Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO [1 ed.] 9783428471713, 9783428071715

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Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO [1 ed.]
 9783428471713, 9783428071715

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Schriften zum Prozessrecht Band 100

Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO Von Markus Jakoby

Duncker & Humblot · Berlin

MARKUSJAKOBY Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO

Schriften zum Prozessrecht Band 100

Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO

Von Markus Jakoby

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Jakoby, Markus: Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäss § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage gemäss § 767 ZPO / von Markus Jakoby. - Berlin: Duncker & Humblot, 1991 (Schriften zum Prozessrecht; Bd. 100) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07171-9 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-07171-9

Für Anette

Vorwort Den Anstoß zu meiner zivilprozessualen Dissertation erhielt ich von meinem hochverehrten Lehrer und Doktorvater, Prof. Dr. Dieter Leipold, während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl. Bei seiner Neubearbeitung des § 323 ZPO für die mittlerweile vollständig erschienene 20. Auflage des Stein-Jonas wurde deut­ lich, daß die Problematik des Verhältnisses der Abänderungsklage aus § 323 ZPO zur Vollstreckungsgegenklage aus § 767 ZPO trotz ihrer jahrelangen Diskus­ sion nach wie vor nicht abschließend geklärt ist. Für die fachliche Förderung durch Prof. Dr. Dieter Leipold und seine gedankli­ chen Anregungen bei der Betreuung meiner Arbeit, deren Manuskript Anfang 1990 fertiggestellt wurde, bin ich ihm zu Dank verpflichtet. In meiner Arbeit habe ich bewußt in größerem Umfang wörtliche Zitate von Fundstellen aufgenommen, um - wie ich hoffe - auch den mit der Thematik befaßten Praktiker ansprechen zu können, der oft nicht über einen schnellen Zugang zu einer größeren Bibliothek verfügt oder auch nicht die Zeit findet, den Fundstellen im einzelnen nachzugehen. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meiner Frau Anette, die mir die nötige Kraft für die Arbeit gegeben und zugleich die mühevolle Arbeit des Korrekturle­ sens übernommen hat. Frankfurt, im April 1991

Markus Jakoby

Inhaltsverzeichnis

1. 2. 3. 4.

Einleitung

19

Aktualität des Themas .... .... .... .. ... .... ..... ... ..... .... .... .... ..... .... ... Problemaufriß .... ...... ... .... .......... .... .... ....... .. ... ..... ... ..... ....... Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion ..... ... ..... .... ... Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit .... ...... ... .... ... ..... .... ......... ...

19 19 21 22

Erster Teil

Die geschichtliche Grundlage der Abgrenzungsproblematik zwischen der Abänderungsklage gemäߧ 323 ZPO und der Vollstreckungsgegenklage gemäߧ 767 ZPO 1. Abschnitt

Die Rechtslage vor Inkrafttreten der Civilprozeßordnung (CPO) im Jahre 1879 1. Klage und Urteil bezüglich künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen .... .... .... .... .... ......... .... ..... .... .... .... .... ......... .... .... ..... ...

24

1. Regelungen in Prozeßrechtskodifikationen ... ..... .... .... .... .... .. ... ...

24

2. Das materiellrechtliche „Klagerecht" als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage ....................... .......... ...... ..... ......... .... .... ............

27

3. Die Anerkennungs- bzw. Feststellungsklage bezüglich künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen ... ........ .... .. .... ... .... ...... .... ..

28

4. Die Problematik der Qualifizierung einer Klage über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen als Feststellungsklage .. ... .... ........

29

5. Die Vollstreckbarkeit eines Feststellungsurteils . .. ... ..... ... ...... ... ...

30

6. Die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Feststellungsklagen ... ...

31

7. Die Qualifizierung der Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen als Leistungsklage ..... .... .. ........... ........ .... .... ...... ..

33

8. Die Besonderheit der Schadensersatzrentenurteile . .... .... .... .... .... ...

34

a) Die gemeinrechtliche Praxis .. .... ...... ... ..... .... .... ........ ........

34

b) Die partikularrechtliche Rechtslage . ..... ... . ... . .. ... ... ... ...... .....

35

c) Die Regelung durch das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. 6.187 1 ... ...

36

9. Zusammenfassung ..... ......... ... ....... .. .... ..... .... .... .... .... ..... ...

37

10

Inhaltsverzeichnis

II. Die Berücksichtigung nachträglich veränderter Verhältnisse 1. Die Situation im Unterhaltsrecht ........................................... 2. Die Situation im Schadensersatzrecht ...................................... a) Die gemeinrechtliche Rechtsprechung .................................. b) Die Situation nach kodifiziertem Partikularrecht ...................... c) Die Berücksichtigung nachträglich veränderter Verhältnisse gemäß § 7 Abs. 2 Reichshaftpflichtgesetz .................................... .

39 39 40 40 40 41

III. Das Verfahren der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse .............. 1. Die Berücksichtigung materiellrechtlicher Einwendungen im gemeinrechtlichen Vollstreckungsverfahren ............................................. 2. Die Berücksichtigung materiellrechtlicher Einreden und Einwendungen im partikularrechtlichen Vollstreckungsverfahren ......................... 3. Das Verfahren der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse gemäß § 7 Abs. 2 Reichshaftpflichtgesetz ..... ........................................ 4. Zusammenfassung ................................................. . .........

42

IV. Rechtsnatur der Abänderungsurteile gemäߧ 7 Abs.2 Reichshaftpflichtgesetz

46

V. Der maßgebliche Abänderungszeitpunkt bei den Rentenurteilen. ............ 1. Problemaufriß ................................ . .......................... ..... 2. Der maßgebliche Zeitpunkt der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse bei den Schadensersatzrenten ............................................... 3. Der maßgebliche Zeitpunkt der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse bei den Unterhaltsurteilen ................................................... 4.. Der maßgebliche Zeitpunkt der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse bei Abänderungsurteilen gemäß § 7 Abs. 2 Reichshaftpflichtgesetz ..... a) Die Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse vom Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Abänderungsurteils an ................... b) Die Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens an ...................... c) Die Berücksichtigung der veränderten Verhältnisse vom Zeitpunkt ihres tatsächlichen Eintritts an ........................................ . ... 5. Zusammenfassung ........................................................... 6. Die Zuständigkeit für die Klagen auf Abänderung der Urteile über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen ... ............................

47 47

42 44 45 46

47 48 48 49 50 54 55 55

2. Abschnitt Die Rechtslage nach Inkrafttreten der Reichscivilprozeßordnung im Jahre 1879 bis zur Einfügung der §§ 258, 323 ZPO durch die Novelle der CPO von 1898 I. Die Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen .........

56

II. Die Möglichkeit der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse ............

57

Inhaltsverzeichnis

11

III. Das Verfahren der Berücksichtigung veränderter Verhältnisse unter besonde­ rer Betrachtung des Verhältnisses von § 7 Abs. 2 Reichshaftpflichtgesetz zu § 686 CPO (= 767 ZPO n. F.) .................................................

58

1. Die Literatur und Rechtsprechung zu§ 7 Abs. 2 Reichshaftpflichtgesetz ...

59

2. Die vollstreckungsrechtliche Literatur zu § 686 CPO .....................

61

3. Die Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht ..................................

63

4. Zusammenfassung ...........................................................

65

3. Abschnitt Die Einfügung der §§ 258, 323 ZPO durch die Novelle der CPO aus dem Jahre 1898 1. Das Gesetzgebungsverfahren ...................................................

67

II. Die inhaltliche Gestaltung des § 323 ..........................................

69

III. Anhaltspunkte für die Zuordnung der Klagen aus § 323 und § 767 (= 686 CPO a. F.) seitens des Gesetzgebers ..........................................

72

IV. Zusammenfassung ..............................................................

73

Zweiter Teil Das Verhältnis der Abänderungsklage gemäß § 323 zur Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 in Rechtsprechung und Schrifttum 1. Abschnitt Der Zeitraum von 1900 bis 1945 A. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts .........................................

75

I. Das Urteil des VI. Zivilsenats vom 23.10.1902 (RGZ 52, 344 ff.) . ....

75

1. U�ter�chiedliche Interpretation dieser Entscheidung in Rechtsprechung wie Literatur .............................................................

75

2. Zur Fallgestaltung .......................................................

76

3. Die Ausführungen des RG ..............................................

77

4. Stellungnahme zu den Ausführungen des RG .........................

78

II. Die Entscheidungen des RG vom 5. 1. 1914 und 10.2.1919 ............

83

III. Möglicherweise abweichende Entscheidungen ............................

86

1. Das Urteil des 6. ZS. vom 29.4.1915 (RGZ 86, 377) .................

86

2. Die Entscheidung des IV. ZS. vom 8.3.1937 (JW 37, 1547 f.) ......

87

IV. Zusammenfassung ................................ ...........................

87

12

Inhaltsverzeichnis

B. Die Rechtsprechung der Instanz- und Obergerichte

88

I. Gegenseitiges Ausschlußverhältnis beider Klagen ........................

88

1. Das Verhältnis des „neuen" Vorbringens zur Rechtskraft der Erstentscheidung .................................................................

88

2. Die Verknüpfung des Rechtskraftkriteriums mit dem Einwendungsbegriff aus § 767 Abs. 1 ................................................

90

3. Abgrenzung der Klagen unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des § 323 sowie des Streitgegenstandes .............................. ..

91

4. Abgrenzung ausgehend von dem Verständnis, daߧ 323 im Gegensatz zu § 767 eine materiellrechtliche Norm sei ............................

92

5. Die Sperrwirkung der Vorschrift des§ 323 gegenüber der aus§ 767 ....

93

II. Wahlmöglichkeit zwischen der Abänderungs- und der Vollstreckungsgegenklage . ..................................................................

93

III. Zusammenfassung ...........................................................

94

C. Das Schrifttum ....................... .............................................

95

I. Gegenseitiges Ausschlußverhältnis beider Klagen .............. . .........

95

1. Überschneidung beider Klagen bei Betrachtung des Wortlauts der Klagevoraussetzungen .. ........................................... . .........

95

2. Die Abgrenzung der Klagen im Hinblick auf das unterschiedliche Verhältnis des klageweisen Vorbringens zur Rechtskraft des Ersturteils

96

3. Sinn und Zweck der Einfügung des § 323 in die ZPO ................

99

4. Die Rechtfertigung der Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ................

99

5. Das Gebot der Gleichbehandlung des Anspruchsberechtigten und des Anspruchsverpflichteten ................................................. 100 6. Abgrenzung danach, ob es sich um eine Veränderung der rechtlichen oder der tatsächlichen Verhältnisse handelt ............................ 101 7. Die Auffassung von der Konstitutivität der Rentenurteile ............ 102 II. Wahlmöglichkeit zwischen den Klagen .................................... 103 1. Der Einwendungsbegriff gemäß § 767 Abs. 1 ......................... 103 2. § 323 als Bestätigung der Grundsätze über die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft von Urteilen ................................................ 104 3. Die Umgehung des § 323 Abs. 3 durch die Möglichkeit der Erhebung der Vollstreckungsgegenklage .......................................... 105 III. Zusammenfassung ................................... ........................ 106

Inhaltsverzeichnis

13

2. Abschnitt Der Zeitraum von 1946 bis 1989 A. Die Rechtsprechung des BGH ... ... .... .... ..... .... ........ ..... .... ........... 106 1 . Die Bestimmung der zulässigen Klage unter vergleichender Heranziehung typischer Fallkonstellationen der Abänderungsklage einerseits und der Vollstreckungsgegenklage andererseits . ... .... .... .... ..... .... ...... ..... 1. Das Urteil des IV. Zivilsenats vom 15. 4. 1977 ......... .... .......... . 2. Das Urteil des IV. Zivilsenats vom 21. 12. 1977 ... .... ..... ...... ..... 3. Das Urteil des IVb. Zivilsenats vom 9. 2. 1983 4. 5. 6. 7.

Das Urteil des IVb. Zivilsenats vom 8. 2.1984 .... ......... .... ....... Das Urteil des IVb. Zivilsenats vom 17.2. 1982 ... .... ..... .... .. ..... Die Urteile des IVb. Zivilsenats vom 23.4. 1986 und vom 25.3. 1987 Das Urteil des IVb. Zivilsenats vom 12.10. 1983 .. ..... ..... ... .... ...

II. Die Abgrenzung unter Betrachtung des Verhältnisses des neuen Vorbringens zum Streitgegenstand des Erstverfahrens ...................... ... ... 1. Das Verhältnis des ehelichen zum nachehelichen Unterhaltsanspruch a) Das Verhältnis in materiellrechtlicher Hinsicht ...... ....... ..... .. b) Das Verhältnis in prozessualer Hinsicht und dessen Bedeutung für die Zulässigkeit der Abänderungsklage oder der Vollstreckungsgegenklage ... ... ... .. ... ..... .... ..... ..... ... ......... .... ........ ... 2. Die Frage der Übertragbarkeit der anhand des Verhältnisses des Getrenntlebendenunterhalts zum nachehelichen Unterhaltsanspruch entwickelten Grundsätze auf andere Konstellationen im Unterhaltsrecht

108 108 109 111 112 113 114 118 119 120 120 121 123

III. Die Abgrenzung der Klagen mittels des Einwendungsbegriffes und dem Verhältnis des neuen Vorbringens zur Rechtskraft der Erstentscheidung ... 126 IV. Die Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB ......... .... ... ............. 1. Die Entscheidung des IVb. Zivilsenats vom 13. 7. 1983 .. . ..... ..... .. 2. Die Entscheidung des IVb. Zivilsenats vom 19. 2. 1986 ... ..... .... ... 3. Die Entscheidung des IVb. Zivilsenats vom 23.4. 1986 ........ ..... .. 4. Die Entscheidung des IVb. Zivilsenats vom 28. 1. 1987 .... .... .... ... V. Die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung des IVb. Zivilsenats des BGH .. .... .... ..... .... .... .... ..... .... .. .. ...... ... .... ............. ..... .. 1. Das Urteil vom 13 .7. 1988 .... ..... ..... ... ..... .... .... .... ...... ... ... 2. Das Urteil vom 19. 10. 1988 ... ......... .... ..... .... ..... .... ..... ... ... 3. Die Entscheidung vom 11. 5. 1988 . ... ... ... .... .... ... ..... ..... .... ... 4. Bedeutung der jüngsten Rechtsprechung des IV b. Zivilsenats für dessen Verständnis zum Verhältnis beider Klagen ........................

128 129 131 133 133 133 134 136 13 9 140

VI. Zusammenfassung ...... ... ........ .... ..... ..... .... ... ..... .... .... .. ..... . 141

14

Inhaltsverzeichnis

B. Die Rechtsprechung der Instanz- und Obergerichte I. Der Zeitraum von 1945 bis 1965 .......................................... 1. Die Abgrenzungskriterien der Gerichte, die von einem gegenseitigen Ausschlußverhältnis beider Klagen ausgingen ......... ................ a) Die Abgrenzung mittels der Frage der Rechtskraftdurchbrechung ... b) Die Verknüpfung des Rechtskraftkriteriums mit dem Einwendungsbegriff ................................................................. c) Das Fortdauern einer Veränderungsmöglichkeit der veränderten Verhältnisse ..................... ..................... ................ d) Argumente, die zur Bekräftigung des Ergebnisses eines Ausschluß­ verhältnisses beider Klagen vorgebracht wurden ................... aa) Sinn und Zweck der Normierung einer beiderseitigen Abänderungsmöglichkeit ................................................ bb) Die Einwendungen im Sinne von 767 Abs. 1 beruhen auf objektiv festlegbaren Ereignissen .................................... cc) Der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Parteien als Rechtfertigung der beiderseitigen Bindung an die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ...... .......................................... 2. Die Argumente für ein Ausschlußverhältnis beider Klagen bei rechts­ kräftigen Ersturteilen und für eine Wahlmöglichkeit bei nicht rechtskraftfähigen Titeln ....................................................... 3. Die Argumentation der Gerichte, die sich generell für eine Wahlmög­ lichkeit zwischen den Klagen aussprachen ............................. 4. Zusammenfassung ....................................................... II. Der Zeitraum von 1966 bis 1989 .......................................... 1. Die Kriterien zur Abgrenzung beider Klagen .......................... a) Die Abgrenzung der Klagen mittels des Einwendungsbegriffes .. b) Die Verknüpfung des Verhältnisses des Vorbringens zur Rechts­ kraft der Erstentscheidung mit dem Verständnis des Einwendungsbegriffes .............................................................. c) Die Abgrenzung der Klagen nach ihrem Sinn und Zweck ........ d) Die Begründung des Ausschlußverhältnisses beider Klagen mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten .............................................. e) Die Abgrenzung unter Betrachtung des Verhältnisses des neuen Vorbringens zum Streitgegenstand des Erstverfahrens ............. 2. Die Rechtsprechung zu § 826 BGB .................................... 3. Zusammenfassung .......................................................

143 143 144 144 145 147 149 149 150 150 151 153 159 160 161 161 164 165 171 173 175 178

C. Das Schrifttum .................................................................... 179 I. Das gegenseitige Ausschlußverhältnis der Abänderungsklage und der Vollstreckungsgegenklage .................................................. 179 1. Die Abgrenzung der Klagen anhand des Einwendungsbegriffes gemäß § 767 sowie des Verhältnisses des Vorbringens zur Rechtskraft der Erstentscheidung ......................................................... 184

Inhaltsverzeichnis

15

2. Die Abgrenzung der Klagen nach ihrem Sinn und Zweck ............ 19 0 3. Das Kriterium der endgültigen Auswirkung des vorgebrachten Umstandes für die titulierte Leistungspflicht ............ ..... .... .... ........ .. 19 3 4. Die Abänderungsklage als Sonderregelung gegenüber der Vollstrekkungsgegenklage ......... ......... ........... ... .. ....... .. ... .. ... ..... . 194 a) Die Abänderungsklage als notwendiges Korrektiv der Grundsätze der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft der Urteile über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen .... ...... ..... ... ...... 19 5 b) Die Abänderungsklage als tatbestandliche Ausgliederung eines Teilbereichs der zuvor von der Vollstreckungsgegenklage umfaßten Fallkonstellationen ............ ................ ..... ... ......... .... .. 197 c) Die Abänderungsklage als alleiniges Mittel zur Korrektur von Prognosefehlern . ......... .... .... ..... ......... ... .......... ... ...... 19 8 II. Die Wahlmöglichkeit zwischen den Klagen ... ........................... 200

m.

§§ 7 67 und 323 als zwei unselbständige Vorschriften für ein- und dieselbe Klage ......................................................................... 203

IV. Zusammenfassung ................................................. ....... ... 206 Dritter Teil

Die Entwicklung der eigenen Lösung zum Verhältnis der Abänderungsklage zur Vollstreckungsgegenklage I. Schwachstellen in der bisherigen Diskussion des Verhältnisses beider Klagen zueinander .................................................... ................... 208 1. Der Ausgangspunkt der Diskussion ........ ... ............. ............ . ... 208 a) Die Verkennung der Rechtslage vor Einfügung des § 323 seitens der Befürworter einer Wahlmöglichkeit zwischen den Klagen .. ..... ... .. 208 b) Die Kritik der Zeitschranke des § 323 Abs. 3 seitens der Befürworter einer Wahlmöglichkeit zwischen den Klagen ... .... .... .............. . 210 2. Die Bedeutung der Rechtskraftproblematik für das Verhältnis beider Klagen zueinander . .... .. .... ....... ..... .... ..... ........ .... ......... .... .. 212 a) Die Beantwortung der Frage des Verhältnisses beider Klagen zueinander im Hinblick auf ihr Verhältnis zur Rechtskraft der Erstentscheidung 212 b) Eigene Auffassung zum Verhältnis der Abänderungsklage zur Rechtskraft der Erstentscheidung .... ........... ............. ................. .. 215 3. Die Überschneidung des sachlichen Anwendungsbereiches beider Klagen ausgehend vom Gesetzeswortlaut ... ........ .... .... ..... .... ..... .... ..... . 224 a) Die Auffassung der Befürworter des Ausschlußverhältnisses beider Klagen .................................................................... 225

16

Inhaltsverzeichnis b) Die Auffassung der Befürworter einer Wahlmöglichkeit zwischen beiden Klagen ............................................................ 226 c) Eigene Stellungnahme zur Überschneidung des Anwendungsbereiches beider Klagen ausgehend vom Wortlaut der Klagevoraussetzungen „ 228

II. Wahlmöglichkeit oder Ausschlußverhältnis zwischen der Abänderungsklage und der Vollstreckungsgegenklage ................................... . .... .. ... 1. Differenzierung zwischen dem „Ob" des Ausschlußverhältnisses und dem „Wie" der sachlichen Abgrenzung beider Klagen ......................... 2. Die Begründung des gegenseitigen Ausschlußverhältnisses beider Klagen 3. Die sachliche Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Klagen ..... 4. Die teleologische Reduktion des § 323 Abs. 3 ............................. a) Grundsätzliche Befürwortung der teleologischen Reduktion .......... b) Nähere Konkretisierung der befürworteten teleologischen Reduktion des § 323 Abs. 3 ........................................ .................

233 234 235 240 245 245 251

III. Das Verhältnis der beiden Klagen bei den nicht der Rechtskraft fähigen Titeln gemäß § 323 Abs. 4 ............................................................. 253 IV. Zusammenfassendes Endergebnis ................. . ............................ 254 Literaturverzeichnis

256

Abkürzungsverzeichnis AcP a. F. a. M. BGB!. BGH BGHZ Bolze bspw. DJ EE FamRZ Goldschmidt Gruchot Grünhut h. M. HRR JMBI. NRW JR

Jus

JW JZ li. Sp. LM LZ MDR n. F. NJW OAG OLG OLG Rspr. 2 Jakoby

= Archiv für die civilistische Praxis (Band (Jahr) Seite) = alter Fassung = anderer Meinung

= Bundesgesetzblatt (Band, Seite) = Bundesgerichtshof = Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen = Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen (1886 bis 1898), bearbeitet von A. Bolze = beispielsweise = Deutsche Justiz (Jahr, Seite) = Eisenbahn- und verkehrsrechtliche Entscheidungen Deutscher Gerichte, bearbeitet von G. Eger (Band (Jahr) Seite) = Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahr, Seite) = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, herausgegeben von L. Goldschmidt und Laband (Band (Jahr) Seite) = Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band (Jahr) Seite) = Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart (Band 1 - 42, 1874- 1916) herausgegeben von K. S. Grünhut (Band (Jahr) Seite) = herrschende Meinung = Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr, Seite) = Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen (Jahr, Seite) = Juristische Rundschau (Jahr, Seite) = Juristische Schulung (Jahr, Seite) = Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) = Juristische Zeitschrift (Jahr, Seite) = linke Spalte = Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier Möhring = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) = Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) = neuer Fassung = Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) = Oberappellationsgericht = Oberlandesgericht = Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts (Band (Jahr) Seite)

18

Abkürzungsverzeichnis

= Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen ein­ schließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Band (Jahr) Seite) = Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand (Jahr, Recht Nr.) = rechte Spalte re. Sp. = Reichsgericht RG = Reichsgesetzblatt (Band, Seite) RGBI. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) RGZ = Reichsoberhandelsgericht ROHG = Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts (Band (Jahr) ROHGE Seite) = Seite s. = Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Jahr, Seite) SchlHA = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte SeuffArch (Band (Jahr) Seite) Striethorst-Archiv = Archiv für Rechtsfälle, die zur Entscheidung des königlichen Ober-Tribunals gelangt sind, herausgegeben von TH. Striethorst (Band (Jahr) Seite) = Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Warn Rspr. Zivilrechts, herausgegeben von 0. Warneyer (Jahr, Seite) = Zeitschrift für Jugendrecht (Jahr, Seite) ZfJ = Zeitschrift für Zivilprozeß (Band (Jahr ) Seite) ZZP OLGZ

Einleitung 1. Aktualität des Themas Die Problematik des Verhältnisses der Abänderungsklage aus § 323 ZPO 1 zu der Vollstreckungsgegenklage aus § 767 hat trotz einer jahrzehntelangen Diskus­ sion nichts an Aktualität eingebüßt. Die Frage ist nach wie vor auch für die Gerichtspraxis nicht abschließend durch die Rechtsprechung des BGH geklärt worden. Daher erscheinen im aktuellen Schrifttum gehäuft Beiträge mit zum Teil völlig neuen Lösungsansätzen, wobei wegen der praktischen Auswirkung dieser Frage im Unterhaltsrecht die Diskussion heute vor allem 2 von Familien­ rechtsspezialisten beherrscht wird, wenn man einmal von der zivilprozessualen Kommentarliteratur absieht. Die Schwierigkeit der Zuordnung beider Klagen resultiert daraus, daß hierbei gleich mehrere komplexe prozessuale Fragenbereiche angesprochen werden, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Dazu gehören die Bestimmung des Einwendungsbegriffes im Sinne des § 767 Abs. 1 , die Frage der objektiven und zeitlichen Grenzen der Rechtskraft von Urteilen über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 und die damit zusammenhängende Problematik einer etwaigen Rechtskraftdurchbrechung dieser Urteile mittels der Abänderungs- oder der Vollstreckungsgegenklage, die Fragen des Streitgegen­ standes sowie der Rechtsnatur beider Klagen. 2. Problemaufriß Ausgangs- und zugleich Mittelpunkt der Diskussion um das Verhältnis beider Klagen zueinander ist die Bedeutung und Tragweite der Bestimmung des § 323 Abs. 3, wonach eine Abänderung von Urteilen über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen (im folgenden auch ,,Rentenurteile" genannt) erst ab Rechtshängigkeit der Abänderungsklage erfolgen kann. Es gibt immer wieder Sachverhaltskonstellationen, bei denen es nach dem Rechtsempfinden als unge­ recht erscheint, wenn eine Abänderung des rechtskräftigen Ersturteils über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen erst von diesem Zeitpunkt an möglich sein soll. Darauf machte Stein 3 bereits im Jahre 1 898 in seiner Kritik an dem 1 Paragraphenangaben ohne Nennung des Gesetzes sind solche der ZPO. 2 Zu nennen sind insbesondere Hoppenz, FarnRZ 87 , 1097 ff., Hahne FarnRZ 83 , 1189 ff. und Klauser DAVorm 82, 125 ff. 2*

20

Einleitung

die Regelung der Abänderungsklage 4 enthaltenden Gesetzentwurf zur Änderung der Civilprozeßordnung aufmerksam. Stein bildete folgendes Beispiel: ,,Jemand ist verurtheilt worden, eine Rente zu zahlen, weil er einen Anderen überfah­ ren hat. Dieser hat sich dem Auge des Schuldners vollständig entzogen, nur dass er am Ersten eines Quartals sein Geld erhebt. Jetzt erfährt der Schuldner, dass er eine ganze Zeit lang die volle Rente bezahlt hat, obwohl die Voraussetzung für die Höhe der Rente, die Unfähigkeit des Gläubigers, sich anderweiten Erwerb zu suchen, aufgehört hat. Der Schuldner klagt nach § 293a; aber dieser Paragraph gibt ihm keine Möglichkeit, den Zeitpunkt nachzuweisen, in dem die Veränderung eingetreten ist, und hieraus die Konsequenz zu ziehen; er hat sich damit zu begnügen, dass die Zuvielzahlung für die Zeit seit Erhebung der Klage beseitigt wird. Das ist ungerecht . . . Ich möchte cteshalb vorschlagen . . . 3. den Abs. 3 zu streichen." Obwohl dieser einfache Beispielsfall die Unbilligkeit der starren Zeitschranke im Einzelfall plastisch vor Augen führte, wurde die Kritik Steins vom Gesetzgeber nicht mehr aufgegriffen und es kam zu der gesetzlichen Verankerung der Zeit­ schranke für die Abänderungsklage in § 323 Abs. 3. Ihre allgemeine Akzeptanz hatte das aber nicht zur Folge. Die Einfügung des § 323 Abs. 3 wurde vielmehr zur Geburtsstunde der Diskussion um das Verhältnis der Abänderungs- zur Voll­ streckungsgegenklage. Denn man suchte nun nach einem de lege lata gangbaren Weg, die gesetzlich geregelte Zeitschranke des 323 Abs. 3 bei Fallgestaltungen, in denen die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 als ungerecht empfunden wurde, zu umgehen. Stein war es dann auch, der die Diskussion daliiber eröffnete 5 , ob nicht bei Vorliegen von wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse im Sinne des § 323 Abs. 1 dem Verurteilten an Stelle der Abänderungsklage auch die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 eröffnet wäre, die keine dem § 323 Abs. 3 vergleichbare ,,Zeitschranke" kennt. Mit ihr kann der Verurteilte grund­ sätzlich erreichen, daß die Zwangsvollstreckung aus einem Titel auch liickwir­ kend, d. h. bereits von dem Zeitpunkt an, in dem die Einwendung vorlag, für unzulässig erklärt wird. Die Gewährung der Vollstreckungsgegenklage in Situa­ tionen des § 323 Abs. 1 würde de facto eine Möglichkeit der Umgehung des § 323 Abs. 3 für den Leistungsverpflichteten bedeuten. Denn für ihn ist es in der Sache unerheblich, ob er eine liickwirkende Abänderung des Urteils erreichen kann oder ob er die Vollstreckung des Urteils liickwirkend dauerhaft verhindern kann. Unmittelbar stellt sich die Abgrenzungsfrage zwischen den Klagen freilich nur für den Bereich liickständiger, also trotz Vorliegen eines Rentenurteils vom Verurteilten nach Eintritt tatsächlich veränderter Verhältisse nicht mehr oder nicht mehr in titulierter Höhe geleisteter Beträge. Nur bei dieser Konstellation 3 ZZP 24 ( 1 898) 209 (225). 4 Die Abänderungsklage war zunächst dort als § 293a vorgesehen. Zur Novelle der ZPO im Jahre 1 898 siehe im einzelnen unten im 1 . Teil, 3. Abschnitt. 5 Stein, ZPO, 4. Aufl., Band 1 , § 323 III., S. 726 f. und 5. Aufl., Band 2, § 767 Il a, s. 458.

Einleitung

21

könnte wegen der rückständigen Beträge noch eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel erfolgen, die mit der Vollstreckungsgegenklage verhindert werden könnte. Von der Möglichkeit der Geltendmachung der veränderten Verhältnisse mittels der Vollstreckungsgegenklage hängt es ab, ob der zur Leistung Verurteilte diese noch zahlen muß oder ob er deren Vollstreckung verhindern kann. Für die von Stein beispielhaft genannte Situation, daß von dem Verpflichteten in Unkenntnis tatsächlich eingetretener Veränderungen in den für die Verurteilung maßgebend gewesenen Verhältnissen Leistungen weiterhin erbracht wurden, stellt sich die Abgrenzungsfrage aber mittelbar ebenfalls: denn bei Zugrundele­ gung der Rechtsprechung des BGH können Unterhaltsbeiträge bereicherungs­ rechtlich grundsätzlich nur dann zurückverlangt werden, wenn die Zahlungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, zu dem dem Unterhaltstitel eine Einwendung im Sinne von § 767 Abs. l ZPO mittels der Vollstreckungsgegenklage hätte entgegengehal­ ten werden können 6 . Die Bereicherungsklage fungiert hier als verlängerte Voll­ streckungsgegenklage 7 • Sofern demgegenüber dem Verpflichteten trotz tatsächli­ cher Veränderung der Verhältnisse im Sinne von § 323 Abs. 1 die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage rechtlich nicht offengestanden hätte, soll eine bereicherungsrechtliche Rückforderung wegen der Rechtskraft des Ersturteils, die bei Urteilen über künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen auch die erst künftig zu entrichtenden Unterhaltsleistungen erfasse und einen Rechts­ grund im Sinne von § 8 1 2 Abs. 1 BGB darstelle 8 , ausgeschlossen sein. 3. Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion

Die heute herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht von einem gegenseitigen Ausschlußverhältnis beider Klagen aus, gewährt dem Lei­ stungsverpflichteten also bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 keine Vollstreckungsgegenklage und ebensowenig eine Bereicherungsklage für Leistungen, die nach tatsächlichem Eintritt der Veränderungen noch gewährt worden sind. Über die Frage der Abgrenzungskriterien bestehen unterschiedliche Auffassungen. Für Vergleiche und sonstige nicht der Rechtskraft fähige Vollstreckungstitel über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen ist der Abgrenzungsfra­ ge zumindest für die Gerichtspraxis durch die Rechtsprechung des BGH ihre Brisanz genommen worden, da nach der Entscheidung des Großen Senats des 6 Grundlegend BGHZ 83 , 27 8 ff. = NJW 82, 1147 f. = FamRZ 82, 47 0; ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 83 ,7 16 (7 17 ) und Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 3 23 VI. 3., Rdnr.7 5. 7 Die Bezeichnung „verlängerte Vollstreckungsgegenklage" verwendet auch der BGH, vgl. den Leitsatz des V. ZS. des BGH in seiner Entscheidung vom 6.3 . 19 87 , BGHZ 100, 211 = ZIP 87 , 9 45 = NJW 87 , 3 266 . B So ausdrücklich BGH FamRZ 87 , 684 (688 unter III).

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Einleitung

BGH vom 4. 1 0. 1 982 9 entgegen dem scheinbar eindeutigen Wortlaut des § 323 Abs. 4 insbesondere der Abs. 3 wegen der mangelnden Rechtskraftfähigkeit der Prozeßvergleiche auf diese nicht anwendbar und daher auch eine rückwirkende Abänderung dieser Titel möglich sein soll. Allerdings gilt die Zeitschranke nach Auffassung des BGH auch bei diesen Titeln, wenn sie einmal rechtskräftig durch ein Urteil gemäß § 323 abgeändert worden sind 10 • Desweiteren haben sich einige Gerichte 11 in jüngeren Entscheidungen aus materiellrechtlichen Erwägungen ge­ gen eine schrankenlose rückwirkende Abänderung von Prozeßvergleichen ausge­ sprochen, so daß die Frage des Verhältnisses beider Klagen auch für nicht der Rechtskraft fähige Titel weiterhin von Bedeutung ist. 12 Die Problematik der starren Zeitschranke des § 323 Abs. 3 besteht aber insbe­ sondere nach wie vor für den Bereich der Urteile. Den Vertretern des gegenseiti­ gen Ausschlußverhältnisses ist dies auch nicht verborgen geblieben. Man begnügt sich jedoch in der Regel damit, Situationen, die im Einzelfall zu geradezu treuwi­ drigen Ergebnissen führen würden, über die Gewährung der auf § 826 BGB gestützen Klage zu lösen. 1 3 In der jüngeren Diskussion werden nun sehr unterschiedliche Überlegungen angestellt, wie der Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ihre Schärfe genommen werden kann. Das Spektrum reicht von der Annahme der Verfassungswidrigkeit und damit Nichtigkeit des Abs. 3 14 bis zu einer analogen Anwendung der Wiederein­ setzungsvorschriften. 1 5

4. Zielsetzung und Autbau dieser Arbeit Es soll mit dieser Arbeit versucht werden, die Diskussion um das Verhältnis beider Klagen aufzuarbeiten und fortzuführen. Hierbei richtet der Verfasser das 9 Beschluß vom 4. 1 0.1982, BGHZ 85, 64 ff. = NJW 83, 228 = FamRZ 83, 22. Zu vollstreckbaren Urkunden im Anschluß daran BGH, IVb. ZS., Urteil vom 26. 4. 1984, NJW 85, 64 (65 re. Sp. unten). 1 0 BGH, IVb. ZS., Urteil vom 27. 1. 1988, FamRZ 88, 493 re. Sp. unter a): ,,Was aber die prozessualen Voraussetzungen der erneuten Abänderung betrifft, liegt nunmehr eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen i. S. des § 323 I vor, so daß auch Abs. II und III der Vorschrift anwendbar sein müssen . . ." Zustimmend Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 323 IV. 2. c), Rdnr. 58 (mit weiteren Nachweisen dort in Fußnote 151); Zöller-Vollkommer, ZPO, 1 5. Aufl., § 323 Rdnr. 46. 1 1 Vgl. OLG Karlsruhe, Beschluß des 16. ZS. vom 5. 8. 1983, FamRZ 83, 1 156 (1 1 57); OLG Karlsruhe, Beschluß des 1 8. ZS. vom 1 7.9. 1984, FamRZ 85, 87 (88). 1 2 Fraglich ist auch, wie die Fälle zu beurteilen sind, bei denen in einem Prozeßver­ gleich in Kenntnis der Rechtsprechung des Großen Senats des BGH zu der Nichtanwend­ barkeit des § 323 Abs. 3 eine rückwirkende Abänderbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen wird. 1 3 So schon das LG Bonn JMBI. NRW 52, 249 (251): ,,In besonderen Härtefällen gibt das Gesetz die Möglichkeit, einen gerechten Schadensausgleich nach den Grundsät­ zen der unsittlichen Schadenszufügung (§ 826 BGB) zu finden." 14 Meister FamRZ 80, 864 (869). 1 5 Dafür spricht sich Braun ZZP 97 ( 1984) 337 (346) aus.

Einleitung

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Augenmerk im 1 . Teil der Arbeit auf die bislang nur unzureichend herausgearbei­ tete Entstehungsgeschichte des Abgrenzungsproblems. Ihre eingehende Analyse wird zeigen, daß die Bestimmung des § 323 Abs. 3 sich aus Gründen des Vertrau­ ensschutzes rechtfertigt und auch aus diesem Grunde in die ZPO aufgenommen worden ist. Diese ratio des § 323 Abs. 3 stellt nach der Auffassung des Verfassers auch den Schlüssel zu der im 3. Teil der Arbeit vorgeschlagenen Lösung des Abgrenzungsproblems dar. Der Verfasser spricht sich dort für ein gegenseitiges Ausschlußverhältnis der Klagen aus, wobei aber der Abs. 3 des § 323 in den Fallkonstellationen, in denen kein sachlich schutzwürdiges Vertrauen des Titelin­ habers vorliegt, nicht anwendbar sein soll. Dogmatisch betrachtet enthält das einen Vorschlag zur teleologischen Reduktion des § 323 Abs. 3. Die hier vertretene Auffassung hat den Vorteil, daß bei der Lösung der Fallge­ staltungen, in denen die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 nicht gerechtfertigt ist, Umwege über den von der Rechtsprechung in Fällen besonderer Unbilligkeit herangezogenen § 826 BGB vermieden werden können, und insbesondere auch die Fälle unterhalb der Schwelle des § 826 BGB befriedigend auf prozessualem Wege gelöst werden können. 16 Damit wird zudem der Frage, ob an Stelle der Abänderungsklage die Vollstreckungsgegenklage erhoben werden kann, ihre we­ sentliche Bedeutung genommen. Schließlich kann so auch die Ungleichbehand­ lung vermieden werden, zu der zwangsläufig die Vertreter eines Konkurrenzver­ hältnisses beider Klagen dadurch gelangen müssen, daß der Titelberechtigte immer an die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 gebunden ist, während der Verpflich­ tete das Instrumentarium deren Umgehung hätte. Bei Zugrundelegung der hier vorgeschlagenen Abgrenzung muß konsequenterweise auch eine Erhöhung der Rente gemäß § 323 in den Fallgestaltungen rückwirkend möglich sein, in denen der Titelverpflichtete kein sachlich berechtigtes Vertrauen in das Fortbestehen des Titels in der bisherigen Höhe haben kann und zudem materiellrechtlich rückwirkend höhere Beträge gefordert werden können. Dem eigenen Lösungsvorschlag wird im 2. Teil der Arbeit eine Aufarbeitung der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur vorangestellt, die in zwei Zeit­ spannen ( 1 900 bis 1945 und 1 946 bis 1 989) unterteilt wird, um so die im Laufe der Zeit zu verzeichnenden Veränderungen in der Argumentation besser aufzeigen zu können.

16 Auf die Problematik des zu eingeschränkten Anwendungsbereiches des § 826 BGB wies bereits das LG Kiel SCHLHA 53, 100 (102) hin, das daher die einzige Lösungsmög­ lichkeit in einer Zulassung einer Vollstreckungsgegenklage sah: ,,Mit einer Klage aus § 826 BGB wird . . . häufig nicht zu helfen sein, weil das Weiterbeziehen der Rente für den Unterhaltsgläubiger nach dem Fortfall der Unterhaltsbedürftigkeit häufig nicht als sittenwidrig wird angesehen werden können, insbesondere dann, wenn die Frage . der Unterhaltsbedürftigkeit zweifelhaft ist. In solchen durchaus nicht seltenen Fällen ist also die Zulassung der Vollstreckungsgegenklage die einzige Möglichkeit und damit ein Gebot der Billigkeit."

Erster Teil

Die geschichtliche Grundlage der Abgrenzungsproblematik zwischen der Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO und der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO Erster Abschnitt

Die Rechtslage vor Inkrafttreten der Civilprozeßordnung (CPO) im Jahr 1879 1 I. Klage und Urteil bezüglich künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen 1. Regelungen in Prozeßrechtskodifikationen

Betrachtet man die vor der Reichsgründung im Jahre 1871 und vor Inkrafttreten der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich am 1. 1. 1879 in den einzelnen deutschen Staaten geltenden Prozeßrechtskodifikationen 2 , so stellt man fest, daß nur an ganz vereinzelter Stelle Normen zu der Fragestellung vorhanden waren, ob es möglich sein sollte, erst künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen alleine oder zumindest gemeinsam mit bereits fälligen Verbindlichkeiten einzu­ klagen. Gleiches gilt für die sich hieran anschließende Frage, ob aus einem einer solchen Klage stattgebenden Urteil unmittelbar bei Eintritt der Fälligkeit der jeweiligen Leistung, also ohne weiteren prozessualen Zwischenschritt, ein Voll­ streckungsverfahren eingeleitet werden konnte. Generalklauselartige Regelun­ gen, wie sie heute für die Klagemöglichkeit in § 258 ZPO und für die Zulässigkeit der Vollstreckung in §§ 704 Abs. 1, 708 Nr. 8, 751 ZPO existieren, fehlten gänzlich. Es waren auch keine Bestimmungen vorhanden, die unmittelbar die Klage- oder Vollstreckungsmöglichkeit für ein bestimmtes Rechtsgebiet, etwa für das Unterhalts- oder Schadensersatzrecht regelten. Vereinzelt bestanden Un­ terhaltsrechtsregelungen, aus denen man mittelbar auf die grundsätzliche Statthaf1 Die CPO wurde am 3 0. 1.1877 vom Kaiser vollzogen (RGBI. I S. 83 ) und ist gemäß § l EGCPO am 1.10. 1879 in Kraft getreten. 2 Siehe hierzu Stein-Jonas-Schumann, ZPO,20. Aufl., Einleitung II A Rdnr. 103 f.; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 4 V 3 ., S.22 sowie § 5 I, S.23.

1. Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen

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tigkeit von Klagen auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen schlie­ ßen konnte. Im Geltungsbereich der badischen Prozeßordnung vom 1 .5. 1 832 war mit § 673 Nr. 2 eine Vorschrift vorhanden, die die Frage behandelte, ob im Unterhaltsrecht ein wie es dort heißt „abgekürztes Verfahren" im Sinne eines prozessual im Vergleich zum Normalverfahren beschleunigten Erkenntnisverfahrens statthaft sein sollte: „In Streitigkeiten über laufenden und künftigen Unterhalt findet ein abgekürztes Verfahren statt." Mittelbar ist dieser Vorschrift aber zu entnehmen, daß es zulässig war, mittels einer Klage zumindest zugleich mit bereits fälligen Unterhaltsansprüchen auch künftig fällig werdende geltend zu machen. Auch in Preußen wurde für den Bereich des Unterhaltsrechts eine Klage auf künftig fällig werdende Unterhaltsleistungen für statthaft erachtet 3 , wobei die Heranziehung des § 6 Nr. 1 , Teil 1 , Titel 14 der preußischen Allgemeinen Ge­ richtsordnung vom 6.7. 1 793 in Verbindung mit Art. 5 der Deklaration vom 6. April 1 839 als mittelbare rechtliche Grundlage schon recht weitgehend war 4, jedenfalls weitergehend als § 673 Nr. 2 der badischen Prozeßordnung für das badische Recht, da in der preußischen Regelung anders als bei der badischen nur von „laufendem Unterhalt" und nicht von „laufendem und künftigen Unter­ halt" die Rede war. Nach Förster 5 hatte das einer derartigen Klage stattgebende Urteil die Wirkung, daß die künftig fällig werdenden Unterhaltsraten bei deren Fälligkeit unmittelbar, also ohne weiteren gerichtlichen Akt, im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden konnten.

3 Förster, ZZP 8 (1885) 128 ff. 4 In § 6 Ziff. 1 der Allgemeinen Gerichtsordnung war für Unterhaltsurteile eine Ausnahme von dem in § 5 normierten Grundsatz enthalten, wonach aus Urteilen, gegen die die „Appellation", also ein Rechtsmittel rechtssystematisch vergleichbar der Beru­ fung, zulässig war, die Vollstreckung ausgesetzt bleiben mußte. Aus Art. 5 der Deklara­ tion vom 6. April 1839, die wiederum zur Ergänzung einer Verordnung vom 14.12.1833 über das Rechtsmittel der Revision und der Nichtigkeitsbeschwerde ergangen war, ist zu entnehmen, daß der zu „laufenden Alimenten" Verurteilte auch nicht die Befugnis. haben sollte, sich bei Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde durch gerichtliche Hinterle­ gung (Deposition) oder Kautionsbestellung vor der „wirklichen Vollstreckung" des ange­ fochtenen Erkenntnisses zu schützen. § 5 Teil 1 Titel 14 der preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung lautete: In allen Fällen, wo die Appellation zulässig ist, muß die Vollstreckung des Urteils ausgesetzt bleiben. § 6 Teil 1 Titel 14 der preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung lautete: Hiervon ist jedoch ausgenommen: 1) Wenn jemand durch ein Erkenntnis dem anderen Alimente zu geben verurteilt ist: maaßen alsdann die erkannten Alimente, der Appellation ungeachtet, dennoch, und zwar vom Tage der angemeldeten Klage an, gereicht werden müssen. 5 Förster, ZZP 8 (1885) 128 (130).

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1. Teil, 1 . Abschn.: Die Rechtslage vor Inkrafttreten der CPO

Weitere unmittelbar oder mittelbar einschlägige gesetzliche Bestimmungen bezüglich der Klagemöglichkeit auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen oder der Vollstreckbarkeit von Urteilen entsprechenden Inhalts waren in den partikularrechtlichen Prozeßrechtskodifikationen - soweit ersichtlich nicht vorhanden. Das ist allerdings, was die Frage der Zulässigkeit einer derartigen Klage anbelangt, nicht weiter überraschend, da es nach dem damals vorherrschen­ den Verständnis von Funktion und Aufgabe des materiellen Zivilrechts einerseits und des Zivilprozeßrechts andererseits grundsätzlich nicht zum Aufgabenbereich des Prozeßrechts, sondern vielmehr zum materiellen Recht gehörte, die Voraus­ setzungen einer Klagemöglichkeit zu bestimmen 6 • So verwundert es nicht, daß beispielsweise noch in der Begründung des Gesetzentwurfs der CPO zu der Aufnahme der Vorschrift über die Feststellungsklage (§ 223 des Entwurfs der CPO = § 23 1 der CPO von 1 877) ausgeführt wurde, daß die CPO an sich nicht als geeigneter Ort für eben diese Norm angesehen werde, dafür vielmehr in erster Linie ein Zivilgesetzbuch in Betracht komme: „Die Voraussetzungen zu regeln, unter denen eine Klage erhoben werden kann, ist Sache des materiellen Rechts. Nicht die Civilprozeßordnung, sondern das Civilge­ setzbuch würde daher der Ort sein, zu bestimmen, ob und inwieweit Klagen auf Feststellung zu gestatten seien." 7 Insbesondere das Ziel reichseinheitlicher Regelung von Zulässigkeit und Vor­ aussetzung der Feststellungsklage war bei der zum damaligen Zeitpunkt ja noch fehlenden einheitlichen materiellrechtlichen Rechtslage 8 dann doch ausschlagge­ bend dafür, daß man sich gleichwohl dazu entschloß, die Vorschrift in die CPO aufzunehmen 9. Da es, wie vorgehend kurz skizziert, zur damaligen Zeit grundsätzlich als Aufgabe des materiellen Rechts angesehen wurde, die Zulässigkeitsvoraussetzun­ gen einer Klagemöglichkeit zu bestimmen, bleibt zu fragen, ob nicht im kodifi­ zierten materiellen Recht Regelungen über eine Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen vorhanden waren oder wie bei Fehlen solcher Rege­ lungen die Zivilrechtswissenschaft solchen Klagen gegenüberstand.

6 Vgl. Hellwig, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, Band 1 , § 57 I, S. 368, Petersen-Remele-Anger, CPO, Band 1, § 256 I 1 . 7 Hahn, Materialien zur CPO, Band 2 , 1 . Abteilung, S . 255 unten. 8 Das Inkrafttreten eines reichseinheitlichen Bürgerlichen Gesetzbuchs war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Das BGB wurde bekanntlich erst am 18. 8. 1 896 (RGBI. S. 195) verabschiedet und trat gemäß Art. 1 EGBGB am 1 . 1 . 1900 in Kraft. 9 Zu den weiteren Gesichtspunkten vgl. Hahn, Materialien zur CPO, Band 2, 1 . Abteilung, S. 256.

I. Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen

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2. Das materiellrechtliche „Klagerecht" als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage

In der Zivilrechtswissenschaft wurde als Voraussetzung einer zulässigen Klage das Vorliegen eines - damals noch - materiellrechtlich qualifizierten Klage­ rechts angesehen 1 0 • Das Klagerecht sollte durch die Verletzung des materiellen Rechts seitens des Beklagten entstehen. Eine Rechtsverletzung wurde als ziviler Unrechtszustand verstanden 1 1 und sollte vorliegen, wenn der tatsächliche Zustand eines Rechtes ohne Zustimmung des Berechtigten ein der Rechtslage nicht ent­ sprechender war 12 , das bedeutet konkret, wenn der Verpflichtete trotz Fälligkeit einer Verbindlichkeit auf Erfordern des Berechtigten nicht leistete. Dieses Ver­ ständnis des Klagerechts fand eine gesetzliche Verankerung in § 55 Teil 1, Titel 16 des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, der folgenden Wortlaut hatte: ,,Der Gläubiger ist, Wechselzahlungen ausgenommen, nicht eher als nach gänzli­ chem Ablaufe des bestimmten Tages auf die Zahlung zu klagen berechtigt." Bei Zugrundelegung dieser Dogmatik zur Zulässigkeit einer Klage war mithin vor Fälligkeit der jeweiligen Leistung mangels Rechtsverletzung eine Klagemög­ lichkeit nicht gegeben. Da bezüglich der künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen in den Kodifikationen des materiellen Zivilrecht nur ausnahmsweise wie in § 1865 Satz 1 des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1863 für das Unterhalts­ recht eine Bestimmung vorhanden war, nach der die Mutter eines nichtehelichen Kindes die Möglichkeit haben sollte, den Vater des Kindes auch bezüglich seiner künftigen, das Kind betreffenden Unterhaltsverpflichtungen zu verklagen 13 , hätte eine strikte Durchhaltung des so verstandenen Grundsatzes der Rechtsverletzung als Voraussetzung einer Klagemöglichkeit im übrigen eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf fällige Ansprüche bedeutet. Ein dergestalt eingeschränkter Rechtsschutz wurde aber nicht für jeden Rechtsbereich als ausreichend angese­ hen 1 4 • So fand zunächst der Grundsatz des Erfordernisses der Rechtsverletzung eine erste, allerdings für alle Leistungsverpflichtungen geltende Einschränkung. Man schaute fortan für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Klage nicht mehr auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern bejahte die Zulässigkeit einer 1 0 Moos, Diss., S. 5 ff. mit weiteren Nachweisen, Bähr, Urteile des Reichsgerichts,

s. 149.

11 Formulierung von Moos, Diss., S. 6. Demburg, Pandekten, Band 1, § 1 27, S. 29 1 . Förster, ZZP 8 ( 1 885) 1 28, 135 f. 1 3 Unmittelbar war auch in § 1 865 Satz 1 nicht die Zulässigkeit der Klage auf künftige Unterhaltszahlungen als solche, sondern vielmehr das Erfordernis der vormundschaftli­ chen Genehmigungspflicht einer derartigen Klage der Mutter geregelt: ,,Auf den Beitrag für die Zukunft kann die Mutter nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts klagen." 14 Vgl. dazu Bähr, Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund, § 69, S. 236 ff. 12

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1. Teil, 1. Abschn.: Die Rechtslage vor Inkrafttreten der CPO

Klage auch dann, wenn die Fälligkeit eines bei Klageerhebung noch nicht fälligen Anspruchs erst während des Rechtsstreits eintrat 1 5 • Doch auch mit dieser Ein­ schränkung wäre gleichwohl weiterhin in all den Situationen eine Verurteilung ausgeschlossen gewesen, in denen die betreffenden Ansprüche erst nach Beendi­ gung des Gerichtsverfahrens fällig werden sollten. Insbesondere für die periodisch entstehenden Unterhaltsansprüche 16 hielt man aber den Alimentationsberechtig­ ten gerade darin für schutzbedürftig, ihm zu ersparen, jeweils erneut bei Fälligkeit einer Einzelrate ein darauf begrenztes Erkenntnisverfahren anstrengen zu müssen. Infolgedessen ließ man eine Klage auch wegen der erst künftigen Unterhaltsan­ sprüche zu 17 • Um mit der oben skizierten Dogmatik von der Rechtsverletzung als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage nicht brechen zu müssen, wurden Überlegungen angestellt, ob nicht bereits in dem Stadium vor Fälligkeit des Einzelanspruchs eine - anders geartete - Rechtsverletzung vorliegen könnte. Würde man dies bejahen können, so wäre der aus damaliger Sicht dogmatisch überzeugende Weg für ein Klagerecht vor Fälligkeit des künftigen Unterhaltsan­ spruchs geebnet gewesen 1 8 •

3. Die Anerkennungs- bzw. Feststellungsklage bezüglich künftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen Nach Ansicht eines Teils des Schrifttums 1 9 wie der Rechtsprechung 20 sollte die von der Gerichtspraxis 21 und Literatur 22 entwickelte Klage auf Anerkennung 1s Windseheid-Kipp, Pandektenrecht, Band 1, § 128, S. 376; Dernburg, Pandekten, Band 1, § 154, S. 356 (dort Fußnote 8); Förster, ZZP 8 (1885) 128 (129 f.). 1 6 Zu dem dogmatischen Verständnis, daß der Unterhaltsanspruch nicht als ein einmal einheitlich entstehender Gesamtanspruch, sondern vielmehr als ein bei Fortdauer der Voraussetzungen (Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit) periodisch jeweils neu entstehender Anspruch angesehen wurde, vgl. OLG Darmstadt Urteil vom 3.7.1882, SeuffArch 38 (1883) Nr. 86, S. 120 und Urteil vom 4. 11. 1890, SeuffArch 46 (1891) Nr. 191, S. 303; Motive der 1. Kommission zum Entwurf eines BGB, Mugdan, Materialien zum BGB, Band 4, Vorbemerkungen zu den §§ 1480- 1496, S. 359. 11 Langheineken, Der Urteilsanspruch, § 11 V 4., S. 215; Kroll, Klage und Einrede nach Deutschem Recht, § 14, S. 61 (dort Fußnote 39); Hellwig, Anspruch und Klagerecht, § 52 II 2., S. 371 und ders., Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, Band 1, § 57 I 1., S. 368; Jäger, Diss., S. 37. 18 Vgl. Moos, Diss., S. 6. 19 Vgl. Wach, Der Feststellungsanspruch, S. 38 (dort Fußnote 57) und S. 60; Leon­ hardt, Der Anspruchsbegriff des Entwurfs eines BGB für das Deutsche Reich, ZZP 15 (1891) 327 ff. (354); Kohler, Recht und Prozeß, Grünhut 14 (1887) 1 ff. (36 f.) ; ders., Gesammelte Beiträge zum Zivilprozeß, S. 66. 20 Vgl. ROHGE 18 (1876) Nr. 15, S. 59 (60): ,, . . . Das gegenwärtige rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung der Verpflichtung des Beklagten . . . besteht darin, daß (der) Kläger sonst genötigt wäre, jede einzelne Rate nach Verfall derselben besonders einzuklagen, weil ja eine Verurteilung zur Zahlung (im Sinne eines Leistungs­ urteils) der Regel nach nicht möglich ist." Vgl. auch das OAG Kassel im Dekret vom 29.7.1865, SeuffArch 20 (1867) Nr. 7, S. 778 (779): ,,Dasjenige, was Beklagter über die Unzulässigkeit der „Anerkennungsklage" mit Rücksicht auf die dem Kläger seiner

I. Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen

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bzw. Feststellung der künftigen Leistungspflicht oder der Feststellung des Rechts­ verhältnisses 23 , die bald auch Eingang in einzelne materiellrechtliche 24 und pro­ zeßrechtliche Kodifikationen 25 fanden, die aufgezeigte Lücke im Rechtsschutz schließen. Die Vertreter dieser Ansicht gingen davon aus, daß der Anspruchsbe­ rechtigte neben dem (Leistungs-) Anspruch auf die fällige Leistung einen weiteren Anspruch auf Anerkennung der künftigen Leistungspflicht habe, der bei Bestrei­ ten derselben verletzt würde 26 • Uneinigkeit herrschte allerdings unter den Vertre­ tern dieser Auffassung bezüglich des Verhältnisses des umfassenden Anerken­ nungsanspruchs zu dem Anspruch auf die einzelne erst später fällig werdende Leistung. Teils wurden die Ansprüche als rechtlich selbständige, also voneinander getrennte 27 , teils als teilidentische angesehen 28 •

4. Die Problematik der Qualifizierung einer Klage über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen als Feststellungsklage Ob mit der Qualifizierung der Klage auf künftig fällig werdende wiederkehren­ de Leistungen und speziell auf künftigen Unterhalt als Anerkennungs- bezie­ hungsweise Feststellungsklage dem Schutzbedürfnis des Berechtigten zur Genüge Ansicht nach bereits zustehende Klage „auf Erfüllung" ausführt, erledigt sich schon damit, daß der das Rechtsverhältnis als bestehend feststellende richterliche Ausspruch auch den Ausspruch über die aus diesem Rechtsverhältnis mit rechtlicher Notwendigkeit zwischen den Parteien sich ergebenden Folgen, mithin auch die Verurteilung zur Erfül­ lung der aus solchem entspringenden Verpflichtungen des Beklagten, sobald Zeit und Bedingung für solche eingetreten sein werden, in sich faßt. Die Klage auf Anerkennung und die Klage auf Erfüllung in ihren praktischen Ergebnissen können hiernach nicht als rechtlich verschiedene Klagen gelten." 21 Vgl. etwa ROHG und OAG Kassel, ebd. 22 Zu nennen sind insbesondere Weismann, Die Feststellungsklage; Bähr, Die Aner­ kennung als Verpflichtungsgrund. Siehe auch Kori, Erörterungen praktischer Rechtsfra­ gen aus dem gemeinen und sächsischen Civilprozesse, Teil 3, S. 43 f.; Wächter, Pandek­ ten S. 414; aus jüngerer Zeit Ho Moon, Zum Anspruchsbegriff bei der Feststellungsklage, S. 6 ff. 23 Zu der Frage, ob die Klage auf Anerkennung der künftigen Leistungspflicht gleich­ bedeutend war mit der Feststellungsklage, Weismann, Die Feststellungsklage, S. 123 (bejahend) mit weiteren Nachweisen und Bähr, Die Anerkennung als Verpflichtungs­ grund, § 69, S. 236 ff. 24 Bspw. § 147 des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2s Vgl. dazu im einzelnen die Nachweise bei Hahn, Materialien zur CPO, S. 255 unten. 26 So ROHGE 18 (1876) Nr. 15, S. 59 (60). Für das preußische Recht vgl. das preußische Obertribunal vom 3.5.1872, Striethorst-Archiv 85 (1872) 129 (137 f.). Vgl. auch Bähr, Urteile des Reichsgerichts, S. 150, der auf die Motive zur CPO verweist, nach denen - von diesem Verständnis ausgehend - daher für§ 231 CPO (Feststellungsklage) auf die Formulierung verzichtet wurde, daß auch „ohne vorausgegangene Rechtsverlet­ zung" geklagt werden könne. 21 So das preußische Obertribunal, ebd. Ebenso Wach, Der Feststellungsanspruch, s. 60. 28 So das OAG Kassel, SeuffArch 20 (1867) Nr. 7, S. 778 (779).

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1. Teil, 1. Abschn.: Die Rechtslage vor Inkrafttreten der CPO

Rechnung getragen werden konnte, hing davon ab, ob bei Fälligkeit des - beim Unterhaltsanspruch jeweils erst künftig entstehenden 29 - einzelnen Anspruchs der Berechtigte aus dem Urteil unmittelbar das Zwangsvollstreckungsverfahren einleiten konnte. Für den Anspruchsberechtigten war nämlich nicht nur die Entla­ stung von einer denkbaren wiederholten Klageerhebung mit jeweils ungewissem Ausgang durch eine einheitliche gerichtliche Entscheidung wichtig, sondern vor allem die Möglichkeit einer unmittelbaren Durchsetzung des Urteils mittels der Zwangsvollstreckung bei Fälligkeit der jeweiligen Einzelrate ohne Anstrengung eines weiteren gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. 5. Die Vollstreckbarkeit eines Feststellungsurteils

Es stellte sich die Frage, ob aus einem Feststellungsurteil und hier interessierend aus einem über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen, bei Fälligkeit der jeweiligen Leistung wie bei Leistungsurteilen das Vollstreckungsverfahren betrieben werden konnte. Bei Leistungsurteilen bestanden nach gemeinem Recht grundsätzlich zwei gangbare Wege, eine Vollstreckung einzuleiten. Entweder man erhob gestützt auf das rechtskräftige Erkenntnis und die durch dieses nach damaligem Verständnis begründete „obligatio" 30 eine selbständige neue Klage, die sogenannte „actio judicati" 3 1 , welche auf Durchführung des Vollstreckungs­ verfahrens nach Ablauf einer in diesem Urteil (mandatum executionis) womöglich noch seitens des Richters zu gewährenden letzten Zahlungsfrist, gerichtet war, oder aber man stellte zur Erlangung des richterlichen Vollstreckungsdekrets 32 beim Prozeßgericht, den Exekutionsantrag (imploratio officii judicis), der auch Antrag auf Hilfsvollstreckung 33 genannt wurde. Welchen Weg der Gläubiger wählte, hing wesentlich davon ab, wo vollstreckt werden sollte, da der Exekutions­ antrag nur bei dem Prozeßgericht und damit nur für dessen Zuständigkeitsbereich gestellt werden konnte 34 • Sollte im Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichts oder sogar in einem anderen Staat vollstreckt werden, mußte dort wegen des gemeinrechtlichen Verständnisses der Untrennbarkeit von „Kognition und Zu dieser rechtlichen Einordnung vgl. die Fundstellen oben in Fußnote 16. Vgl. Wetzell, System des ordentlichen Zivilpr-ozesses § 47, S. 599. 3 1 Dazu und zum Verhältnis der actio iudicati zum Exekutionsantrag vgl. Wetzell, System des ordentlichen Civilprozeßrechts, § 47, S. 597 ff.; Hommel, Diss., S. 5 ff. und S. 27; Gaul, Das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung. Möglichkeiten und Grenzen einer Vereinfachung, ZZP 85 (1972) 25 1 ff. (270). 32 Hommel, Diss., S. 6. 33 Mit dieser Bezeichnung sollte nur klargestellt sein, daß der Gläubiger nicht „eigen­ händig" vollstreckte, sondern sich bei Leistungsverweigerung des Schulners der Voll­ streckungsdurchführung der hierfür zuständigen staatlichen Instanzen bedienen mußte, also auf deren „Hilfe" verwiesen war. 34 Vgl. dazu OAG Kassel vom 21 . 2. 1 854, SeuffArch 11 ( 1 857) Nr. 104, S. 64 f. und OAG Celle vom 9. 2. 1 867, SeuffArch 20 ( 1 867) Nr. 1 90, S. 302. 29

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1. Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen

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Zwang" beim Prozeßgericht 35 vorher die actio iudicati erhoben werden 36 • Bei der Vollstreckung in einem anderen Staat kam ihr also rechtssystematisch eine Funktion zu, die heute dem Vollstreckungsurteil gemäß §§ 722, 723 ZPO zu­ kommt. Grundsätzlich waren die actio judicati und der Exekutionsantrag nur zur Durch­ setzung von Urteilen mit auf Leistung gerichteter Verurteilung vorgesehen. Die Frage, ob bei gerichtlicher Anerkennung oder Feststellung der künftigen Alimen­ tationspflicht bzw. anderer wiederkehrender Leistungen, wie etwa Verpflichtun­ gen aus einer Reallast, eine Vollstreckung bei Fälligkeit der Einzelrate im oben beschriebenen Sinne erfolgen konnte, konnte nach Auffassung Wetzells 37 für das gemeine Recht nicht eindeutig beantwortet werden. Auch Pfeiffer 38 sprach sich nur allgemein für die Möglichkeit einer Klage auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses aus, bei der „im Falle der Zuerkennung im jedesmaligen Zeitpunkt der Fälligkeit nur eine actio iudicati - und nicht eine erneute Verurteilungsklage - erfoderlich wäre", er ging aber wohl davon aus, daß dies gemeinrechtlich noch nicht anerkannt war. 6. Die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Feststellungsklagen

In Wissenschaft und Praxis war seit der Entwicklung des Instituts der Feststel­ lungsklage - Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts - bis zu Beginn dieses Jahrhunderts umstritten, ob zwischen Leistungsurteilen im engeren Sinne und Feststellungsurteilen grundsätzlich zu unterscheiden sei. Von praktischer Bedeu­ tung war dies insbesondere im Hinblick auf die Wirkung der Urteile. So war lange umstritten, ob nur aus einem Leistungsurteil eine Vollstreckung im eigentli­ chen Sinne möglich sein sollte 39 • Es waren keineswegs unbedeutende Juristen, wie insbesondere Wach 40, Schmidt 4 1 , Degenkolb 42 und Kohler 43 , die sich gegen eine prinzipielle Unterschei­ dung von Feststellungsurteilen und Leistungsurteilen aussprachen und daher die 35 Gaul, Das Rechtsbehelfssystem der Zwangsvollstreckung, ZZP 85 ( 1972) 25 1 (270). 36 Das war der Fall, wenn die Vollstreckung im Zuständigkeitsbereich eines anderen als dem des Urteilsgerichts erfolgen sollte. 37 Wetzell, System des ordentlichen Civilprozeßrechts, S. 597 (dort Fußnote 103) mit weiteren Nachweisen. 38 Pfeiffer, Beiträge zur Lehre von der Wirkung rechtskräftiger Urteile, AcP 37 ( 1 854) 244 (258 ff.). 39 Vgl hierzu die kurze Darstellung der Problematik bei Moos, Diss., S. 7. 40 Wach, Der Feststellungsanspruch, S. 35 f.; anders aber ders., Handbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, Band 1, S. 1 1 . 4 1 Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 1 . Aufl., S. 688. 42 Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm, S. 141 ff. 43 Kohler, Grünhut 14 (1 887) 1 (36 f.).

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1. Teil, 1. Abschn.: Die Rechtslage vor Inkrafttreten der CPO

Vollstreckung aus Feststellungsurteilen nicht schlechterdings für ausgeschlossen hielten 44 • Für Bähr war es sogar „selbstverständlich" 45 , daß sich an das Urteil, welches nur das Recht auf eine zukünftige Leistung ausspreche und damit wie er. formuliert - sein „Lebenselement" der Feststellungsklage entnehmen würde, mit dem Eintritt der Fälligkeit die actio iudicati „knüpfe": ,, . . . sofern nämlich der wirksame Schutz des klägerischen Rechtes nicht allein mit dem rechtskräftigen Ausspruch über dasselbe erreicht werde, sondern auch dessen sofortige Vollziehbarkeit erfordere, sei kein Grund ersichtlich, diese zu versagen." 46 Aus der Rechtsprechung können - auf dieser Linie liegend - die Urteile des OAG Jena vom 3 1 . 12. 1 857 47 sowie des ROHG vom 26.6. 1 875 48 angeführt werden. Diese Auffassung von der Vollstreckbarkeit der Feststellungsurteile konnte sich aber weder in der Rechtsprechung 49 noch in der Literatur 50 durchsetzen. Ganz überwiegend ging man davon aus, daß eine Vollstreckung hinsichtlich der Sachentscheidung nur aus einem Leistungsurteil im engeren Sinne, nicht aber aus einem Feststellungsurteil möglich sein sollte. Eine Leistungsklage setzte aber - wie schon nach römischem Recht 5 1 - materiellrechtlich weiterhin grundsätz44 Wach, Der Feststellungsanspruch, S. 36; Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Zivil­ prozeßrechts, 1. Aufl., S. 688. Kahler, Grünhut 14 (1887) 1 (36 f.), unterschied zwar Anspruchs- und Feststellungsklagen und qualifizierte die Klagen auf künftig fällig wer­ dende wiederkehrende Leistungen als Feststellungsklagen, da Anspruchsklagen einen bereits gegenwärtig bestehenden Anspruch voraussetzen würden. Gleichwohl sollten diese Feststellungsurteile vollstreckbar sein. 45 Bähr, Urteile des Reichsgerichts, S. 156. 46 Bähr, Urteile des Reichsgerichts, S. 156. 47 SeuffArch 14 (1861) Nr. 5, S. 579. Von der Formulierung ist allerdings nicht eindeutig, ob das Gericht nicht eine Verbindung von Feststellungs- und Leistungsklage im Sinne einer objektiven Klagenhäufung annahm: ,,In solchen Fällen (bei denen es sich um eine Schuldverbindlichkeit handelt, die sich in fortlaufende, nach bestimmten Zeitabschnitten regelmäßig wiederkehrende Zahlungsverpflichtungen aufspaltet und der Beklagte diese Verpflichtung überhaupt in Abrede stellt} muß es den Berechtigten gestattet sein, auf Anerkennung und Erfüllung der betreffenden Schuldverbindlichkeit hinsichtlich ihres ganzen Umfangs anzutragen und eine dementsprechende allgemeine Verurteilung des Verpflichteten zu erwirken, um alsdann im Falle fernerer Zahlungsver­ weigerung sofortiger Exekutionsverfügung versichert sein zu können". 48 ROHGE 18 (1875) Nr. 15, S. 59 (60): ,,Dieses rechtliche Interesse besteht darin, daß Kläger sonst genöthigt wäre, jede einzelne Rate nach Verfall derselben besonders einzuklagen, weil ja eine Verurteilung zur Zahlung vor Verfall - der Regel nach nicht möglich ist,. . . " 49 Vgl. RGZ 14, 412 (416); 16, 420 (421); 25, 373 (378). so Langheineken, Der Urteilsanspruch, § 10 IV, S. 141 mit weiteren Nachweisen; Planck, Lehrbuch des Deutschen Civilprozeßrechts, Band 2, § 171, S. 655; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, § 52 a I, S. 368 ff.; Moos, Diss. S. 7. Für das gemeine Recht: Wetzell, System des ordentlichen Zivilprozesses, S. 597. Für das preußische Recht: Förster, ZZP 8 (1885) 128 ff. (142). 51 Förster, ZZP 8 (1885) 128; Pfeiffer, Beiträge zur Lehre von der Wirkung rechtskräf­ tiger Urteile, AcP 37, (1854) 244 ff. (259); Moos, Diss. S. 10; alle mit weiteren Nachwei­ sen.

I. Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen

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lieh die Fälligkeit der Leistung voraus 52 • Einzelne, teilweise auch gesetzlich geregelte Ausnahmen bezüglich künftiger einmaliger Leistungsverpflichtungen, wie die der Kündigungsklage nach § 16 Teil 1, Titel 28 der preußischen Allgemei­ nen Gerichtsordnung 53 sollen hier nicht näher verfolgt werden. 7. Die Qualifizierung der Klage auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen als Leistungsklage

Eine Einordnung der Klage auf künftige Leistungspflicht als Feststellungsklage hätte bei Zugrundelegung der skizierten, damals herrschenden Auffassung zur Frage der Vollstreckungsmöglichkeit aus einem Feststellungsurteil dem Schutz­ bedürfnis des Berechtigten nicht ausreichend Rechnung getragen, da er bei Fällig­ keit der Einzelrate nicht unmittelbar hätte vollstrecken können. Von daher ist nicht überraschend, daß sich zunehmend die Qualifizierung als Leistungsklage durchsetzte 54. Die Rechtslage sollte sich hiernach nicht in zwei getrennte Ansprü­ che auf die fällige Leistung (Leistungsklage) einerseits und auf Feststellung der zukünftigen Leistungspflicht (Feststellungsklage) andererseits aufspalten, son­ dern man betrachtete das Rechtsverhältnis, aus dem sich periodisch wiederkehren­ de Leistungspflichten ergeben würden, als einheitliches, sich aus mehreren Ein­ zelrechten zusammensetzendes Gesamt- oder „Kollektivrecht" 55 • Die Verletzung eines fälligen Einzelrechts sollte zugleich auch pars pro toto eine Verletzung des Gesamtrechts darstellen 56 • Förster, ZZP 8 (1885) 128 (129). Diese Regelung hatte Leitbildcharakter für den heutigen § 257 1. Var. ZPO. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung konnte der Gläubiger einer von einer Kündigung abhängigen Zahlungsverpflichtung zum Zwecke der späteren Beweisbarkeit der Kündigung eine gerichtliche Bescheinigung der Kündigung vor Fälligkeit der Leistung erwirken und gemäß Abs. 2 zugleich mit diesem Ersuchen eine Klage auf Verurteilung zur späteren Zahlung verbinden, vgl. § 16 Abs. 2: ,,Will der Gläubiger sich durch das angebrachte Gesuch ein rechtskräftiges Urteil oder ein gerichtliches Anerkenntnis verschaffen, aus welchem er nach verflossener Aufkündigung Execution suchen könne, so muß darauf, wie auf jede andere Klage verfügt . . . werden." Zu dieser Bestimmung ausführlicher Förster, ZZP 8 (1885) 128 (130 ff.) und Moos, Diss. S. 15 f. s4 Langheineken, Der Urteilsanspruch, S. 215 f. Kroll, Klage und Einrede nach Deut­ schem Recht, § 14, S. 61, dort Fußnote 39; Rocholl, Rechtsfälle des Reichsgerichts, Band 2, S. 124. Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht, § 50, S. 257. Oetker, Konkurs­ rechtliche Grundbegriffe, Band 1, Anhang, S. 578. Hellwig, Anspruch un