Das Verstockungsproblem im Alten Testament. Eine Frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchung

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einleitung
I. Definition des Sachverhalts »Verstockung« auf Grund der neutestamentlichen Aussagen
II. Sammlung und Aufgliederung der alttestamentlichen Verstockungsaussagen
III. Erhebung des religiösen Gehalts der alttestamentlichen Verstockungsaussagen
IV. Zusammenfassung: Verstockungsaussagen und Gottesverständnis
Literatur
Abkürzungen
Bibelstellenverzeichnis

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FRANZ H E S S E DAS V E R S T O C K U N G S P R O B L E M

IM ALTEN TESTAMENT

DAS VERSTOCKUNG S PROBLEM IM ALTEN TESTAMENT EINE FRÖMMIGKEITSGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNG

VON

FRANZ

HESSE

VERLAG A L F R E D TÖPELMANN, B E R L I N W35 1955

B E I H E F T E ZUR Z E I T S C H R I F T F Ü R D I E ALTTESTAMENTLTCHE

WISSENSCHAFT

74

Alle Rechte, einschl. der R e c h t e der H e r s t e l l u n g von P h o t o k o p i e n u n d Mikrofilmen von der Verlagshandlung v o r b e h a l t e n

Als Habilitationsschrift Theologischen

Fakultät

mit Unterstützung

auf Empfehlung

der Universität

der Deutschen

Erlangen

der gedruckt

Forschungsgemeinschaft

P r i n t e d in G e r m a n y S a t z : W a l t e r de G r u y t e r & Co., Berlin W 35 D r u c k ; B u c h k u n s t , Berlin W 35

VORWORT Die vorliegende Untersuchung stellt eine leicht veränderte und gekürzte Neufassung meiner Habilitationsschrift über das gleiche Thema dar, die die Theologische Fakultät der Friedrich-AlexandersUniversität Erlangen im Frühjar 1953 als Grundlage für meine Habilitation annahm. Für die Bereitwilligkeit, diese Arbeit in die Reihe der »Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft« aufzunehmen, sowie für manche Beratung und Hilfe bei der Korrektur spreche ich Herrn Professor D. Dr. Johannes Hempel meinen ergebensten Dank aus. Ebenso bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Bewilligung einer namhaften Druckbeihilfe zu großem Dank verpflichtet. Marburg (Lahn), im November 1954. Franz

Hesse

INHALT Seite

Einleitung

1

I. Definition des Sachverbalts »Verstockung« auf Grund der neutestamentlichen Aussagen

3

I I . Sammlung und Aufgliederung der alttestamentlichen Verstockungsaussagen 1. Terminologie der Verstockung

7 7

a) Häufiger vorkommende Verstockungstermini

7

käbed

7

häzaq

10

qäSä

12

b) Vereinzelt vorkommende Termini

14

iäeae

14

Sämen

15

'ätna§

16

S'rirwt leb

IG

e

16

ärel

leb hä'äbaen

17

qöSal>

17

m'ginnat

leb

Exkurs 1: Zusammenfassende Ubersicht

17 über den

Sprachgebrauch

der

Pentateuchquellen in der Erzählung von Pharaos Verstockung. . . . Exkurs 2: Der Terminus »Verstockung« in unserer Sprache

18 19

Exkurs 3: Die Äquivalente für die hebräischen Verstockungstermini in der Septuaginta und Vulgata 2. Das Versagen von Körperorganen als Kennzeichen der Verstockung . . a) Das Herz

20 21 21

b) Das Ohr (Verstockung als Ungehorsam)

23

c) Das Auge (Verstockung als Verblendung)

24

3. Verstockung als Fehlen der Erkenntnis

25

4. Weitere Bilder für die Verstocktheit

26

a) Verhärtung von Angesicht, Stirn

26

b) Verhärtung von Nacken, Schulter

27

6. Das Moment der Beharrung

27

Inhalt

VIII

Seite

I I I . Erhebung des religiösen Gehalts der alttestamentlichen Verstockungsaussagen 1. Der verstockte Mensch

31 31

a) Nichtisraeliten

31

Exkurs 4 : Zur paulinischen Interpretation von Pharaos Verstoclcung

. .

b) Israel

33 35

a) Als Volksganzes

36

ß) Israelitische Einzelpersonen

37

2. Jahwe als Urheber der Verstockung

40

Exkurs 5 : Zur Nachgeschichte von J e s 6 9 . 1 0

60

1. Spätere alttestamentliche Zeugen

60

2. Die Versionen

62

3. Die Zitate von J e s 6 9 f. im N T

64

3. Die Verstockung in ihrem Verhältnis zum Ablauf der Heilsgeschichte I V . Zusammenfassung: Verstockungsaussagen und Gottesverständnis Literaturverzeichnis

. . . .

79 96 99

Abkürzungsverzeichnis

104

Bibelstellenverzeichnis

105

Einleitung Eine Monographie über das dunkle und schwierige, aber für die christliche Dogmatik gewiß nicht am Rande liegende Thema »Verstockung«, insbesondere »Verstockung durch Gott« ist bisher noch nicht geschrieben worden. Ehe eine solche in Angriff genommen wird, ist zu klären, was das Neue Testament über den Sachverhalt »Verstockung« aussagt. Das kann wiederum nicht geschehen, ohne daß man auf das zurückgreift, was im Alten Testament über dieses Thema zu lesen ist. Denn das dürfte feststehen, daß die Aussagen des Neuen Testaments über die Verstockung ihre Wurzel im Alten Testament — und nur hier! — haben. So sieht die Aufgabe, die auf diesem Gebiet zunächst geleistet werden muß, so aus: Das Material ist zu sammeln und zu sichten, das das Alte Testament zur Sache »Verstockung« darbietet. Es ist weiter mit aller gebotenen Sorgfalt zu erhellen, auf welchem Wege die alttestamentlichen Zeugen zu ihren Aussagen gekommen sind. Ihre Frömmigkeit, ihre religiöse Gedankenwelt ist ins Auge zu fassen, um ihre Sätze über die Verstockung verstehen zu können. Wir brauchen also eine von frömmigkeitsgeschichtlichen Gesichtspunkten bestimmte Untersuchung des alttestamentlichen Materials, ehe wir zu einer theologischen Durchdringung des Verstockungsthemas weitergehen können, die ihren Ausgangspunkt nur beim Neuen Testament nehmen kann. Die vorliegende Untersuchung will diese erste Vorarbeit leisten. Sie hält bewußt die eben aufgezeigten Grenzen inne: Sie ist deskriptiver Natur, beschreibt die Geschichte der alttestamentlichen Frömmigkeit in einer bestimmten Hinsicht. Man erwarte darum von dieser Arbeit nicht mehr, als sie innerhalb dieser Grenzen zu leisten vermag. Man lege vor allem keine der systematischen Theologie entliehenen Maßstäbe an diese Untersuchung, die in bewußter Selbstbeschränkung auf dem Vorfelde der alttestamentlichen Frömmigkeitsgeschichte, d. h. des Religionsgeschichtlichen bleibt. Daß ihr Verfasser trotz der von ihm geleisteten religionsgeschichtlich-deskriptiven Arbeit Theologe ist, wird dem Leser hoffentlich nicht verborgen bleiben. Auch der deskriptiv Arbeitende weiß sich ja immer wieder zur Wertung der ihm vorliegenden Tatbestände gerufen. Vor allem aber: wenn wir uns hier zunächst auch darauf beschränken müssen, nach Gedanken und Seelenregungen, nach Frömmigkeit und Hesse, Das Verstockungsproblem im AT

1

2

Einleitung

Glaubensvorstellungen des alttestamentlichen Menschen zu fragen» so wissen wir doch, daß in, mit und unter der Frömmigkeit der alttestamentlichen Glaubenszeugnisse in ihrer besonderen Eigenart das Handeln des lebendigen Gottes verborgen, vielleicht manchmal auch sehr offenbar ist. Und darum ist, denke ich, diese Untersuchung, so sehr sie Vorfeldarbeit religionsgeschichtlicher Natur bleibt, doch im Grunde ein Werk, das sehr unmittelbar in den Bereich der christlichen Theologie hineingehört.

I. Definition des Sachverhalts »Verstockung« auf Grund der neutestamentlichen Aussagen Da der christlich-dogmatische Sprachgebrauch sich am NT gebildet hat, haben wir zunächst die Aufgabe, uns anhand der neutestamentlichen Aussagen darüber zu informieren, was das NT meint, wenn es »Verstockung« sagt1. Die neutestamentlichen Schriftsteller gebrauchen die Verba TTCOpoüv2, OKÁripúuEiv3 und ttoxúveiv4, dazu die Substantiva ircopcocns6 und oxAripóiTis8. Abgeleitete Wortbildungen sind cn Mt 1315 19 8 Mc 3 5 6 52 8 17 10 5 1 6 h J o h 12 40 Act 7 51 28 27 Rm 2 5 Eph 4 1 8 H 3 8. 15 4 7 . 2

schrift

1*

4

I. Definition des Sachverhalts »Verstockung«

des inneren Lebens des Menschen, in dem »das religiöse Leben wurzelt«, das »die sittliche Haltung bestimmt«1. Ist das Herz verstockt, so ist die rechte religiöse und sittliche Haltung unmöglich2. Das drückt sich z. B. darin aus, daß Unglaube als Folge der Verstockung erscheint3, ja, Verstockung und Unglaube können als Parallelbegriffe nebeneinanderstehen4 oder wechselweise gebraucht werden5. In der gleichen Linie liegt es, wenn Verstockung sich als willentliches Widerstreben gegen Jesus® oder den Geist7 äußert. Daß damit auch die sittliche Haltung im entscheidenden Punkt gestört ist, wird nicht immer ausdrücklich gesagt8, zeigt sich aber doch an den bösen Taten, die der Verstockungszustand zur Folge haben kann9. 3. Es finden sich weiterhin Aussagen, nach denen Auge10 oder Ohr11 oder beide Organe12 in ihrer Funktion beeinträchtigt oder ausgeschaltet sind13. Auch das ist bildlich gemeint und will sagen, daß die Erkenntnisfähigkeit gestört oder gar zerstört ist. Das Gleiche wird an J . B E H M S . V . KapSia, T h W B I I I , S. 616. Mit der Wahl dieses Wortes ist zugleich deutlich gemacht: Wenn die Verstocktheit sich auch immer konkretisiert als Versagen gegenüber der göttlichen Zusage (Unglaube) oder Forderung (Ungehorsam), so resultiert sie doch letztlich aus einer Ur-Feindschaft gegen Gott, die zum Wesen des Menschen gehört und die mehr ist als Mangel an sittlich Gutem. Vgl. G. v. D . L E E U W , Phänomenologie der Religion, S. 493ff. 1

2

3 4 5 6

J o h 12 37ff. Act 28 25ff. Mc 1614. H 319 4 a neben 3 8. IS. IS 4 7. Mc 35.

Act 7 51 19 (6). 9. Im Mittelpunkt des Interesses steht, daß es eine ganz auf Gott bezogene Haltung ist; ob sie auch Folgen für das Verhältnis zum Nächsten hat, steht zunächst nicht zur Debatte. Im AT ist es nicht anders. Darum verschiebt es die Gewichte, wenn J . P E D E R S E N , Israel I, S. 414, nur sagt: Wer sein Herz verhärtet »prevents the soul from linking itself with and submitting itself to other souls«. 7

8

• Act 19 9 Eph 418. 10 11

Joh 12 40. Act 7 51.

Mt 13 i4f. Mc 4 12 8 17 Lc 8 10 Act 28 2 6 f . Rm 11 8. Hier können wir noch einige weitere, bisher nicht genannte Stellen heranziehen : I I Kor 4 4 ist von TUipXoöv die Rede. CRKOTI^EIV bzw. OKOTOÜV (Rm 121 1110) hat einen ähnlichen Sinn (vgl. auch Eph 4 18). mopoüv wird in einzelnen Handschriften manchmal durch UT|poöv ersetzt — Genaueres darüber in T H . ZAHNS Kommentar zum Römerbrief, Exkurs S . 618ff.; dort Angabe älterer Literatur. Vgl. auch K. L. SCHMIDT, Verstockung, Anm. 20—; dieses deckt sich in seiner Bedeutung etwa mit TinpXoOv. Alle diese Verben beziehen sich auf das Objekt »Augen«, meinen also einen Vorgang, den wir mit »Verblendung« bezeichnen. 12

13

I. Definition des Sachverhalts »Verstockung«

5

verschiedenen Stellen auch ohne Bild gesagt 1 : Dem Verstockten ist das Erkennen und Verstehen unmöglich geworden. Es kann sich dabei um ein Verstehen in intuitiv-intellektuellem Sinne handeln: Wenn die Jünger die Worte Jesu falsch verstehen, so ist das ein Zeichen, daß sie eine KccpSia TTETroopcopevri haben; ihre Sinnesorgane tun nicht den Dienst, zu dem sie gegeben sind2. Meist aber handelt es sich um ein Erkennen und Verstehen in tieferem Sinne: Im »Erkennen« ist »ein gehorsames und dankbares Anerkennen des Tuns und des Forderns Gottes verbunden mit dem Wissen um Gott und um das, was er getan hat und fordert«3. So treffen wir hier letztlich auf den gleichen Tatbestand, wie er sich in der Wahl von KapSia in diesen Zusammenhängen ausdrückt4. 4. Es zeigt sich schließlich, daß »Verstockung« kein momentaner Zustand ist, der im nächsten Augenblick behoben werden könnte, Der Verstocktheit eignet wesenhaft das Moment der Beharrung. Das drücken schon die bildhaften Vokabeln aus, die ja alle ein »hart, fest, fett machen« meinen. Was einmal hart geworden ist, so zeigt die Natur wie auch die physiologische Beobachtung 5 , wird nicht leicht oder überhaupt nicht wieder weich. In dieser Linie liegt es, wenn verschiedentlich — nach dem Zitat aus Jesaja — eine Umkehr als ausgeschlossen bezeichnet wird6. Die Halsstarrigen widerstreben wie ihre Väter beständig dem heiligen Geist'. Die Verstocktheit des größeren Teiles der Juden dauert nach Paulus an »bis auf den heutigen Tag«8. Man könnte von hier aus weitergehend von einem irreparablen Zwangszustand reden, vor allem dort, wo die Verstocktheit als von Gott gewirkt erscheint9. Vom Menschen aus gesehen ist dieser Zustand, in dem es nur noch ein non posse non peccare gibt, jedenfalls irreparabel. Wenn nun das NT doch an einigen Stellen der Überzeugung Ausdruck gibt, daß dieser Zustand nicht das Letzte, Endgültige ist, Mt 13 15 Mc 4 12 8 17 Act 28 27 (cruvisvai) Mc 8 17 Joh 12 40 (voelv) II Kor 314 4 4 (vör||ia) Eph 418 (Siavoia, auch ccyvoia) H 3 10 (yivcboKEiv). 2 Mc 816-18. 3 R. BULTMANN, yivcbaxco, ThWB I, S. 707. 4 Siehe unter Nr. 2! — Typisch ist, daß © leb bzw. lebäb öfter mit Sl&voia wiedergibt; J . BEHM s. V„ T h W B IV, S. 962. * Man denke an das »Sklerose« genannte Leiden, dessen Name ja mit CTKArjpüveiv wurzelgleich ist. 6 Mt 1315 Mc 4i2 Joh 12 40 Act 28 27. * dti Act 7 51. 8 Rm 11 8 (nach Dtn 29 3); vgl. auch II Kor 314. 9 Die Erörterung des Paulus über die Verstocktheit der Juden (Rm 9 — 11) ist zweifellos in diesem Sinne zu verstehen. Erst die eschatologische Heilstat Gottes wird eine Änderung herbeiführen: Rm 1126. — Auch das irapa8i8övai Gottes nach Rm li8if. ist das Ausliefern an einen unentrinnbaren Zwangszustand. 1

6

I. Definition des Sachverhalts »Verstockung«

so kann eine Änderung zum Guten doch nur durch eine Tat Gottes erfolgen. So ist es gewiß mit den Jüngern Jesu, die immer wieder ein verstocktes Herz zeigen, so ist es auch mit den Juden, mit denen Gott zuletzt doch noch etwas Besonderes vorhat 1 . Verstockung ist also ein Beharrungs- und Zwangszustand, dem der Mensch rettungslos verfallen ist, wenn nicht von Gott her ein Wunder geschieht. Die angezogenen neutestamentlichen Belege verstehen demnach unter Verstockung, Verstocktheit 2 gemeinsam ein b e h a r r l i c h e s V e r s a g e n einzelner Menschen oder des Volkes Israel g e g e n ü b e r d e r g ö t t l i c h e n A n r e d e , ob diese nun als Zusage oder als Forderung sie trifft. 1

2

R m

1 1 25ff.

Wir werden im Folgenden diese verschiedenen Termini unserer Sprache so voneinander zu scheiden versuchen, daß wir »Verstocktheit« dann gebrauchen, wenn es um den Z u s t a n d ohne Rücksicht auf sein Zustandekommen geht, während »Verstockung« einmal als Sammelbegriff, besonders aber dann verwendet werden soll, wenn der V o r g a n g und seine V e r u r s a c h u n g zur Debatte stehen.

IL Sammlung und Aufgliederung der alttestamentlichen Verstockungsaussagen i. Terminologie der Verstockung Wir sahen bereits, daß die griechischen Verstockungstermini bildhaft gebraucht werden: Ein an sich völlig unanschaulicher geistigseelischer Vorgang oder Zustand wird durch den gebrauchten Bildausdruck gleichsam »durchsichtig«, erkennbar gemacht. Die gleiche Beobachtung können wir nun auch beim alttestamentlichen Sprachgebrauch machen: Es gibt kein Wort, das den Verstockungsvorgang unmittelbar bezeichnet. Die Sprache hilft sich mit Bildausdrücken; vorzugsweise werden Verba, Verbaladjektiva und Nomina gebraucht, die es mit der Grundbedeutung »hart, schwer, fest sein« zu tun haben. Dabei begnügt man sich nicht damit zu sagen: »Der Mensch X ist verstockt«, sondern stellt fest, daß bestimmte Körperorgane schwer, hart, fest sind: Herz, Geist, Auge, Ohr, Nacken, Angesicht, Stirn. a) H ä u f i g e r v o r k o m m e n d e

Verstockungstermini

käbed Der Jahwist benutzt besonders gern käbed.; auf dieses Wort beschränkt er sich in seinen Aussagen über das verhärtete Herz des Pharao 1 . Wie es von der Grundbedeutung »schwer sein« zu jener übertragenen Bedeutung »verstockt werden bzw. sein« kommt, kann man sehr schön noch an Gen 48 10 sehen. Auch hier wird käbed gebraucht, um das Unempfindlichwerden eines Sinnesorganes auszudrücken1. Aber dieses Erlöschen der Funktion ist noch ganz konkret gemeint: Die Augen des alten Israel sind wegen seines Alters für äußere Eindrücke unempfindlich geworden, käbed ist hier also bereits in übertragener Bedeutung gebraucht, aber für einen anschaulichen Vorgang physiologischer Art. An den Stellen aber, wo es um den leb käbed des Pharao (Ex 7 14) geht, ist käbed zu einem Ausdruck geworden, der einen der Anschauung entzogenen Vorgang im Inneren des Menschen, genauer noch: einen Vorgang in der religiösen Sphäre kennzeichnet. Das Organ, an dem sich dieses Unempfindlichwerden vollzieht, ist das Herz 2 . 1 1

E x 7 14 8 1 1 . 28 9 7 . 34. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier aber gleich angemerkt: Das Herz

ist für den Hebräer n i c h t B i l d einer Stelle im Menschen, die das geistig-seelische

8

I I . Sammlung und Aufgliederung der ATlichen Verstockungsaussagen

E x 7 14 ist käbed vermutlich Verbaladjektiv, denn die partizipial-zuständliche Deutung liegt hier besonders n a h e : E h e er die Plagenerzählung beginnt, will der Jahwist zum Ausdruck bringen, wie das Herz des Pharao von vornherein beschaffen ist. I n dem Zeitpunkt, da die Forderung, das Volk ziehen zu lassen, zum erstenmal an den König gerichtet wurde, ist dieser bereits k'bad leb. W i e das sich auswirkte, hat Mose mit seinem Volke bereits bitter erfahren müssen 1 .

Außer an dieser Stelle kommt käbed bei J nur noch E x 9 7 vor; an den übrigen Stellen erscheint hikbid. Hier wird die reflexive Handlung des Sichverstockens in eigentümlicher Weise so ausgedrückt, daß zwischen dem Pharao als Person und seinem Herzen unterschieden wird 2 . Wir können auch sagen: E s wird geschieden zwischen dem Willen des Pharao und dem Organ, das für Willensimpulse am meisten zugänglich ist und diese dann in die Tat umsetzt. In dieser Konstruktion drückt sich schon etwas davon aus, daß es sich um ein willentliches, bewußtes Tun handelt 3 . In den Geschichtsbüchern erscheint käbed als Verstockungsterminus nur einmal, I Sam 6 6, und zwar in einer bei J nicht begegnenden Piel-Form 4 . Hier, in der alten Lade-Erzählung, wird auf die Verstocktheit Pharaos Bezug genommen. Möglicherweise knüpft die Erzählung an dieser Stelle an eine Vorform der jahwistischen Verstockungsaussagen an, von der dann auch zu vermuten wäre, daß sie das Wort käbed anwendete, um den Verstockungszustand auszudrücken. käbed erscheint dann später nur noch vereinzelt. Sach 7 n wird es, wie bei J , in der Hifil-Form verwendet, aber mit dem Objekt 'oznajim. Nicht erst das Zentrum aller geistig-seelischen Vorgänge ist abgestumpft, sondern bereits die Zugänge sind nicht intakt 5 . MögLeben gleichsam steuert — in diesem Sinne gebrauchen wir, an den biblischen Sprachgebrauch in dieser Wortwahl anknüpfend, das W o r t —, sondern es gilt im unmittelbaren Sinne als diese Stelle, so wie bei uns etwa das Gehirn. Also: käbed ist ein bildlicher Ausdruck, nicht aber leb\ Insofern stehen Gen 4810 und unsere Stellen auf gleicher S t u f e : Die genannten Körperorgane sind an allen diesen Stellen unmittelbar gemeint. E x 5. Unser »sich verstocken« ist j a ganz ähnlich zu verstehen; s t a t t eines abstrakten Reflexivpronomens, das es nicht kennt, gebraucht das Hebräische gern einige zentrale Körperteile wie n&pceS, leb. 1

2

E x 8 1 1 h a t die grammatisch wohl mögliche, aber doch sonderbare F o r m wajjakbed. Besser ist die Lesung 4 Wegen käbed — von anderen Argumenten hier abgesehen — ordnet K . B U D D E , Komm. z. S t . , dieses Stück der alten Ladeerzählung dem Jahwisten zu; aber die Tatsache, daß hier kibbed (Piel!) erscheint, während J nur das Kai und Hifil gebraucht, spricht doch wohl gerade gegen J als Verfasser, kbdio ist jedenfalls nur als Pielform sinnvoll (kibb'dü). 3

ufhakbed.

• Wenn nicht das Ohr selbst schon als Sitz der Einsicht verstanden werden kann, was auch erwägenswert ist.

1. Terminologie der Verstockung

9

licherweise hat die Bildrede von J e s 6 10 eingewirkt 1 ; auch dort ist käbed mit 'özcen verbunden, 'özcen kann aber auch nur um der Abwechslung willen genommen sein, da leb im weiteren Verlauf der Aussage erscheint 2 . Wenn man in Ps 4 3 den von SS gebotenen Text vorzieht 3 , würde hier das Verbaladjektiv käbed, mit leb verbunden, als Terminus für Verstocktheit verwendet. Die Verbindung, in der ein .Adjektiv im status constructus einen Genitiv regiert, der eine Näherbestimmung des Adjektivs bedeutet, ist dem Hebräischen durchaus geläufig4. Der Genetiv leb sagt hier aus, daß das käbed im Sinne von »verstockt« zu verstehen ist. B . DUHM 5 will in Hi 36 5 statt kabbir leb lesen kebad leb6, im Sinne: verstockt. Es wäre grammatisch die gleiche Verbindung wie im nach SS korrigierten Text von Ps 4 37. An den bisher genannten Stellen war über den Verstockenden nichts ausgesagt, oder es handelte sich um Reflexivbedeutung, d. h. Subjekt und Objekt des Verstockungshandelns waren die gleiche Person. Es gibt aber noch zwei Stellen, an denen hikbid das aktive Verstocktmachen eines Menschen durch einen anderen ausdrückt: Jes 6 10 und E x 10 l. In Jes 6 10 ist ein anderer Mensch derjenige, der das verstockende Handeln vollzieht, nämlich der Prophet selbst. Aber hinter seinem Handeln steht Jahwe als Auftraggeber, hikbid steht hier als Mittelglied in einem dreifachen Imperativ; haSmen, hakbed und häsa' werden nebeneinander gebraucht mit verschiedenen Objekten: Herz, Ohren, Augen, käbed ist hier wie in der späteren Stelle Sach 7 n mit 'özczn verbunden, während sonst überall das Objekt leb vorgezogen wird. Daß 'özcen überhaupt als Objekt genommen werden kann, zeigt, daß die übertragene Bedeutung von hikbid »unempfindlich machen« allgemein gebräuchlich war. Die drei Imperative haben trotz des verschiedenen Objekts offensichtlich die gleiche Bedeutung. Der Redaktor, der für den Vers E x 10 l verantwortlich ist, hat sich dem jahwistischen Sprachgebrauch angeschlossen8. Aber ein ge1 3 4 6

2 v. 12a. Über diesen Vers siehe gleich! e kibde leb (lämmä) statt k bödi liklimmä. G K 2 ! § 128 x, y. Genau so ist qeSe 'öroep gebildet, darüber s. u.l

Komm. z. St.

6

kö ist zu streichen.

In SJi kommt n u r die Genetiwerbindung kebad läSön, kebad p£e ( E x 4 10) und k$bced cäwön (Jes I i ) vor. Wir werden darum zur Vorsicht gemahnt gegenüber der an sich naheliegenden Annahme, kebad leb sei ein gebräuchlicher Terminus gewesen, mit dem man die Verstocktheit auszudrücken pflegte. 7

8 Darum ist von verschiedenen Kommentaren (z. B . O. PROCKSCH, Elohimquelle S. 70; R. SMEND, Erzählung des Hexateuch S. 126f.; O. EISSFELDT, Hexateuch-Synopse S. 126*) E x 1 0 1 J bzw. J 2 zugewiesen worden.

10

I I . Sammlung und Aufgliederung der ATlichen Verstockungsaussagen

wichtiger Unterschied ist festzustellen: Bei J dient auch das Hifil von käbed zur Beschreibung der Verstockung als reflexiver Handlung. Hier aber handelt es sich um Verstockung durch Jahwe selbst. Die Perfektform, in der das Verb hier steht, will zum Ausdruck bringen, daß Jahwe bereits alles veranlaßt, in die Wege geleitet hat, daß also die kommenden Ereignisse absolut festliegen. häzaq Hatte J eine Vorliebe für käbed, so ziehen die anderen Pentateuchquellen, vom Dtn abgesehen, häzaq vor. Der Elohist bedient sich seiner ausschließlich1; in der Priesterschrift wird er Glied einer stehenden Redewendung2. P gebraucht daneben allerdings auch einmal hiqSä3. häzaq (Kai) zur Bezeichnung der Selbstverstockung begegnet freilich erst bei P 4 ; hier finden wir in solchem Falle regelmäßig die Formel wajjmh^zaq leb par'ö. häzaq hat die Grundbedeutung »stark, fest sein«. E s wird hier also zum Ausdruck gebracht, daß das Herz des Pharao den Israeliten gegenüber fest blieb; er blieb bei der einmal getroffenen Entscheidung 5 . Wer aber so verfährt, ist stets gefährdet: Die Unnachgiebigkeit verführt zu Trotz und einem schließlich sinnlosen »nun erst rechtI«. So ist es kein Wunder, daß häzaq als Terminus für einen Verstockungszustand Verwendung finden kann. Wir können an den genannten Stellen sinngemäß übersetzen: »Da verhärtete sich das Herz des Pharao«. Häufiger ist nun aber hizzaq. Nur an einer Stelle wird diese Form, ähnlich wie das jahwistische hikbid, als Beschreibung einer reflexiven Handlung verwendet: J e r 5 3. Hier heißt es: »Sie (die Jerusalemer) haben ihr Angesicht härter gemacht als Felsgestein«. Der Vergleich zeigt, wie sehr noch die Grundbedeutung mitklingt: Die Wendung »Das Gesicht hart machen« soll selbstverständlich im übertragenen Sinne verstanden werden; sie meint eine harte, unbewegte Miene, die Ausdruck für ein empfindungslos gewordenes Inneres ist. Der Vergleich aber setzt noch das wörtliche Verständnis der Wendung voraus, so als könne man wirklich sein Gesicht so hart und noch härter machen als einen Stein. E r soll ausdrücken, bis zu welcher Empfindungslosigkeit die Jerusalemer vorgeschritten waren. An den übrigen Stellen aber, an denen fyizzaq auftaucht, sind Subjekt und Objekt der Verstockungshandlung verschiedene Personen. Genauer gesagt: An allen diesen Stellen ist Jahwe der Verstockende. Im jetzigen Text im Kai E x 9 35; im Piel E x 10 20. 27. 3 E x 7 3. Im Kai E x 7 13. 22 8 15; im Piel E x 9 12 1110 14 8. 4 Zu der scheinbaren Ausnahme E x 9 35 (E) siehe gleich! 5 K. L. SCHMIDT, Verstockung S. 11, glaubt, daß die Vokabeln käbed, häzaq, qäfä im AT nicht unbedingt sensu malo, sondern sogar eher sensu bono gebraucht werden, und er lobt die Übersetzung von B U B E R - R O S E N Z W E I G , die — allerdings nicht konsequent — das Wort »stärken« verwendet. Aber es scheint mir nicht zweifelhaft, daß die alttestamentlichen Schriftsteller eine gott- und darum normwidrige Herzensverhärtung meinen, die Termini also sensu malo verstanden wissen wollen. Das feste Herz des Pharao wurde ihm zur Schuld und darum zur Ursache der folgenden Plagen. 1

2

1. Terminologie der Verstockung

11

An dieser Stelle ist zunächst ein Wort zu E x 9 35 (E) zu sagen. Dem jetzigen Text nach ist hier, mit der auch von P gebrauchten Formel, von Selbstverstockung die Rede. A. DILLMANN 1 hat es aber wahrscheinlich gemacht, daß hier eine redaktionelle Änderung vorliegt. Ursprünglich hat es, wie auch in E x 10 20. 27, geheißen: wajfhazzeq JHWH ' cet leb par'ö. Da aber bei der Zusammenarbeitung von J und E zwei parallele Aussagen in enge Nachbarschaft gerieten, die dennoch in einem entscheidenden Punkt voneinander differierten, hat man später die Aussage von Ex 9 35 an die des vorhergehenden Verses angeglichen 2 . Wie E x 9 35 Schlußformel der jetzt mit J vermischten elohistischen Erzählung der Hagelplage ist, so erscheint auch E x 10 20. 27 der gleiche Satz wiederum als Schlußformel 3 . hizzaq hat gegenüber dem Kai kausative Bedeutung: veranlassen, daß das Herz »fest« wird. Es steht also in etwa dem jahwistischen hikbid parallel; es bleibt allerdings der bedeutsame Unterschied, daß hikbid bei J Aussage der Selbstverstockung ist. P gebrauchte die gleiche Formel E x 9 12 1110 14 84. Sinngemäß sind Ex 14 4.17 abgewandelt; handelt es sich dort um eine Erzählung, die das übliche Imperfekt consecutivum verwendet, so haben wir es 2 A . K N O B E L = A . D I L L M A N N , Komm, zu Exodus 1880, z. St. W. R U D O L P H , Elohist, z. St., der die Existenz eines selbständigen »Elohisten« bestreitet, hält E x 9 35 f ü r eine Auffüllung in Anlehnung a n die von P her b e k a n n t e Schlußformel. Doch was h ä t t e einen R e d a k t o r zu der Meinung veranlassen können, m i t v. 34 sei noch nicht alles deutlich genug gesagt, so d a ß er sich zur Beisteuerung eines parallelen Satzes verpflichtet glaubte? Das Nebeneinander von v. 34 u n d 35 k a n n nur mit dem Vorhandensein zweier Quellen, nicht mit der Tätigkeit eines Redaktors erklärt werden. 1

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Zur Komposition der elohistischen Erzählung sei folgendes b e m e r k t : E x 9 35 ist Abschlußfeststellung zur Hagelplage; E x 10 20 schließt die Heuschrecken- u n d E x 10 27 die Finsternisplage ab. Der j e t z t E x 10 20 stehende Satz ist infolge der Vermischung m i t dem jahwistischen T e x t von der alten elohistischen Erzählung losgesprengt u n d findet sich n u n u n m i t t e l b a r vor dem Einsatz des E-Berichtes über die vierte Plage. Auch der Satz E x 10 27 ist infolge des a n dieser Stelle recht ungeschickten Einbaues in die J-Erzählung von der eigentlichen Erzählung in E x 10 21-23 getrennt u n d findet sich erst in den Schlußsätzen des Jahwisten über die letzten Verhandlungen des Mose m i t Pharao, diese auseinanderreißend. Ähnlich B . BAENTSCH u n d G. B E E R in ihren K o m m e n t a r e n z. St. * Die Annahme, E x 9 12 1110 h ä t t e n ursprünglich von Selbstverstockung gesprochen, seien aber später nach der elohistischen Formel in eine Aussage über Verstockung durch Gott verwandelt worden (so fragend A. D I L L M A N N , K o m m . z. St.; b e s t i m m t e r R . S M E N D , Erzählung des Hexateuch, S . 1 2 9 Anm. 1 , O . E I S S F E L D T , H e x a teuch-Synopse, S. 2 7 0 * ) , ist abzuweisen. In E x 1 4 , wo die Quellenbestimmung im einzelnen besondere Schwierigkeiten m a c h t , d ü r f t e n v. 4. 8.17 doch wohl P zuzurechnen sein (so auch A. K N O B E L = A. D I L L M A N N , B . B A E N T S C H , H. HOLZINC.ER in ihren Komm. z. St.; etwas anders W . R U D O L P H , Elohist, S. 28ff.).

II. Sammlung und Aufgliederung der ATlichen Verstockungsaussagen

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hier mit einer Ankündigung Jahwes zu tun: Er selber wird, wie er das eine Mal1 im Perfektum consecutivum, das andere Mal2 durch hinne mit folgendem Partizip sagt, Pharao und die Ägypter verstocken. hizzaq mit dem Objekt leb j>areö erscheint dann noch einmal in dem redaktorischen Einschiebsel Ex 4 21, wo wir es wiederum mit einer Ankündigung kommender Ereignisse aus dem Munde Jahwes zu tun haben. Auch im deuteronomistischen Sprachgebrauch findet sich vereinzelt hizzaq mit dem Objekt leb, so in der rekapitulierenden Zusammenfassung der Ereignisse in Jos 11 i7ff. Es wird rückschauend festgestellt, daß die Verhärtung der alten Landesbewohner von Jahwe gewirkt war. Das Adjektiv häzäq mit dem davon abhängigen Genetiv leb findet sich Ez 2 43. Der Terminus h'zaq leb ist gewiß von hizzaq ' cet haileb erst abgeleitet. Im folgenden Kapitel ist häzäq mit mesah, verbunden4 ; auch die schon Jer 5 3 gebrauchte Verbindung mit päntm findet sich hier wieder5. Ebenfalls findet sich hier der Vergleich mit einem Stein; die Vermutung literarischer Abhängigkeit von Jeremia, bei Ezechiel auch sonst feststellbar, liegt nahe. Das sonst als Objekt gern gebrauchte leb ist hier mit qäSfii verbunden. Während also in älterer Zeit die Verbindung von häzäq mit leb gebräuchlich ist •— ein absoluter Gebrauch fehlt ganz — und auch sonst vorwiegt, findet sich bei Jeremia und Ezechiel auch die Verbindung mit pänim und mesah, ohne daß ein tiefergehender Bedeutungsunterschied erkennbar wäre. qäSä Das Deuteronomium und die von ihm abhängigen Schriftsteller verwenden vorzugsweise qäSä und davon abgeleitete Ausdrücke. Ist die Urbedeutung bei kabed ein »schwer«, bei häzaq ein »fest«, so ist sie hier ein »hart« sein. Das Verbum qäSä bedarf wegen seiner bildhaften Bedeutung ebenfalls stets eines Objekts. Wo es einmal objektlos gebraucht wird6, ist es offensichtlich schon in ganz abgeschliffener Bedeutung gebraucht, oder aber — und das ist Hi 9 4 der Fall — die Bedeutung hat 2 E x 1417. E x 144. Ez 2 4a fehlt in © B , ß. Nach G. JAHN, Ezechiel, 1905, der die ©-Lesarten grundsätzlich vorziehen möchte, ist v. 4a hinzugesetzt, um auch die Söhne neben den Vätern als widerspenstig zu bezeichnen (S. 14). In der Tat ist v. 4a mit wPhabbänim einsetzend, hinter hemmä wa'abötäm ziemlich hart. Aber abrupter Satzbau begegnet bei Ezechiel öfter, so daß man auf Härten solcher Art nicht allzu viel bauen darf. 4 Ez 3 7-9. 6 Zum Verständnis dieser Wendungen vgl. das oben zu Jer 5 3 Gesagte! • E x 1315 Hi 9 i. 1

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sich noch weiter entwickelt, nämlich über ein (sein Herz oder seinen Nacken) »hart machen« zu einem »jemandem trotzen«, das dann mit der Präposition 'cel konstruiert werden kann. Sonst ist entweder leb bzw. lebäb1, rüh2, pänim3 oder — häufiger — "örwp4 Objekt. Die Wendung hiqSä ' CBt halleb deckt sich in ihrer Bedeutung etwa mit hikbld 'Ott halleb, d. h. sie dient zur Beschreibung eines reflexiven Vorgangs, oder aber es wird damit die Verstockung durch Gott ausgedrückt 5 . Dagegen ist die Verbindung mit eörcep uns bisher noch nicht begegnet. Diese ist metaphorisch gemeint, während die Redewendungen, die leb, rüh, 'özcen oder cajin zum Objekt haben, diese Körperorgane direkt als Aufnahmeorgan für religiöse Eindrücke, also letztlich die Gottesoffenbarung, ansehen. Das Bild mag von den Rindern her genommen sein, die als Zugtiere verwendet werden und bei denen die meiste Kraft in ihrem Nacken konzentriert scheint. Darum wird das Joch auf den Nacken der Tiere gelegt*. Was das Bild meint, kann J e r 5 5 deutlich machen: Joche und Stricke halten auf dem rechten Wege. Wer sich gegen sie auflehnt, ist »hart-näckig«. E i n Mensch aber, der sich so verhält, zeigt sich eigensinnig, störrisch, läßt sich schlecht leiten, ist weder durch sanfte Lenkung noch durch Schläge beeindruckbar 7 .

Der Verbalausdruck hiqsä 'est häc öreep scheint jünger zu sein als die gebräuchlichere Genetivverbindung 0e c öreep und ist gewiß von dieser erst abgeleitet. Denn erst dann, wenn das Bild von der »Hart-näckigkeit« gebräuchlich geworden ist, kann man den Ausdruck wagen: »den Nacken hart machen«. Das Adjektiv qäSce, mit dem Genetiv "örczp verbunden, wird an deuteronomistischen Stellen gern gebraucht 8 . Genau so ist unser »hartnäckig« gebildet, das sich gewiß aus dem biblischen Sprachgebrauch herleitet9. E x 7 3 Ps 95 8 Prov 28 u ; nach dem Adjektiv qäSS auch Ez 3 7. Dtn 2 30; dieses aber wohl darum, weil lebäb durch den Parallelausdruck ' i m m e i bereits mit Beschlag belegt ist. Das Adjektiv qäHSe, mit ruh verbunden, findet sich noch I Sam 115 (textlich unsicher) und Jes 27 8, wo ein heftiger Wind gemeint ist. 3 Ez 2 4; hier handelt es sich um das Adjektiv qäHe. 4 D t n 10 16 I I Reg 17 14 J e r 7 26 17 23 19 15 Prov 29 l Neh 9 I6f. 29 I I Chr 30 8 3 6 13. — Später begegnet der Terminus in der Sektenrolle: Kol. IV, Zeile 11 (zusammen mit »Blindheit der Augen«, »Trägheit der Ohren« und »Herzenshärtigkeit«), V, 6 (mit »Unbeschnittenheit des Begehrens«) und V, 26 (hier — mit Textlücke — nur 'öreep)• 5 So nur E x 7 3 und — mit dem Objekt rüh — Dtn 2 30. • H. GRESSMANN, AOB» S. 53 (Erkl. zu Abb. 160). ' A. WÜNSCHE, Bildersprache, S. 44, erinnert auf Grund von Hos 416 an die »störrige Kuh, die sich sträubt, sich das Joch auflegen zu lassen«. Über tfSe ' ö r e e p findet sich bei ihm nichts. 8 E x 32 9 33 3. 5 3 4 9 Dtn 9 6. 13; qäiSt in attributiver Stellung D t n 31 27. 9 Man muß allerdings beachten, daß unser »hartnäckig« infolge einer leichten Bedeutungsverschiebung sich nicht mehr genau mit qeüe "öreep deckt: 1. q'Se 'ör(Bp wird ausschließlich sensu malo gebraucht; »hartnäckig «dagegen muß nicht in abfälligem Sinn verwendet werden (wer sein Ziel »hartnäckig« verfolgt, ist nicht unbedingt tadelnswert; entscheidend ist der Charakter des Zieles). 2. Unser »hartnäckig« bedarf einer; Näherbestimmung; man will wissen, in welcher Hinsicht ein Mensch hartnäckig ist. 1 2

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In qeSe "öreep ist ein Verhalten beschrieben, das längere Zeit hindurch anhält und ungeachtet aller Versuche, eine andere Haltung herbeizuführen, gleich bleibt. Jdc 2 19 ist das Bild wieder etwas abgewandelt: Nicht das »Herz«, nicht der »Nacken«, sondern der »Weg« (im Sinne von Wandel) ist »hart«. Es liegt eine Art constructio praegnans vor: Statt erst zu sagen, daß der Mensch halsstarrig ist und deswegen unbeirrt den einmal beschrittenen Weg einhält, wird gleich gesagt: Der Mensch hat seinen Wandel »hart« gemacht. Man sieht, wie das Bild hier schon seine Anschaulichkeit eingebüßt hat und gar nicht mehr als ein solches empfunden wird. In Dtn 9 27 wird das nur hier in der Bedeutung »Verstocktheit« vorkommende Nomen qe$i gebraucht. Ein Objekt, auf das sich der Akt der Verhärtung bezieht, ist nicht genannt, auch hier ein Zeichen, daß die Redewendung abgeschliffen ist. b) V e r e i n z e l t v o r k o m m e n d e T e r m i n i Säeae Hier handelt es sich um einen lediglich zweimal von Jesaja verwendeten 1 Terminus. Die Grundbedeutung ist »bestreichen, verkleben«. Jes 29 9 ist das Verb in zwei verschiedenen Konjugationen (Hitpalpel und Kai) absolut gebraucht, Jes 6 10, wo das Hifil verwendet wird, sind die Augen Objekt. Von dieser als der klareren Stelle ist auszugehen, um das richtige Verständnis zu gewinnen. Nach dem Sinn von Jes 6 IO, der besonders durch den Kontext unzweifelhaft ist, soll Jesaja die Augen des Volkes in dem Sinne »verkleben«, daß diese Sinnesorgane untauglich werden zu ihrem Dienste. Jesaja meint hier aber nicht den eigentlichen Dienst: das Aufnehmen und Weiterleiten von optischen Eindrücken an das Innere, sondern er denkt an das Erkennen und Verstehen der Jahweoffenbarung, konkret: der prophetischen Verkündigung in Wort und Gleichnisg'Se cörwpdagegen kann absolut gebraucht werden, das hängt zusammen mit 3. qele örwp ist auf die religiöse Sphäre beschränkt, während der Gebrauch von »hartnäckig« viel allgemeiner ist. 4. Wir beziehen das Wort »hartnäckig« mehr auf Tätigkeiten, gebrauchen es adverbial, während qe$e cörwp einen Zustand meint, der sich nicht in jedem Fall in einem Tun äußern muß. Als geeigneteres Äquivalent für qeSe cörwp bietet sich darum unser »halsstarrig« an. Dieses Wort stammt aus dem medizinischen B e reich; es bezeichnete zuerst den, der an der Krankheit der Halsstarre litt (tetanicus). D i e übertragene Bedeutung ist durch Martin Luther populär geworden. Vgl. J. u. W. GRIMM, Deutsches Wörterbuch IV 2, 1877, Sp. 267f. »Halsstarrig« trifft den Sinn dessen, was q'Se cörwp meint, ziemlich genau. e

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Jes 6 io 29 g.

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handlung1. Das Volk soll dafür keine Augen mehr haben, und damit das erreicht wird, soll Jesaja die Augen des Volkes bestreichen, verkleben — ein Bild für die geistige Verblendung, v. 10b stellt den Zweck des prophetischen Verstockungshandelns unmißverständlich heraus, indem in chiastischer Anordnung die einzelnen Organe noch einmal erscheinen: Den Augen Israels soll es fortan unmöglich sein zu sehen. In Jes 29 9 steht Säcac zweimal hintereinander: zuerst im Imperativ Hitpalpel, dann, mit we copulativum eng verbunden2, im Imperativ Kai3. Ein erheblicher Bedeutungsunterschied zwischen beiden Konjugationen dürfte kaum anzunehmen sein. Bei der HitpalpelForm kann man allerdings an eine demonstrative Bedeutung denken: »sich als verblendet zeigen«. Das Kai heißt hier jedenfalls »sich verblenden« oder »blind werden« (abgeleitet von »sich die Augen bestrichen haben«). sämen hilmin wird nur Jes 6 10 gebraucht, als erster der drei Imperative, mit dem Objekt leb verbunden. Jesaja soll des Volkes Herz mit Fett überziehen. Wie eine Fettschicht die inneren Organe vor äußeren Einflüssen schützt, so soll das Organ des Volkes, das zu religiöser Er1 Oder ist mehr an Einsicht in den Sinn der Geschichtsereignisse gedacht ? Diese Auslegung hat viel für sich, wenn man an den Tenor von Kap. 28 — 30 denkt. Vgl. O . PROCKSCH, Komm, zu Jes 6 10. 2 Die Massoreten haben zum Zeichen dessen wä punktiert. s Zu Zusammenhang und Text von Jes 29 9f. sei an dieser Stelle bemerkt: Ob Jes 299f. mit v. 1-8 zusammengehört, ist schwierig zu entscheiden. Mir scheint T. H. C H E Y N E , Einleitung in Jesaja, z. St., im Rechte zu sein, der beide Abschnitte voneinander trennt; das würde auch den formgeschichtlichen Prinzipien mehr entsprechen. Am Anfang von v. 9 steht eine Hitpalpel-Form von mähah »zaudern, zögern« und eine Kai-Form von tämah »staunen«. Der parallele Stichos legt nahe, als ursprünglichen Text das gleiche Verbum in verschiedener Konjugation anzunehmen; dabei ist tämah näherliegend als mähah, weil ein »zaudern« nicht in den Zusammenhang paßt. Das demnach falsche mähah läßt sich auch leicht durch Annahme einer Dittographie der Buchstabengruppe mh erklären ( F R D . DELITZSCH, Lese- und Schreibfehler § 83b, S. 81). Das »Staunen« dürfte im Sinne eines ungläubig zur Kenntnis Nehmens zu verstehen sein: Es ist ein staunendes Herumrätseln an Jahwes Tun gemeint, dessen Lösung nicht gelingt. A. E H R L I C H , Randglossen IV, S. 104, möchte die Formen als »substantivische Perfekta« im Sinne von Vokativen fassen. Dieser grammatisch recht gewaltsame Erklärungsversuch ist schon darum verdächtig, weil nun die Verantwortung ausschließlich bei den Angeredeten liegt; es ist einer der vielen bei A. EHRLICH festzustellenden Erweichungsversuche einer harten, anstößigen Aussage. — Eine Änderung des ¡ä?ac in Säcä (F. B U H L , Jesaja *1912 nach O. PROCKSCH, Komm. z. St.) ist unnötig, da $ä?ac, durch die Parallele Jes 6 10 gestützt, im Ganzen des Zusammenhanges sinnvoll ist. — Das hlScHcw von D S J a läßt sich nur als Schreibfehler erklären. In v. 9b sind Imperative zu lesen; vgl. BHK 3 . — In v. lob sind ' nahe. Von den echten Jeremiastellen aus3 ist es dann in den deuteronomistischen Sprachgebrauch übergegangen, zunächst in die Ergänzungen im Jeremiabuch selbst 4 , dann auch in andere Stücke 5 . 'drei

Act 7 51 kommt nebenCTKAr|poTp