Das Wesen der deutsch-evangelischen Volkskirche der Gegenwart 9783111668802, 9783111284088

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Das Wesen der deutsch-evangelischen Volkskirche der Gegenwart
 9783111668802, 9783111284088

Table of contents :
Einleitung
I. Die religiöse Grundlage
II. Kirchenmitgliedschaft und kirchliche Berfassung
III. Die Stellung der deutsch-evangelischen Boltstirche zu Staat und Kultur
IV. Die voltstirchliche Einzelgemeinde

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Vorträge der theologischen Konferenz zu Glessen = 24« folge •

Das

Giesen

d e r deutacb-evangeUscbenVolksfrircbe der Gegenwart von

D. Karl 6 g e r

proftesor am prcdfgeraeimnar zu frUdberg

Verlag von Hlfred Cöpeltnann (vormals J. Richer) Glessen 1906

6 i n "Verzeichnis der fr0 her erschienenen Vorträge befindet sich auf der 4. OmsdiUgseite

Torträge der theologischen Konferenz zu Glessen = — = = = = = 24. folg« = = = = =

D a s Sieden derdeutöch-evangeUöchenVolkökircbe der Gegenwart von

D. Karl 6ger

prof«»»or am prcdfgcrscmfaar zu friMtbcrg

Verlag von Hlfred Cöpelmann (vormals % Richer) Glessen 1906

S t u d (ton G. e . «Oker

m. b.

fieipjlg.

®aö 33erfaffung3ebift für bie ©bangetifdje Sirdje be8 ©rofcljerjogtumS Reffen (1874) begrünbet bie Sinridjtung, bie baö SRücfgrat unfrei boIMrcf)lt(i)en SRedjtSorbnung bilbet, baS tanbeSfjerrtic^e Äirc£|enregtment, furj unb bünbig bamit, bafj ba8 Äir^enregiment ¡Dem Sanbe^errn „t)et= fömmticf) juftei)e" (§ 4). ®aran ift jtoeiertei intereffant: einmal, bafj mait eö für nottoenbig ijätt, bie ^Catfo^e jenes ^Regiments befonberä ju begrünben; barnt, bafj man für bie Xatfacfje bod) feinen anbern ©runb anzugeben toei% als ben ber nacften gefc^icf)tticf)en «ßofititoität. ®aö betoeift, tbie toenig bamalö 2J?änner, bie e3 mit unferm beutfdj=ebangeli* fäen SBoitefirdjentitm bocf) tbatjr^aftigtt>oi)Imeinten, grunb» fäfcti(§ mit jener 3nftitution anzufangen mußten. Unb e$ ttirb Ijeute noc§ bieten äfjntid) gefjen, wenn aud) bie fird)en= red)tlic§e SBiffenfdjaft, bor allem unter SRicfcr« ®infiu§, feitbem tiefer in baä SSerftänbniä ber fac^tic^en ©rünbe eingebrungen ift. — ®a toir nun aber alle, bie toir Ijier beifammen ftnb, mit bem SBolfSfirdjentum beruftief) ju= fammenfjängen ober jufammen^öngen »erben; ba e3 bie formen ^ergibt, in benen toir unfrer religiös=ftttltcijen Sirbeit nadjjugefjen §aben: fdjetnt e3 mir ein erfpriefjlidjeg Unternehmen, im weiteren fireiä eine SBerftänbigung barüber ju berfuc^en, ob baä ©ebilbe: beutfdj*ebangelifd)e 5Botfa=> fird)e ber ©egentoart bei genauerem ßufe^en eine in fief) gefdjtoffene unb ftare Slntoort über fern SEBefen unb über bie in itjm fidj auStoirfenben ©runbgebanfeit geben fann 1*



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ober nidjt. betone auSbrüdlidj: eS Ijanbett fidj mir barum, bie ttotfjanbene SSotfsiirc^e um bie SIntwort j u fragen, bie fie u n s übet if)t SBcfen tatfäcf)lid) gibt möchte bot allem anbeten ben g e l t e t toermeiben, t o n beftimmten Xljeorieen unb SBorauäfefcungen a u s an bie ©röfje: ffiolfSfirdje t)eranjugel)en unb fie untet biefe ^ e o t i e e n unb ©orauSfefeungen j u beugen. Starin liegt, foöiel ici) fe^e, bet ^»auptgrunb, warum bie grage nadj tljrem SEBefen fo tierfdjieben unb oft fo unffar beantwortet wirb. Älingt burdj meine 9lu3füljrungen bodj öfters ein SBerturteil burdj, fo wollen ©ie ba8 ber allgemein menfdjlictyen Unfä^igfeit, ©ebilben bet (Gegenwart, bie (¡Einen perföniicf) angeben, wirtlid) objeftiü gegenüberjutreten, j u gut galten. äfteine a b f i e l t ift ¡ebenfalls ein möglidjft objetttoeS Einbringen in ben toirftidjen Xatbeftanb, ben eä auf feine toefentiidjen SRerfmale j u untetfudjen giit. 3cf) barf beSljalb woiji audj bitten, bei bet ©efprecfyung bie ©ebanfen nidjt fo fc^r barauf j u rieten, ob baä, was bie 93oi!äiirc§e bietet, ben f e t t e n g r u n b f ä f c l i d j erwünfcf)t ober unerwünfdjt fdjeint, fonbern barauf, ob idj ben i a t b e f t a n b unb feine fennjeidjnenben SKerfmate r i c h t i g g e f e i e r t Ijabe. © o innerlich jarte $)tnge wie bie, bie baä Söefen bet beutffyebangeiifdjen SBolteiirdje beftimmen, finb nid)t leicht richtig §u fe^en. Slbet alle SBerbefferungSarbeit an ben beftefyenben 3 u f t ä n ^ e n r a u c § bie firdjenpolitifc^e Sirbeit im engeren © i n n , ift in ifjrer erfpriejjlidjen $)urci)füf)rung batoon abhängig, ba§ man üott ber j u oerbeffernben ®röjje erft einmal ein wenigftenS an= näljernb r i d ) t i g e 8 S t i b befommen Ijat. ®rft aus bem ©ergieidj beS 3beal3, ba3 man erftreben j u müffen gtaubt, mit bem Oor^anbenen 3 u f t a n b ergiöt fid), ob man eS bei ber Strbeit j u r ©erbefferung beS SBefteljenben auf StuSbau ober Umbau ablegen mufj. 2Bie notwenbig beim (Spielen



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unb SRingen unfrer ftrd)licf)en, firdjenpolitifdjen unb aügemein Politiken Gräfte folcfj ein fiareS Urteil über beit gegebenen SluSgangSpunft ift, tritt Ijoffentiidj im ißerfauf meiner Ausführungen itnb unfrer S3erf>anb(ungen beutiicfj l)erau3. SEBenn idj genau borgegangen wäre, f)ätte idj eigent* lii| nidjt Dom SEBefen ber beutfdj-eöangelifcfjen Sotföfirdje, fonbern ton bem ber beutfcfjen eDangelifdjen ßanbeSfirdjen ber ©egentoart reben müffen. 3cf) Ijabe aber lederen 3lu8* bruef a6fic§tlidj üermieben, um anjubeuten, bajj id) nic^t fo feljr bie red)tlid)e gorm unfrei gegenwärtigen beutfc^= ebangeiifctyen Slirdjentumö jum ©egenftanb unfereö SRad)« benfenä matten möchte, aiä öietmci)r bie in biefer gorm fic§ bergenben treibenben unb geftaltenben Äräfte. Unb für biefe ift ber 9Iu3brucf ,,t>oIfSiirc§licf)" entfliehen ber fa^igemäfjefte. 2)abei brause id) natürlich baä SBort „SBotföfirdje" I)ier nicfyt in bem Weiteren ©inn, ben if)m Sitteliö in feiner $ßraftifdjen Geologie gegeben f)at. ®r öerfte^t barunter jebe ftrcfjiic^e ©emeinfe^aft, bie iljren Se= ftanb primär nid)t butci) freien ^Beitritt feibftänbig Über» jeugter, fonbern burdj baS 9?ad)tt>adjfen ber jüngeren ®e* fc^tedjter erhält unb ergänzt. ®a8 fennjeidjnenbe ÜRerfmat ber beutfc^=et)angeiif^en 93olföfircf)e ergibt fic§ aber erft barauä, bofj biefe 5Bolf8iird)e auf ben innigften 3 " s fammenf)ang mit bem gefamten geiftigen unb fitt« liefen Seben beö beutfdjen SSolfö eöangelifdjen S e i l s unb auf bie ftetige, georbnete SBeeinftuffung biefeS SSolfSlebenS mit Gräften be8 Güangeiium» abgejwerft ift.



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I. $ i e religiöfe (üruitMage. 9D?an ift im allgemeinen fo wenig geneigt, unfer Sanbeätirchentum religiös §u würbigen, bafj manchem fchon bie grage nadj einer retigiöfen ©runbtage ber beutfch^ evangelicen 9SoIféKrct)e befrembíid) erffeinen mag. 9 m 3uftanbetommen untrer 33olféfirdje in i^rer gegenwärtigen ©eftalt unb SRedjtSform (feinen im allgemeinen wefentiidj anbere SKotiöe mitgewirft §u haben ató religiöfe. SWan meint, ber §auptgrunb beim Sßerben biefer Kirche f)ábt in ber 2lb= neigung ber b e u l e n gürften gelegen, ein Steigt aus ber §anb ju geben, baS [ich bei ihnen allmählich aus iíjrer in ber SReformationSjeit empfunbenen heiligen $fiicf)t, für regten chriftlidjen ®otte8bienft im Sanb §u forgcn, unter bem @influ§ naturrechtlicher, abfolutiftifc^er ©taatégebanfen enttoicfelt hatte. Unb bafj fie ihre 2lnfprüdje auf Seitung ber Äird)e in folgern Umfang geitenb macfjen fonnten unb bié heute geitenb machen fönnen: baé fdjeinen fie Wefentlicf) ber äußeren unb inneren Df)nmacf)t unfreä SßoIfäfird^cn= WefenS unb feinem auch nach ©tnfü^rung ber „halben" Sßre36hterial= unb ©tjnobalberfaffungen immer nod) ganj ungeheuerlichen TOangel an tatfräftiger, felbftbewufjter lieber Drganifation ju berbanfen. ®ie Oebanfen bietet be= Wegen fid) in ber ^Richtung, bafj, wenn bie felbftänbige fachliche Drganifation fid} erft richtig entfalten unb nach aufjen unb innen in nachhaltige Stätigfeit treten werbe, bie



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begriffStoibrige unb untoürbige ^Regierung ber Äirdje burd) eine fcembe SDfac^t allmdljlid) baljtnfterben toerbe tote bec ©djnee öor ber grüljltnggfonne. £>abet geljt matt jebodj int allgemeinen Don bec SBorauéfefcung au3, bafj aucty oljne ba8 lanbeStjerrlidje Äirdjenregiment bie ©igenfc^aft bet beutfc§= evangelicen Äirinn burdjauä ermatten bleiben fönne. Silfo bie 33olf8fird)e an fic§ ^ätt man toert, glaubt fie a6et reli* giö8 toertooQ erft machen ju fönnen unter attberen S8e= bingungen até ben gegenwärtigen. Slber man mag über bie Urfprünge unb 3 u f ^ n b e unfrei beseitigen SSotíéfirc^entoej'ené urteilen, toie man toiH; man mag baS SÜZittoirfen aufjeríirdjlidjer ®e[id§t¿= puttfte bei ber SRedjtSgeftaltung, bie eä angenommen Ijat, nodfj fo Ijodj etttfdjäfceit; man mag bie 9JoHe, bie ba3 (Streben ber ©taatägetualt nadj Dmnipotenj, bie politice unb firdjenpolitifdje Unbeplflidjfeit, bie religiöfe unb fircf)= lic^e ©leidjgültigfeit ber SDZaffe babei gezielt Ijat, nodfj fo ftarf in Slnfdjlag bringen: baS Unrecht fotlte man unfrer S3olféfirc§e titelt antun ju meinen, bajj fie baä einjige fird&lidje ©ebilbe in ber ganjen SBelt toare, ba£ nicljt aus beftimmten © r u n b g e b a n f e n r e t i g i ö f e r 9trt, toenn audf) natürlich, toie a l l e ftrd^ltc^en ©ilbungen, unter SKittmríung anberer gaftoren, getoat^fen ttäre. D l j n e r e l i g i ö f e © r u n b l a g e f a n n feine ßirdtje b e f i e l e n ; unb toenn unfere beutfdj=etxmgelifc§e 93olfafircf)e, fo toie fie tft, nic^t eine ©runblage folget 2trt Ijätte, toäre fie fd)on längft j u ©runb gegangen, toäljrenb fie mit all iljren gedient unb SRängeln unb Unebenheiten benn boefj nodj retfyt feft j u fielen f^eint. SBieCeidjt liegt aud) ber Umftanb, bajj fie mefjr toie irgenb eine anbere firdf|lidje SBilbung ben Neigungen iljrer SKitglieber auSgefefct ift, an üjr ju t r i t t



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fielen uitb ju experimentieren, gerabe mit in tljrem Sßefett, unb jttwt in intern r e t i g i ö f e n SBefen. Die gefdjidjtlidje SBurjel beS beutfdj=etoangelifd}en SanbeSlirdjentumS ber ©egentoart ift bet l u t l j e r i f d j e Ü e r r i t o r i a l f i r ^ e n f t a a t bet 3teformation8§eit. Steffen engen 3 u i a m m e n ^ a n 0 bie ©nttoidElung bec fatljotifdfjen abenblänbifdjen SKrdje be8 ÜJiittelalterS ergeben Ijat, aufjutoeifen unb fein Stecht an ben urdjriftlidjen unb refonnatorifcljen 3beaien oon fircl)lid(jer ©emeinfc^aft ¿u prüfen, liegt nidjt im SRa^men biefer DarfteGung. 3eben= falls toar bet fid} fröftig a n b a l j n e n b e £erritorialfircf)en= ftaat audj nad^ ßutf)erä Urteil im allgemeinen eine burdj* aud legitime f " r Orbnung audj ber firt^lidjen Ängetegenljeiten, unb, toaä für und au8fdf)laggebenb ift: er ift ber gefdjidjtlid) gegebene ? l u 8 g a n g g p u n f t für bie gefamte toeitere ©nttiridlung. 3 u m SSefen btcfcö lutlje* rifdfjen Serritorialfirdjenftaatg gehört nun nidf)t blofj bie SReligionS* u n b Sirc^eneinijeit beö X e r r i t o r i u m ä (bieä SKerfmal teilt et grunbfäfclid) mit ber ganjen Qtit), fonbern bot allem ber grunbfäfclidje 93erjid)t auf i t g e n b toeldfje g e f o n b e r t e D a r f t e t l u n g u n b SBertretung ber © r ö f j e : i i i t d j e gegenüber ber poütifcljen SBolf g e m e i n f d j a f t u n b ifjren ©etoaltliabern. Die SBirf= famfeit bed ©eiftcS Sefu ßfjrifti toirb gefiebert nic§t burdj irgenbtoeldfje D r g a n i f a t i o n ber SHrd)e al8 befonberet T^IigiflS=ftttltc^cr ©emeinfe^aft, fonbern baburd), bajj bie Sßrebigt beä in fid) fräftigen unb genugfamen lauteren (SbangeliumS nidjt toerftummt. Der status eccleaiasticus im engeren ©ütn ift beäljalb au8ftö toegen gar nicht genommen »erben bürfe. SRun aber toirb um bie SBenbe beS 17. unb 18. 3ahrhunbert8 bie neue 3 e ' t geboren, bie baS, »aS bei fiutherö reformatorifdjer $ a t entfeheibenb mitgefch»ungen hatte, aber bon ihm nicht hatte auf bie nach allen SRich» tungen fiare gormet gebracht toerben fönnen; baS per fön» lidje religiöfe (SrlebniS, jum Siuögangäpunft if)re8 ®enfen8 über religiöfe ®inge macht, üftan fieht im Sieben« einanber ber Äonfeffionen im SReich unb erfährt e8 an [ich fetbft, ba& bie Sine göttliche Söa^r^eit in berfcfjtebenen 2Kenfdjen berfchiebenen SBiberhaU finben !ann, unb man folgert barauä, bajj baä Snbibibuum baö SRecht ha&en mufj, auf bie Stimme beS eignen ©e»iffenä auch in 5trt, toie e8 bie SBahrheit ©otteö berfteht, ju hören. §anb in §anb bamit toirb oberfte Pflicht in retigiöfen fingen nidjt, toie feither, mit allen jur Verfügung ftehenben 3J?it= teln bie anberen unter bie reine fiehre be8 ©bangeliumä ju bringen, im SRotfaü ju jtoingen, fonbern ber SRefpeft



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b o r ber a n b e t e n r e l i g t ö f e n Ü b e r j e u g u n g , bie % o h * r a n j gegen teligiöä anberg ®enfenbe. ÜJfit bem ©runbgebanten, bec baS alte lutljerifdje Xerritorialfirdjentoefen trägt, ber trägt fidj nun biefe ber« änberte religiöfe (Stimmung, bie in ben füfjrenben Greifen, trenn audj mit größerer ober geringerer Sonfequenj, balb aHein§errf(i)enb toirb, rtie geuer unb SBaffer. ®er alte 3uftanb mufjte aufhören, baö ^¿rritorialfirdjentum ent= toeber fallen ober bodj einen ganj anberen Sinn annehmen. finb nun jtoet Sßege möglich, bie au3 ber alten 2e§r= einljeit IjerauS jur Slnerfennung ber ©etoiffenSredjte be3 religiösen 3itbibtbuum3 führen. (Snttteber: man nimmt feinen ©tanbort beim f r o m m e n S n b t ö t b u u m unb gibt biefent Stecht unb grei^eit, fidj ber befonberen religtöfen © e m e i n f d j a f t anjufdjliefeen, bie feiner p e r f ö n l i d j e n Ü b e r j e u g u n g entfpridjt ®ie grofje bolfSfirdjlidje ©emeinfäaft löft fid) bann auf in eine ©umrne bon r e l i g i ö f e n © e f e l l f d j a f t e n , ju benen fidj bie «Staatsgewalt lebiglidj tooljltootlenb neutral ju ftcllen Ijat. ®en 2Beg ift bie ©nttoicflung folgerecht, nacfj Anfängen unb teiitocifcr ®urdjfüijrung in Snglanb, in 9Jorbamerifa gegangen. @r gibt übrigen«, trofcbem er am ©ebanfen bom religiöfen SRed^t bed frommen 3nbibtbuum3 orientiert ift, biefem in SBirtlic^ieit nidjt fobiel, toie ei fdjeint, toeil ber einjelne in ben fidj bilbenben Heineren Äreifen feljr eng an bie K o r p o r a t i o n , ju ber er fiel) Ijäit, gebunben wirb. SlHerbingä Ijat er bem gegenüber ftets ba8 SRedjt bed Übergangs bon einer religiöfen fcUfc^aft jur anberen ober ber SReubilbung religiöfer ©e= noffenf^aften mit ©leidjgefinnten. ©8 gibt aber nodj einen anbem SEBeg au8 ber (Sin» Ijeit beä alten ÄonfeffionSftaatS jur Slnerfennung beS



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Üiedjtä, bie göttliche SBaf)ri)eit i n b i ö t b u e l i j u erleben unb aufeufaffen. ÜD?an nimmt babet junt SluSgangäpunft nidjt ba§ religiöfe 3tec§t be8 frommen SnbiötbuumS, fort= bern bie j u c jeugni^mäfeigen Serfünbigung bet gött= Itd^cn S B a ^ r i j e i t 6eftef)enbe ©ütridjtung beä p a r o t i s a t e n ^ ß r e b i g t a m t e i unb gewährt nun ben einjelnen, ben Sßrebigern unb natürlich nodj mef)r ben „ßuljörern", baS Siecht, ficfj j u biefer 2BaIjrf)ett i n b i ü i b u e l t b e r » fdjiebett j u f t e l l e n , oljne bajj man barauS 9Intajj näfjrne, bie Snbitribuen nun nac§ ber SBerfctyiebenfyeit biefer Stellung l o r p o r a t i o j u fonbern. ® a f j bei biefem Sierfaljren bie innere, perfönlidje greifyeit be3 religiöfen Snbtoibuumä, trofcbem man eä fidj nidjt nadj freier 3Bai)i religiös affo» jiieren läfet, nidjt geringer, fonbern größer ift atö bei ber JBilbung bon ©onberforporationen, feuchtet ein. 3 n toetdjem Umfang man ben ©emeinben, ©emeinbegtiebern unb Sßfar= rern öon biefen ©runbfäfcen au3 im 18. Saljrijunbert SBe* toegungSfreiljeit tiefe, bafür bringt g ö r f t e r in feinem 33 or» trag: ®ie SRedjtStage bei beutfdjen art noch geringen SIu8= 2*



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nahmen ben j a r r e r o bie reformatorifcfjen Sefenntniffe ató toerpflicíjtenb öor^alten, ift fennjeidjnenb tote nichts anbérea für bte STrt ber fieljrberpftidjtung, bie in biefet Äirdje allein ntdgiic^ ift. ®enn eine foldje SBerpflidjtung ber Pfarrer auf bie reformatorifdjen Seíenntniffe fegt eine ftiHfd)tt>eigenbe ober auébrücfíiáje Unterfdjeibung jtoifdjen „Äern" unb „«Schate", jtoif^en „©eift" unb ,,8ud¡ftaben" biefer SBefenntniffe boraug, ba eé in SBirtlidjfeit niemanb einfällt, bon einem SMener ber fítrcfje fjeute genau biefelbe Stellung §u ben Sefenntniffen ju »erlangen, rute fie ber SWeinung ber SBerfaffer ber Seíenntniffe entfprad). 9?im aber ift mit einer Drbnung, bie nur bem Sern, nidjt ber ©c^ate nad) öerbinblid) fein foö, redjtlicfy genau bt> fefjen nic^té anzufangen — bal>er baS ©efüíjl ber SRedjtö« unfidjerljeit in ben gäHen ber fogenannten „8eljrjucf)t", bie Sefdjmerben barüber, balb, bafj bie bejüglid) ber Unter« fdjeibung jfoifdjen Sfern unb Schate an iíjr getoiffenS» mäfjigeS Urteil getoiefene Se^örbe ¿u unebangetifc§ eng, balb, bajj fie ju l a j entfdjeibe. Sßarum mad)t man aber nid)t bem unerquiclíidjen 3 u i t a n ^ baburd) etn @nbe, bafj man ein neues, Mar u m f ^ r i e b e n e « , in jeber ein* jeinen SBeftimmmung redjtiid) berpfiidjtenbeS 58e= f e n n t n i s formuliert, fo bafj jeber genau toeifj, moran er fid) ju galten §at? 2Jiartcf)e meinen: lebiglidj propter calamitatem temporum — toeil man nid)t f a n n , toeil man ein berartigeö Sefenntnté nie fo formulieren fönnte, bafj nid)t nad) red)t8 unb tintó Slbfplitterungen bon ber Äircfje erfolgten, bie bie Äirdje ató SBoltófirdje aufhören liefen ju ejiftieren. SBer aber ber angelifc^e SBolfäfache ^ a t aber einen f o l g e n feft g e f $ I o f f e n e n firc^liefen Ä ö r p e r nicht unb tarnt iíjn, tote luir gefefjen haben, ihrer SIrt nach nicht haben. Sßielmehr mujj jeber SBerfudj, unfere beutfdjen ©öangelifchen unter rechtlicher Serücffichtigung bes ÜJíomenté p e r f ö n * l i d j e r ebangelifeher Über§eugung folgerecht firc^iic|=genoffen= fchaftlidfj ju organifieren, ju einer gerfchíagung ber et>an= gelifdjen S i n h e i t in ber S R a n n i g f a l t i g f e i t führen, auf ber unfer beut[ch=et>angelifcheá SBolfófadjentum aufge= baut ift. m ü bie beutfdj=et>angelifche SSoIfétirc^e ihre beiben ©runbfäfce eöangelift^er 3 u i Q m m e n 9 e ^örig!eit unb perfönlidjer ebangelifeher Überzeugung jugleich toasten, fo fann ba8 organifatorifch mit Srfolg nur fo gefchehen, bafj man bie Oon ber íutíjerife^en Sieformation geforberte ©Reibung jttift^en bem lebiglich j e u g t i i á m a f j t g (verbo, sine vi humana) ju üertretenben geiftliefen unb bem jur »eltlichen (Setoalt gehörigen rechtlichen ÜJfoment folgerechter, ató e§ in bem altlutherifchen Serritorialfadjen» ftaat gefdjehen ift, burchführt. ®aä alte ßuthertum hatte bem Inhaber ber politifchen ©etoait bie Drbnung ber restlichen ©inge auch a u f fitchii^em ©ebiet, anfangt fubfibiär, bann grunbfäfclich, überlaffen, hatte bann aber butch ©nbejiehung



33



b e r 2 e l j r e i n b i e firc^iic^e S R e d ^ t ö o r b n u n g

b a ä geroonnene

fRefuitat ber © R e i b u n g jtoifchen ©eiftlidjem u n b (SRechtltdjem) —

n a ^ e j u i H u f o r i f c h gemacht.

ausgeübt ber

in

ftnb.

ber

©o

entfe^eibenb autorisiert,

fich m i t Setoufetfein o b e r u n t e r b e m auf

fiirdje

ergibt

ebangelifdje

f o b e s t i m m e n , b a f j bte

b i e nadE) ttrie b o r

bie bie ©taatögetoalt einfe$t u n b

SBerljältniffe

auef)

toefentlich

i n ber Äirdje,

toirb,

bie

Angelegenheiten

rechtlicher

fidj

Statur,

unter

gretlaffung

be8 © e b i e t ö p e r f ö n l i d j e r r e l i g i ö s e r Ü b e r j e u g u n g i m

liehen 9 t e d ^ t § o r b n u n g bilbung ft^e

„firdjlidjen"

be8

fich

biefe

tumS

an

ift

laffen,

fdjaffen

unb

bafj be8

SWerbingS

ift

ganje

SKeinuhg

ba3

Problem

beS

fiütholijiSmuS

fteüen

in

ihren



für

Segriff

beS

gern

bie

Organe

biefe

grunb®

Sluäbrucf

fommt.

benen

§um

Äir^en»

beS

unb

innerlich

aus,

ber beS

lanbeSljert» öerftänbiich

i m ©egenfafc bott

boftrinären

biefem

jutraut

©taateä

ffiget, Da* ZBefen ber BoltiJinie

al8

unb

ju fich

SiberaliSmuä

ber gefamten SBolfSfuItur

^öc^ftcn S u f j e r u n g e n im

©taateit

nicfjt n u r

audj

unb

laffenben

bem © t a a t bie p f l e g e

poltti=

tn

beutfcfjen

©nridjtung

b o n einem © t a a t S b e g r i f f

ber

bte

ßir^enregimentä

in

möglich

firch*

Körper«

ber

iljr

rechtlich

bie

an

ebangelifchen

autorifieren,

liehen $ircf)enregiment3

eigne

Unb

bie

fonbern

fäfcliche A n l e h n u n g

ber

a u f « engfte a n l e h n t .

ber,

Anlehnung

auf

bie polttifc^e ©emeinfehaft

gefallen

nur

SBerjic^t

lanbeä^errlichcn

©egentoart

SRa^men

f i d ) ^inftd^tlic^

®eficfjt3punften

©olfggemeinfchaft

© i n n ber

nach

unter

bie

weltlich,

b a f j b i e beutfd)*

grunbfäfclicher

©emeinbetoufjtfeinS

3»ang

befdjränft,

b . h- a b e r

ber heutige 3 u f t a n b ,

SBotfäfirche

ebangelifchen

toieber

® i e S i n t e ber weiteren ©nttoid»

I u n g i n ®eutfd)Ianb läfjt fid) SRe^tSorbnung bon Organen,

SBeltlidjem

nicht Ä h n l i c h e m u n b (Staatlichem —

jumutet

Äulturftaat 3

auch unb

liegenb



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anfielt, baß er auch ben eminenten SBert bet SReligion, jumal ber djriftlichen, füc bie innere ©efunbheit beé S8olfé= lebené j u toürbigen toeiß. ÜDaé ift bie ©taatéprajié (wenn aud) itidjt immer bie ©taatétheorie), bie bei uñé in ®eutfch* lanb in gerichtlichem gufammenhang a u á bem alten Xerritorialftaat mit feiner burdjaué einheitlichen, religiös orientierten ßultur ertoachfen ift, unb bie, fo biet ich fe^e, bei SRegierenben unb Siegierten trofc ber fie burd)freujenben politifchen ÜDoftrinen unb ©chlagtoorte aufjerorbentlicf) feft fteht. ® e r Unterfc^ieb üom aíten Serritorialfirchenftaat ift nidjt ber, bajj bie cura religionis, bie biefer übte, auf= gehört unb ber böKtgen freigäbe beé religiöfen Sebené, auch fo toeit e3 an bie Ö f f e n t l i d j f e i t tritt, unb feiner Orbnungen an baé inbiüibuelle Selieben P a f e gemacht ^ t , fonbern ber, baß bie cura religionis beé mobernen beut= fc^en fíuíturftaaté einen anberen © h a r a f t e r angenommen hat. ®er moberne beutfdje Äutturftaat glaubt nicht mehr, bie Religion unb ihre Äußerungen im SSolféíeben öon fich aué btrigieren unb reglementieren j u fönnen. ©r fann unb toiH ireiter nic^té tun, alé bem im 93oIf pulfierenben religiöfen Seben, fo toeit baé nötig unb emünfdjt ift, bie ä u ß e r e n g o r m e n fichero, in benen eé regelmäßig unb georbnet herlaufen fann. ?lußerbem hot et ben ^rieben jmifchen ben öerfd)iebenen religiöfen ©emeinfdjaften j u mähren. ® a ß ber ©taat bei biefer Slrt oon cura religionis bem eöangelifdjen SSoífétcií mehr bon ben äußeren gormen religiöfen Sebené ü o n fich oué bieten muß ató bem in ber ftaatömäßig organifierten fatholifchen £irdje befchloffenen, bebtngt ben Unterf^ieb, ber im Umfang beé ftaatlichen ©infíuffeé auf bie ftrdjlicfjcri Angelegenheiten gegenüber ber fatholifchen unb gegenüber ber ebangelifdjen Äirdje befteht. ® a bie Söahrung firt^íic^er SRechtéorbmnig,



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jumal in bem Umfang, toie bec (Staat fie ber ebangelifdjen Sirdje gegenüber ausübt (Sefefcung ber SßfarrfteHen!), ein i n n e r e s SSerftänbniS für bie ®inge, beren 9iecf)töorb» nung j u eríebigen ift, borauéfefct: ift eé bei ber fonfeffio= ncQen 9Kifcf)ung ber Sebölferung felbftberftänblid), bafj ber S t a a t fid) bei ber über bie allgemeine , tt>aS bei bent leben» n a c § p e t f ö n l i d j e r güfjlung bigen SBebürfniö unfrer unb perföntid)em StuStaufcf) nur j u öerftänbtid) ift, aud) in öerfdjiebenen f o r m e n baS (Streben nac§ gottcöbienftiic^er ©emeinfdjaft im engeren ÄreiS geltcnb. ®iefe Intimität mirb teils baburdj crreidjt, bafj fid) um ben offiziellen Präger ber Sßortüertoaltung in ber ©emeinbe, ben Pfarrer, in Sibeiftunben, Sibelbefpred)ftunben, SBibelfränjctyen ober loie fie fonft tarnen unb Snfjalt f)aben mögen, ein engerer,



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aber nidjt abgefdjloffener unb toefentlic§ burdj bie gemein* fame Sejiel)ung jum Sßfarrer jufammengeljaitener ÄreiS famtneit See Ärei3 ber Aufgaben be3 Sßfarramtä ^at gerabe nadj biefer ©eite ber Sefriebigung befonberer gotteä* bienftlicf)er Sebürfniffe neben bent allgemeinen eine große ©rtoeiterung erfahren. &afj fte böHig im SRa^men bei tioifSftrc^iicfjen ©afceS bon ber ebangeltfdjen (Sinljeit in ber 3Ranmgfaltig!eit liegen, toirb eben tooljl allgemein an» erfannt Sßiet fdjtoieriger ift bie grage ju beantworten, toie born bolfsftrcfyiidjen ©tanbpunft aus über bie 33er* einigungen ju gotteSbienftiidjer ©emeinfäaft ju urteilen ift, bie, au8 bem i n b i b i b u e l t e n © e b ü r f n i ä e.tneä Äreife« bon ©emeinbegliebern ertoa^fen, biegen Äteiö meljr ober toentger feft jur „©emeinfdjaft" jufammen* fc^Iteften unb ba8 gottcöbtcnftlic^e Seben biefer ©emeinfdjaft bon f i $ auä, btelleidjt unter Seitung eines mit bem offU jtellen Sßfarramt ber ©emeinbe in Äonfurren§ ober gar in ©egenfafc tretenben „SBruberä" beftreiten. ®ie offiziellen ©emeinbeorgane, fpejielt bie Pfarrer, fd)toanfen bei Seur= teilung biefer ©emeinfdjaftäbiibungen, je nadj örtlichen; Erfahrungen unb perfönlidjen Neigungen, jteitfdjen fdjroffer ?iblel)nung unb Sßatronifierung, toobet fte ber ©emeinfdjaft audj iljre ®ienfte jur Verfügung fteQen. 3 n biefem ©djtoanfen fpric^t fid> ba8 ©efüt)l aus, bafj bie eban= gelifdje SBolfäfirdje bom ©runbfafc ber Einheit in ber 2)?annigfaitig(eit au3 betartige ©emehtfdjaftSbilbung ju unterbröden ober bireft ju befejjben nidjt baä Stecht Ijat, toofern fie nidjt ju offner ober ljeimltd)er ©eftiererei fü^rt — bafj fte aber in biefen ©emeinfdjaftsbiibungen eine ge= toiffe © e f a l j r für ben ©ebanfen bon ber ebangeitfdjen ®in§eit in ber SJiannigfaltigfeit, bie ju einer inneren 3erfpa(tung religiösen Sebent in ber ©emeinbe ju führen



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geeg i net tft, er6liáen mufj. SBit Ija6en §ier nur %atbt= ftönbe feftjufteQen, nidjt 9tatfd)Iäge ju geben; bei ber S3erfd)iebenl}eit bei 9lnfic£)ten über unfre grage glauben toir aber baé feftfteQen ju folien: ©runbfäfefidj mufj bie ebangelifdje SBolféfirdje tnbtoibuele religiöfe ©entern* fdjaften unter fortgefegter SBarnung bor feftierertfcfyen Steigungen,toofolcfje ju befürchten ftnb, unb unter ftetigen SBerfudjen, in ben ©liebem folcfjer ©emeinfdjaften baS ©efüí>l ebangelifdjer 3uiammcn9e^rigfeit mit bem @e= men i begane j n ju ftärfen, getoäf)ren (äffen. (Sine 5ßatro= nifierung ber ©emeinfdjaft unb bie aucf) nur teiltoeife SBeftretiung iíjrer gotteSbienftlidjen ©onber6ebürfniffe burdj ben ©emen i bepfarrer ift aber baju angetan, in baö religiöfe ©emeinfäaftsbetoufjtfein ber üoífétirt^tic^en ©emen i be en i en Äeil ju treiben,toa8ber jur Pflege biefeä ©emeinfdjaftS* betoujjtfeinS amtlicf) ^Berufene befonberS ferner öeranttoorten íann. 3J?it anbern SBorten: e3 fcfjeint grunbfäfclidj rid)= tig, bafj bie ©lieber befonberer religiöfer ©emeinfdjaften com Xräger beö offizielen ©emen i beamteä lebtglidf) a 18 ©emeinbeglieber angefeljen unb nidjt anberä, nidjt beffer unb nidjt fdjledjter,toonit)m beljanbelttoerbenate anbete ©emen i bege li ber auc§. 3. ®etlforge unb ßiebeStdtigleit —ftannman für bie am ©emen i begotteSbei nft teilneljmenben (Srtoadjfenen immerhin geltenb machen, bag fie fidj bodj eine« getofifen inneren 3ufammen}langg mit ber ©emen i be unb iljren @eil= bem tatfädjlidj betoufet fein müffen: fo ift baS 2Wafj ber Sin« fprücf)e aufjerorbentlidjtiielgrößer, bie auf bem ©ebiet ber tnbitibuellen ©eelforge unb ber c^riftlic^en Siebes« tätigfeit in ber bolfóRrdjlú^en ©emen i be an bie güíjig* feit gefteQttoerben,audj hinter bertoiberfpredjenbenSr= fdjeinung nodj bie Sbee ber ©emeinfdjaft am (Stoangelu i nt



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feftjutjalten. jEtofcbem toerben bie bolfeiirdjlichen Pfarrer als bie beruflichen ©eelforger bet ©emetnbe nicfjt mübe, ber in biefer g o r n t an fie ^erantretenben feelforgertichen unb faritattoen Aufgabe afä ettoaS ©elbftoerftänblichem nachjugehen. 2Ba3 bie (Sigenart bet boffSfirchlichen ©eelforge unb SiebcSorbcit an bem fircpdjen Seben @nt= frembeten, an religiös unb fittlid) SBertoahrlofenben unb SBerfommenben ausmacht, ba8 ift ba8 ®efüht, abgefehen bon ganj ejtremen gäHen, an folgen ju arbeiten, bie bon ebangetifcijem ©fjriftentum nicht unberührt finb, mag e8 auch noch fo fehr bei ihnen berfdjiadt unb tierfchüttet fein. @8 ift ein ®efü^i grunbfäfctidjer 3"fammengei|örigfett trog ber augenbiicllich abnormen Stellung ber beiben Seite ju= einanber: nid)t 2J?iffion8arbeit, fonbern ein Slft brüberiicher ^anbreidjung toirb fo bie ©eelforge auch an Sßerfommenen; ber 3wec£ bie ©ntbinbung ber guten Kräfte, bie @r» j i e f j u n g , bie allmähliche fjebung jur 9letfe eine« d)rift= iic^en 6 h a r a ^ e t g > "Mit bie ^Belehrung im miffiona* rifchen ©inn. llnb ba für baS ©elingen biefer gerauft» lofen Srjiehungäarbeit baS b e i b e r f e i t i g e ©efühl ber ßufammengehörigfeit üon unfääfcfiarem SBert ift, ift bie SBoliöfirche, too fie fich in ihrem SBefen öoH erfafjt hat, folgerecht barauf aus, möglichft biet bon jener lätigfeit in ben naturgegebenen Mahnten ber D r t S g e m e i n b e ju jiehen unb bie freie §ilf3arbeit nach SKögti^feit mit ber organifierten (Semeinbearbeit i n ö e j i e h u n g § u f e | e n nach rt)rer fl^njen 3trt barauf ablegen — fo toenig fie fann, jene freie 2Irbeit j u unterbinben ober aufjufaugen. 1 ) Siber bie naheiiegenbe SDWglichieit, über ber freien Slrbeit an ben retigtöd=fittlid^ unb phhPfö §tlf3bebürftigen baä >) Sgl. ©.43 f.



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©efüljt glieblidjer 3 u i a m m e n S e ^ ö r i g f e i t mit ben ®lenben ju öergeffen, ttirb fie immer als eine ©efafjr anfeljen, öor ber fie ttarnen mufj. 4. Sßun f)at bie beutfcf)=eöangeltfche ¡Drtägemeinbe bie Sliögli^feit, foToo^t beim Stuf bau ifjreä gotteSbienftlidjen ßebenS toie bei i^ret tjeifenbeit unb 6ettaf)renbeit iätigfeit auf bem angegebenen Söeg öorjugehen, baburch, bafj bie gefamte Sugenb be§ beutfdj=eöangelifchen SSoifeä nic^t nur burcE) ben etiangelifchen ^Religionsunterricht in ber ©d)uie, fonbern auch burd) bie lirdjlidje Sugenüuntertoetfung ijinburc^ge^t. 2lucf) nadjbetn ber birelte beö ©taateS jur Teilnahme an biefer Untermeifung gefallen ift, ift bie 3af)i ber Kinber, bie fid) if)r öor ber Konfirmation ei\U jie^en, öerfchtoinbenb gering, wä^renb aUerbingä bie Sitte ber gleichfalls bringenb nötigen ftrd)iid)en Sugenbuntcr» toeifung nacf) ber Konfirmation, toaä bie SWgcmeinheit ber Teilnahme anlangt, mit immer größeren @d)tt)ierigfeiten ju fämpfen ^at. SebenfaQS toirb ber fird)ticf)e Sugenb« Unterricht big jur Konfirmation öon allen Kinbern eöan* geiifdjer (Sltcrn bis auf einen minimalen Sßrojentfaft be« fuc^t. 1)te Allgemeinheit biefer firt$licf)en Sugenbunter® tteifung ift im gufammenhang ber allgemeinen SßrajiS ber Kinbertaufe bie eigentliche nota ber beutfch-cöangelifchen SBolfSfirche ber ©egentoart, too&ei bie Stellung, bie auch religiös unb firchlich ganj gieidjgültige (Sltern jur Konfirma» tion ihrer Kinber einnehmen, befonberS intereffant ift. ®enn biefe Stellung ift fehr oft nicht blofj bie beS mürrifchen (äefdjehenlaffenS mit SRüdficht auf bie allgemeine (Sitte, fon= bem erttiächft auS bem ©efüljl, bafe für baS Kinb ber Konfir« manbenunterricht boch öon Sffiert unb Sebeutung fei — ein SBetoetS, bafj ber 3"fammenhang mit ben religiöSftttlidjen Kräften ber 93olfSfird)e noch teineStoegS aufgehoben ift.



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SWerbingä nötigt bie Kare ©nfidjt in ben öotfS* tirchüchen S^arafter unfrer Sfatedjumenatäprajis j u t @rfenntni8, tote tiergeblich alle SBerfuche fein müffen, btcfcr sprajiS in irgenbtoie o r g a n i f i e r t e r SBeife ein ßiel f t r c h l i d j e r 2J?ünbigfeit j u ftecfen. ÜDfon mag berartige SJerfut^e für nottoenbig unb ihre Umfefcung in bie £ a t für toünfc^enätoett Raiten. 3Iber man mufj fich, toenn man Ujre Durchführung erftrebt, Mar madjen, bafj biefe ein Schritt, unb jtoar ein fehr fräftiger «Stritt, j u r 2Tufiöfung be3 SBoltetirc^entumä in bem bort und feftgefteüten ©inn bebeuten toütbe. Äuch fytx beftätigt ftcf) toiebet bei ©afc, bafj unfre beutfch=eöangelifche SBoffäKrd^e f e i n e n eignen firc^li^en Ä ö t p e r im ©inn einer gefdjloffenen rechtlichen Organifation ^at, unb bafj fie ihn nicht annehmen fann, ohne ihre Strt aufzugeben. 3ch glaube, bie f ü n f t e , bie idj im Oemetnbeieben unfrer S3olf3firdje berührt höbe, toetben genügen, um ju betoeifen, bafj auch in bec ©njelgemeinbe unb ihren Sebettääufjerungen ficf) überall ber oben feftgefteQte ©runbc^araher beä beutfcf)= etoangetifdjen SBoltSfirdjentumS beutlich 9lu3brucf tterfchafft. ©o getoifj baher bie beutfch=etoangelifche ®olfäfircf)e ber ©egentoart fehlere SDtönget, ©chroächen unb geiler hat, unb fo toenig biefe gelter unb Mängel Don uns abgeleugnet unb abgefc^toöd^t toerben foQen: an bem ift e3 boch nicht, bafj bie beutfcf)=ebangeltfdje SBolföfirdje ein in fich toiberfpruchä* boUeä unb untlareS ©ebilbe toäre, toie man oft genug ju hören befommt. ©ie jeigt trielmefjr allenthalben eine ganj folgerichtige Durchführung beftimmter ©runbgebanfen, h>o= bei bie lefete ©runblage eine foldje r e l i g i ö f e r Ärt ift: ber ©laube an bie e t i a n g e l i f d j e SBa^T^eit, bie ftd} auch burch SWannigfaltigieit inbioibueQer Stuffaffuitg unb nähme j u r ©eltung bringt — unb ber noch größere



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©iaube an bie ftegreidje S r a f t bicfcr SEBahrheit, fidj autf) ofjne ben |wlt an einer für fie^re unb fieben feft umfchriebenen, ftreng forporatib auägeftalteten fachlich«« Drganifation, auf bie im Sntereffe ber 9ßeite ber ebange» lifchen ®Iau6enäibee unb im Sntereffe rein religiflfer SIrt ber tirdjlidjen Arbeit berjichtet toirb, ju behaupten unb burchjufcfcen. Ohne btefen ©tauben ift bie beutfcf)=ebanges lifche SßolfSfirche ber ©egentoart aHerbingä ein redjt fchwäct)* licheS unb gebrechliche wenn auch auf ber anbent ©eite offenbar ein feljr lebenäjä^eS 3)tng. 3DW1 biefem ©lau ben mag fie ttoljl ben Sßettfampf auch mit einer fefter gefügten, rechtlich beffer gerüfteten faßlichen Organifation in getrofter Hoffnung auf ben ©teg ihrer Sache aufnehmen. SJian (äffe beSljalb bie Sßerfuc^e, an ©tnjel^eiten ber bolföfirchlichen Drganifation ^erum ju forrigieren unb ju experimentieren in ber Meinung, unfrer SBoIföfirdje ba= burcf) erft ju ihrem regten fieben ju bereifen. 3Ran toertocnbe lieber alle Energie auf ben Sudtrag ber grage, ob ber (Glaube, an ben unfer SBolfdfir$entum in lefcter Snftanj appelliert, berechtigt ift ober nicht. ©laubenä» fragen iaffen ftd) nicht toon ber Sßeripherie ^er entfc^eiben, nicht nad^ ©eftdjtSpunften ber 3wecfmäfjigfeit für bie (Stellung ber Äirdje im öffentlichen fieben ober für ihre SSonhxrrenj mit ber gefchloffenen SWacht ber Cat^oltfc^en ^irc^e ober ber ©ojialbetnofratie. ©laubenSfragen »erben lebiglich baburd) jur ©ntfcheibung gebracht, bafj man auf bie ©ewiffenämotibe ber betreffenben ©laubenämeife eingebt unb fie auf ihre innere Äraft erlebt. ®er Äampf um unfer SBolföfachentum, für beffen ©runbjüge (wahrhaftig nicht für bie Durchführung im einjelnen!) Wir ben ©afc als gültig nachgewiefen ju haben glauben: sit ut est, aut non sit — ber fiampf um unfer SBoIfäftrchentum ift im Iety=



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ten ©runb ein Santpf um baS, »aö ate rechte Strt eban* geli^en ©taubenä anjufeljen ift. S t ift eilt Clingen um bie grage, ob S u t l j e r g ©a$: baä SBort mu§ e3 tunl bic Äraft ober bie @d)toäd)e bec luttjerifdjen Sieformation ift. 3>n ©taubenäfragen fann niemanb für einen anbetn bie @ntfd)eibung treffen, fonbern jeber nur f ü r fidj fetbft. 2)a8 gilt aud) bon bem ©tauben, ben ein freubigeS, rücf= Ijaitiofeä (¡Eintreten für unfer Solfäfirdjentum forbert. ®ce^aI6 mufj immer bamit gerechnet derben, bafj bon mannen, bieiieid)t bon bielen, ber ©taube, an ben baä SBotfSfirdjentum getoiefen ift, als nicf)t berechtigt empfunben toirb. 2J?an f)ält i^n »o^i gar btofj für einen $ecfmantet ber Xragljeit, au3 berfaljrenen ©eteifen §erau3jugeljen, nur toeit fie bie getootjnten finb. SJian betrautet eö als tjeitige Sßftidjt, ber SBirffamfeit ber ebangetifdien Sfirdje alle or= g a n i f a t o r i f d j e unb redjtlidje §tlfe ju ieiften, bie über» ijaupt aufzutreiben ift. Unb toenn bie SBotfSfirdje tt)irf= Iic§ foldjer fräftiger, gefdjtoffener Drganifation unfähig ift — nun, bann ift eS beffereä (toenn aud) aHmälj» lw$) an i§re ©teile ju fefcen. $)em 9Serbac£)t, baß ber ©taube an bie 2ftad)t ebange= tifdjer 3Ba^rf)eit aud) burdj retatibe firdjtic§e Drganifationä* Iofigfeit ljinburch, auf ben ba3 SBotfäfirdjentum angetoiefen ift, nichts anbereS ift at3 bie £räg§eit ber ©emotin^eit, toerben bie g r e u n b e ber beutfc^ebangelifäen SßolfSfirdje nur baburdj begegnen !önnen, bafj fie ba8 S^rige baju tun, um bie Sebenäfraft ber Ätrdje, bie 23af)ri)eit beö SbangetiumS, burdj p e r f ö n t i d j e S 3 e u 0 n ^ 0 0 , 1 ' § t e r & e r r l i d j f e i t in ber Äirdje im ©djnrang §u Ratten. ®aju lann unb foH auc^ organifatorifc^ allerljanb gefd)eijen, inbem man an ©ewinnung neuer bcruftidjer perfönlid)er Organe unb fadjtidjer ©nridjtungen, bie ju nachhaltiger Pflege unb



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Sefrudjtung cdjt ebangelifdjen ßebenS in unferm 9Soiiä= leben bienlidj finb, nad) Kräften mitarbeitet. Slber eS ift ein ©emeinplafc, baft, wenn irgenbtoo her SRuf ¿u größerer £reue in r e i i g t f i t t l i d ^ e r 9iuänufcung gegebener unb neu j u fd)affenbec ÜHittel erhoben tuieb, ber 9fuf ju aHererft bon jebent auf ftcf) felbft belogen »erben mufj. 9iucf) ber ©iaube, bon bem unfer beutfdj=ebangelifc§eg 83olf8firc§en« tum lebt, ift ein lebenbig, tätig, gefääftig Ding, baS nic^t anberS fann, alö ofjne Unterlaß ttrirfen, toirten in bem Kreis, an bem O r t , mit ber ©abe, bie jebem unter unS befohlen finb. 9iur ber t a t e n f r o l j e ©Iaube gibt bie Kraft, bie audj in fdjtoierigen ßeüen nic^t mübe »erben läßt, unb e3 ift bringenb nötig, bafj man all unfrer Slrbeit im ®ienft bev Sirene unb bcS (Soangeliumä, fie mag ge= tan »erben, tt>o unb toie fie »iH, etttaä bon biefem ©Ott gei)orfamen unb in ©Ott gefefteten ©iauben anmerit. Sftur buref) gläubiges Ginfe|en perfönlicfjer Kräfte fann ed iit unfrer SBolfSfircfye bortoärtS getjert — unb toaä nidjt bor= tuärtö gefjt, baä ge^t jurücf.

Vorträge der theologischen Konferenz zn Giessen t-f £> 5 {3* P a ^^

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Seil, K . , Die geschichtliche Entwicklung der Kirche im 19. Jahrhundert und die ihr dadurch gestellte Aufgabe. Erschien zus. mit: Heinrlci, 6 . , Die Forschungen Uber die paulinischen Briefe. (Vortr. 2) M. 1.60 Sachfse, E., Über die Möglichkeit, Gott zu erkenuen. (Yortr. 4) M. 1.— Elbach, R., Über die wissenschaftliche Behandlung und praktische Benutzung der heiligen Schrift. Erschien zus. mit: Scbttrer, E., Über den gegenwärtigen Stand der johanneischen Frage. (Vortr. 6) M. 1.— Etalers, R., Das neue Testament und die Taufe. (Vortr. 6) M. 1.— Kftttenbnsch, F . , Von Schleiermacher zu Bitschi. Zur Orientierung Uber die Dogmatik des 19. Jahrhunderts. 3., vielfach veränderte Auflage mit einem Nachtrag über die neueste Entwicklung. (Vortr. 7) M. 1.75 Relschle, M., Sohms Kirchenrecht und der Streit Uber das Verhältnis von Recht und Kirche. (Vortr. 8) M. 1.— Flörlng, Fr., Das alte Testament im evangelischen Religionsunterricht, (Vortr. 9) M. 1.— Wals, K., Veräußerlichung, eine Hauptgefahr für die Ausübung des geistlichen Berufes in der Gegenwart. (Vortr. 10) M. —.80 Mlrbt, C., Der deutsche Protestantismus und die Heidenmission im 19. Jahrhundert. (Vortr. 11) M. 1.20 Deifsmann, G. A., Die sprachliche Erforschung der griechischen Bibel, ihr gegenwärtiger Stand und ihre Aufgaben. (Vortr. 12) M. —.80 Rade, M., Religion und Moral. Streitsätze f. Theologen. (Vortr. 13) M. —.60 K r ü g e r , 6 . , Die neuen Funde auf dem Gebiete der ältesten Kirchengeschichte (1889—1898). (Vortr. 14) M. —.60 Foerster, E., Die Rechtslage des deutschen Protestantismus 1800 und 1900. (Vortr. 15) M. —.80 WelfB, J., Die Idee des Reiches Gottes in der Theologie. (Vortr. 16) M. 1.50 Holtzmann, 0 . , Die jüdische Schriftgelehrsamkeit zur Zeit Jesu, (Vortr. 17) M. —.70 Budde, K . , Das Alte Testament und die Ausgrabungen. Ein Beitrag zum Streit um Babel und Bibel. 2. Aufl. mit vielen Anmerkungen und einem Vorworte statt des Nachworts. (Vortr. 18) M. —.90 Drews, P . , Die Predigt im 19. Jahrhundert. Kritische Bemerkungen und praktische Winke. (Vortr. 19) M. 1.— Eibach, R., Unser Volk und die Bibel. Ein Nachwort zum Bibel- und Babelstreit. (Vortr. 20) M. —.60 Wlegand, F., Das apostolische Symbol im Mittelalter. Eine Skizze. (Vortr. 21) M. 1.— Dechent, H . , Herder und die ästhetische Betrachtung der heiligen Schrift. (Vortr. 22) M. —.75 K ö h l e r , W«, Katholizismus und Reformation. Kritisches Referat Uber die wissenschaftlichen Leistungen der neueren katholischen Theologie auf dem Gebiete der Reformationsgeschichte. (Vortr. 23) M. 1.80 Eger, K., Das Wesen der deutsch-evangelischen Volkskirche der Gegenwart. (Vortr. 24) M. 1.25 Knopf, R., Der Text des Neuen Testaments. Neue Fragen, Funde und Forschungen der Neutestamentlichen Textkritik. (Vortr. 25) M. 1.— C. O. Röder O. m. b. H., Leipzig.

25955. Ob.