Das Zeitalter der Aufklärung.
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German Pages 128 Year 2004
Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort der Reihenherausgeber
I. Einleitung
II. Überblick
III. Forschungsprobleme
1. Aufklärung und Absolutismus
a) Die Absolutismusdebatte und der Streit um die Vereinbarkeit von Aufklärung und Absolutismus
c) Aufgeklärter Absolutismus in der Habsburgermonarchie: despotisch – revolutionär – demokratisch?
2. Aufklärung und Religion
a) Aufklärung im protestantischen Deutschland
b) Aufklärung im katholischen Deutschland
c) Haskala – Die jüdische Aufklärung
3. Aufklärung und Erziehung
4. Aufklärungsgesellschaften
5. Aufklärung und Kosmopolitismus, Patriotismus und Nationalismus
6. Aufklärung und Geschichte
7. Jenseits der Aufklärung
IV. Ausblick – Perspektiven der Aufklärungsforschung
Literatur
Personen- und Sachregister
Back Cover
Kontroversen um die Geschichte Herausgegeben von Arnd Bauerkämper, Peter Steinbach und Edgar Wolfrum
Angela Borgstedt
Das Zeitalter der Aufklärung
Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim.
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2004 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de
ISBN 3-534-16566-7
Inhalt Vorwort der Reihenherausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung
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II. Überblick
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III. Forschungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufklärung und Absolutismus . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Absolutismusdebatte und der Streit um die Vereinbarkeit von Aufklärung und Absolutismus . . . . . . . . . . . b) Preußischer Aufklärungsstaat – preußischer Absolutismus . c) Aufgeklärter Absolutismus in der Habsburgermonarchie: despotisch – revolutionär – demokratisch? . . . . . . . . . 2. Aufklärung und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufklärung im protestantischen Deutschland . . . . . . . b) Aufklärung im katholischen Deutschland . . . . . . . . . c) Haskala – Die jüdische Aufklärung . . . . . . . . . . . . 3. Aufklärung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufklärungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufklärung und Kosmopolitismus, Patriotismus und Nationalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufklärung und Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Jenseits der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Ausblick – Perspektiven der Aufklärungsforschung . . . . . . . . Literatur
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Personen- und Sachregister
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
V
Vorwort der Reihenherausgeber Kontroversen begleiten nicht nur die wissenschaftliche Arbeit, sondern sind deren Grundlage. Dies gilt auch für die Geschichtswissenschaft. Weil wissenschaftliche Auseinandersetzungen nicht leicht zu durchschauen und noch schwerer zu bearbeiten sind, ist es notwendig diese aufzubereiten. Die Reihe „Kontroversen um die Geschichte“ ist als Studienliteratur konzipiert. Sie präsentiert die Auseinandersetzungen zu Kernthemen des Geschichtsstudiums; ihr Ziel ist es, Studierenden die Vorbereitung auf Lehrveranstaltungen und Examenskandidaten ihre Prüfungsvorbereitung zu erleichtern. Entsprechend kennzeichnet sie ein didaktischer und prüfungspraktischer Darstellungsstil. Über diesen unmittelbaren Nutzen hinaus nimmt die Reihe die Pluralisierung der Historiographie auf, ohne dem Trend zur Zersplitterung nachzugeben. Gerade in der modernen Gesellschaft mit ihrer fast nicht mehr überschaubaren Informationsvielfalt wächst das Bedürfnis nach einer schnellen Orientierung in komplizierten Sachverhalten. Ergebnisse der historischen Forschung werden in dieser neuen Reihe problemorientiert vermittelt. Die einzelnen Bände der „Kontroversen um die Geschichte“ zielen dabei nicht auf eine erschöpfende Darstellung historischer Prozesse, Strukturen und Ereignisse, sondern auf eine ausgewogene Diskussion wichtiger Forschungsprobleme, die nicht nur die Geschichtsschreibung geprägt, sondern auch die jeweilige zeitgenössische öffentliche Diskussion beeinflusst haben. Insofern umschließt der Begriff „Kontroversen“ zwei Dimensionen, die aber zusammengehören. Die Spannbreite der „Kontroversen um die Geschichte“ reicht vom 16. Jahrhundert bis zur Zeitgeschichte. Einige der Bände sind jeweils einzelnen Themengebieten wie der Verfassungsgeschichte gewidmet, die im historischen Längsschnitt behandelt werden und überwiegend über den deutschen Sprach-, Kultur- oder Staatsraum hinaus eine vergleichende Perspektive zu anderen Regionen und Staaten Europas eröffnen. Andere Bände behandeln einzelne Epochen oder Zeitabschnitte europäischer und deutscher Geschichte wie etwa den Absolutismus oder die Weimarer Republik. Gelegentliche Überschneidungen sind somit nicht nur unvermeidbar, sondern auch durchaus sinnvoll. Der Aufbau der Bände folgt einem einheitlichen Prinzip. Die Einleitung entfaltet den Gesamtrahmen der behandelten Epoche oder des dargestellten Querschnittbereichs. Daran schließt sich ein Überblick an: Er begründet die Auswahl der behandelten Deutungskontroversen und ordnet diese in den Gesamtrahmen ein. Der Hauptteil der Bände umfasst sechs bis acht Forschungsprobleme. Dabei werden nicht vorrangig alle Entwicklungen und Stadien der Forschung nachgezeichnet, vielmehr Schlüsselfragen und zentrale Deutungskontroversen der Geschichtswissenschaft übersichtlich und problemorientiert präsentiert. Der Darstellung dieser Schlüsselfragen folgt zum Schluss eine kritische Bilanz des Forschungsstandes, in der auch offene Probleme der Geschichtsschreibung dargelegt werden. Historische Forschung ist ein nie beendeter Prozess, dessen Befunde immer einer kri-
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Vorwort der Reihenherausgeber tisch-distanzierenden Bewertung bedürfen. Auch dies soll in dem abschließenden Kapitel der Bände jeweils deutlich werden. Eine Bibliographie der wichtigsten Werke steigert den Gehalt der Bände; das Register weist zentrale Personen- und Sachbezüge nach und dient einer schnellen Orientierung. Unser Wunsch ist es, dass die Reihe „Kontroversen um die Geschichte“ einen festen Platz in den Bücherregalen von Studierenden der Geschichtswissenschaft, aber auch benachbarter Disziplinen einnimmt, die sich auf Lehrveranstaltungen oder Prüfungen vorbereiten. Darüber hinaus sind die Bände der Reihe an Leserinnen und Leser gerichtet, die Befunde der Geschichtsschreibung sachkundig vermitteln möchten oder ganz generell an historisch-politischen Diskussionen interessiert sind. Arnd Bauerkämper Peter Steinbach Edgar Wolfrum
VIII
I. Einleitung „Disparate perceptions of the Enlightenment are hardly a novelty“ (46, S. 171) – Kontroversen um die Aufklärung sind nicht gerade neu, schrieb kürzlich die israelische Historikerin Fania Oz-Salzberger und münzte dies auf die unterschiedlichen Positionen bereits innerhalb der ideengeschichtlichen Interpretationen der 1950er Jahre. Inzwischen sind die Kontroversen um die Aufklärung zahlreich, wenngleich nicht so zahlreich wie die Darstellungen über die als Singularphänomen kaum mehr fassbare Aufklärung selbst. Diese, so Oz-Salzberger, zerfasere in eine „new plurality of Enlightenments“, in diverse nationale „Aufklärungen“, wie bereits der Göttinger Emeritus und ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Geschichte Rudolf Vierhaus (63) mit der Einführung der Pluralform unterstreichen wollte. Tatsächlich befasst sich die Aufklärungsforschung längst nicht mehr nur mit der französischen, auch nicht allein mit der englischen, preußischen oder der Aufklärung in der Habsburgermonarchie. Wie zahlreiche Zeitschriften- oder Tagungsbände (3, 4, 14, 38, 78, 101) belegen, entdeckt sie vielmehr die „periphere“ Aufklärung in Osteuropa: in Polen, Ungarn oder Rumänien mehr noch als im Russland Katharinas II.; nimmt sie die Aufklärung in Skandinavien, der Schweiz, den italienischen oder iberischen Staaten, schließlich die Ausstrahlung des „Age of Enlightenment“ in die transatlantische Welt wahr. Auch in religiös-konfessioneller Hinsicht ist die Pluralität der Aufklärung unübersehbar. In Auseinandersetzung mit deistischen oder gar antikirchlichen Strömungen formierte sich eine evangelische: anglikanische, calvinistische oder lutherische Aufklärung, aus der sich gar die „deutsche Besonderheit“ (368, S. 39 f.) einer katholischen und jüdischen Aufklärung (Haskala) ableitete. Längst differenziert die Forschung weitere Entwicklungen: „We have now a moderate Presbyterian Enlightenment in Scotland, a Latitudinarian Enlightenment in England, a radical Enlightenment of Spinozists and freemasons, conservative Enlightenment which was largely Socinian, a Jesuit Enlightenment“ (46, S. 175). Aufklärung wird im geschlechtergeschichtlichen Zusammenhang thematisiert, im Kontext von Öffentlichkeit, Erziehung, Volks- und Elitekultur, Bürgertum und Bürgerlichkeit, Kosmopolitismus, Patriotismus oder Nationalismus, Wissenschaft, Hermetik und Esoterik, um die Bandbreite der Aufklärungsforschung wenigstens anzudeuten. „Die“ Aufklärung, dies hatte bereits Fred E. Schrader eingewandt, ist eine vereinheitlichende, Widersprüche bereinigende und glättende Etikettierung (286, S. 180). Kontroverse Auffassungen auch über die deutsche Aufklärung sind nicht gerade neu, auch wenn sich die historische Forschung dieses Themas intensiv erst vergleichsweise spät annahm. Die Wende markierten die 1960er, eine Hochphase die 1970er Jahre, als sich mit der in Lessings Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek eingerichteten Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts (19) die Aufklärungsforschung mit einem Pendant zu längst bestehenden amerikanischen, britischen, französischen, ja selbst internationalen Einrichtungen etablierte (44, S. 24–39). Die komparatistisch und interdisziplinär ausgerichtete Gesell-
Aufklärungsbegriff: Aufklärung – Aufklärungen?
Genese der Aufklärungsforschung
1
I.
Einleitung
Konjunkturen der Aufklärungsforschung
19. Jahrhundert
2
schaft hat sich mit den Fachzeitschriften Das achtzehnte Jahrhundert und Aufklärung, der Schriftenreihe Studien zum achtzehnten Jahrhundert, vor allem jedoch mit der Ausrichtung internationaler Kongresse zum Themenbereich längst in der Forschungslandschaft positioniert. Mit dem 1993 begründeten Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen in Halle – anstelle eines ursprünglich geplanten Max-Planck-Instituts für Aufklärungsforschung – und dem 1995 eingerichteten Forschungszentrum Europäische Aufklärung in Potsdam – zunächst Arbeitgeber vor allem für ehemalige Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR – erfuhr die deutsche Aufklärungsforschung nach der Wiedervereinigung eine institutionelle Erweiterung (44, S. 21). Auch das Publikationsspektrum wurde nunmehr um die Halleschen Beiträge zur Europäischen Aufklärung bereichert. Themenvielfalt wie ein schier unüberschaubarer Forschungsstand unterstreichen eindrucksvoll die Kontinuität eines Interesses, das der Literaturwissenschaftler Jean Mondot freilich als additiv und sich in fest umrissenen Bahnen bewegend charakterisiert hat (66, S. 142). Robert Darnton hat dem engagiert und deutlich widersprochen: Aufklärungsforschung erweitere sich ständig, finde immer neue Themen (44, S. 1). Und dennoch konstatierte Winfried Müller punktuelle „Ermüdungserscheinungen“ (43, S. 74), Monika Neugebauer-Wölk eine gewisse Unbeweglichkeit des Grundkonzepts gerade innerhalb der deutschen Forschung (44). Martin Fontius, bis 2002 Leiter des Potsdamer Forschungszentrums, monierte schließlich die vergleichsweise geringe internationale Resonanz deutscher Aufklärungsforschung wie umgekehrt den „Verlust jener universalen Rezeptionsbereitschaft gegenüber ausländischen Werken, die für die deutsche Aufklärung“ einst typisch war (23, S. 195). Dass die wissenschaftliche Erforschung der Aufklärung unterschiedliche Konjunkturen hatte, hat unlängst erst wieder Hans-Christof Kraus (396, S. 371 f.) herausgestellt. Eine positive Rezeption der Aufklärung ist eher neueren Datums. Erst Ausgang des 19. Jahrhunderts leitete Wilhelm Dilthey und nach ihm Ernst Troeltsch einen Positionswechsel gegenüber der bisher nahezu stringenten „Aufklärungsfeindlichkeit“ ein. Nun hatte bereits die Selbstreflexion der Aufklärung im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts durchaus kritische Züge (49, S. 32). In den Schriften Mendelssohns, dann Wielands trat zweifellos die Ambivalenz der Aufklärung hervor (58, S. 274). Um die Wende zum 19. Jahrhundert jedoch verfestigte sich ein Negativbild konservativer, romantischer, idealistischer und nationaler Aufklärungskritik, die in ihr den Wegbereiter von Jakobinerherrschaft und Terreur sah, den Vorwurf seichter Popularphilosophie und eines gott- und seelenlosen Rationalismus erhob oder sie als französischen Import ablehnte. Die schon zeitgenössische Differenzierung „wahrer“ (Schneiders), um die Behebung von Missständen bemühter Aufklärung von „falscher“, die in die Revolution mündete, wich einer konsequent negativen Deutung. Eine abwertende Begriffsverengung bis hin zum Schimpfwort „Aufkläricht“ ist nicht zuletzt im nun sehr weitgehend ultramontanen Katholizismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festzustellen. Die Wende zu einer differenzierteren Betrachtung datierte auch hier vom Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Würzburger Kirchenhistoriker Sebastian Merkle (185, 186)
Einleitung 1908 mit einem Vortrag über die „kirchliche Aufklärung im katholischen Deutschland“ auf dem Internationalen Kongress für historische Wissenschaften in Berlin eine heftige Kontroverse auslöste (178, S. 248, 184, S. 44). Merkles Außenseiterposition erwies sich als richtungweisend und setzte sich rasch durch. Als geradezu klassisches Beispiel der über Merkle weit hinausgehenden Rezeption führte Hans Maier in seinem Forschungsüberblick den kurzen Abriss Franz Schnabels über die „katholische Aufklärung“ in seinem vierten Band der Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert an. „Man wird sich hüten müssen“, urteilte Schnabel 1937, „in der ‘katholischen Aufklärung’ lediglich einen dunklen Hintergrund zu sehen, von dem sich die Erneuerung des katholischen Bewusstseins im 19. Jahrhundert um so lichtvoller abhebt“ (194, IV, S. 10). Es bestehe, so der jüngste Beleg eines nunmehr ausgewogenen, ja geradezu positiven Aufklärungsbildes, „auch kein Zweifel, dass sogar im kirchlichen Bereich, wo man, vor allem auf katholischer Seite, der Aufklärung skeptisch oder feindselig gegenüberstand, viele Reformen sich aufklärerischen Tendenzen verdanken.“ Karl Kardinal Lehmann, der dies in einem Feuilletonbeitrag der Wochenzeitschrift Die Zeit anlässlich des 200. Todestages von Immanuel Kant und in aktueller Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung“ schrieb, hob sich darin deutlich von den übrigen dort publizierten und deutlich aufklärungsskeptischen Positionen ab (37). Die Aufklärungsforschung in Deutschland erlebte in den 1920er und frühen 1930er Jahren eine kurze Blütephase, in der etwa Ernst Manheims Aufklärung und öffentliche Meinung (39), insbesondere Ernst Cassirers Philosophie der Aufklärung (13) entstand. Cassirers noch Ende 1932 erschienenes Werk ist die wohl bis heute meistübersetzte deutschsprachige Publikation zum Thema. Nur ein Jahr nach der Veröffentlichung verlor der Verfasser seine Hamburger Professur und verließ das nun nationalsozialistische Deutschland (23, S. 194). Im NS-Staat hatte die Aufklärungsforschung keine Konjunktur mehr. Eine wichtige, erstmals 1947 publizierte Veröffentlichung über die Ambivalenz der naturrechtlichen Rationalität des Vernunftzeitalters entstand deshalb in der amerikanischen Emigration. Max Horkheimers und Theodor W. Adornos Dialektik der Aufklärung (26), hierzulande erst im Zusammenhang des strukturgeschichtlichen Paradigmenwechsels der 1960er Jahre rezipiert, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Dialektik der Aufklärung ist keine historische Studie, ja wohl noch nicht einmal ein Buch über die Aufklärung. Wenn man den Text „heute etwas distanziert liest“, so der Münsteraner Philosoph Werner Schneiders, „dann sieht man, dass er eigentlich gar nicht über Aufklärung handelt“, sondern über die Auseinandersetzung mit dem Faschismus (66, S. 140, so auch 15, S. 17 ff.). Das Werk stieß dennoch auf Resonanz innerhalb der Aufklärungsforschung, sei es in der Debatte um Kausalzusammenhänge zwischen Aufklärung, Revolution und Terreur, sei es in der Wahrnehmung von Ambiguitäten des Rationalisierungsprozesses. Den Blick für die „Nachtseiten“ dieser Rationalisierung und staatlicher Effizienzsteigerung hat etwa Michel Foucault mit Arbeiten wie Wahnsinn und Gesellschaft und Überwachen und Strafen (24, 25) sensibilisiert (52, S. 21). Anklänge an diese Diskussion finden sich in der Kontroverse um die Kategorisierung des so genannten „aufgeklärten Absolutismus“, der hier als
I.
20. Jahrhundert
3
I.
Einleitung
Aufklärungsforschung nach 1945
4
übersteigerte, in etlichen Sozialpraktiken grausamste Form des Absolutismus erscheint. Nicht nur Foucault, auch Günther Birtsch (87) mochte etwa auf Beccarias Ersatz der Todes- durch Arbeitslagerstrafe und die Rezeption seines Werkes Über Verbrechen und Strafen (1764) (68) durch die Josephinischen Strafgesetze verweisen. Die Kehrseite des reformierten Strafrechts war ein für heutiges Empfinden barbarischer Strafvollzug. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen sich bundesdeutsche Historiker vorzugsweise „unbelasteter“, weil anderen Traditionszusammenhängen zugehöriger Themen deutscher Geschichte an, etwa der Revolution von 1848 oder der vornationalen frühen Neuzeit. In diesem Zusammenhang erfolgte eine anfangs zögerliche, seit Ende der 1950er Jahre „umfassende Rehabilitierung“ (396, S. 372) der Aufklärungsepoche. Ein „revisited“ galt längst nicht mehr nur der Aufklärungselite: Lessing, Kant oder dem inzwischen suspekten, ja in die Genealogie des Nationalsozialismus gestellten Preußenkönig Friedrich II., vielmehr „erfolgte auch die in jeder Hinsicht gerechtfertigte Neubewertung scheinbarer ‘Nebenfiguren’ wie etwa Garve oder Nicolai und vor allem die Neuentdeckung bis dahin verdrängter oder auch in ihrer Bedeutung unterschätzter Gestalten wie Moses Mendelssohn“ (396, S. 372). Hans-Christof Kraus verweist zu Recht auf die jedoch erst in den frühen 1970er Jahren erschienenen Biografien Horst Möllers (123) und Alexander Altmanns (200). Als frühe bundesdeutsche Beiträge zur Aufklärungsforschung nennt Winfried Müller (43, S. 72) Reinhart Kosellecks Kritik und Krise (33) sowie Fritz Valjavecs 1951 publizierte Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770–1815 (411, daneben 60, 195). Insbesondere das Kapitel Konservativismus und Reaktion, das wie das Gesamtwerk manche Anregung Franz Schnabels Deutscher Geschichte im 19. Jahrhundert verdankte, eröffnete die erst in den 1990er Jahren vertiefte Erforschung aufklärungsgegnerischer Positionen. Valjavec, der nach 1945 als belasteter Historiker galt, hatte seine Studie im Wesentlichen vor Kriegsende erarbeitet. Eine Publikation über den Josephinismus (195) war ebenfalls noch zu Kriegszeit erschienen. In ihr traf er sich thematisch mit Eduard Winter, Autor einer ebenfalls noch in der NS-Zeit veröffentlichten Arbeit über den Josephinismus und nach 1945 Nestor der Aufklärungsforschung in der DDR (199). Diese, zentral vertreten durch den 1947 von Marburg nach Leipzig gewechselten Romanisten Werner Krauss (34, 35), hatte sich unmittelbar nach Kriegsende positionieren können, freilich unter der Prämisse eines schwer zu übersehenden Makels der „Bürgerlichkeit“. „Auch bildeten die ‘in der Aufklärung enthaltenen Potentiale an Vernunftkritik, Toleranz und Skepsis’ eine nicht unerhebliche Herausforderung für das Selbstverständnis der autoritär agierenden Führungselite“ (44, S. 25). Andererseits galt die Aufklärung als konstitutiv für die Entwicklung des Marxismus, als Kämpferin gegen „Aberglauben, Fanatismus, Intoleranz, Betrug und Verdummung seitens der geistlichen und weltlichen Mächte“ (40, S. 446) und damit als Teil des „progressiven Erbes“ der deutschen Geschichte. Winfried Müller unterstrich jüngst noch einmal eine Vernachlässigung der „Feudalkräfte“, von Klerus und Adel im Prozess der Aufklärung, demgegenüber eine frühzeitige Erforschung der Spätaufklärung als der am ehesten progressiven Phase (43, S. 71 f.). Werner Krauss, der insbesondere die Wechselwirkung zwischen französischer und deutscher Auf-
Einleitung klärung thematisierte, wurde seitens der bundesdeutschen Historiografie eine weitgehend ideologiefreie Auseinandersetzung mit der Aufklärung bescheinigt (40, S. 440). Dem SED-Staat musste er, wenngleich die ostdeutsche Aufklärungsforschung gerade ihm vielfach verpflichtet war, suspekt erscheinen, zumal er eine Initiative des damals am Institut et Musée Voltaire in Genf wirkenden Theodore Besterman aufnehmend drei Jahre nach dem Mauerbau eine Ostberliner Gesellschaft für Aufklärungsforschung begründen wollte. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges rief er eine staatlicherseits jedoch nicht sanktionierte Institution ins Leben, die, als „gesamtdeutsches Unternehmen“ verstanden, auch seinen bundesdeutschen Kollegen offen stehen sollte. Diese taten sich, wie Monika Neugebauer-Wölk, Markus Meumann und Holger Zaunstöck in ihrer Bilanz 25 Jahre Deutsche Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts (44) herausstellen, schwer mit einer so offensichtlich vom politischen Konflikt überlagerten Institutionalisierung der Aufklärungsforschung. Denn auch die französischen „Dixhuitiémisten“, die innerhalb der europäischen Forschungslandschaft gewichtige Société française d’étude du XVIIIe siècle, war von marxistisch orientierten Literaturwissenschaftlern – weniger Historikern – dominiert. Erst in den 1970er Jahren zeichnete sich neben der globalpolitischen auch eine wissenschaftspolitische Entspannung ab. Die Ambivalenz des Begriffs Aufklärung hat wiederholt Anlass zu Debatten über seine Tauglichkeit als Epochenbezeichnung gegeben (23, S. 202). Denn Aufklärung, ursprünglich ein Terminus der Meteorologie (27, 43, 49, 58) – éclairer, aufklaren, das englische enlighten und abgeleitet enlightenment ist später Ersatz für das Vernunftzeitalter: age of reason –, ist nicht allein Begriffsbestimmung für eine Phase der frühen Neuzeit und der sie tragenden und prägenden Ideen, sie ist seither Synonym für Erkenntniszunahme allgemein, einen nicht abgeschlossenen Erkenntnisprozess, eine Denkhaltung (58, S. 243). Ein solch vieldeutiger, in seinen alltäglichen Konnotationen der kriminalistischen wie der sexuellen Aufklärung geradezu beliebiger Terminus taugt nur bedingt als Epochenbezeichnung. So schlug denn auch der Brite John Lough vor, zumindest in der Historiografie Aufklärung konsequent durch 18. Jahrhundert zu ersetzen (23, S. 203). Sein Plädoyer stieß freilich schon wegen der Inkongruenz beider Begriffe an Grenzen. Weder ist das 18. Jahrhundert gleichbedeutend mit dem ‘Jahrhundert der Aufklärung’ (63, S. 158, 260, S. 85), noch ist zumindest die europäische Aufklärung ein Phänomen allein des 18. Jahrhunderts. Loughs weiterer Einwand gegen die „universale“ Anwendung eines Begriffs auf die doch jeweils sehr unterschiedlichen nationalen Ausprägungen scheint hingegen gewichtiger: „Why insist on applying to England and France a term which fits neither country?“ (23, S. 203). Es ist dies lediglich die radikalere Schlussfolgerung aus dem eingangs benannten Befund Rudolf Vierhaus’ und Fania Oz-Salzbergers, angesichts der Pluralität des Themas doch besser von „Aufklärungen“ zu sprechen. Loughs britischer Kollege Lester G. Crocker führt schließlich gegen die weitere Verwendung des Aufklärungsbegriffs die „problematische Folgerung [an], Aufklärung als historische Bewegung sei ein Produkt der Nachwelt“ (23, S. 202), und spielt damit wohl auf die zeitgenössisch belegbare substantivische Verwendung einzig des deutschen Terminus an. Dieses methodologische Problem ist nicht neu und
I.
Aufklärung als Epochenbegriff
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I.
Einleitung
Wann war die Aufklärung?
Die Aufklärungsepoche in Frankreich
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von Werner Krauss bereits in den 1950er Jahren thematisiert worden. Wie weit, so seine grundsätzliche Frage, darf die Geschichtsschreibung „die Grundbegriffe einer historischen Darstellung auch außerhalb der vergangenen Geschichtswelt“ aufgreifen (40, S. 451)? In jedem Fall bedürfe, so sein weithin akzeptiertes Resümee, die nachträgliche Nomenklatur der historischen Legitimierung; diese könne jedoch nur im Einklang und nicht im Widerspruch mit der Selbstbestimmung der Epoche erworben werden (40, S. 452). Die begriffliche Operation allein mit den Sprachwerkzeugen der zu erforschenden vergangenen Epochen, argumentierte kürzlich noch einmal Martin Fontius, wäre absurder, wenn auch konsequenter Historismus. „Aufklärung“, so sein Plädoyer für die Beibehaltung eines sicher vieldeutigen, aber eben schwerlich ersetzbaren Begriffs, „war und ist ein Identifikationsbegriff, der sich trotz aller Kritik etwas von seiner Jugendfrische bewahrt hat und der vor allem methodisch den Zugriff auf zentrale Fragestellungen der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts verheißt“ (23, S. 203). Statt ein Problem zu lösen, beinhaltete der von Lough vorgeschlagene Ersatzterminus „18. Jahrhundert“ ein weiteres: die ewig strittige Frage nach der zeitlichen Eingrenzung der Aufklärungsepoche. Wann war die Aufklärung? Mit welchen Indikatoren lässt sie sich abgrenzen? Wogegen richtete sie sich? Wann setzte sie sich in den verschiedenen europäischen Ländern durch und wodurch wurde sie überlagert? Von einem sehr weit gefassten Aufklärungsbegriff wie dem Jochen Schmidts oder auch Fritz Valjavecs abgesehen, die eine erste „griechische Aufklärung“ im Perikleischen Zeitalter der Athenischen Demokratie, eine zweite in der mittelalterlichen Scholastik verorten (409, S. 4), datiert die Forschung die Anfänge der Aufklärungsepoche in das ausgehende 17. Jahrhundert. Werner Schneiders konstatierte für das Jahr 1700 ein zeitgenössisch belegbares Zäsurbewusstsein und lieferte damit eine immanente Begründung für eine solche Datierung (66, S. 144). Die Mehrheit der Historiker teilt diese Auffassung eines Ausgangs der Aufklärung in den Niederlanden und im England der 1670er und 1680er Jahre, deren politisches und geistiges Klima diese Entwicklung begünstigte, deren Toleranzpolitik Emigranten Aufnahme bot und deren Zentren London und Amsterdam der Zensurbestimmungen wegen zum realen oder fiktiven Druckort von Werken wie Pierre Bayles Kritischem Wörterbuch wurden. Die oft genannten Eckdaten sind die gerade für das Exilland Niederlande bedeutsame Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 sowie die Glorious Revolution 1688. Britanniens höhere Bewertung, für die in dieser frühen Phase Namen wie John Locke, John Toland, Matthew Tindal und insbesondere der von Voltaire verklärte Isaac Newton (163, S. 230) angeführt werden, relativierte kürzlich der amerikanische Kulturhistoriker Jonathan I. Israel mit einer Arbeit über Spinoza und die Frühaufklärung in den Niederlanden (28). Bereits Roy Porter hatte auf das dortige aufklärerische Amalgam aus „Radikalen, Freidenkern, Gelehrten, Verlegern und Druckern“ mit französischen Hugenotten und Flüchtlingen aus dem England Karls II. und Jakobs II. verwiesen (48, S. 60), zu dem kurz vor der Glorious Revolution auch John Locke gehört hatte. Eine wie oft geschehen spätere Datierung der Aufklärung par excellence,
Einleitung nämlich der französischen Aufklärung wollte Martin Fontius aus gutem Grund nicht akzeptieren (23, S. 202). Hier galt lange Zeit das Todesjahr Ludwigs XIV. 1715 als Zäsur und das nachfolgende Regence, die Entstehungszeit jener zuletzt von Roy Porter als „Schlüsselwerke“ bezeichneten Perserbriefe Montesquieus (1721) und der Lettres philosophiques Voltaires (1733), als eigentlicher Ausgang der Aufklärungsepoche. Robert Darnton konnte ergänzend Voltaires akkusatorisches Engagement in der Calas-Affaire (1765) sowie die von ihm intensiv erforschte Verbreitung der Encyclopédie als nunmehr auch politische Aufklärungstat anführen (66, S. 138). Der etwa von Porter vertretene Modellcharakter Frankreichs findet allerdings immer weniger Zuspruch (23). Hingegen argumentierte Werner Krauss literaturhistorisch, wenn er den Beginn der französischen Frühaufklärung „mit einem Spielraum von Jahrzehnten um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ansetzt[e], wobei die ‘querelle des anciens et des modernes’ seit 1687 eine Schlüsselstellung einnahm“ (40, S. 459). Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive ließe sich ein Hinweis aus Karl Schlögels vielbeachteter Neuerscheinung Im Raume lesen wir die Zeit (51) ergänzen. Schlögel verwies zunächst – das ist nicht neu – auf den Ursprung wissenschaftsdisziplinärer Ausdifferenzierung bei René Descartes, speziell seinem Discours de la méthode, eine ähnlich wie im niederländischen Beispiel vorgenommene, jedoch keineswegs allgemein akzeptierte Ausdehnung der Aufklärungsepoche bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts. Er verdeutlichte dann jedoch den Ausnahme- und eben nicht Modellcharakter des aufgeklärten Frankreich anhand zweier bahnbrechender Großprojekte von durchaus europäischer Dimension: Diderots und d’Alemberts Unternehmen der Encyclopédie in den 1750er bis 1780er Jahren, zuvor die nicht minder aufwendige kartografische Aufnahme Frankreichs durch das Familienunternehmen der Cassini, praktisch durchgeführt in den Jahren 1669 bis 1744 und mit der Vorlage einer topografischen Kartensammlung auf insgesamt 182 Blättern 1793 publizistisch abschlossen. „Die Erstellung der Karte Frankreichs“, so seine Folgerung, „wird zu einer Zäsur, und man wird von ‘avant la carte’ und ‘après la carte’ sprechen“ (51, S. 169). Kartiert wurde fortan nicht nur Raum, sondern Wissen. Nicht zufällig nannte Carl von Linné seine botanische Klassifikation „mappae naturae“ (51, S. 176). War die zeitliche Bestimmung der französischen Aufklärung ein Problem, so begegnet dieses Problem im deutschen Fall gar in potenzierter Form. Hier ist aufgrund der territorialen und konfessionellen Verhältnisse ohnehin eher von „Aufklärungen“ (63, 161, S. 296) die Rede, von preußischer, habsburgischer, hallischer, hamburgischer, von evangelisch-lutherischer, katholischer oder gar jüdischer Aufklärung. Die föderale Dimension der deutschen Aufklärung hat jüngst Maiken Umbach thematisiert (79). Hier eine spezifische Epochengrenze zu ziehen, ist allein aufgrund des unterschiedlichen Grads der Erforschung (43, S. 74) utopisch, wohl auch nicht notwendig. Eine vor allem seitens der marxistischen, aber auch der sozial- und strukturgeschichtlichen Historiografie konstatierte relative Verspätung und Rückständigkeit der erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts anzusetzenden deutschen Entwicklung wurde mit zunehmender Kenntnis der vorangehenden frühaufklärerischen Phase weitgehend widerlegt. Einen wichtigen Beitrag hatte bereits der DDR-Historiker Eduard Winter geleistet,
I.
Die Aufklärung im „alten Reich“
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I.
Einleitung
Wann endete die Aufklärung?
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der die Ursprünge der Aufklärung bis in den Frühhumanismus zurückverfolgt und das „Entstehen der Aufklärung als Ausdruck des modernen Denkens, vor allem in der Auseinandersetzung mit dem kirchlichen Konfessionalismus“ begriffen hatte (40, S. 460). Dass einzig der deutsche Epochenbegriff im Sinne von „Aufklärung des Verstandes“ bereits um 1690 belegbar ist, macht die Datierung eines Paradigmenwandels kurz vor der Wende zum 18. Jahrhundert plausibel. Neuere Publikationen zum Thema nehmen entsprechend Christian Thomasius’ erste Vorlesung in deutscher Sprache 1687, die Gründung der Reformuniversität Halle 1694 und „Leibniz’“ Berliner Akademie der Wissenschaften 1700 als Eckdaten. Zu Recht verweist Günter Mühlpfordt auf die Formierung der orthodox-lutherischen Opposition sowohl gegen Frühpietismus als auch gegen Frühaufklärung eben deutlich vor 1700. Das Vorurteil, „die Aufklärung sei im Wesentlichen erst eine Angelegenheit nach 1700“ (42, S. 137), sieht er allerdings inzwischen mehr außerhalb der historischen Fachwelt verbreitet. Auf den ersten Blick leichter begründbar erscheint die Bestimmung eines Endes der Aufklärungsepoche. Als Zäsur wird allgemein das Revolutionsjahr 1789 genannt, zumeist mit „dialektischem“ Bezug zur Aufklärung. Ein Bruch, meint Robert Darnton zu Recht (66, S. 143), ist allerdings niemals total, selbst nicht im revolutionären Frankreich. Markierte 1789 dort einen noch dazu epochalen Einschnitt, so für Preußen das Todesjahr Friedrichs II. 1786 und das gerne als explizit antiaufklärerisch apostrophierte Wöllnersche Religionsedikt 1788. Für die Habsburgermonarchie zeichnete sich seit 1785 eine Abkehr vom bisherigen Reformkurs des Josephinismus ab, verstärkt nach dem Tod des Monarchen 1790. Nun konnte Horst Möller jedoch für den preußischen Fall die nur mäßige Realisierbarkeit des Edikts in einem noch immer weitgehend friderizianisch geprägten Oberkonsistorium belegen, die Inkraftsetzung des noch unter Friedrich II. erarbeiteten Allgemeinen Landrechts 1794 noch einmal als „Triumph der Aufklärung“ anführen (41, 402). Dirk Kemper sah gar in der bislang wenig beachteten publizistischen Debatte um Wöllners Edikt die „Fortsetzung der berühmteren Diskussion um die Frage ‘Was ist Aufklärung’ aus dem Jahre 1784“ (394, S. 212), wenngleich nunmehr aus der Defensivposition geführt. Sehr früh hat die Forschung zum Josephinismus Kontinuitäten in der österreichischen Bürokratie und Staatskirche bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts herausgearbeitet. Josephinische Traditionen hatte bereits in den 1940er Jahren Fritz Valjavec bis in die Zeit der 1848er Revolution dokumentiert, Matthias Rettenwander bestätigte dies unlängst noch einmal (140, S. 327 f.). Die seit den 1980er Jahren vermehrt erforschte Volksaufklärung stützt diese Verschiebung der gängigen Epochengrenzen bis zum Vorabend der 1848er Revolution. Der Verbreitungsgrad volksaufklärerischer Schriften, so Holger Böning und Reinhart Siegert, zeige eben, „dass mit dem Ende des 18. Jahrhunderts durchaus nicht auch ein Ende von Aufklärung und Volksaufklärung einherging, sondern dass ein Ausklang erst für die Jahrzehnte zwischen 1830 und 1850 zu beobachten ist“ (225, S. 19). Insgesamt wollte Rudolf Vierhaus die Zeit der aufgeklärten Reformen wie der Reformen in den Rheinbundstaaten und in Preußen vom Ende des Siebenjährigen Krieges bis mindestens 1819 verstärkt unter dem Aspekt der Kontinuität in den Blick nehmen (64,
Einleitung S. 288), die Kontinuitätslinien der Aufklärung vor allem zu den bayerischen (Montgelas) und badischen (Reitzenstein) Reformern ausziehen. „In allen diesen Ländern“, so Karl Otmar von Aretin über die Entwicklung in Bayern, Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Nassau, „handelte eine fortschrittliche Beamtenschaft nach dem Vorbild des aufgeklärten Absolutismus, indem sie die Reformen von oben befahl.“ (67) Seit den 1970er Jahren hat eine Binnendifferenzierung der Aufklärungsperiode stattgefunden. Richard van Dülmen konstatierte einen dreiphasigen Ablauf einer gelehrt-wissenschaftlichen, sodann staatlich-praktischen und schließlich literarisch-öffentlichen Phase (289, S. 253). Während für eine „literarhistorisch geprägte Betrachtungsweise“ (261, S. 209) die Epoche der Aufklärung um 1770 durch Sturm und Drang, durch die bis 1830 reichende Goethezeit abgelöst wurde, setzte eine breitere, vor allem bäuerliche Schichten erreichende Popularaufklärung gerade erst ein. Holger Böning hat den Beginn jener neuerdings vermehrt untersuchten Volksaufklärung inzwischen auf die 1760er Jahre bestimmt. „Was während der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts mit der Diskussion einzelner Verbesserungen in solchen Bereichen beginnt, mit denen die große Mehrheit der Bevölkerung durch ihre alltägliche Berufsarbeit unmittelbar konfrontiert war, setzt sich in den 1740er und 1750er Jahren mit der systematischen Durchforstung der verschiedensten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens auf dessen Verbesserbarkeit und Vernünftigkeit hin fort und mündet in den sechziger Jahren ganz folgerichtig in eine große Debatte der aufgeklärten Gebildeten über die gesellschaftlichen Kernprobleme der bäuerlichen Leibeigenschaft und der Frondienste“ (222, S. XX). Tatsächlich trägt diese Binnendifferenzierung in gewisser Weise dem eingangs benannten Tatbestand einer „new plurality of enlightenments“ (Oz-Salzberger) Rechnung, denn wenig später und im Adressatenkreis oft sich überschneidend mit der Popularaufklärung setzten ebenfalls bis weit in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkmächtige gegenaufklärerische Strömungen ein – auch sie erst in jüngster Zeit Gegenstand der Forschung. Sie weichen nicht nur die „harten Epochengrenzen“ auf, ihr Protagonistenkreis modifiziert zudem das gängige Bild vom Repräsentanten der Aufklärung. Johann Georg Zimmermann, Rudolf Zacharias Becker, Georg Heinrich Zincke sind nicht unbedingt die Namen, die im Allgemeinen mit der Frage „Wer war die Aufklärung“ assoziiert werden. Eine Topografie der Aufklärungsepoche lässt sich jedoch nicht allein durch die Vermessung ihrer „peaks“ gewinnen: Montesquieu und Voltaire, Bayle, La Mettrie, Baron d’Holbach, Condorcet, die bekannten und weniger bekannten „Enzyklopädisten“ um Diderot und d’Alembert; David Hume, Jeremy Bentham und Adam Smith, aber auch die heute vergessenen Mitglieder der Birminghamer Lunar Society; die Gründerväter der amerikanischen Verfassung Franklin, Adams und Hamilton; Beccaria, Rousseau, schließlich die Deutschen Thomasius, Wolff, Leibniz, Kant, Lessing, Mendelssohn oder Nicolai. Als Mitarbeiter an Nicolais Allgemeiner Deutschen Bibliothek hat Horst Möller 433 heute nicht unbedingt geläufige „Aufklärer“ namhaft gemacht (126, S. 90 ff.); auch etliche Beiträger zu Diderots und d’Alemberts Großprojekt der Encyclopédie sind selbst Spezialisten unbekannt. Der amerikanische Historiker Robert Darnton hat den Pariser Polizeiakten die Namen von etwa 1 500 Aufklärern
I.
Binnendifferenzierung der Aufklärungs-Epoche
Topografie der Aufklärung
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I.
Einleitung der „zweiten Garnitur“ (17) entnehmen können. Holger Bönings Biobibliografie der Volksaufklärung (11) kartiert schließlich noch eine andere Dimension der Aufklärungslandschaft als das von Rudolf Vierhaus und Hans Erich Bödeker herausgegebene biografische Lexikon (62). Böning verschob mit seinem Blick auf die Popularaufklärung zudem das Bild vom Rezipientenkreis der Aufklärung. Hatte bereits Friedrich Nicolai dem pädagogischen Selbstverständnis der Zeit entsprechend die etwa 20 000 „Konsumenten“ der Aufklärung bei den Gebildeten in Staatsbürokratie, Universität, den freien „intellektuellen Berufen“, in Bürgertum, Adel und Geistlichkeit gefunden, so waren die Adressaten von Beckers bis 1813 in einer Million Exemplaren verbreitetem Noth- und Hülfsbüchlein von diesen ebenso verschieden wie die Leser gegenaufklärerischer Erbauungsschriften des Augsburger Ex-Jesuiten Alois Merz. Im Übergang zur Popularisierung untersuchte Robert Darnton die Verbreitungswege von Aufklärungsschriften, nämlich die Zirkulation verbilligter Quart- und vor allem Oktavausgaben der großen Encyclopédie (16). Das war noch keine Bestimmung einer Schnittstelle, war doch die Käuferschicht bürgerlich oder adelig. Seine Publikation war jedoch insofern wegweisend, als sie jene Zirkulationswege aufgeklärter Ideen nachzuzeichnen begann, die Fania Oz-Salzberger als grundlegend für ein Verständnis der Aufklärungsepoche bezeichnete.
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II. Überblick „Several themes and approaches may usefully find their way into a new general history of the Enlightenment“. In einer künftigen Gesamtgeschichte der Aufklärung, so Fania Oz-Salzberger (46, S. 172), sollten folgende Themen und thematische Zugänge bedacht werden: eine Kartografie ihrer Verbreitungswege, ihrer Affinitäten, aber auch Phobien, eine Darstellung des Spannungsverhältnisses von Vernunft und Empfindsamkeit, schließlich eine Bewusstmachung des eleganten, leichten, populären und vor allem humorvollen Stils der europäischen, ja transatlantischen Epoche. So reizvoll ihre Vorschläge auch anmuten, die Intention der vorliegenden Arbeit ist eine andere und durch den forschungsorientierten und schwerpunktartigen Zuschnitt im Rahmen der Reihe Kontroversen um die Geschichte vorgegeben. Oz-Salzbergers universalem Ansatz steht zudem der von Martin Fontius (23, S. 195) beklagte „Verlust jener universalen Rezeptionsbereitschaft gegenüber ausländischen Werken“ im Wege, die für die deutsche Aufklärung einst charakteristisch war und die Berlin zur Mittlerin zwischen Paris und St. Petersburg hatte werden lassen (114). Dies spricht nicht prinzipiell gegen Oz-Salzbergers Vorschlag, der einen Längsschnitt durch ohnehin kaum mehr zu überblickendes Terrain bieten würde. Im vorliegenden Fall war allerdings eine forschungsbezogene und thematisch begrenzte Arbeit gefragt. Mit „Aufklärung“ ist hier aus arbeitsökonomischen Gründen die deutsche Aufklärung gemeint, auch wenn die europäische, die kürzlich von Frank Kelleter (29) noch einmal eindrucksvoll unterstrichene transatlantische Dimension von Aufklärung unbestritten ist. Andererseits weist die deutsche Entwicklung Besonderheiten auf, die die vorgenommene Eingrenzung auch inhaltlich rechtfertigen. Sie wird, und damit sollen zugleich die insgesamt sieben Themenschwerpunkte begründet werden, als weniger radikal, erst in der Spätphase dezidierter politisch und insgesamt „staatsorientierter“ beschrieben als die englische, erst recht die französische Ausprägung. „Der Aufklärung in Deutschland fehlten die Extreme der französischen Aufklärung. Statt sich wie Voltaire als glühender Kirchenfeind, wie Rousseau als radikaler Republikaner zu geben, trugen die deutschen Intellektuellen eher bescheidene Kritik an bestehenden Einrichtungen vor und vertraten entweder eine moderate Reichsreform oder eine Emanzipation innerhalb der absoluten Monarchie“ (325, S. 22). Dies galt nicht ausschließlich für den politischen Sektor, dies galt vor allem für Preußen. Hier wähnten sich die „staatsfrommen“ (126, S. 87) aufklärerischen Beamten in Übereinstimmung mit dem „aufgeklärten“, dem neuerdings so bezeichneten „Reformabsolutismus“ des Landesherrn – was sich, so Werner Schneiders, nach dem Siebenjährigen Krieg, erst recht nach dem Tode Friedrichs II. änderte (66, S. 139). Aufgeklärter Absolutismus, eine nachträgliche Begriffsbildung des 19. Jahrhunderts (Wilhelm Roscher), ist ein noch immer umstrittener Terminus. Als Schlussstein eines dreistufigen Pyramidenmodells des Absolutismus ist er dessen Übersteigerung, die die englische Lehnübersetzung enlightened despotism wohl treffender zum Aus-
Perspektiven der Aufklärungsforschung
Themenschwerpunkt deutsche Aufklärung
Aufklärung und Absolutismus
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II.
Überblick
Aufklärung und Religion
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druck bringt. Zugleich ist dieser Absolutismus der Aufklärungsepoche durch deren zentrale Ideen geprägt: naturrechtliche Legitimierung von Herrschaft statt Legitimierung durch Gottesgnadentum, Vernunft- und Zweckorientierung von staatlichem, vor allem wirtschaftspolitischem Handeln bis hin zur Vorstellung vom Staat als Maschine. Doch worin manifestierte sich dieses „Aufgeklärte“ des Absolutismus? Im Reformhandeln seiner monarchischen Repräsentanten? Reformorientiert regierende Monarchen hatte es, so Günter Birtsch oder Volker Sellin mit Blick auf Friedrich Wilhelm I. und sogar den Großen Kurfürsten, auch in der vor- und frühaufklärerischen Epoche gegeben (87, 130). Birtsch entwarf gar einen Idealtypus des aufgeklärten Monarchen. Während Zeitgenossen wie Melchior Grimm um 1770 etwa 20 Landesherrscher als der Aufklärung nahe stehend klassifiziert hatten, ließ Birtsch allerdings allein Friedrich den Großen als idealtypischen aufgeklärten Monarchen gelten. Dieser jedoch unterschied sich in seinem Reformhandeln nicht wesentlich von seinem Vater, blieb in Einzelmaßnahmen sogar dahinter zurück. Das spezifisch Aufgeklärte des aufgeklärten Absolutismus auszumachen, bleibt demnach schwierig. Je nach Zugehörigkeit zu politisch-weltanschaulichen Lagern oder historischen Diskursen wird dies für sinnvoll oder sinnlos, möglich oder unmöglich erachtet. Ingrid Mittenzweis marxistischem Diktum vom „aufgeklärten Absolutismus“ als Schwindel steht Karl Otmar von Aretins differenzierteres Urteil von einer engen Verbindung, aber auch Abstoßung gegenüber, die am Ende „Wesentliches für das Entstehen unserer modernen Welt“ leistete (83, S. 22). Es war dies selbstverständlich auch ein Plädoyer für die Beibehaltung des zur Disposition gestellten Begriffs. Die deutsche Aufklärung wird sodann, und dies begründet die zweite Schwerpunktsetzung, im Kontrast zur schottischen, englischen und französischen Entwicklung weder als deistisch noch gar antikirchlich, sondern als kirchlich-antikonfessionell beschrieben. Diese Charakterisierung verweist einerseits auf die zunächst wesentlich innerkirchliche, theologische Prägung der deutschen Aufklärung, deren führende Repräsentanten – wie bereits Friedrich Nietzsche konstatiert hatte – evangelische Pfarrer waren oder aus Pfarrhäusern stammten. Mit der Bezeichnung „antikonfessionell“ verweist sie darüber hinaus auf die Besonderheit der Bikonfessionalität des Reichs und die daraus resultierende unterschiedliche Rezeption der Aufklärung im protestantischen Norden und im katholischen Süden. Frühzeitig und noch im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts vollzog sich die Aufklärung an universitären Zentren wie Leipzig und der 1694 begründeten Fridericiana zu Halle. Hier gingen Aufklärung und Pietismus ein vor allem für Beamtenschaft und Militär des aufstrebenden Brandenburg-Preußen folgenreiches Zweckbündnis gegen die erstarrte theologische Orthodoxie ein. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts zerbrach diese Allianz an der zunehmend deistischen Orientierung der Aufklärung. Pietismus und Orthodoxie bezogen fortan eine mehr und mehr gegenaufklärerische Position. Die Aufklärung im katholischen Deutschland war eine verspätet einsetzende innerkirchliche Debatte um ultramontane oder nationalkirchliche Ausrichtung von Episkopat und Kirche, die zumindest in der Habsburgermonarchie als „Josephinismus“ engstens mit dem aufgeklärten Absolutismus verschränkt war. Prägend war hier die Auseinandersetzung mit dem von
Überblick Frankreich rezipierten Jansenismus und den Schriften des italienischen Aufklärers Muratori, nicht von der Hand zu weisen der Einfluss der „protestantischen Aufklärung“ im Reich. Die historische Forschung hat dezidiert auf die Wiederbelebung von allerdings utopischen Unionsvorstellungen hingewiesen, wie sie vor allem der aufgeklärte Reformkatholizismus hegte. Carsten Zelle prägte gar den Begriff der „ökumenischen Aufklärung“ (150), der sich auch ex negativo auf den „gegenaufklärerischen Schulterschluss“ der jeweiligen Orthodoxien münzen ließ. So stellten sich in den 1780er Jahren exjesuitische Kontroversprediger vom konfessionellen auf den nun gemeinsamen Gegner Aufklärung um, fanden sich protestantische und katholische Gegenaufklärer in der aufklärungsfeindlichen Publizistik zusammen. Eine eigenständige jüdische Aufklärung (Haskala) ist in der nichtjüdischen Historiografie lange Zeit nicht wahrgenommen worden. Selbst ihr bedeutendster Protagonist Moses Mendelssohn galt vornehmlich als Vertreter der Berliner Aufklärung, seine tatsächliche Doppelfunktion als Teil der gesamteuropäischen wie innerjüdischen Aufklärung findet nur allmählich Beachtung (205, 206, 211–213, 215). Die Teilnahme auf zwei Ebenen des aufgeklärten Diskurses rief denn auch zweifachen Widerspruch hervor. Zum einen traf Mendelssohn auf den erbitterten Widerstand rabbinischer Orthodoxie, insbesondere mit seiner Akkulturationszwecken dienenden Pentateuch-Übersetzung in die deutsche Profansprache. Widerspruch kam zum anderen seitens der nichtjüdischen Aufklärer, die in der „bürgerlichen Verbesserung der Juden“ (Christian Wilhelm Dohm 1781) ein Postulat der Vernunft sahen, der rechtlich-politischen Gleichstellung jedoch einen Erziehungs- und Distanzierungsprozess von „vernunftwidrigen“ Frömmigkeitspraktiken vorschalten wollten (149, S. 167). Mendelssohns sicherlich kaum zu überschätzende Bedeutung ist dennoch Gegenstand einer Kontroverse, sieht doch die neuere Forschung zur jüdischen Aufklärung die Haskala allzu sehr auf diese eine dominante Persönlichkeit fokussiert. „Nennt man“, schrieb Horst Möller, „das 18. Jahrhundert ein philosophisches Jahrhundert, könnte man es mit kaum geringerem Recht ein pädagogisches Jahrhundert nennen“ (41, S. 133). Aufklärung, Erziehung und Emanzipation sind für die Protagonisten in einen dreifachen Prozess verwoben: den der individuellen, den der kollektiv-gesellschaftlichen und den der menschheitlichen Fortentwicklung. Die Verstetigung dieses Entwicklungsprozesses über das Individuelle hinaus leistete Ulrich Herrmann zufolge zum einen die (Schul-)Erziehung, zum anderen der gelehrte, der lehrreiche Diskurs in Aufklärungsgesellschaften, -zeitschriften, -libelli, -traktaten und -druckschriften. Die Aufklärer, so Holger Böning (222, S. XXXVIII), begannen sich als Lehrer zu verstehen: als Schulmänner, aber auch als Pädagogen des gerne mit einem Kind verglichenen Volks. Schon der Verbreitungsgrad von Jean-Jacques Rousseaus Émile ou de l’éducation (1762) (251), dem Schlüsselwerk des pädagogischen Jahrhunderts, ließ Aufklärung und Erziehung zu quasi Synonymen werden. Dass die zu einem Gutteil von Pfarrern und in Anlehnung an traditionelle religiöse Volkserziehung getragene Volksaufklärung als Charakteristikum und Fortentwicklung speziell der deutschen Aufklärung zum Forschungsgegenstand wurde, ist allerdings eine eher neue Entwicklung. Rudolf W. Keck nennt sie die „Übertra-
II.
Aufklärung und Erziehung
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II.
Überblick
Aufklärung und Gesellschaft
Aufklärung und Patriotismus
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gung der Aufklärungsidee vom Bürger auf den Unterbürger“ (238, S. 56). Sie verlief nicht spannungsfrei und tatsächlich verweist der bäuerliche Widerstand gegen die Volksaufklärung auf die im Schlusskapitel dargestellten antiaufklärerischen Strömungen. Der Gegenstand der Popularaufklärung, dazu ihres sozialgeschichtlichen Umfelds wie etwa der Alphabetisierungsforschung, war an sich schon nicht unumstritten und konnte sich erst allmählich innerhalb des Untersuchungsfeldes „Aufklärung“ positionieren. Auch der vierte Themenkomplex verweist auf die praktische Dimension der Aufklärung. Schon früh hat die Soziologie die Geselligkeitsformen des 18. Jahrhunderts im Konnex des Gesamtthemas Öffentlichkeit untersucht (39). Die historische Forschung hat sich des weiteren Feldes der Soziabilitäten, also auch der organisatorisch weniger strukturierten Salons und Kaffeehäuser, speziell aber der eigens so bezeichneten Aufklärungsgesellschaften (Richard van Dülmen) erst im Zuge des sozialhistorischen Paradigmenwechsels in den 1970er Jahren angenommen. In ihnen, so das frühe Forschungsinteresse, vollzog sich entschiedener als in anderen Institutionen der Durchbruch bürgerlichen Denkens und bürgerlicher Kultur (289, S. 251). Inzwischen interessieren Mitgliedschaften nicht nur in einer derartigen Gesellschaft, sondern korrespondierende Zugehörigkeiten zu einer gesamten Sozietätslandschaft (Holger Zaunstöck): zu Akademien, zu den als Nachfolgeinstitutionen der Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts entstandenen Deutschen oder Literarischen Gesellschaften, den patriotisch-gemeinnützigen Gesellschaften, schließlich den Lesegesellschaften, vor allem aber den Arkansozietäten wie Freimaurerlogen, Illuminaten- und bedingt auch Gold- und Rosenkreuzerorden (293, 294). Die personenbezogene Ergründung dieser Vernetzungen und Netzwerke spiegelt nicht zuletzt die Wissenschaftsentwicklung der letzten Jahre hin zu kultur-, alltags- und mikro-, vor allem aber kommunikationsgeschichtlichen Fragestellungen. Einen fünften Schwerpunkt bildet die zuletzt auf dem Münchener Historikertag 1996 und in anschließenden Zeitschriftenbeiträgen ausgetragene Diskussion, ob es einen „Nationalismus vor dem Nationalismus“ des 19. Jahrhunderts gegeben habe oder ob das Jahr 1789 eine Demarkationslinie zwischen dem kosmopolitischen, allenfalls patriotistischen Aufklärungszeitalter und dem nachrevolutionären Nationalismus darstelle. Tatsächlich sind die Kontroverspositionen gar nicht so unvereinbar wie es auf den ersten Blick erscheint: Beider Perspektive ist die jenseits des Zäsurjahrs 1789, beide bejahen einen seitdem eingetretenen qualitativen Unterschied (324). Instruktiv ist der Ansatz des amerikanischen Historikers Matthew Levinger (325), dessen Interesse dem protonationalen 18. Jahrhundert gilt. Entsprechend sieht er nicht die Anfänge des Nationalismus im Patriotismus des 18. Jahrhunderts, sondern die Fortexistenz dieses Patriotismus in einem „aufgeklärten Nationalismus“ (enlightened nationalism) der Reformzeit. In diesem aufgeklärten Nationalismus vereine sich das aufgeklärt-absolutistische Prinzip monarchischer Souveränität mit dem revolutionären Prinzip der Volkssouveränität und Volksnation. Der Diskussion über eine breite, bis in das 19. Jahrhundert hineinreichende Epochengrenze lieferte Levinger damit ein weiteres Argument. Die prinzipielle Auseinandersetzung um Kosmopolitismus, Patriotismus und Nationalgeistrezeption im 18. Jahrhun-
Überblick dert ist freilich nicht allein von der skizzierten innerfachlichen Kontroverse, sondern auch zu einem Gutteil von der neueren Literaturwissenschaft (299–301, 348) vorangebracht worden. Sechstens ist in einen Abriss von Kontroversen um die Geschichte das Verhältnis der Aufklärung selbst zur Geschichte aufzunehmen sowie dessen unterschiedliche Bewertung durch die Geschichtswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert. „Geschichte“, hatte 1804 ihr Exponent August Ludwig Schlözer die Aufklärungshistorie charakterisiert, „ist nicht mer blos Biographie der Könige, chronologisch-genaue Anzeige von Thron Veränderungen, Kriegen und Schlachten, Erzählung von Revolutionen und Allianzen. Dies war der Geschmack fast aller AnnoDomini Männer im Mittelalter; und in diesem erbärmlichen Geschmack schrieben wir Deutsche noch vor einem halben Jahrhundert, ehe uns Briten und Franzosen durch bessere Beispiele weckten“ (zit. nach 370, S. 163). Schlözers Zitat zählte die wesentlichen Merkmale der Veränderung im Umgang mit der Geschichte auf, die zur Etablierung als eigenständiges, nicht länger propädeutisches Fach im universitären Kanon beitrug. Die historistische Geschichtswissenschaft hatte die Innovationsleistung der Aufklärungshistorie jedoch bestritten. Lange Zeit dominierte ihr Verdikt des 18. Jahrhunderts als dem „unhistorischen Jahrhundert“, dessen Verhältnis zur Geschichte als rein gegenwartsorientiert, utilitaristisch, bar jeder methodischen oder theoretischen Fundierung beschrieben wurde. Zweitklassige Nachahmer der genannten Briten und Franzosen – gemeint waren Hume, Robertson und Voltaire, allesamt keine genuinen Historiker – hatten die Pauschalverurteilung der Aufklärungshistorie erheblich erleichtert (370, S. 167). Von diesem Klischee (Rüsen) ist die historische Forschung nur sehr allmählich und in kontroverser Auseinandersetzung abgerückt. Eine thematisch begründete Affinität zur Aufklärungshistorie entdeckte seit den späten 1970er Jahren der sozialwissenschaftlich orientierte Zweig der Historiografie. Schien es doch, dass die „vorhistoristische“ Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts längst jenen „Paradigmenwechsel“ vollzogen hatte, den die „nouvelle histoire“ nun einforderte: Abkehr von personen- und rein ereignisorientierter Perspektive, vom Primat der Diplomatie und Außenpolitik und Einführung eines erweiterten Geschichtsbegriffs der „histoire totale“. Aber auch der „konventionelle“ Zweig der Historiografie entdeckte die Aufklärungshistorie und arbeitete Verbindungslinien zum Historismus heraus, so die bereits im 18. Jahrhundert verfeinerte und von Ranke perfektionierte philologisch-kritische Methode sowie den Einfluss der Jurisprudenz auf die Geschichtsschreibung. „Die Aufklärungshistorie“, ist in einem eigenen Artikel in Reclams Lexikon Geschichtswissenschaft zu lesen, „hat die Bedeutung der Parteilichkeit für den historischen Erkenntnisprozess entdeckt und in einer ‘Sehe-Punckt’-Theorie (Johann Martin Chladenius) theoretisch begründet“ (7, S. 36). Ihre Aufnahme unter die „Hundert Grundbegriffe“ belegt zudem, dass nicht nur die dichotomische Gegenüberstellung mit dem Historismus keine Rolle mehr spielt, dass vielmehr die Historiografie der Aufklärungsepoche zu einem Gegenstand sui generis innerhalb der Geschichtswissenschaft geworden ist. „Zur Aufklärung gehörten immer auch ihre Gegner“, schrieb Rudolf Vierhaus, „immer auch ihre Trivialisierer und bloß räsonnierenden Mitläufer“
II.
Aufklärung und Geschichte
Aufklärung und Gegenaufklärung
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II.
Überblick (63, S. 159). Dass die Aufklärung von Anbeginn Widerspruch auslöste, ist geradezu ein Gemeinplatz. Darrin McMahon hat in einer jüngsten Studie die Antiposition des französischen Klerus zur Aufklärung aufgezeigt, wie sie ihm symbolhaft Voltaires „Écrasez l’infâme“ verkörperte (400). Trotz ihrer weit weniger radikalen Position erfuhr auch die deutsche Aufklärung anfänglich vor allem religiös begründeten Widerstand, nämlich seitens der jeweiligen Orthodoxien. Aufklärungsgegnerschaft, wenngleich von Klerikern, etwa den Angehörigen des verbotenen Jesuitenordens, prononciert, war keine primär kirchliche Angelegenheit. Selbst einstige Anhänger wandten sich unter dem Eindruck ihrer Radikalisierung von einer nun von der „wahren“ unterschiedenen „falschen“, in die Revolution mündenden Aufklärung ab. Sehr früh hatte Franz Schnabel (194) das politische Potential dieser Aufklärungsgegnerschaft erkannt, die er als konstitutiv für die Ausprägung des konservativen Denkstils erachtete. Die Konfrontation mit der Aufklärung und nicht erst mit den Folgen der Französischen Revolution benannte auch Fritz Valjavec als Ursache für die Entstehung des Konservativismus, aber auch der übrigen politischen Strömungen. Valjavec (411), vor allem aber Isaiah Berlin (383) stehen freilich erst am Anfang der schließlich siebtens bearbeiteten „Kontroversen um die Gegenaufklärung“. Ein Problem stellt noch immer die fehlende begriffliche Trennschärfe dar. Sollte der Terminus „Gegenaufklärung“ allein auf politische Strömungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts Anwendung finden? Oder war er weiter im Sinne von antirationalistischer, esoterischer, heute wertend so bezeichneter pseudowissenschaftlicher Strömungen zu fassen? Robert Darnton sah im Mesmerismus, dem „animalischen Magnetismus“, die Schnittstelle zwischen den Antipoden Aufklärung und Gegenaufklärung (387). Ähnliches konnte Horst Möller auch für die Freimaurer konstatieren (401). Hier lag nicht nur der Berührungspunkt zwischen Illuminaten und Rosenkreuzern, hier trafen Geheimwissen und Arkanpraxis, der Willen zur Menschheitsbeglückung und Volksaufklärung aufeinander, Indizien der Widersprüchlichkeit der Epoche. Der britische Aufklärungshistoriker Roy Porter sah jedoch gerade in dieser Widersprüchlichkeit ein Element, das das 18. Jahrhundert den Menschen des 20. Jahrhunderts nahe bringe (48). Ein letztes konzeptionelles Problem liegt in der Anlage als Kontroversdarstellung. Die Aufklärung insgesamt wie viele ihrer Aspekte waren bereits unter den Zeitgenossen umstritten. Erst recht avancierte sie nach 1789 zum Kampfbegriff, eine Polarisierung, die sich auch in der historiografischen Bearbeitung niederschlug. Die Wandlung zum weltanschaulichen Terminus erleichtert nun aber gerade nicht die Darstellung anhand einzelner Kontroversen. Besteht doch hier die Gefahr, zwei diametrale Positionen lediglich in thematischer Variation zu wiederholen, die sich letztlich auf den Gegensatz von „Modernisten“ und „Antimodernisten“, im Bereich der Geschichtswissenschaft auf den Streit zwischen Ereignis- und Strukturgeschichte reduzieren ließe. Mitunter ist die Erforschung längst über das Stadium der Kontroverse hinausgegangen, während sich bestimmte Aspekte als nie umstritten gar nicht in das polare Raster fügen lassen. Zielgruppe der Kontroversen um die Geschichte sind angehende Historiker, weshalb der Zuschnitt dieses Bandes trotz der Universalität des Themas primär historisch-politisch ist. Damit ist der im Zeitalter der Aufklärung so bedeuten-
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II.
Überblick den philosophischen Dimension ein marginaler, der nicht minder wichtigen Literatur und Literaturtheorie der Aufklärung kein Platz eingeräumt. Dass eine solche Schwerpunktsetzung mit gutem Grund angreifbar ist, ist evident, doch hatte bei der Konzeptionierung der Bedarf der Prüfungskandidaten im Fach Geschichte Vorrang.
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III. Forschungsprobleme 1. Aufklärung und Absolutismus Staatsnähe der deutschen Aufklärung
Was charakterisiert einen „aufgeklärten Monarchen“?
Naturrechtliches Herrschaftsverständnis
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Als eine im westeuropäischen Vergleich augenfällige Besonderheit der deutschen Aufklärung hatte Horst Möller deren Staatsnähe bezeichnet (126, S. 87): Staatsnähe wegen der zu einem Gutteil beamteten Trägerschicht, Staatsnähe aber auch wegen ihrer dadurch bedingt deutlich geringeren Radikalität. Aufgeklärte Ideen, so der britische Historiker Charles Ingrao, die jenseits des Rheins eine systemzerstörende destruktive Kraft entwickelten, ließen sich hier problemlos in die Matrix traditioneller Auffassungen, Werte und Institutionen einfügen (72, S. 224). Tatsächlich setzte diese aufgeklärte Elite mehrheitlich auf den Reformwillen jener etwa 20 Territorialherren (78, S. 5), die der von Paris aus urteilende Melchior Grimm um 1770 als der Aufklärungsbewegung aufgeschlossen bezeichnet hatte (83, S. 25). Als „despots éclairés“, so die zeitgenössische Bezeichnung, galten neben dem längst kritisch gesehenen Preußenkönig Friedrich II. Kaiser Joseph II., Markgraf Karl Friedrich von Baden, Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau oder Herzog Karl August von Sachsen-Weimar. Der Aufklärung standen aber auch geistliche Landesfürsten nahe: die Würzburger respektive Salzburger Fürstbischöfe Franz Ludwig von Erthal und Hieronymus Graf Colloredo, die Erzbischöfe Emmerich Joseph (Mainz), Clemens Wenzeslaus (Trier) und Maximilian Franz (Köln). Was machte diese „despots éclairés“ für Zeitgenossen wie Nachwelt zu „aufgeklärten Fürsten“? Die Aufklärungsepoche honorierte die Beteiligung am aufgeklärten Diskurs: Korrespondenz, mitunter persönliche Kommunikation mit ihren Protagonisten sowie deren Förderung; im Idealfall aktive Partizipation am Aufklärungsprozess mit eigenen Beiträgen. Zarin Katharina II. stand im Briefwechsel mit den Enzyklopädisten, berief Diderot gar an ihren Petersburger Hof; Markgraf Karl Friedrich von Baden korrespondierte mit den französischen Physiokraten, deren Theorien er wenn auch erfolglos praktisch erproben ließ. Friedrich II. schließlich, der „Prototyp“ des aufgeklärten Monarchen, holte sich Maupertuis als Berliner Akademiepräsidenten, d’Argens, La Mettrie und vor allem Voltaire als Gesprächspartner nach Sanssouci, gleich zu Beginn seiner Herrschaft den einst vom Vater vertriebenen Aufklärungsphilosophen Christian Wolff zurück an die Universität Halle. Den Ruf des „roi philosophe“ hatte er als Verfasser historisch-politischer und philosophischer Essais, so zuerst des Antimachiavell (117) begründet. Indiz der Aufklärungsnähe war zweitens ein verändertes, naturrechtliches Herrschaftsverständnis. Friedrich II. etwa verstand sich nicht länger als Herrscher von Gottes Gnaden, sondern als ein im Lockeschen Sinne vertragsrechtlich legitimierter Regent. Dies implizierte für ihn jedoch weder die Entwicklung seiner Herrschaft zur konstitutionellen Monarchie noch die Kündbarkeit des gedachten Herrschaftsvertrages. Die Erblichkeit der Monarchie stand für ihn wie für andere aufgeklärte Fürsten außer
1. Aufklärung und Absolutismus Frage. Die vertragsrechtliche Legitimierung von Herrschaft bedeutete für ihn vielmehr eine Selbstverpflichtung, eine Identifikation mit dem Staatsinteresse als viel zitierter erster und – wie Wolfgang Reinhard hervorhob – „im Grunde einziger Diener des Staates“ (77, S. 51). „[…] der liebe Gott hat euch auf den trohn gesetzet nicht zu faullentzen, sondern zur arbeitten und seine Lender wohll zu Regiren“, war Friedrich II. vom Vater instruiert worden (306, S. 224). Geändert hatte sich das bis an Sklaverei grenzende Arbeitsethos, der monarchische Habitus, der bis zur Knauserigkeit gesteigerte Umgang mit den Staatsfinanzen. Dass ein Regent wie Joseph II. sein Privatvermögen zur Abtragung des Staatsdefizits einsetzte, dies seinem in Florenz residierenden Bruder Leopold, Großherzog Pietro Leopoldo von der Toscana, gar zur Nachahmung empfahl, war ein bis dahin ungekanntes Novum. Die Frage nach der aufgeklärten Substanz dieses „aufgeklärten Absolutismus“ wurde und wird seitens der historischen Forschung sehr unterschiedlich beantwortet. Einig ist man sich darüber, dass das begrifflich sehr viel später geprägte Amalgam zumindest Widersprüchliches vereine. „Es ist keine neue Erkenntnis“, folgerte Karl Otmar von Aretin, „wenn wir feststellen, dass sie sich in letzter Konsequenz ausschließen“ (83, S. 22). Das „Aufgeklärte“, jene Verbindung von Aufklärung und Absolutismus, wurde seit den 1960er Jahren mehr und mehr kritisch betrachtet und dabei wenig aufgeklärte Substanz vorgefunden, dafür „sehr viel Zynismus“ (François Bluthe). Vor allem die aufgeklärten Prinzipien wenig entsprechende Machtpolitik der „despots éclairés“ nach außen mochte hierbei als Beleg dienen: Kabinettskriege, militärischer Expansionismus, der wie eh mit zweifelhaften Erbansprüchen begründet wurde, und schließlich als Fanal die Teilungspolitik gegenüber der polnischen Adelsrepublik. Was unterschied denn eigentlich Friedrich II., der seinen Beinamen „der Große“ eben dieser Machpolitik, nicht aber der Teilhabe am Diskurs der Aufklärung verdankte, vom expansionistischen Louis le Grand? mochten Kritiker fragen. Auch das innere Reformwerk wurde nunmehr einer kritischen Revision unterzogen. Auf der Liste der Aktiva hatten bislang die zu Charakteristika des Vernunftzeitalters erhobenen Toleranzpatente und Meliorationen gestanden: die Abschaffung der Tortur und Reduktion der Todesstrafe auf wenige Delikte; die Tolerierung konfessioneller Minderheiten, 1781 der Protestanten und Juden in den habsburgischen Erblanden; die Aufhebung von Zensur, der Leibeigenschaft 1783 auf den Domänen des badischen Markgrafen. Hinzuzuzählen waren Maßnahmen wie die Vermittlung von basic skills, den Elementartechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens durch die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht 1763 in Preußen, 1774 in der Habsburgermonarchie; die Verbesserung der medizinischen Versorgung, der Frauen im Kindbett einerseits, der Verwundeten im Krieg andererseits, schließlich eine allgemeine Immunisierung durch Pockenimpfung. Zu ergänzen wäre die Einrichtung von Waisen- und Armenhäusern, die Urbarmachung des Oderbruchs, die Peuplierungspolitik, die Aufhebung von Binnenzöllen, die Zurückdrängung des Zunftwesens und der Aufbau von Manufakturen, die importunabhängig Tuche oder Luxusgüter produzierten. Dass die getroffenen Modernisierungsmaßnahmen selten originär waren, war dabei ein minder zu gewichtender Einwand. Substantieller war die
III.
Hat der aufgeklärte Absolutismus eine „aufgeklärte Substanz“?
19
III.
Forschungsprobleme
Aufgeklärter Absolutismus – Kalkül im Sinne der Staatsräson?
Kritik, dass viele der aufgezählten Schritte eher kameralistischem, auch religiös-paternalistischem, weniger dezidiert aufgeklärtem Denken entsprangen und in erster Linie der Steigerung staatlicher Effizienz und Macht dienten. Nicht wenige Maßnahmen hatten bereits die absolutistischen Monarchen des 17. Jahrhunderts initiiert, einzelne vollzogen selbst jene Herrscher des 18. Jahrhunderts, die kaum als genuin aufgeklärt anzusehen waren. Manche Reformmaßnahme bremsten die ständestaatlichen Strukturen, wie Wolfgang Neugebauer am Beispiel des preußischen Schulwesens dokumentiert hat (245, 246). Die brisante Frage der Erbuntertänigkeit rührte Friedrich II. gegen seine persönliche Überzeugung nicht an, da er eben an jenen Fundamenten des Ständestaates nicht rütteln wollte. Und manches Novum verdankte schließlich seine Entstehung weit eher privater denn landesherrlicher Initiative, so etwa das Schulexperiment des Freiherrn Friedrich Eberhard von Rochow auf seinem Gut Reckahn (41, S. 140) (vgl. Kapitel 3). Was war, um in das Zentrum der Kritik zu lenken, die Intention aufgeklärt-absolutistischen Reformhandelns? War dieses nicht doch primär utilitaristisches Kalkül im Sinne der Staatsraison? Ging es nicht in erster Linie um die Erhöhung der Steuereinnahmen, die Vergrößerung der Heeresstärke? War dann das innere Reformwerk nicht doch wenig mehr als Camouflage, der „aufgeklärte Absolutismus“ letztlich eine „historiografische Chimäre“ (88, S. 119)? Die Sozialdisziplinierung eine Grundtatsache und Leitidee des Zeitalters der Aufklärung (Gerhard Oestreich)? Der Terminus ein „abgenutztes Werkzeug zur Erforschung einer Übergangsperiode zwischen Feudalismus und der kapitalistischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts“ (85, S. 408)? War dann der Kunstbegriff des „aufgeklärten Absolutismus“ nicht mehr als revisionsbedürftig, wenn er so wenig Realitätsbezug hatte? Es wird im Folgenden nicht nur die Kontroverse um die Tauglichkeit dieses Begriffs darzustellen, sondern diese Debatte auch am historischen Fallbeispiel zu vertiefen sein.
a) Die Absolutismusdebatte und der Streit um die Vereinbarkeit von Aufklärung und Absolutismus Begriffsgeschichte des „aufgeklärten Absolutismus“
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Der Forschungsentwicklung entsprechend ist zumindest in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung die Frage nach der Tauglichkeit allgemein des ‘Absolutismus’ wie speziell des ‘aufgeklärten Absolutismus’ als Epochenbegriff wiederholt diskutiert worden. „Kaum ein anderer Begriff der modernen Geschichtswissenschaft ist seit seiner Einführung […] so oft zur Diskussion und in Frage gestellt worden wie der Terminus ‘aufgeklärter Absolutismus’“ (70, S. 223). Erst jüngst verteidigte Peter Baumgart in seiner Würzburger Abschiedsvorlesung beide Bezeichnungen als etablierte und berechtigte Leitbegriffe frühmoderner Staatlichkeit (84, S. 583) gegen das Verdikt einer „begrifflichen Fehlleistung der Historiografie“ (86, S. 104). Allein die Schärfe der zuletzt in der Historischen Zeitschrift respektive der Zeitschrift für Historische Forschung ausgetragenen, von Baumgart freilich als ‘scheinbar’ charakterisierten ‘Absolutismusdebatte’ illustriert die Grundsätzlichkeit einer nun nicht gerade neuen Auseinandersetzung.
1. Aufklärung und Absolutismus Absolutismus wie aufgeklärter Absolutismus sind keine Begrifflichkeiten der Zeit. Wie Rudolf Vierhaus in seinem Lexikonartikel in Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft (80, Sp. 17) zeigt, war ersterer nicht vor Ende des 18. Jahrhunderts gebräuchlich. Peter Baumgart verweist zudem auf seine negative Konnotation als Kampfbegriff und perhorreszierter Zustand der liberalen Staatslehre des 19. Jahrhunderts (84, S. 581). Auch der ‘aufgeklärte Absolutismus’, dies stellen Befürworter wie Kritiker seiner Brauchbarkeit heraus (z. B. 85, 87, 130), ist ein Kunstbegriff des 19. Jahrhunderts. Er ist folglich „in den Quellen der Epoche, die er bezeichnen soll, […] nicht unmittelbar zu finden“ (130, S. 86). In die Historiografie hatte ihn der Nationalökonom Wilhelm Roscher eingeführt, der 1847 in einem Aufsatz Umrisse zur Naturlehre der drei Staatsformen und noch einmal 1874 in seiner Geschichte der National-Ökonomik in Deutschland ein dreistufiges Modell zur Periodisierung absolutistischer Herrschaft vorstellte. Er unterschied einen frühen konfessionellen Absolutismus zur Zeit Philipps II. von Spanien bis zur Regentschaft Kaiser Ferdinands II. („cuius regio, eius religio“), einen klassisch-höfischen Absolutismus, wie ihn Ludwig XIV. mit dem ihm zugeschrieben „l’état c’est moi“ verkörperte, und schließlich einen aufgeklärten Absolutismus, dessen Personifizierung Roscher in Friedrich II. als „erstem Diener des Staates“ sah. Sein Modell wollte Roscher dabei als Stufenfolge und die letzte als höchste Stufe und Steigerung des Absolutismus verstanden wissen, die den aufgeklärten Monarchen in seiner unumschränktesten Macht zeigte (92, S. 148). Roschers „aufgeklärter Absolutismus“ setzte sich zumindest bei deutschsprachigen Historikern gegen den älteren, auf den zeitgenössischen „Despotisme juste et éclairé“ oder „Despotisme légal“ von Diderot (um 1773) beziehungsweise Le Mercier de la Rivière (etwa 1766) zurückgehenden Terminus ‘aufgeklärter Despotismus’ durch (88, 92, 96, 97). Während englisch- und französischsprachige Kollegen den Despotismusbegriff noch immer deshalb bevorzugen, weil er den Abstand Süd-, Mittel- und Osteuropas zur konstitutionellen Realität Englands besonders herausstellt, scheint dieser manchem deutschen Historiker im „Jahrhundert der Diktaturen“ zu negativ besetzt, um ein Phänomen des 18. Jahrhunderts wertneutral zu kennzeichnen. Mit Einschränkungen gilt ihnen dies auch für den Terminus „Absolutismus“. Roschers Begriff fand Eingang in die historischen Handbücher, habe aber, so Gottfried Niedhart, bald eine solche Fülle von Inhalten angenommen, „dass seine Verwendung als analytische Kategorie höchst fragwürdig geworden ist“ (100, S. 199). Seit dem Osloer Historikerkongress von 1928 und dem Vortrag von Michel Lhéritier stritten und streiten Historiker über Definitionen (87, S. 10, 102, S. 11) und bewerten mal das aufgeklärte, mal das absolutistische Moment höher (100, S. 199 f.). Wie schon für Otto Hintze ist für Walther Hubatsch oder Karl Otmar von Aretin der aufgeklärte Absolutismus die „Vorstufe unseres modernen Rechts- und Verfassungsstaates“. In Anlehnung an Fritz Hartungs These, der aufgeklärte Absolutismus sei eine „von der Philosophie, insbesondere der Staatslehre der Aufklärung stark beeinflusste Regierungsweise“, betonen sie die Differenz zum Absolutismus. Für eine sozialhistorische Forschungsrichtung ist die aufgeklärte Monarchie in Anlehnung an Roschers Modell die übersteigerte
III.
Stufenmodell Wilhelm Roschers
„Aufgeklärter Despotismus“?
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III.
Forschungsprobleme
Vereinbarkeit von Aufklärung und Absolutismus?
Was heißt „aufgeklärter Absolutismus“?
Alternativbegriff: Reformabsolutismus
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Form des Absolutismus. Günter Birtsch, Gottfried Niedhart, mit Einschränkung auch Volker Sellin sehen in ihr die „Strategie zur Wahrung des gesellschaftlichen und politischen Status quo“ (130, S. 87). Die auch von Aretin zugestandene fundamentale Zweideutigkeit des aufgeklärten Absolutismus kommt vielleicht am schönsten in Franz Schnabels Kennzeichnung als „Entzauberung der Monarchie von Gottes Gnaden“ (194, I, S. 51) zum Ausdruck. An sie lehnt sich Rudolf Vierhaus’ Interpretation als „späteste Erscheinungsform des Absolutismus“ an, „nicht die höchste und ausgeprägteste, denn theoretisch und auch schon praktisch wirkte er selber mit, das Ansehen der absoluten Monarchie zu erschüttern und sogar von oben her zu ‘revolutionieren’ (Joseph II.)“ (80). Die DDRHistoriografie hat diese Zweideutigkeit als Widerspruch von Unvereinbarem, von reaktionärem ‘Feudalabsolutismus’ und der als grundsätzlich ‘bürgerlich-emanzipatorisch’ definierten Aufklärung interpretiert und als Epochenbegriff grundsätzlich abgelehnt (40, S. 469). Was verstanden und verstehen die Historiker unter ‘aufgeklärtem Absolutismus’? Fritz Hartung hatte seine zitierte Definition bereits in einem erstmals in der Historischen Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz vorsichtig relativiert. Peter Baumgart wollte sie dennoch als letztlich plausibel akzeptiert wissen. Karl Otmar von Aretin formulierte ähnlich und bezeichnete in Anlehnung an Kant die „Maximen einer neuartigen Philosophie und ihrer Erkenntnis“ als Richtschnur aufgeklärt absolutistischen Handelns, mit dem Monarchen des 18. Jahrhunderts daran gingen „die Welt von Grund auf zu wandeln“ (83). Die Lücke zwischen so definiertem „Programm“ und der Herrschaftspraxis aufgeklärter Despoten wertete er folgerichtig als „System der Widersprüche“. Doch war, so fragte Volker Sellin (130, S. 85), die wie auch immer gefasste Staatslehre der Aufklärung tatsächlich jemals Programm, Handlungsmaxime eines Regenten wie Friedrich II., Joseph II., Markgraf Karl Friedrich von Baden, Katharina II. von Russland, von Ministern wie Haugwitz, Kaunitz oder selbst des Physiokraten Turgot? Suggeriert der Begriff „aufgeklärter Absolutismus“ nicht vielmehr eine „Verschmelzung von Aufklärung und Absolutismus, die vielleicht von keinem der so genannten aufgeklärten Fürsten jemals auch nur annäherungsweise ernsthaft gewollt, sondern allenfalls auf sehr begrenzten Gebieten vereinzelt angestrebt wurde“ (130, S. 85)? Nur dann könne ernsthaft von einer aufgeklärten Regierung gesprochen werden, wenn ihre Handlungen als aufgeklärte gewollt waren (130, S. 90). Seine eigene Analyse der aufgeklärt absolutistischen Herrschaft Friedrichs II. kommt ähnlich wie Günter Birtschs idealtypischer Vergleich des Preußenkönigs mit Joseph II. und Karl Friedrich von Baden zu dem Schluss, dass wohl allein ersterer diesem Anspruch nahe käme. Friedrichs II. autokratischen Herrschaftsstil, der „wenig vom Idealbild des einem ineinander greifenden Räderwerk gleichenden Aufklärungsstaats übrig lässt“, sah aber nicht erst Gottfried Niedhart (100, S. 209) als eigentlich genuin absolutistisch. Die Probleme einer Periodisierung des „aufgeklärt-absolutistischen Zeitalters“ sind mit denen der einleitend beschriebenen Datierung der Aufklärungsepoche verwoben und müssen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Enge Epochengrenzen setzte Peter Baumgart, der den aufgeklärten Absolutismus im Wesentlichen auf die Regierungszeit Friedrichs II. begrenzte.
1. Aufklärung und Absolutismus Hingegen fassten Birtsch und Sellin den zeitlichen Rahmen deutlich weiter. Bereits 1976 zog Volker Sellin die Kontinuitätslinien in die Regierungszeit früherer Hohenzollern wie Friedrich Wilhelm I., ja sogar des Großen Kurfürsten oder anderer deutscher Monarchen des 17. Jahrhunderts wie Karl Ludwig von der Pfalz (130, S. 103). Günter Birtsch (87, S. 11) verwies auf die Schwierigkeit einer Typisierung des vorfriderizianischen Preußen als aufgeklärt, subsumierte jedoch Friedrich Wilhelm I. unter einen modifizierend „pragmatisch“ genannten „(Proto)-Reformabsolutismus“. Reformabsolutistische Kontinuitäten der nachfriderizianischen Zeit sah Birtsch (87, S. 109) hingegen in Einzelmaßnahmen des eigentlich gegenaufklärerischen Strömungen zuneigenden Friedrich Wilhelm II., etwa in der Sanktionierung des Allgemeinen preußischen Landrechts 1794. Problematisch erscheint die Epochenbezeichnung des aufgeklärten Absolutismus schließlich hinsichtlich ihrer Generalisierbarkeit. Keiner der beiden Termini taugt zur Darstellung der staatsrechtlichen Realität im England oder Polen des 17. und 18. Jahrhunderts (95, S. 287). Weder lassen sich die absolutistischen Tendenzen der Stuartdynastie ernsthaft mit dem gleichen Begriff belegen wie die Herrschaftspraxis im Frankreich Ludwigs XIV., noch lässt sich die konstitutionelle Monarchie nach 1689 in „aufgeklärt absolutistische“ Zusammenhänge pressen. Schweden erlebte im ausgehenden 17. Jahrhundert eine allerdings kurze absolutistische Phase, unter Gustav III. Ende des 18. Jahrhunderts eine Blüte des aufgeklärten Absolutismus. Von einem aufgeklärt-absolutistischen Frankreich ist ernsthaft nie die Rede gewesen, die kurzfristigen, vor allem finanzpolitischen Reformversuche unter dem physiokratischen Minister Turgot dienen weit mehr der Illustration des Scheiterns jenes letztlich mitteleuropäischen Phänomens (130, S. 102). Günter Birtsch deutete den „aufgeklärten Absolutismus“ gar als einen streng genommen einzig auf das Preußen Friedrichs II. gemünzten und deshalb nicht generalisierbaren Begriff (87, S. 46). Exzeptionell sei der Preußenkönig, weshalb Kant in seinem berühmten Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ vom ‘Jahrhundert Friedrichs’ und eben nicht vom ‘Jahrhundert der Aufklärung’ geschrieben habe. Wie für den übergeordneten Epochenbegriff so sind auch für den aufgeklärten Absolutismus begriffliche Alternativen diskutiert worden. Einer strukturgeschichtlichen Geschichtsschreibung scheint der kürzlich erneut von Heinz Duchhardt vorgeschlagene Ersatz des Absolutismus durch den aus Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft entlehnten Barockbegriff die metapolitische Ebene der Zeit besser zu fassen. „‘Barock’ hätte den Vorteil, die herrschaftsbezogene Sicht […] aufzuheben, hätte den Vorteil, von Nachbardisziplinen der Geschichtswissenschaft weitgehend akzeptiert worden zu sein, hätte den Vorteil, als primär kultur- und sozialgeschichtliche Kategorie […] zu einer ganzheitlichen Sicht der Epoche verhelfen zu können“ (88, S. 120). Gerade die Übernahme des Alternativvorschlags aus Kunst, Musik und Literatur, der sich nicht einmal hier stringent als Epochenbezeichnung, geschweige denn zur Charakterisierung der Staatsverfassung des 17. Jahrhunderts eignet, wurde von Historikern wie Peter Baumgart entschieden abgelehnt. Nicht anders erging es den Ersatzvorschlägen ‘Reformabsolutismus’ (Birtsch) oder „vollentwickelter Absolutismus“ (Hartmut Lehmann). Wollte Günter Birtsch mit seinem Vorschlag
III.
Alternativbegriff: Barock
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III.
Forschungsprobleme auf Kontinuitäten zwischen „pragmatischen“ und „aufgeklärten“ Reformern (Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., Maria Theresia und Joseph II.), aber auch auf die „Brechung und Instrumentalisierung aufgeklärter Impulse durch die Wirklichkeit der Staats- und Gesellschaftsverfassung“ (86, S. 109) verweisen, so sahen seine Kritiker in diesem wie dem Ersatzbegriff Lehmanns keinen spezifischen Bezug zur Herrschaftsrealität des 18. Jahrhunderts. „Insbesondere“, resümierte Peter Baumgart, „führt der weite und vage Leitbegriff ‘Reformabsolutismus’ nicht weiter, der kein Spezifikum des späteren 18. Jahrhunderts war“ (84, S. 589). „Wo liegen die Kriterien für spezifische Reformen des Aufgeklärten Absolutismus?“ fragte jüngst auch Helmut Reinalter. „Birtsch hat sie jedenfalls nicht entwickelt“ (102, S. 18). Letztlich mag Baumgarts Prognose für den Ausgang der Kontroverse zutreffend sein, weil die schon wiederholt zur Disposition gestellten Epochenbegriffe eben mehr als nur zählebig sind (103, S. 1). Der als „griffig“ und auf den ersten Blick „einleuchtend“ (86, S. 107) etablierte aufgeklärte Absolutismus wird sich wohl behaupten, nicht nur, weil auch die Alternativvorschläge nicht wirklich überzeugen.
b) Preußischer Aufklärungsstaat – preußischer Absolutismus Friedrich der Große
Der „roi philosophe“ – eine Legende?
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Wer sich mit der Geschichte des Ancien Régime befasst, so kürzlich Johannes Kunisch, „hat die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, das Aufgeklärte am so genannten aufgeklärten Absolutismus nachzuweisen“ (121, S. 250). Nachweislich und daher unbestritten ist die zumindest rezeptive Teilnahme an und theoretische Auseinandersetzung mit der Aufklärung von Monarchen wie Friedrich II. Seine lebenslange Partizipation am Aufklärungsprozess sowie die stete Reflexion von Herrschaft gestatte es, wie Theodor Schieder in seiner Biografie des Preußenkönigs schrieb, ihn tatsächlich in der Aufklärung zu verorten (129, S. 304). Ansonsten, so Schieders Resümee, habe sich der aufklärerische Idealismus der Kronprinzenzeit bald in der Machtpolitik verflüchtigt. Ein Widerspruch zwischen „vie privée“ und „vie politique“ Friedrichs II. oder doch eher ein Indiz der generellen Unvereinbarkeit von Aufklärung und absolutistischer Herrschaftspraxis? Dieser letztgenannte Aspekt der nur mehr theoretischen oder doch auch praktischen Relevanz des „Aufgeklärten“ im „aufgeklärten Absolutismus“ wurde und wird innerhalb der historischen Forschung kontrovers diskutiert. Während Günter Birtsch Friedrich II. zum „Idealtypus“ eines „Reformabsolutismus“ (87) erhob, diesen Reformabsolutismus jedoch nicht zwingend in kausalem Zusammenhang mit der Aufklärung sah, betrachtete die britische Historikerin Betty Behrens die preußische Aufklärung als „persönliche Ideologie ihres Königs“ (110, S. 178). Ingrid Mittenzwei, marxistische Biografin des „roi philosophe“, erklärte den „Aufklärer auf dem Thron“ schlichtweg zur Legende (99, S. 1162). Aufgeklärte Prinzipien sahen auch bundesdeutsche Historiker im autokratisch regierten Preußen Friedrichs II. kaum realisiert. „Wenn etwa Friedrich der Große“, so Gottfried Niedhart, „immer wieder gewähltes und gerühmtes Beispiel für aufgeklärte Herrschaft, auf ein Telos hin orientiert
1. Aufklärung und Absolutismus war, seinen Absolutismus durch den auch über seiner Person stehenden Staatszweck begründete und auf allen Gebieten […] zu einer Steigerung der gesamten Staatstätigkeit kommen wollte, so hieß dies in der Konsequenz Verbesserung der Reichweite zentralstaatlicher Verfügungsgewalt, die nach der Überzeugung des Königs wiederum mit der Person der Monarchen zusammenfallen sollte“ (100, S. 204). Kurzum, der aufgeklärte Absolutismus in Preußen müsse als ein instabiles Regierungsprojekt gesehen werden, das grundsätzlich unverträgliche politische und philosophische Prinzipien zu vereinen suche, resümierte zuletzt der amerikanische Historiker Matthew Levinger (325, S. 38). Wer den Absolutismus dominant, das „aufgeklärte Beiwerk“ lediglich als Feigenblatt und „Strategie zur Festschreibung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung“ (86) sehen wollte, dem kam entgegen, was Johannes Kunisch über die schwer nachweisliche spezifisch aufgeklärte Substanz im aufgeklärten Absolutismus sagte. Wenn Günter Birtsch die Kontinuitätslinien seines „Reformabsolutismus“ bis zum Soldatenkönig auszog, Volker Sellin fragte, „ob wirklich erst Friedrich II. oder nicht vielmehr schon Friedrich Wilhelm I. zu den aufgeklärten Herrschern zu rechnen sei“ (130, S. 103), dann doch deshalb, weil den Maßnahmen an sich die aufgeklärte oder nicht aufgeklärte Intention nicht anzusehen ist. Hinzu kam, dass die von Friedrich II. nach 1740 eingeleiteten Reformen kein System bildeten (125, S. 146). In vielem blieb Friedrich II. zudem älteren Herrschertraditionen verhaftet. Weit mehr als sein Vater suchte er den Konsens mit dem grundbesitzenden Adel, aus dem sich nicht zuletzt die preußischen Offiziersränge rekrutierten. Ohne einen Konflikt ließ sich jedoch das drängende Problem der Erbuntertänigkeit nicht angehen, eine Patrimonialrecht tangierende Justizreform ebenso wenig durchsetzen wie eine staatliche Schulpflicht, von der Bremswirkung der gesellschaftlichen und Besitzstrukturen auf die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten gar nicht zu reden. Die Förderung vor allem adeliger Karrieren in der Bürokratie bedeutete im Vergleich zu Preußens „innerem König“ Friedrich Wilhelm I. (Carl Hinrichs) wohl gar einen Rückschritt. Auf wirtschafts- und finanzpolitischem Sektor blieb Friedrich II. den kameralistischen Theorien des ausgehenden 17. Jahrhunderts verpflichtet, wie sie etwa an dem von seinem Vater eingerichteten Lehrstuhl der Universität Frankfurt/Oder vertreten wurden: Kapitalansammlung, Protektionismus, Staatsmonopolismus, Dirigismus und Autarkiestreben. In der Praxis bedeutete dies die Aufrichtung oder Aufrechterhaltung selbst innerstaatlicher Zollbarrieren zum Schutz bestimmter Wirtschaftsräume oder Gewerbezweige: Das neu erworbene Schlesien etwa wurde lange Zeit handelspolitisch als Ausland behandelt, die Mark Brandenburg selbst gegen die Westprovinzen zollpolitisch abgeschirmt. „Wolle durfte aus der Mark nicht in die traditionell starke Tuchindustrie an der Oder geliefert werden, schlesisches Glas nicht in die Mark“ (127, S. 142). Am augenfälligsten war die protektionistische Förderung der Seidenindustrie, einem unter den klimatischen Gegebenheiten kaum gewinnbringend realisierbaren Lieblingsprojekt des Königs, dessen Niedergang mit seinem Tod besiegelt war. Den Absatz jener Luxusartikel im Land garantierten Zwangsabnahmen, etwa durch die Berliner Schutzjuden, die seit 1769 ein
III.
Aufgeklärte oder paternalistische Reformpolitik?
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III.
Forschungsprobleme
Innovanz in zentralen Anliegen der Aufklärung?
Justizwesen
religiöse Toleranz
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festgesetztes Quantum minderwertiger Ware der Königlichen Porzellanmanufaktur erwerben mussten – zu weit überhöhten Preisen (202, S. 27, 212, S. 176)! Die handelspolitisch wichtige Erschließung des Wegenetzes blieb auch in damaliger Perspektive ambivalent: Während einerseits Kanalbauprojekte wie der Plauer (1743/1746), Finow- (1746) oder Bromberger Kanal (1774) vorangetrieben wurden, wurde der auch militärstrategisch wichtige Straßenbau vernachlässigt. Die fast schon synonymisch mit der Regentschaft Friedrichs II. verbundenen Meliorationsprojekte im Oderbruch wiederum hatten ihre Vorläufer in der Zeit des Soldatenkönigs (127). Auf ältere Zusammenhänge verweist sodann die traditionale Finanzpolitik, die Friedrich II. zur Konsolidierung der nach dem Siebenjährigen Krieg zerrütteten Staatsfinanzen betrieb. Hier stand die Übernahme des französischen Regiesystems in offenkundigem Bezug zum französischen Absolutismus (130, S. 111). Auf dem Sektor der Außenpolitik erwarteten Kritiker ohnehin nichts anderes als traditionale Machtpolitik. „Untersucht man am Beispiel Friedrichs II.“, so Ingrid Mittenzwei, „inwieweit der aufgeklärte Absolutismus nicht nur Theorie, sondern auch Regierungspraxis war, so müssen einige Bereiche der Politik von vornherein aus der Betrachtung ausgeklammert werden“ (99, S. 1170). Die Außenpolitik, die, rein machtpolitisch orientiert, den aggressiven Interessen der herrschenden Klasse diente, so ihr Urteil, habe ohnehin nicht das Geringste mit den Ideen der Aufklärer zu tun; von der Militärpolitik ganz zu schweigen. Nun scheint es tatsächlich schwierig, qualitative Veränderungen etwa in der brandenburgpreußischen Reichspolitik in spezifisch aufklärerischen Bezügen zu charakterisieren. Allein die Offenkundigkeit des Paradigmenwechsels gerade hier bestärkte Historiker so unterschiedlicher Provenienz wie Volker Sellin, Tim Blanning oder Horst Möller, diesen außenpolitischen Aspekt im Streit um den „aufgeklärten Absolutismus“ verstärkt zu berücksichtigen (112, S. 279). Erwies sich Friedrich II. auf den genannten Sektoren nicht gerade als innovativ, so hatte er sich doch wenigstens auf dem ureigensten Terrain der Aufklärung, den menschheitlichen und menschenrechtlichen Anliegen, als Neuerer zu zeigen. Dazu zählte die Abschaffung der Tortur, Anwendung der Todesstrafe – eine im Zusammenhang des Fluchtversuchs 1730 und der Hinrichtung Kattes elementare biografische Erfahrung – auf wenige Delikte, Reform des Justizwesens insgesamt, Realisierung religiöser Toleranz, Aufhebung der Zensur als Voraussetzung eines allgemeineren Aufklärungsprozesses im Lande, Förderung der Elementarbildung als dessen weiterer Bedingung. Einige dieser Projekte „im Geist der Aufklärung“ hat der preußische König unmittelbar nach der Thronbesteigung verwirklicht. Andere jedoch wurden halbherzig angegangen und blieben letztlich Fragment, einzelne wiederum hatten ihren Ursprung in älteren Zusammenhängen. So hatte die Tolerierung Andersgläubiger in Brandenburg-Preußen eine deutlich längere Tradition als bei den übrigen deutschen Reichsständen bis ins Jahr der zweiten, reformierten Konversion der Hohenzollern 1613. Seither waren vornehmlich protestantische Glaubensflüchtlinge im Land aufgenommen worden: französische Hugenotten, böhmische Herrnhuter, Salzburger Protestanten, kleinere Religionsgemeinschaften (Baptisten) und Erweckungsbewegungen. Die kameralistischen Hintergründe dieser „Tole-
1. Aufklärung und Absolutismus ranzpolitik“ sind immer wieder betont worden, hatte doch die Ansiedlung hugenottischer Händler und Handwerker respektive Salzburger Kolonisten, die kriegsbedingt entvölkertes Gebiet besiedelten oder Ödnisse urbar machten, massiven wirtschaftlichen Nutzen. Das fiskalische Motiv gilt wohl noch mehr für die Ansiedlung von 50 aus Wien vertriebenen jüdischen Familien 1671. Und schließlich war auch die Aufnahme von Jesuiten nach dem Verbot des Ordens 1773 von utilitaristischer Erwägung bestimmt, etwa der ihrer Einsetzbarkeit im Schulunterricht. Der Bau der 1773 geweihten katholischen Hedwigskathedrale in Berlin zeigte eine konfessionelle Aufgeschlossenheit, die außergewöhnlich war: Außergewöhnlich im Vergleich zu dem erst nach 1777 bikonfessionellen Baden (Durlach), das erst nach der Wende zum 19. Jahrhundert ein katholisches Gotteshaus in der Karlsruher Residenzstadt errichtete. Außergewöhnlich aber vor allem im Vergleich zur Habsburgermonarchie, in der ein solcher Schritt kaum denkbar war. Pragmatismus bewies Friedrich II., dies beschreibt etwa Anton Schindling (193, S. 269), im moderaten Umgang mit der durch die Schlesischen Kriege hinzugewonnenen Diözese Breslau, mit Untertanen, die sich unter der „friderizianisch-preußischen Toleranz wohl zu fühlen“ begannen und den katholischen Habsburgern nicht allzu sehr nachtrauerten. Das änderte freilich nichts an bestehenden, konfessionell begründeten Benachteiligungen, erst recht nichts an der nur schwer überwindbaren Katholikenfeindschaft, ja regelrechten -phobie nicht nur des Königs, sondern auch Berliner Aufklärer wie Friedrich Nicolai. Die Kehrseite der friderizianischen Toleranzpolitik war religiöse Indifferenz und Religionskritik. Schon Lessing hatte diese viel gepriesene preußische Toleranz in einem Brief an Nicolai auf die Freiheit reduziert, „gegen die Religion soviel Sottisen zu Markte zu bringen, als man will“ (182, Brief vom 25. August 1769). Die noch weit problematischere Judenpolitik des Königs, entsprechende vom Vater übernommene, wohl auch von Voltaire beeinflusste Phobien haben sich im politischen Testament niedergeschlagen (306). Sie hatte der jüngere Mirabeau in eben einer Sottise als „eines Kannibalen würdig“ bezeichnet. Ein Toleranzpatent wie jenes Josephs II. von 1781 hat es im friderizianischen Preußen nicht gegeben. Reflexionen „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“ gingen von aufgeklärten Staatsdienern wie Dohm, nicht aber vom „ersten Diener des Staates“ aus. Unmittelbar nach der Thronbesteigung hatte Friedrich II. jene weitgehende Lockerung der Zensur verfügt, die eine Veröffentlichung religionsfeindlicher Sottisen überhaupt erst ermöglichte. Wenngleich politische Maßnahmen des Monarchen „off limits“ der Diskutierbarkeit blieben: Dem öffentlichen Diskurs in Preußen war „zwar kein unbegrenzter, aber doch vergleichsweise weiter Raum gegeben“ (260, S. 90), den die deutschen Aufklärer erst richtig zu schätzen wussten, als ihn die repressivere Religions- und Zensurpolitik des Nachfolgers Friedrich Wilhelm II. erheblich einschränkte. Hatten sie die öffentliche Diskussion gerade auch in Religionsdingen als Voraussetzung aller weiter gehenden Aufklärung (260, S. 90) gefordert, so waren andererseits Erziehung und Schulwesen ihr zentrales Anliegen. Hier wird zumeist an erster Stelle Friedrichs II. Generallandschulreglement vom 12. August 1763 genannt (128, S. 103), das u. a. eine freilich nicht ganzjährige Schulpflicht vom 5. bis 13. Lebensjahr vor-
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Lockerung der Zensur
Schulwesen
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III.
Forschungsprobleme
Abschaffung der Tortur
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sah. Die Intensität des staatlichen Zugriffs auf das bisher von intermediären Trägern bestimmte Dorfschulwesen, so Wolfgang Neugebauer, blieb allerdings begrenzt (128, S. 105). „Deutlich wird aus einschlägigen und beispielhaften Fällen, dass das Gewicht königlicher Befehle mitnichten gegen lokale Resistenz aufzukommen vermochte […]“ (245, S. 15 f.), sondern vielmehr an den patronatsrechtlichen Grenzen des Ständestaats endete. Die Adelsmacht über das Schulwesen auf privatem Besitz blieb jedenfalls ungebrochen (245, S. 79). Den visitierenden Oberkonsistorial- und Oberschulräten bescheinigte Neugebauer eine selbst den aufgeklärten Minister Zedlitz nicht ausnehmende „Kapitulationsmentalität vor strukturellen Gegebenheiten“ (245, S. 104). Nicht nur hinsichtlich der Durchsetzung staatlicher Unterrichtskompetenz, sondern auch hinsichtlich der Bildungsinhalte konstatierte Horst Möller eine noch zu Ausgang des 18. Jahrhunderts weit größere Übereinstimmung mit dem Schulwesen des 16. und 17. als dem des 19. Jahrhunderts, vor allem dem des neuhumanistischen Reformers Wilhelm von Humboldt. Schulerziehung, dem widersprach auch das Gros der Aufklärer nicht grundsätzlich, sollte Elementarwissen vermitteln, keinesfalls jedoch Unzufriedenheit mit dem jeweiligen Status im Ständestaat: „Wozu“, fragte sein Minister Zedlitz 1777 anlässlich der Aufnahme in die Berliner Akademie der Wissenschaften, soll man „ungebildeten Menschen Begriffe beybringen, die sie missbrauchen, die ihnen Lust erregen würden, ihren Stand gegen einen andern zu vertauschen, wohin sie sich nicht passen würden?“ (228, S. 15). „Unverkennbar“, so Möller, „fiel die Bilanz in der Modernisierung des Schulwesens nicht allein im Vergleich mit den aufgeklärten Forderungen, sondern auch zu anderen Sektoren staatlicher Reformpolitik dürftig aus“ (76, S. 348). Elementares Anliegen der Aufklärungszeit war lange vor Cesare Beccarias berühmter Schrift über Verbrechen und Strafen (1764) die Reform von Justiz und Strafvollzug. Tortur, im Preußen Friedrichs II. vier Tage nach der Thronbesteigung, 1755 dann auch in den letzten Ausnahmebestimmungen abgeschafft, qualvolle Hinrichtungen wie die Vierteilung des „Königsmörders“ Damiens (24) 1757, die Exekution des dänischen Ministers und Aufklärers Struensee 1772 wurden nunmehr als anachronistisch empfunden (74, 113). Dass die Kehrseite dieser Reform des Strafrechts ein noch immer barbarischer Strafvollzug war, hat Michel Foucault als eine der Ambiguitäten der Aufklärungsepoche herausgestellt. Um es vorwegzunehmen: Auch das friderizianische Projekt einer Justizreform blieb Stückwerk, „an die Wurzel der Missstände auf dem Gebiet des Rechtswesens, vor allem die Überwindung der Rechtszersplitterung“ ging er vorläufig nicht (129, S. 288). Zu den tatsächlich realisierten Aktiva zählt die Änderung der Gerichtsstruktur der höheren Jurisdiktionsinstanzen sowie die Stärkung des Berliner Kammergerichts als Berufungsinstanz. Eine Durchsetzung landesherrlicher gegenüber der grundherrlichen Patrimonialgerichtsbarkeit hingegen gelang nur partiell. Auch hier blieb die Adelsmacht auf privatem Gutsbesitz unüberwindliche Barriere, die der für das Justizwesen zuständige Großkanzler Samuel Freiherr von Cocceji nicht nur respektierte, sondern in manchem Widerstand gegen Neuerungen gar unterstützte. Die freie Wahl ihrer Patrimonialrichter blieb den Gutsbesitzern auch nach der Einführung eines Examens durch die Regierungskollegien 1749, so dass
1. Aufklärung und Absolutismus sich an der Qualifikation der Justitiare wenig änderte (127, S. 154). Die Kodifikation des zivilen Rechts in einem Corpus juris Fridericianum gelangte über das Stadium des Entwurfs nicht hinaus (129, S. 288 f.). Selbst das folgenreichste Reformprojekt der Aufklärungszeit (76, S. 289), das primär auf den Geheimen Oberjustizrat Carl Gottlieb Svarez und seinen Mitarbeiter Ernst Ferdinand Klein zurückgehende Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten, musste den ständischen Interessen erheblich angepasst werden. In den 1780er Jahren begonnen, konnte es erst 1794 – nach dem Tod des Königs – umgesetzt werden. Zieht man eine Zwischenbilanz, so nimmt sich die „aufgeklärte Substanz“ des friderizianischen „Aufklärungsstaates“ (Ernst Troeltsch) eher bescheiden aus. Tim Blannings Diktum vom „aufgeklärten“ Regiment, das sich eher graduell als substantiell (112, S. 266) von dem seines Vorgängers unterschied, scheint die bisherigen Ausführungen treffend zu resümieren. Und doch verwies Theodor Schieder in seiner Biografie Friedrich der Große. Königtum der Widersprüche zu Recht darauf, dass die historische Forschung, so unterschiedlich sie den realen Gehalt des „aufgeklärten Absolutismus“ bewertete, den preußische König fast einhellig als dessen „klassischen Vertreter“ akzeptierte (129, S. 281). Wie erklärt sich bei diesem Zwischenresultat Peter Baumgarts Urteil von der „Inthronisation der Aufklärung“ mit Friedrich II. (108, S. 303)? Wie die doch deutliche Abgrenzung zum aufklärungsfernen, aufklärungsfeindlichen (Walther Hubatsch, Carl Hinrichs) Vorgänger, zum „militärisch-bürokratischen Absolutismus“ (Otto Hintze) Friedrich Wilhelms I.? Nun wurden zwar die Ambivalenzen, auch Traditionsbedingtheiten der friderizianischen Reformmaßnahmen benannt, durchaus aber auch ihre zeitbedingten innovativen Aspekte. Diese sind vor allem in rückblickender Perspektive anerkannt worden, als sie nämlich unter dem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. zur Disposition standen. Im zeitgenössischen Bewusstsein galt Friedrich II. vielmehr deshalb als „aufgeklärt“, weil er sich zeitlebens am Dialog der Aufklärung, am Aufklärungsprozess beteiligte. Auf die frühe intellektuelle Prägung durch französische Aufklärer beginnend mit Pierre Bayle, durch Locke, Leibniz und Christian Wolff ist ebenso verwiesen worden wie auf die Gründung einer „neuen französischen Kolonie“ (114), diesmal von Aufklärern und nicht hugenottischen Flüchtlingen in Berlin. Theodor Schieder hat diese Prägung und die durch sie angelegte, zeitlebens praktizierte Selbstreflexion als eigentliche „aufgeklärte Substanz“ gedeutet (129, S. 303 f.). In dieser selbstkritischen, in den aufklärerischen Diskurs verwobenen Reflexion sah er auch den wesentlichen Unterschied zu anderen aufgeklärt-absolutistischen Regenten: „An den Zwecken der Macht ausgerichtete Rationalisierung ist wohl als Staatsvernunft, Staatsräson auch im Bewusstsein Friedrichs – nicht anders als Josephs II. oder Katharinas II. – ein Element der Aufklärung, aber der ursprüngliche aufklärerische Idealismus Friedrichs ging doch wohl davon aus, dass Staatsvernunft in den Dienst höherer Zwecke wie Gerechtigkeit, Humanität, Glück zu treten habe“ (129, S. 303). Diese stete Selbstreflexion war ein Diskurs über das eigene Handeln, aber auch über Macht und Herrschaft an sich. Ein König, der mit den Aufklärern – wie in der Replik auf Holbachs „Système de la nature“ – über die Legitimation von Herrschaft und das Recht diskutierte, einen Herrscher abzusetzen, war „eine
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Friedrich der Große – Idealtypus des aufgeklärten Monarchen?
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III.
Forschungsprobleme Aufsehen erregende Ausnahme, auch wenn seine Argumentation nicht überzeugte“ (126, S. 108). Schon gar, wenn er sehr nahe daran ging, sich argumentativ den sprichwörtlichen „Teppich unter den Füßen“ wegzuziehen. Ähnlich außergewöhnlich war die abschnittweise öffentliche Diskussion 1784 eines Entwurfs zum Allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (126, S. 105). Ganz nebenbei, darauf hat Horst Möller aufmerksam gemacht, zeigte Friedrich II. damit auch ein ziemlich modernes Verständnis von Öffentlichkeit. Gerade am preußischen Aufklärungsstaat, bilanzierte Rudolf Vierhaus, lassen sich sowohl bedeutende Veränderungen, aber auch Grenzen der Politik des aufgeklärten Absolutismus erkennen. „Zwischen den Tendenzen einer allumfassenden, gerechten und effizienten fortschrittlichen Verwaltung und der Erhaltung ständisch-regionaler Besonderheit und sozialer Stufung bestand ein Widerspruch und ebenso zwischen der Zielsetzung von aufgeklärten Fürsten, Ministern, Räten und der politischen Praxis der dauernden Bevormundung der Untertanen, denen zwar, in Grenzen, das Räsonieren erlaubt, politische Mitbestimmung jedoch vorenthalten war“ (81, S. 184). Es waren dies Verwerfungen zwischen modernisierenden, in der Konsequenz auf Überwindung des Absolutismus zielenden aufklärerischen Elementen und traditionalen Strukturen. Letztlich ließ sich aber mit Volker Sellin wenigstens für Preußen belegen, dass der „aufgeklärte Absolutismus mehr als nur ein Gedankengebäude und in großem Umfang Realität war“ (130, S. 110).
c) Aufgeklärter Absolutismus in der Habsburgermonarchie: despotisch – revolutionär – demokratisch? Joseph II. – Idealtypus des aufgeklärten Monarchen?
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Wenngleich Günter Birtsch Friedrich II. zum „Idealtypus“ reformabsolutistischer Herrschaft erhob, entsprach in mancher Hinsicht Joseph II. weit eher Roschers dritter und höchster Stufe des Absolutismus, ihrer übersteigerten Form landesherrlicher Gewalt. Keiner der von Melchior Grimm aufgezählten aufklärungsfreundlichen Monarchen ist mit seinen Reformschritten so weit gegangen wie der Habsburger: Das Toleranzpatent für Protestanten und Juden, die nahezu vollständige Aufhebung der Zensur wie der Todesstrafe, Schul- und Agrarreform, Klostersturm und Zivilehe waren noch dazu Maßnahmen eines einzigen Jahrzehnts. Keiner hat seine Reformen konsequenter, aber auch mit geradezu brachialer Radikalität durchzusetzen versucht (87, S. 40). In keinem anderen Fall, so Derek Beales in seiner wichtigen, bislang aber unvollendeten Biografie des Kaisers, trug das Reformwerk mit solcher Berechtigung den Namen des Reformers (134, S. 35). Zwar konstatierte Goethe das Entstehen einer fritzischen Gesinnung im Siebenjährigen Krieg, ein von Horst Möller verwendeter Terminus „Friderizianismus“ (124) hat sich anders als der „Josephinismus“ jedoch nicht allgemein durchgesetzt. Zwar polarisierte auch Friedrich II. weit über die Familie Goethe hinaus, einen solch vehementen Widerstand wie Joseph II. in Ungarn und vor allem den österreichischen Niederlanden hat er nie erfahren. Es half nichts, dass der Habsburger den aufständischen Niederlän-
1. Aufklärung und Absolutismus dern entgegen hielt, er hätte ihnen längst erfüllt, was 1789 der dritte Stand in Frankreich forderte. Den rebellierenden Brabantern war der „Volkskaiser“ (Georg Forster) ein in die Ahnenreihe der Caligula, Nero, Attila oder Cromwell gehörender Tyrann (133, S. 5). Selbst seitens der Aufklärer erfuhr das schon zu Lebensende des Monarchen teilweise rückgängig gemachte Reformwerk nur sehr bedingte Anerkennung. Vielmehr distanzierte sich die aufgeklärte Elite zuletzt ebenso enttäuscht von ihm wie Joseph II. von deren mehr und mehr radikalen Forderungen. Person und Reformwerk waren und sind bei Historikern so umstritten wie bei den Zeitgenossen, eine positive Rezeption (133, 134) ist eher neueren Datums. Nahmen Biografen die Neuerungen als Indiz „radikaler“ (Derek Beales), „demokratischer“ (Paul von Mitofanov) oder gar „revolutionärer“ (Saul Padover) Gesinnung, so verwiesen Historiker allgemein auf deren letztlich despotische Entstehungszusammenhänge (Günter Birtsch). Hervorgehoben wurde Mal um Mal die Tatsache ihres Fehlschlags. Das Scheitern Josephs II. wurde geradezu paradigmatisch für das Scheitern des aufgeklärten Absolutismus (142, S. 145), das im Falle Friedrichs II. zeitlich jedoch erst verzögert unter dem militärischen Druck des napoleonischen Frankreich eingetreten sei. Das umstrittene Reformwerk Josephs II. wird in der Geschichtsschreibung zumeist unter dem gleichfalls problematischen Begriff des „Josephinismus“ etikettiert. Es ist dies ein vieldeutiger Terminus, der, als ursprüngliches Kampfwort belastet, sowohl als Epochenbezeichnung, als Äquivalent für die Kirchenreformpolitik des Monarchen oder auch sein gesamtes Reformwerk Verwendung findet. Derek Beales (134) hat ihn zunächst noch einmal gegenüber Elisabeth Kovács (139) und Grete Klingenstein als nachträgliche und nicht zeitgenössische Prägung bestimmt. Die Verwendung des Substantivs sei ebenso in die 1830 Jahre zu datieren wie die nun pejorative Verwendung des schon länger, jedoch im Sinne von „aus der Zeit Josephs II. oder von ihm stammend“ gebräuchlichen Adjektivs „josephinisch“ (134, S. 37). Roger Bauer, der die Verwendung in einer Depesche des päpstlichen Nuntius in Wien, Ostini, 1834 und die Charakterisierung der „josephinischen Lehre als alle Organe der österreichischen Regierung infizierend“ anführt, nach ihm aber auch Robert Evans und Derek Beales sehen den Begriff als Erfindung der klerikalen Partei zur Etikettierung eines von ihnen bekämpften Systems (134, S. 39). Doch nicht allein seines Entstehungszusammenhangs und der Belastung als „Kampfbegriff“ wegen ist der Terminus Josephinismus umstritten. Auch seine Tauglichkeit als Epochenbezeichnung ist zweifelhaft, ist er doch kaum mit der Regierungszeit Josephs II. kongruent, nicht einmal der Mit- und Alleinregentschaft zusammengerechnet. Sowohl vor als auch nach Joseph II. gab es einen Josephinismus. „Versteht man unter Josephinismus jene für Österreichs Geistesleben eigentümliche Gesamtentwicklung, die von der theresianischen Zeit bis in das Zeitalter des Dualismus reichte“, so Fritz Valjavecs paradox anmutendes Urteil, „so ist die Regierungszeit Josephs II. im Verhältnis am schwächsten ‘josephinisch’.“ (195, S. 7) Der Radikalismus, der sich unter dem reformfreudigen Kaiser einige Jahre äußere, sei dem josephinischen Geist der folgenden Jahrzehnte ebenso fremd gewesen wie die weltanschauliche Entschiedenheit, die vor allem bei den Publizisten dieses Zeitalters zu beobachten sei. Joseph II. sei demnach eigentlich untypisch für
III. Volkskaiser? Tyrann? Demokrat auf dem Thron?
„Josephinismus“
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III.
Forschungsprobleme
„Frühjosephinismus“
„Kaunitzismus“
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den Josephinismus – „Josephinism owed little to Joseph“, wie Derek Beales pointiert formulierte (133, S. 473). Von „Frühjosephinismus“ spricht Elisabeth Kovács für die „vorjosephinische“ Phase bis 1762, in der andere das aus der außenpolitisch-militärischen Situation heraus begonnene Reformwerk prägten (180, S. 170). Friedrich Wilhelm Graf Haugwitz war es, der von dem „restschlesischen“ Troppau aus eine Generalreform des Verwaltungssystems nach preußischkameralistischem Vorbild vornahm: zunächst der Steuer- und Finanzverwaltung, sodann der gesamten Verwaltungsstruktur (141, S. 344 ff.). Über den zentralen Behördenapparat hatte die Wiener Regierung künftig Zugriff auf die Institutionen der alten Länder, die seit 1763 so genannten Gubernien, um „auf administrativem Wege […] Religion, Bildung, Kunst, Kultur und Vergnügungen ebenso [zu ordnen] wie Hygiene, Kranken-, Armenund Sozialfürsorge; Zunftwesen und Manufaktur, Landwirtschaft und Handel […] Post, Schifffahrt, Kanal- und Straßenbau“ (141, S. 349). Das Haugwitz’sche System modifizieren und ausbauen sollte der 1753 in das neue Amt des Staatskanzlers beförderte Wenzel Anton Graf von KaunitzRietberg. Seiner Bedeutung innerhalb des habsburgischen Reformwerks Rechnung tragend schlug Andreas Gestrich kürzlich den Epochenbegriff „Kaunitzismus“ (91, S. 282) vor, begab sich damit jedoch mitten in die Kontroverse um Kontinuität oder Bruch zwischen theresianischer und josephinischer Ära. Die meisten Historiker, so Derek Beales, schrieben die Veränderungen bis in die 1770er Jahre dem Reformwillen Maria Theresias und ihrer Beamten, aber auch sozialen Strömungen zu und erachteten diese als wegweisend für die Entwicklungen nach 1780. Beales hingegen sah die Kontinuität durch den bislang unterschätzten Einfluss des mitregierenden Joseph II. gegeben, dessen radikale Kirchenpolitik sich lange vor 1780 und gegen den Widerstand Kaunitz’ durchgesetzt habe (133, S. 447 ff.). Während Beales ungeachtet der Intensivierung und Beschleunigung von Reformmaßnahmen die im Begriff „Frühjosephinismus“ inhärente Kontinuität betont, markiert auch für Günter Birtsch das Jahr 1780 lediglich den Übergang des „österreichischen“ zum „rigorosen“ Reformabsolutismus. Die Wortschöpfungen analog seinem preußischen Muster des pragmatischen und aufgeklärten Reformabsolutismus wirken offenkundig bemüht (87, S. 41). Beales verkannte keineswegs die Mitwirkung von Staatsspitze und Bürokratie am josephinischen Reformwerk, eines van Swieten in der Schul- und Zensurbehörde (144), eines Sonnenfels im Bereich der Justiz. Diese wohl kaum kritiklos willfährige Beamtenschaft trug schließlich nach dem Tod Josephs II. 1790 wesentlich dazu bei, dass das Reformsystem in Teilen erhalten blieb. Jedenfalls behauptete Metternich noch 1840, die geschickte Blockadepolitik der eingefleischt josephinischen Verwaltung habe seine Versuche zum Scheitern verurteilt, die Religionsgesetzgebung Josephs II. abzuschaffen. Immerhin widersprach dies seiner Äußerung, dieser Josephinismus sei „nur ein Phantom, das über ein Land hinweg geflogen ist, wo es umstürzen wollte, aber nur viel Bewegung verursacht hat, ohne irgendetwas zu erschaffen“ (140). Außerhalb der lange josephinisch geprägten Bürokratie gewann der Josephinismus eine solch radikale Dynamik, dass jüngst die Frage nach Verbindungslinien zu den deutschen Jakobinern
1. Aufklärung und Absolutismus (140, S. 308) wie allgemein nach dem Zusammenhang von Aufklärung, Absolutismus und Revolution gestellt wurde (143). Während Walder und zuletzt Rettenwander den Josephinismus als Ausgangspunkt progressiver politischer Bewegungen sahen – Fritz Valjavec nannte diese „Vulgärjosephinismus“ (195, S. 122) –, so verortete Klaus Epstein die Wurzeln des Konservativismus nicht nur in Edmund Burkes theoretischer Auseinandersetzung mit dem Jakobinismus und der französischen Revolution, sondern überdies in der antijosephinischen Reaktion (389). Sie alle jedoch fassten den Josephinismusbegriff weit als Kennzeichnung eines wenn auch im Detail nicht originären Systems. Unabhängig von ihrer hier positiven, dort negativen Wertung wollten Eduard Winter (199) und Ferdinand Maaß (183), die den Systemcharakter des Josephinismus bestritten, den Begriff allein auf das staatskirchliche Reformwerk der theresianischen und josephinischen Zeit gemünzt wissen: die Einschränkung der barocken Frömmigkeitsformen, die Klosteraufhebungen sowie die Neufestlegung der Diözesangrenzen, wie sie im Zusammenhang der „katholischen Aufklärung“ in Kapitel 2.b. darzustellen sind. Für eine solche Verengung des Begriffs plädierte auch Hamish Scott (142, S. 160), Derek Beales zumindest in seiner Biografie Josephs II. (133) mit dem Hinweis auf die eminente Bedeutung der Kirchenreform innerhalb des Gesamtreformwerks. Valjavec hingegen fasste den Begriff bewusst weiter, kam jedoch in seiner „Josephinismus-Studie“ nicht umhin, das kirchenreformerische Werk ausführlichst darzustellen (195, S. 34–121). Dessen Einfluss etwa auf die Reform des lange jesuitisch dominierten Schul- und Universitätswesens ist unbestritten. Ebenso offenkundig ist der Bezug zum Toleranzpatent des Jahres 1781, das Protestanten, Griechisch-Orthodoxen und Juden Minderheitenrechte einräumte – ein vernunftbegründeter, auch nicht von utilitaristischen Erwägungen freier Schritt, konträr zur vormaligen Rekatholisierungs- oder Ausweisungspolitik des 17. Jahrhunderts. Schon wegen dieser Interdependenzen hat nicht nur Valjavec (195, S. 440) den Josephinismusbegriff sehr viel allgemeiner und zur Kennzeichnung insgesamt der habsburgischen Innen- und Reformpolitik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet. Um der dann unvermeidlichen Doppeldeutigkeit des Josephinismusbegriffs zu entgehen, bevorzugte Hamish Scott hierfür den Terminus „Habsburg Reformism“ (142, S. 146). Was die josephinischen von Reformen anderer „despots éclairés“ unterschied, war sicherlich die Zentrierung auf den kirchlichen Sektor, die im protestantischen Norddeutschland mit der jeweiligen landeskirchlichen Organisation nicht notwendig, in katholischen Staaten wie Bayern längst nicht so konsequent betrieben wurde. Einzigartig war zweitens die radikale Umsetzung dieser Neuerungen auch gegen kirchliche, ständische oder nationale Widerstände. „Der Josephinismus, wenigstens in der von Joseph II. verkörperten Form“, urteilt Derek Beales, „war im Radikalismus seiner Reformen einzigartig, und ich glaube – obwohl ich mir bewusst bin, dass dies eine kontroverse Position ist – dass er in Theorie und Praxis despotischer war als die Regime Friedrichs in Preußen und Katharinas in Russland“ (134, S. 43). Kein anderer Monarch, so allerdings ganz ähnlich Günter Birtsch, habe mit einem absolutistischen Amtsverständnis einen so entschieden bekundeten Neuerungswillen verbunden wie Joseph II. (87, S. 40).
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„Josephinismus“ als Begriff der staatskirchlichen Reform
Radikalität des Reformwerks
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III.
Forschungsprobleme Tatsächlich war der Reformkurs Friedrichs II. und Katharinas II. weder so temporeich noch so kompromisslos. Das Problem der bäuerlichen Erbuntertänigkeit etwa scheuten sich die beiden Regenten trotz Einsicht in die Notwendigkeit anzugehen, wollten sie doch eine Konfrontation mit den adeligen Grundbesitzern vermeiden. Joseph II. hingegen brachte Teile der Kirche, des Adels und schließlich selbst seine Anhänger gegen sich auf – von den Reichsständen ganz zu schweigen. Zudem, und dies ist eine weitere Besonderheit seines aufgeklärten Absolutismus, stimulierte seine auch in Teilen der Bevölkerung und Volksgruppen abgelehnte Reformpolitik Partikularpatriotismen, protonationale Bewegungen, die nicht zuletzt in aufgeklärten Ideen wurzelten. In der Habsburgermonarchie forcierte die Ablösung des Lateinischen durch die deutsche Verwaltungssprache weniger die kulturelle und nationale Konformität als vielmehr die Distanzierung von einer als Germanisierung empfundenen Maßnahme. Mit der Zuwendung zur Nationalitätensprache ging die Absetzung vom zentralistischen Staat einher, die in der zweiten Hälfte der 1780er Jahre mit gewaltsamer Vehemenz erfolgte (138, S. 207). Dieser nicht allein in der historischen Forschung erst kürzlich wieder diskutierte Effekt von Patriotismus, Nationalgeist und Nationalismus in einem eigentlich kosmopolitischen Zeitalter wird in einem eigenen Kapitel zu erörtern sein.
2. Aufklärung und Religion protestantische Prägung der deutschen Aufklärung
Aufklärung als „zweite Reformation“
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Auf die Frage nach seinem spezifischen Interesse am 18. Jahrhundert nannte der amerikanische Historiker Robert Darnton unlängst in einem Interview den Kampf um die Aufklärung und das Kämpferische der Aufklärer: „[…] was mich berührt, ist eigentlich ‘écrazer l’infame’ von Voltaire. […] Man hat so viel über Naturrecht und Toleranz gesprochen, aber für mich war es ein Kampf. Und zwar ein Kampf, der gegen die Kirche, die katholische Kirche, gerichtet war. Und nicht nur gegen die Kirche, sondern auch gegen politische Institutionen“ (66, S. 137). Darntons Argumentationsstrang scheint wie zufällig dem Kantschen Aufsatz „Was ist Aufklärung“ entlehnt, der eben auch primär den unbequemen Ausgang aus kirchlicher weit mehr als staatlicher Bevormundung thematisiert. Seine Perspektive, darauf hat der Gesprächspartner Werner Schneiders auch sogleich hingewiesen, ist sehr weitgehend auf die französische Aufklärung bezogen. Aus deutscher Sicht kann von einem vergleichbaren Kampf der Aufklärung gegen kirchliche und staatliche Institutionen nicht die Rede sein. Die wesentlich protestantisch-deutsche Aufklärung – Joachim Whaley prägte gar den Begriff „protestantische Laientheologie“ (164, S. 108) – sah sich in der Tradition Luthers, „zeitweise sogar als zweite Reformation“, wie Schneiders bemerkte (66, S. 138), keinesfalls jedoch in der „kategorischen Kirchenfeindschaft Voltaires“ (204, S. 326). Wenngleich auch der deutschen Aufklärung polemische Elemente nicht fremd waren, so doch die verbalen wie inhaltlichen Radikalismen des Nachbarlandes. Anders als die Aufklärung in Frankreich und England war ihr protestantisch-deutsches Pendant weder antikirchlich noch deistisch, sondern kirchlich-antikonfessionell und staatsfromm.
2. Aufklärung und Religion Die protestantisch-deutsche Aufklärung vollzog sich nach den Worten des Kirchenhistorikers Klaus Scholder „weithin nicht gegen Theologie und Kirche, sondern mit ihr und durch sie […]“ (161, S. 295) an den theologischen Fakultäten, in den pietistischen Lehranstalten und von den Kanzeln, die Horst Möller als das „Katheder der Aufklärung“ (126, S. 95) bezeichnete. Innertheologische Aufklärung bedeutete zunächst eine philologischkritische Auseinandersetzung mit Bibeltext und biblischer Überlieferung, deren methodische Grundlagen bereits in der Zeit des Humanismus entwickelt worden waren. Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden im Umfeld der Halleschen theologischen Fakultät textkritische, kommentierte Bibelausgaben wie die Hebräische Bibel des Orientalisten und Theologen Johann Heinrich Michaelis (160). In Göttingen war sein Großneffe und Theologe Johann David Michaelis einflussreich und stützte die dort entstehende und sich der kritischen Methode bedienende Schule der historischen Wissenschaft. Die Textkritik intendierte die Bereinigung der Schrift von Zusätzen, führte jedoch sehr bald zu Diskussionen um die Vereinbarkeit von Vernunft und Religion. Die seit 1740 sich ausbreitenden Deisten reduzierten Religion auf einen allen gemeinsamen „natürlichen“, „vernünftigen“, auf ethische Prinzipien reduzierten Kern, eine von Dogmen und Glaubensartikeln bereinigte „Vernunftreligion“. „Hierdurch ward nun das Christentum zu einem reinen Deismus“, so Heinrich Heines ironisches Resümee in der Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. „Christus hörte auf, Mitregent Gottes zu sein, er wurde gleichsam mediatisiert, und nur noch als Privatperson fand er anerkennende Verehrung. […] Was die Wunder betrifft, die er verrichtet, so erklärte man sie physikalisch oder man suchte so wenig Aufhebens als möglich davon zu machen“ (147, S. 63). Irrationales ließ sich historisch erklären und wurde für im Verlauf des Aufklärungsprozesses überwindbar gehalten. Auch Friedrich II. mutmaßte, dass es in absehbarer Zeit nur noch diese eine Vernunftreligion geben werde (306). Auf dieser Basis konnte die Aufklärung religiöse Toleranz proklamieren, im Einzelfall auch praktizieren und tatsächlich zählt die Verringerung konfessioneller Gegensätze gerade auch gemessen an deren Neuformierung im 19. Jahrhundert zu den Leistungen der Epoche. Wolfgang Altgeld sprach in diesem Zusammenhang von „Abschleifung[en] konfessioneller Fronten“ (145, S. 79), manifestiert katholischerseits etwa in der Abnahme so genannter Kontroverspredigten, die bald nicht mehr dem konfessionellen adversus, sondern den Aufklärern galten. Die von Carsten Zelle (150, S. 116) so bezeichnete Ökumene der Aufklärungsepoche implizierte hier, wie dies im 7. Kapitel darzustellen sein wird, weit eher ein gegenaufklärerisches Zusammenwirken der Orthodoxie. Hingegen mochte die skizzierte Überwindung des Konfessionalismus gar in eine Wiederbelebung des vor allem auf katholischer Seite aufgenommenen Unionsgedankens münden (167), der freilich von falschen Prämissen ausgehend allzu sehr von den noch immer bestehenden Differenzen absah. Die protestantisch-deutsche Aufklärung war im Unterschied zur weitgehend durch Salons und Akademien geprägten französischen eine Angelegenheit der theologischen Fakultäten. Dort erhielten jene Pfarrer und Konsistorialräte ihre Ausbildung, die im nachfriderizianischen Preußen den Einfluss rosenkreuzerischer Strömungen und explizit des Wöllnerschen Re-
III. Kanzel als „Katheder der Aufklärung“
Universitäre Prägung der deutschen Aufklärung
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III.
Forschungsprobleme
Grenzen aufgeklärter Toleranz
Katholische Aufklärung
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ligionsedikts von 1788 begrenzten. So ist denn eben auch Möllers Diktum von der Kanzel als „Katheder der Aufklärung“ zu verstehen, ebenso Nietzsches Verweis auf die Herkunft der meisten Aufklärer aus dem Pfarrhausmilieu. Allerdings wäre es verfehlt, daraus auf eine breite Resonanz der Aufklärung auch in den Pfarrgemeinden zu schließen. Okkulte, vom lutherischen Protestantismus weit entfernte Frömmigkeitspraktiken der bäuerlichen Schichten in der Mark Brandenburg, wie sie Fontane in seinem Roman Vor dem Sturm (146) beschrieb, hat Wolfgang Neugebauer aktuell anhand von Quellenmaterial belegt (127). Wenn neologische Pfarrer predigten, war dies nicht gleichbedeutend mit der Vertreibung von Koboldund Hexenglauben. Auch die Berliner charakterisierte Friedrich Nicolai als wenig geneigt, „Neuerungen in der Lehre machen zu lassen“. Vielmehr setzten sie sich gegen die aufgeklärte Vernunft der „sehr würdigen Geistlichen“ nicht selten handfest zur Wehr, indem sie ihnen kurzerhand die Fenster einwarfen (76, S. 333). Das Terrain der dortigen Aufklärung, so sein Urteil, umfasse eben doch nur das Stadtschloss und wenige angrenzende Straßenzüge. Wenn sich solch hartnäckiges Festhalten am traditionalen Glauben manifestierte, endete zumeist die Toleranzbereitschaft der Aufklärer. Nicolai reagierte mit publizistischer Schärfe auf die im katholischen Süden angetroffenen barocken Frömmigkeitsformen wie Wallfahrten, Heiligenverehrung, Reliquienkult und Votivgaben, die er angesichts eines noch darzulegenden innerkatholischen Wandels für überwunden hielt. „Aus einer Position, die Protestantismus und aufklärerischen Geschichtsprogress identifiziert und insofern blind gegenüber einer regional spezifischen, süddeutsch-katholischen Aufklärung bleibt“, so Harald Schmidts Analyse der Beschreibung einer Reise durch Deutschland und in die Schweiz im Jahre 1781, „arbeitet Nicolai aus der katholischen Lebenswelt scharfe Gegenbilder heraus“ (333, S. 406). Moses Mendelssohn zog es sehr zum Unverständnis seines im mindesten unsensiblen Kontrahenten Johann Kaspar Lavater vor, die Forderung nach Konversion unbeantwortet zu lassen, geschweige denn die Vereinbarkeit des Judentums mit den Prinzipien der Vernunft öffentlich zu diskutieren. Vielmehr illustrieren die Reaktionen der protestantischen Aufklärer eine stillschweigende Hierarchisierung der Religionen und Konfessionen, in der der lutherische Protestantismus die größte Affinität zur Vernunft aufwies. Auch dies musste jeden Unionsgedanken zum Scheitern verurteilen. Die protestantische Aufklärung blieb im gemischt konfessionellen alten Reich nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung in den katholischen Herrschaften. Die zeitlich spätere so genannte katholische Aufklärung – auf den kontroversen Charakter des Begriffs wird zurückzukommen sein – speiste sich aus unterschiedlichsten Quellen, so dem nationalkirchlichen Jansenismus, dessen Mainzer Ableger, dem Febronianismus, dem italienischen Staatskirchentum Muratoris, dem aufgeklärten Absolutismus, aber auch dem protestantischen Vorläufer. Anders als dieser war die katholische Aufklärung keine theologisch-inhaltliche, auf „Reinigung der Begriffe“ (66, S. 138) zielende Bewegung. Vielmehr intendierte sie kirchenpraktische und strukturelle Veränderungen, insbesondere ein künftig deutlich nationalkirchlicher ausgerichtetes Verhältnis zum römischen Summepiskopat, vor
2. Aufklärung und Religion allem aber die Reduktion des jesuitischen Einflusses generell wie speziell im Bildungssektor. Die Aufhebung der Societas Jesu 1773 war eine Folge der Intervention aufgeklärter Monarchen und Minister des katholischen Europa von Portugal bis Frankreich. Solche wie Maßnahmen des aufgeklärten Absolutismus in der Habsburgermonarchie – die Josephinischen Klosteraufhebungen, Wallfahrts- und Feiertagsreduktionen und schließlich nationalkirchliche Bereinigung von Diözesangrenzen – bestärkten manch protestantischen Aufklärer in der Überzeugung, das katholische Reich befinde sich in einem epochalen Wandel, in einer tatsächlichen „zweiten Reformation“. Die Konfrontation mit der Realität erbrachte die im Fall Nicolais bereits geschilderte Ernüchterung. Die Widerstände, denen das von protestantischer Seite durchaus gefeierte kirchenreformerische Werk Josephs II. begegnete, werden ausführlicher darzustellen sein. Die Fokussierung auf die Habsburgermonarchie mochte freilich leicht vergessen machen, dass die katholische Aufklärung kein monolithischer Block war, sich der Aufklärungsprozess in Wien elementar von der Entwicklung in München, Mannheim, erst recht von jener in Würzburg, Ingolstadt, Mainz oder Köln unterschied. Augsburg, aber auch das unter dem Episkopat Kurfürst Emmerich Josephs aufgeklärte Mainz wurden zeitweise oder prinzipiell gar zu Zentren der Gegenaufklärung (siehe Kapitel 7). Vorbildfunktion hatte die protestantische Aufklärung auch für die in der Forschung noch nicht lange als eigenständig wahrgenommene innerjüdische Bewegung der Haskala, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts von Berlin ihren Ausgang nahm. Vergleichbar war ihre inner- und nicht antireligiöse Ausrichtung, wenngleich sich die jüdische Aufklärung nicht in, sondern oftmals gegen Synagoge und orthodoxes Rabbinat vollzog. Die Haskala intendierte eine vernunftgeleitete Bereinigung der Religion von Zusätzen, die eine kritische Prüfung als Produkt der Historie erkannt und deshalb für nicht mehr normativ erklärt hatte, darunter auch die halachitischen Gesetze. Übereinstimmend mit den pädagogischen Zielsetzungen der Aufklärungsepoche forderte die Haskala zudem eine weniger religiöse, auf Bibellektüre und Kenntnis der hebräischen Sprache ausgerichtete als vielmehr eine Elementarbildung, die lebenspraktische Inhalte vermittelte – vor allem das Erlernen der deutschen Sprache. Diesen didaktischen Hintergrund hatte nicht zuletzt das aufklärerische Großprojekt der Haskala: Mendelssohns und seiner Mitstreiter Pentateuch-Übersetzung. Die Haskala, dies betonte jüngst noch einmal Christoph Schulte (213, S. 358), zielte schließlich, wenn auch nicht ausschließlich auf Emanzipation. Die jüdische Aufklärung war zumindest zweidimensional. Sie war Teil der großen europäischen Aufklärung, an der exponiert ihr wichtigster Repräsentant partizipierte – Moses Mendelssohn. Und sie war innerjüdische Entwicklung, die von der allgemeinen Aufklärungsbewegung freilich kaum wahrgenommen wurde. Die Teilnahme auf zwei Ebenen des aufgeklärten Diskurses rief wiederum zweifachen Widerspruch hervor. Zum einen traf Mendelssohns Übersetzung der fünf Bücher Mose, traf die von ihm allerdings nicht geteilte Qualifizierung von Kabbala und Haskala als nicht mehr normativ auf den erbitterten Widerstand seitens der Rabbiner, so dass sich hier bereits die im 19. Jahrhundert virulente Trennung von liberalem und orthodoxem Judentum andeutete. Widerspruch kam zum andern seitens
III.
Jüdische Aufklärung
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III.
Forschungsprobleme der nichtjüdischen Aufklärer, die zwar grundsätzlich die bürgerliche Verbesserung der Juden als Postulat der Vernunft akzeptierten, eine rechtlichpolitische Gleichstellung jedoch mit der Forderung nach Assimilation (149, S. 167) verbanden. Eine solche Akkulturation wäre letztlich gleichbedeutend mit einer Preisgabe der als „vernunftwidrig“ qualifizierten Frömmigkeitspraktiken und Anpassung an einen „aufgeklärten Protestantismus“. Wenn also Robert Darnton das emanzipatorische Moment der Aufklärung betont: den durchaus polemisch vorgetragenen Kampf gegen die etablierte kirchliche wie auch staatliche Autorität, so hat er damit eine wichtige Divergenz der französischen von der deutschen Entwicklung thematisiert. Hier ist Aufklärung nicht eine antikirchliche, sondern in den Anfängen zumindest ganz wesentlich eine kirchliche Angelegenheit.
a) Aufklärung im protestantischen Deutschland Begriff „protestantische Aufklärung“
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Der gewiss mehrdeutige Begriff „protestantische Aufklärung“ ist in der Forschungsliteratur kaum gebräuchlich. Zu offenkundig und selbstverständlich scheint die geradezu synonymische Verschmelzung mit dem lutherischen Protestantismus. Als zumindest wertneutral wurde die Verbindung auch in der Kirchengeschichtsschreibung gesehen, die die Aufklärung lange Zeit, bis zur noch näher zu schildernden Troeltsch-Harnack-Kontroverse in die Kontinuitätslinie der Reformation stellte. Tatsächlich galten Renaissance, Humanismus und Reformation als erste Aufklärung respektive galt die Aufklärung als zweite Renaissance, katholischerseits dann unter negativen Vorzeichen die Reformation als erste Revolution, der die zweite von 1789 mit der Aufklärung als Wegbereiterin fast zwangsläufig folgen musste. Seitens der Aufklärer wiederum wurde Martin Luther als Vorkämpfer für Vernunft und Gewissensfreiheit gesehen (165, S. 23). Reformation und Aufklärung hatten Berührungspunkte in ihrem humanistischen Anliegen, in ihrer Textorientierung und der individuell-unmittelbaren und nicht von kirchlichen Autoritäten vermittelten Religiosität. Dass dies nur partielle Übereinstimmungen waren, ist evident. Textorientierung hieß für die Aufklärung Textkritik, die zur Kritik von Dogma, Glaubensartikeln oder Bibelexegese erweitert werden konnte. War die Kritik der Frühaufklärung vernunftgeleitet, so bezweifelte sie noch nicht grundsätzlich die Vereinbarkeit von Vernunft und Offenbarung. Den Offenbarungscharakter der Bibel bestritten die im deutschen Protestantismus rezipierten englischen Deisten, zumindest aber relativierten sie ihn. „Gegen einen Vernunftbeweis“, so der verglichen mit den Protagonisten Cherbury und Toland moderate Deist John Locke, „kann keine Offenbarung zugelassen werden.“ Die unitarischen Sozzinianer, eine nach den italienischen Brüdern Lelio und Fausto Sozzini benannte Gemeinschaft, lehnten bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert Dogmen ab und negierten die Gottessohnschaft Christi, den sie allein als Gesetzgeber und Sittenlehrer sahen (153, S. 30). Eine eigentliche kritische Leben-Jesu-Forschung leitete freilich erst in den 1770er Jahren der zwischen Lessing und dem Hamburger Hauptpastor Goeze ausgetragene Streit um die Veröffentlichung theologischer Fragmente aus dem Nachlass des
2. Aufklärung und Religion Theologen Hermann Samuel Reimarus ein. Zu dieser Zeit war der aufgeklärte Diskurs innerhalb des deutschen Protestantismus in seinen Extremen bereits bei der Gleichsetzung von Religion und Vernunft angelangt. Als „großes Eingangstor“ der Aufklärung wird in Anlehnung an Carl Hinrichs der Pietismus Hallischer Prägung gesehen. Pietismus bezeichnet eine an der Bibel wie individueller Frömmigkeit, an Philipp Jakob Speners pia desideria – so der Titel seiner Programmschrift von 1675 – ausgerichtete Lebensführung im Gegensatz und in Gegnerschaft zu einer als erstarrt und formalistisch empfundenen protestantischen Orthodoxie. Einflüsse niederländischer Theologen des 17. Jahrhunderts sind offensichtlich (41, S. 77). Mit der Frühaufklärung traf sich die pietistische Bewegung in ihrem „eklektischen“, d. h. durch das eigene Urteil bestimmten Umgang mit der Tradition. Beide teilten die Kritik an traditionalen Autoritäten und Institutionen (162, S. 71), beide traten dazu für individuelle Freiheit und ethische Verantwortung (27, S. 153) ein. Die reformerisch-praktische Seite des Pietismus vertrat fast schon synonymisch die theologische Fakultät der Universität Halle bis hin zu ihrem bedeutendsten Vertreter Johann Salomo Semler, vor allem aber der Orientalist und Begründer der dortigen Erziehungsanstalt, August Hermann Francke, dessen pädagogische Ziele in kaum zu überschätzender Breitenwirkung und Tiefendimension auf das Preußen Friedrich Wilhelms I. (108, S. 296) einwirkten. Diese reformpädagogische Dimension ergänzte der theologisch-praktische Pietismus Halles, den etwa der bereits genannte textkritische Herausgeber der Biblia Hebraica, Johann Heinrich Michaelis, repräsentiert. Die Verbindung dieser Halleschen Variante des Pietismus mit der Aufklärung war weder ein eindeutiges noch gar ein langfristiges Bündnis (177). Bereits Ausgang des 18. Jahrhunderts hatte Johann Gottfried Einhorn dafür den Terminus „Übergangstheologie“ geprägt. Walter Sparn (162, S. 72) bevorzugt den Begriff „Eklektische Theologie“. Faktisch illustrierten schon 1723 die Hintergründe um die seitens der Theologen begrüßte, wenn nicht initiierte Vertreibung ihres Kollegen, des Philosophen und Juristen Christian Wolff, die Brüchigkeit der Verbindung. Schwierig gestaltete sich auch der Brückenschlag zum weltabgewandten, mystischen Pietismus des Grafen Zinzendorf oder des württembergischen Prälaten Johann Albrecht Bengel (41, S. 77 f.). Dass sich Aufklärung und Mystik nicht grundsätzlich ausschlossen, zeigt die zentrale Verbindung des aufgeklärten dänischen Ministers Graf Bernstorff zu den pietistischen Emkendorfern und die seines Vorgängers Struensee zu den Herrnhutern. Auch führte die „eklektische Freiheit“ (Sparn) einzelne pietistische Theologen zu einer radikaleren Kritik als der an Dogmen, Glaubensartikeln und Fragen der Bibelexegese. So konnte sich, wie Horst Möller (41, S. 78) am Beispiel Johann Christian Edelmanns zeigte, der späte Pietismus in einen spinozistischen Pantheismus wandeln, der Gott und Vernunft gleichsetzte. Diesem angehört zu haben wurde dann im so genannten „Pantheismusstreit“ posthum auch Lessing vorgeworfen. Edelmann repräsentierte sogleich die Verbindung einer radikaleren Theologie zur ihrerseits zunehmend deistisch geprägten Aufklärung. Insgesamt zeichnete sich um 1740 eine Abkehr des Pietismus von der Aufklärung und eine Neupositionierung an der Seite der Orthodoxie ab (54, S. 22).
III.
Aufklärung und Pietismus
Pietismus Hallescher Prägung
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III.
Forschungsprobleme
Deismus und Vernunftreligion
Reimarusstreit
40
Nach 1740 verlor nicht nur die Hallesche theologische Fakultät, sondern die universitäre Theologie insgesamt an Bedeutung für die Aufklärung. Fortan waren es Literaten und Pfarrer, die den Diskurs der protestantischen Aufklärung bestimmten. Beeinflusst vom englischen Deismus, von der Philosophie Christian Wolffs wie pietistischen Elementen diskutierten diese Neologen mit zunehmend radikalerem Ergebnis die Vereinbarkeit von Vernunft und Offenbarung. Wolfgang Gericke (153, S. 95) konstatierte eine „allmähliche Reduzierung der christlichen Religion auf eine Vernunftreligion“. Während die älteren, kurz nach der Wende zum 18. Jahrhundert geborenen Neologen wie der Berliner Probst und Oberkonsistorialrat Johannes Joachim Spalding, der Domprediger August Friedrich Wilhelm Sack sowie der Vizepräsident des Wolfenbütteler Konsistoriums, Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem, Offenbarung und Vernunft nicht in grundsätzlichem Gegensatz sahen, verwarf die nachfolgende Generation, etwa Wilhelm Abraham Teller in seinem Wörterbuch des Neuen Testaments zur Erklärung der christlichen Lehre 1770, was immer mit Vernunftwahrheit nicht in Einklang zu bringen war als „Menschensatzung“ (153, S. 104). Zeichnete sich beim Probst und Oberkonsistorialrat Teller in seinem letzten Lebensabschnitt ein von Kant beeinflusster Übergang zum „reinen Christentum“, die Annäherung an Spiritualismus und Mystik ab, so schlug bei den radikalen Johann Heinrich Schulz und insbesondere Carl Friedrich Bahrdt die „Sterbeglocke des Offenbarungsglaubens“ (153, S. 109). Die Offenbarungsreligion lehnte auch der Hamburger Theologe Reimarus ab, ohne sein Postulat einer Vernunftreligion zu Lebzeiten publik zu machen. Den erwähnten Reimarusstreit löste Lessings Veröffentlichung einiger Fragmente eines Wolffenbüttelschen Ungenannten (1774–1778) aus, der Reimarus’ Position bekannt machen wollte und dafür einen heftigen Angriff des Hamburger Hauptpastors Goeze erntete. Auch innerhalb der protestantischen Aufklärung war die Resonanz zwiespältig. Zu den profilierten Gegnern des freilich erst nach 1800 namhaft gemachten „Ungenannten“ zählte der Hallesche Theologe und Aufklärer Johann Salomo Semler. Der Reimarusstreit war hier längst nicht die einzige, wegen der zentralen Rolle Lessings jedoch bekannteste Kontroverse. Horst Möller erklärte die Heftigkeit der Reaktion mit einem zunehmenden Abgrenzungsbedürfnis gemäßigter Neologen nicht allein gegenüber Reimarus, sondern insgesamt gegen radikale Vertreter wie den genannten Bahrdt. Auch Lessing fürchtete angesichts einer nun grassierenden Populärtheologie, die Orthodoxie gegen das „Flickwerk von Stümpern und Halbphilosophen“ (76, S. 329) eingetauscht zu haben. Radikalere Kritiker der Neologie Bahrdts wie des Nichttheologen Friedrich Nicolai sahen gar einen Gegensatz der Aufklärung zur christlichen Glaubenslehre, deren Dogmen „bloße Sittenlehre“ seien und „die am Ende die Sendung Christi ganz unnötig macht und der Bibel nicht mehr bedarf“ (41, S. 82). Der hier zitierte Johann Heinrich JungStilling warf insbesondere Nicolai eine ähnlich verderbliche Wirkung vor wie dem antikirchlichen Kämpfer Voltaire. Wenngleich sich Reimarus deutlich von ihm wie auch der Orthodoxie distanziert hatte, konnte ihm nicht folgen, wer die Offenbarung beibehalten und den Glauben hervorheben wollte. Ein zunehmend gegenaufklärerischer Pietismus tat sich schwer mit einem zur Sittenlehre reduzierten Protestantismus.
2. Aufklärung und Religion Der Neologismus hatte nicht nur theologische Gegner. Zwar waren im Preußen Friedrichs II. Theologen neologischer Prägung in Kirchenämter und etliche Pfarrstellen gelangt, die sie auch nach 1786 beibehielten. Die Masse der Gläubigen jedoch zeigte keineswegs nur ungeteilte Zustimmung. Die Kluft zwischen aufgeklärter Theologie und den religiösen Überzeugungen und Praktiken der Bevölkerung ist im Zusammenhang der Volksaufklärung und Mentalitätsgeschichte erst jüngst thematisiert worden. Wolfgang Neugebauer hat sie in seiner neuesten Monografie über Brandenburg (127) verdeutlicht: Der neologische Pfarrer mochte zwar über seine Kanzel einen deutlich größeren Personenkreis erreichen als der aufgeklärte Schriftsteller, doch was die von ihm in vieler Hinsicht als abergläubisch anzusehende Gemeinde davon erreichte, ist zumindest fragwürdig. Auf Nicolais Erstaunen angesichts der handgreiflichen Abwehr mancher Berliner wurde bereits verwiesen. Doch selbst der aufgeklärte Monarch bekam den Widerstand der gläubigen Massen zu spüren. Als Friedrich der Große 1780 das alte Porstsche Gesangbuch durch ein neues ersetzen ließ, löste er damit in der Umgebung Berlins und in der Altmark heftigste Reaktionen aus. Vorsichtiger und pragmatischer als Joseph II. scheute Friedrich II. den Konflikt und nahm die Neuerung nur ein Jahr später weitgehend zurück. Es schien, so folgerte Neugebauer, „eher kontraproduktiv gewesen zu sein und traditionale Widerstände mobilisiert zu haben, wenn einmal der Versuch unternommen wurde, aus der Residenz ein wenig Aufklärung zu verordnen […]“ (127, S. 148). An der Interpretation der Aufklärungsepoche entzündete sich innerhalb der evangelischen Theologie mehr als eine Kontroverse. Jener um die Wende zum 20. Jahrhundert ausgetragene Streit zwischen Ernst Troeltsch und Adolf von Harnack hatte zumindest die gemeinsame Basis einer positiven Sicht der Aufklärung. Karl Barths dialektische Theologie wertete hingegen eine Generation später „die Aufklärung und mit ihr die Neuzeit überhaupt als den entscheidenden Gegner, gegen den sich die Theologie in Aufnahme und Erneuerung der Motive konservativer Aufklärungsopposition in einem prinzipiellen Kampf zu erwehren habe, um ihn zu überwinden“ (159, S. 20). Es war dies ein sicherlich auch von der damaligen Erfahrung des Kirchenkampfes geprägtes Urteil, das für das innertheologische Verständnis der Aufklärung gewissermaßen prägend geworden ist. Dies gilt andererseits auch für die Position Ernst Troeltschs. In dessen Auseinandersetzung mit Adolf von Harnack ging es letztlich um die Frage, ob die Aufklärung als Erbe der Reformation oder als Ausgangsbasis einer Epoche zu sehen sei, die Ursprung unserer eigenen Gegenwart ist (71, S. 157). Während Harnack die Aufklärung ganz in der Kontinuität der lutherischen Reformation sah, arbeitete Troeltsch in seinen Schriften den Zäsurcharakter heraus, der diese Epoche als eigentlicher Beginn der Moderne von einer seit der Glaubensspaltung noch verstärkt kirchlich-theologisch dominierten Kultur trennte. „Die Aufklärung ist Beginn und Grundlage der eigentlich modernen Periode der europäischen Kultur und Geschichte im Gegensatz zu der bis dahin herrschenden kirchlich und theologisch bestimmten Kultur […]“, so die Eingangssequenz von Troeltschs berühmtem Lexikonbeitrag für die Theologische Realenzyklopädie 1897 (163, S. 225). Sich gegen die Theologie herausarbeiten zu müs-
III. Widerstände gegen eine „Aufklärungstheologie“
Die TroeltschHarnackKontroverse
41
III.
Forschungsprobleme sen, habe die ganze Front- und Problemstellung der Aufklärung geprägt und ihr den oft negativen Charakter gegeben, und „dass auch ihre positiven Problemlösungen durch das beiden gemeinsame Schema einer unveränderlichen, dogmatisch beweisbaren, verstandesmäßigen Wahrheit aufs tiefste beeinflusst worden sind, ist ebenfalls ein unleugbarer, aber doch nur indirekter Einfluss der Theologie“ (163, S. 239). Troeltschs Interpretation des Zäsurcharakters der Aufklärungsepoche und der Gegensätzlichkeit von Aufklärung und kirchlicher Kultur ist von der Theologie des 20. Jahrhunderts übernommen worden, nicht jedoch seine Würdigung als Ausgang der Moderne. Aufklärung ist noch immer ein innertheologisch umstrittenes Thema, wie nicht zuletzt die Troeltschs Aufklärungsartikel ersetzende Neuauflage der Realenzyklopädie illustriert. „In dem Urteil über die Aufklärung“, heißt es dort, „schieden sich die Geister, insbesondere die theologischen Schulen grundsätzlich.“ Sie scheiden sich, wie der Beitrag des Münchener Theologen Trutz Rendtorff über Troeltsch und die theologische Orientierung im Prozess der Aufklärung belegt, noch immer (159, S. 32).
b) Aufklärung im katholischen Deutschland Begriff „katholische Aufklärung“
Begriffsgenese
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„Katholische Aufklärung“ ist eine ähnlich problematische Verbindung zweier heterogener Begriffe wie der aufgeklärte Absolutismus, weshalb die inhaltliche Bestimmung nicht eben leicht fällt. Bernhard Plongeron meinte in einem Was ist katholische Aufklärung? überschriebenen Beitrag (188), den Terminus einzig ex negativo bestimmen zu können: eben was christliche und speziell katholische Aufklärung nicht sei, nicht aber, was sie sei. Die fundamentale Frage, was eigentlich ‘katholische’ Aufklärung ausmache, so auch Helmut Zanders Resümee einer 1988 eigens zum Thema veranstalteten Tagung, müsse weiterhin als offenes Problem gelten (vgl. 175). Von einem „Übergangs-“, einem „transitorischen Begriff“ sprach Harm Klueting, da im (tridentinischen) Katholizismus und der Aufklärung zwei gegensätzliche Elemente in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein „Bündnis auf Zeit“ eingegangen seien (176, S. 9 f.). Nicht nur Gegensätzliches, sondern tatsächlich Unvereinbares verbinde sich in der Bezeichnung katholische Aufklärung, weshalb der Theologe Heribert Raab sie einen „Unbegriff“ nannte. Rudolf Vierhaus stellte kürzlich den Begriff insgesamt zur Disposition (63). Katholische Aufklärung ist eine in mehrfacher Hinsicht problematische Begriffsbildung. Sie ist zum einen belastet von der einseitig negativen Konnotation, die Kirchenhistorie und katholische Historiografie seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und insbesondere seit dem Syllabus errorum 1864 mit der Aufklärung verbanden. Auf die Anfänge einer differenzierteren Betrachtung und im eigentlichen Sinne wissenschaftlichen Erforschung der katholischen Aufklärung im 20. Jahrhundert wird zurückzukommen sein. Zweitens ist auch der Katholizismusbegriff der katholischen Aufklärung zu präzisieren, legt er doch eine Geschlossenheit nahe, die im 18. Jahrhundert vielleicht noch weniger Realität war als zu anderen Zeiten (67, S. 403). Zu diesem Komplex gehörte zum einen die allein auf-
2. Aufklärung und Religion grund der verfassungsmäßigen Struktur gewichtige Reichskirche. Sie war im Gegensatz zum gallikanisch geprägten Frankreich sehr stark nach Rom orientiert und zählte zu den Beharrungskräften. Zeitgenössische, durchaus auch innerkatholische Kritiker monierten die spätmittelalterlich-scholastische Ausrichtung einer insgesamt jesuitisch geprägten theologischen Ausbildung und eine ausufernde barocke Frömmigkeit. Diese vom Vernunftund Nützlichkeitsdenken der Aufklärung beeinflussten Stimmen waren freilich eine Minderheit. Die Mehrheit der Gläubigen praktizierte barocke Frömmigkeitsformen und wollte sie gegen Reformmaßnahmen verteidigen. Zum anderen zeichnete sich im 18. Jahrhundert ein gleichfalls bis ins Spätmittelalter zurückreichender Episkopalismus der Reichskirche ab, der den Supremat des Papstes auf ein Ehrenpontifikat beschränken, hingegen die bischöflichen Rechte Rom, aber auch den Klöstern, Stiften und Orden, im Konfliktfall auch einzelnen Landesherren gegenüber stärken wollte. Tatsächlich ließen sich die antirömischen Zielsetzungen allein im Bündnis mit den Landesherren verwirklichen, die hier zumindest partiell gleiche Interessen vertraten (67, S. 406). Sie konnten, dies zeigt die Mainzer Episode im preußischen Fürstenbund, die Annäherung selbst an protestantische Landesherren befördern, sie konnten aber auch, wie 1785 im Fall des Streits um eine Münchener Nuntiatur für Bayern und die Kurpfalz, mit landesherrlichen Interessen diametral kollidieren. Der deutsche Episkopalismus kulminierte im so genannten Febronianismus, benannt nach dem Pseudonym Justinus Febronius, unter dem der Trierer Weihbischof Nikolaus von Hontheim 1763 seine Streitschrift De statu ecclesiae et legitima potestate Romani pontificis veröffentlicht hatte (41, S. 95). Der Febronianismus zielte auf die Errichtung einer Nationalkirche und eine grundsätzliche Reform der kirchlichen Verfassung gemäß den tridentinischen Konzilsbeschlüssen. Seine Forderung nach Eindämmung der als irrational empfundenen Frömmigkeitspraktiken wie Marienkult, Heiligenverehrung oder Wallfahrten, nach Verbesserung der Priesterausbildung, Aufhebung von Feiertagen, ja selbst von kontemplativen Orden traf sich mit denen der Aufklärung. „Neues Ideal war vielmehr eine purifizierte, häufig an der imaginierten Einfachheit der Urkirche orientierte Frömmigkeitsform, die sich nicht in so genannte ‘Andächtelei’ verlor, sondern sich durch tugendhaften Lebenswandel, tätige Nächstenliebe und gewissenhafte Pflichterfüllung auswies“ (187, S. 235). Die Reformbestrebungen wiesen Berührungspunkte zum Protestantismus auf, insbesondere jedoch kamen sie dem Reformwillen aufgeklärt absolutistischer Monarchen entgegen. Zum letzten ist hinsichtlich des aufgeklärten Katholizismus die Zersplitterung des alten Reiches und die daraus resultierende unterschiedliche Ausprägung von Reformkatholizismus in den weltlichen und geistlichen Territorien zu bedenken. Evident scheinen die Unterschiede zwischen der früh untersuchten Entwicklung in Österreich, sekundär in Bayern, und den Erzdiözesen und Bistümern. Neuere Forschungen zu den geistlichen Reichsständen haben allerdings auch hier Differenzen, haben direkte oder indirekte reformkatholische Einflüsse aufgezeigt. Zentren katholischer Aufklärung waren auf dieser Ebene die Fürstbistümer Würzburg und Salzburg der geistlichen Landesherren Franz Ludwig von Erthal und Hieronymus
III.
Innerkatholische Entwicklung im 18. Jahrhundert
Reformkatholische Zentren
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III.
Forschungsprobleme
Reformkatholizismus als Kampfbegriff
Reformkatholizismus und aufgeklärter Absolutismus
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Graf Colloredo – letzterer bekannt wegen seines Zerwürfnisses mit Mozart –, doch auch die Erzbischöfe, mit dem Kölner Maximilian Franz gar ein Bruder Josephs II., rezipierten manche Neuerung, der Mainzer Erzkanzler trotz seiner bis ins protestantische Lager des Fürstenbundes führenden sonstigen Gegnerschaft zum „Reformkaiser“. Auf die weniger beachtete Tätigkeit der von der Aufklärung beeinflussten Passauer Fürstbischöfe Leopold Ernst von Firmian und vor allem Joseph Franz von Auersperg verwies Margarete Laudenbach (241). Die Komplexität und Heterogenität des Phänomens Katholizismus im 18. Jahrhundert macht nun die inhaltliche Bestimmung von „katholischer Aufklärung“ nicht eben leichter. Seine inhaltliche Prägung erfuhr der Reformkatholizismus, der im 19. Jahrhundert zum Kampfbegriff des ultramontanen Katholizismus wurde, zum einen durch den von Frankreich ausgehend in ganz Europa verbreiteten Jansenismus. Diese vom Papst als „calvinistisch“ unterdrückte Theologie des Cornelis Jansen und seiner Anhänger war ebenfalls nationalkirchlich ausgerichtet und nahm im 18. Jahrhundert Züge einer politischen Strömung an. Der Jansenismus erlangte, so Harm Klueting, hinsichtlich der Förderung des religiösen Individualismus innerhalb des Katholizismus die Bedeutung, die im Protestantismus der Pietismus erhielt (176, S. 10). Prägend war eben zweitens der Einfluss der norddeutsch-protestantischen Aufklärung, vermittelt über Studenten aus dem katholischen Süden an Reformuniversitäten wie der 1737 gegründeten Göttinger Universität, zunehmend selbst rezipiert aber auch an katholischen Universitäten wie Würzburg oder Ingolstadt. Die breite Rezeption des 1723 von der „ersten“ Reformuniversität Halle vertriebenen Christian Wolff katholischerseits überraschte nicht zuletzt den bedeutenden Aufklärer selbst; einen ähnlichen Einfluss erlangte zu Ende des Jahrhunderts die Philosophie Immanuel Kants. Die Aufgeschlossenheit für das Werk des später im Zeichen zunehmender Rekonfessionalisierung verketzerten Königsberger Philosophen verweist auf eine tendenzielle Annäherung der Konfessionen, die mit dem eingangs genannten Terminus „ökumenische Aufklärung“ (150, S. 116) sicherlich überinterpretiert ist. Denn trotz der Abnahme konfessioneller Scharfmacherei, trotz der Wiederbelebung des Unionsgedankens (167) und der in diesem Zusammenhang diskutierten Aufgabe des Zölibats – dies immerhin ein innerkatholischer Anstoß zur Beseitigung eines aufgeklärter Glücksdefinition widersprechenden Gebots – blieb die konfessionelle Annäherung eine außertheologische (67, 145). Weder übersah die protestantische Aufklärung, der Berliner Verleger, Publizist und Reisende Friedrich Nicolai als einer ihrer Repräsentanten, die „Reformresistenz“ der abseits in überkommenen Frömmigkeitsmustern verhafteten Gläubigen, noch konnte sich die katholische Seite eine Union anders denn als Vereinigung unter ihrem Primat vorstellen. Entsprechend gering war die Resonanz bei Protestanten. Der Reformkatholizismus verband sich in je unterschiedlicher Intensität mit dem aufgeklärten Absolutismus. Am konsequentesten war die deswegen früh erforschte Verbindung im Österreich mehr noch Josephs II. als Maria Theresias. Dort ging der Spätjansenismus (Peter Hersche) mit einem zudem von Ludovico Antonio Muratori und seiner Schrift Della regolata divozione dei Christiani (1747) beeinflussten Staatskirchentum zusammen
2. Aufklärung und Religion (142, S. 162), ohne mit dem Josephinismus identisch zu sein. Der hier speziell das kirchenpolitische Reformwerk kennzeichnende Begriff wurde bereits erörtert (Kapitel 1.c). Es mag der Hinweis genügen, dass auch die staatskirchlichen Neuerungen der Habsburger lange vor Joseph II., nämlich unter seinem Großonkel Joseph I., begannen und mit seinem Tod nicht endeten. Harm Klueting plädierte erst kürzlich wieder für den Ersatz des doppel- und missdeutlichen Begriffs Josephinismus durch „theresianischjosephinische Kirchenreformen“, Peter Hersche hatte bereits 1977 die zeitgenössische wie neutrale Bezeichnung „katholische Kirchenreform“ vorgeschlagen (173, S. 59). Die unter Maria Theresia begonnenen Reformmaßnahmen beinhalteten Eingriffe in die Stellung der Jesuiten, beginnend 1759 mit ihrer Zurückdrängung aus der Zensurbehörde, sodann aus ihrer quasi monopolartigen Stellung in Schulunterricht und Priesterausbildung. Die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 durch päpstliches Breve wurde allerdings nicht mit der konsequenten Härte umgesetzt wie in den Ländern Süd- und Südwesteuropas, gab es doch vielerorts, so etwa im nun preußisch gewordenen Schlesien (193), zumindest im Elementarunterricht keine hinreichende Alternative (134, S. 40). Ebenfalls aus theresianischer Zeit datierte die Einschränkung von Wallfahrten in Zahl und Umfang. Ganz ähnlich verfuhr hier der bayerische Kurfürst Max III. Joseph, der 1770 ein Passionsspielverbot mit der Begründung erließ, „damit das Volk nicht von der Arbeith, Gebett, und anderen Geschäften abgehalten, und zum müßiggehen verwöhnt werde“ (181, S. 133). Und selbst der Breslauer Fürstbischof Schaffgotsch plädierte für die Übernahme der in den habsburgischen Landen vom Papst genehmigten Verminderung kirchlicher Feiertage auch im preußischen Schlesien (193, S. 266). Vernunft- und Nützlichkeitserwägungen bestimmten dann die eigentlich josephinischen Kirchenreformen der Jahre 1782 bis 1789, allen voran drei geplante, davon zwei realisierte Klosteraufhebungen, wie sie in den 1760er Jahren unter Kaunitz bereits in der Lombardei durchgeführt worden waren. In der Habsburgermonarchie stand der Aufhebung von 700 bis 800 Klöstern die aus dem Erlös finanzierte Neugründung von Pfarren gegenüber, zahlenmäßig etwa viermal so viel wie zuvor bestanden hatten. Ziel war die Verbesserung der Pfarrseelsorge, weshalb denn auch die Priesterausbildung in eigens geschaffenen Generalseminarien zentralisiert und das Klosterstudium verboten wurde. Nationalkirchlichem Denken entsprach das Verbot direkten Kontakts der Bischöfe und Klöster mit der römischen Kurie, vor allem aber die heikelste Reformmaßnahme Josephs II., die Neueinteilung von Diözesen und Pfarreien. Versuche, die Bistumsstruktur der Landesherrschaft anzugleichen und staatliche und kirchliche Verwaltung in Übereinstimmung zu bringen, waren nicht eben neu. Zuletzt waren solche Erwägungen nach den beiden schlesischen Kriegen akut geworden, als das nunmehr preußische Erzbistum Breslau in habsburgisches, das mährische Bistum Brünn in schlesisches Terrain hineinragte. Die diffizilen Verhandlungen, in denen gerade Friedrich II. auf päpstliche Zustimmung Wert legte, scheiterten nicht etwa an Preußen, sondern an den Kompensationsansprüchen der Bischöfe (193). Mit der eigenmächtigen Neueinteilung des
III.
Reformmaßnahmen in der Habsburgermonarchie
Reduktion der Feiertage
Klosteraufhebungen
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III.
Forschungsprobleme
Josephinismus und Jansenismus
„Josephinismus nach Joseph II.“
Reformkatholizismus im „alten Reich“
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Bistums Passau 1783/84, dessen österreichische Teile den neu geschaffenen Diözesen Linz und St. Pölten zugeschlagen und deren dort gelegene Besitztümer eingezogen wurden, brachte sich Joseph II. in Gegensatz zum Papst und zur Reichskirche. Zudem widersprach sein Handeln als Landesherr seiner kaiserlichen Schutzfunktion und damit letztlich der Reichsverfassung (170, S. 246). Sein Staatskirchentum war somit Element territorialer Partikularinteressen im Alten Reich, das zur Vorgeschichte von 1803 respektive 1806 gehört. Wie Harm Klueting herausstellt, war zumindest im Bereich der Kirchenorganisation lange vor 1866 „das Herauswachsen Österreichs aus dem Reich“ vollzogen (176, S. 25). Die sehr weitgehenden und, wie in der Forschung immer wieder betont, überhastet durchgesetzten Reformen entsprachen den Erwartungen der Jansenisten, wie sich auch Joseph II. des Jansenismus bediente, ohne Jansenist zu sein. Sein Bestreben, die Kirche dem Staat unterzuordnen, war am protestantischen Landeskirchentum und hier vor allem am preußischen Vorbild orientiert. Eine theologische Auseinandersetzung mit dem Jansenismus, dessen Theologie sich ohnehin mehr und mehr der Aufklärung anpasste, lag nicht in seinem Interesse. Das „Zweckbündnis“ des Josephinismus wurde von solchen Radikalisierungstendenzen, zudem der wiederholt kritisierten Nähe zu protestantischen Positionen schließlich so sehr strapaziert, dass sich Joseph II. von den Jansenisten distanzierte. Entsprechend wechselseitig war die Enttäuschung über ein Reformwerk, das aufgrund des heftigen Widerstands nicht nur betroffener Geistlicher, sondern einer „breiten antijosephinischen Bewegung“ (91, S. 282) in den österreichischen Niederlanden (Brabant), aber auch in Tirol Ende der 1780er Jahre teilweise zurückgenommen wurde. Weitere Elemente des josephinischen Staatskirchentums standen unter seinen Nachfolgern zur Disposition, nicht allerdings die umstrittenste Maßnahme der Neugliederung der Diözesangrenzen. Auch erfuhr der „Josephinismus nach Joseph II.“ eine Fortexistenz in einer reform- und staatskirchlich orientierten Beamtenschaft bis in die Zeit des Konkordats von 1855. Matthias Rettenwander stellte zudem eine weitgehende josephinische Prägung ethischer und religiöser Normen in der bürgerlichen Gesellschaft der vormärzlichen Habsburgermonarchie fest (140, S. 316). „Antijosephinisch“ war hingegen der im 19. Jahrhundert verstärkt ultramontane Katholizismus, in dessen Reihen man sich den Ruf der Kirchlichkeit „fast noch sicherer als durch Schimpfen auf Luther und den Protestantismus“ durch wegwerfende Urteile über Joseph II. und die Aufklärung erwerben konnte (186, S. 174). Der Dualismus „Josephinismus“ versus „Antijosephinismus“ setzte sich bis in die Kontroverse der 1930er bis 1960er Jahre (178, S. 249 f.) zwischen Eduard Winter und Ferdinand Maaß fort, die den umstrittenen Begriff gegensätzlich als von Rom vereitelten und verketzerten Reformversuch oder aber als despotische Unterwerfung der Kirche unter den Staat und im Ergebnis als Zerstörung von Religiosität interpretierten. Nun war der Josephinismus wohl ein relativ geschlossenes, aber kein einzigartiges Beispiel staatskirchlichen Handelns im katholischen Deutschland des 18. Jahrhunderts. Vergleichbar dem theresianisch-josephinischen Reformkatalog waren nicht nur Maßnahmen des pfälzisch-bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, sondern bereits seines Vorgängers Max III. Joseph,
2. Aufklärung und Religion der um 1760 eine staatliche Aufsicht über kirchliche Vermögen wie über Buchzensur realisierte, dazu die Reduktion von Feiertagen, das schon genannte Verbot der Passionsspiele, eine Begrenzung der Bruderschaften und des Klerus sowie die Verschärfung der Klosteraufsicht (181, S. 123, S. 129). In die gleiche Richtung wies Karl Theodors Bestreben, die Zuständigkeit der reichsunmittelbaren Bischöfe für das bayerische Kirchwesen durch die Einrichtung eigener Landesbistümer zu beschränken, deren Diözesannoch dazu mit den Landesgrenzen übereinstimmen sollten (176, S. 20 ff.). Der bayerischen Staatskirchenpolitik fehlte jedoch die „landesherrliche Konsequenz“ und auch der Plan der Errichtung eines Landesbistums München scheiterte. Wenn hinsichtlich der beiden Monarchen nur sehr bedingt von staatskirchlichem Handeln im Sinne des „aufgeklärten Katholizismus“ die Rede sein kann, so desto mehr bei reformfreudigen Beamten wie dem Staatsrechtler Johann Adam von Ickstatt, die als Aufklärer, so Andreas Kraus, ein letztlich absolutistisches Staatskirchentum gegen Adel und Klerus durchsetzten und die Aufklärung so zum Vehikel des Absolutismus machten (181, S. 128). Darüber hinaus bereiteten sie den Weg nicht nur für die eigentlichen Reformen der Rheinbundzeit, sondern insbesondere für die Säkularisationen nach 1803. Von einer solchen Entwicklung waren nicht einmal die hier noch gar nicht behandelten geistlichen Territorien ausgenommen. Einzelne Historiker haben nun gar eine Periodisierung der katholischen Aufklärung versucht. So unterschied Harm Klueting (176, S. 13 ff.) abgesehen von einer „Inkubationszeit“ seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert drei Phasen, die erste beginnend um 1740. Als weitere Zäsuren einer zweiten und dritten Phase benannte er die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 und den Beginn der Alleinregierung Josephs II. 1780 und der nun verstärkten Staatskirchenpolitik. Seine Datierung des Endpunkts 1803 ist zumindest im Hinblick auf den Josephinismus umstritten, den Eduard Winter, Fritz Valjavec und Ferdinand Maaß bei allen sonstigen Differenzen bis Mitte des 19. Jahrhunderts wirksam sahen. Horst Möller wiederum vertrat eine freilich allein auf Bayern gemünzte, abweichende Dreiteilung. In Anlehnung an Ludwig Hammermayer setzte er den Beginn katholischer Aufklärung bereits um 1720 an, datierte die zweite Phase von etwa 1745 bis 1775/76, die letzte bis in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts (41, S. 93 f.). Es versteht sich, dass die Aufklärung allgemein wie speziell die innerkatholische Entwicklung der Aufklärungszeit im katholisch geprägten Deutschland ein gespaltenes Echo hervorrief. Während Friedrich Schlegel sie in den 1820er Jahren noch als komplexe Bewegung sah, in der sich das göttliche Licht der „wahren“ Aufklärung reflektiere oder aber das unechte Licht der „falschen“ Aufklärung zu Revolution und Unglauben verleite, die aber an sich „nichts Tadelnswertes, gegen das Christentum Streitendes“ habe, während also Schlegel differenzierte, unterschied eine mehr und mehr ultramontane Kirchengeschichtsschreibung nicht länger „wahr“ (Schneiders) und „falsch“, sondern urteilte übereinstimmend negativ. Eine pauschale Ablehnung konstatierte Sebastian Merkle noch 1910. Zwei Jahre zuvor hatte er mit seinem Vortrag über die „Kirchliche Aufklärung im katholischen Deutschland“ und dem Plädoyer für eine differenziertere Beurteilung auf dem Internationalen Kongress für historische Wissenschaften
III.
Periodisierung der katholischen Aufklärung
Rezeptionsgeschichte der katholischen Aufklärung
MerkleSägmüllerKontroverse
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III.
Forschungsprobleme in Berlin heftige Reaktionen ausgelöst. Der polemische Schlagabtausch mit dem Tübinger Theologen Johann Baptist Sägmüller und dem Freiburger Ordinariatsassessor Adolf Rösch zeigte zum einen die Defizite eines „im wesentlichen verdammenden Urteil[s] über [die kirchliche Aufklärung] auf katholischer Seite“ (189, S. 1), die nicht zuletzt der Vergleich mit der protestantischen Seite, mit Troeltsch oder Harnack evident machte (184, S. 46 f.). Darüber hinaus war die Kontroverse inhaltlich wegweisend, denn Merkles Forderung nach Ursachen- sowie einer detaillierteren Erforschung der tatsächlichen Entwicklung im katholischen Deutschland des 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt seine Unterscheidung positiver und negativer Aufklärung fand in der Folgezeit bis in die Katholizismusforschung der 1980er Jahre breiteste Resonanz. Die Tradition reichte über Franz Schnabel, Fritz Valjavec, Karl Otmar von Aretin und Eberhard Weiss bis zu Hermann Rauscher, Konrad Repgen und Rudolf Morsey. Darstellungen zur Institutionengeschichte von Universitäten und Klöstern, zur Regional- und Lokalgeschichte im katholischen Deutschland, zur Sozial-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte haben Merkles Ruf nach Detailforschung in einem damals nicht absehbaren Ausmaß beherzigt. Eine Präzisierung des Begriffs „katholische Aufklärung“ war damit freilich nicht verbunden. „Das Hauptproblem“, so resümiert Hans Maier (184, S. 50), „scheint mir darin zu liegen, dass das übersichtliche Gegenüber – hier die Katholiken, dort die Aufklärung – sich im gleichen Maße auflöst und verflüchtigt, je mehr wir in der historischen Erkenntnis dieser Epoche vordringen.“ Bernard Plongeron trug dem mit seiner Begriffsbestimmung der „katholischen Aufklärung“ ex negativo Rechnung.
c) Haskala – Die jüdische Aufklärung Zentralfigur Moses Mendelssohn
Berlin als Zentrum der jüdischen Aufklärung
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Die seit den letzten vier Jahrzehnten intensiver erforschte jüdische Aufklärung ist selbst im Vergleich zur „verspäteten“ katholischen Aufklärung eine nachgeholte, die um 1770 und damit zu einer Zeit ihren Ausgang nahm, als sich die europäische Aufklärungsbewegung bereits in ihrer Spätphase befand. Während Kants berühmter Aufsatz „Beantwortung der Frage: was ist Aufklärung“ eher schon als Resümee und Standortbestimmung in einer disparater werdenden Entwicklung zu sehen ist, war Moses Mendelssohns Beitrag „Über die Frage: was heißt aufklären?“ eben auch in der Berlinischen Monatsschrift noch mehr programmatisch. Nicht zufällig findet ausgerechnet Mendelssohns Mitwirkung an dem wohl bekanntesten Organ der Berliner Aufklärung, eigentlich der dortigen „Mittwochsgesellschaft“, hier Erwähnung, wenngleich vor allem die Pentateuchübersetzung und -kommentierung als aufgeklärtes Gemeinschaftsprojekt weit größere Relevanz erlangte, die sie Michael Graetz mit dem „Großunternehmen“ der französischen Aufklärung, der Encyclopédie, vergleichen ließ (205, S. 288). Berlin und die Berliner Aufklärung waren Ausgangspunkt der Haskala, der jüdischen Aufklärung in Europa, nicht etwa Amsterdam oder London. Von Berlin verbreitete sich die jüdische Aufklärung nach Wien, Prag, Galizien, bis Wilna und Odessa, nach Kopenhagen, London und bis ins französisch-
2. Aufklärung und Religion sprachige Nordafrika. „Vor allem in Russland existierte die Haskala […] bis etwa 1890, als die europäische Aufklärung und die jüdische Aufklärung von Berlin längst der Vergangenheit angehörten“ (212, S. 14). Nicht zufällig findet auch sogleich der aus Dessau gebürtige Moses Mendelssohn Erwähnung, der als Zentralfigur nicht nur der jüdischen, sondern auch der allgemeinen Aufklärung die doppelte Zielrichtung der Haskala verkörpert. Als Freund des Pastorensohns Lessing, des Verlegers Friedrich Nicolai beteiligte sich Mendelssohn am allgemeinen Diskurs der Aufklärung, stand ungewollt im Zentrum kontroverser Auseinandersetzungen mit den Theologen Johann David Michaelis und Johann Kaspar Lavater, zugleich jedoch im Mittelpunkt einer ersten Generation der Haskala. Seine zentrale Bedeutung hatte allerdings zur Folge, dass die jüdische Aufklärung lange Zeit mit ihm identifiziert wurde, eine weniger auf seine Person ausgerichtete Perspektive erst in jüngster Zeit eröffnet wurde. „Aufklärung“ wird im Hebräischen mit Haskala übersetzt, ein seit dem frühen 19. Jahrhundert auch als Epochenbegriff gebräuchlicher Terminus allerdings älteren Ursprungs. In der Bedeutung von „Vernünftigkeit“ und „Einsicht“ ist Haskala bereits im antiken Midrasch belegt, in der mittelalterlichen jüdischen Philosophie steht der Begriff auch für „Erkenntnis“, bis ins 18. Jahrhundert hinein dazu ganz allgemein für „Philosophie“. Im modernen Hebräisch ist Haskala zudem die wenn auch etwas antiquierte Bezeichnung für „höhere Bildung“ (213, S. 122). Die begriffliche Vieldeutigkeit führte dazu, dass auch die auf Heinrich Graetz zurückgehende und vor allem von Jakob Katz vertretene Datierung der jüdischen Aufklärungsepoche zwischen 1770 und 1812 nicht unwidersprochen blieb. Namentlich Asriel Schochat verlegte den Beginn einer Frühaufklärung analog der nichtjüdischen Entwicklung auf das Jahr 1700, da bereits um die Jahrhundertwende die „Öffnung und Beschäftigung von jüdischen Individuen […] mit nichtjüdischer Bildung, Wissenschaft, Kultur, Mode, Verhaltensweisen und Menschen und die damit einhergehende Vernachlässigung, Missachtung oder Verletzung jüdischer Traditionen, religiöser Gebote, der Rechtsprechung, Sitten und Sozialkontakte“ belegt sei (213, S. 123, 211, S. 421 f.). Entsprechend interpretierte er die jüdische Aufklärung als Resultat der kontinuierlichen sozial- und religionsgeschichtlichen Entwicklung innerhalb der Judentums. Diese Position grundsätzlich respektierend wandte Christoph Schulte ein, dass eine eigentliche, an Institutionen wie Verlagen, Vereinen, eigenen Zeitschriften und Bildungseinrichtungen festzumachende Aufklärungsbewegung, die nach dem Willen ihrer Repräsentanten zum gesamtjüdischen Phänomen werden sollte, tatsächlich erst um 1770 anzusetzen sei. Das Datum 1770 hatte eben auch Schochats Antipode Jakob Katz (207) genannt, der die jüdische Aufklärung als einen durch Veränderung und Einwirkung der nichtjüdischen Gesellschaft, als einen von außen induzierten Bruch mit der Tradition deutete. Während Haskala eine inzwischen international etablierte Bezeichnung auch für die Epoche der jüdischen Aufklärung darstellt, war der bedeutungsnahe Begriff Maskil, im Plural Maskilim die zeitgenössische Selbstbezeichnung der „Aufklärer“. Neben Mendelssohn, neben Naftali Hartwig Wessely, Herz Homberg, Isaak Satanow und Salomon Dubno waren dies die jüngeren David Friedländer, Markus Herz, Isaak Euchel, Salomon Mai-
III.
Epochenbegriff Haskala
Maskilim – jüdische Aufklärer
49
III.
Forschungsprobleme
PentateuchÜbersetzung Mendelssohns
Entwicklungsgeschichte der jüdischen Aufklärung
50
mon, Lazarus Bendavid, Aron Wolfssohn und Saul Ascher. Sie waren als Angehörige einer ersten Generation oft aus armen Verhältnissen Osteuropas zugewandert, während manch jüngerer Maskil den wenigen arrivierten Familien der entstehenden Wirtschaftselite Berlins entstammte. Zwar hatten noch die älteren unter ihnen eine religiöse Bildung und Erziehung erhalten, eine der protestantischen Pfarrhausbindung vergleichbare Symbiose mit der Synagoge gab es hier jedoch nicht. Ihren Lebensunterhalt bestritten jüdische Aufklärer als Hauslehrer, die zweite Generation war von solchen unterrichtet worden. Die Aufklärung entfaltete sich also in einer Phase, als „die Juden das Ghetto […] schon verlassen hatten“ (212, S. 45), und sie blieb den „Generalprivilegierten“ verpflichtet, „weil sie in der jüdischen Gesellschaft ein realer Machtfaktor waren, der bei der Umsetzung aufklärerischer Theorie in die Praxis, bei der Reformierung des Erziehungssystems und bei der Drucklegung von Büchern und Zeitschriften der Berliner Haskala Hilfe leisten konnte“ (205, S. 256). War die Kanzel das Katheder der protestantischen Aufklärung, so waren Hauslehrer, später Salons wie der von Henriette Herz unterhaltene Multiplikatoren der jüdischen Aufklärung. Ziel der Maskilim war die Veränderung, war die Verbesserung der traditionalen Erziehung und Bildung als Voraussetzung für die bürgerliche Verbesserung. Nicht länger ausschließlich religiös geprägt sollte Schulbildung sein, nicht länger sollte sie ausschließlich in der Hand der Rabbiner liegen. Zu diesem Zweck wurden Schulen eingerichtet, die neben traditional-religiösem auch profanes Wissen vermitteln sollten: die Kenntnis der Landessprache, Naturwissenschaften und kameralistische Kenntnisse. Die erste „Jüdische Freischule“ entstand 1778 in Berlin, ein gutes Dutzend weiterer folgte im deutschsprachigen Raum (205, S. 334), die sich mit zunehmender Akkulturation im 19. Jahrhundert jedoch bald selbst überholt hatten. In diesen Zusammenhang gehört die Entstehungsgeschichte der Pentateuch-Übersetzung durch Moses Mendelssohn, die einen Kompromiss zwischen inhaltlich traditionaler und sprachlich modernisierter Wissensvermittlung darstellt. Vermitteln wollten die Maskilim darüber hinaus die Ideen der allgemeinen Aufklärung. Mendelssohn tat das in der von ihm herausgegebenen, allerdings nur kurzlebigen hebräischsprachigen Wochenschrift Kohelet mussar (Der Moralprediger), in der er Philosophen und Dichter wie Locke, Shaftesbury, Pope, Leibniz oder Wolff seinem jüdischen Publikum vorstellte (205, S. 262 ff.). Etwas langlebiger war das eigentliche Organ der jüdischen Aufklärung, Hame’assef (Der Sammler) (208), mit Unterbrechungen von 1784 bis 1811 publiziert und unter anderen von Isaak Euchel begründet (205, S. 296). Bestand hinsichtlich der Zielsetzungen ein Grundkonsens, so lassen sich doch deutliche Generationsunterschiede zwischen Mendelssohns Zeitgenossen und den jüngeren Maskilim ausmachen. Vergleichbar der protestantischen Aufklärung, die die Haskala nicht unerheblich beeinflusste, waren die Angehörigen der Nachfolgegeneration in vielem radikaler. Stand Mendelssohn noch in der Tradition der Leibnizschen Theodizee, hielt er vor allem am Postulat der Vereinbarkeit von Vernunft und Offenbarung fest („nichts im Judentum widerspricht den Vernunftwahrheiten“), so waren die jüngeren Maskilim weit weniger von John Locke und Christian Wolff als vielmehr von Immanuel Kant beeinflusst. Markus Herz wie Lazarus Benda-
2. Aufklärung und Religion vid waren Hörer des Königsberger Philosophen respektive intime Kenner der Kantschen Philosophie und hatten maßgeblichen Anteil an deren Popularisierung. Mendelssohns Postulat der Unsterblichkeit der Seele, von Aron Wolfssohn (1794) in seiner Satire Gespräche im Reich der Toten (205, S. 299) dialogisch in Szene gesetzt, widersprachen sie ebenso wie allgemein dem der Vereinbarkeit von Vernunft und Offenbarung. Entsprechend kritisierten sie den Offenbarungscharakter von Bibel und Talmud, kritisierten sie Halacha und Kabbala, die nunmehr historisch, deshalb aber nicht mehr als normativ gesehen wurden. „Die Jüdische Aufklärung hat unter dem Eindruck der aufgeklärten Religionskritik und des Deismus den Status der Tora als Offenbarung und ihre Geltung als oberste Norm jüdischen Lebens kritisch in Frage gestellt und damit auch die Rolle und Position der Rabbiner als berufene Ausleger der Tora und führende intellektuelle Elite des Judentums erschüttert“ (212, S. 48). Prononciert forderten Euchel, Ascher und Bendavid eine Reform des Judentums und Bereinigung von jenen als widervernünftig empfundenen Vorschriften und Gesetzen, die nun als in einer historischen Situation entstanden und nicht länger verbindlich gesehen wurden. Exemplarisch sei auf den wiederholt aufgeflammten Streit um so genannte Frühbestattungen verwiesen, den Mendelssohn wider die Erkenntnis im Sinne der Tradition entschied, während die jüngeren Maskilim den Ritus übereinstimmend mit der nichtjüdischen Mehrheit als nicht mehr bindend ansahen. Grundsätzlich hofften letztere, ganz ähnlich wie die Reformkatholiken, überkommene, aber längst als anstößig empfundene Frömmigkeitspraktiken abzustellen. Anders als die radikalen Aufklärer Frankreichs gingen sie in ihrer Religionskritik jedoch kaum so weit, Offenbarung und Überlieferung per se in Frage zu stellen. Der „jüdische Voltaire“ Moses Hirschel (Schulte) stellte mit seinen antirabbinischen Tiraden eine Ausnahme dar. Auch die Haskala war keine antireligiöse, sondern eine innerreligiöse Aufklärung. Die Haskala war einerseits „jüdische Parallelbewegung“, andererseits Teil der großen europäischen Aufklärung. Ihre Beteiligung auf zwei Ebenen des aufgeklärten Diskurses traf denn auch auf zweifachen Widerspruch. Den innerjüdischen Konflikt trugen die Maskilim mit den traditionalen Rabbinern aus, die bereits Mendelssohns Bibelübersetzung ins Deutsche angegriffen hatten, die religionskritischen Aufklärer gar als Feinde der Tora bekämpften. Umgekehrt wurde Aufklärungsfeindschaft, aber auch „falsche“ Aufklärung von Maskilim wie Wolfssohn und Euchel in Beiträgen für das Blatt Hame’assef thematisiert und hier wie vor allem in den Komödien Leichtsinn und Frömmelei und Reb Henoch oder was tut men damit verspottet (205, S. 302 f.). Es deuteten sich hier bereits die Konfliktlinien zwischen dem liberalen, in manchem formal dem Protestantismus angeglichenen Reformjudentum und dem orthodoxen Judentum an, die dann im 19. Jahrhundert virulent werden sollten. Innerhalb des allgemeinen Diskurses sahen sich die Maskilim der Kritik und Ablehnung vieler Repräsentanten der protestantisch-deutschen Aufklärung ausgesetzt. Vertrat der Göttinger Orientalist und damals wohl profilierteste Hebraist, Johann David Michaelis (209), eine zunächst ambivalente, zumindest nicht durchgängig negative Position, so verwahrte er sich 1782 kategorisch gegen die nun diskutierte bürgerliche Verbesserung. Insbesondere in den „Gesetzen Mosis“
III.
Deistische Einflüsse
51
III.
Forschungsprobleme
„Lavaterstreit“
Das Ende der Haskala
Kontroversen der Haskalaforschung
52
(zit. nach 205, S. 319) sah er die Absicht zur Absonderung, die eine Akkulturation ausschließe. Damit tangierte er die eigentliche Debatte um jüdische Aufklärung, die verstärkt nach Erscheinen von Christian Wilhelm Dohms Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden 1781 diskutierte Frage nach dem Status der religiösen Minderheit (204, 210). Keineswegs vertrat der durchaus zur Aufklärung zählende Michaelis dabei eine Minderheitenposition. Selbst der berüchtigte Lavaterstreit von 1769, den die Aufforderung des Zürcher Theologen an Mendelssohn ausgelöst hatte, Religionswahrheiten des Christentums öffentlich zu widerlegen oder sich taufen zu lassen, lässt sich auch dann innerhalb der Aufklärung verorten, wenn man Lessings und Nicolais vehemente Parteinahme für den jüdischen Freund in Rechnung stellt. Mendelssohn hat sich aufgrund seines Status der geforderten Debatte nicht stellen können. In seinem 1783 erschienenen Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum verwahrte er sich jedoch gegen christliche Forderungen nach Veränderungen der Religion und begründete dies naturrechtlich mit dem unveräußerlichen Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit, die er freilich auch den orthodoxen Rabbinern gegenüber behauptete. Mit dem gleichen Argument trat er für Grund- und Bürgerrechte ein, die nicht nach staatlichen Interessen oder Nützlichkeitserwägungen verliehen, sondern jedem als Menschrecht zustehen (212, S. 179 f.). Seine gleichzeitige Verteidigung der religiösen Observanz zeigt freilich ebenso wie das Festhalten der Aufklärergeneration nach ihm an Offenbarung und Frömmigkeitsformen trotz rationaler Kritik den Übergangscharakter der Haskala auf dem Weg in eine mehr und mehr säkularisierte Gesellschaft. Die jüdische Aufklärung kam in Preußen 1812 an ihr Ende, als mit dem Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden der Status als Staatsbürger erreicht war. Wenngleich die vollständige Emanzipation (149), und dieser ansonsten bereits in der Aufklärung wieder verwendete Rechtswie politische Begriff fand hier lange keine Anwendung, erst 1867 Wirklichkeit wurde: So schien ihr Ziel in einem Maß realisiert, dass der Begründer der Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums, Leopold Zunz, bereits das Ende des rabbinischen Judentums nahe sah. Sein Bestreben, die rabbinische, also letztlich die gesamte Literatur des Judentums vor ihrem Untergang der wissenschaftlichen Erforschung zu überantworten steht gewissermaßen in der Tradition der Haskala. Es stellt zugleich deren Überwindung dar, denn auch der jüdischen Aufklärung galt nunmehr lediglich das historische Interesse. Das Urteil über sie musste keineswegs zwangsläufig positiv ausfallen. Die erst neuerdings auch von bundesdeutschen Historikern mitgestaltete Forschung zur Haskala diskutierte und diskutiert im Wesentlichen drei Themenkomplexe kontrovers. Zum einen stritt sie sich ähnlich wie die allgemein-europäische Aufklärungshistoriografie um die Datierung, die wie angedeutet inzwischen deutlich großzügiger interpretiert und bezüglich Osteuropas bis an das Ende des 19. Jahrhunderts ausgedehnt wird (212). Mit dem konventionellen Epochenbegriff „Aufklärung“ ist dies freilich kaum mehr in Übereinstimmung zu bringen. Zum zweiten debattiert die Haskalaforschung die Bedeutung ihrer Zentralfigur Moses Mendelssohn, deren geradezu identifikatorische Gleichsetzung mit jüdischer Aufklärung
3. Aufklärung und Erziehung
III.
einerseits relativiert, deren unbestrittene Relevanz jedoch nicht negiert werden sollte. Ein dritter Streitpunkt ist die Wahrnehmung und Verortung der Haskala im Gesamtrahmen der europäischen Aufklärungsforschung, die noch immer unzureichend erscheint. Während der Forschungsstand zur katholischen Aufklärung vielfach Eingang in die einführende Literatur zur Aufklärung gefunden hat (43), wird jüdische Aufklärung wenn überhaupt primär unter dem Aspekt der Emanzipation rezipiert.
3. Aufklärung und Erziehung „‘Education and Enlightenment’“, schrieb Rudolf Vierhaus über das pädagogische 18. Jahrhundert, „diese Themenformulierung lässt sich ohne Inhaltsverlust variieren“ (260, S. 84). Erziehung durch Aufklärung, Aufklärung durch, aber auch Aufklärung als Erziehung und vice versa, am Ende stehe die Gleichsetzung des einen Begriffs mit dem anderen. Vierhaus folgerte eine Affinität von Erziehung und Aufklärung in dreifacher Hinsicht: Erziehung bewirke Aufklärung in einem allgemeinen Sinne; sie kläre Zusammenhänge, beseitige Vorurteile und schaffe präzise Begriffe. Die historische Aufklärung habe zweitens die individuelle Erziehung als Emanzipationsprozess verstanden, sie drittens erstmals zum Gegenstand des öffentlichen Diskurses gemacht. „Wer über die Aufklärung als historische Epoche, als intellektuelle und politisch-soziale Reformbewegung spricht, muss deshalb ihren Bildungsglauben und ihren Erziehungsoptimismus, ihre pädagogischen Ideen und Programme, ihre Schulgründungen und Schulordnungen, ihre Standeserziehungsvorstellungen und Nationalerziehungspläne diskutieren. Und wer die Geschichte der Pädagogik, des Schul- und Bildungswesens im 18. Jahrhundert schreibt, muss Idee und Wirklichkeit der Aufklärung behandeln“ (260, S. 84). Der Erziehungsbegriff der Aufklärungszeit hatte auch für Ulrich Herrmann eine dreifache Implikation: erstens der individuellen Selbstaufklärung des Subjekts als Voraussetzung einer zweiten, sehr viel weiter gehenden gesamtgesellschaftlichen Aufklärung, letztlich drittens einer Aufklärung der Menschheit (232, S. 13), einer – so die zeitgenössische Terminologie – „Erziehung des Menschengeschlechts“. Aufklärung, erläuterte wiederum Vierhaus deren pädagogische Dimension, beinhalte die individuelle wie die menschheitliche Erziehung, die Erziehung der Kinder durch Eltern und Lehrer, der Erwachsenen durch Lektüre, Predigt oder Staatsmaßnahmen, die Erziehung als Erweckung und Kanalisation von Kuriosität und Wissensdurst, als Mittel der Sozialdisziplinierung durch Gesetzgebung und Verwaltung, schließlich als Generationen übergreifende Erfahrung (260, S. 86). Bereits das „pädagogische Jahrhundert“, eine allerdings ironische Titulierung Johann Gottlieb Schummels (1799) (257), kannte den zuvor lateinisch (paedagogus, paedagogium) gebräuchlichen Begriff Pädagogik. Wilhelm Roessler wies in den Geschichtlichen Grundbegriffen die Einbürgerung dieses Terminus im Sinne rational geordneter Gesamtheit von Erziehungsregeln respektive Anweisungen für gelehrte Geschicklichkeit nach (250, S. 627). Einst als zentrales Anliegen formuliert, konnte sich die Auf-
Erziehung und Emanzipation
Aufklärungspädagogik als Forschungsgegenstand
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III.
Forschungsprobleme
Aufklärung als pädagogischer Imperativ
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klärungspädagogik als Gegenstand der Geschichtswissenschaft erst spät etablieren. Anders als der aufgeklärte Absolutismus, als religions- und rechtsgeschichtliche Aspekte der Aufklärung fanden Schul- und Volkspädagogik der Aufklärungsepoche vermehrt erst nach dem sozialhistorischen Paradigmenwechsel der 1960er und 70er Jahre Eingang in die historische Forschung. Winfried Müller hat die seitdem kontinuierlich gewachsene Zahl der Arbeiten zur historischen Bildungsforschung mit ihren Schwerpunktsetzungen aufgeführt (43, S. 86 f.): pädagogische Theoriebildung, Bildungsadministration und schulische Realität, die Verdichtung und Ausdifferenzierung des Schulwesens, schließlich die konfessionelle Prägung der „Bildungslandschaften“ (Anton Schindling). Einem modifizierten Verständnis von Aufklärungspädagogik entspricht die zwischenzeitliche Einordnung in den allgemeineren Komplex der Volksaufklärungsforschung. Diese, seit den 1980er Jahren etabliert (224, S. 2), nahm sich der Popularisierung von Aufklärungsinhalten, der Vermittlung der Aufklärung an breitere Schichten an, die im alten Reich eine weit größere Dimension erlangte als etwa in Frankreich. Die Erforschung des pädagogisch-volksaufklärerischen Aspekts erfolgte interdisziplinär, mal in fruchtbarer Kooperation, mal durchaus konfliktträchtig vor allem mit Pädagogik und Volkskunde. Kontroverspositionen waren zuletzt eher innerhalb der Volksaufklärungsforschung auszumachen. Ihre Protagonisten verstanden Aufklärung als pädagogischen Auftrag. Jedenfalls sahen sie sich nicht als selbstgenügsame Gelehrte, sondern als „Menschheitsbeglücker“, oftmals mit belehrendem Habitus (41, S. 133). Heinz-Elmar Tenorth sprach kürzlich gar von „notorischer Lehrerhaftigkeit“ (257, S. 126). Erziehungsinstitution war der Familienvater, war je nach Standeszugehörigkeit der private Hofmeister (Privaterziehung), der Dorfschullehrer (öffentliche Erziehung), waren Kirche und Staat: der Pfarrer als Erzieher seiner Gemeinde (152, S. 45), der aufgeklärte Monarch als patriarchalischer Erzieher seiner Untertanen (260, S. 93). Nicht zufällig entstammte die erste Generation deutscher „Erziehungsschriftsteller“ (240, S. 50) und -praktiker dem nur bedingt aufklärerischen Milieu pietistischer Theologen, so prototypisch der pastorale Pädagoge August Hermann Francke in Halle (247). Und selbst zur späteren Generation der pädagogisierenden und vor allem didaktisierenden Volksaufklärer gehörten Theologen wie der Kupferzeller Pfarrer Johann Friedrich Mayer (222, S. XXXVII). Auch unter den jüngeren „philanthropischen Erziehern“ waren studierte Theologen (Basedow, Campe), die ihren Lebensunterhalt zunächst als Hauslehrer bestritten. So hatte Joachim Heinrich Campe dem späteren preußischen Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt und dessen Bruder Alexander Privatunterricht erteilt, in dieser Berliner Zeit gar einen Erziehungsplan für den preußischen Kronprinzen entwickelt (227, S. 6). Erziehungswilligkeit setzte diese aufgeklärte Elite voraus, Erziehungsfähigkeit folgerte sie aus der Beschaffenheit der allgemeinen Menschennatur. Anders als die neuhumanistischen Reformer nach 1800 sahen die Aufklärer ihr Erziehungsziel nicht in der zweckfreien, letztlich ständetranszendierenden Vermittlung von Bildung, sondern in der Weitergabe lebenspraktischer, nützlicher Kenntnisse. Zudem sollte sich ihr Erziehungsobjekt im kritischen Vernunftgebrauch üben und so aus selbst verschuldeter Unmündigkeit befreien (227, S. 2).
3. Aufklärung und Erziehung Ins Visier des aufklärerischen Impetus geriet, so Ulrich Herrmann, der künftige Garant einer Verstetigung des gesamtgesellschaftlichen Aufklärungsprozesses: das Kind. Wirkmächtige „Programmschrift aufgeklärter Erziehungsprinzipien“ (41, S. 133), ja geradezu Schlüsselwerk der Epoche war Jean-Jacques Rousseaus Émile ou de l’éducation (1762) (251), wenngleich mit John Lockes Some thoughts concerning education (1693) (242) längst ein gewichtiger Vorläufer publiziert war. Unter den Popularwerken der pädagogischen Aufklärung beanspruchte Campes deutschsprachige Adaptation von Defoes Robinson Crusoe, Robinson der Jüngere (1779/80), einen ähnlichen Rang (227, S. 3). Die Aufklärungsepoche, Entstehungszeit eines eigenen Genres der Kinder- und Jugendliteratur (262), nahm sich der Kinder- und dezidiert der Schulerziehung mit bislang ungekannter Intensität an, wenngleich ihr weder der Aufbau eines Schulnetzes noch gar die „Entdeckung der Kindheit“ (217) zuzuschreiben ist. Vielmehr hat die Forschung zur Schul- und Alphabetisierungsgeschichte herausgestellt, „dass die Entdeckung des Volksbildungswesens durch die Aufklärer keineswegs einherging mit seiner Entstehung, sondern dass sich seit Reformation und Gegenreformation in weiten Teilen des deutschen Sprachraums ein Elementarschulwesen herausgebildet hatte, das spätestens mit dem Beginn des achtzehnten Jahrhunderts bereits die Mehrheit der ländlichen und städtischen Bevölkerung erfasste“ (221, S. 76, 245, S. 31). Es dauerte allerdings, bis sich die Aufklärung nicht nur der bürgerlich-ständischen, sondern auch der ländlichen Elementarschulbildung, geschweige denn der städtischen Armen-, Frei- und Garnisonsschulen annahm (238, S. 53). Der Adressatenkreis ihrer pädagogischen Entwürfe war elitär, wie Hanno Schmitt für die Subskribenten von Campes Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens (1785–1792) belegen konnte (256, S. 188). Was die Aufklärungspädagogen an bisheriger Wissensvermittlung kritisierten, war deren Eintönigkeit. Statt unreflektiertes Auswendiglernen, gedankenloses Wiederholen forderten sie Anschaulichkeit und natürliche Lehrart „getreu der pädagogischen Maxime Kants“ (41, S. 139) nicht Gedanken lernen, sondern denken lernen. Die „Erziehung des Bürgers zum Gebrauch des gesunden Verstandes, und zur gemeinnützigen Geschäftigkeit“ hatte Friedrich Gabriel Resewitz 1773 als Ziel formuliert. Die „despotischen Erziehungsprinzipien“, wie sie Friedrich Nicolai allerdings für das niedere Schulwesen Preußens kritisierte, sind freilich entgegen herrschender Forschungsmeinung kaum der Praxis zuzuschreiben, den Schulunterricht ausgedienten Unteroffizieren zu übertragen. Wie Wolfgang Neugebauer überzeugend nachgewiesen hat, rekrutierte sich die Dorfschullehrerschaft tatsächlich weit eher aus handwerklichem Nexus (245, S. 37 f., 53 f.), zumal das Berliner Oberkonsistorium gerade Bewerber militärischer Provenienz genauestens prüfte. Frei von der „Tyrannei der Schulmeisterzunft und blindwütiger Paukerei“ (227, S. 6) sollte gelernt werden, wie die Aufklärer Pestalozzi, Basedow oder Campe in zahlreichen pädagogischen Schriften hervorhoben. Johann Bernhard Basedow hatte 1768 mit seiner Vorstellung an Menschenfreunde die sechs Jahre später erfolgte Gründung seiner Dessauer Modellschule mit dem programmatischen Namen „Philanthropin“ theoretisch vorbereitet. Ludwig Fertig betonte den Bezug sowohl zur Reformpädagogik des
III. Programmschriften der Aufklärungspädagogik
Kritik der „Tyrannei der Schulmeisterzunft“
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III.
Forschungsprobleme
Reformprojekte Basedows und Pestalozzis
Didaktische Vermittlung
Schulpraxis im 18. Jahrhundert
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17. Jahrhunderts, vor allem zu Johann Amos Comenius, als auch zum Bildungsideal des Neuhumanismus nach 1800 (227, S. 7). Basedows Philanthropin, das engagierte Pädagogen wie prominente Besucher anzog, fand anderswo Anhänger und Nachahmer (Graubünden, Heidesheim, Schnepfental, Hamburg), scheiterte jedoch an internen Querelen, die der Gründer eher ver- als entschärfte. Lehrkräfte wie Campe hatten das Vorzeigeprojekt nach nur wenigen Jahren verlassen. Anders als Basedow betrachtete der Schweizer Reformpädagoge Johann Heinrich Pestalozzi zunächst „das Kind aus den armen und niedersten Bevölkerungsschichten“ (240, S. 38), darüber hinaus die „nichtalphabetisierten Armen Europas“ als seine Adressaten. In seiner zeitgleich mit dem Philanthropin 1775 auf Gut Neuhof bei Brugg im Aargau eingerichteten Erziehungsanstalt, eine auch zu handwerklichen Arbeiten anleitende Industrieschule, meinte er mit Emporbildung und Stärkung der inneren Kräfte jeden Menschen zu „reiner Menschenweisheit“ führen zu können. Wie das Dessauer so scheiterte auch dieses Experiment. Dennoch wurde Pestalozzi zum seinerzeit weit beachteten und bis heute symbolhaften Repräsentanten der Aufklärungspädagogik. Seine pädagogische Methode, in Verkaufserfolgen wie dem 1781 erstmals erschienenen Roman Lienhardt und Gertrud popularisiert, stieß zumal um die Jahrhundertwende auf Resonanz in der schulpolitischen Praxis. Zweidimensional verband diese Methode „die Idee einer umfassenden Menschenbildung und schlichte, praxisbestimmte Unterrichtsmethode“ (240, S. 33). Pestalozzi erfuhr seit 1798 nicht nur die Förderung des republikanischen Schweizer Direktoriums; nach der Niederlage Preußens 1806 sollte die zum Zweck der Erneuerung explizit in Fichtes Reden an die deutsche Nation eingeforderte Erziehungsreform auf seinen Prinzipien und Methoden basieren (259, S. 9 f.). Während sich Basedow längst wieder der Theologie zugewandt hatte, verstetigte Pestalozzi, dies zeigten die umfangreichen Feierlichkeiten 1846 anlässlich des 100. Geburtstags, die volksaufklärerische Pädagogik bis in die unmittelbare Vorgeschichte des europäischen Revolutionsjahrs 1848. Das Aufklärungszeitalter diskutierte jedoch nicht nur Erziehungsinhalte, sondern auch deren didaktische Vermittlung. Neben die Institution der vereinzelt schon Ausgang des 17. Jahrhunderts eingerichteten, freilich noch lange nicht obligatorisch besuchten Lehrerseminare (245, S. 45) sollte eine universitäre Lehrerausbildung treten. Dies hatten nicht nur Philanthropen wie der auch kurzzeitig in Dessau tätige Ernst Christian Trapp, dies hatte der preußische Minister Karl Abraham Freiherr von Zedlitz in seinem Plan d’une Pépinière de Pédagogues et de Gouverneurs établie à Halle (1777) postuliert (232, S. 125). Aus dem Folgejahr datierte die Gründung eines dem theologischen Seminar nebengeordneten Erziehungsinstituts in Halle. 1779 wurde Trapp auf die neu eingerichtete Professur für Pädagogik und Philosophie berufen. Das hoffnungsvoll begonnene Unternehmen scheiterte vorläufig an Kompetenzstreitigkeiten mit dem Theologen Semler einerseits, der mangelnden Resonanz von studentischer Seite andererseits (232, S. 126). Im veränderten Verständnis von Schule und Schulbildung nicht länger als kirchliche, als private, sondern vornehmlich als staatliche Angelegen-
3. Aufklärung und Erziehung heit sah Ulrich Herrmann ein wesentliches Element der Institutionalisierung von Aufklärung (232, S. 35). Schule war nach aufgeklärtem Staatsverständnis nicht länger „res ecclesiastica“, sondern „res publica“ – vor allem, so Rudolf W. Keck (238), in Preußen. Auch dieses Bild hat Wolfgang Neugebauer zwischenzeitlich revidiert. Dass die Einführung einer Elementarschulpflicht in Preußen 1763 durch das Generallandschulreglement faktisch keine alleinige staatliche Schulbildungskompetenz begründete, geschweige denn eine generelle Durchsetzung garantierte, ist im ersten Kapitel bereits angeklungen. Friedrich II. und sein aufgeklärtes Oberkonsistorium, so Neugebauers Resümee, steckten nicht nur gegenüber den Schulkompetenzen der adeligen Gutsbesitzer zurück; vielmehr entsprach dem geringen allgemeinen ein nur „rudimentäre[s] landesherrliche[s] Finanzengagement“ (245, S. 84). Es sei, so das viel zitierte königliche Kabinettsschreiben, auf dem platten Land genug, wenn die Menschen „ein bisgen Lesen und Schreiben lernen; wissen sie aber zu viel, so laufen sie in die Städte und wollen Sekretärs und so was werden […]“ (218, S. 505). Andererseits ließ sich anhand der Lehrpläne durchaus ein im weitesten Sinne als „Aufklärung“ etikettierbarer Wandel feststellen, eine gegenüber den vormals primär katechetischen Inhalten weit mehr praktische, explizit auch auf Rechenkenntnisse ausgelegte Wissensvermittlung. „[…] Dunkle Stellen werden erklärt, Gebete deutlich gemacht, Katechismusauszüge expliziert. Vor allem aber: lesen, schreiben und […] rechnen haben sich zu veritablen Unterrichtsstoffen entwickelt, das Lesenlernen wird sogar mittels eines auflockernden Spiels ein wenig spannender gemacht“ (236, S. 42). In Preußen war vor allem Zedlitz Förderer philanthropischer Ansätze (238, S. 54 f.). Im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel waren Forderungen nach einer Schulreform zunächst von theologischer Seite im Umfeld des Helmstedter Professors Wilhelm Abraham Teller vorgetragen worden (256, S. 181). 1786 berief Herzog Karl II. Wilhelm Ferdinand, selbst Rezipient von Basedows Vorstellungen an Menschenfreunde, eine eigene Schulverbesserungskommission. Das Gremium unter Leitung des späteren preußischen Reformers Karl August von Hardenberg und Mitarbeit u. a. Campes und Trapps sollte Bestehendes visitieren und Vorschläge für eine Reform des Unterrichts ausarbeiten. Im Juni 1786 wurden die Kommissionsmitglieder als Schuldirektorium dem Fürsten unmittelbar unterstellt, eine Zentralisierungsmaßnahme des braunschweigischen Ministers Hardenberg, die die partikularstaatlichen Widerstände der Landstände, der kirchlichen Orthodoxie und nicht zuletzt der in ihrer Zuständigkeit übergangenen Konsistorien hervorrief. Angesichts eines drohenden Prozesses vor dem Reichsgericht lenkte der Landesherr ein, allein die ihm unmittelbar unterstellte Klosterschule Holzminden erhielt eine reformierte Ordnung (232, S. 128). Das Schuldirektorium wurde 1790 aufgelöst. Eher sekundär ist die Aufklärungspädagogik und explizit Joachim Heinrich Campes Schrift Über Empfindsamkeit und Empfindelei in pädagogischer Hinsicht (1779) in eine erst jüngst wiederbelebte literatursoziologische Kontroverse um Disparität oder Zusammengehörigkeit von Empfindsamkeit und Aufklärung einbezogen worden. War der Beitrag Campes als Warnung vor einer „falschen“ Empfindelei im Zuge des grassierenden Wertherfiebers und Mahnung zu einer „wahren“ vernünftig-fühlenden Emp-
III.
Aufklärung und Empfindsamkeit – ein Gegensatz?
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III.
Forschungsprobleme
Popularaufklärung – „Volksaufklärung“
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findsamkeit geschrieben, so wurde er nicht zuletzt als Beleg einer grundsätzlichen Vereinbarkeit dieser Empfindsamkeit mit den bürgerlichen Tugenden der Arbeitsamkeit, des Fleißes, der Ordnung interpretiert (249, S. 10). Gegen die Forschungstendenz einer Zurechnung zur Aufklärung, so der Trierer Literaturwissenschaftler Lothar Pikulik, wolle er den „empfindsamen Kult des Gefühls“ nicht als „Aufklärung der Empfindungen“, sondern als Emanzipation und Autonomisierung der Emotion von der Ratio sehen (249, S. 31). Den Forschungstrend identifizierte er mit Gerhard Sauder und dessen weithin akzeptierter These, „dass die ‘Empfindsamkeit im Kontext der Aufklärung […] in die Aufstiegsbewegung des Bürgertums eingebunden’“ sei (252, S. 307). Der von Pikulik behaupteten Antibürgerlichkeit der Empfindsamkeit hat seinerzeit bereits Peter Szondi widersprochen (252, S. 309). Seinen Vorwurf, Sauder habe die mehrdimensionalen Werke der Empfindsamkeit eindimensional der Aufklärung zugerechnet, mochte der Adressat zurückgeben: Pikulik kenne eben nur einen Typus des Empfindsamen und negiere die eher ausgleichenden Bestrebungen der Tugendempfindsamkeit respektive der philanthropischen Gefühlspädagogen (252, S. 312) wie Campe. Die Zeitschrift Aufklärung druckte 2001 beide Positionen gleichberechtigt in einem Band; dem in der Geschichtswissenschaft inzwischen sehr weit gefassten Aufklärungsbegriff kam freilich Sauders Auffassung sehr viel eher entgegen. Nicht nur das Kind, auch das zumeist mit gleichen Termini bedachte Volk geriet ins Visier der Aufklärer (225). So sei es eben kein Zufall, wie Holger Böning feststellte, dass man bei der Gestaltung volksaufklärerischer Schriften auf Formen zurückgriff, die dem Elementarunterricht entlehnt waren (222, S. XXXVIII). War Rousseaus Émile zum erzieherisch-emanzipatorischen Schlüsselwerk, in seiner Nachfolge der Entwicklungsroman zum Gattungstypus einer Epoche geworden, so avancierte Rudolf Zacharias Beckers Noth- und Hülfsbüchlein (1788) zur zentralen Schrift der Popularaufklärung. Adressat war primär der im Gegensatz zum Gebildeten „gemeine“ Mann, der Landmann. Wenngleich die Zeit ganz allgemein jenen unter den Begriff „Volk“ subsumierte, der keine höhere Bildung erhalten hatte, galten Erziehungs-, mitunter auch Emanzipationsbemühungen doch schwerpunktmäßig dem Bauern und nur vereinzelt den städtischen Unterschichten: Handwerkern, Gesinde und Soldaten. Hervorgegangen, so Böning (222, S. XXIV ff.), aus der in erster Linie an adelige Grundbesitzer adressierten Hausväterliteratur des ausgehenden 17. Jahrhunderts und ihren populär-praktischen Weiterentwicklungen wie Christian Wolffs Entdeckung der wahren Ursachen von der wunderbaren Vermehrung des Getreides (1718, bis 1750 drei weitere Auflagen), entstand um 1750 eine neue Art der Sachliteratur, die sich speziell mit Problemen der bäuerlichen Alltagspraxis befasste. Zwar publizierte auch diese noch, wie Böning konstatierte (222, S. XXIII), Portraits exotischer Tiere, doch traten sie zahlenmäßig weitgehend hinter Abhandlungen über Feldmäuse, Maulwürfe oder Getreideschädlinge zurück. Volksaufklärerische Fachzeitschriften wie die 1742 bis 1767 erschienenen Leipziger Sammlungen des Braunschweigischen wirklichen Hof- und Kammerrats Georg Heinrich Zincke gaben nutzbringend anwendbare Ratschläge über Getreideanbau, Pflanzenveredelung und Schädlingsbekämpfung.
3. Aufklärung und Erziehung Die agrarökonomische Aufklärung war Anliegen eigener Vereinigungen wie der Celler Sozietät und Landwirtschaftsgesellschaft (226) (vgl. Kapitel 4). „Man kümmerte sich um alles, was in der Landwirtschaft Not tat“, so Ulrich Im Hof in seiner Studie über das gesellige 18. Jahrhundert: „Hebung der Produktionsbedingungen, Verbesserung der Viehzucht, Landwirtschaftsmaschinen; weniger um Wiesenbau und Bewässerung oder um die Propaganda des Kartoffelanbaus“ (274, S. 155). Über den bäuerlichen Adressatenkreis hinaus verwiesen Beiträge der medizinischen Volksaufklärung: Hinweise und Ratschläge zur Ernährung, Krankheitsvorbeugung oder Geburtskunde. Weithin propagiert wurde die Immunisierung gegen die noch immer epidemisch auftretenden Pocken (225). Der volksaufklärerische Diskurs, so Böning, spiegelte das Gesellschaftsbild und die politischen Auffassungen der deutschen Aufklärung. „Schon früh wird vielen Aufklärern bewusst, dass jedes Bemühen um die Verbesserung der Landwirtschaft auch auf gesellschaftliche Strukturveränderungen angewiesen ist“ (222, S. XLV). So beklagte 1760 Heinrich Gottlob von Justi den durch Leibeigenschaft und Frondienst entstehenden ökonomischen Schaden, Campe die antiquierten Besitzverhältnisse und Weiderechte (228, S. 19). Die Auffassung, den „gemeinen Mann“ mit einer Selecta Physico-Oeconomica betitelten Zeitschrift erreichen zu können, zeigt indes die Grenzen der Volksaufklärung: Den elitären Aufklärern war ihr bäuerliches Publikum fremd, unverständlich blieb ihnen, warum es sich nicht bereitwilliger belehren, von „unvernünftigem“ Handeln abbringen ließ, ja sich den Aufklärern im Einzelfall gar widersetzte. Und so geriet gegen Ende des Jahrhunderts mit der Ursachenforschung für diese Widerstandshaltung die spezifisch bäuerliche Mentalität in den Blick. Böning sah darin nicht zuletzt die Anfänge volkskundlicher Forschung (222, S. XLVII). Andererseits wurde nicht erst nach Ausbruch der Revolution in Frankreich die „Übertragungsmöglichkeit von philanthropischen Erziehungsgrundsätzen auf die niedere Schicht“ (238, S. 59) zunehmend kritisch betrachtet. 1780 schrieb die Berliner Akademie der Wissenschaften auf Geheiß Friedrichs II. die Preisfrage aus, ob „irgend eine Art von Täuschung dem Volke zuträglich seyn [könne], sie bestehe nur darin, dass man es zu neuen Irrtümern verleitet, oder die alten eingewurzelten fortdauern lässt?“ Ähnlich wie bei der zuvor von Katharina II. ausgelobten Beurteilung, ob es nützlich sei, wenn der Bauer das von ihm bearbeitete Land zum Eigentum habe, war die Resonanz selbst unter den Aufklärern keineswegs durchgängig negativ. Dass sie im Kontext einer zunehmend gegenaufklärerischen Distanzierung vom gesamtgesellschaftlichen wie menschheitlichen Erziehungsprozess ambivalent ausfiel, dürfte kaum überraschen. „Volksaufklärung“, dieser seit der NS-Diktatur belastete Begriff entstammte eigentlich dem Vokabular der Aufklärungszeit. Gebräuchlich war er seit den 1780er Jahren (222, S. X, 224, S. 7). Holger Böning definierte Volksaufklärung als das Bemühen „aufklärungsfreundlicher Einzelpersonen, gemeinnütziger Gesellschaften und Obrigkeiten, dem ‘gemeinen Mann’“ nicht nur das Gedankengut der Aufklärung zu vermitteln (222, S. X), sondern ihn im Kantschen Sinne zum Selbstdenken zu ermutigen. Hatten bereits die Zeitgenossen dies als deutsches Spezifikum, als „Auftrag und Charakteristikum der deutschen (Spät-) Aufklärung“ (224, S. 2) erkannt
III. Bauernaufklärung
Begriffsbestimmung „Volksaufklärung“
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III.
Forschungsprobleme
Volksaufklärungsforschung
Datierung der Volksaufklärung
Alphabetisierungsforschung
60
(232, S. 99), so bestätigte inzwischen auch die historische Forschung diesen Sonderstatus. In einem allerdings kursorischen Vergleich mit Frankreich konstatierte Jürgen Voss (261, S. 232) eine denkbar geringe Aufgeschlossenheit der ansonsten deutlich radikaleren „grands philosophes“ wie Voltaire gegenüber einer Elementarbildung der Landbevölkerung. Diesen noch präziser zu belegenden Eindruck vermochten Ausnahmen wie Diderot, wie die französischen Physiokraten nur bedingt zu modifizieren. Während jedoch französische Historiker das Volk, eine der Elitenkultur anfänglich dichotomisch gegenübergestellte Volkskultur (Robert Muchembled) (244) längst zum Forschungsgegenstand gemacht hatte (224, S. 4), kann zumindest von einer Tradition der Volksaufklärungsforschung in Deutschland nicht die Rede sein. Ihre wissenschaftliche Institutionalisierung in den Zentren Bremen und Hamburg fiel in die 1980er Jahre. Seither ist mit Holger Bönings und Reinhard Siegerts Handbuch (11) eine mehrbändige Dokumentation noch verfügbarer, aber auch längst ausschließlich bibliografisch nachweisbarer „grauer“ Literatur erschienen, ein immenses Panaroma populärer Schriften der Aufklärungsepoche und Basis wiederum vertiefter Volksaufklärungsforschung. Carl-Hans Hauptmeyer hat gar in regional begrenztem Zuschnitt Rezeptionsspuren solcher Schriften im Hochstift Hildesheim, im Fürstentum Calenberg und in der Grafschaft Schaumburg-Lippe aufzeigen können (230). Erneut gab die Festlegung der „Epochengrenzen“ Anlass zu kontroverser Diskussion. So hat Holger Böning zuletzt den von Jürgen Voss etwa um 1770 und damit auf das Ende der literarischen Aufklärungsepoche datierten Beginn der Volksaufklärung um wenigstens ein Jahrzehnt vorverlegt (222). Eine Vor- oder Frühphase bestimmte er bereits auf die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Element der Kontinuität war ihm die Anverwandlung herkömmlicher Populärliteratur und -medien: zunächst der Hausväter-, sodann der Erbauungsliteratur, der Kalender und katechetischer Schriften. Rudolf Keck hingegen bestimmte die eigentliche Zäsur auf 1775, als jene jüngere Generation aufklärerisch geprägter „Erziehungsschriftsteller“ wie Basedow, Campe, Trapp oder Stuve ihre pietistische Lehrergeneration um Wolff, Thomasius, Johann Matthias Gesner oder Johann Lorenz von Mosheim ablöste (238, S. 50 ff.). Die Debatte ist noch immer aktuell, die Beantwortung der Frage „Wann beginnt die Popularaufklärung?“ zählte Böning jüngst noch zu den Forschungsdesideraten (222, S. XX). Schwieriger gestaltete sich gleichfalls die Bestimmung einer Endphase der Volksaufklärung, die Böning mit Blick auf Verbreitung und Verbreitungsgrad populäraufklärerischer Schriften erst auf die Mitte des 19. Jahrhunderts datierte (225, S. 19). Er stellte sich damit in den strittigen Diskurs um die aufklärerischen Wurzeln der liberalen und als Antibewegung auch der konservativen Strömungen des 19. Jahrhunderts (194, 411). Dass ihre Adressaten „nach Bildungsstand und Bewusstseinslage“ (260, S. 88) mitunter weder in der Lage noch willens waren, das pädagogische Anliegen zu verstehen, hatte die Aufklärer zunächst in ungläubiges Erstaunen versetzt. Die historische Forschung hat in den letzten Jahren in durchaus kontroverser Auseinandersetzung zu klären versucht, inwieweit breitere Bevölkerungsschichten für dieses pädagogische Bemühen überhaupt
III.
3. Aufklärung und Erziehung aufnahmebereit waren. Holger Böning verwies zu Recht darauf, dass der weit mehr belehrende als unterhaltende Ton vieler Schriften nicht gerade zur Popularisierung des aufklärerischen Anliegens beitrug. Die geradezu massenhafte Verbreitung der von Böning dokumentierten Literatur gab wiederum Anlass zur Diskussion der Lese- und Schreibfähigkeiten, präziser des Alphabetisierungsniveaus im 18. Jahrhundert. In den zeitgenössischen Diskussionen dominierte die Frage der Vermittlung weiterführender Kenntnisse wie Rechnen, Naturlehre, Geographie oder Geschichte (221, S. 77). Ernst Hinrichs schloss daraus einen vergleichsweise höheren Entwicklungsstand jener Elementartechniken als ihn Rudolf Schenda in seiner weit rezipierten Schrift Volk ohne Buch (254) undifferenziert für ganz Mitteleuropa vertreten hatte. Letzterer bestimmte Leseverhalten, Hinrichs wie insgesamt die in Deutschland erst in den letzten zwanzig Jahren profilierte Alphabetisierungsforschung Lesefähigkeit sowie die Kenntnis der „basic scills“: schreiben und rechnen. Schenda fragte auf Makroebene nach potentiellen Lesern, Hinrichs wie vor ihm Étienne François auf Mikroebene nach der Signierfähigkeit von Eheleuten und Trauzeugen in Heiratsurkunden. Die Problematik dieses in der weit älteren britischen und französischen Alphabetisierungsforschung längst anerkannten Indikators (229, S. 56) räumte Hinrichs selbst ein. „Wer unterschreiben konnte, musste, wenn er es überhaupt selber getan hatte, nicht unbedingt lesen oder gar schreiben können“ (236, S. 38). Rudolf Schenda bestritt denn auch generell den Aussagewert solcher Analysen. Andererseits konnte seine pauschale Annahme eines noch um 1800 verbreiteten Analphabetentums nicht erklären, wie sich die im preußischen Zensus von 1871 dokumentierte vollständige Umkehr dieses Erscheinungsbildes innerhalb eines so kurzen Zeitraums vollziehen konnte. Hinrichs wiederum verwies regional differierend auf eine hohe Signierfähigkeitsrate von Männern bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert, die, übereinstimmend mit anderen sozial-, wirtschafts- und bildungsgeschichtlichen Daten, ein doch qualitativ aussagekräftiges Bildsegment vom Kenntnisstand elementarer Kulturtechniken lieferte (236, S. 38 f.). Ähnliche Resultate hatte 1982 bereits Étienne François für das Fallbeispiel Koblenz präsentiert, der anhand der Unterschriften unter 309 dort im Zeitraum 1798 bis 1802 geschlossene Eheurkunden eine männliche Alphabetenquote von 86,4 Prozent gegenüber 57,6 der Frauen ermittelt hatte. Hinrichs Oldenburger Forschungsprojekt hat ebenso wie François’ Koblenzer Untersuchung gezeigt, dass zumindest im deutschen Nordwesten und einzelnen anderen Regionen um die Wende zum 19. Jahrhundert ein Alphabetisierungsstandard erreicht war, der sich mit den Spitzen Frankreichs, den Städten der Normandie und der Champagne messen ließ (229, S. 69). Die quantitative Erforschung hatte überdies verdeutlicht, dass sich das konfessionelle Element im Alphabetisierungsgrad und in der Schulbildung niederschlug, jedoch nicht in dem Maße, wie seit Max Webers Protestantismusstudie angenommen. Aufklärung war eminent ein erzieherischer Prozess. Die Protagonisten einer kritischen Sichtweise, einer Betrachtung der „Dialektik der Aufklärung“ haben diesen Nexus nicht ernstlich bestritten, ja vielmehr im pädagogischen Anspruch, in der „Lehrerhaftigkeit“ (Tenorth) der Aufklärer den Ursprung für den dialektischen Umschlag in Aufklärungsfeindschaft ge-
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III.
Forschungsprobleme sehen. Für das Verständnis der Epoche, dies hat Rudolf Vierhaus deutlich gemacht, ist die Kenntnis ihrer gerade im deutschsprachigen Raum zentralen pädagogischen Dimension unabdingbar. Aufklärung und Erziehung waren zumindest hier quasi Synonyme, wie weit wird sich in europäisch vergleichender Perspektive wohl noch vertiefend klären lassen.
4. Aufklärungsgesellschaften Geselligkeitsformen
Aufklärungsgesellschaften als Forschungsgegenstand
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„In dem Städtchen, wo ich wohnte, hatte die goldne Aufklärung schon herrliche Fortschritte gemacht; Es gab da schöne Geister und Deisten und Weltbürger, gelehrte Frauenzimmer, Clubs, Lesegesellschaften, ein Caffeehaus, ein Liebhaber-Concert, Mitglieder geheimer Gesellschaften“ (276, S. 431). Was der Freimaurer, Illuminat und Vermittler höfischen Comments im Umgang mit Menschen (1788) Adolph Freiherr von Knigge im hier zitierten Einleitungspassus zum Roman Zauberschloss beschrieb, hat die soziologische wie nachfolgend die historische Forschung im Konnex von Aufklärung, Öffentlichkeit und dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft thematisiert. Knigges unverbindliche wie organisierte Soziabilität, das Kaffeehaus einerseits, die Lesegesellschaft oder Freimaurerloge andererseits, war der Ort, an dem durch den Kontakt gebildeter bürgerlicher Eliten mit aufgeschlossenen Adligen ein Prozess der Individualisierung, der Ständetranszendierung und bürgerlichen Emanzipation angestoßen wurde, der, so die sozialhistorische Deutung, langfristig die überkommenen politischen Strukturen aufbrechen musste und im Vereins- und Parteiwesen des 19. Jahrhundert seine Fortsetzung fand (264, S. 439). Die Geschichtsforschung, und explizit Thomas Nipperdey mit seiner Untersuchung des frühen Vereinswesens, entdeckte hier eine zentrale Institution entstehender „bürgerlicher Öffentlichkeit“ (286, S. 181). Deren Dimension macht trotz ironischer Brechung wiederum die Eingangspassage Knigges deutlich, denn tatsächlich besaß am Ende des 18. Jahrhunderts wenngleich nicht jedes Städtchen so doch nahezu jede Stadt von 10 000 Einwohnern mehrere Vereinigungen, deren Bezug zur Aufklärung mehr oder weniger evident war. Die Aufklärungsgesellschaften (Richard van Dülmen) des 18. Jahrhunderts, dies dokumentiert ein erster Forschungsüberblick von Manfred Agethen (264), erfuhren seit den 1970er Jahren eine intensive Bearbeitung seitens der Geschichtswissenschaft. Früher noch hatte sich die Soziologie beginnend mit Lorenz von Stein, Otto von Gierke, Georg Simmel und Max Weber mit den Sozietäten der Aufklärung befasst, eine Generation nach ihnen Ernst Manheim im Rahmen seiner Habilitationsschrift über Aufklärung und öffentliche Meinung (39), die, 1933 erschienen, infolge der NSMachtübernahme zunächst unbeachtet geblieben war. Die historische Forschung nahm sich der Aufklärungssozietäten im Rahmen allgemeinerer Untersuchungen über Organisationsformen des Bürgertums an; so Thomas Nipperdey, so Otto Dann, der die Zeitspanne von 1765 zu den Karlsbader Beschlüssen 1819 eine „erste Phase der politischen Vereinsbildung in Deutschland“ nannte (264, S. 440). Dann widmete sich in der Folgezeit
III.
4. Aufklärungsgesellschaften insbesondere den Lesegesellschaften, deren Entstehungskonnex mit Freimaurer- und Illuminatenlogen Agethen noch einmal betonte (264, S. 441). Erste Überblicksdarstellungen entstanden nahezu zeitgleich in den 1980er Jahren: Ulrich Im Hof thematisierte Gesellschaft und Gesellschaften im „geselligen“ 18. Jahrhundert (274), Richard van Dülmen die Wechselwirkung von Aufklärung, institutionalisierter Aufklärungsgesellschaft und bürgerlicher Emanzipation (290). Beide hatten in ihr Gesamtspektrum aufgeklärter Sozietäten (279, S. 13) die bislang eher negativ bewertete Arkanwelt einbezogen, van Dülmen selbst bereits eine bedeutende Studie zum Illuminatenorden vorgelegt (291). Die geschichtswissenschaftliche Erforschung der Freimaurerei und Geheimbünde, so Monika Neugebauer-Wölk in einem 2003 publizierten Forschungsbericht speziell zu arkanen Gesellschaften (279), begann in Deutschland mit der 1959 erstmals publizierten Dissertation Reinhart Kosellecks Kritik und Krise (33). Koselleck wies darin Aufklärung und Freimaurerei eine eminent enge Verbindung zu. Er ging davon aus, dass der absolutistische Staat in begrenztem Maße privatim individuelle Meinungsbildung tolerierte und erst repressiv eingriff, wenn die gesteckten Grenzen verlassen wurden. Einen solchen privaten Raum freier, aufgeklärter Diskursentfaltung bot das Arkanum der Freimaurerlogen, was nicht zuletzt ihre Attraktivität im 18. Jahrhundert plausibel macht. Angesichts der Mitgliederzahl von 25 000 bis 30 000 im gesamten alten Reich in dieser Zeit ist diese Attraktivität jedoch deutlich zu relativieren (279, S. 26). „Die Karriere des Geheimen in der Aufklärungsforschung“, bilanzierte Neugebauer-Wölk Kosellecks Konzept, „war bemerkenswert und blieb trotzdem zunächst weitgehend folgenlos“ (279, S. 11). Maßgeblich war in den 1960er Jahren der Erfolg eines gerade auf die nichtarkane Gesellschaft bezogenen Werkes, Jürgen Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit. Erst zu Beginn der 1970er Jahre nahm sich die vornehmlich sozial- und kulturgeschichtlich ausgerichtete Geschichtswissenschaft erneut und in Anlehnung an Koselleck speziell des masonischen Gesellschaftstypus an. Die Gesamtdarstellung Ludwig Hammermayers belegt diesen Forschungstrend ebenso eindrucksvoll wie die Dokumentation Winfried Dotzauers zur rheinischen, Helmut Reinalters zur Maurerei in der Habsburgermonarchie oder Manfred Agethens Strukturanalyse. Es ging, wie Neugebauer-Wölk das Forschungsinteresse umriss, „um quantitative Proportionen, um die Ausbreitung des Logenwesens in zeitlicher und räumlicher Perspektive, um die innere Organisation des Gesellschaftslebens oder um die Repräsentanten von Sozial- und Berufsgruppen in der maurerischen Mitgliedschaft und ihrer Ämterhierarchie“ (279, S. 13). Arkanen und nichtarkanen Gesellschaften galten nunmehr die gleichen Fragestellungen. Mitte der 1990er Jahre wurde die ausschließlich sozial- und kulturgeschichtliche Perspektive sowie die Interpretation der Geheimgesellschaften einzig als Institution der Verbürgerlichung und der bürgerlichen Emanzipation zunehmend in Frage gestellt. Den Einwand Norbert Schindlers aufgreifend, die Tatsache und Funktion des Arkanums ernst zu nehmen, stellte die Sozietätenforschung um Neugebauer-Wölk, Holger Zaunstöck (293, 294) und Wilhelm Kreutz (278) die politische Dimension der Freimaurerei als Kommunikationsstruktur von Eliten in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Neugebauer-Wölk zeichnete Parallelen zwischen masonischem Arkanum und den frühneu-
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III.
Forschungsprobleme
Begriffsbestimmung „Gesellschaft“, „Sozietät“
Abgrenzung zum „Verein“
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zeitlichen Herrschaftspraktiken der so genannten „Arcana imperii“, der geheimen Herrschaftsausübung, die der Rechtshistoriker Michael Stolleis eingehend analysiert hatte (287). Die Logen speziell des Hochgradsystems dienten demnach nicht nur dem Transport intellektueller Diskurse, sondern auch politischer Informationen, mitunter im Gestus der Geheimdiplomatie. Holger Zaunstöck hat sich in Anwendung der prosopografischen Methode – der Verbindung quantifizierender, biografisch beschreibender und analytischer Methode – der Infrastruktur masonischer Vernetzung angenommen, Wilhelm Kreutz in einem aktuellen Beitrag die Nutzung arkaner Strukturen für die Vorbereitung von Reichspolitik – hier des Fürstenbundes 1785 – beschrieben. „Die Politikintentionen der angestammten Trägerschichten frühneuzeitlicher Machtausübung“, resümierte Neugebauer-Wölk in deutlicher Abgrenzung zu Koselleck, „hatten wenig zu tun mit der Einübung bürgerlicher protodemokratischer Verhaltensweisen im geschützten Logenraum. Masonische Politik des 18. Jahrhunderts ist auch genuin frühneuzeitlich und folgt der Logik vormodernen politischen Handelns“ (279, S. 26 f.). Gesellschaft wie die schon damals bedeutungsgleich verwendete Sozietät waren zeitgenössische Begriffe. Holger Zaunstöck verwies in seiner Dissertation auf den Charakter des freien Zusammenschlusses, im Gegensatz zum korporativ-ständischen Zusammenschluss, der in der Zeit ein relatives Novum darstellte (293, S. 1). Sozietät wie Gesellschaft unterschied er von der allgemeineren Soziabilität Rolf Reichardts oder Étienne François’, den Kaffeehäusern und Salons, die zwar zentral zur geselligen Kultur der Aufklärungszeit gehörten, sich in ihrer unverbindlicheren und unspezifischeren Form jedoch deutlich von der Organisationsstruktur der eigentlichen Aufklärungssozietäten abhoben (293, S. 34). Hierzu gehörten ferner die Freundschaftsbünde, so der literaturgeschichtlich bedeutsame Göttinger Hainbund, ferner die Collegia allgemein, die Collegia Musica speziell, letztere janusköpfige Übergangserscheinung (290, S. 253), die Eberhard Preußner (282) schon 1935 der Kategorie französischer Salons und englischer Klubs zugeordnet hatte. Monika Neugebauer-Wölk verwies aktuell gar auf Ambivalenzen innerhalb dezidiert aufklärerischer Gesellschaften: Waren die „Inneren Orden“ der strikten Observanz diesem Typus eindeutig zuzurechnen, so ließen sich die Basisgrade der Logen durchaus auch als Soziabilitätsphänomen behandeln und an den „Beginn einer kulturgeschichtlichen Entwicklung“ stellen, die in modernes Freizeitverhalten mündete (279, S. 26). Die Aufklärungssozietäten differierten von zeitgenössischen Geselligkeitsformen, sie unterschieden sich zudem sowohl vom älteren Korporations-, als auch vom Vereins- und Parteiwesen des 19. Jahrhunderts mit bereits modernen Organisationsformen (293, S. 2). Nipperdey hatte die Assoziationen des 18. Jahrhunderts als „Vor-“, Richard van Dülmen als deren „Frühformen“ (290, S. 252) bezeichnet, während sie Otto Dann dezidiert als „neue Vereine“ ansprach. Die Abgrenzung zu den Vereinigungen des 17. Jahrhunderts gilt nach wie vor als problematisch. Ernst Manheim hatte eine strukturelle Verwandtschaft der Vereinigungen des 17. mit denen des 18. Jahrhunderts herausgearbeitet (39, S. 71–74). Seine Einbeziehung der Sprachgesellschaften wie jener berühmten Weimarer Fruchtbringenden Gesellschaft des Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen (1617) stieß in der Geschichtswissenschaft auf wenig Resonanz: Sprach-
4. Aufklärungsgesellschaften gesellschaften galten hier zwar als modellbildend, ihnen fehlte jedoch der inhaltliche Bezug zur Aufklärung (290, S. 253). Tatsächlich sei die „alteuropäische Sozietätsbewegung“ bislang viel zu nahe an das Jahrhundert der Aufklärung gerückt worden. Es fehlten jedoch noch immer tragfähige Unterscheidungskriterien zwischen aufgeklärten und voraufklärerischen Gesellschaftstypen, so jüngst Holger Zaunstöck (293, S. 61 f.). Van Dülmens Definition erwies sich freilich als tragfähige Arbeitsgrundlage: „Alle Aufklärungsgesellschaften bekannten sich zum Universalanspruch der Aufklärung auf Verwirklichung von Gemeinwohl und Thematisierung des eigenen Selbst“ (290, S. 252). Holger Zaunstöck präsentierte jüngst noch einmal drei konstitutive Merkmale, die für eine Klassifizierung als Aufklärungssozietät erfüllt sein sollten: zum Ersten eine feste organisatorische Form sowie eine Mitgliedschaft auf freiwilliger Basis; sodann eine standesund statusunabhängige Mitgliedschaft – die geschlechtsspezifische Exklusivität blieb im Allgemeinen erhalten –, schließlich eine aufgeklärten Prinzipien verpflichtete Zielsetzung (293, S. 38). Es liegt wohl in der letztlich unbefriedigenden begrifflichen Trennschärfe begründet, dass sich die Typologisierungsprobleme auch damit nicht grundsätzlich ausräumen ließen. Zaunstöcks Kriterien trafen unstrittig auf das Gros der Gesellschaftstypen des 18. Jahrhunderts zu. Er führte sie in der Chronologie ihrer Entstehung auf, wenngleich er aus organisationsgeschichtlicher Perspektive die Unterteilung in arkane und nichtarkane Sozietätsformen (293, S. 6) vorgeschlagen hatte: Akademien und Gelehrtengesellschaften, Deutsche und Literarische Gesellschaften, Freimaurerlogen, patriotisch-gemeinnützige bzw. ökonomische Gesellschaften, Lesegesellschaften, schließlich die Geheimbünde der Illuminaten sowie der Gold- und Rosenkreuzer, zuletzt und umstritten die im Kontext der Revolution entstandenen politischen Klubs. Die Auflistung ergänzen mochten politische Diskussionszirkel, studentische Reformgruppen oder national-politische Unterstützungsvereine. Auch Richard van Dülmen strukturierte die Aufklärungsgesellschaften chronologisch entsprechend seiner dreiteiligen Binnendifferenzierung der Aufklärungsepoche in eine gelehrt-wissenschaftliche Phase um 1700, eine staatlich-praktische beginnend etwa 1740 sowie eine literarisch-öffentliche 1775/80, wobei er jeweils ein konfessionell bedingtes Zeitgefälle von Nord nach Süd ausmachte (290, S. 258). Die Datierung der gelehrt-wissenschaftlichen Anfangsphase um 1700 fiel auf das Gründungsjahr der Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften, der berühmten Leibnizschen Akademie. Die synonym verwendeten Bezeichnungen Akademie bzw. Sozietät verwiesen auf die Rezeption französischer (Académie des sciences) oder englischer (Royal Society) Vorbilder; bekanntlich war der Akademiegedanke antike Reminiszenz, wiederbelebt in der Academia Platonica des Cosimo dei Medici. Den Zweck der Akademiegründung hatte namentlich die von Ulrich Im Hof gleichfalls als Vorläufer benannte Rostocker „forschende“ bzw. „suchende Gesellschaft“ (societas ereunetica respektive societas zetetica) des Mathematikers und Arztes Joachim Jungius 1622 illustriert (274, S. 115): Akademien waren im Unterschied zu den Universitäten Forschungsinstitutionen. Akademische Forschung und akademischer Dialog hatten zugleich den Zweck der nutzbringenden Forschungsanwendung. Die in deutlichem
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Typologie der Aufklärungsgesellschaft
Akademien
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III.
Forschungsprobleme
Arkangesellschaften
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Zeitabstand zur Berliner Akademie entstandenen Göttinger, Erfurter, Münchener oder Mannheimer Institutionen erhielten nicht nur staatliche Förderung, sie waren quasi staatliche, eben königliche oder landesfürstliche Einrichtungen und Prestigeobjekte ihrer monarchischen Förderer. Nicht zufällig entstand die Brandenburger Sozietät in zeitlichem Nexus zur Erhebung Kurfürst Friedrichs zum König in Preußen. In der Literatur wird (Im Hof, Möller) die ergänzende, privat initiierte Einrichtung Literarischer Gesellschaften wie Gottscheds Deutsche Gesellschaft, später Deutsche Sozietät in Leipzig (274, S. 116), oft der vornehmlich naturwissenschaftlich-technischen Prägung der Akademien zugeschrieben. Auch hier lagen die Vorbilder in Frankreich (Académie française) sowie in den bereits genannten Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts: eben jener Fruchtbringenden Gesellschaft, die sich, zumindest darin mit dem Pendant der Aufklärungszeit übereinstimmend, die Pflege der Eloquenz, der deutschen Sprache und Dichtkunst zum Ziel gesetzt hatte. Noch nicht abgeschlossen ist die Debatte um die Qualifizierung einzelner, teils aus dem 17. Jahrhundert überkommener universitärer Vereinigungen als Aufklärungsgesellschaften: der Übungsgesellschaften und Collegien, der Gelehrten Gesellschaften und ihrer Vorläuferinstitutionen wie der 1716 in Leipzig gegründeten Wendischen Predigeranstalt, vor allem aber der Studentenorden und arkanen akademischen Logen (293, S. 62 f.). Die Arkansozietäten zunächst der Freimaurer, sodann der Illuminaten einerseits, der Gold- und Rosenkreuzer andererseits stellen, so Manfred Agethen, „den interessantesten, aber zugleich auch den schwierigsten Typus unter den Aufklärungsgesellschaften dar“ (264, S. 443). Fraglich schien etwa Franklin Kopitzsch (277), ob ihr Geheimhaltungsprinzip, ob ihre irrationalen und hierarchischen Elemente überhaupt mit dem aufgeklärten Prinzip öffentlicher Kritik vereinbar waren. Ähnliche Bedenken äußerte auch Ulrich Im Hof (274, S. 163). Andererseits entsprachen „so viele typische Merkmale der Sozietätsbewegung“, waren selbst die personellen Verflechtungen so unübersehbar, dass nicht nur Im Hof sie „füglich auch den akademischen, literarischen, gemeinnützigen, patriotischpolitischen Gesellschaften“ zugezählt wissen wollte (274, S. 163). Van Dülmens Wertung als zweiter eigentlicher aufklärerischer Gesellschaftstyp neben den Akademien stützt sich auf den trotz päpstlichen Verbots hohen Verbreitungsgrad selbst in katholischen Territorialstaaten (290, S. 258). „Innerhalb der Geschichte der Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts“, so auch Horst Möller, „spielte die Freimaurerei eine zentrale Rolle […]“ (41, S. 217). Möller unterschied vier Phasen der geheimen Gesellschaftsbildung, beginnend mit der Konstituierung der ersten deutschen Freimaurerloge Absalom 1737 in Hamburg, exakt zwanzig Jahre nach der Vereinigung der vier Londoner Logen zur dortigen Großloge. Die ersten (nord-) deutschen Logengründungen folgten dem klassischen Ritus und unterschieden lediglich drei so genannte Johannesgrade von Lehrling, Geselle und Meister. Von eigentlicher Arkanpraxis, so Möller (41, S. 218), könne hier noch nicht die Rede sein. Die zweite Phase datierte er in die 1740er Jahre, als manche Logen den schottischen Ritus und damit das Hochgradsystem der „strikten Observanz“ übernahmen. Nunmehr schirmte die Arkanpraxis die bis zu 60 höheren Grade selbst sozietätsintern nach unten
4. Aufklärungsgesellschaften ab. Das Hochgradsystem bildete dann auch die Basis für die sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts formierenden Illuminaten- respektive Goldund Rosenkreuzerorden, Möllers dritte Phase der Konstituierung von Geheimgesellschaften. Einer zeitgleichen vierten Phase rechnete er die Entstehung aufklärerischer Vereinigungen zu, die vom Einfluss des Hochgradsystems unberührt blieben (41, S. 221). Die Freimaurerlogen vereinten – wie die Sozialgeschichtsschreibung betont – ständetranszendierend Gelehrte, bürgerliche Honoratioren, hohe Beamte, den niederen Adel, selbst Landesfürsten oder Prinzen von Geblüt. Monika Neugebauer-Wölk (279) hat aktuell die politischen Interessen jener Herrscher zu erklären versucht, die wie Friedrich II. (1738 bereits als Kronprinz) einer Loge angehörten (270). Richard van Dülmens Auffassung, dass „gerade die aufstrebende Intelligenz in der Freimaurerei die ihren Bedürfnissen am meisten entsprechende Organisationsform“ sah (290, S. 258), war ihr eine nur monokausale Deutung. Aus den 1760er Jahren datierte die Entstehung eines, so Im Hof (274, S. 134 f.), neuen Gesellschaftstypus, der sich die praktische Nutzbarmachung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Ziel gesetzt hatte: die patriotisch-gemeinnützigen, davon abgesetzt die ökonomischen Gesellschaften. Patriotismus, dies wird im folgenden Kapitel zu vertiefen sein, meinte nichts anderes als nutzbringenden, „redlichen Dienst“ für die allgemeine Wohlfahrt (292, S. 11). „Patriotische Gesellschaften“, so Richard van Dülmen, „entstanden aus dem Interesse zahlreicher Männer, die Regelung öffentlicher Gesellschaft nicht mehr allein Staat und Kirche zu überlassen, […] sondern als mündige Menschen sich für die Aufklärung mitverantwortlich zu fühlen“ (290, S. 67), quasi ergänzend zu staatlichen Maßnahmen. Ihre Zielsetzungen sind im weitesten Sinne mit der Förderung wirtschaftlicher, explizit aber auch sozialer Belange umschrieben. Unter den bis 1820 entstandenen etwa 60 Sozietäten kam der 1765 wieder begründeten Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe (Patriotische Gesellschaft) des Hermann Reimarus nicht nur deswegen ein besonderer Status zu, weil sie als der „bisher am besten erforschte Verein“ (Otto Dann) (267) anzusehen ist, sondern weil sie von späteren Sozietätsgründungen kopiert, allerdings nicht erreicht wurde. Vorbild war hier die Londoner Society for the Encouragments of Arts, Manufactures and Commerce William Shipleys (277, S. 76). Den Entstehungskontext in der wirtschaftlichen Krisensituation unmittelbar nach dem Siebenjährigen Krieg hat Franklin Kopitzsch betont. Freilich hatte die Hamburgische Honoratiorengesellschaft auch politischen Einfluss: „So wie für viele Bürger die Mitwirkung in der Gesellschaft zu einem Bedürfnis wurde, so gehörte die Mitgliedschaft mehr und mehr zu den Kriterien, die bei der Wahl neuer Senatoren und Syndici berücksichtigt wurden“ (277, S. 82). Dass die patriotischen wie die ökonomischen Gesellschaften auch pädagogisch-volksaufklärerische Intentionen verfolgten, ist im vorherigen Kapitel bereits angeklungen. Der Konnex von Aufklärung, Patriotismus und Erziehung wird in anderem Zusammenhang zu vertiefen sein (Kapitel 5). Die Entstehung einer „dritten“ Generation von Aufklärungsgesellschaften datierte Richard van Dülmen in die Zeit nach 1775, die Krisenjahre des aufgeklärten Absolutismus wie die Entwicklungs- und Erweiterungsphase
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Patriotischgemeinnützige Gesellschaften
Lesegesellschaften
67
III.
Forschungsprobleme
Literarische Gesellschaften
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eines literarischen Marktes (290, S. 263). Hatte van Dülmen den Entstehungszusammenhang der frühen Sozietätsformen mit der höfischen Gesellschaft herausgearbeitet, so sah er im neuen Typus der Lese- respektive Literarischen Gesellschaft eine Vereinigung unabhängig vom Staat, im Illuminatenorden gar eine partiell staatsgegnerische Institution. Wie Marlies Stützel-Prüsener (288) ergänzte, erfuhr manche Lesegesellschaft durchaus fürstliche Protektion, die bayerischen hingegen die landesherrliche Repression im Zuge der „Illuminatenriecherei“. Die Forschung bezeichnete die Lese- als verbreitetste Form der Aufklärungsgesellschaft, als bürgerliches Institut und Pendant zum Freimaurerorden (290, S. 265, 266). „Als Lesegesellschaften“, definierte Otto Dann, „sollen alle geregelten Zusammenschlüsse von Lesern verstanden werden, die zur Beschaffung und Bereitstellung von Lesestoff gegründet wurden und sich als Mitglieder selbst verwalteten“ (267, S. 17). Letzteres unterschied sie von der kommerziell ausgerichteten Leihbibliothek. Die mit gut 500 eher unübersichtliche Gesellschaftslandschaft versuchte Stützel-Prüsener zu strukturieren (288). Als eher randständig bezeichnete sie den frühen Typus der Lesezirkel oder Umlaufgesellschaften: Hier taten sich Leser zum gemeinsamen Abonnement oder Kauf privat und umlaufend rezipierter Periodika bzw. Bücher zusammen. Der Übergang zum zweiten Typus der Lesebibliothek war fließend. Die Deponierung des Lesestoffs an einem Ort wie die Zugänglichmachung allein für Mitglieder gab diesem Gesellschaftstyp die feste organisatorische Form. Kommunikative Strukturen wiesen schließlich die um 1775 entstandenen Lesekabinette auf, institutioneller Rahmen für Diskussionen und Vortragstätigkeit. Van Dülmen bezeichnete die Lesegesellschaften als „Foren politischer Willensbildung“ (290, S. 267), schloss jedoch einen generativen Konnex zu den politischen Klubs der Revolutionszeit nahezu aus. „In Mainz“, konstatierte hingegen Otto Dann, „war eine Lesegesellschaft Vorgänger des Jakobinerklubs, in Bonn die Folgeorganisation einer Illuminatengruppe, in Hamburg der integrierte Bestandteil einer Patriotischen Gesellschaft“ (266, S. 23). Die Lesegesellschaften waren geschlossene, aber keine arkanen Sozietäten. Ihnen strukturell vergleichbar, teils aber dezidiert politisch waren die Literarischen Gesellschaften, so die exklusive arkane Berliner Mittwochsgesellschaft, zu deren 24 bekannt gewordenen Mitgliedern die Spitze des preußischen Oberkonsistoriums, der Justiz, mit den Herausgebern der Berlinischen Monatsschrift sowie Nicolai und Mendelssohn die führenden Aufklärer im Staat gehörten (41, S. 225 f.). Den 1785/86 verbotenen Illuminatenorden (291) des Ingolstädter Kirchenrechtlers und Philosophen Adam Weishaupt und die zu Ausgang des 18. Jahrhunderts tief in der Krise befindliche Freimaurerei verbanden nicht nur Arkanpraxis und hierarchische Struktur, sondern überdies personelle Verflechtungen. Vornehmliche Versammlungszentren der Illuminaten waren Freimaurerlogen wie die bald gänzlich unterwanderte Münchener Loge St. Theodor zum guten Rat (290, S. 102). Der in nicht einmal zehn Jahren seines Bestehens auf schätzungsweise 600 Mitglieder angewachsene Geheimbund war, so van Dülmen, bürgerliches Moralinstitut, gelehrte Gesellschaft und politischer Geheimorden (290, S. 264). Ziel der durch das Hochgradsystem abgeschirmten Oberen, darunter bis 1783 und als Vermittler des Illuminatismus in den
4. Aufklärungsgesellschaften protestantischen Norden von eminenter Bedeutung Adolph von Knigge, war die Verwirklichung eines „Reiches der Vernunft und Moral, der Freiheit und Gerechtigkeit“ (290, S. 107). Zwar intendierten die Illuminaten die Unterwanderung staatlicher Institutionen, um in ihrem Sinne Einfluss nehmen zu können; eine Veränderung der bestehenden Ordnung lag nicht in ihrer Absicht. Hierin, so Richard van Dülmen, unterschied sich der 1785 im Umfeld des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor enttarnte Orden von den Volksgesellschaften und politischen Klubs, die sich um 1792 konstituierten. Ihr Kausalnexus zu älteren Gesellschaftstypen der Aufklärungsepoche ist freilich Gegenstand aktueller Forschungsdebatte. Die historische Forschung hat die Typologisierung von Aufklärungsgesellschaften vorangetrieben (289, 293). Kontroversen hinsichtlich der Zuordnung einzelner Gesellschaftstypen ließen sich dabei kaum vermeiden. Hatten Wolfgang Hardtwig wie auch Jens Riederer etwa die „studentischen Sozietätsbewegungen“, die Akademischen Logen wie die Studentenorden explizit unter die Aufklärungsgesellschaften subsumiert, so stellte Holger Zaunstöck, der beide Gesellschaftstypen deutlich trennte, zumindest letztgenannte eindeutig in den Kontext corpsstudentischer Forschungen (293, S. 66 f.). Zwar waren beide wiederum von arkanen freimaurerischen Zusammenhängen geprägt, die freie Zugänglichkeit traf jedoch, hier verwies Zaunstöck auf die ältere Forschung seit Wilhelm Fabricius Geschichte der Studentenorden des 18. Jahrhunderts, allein für die akademischen Logen zu, die auch außeruniversitären Mitgliedern offen standen. Zaunstöck wiederum hat die Zugehörigkeit des antiaufklärerischen Gold- und Rosenkreuzerordens zu den Aufklärungsgesellschaften nicht grundsätzlich verneint (293, S. 80). „Der Orden gilt in der einschlägigen Forschung als antiaufklärerische Geheimgesellschaft; er wurde bisher als eine masonische Fehlentwicklung verstanden, obwohl seine Existenz nicht zweifelsfrei von der allgemeinen, mit der Aufklärung identifizierten Freimaurerei zu separieren ist“ (293, S. 6). Zaunstöcks Votum mag auf den ersten Blick paradox anmuten, bestritt er doch die von Horst Möller, Manfred Agethen oder Karlheinz Gerlach herausgearbeitete und vor allem gegen die vermeintliche Irreligiosität der Aufklärung gerichtete „Aufklärungsopposition“ keineswegs. Verbindungslinien zwischen Freimaurerei, Naturphilosophie und Gold- und Rosenkreuzertum hatte 1997 bereits Rudolf Schlögl konstatiert (285). Zaunstöck verwies nun auf zwei wenngleich punktuelle Bezugsebenen. So verbinde die Gold- und Rosenkreuzer einerseits, die Illuminaten als Antipode, aber gleichfalls Arkangesellschaft andererseits der Konnex zur Freimaurerei (293, S. 81). Nicht nur die strukturelle Nähe, vor allem die konkrete personelle Vernetzung innerhalb der Sozietätslandschaft haben neuere Forschungen eindrucksvoll belegt. Allein für Berlin und Potsdam konnte gezeigt werden, dass 90 Prozent der Ordensmitglieder zugleich Freimaurer waren. Zugleich bestätigte die Mitgliederanalyse, dass auch die Gold- und Rosenkreuzer trotz einer hohen Präsenz des Adels prinzipiell nicht nach sozialem Stand differenzierten. Als zweiten Berührungspunkt mit aufklärerischen Gesellschaften des 18. Jahrhundert nannte Zaunstöck das naturforscherliche Interesse des Ordens, das sowohl Möller als auch Agethen anerkannt, aber eben nicht mit dem Begriff der Wissenschaftlichkeit belegt
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Kontroverse um die Typologisierung von Aufklärungsgesellschaften
Kommunikationsnetze
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III.
Forschungsprobleme hatten. Monika Neugebauer-Wölk warf kürzlich jedoch zu Recht die Frage auf, inwieweit ein solch statisches Bild von Wissenschaftlichkeit in einer Zeit noch fließender Disziplingrenzen angemessen sei. „Erst jüngst“, so auch Holger Zaunstöck, „hat Rudolf Schlögl anhand von naturphilosophisch-hermetischem Gedankengut eindrucksvoll gezeigt, dass Verbindungslinien zwischen Freimaurerei und Gold- und Rosenkreuzertum existierten“ (293, S. 6 f.). Dies implizierte keine grundsätzliche Neubewertung der Gold- und Rosenkreuzer. Doch illustrierten diese neueren Studien, dass eher von fließenden Übergängen als einem dichotomischen Gegensatz auszugehen ist. Strittig ist drittens schließlich die Zuordnung der Jakobinerklubs zu den Aufklärungsgesellschaften. Richard van Dülmen hatte diesen Typus zwar grundsätzlich als ein Novum bezeichnet, zugleich aber die Adaptation freimaurerischer Elemente wie solcher der Akademien und patriotischen Gesellschaften anerkannt (290, S. 270). Der eigentliche Bruch, so sein Urteil, trat in der radikal-demokratischen Organisationsstruktur, insbesondere aber der Zielsetzung dieser Klubs hervor: der Abschaffung des Feudalsystems und der Konstituierung einer Verfassung (290, S. 271). Sie blieben aber „im Rahmen der Aufklärungsgesellschaften und wollten nur ein Forum wechselseitiger Belehrung und Aufklärung über die natürlichen Rechte des Menschen schaffen, ohne selbst unmittelbar politisch aktiv zu werden“ (290, S. 271). Dies trenne sie letztlich vom Parteiwesen des 19. Jahrhunderts. Auch Monika Neugebauer-Wölk hat kürzlich noch einmal nachdrücklich die kontextuelle und inhaltliche Zusammengehörigkeit der sich selbst Volksgesellschaften oder Konstitutionsfreunde nennenden Jakobinerklubs und der Aufklärungsgesellschaften unterstrichen, quasi als deren Endpunkt und Übersteigerung. Manfred Agethen (264, S. 445) wiederum bestritt personelle Kontinuitäten keineswegs. Auf Helmut Reinalters Studien (283, 284) zum Jakobinismus verweisend konstatierte er jedoch letztlich die Unvereinbarkeit der elitär-hierarchischen, oft esoterischen Logen mit den jakobinischen Ideen von Volkssouveränität und Gleichheitsprinzip. „Insgesamt“, lautete sein Resümee, „sind die ohnehin spärlichen deutschen Jakobinerklubs in Entstehung und Zielsetzung ganz untypisch für die aufklärerische Sozietätsbewegung“ (264, S. 445). Einer solch strikten Trennung widersprach die neuere Sozietätsforschung. „Die Jakobinerklubs“, begründete Holger Zaunstöck seine Einordnung in die aufklärungsgesellschaftliche Tradition, „gehörten zu den Sozietätstypen, die sich ‘konkret in die Gesellschaft hineinwirkende Ziele’ gesetzt hatten“ (293, S. 58). Die Relevanz der Aufklärungssozietäten und -soziabilitäten für die praktische Umsetzung von „enlightenment“ ebenso wie für die Konstituierung von Bürgerlichkeit ist in der Forschung längst anerkannt. Soziologie, Sozial- und Kulturgeschichtsschreibung hatten sie als Basis politischer Vereinsbildung beschrieben. Die Fülle an Publikationen zur politischen Dimension von Arkanum, ja explizit dem esoterischen Element der Geheimgesellschaften unterstreicht eindrucksvoll den Facettenreichtum eines noch längst nicht abschließend ergründeten Aspekts der Aufklärungsforschung.
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5. Aufklärung und Kosmopolitismus
III.
5. Aufklärung und Kosmopolitismus, Patriotismus und Nationalismus Man habe sich an die Vorstellung gewöhnt, so der Freiburger Literaturwissenschaftler Heinrich Bosse, dass die Aufklärung als kosmopolitische, menschheitlich orientierte, pazifistische Bewegung „vor allem über den Ewigen Frieden diskutiert“ (299, S. 55). Diese dezidiert kosmopolitische Ausrichtung hat jüngst noch einmal Helga Schultz in einem in der Historischen Zeitschrift veröffentlichten Aufsatz unterstrichen (337, S. 36). Die Aufklärungsbewegung war übernational, und wenn die publizierende Elite Termini wie „patriotisch“ oder „vaterländisch“ verwendete, so hatten diese Äußerungen keine nationalstaatlich-moderne, sondern partikular-ständestaatliche Konnotation. Der zeitgenössische Gebrauch solchen Vokabulars, so Schultz, beziehe sich auf die Vaterstadt, die Dynastie, auf Landesteile (337, S. 46), aber auch, wie Rudolf Vierhaus herausstellte, die Menschheit allgemein (343, S. 96). Goethe nannte Frankfurt, Justus Möser Osnabrück sein Vaterland (343, S. 100). Vorformen des Nationalismus, und zwar eines „Nationalismus in Deutschland anstatt eines Nationalismus für Deutschland“ (337, S. 52), machte Schultz allenfalls auf einzelstaatlicher Ebene aus, getragen von den Staatsdienern, auch den hohen Militärs des aufgeklärten Absolutismus in Österreich oder Preußen, einen „bürokratischen Patriotismus“ (Harm Klueting) (321) beispielsweise der „Hofratsnation“ (302, S. 212), den „Esprit de Corps et de Nations“ (Friedrich II.) des preußischen Militärstaats. Wenn man so überhaupt für das 18. Jahrhundert von Nationalismus sprechen könne, dann von einem politisch und nicht ethnisch begründeten, der dem Ideal eines Verfassungspatriotismus näher stehe als dem Nationalismus des 19. Jahrhunderts. Von diesem trenne die Zäsur 1789, deren Radikalität Schultz noch einmal dahingehend unterstrich, dass Revolution, Revolutionskriege und napoleonische Herrschaft weniger als Katalysator für einen Nationsbildungsprozess wirkten als vielmehr eine im Gang befindliche Entwicklung abrupt abbrachen (337, S. 52). Ohne diese Zäsur, argumentierte sie, hätte es wohl die Weiterentwicklung des einzelstaatlichen Weges in Richtung eigener Staatsvölker gegeben, womöglich mit einer österreichischen, preußischen, gar bayerischen, sächsischen oder schwäbischen Eigenstaatlichkeit an ihrem Ende. Ein genauer Blick auf die Entwicklung politischen Bewusstseins im 18. Jahrhundert, so auch Rudolf Vierhaus (343, S. 97), zeige zumindest, dass „im Patriotismus der Aufklärung und des Idealismus Ansätze für die Entfaltung einer politischen Kultur“ jenseits des nach 1789 eingeschlagenen Weges lagen. Lange Zeit, konstatierte der Münchener Historiker Eckhart Hellmuth, gehörte es demnach „zu den historiographischen Konventionen, eine klare Trennlinie zu ziehen zwischen dem ‘aufgeklärten’ Patriotismus und dem Nationalismus, wie er sich als Reaktion auf die Französische Revolution ausbildete“ (317, S. 23). Die Geschichte des Nationalismus, dies benannte Hellmuth als Ergebnis der anlässlich des Bicentenaire vermehrten Forschung gerade zu „loyalitäts- und identitätsstiftenden Diskursen, Ritualen und Symbolen“ der Grande Révolution, begann 1789 (316, S. 3). Es ist dies
Nationalismus vor dem Nationalismus?
Das patriotische 18. Jahrhundert, das nationalistische 19. Jahrhundert
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III.
Forschungsprobleme
Kontroverse um „frühneuzeitlichen Nationalismus“
1789 – Kontinuität oder Bruch?
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der in Handbüchern, etwa Hans Mommsens Artikel „Nationalismus, Nationalitätenfrage“ in Sowjetsystem und Demokratische Gesellschaft (328) nachzulesende Forschungsstand und, um dies vorweg zu nehmen, auch der trotz jüngster Kontroversen mehr oder weniger akzeptierte Forschungskonsens. Wozu also ein Exkurs über „Aufklärung und Nationalismus“, wenn beide doch so offenkundig nicht zusammengehören? Tatsächlich war just der „Nationalismus vor dem Nationalismus“, der von Historikern so bezeichnete Proto- (z. B. José Antonio Maravall, Otto Dann), Frühnationalismus (Wolfgang Hardtwig) oder frühmoderne Nationalismus (Eckart Hellmuth) Gegenstand der Diskussion auf einer so überschriebenen Sektion des Münchener Historikertags 1996. Die dort gehaltenen Referate fanden zwei Jahre später Eingang in das von Reinhard Stauber (339, 340) herausgegebene zweiteilige Themenheft der Zeitschrift Aufklärung. Gleichwohl war die vorgetragene Position nicht gar so neu. Wolfgang Hardtwig und Herfried Münkler hatten sie basierend auf mediävistischen Arbeiten zum Thema „Nation im Mittelalter“ (Johan Huizinga, Frantiˇsek Graus, Walter Schlesinger) bereits in den 1980er Jahren formuliert (315, 329, 330). 1994 vertrat Hardtwig nun prononcierter die These, dass es bereits „an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert und dann punktuell mit unterschiedlicher Tragweite im frühen 17. und im Laufe des 18. Jahrhunderts“ (315, S. 36) einen Nationalismus gegeben habe. „Spezifisch moderne Wirkmächtigkeit“ schrieb er diesem Nationalismus allerdings erst für das 19. Jahrhundert zu. Auch Herfried Münkler hatte Kontinuitätslinien nationalen Identitätsbewusstseins (329) bis in das Mittelalter gezogen, sie vor allem aber für die italienische Renaissance (Niccolò Machiavelli), den deutschen Humanismus (Ulrich von Hutten) (330) und die sich formierenden Staatsnationen, vor allem das England des Commonwealth unter Cromwell herausgestellt. Allerdings beschrieb Münkler eine punktuelle, noch keine kontinuierliche Entwicklung. Im genannten Themenheft stellte schließlich Eckhart Hellmuth rekurrierend auf Linda Colleys Britons. Forging the Nation 1707–1837 (303) die ‘Nationsschmiedefunktion’ des Siebenjährigen Krieges heraus. Die patriotische Kultur, wie sie in Preußen in diesem Krieg Kontur gewann, war Hellmuth zufolge Teil eines gemeineuropäischen Phänomens (317, S. 50). Dass er damit ein durchaus plausibles Argument gegen die These eines preußisch-deutschen Sonderwegs lieferte, formulierte Hellmuth nicht explizit. Hellmuth wie auch Johannes Kunisch werteten diesen Krieg als eigentliche Zäsur, weil er die Ausbildung eines patriotischen Bewusstseins hervorbrachte, das die bislang charakteristische Distanz zwischen Obrigkeit und Untertanen zu überbrücken begann (317). Der Siebenjährige Krieg, relativierte Heinrich Bosse, rief freilich „nicht etwa einen deutschen Patriotismus oder Nationalismus hervor – wie man seit dem 19. Jahrhundert bis heute liest – sondern deren zwei: zwei Deutschlandbilder, ganz agonal, ein königliches, ein kaiserliches“ (300, S. 56). Was bei Eckart Hellmuth noch wie eine kleinere Kurskorrektur aussah, war bei Wolfgang Hardtwig durchaus als Distanzierung vom Zäsurcharakter des Jahres 1789 intendiert. „Es stellt sich die Frage“, fasste Karsten Behrndt kürzlich diese längst kontrovers ausgetragene Debatte um Kontinuitäten, um die Übertragbarkeit des Nationsbegriffs in die frühe Neuzeit zusammen, „inwieweit tatsächlich als Folge der von Frankreich
5. Aufklärung und Kosmopolitismus ausgehenden Ereignisse der Begriff Nation mit neuen Inhalten gefüllt wird oder ob die Geschehnisse ab 1789 eher eine katalysatorische Wirkung besaßen und lediglich bestimmte bereits vorher vorhandene Facetten dieses vielgestaltigen Terminus jetzt dominant werden“ (296, S. 22). Behrndt meinte anhand des Vergleichs lexikalischer Darstellung der Schlüsselbegriffe in britischen und deutschen Enzyklopädien des 18. und 19. Jahrhunderts diese eher katalysatorische denn umwälzend innovative Wirkung von 1789 festgestellt zu haben. Hardtwig selbst folgerte, es scheine demnach wenig sinnvoll, den „genetischen Zusammenhang durch eine zu scharfe Zäsur bei dem Symboldatum 1789 zu zerreißen und älteres ‘Nationalbewusstsein’ und modernen ‘Nationalismus’ einander apodiktisch gegenüberzustellen“ (315, S. 37). „Genetische Zusammenhänge“ sah Hans Mommsen denn auch für die Begriffe Nationalismus und Patriotismus, die er nun nicht mehr künstlich getrennt wissen wollte (328, S. 166). Trotz unverhohlener Schwierigkeiten der exakten begriffs- und ideengeschichtlichen Abgrenzung, die etwa Rudolf Vierhaus (343, S. 96) in seiner Analyse eingeräumt hatte, war bislang zwischen der kosmopolitischen, traditionalen und staatsbürgerlichen Frühform und dem späteren Massenphänomen und „Letztwert“ (Dieter Langewiesche) unterschieden worden. Die von Wolfgang Hardtwig apodiktisch vorgetragene historische Tiefendimension des Nationalismus blieb nicht unwidersprochen. Besonders heftig reagierte Hans-Ulrich Wehler, der die Übertragung nationaler Termini wie Nation, Nationalismus und Nationalstaat in die vornationale Welt als unhistorisch bezeichnete. Als Anachronismus hatte bereits der im angeführten Handbuchartikel Mommsens zitierte B. C. Shafer die Anwendung des Nationalismusbegriffs auf die Zeit vor 1700 gewertet. Dessen ungeachtet sprach Wolfgang Hardtwig vom „humanistischen Nationalismus“ eines Ulrich von Hutten, „der zwischen 1495 und 1510 mit seinen Gesellschaften die frühesten Organisationen der modernen deutschen Nation gebildet habe“ (324, S. 201). Hier war Münkler, hier war auch Eckart Hellmuth in der jeweiligen Terminologie deutlich vorsichtiger: Von „nationalem Identitätsbewusstsein“ der kulturellen Elite, von einzelstaatlichem Partikularbewusstsein im Bürgertum eines sehr heterogenen Territorialstaats war die Rede, aber nicht von „Entwicklung in Richtung moderner Volksnation“ (323, S. 29 f.), nicht von Nationalismus als Massenphänomen. Als wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen frühem und modernem Nationalismus ist jedoch seitens der Forschung die Konstituierung nicht länger eines geringen Teils (Adel, aufgeklärte Elite), sondern des gesamten dritten Standes als Volksnation herausgestellt worden. Als Initiation gilt hier das „Qu’est-ce que le tiers état?“ des Abbé Emmanuel de Sièyes und die Deklaration des Dritten Standes zur Nationalversammlung noch in der ersten Phase der Revolution 1789. Voraussetzung war die theoretische Fundierung der Volkssouveränität durch Rousseau, praktische Folge ein verändertes politisches Bewusstsein und die Legitimierung und Forderung politischer Partizipation prinzipiell für alle Bürger, sehr viel später auch Bürgerinnen (323, S. 16). Ein wenig angeklungen war dies bereits in Harm Kluetings (321) Terminus „Privatpatriotismus“, dem Patriotismus eines jeden Mannes, den er dem „bureaukratischen Patriotismus“ der öffentlichen Funktionsträger gegenüberstellte. „Die älteren nationalen Gebilde“,
III.
„frühneuzeitlicher“ – „moderner“ Nationalismus
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III.
Forschungsprobleme
Annäherung der Kontroverspositionen
Patriotismusbegriff des 18. Jahrhunderts
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so zusammenfassend Karl Ferdinand Werner, „wurden von im Wesentlichen adligen Eliten repräsentiert, deren Ablösung durch neue Eliten, die sich als ‘Volk’ konstituierten, Grundlage einer ‘neuen’ Nation wurde, die die Existenz einer alten notwendig voraussetzt“ (347, S. 244 f.). Nun hatte Dieter Langewiesche die Gegensätze zwischen beiden Kontroverspositionen: den Verfechtern einer „longue durée“ des Nationalismus bis ins Mittelalter und jener etablierten Auffassung vom Nationalismus als einem Phänomen des 19. und 20. Jahrhunderts als gar nicht so extrem charakterisiert (324, S. 202, 323, S. 16 f., S. 29 f.), wie die Heftigkeit der Auseinandersetzung glauben machte. Der zumeist vorsichtige Umgang mit der Terminologie wurde bereits angedeutet. Insgesamt bestritten Vertreter einer Kontinuitätsthese weder die qualitativ veränderte Dimension des Nationalismus nach 1789, etwa die danach aufkommende Idee der Nation als oberster Legitimationsebene, noch behaupteten sie eine kontinuierliche und quasi teleologische Entwicklung seit dem Mittelalter. Äußerungen nationalen Bewusstseins und nationaler Identität wurden vielmehr lediglich punktuell und situativ ausgemacht. Langewiesche verwies zudem erklärend auf den doch abweichenden Nationalismusbegriff, den eine seit den 1930er Jahren mit der ‘Entstehung europäischer Nationen im Mittelalter’ befasste Mediävistik entwickelt hatte. Andererseits bestritten die Gegner jener These vom „Nationalismus vor dem Nationalismus“ keineswegs eine womöglich bis in das Mittelalter zurückreichende Vorgeschichte „nationalen Bewusstseins“ (324, S. 202) oder „Entstehungsgeschichte des europäischen ‘Nationalgeists’“, wie der Philologe Conrad Wiedemann formulierte. Der Aufklärung als Epoche der unmittelbaren Formierung kam dabei eine, so Wiedemann, trotz ihrer grundsätzlich kosmopolitischen Ausrichtung noch defizitär erforschte Bedeutung zu (348, S. 75). Doch was verstand die Aufklärungsepoche eigentlich unter einem Patrioten, einem – so Rudolf Vierhaus’ Hinweis auf den im 18. Jahrhundert geradezu inflationär und in verschiedensten Ableitungen gebräuchlichen Terminus – Vaterlandsfreund? Und wie sah in dieser Zeit das Objekt der Vaterlandsliebe aus? In der Sprache der Gebildeten, so wiederum Vierhaus (343, S. 97), war der Patriot nicht eben neu: lateinisch seit dem Mittelalter, in deutscher Übersetzung seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert belegt, bezeichnete er einen Landesangehörigen oder Landsmann. In der einschlägigen Literatur wiederholt zitiert findet sich die Definition des Zedlerschen Universallexikons von 1740, wonach Patriot „ein rechtschaffener LandesFreund, ein Mann [war], der Land und Leuten treu und redlich vorstehet und sich die allgemeine Wohlfahrt zu Herzen gehen lässt“ (z. B. 343, S. 97). Johann Christoph von Adelungs grammatikalisch kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart 1774 nannte den Patrioten einen Mann, der die allgemeine Wohlfahrt unabhängig von seinen eigenen Interessen fördert (295, S. 25). „Wenn mich die Geburt“, so schließlich das Vaterlandsverständnis des nachmaligen Bückeburger Konsistorialrats Thomas Abbt, „oder meine freye Entschließung mit einem Staate vereinigen, dessen heilsamen Gesetzen ich mich unterwerfe; Gesetzen, die mir nicht mehr von meiner Freiheit entziehen, als zum Besten des ganzen Staats nöthig ist: alsdann nenne ich diesen Staat mein Vaterland“ (343, S. 105). Franklin Kopitzsch dokumentierte eine auf Hamburg bezogene Übersetzung mit
5. Aufklärung und Kosmopolitismus „Stadtfreund“ (277, S. 82). Ein fast schon plebiszitärer Patriotismus, ein Patriotismus mit stetig moralischem Bezug, aber gewiss kein Patriotismus, der mit den kosmopolitisch-menschheitlichen Idealen der Zeit unvereinbar war, so ließe sich das aufgeklärte Patriotismusverständnis definieren. Eckhart Hellmuth beschrieb den Patriotismus des 18. Jahrhunderts als quasi „emotionslose, utilitaristische Geisteshaltung“ (317, S. 40). Rudolf Vierhaus schließlich charakterisierte Patriotismus folgendermaßen: zum einen als die „moralische Emphase“ (343, S. 101) einer – nicht selten pietistisch geprägten – Bürgertugend (343, S. 108, 321, S. 39). Zum zweiten konstatierte er eine pädagogische Komponente, die den Patriotismus sogleich in den Kontext der Aufklärung verwies: Aufklärung war patriotische Erziehung. „Aufklären durch Belehren und Erziehen, durch Anleiten und Helfen ist patriotisches Handeln in höchster und wirksamster Form“ (343, S. 102). Preußens Staatsminister Karl Abraham Freiherr von Zedlitz hielt 1777 eine Akademierede mit dem Titel Über den Patriotismus als einen Gegenstand der Erziehung in monarchischen Staaten (228), in der er gar eine quasireligiöse Unterrichtung in Vaterlandsliebe durch den Pfarrer forderte (300, S. 89). „Patriotismus“, so etwas ausführlicher die entsprechende Passage, „muss nach meinen Begriffen wie die Religion gelehrt werden. […] Der Lehrer der Religion und der Lehrer des Patriotismus haben einerley Pflichten zu erfüllen. […] Beide Lehrer müssen sich wechselweise Hülfe leisten. Vortrefflich, wenn der Lehrer der Religion, er sey Pfarrer, Rabbi, oder Iman, dem Lehrer des Patriotismus den Weg bahnt! Es giebt keinen Patriotismus ohne Religion“ (228, S. 9). Patriotismus gehörte überdies, so Vierhaus, zur Selbstdarstellung und zur politischen Pädagogik aufgeklärter Fürsten, erhielt, da wie Kindesliebe eingefordert, ein stark paternalistisches Moment. Nicht zufällig bezeichnete sich Joseph II. als vaterlandsliebend und Patriot, verfasste Friedrich II. 1779 Briefe über die Vaterlandsliebe (309). Im Zitat schien Abbts Vaterlandsliebe unabhängig von der Staatsform: ibi libertas, ubi patria. Tatsächlich war die seiner Schrift Tod fürs Vaterland von 1761 entnommene Begriffsbestimmung ein noch dazu situatives Plädoyer für die im Siebenjährigen Krieg existentiell bedrängte preußische Monarchie und eine Stellungnahme gegen Montesquieu, der echten Patriotismus ausschließlich in Republiken verortete. Es ist kein Zufall, dass ein weiteres Plädoyer zugunsten der republikanischen Vaterlandsliebe, das viel gelesene Von dem Nationalstolze des freilich noch in gegenaufklärerischem Kontext zu schildernden Arztes Johann Georg von Zimmermann, in der Schweizer Eidgenossenschaft entstand. Die Debatte hat insofern Verweisfunktion, als sie mitten in die Frage nach dem Objekt der Vaterlandsliebe hineinführt. Abbts Patriotismus galt der preußischen Monarchie und dem preußischen Monarchen, war partikulärer Staatspatriotismus. Vergleichbare einzelstaatliche „corporate identity“ ist etwa auch für die josephinische „Hofratsnation“ belegt. Um Missverständnissen vorzubeugen sei jedoch nochmals die Trägerschicht dieses Staatspatriotismus herausgestellt: Nicht der breiten Masse, nicht dem Gesamtvolk wird dieser Patriotismus abverlangt, sondern jenen, die „in den verschiedenen Zweigen der Staatsverwaltung“, die im preußischen Offizierskorps für das allgemeine Wohl arbeiten (309, S. 284). Er habe daran gearbeitet und „während des ersten [Schlesischen] Krieges mir alle Mühe gegeben, ihnen den Namen Preußen ein-
III.
Patriotismus als Bürgertugend
Staatspatriotismus
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III.
Forschungsprobleme
Reichspatriotismus
Reichsverfassungspatriotismus
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zuhämmern, um alle Offiziere zu lehren, aus welcher Provinz sie auch kommen mögen, dass sie alle Preußen sind […]“, so Friedrich II. in seinem Politischen Testament von 1752 (306, S. 311). Dass die Armee gerade in einem Krieg wie dem Siebenjährigen eine darüber weit hinausgehende nationale Integrationskraft „forging the nation“ erhalten konnte, wird noch zu vertiefen sein. Der nachmalige sächsische Minister Thomas von Fritsch jedenfalls wünschte sich 1762 eine „‘patriotische, furchtbare, von ihren Landesleuten geehrte und geliebte Armée’, deren Tapferkeit durch die Liebe zum Vaterland, die Liebe zum Vaterland wiederum durch Ansässigkeit und Eigentum gesteigert werden soll“ (299, S. 51). Patriotische Gefühle galten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation freilich nicht ausschließlich dem Partikularstaat. Ebenfalls unter dem Eindruck des Siebenjährigen Krieges, einer reichspolitischen Katastrophe, entstand 1765 Friedrich Carl von Mosers Von dem deutschen NationalGeist. Moser war die alte Reichverfassung die einzige Freiheit, libertät verbürgende Institution (295, S. 28). Im Fürsten, Grafen, Reichsritter und freie Städte vereinigenden Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation mit dem gewählten Kaiser an der Spitze, in den Reichsinstitutionen und der Struktur der Vielfalt sah er die besten Voraussetzungen für Freiheit. „Probier es ein solcher Fürst, Graf oder Prälat“, hatte schon Mosers auf Geheiß des württembergischen Herzog Karl Eugen lange Jahre inhaftierter Vater Johann Jakob argumentiert, „schreibe er Steuern aus soviel er will, halte Soldaten nach Gefallen […] und lasse es zur Klage an einem höchsten Reichsgericht kommen, man wird ihm bald nachdrücklich zeigen, dass und wie eingeschränkt eine Landeshoheit sei“ (295, S. 30 f.). Dies war, wertete Karl Otmar Freiherr von Aretin, eine deutliche Absage an einzelstaatlichen Patriotismus. Friedrich Meinecke hingegen zieh Moser aus teleologischer Sicht der Rückwärtsgewandtheit und des Konservatismus: „Es war der Reichspatriotismus der kleineren und schwächeren Stände, den er pries, und der doch zum guten Teil nur der Ausdruck ihres Schwächegefühls und im übrigen gemischt war aus ständischem Selbstgefühl, konservativem Rechtssinne, Respekt vor dem Kaiser und schließlich auch einem ehrlichen, aber oft nur vagen deutschen Gemeinbewusstsein“ (295, S. 31). „Reichspatriotismus“, so Michael Stolleis (341, S. 7), sei „eine den Deutschen eigentümliche Sprachbildung. Die Deutschen müssen hervorheben, wenn sich ihr Patriotismus auf das Reich bezieht, weil sie sich ‘von Haus aus’ mit ihrem engeren Umkreis zu identifizieren pflegen, mit Dorf und Stadt, Landschaft, Stammes- und Sprach- beziehungsweise Dialektgemeinschaft.“ Ein solch abstrakter, da institutionenbezogener Patriotismus war tatsächlich eher in den kleineren Reichsständen verbreitet, die sich von den Reichsinstitutionen, die sich vom Kaiser Rückhalt gegenüber den Partikularinteressen der Mächtigen erhofften. Je mehr jedoch Joseph II. habsburgische Interessen vertrat und mit seiner Kirchenpolitik, mit seinen Ländertauschprojekten gegen die Reichsverfassung verstieß (343, S. 106), desto stärker fixierte sich der Reichspatriotismus auf Institutionen. Aretin konstatierte in den 1780er Jahren gar eine Verschiebung vom Reichs- zum Reichsverfassungspatriotismus (295, S. 31). Der Reichspatriotismus hatte demnach Konjunkturen. Neben Höhepunkten Anfang des 16. Jahrhunderts, zur Zeit des Prager Friedens 1635 (344), während des Pfälzischen Erbfolge-
5. Aufklärung und Kosmopolitismus kriegs sowie der türkischen Kriege machte Michael Stolleis (341, S. 8 f.) eine letzte Hausse ausgerechnet in der absehbaren Endphase des Heiligen Römischen Reiches aus. Nie zuvor, so Aretin (295, S. 28), hatte sich die Staatsrechtswissenschaft so intensiv der Reichsverfassungsthematik angenommen wie in der Zeit 1765 bis 1795. Noch vor der letzten Rückbesinnungs-, Aretin spricht gar von einer Begeisterungsphase für die alte Verfassung nach dem Umschlag der französischen Revolution in den Terreur, begleitete eine Reichsreformbewegung den Zusammenschluss des „Dritten Deutschland“ im so genannten Fürstenbund 1785. Veranlasst durch erneute habsburgische Tauschaspirationen auf Bayern sollte dieser Bund der „Sicherung ständischer Freiheit und als eine Fortentwicklung des Rechtssystems“ (295, S. 34 f.) dienen. Wegen der Beteiligung Friedrichs II. wurde er vom Kaiser jedoch kaum anders denn als preußische Partei gesehen. Die Reichspublizistik zeichnete nach dem Scheitern des Fürstenbundes 1789/90 und der Ernüchterung über den Gang der Revolution in Frankreich verschiedene Wege der Reichsreform. Als einen am weitesten Reichsverfassung und Volkssouveränität verbindenden Entwurf führte Karl Otmar von Aretin Hegels Schrift Die Verfassung Deutschlands aus dem Jahre 1801 an, die einen Teilumbau des Reichstags, nämlich der Städtebank zu einem Parlament nach Vorbild des britischen Unterhauses vorsah. „In seinem Kern“, so Aretin, war der Reichspatriotismus am Ende des 18. Jahrhunderts ein Versuch, am absolutistischen Machtstaat vorbei zum Ideal einer ständisch beschränkten Monarchie zu gelangen“ (295, S. 35). Es sollte dies die Alternative des auf Recht und weniger auf Macht gegründeten Staates sein, die Alternative zu jenen Machtstaaten, die man in Preußen, Österreich und zuletzt auch im expansiven Frankreich kennen gelernt hatte. Nun wurde als Entstehungskontext sowohl der partikularstaatlich-patriotischen Schrift Abbts als auch des Moserschen Reichspatriotismus der Siebenjährige Krieg genannt und auf die seit den 1970er Jahren, etwa in Eugene Webers Peasants into Frenchmen (345) erforschte Funktion des Kriegs als Nationsschmiede verwiesen. Johannes Kunisch, Eckhart Hellmuth, Heinrich Bosse, sie alle konstatierten den „demokratisierenden“ Effekt einer Militarisierung, die die bisherige charakteristische Distanz zwischen Obrigkeit und Untertanen zu überbrücken begann. Carnots levée en masse des Jahres 1793, so Bosse, hatte schließlich ihre Vorgeschichte (299, S. 50) und die Aufklärung war daran nicht unbeteiligt. „Die vielen Schriften, welche öffentlich die Militärverhältnisse zu verbessern vorhaben oder vorgeben, bereiten die Transformation des Krieges vor, die ihn zu einer wahrhaft öffentlichen Angelegenheit, zur Sache aller macht“ (299, S. 51). Deshalb dürfe man die Reden über die Ausweitung militärischer Ressourcen, über Miliz und civis armatus, über die Vergesellschaftung des Kriegsdienstes auch nicht als „Bildstörung“ (299, S. 55) abtun, sie gehörten vielmehr in das Programm, das am Ende den Staatsbürger des Nationalstaats hervorbringe. Es war zum einen der aufgeklärte Diskurs über die Militärverhältnisse, der die in der Schweiz nicht gekannte Trennung von miles und civis, der aber auch die Trennung von civis armatus und princeps armatus zu überbrücken begann. „Forging the nation“ war nach Linda Colley (303) ein Effekt des Krieges. Dieses „Forging the Nation“ wurde aber sehr wesentlich transportiert
III.
Formierungstendenz des Siebenjährigen Krieges
Entstehen von Nationalliteratur
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III.
Forschungsprobleme
Sujet für ein Nationalepos
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durch die entstehende Nationalliteratur, besonders das in diesem Zusammenhang erst seit kurzem untersuchte Genre der Kriegslieder. Die Popularität wie den kommerziellen Erfolg solcher bellizistischer Lyrik der Aufklärungszeit hat Eckhart Hellmuth (317, S. 42) zu Recht hervorgehoben. So verdiente der Verleger Friedrich Nicolai mit dem Verkauf eines so genannten Brelockenkalenders, eines an der Uhrkette zu befestigenden Libellums, regelrecht ein Vermögen. „Die Büchlein enthielten neben kleinen Kupfern einige Verse auf den König, auf die Generale Ziethen, Seydlitz, Winterfeldt etc. Jeder patriotische Preuße musste einen solchen Brelockenkalender tragen.“ Patriotismus, resümierte Hellmuth, wurde offenkundig zur weithin konsumierten Ware: Ewald von Kleists Ode an die preußische Armee (1757) (319), Johann Wilhelm Ludwig Gleims Preußische Kriegslieder in den Feldzügen 1756 und 1757 von einem Grenadier (312), Friedrich Gottlieb Klopstocks zunächst Friedrich II., dann aus Verärgerung Heinrich dem Vogler dediziertes Kriegslied (320). Heinrich Bosse maß dieser Kriegs-, maß der verbreiteten Gelegenheitsdichtung über den Krieg identitätsstiftende Funktion im Sinne einer „corporate identity“ zu, wobei aufgrund der unbefriedigenden Forschungslage noch umstritten ist, in welchem Maße hier bereits Xenophobien transportiert wurden. „So ist im Krieg das soldatische Wir dehnbar geworden bis an die Grenzen der Menschheit“, so Bosse angesichts entsprechender Äußerungen Gleims über die Untertanen Katharinas der Großen, „wenn auch nur in der Hitze des Affekts oder im ‘Enthusiasmus wider seinen Feind’. Bei kühlerer Überlegung schrumpft das Wir auf den Umfang der preußischen Nation, da Gleim, auch als Weltbürger, überzeugt ist, ‘dass nicht so wohl der König als vielmehr die preußische Nation, den allergerechtesten Vertheidigungs Krieg, führet’“ (300, S. 55). Dass der Siebenjährige Krieg weit über jene „Gelegenheitslyrik“ in die sich gerade vom „Reim- und Regelapparat des Barock“ (311, S. 129) emanzipierende deutsche Literatur hineinwirkte, zeigt ein Werk wie Lessings Minna von Barnhelm. Auch auf der Suche nach einem passenden Sujet für ein Nationalepos oder -drama rangierten die Kriegsherren der „Nationalgeschiche“ weit oben: auch dies keineswegs eine „Bildstörung“ in einem ansonsten kosmopolitisch-heroenskeptischen Zeitalter. Wenigstens 37 Bearbeitungen galten der Arminiusfigur, jenem von den Humanisten im 16. Jahrhundert wiederentdeckten Sieger der Schlacht im Teutoburger Wald. Klopstock bereinigte in seiner Hermanns Schlacht die deutsche Kulturtradition von Fremdeinflüssen, indem er „die Sümpfe von Detmold in heilige Bardenhaine verwandelte“ (348, S. 93), Justus Möser deutete den Stoff ‘reichspublizistisch’ als „querelle allemande zwischen Zentral- und Partikulargewalten“ (348, S. 92). Ein kritischer Betrachter wie der junge Johann Wolfgang Goethe konnte seine Skepsis gegenüber einem nebulösen Gegenstand der Heldenverehrung nicht überwinden. Die Ahnenreihe der von seinen Zeitgenossen alternativ vorgeschlagenen Nationalheroen war lang, noch aber nicht tatsächlich überzeugend: Konstantin, Theoderich, Friedrich Barbarossa, Luther, Gustav Adolf oder Friedrich der Große. Dass Friedrich II. sich nicht als nationale Integrationsfigur eignete, hat dezidiert der Historiker Theodor Schieder (332) herausgearbeitet. Seine so verstandene „reichspolitische“ Intervention im Bayerischen Erbfolgekrieg, sein Enga-
5. Aufklärung und Kosmopolitismus gement im Fürstenbund war etatistisch, war ausschließlich preußische Politik. Friedrich Schiller, der den Preußenkönig kurz nach dessen Tod als Advokat für die „deutsche Sache“ dramatisch verewigen wollte (348, S. 80), rieb sich an der inneren Distanz zu einem „Gallikomanen“, der die gerade erst entstehende „littérature allemande“ (310) 1780 in einem Rundumschlag abgeurteilt hatte. Ausgerechnet diese „littérature allemande“ hatte um die Jahrhundertmitte Konturen erhalten, als die bildungsbürgerliche Elite die deutsche Nation jenseits der politischen Heterogenität als sprachlich-kulturelle Entität zu begreifen begann. In Abgrenzung nicht nur vom „barocken Regelapparat“, sondern eben auch vom „falschfranzösischen Geschmack“ (318, S. 435) war beginnend mit Gottsched und Klopstock, manifest dann in der Dichtung des Sturm und Drang wie der Weimarer Klassik eine nationale Kultur entstanden, die als weiterer Bezugspunkt patriotischen Empfindens gelten konnte. Der Münchener Literaturwissenschaftler Conrad Wiedemann hat die Rezeption der Nationalgeistidee, des in Frankreich entstandenen „esprit de nation“-Gedankens, als dafür konstitutiv bezeichnet. „Als wichtig wird sich […] erweisen, dass die deutschen Schriftsteller sich offensichtlich besonders von der Nationalgeist-Idee in Bann schlagen ließen, ja dass ohne die Herausforderung durch sie der steile Aufstieg der deutschen Literatur zwischen 1750 und 1800 schwerlich gelungen wäre“ (348, S. 76). Die Idee eines individuellen, ursprünglich jedoch explizit auf Staatsform und Verfassung bezogenen „esprit de nation“, wie sie Montesquieu in seinem De l’esprit des lois (1748) formuliert und Voltaire im Essai sur les moeurs et de l’esprit des nations (1769) aufgenommen hatte, wurde in deutscher Sprache von Johann Gottfried Herder popularisiert. Glück und Gemeinwohl einer Nation, so verkürzt Montesquieus Diktum, hänge nicht davon ab, die im aristotelischen Sinne eindeutige Verfassung – die reine Monarchie, Aristokratie oder Demokratie –, sondern die individuell richtige Verfassung zu haben; diejenige, die den natürlichen wie den historisch gewachsenen Bedingungen am besten entsprach (348, S. 86). Waren staatliche Verfasstheiten aber tatsächlich als Individuen mit je eigenem „esprit“ anzusehen, dann war die bisherige Orientierung vor allem der „Elitekultur“ am höfischen Frankreich falsch. „Tatsächlich wurde der Ruf nach Autonomisierung“, so Wiedemanns Resümee, „nach Indentitätsformeln und -bildern in der Folge zum entscheidenden Agens einer noch kurz vorher nicht für möglich gehaltenen kulturellen und namentlich literarischen Konjunktur“ (348, S. 87). Dass fortan jedoch, wie Wiedemann folgerte, alle Hoffnung auf nationale Identitätsfindung der Kultur, alle Schuldzuweisung dem Reich, seiner Verfassung und den Fürsten galt (348, S. 88), wird ein Historiker wie Aretin, ein Jurist wie Stolleis wohl kaum bejahen. Dass wichtige Impulse zur Erforschung der zunächst paradox anmutenden Gleichzeitigkeit von Nationalgeist und Kosmopolitismus in der Epoche der Aufklärung von Seiten der Literaturwissenschaft ausgingen und ausgehen, ist unbestreitbar. Die Frage nach dem Zäsurcharakter des Jahres 1789, ließe sich mit Dieter Langewiesche resümieren, ist wohl trotz der Debatte um den „Nationalismus vor dem Nationalismus“ zu bejahen. Beiträge wie die Eckhart Hellmuths und Conrad Wiedemanns über den „Nationalgeist“ und die
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Nationalgeistidee
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III.
Forschungsprobleme
„Aufgeklärter Nationalismus“ im 19. Jahrhundert?
„Schmiedefunktion“ des Siebenjährigen Krieges für eine Ständeschranken überwindende „preußische Nation“, Beiträge vor allem wie der Heinrich Bosses über die Funktion der Literatur in diesem Prozess stehen dazu nicht zwingend in Widerspruch. Schon Friedrich Meinecke (327) hatte den partikular-staatnationalen wie den kulturnationalen Patriotismus als Nucleus eines modernen Nationalismus ausgemacht. Aus einer eher auf den Entwicklungsprozess gerichteten Perspektive kam kürzlich Matthew Levinger (325) zu dem Ergebnis nicht der Anfänge des Nationalismus im Patriotismus, exakter „bürokratischen Patriotismus“ des 18. Jahrhunderts, sondern der Fortexistenz dieses ‘Patriotismus’ in einem „aufgeklärten Nationalismus“ (enlightened nationalism) der Reformzeit. In diesem aufgeklärten Nationalismus vereine sich Levinger zufolge das aufgeklärt-absolutistische Prinzip monarchischer Souveränität mit dem revolutionären Prinzip der Volkssouveränität und Volksnation. In seiner auf den preußischen Fall bezogenen Studie arbeitete Levinger die administrativ auf Friedrich II., theoretisch auf Kant, Adam Smith und die französischen Physiokraten zurückgehenden Kontinuitätslinien heraus, die Stein und Hardenberg mit ständischen Mitspracherechten zu amalgamieren hofften, um eine politisch aktive Nation hervorzubringen. „This aspect of their program was a specific response to the cataclysmic events of the revolutionary and Napoleonic eras“ (325, S. 5). Anders als Levinger, der allgemein das aufgeklärte Erbe im modernen Nationalismus herausstellte, machte Aretin das Fortwirken nicht nur des „bürokratischen“, sondern speziell des reichsständisch „bürokratischen Patriotismus“ plausibel (295, S. 31). Levinger jedoch betonte einmal mehr den umstürzenden, den Zäsurcharakter der Revolution und Revolutionskriege.
6. Aufklärung und Geschichte Verdikt des „unhistorischen“ 18. Jahrhunderts
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Eine zählebige, wenn auch inzwischen relativierte Auffassung ist die vom 18. Jahrhundert als einem Zeitalter des „einseitigen und unhistorischen Rationalismus“ (356, S. 9, 357, S. 387). „Die landläufige Ansicht“, so bereits 1932 Ernst Cassirer in seiner Philosophie der Aufklärung, „dass das achtzehnte Jahrhundert ein spezifisch ‘unhistorisches’ gewesen sei, ist selbst keine geschichtlich begründete und begründbare Auffassung: sie ist vielmehr ein Kampfwort und ein Schlagwort, das die Romantik geprägt hat […]“ (13, S. 263). In modifizierter Form fand dieses Verdikt des „historischen“ 19. Jahrhunderts im 20. Jahrhundert Eingang in die Geschichtswissenschaft, als ausgehend von Wilhelm Dilthey Historiker wie Georg von Below (352, S. 6 f.), Friedrich Meinecke und Heinrich Ritter von Srbik (378, S. 108 f.) den Historismus vor der Negativfolie der „unhistorischen Weltanschauung“ (Srbik) des Aufklärungszeitalters zeichneten. Die Verwissenschaftlichung der Geschichte war demnach eine Leistung des frühen 19. Jahrhunderts, die Geschichtsschreibung der vorangehenden Aufklärungsepoche hingegen oberflächlich und trotz ihres „Vulgärrationalismus“ vorwissenschaftlich. „Viele hafteten an der Oberfläche mit seichtem Vernünfteln“, so stellvertretend die Kritik Heinrich von Srbiks, „ohne
6. Aufklärung und Geschichte sich in die Vergangenheit wirklich einfühlen und einleben zu können; sie blieben an dem abstrakten Menschenbild der vorhistorischen Zeit kleben und urteilten von dem konstruierten Ideal eines antireligiösen, vernunftvergottenden, auf seinen Fortschritt und die Höhe seiner Erkenntnis stolzen Zeitalters aus über das Gewesene, im besonderen über die ‘Unwissenheit’ und ‘Rohheit’ des Mittelalters und den ‘Aberglauben’ und ‘Fanatismus’ der positiven Religion […]“ (378, S. 108). Die Historiografie des 18. Jahrhunderts galt der literarischen Kunst zugeordnet, zumal in Frankreich, wo Voltaires Histoire de Charles XII. oder Siècle de Louis XIV., vor allem aber sein Essai sur les moeurs umstritten, aber weit rezipiertes Vorbild war. Als Kunst, so bereits die zeitgenössische Kritik an Voltaire, nahm es die Aufklärungshistorie mit der akribischen Detailtreue nicht so genau. Schlözers Verdikt reihte Voltaire unter die Fabeln und Romane (354, S. 44). Einem peniblen schwedischen Rezensenten seines Charles XII. musste der französische Aufklärer entgegenhalten, dass es nicht seine Aufgabe sei, den Stockholmer Krönungssaal in jedem Faltenwurf nachzuzeichnen, sondern seine Leser nicht zu langweilen. Die Generation der großen pragmatischen Aufklärungshistoriker zog „die Konstruktion großartiger Synthesen einer stichhaltigen Belegsammlung vor“ (363, S. 43). Historiker des Historismus sahen freilich nur eine als arrogant bewertete Abkehr von der politischen Geschichte. Voltaire, schrieb Georg von Below, „verachtet die Diplomatengeheimnisse und Schlachtenentwicklungen. Er will im Gegensatz zur politischen, speziell zur dynastischen, militärischen, diplomatischen Geschichte Kulturgeschichte bieten“ (352), weshalb er vor allem Sitten und Gebräuche, Gesetze, Verkehr und Finanzen sowie demografische Entwicklungen beschrieb. Zudem, und deshalb pries ihn Friedrich Nicolai als „Reformator“, habe Voltaire den Blick von der Lebensgeschichte der Regenten abgewandt und dem Volk, den Untertanen zugewandt. „Die allgemeine Historie der Welt war bis auf ihn die Lebensgeschichte der Regenten“, so Nicolai, „er machte sie zuerst zur Geschichte der Menschen“ (367, S. 19 f.). Als literarischem Kunstwerk fehle der Aufklärungshistorie schließlich die theoretische Fundierung, wie sie die Fachwissenschaft mit der Geschichtsphilosophie Herders (Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit), Kants und insbesondere Hegels erhalten habe. Geschichtsmetaphysik, so die spöttische Replik Ernst Cassirers, sei eben erst mit dem eigentlichen Begründer historischen Denkens, mit Herder, „frei von den Göttern“ herabgestiegen (13, S. 308). Entsprechend fehlen in der historistischen „Genealogie der historischen Wissenschaft“ die Vertreter der Aufklärungshistorie, die „Göttinger Schule“ um August Ludwig Schlözer, Johann Christoph Gatterer oder Ludwig Timotheus Spittler. Den Beitrag des „18. Jahrhunderts zur Ausbildung der historischen Methode und zur Erweiterung des Wissens um die tatsächlichen Vorgänge in der Vergangenheit“ (365, S. 7) hingegen nahmen lange Zeit allenfalls Außenseiter des Fachs wie Karl Lamprecht, Kurt Breysig oder Eduard Fueter zur Kenntnis. Dem Verdikt des ‘Unhistorischen’ wie der diametralen Gegensetzung zum Historismus ist seit Ernst Cassirers Verteidigung der Aufklärungshistorie auch innerhalb der Geschichtswissenschaft mit gutem Grund widersprochen worden. Sah doch die Epoche selbst bereits Geschichtsschreibung als „historische Aufklärung“. Denn eine Aufklärung ohne Gründe, so
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Verdikt fehlender theoretischer Fundierung
Wiederentdeckung der Aufklärungshistorie
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III.
Forschungsprobleme
Modernität der Aufklärungshistorie
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hatte Friedrich Nicolai festgestellt, eine historische Aufklärung ohne Dokumente, sei gar keine Aufklärung (367, S. 25). „Erst in den 60er Jahren unseres Jahrhunderts“, schrieb 1981 Jörn Rüsen, „ist dieses Klischee, in dem Aufklärung gleichbedeutend war mit der Unfähigkeit zur historischen Bildung, einer tief greifenden Kritik unterzogen und der Versuch gemacht worden, der Aufklärung eine völlig neue und diesmal positive Rolle in der historischen Bildung zuzusprechen“ (374, S. 190). Hatte Cassirer die Verkennung der geschichtswissenschaftlichen Pionierleistung des 18. Jahrhunderts bemängelt, so entdeckten die sozialhistorischen Kritiker des Historismus nunmehr die im Unterschied zur staats- und diplomatiegeschichtlichen Fixierung der Nachfolger augenfällige thematische Breite der Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts. Eine Breite und Vielfalt, die allerdings auch Srbik nicht bestritten hatte (378, S. 109). Montesquieus De l’esprit des lois war nicht im eigentlichen Sinne Geschichtsschreibung, doch erklärte er länderspezifische Differenzen von Staatsform und Gesetzgebung historisch mit geografischen, klimatischen und mentalitätsgeschichtlichen Faktoren. Voltaire begründete seine dezidiert geistes- und nicht politikgeschichtliche Schwerpunktsetzung 1742 in einem Brief an Friedrich II., mit der Geschichte des Hauses Brandenburg selbst Verfasser historischer Werke von allerdings deutlich größerer kriegs- und dynastiegeschichtlicher Gewichtung (368, S. 264 ff.). Schlözer und manche seiner Kollegen schließlich machten sich quantifizierbare Quellen zunutze. Statistik war Schlözer zufolge „stillstehende Geschichte“, Geschichte hingegen „fortlaufende Statistik“ (350, S. 11). „Hat Nicholai“, schrieb Horst Möller über den Berliner Aufklärer, „auch keine Pionierarbeit in der Bevölkerungsstatistik geleistet, so hat er doch in konsequenter Anwendung der zu seiner Zeit bekannten Methoden und unter Auswertung des irgend erreichbaren Materials bevölkerungswissenschaftliche Erkenntnisse für die Geschichtsschreibung genutzt und ihr damit eine für wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschungen unentbehrliche Grundlage erschlossen“ (367, S. 15 f.). So konnten die Sozialhistoriker der 1960er Jahre in diesen interdisziplinären Ansätzen viel „Eigenes“ erkennen (350, S. 7, 364, S. 25). Muteten Werke wie Schlözers Aufsatz über die Erste Bekanntwerdung des Tobaks in Europa, besonders in Deutschland, Nicolais Geschichte der falschen Haare und Perrucken (354, S. 54, 367, S. 24) nicht geradezu als Vorläufer der französischen Sozial- und Alltagsgeschichtsschreibung, der Kulturgeschichte Richard van Dülmens oder Wolfgang Schivelbuschs an? Entsprachen Nicolais Quantifizierungsversuche nicht den Methoden der historischen Sozialforschung? Ließ sich in den Typologisierungen Montesquieus, Christoph Meiners oder Arnold Hermann Ludwig Heerens nicht bereits in nuce Max Webers „Idealtypus“ erkennen (354, S. 100 f.)? Die Aufklärungshistorie, folgerte nicht erst Horst Walter Blanke, erschien mit einem Mal erstaunlich modern, teilweise moderner als ihr bislang so gesehener Überwinder. Partiell wirkte die Aufwertung durch die historische Sozialwissenschaft freilich ähnlich einseitig wie die frühere Verdammung durch den Historismus. Ihre Wertschätzung, so schien es mitunter, verdankte die Aufklärungshistorie ein Stück weit dem Negativurteil seitens der nun bekämpften Rankenachfolger. War erst einmal das negative Klischee überwunden, stand in der Folge-
6. Aufklärung und Geschichte zeit das Vorurteil der Vorwissenschaftlichkeit und Theorieferne zur Disposition. In seinem Beitrag über den Historiker Friedrich Nicolai belegte Horst Möller (367) neben quellenkritischer Akkuratesse einen methodologischen Reflexionsgrad, der bislang allein den Vertretern der „idealistischen Geschichtsphilosophie“ und des Historismus zugestanden wurde. Mit seiner Forderung nach Wahrheitsliebe und unparteilicher Darstellung der Geschichte, wie sie aus den Quellen zu erkennen sei, kam Nicolai Möller zufolge dem Rankeschen Ideal „zu zeigen, wie es eigentlich gewesen ist“ sehr nahe. Revisionsbedürftig war bei näherer Betrachtung das Bild von der geschichtsfernen Aufklärungsepoche insgesamt. Tatsächlich belegten inhaltliche Analysen der Zeitschriftenlektüre dieses „lesewütigen“ Jahrhunderts (Otto Dann) zumindest für die letzten Jahrzehnte einen durchaus regen Konsum gerade historisch-politischer Artikel. Allein für das Jahrzehnt unmittelbar vor Revolutionsausbruch wies Andreas Kraus (365) die Existenz von 131 historischen Zeitschriften nach. Sein primärer Untersuchungsgegenstand waren die Beiträge der wissenschaftlichen Akademien, die auf einer anderen Ebene ein ähnliches Bild vermittelten. „Die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts“, folgerte Kraus, „waren in einem bis dahin nicht festzustellenden Ausmaß dem Studium der Geschichte zugewandt“, weshalb ihm die Frage nahe liegend war, ob dieses gewachsene Interesse nicht eine der Voraussetzungen für die Blüte der Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert gewesen war. Geschichte in der Aufklärungsepoche war, wie auch Otto Dann urteilte, „ausgesprochenermaßen ein publizistisches Erfolgsthema“ (357, S. 413). Der „Mythos vom Antihistorismus der Aufklärung“ (Peter Hanns Reill) schien damit nach langer Forschungskontroverse beendet, nicht jedoch der Streit um die Verortung innerhalb der Wissenschaftsgeschichte: War die Aufklärungshistorie Vorphase oder gar als Frühhistorismus Teil der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts? Sollte die Trennung vom Historismus als künstlich verworfen werden, wie dies vorsichtiger Hans Erich Bödeker und Georg G. Iggers, am vehementesten der amerikanische Historiker Peter Hanns Reill forderten? Oder sollte die Aufklärung als eigene doppelgesichtige Epoche der Geschichtsschreibung zwischen Humanismus und Historismus betrachtet werden, wofür Ulrich Muhlack plädierte? Sah er die Aufklärungshistorie doch als Vollenderin einer bis in die Anfänge des Humanismus zurückreichenden, nun aber in der Krise befindlichen Tradition, zugleich aber als Frühphase eines neuen Geschichtsdenkens (369, S. 49). Und schließlich: Waren die Anfänge der Aufklärungshistorie nicht ebenso in das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts zurückzuverlegen, wie die Forschung dies allgemein für die Aufklärung konzedierte? Erich Hassinger zumindest verschob den Beginn der wissenschaftlich-historistischen Geschichtsschreibung bis in die Frühaufklärung und rechnete zumindest den heute weitgehend vergessenen Charles de Saint-Evremond zu ihren Vertretern (362, S. 6). Doch was bedeutet eigentlich der bislang so selbstverständlich verwendete Begriff „Aufklärungshistorie“? Als Fachterminus für eine Epoche der Wissenschaftsgeschichte unserer Disziplin ist er, wie die Aufnahme jüngst in Reclams Lexikon der Geschichtswissenschaft als einer von hundert Grundbegriffen illustriert, gerade erst in der Phase der Kanonisierung (7, S. 34–37). Verwendet wird er meist synonym für die Geschichtsschrei-
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Aufklärungshistorie oder „Frühhistorismus“?
Definition von Aufklärungshistorie
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III.
Forschungsprobleme
Historiker der Aufklärungsepoche
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bung und -auffassung des 18. Jahrhunderts. Blanke definiert ihn übereinstimmend mit seinen sozialhistorischen Kollegen ausschließlich im Zusammenhang des bürgerlichen Emanzipationsprozesses als „dasjenige historische Denken, in dem dieses Emanzipationsstreben zum Ausdruck kommt“ (354, S. 41). Für ihn war Aufklärungshistorie sowohl Ausdruck als auch Teil dieses Prozesses. In wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht bestimmte er sie zum „Bindeglied zwischen humanistisch-rhetorischem Geschichtsdenken einerseits und dem Historismus andererseits“ (354, S. 42), wobei eine Geschichte der Aufklärungshistorie noch aussteht. Sie ist in der einschlägigen Wissenschaftsgeschichte des Fachs zumeist einleitend als Vorstufe behandelt. Teilweise bereits benannt wurden ihre wichtigsten Repräsentanten. Neben Voltaire und Montesquieu zählten in Frankreich Condorcet und Raynal zu den Historikern der Aufklärung, in England David Hume (History of England, seit 1754), Henry Bolingbroke, William Robertson (History of Scotland 1759) und der Verfasser der in deutscher Sprache eben erst neu aufgelegten (358) History of the Decline and Fall of the Roman Empire (seit 1776), Edward Gibbon. Eher einem Fachpublikum geläufig sind die Namen der deutschsprachigen Vertreter, wenngleich sie Hans-Ulrich Wehler in seinem zehnbändigen biografischen Handbuch „Deutsche Historiker“ in breitem Umfang präsentierte: neben der noch näher zu schildernden „Phalanx der Göttinger“ Professoren (354, S. 45) Justus Möser, Johannes von Müller, Friedrich Nicolai, der in Straßburg lehrende Johann Daniel Schöpflin, Karl Heinrich Ludwig Pölitz oder Gottfried Arnold. Horst Walter Blanke führt einen Kreis von etwa 30 Personen an, dem er freilich auch die nur bedingt zugehörigen Johann Gottfried Herder, Friedrich Schiller und Immanuel Kant zurechnet (354, S. 45). Mit der Einbeziehung Arnolds einerseits, Carl von Rottecks andererseits stellt sich zugleich die Frage nach der Datierung der Aufklärungshistorie, die so mit der Bezeichnung „Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts“ nicht mehr identisch war. Hassinger hatte hier die Linien ins 17. (362), Ursula Becher (350) hingegen ins 19. Jahrhundert ausgezogen. War die Aufklärungshistorie Vorstufe oder gar Teil des Historismus, war sie janusgesichtige Phase zwischen humanistischer Historie und der positivistischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts? Die innerdisziplinäre Forschung hat seit den 1960er Jahren mit dem Schwerpunkt auf der nachfolgenden Epoche die Berührungen und Gegensätze zur humanistischen wie zur historistischen Geschichtsschreibung herausgearbeitet. Als konstitutiv wurde der bereits im Humanismus begonnene Ablösungsprozess der Historie aus religiös-teleologischem Bezug bezeichnet, wie ihn nicht zuletzt die Einteilung der Universalhistorie in die drei Zeitabschnitte Altertum, Mittelalter und Neuzeit durch Christoph Cellarius anstelle der auf die Danielprophetie zurückgehenden Lehre von den vier Weltreichen illustriert. Geschichte war fortan die zunehmend differenzierter betrachtete Profangeschichte. Sie war deswegen nicht frei von Teleologie. Hier machte sich wiederum die theologische Prägung der deutschen Aufklärung und selbst der Aufklärungshistorie bemerkbar. Das christliche Telos wurde aber auf seine Vereinbarkeit mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen geprüft und zunehmend infrage gestellt. Einer rationalistischen Historiografie war
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6. Aufklärung und Geschichte Teleologie nicht länger heilsgeschichtlich, sondern in Faktoren der historischen Realität begründet. Voltaire benannte den „Sieg der Vernunft“ als Ziel historischer Prozesse. Das profane Telos wies freilich über die Aufklärungsepoche in die Geschichtsphilosophie des 19. Jahrhunderts hinaus (Hegel, Marx). Mit der Ablösung der Historie aus christlicher Teleologie bahnte sich auch deren Emanzipation aus hilfswissenschaftlicher Funktion für Theologie, Jurisprudenz oder Kameralistik an. Nunmehr stieß man sich daran, die Kirchengeschichte als Propädeutikum für Theologen, „die Reichshistorie blos für ein Hülfsmittel zur Kenntnis des teutschen Staatsrechts“ (372, S. 10) anzusehen. Zwar waren die nun vermehrten historischen Lehrstühle (356, S. 11) noch immer Lehrstühle für Kirchenrecht, öffentliches Recht oder Staatsgeschichte und an den jeweiligen theologischen oder juristischen Fakultäten angesiedelt. Zwar wirkten dort noch immer Theologen, Juristen oder Philologen „überfachlich“, da die universitären Disziplinen noch nicht streng gegeneinander abgegrenzt waren (350, S. 8, 372, S. 8 f.). Doch wirkten die Inhaber „historischer“ Lehrstühle gemeinsam in die Richtung einer Institutionalisierung des Fachs. Vorreiter war dabei die Göttinger Universität, wo August Ludwig Schlözer, Johann Christoph Gatterer, Ludwig Spittler, Heeren, Michaelis, Heyne und Pütter trotz der Zugehörigkeit zu verschiedenen Fakultäten quasi eine erste Institution, eine mitunter so bezeichnete „Göttinger Schule“ gründeten. Mit der Allgemeinen historischen Bibliothek (1767–1771) und dem Historischen Journal (1772–1782) Gatterers etablierten sich in Göttingen zugleich zwei wenn auch nicht langlebige Fachzeitschriften. Gatterer unternahm 1764 gar den Versuch der Einrichtung eines geschichtlichen „Grundstudiums“, das er „Historische Enzyklopädie“ nannte (372, S. 19), doch war seiner Innovation keine Dauer beschieden. Geschichte war im 18. Jahrhundert noch weitgehend Hilfswissenschaft. Sie war es als Kirchen-, Reichs- oder Diplomatiegeschichte, sie war es darüber hinaus im philologisch-kritischen Sinne als Genealogie, Chronologie, Heraldik, Numismatik, Sphragistik, Paläographie, Statistik oder Geografie. Doch dieser Status begann sich nunmehr zu wandeln. Mit der Adaptation der hilfswissenschaftlichen Methode philologischer Textkritik und deren Perfektionierung gelang es der Geschichte, sich und anderen Wissenszweigen das wissenschaftliche Instrumentarium bereitzustellen, das so lange als Charakteristikum des Historismus gegolten hatte (365, S. 7). Horst Möller hat die Rolle des als Historiker kaum rezipierten Berliner Aufklärers Friedrich Nicolai herausgearbeitet, der Probleme der Quellenkritik und -interpretation wiederholt erörterte, etwa anlässlich seiner Replik auf das Werk des Gegenaufklärers Johann Georg Zimmermann (vgl. Kap. 7) Über Friedrich den Großen und meine Unterredungen mit ihm kurz vor seinem Tode, dem er wegen mangelnder Kenntnis die Prinzipien der Text- und Quellenkritik verdeutlichte. Als Prinzipien der Nicolaischen „Historik“ benannte Möller „die zeitgenössische Quelle als Grundlage jeder historischen Arbeit, ihre Interpretation im spezifischen historischen Kontext, die Trennung des mit Hilfe der Quellen Beweisbaren vom bloß Wahrscheinlichen, Hypothesenbildung sowie, voneinander geschieden, Chronologie und Kausalität“ (367, S. 26). Es waren dies tatsächlich
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III.
Forschungsprobleme
Bedeutung der Universität Göttingen
Funktion der Geschichte im 18. Jahrhundert
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die Wurzeln einer neuen Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung. Schon Nicolai hatte erkannt, dass „das Geschäft des Historikers mit der Quellenkritik nicht erschöpft“ sei, „sondern die Voraussetzung bilde für die selbständige Rekonstruktion der Zusammenhänge durch die historische Einbildungskraft“ (356, S. 18). Geschichtsschreibung wurde als kreative Schöpfung gesehen, für die die quellenkritische Prüfung der Materialbasis eher propädeutische Funktion hatte. Die eigentliche Leistung des Historikers war die Quelleninterpretation, die Hypothesenbildung, schließlich die Rekonstruktion der Vergangenheit nach Maßgabe des subjektiven Erkenntnisinteresses. Die Historiografie der Aufklärung war dabei, Geschichte doppeldeutig als Bezeichnung für Geschehenes wie für den rekonstruierten Bericht darüber zu verstehen. Bödeker nennt entsprechend die Ausbildung des modernen Geschichtsbegriffs als die eigentliche Leistung der Aufklärungshistoriografie. Die Etablierung dieser im eigentlichen Sinne modernen Geschichte vollzog sich nicht primär im universitären Rahmen. Der skizzierte Prozess der Etablierung an Reformuniversitäten wie Göttingen führte erst ganz allmählich zur Herausdifferenzierung als eigenständige Disziplin. Erst nach der Wende zum 19. Jahrhundert, nach Bildungsreform und Universitätsneugründungen war die Verankerung der wissenschaftlichen Geschichte als Fach abgeschlossen. Zur Reputation wie zum Verwissenschaftlichungsprozess hatten im 18. Jahrhundert freilich auch die Akademien wie die namhaften „freiberuflichen Historiker“ beigetragen. Die Bedeutung der im alten Reich erst im 18. Jahrhundert begründeten neun wissenschaftlichen Akademien für diesen Prozess hat insbesondere Andreas Kraus herausgearbeitet (365). Sie machten sich vor allem um die quellenkritische Herausgabe von bislang unediertem Material verdient. Zur erst schrittweisen Etablierung des Fachs gehörte, dass Historiografie auch von Nichtinstitutionalisierten: Gymnasiallehrern, Archivaren und Bibliothekaren, Geistlichen, Juristen oder Schriftstellern betrieben wurde. Wiederholt ist bereits der Berliner Aufklärer und Verleger Friedrich Nicolai genannt worden. Johann Christoph Gatterer war vor seinem Ruf nach Göttingen Gymnasialprofessor. Justus Möser, Verfasser einer mehrbändigen Osnabrückischen Geschichte, war Jurist, Johann Gottfried Herder Staatsbediensteter. Herder, der den „Begründer“ geschichtsphilosophischen Denkens, Giambattista Vico, wiederentdeckte, stand allerdings in anderen Kontinuitätslinien, und wird wie Möser eigens als zumindest partiell auch aufklärungsgegnerisch vorzustellen sein. Was hieß und zu welchem Ende studierte man im 18. Jahrhundert Geschichte? Für die Historiker der Aufklärungszeit war der Zweck von Geschichte und Geschichtsschreibung profan, entsprechend dem im Humanismus wiederbelebten antiken Topos von der „Lehrmeisterin des Lebens“ (Cicero). Die Historie sollte anhand von Beispielen aus der Vergangenheit über die Folgen menschlichen Handelns belehren. Geradezu „idealtypisch“ manifestierte sich diese didaktisch-utilitaristische Geschichtsauffassung im Renaissancewerk Machiavellis. Am immanenten Gegenwartsbezug hat sich im 18. Jahrhundert wenig geändert. Voltaires kontrastierende Gegenüberstellung des Schwedenkönigs Karl XII. und Zar Peters des Gro-
6. Aufklärung und Geschichte ßen diente der Illustrierung schlechter und guter Herrschaft (368, S. 48), Montesquieus Schilderung der römischen Antike der Kritik des absolutistischen Staates der Gegenwart. Pädagogische Intentionen verfolgte auch Schlözers Weltgeschichte, wenn auch nicht so offenkundig und vordergründig wie im Fall der französischen Aufklärungshistoriker. Zum Ziel der Belehrung bekannten sich auch Möser, Gatterer, Johannes von Müller und Friedrich Nicolai (367, S. 28). Geschichte, Erziehung und Aufklärung wurden so zur Entität, Geschichtsschreibung, dies konstatierte bereits der Aufklärer Friedrich Nicolai, sei historische Aufklärung. Dass die Vergangenheit zu diesem Zweck beurteilt und, wie Srbik und andere zu Recht kritisierten, aus ahistorischer Projektion heraus verurteilt wurde, war Teil der didaktischen Geschichtsauffassung. Die Parteilichkeit der Darstellung insbesondere von Kirchen- und Papstgeschichte des „finsteren“ Mittelalters war evident. Der vergleichende Bezug zur Gegenwart trug indirekt jedoch ein Stück weit zur Relativierung von teleologischem Fortschrittsdenken bei, implizierte er doch den Verweis auf eine, so hoffte man, noch aufgeklärtere Zukunft. Trotz seiner im Einzelnen subjektiven Äußerungen über Orthodoxie und Katholizismus suchte ein Historiker wie Friedrich Nicolai prinzipiell, vergangene Handlungen und Entwicklungen aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Dieser Ansatz eines „Verstehensbegriffs“, den Horst Möller in seiner Analyse des Nicolaischen Geschichtswerks herausgearbeitet hat, war von einer Reflexion des historischen Verstehens, von einer Historik im Sinne Droysens noch weit entfernt (367, S. 28 f.). Begründet war dieses ansatzweise Verstehen in der auf die Antike (Polybios) zurückgehenden pragmatischen Geschichtsschreibung, die über die Darstellung der Chronologie hinaus die „pragmatische Folge“, die kausalen Zusammenhänge, im Fall Nicolais sogar die dahinter stehenden Intentionen zu erfassen suchte. Damit wollte zumindest Nicolai „das aufgrund seines zeitlichen Abstandes und seiner individuellen Unterschiedenheit fremd ist, verstehbar machen“ (367, S. 28). Der ins 19. Jahrhundert weisende Weg zum „historistischen Geschichtsdenken“ war damit beschritten (368, S. 52). Das thematische Spektrum der Aufklärungshistorie war wie gesagt vielfältig. Geschichtsschreibung im 18. Jahrhundert war insoweit universal, als sie nicht allein die Menschheitsgeschichte inklusiv der Geschichte außereuropäischer Völker, sondern insbesondere deren metapolitische Dimension umfasste. Diese „histoire totale“, wie sie eigentlich erst die „Schule der Annales“ postulierte, konnte sich freilich auch auf den Mikrokosmos der noch immer populären Landesgeschichte beziehen. Bekanntestes Beispiel dieser deutschen Besonderheit war Justus Mösers Osnabrückische Geschichte (1768 ff.), die nicht nur Horst Möller zu den „Meilensteinen der deutschen Geschichtsschreibung“ zählte (367, S. 16). Der Göttinger Historiker Ludwig Timotheus Spittler verfasste die Landesgeschichten Württembergs (1783) wie des Fürstentums Hannover (1786), Friedrich Nicolai eine Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam (1769). Landesgeschichte und Regentengeschichte waren dabei keineswegs gleichbedeutend. Nicht mehr der bewunderte Landesfürst, so Möller über Nicolai, sondern die merkantilistische Peuplierungs-, die Wirtschafts-, ja sogar Sozialpolitik stand im Mittelpunkt der Untersuchung (367, S. 15, S. 19), erarbeitet anhand von Materialien wie Eheschließungs-, Geburts-,
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Themenspektrum der Aufklärungshistorie
Landesgeschichte – Universalgeschichte
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III.
Forschungsprobleme
Außereuropäische Geschichte
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Sterbe- und Steuerregistern. Landesgeschichte wandelte sich von einer dynastischen zu einer Geschichte der Untertanen. Dass sich die Aufklärungshistorie als emanzipatorisch verstand, wurde hier in besonderem Maße evident. Sie sah die Lokal- und Territorialgeschichte stets auch in größerem Zusammenhang, wie Friedrich Nicolai in einem Brief herausstellte: „Die Geschichte der Stadt führt in die Landesgeschichte, diese in die Geschichte der benachbarten Länder, diese in die Reichsgeschichte […]“ (zit. nach 367, S. 16). Diese Reichshistorie war bis ins späte 17. Jahrhundert hinein die Geschichte des römisch-deutschen Reichsstaatsrechts und wie skizziert Hilfswissenschaft für die angehenden Juristen. Der nun einsetzende Paradigmenwechsel bezog sich auf die ihr zugrunde liegende Idee der Translatio Imperii und der erwähnten teleologischen Lehre von den vier Weltreichen. Historisch-kritisch wurde nunmehr die Fundierung des Reichsstaatsrechts als römisch oder germanisch hinterfragt. Mit Hermann Conrings De origine juris Germanici war Ulrich Muhlack (368, S. 109– 118) zufolge der Grundstein für eine deutsche Rechts- und damit auch einer Reichsverfassungsgeschichte gelegt. Die endlich von Christian Thomasius etablierte Reichshistorie verstand sich nun nicht mehr als Universalgeschichte der auf die Deutschen übertragenen römischen Weltmonarchie (368, S. 114), sondern als deutsche, in Ansätzen als Nationalgeschichte. Höhepunkt, zugleich aber auch Abschluss dieser dem christlich-teleologischen Reichsuniversalismus entwachsenen Reichsgeschichtsschreibung stellte Johann Stephan Pütters Handbuch der Teutschen Reichshistorie dar. Denn letztlich forderte er die Herauslösung einer deutschen Spezialgeschichte aus dieser noch immer juristisch fundierten Reichsgeschichte. Von der Universalgeschichte kaum trennbar war die nach Voltaires berühmter Philosophie de l’histoire so bezeichnete Geschichtsphilosophie, waren die philosophischen Entwürfe der Menschheitsgeschichte. „Um herauszubringen, was dem Menschen möglich, muss man wissen, was er wirklich ist und was er wirklich geleistet hat“, beschrieb Christoph Martin Wieland 1785 die Aufgabe einer solchen philosophischen Menschheitsgeschichte. „Um seinen Zustand zu verbessern und seinen Gebrechen abzuhelfen, muss man erst wissen, wo es ihm fehlt, und, woran es liegt, dass es nicht besser um ihn steht. Im Grunde ist also ächte Menschenkenntnis historisch“ (354, S. 51). Und diese Menschenkenntnis gewann das 18. Jahrhundert, auch dies eine Folge der Aufgabe der christlich-abendländischen Zentrierung, zunehmend aus der Geschichte außereuropäischer Völker, deren Kenntnis man primär den Berichten von Handlungsreisenden entnahm. Exemplarisch waren Schlözers skandinavische und slawische Geschichte – letztere trug ihm die Nobilitierung durch Zar Alexander I. ein –, Heerens Publikationen zur persischen und indischen Historie, insbesondere Voltaires Chinarezeption (354, S. 52). Dass diese „ethnologische“ Geschichtsschreibung wiederum für den didaktischen Vergleich mit dem politischen Status in Europa genutzt wurde, war geradezu eine Mode der Zeit. Montesquieus Briefroman Lettres persanes (1721) hatte hier Vorbildfunktion. Diese Vorliebe für außereuropäische Kulturen galt der Sozialhistorie bereits als moderner Ansatz einer historischen Anthropologie, wie sie sich innerhalb der Geschichtswissenschaft erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts etablierte.
6. Aufklärung und Geschichte Unter dem Begriff der Verfassungsgeschichte wurde im 18. Jahrhundert der Status der Regierungsform, der Gesetzgebung, der Organisation staatlicher Verwaltung, der kirchlichen Institutionen subsumiert (354, S. 52 f.). Zu diesem Spektrum längst kritisch reflektierter Einrichtungen und Gruppierungen gehörte auch ein thematisch so modern anmutendes Werk wie Christoph Meiners Geschichte des weiblichen Geschlechts. Auch die verbreiteten wirtschafts- oder kirchengeschichtlichen Publikationen scheinen auf kultur-, alltags- oder mentalitätshistorische Studien des 20. Jahrhunderts zu verweisen. Horst Walter Blanke (354, S. 54 f.) führt Beispiele aus den Sektoren Finanz-, Handels- und Technikgeschichte an, der Einführung von Genussmitteln, Kulturpflanzen, von Produktionstechniken oder Erfindungen. Die Kirchengeschichte befasste sich, wenngleich nicht immer unparteiisch, mit Wundern, religiösen Ideen und Ritualen. Blanke nennt als besonders anschauliches Beispiel Spittlers Geschichte des Kelches im Abendmahl (1780). Es war dies eine profane kulturgeschichtliche Betrachtung von Religion und Kirche. Die Geschichtsschreibung der Aufklärungsepoche, dies lässt sich resümieren, war erstaunlich vielseitig, überraschend schon deswegen, weil sie eben erst im Begriff stand, sich als Wissenschaft zu etablieren. Vieles kam, wie Blanke konstatierte, nicht über Ansätze hinaus. So lag denn auch die Leistung der Aufklärungsgeschichte nicht in einer historiografischen Synthese, sondern in der „wissenschaftlichen Erschließung der geschichtlichen Welt und der Fundierung der Geschichte als Wissenschaft“ (354, S. 48). Die Kontroverse um die Aufklärungshistorie hat zumindest die Unhaltbarkeit des pauschalen Urteils im 19. und lange auch 20. Jahrhundert über das vorgeblich „unhistorische“ Dixhuitième verdeutlicht. Während die historische Sozialforschung (354, S. 288) weiterhin das Trennende zwischen Historismus und Aufklärung und die relative Modernität der letzteren betont, streiten Historiker wie Hans Erich Bödeker und Georg G. Iggers einerseits, Ulrich Muhlack andererseits eher verhalten über deren Status als integral zum Frühhistorismus gehörig oder aber als eigenständige Vorstufe. Bödeker, aber auch Rudolf Vierhaus werteten dabei die Gemeinsamkeiten beider Epochen der Geschichtsschreibung größer, so dass sie eher eine „Akzentverlagerung“ (356, S. 20) als einen Bruch erkennen wollten. „Wenn auch ein gewisser Wandel im Lebensgefühl und im Umgang mit der Geschichte vom 18. zum 19. Jahrhundert nicht zu bestreiten ist, erscheinen uns die Kontinuitäten im Bereich der Methode als stärker, insbesondere, wenn auch der Historismus in der Philologie, in der Rechtswissenschaft und in der Theologie in den Blick genommen wird“ (356, S. 10). Muhlack hingegen verteidigte den Zwischenstatus zwischen Humanismus und Historismus und damit letztlich die Autonomie der Aufklärungshistorie. Für beide Positionen gibt es gute Argumente. Denn anders als das klischeehafte Urteil historistischer Historiker können beide beanspruchen, der Geschichtsschreibung der Aufklärungsepoche in ihrer Komplexität gerecht zu werden.
III. Verfassungsgeschichte
Leistungen der Aufklärungshistorie
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III.
Forschungsprobleme
7. Jenseits der Aufklärung Aufklärungskritik – Aufklärungsfeindschaft?
Alternativbegriffe für „Gegenaufklärung“
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Gegenaufklärung, Isaiah Berlin sprach gar vom Widerstand gegen zentrale Ideen der Aufklärung, ist so alt wie die Aufklärung selbst (383, S. 63). Einen Kampf gegen die Aufklärung von Anbeginn konstatierte auch Fritz Valjavec in seiner Studie über Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770–1815, der zunächst vor allem als Gegenangriff der Theologen geführt wurde (411, S. 271). „Natürlich“, schrieb Berlin, „widersetzten sich die Kirchen und die religiösen Denker verschiedenster Bekenntnisse der Proklamation der Autonomie der Vernunft und den Verfahren der Naturwissenschaften […]“ (384, S. 63). In diesem Sinne „gegenläufig“ waren aber ebenso Literaten, Publizisten und Philosophen wie Giambattista Vico (vgl. 385). Zur intellektuellen Elite der Gegenaufklärung rechnete Berlin, wie zuletzt der amerikanische Historiker Darrin McMahon herausstellte, sonst vorwiegend Deutsche: Hamann, Herder, Justus Möser, die Vertreter des Sturm und Drang, insbesondere Schiller, die Philosophen des Idealismus, schließlich den kongenialen Übersetzer Burkes, Friedrich Gentz. Nun war und ist Berlins Klassifizierung der „großen Denker“ als Gegenaufklärer nicht unumstritten. So rückte etwa Panajotis Kondylis den von Berlin als „großen Gegner der Aufklärung“ apostrophierten Hamann, den „Magus im Norden“ wieder in das Umfeld der Aufklärung (30, S. 573). Helga Schultz (337) verwies zu Recht auf die aufgeklärte Provenienz und Prägung Herders. Und selbst Günther Kronenbitter betonte in einem Portrait des Frühkonservativen Friedrich Gentz dessen intellektuelle Verwurzelung in der Spätaufklärung (398, S. 585); eine über „antirevolutionäre Instrumentalisierung“ von Vernunft und Vernunftrecht hinausgehende Aufklärungsfeindschaft konnte er ihm nicht attestieren (398, S. 602). Aufklärungskritisch, aber eben nicht aufklärungsfeindlich sei die von Berlin angeführte intellektuelle Elite, die, dies sogleich der nächste Vorwurf, nicht repräsentativ für die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts doch tatsächlich konstatierbare antiaufklärerische Strömung war. Ihr seien vielmehr die heute vergessenen mediokren „Obskuranten“ Hermann Goldhagen, Johann August Starck oder Leopold Alois Hoffmann zuzurechnen, die Fritz Valjavec bereits 1951 unter den entstehenden Konservativismus – der Terminus „Gegenaufklärung“ findet sich in seiner Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770–1815 (411) nicht – rubriziert hatte. Valjavec war für die deutschsprachige Historiografie insofern richtungweisend, als etwa Wolfgang Albrecht und Christoph Weiß die von ihm aufgezählten Gegenaufklärer in ihren biografisch angelegten Band über Obskuranten und Eudämonisten (413) aufnahmen und deren intransigenten Widerstand gegen Vernunft und Vernunftrecht, deren „vorwiegend undialektische, alternativlose Negation“ (413, S. 15) der Aufklärung, ihren irrationalen, naturphilosophisch-esoterischen Abwehrreflex deutlich unterschieden von durchaus inhärent aufklärerischem, konservativem Reformwillen. „Die Aufklärung“, unterstrich Hans-Christof Kraus in einer Sammelrezension zu ihrem Antipoden, „ist ohne die Gegenaufklärung so wenig zu
7. Jenseits der Aufklärung begreifen und angemessen zu analysieren wie die Moderne ohne Berücksichtigung der zahlreichen Gegenströmungen zu ihr oder wie die Revolution ohne die gegenrevolutionären Bewegungen und Bestrebungen“ (396, S. 412). Damit ist zwar der Bezugsrahmen aufklärungsgegnerischer Positionen benannt, nicht jedoch der für den „Widerstand gegen die Aufklärungsbewegung“ (382, S. 291) geläufigste Terminus „Gegenaufklärung“ präzisiert. Die Abgrenzung erleichtern mag eine kurze Erörterung der Alternativbezeichnungen. „Antiaufklärung“ (Anti-Enlightenment) verwendete Horst Möller bedeutungsgleich mit allerdings exaktem Bezug zu dem von ihm untersuchten Geheimbund der Gold- und Rosenkreuzer (401). Gerhard Sauders Begriff der „dunklen Aufklärung“ (405) rekurrierte auf die Lichtmetaphorik der Aufklärung und die schon zeitgenössische Bezeichnung der Gegenseite als „Vernebler“ und „Verdunkler“. Dieser entsprach der gebräuchlichere, bildlich verwandte Topos von der Nachtseite der Aufklärung (Rudolf Schlögl) (408). In inhaltlichem Zusammenhang steht ferner der schon erwähnte „Obskurantismus“, ein seitens der Spätaufklärer geprägter Kampfterminus, den Wolfgang Albrecht und Christoph Weiß wiederbelebten. „Nicht Licht in die Finsternis von Unwissenheit und Vorurteil zu bringen, hat sich der Obskurant verschrieben“, so Dirk Kemper in einem Aufsatz über den preußischen Minister Wöllner, „sondern einem zweifelhaften Dienst am obscurum, dem Verborgenen, Heimlichen, das Licht der Öffentlichkeit wie die Sonne der Wahrheit Scheuenden“ (394, S. 193). Ebenfalls einem Schlüsselbegriff der Aufklärung, nämlich der Glückseligkeit – zugleich der Titel eines kurzlebigen Organs norddeutsch-protestantischer Aufklärungsgegner – entlehnt ist der zweite von Albrecht und Weiß (wieder) verwendete Terminus „Eudämonismus“. Die Eudämonia, ein sehr früh von Max Braubach und Gustav Krüger untersuchtes Periodikum, war zeitgenössische Selbstbezeichnung und antiaufklärerisches Programm. Die erst kürzlich aufgebrachte Bezeichnung „alternative Aufklärung“ (43), die in sprachlicher Überwindung des diametralen Gegensatzes die gemeinsame Basis von Aufklärung und Gegenaufklärung betont, scheint wegen der Konnotation von „alternativ“ im ausgehenden 20. Jahrhundert zur Charakterisierung von antiaufklärerischer Opposition 18. Jahrhundert problematisch. Die starre Dichotomie auflösen und Gemeinsamkeiten beider Strömungen sichtbarer machen sollte das von Manfred Agethen vorgeschlagene Adjektiv „aufklärungsskeptisch“ (264, S. 462). Wenn auch nicht synonym, so doch zumeist im Zusammenhang mit „gegenaufklärerischen“ Strömungen werden schließlich die Begriffe „Gegenrevolution“, Frühkonservativismus respektive Romantik genannt. Damit ist zwar das Wortfeld, jedoch noch immer nicht der Terminus „Gegenaufklärung“ bestimmt (410). Der enzyklopädische Zugriff, etwa in Werner Schneiders Lexikon der Aufklärung (54) führt in diesem Fall nicht weiter. Nicht einmal aktuelle Darstellungen wie Darrin McMahons Monografie über die französischen „enemies of the enlightenment“ (400) enthalten eine einleitende definitorische Präzisierung. Berlin hatte in einer vagen begrifflichen Annäherung die Gegenaufklärung als Widerstand gleichermaßen der Kirche und religiöser wie antirationalistischer Opponenten gegen die Aufklärung bezeichnet. Christoph Weiß und Wolfgang Albrecht hielten diesem Definitionsversuch entgegen, darunter begrifflich unscharf auch
III.
Definition von „Gegenaufklärung“
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III.
Forschungsprobleme
„Gegenaufklärung“ – „Frühkonservatismus“
„Gegenaufklärung“ als Forschungsobjekt
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Aufklärungskritik, „Kritik der Aufklärung im Geiste der Aufklärung“ (384), also eine auf sich selbst angewandte Aufklärung zu subsumieren. Sie selbst differenzierten im Einleitungsteil ihres Sammelbandes nicht nur den „gemäßigt aufgeklärten“ Frühkonservatismus von der eigentlich „obskurantistischen“ Gegenaufklärung, sie konstatierten zudem eine qualitative Veränderung der letztgenannten seit den 1770er Jahren. Gegenaufklärung, hielt der Germanist Wolfgang Albrecht die ersten Resultate einer noch in den Anfängen befindlichen Spezialforschung fest, sei eine in sich heterogene, konservativ bis restaurativ ausgerichtete destruktive Gegenbewegung zur Aufklärung im Unterschied zum theoretisch fundierten Konservativismus (382, S. 291). Sie sei deswegen destruktiv, weil sie sich mit aufklärerischen Ideen auseinander setzte, „um sie herabzuwürdigen, auszuhöhlen, zu verdrehen und derart wider ihre Urheber umzukehren“ (413, S. 15). Mit der ursprünglichen Aufklärungskritik habe sie nichts gemein. Weiß und Albrechts Differenzierung in Aufklärungskritik, konstruktiven Konservativismus und destruktive Gegenaufklärung blieb kaum unwidersprochen. In seiner Rezension bezweifelte Hans-Christof Kraus die klare Abgrenzbarkeit der „obskuren“ Gegenaufklärung zum Frühkonservatismus. Kraus verwies dabei auf die beiden gemeinsame konservative, im Ordo-Denken wurzelnde Rechts- und Ordnungsvorstellung, wie sie der Konservativismusdefinition von Panajotis Kondylis zugrunde lag (396). Er tat dies um so leichter, als selbst innerhalb des Sammelbandes die von Albrecht und Weiß einleitend zugrunde gelegten Kategorisierungen nicht stringent durchgehalten wurden. Wenn aber, wie Kraus feststellte, Gegenaufklärung und Frühkonservativismus so leicht nicht abgrenzbar waren, ließe sich dann der erstgenannte Begriff nicht als wenn auch wenig substantieller Oberbegriff verwenden? „Historisch konkretisieren“, so etwa Jochen Schmidts Bestimmungsversuch, „lässt sich der Begriff der Gegenaufklärung als die in vielen Formen auftretende Gegnerschaft zu den Positionen, Idealen oder auch schon Errungenschaften der historischen Aufklärung, als Gegnerschaft aber auch, die den Trägern der Aufklärung, ihren Medien und Institutionen gilt“ (409, S. 14). Isaiah Berlin bezog dabei nicht nur die konservative, sondern auch die progressive, die revolutionäre wie auch die reaktionäre Kritik an der Aufklärung ein (383, S. 86). Die Geschichtswissenschaft hat sich des Themas Gegenaufklärung nur wenig, schon gar nicht in einer der Aufklärungsforschung vergleichbaren Dimension angenommen. „Ziemlich genau um zweihundert Jahre versetzt“, konstatierten Weiß und Albrecht, „korrespondiert ihre Vernachlässigung, die trotz einiger, nach 1970 vermehrter Ansätze fortbesteht, dem historischen Phänomen, dass die (Spät-)Aufklärer ihren um 1770 hervortretenden neuartigen Widerpart zunächst nicht ernst genug nahmen und nicht einmal genauer bezeichneten“ (413, S. 8). Berlins Essay über die „Gegenaufklärung“ vom Ende der 1960er Jahre war ein früher, aber nicht der erste Beitrag zur historischen Erforschung. Den eigentlichen Ausgang markierte 1951 Fritz Valjavecs einleitend angeführte Studie, die sich in der Interpretation freilich auf Franz Schnabel bezog. „Der konservative Denkstil“, heißt es in Schnabels 1933 erschienenem zweiten Band der deutschen Geschichte, „[…] ist erwachsen in der Auseinandersetzung zwischen der Aufklärung und dem neuen Sinn für das Irrationale“ (194, II, S. 18), nicht etwa
7. Jenseits der Aufklärung erst in der Konfrontation mit dem revolutionären Frankreich. Auch Valjavec arbeitete in seinem während des Zweiten Weltkriegs entstandenen Band nicht allein den antagonistischen Zusammenhang von Aufklärung und „konservativem Denkstil“ heraus, er führte ebenso die Anfänge des Konservativismus auf die Opposition zur Aufklärung zurück. „Die entscheidende Wendung von einem mehr unterschwelligen ‘Traditionalismus’ zu einem bewusst empfundenen Konservativismus ergibt sich aus der Auseinandersetzung mit der radikalen Aufklärung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts“ (411, S. 258). Die Revolution von 1789 war demnach Katalysator und Multiplikator, unerlässlich für die Erzielung von politischer Breitenwirkung, nicht aber auslösendes Moment. Valjavec ergänzend unterschied Klaus Epstein in seinem umfangreichen Werk über die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland (389) eine allein „reaktionäre“ von einer konstruktiveren und qualitativ anderen „reformkonservativen“ Gegenströmung zur Aufklärung. Sein Ansatz wie der von Fritz Valjavec wurde sowohl von Martin Greiffenhagen als auch von Jörn Garber erweiternd aufgenommen. Hingegen bestand Panajotis Kondylis auf der Eigenständigkeit des Konservativismus, der nicht allein als Abkehr und Abwehrreaktion auf Spätaufklärung und Revolutionszeitalter zu verstehen sei (395). Valjavec und Epstein untersuchten indes den aufklärungsgegnerischen Ursprung des frühen Konservativismus, nicht jedoch die Gegenaufklärung an sich. Ersterer sprach allenfalls von „geistigen Gegnern der Aufklärung“ (411, S. 325). Für die Erforschung der Gegenaufklärung waren diese frühen Arbeiten dennoch wegweisend, enthielten sie doch bereits eine erste Skizze sowohl des zugehörigen Personals, der Institutionen und Publikationen als auch der wesentlichen Themenfelder. Insbesondere Fritz Valjavecs Kapitel über die „ersten konservativen Gruppen“ und den „Kampf gegen Aufklärung und geheime Gesellschaften vor 1789“ zeichneten vor, was Wolfgang Albrecht und Christoph Weiß knapp 50 Jahre später in ihrem personenbezogenen Zugriff vertiefen sollten. Diesen biografischen Ansatz legte freilich auch der von den Herausgebern ignorierte Isaiah Berlin nahe, allerdings in einer auf die intellektuelle Elite verkürzten Perspektive, die zuletzt durch Darrin McMahons modifiziert wurde. McMahons Untersuchungsgegenstand waren die aufklärungsfeindlichen Schriften des klerikalen Milieus im Frankreich Ludwigs XVI., doch wird der Gang der Entwicklung bis in das 19. Jahrhundert, zum politischen Katholizismus Bonalds und de Maistres nachgezeichnet. McMahons Behauptung (400, S. 8), damit die Fixierung auf den deutschen Sprachraum durchbrochen und erstmals auch die Gegenaufklärung im „aufgeklärtesten Land der sichtbaren Welt“ (Johann Georg Heinzmann, zit. nach 395, S. 125) dargestellt zu haben, ist allerdings überzogen. Auch Berlin, dem dies getan zu haben er unterstellt, hatte seine Betrachtung nicht ausschließlich auf die deutschen Aufklärungsgegner reduziert (383, S. 69 f.). Bereits Fritz Valjavec hatte den Kampf gegen Rationalismus und Deismus, sodann gegen die Geheimgesellschaften: Freimaurer und Illuminaten als konstitutives Moment der „Gegenaufklärung“ benannt. Tatsächlich hat speziell die Erforschung jener Arkangesellschaften wie auch der antiaufklärerischen Gold- und Rosenkreuzer eine enorme Entwicklung genommen, zumal seit dem Fall der Mauer die für Wissenschaftler in West
III.
Spektrum der Gegenaufklärungsforschung
Gegenaufklärung und Arkanum
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III.
Forschungsprobleme
Aufklärung und Esoterik
Wer waren die Gegenaufklärer?
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und Ost bislang unzugänglichen Quellen im Merseburger Archiv nunmehr ausgewertet werden konnten. Stellvertretend sei hier auf die Arbeiten Richard van Dülmens, Helmut Reinalters und Horst Möllers (41, 283, 284, 291, 401) verwiesen. Valjavec hatte zudem frühzeitig ein durchaus verträgliches und befruchtendes Nebeneinander von Aufklärung und irrationalen, mystisch-okkulten Strömungen erkannt, deren Trennung und schließlich diametrale Gegensetzung er jedoch für die zweite Hälfte des Jahrhunderts konstatierte (411, S. 289). Einen solch scharfen Gegensatz von Aufklärung und Gegenaufklärung, von Naturwissenschaft und Naturphilosophie, von Rationalismus und Irrationalismus (391, S. 264) hat die zwischenzeitlich breite Untersuchung „aufklärungsfeindlicher Vorstöße“ (413, S. 10) zumindest relativiert. So folgerte der amerikanische Historiker Robert Darnton in seiner Studie über den im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts populären Mesmerismus, dieser drückte „den Vernunftglauben der Aufklärung in extremer Weise aus; eine wild gewordene Aufklärung, die später eine Bewegung in genau entgegengesetzter Richtung in Gestalt der Romantik hervorrufen sollte“ (387, S. 44). Der „animalische Magnetismus“ Franz Anton Mesmers sei Darnton zufolge der Ort, an dem sich beide Antipoden trafen. Vergleichbares konnte Horst Möller eben auch für die Freimaurer feststellen (401), die personell wie institutionell der Aufklärung zugehörten, deren Hochgradsystem und die damit eingeführte Arkanpraxis aber in eine andere Richtung wiesen. In der freimaurerischen Tradition standen die radikalen Illuminaten wie andererseits die speziell von Möller untersuchten antiaufklärerischen Gold- und Rosenkreuzer. Der Doppeldeutigkeit von Vernunftglauben, Geheimgesellschaften u.ä. entsprechend forderte Rudolf Schlögl (408, S. 34), der naturphilosophisch-hermetische Traditionsstrang solle nicht länger als bloßer Gegensatz zur Aufklärung begriffen werden. Monika Neugebauer-Wölk (403, S. 17) sah gar in einer dichotomischen Frontstellung von „gegenaufklärerischer“ Naturphilosophie, hermetischer Wissenschaft und Esoterik einerseits, aufklärerischer Ratio und Naturwissenschaft andererseits die Perspektive des 20., nicht jedoch des 18. Jahrhunderts. „Gibt es“, so ihre erkenntnisleitende Fragestellung, „im Zeitalter der Aufklärung bereits dieselbe klare Trennung zwischen Rationalität und Irrationalität, zwischen Vernunft und Esoterik, wie dies seit dem 19. Jahrhundert der Fall ist?“ (402, S. 2). Wie sollten den Zeitgenossen des Aufklärungszeitalters die Grenzen zwischen Pseudowissenschaft und Wissenschaft bewusst sein, wenn diese gerade erst in Ansätzen vermessen wurden? Mit ihrem Plädoyer für die Akzeptanz des Esoterischen innerhalb der Aufklärungsforschung setzt sie sich allerdings deutlich ab von Albrechts und Weiß’ Trennung hie ratio, Aufklärung, selbst Konservativismus, dort Mystik, Irrationalität und Gegenaufklärung. Die Frage nach der personellen Zusammensetzung und den Zielen des „antiaufklärerischen Widerstands“ ist sowohl in Berlins Essay als auch in Valjavecs Entstehungsgeschichte der politischen Strömungen angeklungen. Gegenaufklärung, dies stellten Albrecht und Weiß zuletzt für das alte Reich, Darrin McMahon für Frankreich heraus, war – nicht anders als die Aufklärung – anfänglich in erster Linie eine religiös-theologische Angelegenheit. Auch Valjavec hatte bemerkt, „das sich Abwehr der Aufklärung von kirchlicher Seite zunächst auf das religiöse Gebiet beschränkte, seit
7. Jenseits der Aufklärung den siebziger Jahren jedoch auch die politischen Gefahren des ‘Philosophismus’ in immer stärkerem Maße betonte“ (411, S. 272). Opposition kam „vorerst wesentlich von dorther, wo sowohl aufklärerische Kritik als auch Reformpraxis besonders wirksam wurden: von theologischer und pädagogischer Seite“ (413, S. 16). Theologische Antiaufklärer waren von Anbeginn die Vertreter der lutherischen mehr noch als der katholischen Orthodoxie, begründet in der an anderer Stelle (Kapitel 2) geschilderten Rezeptionsgeschichte der Aufklärung. Die gemeinsame Frontstellung gegen die Tradition hatte hier Pietismus und Aufklärung ein um die Jahrhundertmitte zerbrechendes Zweckbündnis eingehen lassen. Fortan zählte der Pietismus zu den Gegnern zumindest der radikalen Aufklärung. Protagonisten der protestantischen Aufklärungsopposition waren der schon genannte Hauptpastor Johann Melchior Goeze, Mittelpunkt eines in ersten Ansätzen Hamburger Kreises; waren der gebürtige Schweizer und Leibarzt des englischen Königs Georg III., Johann Georg Zimmermann in Hannover (412), der Oberhofprediger Johann August Stark in Darmstadt. Um den Regierungsdirektor Ludwig Adolf Christian von Grolman und den Pädagogen Heinrich Martin Gottfried Köster hatte sich ein Giessener Zirkel aufklärungsfeindlicher Publizisten gebildet, die mit Kösters neuesten Religionsbegebenheiten gar ein „Gegenmodell“ (393, S. 307) zu Nicolais Allgemeiner deutscher Bibliothek schaffen wollten. Dass die Rosenkreuzer Johann Christoph Wöllner und Hans Rudolf von Bischoffwerder nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. 1786 schließlich gar die Hochburg der deutschsprachigen Aufklärung, Berlin, zu einem Hort der Gegenaufklärung (Albrecht) machten, relativiert Horst Möller doch weitgehend. Trotz des von Möller auch nicht stringent antiaufklärerisch gedeuteten Wöllnerschen Religionsedikts vom 9. Juli 1788 (401) gelang es nach seinen Forschungen den rosenkreuzerischen Ministern nur sehr bedingt, sich gegen eine von der Aufklärung geprägte Beamtenschaft sowie das Oberkonsistorium durchzusetzen: „In wesentlichen Bereichen“, und eben gerade dem der Religion, „scheiterten sie an der aufgeklärt-naturrechtlich denkenden preußischen Beamtenschaft, die noch durch Friedrich II. geprägt worden war“ (401, S. 235 f., 245, S. 26). Gerade in Religionsdingen, so aber Rudolf Vierhaus, setzte nach dem Tod Friedrichs II. die Restriktion freier und kritischer Diskussion ein, und damit die Repression der Aufklärung (260, S. 90). Als im weitesten Sinne gegenaufklärerisch ist der pietistische Emkendorfer Kreis der Juliane Friederike Reventlow anzusprechen, dem die Jugendfreunde Goethes, die Brüder Christian und Friedrich Leopold Stolberg, aber auch der Dichter Matthias Claudius angehörten. Die Gräfin Reventlow und ihr Zirkel unterhielten wiederum Kontakte zum hannoverschen Hofrat und Leibarzt Zimmermann (411, S. 263), zum Schweizer Physiognomen Johann Kaspar Lavater und zum Kreis des Münsterschen Freiherrn von Fürstenberg. Der Gegenaufklärung hatte schließlich nicht nur Isaiah Berlin den Osnabrücker Juristen Justus Möser zugerechnet (383). Innerhalb des Katholizismus profilierten sich besonders die Jesuiten als Antagonisten der jansenistischen, nationalkirchlich orientierten Reformbewegung. Ihre Gegenwehr formierte sich unmittelbar nach der Ordensaufhebung 1773, die sie als Folge aufgeklärter Religionskritik und aufgeklärt-absolutistischen Handelns sahen. Michael Schaich, Verfasser eines
III.
„Gießener Zirkel“
„Wöllners Berlin“
„Emkendorfer Kreis“
„Exjesuitismus“
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III.
Forschungsprobleme
Das Mainzer „ReligionsJournal“
Die Augsburger „Neueste Sammlung“
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Aufsatzes über den Schweizer Ordensbruder Joseph Anton Weissenbach, bezeichnete diese Strömung innerhalb der Gegenaufklärung eigens als „Exjesuitismus“ (407, S. 83). War diesem bislang primär der konfessionelle Gegner Gegenstand kontroverstheologischer Auseinandersetzung, so scheint die nunmehrige Fixierung auf den Reformkatholizismus so augenfällig wie konsequent. „Zwar wurden auch von Protestanten verfasste Bücher oder Zeitschriften zur Zielscheibe exjesuitischer Angriffe“, so Schaich, „doch ist ihre Anzahl im Vergleich zu ihren katholischen Gesinnungsgenossen wenigstens in den ersten Jahren zu vernachlässigen“ (407, S. 103). Vielmehr konnte das konfessionell Trennende angesichts der längst nicht allein als religions-, sondern auch staatsgefährdend empfundenen Aufklärung durchaus hintangestellt werden. Verwiesen sei etwa auf den auch Protestanten offenen Zirkel der Fürstin Gallitzin im katholischen Münster. Meinte Carsten Zelle von Ansätzen einer „ökumenischen Aufklärung“ sprechen zu können (150, S. 116), so ließe sich hier in aller Vorsicht das Pendant der „ökumenischen Gegenaufklärung“ behaupten. Die Anfänge einer jesuitisch geprägten antiaufklärerischen Publizistik hatte bereits Fritz Valjavec auf das Jahr 1776 datiert, als mit dem ReligionsJournal des Mainzer Bibelexegeten und zuletzt Rektor des dortigen Jesuitennoviziats, Hermann Goldhagen, das wohl langlebigste deutschsprachige Organ dieses Genres begründet wurde (411, S. 306). Zeitweilig um einen Rezensionsteil ergänzt, konnte sich das Journal bis 1785 behaupten. Goldhagens Zeitschrift, so Franz Dumont, war nicht nur das älteste dieser Periodika, es enthielt „bereits alle Grundmuster katholischer Kritik an der Moderne“ (388, S. 65). Vorbild des Mainzer Religions-Journals war das seit 1773 vom „Journalist von Luxemburg“, François-Xavier de Feller, herausgegebene Journal historique et litteraire, in dem sowohl gegen die französischen „philosophes“, Voltaire, Buffon und andere, als auch gegen den Reformkatholizismus polemisiert wurde (407, S. 80). Die Herausgabe des Goldhagenschen Journals ausgerechnet in Mainz war eine unmissverständliche Kampfansage, galt das Erzbistum doch bis zum Tode Kurfürst Emmerich Josephs 1774 und seit 1784 erneut als Terrain der Aufklärung (407, S. 93). Hermann Goldhagen hatte Mainz nunmehr auch unter den Zentren der Gegenaufklärung positioniert. Dort war freilich das von Valjavec als publizistisch wirkungsvoller bezeichnete Augsburg bis um die Wende zum 19. Jahrhundert führend. „Wenige deutsche Städte“, so Michael Schaich mit Rekurs auf Friedrich Nicolais Reisebeschreibung, „dürften im späten 18. Jahrhundert beim aufgeklärten Publikum einen so schlechten Ruf besessen haben wie die Reichsstadt Augsburg“ (407, S. 77). Augsburgs gegenaufklärerische Reputation bezog sich auf Unternehmungen des erst 1776 aufgehobenen Jesuitenkollegs St. Salvator, zunächst die weithin bekannten und eben nicht mehr dem konfessionellen Gegner gewidmeten Kontroverspredigten, seit 1783 die von mutmaßlich vier Herausgebern publizierten Periodika. Die eigentlich aufwendiger titulierte Neueste Sammlung trug bislang disparate Einzeldrucke, heute so bezeichnete „graue Literatur“ in insgesamt 40 Bänden zusammen, eine Zielsetzung, die die 1787 folgenden Gesammelten Schriften unserer Zeit zur Verteidigung der Religion und Wahrheit übernahmen. Während ein 1795 nur kurzzeitig erscheinendes Organ vor allem Geistlichen antiaufklärerisches Predigt-
7. Jenseits der Aufklärung material an die Hand geben sollte, war die Kritik über gewisse Kritiker, Rezensenten und Broschürenmacher Rezensionsorgan der katholischen Gegenaufklärung. Mit Alois Merz, dem Schweizer Joseph Anton Weissenbach, mutmaßlich auch Martin Gerbert von St. Blasien hatte Augsburg ein über Stadt und Region hinausweisendes Herausgebergremium. „Die Heftigkeit der Angriffe, die sich bis zu schierer Gehässigkeit steigern konnte, findet dabei ihre Erklärung vornehmlich in der enormen Ausstrahlung, die Augsburger Exjesuiten […] beschieden war“ (407, S. 77). Nicht erst Wolfgang Albrecht (413) konstatierte für die 1780er Jahre den Übergang von der religiösen zur politischen Gegenaufklärung (411, S. 271), die er mit den Eckdaten der Aufdeckung des Illuminatenordens 1784, dem Erlass des Wöllnerschen Religionsedikts in Preußen 1788, schließlich mit dem Ausbruch der Revolution 1789 in Frankreich verband. Die Enttarnung der schon dem Namen nach der Aufklärung verbundenen Arkangesellschaft der Illuminaten verschaffte nicht nur der Gegenströmung weiteren Zulauf, sondern auch den längst kursierenden Verschwörungstheorien scheinbare Plausibilität. Konspiration mutmaßten jedoch nicht allein die um Kirche und Ständeordnung besorgten Gegenaufklärer. Irrationale Ängste zeigten selbst die aufgeklärten „Jesuitenriecher“ der Berliner Spätaufklärung, die eine Unterwanderung der in der Krise befindlichen Hochgradmaurerei der strikten Observanz fürchteten (367, S. 21). Die Aufdeckung des Illuminatenordens hatte zudem eminent politische Konsequenzen. Neben der Verfolgung seiner Mitglieder, der berüchtigten „Illuminatenriecherei“ etwa im Umfeld des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, war dies vor allem der Positionswechsel selbst aufgeklärt-absolutistischer Regenten wie Joseph II. speziell gegenüber der Maurerei, allgemein jedoch auch bezüglich mancher Ideen und Prinzipien der Aufklärung. Im Gegenzug erlangte im nachfriderizianischen Preußen der antiaufklärerische Orden der Gold- und Rosenkreuzer erst eigentlich politischen Einfluss, indem Ordensbrüder wie Wöllner und Bischoffwerder den 1781 aufgenommenen Friedrich Wilhelm II. in ihrem Sinne zu lenken versuchten (394, S. 198 ff., 41, 367). Ihr religionspolitisches Wirken, vor allem das nur eine Woche nach dem Amtsantritt erlassene Wöllnersche Religionsedikt vom 9. Juli 1788 wertete Dirk Kemper als Fanal zu einer Generalrevision der friderizianischen Aufklärungspolitik. Wolfgang Albrecht prägte in diesem Zusammenhang den Terminus eines „gegenaufklärerischen Absolutismus“ (382, S. 292), den er freilich auch auf das nachjosephinische Österreich münzte. „Gerade innerhalb traditionsreicher Zentren der Aufklärung wie München, Berlin und Wien kam es nicht lediglich zu der gemeinhin konstatierten ‘Abkehr’ vom aufgeklärten Absolutismus, vielmehr vollzog sich in Theorie und Praxis eine Inversion, für die die Bezeichnung ‘gegenaufklärerischer Absolutismus’ eingeführt werden könnte“ (382, S. 291 f.). Horst Möller hat dies relativiert. Deutliches Signal für einen Kurswechsel in Wien war das von Helmut Reinalter beschriebene gegenaufklärerische Wirken der Publizisten Leopold Alois Hoffmann und Felix Franz Hofstätter. Hoffmann, ursprünglich ein Anhänger des Josephinismus, gab mit der kurzlebigen Wiener Zeitschrift 1792/93 das wohl „wichtigste Sprachrohr des frühen Konservativismus in Österreich“ (404, S. 228) heraus, dem et-
III.
Formierung einer politischen Gegenaufklärung
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III.
Forschungsprobleme liche Vertreter der deutschsprachigen Gegenaufklärung zuarbeiteten. Leopold II. protegierte Hoffmanns wenn auch nicht unkritisch gesehene Herausgebertätigkeit, die mit dem Tod des Monarchen jäh endete. Hofstätters, des „bitterbösen Exjesuiten in Wien“ (Friedrich Nicolai), 1793 bis 1797 erschienenes Magazin für Kunst und Litteratur war quasi das Nachfolgeorgan. Hoffmanns und Hofstätters Publizistik stand bereits unter dem Einfluss der französischen Ereignisse von 1789. Die Revolution wirkte weiter polarisierend. So verschärfte sich nicht nur der Ton in der wechselseitigen Polemik, auch die jeweils unterstellten Verschwörungs- und Komplotttheorien erhielten einen zusätzlichen Impetus. Die Augsburger Exjesuiten sahen ebenso wie der Giessener Protestant Grolmann im revolutionären Frankreich das Resultat einer Konspiration der Illuminaten, die sie in der Folge mit Jakobinern gleichsetzten. Identifizierten sie alsbald pauschal Aufklärung mit Revolution, so setzte die Gegenseite fortan antiaufklärerisch und antirevolutionär in eins. Albrecht und Weiß resümierten hier letztlich Schnabel und Valjavec bestätigend, dass „bereits vor der Französischen Revolution polar divergente politisch-ideologische Positionen oder Strömungen entstanden, die sich unter dem Eindruck der Revolutionsereignisse noch deutlicher ausdifferenzierten, aber zunächst nicht mehr grundsätzlich wandelten“ (413, S. 23).
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IV. Ausblick – Perspektiven der Aufklärungsforschung „Kaum eine andere Epoche der Geistesgeschichte ist bis heute so aktuell und zugleich kontrovers geblieben wie das Zeitalter der Aufklärung“, wirbt der Klappentext zu Werner Schneiders Lexikons der Aufklärung (54). Als Ursprung unserer demokratischen, rational geprägten Zivilisation anerkannt, als Ursprung westlicher Dominanz über andere kulturelle Systeme aber auch oft genug verteufelt, in der gebildeten Öffentlichkeit, dies hat die Feuilletonbeilage der Wochenzeitung Die Zeit zum Kantjahr 2004 wiederum belegt, zumeist abgelöst vom 18. Jahrhundert und durchaus kritisch wahrgenommen. Doch gerade wegen der begrifflichen Doppeldeutigkeit, der Prozesshaftigkeit von Aufklärung sowie der Abstrahierbarkeit vom historischen Kontext hafte ihr, wie Harro Zimmermann in einem Interview bemerkte, die Unverwüstlichkeit eines „evergreens“ an (66, S. 138). Die selbst für Spezialisten in Geschichts- und Literaturwissenschaft kaum mehr übersehbare Publikationslandschaft kann diese unverwüstliche Aktualität nur bestätigen. Einzelne Perspektiven künftiger Forschungsentwicklungen sind in der Darstellung der Forschungsprobleme bereits angeklungen. Dazu zählt insgesamt, was Roy Porter als „die subtilen Widersprüchlichkeiten der Aufklärung“ (48, S. 10) bezeichnet hatte, für die das 20. und wohl auch das 21. Jahrhundert größeres Verständnis, ja Affinität aufweise als das 19. Jahrhundert. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese subtilen Widersprüche zumindest zum Teil auch als Wahrnehmungsproblem. „Im Allgemeinen“, so Holger Zaunstöck über die scheinbare Dichotomie von Vernunftzeitalter und Esoterik, „ist die Forschung an einem modern verstandenen Vernunftbegriff orientiert – dies aber wird in den neuesten Arbeiten zu den arkanen Gesellschaftsformen kritisch reflektiert“ (293, S. 6). Noch fehlte die Differenzierung von Wissenschaft und Pseudowissenschaft, weshalb das Interesse an Alchimie, Geisterseherei und Mesmerismus wohl nicht ausschließlich der „Nachtseite der Aufklärung“ zuzurechnen ist. Ebenso wenig, dies konnte Monika Neugebauer-Wölk (279, 402, 403) überzeugend belegen, zählt die Esoterik zu den skurrilen Randphänomenen der Aufklärungsforschung. Vielmehr wies sie mit dem Beleg der Verbindung von esoterischem Wissen, dem Arkanum masonischer Aufklärungsgesellschaften und aufgeklärt-absolutistischer Herrschaftspraxis neue, Erkenntnisgewinn versprechende Wege. Dass in der Informations- und Kommunikationsgesellschaft des beginnenden 21. Jahrhunderts die kommunikative Vernetzung der Aufklärungsgesellschaft in den Blick der Forschung geriet, mag nicht weiter überraschen. Holger Zaunstöck hat mit seiner an der Universität Halle entstandenen Dissertation (293) Vernetzungsstrukturen der aufgeklärten Sozietätslandschaft Mitteldeutschlands aufgezeigt und mit seinem prosopografischen Ansatz Wege gewiesen, die nicht nur die Aufklärungsforschung bereichern werden. Personelle Verbindungen lassen sich so ebenso sichtbar machen wie Diskurslinien, wie Kommunikationsnetze. Eine Betrachtung der Verkehrs-, der Informationswege der Aufklärungsepoche, der Adapta-
Aufklärung als „evergreen“
Dichotomien und Widersprüche
Kommunikation und Vernetzung
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IV.
Ausblick – Perspektiven der Aufklärungsforschung
Forschungsdesiderat Gesamtdarstellung
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tions- und Transformationsgeschichte hatte bereits vor knapp zehn Jahren Rudolf Vierhaus in einem Forschungsbericht gefordert, Fania Oz-Salzberger den besonderen Aspekt der Affinitäten und Phobien (46) nachgetragen. Karl Schlögels jüngste Publikation mag diese verschiedenen Ebenen einer Kartografie der Aufklärungsepoche zusätzlich befruchten. Einige der vor Jahren noch als defizitär erforscht angesehenen Bereiche haben inzwischen eine regelrechte Konjunktur erlebt. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad für die Musik der Aufklärungsepoche, die etwa Vierhaus noch 1995 unter die Desiderate gezählt hatte. Einen noch aktuell andauernden Aufschwung hat auch die Erforschung jener lange Zeit im Schatten der Encyclopédie Diderots und d’Alemberts stehenden Enzyklopädie- und Lexikaunternehmen erfahren, die längst mit Pierre Bayles Kritischem Wörterbuch ihren Anfang genommen hatten. Ihnen war zuletzt 1998 ein eigenes Themenheft der Fachzeitschrift Das 18. Jahrhundert gewidmet. Die Leistungen, aber auch die Defizite eines ersten Vergleichs enzyklopädischer Werke des 18. Jahrhunderts auf europäischer Ebene hat Martin Fontius in diesem Rahmen herausgestellt (22). Trotz bestehender Divergenzen ist sich die Aufklärungsforschung zumindest in einem einig: Die benannten Desiderate, die „weißen Flecken“ in der wissenschaftlichen Kartierung des 18. Jahrhunderts sind nicht das primäre Problem; vielmehr, so Vierhaus, gehe es darum, die kaum mehr überschaubaren Forschungsergebnisse und in der Folge manch ältere Periodisierung, Kausalbehauptung und Abhängigkeitsvermutung zu re-evaluieren (63). Wünschenswert, beschrieb auch Monika Neugebauer-Wölk (44) im Jubiläumsband 25 Jahre Deutsche Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts das zentrale Anliegen der Settecentoforschung, „wünschenswert wäre eine wissenschaftsgeschichtliche Reflexion der Aufklärung, die sowohl ihre einzelnen Teilbereiche – Geschichte, Philosophie, Religion, Bildende Künste, Wissenschaft und Literatur – berücksichtigt als auch die fächerübergreifenden, interdisziplinären Aspekte […]“ (46, S. 12). Fania Oz-Salzberger hat Ansätze aufgezeigt, wie eine solche Gesamtdarstellung der Epoche strukturiert werden könnte. Und dennoch scheint dieses „enlightenment revisited“ angesichts der noch immer bestehenden Komplexität und vor allem Universalität des Themas auch auf längere Sicht Forschungsdesiderat zu bleiben.
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2. Aufklärung und Religion (145) Altgeld, W.: Katholizismus, Protestantismus, Judentum. Über religiös begründete Gegensätze und nationalreligiöse Ideen in der Geschichte des deutschen Nationalismus. Mainz 1992. (146) Fontane, T.: Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812 auf 13. Frankfurt a. M. 1982. (147) Heine, H.: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. In: ders.: Werke Bd. 7. Kiel o. J., S. 5–118. (148) Stievermann, D.: Politik und Religion im
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7. Jenseits der Aufklärung (382) Albrecht, W.: Gegenaufklärerischer Absolutismus um 1800. In: Reinalter, H./Klueting, H. (Hrsg.): Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich. Wien, Köln, Weimar 2002, S. 291– 299. (383) Berlin, I.: Die Gegenaufklärung. In: ders.: Wider das Geläufige. Aufsätze zur Ideengeschichte. Frankfurt a. M. 1982. (384) Borchmeyer, D.: Kritik der Aufklärung im Geiste der Aufklärung. Friedrich Schiller. In: Schmidt, J. (Hrsg.): Aufklärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur, Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart. Darmstadt 1989, S. 361–376. (385) Burke, P.: Vico. Philosoph, Historiker, Denker einer neuen Wissenschaft. Neuausgabe Berlin 2001. (386) Cole, L.: Nation, Anti-Enlightenment and Religious Revival in Austria. Tyrol in the 1790s. In: The Historical Journal 43 (2000), S. 475–497. (387) Darnton, R.: Der Mesmerismus und das Ende der Aufklärung in Frankreich. Frankfurt a. M., Berlin 1986. (388) Dumont, F.: „Wider Freygeister, Protestanten und Glaubensfeger“. Hermann Goldhagen und sein „Religions-Journal“. In: Weiß, C./Albrecht, W. (Hrsg.): Von „Obscuranten“ und „Eudämonisten“. Gegenaufklärerische, konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert. St. Ingbert 21999, S. 35–76.
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Literatur konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert. St. Ingbert 21999, S. 367– 401. (413) Weiß, C./Albrecht, W. (Hrsg.): Von „Obscuranten“ und „Eudämonisten“. Gegenaufklärerische, konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert. St. Ingbert 21999.
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(414) Zimmermann, H.: Das Medusenhaupt der Aufklärung. Matthias Claudius und die Französische Revolution. In: Weiß, C./Albrecht, W. (Hrsg.): Von „Obscuranten“ und „Eudämonisten“. Gegenaufklärerische, konservative und antirevolutionäre Publizisten im späten 18. Jahrhundert. St. Ingbert 21999, S. 609–636.
Personen- und Sachregister Abbt, Thomas 74 f. Absolutismus 3 f., 9, 11 f., 19–26, 29 f., 36, 42, 71 Académie française 66 Académie des sciences 65 Adams, John 9 Adelung, Johann Christoph von 74 Adorno, Theodor W. 3 Agethen, Manfred 62 f., 69 f., 91 Albrecht, Wolfgang 90–95, 97 f. Alembert, Jean le Ronde d’ 7, 9, 100 Alexander I., Zar von Russland 88 Alphabetisierung 14, 55, 61 Altgeld, Wolfgang 35 Altmann, Alexander 4 Ancien Régime 24 Aretin, Karl Otmar Frhr. von 9, 12, 19, 21 f., 48, 76 f., 79 Arnold, Gottfried 84 Arouet, François-Marie s. Voltaire Ascher, Saul 50 f. Auersperg, Joseph Franz von 44 Aufklärungsgesellschaften 13 f., 62 f., 65 f., 69 f., 99 Aufklärungshistorie 15, 81–84, 86–89 Aufklärungspädagogik 54, 56 f. Bahrdt, Carl Friedrich 40 Barock 23, 43 Barth, Karl 41, Basedow, Johann Bernhard 54–57, 60 Bauer, Roger 31 Baumgart, Peter 20 f., 23 f., 29 Bayle, Pierre 6, 9, 29, 100 Beales, Derek 30–33 Beccaria, Cesare 4, 9, 28 Becher, Ursula 84 Becker, Rudolf Zacharias 9 f., 58 Behrens, Betty 24 Behrndt, Karsten 72 Below, Georg von 80 f. Bendavid, Lazarus 50 f. Bengel, Johann Albrecht 39 Bentham, Jeremy 9 Berlin, Isaiah 16, 90, 92 ff. Bernstorff, Andreas Peter Graf 39 Besterman, Theodore 5 Birtsch, Günther 4, 12, 22 f., 24 f., 30–33 Bischoffwerder, Hans Rudolf von 95, 97
Blanke, Horst Walter 82, 84, 89 Blanning, Timothy C. W. 26, 29 Bluthe, François 19 Bödeker, Hans Erich 10, 83, 86, 89 Böning, Holger 8 ff., 13, 58–61 Bolingbroke, Henry 84 Bonald, Louis Gabriel Ambroise Vicomte de 93 Bosse, Heinrich 71 f., 77 ff. Braubach, Max 91 Breidbach-Dürresheim, Emmerich Joseph v., Kurfürst von Mainz 18, 96 Breysig, Kurt 81 Buffon, Georges Louis Leclerc Comte de 96 Burke, Edmund 90 Campe, Joachim Heinrich 54 f., 57 f., 60 Carnot, Lazare Nicolas Marguerite Comte de 77 Cassini, Giovanni Domenico 7 Cassirer, Ernst 3, 80 ff. Cellarius, Christoph 84 Chladenius, Johann Martin 15 Cicero, Marcus Tullius 86 Claudius, Matthias 95 Clemens Wenzeslaus, Kurfürst von Trier 18 Cocceji, Samuel Frhr. von 28 Colley, Linda 72, 77 Colloredo, Hieronymus Graf 18, 43 f. Comenius, Johann Amos 56 Condorcet, Antoine Marquis de 9, 84 Conring, Hermann 88 Crocker, Lester G. 5 Cromwell, Oliver 31, 72 Damiens, Robert-François 28 Dann, Otto 62, 67 f., 72, 83 Darnton, Robert 2, 7–10, 16, 34, 38, 94 Defoe, Daniel 55 Deismus 35, 51, 62, 93 Despotismus 21 Descartes, René 7 Diderot, Denis 7, 9, 18, 21, 60, 100 Dilthey, Wilhelm 2, 80 Dohm, Christian Wilhelm 13, 27, 52
Droysen, Johann Gustav 87 Dubno, Salomon 49 Duchhardt, Heinz 23 Dülmen, Richard van 9, 14, 62–70, 82, 94 Dumont, Franz 96 Edelmann, Johann Christian 39 Einhorn, Johann Gottfried 39 Elementarbildung 60 Emmerich Joseph s. Breidbach-Dürresheim Emanzipation 11, 13, 38, 52 f., 62 f. Empfindsamkeit 11, 58 Encyclopédie française 7, 9 f., 48 Entwicklungsroman 58 Epstein, Klaus 33, 93 Erbfolgekrieg, Bayerischer 78 Erbuntertänigkeit 20, 25, 34 Erthal, Franz Ludwig v., Fürstbischof von Würzburg 18, 43 Erziehung 13, 27, 53 Esoterik 1, 94, 99 Evans, Robert 31 Euchel, Isaak 49 ff. Eudämonismus 91 Fabricius, Wilhelm 69 Febronianismus 36, 43 Febronius, Justinus s. Hontheim, Nikolaus von Feller, François-Xavier de 96 Ferdinand II., röm.-deutscher Kaiser 21 Fertig, Ludwig 55 Fichte, Johann Gottlieb 56 Firmian, Leopold Ernst v., Fürstbischof von Passau 44 Fontane, Theodor 36 Fontius, Martin 2, 6 f., 100 Forster, Georg 31 Foucault, Michel 3 f., 28 Francke, August Hermann 39, 54 Franckesche Stiftungen 2 François, Étienne 61, 64 Franklin, Benjamin 9 Freimaurer 14, 16, 63, 65–70, 93 f. Friedländer, David 49 Friedrich I., König in Preußen 66 Friedrich II., König von Preußen 4, 8, 11 f., 18–31, 33 ff., 41, 45, 57, 59, 67, 71, 75–78, 80, 82, 95 Friedrich II., Landgraf von HessenKassel 18
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Personen- und Sachregister Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 12, 23 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 12, 18 f., 23–27, 29, 39 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 23, 27, 29, 95, 97 Fritsch, Thomas von 76 Fruchtbringende Gesellschaft 64, 66 Fürstenberg, Franz Friedrich Wilhelm Frhr. von 95 Fürstenbund 43, 77, 79 Fueter, Eduard 81 Gallitzin, Amalie Fürstin von 96 Garber, Jörn 93 Garve, Christian 4 Gatterer, Johann Christoph 81, 85 ff. Gegenaufklärung 16, 41, 69, 90–94, 96 Generallandschulreglement 27, 57 Gentz, Friedrich 90 Georg III., König von England 95 Gerbert, Martin 97 Gericke, Wolfgang 40 Gerlach, Karlheinz 69 Geschichtsphilosophie 81, 83, 85 Gesellschaften, patriotische 67, 70 Gesner, Johann Matthias 60 Gestrich, Andreas 32 Gibbon, Edward 84 Gierke, Otto von 62 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 78 Goethe, Johann Wolfgang von 30, 71, 78, 95 Göttinger Schule 81, 85 Goeze, Johann Melchior 38, 40, 95 Gold- und Rosenkreuzer 14, 16, 65, 67, 69 f., 91, 93 ff., 97 Goldhagen, Hermann 90, 96 Gottsched, Johann Christoph 66, 79 Graetz, Heinrich 49 Graetz, Michael 48 Graus, František 72 Greiffenhagen, Martin 93 Grimm, Melchior 12, 18, 30 Grolman, Ludwig Adolf Christian von 95, 98 Gustav II. Adolf, König von Schweden 78 Habermas, Jürgen 63 Hainbund 64 Halacha 51 Hamann, Johann Georg 90 Hamilton, Alexander 9 Hammermayer, Ludwig 47, 63 Hardenberg, Karl August von 57 Hardtwig, Wolfgang 69, 72 f. Harnack, Adolf von 41, 48
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Hartung, Fritz 21 f. Haskala 1, 13, 37, 48 ff., 52 f. Hassinger, Erich 83 f. Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf 22, 32 Hauptmeyer, Carl-Hans 60 Heerens, Arnold Hermann Ludwig 82, 85, 88 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 77, 81, 85 Heine, Heinrich 35 Hellmuth, Eckart 71 ff., 75, 77 ff. Herder, Johann Gottfried 79, 81, 84f., 90 Hermetik 1, 94 Herrmann, Ulrich 13, 53, 55, 57 Hersche, Peter 44 f. Herz, Henriette 50 Herz, Markus 49 f. Heyne, Christian Gottlob 85 Hinrichs, Carl 25, 29, 39 Hinrichs, Ernst 61 Hintze, Otto 21, 29 Hirschel, Moses 51 Historismus 15, 81–85, 89 Hoffmann, Leopold Alois 90, 97 f. Hofstätter, Felix Franz 97 f. Holbach, Paul Henri Thiry Baron d’ 9, 29 Homberg, Herz 49 Hontheim, Nikolaus von 43 Horkheimer, Max 3 Hubatsch, Walther 21, 29 Huizinga, Johan 72 Humanismus 8, 38, 83 f., 89 Humboldt, Alexander von 54 Humboldt, Wilhelm von 28, 54 Hume, David 9, 15, 84 Hutten, Ulrich von 72 f. Ickstatt, Johann Adam von 47 Idealtypus 12, 22, 24, 82 Iggers, Georg G. 83, 89 Illuminaten 14, 16, 63, 65, 67 f., 93, 97 f. Im Hof, Ulrich 59, 63, 66 f. Industrieschule 56 Ingrao, Charles 18 Israel, Jonathan I. 6 Jakob II., König von England 6 Jakobiner 32 f., 68, 70, 98 Jansen, Cornelis 44 Jansenismus 13, 44, 46, 95 Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm 40 Jesuiten 10, 16, 27, 37, 43, 45, 95 ff. Joseph I., röm.-dt. Kaiser 45
Joseph II., röm-dt. Kaiser 18 f., 22, 24, 27, 29–34, 37, 41, 44–47, 76 f., 97 Josephinismus 4, 8, 12, 31 ff., 45 ff. Jungius, Joachim 65 Justi, Heinrich Gottlob 59 Justizreform 28 Kabbala 37, 51 Kaffeehaus 14, 62, 64 Kameralismus 20, 25, 85 Kant, Immanuel 3, 9, 23, 40, 44, 48, 50 f., 55, 80 f., 84 Karl II., König von England 6 Karl XII., König von Schweden 86 Karl August, Herzog von SachsenWeimar 18 Karl Eugen, Herzog von Württemberg 76 Karl Friedrich, Markgraf von Baden 18, 22 Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz 23 Karl Theodor, Kurfürst von Bayern 46 f., 69, 97 Karl II. Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig 18, 57 Katharina II., Zarin von Russland 1, 18, 22, 29, 33 f., 78 Katte, Hermann 26 Katz, Jakob 49 Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton Graf von 22, 32, 45 Kaunitzismus 32 Keck, Rudolf W. 13, 57, 60 Kelleter, Frank 11 Kemper, Dirk 8, 91, 97 Kinder- und Jugendliteratur 55 Klein, Ernst Ferdinand 29 Kleist, Ewald von 78 Klingenstein, Grethe 31 Klopstock, Friedrich Gottlieb 78 f. Klosteraufhebung 30, 33, 37 Klueting, Harm 42, 44–47, 71, 73 Knigge, Adolph Frhr. von 62, 69 Köster, Heinrich Martin Gottfried 95 Kondylis, Panajotis 90, 92 f. Konservatismus 4, 16, 76, 90–93, 97 Kontroverspredigt 13, 35, 96 Kopitzsch, Franklin 66 f., 74 Koselleck, Reinhart 4, 63 f. Kosmopolitismus 1, 14, 71, 79 Kovács, Elisabeth 31 f. Kraus, Andreas 47, 83 Kraus, Hans-Christof 2, 4, 90, 92 Krauss, Werner 4, 6 f. Kreutz, Wilhelm 63 f. Krieg, Kalter 5
Personen- und Sachregister Krieg, Siebenjähriger 8, 11, 30, 67, 72, 75, 77 f. Kriege, Schlesische 45 Kronenbitter, Günther 90 Krüger, Gustav 91 Kunisch, Johannes 25 La Mettrie, Julien Offray de 9, 18 Lamprecht, Karl 81 Landesgeschichte 87 f. Landrecht, allgemeines 8, 23, 29 Langewiesche, Dieter 73 f., 79 Laudenbach, Margarete 44 Lavater, Johann Kaspar 36, 49, 95 Lavaterstreit 52 Lehmann, Hartmut 23 f. Lehmann, Karl Kardinal 3 Leibniz, Gottfried Wilhelm 8 f., 29, 50 Leopold II., röm.-deutscher Kaiser 19, 98 Leopold Friedrich Franz, Fürst von Anhalt-Dessau 18 Lesegesellschaft 62 f., 65 Lessing, Gotthold Ephraim 4, 9, 27, 39 f., 49, 52, 78 Levinger, Matthew 14, 25, 80 Lhéritier, Michel 21 Linné, Carl von 7 Locke, John 6, 29, 38, 50, 55 Lough, John 5 Ludwig XIV., König von Frankreich 7, 19, 21, 23, 93 Lunar Society 9 Luther, Martin 34, 38, 46, 78 Maaß, Ferdinand 46 f. Machiavelli, Niccolò 72, 86 McMahon, Darrin 16, 90 f., 93 f. Maier, Hans 3, 48 Maimon, Salomon 49 f. Maistre, Joseph de 93 Manheim, Ernst 3, 62, 64 Maravall, José Antonio 72 Maria Theresia, röm.-dt. Kaiserin 24, 32, 44 f. Marx, Karl 85 Marxismus 4 Maskil 49 ff. Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 18 Max III., Joseph, Kurfürst von Bayern 45 f. Maximilian Franz, Erzbischof und Kurfürst von Köln 18, 44 Mayer, Johann Friedrich 54 Medici, Cosimo dei 65 Meinecke, Friedrich 76, 80 Meiner, Christoph 82, 89
Melioration 19, 26 Mendelssohn, Moses 2, 4, 9, 13, 36 f., 48–52, 68 Merkle, Sebastian 2 f., 47 f. Merz, Alois 10, 97 Mesmer, Franz Anton 94 Mesmerismus 16, 94 Metternich, Klemens Wenzel Fürst von 32 Meumann, Markus 5 Michaelis, Johann David 35, 49, 51, 85 Michaelis, Johann Heinrich 35, 39 Mirabeau, Honoré Gabriel Riqueti Comte de 27 Mitrofanov, Paul von 31 Mittelalter 72, 74, 84, 87 Mittenzwei, Ingrid 12, 24, 26 Mittwochsgesellschaft 48, 68 Möller, Horst 4, 8 f., 13, 16, 18, 26, 28, 30, 35 f., 39 f., 47, 66 f., 69, 82 f., 85, 87, 91, 94 f., 97 Möser, Justus 71, 78, 84 f., 87, 90, 95 Mommsen, Hans 72 f. Monatsschrift, Berlinische 48, 68 Mondot, Jean 2 Montesquieu, Charles L. Secondat Baron de la Brède 7, 9, 75, 79, 82, 84, 87 f. Montgelas, Maximilian Graf von 9 Morsey, Rudolf 48 Moser, Friedrich Carl von 76 Moser, Johann Jakob 76 Mosheim, Johann Lorenz von 60 Mozart, Wolfgang Amadeus 44 Muchembled, Robert 60 Mühlpfordt, Günter 8 Müller, Johannes von 84, 87 Müller, Winfried 2, 4, 54 Münkler, Herfried 72 f. Muhlack, Ulrich 83, 88 f. Muratori, Ludovico Antonio 13, 44 Mystik 39 f., 94 Nationalgeist 14, 34, 74, 70 Nationalismus 1, 14, 34, 71–74, 80 Nationalliteratur 78 Nationalsozialismus 4, 62 Nationalstaat 73, 77 Nationsbildung 71 f. Naturrecht 34 Neologismus 41 Nero, röm. Kaiser 31, 36 Neugebauer, Wolfgang 20, 28, 41, 55, 57 Neugebauer-Wölk, Monika 2, 5, 63 f., 67, 70, 94, 99 f. Newton, Isaac 6
Nicolai, Friedrich 4, 9 f., 27, 36 f., 40 f., 49, 52, 55, 68, 78, 81–88, 96 Niedhart, Gottfried 21 f., 24 Nietzsche, Friedrich 12 Nipperdey, Thomas 62, 64 Oberkonsistorium 8, 28, 55, 57, 68, 95 Obskurantismus 90 f. Öffentlichkeit 14, 63, 91 Oestreich, Gerhard 20 Oz-Salzberger, Fania 1, 5, 9 ff., 100 Padover, Saul 31 Patrimonialgerichtsbarkeit 28 Patriotismus 1, 14, 34, 67, 72–75, 78, 80 Patriotismus, bürokratischer 71, 73, 80 Pestalozzi, Johann Heinrich 55 f. Peter I., Zar von Russland 86 Peter Leopold, Großherzog von Toskana s. Leopold II. Philanthropin 55 Philipp II., König von Spanien 21 Physiokratie 18, 22, 60, 80 Pietismus 12, 35, 39 f., 44, 54, 95 Pikulik, Lothar 58 Plongeron, Bernhard 42, 48 Pölitz, Karl Heinrich Ludwig 84 Polybios 87 Pope, Alexander 50 Porter, Roy 6 f., 16, 99 Preussner, Eberhard 64 Privatpatriotismus 73 Pütter, Johann Stephan 85, 88 Raab, Heribert 42 Ranke, Leopold von 15, 83 Rauscher, Hermann 48 Reformabsolutismus 11, 23 ff., 30, 32 Reformation 34, 38, 55 Reformkatholizismus 13, 44 Reformpädagogik 55 Regiesystem 26 Reichardt, Rolf 64 Reichsgericht 76 Reichshistorie 88 Reichspatriotismus 76 f. Reichsreform 11, 77 Reichsverfassung 76 f. Reill, Peter Hanns 83 Reimarus, Hermann 67 Reimarus, Hermann Samuel 39 f. Reimarusstreit 40 Reinalter, Helmut 24, 63, 70, 94, 97 Reinhard, Wolfgang 19
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Personen- und Sachregister Reitzenstein, Sigismund Reichsfrhr. von 9 Renaissance 38, 72 Rendtorff, Trutz 41 Repgen, Konrad 48 Resewitz, Friedrich Gabriel 55 Rettenwander, Matthias 8, 33, 46 Reventlow, Juliane Friederike 95 Revolution, Französische von 1789 3, 8, 14, 16, 31, 33, 65, 71, 74, 77, 80, 83, 93, 98 Revolution, Glorious 6 Revolution von 1848 8, 56 Robertson, William 15, 84 Rochow, Friedrich Eberhard 20 Romantik 91 Roscher, Wilhelm 11, 21 Rotteck, Carl von 84 Rousseau, Jean-Jacques 9, 11, 13, 55, 58, 73 Royal Society 65 Rüsen, Jörn 15, 82 Sack, August Friedrich Wilhelm 40 Sägmüller, Johann Baptist 48 Saint-Evremont, Charles de 83 Salon 14, 50, 64 Satanow, Isaak 49 Sauder, Gerhard 58 Schaich, Michael 95 f. Schenda, Rudolf 61 Schieder, Theodor 24, 29, 78 Schiller, Friedrich 79, 84, 90 Schindler, Norbert 63 Schindling, Anton 27, 54 Schivelbusch, Wolfgang 82 Schlegel, Friedrich 47 Schlesinger, Walter 72 Schlögel, Karl 7, 100 Schlögl, Rudolf 69 f., 94 Schlözer, August Ludwig 15, 81 f., 85, 87 f. Schmidt, Harald 36 Schmidt, Jochen 92 Schmitt, Hanno 55 Schnabel, Franz 3 f., 16, 22, 48, 92, 98 Schneiders, Werner 2 f., 6, 34, 91, 99 Schochat, Asriel 49 Schöpflin, Johann Daniel 84 Scholastik 6 Scholder, Klaus 35 Schrader, Fred E. 1 Schulwesen 19 f., 25, 27 f., 53 ff. Schulte, Christoph 37, 49, 51 Schultz, Helga 71, 90
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Schummel, Johann Gottlieb 53 Scott, Hamish 33 Sellin, Volker 12, 22 f., 25 f. Semler, Johann Salomo 39 f., 56 Shaftesbury, Anthony 50 Shipley, William 67 Siegert, Reinhard 8, 60 Sièyes, Emmanuel Abbé de 73 Simmel, Georg 62 Smith, Adam 9, 80 Sonnenfels, Joseph Frhr. von 32 Sozietät der Wissenschaften, Brandenburgische 65 f. Sozzini, Fausto 38 Sozzini, Lelio 38 Spalding, Johannes Joachim 40 Sparn, Walter 39 Spener, Philipp Jakob 39 Spinoza, Baruch 6 Spittler, Ludwig Timotheus 81, 85, 87, 89 Srbik, Heinrich Ritter von 80, 82, 87 Staatspatriotismus 75 Staatsräson 20, 29 Stark, Johann August 90, 95 Stauber, Reinhard 72 Stein, Lorenz von 62 Stolberg, Christian 95 Stolberg, Friedrich Leopold 95 Stolleis, Michael 64, 76 f., 79 Strafvollzug 4, 28 Struensee, Johann Friedrich 28 Studentenorden 69 Stützel-Prüsener, Marlies 68 Sturm und Drang 9, 79, 90 Svarez, Carl Gottlieb 29 Swieten, Gottfried van 32 Syllabus errorum 42 Szondi, Peter 58 Teller, Wilhelm Abraham 40, 57 Tenorth, Heinz-Elmar 54, 61 Terreur 2 f., 77 Thomasius, Christian 8, 60 Tindal, Matthew 6 Toland, John 6, 38, Toleranz 26 f., 34 ff. Toleranzpatent 19, 27, 30 Trapp, Ernst Christian 56 f., 60 Troeltsch, Ernst 2, 29, 41 f., 48 Troeltsch-Harnack-Kontroverse 38 Turgot, Anna Robert Jacques 22 f. Umbach, Maiken 7 Universalhistorie 84, 88 Universität Frankfurt/Oder 25 Universität Göttingen 35, 44, 86
Universität Halle 12, 18, 39, 44, 54, 56 Universität Leipzig 12 Valjavec, Fritz 4, 6, 8, 16, 31, 33, 47 f., 90, 92–94, 96, 98 Vereinswesen 62, 64 Verfassungsgeschichte 89 Verfassungspatriotismus 71 Vico, Giambattista 86 Vierhaus, Rudolf 1, 5, 8, 10, 15, 21 f., 30, 42, 53, 62, 71, 73 ff., 89, 95 Volksaufklärung 8 ff., 13 ff., 41, 54, 58 ff. Volksfrömmigkeit 36, 43 Volksnation 14, 73, 80 Volkssouveränität 14, 77, 80 Voltaire 7, 9, 11, 15, 27, 34, 40, 51, 60, 79, 81, 84, 86, 88, 96 Voss, Jürgen 60 Weber, Eugene 77 Weber, Max 61 f., 82 Wehler, Hans-Ulrich 73, 84 Weishaupt, Adam 68 Weiß, Christoph 90–94, 98 Weiss, Eberhard 48 Weissenbach, Joseph Anton 96 f. Weltkrieg, Zweiter 93 Werner, Karl Ferdinand 74 Wessely, Naftali Hartwig 49 Whaley, Joachim 34 Wiedemann, Conrad 74, 79 Wieland, Christoph Martin 2, 88 Winter, Eduard 4, 7, 33, 46 f. Wöllner, Johann Christoph 91, 95, 97 Wöllnersches Religionsedikt 8, 35 f., 95, 97 Wolff, Christian 18, 29, 39 f., 44, 50, 58, 60 Wolfssohn, Aron 50 f. Zaunstöck, Holger 5, 14, 63 ff., 69 f., 99 Zedlitz, Karl Abraham Frhr. von 28, 56 f., 75 Zelle, Carsten 13, 35, 96 Zensur 19 Zimmermann, Harro 99 Zimmermann, Johann Georg 9, 75, 85, 95 Zincke, Georg Heinrich 9, 58 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 39 Zunz, Leopold 52