 267f und S. 279f. Wichtig für das Zeithewußtsein Vergils ist auch die Darstellung Catos in der Aeneis. Vgl. dazu E. Lefevre. ehenda. S. 108fl". 41 Vgl. zur Schildheschreihung G. Binder. Aeneas und Augustus. Interpretationen zum 8. Buch der Aeneis. Meisenheim am Glanl97L R.A. GurvaL Actium and Augustus. The Politics and Emotions of Civil War. Arm Arhorl995. S. 209-247. C. Becker. Der Schild des Aeneas. WS 77 (1964).111-127. A.G. McKay. J",~m errahile fexfum? The shield of Aeneas and the tri pie Triumph of 29 B.C .. in: H.-P. Stahl (ed.). Vergirs Aeneid .. S.I99-22L sowie D. West. Cenrere eral: The Shield of Aeneas. in: S.J. Harrison (ed.). Oxford Readings in Vergil"s Aeneid. S. 295-304. McKay und West gehen jeweils eine zeichnerische Wiedergahe des Schildes mit der Verteilung der dargestellten Szenen. West. S. 298. stellt die Schlacht von Actium in die Mitte des Schildes. McKay. S. 214. setzt aher in das Zentrum des Schildes Octavians dreifachen Triumph und die Darstellung. wie Augustus auf der Schwelle des Apollo-Tempels setzt und den hesiegten Völkern die Rechte giht. Damit sieht er in diesen Szenen zu Recht auch die größte Bedeutung liegen.

Aber auch hier fehlt nicht der Bezug auf die discordia. Schaut man die die Heere begleitenden (jötter an, so stehen auf der einen Seite onmigenumque deum monstra et latrator AI1Uhis gegen Neptun, Venus und Minerva. Der actische Apoll wird besonders

herausgestellt. In der Mitte aber, getrennt von den anderen (jottheiten, toben Mars,46 mit altem Namen Mavors genannt, die tristes Dirae und voller Freude die Discordia, der die Bellona folgt. 47 Die Zwietracht ist nun personifiziert. Vergil kann also bei seiner Schilderung des Kampfes bei Actiumnicht die discordia/Discordia ignorieren. Er steht damit auf der einen Seite in der Propaganda seiner Zeit und zeigt das hen'schende Zeit bewußtsein. Denn schon findet man keine andere Dm'stellung Actiums mehr. 48 Auf der anderen Seite zeigt er, wie bestimmend das Erlebnis der Zwietracht rur sein Denken ist. Selbst hier, wenn Vergil die bedeutendste Schlacht der zukünftigen (jeschichte Roms schildert - wie durch die zentrale Stellung auf dem Schild erkennbar ist -, steht die discordia/Discordia in der Mitte des Kampfgeschehens, zwischen den ägyptischen und römischen (jöttem. 49 Doch die Zwietracht wird bei Actium auch überwunden. Die Schlacht von Actium mündet in der Schild beschreibung Vergils sogleich in die Darstellung der neuen (joldenen Zeit unter Augustus.

Was bedeutet der Bürgerkrieg rur Vergil nach Actium? Er dehnt die Wamung vor dem Bürgerkrieg aus, der Krieg überhaupt ist rur ihn schrecklich, nicht Teil der aurea saecula. Dies hatte sich bereits in den Eclogen gezeigt, auch hier bleibt er bei diesem

grundsätzlichen (jedanken. So läßt er Euander im VTTT. Buch der Aeneis Aeneas die goldene Zeit Satums schildem, bis die Zeit sich wandelte und die Raserei des Klieges und die Habsucht folgten. Vergil spricht hier deutlich von der pax der aurea saecula, spricht aber auch von den dort gegebenen (jesetzen, umschreibt den Krieg als Raserei

41' Auch in georg. 1511 spricht er davon. daß Mars rast .... saevif fofo Mars impius orhe Aen. VIII 698-703. 4, Eine Entwicklung des Denkens üher Actium findet man hei Properz. vgl. S. 263ft: 49 G. Binder. Aeneas und Au!o'Ustus. stellt die Länge der Darstellung heraus und heht hervor. daß Mars. Dime. Discordia und Bellona keine der heiden Parteien unterstützen: sie fachen das Feuer des Kampfes an. veranschaulichen das entsetzliche Morden. ". S. 247. Binder stellt fest. daß in der Discordia deutlich wird. daß Actium doch ein Bürgerkrieg ist; er sieht dies aher positiv auf Augustus hezogen. der den jahrzehntelangen Bürgerkrieg hier heendet und die Pax AUfiusfa herheiführt. S. 248. V. Buchheit. Vergil üher die Sendung Roms. Heidelhergl963. S.132. ist der Meinung. daß Dirae. Discordia und Bellona anscheinend auch gegen Au!o'Ustus kämpfen. 4'

223

und

bringt ihn mit der Habsucht in Verbindung. 5o Der Ftieden der lange

zurückliegenden aurea saecula kannte keinen Krieg.

Hatte Vergil sich in den Eclogen noch auf ein konkretes, zeitlich begrenztes Ereignis beschränkt, so weitet sich in den nächsten beiden Werken seine Sicht zu einem allgemeineren, aber auch umfassenderen Bild aus. An den berühmten, zentralen Stellen der Aeneis, wo ein Blick in die Zukunft Roms gegeben wird, fUgt er die Problematik des Bürgerkrieges mehr oder weniger deutlich und in jeweils verschiedener F0l111 mit in die Schilderung ein. In dem ersten Buch der Aeneis prophezeit luppiter eine Zeit des Friedens unter Augustus, Ktieg und Bürgerkrieg wird es nicht mehr geben. Doch der juror wird auch in dieser Zeit als bedrohlich dargestellt. Seine Fesselung ist ein

zentrales Charakteristikum der neuen Zeit. 1m VI. Buch der Aeneis zeigt Vergil am deutlichsten, wie wichtig ihm die Wamung vor dem hellum civile ist. Hier ist der Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius ein zentrales Thema, das Niederlegen der Waffen durch seinen Nachfahren ein überaus wichtiges Anliegen fUr Anchises. Nur Actium in Buch VTTI stellt keinen Bürgerkrieg dar, ist aber dennoch von der Discordia geprägt. Doch nach Actium gibt es fUr Vergil keine Zwietracht mehr. Damit offenbart er den Zeitgeist, denn wenn auch Octavian Actium selbst durch seine Propaganda zum Kampf zwischen West und Ost stilisiert hat, so finden wir überall, gerade in der Dichtung, vor allem in der Kunst, denselben (jedanken. Der Bürgerkrieg scheint allein Philippi als fest bestimmbares Ereignis aufzuzeigen, alles andere wird nur angedeutet, z.B. welcher Caesar denn nun angesprochen ist, oder durch die Übertragung von bestimmten

Charakteristika,

wie

der

Kampf

West

gegen

Ost,

auf

die

Auseinandersetzung zwischen Caesar und Pompeius. Je unbestimmter aber die Zeitereignisse sind, die Vergil direkt anspricht, um so deutlicher bitt hervor, welche Auswirkungen die discordia, der jUror, der Bürgerktieg auch Jahre nach Actium auf sein Zeitbewußtsein haben.

111 Aen. VIII 314-327: is ;:;ellus illdociIe ac dispersum mOllfihus alfis / composuif Ie;:;esque dedif. aurea quae perhihellf ilIo suh re;:;e.!iwre / saecula: sic placida popu]os ill pace re;:;ehaf. deferior dOllec paulafim ac decolor aefas ef heIli rahies ef amor successif hahelldi Vgl. S. 27St". zur Entwicklung der Vorstellung von den aurea saecula bei Vergil.

224

5.3 Horaz und der Bürgerkrieg 35/34

V.

ChI'. ist das erste, 30

V.

ChI'. das zweite Satirenbuch des Horaz erschienen.

In diesen (jedichtsammlungen trat das Thema des gegenwärtigen Bürgerklieges wenn überhaupt, dann nur im Hintergrund, wie schon gezeigt,51 hervor. Der Bürgerkrieg scheint in den Satiren weit entfemt zu sein, obwohl das erste Buch inmitten der Kämpfe veröffentlicht worden ist und obwohl Horaz seine frühe Wamung vor Bürgerkriegen vom Beginn der 30er Jahre im fLinf Jahre später erschienenen Epodenbuch so wichtig nimmt. Die Satiren zeigen ein Zeitbewußtsein, das sich in der Zeit der Unsicherheit und der Kämpfe philosophischen Fragen zuwendet und diese in den Mittelpunkt des Denkens setzt.

An einer Stelle des ersten Satirenbuches aber nimmt Horaz die Zeit des vergangenen Bürgerkrieges, nämlich Philippi, direkt auf - doch ganz unterschiedlich im Vergleich zu den schon untersuchten (jedichten, den E]X)den 7 und 16. Die Satire 17 fLihrt das Thema des Bürgerklieges vor allem dem heutigen Leser auf eine gänzlich unvel111utete Art und Weise vor Augen. 52 Aber auch der zeitgenössische Zuhörer und Leser wird in der Satire unvel111ittelt mit Erinnerungen aus der Zeit vor Philippi konfrontie11. Horaz berichtet über einen witzigen Streit während der He11'schaft des Brutus in Asien. Das (jedicht enthält dabei keine Wamung vor dem Rasen des Bürgerkrieges, es schildert ein amüsantes Erlebnis. Was erfahren wir von Horaz, wenn auch unabsichtlich, über den Bürgerklieg in diesem (jedicht?

Horaz stellt in Sat. 1 7 witzig einen Wettstreit zweier Kontrahenten, des proscribierten 53 Rupilius Rex und des Persius, dar. Erst nach deren ausfLihrlicher

Vgl. gerade auch zum rier Bnmdisinum S.174fl". In den Kommentaren stellt Rudd. The Satires of Horace. Camhridgel966. diese Satiren unter das Stichwort .•entertainment'. auch Kiessling/Heinze sehen hier als Ahsicht des Horaz. nach Sat. I 5,50-70 erneut eine solch .• Iaunig parodierende Erzählung" darzuhieten. \V.H. Lowe. Horace ..•Sermones" Book I: A Study. Diss. Arm Arhor1979. beurteilt ehenso die gl1lndsätzliche Stimmung der Satire. hetont aher auch ihren zeitlichen Hintergl1lnd: .• The puns are humorous. hut their hasis is the assassination of Caesar. the act \\tlich set in motion the tumult which was to culminatel3 years later at Actium. The runs are successfull only hecause their implications are serious... Yet when we look away ti"om this hackground of convulsive political stl1lggle to the drama actually played out. we cannot help hut he stl1lck hy its apparent triviality; a private lawsuit composed ofthe insults of nonenties. ' . S.156. 11 Proscrrj)fi ist das erste Wort der Satire. W.H. Lowe. ehenda. macht auf die Wirkung dieses Wortes aufmerksam: .,A reminder of this terror is contained in the first words of the poem: Proscripfi Re;:;is 11 12

225

Vorstellung macht Horaz klar: Der Streit ereignete sich, als Brutus als Praetor das reiche Asien in seiner Hand hielt: Bruto praetore te/1e/1te / ditem Asiam .. (VV 18-19). Zu dieser Zeit soll also das (jeschilderte stattfinden. Die Abfassunsgzeit der Satire ist dagegen umstritten. Sicher ist nur, daß sie vor 35

V.

ChI'. zu datieren ist. 54 Die

Streitenden tragen ihre Angelegenheit Brutus als Richter vor. Die Anekdote kulminiert in dem Ausruf des Persius, Brutus solle diesem Rex den Hals brechen.

Persius exc1amat: per mag/1OS, Bnde, deos te oro, qui reges CO/1sueris tollere, cur /10/1 hU/1C Regem iugulas? operum hoc, miM crede, fuorum est.. 55

Trägt Horaz diesen witzigen Streit nur um seiner selbst willen vor, oder hat er dabei andere Intentionen? Die Satire bezieht sich auf die Bürgerkriegszeit, in der Brutus politisch aktiv im Osten war, eine direkte Zeitangabe also, die die Dichter sonst in ihrer Darstellung vel111eiden. Der Leser bekommt dabei leicht den Eindruck, daß Horaz selbst Zeuge des (jeschehens geworden ist, gerade durch die Nähe im Buch zu Sat. I 6, wo er seine Stellung als Militärtribun unter Brutus bei Philippi erwähnt hatte. 56 Er sagt aber an keiner Stelle des (jedichtes, daß er selber dabei als Augenzeuge anwesend war. Er kolportiert eine allgemein bekannte (jeschichte. (jibt er dabei etwas von dem wieder, wie die Zeitgenossen die Stellung des Brutus in Asia beurteilten? Zunächst wird Brutus ganz neutral vorgestellt. Horaz betitelt ihn als Praetor. Er äußert sich nicht zu der Usurpation Asiens durch Brutus nach der El1110rdung Caesars. Doch der Hinweis auf Brutus' Anwesenheit in Asia in Verbindung mit der Amtsbezeichnung stellt eine Zeitangabe dar, die auf den zeitgenös.."lischen Leser sehr widersprüchlich wirken mußte.

Rupili. It need hardly he said timt a reference to the proscriptions would stir up evil memories in the minds of Horace 's contemporaries. ", S.156. 14 Sat. I 7,IS!: Aufgmnd des Inhalts des Gedichtes und der Protagonisten der Handlung herrscht in der Forschung Uneinigkeit üher die genaue Entstehungszeit der Satire. N. Rudd, ehenda, legt dar, daß es für dieses Gedicht ein .,dramatic date' , nämlich 43/42 v. Chr. giht aher daß die Frage der Ahfassunsgzeit etwas ganz anderes sei. Er datiert die Satire zwischen 40 und 35 v. Chr., wohei er bezweifelt oh eine genaue Bestimmung üherhaupt von Wichtigkeit ist S. 66. Nach der Meinung von P. M. Brown, Horace. Satires I with an lntroduction, Text Translation and Conunentary, Warminsterl993, ist die Satire - wegen ihres Inhalts - sehr ti"üh entstanden, für die Veröffentlichung sei sie aher noch geglättet worden, S.165. Kiessling/Heinze nehmen dagegen eine späte Entstehungszeit an. Erst müsse ein Rahmen von größeren Dichtungen in diesem Stil für dieses .,Bonmot" entstanden sein. Der Inhalt spreche nicht dagegen, er hätte eher die Puhlikation an sich verhindert S.129. 11 Sat. I 7,33-35 % Horaz sab>1 dies nicht explizit er stellt sich seIhst noch nicht einmal als Zeugen dar, wenn überhaupt scheint er nur literarischer Zeuge zu sein, aher z.B. Kiessling/Heinze sind der Ansicht Horaz heziehe sich auf ein eigenes Erlehnis, .,eine Erinnemng aus seinem' Feldzug ", S.129.

226

Denn Brutus ist im Jahr 43/42 v. Chr., als er sich im Osten aufhält, nicht mehr Praetor. Diese Stellung, allerdings die städtische Praetur, hat Brutus bereits im Jahre 44 v. ChI'. bekleidet.

57

Zu dem Zeitpunkt, im Jahre 43 v. Chr., auf den durch den Hinweis auf

Brutus' Aufenthalt in Asien hingewiesen wird, ist er Usurpator, bis der Senat in Rom sein Handeln nachträglich legalisiert. 58 Horaz, jeder der Zeitgenossen w eiß das. Zugleich nimmt Horaz in dem (jedicht auf die Proscriptionen 43

V.

ChI'. Bezug und läßt

den Persius allzu deutlich auf die El1110rdung eines Königs durch Brutus hinweisen. Sicherlich meint dieser nicht den Ahn des Brutus. Warum vel111ischt Horaz derartig die verschiedenen Angaben und verwin·t den Leser?

Die Satire erscheint wie ein Spiel mit dem Namen und der Herkunft des Brutus, dessen Vorfahr den König Tarquinius Superbus aus Rom vel1rieben hat und der selbst kurz zuvor den Anspruch seines Namens bei der El1110rdung des Tyrannen Caesar eingelöst hat. Wenn der dargestellte Persius auch nur von Werken des Brutus spricht, so ist doch klar, was er damit meint.

In dieser Satire ist keine (jefahr zu spüren, die vom Bürgerkrieg ausgeht. Der Leser weiß durch den Kontext, daß es sich um die Zeit bei Philippi handelt. Es geht nicht darum, den Bürgerkrieg darzustellen, sondem um eine alltägliche Begebenheit. Kann man aber einen Witz, der seinen Ausgangspunkt von der El1110rdung Caesars durch Brutus nimmt, in einer Satire eines Mannes erwarten, der zum "Maecenaskreis" gehört und den jeder in der Begleitung des Maecenas sehen kann? Man könnte dies damit erklären, daß es sich um eine sehr frühe Satire handelt, die Horaz noch als Anhänger der l ' Die Amtsbezeichnung des Brutus suchen die Kommentatoren zwar zu erläutern. doch ohne diesen Zwiespalt im Hinhlick auf die politische Situation zu erklären. DuQuesnay. ebenda. ist der Meinung. Horaz heziehe sich mit Praetor auf die Funktion des Bmtus im Gericht. S. 37. Doch Horaz sagt deutlich. daß Brutus Asien als Praetor in seiner Hand gehalten hahe. er hezieht sich mit dieser Amtsbezeichnung also auf die Tätigkeit des Brutus in der Provinz ganz allgemein. Kiessling/Heinze gehen die Erklärung. daß praefor .,in nichtamtlicher Sprache allgemeine Bezeichnung des Provinzherrn" ist. S.133. P.M. Brown. ebenda. sieht das Außergewöhnliche der Amtsbezeichnung des Brutus. doch er bemerkt nur: .,his (des Bmtus) tenure was less regular than implied here" S.167. er giht keinerlei Erklämng oder Vertiefung dieser Bemerkung. M. v. Alhrecht ühernimmt in seiner Römischen Literaturgeschichte Horazens Zeitangahe. ohne sie zu hinterti"agen: .,Eine heitere Episode aus der Zeit. als Bmtus in Asien Praetor war." S. 567. - Dieser Zwiespalt. wie Bmtus henannt werden soll. gibt Aufschluß über das Zeithewußtsein. Vgl. zu der Bevol1rnächtib'Ung des Brutus mit dem proconsularischen imperium durch den Senat im Fehmal' 43 v. Chr. hier S. 45. Vgl. zu den einzelnen Aktivitäten des Brutus im Osten U. Gotter. ebenda. S. 201ft: Horaz spricht in Vers 19 von difem Asiam. er nimmt also deutlich Bezug auf den Reichtum der

l,

227

republikanischen Pm1ei verfaßt hat. Doch er veröffentlicht sie im Jahre 35 v. Chr., mehrere Jahre nach seiner ersten Begegnung mit Maecenas. Verspottet Persius dann Brutus, indem er ihn als Königsmörder in einen solch geringfUgigen Streit hineinzieht? Doch Horaz geht mit der Thematik von Philippi an anderer Stelle immer emst um. Zudem kann man nicht annehmen, daß er Brutus in Asien ironisch darstellt, da er in Sat. 16 seinen Militärtribunenrang, den er unter Brutus eingenommen hat, hervorhebt.

Was sagt also diese Satire über das Zeitbewußtsein? Auch wenn man das (jedicht ganz in dem Bereich der Unterhaltung fUr den Leser ansiedelt, was die leichteste - und wohl auch die einleuchtendste - Lösung rur das Problem ihrer Interpretation ist, so zeigt doch ihr Eingehen auf die politische Umwelt ein Bewußtsein von der eigenen Zeit. 59 In einem (jedicht, das der Ansicht der Kommentatoren nach vor allem der Unterhaltung des Lesers dient, findet man zugleich den freimütigen Bezug aufProsktiptionen, auf die El1110rdung Caesars und auf den Aufenthalt des Brutus in Asien. Doch darin wird weder irgendeine Ktitik noch ein Lob rur die eine oder die andere Seite deutlich. So fUhrt diese Satire vor allem vor Augen, daß man sich auf die eigene Vergangenheit im Bürgerkrieg - auch zur Unterhaltung - zurückbesinnen kann, wie Horaz auch seinen einstigen Militärhibunenrang - ohne Brutus zu nennen - in einer anderen Satire (Sat. 1 6.48) herausgestellt hat. Zugleich zeigt die Satire aber durch die so widersprüchlichen und verwi11'enden Hinweise aufBrutus, indem Horaz gegen seine eigene Kenntnis und gegen die seiner Zeitgenossen Brutus n ach dem eigentlichen Amtsjahr 44 v. ChI'. zum Praetor in Asia macht, wie verwi11't man dem politischen Handeln der Protagonisten gegenübersteht. Wie soll man die einzelnen Protagonisten bezeichnen, ohne zu wissen, welche Ämter sie bekleiden?

Die weiteren (jedichte beider Satirenbücher zeigen noch nicht einmal eine konkrete Bürgerktiegssituation wie Sat. 1 7, vor allem wird auch in den anderen Satiren nie eine (jefahr deutlich. Diese Tatsache muß herausgestellt werden. Der Bürgerktieg als Kampf ist kein Thema der Satiren, obwohl beide Satirenbücher während des Bürgerkrieges

Provinz. So kann man vielleicht die von Horaz intendierte Datiemng noch weiter einschränken: Brutus zieht Mitte Mai 43 v. Chr. in den Osten, nach Kleinasien, um sich dort Geldmittel zu verschaffen. 19 W.H. Lowe, ehenda: .,What does demand emphatic assertion is timt in this poem Horace chose, quite unapologetically, to recall his Repuhlican part. his presence with tyrannicide Brutus in Asia, and the terror ofthe triumvirate.' ,S.156.

228 entstanden sind. Doch sie zeigen kein Kampfgeschehen, sie nehmen nicht offen Stellung. Nur bisweilen bildet der Bürgerkrieg sichtbar den Hintergrund eines (jedichtes. Er ist ein Teil des Lebens. Das wird gerade in der schon oben betrachteten Satire Tl 6 deutlich, in der Horaz schildert, wie ihn seine Mitbürger über Ereignisse aus der Tagespolitik des Bürgerkrieges befi"agen. 60

An einer weiteren Stelle, im zweiten Satirenbuch, tritt dem Leser der Bürgerkrieg noch verdeckter im Hintergrund entgegen. Hier wird deutlich, wie der Dichter in dieser Zeit mit Problemen, die aus den Kämpfen erwachsen sind, umgeht:

In dem zweiten Satirenbuch läßt Horaz Männer zu W011 kommen, die seine eigenen philosophischen Überzeugungen darlegen und durch ihr Handeln stützen. Einer von diesen ist Ofellus, ein Bauer. Ihn fLihrt er in Sat. TI 2 als exemplum auf, mit einem bescheidenen Leben zufrieden zu sein und sich von übertriebenem Luxus femzuhalten. Ofellus selbst lehrt dies die Leser Horazens:

Quae virtus et quallta, hOI1i, sit vivere pan"o (l1ec meus hic senno est, sed quae praecepit Ofellus rusticus, ahl10rmis sapiel1s crassaque Mil1en·a). 61 discite ...

In den folgenden Versen zeigt Horaz, daß Ofellus ein bescheidenes Leben, d.h. aber den Mittelweg zwischen Schlemmerei und übertriebener Knauserei, als die richtige LebensfLihrung ansieht. Erst spät erhihrt der Leser, wodurch sich Ofellus als Lehrender auszeichnet:

Quo magis his credas, puer hunc ego parvus Ojidlum il1tegris opihus l10vi l1ol1latius usum quam I1UI1C accisis. videas metato in agello cum pecore et gl1atisjbrtem mercede colol1um. 'm}/] ego' l1arral1tem 'temere edi luce profesta quidquam praeter holusjitmosae cum pede pemae. at miM seu IOl1gum post tempus vel1erat hospes sive operum vacuo gratus cOl1viva per imhrem vicil1us, helle erat 11011 piscihus urhe petitis. sed pullo atque haedo; tum pel1silis uva secundas et I1UX onwhat mensa.\' cum duplice jicu. ('0 Sat. " 6,51-58. V gL dazu S. 173ft: ('I Sat." 2,1-4.

115

120

229

post hoc ludus erat captu potare magistro ac vel1erata Ceres, ita culmo surgeret alto. explicuit vil10 cOl1tractae seriafrol1tis. saeviat atque I70VOS moveat Fortul1a tumultus: qual1tum hil1c immil1uet? qUa/ltO aut ego parcius aut vos. o pueri, l1ituistis ut huc 110VUS il1cola vel1it? l1am propriae telluris emm Natura l1eque i11um l1ec me l1ec quemquam statuit. I70S expulit i11e, i11um aut l1equities aut vafri il1scitia iuris. posfremo expellet certe vivacior heres. I1UI1C ager Umhrel1i suh l1omil1e, l1uper Ofe11i dictus, erit l1u11i propn'us, sed cedit il1 usum I1UI1C mihi I1UI1C alii. quocirca vivite fixtes jbrtiaque adversis 0ppol1ite pectora rehus .. 62

125

130

135

Horaz kennt Ofellus seit seiner Kindheit. Damals gehöt1e diesem ein (jut. Nun aber bewirtschaftet er seinen einstigen Besitz als Pächter. Er lebte als Eigentümer genauso bescheiden wie in den gegenwärtigen Umständen. Es gibt nach Horazens Worten, aber auch nach seiner eigenen Schilderung keinen Unterschied in seiner Lebensruhrung. Zudem arbeitet er jetzt genauso hart rur seinen Lebensunterhalt wie früher. An seine Kinder gewandt macht der Bauer klar, daß niemandem das Land ganz gehört, nur bald jenem, bald diesem der Nutzen des Landes zufalle, daß der neue Besitzer, der ihn vertrieben hat, auch irgend wann weichen muß. Hier in der Beschreibung des neuen Eigentümers als nichtsnutzig und rechts unkundig wird die unterdrückte Bitterkeit des Ofellus deutlich. Auch jenem wird irgend wann der Erbe folgen , auf Dauer wird er das (jut nicht genießen können. Die Lebensphilosophie des Ofellus ist nun ganz fatalistisch, seinen Kindem gibt er als wichtigsten Rat mit, sich mit tapferem Herzen gegen die widrigen Umstände zu stellen.

Der neue, unkundige Besitzer des (jutes mit Namen Umbrenus wird mit ähnlichen, aber verhalteneren (jeruhlen von dem Bauem aus Venusia beschrieben, wie Vergils Hirten über die Veteranen, denen ihr Besitz zugefallen war, in den Eclogen 1 und 9 gesprochen haben. Jedem zeitgenössischen Leser ist klar, daß 0 fellus sein Landgut im Verlauf der Enteignungen zugunsten der Veteranen verloren haben muß. Umbrenus ist also ein Veteran, der seinneues Landgut an den alten Eigentümer verpachtet hat und wohl in der Stadt von der Pacht lebt. Doch wird in dem (jedicht an keiner Stelle konkret

('2 Sat. "2,112-136

230

auf dieses (jeschehen Bezug genommen. Es bildet wie selbstverständlich den Hintergrund der Darstellung. Jeder Zeitgenosse aber versteht die Zusammenhänge.

Die Satire ist scl1\ver zu datieren. Soll man sie nahe an die Landenteignungen selbst heranrücken, da zu dieser Zeit das Thema aktueller ist? Oder sieht man hier die Einstellung eines Bauem Jahre nach der Enteignung? Ofellus scheint schon einige Zeit als Pächter zu leben. Da das Satirenbuch 30 v. ChI'. veröffentlicht worden ist, bietet sich hier ein weiter zeitlicher Rahmen. Horaz selber setzt deutlich das Leben des Ofellus als Eigentümer in die Vergangenheit, indem er darauf hinweist, daß er diesen als Kind im vollen Besitz kennenlemte, nun diesen genauso bescheiden im vel111inderten Eigentum kennt. Jahre scheinen dazwischen zu

liegen.

Was sagt die Satire über das

Zeit bewußtsein Horazens, aber auch das seiner Zeitgenossen aus?63

Die L'111denteignungen zugunsten der Veteranen stellen rur den Leser einen allgemein bekannten Zeithintergrund dar, der nicht näher erläute11 werden muß. Noch immer reagieren die Betroffenen auf das (jeschehen mit Verbitterung, doch Horaz und Ofellus fordem dazu auf, das Schicksal mit (jelassenheit und (jleichmut zu ertragen. Dies splicht rur eine Datierung in eine Zeit, als Horaz Maecenas bereits kannte. Das Beispiel des Ofellus ruft dazu auf, sich mit den Begebenheiten, d.h. mit den Folgen des Bürgerkrieges, abzufinden. Wir sehen hier eine ganz andere Reaktion auf die Landenteignungen als bei den Hirten Vergils. Hatten diese mit Verbitterung auf die Vertreibung und mit dem Wunsch nach der Wiederherstellung ihres (jutes reagiert, so akzeptiert Horazens Bauer das vergangene (jeschehen und dessen Folgen, obwohl er auch - wohl unbewußt - noch immer mit (jroll gegen den "Usurpat01;' seines Besitzes erHillt ist. Horaz steht mit dieser Darstellung sicherlich in der Politik seiner Bürgerkriegspartei. Er wird aber auch das Denken vieler Zeitgenossen, die erschüttert über ihre neue soziale Lage sind, ansprechen. Horaz muß ein Bedürfhis seiner Umwelt erkannt haben, daß er auf diese Fragen philosophisch eingeht. So zeigt diese Satire auf der einen Seite das Bemühen einer Bürgerkriegspartei, Akzeptanz rur ihre ]X)litischen

('1 E. Oliensis. Uf arfe emelldafurusjiJrfullam. Horace. Nasidienus. and the art of satire. in: Th. Hahinek/A. Schiesaro (eds.). The Roman Cultural Revolution. Camhridgel997. S. 90-104. ist der Ansicht. dal.\ die drei .•chief rhilosorhizers" des zweiten Buches Züge von Horaz aufzeigen; so ist Horaz seihst wie Ofellus von den Landenteignungen hetroffen.

:m Maßnahmen in der Bevölkerung zu schaffen, andererseits legt sie indirekt die Nöte und Ängste der Betroffenen in der Bürgerkriegszeit offen.

Die Epoden, die Horaz offenbar über den gleichen Zeitraum hinweg wie die beiden Satirenbücher verfaßt, scheinen dem Dichter besser als die Satiren rur politische Inhalte geeignet zu sein. In dem im Jahr 30 v. ChI'. erschienen Epodenbuch befaßt er sich mehrfach mit der Bürgerkliegsthematik, neben den fi'ühen, im abstrakten Sinn auf das Leid des Bürgerkrieges bezogenen Epoden 7 und 16,64 noch in einer weiteren, später entstandenen Epode in einem engeren, konkreten Sinn. In der als politisch zu betrachtenden 4. Epode greift Horaz einen Mißstand der Zeit an. 65 Die genaue Datierung ist unklar, das (jedicht aber einige Jahre später zu datieren als die Epoden 7 und 16. Es bezieht sich mit großer Sicherheit auf die Zeit des Kampfes gegen Sextus Pompeius im Jahr 36 v. ChI'. Die Epode beginnt mit der Darstellung einer persönlichen Feindschaft des Dichters mit einem Unbekannten:

Lupis et agnis quanta sortito ohtigit, tecum miM discordia est. V gl. S.I:!I fl". Die Themenvielfalt des Epodenhuchs ist groß. Sie reicht von der privaten Sphäre des Dichters his hin zur Tagespolitik. Die Epoden 7 und 16. sowie I und 9 werden als von einer direkten politischen Thematik hestimmt gesehen. da sie sich mit dem Bürgerkriegsgeschehen auseinandersetzen. Doch danehen stehen die Epoden. die sich mit den Zuständen der Bürgerkriegszeit heschäftigen. Das wird nur in der Epode 4 sehr deutlich. in anderen Epoden ist der Bezug auf das Tagesgeschehen für uns heute mehr verdeckt. wie in der Epode 6. K. Büchner. ehenda. S. 50L ist der Meinung. daß die Epoden 4 und 6 heide das gleiche Thema hahen .. ,Das Politische als Zeiterscheinung im Angriff auf einen Emporkömmling (Epode 4) und gemeint ist Epode 6. vgl. S. 51. wo der in Epode 6 einen hösartigen Intriganten" (epo. 8 (sic) angegriffene als .,Geschäftemacher mit politischer Angst hezeichnet wird.). D. Mankin. Horace. Epodes. möchte diese Epode im Zusammenhang mit Epode 5 und 7 verstehen: .,Since it seems to evoke hoth the tortured hoy of Epode 5 and the murdered Remus of Epode 7 (16n.). it may suggest that this poem is also concerned with curses. vengeance. and civil strife .. " Die Metamorphose. die Horaz und sein Gegner in diesem Gedicht durchmachen. konnte nach Meinung des Autors die Fähigkeit des Menschen aufzeigen. andere als von nichtmenschlicher Art zu hetrachten ., and finally make them capahle of destroying themselves in a way alien to even the wildest heasts." - nämlich im Bürgel"krieg. S. 137. Doch sieht man die Epode 4 als Einzelgedicht. kann man Horaz nur im heftigen Angriff auf einen Unhekannten sehen. Es wird noch nicht einmal deutlich. ob es sich um einen persönlichen Feind handelt oder oh er tatsächlich eine ihm seihst nicht direkt hekannte Person der Tagespolitik angreift. Vgl. zu dieser Epode auch U. Schmitzer. Von Wölfen und Lämmern. in: Horaz-Studien. hrsg. von S. Koster. Erlangen 1994. S. 31-49. mit Forschungsüherhlick üher die Deutungen der Epode. Dieser möchte weitgehend einer Deutung von F. Jacohy folgen. der annimmt. daß Horaz üher die dargestellte Person hinaus mit seiner Kritik weiter auf Octavian ziele. S. 48. R.G.M. Nishet. Horace's Epodes and history. will noch eine weitere indirekte Andeutung in den Epoden auf eine historische Person el"kennen. Die mit Hexenkra ft ausgestattete Canidia der Epoden 5 und 17 soll auf Canidius Cossus. einen Gegner Octavians anspielen. Nishet verweist dazu auf die Seltenheit des Namens. sowie darauf: daß Canidia Kräuter aus lolkos und Spanien verwendet (Epod. 5.21-22) - Canidius war 36 v. Chr. im Auftrag des Marcus Antonius in Spanien. S. 9. Doch es giht keine weiteren Argumente. und die Begründung erscheint sehr gesucht. ('4 (' l

232

10

15

20

Hihericis peruste fol1ihus latus et aura dura compede. hcet superhus amhules pecul1ia, Fortul1a 11011 mutat gel1us. videsl1e . .'lacram metiel1te te viam cum his trium ull1arum toga, ut ora vertat huc et huc euntium liherrima il1digl1atio? 'sectus flage11is hic triumvirahhus praecol1is ad jastidium arat Falerl1i mille jimdi iugera et Appiam mal1l1is terit sedilihusque magl1us il1 primi.\· eques Othol1e cOl1tempto sedc-1/ quid affil1et tot ora I1m~'ium gravi rostrata duci pOl1dere cOl1tra latrol1es atque servilem mal1um hoc. hoc trihw10 militum?'

Der (jegner Horazens, ein ]X)litischer Emporkömmling, nutzt die Zeit der Unsicherheit während des Ktieges gegen Sextus Pompeius M und spielt sich in Rom hochmütig auf. Dieser heute nicht mehr sicher identifizierbare, auch nicht mit Namen Angegriffene steht aber sicherlich rur alt diejenigen, die in gleicher ronn in der Bürgerktiegszeit von niedtigster Herkunft aufsteigen und mit ihrem neu erworbenen Reichtum unerträglich prahlen.

67

Das ist die Ausgangssituation. Aber auch in dieser

Epode ist die Sprechsituation sehr komplex. Die Epode 4 enthält zwei Sprecher - und zwei Adressatenrolten. In den ganzen 20 Versen dieses (jedichtes bleibt die erste Sprechsituation - Horaz spricht als "ich" zu einem nicht näher benannten "du" - als übergeordnet bestehen. Der Dichter macht zunächst deutlich, daß es keine cOl1cordia zwischen ihm selbst und dem Angegtiffenen geben kann. Er kritisiet1, daß der andere hochmütig durch sein (jeld dahinstolziert. Dadurch verändere sich nicht sein genus. Doch nicht nur Horaz, sondem auch die Zeitgenossen, die den Angeredeten auf der via sacra bei ihrem Spaziergang erblicken, äußem heftigen Unmut. Horaz referiet1 die Rede

einer (jruppe von Zeitgenossen in den Versen 11-20. Diese unterhalten sich darüber,

('t. in dem Gedichtpaar 1114/15 .. ". S. 40. Für ihn ist Properzens .,Bekennermut" nicht mehr von seinem politischen Selhsthewußtsein zu trennen. 112

11'

267 Properz sagt es nicht explizit, bringt aber zum Ausdruck, daß es keine Bürgerkliege gäbe, wenn alle seine Auffassung vom Leben teilten. Hier stellt er seine Lebensweise nicht nur der traditionellen, nämlich dem Durchlaufen des cursus h0/1Orum, entgegen, er geht viel weiter. Nur durch seine Lebensweise wird es anscheinend keine Bürgerkliege mehr geben. Emeut betont er, wie sehr sich das hellum civile auf sein Zeit bewußtsein, vor allem aber auf sein Bewußtsein vom Staat und

vom gesellschaftlichen

Zusammenleben ausgewirkt hat. Wieder sieht man, wie nun im Frieden das Individuum, das eigene Teh im Mittelpunkt des Denkens steht. 135 Noch immer wird Proper"Z durch das Erlebnis des Bürgerklieges und durch die ihn tief prägenden Erinnerungen zu einem Leben außerhalb des Staates getrieben. 1m (jegenteil, immer mehr setzt er sich in einen (jegensatz zu der traditionellen Lebensruhrung. Das wird vielleicht gerade dort am deutlichsten, wo er mit der Metapher des Triumphes seinen Erfolg in der Liebe feiert, ihn sogar mit einem militärischen gleichsetzt (1114). Und Properz begründet sein Denken nun damit, daß nur so der Schrecken des Bürgerkrieges vel111ieden werden könne. Seine Becher, seine Lebensruhrung haben nie die (jöHer beleidigt. Und der Bürgerkrieg, so wird es in dieser Zeit von vielen und auch von Horaz immer wieder gesagt, war gerade durch die Vemachlässigung der (jötter verursacht worden. Das Erlebnis des Bürgerkrieges zeigt sich so emeut zentral rur sein Zeit bewußtsein. An keiner anderen Stelle versucht Properz, den Bürgerkrieg zu begründen, das ist der einzige Hinweis, den er gibt. Dies ist besonders bemerkenswert, wenn man betrachtet, wie er sonst stets den Mythos - auch um die Ursache des Krieges an sich aufzuzeigen zur Erklärung heranzieht. Die Elegie Tl 15 ist in ihren (jrundgedanken ganz 1 21 und 1 22 verwandt. Der Bürgerkrieg, auf den er in dieser Elegie, in der er doch eigentlich sein (jlück in der Liebe besingt, zu sprechen kommt, bestimmt sein Denken und sein Handeln und nie macht er es deutlicher als in dieser Elegie.

In der Elegie Tl 16 ist die Stimmung ganz umgeschlagen. Properz hat nun einen reichen Rivalen. Mit mythischen Beispielen wamt er seine puella davor, ihre Liebe nach der (jabe von (jeschenken zu bemessen. Propel"Z ist zutiefst betrübt über Cynthias Verhalten und verGillt in lethargie. Die anderen rufen ihm offensichtlich zu, er solle sich rur sein Verhalten schämen. Dies nutzt er, um nun auszuruhren, daß ein turpis amor

111

Vgl.

S.131tL hesonders. S.136 tI

268

zumeist taub ist. Und er fUhrt im folgenden das zu dieser Zeit wirkungsvollste Beispiel vor, um einen solchen amor zu illustrieren:

ceme ducem, modo quifremitu compleuit inani Actia damnatis aequora militihus: hunc in/amis amor uersis dare terga carinis iussit et extremo quaerere in orhe jitgam. Caesaris haec uirtus et gloria Caesaris haec est: 136 i11a, qua uicit, condidit amw manu.

40

Properz stellt in diesem (jedicht Antonius, der ungenannt bleibt, als exemplum fUr einen turpis amor dem Leser vor Augen. So wird die komplexe (jestalt des Politikers Antonius reduziert auf das Beispiel eines Mannes, der fUr eine schändliche Liebe seine Soldaten umkommen läßt, und ersta11't in dieser ronn. Hier scheint Properz nach dem (jedicht Tl 15 jeglichen (jedanken, er fUhle sich dem Antonius als amans verwandt, ad absurdum zu fUhren. 137 Denn Antonius ist auch reldhe11', und er fUhrt seine Soldaten wegen eines in/amis amor in das Verderben. Properzens Leben aber ist ganz der Liebe hingegeben. Er wählt hier nicht ein exemplum, das ihm gleicht, sondem das den Höhepunkt eines turpis amor darstellt.

Properz kommt von Antonius recht unvel1niUelt auf Augustus zu sprechen. Doch er umschreibt den Sieger mit Charaktetistika, die zumindest in ihrem (jrundgedanken an den Ausspruch des Anchises in der Heldenschau erinnem. Anchises fordert dort seine Nachkommenschaft auf, als erste Schonung zu gewähren, sich zu mäßigen, die Waffen aus der Hand fallen zu lassen. 138 Und so schildert Properz nun auch den Princeps. Auf

11('

Prop. "

16,37-42.

Vgl. Shackleton Bailey. ehenda. S. 97. der aufverschiedene andere Belege hinweist.

ii'? die dementia des Augustus geliihmt wird. u.a. Ovid. Seneca und Augustus in seinen Res Gesfae seihst.

Oft wird in der Forschung die Meinung vertreten. Properz fühle sich mit Antonius in der Lehensfühmng verhunden. Vgl. u.a. H.-P- Stahl. Propertius: .,Love" and .,War" Individual and State under Augustus. Berkeley/Los Angeles/LondonI985. der sich zum indest für eine gelegentliche Adaption des Antonius durch Properz ausspricht. S. 229f Vgl. auch J. Griftin. Propertius and Antony. JRS 67 (1977).17-26. Dagegen wendet sich W. R. Nethercut. Propertius and Augustus. Diss. Columhial963. S. 87fT": .,The tmth ofthe matter iso perhaps. timt Propertius is seeking neither to praise or hlame Antony in his hattle against Octavian. hut is merely using hirn as an illustration of the helpless position" - nämlich die eines derartig Liehenden. S. 99. m Vgl. S. 219ft: W.R. Nethercut. ehenda. stellt die Frage. oh die Verse sehr fiiih entstanden sind. noch vor der Veröffentlichung der Monohihlos. Doch sie weisen zu viele Beliihrungspunkte mit den Versen der Aeneis auf. und ohendrein begegnen uns ähnliche Gedanken in Prop. 111 22, 17-22. An anderer Stelle sieht W.R. Nethercut. Propertius 3. 11. TAPhAI02 (1971). diese Verse eher als zweideutig an: .,Amor. Antony·s./iIRa. is all timt Caesar has to hoast over.'. S. 414. R. Gurval. ehenda. hetont. daß Octavians

269

den ersten Blick paßt er sich hier dem älteren Dichter an. Diese Verse scheinen etwas unmotiviert eingefLigt zu sein. Hätte nicht Antonius als "Metapher" genügt? Warum wird hier auch noch Augustus genannt? Wie soll man diese Darstellung des siegreichen Augustus beul1eilen? Wenn Propel"Z an Actium denkt, so offenbar auch an Augustus. Dessen Darstellung entspricht hier aber nicht ganz den Vorstellungen Vergils. Denn Properz betont den Sieg, der vor der Milde steht. Er muß spüren, daß er damit einer Stimmung der Zeit folgt und nimmt so später dieselben Charakteristika in einem anderen Zusammenhang wieder aur. 139

In der Elegie TTT 22 - Properzens Reaktion auf das Lob Italiens in georg. TT136-176 übel1rägt er diese Charaktelistika sogar auf Rom: offmia Uomal1ae cedel1t miracula terrae: l1atura hic posuit, quidquid uhique foit. armis apta magis tellus quam commoda l1oxae: Famam, Uoma, tuae 11011 pudet historiae. l1am qual1tum ferro tal1tum pietate potel1tes stamus: uictrices temperat ira mal1us. 140

Die Verse stehen ungehihr in der Mitte der Elegie und sind so besonders betont. Properz lichtet sich mit der Elegie an Tullus, den er von seinem langen Aufenthalt in den Provinzen nach Rom zurückruft. Und man kann so davon ausgehen, daß sich Properz in Tullus und seine Lebensweise hineinversetzt und die Verse aus diesem (jrund sehr wohl WÖl1lich meint. Die Römer sind ebenso mächtig durch das Schwert wie durch die pietas. Hier spricht er emeut davon, daß der Sieger - diesmal Uoma selbst - sich mäßigt. Die Wiederholung desselben (jedankens wie in Tl 16 läßt daraufschließen, daß Properz damit den Zeitgeist ausdrückt.

Ruhm im Niederlegen der Waffen liegt und folgert daß weder der Sieger noch der Besiegte eine hewunderungswürdige oder nohle Figur machen. S. 185. 119 Vgl. dazu S. 279f 1411 Prop. 111 22,17-22. H.-P. Stahl. Love and War ... fällt ein geradezu vernichtendes Urteil üher diese Verse: .• Therefore. I can only ascrihe this cheap and almost rhetorical declamation to the pressure and taste ofthe circles \\t1O ordered the poem. Perhaps Propertius feit he could count on the addressee and the educated among his contemporary readers to understand his reasons for including yet another patriotic piece in his hook.". S. 208. Stahl nimmt weder an. daß" 16,4146, noch daß 111 22,22 ernst gemeint waren. S. 230. Vgl. G. Williams. Tradition and Originality in Roman Poetry. Oxfordl%8. sowie ders .. Poetry in the Moral Climate of Augustan Rome. JRS 52 (1962). 28-46. der Prop. 11122 und IV 6 ähnlich heurteilt.

:no Marcus Antonius aber ist mit seinem Handeln geradezu zu einem exemplum eines turpis amor geworden.

14 1

Auch Cleopatra wird in der Elegie

rn

II

in eine Reihe mit

mythischen Frauengestalten gestellt. Sie wird zu einem exemplum eines in/amis amor. Oft streitet man in der Forschung über die Darstellung der Cleopatra im Vergleich zu der Horazens, vor allem aber darüber, ob Properz dieses (jedicht auftichtig meint oder sich hier eine Kritik verbirgt. Schaut man auf die Thematik des (jedichtes, so ist sein offensichtliches Ziel nicht die Darstellung des Bürgerkrieges, aber auch nicht die von Actium. Properz antw011et einem Unbekannten, der fragt , wie eine Frau ihn derartig unter das Joch zwingen kann. Dies sucht er, mit mehreren mythischen Beispielen zu erläutem, mit Medea, Penthesileia, Omphale, Semiramis, mächtigen Frauengestalten, die Männer auf die eine oder andere Weise bezwangen (VV 9-26). Unterbrochen durch den Hinweis auf das Verhalten Tuppiters folgt die Darstellung der Cleopatra. Jeder Leser weiß, wer gemeint ist, und so braucht Properz ihren Namen auch nicht zu nennen. Die Darstellung der ägyptischen Königin (VV 29-56) umfaßt weitaus mehr Verse als die, die den Frauen zuvor gewidmet worden sind. Sicherlich schildert Properz hier ausruhrlich das Verhalten und die Taten der Cleopatra, doch er stellt sie zunächst aus (jründen vor Augen, die nichts mit dem Bürgerkampf gemein haben. Cleopatra ist zu einem exemplum geworden, zu einem Bild rur eine Frau, die Männer in einen injamis amor

hineinzieht. 142

Vgl. zu diesem Gedicht auch M.C.J. Putnam, Propertius 3.22: Tullus'Return, ICSII (1977),240- 254, der hier ..rare moment ofarrarent praise" sieht, S. 43. 14 1 H.-P. Stahl. ehenda, S. 229, ist zwar zu Unrecht der Ansicht. daß Properz sich zumindest teilweise in Antonius wiederfindet, doch richtig sieht er ihn als ein exemplum, das nun die Verhaltensweisen anderer illustriert und erklärt. R. GurvaL ehenda, S.183fL lehnt es ah, daß sich Properz hier mit Antonius identifiziert. Antonius stelle vielmehr .,the ultimate and most tragic example ofthe powerful and injurious consequences of amor" dar, S. 185. Auf jeden Fall ist Antonius zu einern exemplum, zu einer Metapher in Properzens Dichtung erstarrt. Vgl. zu der Darstellung des Antonius in der Kunst P. Zanker, ehenda, S.65ft: 142 Vgl. zu diesem Gedicht W. R. Nethercut. Propertius 3.1 L T APhAI m (1971), 411-426: .,What Propertius is celehrating here is not the hattle at Actium or Augustus' military victory over the fOl-ces of Cleopatra", S. 426. Nach Ansicht von Nethercut stellt sich in Properzens Augen Actium klar als Bürgerkrieg dar, aher' der Dichter hat hier ein anderes Ziel: .,The victory celehrated here is that of Augustus over Cleopatra as over an enchantress, powerful in love.' , S. 426.

:m Properz beschreibt dabei die nicht mit Namen genannte Cleopatra mit derm1igen P0l111ulierungen SO,143 daß man oft den Vergleich zu Horaz zieht, der ihr die Würde beläßt. Hier kann man erkennen, daß Horazens Cleopatra-Ode 1 37 jünger ist. Properz reagiert aufdie weiterhin folgenden Darstellungen von Cleopatra und Antonius in Kunst und Literatur. Doch Properz überhäuft nicht nur die Königin mit Schmähungen, sondem auch ihr Land. Dabei verweist er darauf, daß dort Pompeius el1110rdet worden ist. 144 Es muß fraglich bleiben, inwiefem er durch Pompeius an den römischen Bürgerkrieg et;nnem will. Das eigentliche Ziel des (jedichtes ist es ja, dem Leser Verständnis fLir Properzens Handeln zu entlocken.

Hat sich Properzens Darstellung von Actium hier verändert? (jibt es einen Unterschied zwischen dem dritten und dem zweiten Buch?1 45 (jleich geblieben ist der (jrund, warum Antonius oder Cleopatra eingefLihrt werden: Sie stellen ein exemplum dar. In der Elegie TTTII aber steht Cleopatra allein als (jegner da, die Darstellung gilt ganz einem Kampf gegen eine Peindin, die von außen herantritt. Properzens ActiumDarstellung verändert sich auch in den verwendeten Begt;ffen. Er spricht von l10stra 146 arma in Vers 29. Um zu klären, ob sich sein Actiumbild wirklich gewandelt hat, muß man die beiden anderen Elegien heranziehen, in denen er daraufzu sprechen kommt.

In der schon genannten Elegie TTT 9 verändert sich Properzens Blickwinkel gerade im Vergleich mit Tl I. Emeut fLihrt Properz hier Maecenas gegenüber an, was er als

Prop. "' 11,29-30: quid. modo quae lIosfris opprohria lIexerif armis et .famulos illfer .femilla frifa Vgl. dazu G. Mader. Heroism and Hallucination: Cleopatra in Horace C.1.37 and Propertius 3.11. GBI6 (1989).183-201: ..propertius went out ofhis way to advertise that his Cleopatra portrait conformed with the ofticial. hostile Octavian version. and he did this hy incorporating a cluster ofpropaganda motifs. and hv allusion to Aeneid 8.". S. 200. 144 VV 34-38.: ... et fofiells lIosfro Memphi cruellfa malo. / fres uhi Pompeio detraxif l!arella friumplws:' / 141

suos

follet lIulIa dies IUlllc fihi. Roma. lIofam issflu PhIeRraeo melius fihi.filllera campo. uef fua si socero colla dafunls eras. H.-P. Stahl. Love and War. ist der Ansicht. Properz wolle mit diesen Versen versteckt

auf die Beziehung zwischen Caesar und Cleopatra anspielen. S. 239ft: R. Gurval stellt heraus. daß hier Rom angesprochen ist: .• The protracted digression on Memphis and Pompey's murder is thus not a wandering lapse ofpurpose or a homhastic show ofnationalistic fervor; the passage hits hard at the central message ofthe elegist. Roman cOillplicity and b'1.lilt in civil war.'. S.198. - Doch auch Vergil deutet in den Georgica. vgl. S. 209 tl". zu georg. , 48911:. Pharsalus an. und es ist für Properz ein leichtes. die folgenden Ereignisse nach Pharsalus hier zu nennen. 141 Camps. Propertius: Elegies. Book 111. S. 104. sieht die Elegie als .,patriotic poem' . R. Gurval ist der Ansicht. daß auch hier noch Actium in Properzens Augen Bürgerkrieg darstellt. S.191- 208. 14(' RJ. Baker. ehenda. verweist auf lwsfra arma in Prop. 111 11, 29: ..propertius· identification of self with the arma ofRome is a new development". S. 335.

Epiker besingen würde. Diesmal würde er unter dessen Anleitung mythische Themen besingen, auchj üngste Zeitgeschichte.

te duce ve1 Tovis arma canam cae10que minantem Coeum et Phlegraeis Eurymedonta iugis; celsaque Romanis decerpta Palatia tauris ordiar et caeso moenia firma Remo. eductosque pares siluestri ex uhere reges. crescet et ingenium suh tua iussa meum; prosequar et currus utroque ah litore ouantis. Parthorum astutae tela remissa fogae. 147 c1austraque Pe1usi Romano suhrutafeJTo. Antonique grm.·is in suafata manus. 148

50

55

Kein Teil dieser Aufzählung gehört zum Bürgerkrieg. Die erst genannten Parther bringen das ägyptische Pelusium und Antonius mit dem Krieg nach außen in Verbindung. Wir finden auch keinen anderen direkten BeLug auf das hellum civile im dritten Buch. So verschwindet der Bürgerkrieg nach dem Jahr 25 v. ChI'. aus der Dichtung des Properz. Dies aber muß dem he11'schenden Zeitgeist entsprechen. Denn auch bei Horaz kann man eine derartige Veränderung in der Darstellung zwischen den einzelnen (jedichtbüchem erkennen. 149 Für ihn bleibt der Bürgerkrieg zwar zentral in seinem Denken, doch in seiner Dichtung veningel1 sich die Häufigkeit, mit der er darauf Bezug nimmt, und er stellt immer mehr die Hinwendung zur Zukunft heraus.

In der Elegie IV 6 besingt Properz den neuen Apollo-Tempel auf dem Palatin: Caesaris in nomen ducuntur camJilw ...

150

Hier folgt Properz der Darstellung in Vergils

Schild beschreibung. Die Unterschiede sollen nicht im einzelnen aufgeHihrt, doch soll herausgestellt werden, daß Properz die Dirae, die Discordia und Bellmw nicht erwähnt. Er legt den Schwerpunkt seiner Schilderung ganz auf Apoll. Damit besteht ein

Fedel i liest cIausfTU, andere wie Shackleton Bailey casfra. Prop. 111 9,47-56 149 VgL u.a. S. 260f. Il ll lV 6,13. VgL zu diesem Gedicht u.a. W.R. Johnson, The Emotions ofPatriotism: Propertius 4. 6, CSCA 6 (1974),151-180, sowie F. Cairns, Propertius and the Battle of Actium (4.6), in: T. Woodman/D. West (Hrsg.), Poetry and Politics in the Age of Augustus, Camhridgel984, S.129-168, der das Gedicht als ein .,carefully \witten encomium of Augustus's victory at Actium, employing the comhined resources of Hellenistic and Augustan literature and rhetoric" betrachtet. S.162. Cairns sieht Properz hier ganz dem Zeitgeist verpflichtet: .,Through aseries of mythical references it directs the reader towards a moral ising view of myth and of past Roman history which had been espoused hy Augustan regime .. Rome was to arise purified and rehorn ti"om its civil wars.' , S.163. 14' 14,

273

wesentlicher Unterschied zwischen der Darstellung und zwischen deren Bedeutung. Jeglicher Bezug auf Zwietracht, den der ältere Vergil noch vor Augen gestellt hatte, ist hier verschwunden. Obendrein ist Actium hier ganz zum Kampf gegen äußere Feinde geworden und zwar ein besonderes Thema, doch eines unter vielen, denn in den Versen 75-84 nennt er neben den Parthem zahlreiche andere äußere Feinde, deren Niederlage Moti v eines Liedes sein soll.

Für Properz ist Actium ein zentrales Thema, das gerade in seinem Wandel signifikant ist. Zuerst bedeutet Actium rur ihn Bürgerkrieg, bis er in seiner Darstellung Vergil folgt und sogar jegliche Andeutung auf Zwietracht ignoriert. Überall in der Kunst begegnet Actium dem Zeitgenossen in dieser Fonn als übenagender Sieg des Augustus, und wie hätte sich Properz dem auf Dauer verschließen können?

Suchen wir die Bewußtseinslage der Zeitgenossen zu erkennen, die sich aus den Reaktionen auf den schon vergangenen Bürgerklieg in den (jedichten erschließen läßt, so ist es am schwieligsten, Zugang zu den (jedanken des Propel"Z zu finden. Obendrein ist die Forschung stets gespalten, soll man seine Darstellung als "aufrichtig" anerkennen, oder übt er eine subtile Ironie? Bei keinem anderen Dichter erscheinen die Schwierigkeiten, seine Dichtung zu interpretieren und im Hinblick auf die politische Situation einzuordnen, so kompliziert. Eine commullis opil1io in der Forschung ist weit entfemL

Der Bürgerklieg markiert zunächst in der persönlichen Entwicklung des Properz einen wichtigen Wendepunkt. Das Erlebnis des Bruderkampfes verändert seine Wertewelt. Dies macht er zu Beginn seiner Dichtung deutlich. Nach dem Anschluß an Maecenas wehrt sich Properz wie auch Horaz gegen epische Themen. Was seine recusatio heraushebt, ist die genaue Aufzählung der Bürgerkriegsschlachten, an denen

Octavianmaßgeblich beteiligt war. Weder Vergilnoch Horaz gehen bei der Nennung von Zeitereignissen so weit, Actium stellt bei ihnen nie Bürgerkrieg dar. In dem (jedicht TII des Properz aber wird Actium in der Reihe der Bürgerkriegsschlachten genannt. So

ist es nicht verwunderlich, daß er in der neueren Forschung als (jegner des Augustus , als

274

Kritiker des Principats gesehen wird. 151 Doch diese Elegie ist nur ein Moment in der Entwicklung des Dichters. Es ist fraglich, ob Properz überhaupt zwischen Krieg und Bürgerkrieg unterscheiden will. Aber auch Tll5 zeigt Actiumnoch als Bürgerkrieg. D011 steht es sogar rur alle Bürgerkliegsschlachten. In dieser Elegie nimmt Propel"Z der Spll1ll.gis der Monobiblos eng verwandte (jedanken auf und übertrifft sie noch. Er setzt sein eigenes Leben, das der Liebe hingegeben ist, in den (jegensatz zum Bürgerkrieg. Wenn alle so lebten wie er, dann gäbe es keine Bürgerkriege mehr. Er begründet damit indirekt das hel1um civile. So kann man emeut seine Lebensruhrung, sein Denken, sein Bewußtsein von sich selbst und dem staatlichen Zusammenleben durch das Erlebnis des Bürgerkrieges geprägt sehen.

In Prop. TTT 9 wird Actium langsam zu einem Krieg gegen äußere Feinde. In IV 6 folgt er Vergils Interpretation von Actium und stellt die göttliche Hilfe noch weiter in den Vordergrund. Über Actium soll ein Lied verfaßt werden wie über die Sugambrer, Meroe, die Parther. Auch hier ist Actium kein Bürgerkrieg mehr. Marcus Antonius und Cleopatra, Protagonisten des Bürgerklieges ersta11'en zu exempla. Ihre Namen müssen nicht mehr genannt werden, jeder weiß, wer gemeint ist. Die (jestalten der beiden (jegner Octavians sind nur noch Metaphem rur einen turpis oder in/amis amor. Sie erklären das Verhalten anderer deml1ig Liebender. Doch letztlich lehnt Properz ihre Art zu lieben und zu leben ab, denn er macht klar, daß seine Becher noch nie die (jöHer beleidigt haben: Er kämpft nur in der Liebe, er vel111ischt nicht die Ebenen von militärischer Auseinandersetzung und Liebe.

Hat Properz also beschlossen, die Bürgerkriege zu vergessen? Er zeigt auf jeden Fall eine andere Reaktion auf das hel1um civile als Vergil oder Horaz. Aus seinem Zeit bewußtsein verschwindet der Bürgerkrieg allmählich oder er drängt ihn selbst zurück, während das hel1um civile rur Vergil ein behe11'schendes Thema bleibt. Auch rur Homz bleibt der Bürgerkrieg ein zentrales Thema, doch er zeigt in seiner Dichtung

II I Vgl. zu einem Forschungsüherhlick W.R. Nethercut Recent Scholarship on Propertius, ANRW 11 30.3 (1983), S.1813-1857, oder spezieller H.-J. Glücklich, Zeitkritik hei Properz, AU 2004 (1977),45-62, J.P. Hallet, Book IV, Propertius 'recusatio to Augustus and Augustan Ideals, 1971. Vgl. auch H.-P. Stahl. Love and War .. , der stets .,the rejection of Augustan Zeitgeist" hei Properz hetont. passim, vgl. u.a. S. 189, S. 229. Vgl. auch A.W. Allen, 'Sincerity'and the Roman Elegists, ep 45 (1950),145-160. Vgl. W. R. Nethercut, The Ironie Priest. Propertius' .,Roman Elegies," 111.1-5: Imitations ofHorace and VergiL AJPh 91 (1970),385-407.

275

gleichzeitig, wie der Bürgerkrieg in den Hintergrund tritt und man sich der Zukunft zuwendet. D011 kann man eine (jemeinsamkeit zwischen Horaz und Properz erkennen, die auf den Zeitgeist hinweist.

Mag aus der Dichtung des Properz der ohnehin nur selten thematisierte Bürgerkrieg verschwinden, nie jedoch gibt er es auf, (jedichte gegen den Klieg zu schreiben. So überwiegt in Properzens Werk die aus dem Erlebnis des Bürgerklieges resultierende Ablehnung des Krieges an sich und verliert nie an Bedeutung in seinem Denken. In der Elegie TTT 5 schafft er sein größtes (jedicht gegen den Krieg, rur den Frieden, in der Elegie TTT n wendet er sich scharf gegen diejenigen, die ihre Familie verlassen, um aus (jier nach Reichtum in den Krieg zu ziehen, noch in der Elegie IV 3 beschreibt er die seelische Pein einer j ungen Frau, deren Ehemann in den Klieg gezogen ist. 152

5.5 Der Bürgerkrieg in der Dichtung In mehreren Bildem wird der Bürgerkrieg im Zeitbewußtsein der Dichter deutlich. Um ein vielhiltiges und reiches (jesamtbild zu bekommen, wurden möglichst alle (jedichte mit einem direkten Bezug auf die Bürgerkriege untersucht. Doch man muß die einzelnen Facetten erst zusammensetzen und überprüfen, ob es Berührungspunkte zwischen den einzelnen Dichtem gibt.

Zunächst soll zusammenfassend noch einmal gefragt werden, auf welche Zeitereignisse angespielt wird, um dann darüber hinaus zu untersuchen, welches Zeitbewußtsein sich dahinter verbirgt. Wie also entwickelt sich das politische Bewußtsein der (jeneration Octavians nach Philippi? Was erzählen die Dichter, was ist in ihren Augen wichtig?

Schaut man zunächst auf die (jedichte, die sicher noch vor Actium entstanden sind, so geht Horaz in denjenigen (jedichten, die nach seiner Annäherung an Maecenas aber vor Actium entstanden sind, auf die Zustände in Rom nach dem Sieg über Sextus

112

Vgl. dazu S. 288ft". und dort Anrn.l8.

276

Pompeius ein. Dabei wählt er, ohne daß es zuerst klar ersichtlich ist, ganz bewußt die Seite einer Bürgerkriegspartei, übersteigt in den ausgesprochenen Forderungen aber noch deren Handeln. Auch die Enteignungen, die rur Vergil so wichtig in den Eclogen waren, macht er zum Thema und wirbt rur Akzeptanz in der Bevölkerung. Doch nie stellt er in dieser Zeit Maecenas oder Octavian als Protagonisten des Bürgerkrieges dar. In den Actium-Epoden ergreift er vollkommen rur Maecenas Partei und hofft auf die Niederlage der anderen.

Betrachtet man die genannten Zeitereignisse in den Werken, die nach Actium veröffentlicht worden sind, wie Schlachten oder auch Personen, so sind Vergil und Horaz recht zurückhaltend. Für Vergil stellt Philippi direkt ein Wendepunkt dar, als gigantische Schlacht, deren Spuren auch in Zukunft bleiben werden. Pharsalus deutet er - wenn man denn überhaupt vollkommen sicher sein kann, daß er es auch meint -nur an. Er reduziert den Bürgerkrieg auf die Auseinandersetzung zwischen Caesar und Pompeius, doch geht er stets in Anspielungen auch darüber hinaus. Horaz spricht von Philippi als der Zeit, zu der er auf Seiten der Republikaner mitkämpfte, als der Zeit seines sozialen Auf."ltiegs - denn damals wurde er zum Ritter gemacht -, und als der Zeit, wo er seinen Schild wegwarf. Philippi wird langsam zu einer der weniger erfi"eulichen Erinnerungen, trotzig sind die Republikaner, zerbrochen ist die virtus. Horaz wurde durch Merkur gerettet, die Rückkehr der einstigen Freunde spät gefeiert. Auch rur Horaz ist Philippi ein Wendepunkt, sowohl in seinem ptivaten als auch in dem staatlichen Leben. Er deutet Thapsus 46 v. ChI'. mit dem Selbstmord Catos an, doch läßt sich nicht eindeutig klären, ob er hier nicht auf die Historien des Asinius Pollio Bezug nimmt. Sextus Pompeius nennt er nicht mit Namen, er wird umschtieben als der Hen über Sklaven. Actium ist rur ihn ein Sieg über Cleopatra. Es ist bezeichnend, daß er offenbar die Position des Brutus 43 v. ChI'. in Asia nicht beim Namen nennen kann. In ihren Andeutungen betonen Vergil und Horaz stets, daß der Schrecken des Bürgerktieges über Philippi hinausgegangen ist, sprechen jedoch keine Ereignisse mehr als Bürgerkrieg an.

Nur Properz ruhrt mehrfach die Bedeutung an, die Perusia rur sein Denken hat, er gibt eine Aufzählung der einzelnen Bürgerkriegsschlachten, er stellt zunächst Actium als Höhepunkt des Bürgerkrieges dar. Doch finden wir bei Properz die wenigsten

277

direkten Bezüge auf den Bürgerkrieg. Um so deutlicher macht er aber, wie entscheidend das Erlebnis des Bürgerklieges ihn in seinem Denken und Handeln beeinOußt.

Überblickt man die Häufigkeit und die Dauer der Darstellung des hellum civile, so bleibt der Bürgerkrieg bei Vergil kontinuierlich Thema. In der Aeneis sieht man, wie zentral die Auswirkungen gerade des Streites zwischen Caesar und Pompeius rur ihn sind. Er ist der älteste der drei Dichter und zeigt stets ein politisches Bewußtsein.

Bei Horaz wird das hellum civile allmählich immer weniger thematisiert. 1m dritten Buch tritt es als Moti v zurück, was nicht bedeutet, daß das Erlebnis des Bürgerklieges seine Bedeutung rur Horaz verliert. Man kann erkennen, wie Horaz immer stärker den Blick auf die Zukunft richtet. UngeGihr Mitte der 20er Jahre kann man bei Horaz deutlich eine Veränderung der Bewußtseinslage sehen. Das kones]X)ndie11mit Properz, der Actium mit den Merkmalen eines Krieges gegen äußere (jegner darzustellen beginnt. Am deutlichsten wird dies, wo Horaz sich an die jüngeren Zeitgenossen wendet, in den Römeroden. Es zeigt sich, wie Horaz sich selber immer noch der Schuld des Bürgerkrieges bewußt ist, sie ist ein bleibender Schmerz rur ihn. Es tritt aber auch hervor, wie er auf die Jüngeren zugehen muß, die nach seinen Worten unschuldig die Taten der Vorfahren büßen. Die folgende (jeneration hat offenbar ein ganz anderes Bewußtsein vom Bürgerkrieg als Horaz. Und so feiert Augustus bei den Säkularspielen des Jahres 17 v. ChI'. den Beginn einer neuen Zeit.

Was erfahren wir außerdem über die Bewußtseinslage der Dichter, über ihr Zeitbewußtsein? Man findet verschiedene Facetten, am Anfang die Flucht in den Mythos, die Herausstellung des eigenen Teh nach Einkehr des Friedens, die bleibende Angst vor dem Schrecken des Bürgerkrieges, die Hinwendung zum otium direkt nach Actium, die Velweigerung gegenüber dem Staat, den wachsenden (jlauben an die Zukunft, und vor allem die stets bleibende Sehnsucht nach Frieden. - So stellt sich die Frage, ob es es auch Entwicklungen im Denken gibt. Am deutlichsten wird eine solche Linie im Denken, wenn man das Leitmotiv des Bürgerkrieges mit einem weiteren, im Denken stets wieder auftretenden Charakteristikum koppelt:

278

(jleich nach Philippi begegnet uns die Flucht in den Mythos, eine tiefe Friedenssehnsucht, die sich in den aurea saecula artikuliert. Dies ist zunächst eine apolitische Idylle, die langsam wieder mit politischen Bezügen angefLillt wird. Klar ersichtlich ist dies bei Vergil, dessen Vorstellungen hier noch einmal vor Augen gestellt werden sollen: In jedem Werk Vergils begegnet uns die (joldzeitvorstellung, die Idee der aurea saecula. Doch deren Darstellung wandelt sich von Werk zu Werk. In der berühmtesten

Ecloge Vergils ist die Vorstellung dieser wiederkehrenden Zeit eng verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sie ist also geprägt durch die Situation des Bürgerktieges und bestimmt von der Sehnsucht nach einer neuen, friedlichen Welt.

153

In georg TI 532-540 - als also wieder Ftieden he11'scht - finden wir keinen Bezug der Satumia regl1a auf eine bessere Zeit, aber auch hier tritt uns als besonders

herv011retendes Chm"aktetistikum das vollkommene Fehlen von Krieg entgegen: aureus hal1c uitam il1 terris Saturl1us agehat: / l1ecdum etiam audieral1t il1jlari c1assica, l1ecdum / impositos duris crepitare il1cudihus el1sis.

In der Aeneis aber finden wir die aurea saecula - die Vergil hier zum erstenmal auch so nennt - aus der Sicht des Aeneas in der Zukunft, die Augustus verkörpert, dargestellt, Aen. VI 791-95: hic uir, hic est, tihz" quem promitti saepius audis. / Augustus Caesar, diui gel1us, aurea cOl1det / saecula ... Augustus wird - so verspricht es Anchises

seinem Sohn - das (joldene Zeitalter wieder herbeifLihren und seine He11'schaft über die ganze Welt ausdehnen. In Aen.

vrn

314-327

begegnen uns die aurea saecula ein

weiteres Mal - dort liegen sie fLir Aeneas in der Vergangenheit. Euander erzählt Aeneas von der vergangenen goldenen Zeit unter der He11'schaft Satums. Doch die aurea saecula haben hier im Vergleich zu den Werken zuvor neue Charaktetistika erhalten:

Vergil spricht explizit von den durch Satum gegebenen (jesetzen und der pax. Und er macht emeut deutlich, daß es keinen Ktieg gab. So entwickelt sich die Idee der (joldenen Zeit von der 4. Ecloge bis zur Aeneis: Erst stellt sie eine nahezu utopische auch wenn sie das nicht ist -, jeder Staatsfol111 feme Zeit dar, und vel111ittelt so das Zeitbewußtsein, das sich von einem zerstörten Staat umgeben sieht, bis sie zu einer Zeit des Ftiedens wird, die aber durch (jesetze geregelt ist, sogar durch das (jeben von 111

Vgl. zu der 4. Eeloge S. 112ft:. hesonders S.115t".

279

(jesetzen charaktetisiert wird. Stets aber ist als Charaktetistikum das Fehlen des Krieges zu beobachten. In der gleichen

F01111

scheint sich auch Vergils politisches Bewußtsein

zu entwickeln, mit der festen Konstante, daß der Krieg an sich abzulehnen ist. Nur die aurea saecula des Augustus sind gerade durch das E11'ingen der Welthe11'schaft

bestimmt - doch was ist dies rur eine He11'schaft? Sieht Vergil nicht gerade hier die Beftiedung der Welt und das (jeben von (jesetzen als bestimmend an, und finden wir so nicht zumindest zwei Charakteristika der (joldenen Zeit aus dem achten Buch der Aeneis auch hierin wieder?154 - Die Entwicklung der Konzeption von den aurea saecula gibt ein lebendiges Bild davon, wie sich Vergils Zeitbewußtsein gerade auch in bezug auf den Staat entwickelt.

Der Mythos ist überhaupt ein wichtiges Charaktetistikum, um das Zeitbewußtsein näher zu ergründen. Immer tiefer sehen wir die Dichter in den Mythos zurückgehen, um die (jegenwart zu erklären. Hatte Horaz in den Epoden mit der Erklärung des Bürgerkrieges durch die E11110rdung des Remus noch einen Bezug zum römischen Wesen gesucht, so geht Vergil, nachdem er in der Ecloge 4 bereits den Krieg an sich mit dem Diebstahl des Feuers durch Prometheus begründet hatte, 155 bis zu dem troianischen Ursprung Roms zurück, um den (jrund zu finden, Proper"Z erkennt schließlich die Ursache rur den Krieg an sich in einem Fehler des Prometheus beim Erschaffen des Menschen. 156 Augustus kann nicht ohne (jrund mühelos den Bogen von sich selbst zu den Helden der Frühzeit schlagen - das Zeit bewußtsein ist so beschaffen.

Wichtig rur das Zeitbewußtsein ist auch die Darstellung des Augustus. Vergil und Horaz verbinden weder Maecenas noch Octavian direkt mit den Bürgerkriegswi11'en. 1st Octavian in den Eclogen bereits rur den einzelnen ein fast schon göttlicher Retter, so übemimmt er diese Aufgabe auch bei Horaz nach Actium. Am aufhilligsten sind aber die Worte des Anchises in der Heldenschau, mit denen er sich an seine Nachkommen wendet: Diese sollen zuerst den (jegner schonen, die Waffen aus der Hand fallen lassen. I ~ Vgl. dazu Ov. fast. L 251 und L 287, der Vergil in der Darstellung folgt. Vgl. zu dieser Thematik auch K. Kuhusch, Aurea Saecula. Mythos und Geschichte. Untersuchungen eines Motivs in der antiken Literatur, S. 91-147, hesonders S.126tI V gl. zu der Gestalt des Saturn in der Aeneis und zu ihrer Darstellung in hezug auf die Herrschaft des Augustus M. Wifstrand Schiehe, Vergil und die Tradition von den römischen Urkönigen, Stuttgartl997, die von einer .,Romanisierung des GoldzeithegritlS" spricht als .,historische Rechtfertib'1Hlg des Anspruchs, daß mit AUb'Ustus die goldene Zeit wiederkehrt' ,S.18. 111 Vgl. S.114f

280

Properz scheint in TTI6 den älteren Dichter nachzuahmen, doch bringt er einen wesentlichen Unterschied: Erst nach seinem Sieg verbirgt Augustus die Waffen. Augustus weist in seinen R(j 3 darauf hin, daß er als Sieger allen Bürge111, die seine Verzeihung rur sich erbaten, Schonung gewährt habe: Bella terra et mari civilia extenwque toto in orhe terrarum gessi victorque veniam petentihus civihus peperci.

Offensichtlich hat der Plinceps selbst keinerlei Probleme damit, auch an die hella civilia zu erinne111. Wie anders klingt seine F01111ulierung von der Schonung des (jegners! Er gesteht sie erst zu, wenn er darum gebeten wird. Anchises forderte mehr von seinem Nachkommen. Doch Propel"Z drückt denselben (jedanken wie in den R(j des Augustus aus: Nach dem Sieg erst folgt die Milde. Und in der gleichen

F01111

stellt auch Horaz

diese Idee in seinem carmen saeculare dar: Der Sprößling der Venus und des Anchises ist milde gegenüber dem am Boden liegenden Feind. Horaz allerdings bezieht sich hier auf den äußeren (jegner 157 So muß man die Verse aus der Heldenschau vielleicht fi'üh datieren,158 doch sie geben - erkennbar durch ihre zentrale Stellung

die

(jrundüberzeugung Vergils wieder, was den Bürgerkrieg betrifft.

Übe1111ächtig bleibt stets die Sehnsucht nach Flieden. Propel"Z mag sich vom Bürgerkrieg abwenden, doch immer macht er seine Abscheu vor dem Führen von Krieg deutlich. Der prisca fraus in der ersten Ecloge Vergils folgen sogleich die Kriege, die ein wesentliches Merkmal der eisemen Zeit sind. Stets betont Vergil in jedem seiner Werke, wie furchtbar das Wesen des Krieges ist. Nur Horaz zeigt zwar immer seinen Schrecken vor dem Bürgerklieg, doch verbindet ihn mit der Forderung, die Kräfte nach außen, gegen äußere Feinde zu wenden. Ein sinnhilliges Bild von der neuen Zeit vielleicht das, in dem wir die Vorstellungen der neuen Zeit am deutlichsten dargestellt sehen können - finden wir in der Schild beschreibung der Aeneis, Augustus auf den Stufen des Apollo-Tempels sitzend, indem er den besiegten Völkem die (jesetze gibL I59 So können wir hier noch eine uns nach den vielen Bezeugungen der Friedenssehnsucht

1%

Prop. 111 5,7-12. Vgl. S. 288f Carm. saec. VV 49-56: quaeque vos hohus vellerafur aIhis

cIams Allchisae Vellerisque sallRuis. / impefrel. hellallfe prior. iacellfem fellis ill l!Osfem iam mari ferraque mallus pofellfis Medus Alhallasque fimel securis. / iam Slyfhae respollsa pelullf superhi / lIuper el [lldi 11'

11, Zieht man die Darstellung des Marcellus in der Heldenschau hinzu. der his zu seinem frühen Tod ein potentieller Nachfolger des AUb'Ustus war. so finden wir auch hier ähnliche Charakteristika: pielas. prisca jides und illvicfa hello dexfera. Aen. VI 878-881. Diese Verse sind wohl erst später. heim Tod des Marcellus im Jahre 23 v. Chr. eingetüb>t worden. die Rede des Anchises ist vielleicht viel ti"üher verfal.lt. 119 Aen. VIII 71 4-728

281

seltsam anmutende "Schizophrenie" in der Bewußtseinslage der Dichter erkennen: Immer wieder rufen, sehnen sie den Ftieden herbei, gleichzeitig sprechen sie von den besiegten Völkem, feiem sie die Siege des Augustus, gleichzeitig erdröhnen unter den Legionen die Provinzen und nimmt das römische Imperium Ausmaße an wie nie zuvor. Dieser offenbare Widerspruch im Zeitbewußtsein soll im nächsten Kapitel der Untersuchung geklärt werden, indem das Leitmoti v des Bürgerkrieges erweitert wird um das des Krieges und das des Ftiedens. Denn nun stellt sich die Frage: (jibt es einen Paradigmenwechsel im römischen Zeitbewußtsein infolge der Bürgerkriege?

283

6.1 hellum civile - pax! - Pax - hellum? ! Ein Paradigmenwechsel? cum domino ista pax venit. 1 Mit diesen wenig schmeichelhaften Worten

beschreibt Lucan ungehihr 90 Jahre nach Actium das Ende des Bürgerktieges. Eng verwebt er die Alleinhe11'schaft - er spricht ausdrücklich von der in der Zeit Neros 2

gebräuchlichen Anrede dominus -mit dem Ftiedennach dem Bürgerktieg. Lucan sieht zurückblickend den Frieden hier mit kritischen Augen. Uns heute erscheint - wenn auch viel ]X)sitiver - die Zeit des Principats bestimmt durch die Idee von der Pax Uomana oder Pax Augusta. Dieses Schlagwort tritt uns überall im 1. und 2. Jahrhundert n. ChI'. entgegen und ist das prägende Charakteristikum der Zeit des Principats - Ftieden und 3

Sicherheit in Rom, Italien und den Provinzen. Das Konzept des Friedens scheint rückblickend alle anderen an Bedeutung zu übe11'agen. 4 Deshalb soll jetzt in einem kurzen Ausblick noch einmal ein etwas vet1iefter Blick auf die Äußerungen der Zeitgenossen zum Frieden geworfen werden. Wie stellt man sich den Zustand ohne hellum civile während des Bürgerktieges vor? Unterscheiden sich die Vorstellungen

vom Frieden im frühen Principat von denen in der Republik und von denen nach dem Ende der Bürgerktiege? Sieht man unter dem Eindruck des Bürgerktieges nun auch den Krieg gegen äußere Feinde anders? Ktieg und Frieden, sowie die innere Einstellung zu beiden sind

wichtige Leitmotive im Denken der Menschen.

(jibt es

einen

Paradigmenwechsel im Zeitbewußtsein, und wenn ja, in welcher Fonn? Dazu soll nun in bezug auf Frieden und Krieg die Frage gestellt werden, was alt ist im Denken, also zu der unversehrten Republik gehört, was aus der Zeit der Militärpotentaten, besonders der Caesars stammt, und was neu ist, also erst jetzt im entstehenden Principat gedacht werden kann.

Lucan. 1671. Lucan schreiht üher den pompeianischen Bürgerkrieg, doch in den am Ende des ersten Buches geschilderten Prodigien und Prophezeiungen scheint er sich üher den eng gesetzten Zeitrahmen hinaus zu ~em Übel des Bürgerkrieges seIhst zu äußern. A. Heuß, Römische Geschichte: ., .. und pax Augusta ist hin fort ein stehender Begriff der Reichs- und Kaiserideologie gehliehen." S. 288, .,Oer hezeichnendste Zug der ersten heiden Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit ist der Friede.' , S. 361. 4 Gleichzeitig heti"emdet das offenhar ühermächtige Konzept des Friedens zur Zeit des Principats aher auch. M. Torelli, Gesellschaft und Wirtschaftsformen der augusteischen Zeit: Der Comellsus lfaliae, in: Kaiser AUb'Ustus und die verlorene Repuhlik, hrsg. v. W.-O. Heilmeyer, Berlinl988, S. 23-48, hezeichnet pax als eins der propagandistischen Themen dieser Zeit und als eine .,Neuerfindung der aUb'Usteischen Regierung, die aus dem Klima der letzten großen Auseinandersetzung erwuchs". Seiner Ansicht nach traf die pax .,die ethischen Modelle der virfus und der Rloria ins Herz, welche ganz offen militärisch ausgerichtet waren' ,S. 44. Vgl. dazu S. 304ft: I

2

284

(jleichzeitig mit den ersten Äußerungen zum Bürgerkrieg werden die Rufe nach Frieden laut. 5 Die größte Hoffnung auf den Frieden hegte man bereits vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges. Schon Cicero hatte im Jahr 50

V.

ChI'. und danach über Jahre hinweg

seiner Friedenssehnsucht Ausdruck gegeben. Doch meinte er damit den

von

Bürgertumulten fi'eien Zustand des Staates. Er bleibt stets im (nicht-militärischen) politischen Bereich. 6 Später will er den Krieg gegen Antonius, der rur ihn jetzt um die Staatsfol111 geruhrt wird, d.h. rur die Bewahrung der res puhlica. (jerade in den Philippischen Reden spricht er immer wieder von pax,7 rur die er nun - und damit verbindet sich das Wohl des Staates - den Kampf gegen Antonius aufnehmen will. Seine Sehnsucht nach Frieden bleibt, wird jedoch übertroffen von der Sorge um die Republik, die er nicht 49 v. ChI'. bei Ausbruch des Bürgerkrieges, sondem erst jetzt in ihrer Existenz bedroht sieht. Frieden kann es rur ihn nur in der res puhlica geben, denn dieser von ihm als pax civilis definierte Zustand beruht auf den Einrichtungen und mores der Republik. Ciceros Bild vom Frieden und damit auch seine Friedenssehnsucht gehören ganz dem politischen Bereich an und meinen die unversehrte Republik.

Vergil und Horaz lassen wenig später, nach Philippi, von ihren frühesten (jedichten an die Sehnsucht nach Frieden, wie den Schrecken des schon so lange tobenden Bürgerkrieges erkennen. Der Frieden liegt rur sie zunächst im utopischen Bereich. pax scheint von der Realität so fem zu sein, daß die Dichter sie nicht in der Wirklichkeit ansiedeln können. pax bedeutet hier rur sie zunächst ein Zustand ohne Bürgerklieg, darüber hinaus aber auch ohne Staatsfol111. Wie könnte ihr Abstand zur res puhlica größer sein? Die aurea saecula, fem in der mythischen Vergangenheit beheimatet, verweisen auf ein Dasein ohne Krieg überhaupt: Der Klieg erschien erst, als die Welt eisem wurde. Während des Kampfgeschehens finden wir in den (jedichten keine andere Konzeption von dem möglichen Flieden. Er ist weit entfemt, liegt in einer mythischen Vergangenheit, die sich in der Zukunft wiederholen soll. (jleichzeitig ist man sich in seinem Zeit bewußtsein in diesen Jahren nach Philippi offensichtlich nicht klar, wie die

Vgl. zu einer umfangreicheren Untersuchung K. E. Laage. Der Friedensgedanke in der au!o'Usteischen Dichtung. Diss. Kiel 1956. der auch Cicero und Lucrez hehandelt. (' In Phil. 8. 11 läßt Cicero die pax civilis auf Je;:;es und iudicia heruhen. Vgl. K. E. Laage. ehenda. der folgert: .,Hier zeigt sich. dass für Cicero die Erhaltung des innerstaatlichen Friedens gleichhedeutend ist mit der Edlaltung der alten repuhlikanischen Ordnung. die auf der Senatsherrschafi und auf den von den Vorfahren überkommenen instituta und mores hemht.' . S.l O. ' Vgl. Phil. 7. 7_8. 7. 14.7.16.7. 19.

1

285

zukünftige Staatsfo1111 aussehen soll. In den aurea saecula der Eclogen und der E]X)den gibt es keine feste

1'01111

des Staates. Die Dichter ersehnen also den Frieden und

beziehen in diese Sehnsucht nicht die zerstörte res puhlica mit ein. 8 Durch die Konzeption des (joldenen Zeitalters wenden sie sich indirekt auch gegen den Krieg. Zum Verständnis des (jedankens muß man sich vor Augen ruhren, daß der Krieg bei den Römem über Jahrhunderte hinweg positiv besetzt ist: Er war Teil ihres Daseins und zwar des Daseins aller Römer. In der Republik zogen die römischen Bürger oft Jahr rur Jahr in den Krieg. 9 Krieg war als notwendiger Teil des Staats lebens akzeptiet1 und vor allem nahmen alle an den Feldzügen teil. Römer ruhren zudem gerechte Kriege. 10 Das militärische Ethos steht im Zentrum des Denkens. Pax dagegen bezieht sich auf einen Zustand (des Ftiedens), der durch Vereinbarungen den Krieg beendeL l1 Erst zur Zeit Sullas, also während der Bürgerkämpfe, scheint pax zu einem ]X)litischen Begriff zu werden. 12 (jroße Bedeutung aber gewinnt sie wohl frühestens in der Zeit Caesars. In Ciceros Btief an seinen Bruder Quintus finden wir, wohl Ende des Jahres 60

V.

ChI'.

oder Anfang 59 v. Chr., den (jedanken, daß die Provinzialen Frieden rur den Verlust ihrer Selbständigkeit bekommen haben. 13 Konkrete Zeugnisse der kultischen Verehrung der Pax finden wir erst unter Augustus. Die Konzeption des (joldenen Zeitalters mit der Hervorhebung des Friedens aber deutet nun eine neue Einstellung zum Ktieg an: Krieg ist nicht Teil des idealen Lebens, wohl aber pax. Seine Notwendigkeit wird damit ktitisiert, denn der Krieg ist rur Vergil und Horaz noch immer Teil der eisemen Zeit,

Laage. ehenda. hetont. daß gerade hier der Unterschied zwischen Cicero und Vergil und Horaz liegt. S. 12 und S. 170. 9 So äußert sich J. Rich in seiner Einführung zu War and Society in the Roman World. hrsg. von J. Rich und G. Shipley. London/New Yorkl993.)n the early and middle repuhlic extended service in Rome's wars was. as we have seen. part of most citizens.' . S. 4. Ehenso T. CornelL The end of the Roman imperial expansion. in: War and Society.. S.139-170: .• Warfare was therefore part of the normal experience of every Roman. and was emhedded in the fahric of Roman Society. The Repuhlic's institutions were military in character and function; its religion. and its cultural and moral values. were sutlused with militaristic ethos.'. S. 156. 111 Vgl. Ciceros Gedankengänge in de o/lieiis und de re puhfica 11 Vgl. F. Klingner. Römische Geisteswelt. München '1968. S. 600-602. Vgl. G. Lieherg. Die Ideologie des Imperium Romanummit einer Schlußhetrachtung üher Ideologie und Krise. in: Krisen in der Antike. Bewußtsein und Bewältigung. Düsseldorfl975. S. 70-98. hesonders S. 70f 12 Vgl. S. Weinstock. Pax and the 'Ara Pads·. JRS 50 (1960). 44-58. der für die Zeit Sullas pax nur als .• political slogan" sieht. S. 45. und G. Wool[ Roman Peace. in: War and Society in the Roman World. S. 171-194. 11 Ad Quint. ti". 1,1,34: Simuf ef ilIud Asia coRifef. mdfam ah se lIeque heIli exfemi lIeque domesfiearum ii

discordiamm eaIamifalem ajil1uram.!uisse. si hoe imperio /Um fellerefur; id aufem imperium cum refilleri sille vecfiRalihus lIullo modo possif. aequo allimo parfe aliqua suomm.!rucfuum paeem sihi sempifemam redimal afque ofium

286

also der (jegenwat1. Sehnt man sich auch die (joldenen Zeitalter zurück, so ist der Krieg doch ein Teil der eigenen Zeit.

(jibt es unter dem Eindruck des Bürgerkrieges auch die negative Darstellung des Krieges, die nicht fem vom Dasein des Dichters, wie in den aurea saecula angesiedelt ist, sondem eine Kritik am Krieg, die in seiner eigenen (jegenwart liegt? Bedeutet dadurch nun auch der Frieden rur den Zeitgenossen etwas anderes als in der Republik? Die Liebeselegie bietet mit ihren besonderen Charakteristika und ihrer zeitlichen Eingrenzung auf den Zusammenbruch der Republik und die Etablierung des Principats den klarsten Rahmen rur die Frage nach einer negativen Darstellung des Krieges. Allein schon das in ihr herausgestellte Ideal des amal1s zeigt ein vom cursus h0l1Orum abgewandtes Leben. Das schönste Beispiel rur ein (jedicht, in dem der Frieden gefeiert, der Krieg aber abgelehnt wird, hat Tibull geschaffen, der mit Propel"Z ungehihr gleichalhige große Liebeselegiker, der sich Messalla angeschlossen hatte. In seinem (jedicht 110. das in der ersten Hälfte der 20er Jahren entstanden ist - denn dieses Buch erscheint nach Messallas Ttiumph (T 7) - , stellt er die Frage nach dem ersten Verursacher des Krieges. Bei der Beantwortung werden hellum

und pax zu

Antagonisten.

Quisjitit, hOJTendos primus qui protuht enses? quam jerus et vere jerreus i11e jitit/ tum caedes homil1um gel1eri, tum proe1ia l1ata. tum hrevior dirae mortis aperta via est. al1 l1ihil ille miser meruit. I70S ad mala l10stra vertimus, il1 saevas quod dedit i11e jeras? divitis hoc vitium est auri, l1ec hellajiterul1t, jagil1us adstahat cum scyphus al1te dapes. 11011 arces, 11011 vallus erat, soml1umque petehat securus varia.\" dux gregis il1ter oues. tUI1C miM uitaj(Jret uulgi l1ec tristia l10ssem arma l1ec audissem corde mical1te tuham. I1UI1C ad hella trahor, et iam quisjbrsital1 hostis haesura il1 l1ostro tela gerit latere. sed patrii senate wres/ sic placeam vohis: ahus sitjbrtis il1 armis. stenwt et aduersos Marte favel1te duces. ut miM potal1ti possit sua dicere jacta

10

15

30

287

miles et in mensa pingere castra mero. quisjuror est atram he11is accersere mortem? interea pax an"a colat. pax candida prim um duxit araturos suh iuga cun'a houes: pax aluit uites et sucos condidit uuae. jUl1deret ut nato testa pateT/la merum pace hidens uomerque nitent, at tn'stia duri militis in tenehris occupat arma situs. at nohis, Pax alma, veni spicamque teneto. projluat et pomis candidus ante sinus.

45

50

67

Tibull trägt in diesem "Friedensgedicht" mehrere neue (jedanken vor. Krieg zu fLihren und ihn gar noch herbeizurufen, bedeutet in diesem (jedicht juror, blinden Wahnsinn. Habgier ist der (jrund des Krieges. Als noch Bescheidenheit in der LebensfLihrung

V01~1el1'schte,

gab es keine Wälle oder Schutzvonichtungen. Jeder Hirte,

der hier das Ideal des Lebens darstellt, konnte ohne Furcht sicher bei seinen Schafen schlafen. Der Frieden übemimmt hier Züge des (joldenen Zeitalters. 14 Dazu im (jegensatz schildert Tibull, wie er nun zum Krieg gezwungen wird, während der Feind bereits die Lanze trägt, die ihn vielleicht treffen wird. Die väterlichen Laren sollen ihn retten, er will in alter bäuerlicher Bescheidenheit leben. Vor allem aber ist an diesem (jedicht auffallend, daß und wie oft der Dichter in den nächsten Versen (VV 45-50) pax als Begriff gebraucht. Er verbindet pax mit der Kulturentstehung. Das (joldene Zeitalter bei Vergil und Horaz kannte keinen Ackerbau, die Natur erzeugte alles von sich aus. Hier nun bringt der Frieden das - idealisierte - Landleben erst hervor. Die Konzeption der aurea saecula wandelt sich zur Pax. In den letzten beiden Versen spricht Tibull die personifizierte Pax an. Der Ftieden ist hier angebetete (jottheit - eine neue (jottheit. Bei Tibull finden wir einen der ersten schriftlichen Belege dafLir. Zwar nennt Horaz in seinem carmen saeculare neben anderen personifizierten (j otthei ten den Frieden, 15 doch wurde der Frieden erst in diesen Jahren personifiziert, die kultische Verehrung begann

14 Auch hei Tihull finden wir die aurea saecula in der Form. die wir bereits kennen. In I 3 heschreibt er. krank während eines Feldzugs auf einer Insel zUliickgelassen. seine Sorgen. Hier wünscht er sich die Herrschaft Saturns zUliick. als es keine Schiffe. keinen Handel. keine gezähmten Tiere. keinen Besitz gah. wo die Natur alles von seIhst hervorhrachte. Damals. so fahrt er fort. gah es keine Messer. keinen Zorn. keine Kriege. keine Schwerter. Nun erst. in der Herrschaft luppiters. giht es Schlachten und Wunden. VV 35-52. Hier herührt er sich eng mit den Vorstellungen Vergils und Horazens vom Goldenen Zeitalter. 11 Hor. carm. saec. VV 57ft:: iam Fides ef Pax ef HO/ws Pudorque / priscus ef lIeRIecfa redire Virfus

audet. apparefque heafa pIeIlO / Copia corllU

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sogar noch später. 16 Der Frieden hat sich also im Bewußtsein der Zeitgenossen wesentlich verände11 und nimmt jetzt im (jegensatz zu früher einen großen Teil des Zeitbewußtseins ein. Den Hintergrund der anwachsenden Bedeutung der pax/Pax aber stellen stets die Bürgerkämpfe dar.

Auch Propel"Z hat ein "Friedensgedicht" geschaffen:

Pacis Amordeus est, pacem uel1eramur amal1tes: stallt miM cum domina proe1ia dura mea. l1ec tamen inuiso pectus miM carpitur auro, l1ec bihit e germna divite nostra sitis. l1ec miM mille iugis Campal1ia pil1guis aratur, l1ec miser aera paro c1ade, Coril1the, tua. o prima il1/ehr jil1genti terra Prometheo/ ille parum caute pectoris egit opus. corpora dispOllel1s mel1tem 11011 uidit il1 arte: recta al1imi pn'mum dehuit esse uia. I1UI1C maris il1 tal1tum uel1to iactemur et hostem quaerimus atque armis l1ectimus arma l1oua. haud ullas portahis opes Acherol1tis ad ul1das. l1udus at il1/erl1as, stulte, uehere rates. uictor cum uictis miscehitur umhris: cOl1sule cum Mario, capte Iugurtha, sedes. Lydus Dulichio /1011 distat Croesus ah Iro: optima mors. Parcae quae uel1it acta die. me iuuet .. 17

10

15

Propel"Z sucht in dieser Elegie, alle mythischen Begründungen, die Vergil und Horaz rur den Bürgerkrieg gaben, zu übertreffen. Er geht bis an den Anfang der Entstehung des Menschen zurück, der Klieg selbst ist durch das fehlerhafte Erschaffen des Menschen verursacht. Krieg wird rur ihn aus Habgier geruhrt, 18 die hier den

1(' Manche wie G. Wool[ Roman Peace. in: War and Society in the Roman World. S.ITI-195. nehmen an. daß schon Caesar auf einen Kult der Pax hinarheitete. S. Weinstock. Pax and the 'Ara Pads·. JRS 50 (1960).44-58. ist derseihen Ansicht. S. 46. Ein fest bestimmhares Datum finden wir erst mit der Weihung der Ara Pads Augustae. Der Senat heschloß anläßlich der Rückkehr des Au!o'Ustus aus Gallien und Spanien 13 v. Chr. den Bau der Ara Pads Au!o'Ustae. die am 30. Januar 9 v. Chr. geweiht wurde. Welcher Frieden ist hier gemeint? Vgl. u. a. K. Galinsky. Augustan Culture: .• The Ara Pads thus is linked with the concept timt peace is the result ofmilitary victories which seeure the imperium Romanum on land and sea: cum per ft)lum imperium popuIi Romani lerra marique esl parIa vicforiis par."; S.141. Augustus seihst sagt. der Altar sei pro redilu meo von einem erfolgreichen Feldzug. RGI2. errichtet worden. Auch Horaz f~iert in c. IV 5 den erfolgreichen Feldzug des Augustus und den daraus resultierenden Frieden. Prop. 111 5,1-18. I, Dieses Motiv wiederholt sich hei Properz immer wieder. Schon im zweiten Buch hatte er angesichts der Ehe- und Familienpolitik des Augustus gefi"agt. 11 7, 13-1 4: unde milli palriis nalos praehere lriumpllis?

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einzigen (jrund dafUr darstellt, daß Menschen sich bekämpfen. Doch in den Tod kann man diese Reichtümer nicht mitnehmen. Damit fUhrt Properz den Krieg in seiner Darstellung ad absurd um. Er steigert die Schilderung noch dadurch, daß er in der Untelwelt Sieger neben Besiegte sitzen läßt, auch Römer neben Nichtrömem. Er selber will ein anderes Leben fUhren, das er in den folgenden Versen schilde11.

Beide Dichter, Tibull wie Properz, verbinden Klieg mit Habgier, die es in der Bescheidenheit der fi'üheren Zeit nicht gab. Sie verleihen damit einem ZeitgefUhl von völliger Ablehnung des Klieges Ausdruck. 19 Der Krieg hat sich im Bewußtsein der Menschen verändert. Er ist nicht mehr selbstverständlich, noch wird er fUr notwendig gehalten. Als ein Leitmotiv des Denkens hat er eine schreckliche Qualität angenommen.

Man darf darüber hinaus vel111uten, daß die Dichter damit auch ausdrücken wollen, daß der Krieg fUr die Römer faktisch zu etwas anderem geworden war. Denn schaut man nicht nur auf die dichterischen Äußerungen, so wird auch bereits in der politischen Praxis der späten Republik eine Veränderung deutlich: Schon immer hatte der Krieg die Möglichkeit bedeutet, Ruhm zu erwerben, sich um den Staat verdient zu machen. Doch hatte der Senat oft nur unwillig unterworfene (jebiete zur Provinz gemacht, überließen die Senatoren diese geme Klientelkönigen, um selber nur eine indirekte Henschaft auszuüben. Erst die Militärpotentaten der späten Republik provinzialisierten, im Besitz der imperia eXfraordil1aria, große (jebiete, wodurch sie auch innenpolitisch Macht gewannen. 20 Pompeius richtete gleich drei neue Provinzen ein, und Caesars gallischer

nuIlus de nosfro sanRuine rnifes erif. In den folgenden Büchern tritt der Beweggrund der Hahsucht für den

Krieg stärker hervor. In 111 12 schildert er voller Pathos die Tränen der Galla. die von Postumus verlassen wurde. um Augustus gegen die Parther zu folgen. Mit Hohn üherhäuft er den Postumus. der in seinen Augen nur aus Gier nach Reichtum in den Krieg gezogen ist: sifus esf. ornnes parifer pereafis auari. / ef quisquisjido praefulif arrna fOTO:' (VV 5-6). In dem folgenden Gedicht 111 13 prangert er dann allgemein die Pmnksucht an: proloquar - afque ufinarn pafriae sirn uerus haruspex:' - / fra/IRifur I/isa suis Rorna superha honis. (VV 59-60). Er dichtet hier einen Vers der 16. Epode des Horaz - ein Zeugnis für ihre Berühmtheit - um. Auch in seiner späteren Dichtung hehält er das Motiv der üher den Kriegsdienst ihres Mannes unglücklichen Ehefrau hei. vgl. IV 3. den Brief der Aretlmsa an ihren Mann. 19 Anderer Ansicht ist D. Cloud. Roman Poetry and anti-militarism. in: War and Society in the Roman World. S.113-138. Er lehnt .,a anti-militaristic or anti Augustan purpose". S.124. oder gar ., a antimilitaristic suhculture under Augustus" ah. S.138. Er verweist darauf: daß Tihull und Properz respektierte Mitglieder der augusteischen Gesellschaft waren. Das waren die heiden Dichter tatsächlich. doch diese Tatsache spricht nicht dagegen. daß gerade sie als Lieheselegiker in den vorliegenden Gedichten einer hesonderen Zeitstimmung Ausdruck verleihen. 211 Hier werden Probleme des römischen Imperialismus herührt - wenn man diesen neuzeitlichen Terminus überhaupt henutzen darf: vgl. D. Flach. Der sogenannte römische Imperialismus. Sein Verständnis im Wandel der neuzeitlichen Ertahrungswelt. HZ 222 (1970).1-42. Mommsen hat den Begriff des

290

Feldzug ist nicht zuletzt deswegen von ihm angestrebt worden, um Pompeius an militärischem Ruhm und damit auch an Macht gleichzukommen. Durch immer größere außenpolitische Erfolge steige11e sich der innenpolitische Einfluß der Militällhltentaten. Der Klieg hat sich damit in seinen Voraussetzungen und dann in seinen Beweggründen verändert.

Wann können wir in den Quellen einen Wandel gerade in bezug auf die Ziele eines Krieges fassen? Cicero gibt das erste Zeugnis rur ein solches Denken. In der Rede de provil1ciis col1sularihus aus dem Jahr 56 v. ChI'. hat er sich dem Triumvirat angenähert

und sucht, den Senat davon zu überzeugen, daß Caesar im Besitz seiner Provinz bleiben muß, bis diese endgültig befriedet ist. Dabei werden von Cicero, offensichtlich ganz in Übereinstimmung mit der gesamten Nobilität, nicht der Feldzug und die mit ihm verbundenen Intentionen klitisiert, sondem wird nur der Versuch untemommen, Caesar seine Stellung in (jallien zu erhalten. Der Feldzug selber wird offenbar nicht kritsiert. Das wird auch in Caesars Argumentation im Bellum Ga11icum deutlich. In de provil1ciis col1sularihus verbindet Cicero leges, ius und pax miteinandel-,21 doch geht es hier

darum, daß eben dies noch in (jallien durch Caesar velwirklicht werden muß. Er setzt also voraus, daß (jallien als Eroberung, nämlich als Provinz, in Zukunft behauptet werden wird. Die Eroberung und die Behel1'schung der Provinz werden von Cicero als Frieden aus der Sicht des l1ohih"s dargestellt. Vel111utlich hat erst die Situation, der Druck der übel111ächtigen Militärpotentaten Cicero dazu gebracht, solche (jedanken zu f0l111ulieren, doch sind dies die ersten rur uns greifbaren imperialistischen Äußerungen. Die Idee, daß die Provinzen von der römischen Henschaft profitieren, indem sie Frieden erlangen, war bereits vorher aufgetaucht (s.o.). Auf diese Veränderungen in den Moti ven,

einen

Krieg

zu

untemehmen,

könnten

die

beiden

vorgestellten

Friedensgedichte auch hindeuten.

defensiven römischen Imperialismus gesclmtlen. ihm folgten Forscher wie E. Badian. Roman Imperialism in the late Repuhlic. Oxford "1968. andere wie W. V. Harris. War and Imperialism in repuhlican Rome 327-70 B.C.. Oxfordl979. wandten sich gegen diese Sicht. Einen Forschungsüherhlick giht J. Bleicken. Geschichte der römischen Repuhlik. S.I 56ft:. oder J. Rich. Fear. greed and glory: the causes of Roman War-making in the middle Repuhlic. in: War and Society in the Roman World. S. 38-67. hesonders S. 3844. Er seIher stellt große Phasen in der Entwicklung während der Repuhlik heraus. um sowohl der Angst. also der Verteidi!o'Ung vor drohenden Nachharn. wie auch der Hahgier oder der Suche nach Ruhm eine ~olle zuzugestehen. S. 65. de provo cons. 19: domitae SUllt a Caesare maximae lIaüolles. sed /Umdum IeRihus. /Umdum iure certo. /Umdum saüsjirma pace devillcfae

291

Was zeigen also die beiden Friedensgedichte des Tibull und des Properz? Sie spiegeln zunächst vor allem eine Änderung in der Einstellung gegenüber dem Krieg wider. Diese ist durch den erlebten Schrecken des Bürgerklieges verursacht, und darum bleiben die "pazifistischen" (jedichte eine Erscheinung des Umbruchs zum Principat. Der Schrecken der Bürgerkliege ruft gleichzeitig eine Furcht vor dem Krieg hervor und eine geradezu in'eale Sehnsucht nach einem stark idealisierten Frieden. Das ist aber nur auf einen Moment beschränkt, denn wir finden (jedanken in dieser Ausprägung nur bei Tibull und Properz,22 doch kann diese Veränderung auch den Wandel des Krieges im Bewußtsein der Menschen aufzeigen: Wurde der Krieg in der Republik oft als Verteidigung empfunden - Römer ruhrten gerechte Kriege -, so sind jetzt die veränderten Beweggliinde zu spüren: Machtgewinn rur den Imperator, persönliche (jewinne rur die Soldaten, z. B. die Versorgung mit Land. Wie Propel"Z und Tibull- aber auch Vergil bringt diesen (jedanken in Aen. VTTT 327 vor - vielleicht überspitzt aus ihrer Position als Dichter der Liebeselegie sagen, Krieg wird aus Habgier geruh11. Diese Änderung in den We11vorstellungen kommt hier latent in der Klitik am Krieg zum Tragen.

Beide Fliedensgedichte sind so außergewöhnlich, daß sie auch dem (jedanken der Pax Uomal1a femstehen,n und sie nach den 20er Jahren, zwischen Actium und der

Säkularfeier, in denen sie entstanden sind, nicht mehr möglich erscheinen, weil die Konzeption des Friedens sich verfestigt hat. Denn die Pax Uomal1a beruht auf einer Voraussetzung, die Cicero in dem Brief an seinen Bruder Quintus bereits angedeutet hat und in der der Krieg eine sehr große Rolle spielt, nämlich auf der Befriedung des (jegners (s.u.). Trotzdem venllögen die beiden so außergewöhnlichen Friedensgedichte auch den grundsätzlichen Wandel der pax im Bewußtsein der Zeitgenossen aufzuzeigen. Denn sie machen eine Veränderung in den Werten, die man Krieg und Frieden zum ißt, und einen Wechsel der Leitmoti ve im Denken deutlich. Pax schiebt sich in ihrer Bedeutung vor den Klieg. Klieg bedeutet rur Tibull und Propel"Z durch das Erlebnis des Bürgerkrieges etwas anderes als rur einen Römer der unversehrten Republik. Damit 22 Ovid hält den Frieden der Par Romullu schon für seihstverständlich und schreibt seine Gedichte aus einer anderen Zeitstimmung heraus. 21 G. Binder, Herrschafiskritik hei römischen Autoren. Beispiele eines seltenen Phänomens, in: Affirmation und Kritik. Zur politischen Funktion von Kunst und Literatur im Altertum, Trierl995, S. 125-164, nennt die Elegie 111 5 ein .,Friedensgedicht' , das ganz und gar nicht der Pax-Romana-Norm entsprach", S.145.

292

verändert sich aber auch der Ftieden in der Bewußtseinslage der Zeitgenossen, bis hin zur kultischen Verehrung lange nach Ende der Bürgerkriege. Krieg und Frieden werden hier nun in ein starkes - in der Republik unbekanntes - Spannungsverhältnis zueinander gesetzt. Beide, Krieg und Frieden, erfahren jetzt einen Wandel im Bewußtsein der Menschen, als Leitmotive des Denkens verändem sie ihre Qualität in der Wet1ewelt, doch hat der Krieg jahrhundet1elang so sehr das Denken geprägt, daß die Dichter sich seiner Tel111inologie bedienen, um ihre Erfolge in der Liebe zu feiem. 24

(jleichzeitig, während Tibull sein Friedensgedicht schreibt, geht er mit Messalla auf Feldzüge,25 feiert ihn als mächtigen Feldhe1111. Properz bleibt zwar in Rom, schreibt aber später auch jubelnde (jedichte über die Feldzüge des Augustus. 26 Er stellt sein Friedensgedicht rn 5 in eine Spannung zur Wirklichkeit durch die Elegie rn 4, indem er den Feldzug des Augustus in den Osten plant und den Römem zuruft: ite et Uomal1ae cOl1suh"te historiae/

27

Er selber will daran keinen Anteil haben, doch verkündet er durch

sein Lied günstige Vorzeichen. Beide (jedichte stehen in einem merkwürdigen (jegensatz zueinander. Hinter welchen ihrer Liedem oder Handlungen verbergen sich die wahren Überzeugungen der Dichter? Muß man hier zwischen den persönlichen Ansichten und der Botschaft als Dichter unterscheiden? In dem (jedichtcorpus der beiden Liebeselegiker stehen die Ablehnung des Krieges und der Preis des kriegetischen Ruhmes nebeneinander. Beides muß den Zeitgeist ausdrücken und macht so deutlich, wie verwi11't das Zeitbewußtsein durch die Bürgerkriege ist - aber auch, daß sich hier offenbar verschiedene Bezüge des Denkens vel111ischen. Vgl. u.a. Prop. I 6,29-30. 11 14,23-28.111 8,29-34. Tih. I 3, vgl. hier Anm.14. zeigt die hesondere Spannung zwischen heiden Polen: Tihull geht mit Messalla auf Feldzüge und hofft. als seine Begleiter ihn zuliicklassen müssen. sie mögen an ihn denken. gleichzeitig wünscht er sich die aurea saeeula zurück. als es noch keine Kriege gah. Die Gegenwart scheint im Vergleich mit ihnen allzu schrecklich zu sein. Das Gedicht macht aher deutlich. daß Tihull an solchen kriegerischen Aktionen teilgenommen hat. Ganz anders zeigt sich Tihull in I 7. wo er den militärischen Ruhm Messallas preist und seinen Anteil daran hat: mJ/! sille me esf fihi parfus 1101ItA\" (V 7). Vgl. dazu D. Levin. War and Peace in Early Roman Elegy. ANRW" 30.1. S. 418-531. hesonders S. 494ft:. der glauht. daß diese offensichtlichen Widersprüche in den Aussagen T ihulls nicht definitiv erklärt werden können. y; Vgl. u. a. Prop. " 10. IV 4, 11: afque uhi mille ferris dieullfur iura suhacfis. IV 6 zu Actium. VV 75ft" zu

:l4

21

~!lderen Siegen.

. . . . . . . - Prop. 111 4,10. G. Bmder. ehenda. verweIst auf das subtIle ZusammenspIel der ElegIen 111 3. 1114 und 111 5..•ein sehr geschicktes Spiel. in das sich häufig ironische Töne mischen. das aher hei aller Eindeutigkeit der Haltung des Elegikers gepräb>t ist von Amhivalenzen. die den offenen Afti'ont vermeiden und auch einern Augustus und Maecenas die Chance lassen. das Talerlt des Künstler's Properz anzuerkennen und ihn weiter als den zu akzeptieren. der ..in den Kreis seiner Dichtung zuliickkehrt" (vgl. Prop. III 2,1: earmillis

293 Horaz zeigt gleich zu Beginn, daß der ersehnte Frieden auch den Klieg mit 28 einschließt. Er fordert schon in den E]X)den Feldzüge zunächst von den Römem 29 allgemein und dann stets von Octavian/Augustus. Vergil preist Octavian/Augustus als Feldhe1111 und das eigene otium in den letzen Versen des vie11en Buches der (jeorgica. Auch er bezieht also den Krieg in sein eigenes otium mit ein. Und auch die folgende (jeneration, nämlich der erst 43 v. ChI'. geborene Ovid, stimmt in den Ruf und in das Preisen der erfolgreichen Feldzüge mit ein.

3o

Wie kann man diesen Wunsch, ja die

Sehnsucht nach Frieden mit dem Kriegsgeschrei der Dichter vereinbaren? Horaz will mit den Feldzügen gegen äußere Feinde die überschüssigen Kräfte, die innen gegeneinander toben, bereits in den frühen Epoden ausgleichen. Wen aber sieht er als mögliche (jegner? Wie aus einem Katalog wiederholt er immer wieder dieselben, Britannier, (jallier, (jel111anen, Parther, Spanier,31 meistens die (jegner Caesars. Horaz ruft nach Klieg, um den Frieden innen zu wahren, und sucht dabei oftmals (jegner, die erst mit dem Zusammenbruch der Republik in das Interesse rücken. Wie die genannten (jegner, so scheint sich auch sein Denken aus der Zeit der späten römischen Republik, aus den Kliegen der Militärpotentaten, zu erklären. Trotzdem ist es nicht leicht, das Kriegsgeschrei der Dichter mit ihrer Sehnsucht nach Flieden zu vereinbaren. Offenbar nehmen sie hier Züge des Zeitbewußtseins auf, die gemischt sind aus der positiven Bewertung des Krieges während der gesamten Republik und (jedanken, die uns vor allem in der Zeit der Militällhltentaten entgegentreten. Diese stehen entweder neben der SeImsucht nach Frieden oder werden sogar, wie bei Horaz, als ihre Lösung betrachtet.

Wie aber stellen sich die Zeitgenossen den Frieden konkret vor? Nach den utopischen Vorstellungen während der Bürgerkriege finden Vergil und Horaz nach Actium zu einem festen Bild des Fliedens, das an den Princeps gebunden ist. In ihm wird das zur Zeit der Bürgerkriege noch ineale Bild des (joldenen Zeitalters real. 32

lIosfri redeamus ill orhem). zur Lieheselegie und nichts SOllSt." Binder nimmt nicht an. daß Properz wirklich einen ..Trihut an die Rom- und AUb'Ustus-ldeologie" leistet. S.146. 2, Ero d. Vll 7, 3-10. Vgl. c. 1 2,51-52. K. E. Laage. ehenda. hetont. daß Horaz hier ganz im Unterschied zu Vergil gerade zu Beginn des Friedens nach den Bürgerkriegen den Rachekampf gegen die Parther fordert. während Vergil hereits in den Georgica von der Unterwerfung der Parther spricht. S. 70. Laage stellt vor Augen. daß für Vergil gleich nach Actium der Frieden eingetroffen sei. für Horaz erst nach 20 v. Chr.. S. 169ft: 29 Vgl. Hol". epcxl. VB. c. 1 2T, c. 112, c. 111 14 111 V~l. u.a. Ov. met. 15. 820-834. fast. 1. 711_722. fast. 5. 556-558. trist. 2.169-178. fast. 2. 684. ~ :0: I Vgl.u.a. Hor.c.135,9-I2.c.1116.13-16.c.121, 15-16.c.1115,3-4.c.IV 14,41-52, c.1V5,25-28. ,- Verg. Aen. VI 7921:: Au;:;uSfus Caesar aurm milde! / saecula.

294

Schon in der 1. Ecloge Vergils zeigt sich, daß die Rettung bei einem einzelnen liegen muß. Am deutlichsten wird diese Vorstellung von dem nun e11'ungenen Ftieden in der Aeneis. Vergil schildert den Zustand, in dem sich die römische (jeschichte erHalt, in der letzten Szene der Schildbeschreibung:

at Caesar, triplici il1uectus Romal1a triumpho moel1ia. dis [talis uotum immortale sacrahat. maxima ter cel1tum totam de1uhra per urhem. laetitia ludisque uiae plausuque fremehal1t; oml1ihus il1 templis matrum chonls, omnihus arae; al1te aras teJTam caesi .\"trauere iuuel1ci. ipse sedel1s l1iueo candentis limine Phoehi dmw recogl1oscit populorum aptatque superhis postihus; il1cedul1t uictae IOl1ge ordil1e gelltes. quam uariae lil1guis, hahitu tarn uestis et amJis. hic Nomadum genus et discil1ctos Mulciher Afros. hic Le1egas Carasque sagittzjerosque Gelolles jil1xerat; Euphrates ihat iam mol!ior ul1dis. extremique homil1um Moril1i, Rhel1usque hicorl1is. il1domitz'que Dahae, et pOl1tem il1digl1atus Araxes. 33

715

720

725

Augustus stellt den Urheber des Friedens dar. Er selbst aber sitzt auf der Schwelle von Apollos Tempel. Den Mittelpunkt der Szene bildet der Tempel des Apollo; er ist das Zentrum dieser Vorstellung vom Frieden. Der innere Ftieden wird durch die wiederhergestellten Kulte und Heiligtümer der (jottheiten ausgedrückt, mehr Raum aber nimmt der Frieden nach außen ein: Die Schilderung beginnt mit den Ttiumphen des Augustus und endet damit, daß alle Völker, alle Länder und Flüsse unterworfen sind. Frieden bedeutet hier den Sieg und die anschließende Befriedung weit entfemter Völker;34 Frieden und Krieg stellen kein Spannungsverhältnis dar, vielmehr trägt der draußen erzwungene Friede auch den inneren Frieden.

11 Verg. VIII714-72S. 14 P. R. Hardie. Virgirs Aeneid. Cosmos and Imperium. Oxfordl986. zeigt. daß Vergil wie Homer in seiner Schildheschreihung zwei Städte zei!o>t. Rom im Krieg - hei Actium - und Rom im Frieden. Den .,war-peace contrast" sieht er datiiher hinaus in der Darstellung Apolls ausgedrückt: In der Schlachtszene ist Apoll der rächende Gott mit dem Bogen. in der Friedensszene der Gott mit der Kithara. S. 358ft'. Auch in dem von Octavian erhauten Apollo-Tempel auf dem Palatin konnte man verschiedene Statuen des Gottes sehen. mit Bogen oder mit der Kithara.

295

Doch der (jedanke von dem Sieg und der He11'schaft über die Völker tritt uns bei Vergil nicht erst in der Aeneis und damit nicht erst nach Actium entgegen. Schon in der 4. Ecloge spticht er davon, daß der Knabe mit den väterlichen Tugenden den befriedeten Erdkreis lenken wird: pacatumque reget patn'is virtutihus orhem. 35 Wen auch immer Vergil hier meint, auch wenn er das zukünftige Zeitalter in dem Knaben sieht, so spricht er doch bereits von der römischen He11'schaft in einer Fonn, die wir erst kurz vor Ende der Republik kennenlemen (s.o.).

Auch Horaz schildet1 in C. IV

15,

also in einem (jedicht nach dem Säkularfest,

einen Ftieden, der auf der einen Seite auf der Wiederherstellung der Sitten und der alten Künste beruht, auf der anderen Seite aber durch die Beftiedung der ganzen Welt gekennzeichnet ist. Wenn Augustus die Welt behütet, gibt es keinen Bürgerkrieg, weder in Rom, noch in anderen Städten (Plural!), und keinen Widerspruch gegen diejulisehen Edikte von fremden Völke111.

Vergil zeigt in seiner Aeneis aber auch den Zwiespalt auf, der im Bewußtsein der Römer zwischen Ftieden in Rom auf der einen Seite und Frieden allgemein auf der anderen Seite liegt:

In der Heldenschau läßt Vergil Anchises seinem Nachkommen zurufen, er solle den (jegner schonen, die Waffen aus der Hand fallen lassen 36 und so die zukünftigen Bürgerkriege beenden -, nur um dann wenige Verse später denselben die berühmten Worte sprechen zu lassen:

tu regere imperio populos, Romane, memento (hae tihz" erunt artes) pacique imponere morern. parcere suhiectis et dehellare superhos. 37

Wie unterscheiden sich diese beiden Verse, obwohl sie doch so dicht aufeinander folgen! Und doch meint Vergil hier ganz verschiedene Situationen, in der ersten den Bürgerktieg, in der folgenden den Krieg gegen äußere Feinde. Es gibt nichts Schrecklicheres als den Bürgerkrieg, doch die Behe11'schung der Welt ist die Aufgabe 11 EcI. 4. 17. 1(' Aen. VIS35: proice fela mmw. sallRuis meus;' Vgl. S. 220f und S. 283f

296

des Römers. Ähnlich wie Cicero - dieser hatte vor allem von leges und iudicia gesprochen - verbindet er den gebrachten Frieden mit der Weitergabe des römischen mos. Vergil zeigt hier den ganzen Zwiespalt im Denken aur.

38

Frieden im Bürgerkrieg

muß unter allen Umständen eneicht werden, doch ist nichts Schreckliches am Kampf gegen aufbegehrende Feinde. Frieden, der den Bürgerkrieg beendet, und Ftieden, der dem Krieg folgt, sind unterschiedliche Dinge im Zeitbewußtsein; sie haben nichts miteinander gemein.

Schon bei Horaz und Vergil deutet sich an, was

in der Einstellung zum Krieg

zentral werden wird: Die Kriege sind weit entfemt. In Rom, in Italien hen'scht tiefer Frieden. Man kann das otium genießen. Krieg wird an den Rändem des Impetium geruhrt, in den (jrenzgebieten der Provinzen. So wird Krieg als Aufbruch in weit entfemte (jegenden erlebt. Doch es ist nicht nur eine geographische Entfemung vom Kriegsschauplatz. Auch innerlich entfemt sich der Dichter immer mehr von ihm. 1m Schoß der puella liegend, wollen die Dichter den Ttiumphzug der zurückkehrenden Legionen betrachten. 39 Krieg ist nicht mehr Teil des Lebens eines jeden einzelnen Römers, rur ihn gibt es Spezialisten. Die Sorge darur trägt aber nur ein einzelner. So fordet1 Horaz in c.

rn 8 Maecenas

auf, von den emsten Dingen des Lebens, den civilis

curas, zu lassen, denn außen henscht Frieden: Weder Dacer oder Meder, noch Spanier

oder Scythe stellen eine (jefahr dar. 4o Und so kann Vergil als Dichter das otium genießen und dichten, während Octavian/Augustus als siegreicher Feldhen weit entfemt am Euphrat Völker niederwirft und ihnen (jesetze gibt. 41 Die Siege des Ptinceps schaffen die Voraussetzungen rur die Dichtung, doch sie sind geographisch und

Aen. VI 851-S53. Für D. Fowler. Opening the Gates ofWar. Aeneid 7.601-40. in: H.-P. Stahl (ed.). Vergirs Aeneid. Augustan Epic and political context. S. 155-174. stellt diese Szene einen hesonderen Zwiespalt dar. Denn .,To he a Roman istto he a son ofMars. a soldier. and this is not consistent with universal peace.'. S.165. Er ti"agt sich. wie hei solchen Charakterzügen des Römers dann das Schließen der lanustore derartig ~eloht werden kann. - Dies erklärt sich aher wohl aus dem neuen Zeithewußtsein. vgl. S. 302n: ,9 Vgl. Properz 111 4, 22: me sal eril Sacra plaudere posse Via. Horaz schildert ehen falls in c. 111 14. wie er als Zuschauer die Heimkehr des Au!o'Ustus erleht. Verweist er auch auf sein Alter. so ist doch klar. daß die Voraussetzungen sich verändert hahen: Horaz hetrachtet die Feldzüge als Außenstehender. 411 C. 111 8, 17-28: mille civilis super urhe curas: occ!dil Dac! Colisollis aRmell. Medus illjeslus sihi lucfumis / dissidef armis. servil Hi.lpallae vefus lwsfis orae Call1aher, sera domilus calella, / tarn Scylhae laxo medilalllur arcu cedere campis lIeRIeRells, lIe qua J!opulus lahord / parce primlus lIimium cavere ef / dOlla praesellfis cape ladus Iwrae, / lillque severa 41 Georg. IV 559-566. 1ii

297

innerlich weit entfemt vom Dichter. 42 Horaz macht 20 v. ChI'. deutlich, wie man sich nun die Lage vorstellt: Ne tamen ignores, quo sit Uomana loco res:

ius imperiumque

Phraates / Caesaris accepit genihus minor; aurea fruges / Italiae ple/1o defodit Copia coT/1u.

43

Der Krieg ist weit weg und siegreich durch den Ptinceps beendet, in Rom und

Halien he11'schen Ruhe, Sicherheit und Wohlstand. Er bedeutet rur den Römer nicht mehr dasselbe wie vor den Bürgerkriegen. Er ist nicht mehr unmittelbarer Teil seines alltäglichen Lebens.

Octavian selbst hat bereits 36 v. ChI'. das Ende der Bürgerktiege verkündet. Um ihn zu ehren, wurde eine Reiterstatue mit der Aufschtift, er habe den Frieden zu Wasser und zu Lande wiederhergestellt, en'ichtet;44 der Kampf gegen Antonius und Cleopatra wurde als Ktieg gegen äußere Feinde dargestellt. 45 Am 11. Januar 29 v. ChI'. beschließt der Senat ihm zu Ehren, den Torbogen des Tanus zu schließen, obwohl kleinere Kämpfe in Spanien, am Mittelrhein oder in Ägypten noch andauem - in diesem Moment feiert man also das Ende der Bürgerkriege. 46 Schon bald zeigt sich in der Dichtung, wie Octavian aus dem Bürgerkriegsgeschehen herausgehoben wird, obwohl er einer der Protagonisten war, nun keinen Anteil mehr an den Schrecken des Bruderkampfes hat. Er wird zum von den (jöttem geschickten Retter. Dieser (jedanke entwickelt sich weiter bis hin zu der

Diese Entfernung vergrößelt sich immer mehr. T. Cornel1. The end of Roman imperialism. in: War and Society in the Roman World. S.139-170. hemerkt. wobei er sich vor allem auf die Zeit von Plinius hezieht. daß ., ... the educated c1asses ofthe empire had no experience ofwar .. For most Roman aristocrats war was something to be read ahout in hooks .. ". S.166. 41 Epist. I 12,25-29. 44 Vgl. App. civ. 5.130: Auf diese Inschrift hezieht sich wohl Horaz in Erod. 9. 27. wo er auch in bezug auf den nicht mit Namen genannten Antonius sagt: terra marique vicfus lwsfis. 41 Octavian giht Münzernissionen in der Zeit vor oder nach Actium heraus. auf deren Vorderseite man die Göttin Pax mit Füllhorn und Lorbeer sieht; auf der Rückseite steht er seihst als Feldherr im Gestus der Ansprache an das Heer. Dazu gehören zwei weitere Münzen mit der Darstellung der Venus Genetrix und der Victoria. sowie eine weitere Serie von Münzen. auf deren Vorderseite das Protil Octavians. auf der Rückseite die drei Göttinnen in ganzer Gestalt ahgehildet sind. P. Zanker. Augustus und die Macht der Bilder. interpretiert die sechs Münzen und ihre Aussage so: .,Legt man die drei Münzen mit den Göttinnen und ihre Pendants nebeneinander. so kann man sie in programmatischer Ahfolge lesen: Octavian wendet sich vor der Schlacht im Gestus der adlocufio an Heer und Gefolgschaft: Ziel des Kampfes ist wie immer der Frieden.. ". S. 61. D. Mannsperger. Die Münzprägung des AUb'Ustus. in: Saeculum Augustum 111. hrsg. v. G. Binder. Darmstadtl99l. S. 348-399. sieht durch das Bild der Pax-Münzen Octavian als .,den vorn Krieg zuliickkehrenden Friedenshringer" dargestellt. da er nur im ledernen Untergewand mit Paludamentum. aher ohne den metallenen Bmstpanzer auf der Rückseite auftritt. S. 364t: Galinsky. Augustan Culture. S. 62. datiert die Münze auf 29 v. Chr. Mannsperger und Zanker auf die Zeit kurz vor Actium. Aber nur eine Münze aus dem Jahre 28 v. Chr. aus dem kleinasiatischen Raum trägt auch die Legende par. Auf der Vorderseite kann man Octavian mit der Umschrift Lihertatis populi Romani Vil1dex sehen. Pax aher steht auf einem Schwert und ist mit einem Lor'heerkranz umgehen. Betrachtet man also die Münzprägung des Augustus. so ist hier stets Frieden mit Krieg verhunden. 4(' Vgl. J. Bleicken. Augustus. S. 300t: 42

298

Vorstellung, er habe die Waffen als Sieger verborgen, das bedeutet: das Ende der Kämpfe herbeigeHihrt. 48

Bewahrer

47

Sein Wirken als Friedens bringer und dann als dessen

wird immer stärker betont. Wie aber sieht er sich selber oder vielmehr, wie

stellt er sich selber dar?

Augustus stellt in seinen Res (jestae gerade seine militärischen Erfolge Hir den Staat heraus. 49 Er betont, daß der Tempel des Tanus, der nur zu Friedenszeiten geschlossen wird, vor ihm nur zweimal, während seines Principats aber dreimal geschlossen wurde nämlich 29 v. ehr., 25 v. ehr., den dritten Zeitpunkt können wir nicht genau datieren. 5o An dieser Stelle wird hinter all den militärischen Erfolgen die Bedeutung des Fliedens deutlich. Augustus nimmt nicht nur einen sehr alten Brauch wieder auf; er reagie11 damit auch auf eine veränderte Bewußtseinslage. Für die Zeitgenossen muß dieser Brauch an Bedeutung gewonnen haben, das bedeutet, das Bedürfnis der Bevölkerung nach Frieden hat sich gesteige11. Wie wichtig die Zeremonie geworden war, zeigt das Jahr 25 v. ehr., als Augustus, heimgekehrt aus Spanien, das Tor des Tanusbogens schließen ließ, obwohl sich in Nordwestspanien bereits wieder Auf."ltände erhoben. Der militärische Erfolg, das bedeutet aber vor allem auch der ihm folgende Friede, muß unter allen Umständen beschworen werden. 51 Augustus stellt also seine militärischen Erfolge heraus, betont aber vor allem den Frieden, den er durch seine Siege erwirkt hat.

Augustus ist in der Dichtung wie auch in seinen Handlungen und seiner Selbstdarstellung

4'

stets

mit

Frieden

und/oder

mit

Krieg

verbunden. 52

Tn

Vgl. Prop. 11 16,41 4 2, vgl. dazu S. 271L und Verg. Aen. VI 835, vgl. dazu S. 220fT". und 283f

4, Vgl. u. a. Hol". c. IV 15. Dies hetont vor allem E. S. Gmen, Augustus and the Ideologie of War and Peace, S. 54f .,The Res Gestae pi aces emphasis not on peace hut on pacif1cation." Er sucht. deutl ich zu machen, daß Augustus mit seiner Darstellung des Friedens durch militärische Erfolge in der Tradition der Repuhlik steht. giht allerdings nur Belege aus der Zeit nach der Ermordung Caesars, vgl. S. 54 Anm.14. 111 RG 13: lallum Quirillum. quem cIausum esse maiores IImfri voluenlllf. cum per fofum imperium populi

49

Romalli ferra marique esset parfa vicforiis pax. cum prius quam lIascerer a cOlldifa urhe his omllillo cIausumjilisse prodafur memoriae. fer me pri/l(~ipe sellafus cIaudelldum esse cellsuif

Vgl. J. Bleicken, AUb'Ustus: .,Erneut ließ der geschickte Organisator der öffentlichen Meinung das Tor des Janus-Bogens schließen, so als oh der Feldzug der Welt wieder Frieden und ihm seihst Sieg und Ruhm gehracht hätte. Pax und Victoria wurden zu Begriffen der öffentlichen Meinungshildung, die sich in stereotyper Wendung nur noch hedingt auf konkrete Ereignisse hezogen, diese vielmehr in vorgefaßte Bilder hrachten und im gewünschten Sinne verformten.', S. 337. Vgl. zu dem Partherfeldzug und der Seihstdarstellung des Augustus, die auf ähnlichen Voraussetzungen heruhen, vgl. P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, S.188ff l2 A. Wallace-HadrilL AUb'Ustan Rome, spricht von .,the Propertian attempt to isolate Caesar in his war ZOlle' , S. 66. E. S. Gruen, Augustus and the Ideologie of War and Peace, wirft die Frage auf. warum 11

299

Octavian/Augustus vereinigen sich so zwei Rollenbilder: Auf der einen Seite das des Fe1dherm der Republik,53 der Ruhm durch Feldzüge gewinnt, und gleichzeitig, in seiner

übersteiget1en Fonn, unbewußt als Militärpotentat der späten Republik,54 der durch außenpolitische Siege innen]X)litisch Macht eningt. Ihn finden wir d011, wo wir die Dichter Augustus zu Feldzügen und Kriegen rufen sehen. 55 In der langen Reihe der erfolgreichen Feldhe11'en der Republik stellt er den Höhepunkt dar, und die Aufgabe bleibt bestehen, auch die möglichen Nachfolger des Augustus müssen sich auf Feldzügen - unter den Auspizien des Princeps - Ruhm etwerben. Deshalb loben die Dichter die Feldzüge und preisen die Siege des Augustus, weil das militärische Ethos noch immer Teil des Zeitbewußtseins geblieben ist. Augustus monopolisiert dabei die Ideale der virtus und der gloria ganz bei sich. Den Pril1ceps können wir auf der anderen Seite dort erkennen, wo bereits der Frieden, das bedeutet aber, der befriedete Erdkreis gefeiert wird, aber auch d011, wo er darur gerühmt wird, daß er die Bürgerktiege beendete: Denn nicht durch einen militärischen Sieg hat er dies vollbracht, sondem dadurch, daß er die Waffen niederlegte oder sie zumindest nach dem Sieg verbarg. Er selber ist kein Teil der Bürgerkriege, sondem scheint von außen als Retter dazuzukommen. Was rur einen Widerspruch im Zeitbewußtsein bedeutet es, den Protagonisten des Bürgerkrieges so darstellen und sehen zu können! Nicht der Bürgerkrieg, der Ftieden hat den Princeps hervorgebracht! Eben das f01111uliert später Augustus sich als .,author and guarantor of pax" darstellen ließ: .,He was in process of fashioning a new regime. hut took care to assert and emphasize ist continuities with the past ... The principal resonances of pax did not recall the Repuhlic. As propaganda to remind Romans ofthe glories ofyesteryear. it would he largely inefl"ective and inappropriate.'. S. 52. "Peace had never been a prominent ideal in the Repuhlic nor a distinctive mark of successfull statesmanship.' . S. 53. Nach der Untersuchung der Zeugnisse der Res Gestae. dichterischer Äußerungen und von Münzen der Ara Pacis u.a. folgert er. daß Au!o'Ustus nicht den Frieden. sondern die Unterwerfung der Welt und die Bewahrung ihrer Ordnung voranstellt: .,The emphasis of his ideologie did not fall upon peace and tranquillity ... Augustus stood as guarantor od a world order - hut one that he had acquired hy force of arms and retained through display of might and authoritv.' . S. n. 11 T. C~rneiL ehenda. sieht die Politik des Au!o'Ustus in diesem Punkt schon fast anachronistisch und von dem Bemühen hestimmt. eine Verhindung zur Repuhlik herzustellen: .,Au!o'Ustus therefore sought to revive the old Repuhlican tradition of continuous war and conquest. even though .... the tradition was hy now long outdated.". S.161. 14 P. A. Brunt. Laus lmperii. in: Roman Imperial Themes. OxfordI990. nimmt an. daß ., the imperial ideals of the Augustan age were much the same as those of the late repuhlic.' . S. 288. Er wendet sich damit gegen die Darstellung von H. D. Meyer. Die Außenpolitik des Augustus und die augusteische Dichtung. Kölnl96L der annimmt. Au!o'Ustus hätte mit den repuhlikanischen Traditionen gehrochen und eine defensive Politik hegonnen. vgl. dazu Brunt. ehenda. S. 96ft: 11 Der Panegyrikus Messallae. in dem Messalla als Eroherer Spaniens. Galliens. Lihyens. Ägyptens und Armeniens dargestellt wird. zeigt. daß unhekannte Dichter es opportun fanden. auch andere herausragende Männer in dieser Form zu charakterisieren. E. Fantham. Literarisches Lehen im antiken Rom. fi"agt zu Recht. oh dieses Gedicht. daß in der Qualität seiner Verse nicht an die hier vorgestellten Dichter heranreichen kann. nur für den Hausgehrauch hestimmt und aul.\edlalh unhekannt war. S. 68.

300

Lucan, mit dem Wandel des Begriffs, daß mit dem He1111 dieser Ftieden kam: cum domino pax ista venit. Er hätte auch f01111ulieren können: mit diesem Ftieden kam der

He11'scher.

Was also bedeuten pax - Pax und Krieg fLir den Römer des entstehenden Principats? (jibt es einen Paradigmenwechsel im Zeitbewußtsein? Die Dichter feiem den Frieden, Augustus läßt das doppelte Ianustor mehrfach, öfter als jemals zuvor in der römischen (jeschichte, schließen, und das, weil es seine Zeitgenossen offenbar auch erwarteten; das Säkularfest wird 17 v. ChI'. gefeiert und damit der Beginn einer neuen Zeit, aber auch im Säkulargesang kann der Frieden erst zurückkehren, wenn der Sproß der Venus die Welt unterworfen hat;56 die Ara Pacis wird 9 v. ChI'. geweiht, die kultische Verehrung der (jottheit Pax wird eingerichtet, gleichzeitig beginnen 16 v. ChI'. die Feldzüge und wird das römische Imperium erweitert wie nie zuvor. 57 Augustus fLihrt das (joldene Zeitalter zurück, und doch sind die aurea saecula nun voll von Ktieg: Deren Charakteristikum war doch aber gerade kurz zuvor noch, von Schwertem, Kämpfen, Kriegen frei zu sein! Aber keinem der Zeitgenossen scheint dies bewußt zu werden. Vielmehr wird in ihren Augen der Krieg die Voraussetzung dafLir, daß der Frieden überall hen'scht, Rom wird von der urhs zum orhis. 58 Dazwischen stehen die Ftiedensgedichte Tibulls und Properzens der 20er Jahre und die bleibende Sehnsucht nach Frieden. (jleichzeitig stellt aber Properz Maecenas mit ganz neuen Charakteristika im Vergleich zu Horaz und Vergil dar: Maecenas erhält in einer Zeit, in der er sich in das Ptivatleben zurückzieht und nachdem er vor allem in der Zeit des Bürgerkrieges stets die diplomatischen oder "innen]X)litischen" Aufgaben übemommen hat, die Züge eines erfolgreichen Feldhe1111, auch die eines siegreichen Imperators im Krieg gegen äußere Feinde. Aus dem unktiegerischen, auf Diplomatie bedachten, den Freuden des Lebens hingegebenen Maecenas wird der martialische Imperator. Anfang der 20er Jahre, kurz nach Actium, sucht Horaz ihn zum otium hinüberzuziehen, fordert ihn auf, von den Sorgen fLir den Staat zu lassen. Mitte der 20er Jahre scheint Properz Maecenas mit ganz anderen Augen

Carm. saec. VV 49-60. G. Williams, Phases in Political Patronage, in: B. K. Gold (ed.), Literat)' and Artistic Patronage, S. 327, hemerkt. daß das Thema der Feldzüge auch nach 17 v. Chr. heständig hleiht: .,But afierl7 B.C., the strong impression one gets ist timt the husiness of poets has changed. lt ist now their task to celehrate the solution of all prohlems - the one ever recurring exception heing timt of military conquest of Rome's enemies asthe armies pushed hack the ti"ontiers further and further.' ,S.16. Ov. fast. 2, 684: Romallae spatium es! urhis ef orhis idem

1(' l'

1,

301

zu betrachten. 59 Wodurch wird er zu einer solchen Darstellung veranlaßt? Offenbar haben sich in diesen wenigen Jahren die Wertmäßstäbe, nach denen ein mächtiger Mann bemessen wird, wieder in Richtung Ktieg verschoben, emeut muß man im Kampf gegen Feinde erfolgreich sein,

um

innenpolitisch an Ansehen zu

gewinnen. Diese

Entwicklungslinie verläuft anscheinend neben der bleibenden tiefen Sehnsucht nach Frieden, ohne daß es eine Verbindung zwischen beiden im Bewußtsein der Menschen gibt.

Ein seltsamer Zwiespalt he11'scht im Zeitbewußtsein! Der Bürgerkrieg hat als stetiges, unwandelbares Leitmotiv die Veränderung des Zeitbewußtseins gezeigt. Betrachtet man aber Krieg und Ftieden als Leitmotive, so haben sich beide Begriffe in der Bewußtseinslage der Menschen verändert und neue Züge angenommen. Dabei vel111ischen sich Elemente aus der Republik, aus der Zeit der Militärpotentaten mit neuen des entstehenden Principats. Das Leitmotiv des Friedens schiebt sich durch den Schrecken des Bürgerkrieges kurzfristig in seiner Bedeutung vor den Krieg, um dann mit diesem eine Symbiose einzugehen. So kann der Paradigmenwechsel von dem über Jahrhunderte doch ]X)sitiv besetzten Krieg, der das Ethos der römischen (jeseIlschaft mitbestimmte, bewältigt werden. Der Wandel des Bewußtseins geht von diesen Leitmotiven aus noch weiter: Dichter wie Horaz und Ovid wollen jetzt auch bei Dacem, Scythen, Kolchem, bei den Bewohnem des Rheins , soweit sich Roms Macht erstreckt in besiegten Ländem, bekannt sein. 60 Welcher Römer hätte diesen Wunsch zuvor gehabt? Hier kann man emeut die innere Entfemung des Dichters von Rom erkennen, die sich jetzt jedoch mit dem (jedanken vereinigt, daß Rom das ganze Imperium darstellt. Auch dieser Wunsch der Dichter, hinter dem ein neues Denken steht, tritt erst jetzt hervor. Dem Paradigmenwechsel folgend f01111t sich das Zeitbewußtsein in vielen Bereichen neu.

19

('11

Vgl. S.187tI. besonders S. 199f

H~r. c.

"20, 17-20, Ov. met. 15 . 877-879

303

6.2 Der Bürgerkrieg und die Bewußtseinslage der Zeitgenossen Der (jeschichte kann man sich auf verschiedenen Wegen nähem: Struktur- und Sozialgeschichte, Biographien oder die Betrachtung reiner Handlungsabläufe, Kulturoder (jeistesgeschichte, sowie die Untersuchung der Mentalität einer Zeit, - alle P011nen erschließen uns Teile desselben Bereichs. In der (jeschichte reihen sich zunächst Pakten und Ereignisse aneinander. Doch dahinter steht fast noch kraftvoller, wie die Zeitgenossen diese wahrgenommen haben, wie sie in dem Bewußtsein von ihrer Zeit darauf reagiert haben. Wie wird ein Paktum aufgenommen, wie wird es interpretiert, welche Bedeutung hat es rur die Menschen? Aus der gegenwärtigen Bewußtseinslage f011nt sich ein Zeitbewußtsein oder, spezieller, das politische Bewußtsein, dahinter tritt dann oft der he11'schende Zeitgeist hervor. Jeder Begriff umfaßt verschiedene Aspekte des Bewußtseins des Zeitgenossen von sich selbst, von seiner Umwelt, nicht zuletzt von dem Staat und dem staatlichen Zusammenleben. Dieses Zeit bewußtsein scheint am besten dort zu fassen zu sein, wo es einen extremen Umbruch gibt. Alfred Heuß hat, von der Literatur der Kaiserzeit ausgehend, in seiner Römischen (jeschichte eine sogenannte (jeistesgeschichte gefordert, die seiner Ansicht nach zu einem wesentlichen Teil in den Horizont der allgemeinen (jeschichte hineinragt: "So ist vor allem die Veränderung der Denk- und (jlaubenshaltung, wie sie sich in den ersten Jahrhundertenn. ChI'. vollzieht, von höchster historischer Relevanz

und

auch im Besitz der mannigfachsten

Berührungspunkte mit der politischen (jeschichte, wie dies in der Darstellung, vor allem hinsichtlich des Christentums, zum Ausdruck kommen sollte.,,1

Heuß hält also

besonders durch die Untersuchung der geände11en Denkstrukturen bei der Etablierung des Christentums als Staatsreligion, aber auch als (jrundlage des Denkens eine solche (jeistesgeschichte oder

- mit einem anderen, wie Heuß den Begliff gebraucht,

I A. Heul\. Römische Geschichte. S. 578. Vgl. dazu den Forschungsüherhlick von W. Dahlheim in der Neuauflage der Römischen Geschichte S. 654ft: Er lenkt die Aufmerksamkeit darauf: daß ein Teil der Alten Geschichte nun den Anschluß an die von der französischen Forschung inspirielte Mentalitätsgeschichte ( .•Schule der Annales") sucht. am weitesten fOltgeschritten aher die archäologische Forschung sei. Er verweist dazu auf P. Zanker. Pompeji. Stadthilder und Wohngeschmack. Mainzl995. Nennen muß man auch die hekanntere Arheit Zankers. Augustus und die Macht der Bilder. und neuerdings M. R. Alföldy. Bild und Bildersprache der römischen Kaiser. Mainzl999. Einen Versuch in diese Richtung - cxler eher schon wieder in Richtung Geistesgeschichte - stellt Th. Hahinek/A. Schiesaro (eds.). The Roman Cultural Revolution. Camhridgel997. dar. wo die sogenannte römische Revolution als .• cultural phenomenon" verstanden. also die Kultur (.,Aub'Ustan Cultural Revolution") in den Mittelpunkt hei speziellen Einzeluntersuchungen gesetzt wird. wie sich die Repuhlik zum Principat wandelte.

304

zumindest verwandten Begriff - Mentalitätsgeschichte rur möglich. 2 Denn hier ergibt sich nicht nur die Frage, was die Menschen im beginnenden Christentum denken, sondem auch, wie sie denken. So kann man fragen, wie die römische Tradition im Christentum assimiliert oder umgefonnt wird. Nimmt ein Staat eine andere Religion an, so muß man auf umwälzende Veränderungen gerade in der Bewußtseinslage der Zeitgenossen schließen.

Dort wo es einen Umbruch im staatlichen Zusammenleben gibt und wo man deshalb zwingend auch einen Umbruch im Denken, im Zeitbewußl"lein also, voraussetzen muß, kann man am ehesten mentalitätsgeschichtliche Betrachtungen anstellen. Denn der Wandel wesentlicher ]X)litischer (jrundüberzeugungen oder die Umwälzung von (jlaubensvorstellungen bringt auch ein neues Denken mit sich oder setzt vielmehr dieses neue Denken voraus. Es stellt sich hier also die Frage, wie die Zeitgenossen jetzt denken, vor allem, wie sie jetzt denken können. welche neuen Vorstellungen und Reaktionen auf die Ereignisse der Zeitgeschichte deutlich werden, welche Veränderungen es gibt und wo sie liegen.

Einen solchen völligen Umbruch im Denken stellen aber auch die römischen Bürgerkliege in den Jahren 49 - 30

V.

ChI'. dar. Denn an ihrem Anfang steht die im

Bewußtsein der Menschen seit Jahrhunde11en unerschütterlich gültige, neben sich nichts duldende res puhlica und an ihrem Ende die von allen als solche wahrgenommene Monarchie unter dem Namen des Plincipats. (jerade rur den Römer ist dieser Wandel zu einer neuen Staatsf01111, der Abbruch seines vorher gültigen Denkens angesichts der so Mentalitätsgeschichte heschränkt sich hisher zumeist auf die neue Geschichte, auf ihr Herkommen aus dem christlichen Mittelalter. P. Burke, Stärken und Schwächen der Mentalitätsgeschichte, in: U. Raulff (Hrsg.), Mental itäten-Geschichte, Ber! in 1989, S.127 -145, setzt die Mental itätsgeschichte gerade von der .,traditionellen deutschen Geistesgeschichte" ah und stellt folgende Charakteristika der Mentalitätsgeschichte heraus: die Betonung der kollektiven anstatt der individuellen Einstellung; der Nachdruck auf unhewußte oder unausgesprochene Annahmen, also auch auf das Alltagsdenken; die Untersuchung nicht was, sondern wie die Menschen denken, S.127. K.M. Girardet. .,Traditionalismus in der Politik des OktavianlAugustus - mentalitätsgeschichtliche Aspekte, Klio 75 (1993),202-218, stellt die Frage, was die Mentalitätengeschichte oder Mentalitätsgeschichte im Bereich der Alten Geschichte leisten kann. Er giht einen kurzen Üherhlick über die theoretische Forschung und zeigt auf: daß .,nahezu jeder Autor das Wort auf seine eigene Weise verwendet und daß man in der Literatur weniger Definitionen als Umschreihungen findet", er verweist hesonders auf J. Le Goft Die Rückeroherung des historischen Denkens. Grundlagen der neuen Geschichtswissenschaft, Frankfurt 1990, und P. Burke, The French Historical Revolution: The Armales SchooLI929-1989, Oxford/CamhridgeI990. Girardet ist skeptisch, oh die Mentalitätsgeschichte in der Alten Geschichte eingeführt werden kann, doch hemerkt er letztlich: .,\\'enn sich aher tatsächlich unter Augustus ein Systemwandel zur monarchischen res puhfica vollzogen hat, drängt sich die ... Frage nach einem hegleitenden Mentalitätswandel auf.' , S. 218.

2

305

unverbrüchlich festen Einordnung in die res puhlica en01111. Vor den Bürgerkriegen zwischen den Jahren 49 v. ChI'. und 30 v. ChI'. konnte er sich keine andere Staatsfol1n auch nur vorstellen, nach dem Jahr 30 v. ChI'. nimmt der Zeitgenosse den neuen Principat deutlich wahr - und akzeptiert ihn.

Da über den Bürgerklieg in der Zeit von 49 v. ChI'. bis in die Zeit nach dem Säkularfest ständig reflektiert wird und er über Jahrzehnte immer wieder thematisiert wird, stellt er ein Leitmotiv dar, mit dem man die verschiedenen P011nen des Bewußtseinswandels aufdecken kann. Das Denken im und über den Bürgerkrieg legt die Veränderung des Bewußtseins der Menschen vom Staat und von ihrer Umwelt offen. Latent übt das hellum civile noch immer seinen Einfluß auf die Dichter der (jeneration des Augustus und der wenig Jüngeren aus, als schon längst mit den Säkularspielen ein neu es Zeitalter propagiert wird. Pür jede (jeneration der Zeitgenossen bedeutet diese Veränderung des Denkens, des Bewußtseins vom Staat etwas anderes. Man muß also die Entwicklung der Bewußtseinslage anhand der (jenerationen differenzieren:

Cicero prägt als "Pallbeispiel" unser Bild allein durch die Quellenlage. Kein anderes Individuum erschließt sich uns durch eine solche Quellenlage wie der Consular. Stets schildert er in den Briefen seine (jeHihle, seine Reaktionen auf Ereignisse, nimmt er Stellung zu dem (jeschehen. Er zeigt in seinem ganzen Denken im Jahre 50/49 v. ChI'. den unverbrüchlichen (jlauben an die res puhlica. Er mag zwar schon seit dem Consulat Caesars ständig beklagen, daß die römische Republik zerstört sei, doch velweist er damit auf die nicht funktionierenden Institutionen des Staates. Er meint damit nicht das Ende der Republik. 1m (jegenteil, in seinem Bewußtsein ist nichts anderes, keine andere Staatsf01111 denkbar. Er hat bis zum Jahr 44 v. ChI'. kein Bewußtsein daHir, wieweit die Staatsf01111 schon zerstöl1 ist. Nur Caesar steht seiner Meinung nach vor der Wiederherstellung der res publica. Anfangs hat er sogar geglaubt, daß der Diktator die altell1würdige res puhlica wiederherstellen würde. Doch schon durch die Verschwörer, die den Tyrannen töten, wird ersichtlich, wie zerstört das Verhältnis zum Staat ist. Aufgrund ihrer Tat glauben sie, über dem Consul zu stehen! Haben sie etwa noch irgendein (jeHihl vom Staat? Danach überschlagen sich rasch die Ereignisse und immer deutlicher wird das neue Denken, das neue - fehlende -

Bewußtsein von den

jahrhundertealten mores, von den Einrichtungen, von der res puhlica selbst. Cicero

306

fordert ein eigenmächtiges Handeln von allenl1ohiles, die seiner Ansicht nach Antonius bekämpfen. Die einzelnen l10hiles aber handeln längst eigenmächtig. Sie okkupieren Heere und Provinzen, glauben, selbst die "tichtige" (jesinnung der anderen l10hiles erkennen zu können, treffen Entscheidungen ohne Absprache mit den anderen. (jleichzeitig ruhlen sie sich stets von Rom aus zu wenig in ihren Leistungen gefordert, aber auch ohne eine Entscheidungshilfe in dieser schwierigen Situation allein gelassen. Ihre digl1itas erachten sie rur wichtiger als alles andere. Sie entfemen sich immer mehr von Rom, verabsolutieren die lihertas, bis schließlich Rom rur sie überall dort ist, wo sie ihrer Meinung auch frei sind. Jeder ist nur noch auf sich selbst bedacht. Er verliet1 dabei den Bezug zur (jemeinschaft. Der Höhepunkt ist eneicht, als der neunzehnjährige Octavian durch Kooptation zum Senator gemacht wird! Die Volksversammlung wird zur Seite geschoben, man erhebt noch nicht einmal mehr den Anspruch auf eine zur Schau getragene Regierung des Volkes. Cicero stellt alle Anträge, die der res puhlica widersprechen, um die Republik zu retten, aber er stellt sie damit zur Disposition. Alle l10hiles teilen dieses neue Denken. Cicero ruft die Caesa1111örder zu eigenmächtigem

Handeln auf, doch diese haben längst aus eigenem Antrieb zu Maßnahmen außerhalb jeglicher Legalität gegriffen. Das neue Denken ist allen gemeinsam, doch gleichzeitig trennt es die l10hiles voneinander. Angesichts der henschenden ]X)litischen Zustände zerbricht Ciceros (jlauben an die res puhlica. Selbst bei einem Sieg der Republikaner weiß er schließlich nicht mehr, wie in Zukunft der Staat beschaffen sein wird. Er beklagt nicht mehr, daß einzelne Institutionen nicht funktionieren, er sieht die res puhlica selbst aufgelöst. Vor allem aber ist sein (jlaube an die Republik zerstört, und zum ersten Mal räumt er in einem verzweifelten Ausbruch die Möglichkeit ein, daß eine neue r01111 des Staates - selbst wenn die Republikaner siegen - entstehen könnte. 3 Es ist rur ihn in diesem Moment sogar weitaus wahrscheinlicher, als daß man die res puhlica zurückgewinnen würde.

Die Voraussetzung rur die Etablierung der neuen Staatsfo1111, des Principats, ist die Dezimierung der Consulare. Immer weniger Consulare versammeln sich, Cicero steht schließlich mit diesem Rang allein da. (janze Jahrgänge fallen aus, die so das Denken, das Bewußtsein vom Staat nicht weitergeben können. Der TraditionsOuß ist unterbrochen. Doch damit einher geht die Veränderung des politischen Bewußtseins, die 1

V gl. ad Brutuml.15.1 O.

307

auch Cicero deutlich in seinem Denken und Handeln gegenüber dem Staat zeigt. Denn worauf hatte zuvor die res puhlica beruht? - auf den Absprachen in den Häusem der nobiles, auf der Kommunikation unter ihnen. Diese Kommunikation zerbricht durch die geringe Anzahl der Consulare, aber auch dadurch, daß die l1ohiles, die vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges und auch danach noch ohne Schwierigkeiten miteinander kommunizie11 haben, die sogar als politische Freunde gelten können, einander spätestens im Jahr 43 v. ChI'. nicht mehr verstehen. Sehr deutlich wird dies in dem Verhältnis zwischen Cicero und C. Fumius. Doch kaum weniger klar tritt es in den (jedankengängen des M. Brutus hervor, der weder das Denken des älteren Cicero nachvollziehen, noch irgendeine gemeinsame Basis mit dem jüngeren Octavian finden kann. Die Kommunikation zwischen den (jenerationen, aber auch zwischen den einzelnenl10hiles ist zerstört.

Jeder l10hilis denkt also nun anders als vor dem Ausbruch des Bürgerklieges im Jahr 49 v. ChI'. Für den 106 v. ChI'. geborenen Cicero - der uns doch eigentlich als der Vertreter der res puhlica in dieser Zeit erscheint - bedeutet dies aufgrund seines Lebensalters schon einen Verlust des politischen Bewußtseins, rur die nächst folgende (jeneration, der auch die beiden Bruti und Cassius angehören, einen Wandel ihres politischen Bewußtseins. Sie haben zwar die alte res puhlica noch als Kinder und junge Männer erlebt, doch der größere Teil ihrer politischen Tätigkeit liegt bereits in der Diktatur Caesars.

Octavian aber - er ist 63 v. ChI'. geboren - hat bei seinem ersten Auftreten nur das exemplum seines Adoptivvaters vor Augen. Wegen seiner Jugend kann er keine

Beziehung zum Regelwerk der Republik entwickelt haben, er kann sie nicht - wie jahrhunde11elang zuvor - durch Erfahrung lemen. Er ist ganz offen rur das neue Denken, das sich während des Bürgerklieges herausgebildet hat. Er zeigt ein noch "unbesetztes" politisches Bewußtsein: Seine (jeneration konnte die Einrichtungen, die Regeln und das Denken der Republik nicht mehr durch eigene Anschauung lemen. Wer von den Älteren kann ihr noch einen Bezug zur Republik vel111itteln? Die (jeneration Octavians muß selbst rational oder auch unbewußt entscheiden, was sie annehmen will.

308

Der Wandel des Bewußtseins verläuft fließend zwischen den (jenerationen, doch von (jeneration zu (jeneration wird die Distanz zur Republik selbstverständlicher. Selbst wenige Lebensjahre können einen Unterschied

in der Bewußtseinslage

hervo11"ufen.

Innerhalb weniger Jahre kann man Entwicklungen und Veränderungen im Zeit bewußtsein erkennen. Neue Charaktetistika der allgemeinen Bewußtseinslage treten hervor, die sich bald wieder mit anderen verbinden oder zurücktreten. Durch die Betrachtung der einzelnen Reaktionen auf den tobenden, den noch andauemden oder den

bereits

beendeten

Bewußtseinslage

der

Bürgerktieg (jeneration

lassen

sich

erfassen,

die

Facetten

der

gleichaltrig

mit

verschiedene ungehihr

Octavian/Augustus ist. In vielen (jedichtennehmen Vergil, Horaz und Properz immer wieder Stellung zum Bürgerkrieg. Wie entwickelt sich also dieses unbesetzte Bewußtsein vom Staat, von der (jemeinschaft der Bürger in den Jahren nach Philippi? Hier sollen nicht noch einmal alle einzelnen untersuchten Züge des Zeitbewußtseins aufgezählt, sondemnur ein kurzer Überblick gegeben werden:

Nach Philippi, nachdem feststeht, daß die Republik untergegangen ist, - das ist auch dem Zeitgenossen klar, sonst würde Vergil in den (jeorgica Philippi nicht so herausstellen - finden wir in der Dichtung die übergroße Sehnsucht nach Frieden - das ist das dringendste Anliegen. Das Konzept der aurea saecula tritt - aus dem (jriechischen übemommen und mit spezifischen römischen Charakteristika ausgestattet - in dem Bewußtsein der Zeitgenossen hervor. Man ersehnt eine apolitische Idylle, ein otium, fem vom Krieg und sieht sogar als letzte Möglichkeit die Flucht aus Rom. Selbst

in der Begründung des Bruderkampfes weicht man in den Mythos aus. Vergil zeigt ohne eine weitere Schuldzuweisung - den Zom des Hirten auf den Soldaten, der ihm das Land wegnimmt, aber auch das (jlück des einzelnen, der durch einen Mann gerettet worden ist, Horaz gibt allen Römem, die durch das Verbrechen des Brude11110rdes am Anfang der römischen (jeschichte getrieben werden, die Schuld rur das (jeschehen. Angesichts des so zerstöt1en Staates scheint man sich auf keine feste

1'01111

zu beziehen,

sondem irgend einen Zustand des Friedens herbeizusehnen. Erst langsam - bis in die Zeit lange nach Actium, erst in der Aeneis zu erkennen - rullt sich die Konzeption der aurea saecula bei Vergilmit den Charakteristika einer Staatsfo1111.

309

In den zeitlich nächstfolgenden Satiren und Epoden, die in den Jahren des Bürgerkrieges entstehen, sehen wir die Hinwendung zu philosophischen Fragen, die Etinnerung an Philippi, vor allem aber, daß Maecenas und Octavian nicht als Protagonisten des Bürgerkrieges gezeigt werden. Octavian gewinnt nur langsam in der Dichtung an Bedeutung. Doch man sieht Horaz in den Epoden 4, 1 und 9, sowie in sat. Tl 2 schon ganz auf der Seite einer Bürgerkriegspm1ei stehen. Sat. 1 7 gibt zu erkennen, wie schwer es rur den Zeitgenossen ist, den einzelnen Protagonisten des hel1um civile auch nur ihre Amtsbezeichnungen zuzuordnen. Wichtig ist auch, daß man sich in der Dichtung an die Zeit von Philippi erinnert. (jleichzeitig zeigt Horaz stets (sat. 1 9, sat. Tl 6, epod. 4) die Zerstörung der civitas auf, die sich nun an un]X)litischen Männem im (jefolge der mächtigen Männer zu Olientieren beginnt. Die Bürgerschaft ist in ihrer (jrundstruktur aufgelöst und besitzt zuerst keinen festen Bezugspunkt rur ihr ]X)litisches Bewußtsein. Dennoch tritt in allen (jedichten dieses Bewußtsein klar hervor, ist aber noch aufdem Wege, sich emeut eine feste Basis zu schaffen.

Vergil ist auch nach Actium so sehr von den Bürgerkriegswin"en geprägt, daß er den Kämpfen in seinen beiden folgenden großen Werken eine entscheidende Rolle zumißt. Die Aeneis stellt an allen zentralen Stellen den Schrecken vor dem Bürgerkrieg heraus, aber auch der Krieg an sich ist ein (jrund zur Furcht.

Properz, der erst nach Actium seine (jedichte veröffentlicht, zeigt einenneuen Zug des Zeitbewußtseins, der nun im Frieden hervortritt: Man konzenhiert sich jetzt auf sich selbst, man stellt das eigene Teh in das Zentrum des Denkens. Der tobende Bürgerkrieg hat zuvor Vergil und Horaz noch dazu gebracht, sich an die (jemeinschaft der Römer zu wenden, sich als Teil zu ruhlen. Aber auch Horaz stellt in den (jedichten, die kurz nach Actium entstehen, die Hinwendung zum otium heraus. Selbst Maecenas soll von den Sorgen um den Staat lassen und die (jegenwart genießen. Nachdem man nach der Zerstörung der Republik in den Jahren nach Philippi eine apolitische Idylle ersehnt hat, so scheint auch jetzt nach Einkehr des Friedens zunächst kein fester Bezug zum Staat vorhanden zu sein.

310

Während der 70 v. ChI'. geborene Vergil auf seiner Wamung vor dem Bürgerkrieg beha11't und diese im Ausruf des Anchises, seine Nachkommenschaft solle als erste den (jegner schonen, die Waffen fallen las.."len, kulminieren läßt - damit meint Vergil den Kampf im Bürgerktieg -, so bleibt zwar auch die Furcht vor einen emeuten hellum civile bei dem 65 v. ChI'. geborenen Horaz stets bestehen. Noch nach der Säkularfeier sieht er eine wichtige Aufgabe des Princeps in dem Schutz der Bürgerschaft vor dem Bürgerkrieg.

Doch

in

seiner

Dichtung

kann

man

zwischen

den

einzelnen

(jedichtbüchem auch erkennen, wie das Thema des Bürgerkrieges zurücktritt, wie man sich immer stärker der Zukunft zuwendet. Und Horaz macht deutlich, daß die jüngere, nachfolgende (jeneration bereits ein ganz anderes Zeitbewußtsein zeigt. Sie mhlt sich nicht mehr fLir den Bürgerkrieg verantwortlich, schuldlos muß sie die Taten der Vorfahren sühnen und dafLir sorgen, daß die alte Zeit vor den Bürgerkriegen zurückkehrt. Der Bürgerkrieg wird also als eine Zäsur betrachtet. Doch wer hat noch eine feste Erinnerung an die Zeit zuvor? So kann die (jeneration Octavians rational annehmen, was in die gegenwärtige Bewußtseinslage zu passen scheint. Die Säkularfeier des Jahres 17 v. ChI'. zeigt, daß sich ein neuer Zeitgeist durchgesetzt hat, wenn auch die (jeneration der Dichter durch den Schrecken des Bürgerkrieges zutiefst geprägt bleibt. (jerade die Jüngeren, ohne einen eigenen Bezug zum Bürgerkrieg, werden nur noch die neue, so golden erscheinende Zeit wahrgenommen haben. So feiert manjetzt den Beginn derneuen- und zugleich alten- (joldenen Zeit.

Auch Properz zeigt, wie der Bürgerkrieg immer mehr zurücktritt, doch er macht um so deutlicher, daß seine Ablehnung des Krieges nie schwinden wird. In der Mitte der 20er Jahre entstehen die Friedensgedichte des Tibull und des Properz. Diese (jedichte, aber auch die Literaturgattung der Liebeselegie an sich ist ein Ausdruck des Bewußtseins, das während, im und kurz nach dem Bürgerkrieg entsteht. Deshalb ist dieser (jattung keine lange Dauer beschieden. Die Sehnsucht nach Ftieden bleibt lange nach Actium übel111ächtig. (j leichzeitig aber hören wir neben dem Preisen des Ftiedens bald die Forderung nach Ktiegen gegen äußere (jegner, sehen wir das Imperium neue, riesige Dimensionen annehmen. Die aurea saecula, die während des Bürgerkrieges herbeigesehnt wurden, haben neue Charaktetistika erhalten. Sie sind nicht mehr apolitisch, sie sind bestimmt von dem (jeben von (jesetzen und durch die He11'schaft über andere Völker, wodurch auch diese in den Vorzug derjulischen Edikte gelangen.

311

Aber auch der Krieg wird langsam zu etwas anderem, er verändert seine Qualität im Denken der Menschen. N ur noch einzelne haben an ihm Antei I, rur die meisten anderen ist er weit entfemt. So wichtige Leitmotive im Denken der Menschen wie Krieg und Frieden haben innerhalb dieser Jahre eine große Bedeutungsverschiebung im Bewußtsein der Menschen erfahren. Das Zeitbewußtsein wirkt gespalten, verschiedene Entwicklungslinien stehen ohne Verbindung nebeneinander. Augustus selber trägt dieser Bewußtseinslage Rechnung, indem er der erfolgreiche Feldhe11' der Republik bleibt stets siegt er, auch wenn er die Angelegenheiten wie im Fall der Pat1her diplomatisch löst -, aber auch zum fhedlichen Princeps wird, der immer wieder den Ftieden herbeiruhrt

und

schließlich den Frieden repräsentiert. Seine Aufgabe ist die

Untetwerfung der Welt, aber noch wichtiger ist es, daß er durch (jesetze rur sie sorgt. So btingt der Frieden nach den Bürgerkriegen erst den Princeps hervor.

Erweitert man das Leitmotiv des Bürgerkrieges um das des Friedens und des Krieges und untersucht, welche Bedeutungsverschiebung jene innerhalb dieser Jahre erfahren, so können wir sehen, wie (jedanken aus der unversehrten Republik, Ideen aus der Zeit Caesars mit neuen (jedanken des Principats eine Symbiose eingehen. Der Krieg, den man infolge der Erfahrungen während des Bürgerkrieges einige Zeit lang ablehnte, wird wieder positiv besetzt, verändet1 sich aber auch im Denken der Zeitgenossen. Er wird zu der Voraussetzung rur die pax/Pax. Ein Paradigmenwechsel im Bewußtsein der Menschen ist deutlich erkennbar, dem folgend sich das Zeitbewußtsein in vielen Bereichen umfonnt. Ein Beispiel nur mag sein, wie die in den späten 40er Jahren auftretende Feme, die Distanz zu Rom sich dazu wandelt, daß Rom nun nicht mehr nur urhs, sondem orhis ist. Das ganze Imperium wird zu Rom, oder Rom ist das ganze Imperium.

So bringt das Leitmotiv der Untersuchung, der Bürgerkrieg, die Reaktionen und (jeruhle der Zeitgenossen hervor, koppelt man ihn an ein anderes Motiv, können wir vielfach noch tiefer der neuen Bewußtseinslage nachspüren. Was also ist anders an den Bürgerkriegen zwischen den Jahren 49 v. ChI'. - 30 v. Chr., als der Staat emeut eine politische (jestalt erhält? - anders ist, wie die Menschen nun denken können. Innerhalb der Jahre des Bürgerkrieges zerbricht das so feste politische Bewußtsein der Römer mit seinem schon sta11'en Bild von der Politik und von der Vergangenheit, das Bewußtsein

312

V0111

Staat wandelt sich, ein ganz neues Zeitbewußtsein entsteht, und ein anderer

Zeitgeist tritt hervor.

313

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