Das Verbot der Altersdiskriminierung aus Sicht der Rechtsvergleichung und der ökonomischen Analyse des Rechts [1 ed.] 9783428530069, 9783428130061

Ziel der Arbeit ist die Beurteilung des Verbots von Altersdiskriminierung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) a

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Das Verbot der Altersdiskriminierung aus Sicht der Rechtsvergleichung und der ökonomischen Analyse des Rechts [1 ed.]
 9783428530069, 9783428130061

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 280

Das Verbot der Altersdiskriminierung aus Sicht der Rechtsvergleichung und der ökonomischen Analyse des Rechts Von

Konrad von Hoff

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KONRAD VON HOFF

Das Verbot der Altersdiskriminierung aus Sicht der Rechtsvergleichung und der ökonomischen Analyse des Rechts

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 280

Das Verbot der Altersdiskriminierung aus Sicht der Rechtsvergleichung und der ökonomischen Analyse des Rechts

Von

Konrad von Hoff

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-13006-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008 / 2009 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation zur Prüfung angenommen. Bei der vorliegenden Veröffentlichung wurden Rechtsprechung und Literatur bis Oktober 2008 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gregor Thüsing LL.M., der die Arbeit von Anfang an unterstützt hat und mir jederzeit unkompliziert mit gutem Rat und aufmunternden Worten beiseite stand. Besonders mit seinen schnellen Korrekturen hat er das Vorankommen der Arbeit sehr gefördert und mich auch über die Anfertigung der Dissertation hinaus vielfach unterstützt. Bei der Arbeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Thüsing habe ich wertvolle Erfahrungen gemacht und durfte ein großes Maß an Förderung genießen. Weiterhin gilt Herrn Prof. David Weisbach und Prof. Cass Sunstein großer Dank, die mich während meiner Zeit an der University of Chicago Law School in den Jahren 2005 / 2006 in den Anfängen meiner Recherchen zu dieser Arbeit unterstützt haben und mir zu einem grundlegenden Verständnis der ökonomischen Analyse des Rechts und des behavioral law and economics verholfen haben. Herrn Prof. Dr. Raimund Waltermann danke ich für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens und der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, die die Arbeit mit einem Stipendium unterstützte, für die finanzielle und ideelle Förderung während der Promotionszeit. Die Drucklegung wurde vom Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft durch einen Druckkostenzuschuss großzügig gefördert. Schließlich danke ich von ganzem Herzen meinen Eltern, die mich immer vorbehaltlos unterstützt und gefördert haben, und meinem Bruder Gerung für seine gründlichen Korrekturen des Manuskripts. Berlin, im November 2008

Konrad von Hoff

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitende Bemerkungen

19

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Der U.S.-amerikanische ADEA und das deutsche AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

C. Theoretische Grundlagen der ökonomischen Analyse und ihre Grenzen . . . . . . . .

29

I. Der Mensch als rationaler Nutzenmaximierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

II. Der Effizienzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

III. Notwendigkeit empirischer Daten bzw. Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Kapitel Stellenwert des ökonomischen Arguments im Recht der Altersdiskriminierung

35

A. Legitimität und Legalität des Effizienzkriteriums im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Legitimität des Effizienzkriteriums im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

II. Legalität des Effizienzkriteriums im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

1. Ansicht Eidenmüllers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Methodenpluralismus nach Grundmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3. Effizienz als Aspekt der Rechtsidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

4. Integration des ökonomischen Arguments in den Auslegungskanon . . . . . . . .

41

5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

B. Stellenwert des ökonomischen Arguments bei der Auslegung des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters im AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

I. Effizienz im Arbeits- und Antidiskriminierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

II. Ökonomische Zwecksetzung hinter der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG . . . . . .

46

III. Effizienz und die Normen zur Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

10

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

54

A. Definition von „Alter“ und „älterer Mensch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

B. Definition von Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

I. Probleme beim Messen von Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

II. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . .

62

IV. Exkurs: Angebot und Nachfrage im Bereich der Arbeit älterer Menschen . . . . .

65

1. Hemmnisse auf der Angebotsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

2. Hemmnisse auf der Nachfrageseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

D. Demographische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

E. Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Arbeitgebereinstellungen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. Arbeitgebereinstellungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

4. Kapitel Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

84

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I. Beckers Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

II. Rolle des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

III. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

IV. Auswirkungen des ADEA auf die Effizienz am Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

B. Modell der statistischen Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

I. Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

II. Rolle des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

Inhaltsverzeichnis

11

III. Effizienz statistischer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

1. Ineffiziente Investitionen in Humankapital wegen statistischer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

a) Humankapitaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

b) Auswirkungen von statistischer Diskriminierung auf Humankapitalinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

c) Auswirkungen des ADEA auf Investitionen in Humankapital . . . . . . . . . . . 102 2. Ineffizienter Wechsel in den individualisierten Markt wegen statistischer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Lebensalter als kostengünstiger Indikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Einfache Erkennbarkeit und Verwaltbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Hohe Kosten und geringere Nutzen alternativer Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Genauigkeit des proxy „Lebensalter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 V. Auswirkungen von Altersdiskriminierungsgesetzen auf die Effizienz . . . . . . . . . . 116 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis

120

I. Verhaltenswissenschaftliche ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Unterbewusste Verzerrung und Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Unterschiede in der theoretischen Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Empirische Daten über Implicit Age Bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 IV. Rolle und Folge von Antidiskriminierungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Rolle des Rechts angesichts unterbewusster Verzerrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Mögliche Rechtliche Instrumente angesichts unterbewusster Verzerrung 135 b) Kritik dieser Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Effizienz der gesetzlichen Reduzierung von Implicit Age Bias durch Altersdiskriminierungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Regelungen des ADEA und unterbewusste Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

12

Inhaltsverzeichnis

D. Verursachung von Diskriminierung durch Unterschiede im Humankapital . . . . 146 I. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Punktuell geringere Humankapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Erhöhte Investitionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Verkürzter Amortisierungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Humankapital und statistische Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Auswirkungen des Verbots von Altersdiskriminierung auf das Humankapital . . 150 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 E. Senioritätsentlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Verbreitung von Senioritätslöhnen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Modelle der Senioritätsentlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Lohnanstieg während der ersten Arbeitsjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Lohnanstieg über die gesamte Karriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Auswirkungen des ADEA auf implizite Vereinbarungen über Senioritätslöhne

157

1. Verhinderung von Life Cycle Contracts durch Verbot der Zwangspensionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Kritik dieser Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. ADEA zur Verhinderung von opportunistischem Arbeitgeberverhalten . . . . . 160 4. Kritik dieser Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Erforderlichkeit gesetzgeberischer Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Schutz vor opportunistischen Entlassungen durch den ADEA . . . . . . . . . . . 164 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Kapitel Effektivität von ADEA und AGG

169

A. Effektivität des ADEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Förderung von Beschäftigung älterer Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote älterer Menschen . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Verringerung der Einstellungschancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Inhaltsverzeichnis

13

3. Senkung des Kündigungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4. Situation der Pensionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 B. Anhaltspunkte für die zu erwartende Effektivität des AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 6. Kapitel Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

190

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände hinsichtlich des Alters im AGG . . . 191 I. Zulässige unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG . . 192 II. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III. Positive Maßname gemäß § 5 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Tatbestandsausschluss des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Identischer Prüfungsmaßstab für § 10 Satz 1 und 2 AGG sowie § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Anwendbarkeit des § 10 AGG auf mittelbare Benachteiligungen . . . . . . . . . . . 207 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Frage der engen Auslegung von Rechtfertigungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Keine zusätzliche Einschränkung des legitimen Ziels durch die Merkmale „objektiv und angemessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Keine Beschränkung auf Allgemeinwohlziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Verhältnis zum sachlichen Grund im Sinne des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4. Wirtschaftliche Gründe und Kostenminimierung als legitime Ziele . . . . . . . . . 225 5. Grenze der Berücksichtigung von Kosten nach § 8 Abs. 2 AGG . . . . . . . . . . . . 230 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 10 Satz 2 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

14

Inhaltsverzeichnis 7. Kapitel Anwendung ökonomischer Konzepte bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG

242

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. Arbeitgeberpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Kundenpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Rechtfertigung von Kundenpräferenzen nach § 10 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 10 Satz 2 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Stellenwert des Interesses an einer Ungleichbehandlung . . . . . . . 253 (2) Stellenwert des Interesses an einer Gleichbehandlung . . . . . . . . . 255 dd) Besonderheiten bei Kündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Mitarbeiterpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Minimalkostenkombination zwischen Informations- und Fehlerkosten und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Zweistufigkeit der legitimen Ziele bei statistischer Diskriminierung . . . . . . . . . . 264 III. Statistische Altersdiskriminierung und das AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 IV. Verhältnismäßigkeit von statistischer Diskriminierung nach § 10 Satz 2 AGG . . . 265 1. Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 V. Anwendungsfälle: Verbreitete Altersgrenzen bei der Einstellung und Pensionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Allgemeines zu Altersgrenzen und dem AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Pensionsgrenzen bei wirtschaftlicher Absicherung durch Rentenanspruch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 3. Altersgrenzen und Leistungsrückgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 4. Altersgrenzen aus Sicherheitsgründen oder zum Schutz Dritter . . . . . . . . . . . . . 283 5. Altersgrenzen bei der Einstellung oder Pensionierung zur Ermöglichung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb oder Unternehmen . . . . . . . . . . 286

Inhaltsverzeichnis

15

6. Pensionsgrenzen zur Ermöglichung vorhersehbarer Personal- und Nachwuchsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 7. Festlegung von Mindestanforderungen an die Berufserfahrung . . . . . . . . . . . . . 291 8. Pensionsgrenzen zur Förderung der beruflichen Eingliederung . . . . . . . . . . . . . 295 9. Exkurs: Frage des Arbeitgebers nach dem Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Unterbewusste Verzerrungen zulasten älterer Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Leistungsbeurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 I. Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG . . . . . . . . 311 1. Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung wegen spezifischer Ausbildungsanforderungen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3, 1. Fall AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung zur Ermöglichung eines angemessenen Beschäftigungszeitraums bis zum Ruhestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 II. Ungleichbehandlungen wegen des Alters bei der Einstellung und betriebliche Wissensökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 III. Verweigerung der Teilnahme an einer Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I. Senioritätsprinzip und Beschäftigungschancen älterer Menschen . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Verringerte Beschäftigungschancen älterer Menschen durch Privilegien . . . . 323 2. Berücksichtigung der Senkung von Beschäftigungschancen älterer Menschen bei der Rechtfertigung nach § 10 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 II. Senioritätsentlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Verbreitung von Senioritätslöhnen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Senioritätsentlohnung als Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Rechtfertigungsmöglichkeiten von Senioritätslöhnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Entgeltstaffelung nach dem Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Entgeltstaffelung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . 335 aa) Honorierung von Berufserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 bb) Honorierung von Betriebstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 cc) Kostenteilung für Humankapitalinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

16

Inhaltsverzeichnis dd) Anreizlöhne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Exkurs: Altersgrenzen bei der Begründung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen wegen erhöhter Kosten im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erhöhte Lohnkosten wegen senioritätsgebundener Anreizlöhne . . (2) Erhöhte Kosten wegen sonstiger Senioritätsprivilegien . . . . . . . . ff) Arbeitnehmerpräferenz für über die Zeit ansteigende Löhne . . . . . . .

346 347 348 349 353 354 354 357 360

4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 III. Jubiläumszuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 IV. Andere tarifliche Privilegien für ältere Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 1. Legitimes Ziel: Schutz älterer Beschäftigter gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG . . 364 2. Unangemessenheit von Senioritätsrechten aufgrund verringerter Beschäftigungschancen älterer Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 V. Gestaffelte Abfindungsregelungen in Sozialplänen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Legitimes Ziel von altersbezogenen Abfindungsstaffelungen . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Verhältnismäßigkeit der Betonung des Lebensalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 8. Kapitel Zusammenfassung der Thesen

375

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

Abkürzungsverzeichnis Es wird verwiesen auf das Abkürzungsverzeichnis in Palandt, Otto / Bassenge, Peter (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Auflage, C.H. Beck, München, 2008, S. XVIIff. Die Abkürzungen der U.S.-amerikanischen Quellenangaben werden erläutert im Harvard Law Review Association, The Bluebook: A Uniform System of Citation, 17. Aufl., The Harvard Law Review Association, Cambridge, 2000, S. 182 ff. In diesen Verzeichnissen nicht aufgeführt: AARP

American Association of Retired Persons

ADA

Americans with Disabilities Act of 1990

ADEA

Age Discrimination in Employment Act of 1967

BAT

Bundesangestelltentarifvertrag

BdA

Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände

BFOQ

Bona Fide Occupational Qualification

BMAS

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

BMFSFJ

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

EEOC

Equal Employment Opportunity Commission

EG

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nach Vertrag von Amsterdam 1999)

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

entg.

entgültig

ERISA

Employee Retirement Income Security Act of 1974

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

F.A.S.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

F.A.Z.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FEP

Fair Employment Agency

IAB

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

IAT

Institut für Arbeit und Technik

IAT

Implicit Association Test

IAW

Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung

IFM

Institut für Mittelstandsforschung Bonn

INSM

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

IW

Institut der deutschen Wirtschaft Köln

IZA

Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit

18

Abkürzungsverzeichnis

LuftVZO

Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung

MEA

Mannheim Research Institute for the Economics of Aging

NBER

National Bureau of Economic Research

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

Reg.

Regulation

RFOA

Reasonable Factor Other Than Age

RL

Richtlinie

SAMF

Deutsche Vereinigung für sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung

Sec.

Section

Title VII

Title VII of the Civil Rights Act of 1964

TVöD

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst

WGBL

Wet gelijke behandeling op grond van leeftijd bij de arbeid

WSI

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut

1. Kapitel

Einleitende Bemerkungen A. Einleitung Am 18. August 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten.1 Das AGG enthält in Umsetzung der Richtlinie 2000 / 78 / EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000 / 78 / EG)2 auch das Verbot von Benachteiligungen wegen des Alters im Bereich von Arbeitsverhältnissen. Gerade die Problematik der Altersdiskriminierung ist von großer praktischer Bedeutung und birgt erhebliche Unsicherheiten für Arbeitsmarktakteure.3 Denn in der Vergangenheit waren Differenzierungen nach dem Alter in zahlreichen Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen gängige Praxis.4 Es stellt sich daher die Frage, welche Ungleichbehandlungen nach dem neuen AGG zulässig sein werden und welche dagegen als sozial verwerfliche Diskriminierungen einzustufen sind.5 Etwa zeitgleich feierte im U.S.-amerikanischen Arbeitsrecht der Age Discrimination in Employment Act of 1967 (ADEA) seinen 40. Geburtstag. In der Diskussion zur RL 2000 / 78 / EG und dem AGG wurde häufig auf die Vorbildwirkung des ADEA für das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters verwiesen.6 Verbreitet werden – trotz erheblicher Unterschiede zwischen den Gesetzen – Anleihen BGBl. 2006 I, S. 1897 ff. ABl. EG Nr. L 303, S. 16 ff. Im Weiteren sind mit „RL“ gekennzeichnete Artikel oder Erwägungsgründe solche der RL 2000 / 78 / EG. 3 Nach einer Gesetzesfolgekostenstudie von 2007 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) klagen 17,3% der befragten Unternehmer über die mit dem AGG verbundene Rechtsunsicherheit. Dies stellt nach dem gesteigerten bürokratischen Aufwand die zweitgrößte Belastung durch das AGG dar. Vgl. Hoffjan / Bramann, Empirische Erhebung der Gesetzesfolgekosten aus dem AGG, S. 16. 4 Vgl. König, ZESAR 2005, 218 („sozialadäquat“); Schlachter, ZESAR 2006, 396; Waltermann, NZA 2005, 1265 f. 5 Vgl. Erwägungsgrund 25 RL 2000 / 78 / EG. 6 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 65; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 36; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 22; Sproß, in: Rust / Lange / Pfannkuche, Altersdiskriminierung und Beschäftigung, S. 117; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1234. 1 2

20

1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

in den Regelungen und Präzedenzfällen zum ADEA gemacht, wenn es darum geht, Reichweite und Auslegung der Normen der RL 2000 / 78 / EG und des AGG zu bestimmen.7 Außer Acht bleibt dabei zumeist die teilweise herbe Kritik, die den ADEA in der U.S.-amerikanischen Wissenschaft vor allem vom Standpunkt der economic analysis of law begleitet hat. Der ADEA hat in den vergangenen 40 Jahren zu verschiedenen unbeabsichtigten Konsequenzen geführt. Neben umfangreichen Mitnahmeeffekten, von denen insbesondere wohlhabende Arbeitnehmer profitierten, wird beklagt, dass das Gesetz zur Arbeitslosigkeit älterer Menschen eher beigetragen haben könnte, während es bei der Verbesserung der Einstellungschancen älterer Menschen scheiterte.8 Diese Folgen entzündeten eine angeregte Debatte in den USA über die Effektivität, Effizienz und ethische Legitimität des ADEA. Posner fasst seine Analyse wie folgt zusammen: „The age discrimination law is at once inefficient, regressive, and harmful to the elderly.“9 Laut Minda gibt es mittlerweile einen wachsenden Konsens in der Wissenschaft für die Abkehr vom Anti-Diskriminierungsprinzip hin zu mehr laissez-faire und freiem Markt.10 Ein weiterer heftiger Kritiker von Antidiskriminierungsgesetzen ist Richard A. Epstein. Sein Appell, diese Gesetze zurückzunehmen, beschränkt sich nicht nur auf den U.S.-amerikanischen ADEA,11 sondern erfasst auch die neuseeländischen Human Rights Laws12 und die britischen Antidiskriminierungsgesetze.13 Schließlich erfahren die Unterstützer der verschiedenen Antidiskriminierungsgesetze in den letzten Jahren vermehrt Gegenwind aus ungewohnter Richtung: der behavioral law and economics Literatur. Zwar unterstützen Vertreter dieses Ansatzes zumeist staatliche Intervention und die civil rights Bewegung.14 Jedoch attestieren diese den amerikanischen Antidiskriminierungsgesetzen, dass sie die Realitäten des menschlichen Verhaltens außer Acht lassen und daher unwirksam gegen die am meisten verbreitete Art der Diskriminierung aufgrund unterbewusster Voreingenommenheit von Akteuren sind und teilweise sogar kontraproduktiv wirken.15 Dies raube Antidiskriminierungsgesetzen einen guten Teil ihrer Legitimierung.16 7 Etwa Hahn, Altersdiskriminierung, S. 72 f., 120, 136; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 77 ff., 108. 8 Donohue III, Foundations of Employment Discrimination Law, S. 476; Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 786 f. 9 Posner, Aging and Old Age, S. 319. 10 Minda, 48 Hastings L. J. 511, 570. 11 Epstein, Forbidden Grounds, S. 441 ff. 12 Epstein, Age Discrimination in Employment. 13 Epstein, Equal Opportunity or More Opportunity? 14 Kritisch dazu Glaeser, 73 U. Chi. L. Rev. 133, 133 f. 15 Vgl. Green, 38 Harv. C.R.-C.L. L. Rev. 91, 111 f., 127; Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 1009 ff., 1027 ff.; a.A. Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias. Ausführlich dazu im 4. Kapitel, unter C. IV. 16 Vgl. Beispielsweise Lopez, 109 Yale L. J. 1717, 1838, nach dem Title VII im Lichte neuerer Erkenntnisse zum implicit bias wegen „fundamentaler Fehler“ insgesamt „nicht mehr zu rechtfertigen“ ist.

A. Einleitung

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Nach dem besonderen Rechtfertigungstatbestand für Ungleichbehandlungen wegen des Alters in § 10 AGG sind unterschiedliche Behandlungen zulässig, wenn sie ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung eines legitimen Ziels darstellen. Mit dieser offenen Formulierung in Anlehnung an Art. 6 Abs. 1 RL hat der deutsche Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum für die einzelfallbezogene Rechtsanwendung des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters eröffnet. Bei der erforderlichen Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe kann auch die in den USA vorzufindende ökonomische Analyse des Altersdiskriminierungsrechts wertvolle Hinweise geben,17 wobei es zu den schwierigen Fragen der Zukunft des AGG gehört, inwieweit ökonomische Erwägungen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen können.18 Ziel der ökonomischen Analyse des Rechts ist es, zu einem Erkenntnisgewinn in der Rechtswissenschaft beizutragen, der in erster Linie darin besteht, „zu einem vertieften Verständnis rechtlicher Probleme und zu einer größeren Rationalität der juristischen Argumentation zu gelangen.“19 Es sollen Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften in das methodische Instrumentarium der Rechtswissenschaften integriert werden.20 Im Bereich des Antidiskriminierungsrechts liegt der Nutzen der ökonomischen Analyse des Rechts darin, ökonomische Erklärungsgründe von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt offen zu legen. Weiterhin kann die Frage untersucht werden, ob und inwiefern Diskriminierungen am Maßstab der Effizienz wünschenswert sind. Schließlich können mittels der ökonomischen Analyse die Funktionsweisen von Normen zur Bekämpfung von Diskriminierung beurteilt und ihre Auswirkungen bewertet werden.21 Oftmals wird der ökonomischen Analyse erhebliches Potential im parlamentarischen Rechtssetzungsprozess zugewiesen.22 Dieser Prozess ist im Falle der RL 2000 / 78 / EG bzw. des AGG aber vorerst abgeschlossen. Sicherlich sind Änderungen im AltersdiskrimiVgl. Thüsing, RdA 2003, 258. Thüsing, ZFA 2006, 246. Auch Scholz weist auf die Notwendigkeit hin, Vor- und Nachteile, die Diskriminierungsverbote mit sich bringen, herauszuarbeiten: „Nur wenn man sich an diese Kernprobleme wagt, können Detailfragen, die sowohl die Legislative als auch auf die Judikative zukommen, eingeordnet werden.“ Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 223. 19 Behrens, in: Boettcher / Herder-Dorneich / Schenk, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, S. 209; vgl. auch Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 22; allgemein: Karpen, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 17: „Folgenberücksichtigung ermöglicht eine höhere Rationalität der Entscheidung.“ Zum Erfordernis der Rationalität von Rechtsgewinnungsprozessen auch BVerfG v. 14. 02. 1973, NJW 1973, 1225, unter C. IV. 1. 20 Vgl. dazu Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 21. 21 Ähnlich zur ökonomischen Analyse des zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz im Entwurf zum deutschen Antidiskriminierungsgesetz, Kirchner, in: Leible / Schlachter, Diskriminierungsschutz durch Privatrecht, S. 38; Britz, VVDStRL 2005, 397 f., Fn. 169. 22 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 486; Eidenmüller, in: Breidenbach / Grundmann / Mülbert / Singer, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1992, S. 28; Kirchner, in: Boettcher / Herder-Dorneich / Schenk, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, S. 199 f. 17 18

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

nierungsrecht denkbar und teilweise wünschenswert,23 jedoch stellen sich zunächst dringlicher die zahlreichen offenen Fragen zur Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher das Augenmerk auf dem Stellenwert der ökonomischen Analyse des Rechts bei der Rechtsanwendung des AGG durch die Gerichte liegen. Dabei ist insbesondere die Auslegung der Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe im Bereich der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters von Bedeutung, da diese die inhaltliche Reichweite und das Schutzniveau des Benachteiligungsverbots maßgeblich bestimmen.24 Ziel dieser Arbeit ist die Aufarbeitung der ökonomischen Diskussion zum ADEA in den USA und deren Fruchtbarmachung für die Auslegung und Anwendung von Normen des AGG. Dafür wird zunächst der Stellenwert des ökonomischen Arguments im Bereich des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters nach dem AGG erörtert (2. Kapitel). Des Weiteren wird das Phänomen der Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt begrifflich und empirisch eingegrenzt (3. Kapitel). Im vierten Kapitel werden die vor allem in der U.S.-amerikanischen Literatur zu law and economics entwickelten Modelle der Diskriminierung hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt überprüft, die Wirkungen des Wettbewerbs auf die verschiedenen Formen der Diskriminierung analysiert und Schlussfolgerungen für die Effizienz des Verbots der Altersdiskriminierung durch den ADEA gezogen. Kapitel 5 bietet einen Überblick über die empirischen Nachweise und Modelle zur Effektivität des ADEA und zieht Lehren für die zu erwartende Effektivität des AGG. Schließlich wird eine Auslegung verschiedener Regelungen des AGG angesichts unterschiedlich begründeter Altersdiskriminierungserscheinungen auf dem Arbeitsmarkt aus dem Blickwinkel der ökonomischen Analyse des Rechts angeboten. Dabei zeigt Kapitel 6 die Systematik der Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach dem AGG auf und benennt die Möglichkeiten der Berücksichtigung des ökonomischen Arguments bei der Auslegung von § 10 AGG. Im 7. Kapitel folgt die Anwendung der ökonomischen Modelle und Konzepte bei der Rechtfertigung typischer Ungleichbehandlungen wegen des Alters im Arbeitsverhältnis. Das 8. Kapitel enthält eine Zusammenfassung der grundlegenden Thesen dieser Arbeit. 23 Vgl. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 116: „Rechtsnormen [sind] dann zu ändern, wenn ihre Beibehaltung zur Verschwendung von Ressourcen führt und wenn die Veränderung keine problematischen Verteilungswirkungen aufweist. Derartige Änderungen passieren den Kaldor-Hicks-Test.“ 24 Nicht Gegenstand der Arbeit ist die Zulässigkeit gesetzlicher Benachteiligungen älterer oder jüngerer Menschen am Maßstab der Richtlinie 2000 / 78 / EG oder des primären Gemeinschaftsrechts. Dazu ausführlich: Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 27, 50, 53, 58 f.; Schleusener, NZA 2007, 358 ff.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 257 ff., 276 ff., 289 ff.; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 199 ff.; Waltermann, NZA 2005, 1267 ff.; EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1345. Auch der Bereich der betrieblichen Altersversorgung nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG wird ausgespart, da hier versicherungsmathematische Erwägungen dominieren.

B. Der U.S.-amerikanische ADEA und das deutsche AGG

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Obwohl der Begriff des Alters nach der RL 2000 / 78 / EG und nach dem AGG Menschen aller Altersgruppen mit einschließt,25 konzentriert sich die vorliegende Bearbeitung auf die Bedeutung des Verbots von Benachteiligungen wegen des Alters und zulässiger Ungleichbehandlungen wegen des Alters für die Situation älterer Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt. Zum einen besteht nur in diesem Bereich eine Vergleichbarkeit zum U.S.-amerikanischen ADEA, dessen Anwendungsbereich auf Personen über dem 40. Lebensjahr beschränkt ist.26 Des Weiteren legt auch die RL 2000 / 78 / EG und das AGG besonderes Augenmerk auf die Situation älterer Arbeitnehmer.27 Auch zeigen Erfahrungen mit umfasssend schützenden Altersdiskriminierungsgesetzen, dass vor allem ältere Arbeitnehmer Klagen auf den Altersdiskriminierungsschutz stützen.28 Darüber hinaus hat die allgemeine Diskussion um Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt ebenfalls die Lage älterer Menschen zum Mittelpunkt.29 Schließlich ist angesichts der demographischen Entwicklung der deutschen Bevölkerung und ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen die Frage der Altersdiskriminierung in Hinblick auf ältere Menschen besonders dringlich.30

B. Der U.S.-amerikanische ADEA und das deutsche AGG Einleitend soll ein kurzer, vergleichender Überblick über die im Rahmen dieser Arbeit relevanten Regelungen des U.S.-amerikanischen ADEA und des deutschen AGG gegeben werden. Weitergehende Ausführungen zu einzelnen Regelungen erfolgen im Verlauf der Bearbeitung. Vertiefend ist auf die umfangreiche Literatur zum ADEA31 und AGG32 zu verweisen. In den USA existieren erste Gesetze der Einzelstaaten gegen Altersdiskriminierung bereits seit 1903.33 Im Jahr 1967 beschloss der amerikanische Kongress den Vgl. dazu im 1. Kapitel, unter B. Sec. 631(a) ADEA. Dazu im 1. Kapitel, unter B. 27 Vgl. Erwägungsgrund 8 RL; Gesetzgebungsbegründung, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 31; Voggenreiter, in: Rudolf / Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, S. 338. 28 So wurden in Irland in den Jahren 2000 – 2003 die große Mehrheit der Fälle zu älteren Arbeitnehmern entschieden.Vgl. Reid, Age Discrimination in Employment, S. 7; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 116; Weber, AuR 2002, 402. 29 Wenzel, ZSR 2006, 374. 30 So auch Hahn, Altersdiskriminierung, S. 25. 31 Grundlegend: Lewis / Norman, Employment Discrimination Law and Practice; Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law; in deutscher Sprache auch: Fenske, Das Verbot der Altersdiskriminierung im US-amerikanischen Arbeitsrecht; Hebel, Age Discrimintation in Employment. 32 Vgl. nur Bauer / Göpfert / Krieger, AGG; Däubler / Bertzbach, AGG; MüKo-Thüsing, AGG, Bd. I / 2. 25 26

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

Age Discrimination in Employment Act of 1967 (ADEA).34 Der ADEA entstand vor dem rechtlichen Hintergrund des Title VII des Civil Rights Act von 1964, der Diskriminierungen im Arbeitsrecht wegen der Rasse, der Hautfarbe, der Religion, des Geschlechts und der nationalen Herkunft verbietet.35 Die sprachliche Formulierung der Regelungen des ADEA ist dabei an die von Title VII angelehnt. Aus diesen Gründen berufen sich amerikanische Gerichte bei der Entscheidung von Streitigkeiten unter dem ADEA häufig auf Präzedenzfälle, die zu Title VII entschieden worden sind.36 Ziel des ADEA war es, ältere Menschen angesichts von Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt vor willkürlichen Diskriminierungen wegen ihres Alters zu schützen.37 Deshalb verbietet Sec. 623(a) ADEA Diskriminierungen von Arbeitnehmern wegen ihres Alters sowohl bei der Einstellung und Entlassung als auch bei der Festsetzung von Arbeitsbedingungen. Der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes ist gemäß Sec. 631(a) ADEA auf Arbeitnehmer beschränkt, die mindestens 40 Jahre alt sind. Des Weiteren hat der Supreme Court in General Dynamics Land System, Inc. v. Cline klargestellt, dass vom Diskriminierungsverbot des ADEA die so genannte reverse age discrimination, also die Begünstigung älterer Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters, nicht erfasst ist: „We see the text, structure, purpose, and history of the ADEA, along with its relationship to other federal statutes, as showing that the statute does not mean to stop an employer from favoring an older employee over a younger one.“38 Der ADEA schützt daher nur relativ ältere Arbeitnehmer (über dem 40. Lebensjahr) vor Diskriminierungen zugunsten von relativ jüngeren Arbeitnehmern (jeglichen Alters).39 Schließlich endete die persönliche Anwendbarkeit des ADEA in dessen Anfangsjahren mit Vollendung des 65. bzw. 70. Lebensjahrs, so dass Diskriminierungen ab diesem Alter zulässig waren. Diese 33 Vorreiter war 1903 der Staat Colorado. Bis 1960 hatten acht Einzelstaaten Altersdiskriminierungsgesetze erlassen. Siehe Übersicht der einzelstaatlichen Regelungen bei Adams, 11 Lab. Econ. 219, 222 f., Table 1. 34 29 U.S.C. §§ 621 ff. (Pub. L. No. 90 – 202). 35 42 U.S.C. §§ 2000e – 2000e-15. 36 Minda, 48 Hastings L. J. 511, 564 f. 37 Vgl. Congressional Statement of Findings and Purpose, 29 U.S.C. § 621: „[O]lder workers find themselves disadvantaged in their efforts to retain employment, and especially to regain employment when displaced from jobs; the setting of arbitrary age limits regardless of potential for job performance has become a common practice [ . . . ]; [ . . . ] unemployment, especially long-term unemployment with resultant deterioration of skill, morale, and employer acceptability is, relative to younger ages, high among older workers; [ . . . ] It is therefore the purpose of this Act to promote employment of older persons based on their ability rather than age; to prohibit arbitrary age discrimination in employment; [and] to help employers and workers find ways of meeting problems arising from the impact of age on employment.“ 38 General Dynamics Land System, Inc. v. Cline, 540 U.S. 581, 600 (2004). 39 General Dynamics Land System, Inc. v. Cline, 540 U.S. 581, 590 f. (2004); dazu Lewis / Norman, Employment Discrimination Law and Practice, S. 428.

B. Der U.S.-amerikanische ADEA und das deutsche AGG

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Altershöchstgrenzen wurden jedoch durch amendments im Jahr 197840 und 198641 aufgehoben. Verboten sind nach der disparate treatment doctrine unmittelbar an das Alter anknüpfende Diskriminierungen, bei denen der Arbeitgeber bei der Ungleichbehandlung durch das Alter des Arbeitnehmers motiviert war. Erforderlich ist also ein Diskriminierungsvorsatz (discriminatory intent).42 Nach lang andauernder Uneinigkeit in der Rechtsliteratur 43 und unter den Instanzgerichten44 hat der Supreme Court im Jahr 2005 in Smith v. City of Jackson entschieden, dass die im Bereich der Geschlechter- und Rassendiskriminierung unter Title VII Civil Rights Act entwickelte45 disparate impact doctrine auch auf den ADEA anwendbar ist.46 Danach ist eine dem Anschein nach neutrale Behandlung verschiedener Gruppen verboten, wenn diese faktisch eine der Gruppen nachteiliger trifft als die andere, es sei denn der Arbeitgeber kann eine betriebliche Notwendigkeit für die Ungleichbehandlung vorweisen (business necessity).47 Einschränkend machte jedoch das Gericht deutlich, dass sich Arbeitgeber auch in diesen Fällen auf die reasonable factor other than age-Einrede berufen können, so dass das neutrale Kriterium bereits gerechtfertigt sein kann, wenn es vernünftig im Sinne dieser Einrede ist.48 Sec. 623(f) ADEA sieht verschiedene Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Altersdiskriminierung vor. Differenzierungen sind danach erlaubt, wenn das Alter eine bona fide occupational qualification (BFOQ) darstellt. Das Alter muss nach dieser eng auszulegenden Ausnahme unerlässliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung der auszuübenden Tätigkeit sein.49 Weiterhin darf eine Ungleichbehandlung nach der reasonable factor other than age-Einrede (RFOA) ADEA Amendments of 1978, Pub. L. No. 95 – 256, § 3(a), 92 Stat. 189. ADEA Amendments of 1984, Pub. L. No. 99 – 592, § 2(c)(1), 100 Stat. 3342. 42 Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 25. 43 Vgl. Davis, 70 Brooklyn L. Rev. 361; Gold, 25 Berkely J. Emp. & Lab. L. 1, 1 ff.; Rutherglen, Employment Discrimination Law, S. 203. 44 Gegen die Anwendbarkeit der disparate impact doctrine unter dem ADEA: Adams v. Florida Power Corp., 255 F.3d 1322, 1326 (11th Cir. 2001); Mullin v. Raytheon Co., 164 F.3d 696, 701 ff. (1st Cir. 1999); Ellis v. United Airlines, Inc., 73 F.3d 999, 1007 ff. (10th Cir. 1996). Für deren Anwendbarkeit: Meacham v. Knolls Atomic Power Lab., 381 F.3d 56, 69 ff. (2nd Cir. 2004); Coleman v. Quaker Oats Co., 232 F.3d 1271, 1291 (9th Cir. 2000). 45 Griggs v. Duke Power Co., 401 U.S. 424, 431 (1971). 46 Smith v. City of Jackson, 125 S. Ct. 1536, 1540 ff. (2005). 47 Teamsters v. United States, 431 U.S. 324, 335 f. (1977). 48 Smith v. City of Jackson, 125 S. Ct. 1536, 1546 (2005). 49 Vgl. EEOC regulations, 29 C.F.R. § 1625.6(b) (1988): „[A]n employer asserting a BFOQ defense has the burden of proving that (1) the age limit is reasonably necessary to the essence of the business, and (2) either that all or substantially all individuals excluded from the job involved are in fact disqualified, or that some of the individuals so excluded possess a disqualifying trait that cannot be ascertained except by reference to age.“ Diese Kriterien wurden etabliert in: Trans World Airlines v. Thurston, 469 U.S. 111 (1985); Western Air Lines Inc. v. Criswell, 472 U.S. 400 (1985). 40 41

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

vorgenommen werden, wenn diese auf einem vernünftigen Grund beruht, der weder mit dem Alter übereinstimmt noch in einem engen Zusammenhang mit diesem steht.50 Schließlich sind Ungleichbehandlungen wegen des Alters in Senioritätssystemen (bona fide seniority system) oder in betrieblichen Vorsorgeprogrammen (bona fide employee benefits plans) möglich.51 Im Ergebnis bedeuten die obigen Ausnahmen, dass ein unmittelbares Anknüpfen an das Alter außerhalb von Senioritäts- oder Vorsorgesystemen nur erlaubt ist, wenn die engen Voraussetzungen der BFOQ-Einrede erfüllt sind. Vom Alter analytisch getrennte (also mittelbare) Unterscheidungsgründe können hingegen nach der RFOA-Einrede einer Ungleichbehandlung zugrunde liegen, wenn diese vernünftig sind. Daher sind Zwangspensionierungen (mandatory retirement) als unmittelbar an das Alter anknüpfende Diskriminierung bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen nach dem ADEA grundsätzlich verboten.52 Als Sanktionen eines Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung sieht der ADEA verschiedene Formen des Schadensersatzes53 und einstweilige Verfügungen auf Einstellung, Weiterbeschäftigung oder Beförderung vor.54 Insgesamt bildet der ADEA einen wichtigen Pfeiler im U.S.-amerikanischen Arbeitnehmerschutzrecht. So wurden im Jahr 2007 unter dem ADEA 19.103 Klagen erhoben und Sanktionen in Höhe von 66,8 Millionen U.S.-Dollar verhängt.55 Im deutschen Arbeitsrecht verbietet das AGG in Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG gemäß § 7 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 und 2 AGG unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen von Beschäftigten unter anderem wegen des Alters. Eine 50 Die Abgrenzung, welche Faktoren altersnah sind und welche nicht, wird durch die amerikanische Rechtsprechung nach dem Kriterium „analytisch gleich“ bzw. „analytisch verschieden“ vorgenommen (Hazen Paper Co. v. Biggins, 507 U.S. 604, 611 (1993)). Die Einordnung von Faktoren im Einzelnen ist sehr umstritten. Vgl. Fenske, Das Verbot der Altersdiskriminierung im US-amerikanischen Arbeitsrecht, S. 165 ff.; Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 679 f. 51 Vgl. ausführlich zu diesen und anderen Ausnahmen zum grundsätzlichen Verbot der Altersdiskriminierung: Fenske, Das Verbot der Altersdiskriminierung im US-amerikanischen Arbeitsrecht, S. 171 ff., 196 ff.; Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, Chapter 30. 52 Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 218; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 38 f. 53 Neben dem back pay (Ausgleich des aufgrund der Diskriminierung entstandenen Einkommensverlusts) und dem front pay (Kompensation für vorhersehbare, künftige Schäden infolge der Diskriminierung) sieht der ADEA für absichtliche Verstöße einen verdoppelten Schadensersatz mit Strafcharakter vor (liquidated damages). Sonstiger Strafschadensersatz (punitive damages) stehen unter dem ADEA nicht zur Verfügung. Auch immaterielle Schäden infolge von Diskriminierungen (compensatory damages) werden nach dem ADEA nicht ersetzt. 54 Vgl. ausführlich zu den einzelnen Sanktionen, Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 885 ff. 55 Statistiken über Klagen unter dem ADEA sind verfügbar unter: http: //www.eeoc.gov/ stats/adea.html (letzter Besuch: 3. 10. 2008).

B. Der U.S.-amerikanische ADEA und das deutsche AGG

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unmittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, „wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.“ Ein Diskriminierungsvorsatz ist dafür anders als im ADEA nicht erforderlich.56 Gemäß § 3 Abs. 2 AGG stellt es eine mittelbare Benachteiligung dar, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.“ Dies entspricht weitestgehend dem Verständnis der disparate impact doctrine unter dem ADEA mit seiner Ausnahme für betrieblich notwendige Ungleichbehandlungen. Anders als der ADEA ist das AGG mangels altersmäßiger Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Beschäftigte aller Altersgruppen anwendbar.57 Insbesondere sind auch jüngere Beschäftigte vor einer im Vergleich zu älteren Beschäftigen nachteiligen Behandlung geschützt, was unter dem ADEA nicht der Fall ist. Weiterhin gehen die Rechtfertigungsmöglichkeiten von Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach dem AGG erheblich über die des ADEA hinaus. Neben dem Alter als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung gemäß § 8 Abs. 1 AGG, die inhaltlich der BFOQ-Einrede unter dem ADEA ähnelt,58 können auch noch positive Maßnahmen wegen des Alters gemäß § 5 AGG gerechtfertigt sein. Die größte Besonderheit des AGG im Vergleich zum ADEA ist aber, dass gemäß § 10 AGG unmittelbare und mittelbare Ungleichbehandlungen wegen des Alters zulässig sein können, wenn damit ein legitimes Ziel in verhältnismäßiger Weise verfolgt wird. Die RFOA-Einrede des ADEA rechtfertigt hingegen das unmittelbare Anknüpfen an das Lebensalter (wie beispielsweise durch Altersgrenzen) in keinem Fall.59 Dieser Unterschied zwischen den beiden Gesetzen ist entscheidend. Während ein amerikanischer Arbeitgeber nach der RFOA-Einrede darlegen muss, dass er nicht wegen des Alters selbst, sondern wegen eines vernünftigen, analytisch vom Alter zu unterscheidenden Merkmals differenziert hat, kann der BeDazu im 4. Kapitel, unter C. IV. 3. und im 7. Kapitel, unter C. Ebenso Adomeit / Mohr, AGG, § 1 Rn. 108; Bauer, NJW 2001, 2673; Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 1 Rn. 83 f.; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 78; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 25; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 16 f.; Schmidt, KritV 2004, 246; Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 59; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 57 f.; Weber, AuR 2002, 402; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1236; Zöllner, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 527. Vgl. die Herleitung zum Schutzbereich der Richtlinie 2000 / 78 / EG bei Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 49 ff.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 141 ff. 58 MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 7. 59 So auch Hahn, Altersdiskriminierung, S. 121; Thüsing, ZfA 2001, 409 f. 56 57

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

klagte unter dem AGG auch unmittelbar nach dem Alter unterscheiden, wenn er damit gemäß § 10 AGG ein legitimes Ziel in verhältnismäßiger Weise verfolgt. Insbesondere die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 10 Satz 2 AGG ermöglicht und erfordert einen Ausgleich der betroffenen Interessen, der den Ausnahmen vom Altersdiskriminierungsverbot nach dem ADEA fremd ist. Wegen dieser weiteren Möglichkeiten zulässiger unterschiedlicher Behandlungen gemäß Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 AGG stellt sich das Verbot der Altersdiskriminierung aus amerikanischer Sicht als „wishy-washy“ dar: „It is, in fact, a question whether this directive [RL 2000 / 78 / EG] really forces a country to do anything much at all about age discrimination.“60 Auf der anderen Seite bietet die Abwägung der Interessen im Rahmen der Rechtfertigung nach § 10 AGG aber auch diejenige Flexibilität, die wegen der komplexen Zusammenhänge hinsichtlich der kritischen Beschäftigungssituation verschiedener Altergruppen erforderlich ist.61 Schließlich sind Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 15 Abs. 1 und 2 AGG mit Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens sanktioniert.62 Ein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder auf beruflichen Aufstieg ist gemäß § 15 Abs. 6 AGG im Gegensatz zum ADEA ausdrücklich ausgeschlossen. Im Ergebnis eint den ADEA und das AGG das grundsätzliche Verbot von Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Ausnahmen zu diesem Grundsatz sind nach dem AGG jedoch in erheblich weiterem Umfang und auch hinsichtlich unmittelbarer Benachteiligungen möglich. Nach dem ADEA verbotene Untergleichbehandlungen können daher im Bereich des AGG zulässige unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters darstellen. Insbesondere können Fehlanreize, die im rigideren Verbot nach dem ADEA entstehen, im Rahmen der flexibleren Rechtfertigungsmöglichkeiten im AGG verhindert werden, soweit sie den Zielen der RL 2000 / 78 / EG und des AGG entgegenlaufen.

Friedman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 177. So die Gesetzesbegründung zu § 10 AGG, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 62 Ob der Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG das Vertretenmüssen des Arbeitgebers voraussetzt, wie es der Wortlaut der Norm vorsieht, oder ob ein derartiges Erfordernis wegen Verstoßes gegen die Vorgaben des EuGH in der Rechtssache Draehmpaehl (EuGH v. 22. 4. 1997 – Rs. C-180 / 95, NZA 1997, 646, Rz. 17 ff.) europarechtswidrig wäre, ist in der Literatur umstritten. Ein Verschuldenserfordernis ablehnend: Deinert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 15 Rn. 30; Thüsing in: Bauer / Thüsing / Schunder, NZA 2006, 776; MüKo-Thüsing, AGG, § 15 Rn. 33; befürwortend: Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 15 Rn. 15. Der Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG ist dagegen auch dem Wortlaut nach verschuldensunabhängig ausgestaltet. Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 15 Rn. 32; Deinert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 15 Rn. 58; MüKo-Thüsing, AGG, § 15 Rn. 5. 60 61

C. Theoretische Grundlagen der ökonomischen Analyse und ihre Grenzen

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C. Theoretische Grundlagen der ökonomischen Analyse und ihre Grenzen Über die Zeit haben sich verschiedene Spielarten der ökonomischen Analyse des Rechts herausgebildet. Diese unterscheiden sich vor allem nach dem Grad der Vereinfachung der Realität durch die Prämissen der verwendeten Modelle.63 Dieser Darstellung liegt das neoklassische Verhaltensmodell der Mikroökonomik zugrunde, wobei vereinzelt auch die neueren Erkenntnisse des behavioral law and economics berücksichtigt werden. Nach dem Prinzip des methodologischen Individualismus werden die Entscheidungen und Handlungen des Individuums zum Objekt der Untersuchung gemacht.64 Von zentraler Bedeutung ist auch das Effizienzkonzept nach Kaldor und Hicks. Während diese wirtschaftswissenschaftlichen Theorien von großem Nutzen auch im Recht sein können, ist eine kurze Auseinandersetzung mit ihren Grenzen ebenfalls erforderlich.65 Denn „die unzureichende Beschäftigung mit den Grenzen [kann . . . ] zu irreführenden Prognosen über das Verhalten der Menschen, zu einer verkürzten Problemsicht und damit letztlich zu unzureichenden oder sogar kontraproduktiven rechtspolitischen Gestaltungsempfehlungen und zu einer inadäquaten Rechtsanwendung führen.“66

I. Der Mensch als rationaler Nutzenmaximierer Nach dem neoklassischen ökonomischen Verhaltensmodell ist der Mensch im Rahmen der knappen Ressourcen und seiner Präferenzen ein rationaler, eigennütziger Nutzenmaximierer.67 Dieses Modell eines Menschen wird auch als homo oeconomicus bezeichnet.68 Menschen verhalten sich rational, indem sie sich in ihren Entscheidungen an den (erwarteten) Konsequenzen ihres Handelns orientieren.69 63 Vgl. zu den verschiedenen Schulen, Kerkmeester, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 383 ff. 64 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 34 f.; Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 59 f.; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 3; Schrüfer, Ökonomische Analyse individueller Arbeitsverhältnisse, S. 17. 65 In jüngerer Zeit zu den Prämissen der ökonomischen Analyse und deren Grenzen, Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 49 ff. 66 Lüdemann, Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, S. 14. 67 Dazu grundlegend Becker, The Economic Approach to Human Behavior, S. 14 bzw. Becker, Ökonomische Erklärung menschlichen Verhaltens, S. 15; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 28 ff.; Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 49 ff.; andere bezeichnen den Menschen als REMM (resourcefull, evaluative, maximizing man), vgl. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 58 ff. 68 Zum Verhältnis des homo oeconomicus zum Menschenbild des Grundgesetzes, Kirchgässner, in: Engel / Morlok, Öffentliches Recht als Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 49 ff.; Wieland, in: Dölling, Festschrift Lampe, S. 375 ff. 69 Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 13 f.

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

Das Individuum wird im Rahmen seiner Handlungsoptionen daher systematisch und nicht zufällig reagieren. Die Eigennutzannahme bedeutet, dass sich das Individuum anhand seiner eigenen Präferenzen entscheidet und nicht im Hinblick auf die Präferenzen anderer.70 Verschiedene Annahmen dieses Modells werden teilweise als unterkomplex oder unzutreffend kritisiert. Zum einen steht die Prämisse ausschließlich eigeninteressierten Verhaltens im Konflikt mit Erfahrungen zu menschlichem Altruismus. Zum anderen folgen Menschen oftmals Urteilen, die unabhängig von ihren eigenen Interessen sind, wenn sie etwa die Todesstrafe als menschenunwürdig ablehnen oder die Demokratie als anzustrebende Gesellschaftsform ansehen.71 Schließlich stehen empirische Erkenntnisse aus dem Bereich des behavioral law and economics den Prognosen des neoklassischen Modells entgegen. Diese treten insbesondere beim ultimatum game oder dictator game auf, in denen Versuchspersonen sich verbreitet an Konzepten wie Fairness oder Reziprozität orientieren, obwohl sie ihren eigenen Nutzen damit nicht maximieren.72 Einige dieser Kritikpunkte lassen sich in das neoklassische Modell integrieren, indem man die Präferenzen und den Nutzen des einzelnen nur weit genug interpretiert.73 Andere Erkenntnisse zum „beschränkten Eigennutz“ (bounded self-interest)74 können der Präzisierung der Prognosen des ökonomischen Modells dienen, während schließlich ein Teil dieser Erkenntnisse die Aussagekraft des homo oeconomicus für bestimmte Bereiche relativieren. Die Kritik an der Annahme ausschließlich rationalen Verhaltens fußt auf der Einsicht, dass die menschliche Rationalität beschränkt ist (bounded rationality) aufgrund von Informationsdefiziten und der begrenzten Möglichkeit, Informationen zu verarbeiten.75 Auch diese Erkenntnis kann teilweise im neoklassischen Modell Berücksichtigung finden: Informationsbeschaffung und -verarbeitung sind mit Kosten verbunden, weshalb ein rationaler Akteur diese Tätigkeiten nur in dem Maße vornimmt, wie sie einen marginalen Nutzen bringen.76 Jedoch zeigt die empirisch belegte Forschung zu kognitiven Verzerrungen (cognitive bias),77 der prospect theory78 oder dem endowment effect79 auch Grenzen des neoklassischen Lüdemann, Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, S. 6. Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 351. 72 Vgl. zu Theorie und Experimenten Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1476 ff.; Jolls, Behavioral Law and Economics; Sunstein, Behavioral Law and Economics; Eidenmüller, JZ 2005, 218 ff. 73 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 351. 74 Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1479 f. 75 Grundlegend dazu Simon, 69 Quart. J. Econ. 99, 99 ff.; vgl. auch Eidenmüller, JZ 2005, 218 ff.; Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1477 ff. 76 Kerkmeester, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S., 385; Posner, 149 JITE 73, 77. 77 Grundlegend Kahneman / Slovic / Tversky, Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. 70 71

C. Theoretische Grundlagen der ökonomischen Analyse und ihre Grenzen

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Modells auf. Doch bieten diese Erkenntnisse des behavioral economics bisher noch kein geschlossenes, allgemeines Verhaltensmodell an. Daher ist das neoklassische Modell auf dieser Grundlage nicht zu verwerfen, sondern eher punktuell dort zu modifizieren, wo dies durch empirische Forschung nahe gelegt wird. Wichtiger Kern der verschiedenen Kritik ist, dass es sich beim homo oeconomicus lediglich um ein Modell menschlichen Verhaltens handelt. Es ist daher per definitionem stark vereinfacht.80 Einen derartigen Menschen gibt es in der Wirklichkeit nicht. Aber „[g]erade weil die ökonomische Analyse mit spärlichen Annahmen große prognostische Erfolge erzielt hat, sind Ökonomen verständlicherweise zurückhaltend, ihre Prämissen aufzugeben.“81 Es ist auch nicht Aufgabe eines Verhaltensmodells, die Wirklichkeit 1:1 abzubilden oder das Wesen des Menschen zu beschreiben.82 So besagt das ökonomische Verhaltensmodell nicht, dass Menschen nie zum Wohle anderer Menschen handeln, ihre Entscheidungen nie an interessenunabhängigen Urteilen orientieren oder dass sie immer ihren erwarteten Nutzen zutreffend erkennen und maximieren.83 Dennoch beschreibt und prognostiziert es menschliches Verhalten in vielen Bereichen zutreffend, generiert also Einsichten über menschliche Verhaltensregelmäßigkeiten unter bestimmten Umständen. Dabei sind Erkenntnisse über die Art und das Ausmaß von Abweichungen des (wirklichen) menschlichen Verhaltens von dem des homo oeconomicus, wie sie die Forschung zum behavioral law and economics bietet, von besonderem Wert bei der Präzisierung und Relativierung der Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Rechts im neoklassischen Sinne. So bleibt trotz aller Kritik und notwendiger Einschränkungen der homo oeconomicus weiterhin das am weitesten entwickelte und leistungsfähigste sozialwissen78 Die prospect theory modifiziert das Modell vom erwarteten Nutzen (expected utility theory) dahingehend, das Verluste einen höheren Disnutzen für Akteure bedeuten als diesem Gewinne Nutzen bringen. Weiterhin gewichten Menschen kleinere Wahrscheinlichkeiten über und größere Wahrscheinlichkeiten unter. Prospect theory bietet Erklärungen für Verhaltensphänomene etwa im Bereich der Versicherungen und der Lotterie. Vgl. dazu Kahneman / Tversky, 47 Econometrica 263. 79 Nach dem endowment effect bewertet ein Akteur ein bestimmtes Gut als höherwertig, wenn er es selbst besitzt. Dies äußert sich beispielsweise darin, dass er dafür einen Preis fordert, den er selbst nicht bereit wäre für das Gut zu bezahlen. Dies stellt die Prämisse eines stabilen und konsistenten Präferenzsystems infrage. Weiterhin stehen die Erkenntnisse im Konflikt mit dem Coase-Theorem, nach dem die effiziente Allokation von Gütern in Abwesenheit von Transaktionskosten nicht davon abhängt, wem ein Gut durch das Rechtssystem ursprünglich zugewiesen wird. Ausführlich Kahneman / Knetsch / Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325. 80 Zur Unterkomplexität Lüdemann, Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, S. 10. Auch das Recht stellt häufig auf vereinfachte Typisierungen ab (Verbraucher, Steuerzahler, Verkehrsteilnehmer), vgl. Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 703. 81 Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht, S. 23. 82 Lüdemann, Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, S. 9. 83 Vgl. auch Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 351.

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

schaftliche Verhaltensmodell.84 Die weitere Bearbeitung wird sich daher am neoklassischen Modell orientieren und Verhaltensabweichungen weitestgehend ausblenden. In einem eigenen Abschnitt werden aber die neueren Erkenntnisse des behavioral law and economics in der Wissenschaft erläutert und ihre Auswirkungen im U.S.-amerikanischen Recht der Altersdiskriminierung diskutiert.85 Schließlich werden Schlussfolgerungen daraus für die Auslegung der Normen über die Benachteiligung wegen des Alters im AGG gezogen.86

II. Der Effizienzbegriff Von besonderer Bedeutung in der ökonomischen Analyse des Rechts ist das Konzept der Effizienz. Die Wirtschaftswissenschaften kennen verschiedene Effizienzbegriffe. Grundlegend ist das Konzept der Pareto-Effizienz.87 Danach ist eine Ressourcenallokation effizient, wenn es keine Möglichkeit gibt, eine Person besser zu stellen, ohne dabei eine andere schlechter zu stellen.88 Problematisch an diesem Effizienzverständnis ist, dass es blind ist für Verteilungswirkungen und dass es eine Re-Allokation von Ressourcen selbst dann als ineffizient einstuft, wenn der Nutzenzuwachs des Gewinners weitaus größer ist als der Nutzenverlust des Verlierers. Selbst ein einziger Benachteiligter kann eine ansonsten sehr vorteilhafte Allokation von Gütern verhindern.89 Gesamtgesellschaftlicher Wohlstand kann damit auch noch über den Pareto-effizienten Zustand hinaus gesteigert werden, wenn eine Re-Allokation zu Nutzensteigerungen führt, mit denen damit verbundene Nutzenseinbußen mehr als kompensiert werden können.90 Dies berücksichtigt das Konzept der Kaldor-Hicks-Effizienz,91 welches auch regelmäßig der ökonomischen Analyse des Rechts zugrunde gelegt wird.92 84 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 40; Eidenmüller, JZ 2005, 216 f.; Lüdemann, Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, S. 6; Opp, Methodologie der Sozialwissenschaften, S. 248. 85 Dazu im 4. Kapitel, unter C. 86 Dazu im 7. Kapitel, unter C. 87 Nach dem italienischen Wissenschaftler Vilfredo Pareto. Vgl. Pareto, Cours d’économique politique. 88 Arrow, 64 Am. Econ. Rev. 253, 255; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 25 ff. 89 Vgl. Kreutz, NZA 2001, 473, der auf ein gesellschaftspolitisch nicht akzeptables „Vetorecht“ von Minderheiten hinweist. 90 Kirstein / Schmidtchen, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 5 f.; Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 694 f.; Polinsky, Law and Economics, S. 7 f. 91 Von den beiden englischen Wirtschaftswissenschaftlern Nicholas Kaldor (Kaldor, 49 Econ. J. 549, 550) und John R. Hicks (Hicks, 49 Econ. J. 696, 706) unabhängig entwickelt. Vgl. dazu Arrow, 64 Am. Econ. Rev. 253, 32 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 51 ff. 92 Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 41 ff.; Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 45 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, S. 11 ff.; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 31 ff.

C. Theoretische Grundlagen der ökonomischen Analyse und ihre Grenzen

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Eine Ressourcenallokation ist Kaldor-Hicks-effizient, wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, durch Re-Allokation einen Nutzenzuwachs bei einem Teil der Gesellschaft zu erzeugen, der größer ist als die damit erzeugten Verluste bei einem anderen Teil der Gesellschaft.93 Die Vorteile der „Gewinner“ einer Allokation müssen also so groß sein, dass sie die Nachteile der „Verlierer“ kompensieren könnten und den Gewinnern trotzdem noch ein Restvorteil verbliebe.94 Diese Lesart der Effizienz ist Grundlage für das Vermögensmaximierungsprinzip (wealth maximizing principle) und auch die Kosten-Nutzen-Rechnung (cost-benefit-analysis).95 Denn wird durch eine Regelung oder Entscheidung das Vermögen der Betroffenen maximiert, ermöglicht dies auch die potentielle Kompensation bei verbleibendem Nettogewinn. Gleiches gilt für Situationen, in denen eine Kosten-Nutzen-Rechnung einen positiven Saldo ergibt. Bei den zur Ermittlung der Effizienz erforderlichen interpersonellen Nutzenvergleichen kommt es regelmäßig zu Wertungs- und Messungsproblemen.96 Zwar werden dabei häufig die Kosten und Nutzung zur besseren Vergleichbarkeit monetär bewertet, indem die Bereitschaft einer Person für dieses Gut zu bezahlen dem Nutzen gleichgestellt wird. Manche „Güter“ sind aber monetär kaum zu bewerten. Dazu gehören beispielsweise die Menschenwürde, moralische Positionen und psychische Kosten oder die Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen.97 Der Ausgang einer Kosten-Nutzen-Analyse ist damit maßgeblich abhängig davon, welchen Wert man diesen Faktoren beimisst.98 Auch im Bereich des Arbeitsrechts sind zahlreiche nichtmonetäre Faktoren von Bedeutung. So hat Arbeit neben dem Einkommen noch eine statusbegründende und identitätsstiftende Funktion, die sich laut Kübler im Rahmen der ökonomischen Analyse nicht befriedigend erfassen lässt.99 Während es richtig ist, dass die monetäre Bewertung dieses Aspekts von Arbeit Schwierigkeiten bereitet, ist zu beachten, dass Effizienz und Arbeitsplätze als Gegensatzpaar nur eine Seite der Medaille sind. Die andere Seite ist, dass eine effiziente Ausrichtung von Gesetzen und Unternehmen die GrundKirstein / Schmidtchen, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 6. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 51. Erforderlich ist aber nur, dass die nachteilig Betroffenen entschädigt werden können, nicht dass sie auch tatsächlich entschädigt werden. Ansonsten läge in einer Kaldor-Hicks-Verbesserung immer auch eine Pareto-Verbesserung. Dazu Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 32. 95 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 34 f.; ebenso Posner, Economic Analysis of Law, S. 15 f. 96 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 54, 116 ff.; Eidenmüller, in: Breidenbach / Grundmann / Mülbert / Singer, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1992, S. 15 ff. 97 Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 145 f., 150 ff.; Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 701 f.; Walz, in: Ott / Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 100 ff. 98 Bei der Gewichtung solcher nichtmonetärer Faktoren fließen politisch-distributive oder sonstige in der juristischen Tradition gewachsenen Wertvorstellungen wieder mit ein. Vgl. Walz, in: Ott / Schäfer, Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 100. 99 Kübler, in: Ott / Schäfer, Ökonomische Analyse des Arbeitsrechts, S. 269. 93 94

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1. Kap.: Einleitende Bemerkungen

lage vieler Arbeitsplätze ist. Daher kann die identitätsstiftende Funktion von Arbeit häufig auf beiden Seiten einer Kosten-Nutzen-Rechnung am Arbeitsmarkt angeführt werden, so dass sie sich dann oftmals „herauskürzen“ lässt. Schließlich ist zu beachten, dass interpersonelle Nutzenvergleiche auf der impliziten Annahme beruhen, dass die Fähigkeit von Menschen, Befriedigung oder Nutzen zu empfinden, gleich ist. Dies muss aber nicht notwendigerweise der Fall sein.100 Diese Beschränkungen stehen einem Universalitätsanspruch des Effizienzkriteriums im Recht entgegen. Sie schmälern aber nicht die Nützlichkeit des Effizienzkriteriums als ein aussagekräftiges Entscheidungskriterium und Werturteil im Recht.101 Der Frage, welchen Stellenwert das ökonomische Argument in der Rechtsanwendung haben kann, ist das zweite Kapitel gewidmet. Unbestritten ist dabei jedenfalls, dass eine rechtliche Regelung auch dann gilt und vom Richter anzuwenden ist, wenn sie im Widerspruch zu ökonomischer Rationalität steht.102

III. Notwendigkeit empirischer Daten bzw. Bestätigung Schließlich ist der hohe Stellenwert empirischer Daten und Bestätigung von ökonomischen Modellen zu beachten. Wirklich tragfähige Schlüsse können oftmals erst gezogen werden, wenn eine empirische Unterstützung zu den theoretischen Erwägungen hinzutritt.103 Die Ökonomie ist dort am überzeugendsten, wo ihre Schlussfolgerungen unmittelbar auf empirisch ermittelten Befunden beruhen. Jedoch stehen quantitative Erhebungen von Vor- und Nachteilen, Transaktionskosten und Externalitäten häufig nicht zur Verfügung oder sind nur zeit- und kostenaufwendig zu erlangen.104 In diesen Fällen besteht ein Vorteil der Ökonomie in der Prognosekraft ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Modelle.

100 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 190; Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht, S. 22. 101 Ott / Schäfer, JZ 1988, 215 f. 102 Ott / Schäfer, JZ 1988, 214; Wieland, in: Dölling, Festschrift Lampe, S. 376. 103 Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 24. 104 Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 695.

2. Kapitel

Stellenwert des ökonomischen Arguments im Recht der Altersdiskriminierung Welcher Stellenwert dem ökonomischen Argument bei der Anwendung und Auslegung gesetzlicher Bestimmungen zukommen kann, ist in dieser Allgemeinheit weiterhin ungeklärt. Während die grundsätzliche Zulässigkeit des Effizienzarguments im Recht (Legitimität) mittlerweile verbreitet akzeptiert ist,1 bleibt umstritten, unter welchen Bedingungen eine effizienzorientierte Rechtsauslegung oder -fortbildung rechtmäßig sein kann (Legalität). Schließlich ist hinsichtlich verbotener Benachteiligungen wegen des Alters und zulässiger unterschiedlicher Behandlungen wegen des Alters nach dem AGG zu klären, inwieweit die Verwendung ökonomischer Effizienzkonzepte bei der Auslegung der betreffenden Normen durch den Richter zulässig, sinnvoll oder geboten ist.

A. Legitimität und Legalität des Effizienzkriteriums im Recht I. Legitimität des Effizienzkriteriums im Recht Anerkannt ist in der deutschen Literatur, dass Effizienz jedenfalls nicht als alleiniges Ziel der Rechtssetzung, Rechtsfortbildung und Rechtsauslegung gelten kann.2 Hauptargumente sind, dass Wohlstand kein sozialer Wert an sich ist3 und 1 Dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 393 f., 450 f.; Janson, Ökonomische Theorie im Recht am Beispiel des Arbeitsrechts, S. 143 ff.; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, S. 855; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 341 ff.; Wieland, in: Dölling, Festschrift Lampe, S. 371 ff.; ablehnend aber Fezer, JZ 1986, 821 ff.; Fezer, JZ 1988, 224; eine Übersicht zur ökonomischen Analyse im deutschen Recht bei Kirstein, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 160 ff. 2 Deckert, JA 1996, 717; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 321, 455 (ökonomische Effizienzgedanken nur ein Maßstab zur Konkretisierung einer Norm, nicht aber der einzige); Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 236; Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 698 ff.; Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 125; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 7 („Daher tritt Verteilungsgerechtigkeit als weiteres Ziel neben Allokationseffizienz.“); Taupitz, AcP 1996, 127, 135 f.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 343: „Man kann daher nicht ernsthaft einer ausschließlichen Effizienzorientierung des Rechts das Wort reden, und das unternimmt in

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

dass die Allokationseffizienz den Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit außer Acht lässt.4 Eine ausschließliche Effizienzorientierung ohne Rücksicht auf die Verteilungsgerechtigkeit ist mit dem in Art. 20 Abs. 1 GG normierten Sozialstaatsprinzip nicht zu vereinbaren, nach dem der Staat „für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“ hat.5 Vielmehr zeigt Thüsing, dass Wohlstand ein Mittel sein kann, legitime Ziele zu realisieren, und dass dieses Kriterium deshalb einen Maßstab bietet, an dem sich Gesetzgebung und Rechtsprechung orientieren sollen.6 Das Streben der Menschen nach materieller Sicherheit weise auf einen weitgehenden gesellschaftlichen Konsens hin. Folglich könne sich auch die Rechtsordnung an diesem individuellen Streben orientieren und sich danach ausrichten. Weiterhin sei die Verpflichtung zur Sicherung der materiellen Existenz der Bürger auch Bestandteil des Sozialstaatsprinzips und der Menschenwürdegarantie, weshalb die Rechtsordnung auch diesem Ziel dienen könne.7 „Die ökonomische Rechtsanalyse ist damit durchaus legitimer, wenn auch nicht der einzige legitime Ansatz zur Ausgestaltung der Rechtsordnung durch den Gesetzgeber und Richter.“8 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Effizienz ist ein elementares Gebot für staatliches Handeln und die Konstruktion gesellschaftlicher Institutionen, das es ermöglicht, knappe Ressourcen am Ort ihrer sozial nützlichsten Verwendung einzusetzen, begehrte Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und den Wohlstand einer Gesellschaft zu maximieren.9 Da nur verteilt werden kann, was auch erwirtschaftet wird, ist Allokationseffizienz Deutschland auch niemand.“; selbst Posner, Economic Analysis of Law, S. 28: „There is more to justice than economics, a point the reader should keep in mind in evaluating normative statements in this book.“ 3 Grundlegend dazu Dworkin, 9 J. Legal Studies 191, 201 ff.; dazu auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 464 f.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 344 f. 4 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 273 ff.; Polinsky, Law and Economics, S. 7 ff.; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 7. 5 Vgl. Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 343 unter Verweis auf BVerfG v. 18. 7. 1967, BVerfGE 22, 180, 204; BVerfG v. 16. 7. 1985, BVerfGE 69, 272, 314; ebenso Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 699. 6 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 345 f. 7 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 346 (unter Berufung auf BVerfG v. 10. 3. 1954, BVerfGE 1, 97, 105): Denn „die Berufsfreiheit braucht Arbeitsplätze, für das Recht zum Leben bedarf es der Nahrung, der Schutz der Wohnung setzt eine Wohnung voraus, das Eigentum hat Verfassungsrang.“; ähnlich auch Montada, Beschäftigungspolitik zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, S. 15 f.: „Die Durchsetzung der existentiellen Interessen des Betriebes kann auch mit Gerechtigkeitsargumenten begründet werden. Eine Gefährdung der rentablen Existenz des Betriebes würde die Lebensgrundlage von Eignern und Betriebsangehörigen infrage stellen und die Arbeitslosigkeit letztlich erhöhen.“ 8 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 346; so auch im Ergebnis: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 455; Ladeur, RabelsZ 2000, 93 f.; Ott / Schäfer, JZ 1988, 215; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 6 ff.; Taupitz, AcP 1996, 126 ff., 136; Wieland, in: Dölling, Festschrift Lampe, S. 381 f. 9 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 6.

A. Legitimität und Legalität des Effizienzkriteriums im Recht

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auch ein Gebot der Gerechtigkeit.10 Darüber hinaus ist es Aufgabe des Rechts und auch der richterlichen Rechtsanwendung, Verhalten von Menschen zu beeinflussen. Dieses Ziel ist nicht mit einem gänzlichen Ausschluss von Einflüssen der Verhaltenswissenschaften von der Rechtssetzung und -anwendung vereinbar.11 Vielmehr ist das Recht auf ein Modell zur Erklärung menschlichen Verhaltens angewiesen, da die Handlungsanweisungen von Normen anderenfalls ins Leere liefen.12 Ökonomische Verhaltensmodelle bieten sowohl dem Gesetzgeber als auch dem Rechtsanwender eine Grundlage zur Ermittlung der Steuerungswirkungen ihrer Handlungen, weshalb derartige Modelle legitime Argumente auch in der Rechtswissenschaft darstellen. Mithin ist dem ökonomischen Argument im Recht Legitimität zuzusprechen.

II. Legalität des Effizienzkriteriums im Recht Von entscheidender Bedeutung bleibt aber die Frage der Legalität der ökonomischen Analyse bei der Rechtsanwendung, also bei welchen Normen Effizienzüberlegungen bei der Auslegung durch den Richter berücksichtigt werden dürfen.13

1. Ansicht Eidenmüllers Eidenmüller differenziert in seinem grundlegenden Werk zur „Effizienz als Rechtsprinzip“ hinsichtlich der Legalität ökonomischer Argumente bei der Auslegung von zivilrechtlichen Normen. Unproblematisch ist danach die effizienzorientierte Rechtsanwendung, wenn die „Effizienz die Politik eines bestimmten Gesetzes oder einer bestimmten gesetzlichen Bestimmung ist.“14 „Überall dort, wo der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben hat, dass er mit dem Erlass einer bestimmten Regelung das ökonomische Effizienzziel fördern möchte, ist es den Richtern nicht nur erlaubt, bei der Interpretation von Rechtsbegriffen ökonomische Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S. 205. Vgl. Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 7; bereits Grimm, Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, S. 7: „Seine Steuerungswirkung, die neben die alten Garantiefunktion tritt, kann [das Recht] aber nur erfüllen, wenn es fähig ist, die Komplexität der zu steuernden Sachbereiche in sich aufzunehmen.“; speziell zur ökonomischen Analyse des Rechts, Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 305. 12 Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 25. 13 Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 450 f.: „Es geht darum, herauszufinden, wann und inwieweit ökonomische Effizienzkonzepte für die Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung fruchtbar gemacht werden können.“; Grundmann, RabelZ 1997, 430 ff.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 347 ff. 14 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 451 ff.; ebenso Eidenmüller, AcP 1997, 116 f. (in Anlehnung an Steindorff, in: Paulus / Diederichsen / Canaris, Festschrift Larenz, S. 217 ff.). 10 11

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

Erwägungen anzustellen; sie sind sogar dazu verpflichtet, dies zu tun.“15 Dem ist zuzustimmen, ergibt sich die Verpflichtung des Richters zur effizienzorientierten Gesetzesanwendung in diesen Fällen bzw. zur Außerachtlassung des ökonomischen Arguments in gegenteilig gelagerten Fällen doch bereits aus der grundgesetzlicher Bindung des Richters an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG. Nach Eidenmüller ist ein solches gesetzgeberisches Mandat aber „derzeit noch äußerst selten.“16 Bei anderen Normen, deren Wortlaut und Zweck eine Berücksichtigung des ökonomischen Arguments zwar nicht fordert aber doch zulässt, ist nach Eidenmüller zu prüfen, ob eine effizienzorientierte Auslegung „wünschenswert“ ist.17 Dies sei regelmäßig zu verneinen, da dem Gericht die erforderliche genaue Kenntnis über die betroffenen Grenzkosten und Grenznutzen häufig fehlen würde.18 Zudem solle eine effizienzorientierte Rechtsanwendung aus Gründen der institutionellen Legitimation und Kompetenz „nur äußert zurückhaltend erfolgen.“19 Diese pauschale Zurückhaltung Eidenmüllers überzeugt nicht. Der Einwand, dem Gericht mangele es an der hinreichenden Kenntnis, um Effizienzerwägungen durchzuführen, greift nicht durch. Denn die Entscheidung des Gerichts, Kosten und Nutzen gänzlich zu ignorieren, ist auch nicht „wünschenswerter“ als eine ggf. fehlerhafte Kosten-Nutzen-Analyse aufgrund nicht hinreichend genauer Tatsachenkenntnis.20 Anders wäre dies nur, wenn das Gericht die (fehlerhaft ermittelte) Effizienz zum alleinigen Entscheidungskriterium erhöbe. Dieser Ausschließlichkeitsanspruch stünde aber, wie bereits erörtert, im Konflikt mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 452. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 458. Als Beispiel nennt Eidenmüller die Gefährdungshaftung des Anlageninhabers in § 1 Umwelthaftungsgesetz, S. 453 f. Auch das Insolvenzrecht sei ökonomisch auszulegen: „Da der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben hat, dass das Ziel des Insolvenzplanverfahrens in einer dem ökonomischen Effizienzkriterium der Pareto-Effizienz genügenden Insolvenzabwicklung liegt, bestehen keine Bedenken, Auslegung und Fortbildung der Normen des Insolvenzplanverfahrens teleologisch an dem ökonomischen Effizienzkriterium auszurichten.“, MüKo-Eidenmüller, InsO, Vorbem. §§ 217 – 269 Rn. 26; a.A.: Grundmann, RabelZ 1997, 433 ff. 17 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 455. 18 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 455; ähnliche Zweifel bei Lüdemann, Die Grenzen des homo oeconomicus und die Rechtswissenschaft, S. 31 f.; Stoffels, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 86 ff. 19 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 458 f. Für die Umsetzung ökonomischer Effizienzkonzepte habe in erster Linie das Parlament die erforderliche demokratische Legitimation und auch die entsprechende Kompetenz. Vgl. dazu ders., S. 414 ff., 450. 20 Vgl. zu Zweifeln an der herkömmlichen dogmatischen Arbeitsweise in offenen Problemfeldern, Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 696; weitergehend Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 237 f.: „Ökonomische Geischtspunkte in der Entscheidungsbegründung führen hier tendenziell zu Rationalitätsfortschritten gegenüber traditionellen Beschwörungen von imaginären rechtlichen Grundwertungen, der meist genauso nebulösen ,Natur der Sache‘ oder schwer fassbaren Gerechtigkeitsüberlegungen des Rechtsanwenders.“ 15 16

A. Legitimität und Legalität des Effizienzkriteriums im Recht

39

GG und wäre daher rechtswidrig,21 ohne dass es einer zusätzlichen Zurückhaltung bedürfte. Des Weiteren ist die Tatsachenkenntnis des Gerichts nicht fest vorgegeben. Bei regelmäßiger Anwendung des ökonomischen Arguments in einem Rechtsgebiet, werden die erforderlichen Informationen zu Kosten und Nutzen im Parteivorbringen einen höheren Stellenwert bekommen.22 Zudem kann der Richter auch angesichts unvollständiger oder ungenauer Erhebungen über Kosten, Nutzen, Transaktionskosten und Externalitäten Hilfestellung bei der Rechtsanwendung durch ökonomische Modelle bekommen, die ihrerseits auf das bis dato verfügbare empirische Material gestützt sind.23 Schließlich fehlt es dem Richter auch nicht an der institutionellen Legitimität, zur Verwendung der ökonomischen Analyse des Rechts bei der Auslegung von Normen.24 Gerichte sind nach Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG verpflichtet, unter Anwendung der Auslegungsmittel nach Savigny, den „objektivierten Willen des Gesetzgebers zu ermitteln.“25 Innerhalb der Grenzen des Wortlauts, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und des Zwecks der Norm kann damit auch das ökonomische Argument berücksichtigt werden. Auch hier besteht daher kein Anhaltspunkt für eine zusätzlich zurückhaltende Anwendung des Effizienzkriteriums. Vielmehr ist hinsichtlich der Auslegung durch den Richter „für jede Norm, jede Rechtsfrage, jedes Rechtsinstitut oder auch vielleicht jedes Rechtsgebiet gesondert [ . . . ] zu fragen, ob gesetzgeberische Wertung auf die Zulässigkeit einer ökonomischen Analyse schließen lassen.“26 Wie dies konkret zu geschehen hat, wird unterschiedlich beurteilt.

2. Methodenpluralismus nach Grundmann Nach Grundmann ist das ökonomische Argument bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen in erheblich weiterem Umfang nutzbar zu machen. Grundlegend sei schon in Art. 14 GG die Verankerung des Effizienzgedankens im deutschen Recht zu sehen.27 Weiterhin argumentiert er, dass positive gesetzgeDazu im 2. Kapitel, unter A. I. Auch Karpen betont die Möglichkeit des Arbeitsrichters, sich durch Fachleute, Sachverständige, Industrie- und Handelskammern, Arbeitgeber, Gewerkschaften und statistische Erhebungen im Rahmen der folgenorientierten Rechtsprechung beraten zu lassen. Karpen, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 33. Konkret zur Einschaltung von Sachverständigen vor Gericht nach § 144 ZPO, Däubler, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 44 f. 23 So auch Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 695 f. 24 Ladeur, RabelsZ 2000, 93. 25 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 705 ff. 26 Grundmann, RabelZ 1997, 432; im Ergebnis auch Deckert, JA 1996, 717; Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder, Festschrift Steindorff, S. 700; Ladeur, RabelsZ 2000, 92 ff.; Taupitz, AcP 1996, 127 f., 135 f.; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 348 f. 27 Grundmann, RabelZ 1997, 442. 21 22

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

berische Mandate zur ökonomisch orientierten Auslegung entgegen Eidenmüllers Einschätzung keineswegs selten zu finden seien.28 Darüber hinaus sei bei Fehlen einer solchen positiven gesetzgeberischen Wertung, eine ökonomische Analyse im Rahmen der Auslegung genauso zulässig, wie die Berücksichtigung rechtsethischer Argumente, die bereits heute von Gerichten praktiziert würde. So wie der Vorrang der ökonomischen Analyse abzulehnen sei, kämen auch rechtsethischen Wertungen kein pauschal höherer Rang zu: „Der Vorrang der einen oder anderen Methode [ . . . ] muss jeweils aus der konkreten Norm und den diesbezüglichen gesetzgeberischen Wertungen hergeleitet werden.“29 Ist dabei keine Rangfolge festzustellen, ist eine „praktische Konkordanz“ zwischen den beiden methodologischen Ansätzen zu finden.30

3. Effizienz als Aspekt der Rechtsidee Keine besonderen Anforderungen an die Legalität der ökonomischen Analyse des Rechts stellt Lieth.31 Der Stellenwert des ökonomischen Arguments folge bereits aus dem grundlegenden Konzept der Rechtsidee.32 Insbesondere der Aspekt der Zweckmäßigkeit innerhalb der Rechtsidee33 erfordere die Gesetzeszweckerreichung mit dem geringst möglichen Aufwand, was durch das Effizienzkonzept konkretisiert würde.34 Auch jegliche nicht-ökonomischen rechtspolitischen Ziele müssten bei konsequenter Zugrundelegung der Zweckmäßigkeit unter geringst möglichem Aufwand erreicht werden, da der moderne Rechtsstaat seine Legitimation nicht durch Rechtmäßigkeit allein, sondern auch durch Leistungsfähigkeit erlangen könne.35 Damit richte die Rechtsidee eine normative Forderung sowohl an den Gesetzgeber als auch an den Rechtsanwender, ökonomische Methoden als zulässige Argumentationsformen in ihre Arbeit aufzunehmen.36

28 Grundmann, RabelZ 1997, 434 ff. (als Beispiele dienen die Geschäftschancenlehre und das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen). 29 Grundmann, RabelZ 1997, 444. 30 Grundmann, RabelZ 1997, 445 f., 450. 31 Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 143 ff. 32 Zur Rechtsidee als „Sinn-Grund des Rechts als eines Gesollten“, Larenz, Richtiges Recht, S. 29 f. 33 Zu den Grundwerten der Rechtsidee (Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit), vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 317. 34 Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 150 ff. 35 Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 153. 36 Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 154.

A. Legitimität und Legalität des Effizienzkriteriums im Recht

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4. Integration des ökonomischen Arguments in den Auslegungskanon Verbreitet wird die ökonomische Analyse des Rechts in die herkömmlichen Auslegungsmethoden eingeordnet.37 Neben der Möglichkeit, dass der Wortlaut einer Norm eine wirtschaftliche Betrachtungsweise fordert, sieht Taupitz „ihr breitestes Wirkungsfeld“ im Rahmen der teleologischen Auslegung. Dabei könne „neben dem Telos der konkret anzuwendenden Rechtsnorm auch das Telos des entsprechenden Rechtsgebiets insgesamt eine Rolle spielen.“38 Franck erläutert, dass ökonomische Überlegungen für die Auslegung fruchtbar zu machen sind, wenn sich dies dem Willen des Gesetzgebers bzw. dem Ziel und dem Zweck der interpretationsbedürftigen Norm entnehmen ließe. Ökonomische Argumente dienten mithin als Hilfsmittel der teleologischen Auslegung.39 Eine konkrete Verankerung findet die ökonomische Betrachtung vor allem im Rahmen der vom Richter erst zu konkretisierenden Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe.40 Denn häufig verfolgt der Gesetzgeber bei Erlass einer Norm (auch) ökonomische Ziele.41 Und selbst wenn der Gesetzgeber beim Erlass das Leitbild der Allokationseffizienz nicht vor Augen hatte, kann es heute bei der Auslegung Berücksichtigung finden.42 Der Zweck einer Norm bei der teleologischen Auslegung bestimmt sich nicht allein durch den historischen Willen des Gesetzgebers, vielmehr ist auf den heute rechtlich maßgeblichen Sinn des Gesetzes abzustellen.43 Dieser wird in vielen Rechtsbereichen wirtschaftliche Folgenabschätzungen fordern oder jedenfalls zulassen. Zu Recht hält es Thüsing für unwahrscheinlich, dass „heute ein Gesetz37 Franck, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 56; Grundmann / Riesenhuber, JuS 2001, 532; Janson, Ökonomische Theorie im Recht am Beispiel des Arbeitsrechts, S. 144 ff.; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 30 f.; Taupitz, AcP 1996, 127 f., 136; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 349; ähnlich auch Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 149, 233 ff.; vgl. allgemein zur Folgenanalyse im Rahmen des Auslegungskanons: Karpen, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 26 ff. 38 Kohl, in: Breidenbach / Grundmann / Mülbert / Singer, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 1992, S. 45; Taupitz, AcP 1996, 136. In einem neueren Beitrag sieht auch Eidenmüller die „teleologisch ausgerichtete Rechtsanwendung und -fortbildung“ als Wirkungsfeld ökonomischer Verhaltensmodelle, Eidenmüller, JZ 2005, 217; ablehnend Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 98 f. 39 Franck, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 56. 40 Taupitz, AcP 1996, 136; so auch Ott / Schäfer, JZ 1988, 214, die diese als „Einfallstor“ der Aussagen der ökonomischen Analyse in die Rechtsanwendung sehen. Auch Behrens, ZfA 1989, 218; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 236 f. Weitergehend Ladeur, RabelsZ 2000, 91 ff., der die Stärke der ökonomischen Analyse des Rechts bei der rechtlichen Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel jenseits der bekannten Auslegungsmethoden sieht. 41 Dazu Grundmann, RabelZ 1997, 434 ff.; Taupitz, AcP 1996, 149 ff. 42 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 349. 43 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 318 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 25 ff., 50 f.; ähnlich EuGH v. 6. 10. 1982 – Rs. 283 / 81, NJW 1983, 1258 (maßgeblich sind die Ziele und der Entwicklungsstand des Rechts zum Zeitpunkt der Anwendung der betreffenden Vorschrift); kritisch zur teleologischen Auslegung: Herzberg, NJW 1990, 2529.

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

geber eine primär wirtschaftliche Regelung trifft, ohne aber auch auf die wirtschaftlichen Folgen achten zu wollen, eine Regelung demnach gänzlich ohne Rücksicht auf den wohlstandsmehrenden oder -mindernden Einfluss treffen wollte.“44

5. Stellungnahme Wie gezeigt ist der einschränkenden Ansicht Eidenmüllers nicht zu folgen. Die anderen Ansätze werden regelmäßig zum gleichen Ergebnis kommen, da sich Grundmanns Methodenpluralismus nur methodisch und nicht inhaltlich von der Integration des Effizienzkriteriums über die herkömmlichen Auslegungsmethoden unterscheidet, während Lieth keine zusätzlichen Anforderungen an die Legalität des ökonomischen Arguments stellt. Die methodische Einbettung der ökonomische Analyse in den bekannten Auslegungskanon von Gesetzen ist aber dem Ausgleich der Methoden untereinander nach Grundmann und der Effizienz als Aspekt der Rechtsidee nach Lieth vorzuziehen. Auch die von Grundmann angeführten rechtsethischen Erwägungen können innerhalb der Auslegungskriterien berücksichtigt werden, so dass für einen Ausgleich der Methoden der Auslegungskanon nicht verlassen werden muss. Zudem weist Thüsing zu Recht darauf hin, dass es dem deutschen Juristen an einem Bewusstsein verschiedener Rechtsmethoden (methodawarness), denen er sich anschließen oder verweigern kann, im Gegensatz zur U.S.-amerikanischen Rechtswissenschaft weitgehend fehlt.45 Dagegen kann der Rechtsanwender im Bereich der klassischen Auslegungsmethoden auf langjährige und bewährte Rechtsprechung und Lehre zur Interpretation von Normen zurückgreifen. So kann und muss auch hier eine Rangfolge von Gesetzeszwecken berücksichtigt werden: „Die einzelne Bestimmung ist im Rahmen ihres möglichen Wortsinns und in Übereinstimmung mit dem Bedeutungszusammenhang des Gesetzes in dem Sinne auszulegen, der den Zwecken der gesetzlichen Regelung und dem Rangverhältnis dieser Zwecke optimal entspricht.“46 Einen Rückgriff auf die der Grundrechtsdogmatik entspringenden „praktischen Konkordanz“ bedarf es hier nicht. Ist dem Gesetzgeber gerade an einem derartigen Ausgleich der Gesetzeszwecke gelegen, kann er eine „praktische Konkordanz“ durch den Rechtsanwender herbeiführen, indem er beispielsweise ein Verhältnismäßigkeitserfordernis normiert. Schließlich spricht im Rahmen dieser Bearbeitung für die Verortung des ökonomischen Arguments im Bereich der teleologischen Auslegung, dass dieser Auslegungsmethode auch in der Rechsprechung des EuGH ein besonderer Stellenwert zukommt.47 Da das Verbot der Altersdiskriminierung im AGG auf den VorThüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 349. Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 349. 46 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 332. 47 Hierzu Lecheler, Einführung in das Europarecht, S. 142 f.; v. Bogandy-Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 2 EGV Rn. 13 ff.; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 97 ff. 44 45

B. Stellenwert bei der Auslegung

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gaben der RL 2000 / 78 / EG beruht, ermöglicht die Integration der ökonomischen Analyse in die teleologische Auslegung der Normen einen methodischen Gleichlauf auch auf europäischer Ebene. Die gleichen Argumente sprechen für den Vorzug der Einordnung der ökonomischen Analyse bei der Rechtsanwendung in den Auslegungskanon vor deren Verankerung innerhalb der Zweckmäßigkeit der Rechtsidee nach Lieth. Darüber hinaus ist der Rückgriff auf die Rechtsidee nicht erforderlich, soweit bereits die Auslegung des Gesetzes nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der Norm hinreichend geklärt werden kann. Weiterhin entstehen aufgrund des hohen Abstraktionsniveaus der Rechtsidee eher Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung.48 Schließlich bleibt bei Lieth unklar, welchen Stellenwert das ökonomische Argument haben kann, wenn die Auslegung der Norm einen anderen oder (teilweise) widersprechenden Sinn ergibt. Im Rahmen der klassischen Auslegungsmethoden stehen dem Rechtsanwender für diese Fälle bekannte Werkzeuge zur Verfügung.

III. Ergebnis Im Ergebnis ist somit festzuhalten: Das ökonomische Effizienzkriterium ist ein legitimes Kriterium bei der Rechtssetzung und Rechtsanwendung. Weiterhin kann es im Rahmen der Auslegung von Gesetzen berücksichtigt werden, soweit sich der Gesetzgeber nicht erkennbar49 dagegen entschieden hat. Methodisch ist die ökonomische Analyse dabei insbesondere innerhalb der teleologischen Auslegung von Normen zu verorten. Daher ist der Rechtsanwender zur Beachtung des ökonomischen Arguments verpflichtet, wenn eine Norm eine wirtschaftliche Zwecksetzung hat. Verfolgt eine Rechtsnorm mehrere Zwecke ist auch eine durch den Gesetzgeber festgelegte Rangfolge der verschiedenen Wertungen für den Richter bindend.

B. Stellenwert des ökonomischen Arguments bei der Auslegung des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters im AGG Während in den USA die Problematik der economics of discrimination in der rechtswissenschaftlichen Literatur einen zentralen Platz einnimmt,50 wurde die 48 Auch Lieth weist darauf hin, dass die Rechtspraxis sich mit dem Inhalt des Rechtsbegriffs und der Rechtsidee nur in Ausnahmefällen widmet. Lieth, Ökonomische Analyse des Rechts und Methodenlehre, S. 143. 49 Nach Wortsinn, Systematik, Entstehungsgeschichte oder Zweck.

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

Frage der Effizienz von Antidiskriminierungsregelungen im deutschen und europäischen Arbeitsrecht bisher nur vereinzelt gestellt.51 In den USA greifen auch Gerichte bei der Anwendung der verschiedenen Antidiskriminierungsgesetze auf Effizienzgesichtspunkte und ökonomische Argumente zurück.52 Für den deutschen Rechtskreis ist anhand der obigen Maßstäbe zu ermitteln, inwieweit die Verwendung ökonomische Effizienzkonzepte bei der Auslegung der Normen des AGG zu verbotenen Benachteiligungen wegen des Alters und zulässigen unterschiedlichen Behandlungen wegen des Alters durch den Richter zulässig, sinnvoll oder sogar geboten ist. Dabei ist auf die Ziele des Rechtsgebiets, des Gesetzes und der im einzelnen relevanten Normen abzustellen.53 Insbesondere ist dabei die Zwecksetzung der durch das AGG im Bezug auf das Alter umgesetzten RL 2000 / 78 / EG zu berücksichtigen. Nach der Ansicht von Eidenmüller wäre die Legalität des ökonomischen Arguments bei der Auslegung des AGG zu verneinen. Weder hinsichtlich der RL 2000 / 78 / EG noch bezüglich des AGG insgesamt kann gesagt werden, dass die Effizienz die „Politik des Gesetzes“ ist. Thüsing bemerkt dazu treffend: „Die arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbote wurden sicherlich nicht geschaffen, gerade um die Effizienz des Arbeitsrechts zu erhöhen.“54 Jedoch ist der Ansatz von Eidenmüller, wie gezeigt, zu eng. Nach vorzuziehender Ansicht auf den Auslegungskanon von Gesetzen zurückzugreifen. Danach ergibt die Regelungsmaterie des Arbeits- und Antidiskriminierungsrecht, die Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG bzw. des AGG sowie der Sinn und Zweck der Normen zur Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG, dass in diesem Rechtsgebiet die Allokationseffizienz bei der Auslegung von Normen ein zulässiges Kriterium ist, das von Gerichten nicht gänzlich außer Acht gelassen werden darf.

50 Ausgangspunkt ist dabei Becker, The Economics of Discrimination. Grundlegend auch Donohue III, The Law and Economics of Anti-Discrimination Law; Donohue III, 134 U. Pa. L. Rev. 1411; Posner, Economic Analysis of Law, 350 ff.; Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513; Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 592 ff.; Sunstein, 8 Phil. & Pol. 22; kontrovers dazu Epstein, Forbidden Grounds; zu den Erkenntnissen dieser Forschung vgl. das 4. Kapitel. 51 Engert, 4 German L. J. 685; Kort, JZ 2004, 272; Schnökel, ZRP 2005, 170; Thüsing, RdA 2003, 257 ff.; Wenzel, ZSR 2006, 378 ff.; für den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz: Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 105 ff.; Adams, JZ 1991, 534 ff.; Kirchner, in: Leible / Schlachter, Diskriminierungsschutz durch Privatrecht, S. 37 ff.; zur ökonomischen Sicht verfassungsrechtlicher Fragen eines Diskriminierungsschutzes: Britz, VVDStRL 2005, 376 ff. 52 Proud v. Stone, 945 F.2d 796, 798 (4th Cir. 1991); Metz v. Transit Mix, Inc., 828 F.2d 1202, 1219 f. (7th Cir. 1987, Easterbrook, J., dissenting). 53 Vgl. Grundmann, RabelZ 1997, 434; Taupitz, AcP 1996, 127 f., 136. 54 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 48; vgl. auch Thüsing, RdA 2003, 257; zustimmend Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 226.

B. Stellenwert bei der Auslegung

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I. Effizienz im Arbeits- und Antidiskriminierungsrecht Sowohl das Arbeitsrecht als auch das Recht der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist „wirtschaftlich relevantes Recht“55, ein „ökonomisch geprägtes“ Rechtsgebiet56 bzw. hat ein Telos von zumindest teilweise wirtschaftlicher Natur57, was eine Zulässigkeit des ökonomischen Arguments bei der Auslegung nahe legt. Thüsing stellt in diesem Zusammenhang fest, dass ein „besseres Arbeitsrecht“ seine ökonomischen Folgen berücksichtigen müsse.58 „Da der Arbeitsvertrag nach dem Kaufvertrag der wirtschaftlich wichtigste Vertragstyp ist, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen hier besonders wichtig; Arbeitsrecht ist nicht nur Schutzrecht für Arbeitnehmer, sondern zumindest in demselben Ausmaß auch Wirtschaftsrecht; und der beste Schutz für den [Arbeitnehmer] im Arbeitsverhältnis und bei Verlust des Arbeitsplatzes sind andere attraktive Arbeitsangebote.“ 59 Andererseits betont Rebhahn, dass dem europäischen Arbeitsrecht kein einheitlicher, übergreifender Zweck zugrunde liege.60 Es sei vielmehr fragmentarisch ausgestaltet. Teils würde damit eine Vereinheitlichung zur Förderung des europäischen Binnenmarktes, teils das Ziel des Arbeitnehmerschutzes verfolgt. „Methodisch bedeutet dies, dass die Gerichte bei der Auslegung einzelner Rechtsakte kaum von einem geschlossen Konzept des Arbeitsrechts ausgehen können. Man muss letztlich jeden arbeitsrechtlichen Rechtsakt – jedes der Fragmente – aus sich selbst heraus auslegen.“61 Im Bereich des Antidiskriminierungsrechts sind Effizienzüberlegungen von Bedeutung. Nach Thüsing zielen die arbeitsrechtlichen Diskriminierungsverbote zuvorderst auf den Schutz der Menschenwürde ab, wobei aber ebenfalls Überlegungen zur Effizienz arbeitsrechtlicher Diskriminierungsverbote „nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll“ seien.62 Auch besteht kein Widerspruch zwischen Allokationseffizienz und Antidiskriminierung: Nach Schäfer und Ott ist das Ziel 55 Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 3. 56 Dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 451. (Eidenmüller sieht das Handelsund Gesellschaftsrecht als ökonomisch geprägt.). 57 Ähnlich wohl auch für das Gebiet des Vermögensrechts, Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 237. 58 Thüsing, in: Hanau / Thau / Westermann, Festschrift Adomeit, S. 764; ähnlich im Bereich hinsichtlich der Regulierung von Arbeit im Alter, Rieble, JZ 2008, 813. 59 Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 3; ähnlich Franz / Rüthers, RdA 1999, 32: Das Arbeitsrecht „soll eine möglichst reibungs- und konfliktarme, effiziente Produktion von Waren und Dienstleistungen fördern im Interesse der nationalen Wirtschaftsstandorte und einer hohe Beschäftigungsquote. [ . . . ] Insofern ist eine ideologiefrei betriebene ökonomische Analyse des Rechts und seiner Anwendung unter Beachtung und Abwägung der ökonomischen Folgen unerlässlich.“ 60 Rebhahn, in: Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S. 341 ff. 61 Rebhahn, in: Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S. 342 f. 62 Thüsing, RdA 2003, 257; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 48.

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

der Vermeidung religiöser, rassischer oder geschlechtlicher Diskriminierung ein Gebot der Gerechtigkeit, das zwar nicht mit dem der Allokationseffizienz identisch ist, aber in vielen Fällen durch Allokationseffizienz gefördert wird.63

II. Ökonomische Zwecksetzung hinter der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG Die Zwecke der RL 2000 / 78 / EG und des AGG werden teilweise im Gesetz ausdrücklich genannt, teilweise ergeben sie sich anhand der Entstehungsgeschichte, der Gesetzesbegründung und aus Anhaltspunkten im Wortlaut der Normen. Nach Art. 1 RL 2000 / 78 / EG ist „Zweck dieser Richtlinie [ . . . ] die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“ Und auch § 1 AGG formuliert: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Deutlich wird hier also die soziale Zwecksetzung der RL 2000 / 78 / EG und des AGG.64 Daneben lässt sich aus den Verweisen in den Erwägungsgründen 1 bis 6 der RL 2000 / 78 / EG65 und in der Gesetzesbegründung zum AGG66 herleiten, dass die Richtlinie auch eine menschenrechtliche Zwecksetzung hat.67 Dies sind jedoch nicht die einzigen Ziele des europäischen und deutschen Gesetzgebers beim Erlass dieser Normen.68 Wirtschaftliche Ziele hinter dem Schutz vor Diskriminierung sind so alt wie der europarechtliche Schutz vor Diskriminierungen im Arbeitsleben selbst. Bereits Art. 141 Abs. 1 EG zur Entgeltgleichheit war ursprünglich wirtschaftlichen Zielen der Wettbewerbsgleichheit verschrieben:69 Mit Rücksicht auf den unterschiedli63 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 8 („Altervativen zum Effizienzkriterium“). 64 Vgl. auch die „soziale Eingliederung“ und die „Teilhabe der Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben“ in den Erwägungsgründen 8 und 9 RL 2000 / 78 / EG. Zur sozialen Zweckrichtung hinter der RL 2000 / 78 / EG: Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 189 f.; von Medem, Kündigungsschutz und AGG, 65 ff. 65 Insbesondere Erwägungsgrund 6: „In der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer wird anerkannt, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und von Menschen mit Behinderung sind.“ 66 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 20 f. 67 Vgl. Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 189 f. 68 Bell / Waddington, 28 E.L.Rev. 349, 365.

B. Stellenwert bei der Auslegung

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chen Entwicklungsstand der Sozialgesetzgebung in den einzelnen Mitgliedstaaten sollte verhindert werden, dass die Unternehmen, die in Mitgliedstaaten, die den Grundsatz der Entgeltgleichheit tatsächlich verwirklicht hatten, ansässig waren, im innergemeinschaftlichen Wettbewerb gegenüber den Unternehmen benachteiligt wurden, die in Staaten ansässig waren, die die Lohndiskriminierung zum Nachteil der weiblichen Arbeitskräfte noch nicht beseitigt hatten. Erst der EuGH erkannte später eine doppelte Zweckrichtung sozialer und wirtschaftlicher Zwecke70 und stellt nunmehr die sozialen Zwecke in den Vordergrund.71 Auch bei den Aufgaben der Gemeinschaft nach Art. 2 EG werden die Ziele eines beständigen Wirtschaftswachstums und eines hohen Beschäftigungsniveaus neben denen des sozialen Schutzes und der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau genannt.72 Diese gemeinschaftsrechtlichen Zielvorgaben beeinflussen maßgeblich die Bestimmung des objektiven Zwecks einer Norm des Gemeinschaftsrechts.73 Der EuGH legt eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts „in ihrem Zusammenhang [ . . . ] und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts“ und insbesondere im Kontext „seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift aus.“74 In ihrem Vorschlag zur RL 2000 / 78 / EG führt die Kommission zu den Zielen ihrer Initiative aus: „Die Bekämpfung von Diskriminierungen stellt eine große Herausforderung für die Europäische Union dar. Angesichts der demographischen Trends ist es außerordentlich wichtig, sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter einer Beschäftigung nachgeht.“75 Die RL 2000 / 78 / EG ist damit Teil der Strategie zum längeren Verbleib 69 Vgl. Anweiler, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 214 f.; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 190; Preis / Mallossek, in: Oetker / Preis, EAS, B 4000, Rn. 4 f.; Schiek-Schiek, AGG, Einl. AGG Rn. 26. 70 EuGH v. 8. 4. 1976 – Rs. 43 / 75 (Defrenne II), NJW 1976, 2068 (noch zu Art. 119 EWGV). 71 EuGH v. 10. 2. 2000 – Rs. C-50 / 96 (Schröder), NZA 2000, 317, Rz. 57. 72 Art. 2 EG: „Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.“ Auch Kirchner unterstreicht die wirtschaftliche Zielsetzung, die in Art. 2 und 3 EG deutlich wird, Kirchner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 27. 73 Anweiler, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 208 ff.; v. Bogandy-Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 2 EGV Rn. 13 ff.; Pernice-Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 164 EGV a.F. Rn. 23 ff. 74 EuGH v. 6. 10. 1982 – Rs. 283 / 81, NJW 1983, 1258.

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

von Personen im Erwerbsleben. Dahinter stehen die demografisch bedingten Veränderungen des Arbeitskräftepotenzials, die Finanzierbarkeit des gesetzlichen Rentensystems, die betriebliche sowie volkswirtschaftliche Nutzung der Humanressourcen älterer Arbeitnehmer, die Sicherung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft mit alternden Belegschaften, die Lebensstandardsicherung im Alter und die Generationengerechtigkeit. 76 Insgesamt ist die Erhöhung der Erwerbsquote bzw. der Beschäftigungsquote77 ein Ziel wirtschaftlicher Natur,78 das durch Allokationseffizienz gefördert wird.79 Zwar könnte die Erwerbsquote auch erhöht werden, indem man nur die Verteilung von Arbeit verändert. Dass dies von der Kommission aber nicht gemeint ist, wird durch die Betonung der beabsichtigten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und der Stärkung der sozialen Sicherungssysteme klar. Die Maßnahmen der RL 2000 / 78 / EG würden gewährleisten, dass „die Unternehmen die qualifiziertesten Mitarbeiter zu ihrer Verfügung haben, was wiederum zur Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Unternehmen und der Wirtschaft generell beiträgt.“80 Es folgt eine „KostenNutzen-Analyse“ der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.81 Schließlich nimmt die Kommission explizit auf die effiziente Nutzung von Ressourcen Bezug, die durch die RL 2000 / 78 / EG erreicht werden soll: „Die vorgeschlagene Richtlinie wird durch den Abbau von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf wirtschaftliche und soziale Teilhabe fördern und sozialer Ausgrenzung entgegenwirken. Dies wird dem Wirtschaftswachstum unmittelbar zugute kommen – durch eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben für soziale Sicherung und soziale Unterstützung, durch eine Erhöhung der Kaufkraft der einzelnen Haushalte und durch eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die alle auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Ressourcen optimal nutzen können.“82

Der Europäische Rat hat sich die Erwägungen aus dem Richtlinienvorschlag der Kommission durch Erlass der RL 2000 / 78 / EG mit nur geringfügigen Abweichungen im Wortlaut zu Eigen gemacht. In RL 2000 / 78 / EG selbst findet sich dann auch die wirtschaftliche Zielrichtung aus dem Richtlinienvorschlag wieder. So verKOM(1999)565 endg., S. 3. Vgl. hierzu Engstler, in: Tesch-Römer / Engstler / Wurm, Altwerden in Deutschland, S. 85; Mohr, in: Hanau / Thau / Westermann, Festschrift Adomeit, S. 481. 77 Die Erwerbsquote gibt an, wie viele Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren eine unmittelbar oder mittelbar auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben oder suchen. Die Beschäftigungsquote bezeichnet den Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe. Vgl. BfA, Arbeitsmarkt 2005, S. 26, 46. 78 Ausführlich zur Einordnung von Beschäftigungspolitik zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, Steinle, Europäische Beschäftigungspolitik, S. 76 ff. 79 Vgl. allgemein, Montada, Beschäftigungspolitik zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, S. 9 ff. 80 KOM(1999)565 endg., S. 29. 81 KOM(1999)565 endg., S. 30 f. 82 KOM(1999)565 endg., S. 29. 75 76

B. Stellenwert bei der Auslegung

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weist Erwägungsgrund 8 RL auf die vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten beschäftigungspolitischen Leitlinien für 200083 und „betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besondere Aufmerksamkeit gebührt.“ In Erwägungsgrund 11 RL wird weiterhin die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus als Ziel des EG-Vertrags angeführt. Schließlich führt auch der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG durch das AGG die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus als ein Ziel der Bekämpfung von Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt an.84 Die vom europäischen und deutschen Gesetzgeber ebenfalls mit dem Antidiskriminierungsrecht verfolgten Ziele der Steigerung der Erwerbsquote, der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, der Stärkung der sozialen Sicherungssysteme und der optimalen Nutzung der Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt können dabei neben dem Zweck der Verwirklichung der Gleichbehandlung aus Gründen der Menschenwürde nur erreicht werden, wenn die Rechtsanwendung und Auslegung der Normen zumindest auch effizienzorientiert erfolgt.85 Das Effizienzkriterium ist daher im Bereich des Antidiskriminierungsrechts nicht nur zulässig. Das Außerachtlassen des ökonomischen Arguments bei der Anwendung und Auslegung der Normen der RL 2000 / 78 / EG und des AGG widerspräche vielmehr der gesetzgeberischen Intention und dem Zweck dieser Normen.

III. Effizienz und die Normen zur Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG Die für das arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbot allgemeinen Ausführungen hinsichtlich der Legalität des Effizienzkriteriums bei der richterlichen Auslegung gelten für die einzelnen Normen über das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters in einem noch größeren Maße. Sowohl der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL als auch der des § 10 AGG86 stellt hinsichtlich der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters in Teilen auf wirtschaftliche Argumente ab, so dass eine Auslegung ohne Mitberücksichtigung der Allokationseffizienz und wirtschaft83 Vgl. die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki, verfügbar unter: http: //www.europarl.europa.eu/summits/hel1_de. htm#III (letzter Besuch: 3. 10. 2008). Schlussfolgerung 31: „Die demographischen Veränderungen verlangen Politiken für ein aktives Leben im Alter und verstärkte Effizienz im öffentlichen und im privaten Sektor, damit die wirtschaftliche Belastung dieser Veränderungen bewältigt werden kann.“ 84 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 20. 85 Auch Adomeit und Mohr sprechen sich für einen „Vorrang für Arbeit“ bei der Auslegung der Normen des AGG aus. Adomeit / Mohr, AGG, Einl. Rn. 265. 86 Vgl. zu § 10 AGG als einzig praktisch relevanten Rechtfertigungsmaßstab für Ungleichbehandlungen wegen des Alters im 6. Kapitel, unter A.

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

licher Belange nicht zielführend sein kann. Diese beiden Normen sind als Generalklauseln mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen als „Einfallstore“ für die ökonomische Analyse87 zu sehen. Neben den in Art. 6 Abs. 1 RL wiederholten rechtmäßigen Zielen aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung, nennt Art. 6 Abs. 1 a) bis c) RL und § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG verschiedene, auch ökonomische Überlegungen, die eine Beachtung des ökonomischen Arguments als ein Kriterium bei der Auslegung dieser Normen einfordern. Beispielhaft sei hier nur die Rechtfertigungsmöglichkeit aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand in Art. 6 Abs. 1 c) RL und § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG genannt.88 Dem liegt laut Gesetzesbegründung des AGG die Überlegung zugrunde, dass einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer der produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen müsse.89 Hier wird ausdrücklich auf wirtschaftliche Kostenerwägungen Bezug genommen, weshalb diese auch bei der Auslegung der Norm Beachtung finden müssen. Verdeutlicht wird der Stellenwert des ökonomischen Arguments durch die in der RL 2000 / 78 / EG genannten Erwägungen hinter Art. 6 Abs. 1 RL (Erwägungsgrund 25): „Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“

Über das bloße Hervorheben der beschäftigungspolitischen Zielsetzung des Benachteiligungsverbots hinaus,90 wird hier aufgezeigt, dass eine durch rechtmäßige Ziele insbesondere im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigte Ungleichbehandlung schon gar keine nach dem Gesetz verbotene Diskriminierung ist. Die Ziele aus diesen drei Bereichen Ott / Schäfer, JZ 1988, 214. Zum Bezug auf andere ökonomische Konzepte in den Regelbeispielen des § 10 Satz 3 AGG im einzelnen im 6. Kapitel, unter B. II. 4. 89 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 90 Auch der deutsche Gesetzgeber verweist in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16 / 1780, S. 23) auf den Nationalen Beschäftigungspolitischen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland 2003, wo widerum die Lissabonziele vom Erreichen einer Beschäftigungsquote von 50 % in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen bis zum Jahr 2010 hervorgehoben werden. Vgl. Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland 2003, S. 4, 22, (verfügbar unter http: //ec.europa.eu/employment_social/employment_strategy/nap_2003/nap_de_de.pdf, letzter Besuch: 3. 10. 2008). 87 88

B. Stellenwert bei der Auslegung

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werden aber oftmals wirtschaftlicher Natur sein und werden – unter Beachtung des oben zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Entlastung der sozialen Sicherungssysteme gesagten – insbesondere durch Effizienzsteigerung gefördert. Im Bereich der Altersdiskriminierung ist eine Berücksichtigung des ökonomischen Arguments daher geboten, wenn es um die Unterscheidung zwischen verbotener Benachteiligung und zulässiger Ungleichbehandlung wegen des Alters geht. Auch in der Literatur wird konstatiert, dass das Ziel der europarechtlichen Regelungen zur Antidiskriminierung hinsichtlich des Alters nicht nur die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit sei. Angesichts der demographischen Entwicklung haben diese vielmehr mit der Erhöhung der Erwerbsquote auch eine wirtschaftlich motivierte Zielsetzung.91 Das Hauptziel der europäischen Richtlinie zur Bekämpfung von Altersdiskriminierung sei ökonomischer Natur: die Beschäftigungsquote in der EU soll gesteigert werden.92 Im Hinblick auf die Herausforderung der Beschäftigungssituation älterer Menschen seien verstärkte Evaluierung und costbenefit-Analysen erforderlich, um die Steuerungswirkung der Maßnahmen zu überprüfen und etwaige kontraproduktive Nebenwirkungen zu vermeiden.93 Auch bei der Frage der Rechtmäßigkeit von Ungleichbehandlungen könne auf die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, also auf die ökonomische Effizienz, abgestellt werden.94 Schließlich betont Engert, die rechtliche Analyse des Antidiskriminierungsrechts könne von der ökonomischen Perspektive profitieren.95 Schlüsse für die Auslegung der Normen des AGG vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen Zwecksetzung ziehen diese Autoren freilich nicht. Schließlich steht der Berücksichtigung des ökonomischen Arguments bei der teleologischen Auslegung auch nicht das Gebot der europarechtskonformen Auslegung des AGG96 entgegen. Zum einen kommt der teleologischen Auslegung auch im Rahmen der Rechsprechung des EuGH ein besonderer Stellenwert zu.97 Der EuGH legt eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts insbesondere im Kontext „seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift aus.“98 Dabei kommt insgesamt bei der Gesetzgebung auf 91 Kuras, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 11: „handfeste ökonomische Überlegungen ausschlaggebend“; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 190 f.; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 36; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 37. 92 Adomeit / Mohr, AGG, § 1 Rn. 108; Hanau, ZIP 2006, 2190; Walker, 10 Int. J. Org. Behav. 685, 690. 93 Naegele, in: Tesch-Römer, Gerontologie und Sozialpolitik, S. 87. 94 Zum Verbot der Altersdiskriminierung nach dem österreichischen Gleichbehandlungsgesetz, Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 2 f. 95 Engert, 4 German L. J. 685, 686. 96 Dazu Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, Einl. Rn. 77 ff.; Schiek-Schiek, AGG, Einl AGG Rn. 79 ff.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 40. 97 Vgl. im 2. Kapitel, unter A. II. 5. 98 EuGH v. 6. 10. 1982 – Rs. 283 / 81, NJW 1983, 1258.

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2. Kap.: Stellenwert des ökonomischen Arguments

europäischer Ebene ökonomischen Argumenten ein stärkeres Gewicht zu als auf nationaler Ebene, weshalb diese auch eher bei der Auslegung von Richtlinien zu berücksichtigen sind.99 Zum anderen liegt, wie erörtert, gerade die Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG auch in der Förderung der Effizienz des Arbeitsmarktes, so dass deren Berücksichtigung bei der Auslegung des AGG sogar durch dieses Gebot von den nationalen Gerichten gefordert wird. Auch Generalanwalt Geelhoed unterstreicht in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Navas das Erfordernis der „Abwägung der in Rede stehenden Belange [ . . . ] älterer Arbeitnehmer gegen das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes oder die Verstärkung des Partizipationsgrades älterer Altersklassen [ . . . ].“100 Somit treten im Bereich des Verbots der Altersdiskriminierung nach der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG die soziale und menschenrechtliche Zielrichtung neben die wirtschaftlichen Ziele dieser Normen. Eine Rangfolge ist zwischen diesen Zielen nicht festgelegt. Denn zum einen soll die Verwirklichung der Gleichbehandlung die Ziele der Steigerung der Erwerbsquote und der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie die optimale Ressourcenallokation am Arbeitsmarkt fördern.101 Die Steigerung der Erwerbsquote soll wiederum die Teilhabe aller Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben verbessern.102 Zum anderen ist aber erhöhter Wettbewerb, verbesserte Beschäftigungschancen und Effizienz am Arbeitsmarkt auch zur Verhinderung von Diskriminierungen förderlich.103 Eine Auslegung hat daher diese Ziele zu ihrer maximalen Wirkung in Ausgleich zu bringen. Diese Intention des Gesetzgebers hat sich in der Normierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 10 Satz 1 und 2 AGG manifestiert. In dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung kann die Vereinbarung verschiedener Gesetzeszwecke im Sinne der teleologischen Auslegung, aber auch die praktischen Konkordanz nach Grundmann oder die Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit als Aspekt der Rechtsidee nach Lieth geleistet werden.104 Dabei steht das ökonomische Argument neben den sozialen und menschenrechtlichen Zielen der RL 2000 / 78 / EG und ist auf allen Ebenen der Prüfung zu berücksichtigen.

99 So allgemein zum europäischen Privatrecht: Franck, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 60. 100 Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed v. 16. 3. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), Rz. 55. 101 KOM(1999)565 endg., S. 29. 102 Erwägungsgrund 9 RL. 103 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 8; Schmid, Gleichheit und Effizienz auf dem Arbeitsmarkt, S. 11 ff.; ausführlich zur Rolle des Wettbewerbs bei der Vermeidung bestimmter Formen der Diskriminierung im 4. Kapitel. 104 Vgl. auch neuere Ansätze, die die im Grundsatz der Verhältnismäßig den „methodischen Brückenschlag zwischen dem Recht und den Verhaltenswissenschaften“ sehen. Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 7, 9 ff.

B. Stellenwert bei der Auslegung

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IV. Ergebnis Zusammenfassend ist die Allokationseffizienz ein zulässiges Kriterium bei der Auslegung von Normen im Bereich der Benachteiligung wegen des Alters im AGG, das von Gerichten nicht gänzlich außer Acht gelassen werden darf. Dies ergibt sich aus der Regelungsmaterie des Arbeits- und Antidiskriminierungsrechts, der Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG bzw. des AGG sowie aus dem Sinn und Zweck der Normen zu Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG. Neben wirtschaftlichen Zielen verfolgt der Schutz vor Altersdiskriminierung aber auch soziale und menschenrechtliche Ziele, die ebenfalls die Auslegung der betreffenden Normen beeinflussen. Eine Rangfolge zwischen den Zielen wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt. Sie bedingen und fördern sich vielmehr gegenseitig. Systematisch ist der Ausgleich zwischen diesen Zielsetzungen bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel im Rahmen der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG zu verorten.

3. Kapitel

Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt „It may be that age discrimination is the most complex and difficult of all the discriminations that affect modern societies, and therefore is very problematic to define, quantify, and counter.“1 Eine ökonomische Analyse des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters muss zumindest die Fragen klären, ob und in welchem Umfang diese Diskriminierung stattfindet und warum rational handelnde Firmen sie betreiben.2 In diesem Kapitel werden die ersten beiden Aspekte bearbeitet. Dabei gilt es zuerst die Begriffe „Alter“, „ältere Menschen“ und „Altersdiskriminierung“ zu definieren. Im Anschluss werden empirische Studien über die Existenz von Altersdiskriminierung auf dem U.S.-amerikanischen und dem deutschen Arbeitsmarkt diskutiert. Zwar gibt es empirische Hinweise auf die Verbreitung von Altersdiskriminierung auf diesen Arbeitsmärkten, es ist jedoch nur bedingt festzustellen, inwiefern diese Daten Altersdiskriminierung der willkürlichen Art widerspiegeln, die der ADEA und das AGG gerade verhindern sollen. Des Weiteren werden die Zusammenhänge zwischen der demographischen Entwicklung in den USA und Deutschland und den Altersdiskriminierungsgesetzen skizziert. Schließlich werden empirische Daten über die Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Arbeitnehmern untersucht.

A. Definition von „Alter“ und „älterer Mensch“ „Alter“ im Sinne des AGG meint das Lebensalter,3 also die vergangene Zeit im Leben eines Menschen.4 Im Gegensatz zu diesem alle Altersgruppen umfassenden Altersbegriff des AGG bedeutet age im Sinne des Verbots der Altersdiskriminierung im ADEA aber nur old age, also Arbeitnehmer ab Vollendung des 40. Lebensjahres.5 Macnicol, Age Discrimination, S. 6. So zur Geschlechterdiskriminierung auch Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 336 f. 3 Gesetzesbegründung zum AGG, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 31. 4 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 57; MüKo-Thüsing, AGG, § 1 Rn. 86; Voggenreiter, in: Rudolf / Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, S. 337; ausführlich zu Kategorien und Theorien des Alters und Alterns, Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 35 ff. 5 General Dynamics Land System, Inc. v. Cline, 540 U.S. 581, 596 (2004): „As we have said, social history emphatically reveals an understanding of age discrimination as aimed 1 2

A. Definition von „Alter“ und „älterer Mensch“

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Zusätzlich ist es angesichts des besonderen Augenmerks in dieser Arbeit auf ältere Arbeitnehmer wichtig, zu klären, ab wann eine Person im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis „alt“ ist und wann diese noch „nicht-alt“, also „jung“ ist. Bei welchem Lebensalter von Arbeitnehmern die Trennlinie zwischen alt und jung verläuft, lässt sich aber weder allgemein noch individuell festlegen.6 Auch kann eine Aufteilung nur berufs-, betriebs-, und tätigkeitsspezifisch erfolgen.7 Die Zuordnung zur Gruppe der „älteren Arbeitnehmer“ ist notwendigerweise mit einer Typisierung verbunden, die der einzelnen Person nicht gerecht wird.8 Zur besseren Verständlichkeit und Veranschaulichung, was im Rahmen dieser Bearbeitung mit dem Begriff „älterer“ oder „alter“ Personen gemeint ist, soll eine solche Grenze hier jedoch festgelegt werden. Teilweise werden Menschen ab dem vollendeten 40. Lebensjahr als „alt“ bezeichnet.9 Auch der Schutzbereich des ADEA, der Alte vor Diskriminierungen gegenüber Jüngeren schützt, beginnt gemäß Sec. 631(a) ADEA ab dem 40. Lebensjahr. Häufig wird auch die Grenze von 50 Jahren für sinnvoll gehalten.10 Ein anderer Ansatz differenziert: „Junge Alte“ sind 60-80 Jahre alt, während „alte Alte“ über 80 Jahre alt sind.11 Dieser Ansatz scheint jedoch eher für die Erklärung gesamtgesellschaftlicher Fragen einer alternden Gesellschaft angebracht. Für die Untersuchung der Lage Älterer im Arbeitsleben taugt sie nur bedingt. Ab 60 ist die Erwerbstätigenquote doch schon sehr gering.12 Effekte des Alterns zeigen sich im Arbeitsleben bereits erheblich früher.13 Unter den 100 größten Unternehmen Deutschlands zählen 39% der Unternehmen Menschen ab dem Alter von 50 Jahren zu den Älteren, 30% ab dem Alter von 55 Jahren und 16% ab einer fließenden Grenze zwischen 45 und 55 Jahren.14 In einer weiteren Befragung von Personalveragainst the old, and the statutory reference to age discrimination in this idiomatic sense is confirmed by legislative history. For the very reason that reference to context shows that ,age‘ means ,old age‘ when teamed with ,discrimination‘ [ . . . ].“ 6 Vgl. Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 2; Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 7. 7 Lehr, Psychologie des Alterns, S. 208. 8 So auch Hahn, Altersdiskriminierung, S. 25 ff.; Hebel, Age Discrimintation in Employment, S. 1. 9 Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 4. 10 Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 2; auch Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 24; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 26. 11 Becker, JZ 2004, 930; BMFSFJ, Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in Deutschland, S. 53 f. Zur Differenzierung zwischen „alternden Arbeitnehmern“ (40 bis 55 Jahre) und „älteren Arbeitnehmern“ (55 bis zum Renteneintritt); Dunkel-Benz, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 25; Koller / Gruber, MittAB 2001, 487. 12 Dazu im 3. Kapitel, unter C. III. 13 Zu verschiedenen Ansätzen, Becker / Bobrichtchev / Henseler, Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften, S. 2 f. 14 Becker / Bobrichtchev / Henseler, Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften, S. 14.

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

antwortlichen wurde die Altersgrenze im Durchschnitt bei 50,7 Jahren gezogen.15 Fragt man die „Betroffenen“ selbst, beginnt Altsein, erheblich später. In einem Interview gaben 63- bis 96-Jährigen Männern im Durchschnitt 72 Jahre als Beginn des „Alters“ an, wobei sich aber keiner der Befragten selbst als alt einstufte.16 Zum Zwecke der vorliegenden Analyse sind ältere Menschen solche, die 50 Lebensjahre oder mehr zählen. Diese Altersgrenze ist besser zu handhaben, als die differenzierenden Ansätze und deckt sich mit der Grenze, die dem Großteil der statistischen Erhebungen zugrunde liegt. So wird in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit17 und den Studien der OECD über Alterung und Beschäftigungspolitik18 die Grenze zum älteren Menschen ab dem 50. Lebensjahr gezogen. Auch greift diese Grenzziehung die Aussagen der betroffenen Personalverantwortlichen auf, deren Perspektive bei Entscheidungen über die Beschäftigung älterer Menschen ein besonderes Gewicht zukommt.

B. Definition von Altersdiskriminierung Weiterhin ist es erforderlich, zu definieren, welche Erscheinungen und Verhalten am Arbeitsmarkt unter Altersdiskriminierung zu fassen sind, bevor empirische Nachweise für Altersdiskriminierung in Arbeitsverhältnissen beurteilt werden können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Diskriminierung bzw. Benachteiligungen wegen des Alters im Sinne von altersbezogenen Ungleichbehandlungen auf der einen Seite und nach dem ADEA und AGG verbotener Diskriminierung bzw. Benachteiligung wegen des Alters auf der anderen Seite. Gemäß Sec. 623 (a) ADEA sind Diskriminierungen solche Unterscheidungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, die wegen des Alters einer Person (because of such individual’s age) getroffen werden. Ausdrückliches Ziel des ADEA ist es aber, nur arbitrary age discrimination, also willkürliche Altersdiskriminierung, zu verbieten.19 Daher sind Ungleichbehandlungen dann nicht nach dem ADEA verboten, wenn eine der gesetzlichen Ausnahmetatbestände greift. Insbesondere wenn das Alter eine unerlässliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung der auszuübenden Tätigkeit (BFOQ-Einrede) oder wenn die Ungleichbehandlung auf einem vernünftigen Grund beruht, der weder mit dem Alter 15 Koller / Gruber, MittAB 2001, 487. Die Angaben variierten jedoch sehr nach Branche. 9% der Befragten verweigerten hierzu die Angabe, da man das nicht so pauschal sagen könne. 16 Oswald, Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 1991, 276 ff. 17 Vgl. beispielsweise BfA, Arbeitsmarkt 2005, S. 47, 56. 18 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 4; OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 3; ebenso AARP, American Business and Older Employees, S. 4. 19 29 U.S.C. § 621.

B. Definition von Altersdiskriminierung

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übereinstimmt noch in einem engen Zusammenhang mit diesem steht (RFOA-Einrede), darf der Arbeitgeber zwischen Arbeitnehmern unterscheiden. Der deutsche Gesetzgeber hat im AGG anstatt des Begriffes der „Diskriminierung“ den der „Benachteiligung“ gewählt. Die Definition der unmittelbaren Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG umfasst zunächst alle ungünstigeren Behandlungen wegen des Alters, ohne dass das Gesetz auf dieser Ebene zwischen den dahinter stehenden Motiven und Gründen unterscheidet. Nur bei der mittelbaren Benachteiligung ist in § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG ein Tatbestandsauschluss vorgesehen, wenn damit ein rechtmäßiges Ziel in verhältnismäßiger Weise verfolgt wird. Jedoch sind auch im System des AGG nur ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen gemäß § 7 Abs. 1 AGG verboten. In § 1 AGG wird zwar ohne Beschränkung als Ziel des Gesetzes ausgegeben, dass Benachteiligungen wegen des Alters verhindert oder beseitigt werden. Damit kann aber nicht gemeint sein, dass auch Ungleichbehandlungen, die den Tatbestand des § 3 Abs. 1 AGG verwirklichen, also Benachteiligungen darstellen, auch dann von dem Gesetz verhindert oder beseitigt werden sollen, wenn sie nach den §§ 5, 8 Abs. 1, 10 AGG gerechtfertigt sind. Auch die Gesetzesbegründung unterstreicht, indem es die den Begriff der Benachteiligung von dem der Diskriminierung abgrenzt, dass das Verbot des AGG sich nur auf rechtswidrige, sozial verwerfliche Ungleichbehandlungen beziehen soll.20 Indessen gäbe es auch Fälle der zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters, wie § 5, 8 und 10 AGG für das Arbeitsrecht zeigten.21 Dies deckt sich mit Erwägungsgrund 25 RL 2000 / 78 / EG, nach dem „unbedingt zu unterscheiden [ist] zwischen einer Ungleichbehandlung, die [ . . . ] gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“ Gerade Ungleichbehandlungen, die an das Lebensalter anknüpfen, können auf eine ganze Reihe verschiedener Motive und Gründe zurückgeführt werden, die teilweise anerkennenswert oder sogar wünschenswert sind.22 Diese können sowohl Präferenzen von Akteuren, als auch zutreffende oder unzutreffende statistische Vereinfachungen, sowie systematische kognitive Fehler oder abnehmende Produktivität, Informationskosten, steigende Arbeitskosten oder geringe Amortisierungsmöglichkeiten von Humankapitalinvestitionen sowie opportunistisches Verhalten beinhalten. Es ist bei weitem nicht eindeutig, bei Vorliegen welcher dieser Faktoren BT-Drucks. 16 / 1780, S. 30. BT-Drucks. 16 / 1780, S. 30. Ähnlich Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 65 zur Definition der Diskriminierung nach Art. 2 Abs. 2 a) RL: „Als unmittelbare Diskriminierungen i. S. des Art. 2 II lit. a) [RL 2000 / 78 / EG] werden nur solche Vorschriften, Kriterien oder Verfahren erfasst und sind nach Art. 2 I RRL zu verbieten, die unmittelbar an eines der in Art. 1 [RL 2000 / 78 / EG] aufgeführten Diskriminierungsmerkmale anknüpfen und nicht nach den Art. 4 I und 6 [RL 2000 / 78 / EG] gerechtfertigt werden können.“ 22 Dies würdigen auch Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2000 / 78 / EG und die besondere Ausnahmen vom Verbot der Benachteiligung wegen des Alters in § 10 AGG bzw. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie. Weiterhin weist die Gesetzesbegründung auf die besondere Komplexität der Zusammenhänge im Bereich der Altersdiskriminierung hin (BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36). 20 21

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

eine Ungleichbehandlung älterer Menschen auch eine verbotene Altersdiskriminierung im Sinne des ADEA oder eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des AGG ist.23 Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften ist eine allgemeingültige Definition von Diskriminierung am Arbeitsmarkt noch nicht gefunden.24 Verbreitet wird jedoch davon ausgegangen, dass eine Diskriminierung wegen des Alters dann vorliegt, wenn ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren Menschen anders behandelt werden, ohne dass dies durch Unterschiede in ihrer Produktivität oder Eigenschaften, die mit ihrer Produktivität oder Arbeitskosten zusammenhängen, erklärt werden kann.25 Diese wirtschaftswissenschaftliche Definition der Diskriminierung hat aber weder der amerikanische noch der deutsche Gesetzgeber gewählt. Sie wird daher auch dieser Bearbeitung nicht zugrunde gelegt. Auch sind weder die Produktivität des Arbeitnehmers noch die mit seiner Beschäftigung verbundenen Kosten im ADEA oder AGG als ausdrücklicher Rechtfertigungsgrund für Ungleichbehandlungen normiert. Im AGG könnte jedoch die Auslegung von § 10 AGG ergeben, dass die Steigerung der Produktivität der Belegschaft oder die Kostenminimierung legitime Ziele des Arbeitgebers im Sinne von § 10 Satz 1 AGG sein können, die verhältnismäßige Ungleichbehandlungen wegen des Alters rechtfertigen können.26

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung Bei der Auswertung von Arbeitsmarktstudien muss beachtet werden, dass es schwierig ist, empirisch zwischen den verschiedenen willkürlichen oder sachlich fundierten Ungleichbehandlungen wegen des Alters zu unterscheiden. Viele Studien registrieren nur die Ungleichbehandlung oder die negativen Konsequenzen für ältere Menschen, während sie keine Aussage darüber treffen, ob diese auf unrechtmäßigen Motiven, rechtfertigenden Gründen, dem Willen des Arbeitnehmers oder sogar dem normalen Gang von Arbeitsverhältnissen beruhen, dass alte Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben ausscheiden und durch jüngere ersetzt werden.27 In einem Überblick über Altersdiskriminierung auf dem U.S.-amerikanischen Arbeitsmarkt betont Neumark daher zutreffenderweise, dass empirische Nachweise Dazu ausführlich aus ökonomischer Sicht im 7. Kapitel. Zur ausführlichen Diskussion des Begriffs der Diskriminierung am Arbeitsmarkt: Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 572 ff. 25 Büsch / Dahl / Dittrich, Age Discrimination in Hiring Decisions, S. 2; Neumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 12; so zur Diskriminierung allgemein: Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 382; Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 36. 26 Dazu ausführlich im 6. Kapitel, unter B. II. 4. und im 7. Kapitel. 27 Bessy / Ananda, 13 Res. on Aging 413, 422; Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 4. 23 24

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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regelmäßig keine durch den ADEA verbotene Diskriminierung widerspiegeln, sondern bestenfalls Daten wiedergeben, die mit der Hypothese von der Existenz von Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt vereinbar sind (evidence consistent with age discrimination).28 Auch in einer Studie über Altersdiskriminierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird betont, dass es schwer zu ermitteln ist, inwiefern Unterschiede, etwa in der Beschäftigungsquote verschiedener Altersgruppen, das Ergebnis von Diskriminierungen sind oder durch geringere Produktivität bzw. geringere Arbeitsmarktambitionen der Betroffenen begründet sind.29

I. Probleme beim Messen von Diskriminierung Mit der Messung von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gehen verschiedene Probleme einher, die dahingehende empirische Daten häufig in ihrer Aussagekraft begrenzen. Diskriminierungen sind regelmäßig nicht direkt messbar, sondern können nur indirekt ermittelt werden, indem man versucht, alle relevanten Drittvariablen zu kontrollieren.30 Beispielsweise kann das Vorliegen von Lohndiskriminierung nicht allein durch den Verweis auf unterschiedliche Durchschnittslöhne in verschiedenen Bevölkerungsgruppen nachgewiesen werden. Diese unterschiedliche Entlohnung kann mannigfaltige Gründe in der Humankapitalausstattung und der Produktivität haben und muss nicht an ein verbotenes Merkmal anknüpfen. Daher wird häufig nach der Regressionsmethode versucht, aus der Einkommensdifferenz zwischen zwei Gruppen Faktoren, wie Humankapital und Berufserfahrung, anhand von geschätzten Koeffizienten herauszurechnen, so dass die verbleibende – nicht erklärbare – Differenz den Nachweis für Diskriminierungsprozesse darstellt. Problematisch an dieser Residual- oder Störgröße ist jedoch, dass deren Aussagekraft maßgeblich davon abhängt, ob wirklich alle produktivitätsrelevanten Faktoren zutreffend identifiziert und quantifiziert worden sind.31 Ansonsten begründet der Restwert eher einen Verdacht auf das Vorhandensein von Diskriminierung und lässt einen Nachweis oder gar eine Quantifizierung solcher Prozesse nicht zu.32 Eine weitere Möglichkeit der empirischen Erfassung von Diskriminierungen ist die direkte Messung durch Befragung von Arbeitsmarktakteuren. Hierbei können sowohl Arbeitgeber gefragt werden, ob und nach welchen Kriterien sie bei EntNeumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 13. Büsch / Dahl / Dittrich, Age Discrimination in Hiring Decisions, S. 2; zu den Schwierigkeiten bei der „Messung“ von Altersdiskriminierung auch Temming, Altersdiskriminierung im Arbeitsleben, 28 ff. 30 Kalter, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 319. 31 Egger / Bauer / Künzi, Möglichkeiten von Massnahmen gegen rassistische Diskriminierung, S. 22 ff.; Kalter, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 319. 32 Hierzu Granato / Kalter, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2001, 505; Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 36 f. 28 29

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

scheidungen über Arbeitsverhältnisse unterscheiden. Andererseits können auch Fragebögen oder Interviews mit Arbeitnehmern ergeben, ob diese gegenüber sich selbst oder Kollegen diskriminierendes Verhalten beobachtet haben. Die Probleme dieser Studien liegen auf der Hand: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer werden in ihrer subjektiven Einschätzung und Darstellung häufig vom objektiven Vorliegen einer Diskriminierung abweichen. Arbeitgeber werden sich selten selbst der Diskriminierung bezichtigen – gerade wenn solche Unterscheidungen nach einem bestimmten Merkmal durch Gesetze und öffentliche Meinung als verwerflich angesehen werden. Andererseits können sich Arbeitnehmer subjektiv diskriminiert fühlen, auch wenn objektiv die Unterscheidung etwa wegen produktivitätsrelevanten Merkmalen der Person begründet ist.33 Schließlich beeinflusst auch auf Arbeitnehmerseite der Grad der Sensibilisierung für das Thema Diskriminierung, inwiefern der Betroffene eine Behandlung als diskriminierend empfindet oder sie für sozialadäquat hält. Vereinzelt werden zum Nachweis von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt so genannte practice tests durchgeführt. Dabei wird experimentell eine Bewerbungssituation nachgestellt, bei der sich zwei Bewerber mit identischen Leistungsprofilen um eine Stelle bewerben, wobei nur einer der beiden Träger des fraglichen Diskriminierungsmerkmals ist.34 Schwachpunkt dieser Studien ist zum einen die Problematik der Schaffung „identischer“ Leistungsprofile. Gerade wenn der practice test auch ein fiktives Bewerbungsgespräch beinhaltet, werden Faktoren, wie das Auftreten und die Ausstrahlung des Bewerbers oder einfach die „Chemie“ zwischen Bewerber und Arbeitgeber, einen bedeutenden Einfluss auf das Ergebnis haben. Da sich diese Faktoren kaum kontrollieren lassen, könnten auch sie ausschlaggebend für die jeweilige Entscheidung sein, ohne dass eine Diskriminierung vorliegen muss. Zum anderen leidet die Belastbarkeit derartiger Experimente oftmals an der künstlich geschaffenen Bewerbungssituation und der besonderen Sensibilisierung der Beteiligten für das Thema Diskriminierung. Diese Probleme sind nur schwierig durch die Bildung von Kontrollgruppen zu beheben. Dennoch bietet die practice test Methode insgesamt die belastbarsten Hinweise auf das Ausmaß von Diskriminierung am Arbeitsmarkt. Aussagen über die hinter den Ungleichbehandlungen stehenden Motive können aber auch nach diesem Ansatz nicht getroffen werden.35

33 Egger / Bauer / Künzi, Möglichkeiten von Massnahmen gegen rassistische Diskriminierung, S. 23. 34 Vgl. Büsch / Dahl / Dittrich, Age Discrimination in Hiring Decisions, S. 10 f.; Egger / Bauer / Künzi, Möglichkeiten von Massnahmen gegen rassistische Diskriminierung, S. 24 f. 35 Egger / Bauer / Künzi, Möglichkeiten von Massnahmen gegen rassistische Diskriminierung, S. 25.

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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II. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung in den USA In den USA wurden in zahlreichen Studien Daten gesammelt und analysiert, die mit der Hypothese von Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt vereinbar sind. So sind ältere Arbeitnehmer in der Regel länger arbeitslos als jüngere. Im Jahr 2007 lag die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Menschen zwischen 55 und 64 Jahren bei 21,9 Wochen, während die Arbeitslosigkeit von Menschen im Alter von 25 bis 34 Jahren im Mittel nur 16,4 Wochen dauerte.36 Eine Studie, die Hutchens durchgeführt hat, zeigt, dass älteren Menschen bei der Arbeitsplatzsuche nur eine kleinere Auswahl von Berufen offen stehen, was zur höhere Konzentration von neu eingestellten älteren Arbeitnehmern in bestimmten Berufsfeldern führt (clustering).37 Gardner weist auf geringere Wiedereinstellungsraten älterer im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern in Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse hin.38 Auch dokumentiert ihre Studie erheblich niedrigere Wiedereinstellungslöhne für ältere Arbeitnehmer: Während ein Arbeiter von 20 bis 45 Jahren im Durchschnitt ein 8,2 % niedrigeres Einkommen im neuen im Vergleich zum alten Arbeitsplatz hat, sinkt der Lohn von 45- bis 54-Jährigen um 15 % und der von 55- bis 64-Jährigen um 14,1%.39 Die OECD beruft sich auf Studien der American Association of Retired Persons (AARP), nach denen 15% der Befragten angaben, selbst einmal Opfer von Altersdiskriminierung bei Bemühung um einen Arbeitsplatz gewesen zu sein. 9 % machten nach eigenen Angaben diese Erfahrung bei Beförderungen, 6 % bei Entlassungen und 5 % bei Entgelterhöhungen.40 Des Weiteren nimmt die OECD die Anzahl der bei der Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) eingereichten Beschwerden über Altersdiskriminierung als Anhaltspunkt für die Verbreitung dieses Phänomens am U.S.-amerikanischen Arbeitsmarkt.41 Im Jahr 2007 wurden 19.103 solcher Beschwerden eingereicht.42 Einen neueren Überblick über weitere Studien und Erhebungen über Altersdiskriminierung im U.S.-amerikanischen Arbeitsmarkt geben Adams und Neumark.43 36 Bureau of Labor Statistics, http: //www.bls.gov/cps/cpsaat31.pdf (letzter Besuch: 3. 10. 2008). 37 Hutchens, 42 Indus. & Lab. Rel. Rev. 89, 89. 38 Gardner, 118 Monthly Lab. Rev. 45, 49, Table 4: 70% der 25- bis 34-Jährigen fanden erneut eine Anstellung, während dies bei den 55 bis 64-Jährigen nur in 41,3% der Fällen gelang. 39 Gardner, 118 Monthly Lab. Rev. 45, 49, Table 4. 40 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 106 f. Die OECD weist aber ausdrücklich auf die möglichen Verzerrungen der Ergebnisse aus diesen subjektiven Erlebnisberichten hin. In einer vergleichbaren Studie aus dem Jahr 1985 sahen sich 6 % der Befragten mindestens einmal als Opfer von Altersdiskriminierung, Herz / Rones, 112 Monthly Lab. Rev. 14, 20. 41 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 108. 42 Vgl. Statisken der EEOC unter http: //www.eeoc.gov/stats/adea.html (letzter Besuch: 3. 10. 2008).

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Wie bereits erläutert, deuten diese Daten nicht zwangsläufig auf willkürliche Ungleichbehandlungen von Menschen auf dem Arbeitsmarkt hin. Dies wird auch in vielen der obigen Studien zugestanden. Trotzdem ist festzuhalten, dass es zahlreiche empirische Anhaltspunkte gibt, die im Einklang mit der These der Verbreitung von Altersdiskriminierung auf dem U.S.-amerikanischen Arbeitsmarkt stehen. Und Studien wie diese motivierten auch den Erlass des ADEA im Jahre 1967.44

III. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung in Deutschland Für den deutschen Arbeitsmarkt gibt es bisher kaum Studien über die Verbreitung von Altersdiskriminierung.45 Jedoch sind auch hier verschiedene empirische Daten mit der Hypothese von der Existenz von Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt vereinbar. So kann Altersdiskriminierung eine Ursache der schlechteren Beschäftigungschancen Älterer sein. Nur vereinzelt bestehen empirische Hinweise auf die Rolle diskriminierender Motive bei Entscheidungen im Arbeitsverhältnis. Schließlich sind in Deutschland aber offene Unterscheidungen nach dem Alter im Arbeitsrecht verbreitet, die Hinweise auf Altersdiskriminierungen bieten könnten. Die Beschäftigungssituation Älterer in Deutschland ist schlechter als die jüngerer Arbeitnehmer. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lag die Erwerbstätigenquote (oder auch Beschäftigungsquote)46 in Deutschland im Jahr 2005 bei 73,7% der 15 – 64-Jährigen, während sie bei den 50 – 64-Jährigen nur 63,7% betrug.47 Noch deutlicher wird die angespannte Beschäftigungssituation Älterer, wenn man – wie auf europäischer Ebene üblich – auf die Altersgruppe der 55 – 64-Jährigen abstellt. Die Erwerbstätigenquote der 55 – 64-Jährigen hatte in Deutschland im Jahr 1993 mit ca. 35% ihren Tiefpunkt erreicht und ist seither bis 2004 auf 41,2% angestiegen.48 Insbesondere der Paradigmenwechsel weg von der Frühausgliederung Älterer aus dem Erwerbsleben hin zu deren längerem Verbleib im Er43 Adams / Neumark, in: Rodgers, Economics of Discrimination, S. 187 ff.; Neumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 13 ff. 44 Wirtz, Age Discrimination in Employment: Report to Congress. 45 Vgl. dazu Büsch / Dahl / Dittrich, Age Discrimination in Hiring Decisions, S. 4 ff. 46 Die Erwerbstätigenquote beschreibt den Anteil der abhängig oder selbständig Beschäftigten an allen Personen einer Altersgruppe. Diese wird oftmals auch als Beschäftigungsquote bezeichnet. Kraatz / Rhein / Sproß, Bundesarbeitsblatt 2006, S. 21. Zu den Vorteilen dieses Indikators im Vergleich zur Erwerbs-, Arbeitslosen- und Erwerbspersonenquote, vgl. Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 9 ff. 47 BfA, Arbeitsmarkt 2005, S. 35. 48 Statistisches Bundesamt 2005, zitiert in: Engstler, in: Tesch-Römer / Engstler / Wurm, Altwerden in Deutschland, S. 88. Teilweise wird auch von 41,4% im Jahr 2004 ausgegangen (Eurostat, zitiert in: Kraatz / Rhein / Sproß, Bundesarbeitsblatt 2006, S. 21).

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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werbsleben zeigte hier erste Wirkungen.49 Jedoch ist weiterhin ein Anstieg um 9 Prozentpunkte erforderlich, damit Deutschland das vom Europäischen Rat im März 2001 in Stockholm festgesetzte Ziel der Erwerbstätigenquote von 50% der 55 – 64-Jährigen50 erreicht. Dafür müssten bis 2010 rund 800.000 mehr ältere Menschen erwerbstätig sein, als das heute der Fall ist.51 Weiterhin dauert in Deutschland die Arbeitslosigkeit Älterer im Durchschnitt erheblich länger. Arbeitslose, die im Juli 2006 eine neue Beschäftigung antraten, waren zuvor durchschnittlich 36 Wochen ohne Arbeit, während die Älteren unter ihnen (über 50 Jahre) erst nach 52 Wochen eine neue Stelle fanden.52 Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2005 lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter den 50 – 64-Jährigen bei 52,9 %, während auf die Gesamtzahl der Arbeitslosen gerechnet nur 37,4% langzeitarbeitslos waren.53 Schließlich sind die Wiedereinstellungschancen Arbeitsloser ab dem 45. Lebensjahr deutlich reduziert.54 Empirische Daten über Altersdiskriminierung im Rahmen von Arbeitgeberentscheidungen sind in Deutschland bisher selten. Eine Vergleichsstudie zwischen Deutschland und Norwegen aus dem Jahr 2004 ermittelte anhand der practice test Methode mit Personalleitern, dass Altersdiskriminierung bei der Einstellungsentscheidung in Deutschland eine bedeutendere Rolle zukommt als in Norwegen.55 Eine Befragung unter Arbeitnehmern ergab, dass sich subjektiv nur 5,8 % der Deutschen wegen ihres Alters diskriminiert fühlen, während 4,6% der Befragten angeben, schon einmal Altersdiskriminierung gegenüber Dritten beobachtet zu haben.56 Schließlich gaben beim IAB-Betriebspanel 2002 gaben immerhin 15% der Betriebe an, grundsätzlich keine älteren Menschen einzustellen, während wei49 Hierzu gehören insbesondere die Rentenreformgesetze von 1992, 1996 und 1999, aber auch eine veränderte Einstellung bei den Tarifparteien. Dazu Engstler, in: Tesch-Römer / Engstler / Wurm, Altwerden in Deutschland, S. 85 ff., 146; ein anschaulicher Überblick über die Entwicklung in den 80er und 90er Jahren bei Behrend, in: Tesch-Römer, Gerontologie und Sozialpolitik, S. 62 ff. 50 Beschäftigungspolitische Leitlinien 2002, Abl. L-60, S. 63. 51 Berechnungen des Instituts für Arbeit und Technik, zitiert in: Engstler, in: TeschRömer / Engstler / Wurm, Altwerden in Deutschland, S. 87. 52 Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 1. 53 Langzeitarbeitslos ist, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits länger als ein Jahr arbeitslos war. BfA, Arbeitsmarkt 2005, S. 73, 181. 54 Husemann, WSI Mitteilungen 2002, 33; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 10. 55 Büsch / Dahl / Dittrich, Age Discrimination in Hiring Decisions, S. 16, 19 f. Die Studie war auf männliche Bewerber für die Position eines höheren Angestellten beschränkt. Ähnliche Ergebnisse ergab bereits eine Befragung unter 174 Studenten im Jahr 2001, Büsch / Königstein, Age Discrimination in Hiring Decisions, S. 9 ff. 56 Quelle: Eurobarometer, Diskriminierung in Europa, 2003 (Zusammenfassung verfügbar unter: http: //ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_168_exec.sum_de.pdf, letzter Besuch 3. 10. 2008). Ähnliche Zahlen aus dem Jahr 2000 zitiert: OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 115 f.

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

tere 8% dazu nur bereit waren, wenn keine jüngeren Bewerber zur Verfügung stehen.57 Eine Besonderheit gegenüber der Situation in den USA ist, dass in Deutschland Fälle offener Unterscheidungen nach dem Alter in Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und gesetzlichen Regelungen überaus üblich waren und sind. Diese Ungleichbehandlungen waren bisher rechtlich zumeist nicht zu beanstanden. So knüpfen deutsche Gesetze im Bereich des Arbeitsrechts vielfach unterschiedliche Rechtsfolgen an das Lebensalter von Menschen.58 Auch bei Leistungen und Rechten aus Tarifverträgen wird regelmäßig nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer differenziert.59 Teilweise können in diesen Regelungen künftig ungerechtfertigte Benachteiligungen wegen des Alters nach der RL 2000 / 78 / EG bzw. dem AGG gesehen werden.60 Wie auch in den USA stützen die empirischen Daten die Hypothese von der Existenz von Altersdiskriminierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt, während die Gründe und Motive hinter den einzelnen Ungleichbehandlungen dadurch weiterhin unklar bleiben. Auch in Deutschland spielten derartige Daten eine Rolle auf dem Weg hin zum Erlass des AGG. So verwies der deutsche Gesetzgeber in seiner Begründung zum AGG auf empirische Daten, die auf altersbezogene Unterschiede in Bezug auf die Integration in den Arbeitsmarkt, Erwerbslosigkeit und Beschäftigungsfelder hinweisen. Ältere Menschen fänden sich besonders häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, und die Erwerbsbeteiligung falle ab einem Alter von 55 Jahren drastisch ab.61

Zitiert in Bellmann / Kistler / Wahse, APuZ 20 / 2003, 33. Vgl. nur die Berechnung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB; die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG; die Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG; die Abfindungsregelung nach § 10 Abs. 2 KSchG; Regelungen des BetrAVG und des AtG; Übersicht zu gesetzlichen Unterscheidungen wegen des Alters allgemein: Ostermann, Altersbeschränkende Regelungen; für das Arbeitsrecht, Gussone, in: Gussone / Huber / Morschhäuser / Petrenz, Ältere Arbeitnehmer, S. 187 ff. 59 Zu tarifvertraglichen Regelungen, die an das Alter anknüpfen: Gussone, in: Gussone / Huber / Morschhäuser / Petrenz, Ältere Arbeitnehmer, S. 187 ff.; weitere Beispiele zu altersbezogenen Regelungen in Tarifverträgen bei Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen. 60 Vgl. zur Vereinbarkeit gesetzlicher und Regelungen mit der RL 2000 / 78 / EG: Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 27, 50, 53, 58 f.; Schleusener, NZA 2007, 358 ff.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 257 ff., 276 ff., 289 ff.; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 199 ff.; Waltermann, NZA 2005, 1267 ff.; EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1345. Zur Vereinbarkeit einzelner auch tariflicher Regelungen mit dem AGG im 7. Kapitel. 61 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 23 f. Auf ähnliche Nachweise stützt sich die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 entg., S. 3. 57 58

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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IV. Exkurs: Angebot und Nachfrage im Bereich der Arbeit älterer Menschen Soweit in Deutschland die schlechte Beschäftigungssituation älterer Menschen als Hinweis auf Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt herangezogen wird, ist zu berücksichtigen, dass diese in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ganz überwiegend auf Hemmnisse auf der Angebots- und Nachfrageseite zurückgeführt wird.62 So weist Funk für ältere Arbeitnehmer nach, „dass institutionelle Weichen im deutschen Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht beschäftigungsschädlich gestellt sind und sich die Beteiligten unter den gegebenen Bedingungen des Systems rational verhalten.“63 Die kritische Erwerbstätigenquote Älterer ließe sich aus dem Zusammenspiel von institutionellen Pull-Anreizen auf der Angebotsseite und Push-Faktoren auf Arbeitsnachfrageseite erklären.64 Das bedeutet, dass manche älteren Arbeitnehmer ihre Arbeit nicht mehr am Markt anbieten, obwohl es ihnen noch möglich wäre, und gleichzeitig Arbeitgeber die Arbeit Älterer in einem geringeren Maße nachfragen. Hingegen werden Diskriminierungen wegen des Alters nur vereinzelt als Mitgrund für die verringerten Arbeitsmarktchancen Älterer genannt.65 Bezeichnend ist, dass die Analyse und Handlungsempfehlungen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) zum Thema „Mehr Beschäftigung für Ältere“ ohne die Benutzung des Wortes Diskriminierung oder Benachteiligung auskommt.66 1. Hemmnisse auf der Angebotsseite Auf der Angebotsseite hemmen vor allem die Möglichkeiten und die Attraktivität eines vorgezogenen Ruhestands die Bereitschaft älterer Menschen, ihre Arbeit am Markt anzubieten.67 Vom deutschen Rentensystem gehen noch heute starke 62 Eichhorst, in: Rust / Lange / Pfannkuche, Altersdiskriminierung und Beschäftigung, S. 60 ff.; Funk / Klös / Seyda / Birk / Waas, Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer, S. 46 ff.; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 1 ff.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 11 f.; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, Kapitel 3 (Angebotsseite), Kapitel 4 (Nachfrageseite); Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 68 ff. 63 Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 8. 64 Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 21 ff., 34 f. 65 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 113 ff. (mit dem Hinweis, dass die Existenz und das Ausmaß von Altersdiskriminierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt bisher empirisch kaum untersucht ist). 66 Die Analyse bei enthält auf 229 Seiten einzig folgenden Hinweis zur Altersdiskriminierung: „Da [ . . . beim ADEA] die Beweislast bei den Unternehmen liegt, kann dies eventuell auch eine Hürde für die Einstellung der über 55-Jährigen sein und so zur Erklärung der überdurchschnittlichen Langzeitarbeitslosigkeit beitragen, weil Unternehmer möglicherweise im Falle einer Kündigung mit Klagen rechnen.“ (Funk / Klös / Seyda / Birk / Waas, Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer, S. 146).

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Anreize aus, vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand zu gehen.68 Ruhestandsentscheidungen älterer Arbeitnehmer sind durch deren ökonomisches Rationalitätskalkül bestimmt, wie durch zahlreiche internationale Studien empirisch nachgewiesen werden konnte.69 Dabei erfolgt die Rentenentscheidung des Einzelnen in Abhängigkeit davon, ob sich ein weiterer Verbleib im Arbeitsmarkt im Vergleich zu einem Renteneintritt auszahlt. Solange sich das kumulierte Rentenvermögen einer Person durch weitere Arbeit erhöht, entscheidet sich diese für den Verbleib im Arbeitsmarkt. In Deutschland steigt das Gesamtrentenvermögen nach Ermittlungen der OECD lediglich bis zum 63. Lebensjahr an. Danach geht es auch bei weiterer Berufstätigkeit zurück, und schon ab dem 60. Lebensjahr sind die finanziellen Arbeitsanreize nur noch gering.70 Dabei wirken zu geringe Abschläge auf die Rente71 bei früherem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben wie eine implizite Besteuerung der Weiterarbeit im Alter.72 Schätzungen zufolge würde allein durch die Anhebung des Abschlages auf von derzeitigen 3,6 %73 auf 6% je vorgezogenes Jahr des Renteneintritts bei ansonsten gleichen Bedingungen eine Steigerung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters um 1,9 Jahre für Männer und 0,8 Jahre für Frauen verursachen.74 Des Weiteren senkte die so genannte „58er Regelung“ des § 428 SGB III noch bis Ende 2007 die Anreize arbeitsloser älterer Menschen, erneut eine Beschäftigung aufzunehmen. Danach konnten Arbeitslose mit vollendetem 58. Lebensjahr Arbeitslosengeld I oder II auch beanspruchen, wenn sie nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sofern zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine ungeminderte Altersrente beantragt wird.75 Zusätzlich wird die Möglichkeit der Altersteilzeit 67 Vgl. die Übersicht von Rentenzugangsmöglichkeiten und alternativen Wegen des Ausscheidens aus dem Arbeitsleben bei OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 65 ff. 68 Ausführlich dazu Arnds / Bonin, Frühverrentung in Deutschland: Ökonomische Anreize und Institutionelle Strukturen, S. 17; Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“, BTDrucks. 14 / 8800, S. 160; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 54 f. 69 Vgl. Arnds / Bonin, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 77. 70 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 79. 71 Zu verschiedenen Berechnungsmethoden „fairer“ Rentenabschläge, Börsch-Supan, Faire Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung, S. 3 ff. 72 Funk / Klös / Seyda / Birk / Waas, Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer, S. 54; so tendenziell auch OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 15, 82 f.; hingegen für die Angemessenheit der heutigen Rentenabschläge Kistler, WSI Mitteilungen 2004, 75. 73 Vgl. § 77 Abs. 2 Nr. 2a) SGB VI. 74 Berkel / Börsch-Supan, Pension Reform in Germany, S. 20 f., table 3. In Finnland, wo die europäischen Ziele zur Beschäftigung Älterer bereits heute erreicht werden, beträgt dieser Abschlag sogar 7,2%. Hierzu Kraatz / Rhein / Sproß, Bundesarbeitsblatt 2006, 26. 75 Kritisch dazu auch: Buchner, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 50; Eichhorst, ZSR 2006, 110; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 32; Kraatz / Rhein / Sproß, Bundesarbeitsblatt

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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auch heute noch zu 87% im Blockmodell genutzt,76 was nicht zu einem graduellen Übergang, sondern zu einem vorgezogenen Ausstieg aus dem Erwerbsleben zu Beginn der Freistellungsphase führt.77 Oftmals verstärken tarifliche Aufstockungen der Rente bei Altersteilzeit noch die Anreize, sich auf diese Weise (teilweise) aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen.78 Schließlich leisten die oftmals hohen Reservationslöhne älterer Menschen einen weiteren zentralen Beitrag zu deren Anreizproblemen auf der Angebotsseite.79 Der Reservationslohn (oder Schwellenlohn) ist der Lohn, zu dem eine Person bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen. Er bestimmt sich vornehmlich durch persönliche Charakteristika, alternativ zur Verfügung stehenden Einkommensquellen (z. B. aus anderer Erwerbsarbeit oder aus Lohnersatzleistungen) und der Arbeitsmarktlage. Dieser Reservationslohn ist bei älteren Arbeitnehmern in der Regel erheblich höher als bei jüngeren. Die Diskrepanz zwischen Lohnanspruch und realisierbarem Marktlohn ist bei ihnen daher besonders ausgeprägt.80 Dies liegt zum einen an ihren durchschnittlich höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld I, dessen Höhe sich am letzten Nettoeinkommen orientiert und dessen Bezugdauer für Ältere verlängert ist. Weiterhin sind die Löhne Älterer im Mittel höher als die jüngerer Arbeitnehmer. Im Juni 2004 betrug der mittlere Bruttolohn eines über 50-Jährigen im Monat 2,850 Euro, während der eines unter 30-Jährigen bei 2.050 Euro lag.81 Diese Faktoren führen zu einer erhöhten Lohnerwartung Älterer, die sich von ihrer Produktivität an einem künftigen Arbeitsplatz abgekoppelt hat, und somit als Einstellungshindernis auf der Angebotsseite fungiert. Zwar passen die betroffenen Arbeitnehmer mit der Zeit ihre Erwartungen an und nehmen auch Stellen an, die Lohnabschläge im Vergleich zur letzten Tätigkeit mit sich bringen. So lag im Jahr 2004 der Lohn von Arbeitnehmer über 50 Jahren nach einer Erhebung der IAB unter 1.400 Personen vor der Arbeitslosigkeit bei 1.780 Euro, während sie nach einer mindestens 6 monatigen Arbeitslosigkeit in Vollbeschäftigung nur im Durchschnitt 1.490 Euro verdienten.82 Jedoch erfolgt diese Anpassung der Reservationslöhne bei den meisten Arbeitslosen erst nach einiger Zeit, so dass das Anreizproblem auf der Angebotsseite häufig durch eine reduzierte Nachfrage ihrer Arbeit abgelöst wird. Denn bis zur erfolgten Anpassung des Reservationslohnes ist der 2006, 21; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 88 ff.; Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 66. 76 Vgl. Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 57. 77 Eichhorst, ZSR 2006, 109 f.; Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 71 f. 78 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 58. 79 Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2; Walwei, in: Sproß, Beschäftigungsförderung älterer Arbeitnehmer in Europa, S. 24. 80 Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2. 81 Weitere Daten bei Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2, Abbildung 1. 82 Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2.

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Betroffene regelmäßig so lange arbeitslos, dass aufgrund des Verlustes an Humankapital ein neues Einstellungshindernis entstanden ist.83 Derartige Angebotshemmnisse äußern sich in der Absicht von 35% der Über40-Jährigen im Jahr 2002, spätestens mit 60 Jahren aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, während nur rund 20% planten, bis zum 65. Lebensjahr oder darüber hinaus zu arbeiten.84 Die Bedeutung von Anreizproblemen bei älteren Personen zeigt sich auch darin, dass bei rund drei Viertel der im IAB-Betriebspanel befragten Betriebe im ersten Halbjahr 2004 keine Bewerbungen älterer Menschen für offene Stellen vorlagen.85 Jedoch wirkt sich das verringerte Angebot an Arbeit älterer Menschen nicht allein beim Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis oder beim Unterlassen einer Bewerbung auf eine freie Stelle aus. Bereits in den Jahren vor dem Eintritt in den (vorgezogenen) Ruhestand verändern sich dadurch die Anreize der Arbeitsmarktakteure. So bestehen auf Seiten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers geringere Anreize, in Humankapital zu investieren, da der Amortisierungszeitraum für diese Investitionen durch den nahenden Ruhestand verkürzt wird. Und auch für Arbeitgeber sinken durch diese Angebotshemmnisse auf der Nachfrageseite die Anreize, ältere Menschen einzustellen, wenn den Kosten, die mit der Einarbeitung und nahenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergehen, ein vergleichsweise kurzer Beschäftigungszeitraum gegenübersteht. Denn die Entlassung bzw. erneute Einstellung von Arbeitskräften im Beschäftigungszyklus verursacht Kosten (beispielsweise Abfindungen, Prozesskosten, Selektionsund Ausbildungskosten), die im Entscheidungskalkül über die fragliche Einstellung berücksichtigt werden müssen.86 2. Hemmnisse auf der Nachfrageseite Neben dem verringerten Angebot von Arbeit älterer Menschen und den bereits damit einhergehenden Nachfragehemmnissen, wird die Nachfrage nach Arbeit Älterer auch durch andere rechtliche Rahmenbedingungen gesenkt. Zum einen können die strengen Beschäftigungsschutzbestimmungen als objektives Nachfragehindernis für Arbeit älterer Menschen fungieren.87 Beispielsweise steigen Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 2 BGB nach Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit an.88 Ebenso ist gemäß § 1 Abs. 3 KSchG das Alter und die Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2. Ergebnisse der Alterssurveys 1996 und 2002 bei: Engstler, Austrittsalter aus dem Erwerbsleben, S. 10. Im Gegensatz dazu planten im Jahr 1999 in den USA 80% der 34 – 52-Jährigen U.S.-Amerikaner, über das 65. Lebensjahr hinaus zu arbeiten. Vgl. Quinn, Has the Early Retirement Trend Reversed?, S. 9. 85 Bellmann / Gewiese / Leber, WSI Mitteilungen 2006, 430; Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2. 86 Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 100. 87 Dazu auch OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 124 ff. 83 84

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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Betriebszugehörigkeitsdauer bei der Sozialauswahl im Rahmen betrieblicher Kündigungen zu berücksichtigen. Schließlich ist in Tarifverträgen verbreitet ein besonderer Kündigungsschutz bis hin zum Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit vorgesehen.89 Aus dem allgemein hohen Niveau des Beschäftigungsschutzes in Deutschland und dem dazu noch erhöhten Schutz älterer Arbeitnehmer ergibt sich für diese Personengruppe eine doppelte Problematik, die sich nachteilig auf ihre Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt. Auf der einen Seite wirken Beschäftigungsschutzprivilegien für Ältere abschreckend hinsichtlich der Einstellung der besonders geschützten Personengruppe. Arbeitgeber scheuen sich, solche Personen einzustellen, entweder weil sie die Schutzwürdigkeit als Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit interpretieren oder den besonderen Kündigungsschutz als Risiko wahrnehmen.90 Verbreitet wird daher in der Literatur vertreten, dass der besondere Kündigungsschutz für Ältere dieser Personengruppe nicht zum Nutzen gereicht, sondern im Gegenteil eine Marktzugangsbarriere darstellen kann.91 Bei einer Studie des IW waren fast acht von 10 Arbeitgebern der Ansicht, dass besondere Schutzbestimmungen für Arbeitnehmergruppen die Beschäftigungschancen der Gruppenangehörigen verringern.92 Auf der anderen Seite fungieren die weiterhin vorhandenen Frühverrentungsmöglichkeiten im Vergleich zum allgemein greifenden Beschäftigungsschutz als „Weg des geringeren Widerstandes“, wenn es um die Reduzierung der Belegschaft geht. Dadurch bestehen auf der Arbeitsnachfrageseite für Unternehmen Anreize, zur Restrukturierung ihrer Belegschaften auf die Frühverrentung älterer Arbeitnehmer zurückzugreifen.93 Gesetzliche Rahmenbedingungen, wie die Altersteilzeit und die verlängerte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für älterer Arbeitnehmer gemäß §§ 127, 434l SGB III, fördern noch diese Verschlechterung der Arbeitsmarktchancen Älterer.94 Die OECD resümiert in ihrem Bericht über Alterung und Beschäftigungspolitik in Deutschland im Jahr 2005: „Generell lässt sich sagen, dass strengere BSB [Beschäftigungsschutzbestimmungen] die Wiedereinstellungschancen von älteren Arbeitslosen verringern, während sie die Wahrscheinlichkeit der Weiterbeschäftigung derjenigen erhöhen 88 Zur abschreckenden Wirkung längerer Kündigungsfristen bei der Einstellung, Rieble / Zedler, ZFA 2006, 300 f. 89 Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. 2 ff.; Däubler, in: Däubler, Festschrift Gnade, S. 100; Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter E. IV. 90 Montada, Beschäftigungspolitik zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, S. 18. 91 Vgl. Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 219; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 51 f. (insbesondere zu tariflichem Kündigungsschutz); Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 149 ff. 92 Janßen, iw-trends 2004, 12. 93 Ähnlich Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 35: „Ältere Arbeitnehmer fungieren trotz – besser: gerade wegen – der existierenden arbeitsrechtlichen Hemmnisse, die eine Schutzfunktion für Arbeitnehmer haben sollen, als vielfach bevorzugte betriebliche Flexibilitäts- und Anpassungsreserve.“ 94 Arnds / Bonin, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 84.

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

dürften, die einen Arbeitsplatz haben. Aus dem gleichen Grund sind Frühverrentungsmöglichkeiten und Vorruhestandsregelungen in Ländern mit strengen Beschäftigungsschutzbestimmungen besonders attraktiv, wie sich am deutschen Beispiel zeigt.“95 Auch die im Jahr 2004 verschärfte Erstattungspflicht des Arbeitgebers bei Entlassung eines 55-Jährigen oder älteren Arbeitnehmers gemäß §§ 147a, 434l Abs. 2 SGB III kann noch die Einstellungsbereitschaft von Unternehmen hemmen.96 Diese Regelung zielt zwar auf den Schutz Älterer vor Entlassungen und auf die Umkehr der Frühverrentungspraxis ab. Faktisch wirkt sie sich aber wie eine Markteintrittsbarriere für ältere Arbeitnehmer aus, weil dadurch Arbeitgebern zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit diesen entstehen können.97 Des Weiteren verschlechtern hohe Lohn- und Lohnnebenkosten die Beschäftigungschancen insbesondere von älteren Menschen.98 Das Zusammenwirken von hohen Löhnen mit hohen Sozialversicherungsabgaben erhöht die Produktivitätsanforderungen an Arbeitnehmer, die gerade ältere Arbeitskräfte oftmals nicht mehr erfüllen können.99 Eine Rolle bei der Verteuerung der Arbeitskraft Älterer können auch Senioritätslöhne spielen.100 Da die Sozialversicherungsabgaben in Deutschland als Prozentsatz des Lohnes definiert sind, gehen mit etwaigen Lohnsteigerungen bei fortschreitendem Alter auch höhere Lohnnebenkosten einher.101 Diese höheren Arbeitskosten setzen einerseits Anreize zur Substitution von Arbeit durch Kapital im Allgemeinen und von älteren durch jüngere Arbeitnehmer im Speziellen.102 Auf der anderen Seite sind mit hohen Sozialversicherungsbeiträgen auch erhebliche negative Arbeitsanreize für Arbeitslose verbunden, deren Anspruchslohn dadurch relativ hoch ist.103 Daher kommt der Bericht der OECD zu dem Ergebnis, dass „eine Verringerung der Lohnnebenkosten für die Bevölkerung insgesamt und für gering qualifizierte älterer Arbeitskräfte und ältere Arbeitslose im Besonderen einen Beitrag zur Förderung der Arbeitskräftenachfrage leisten könnte, vor allem was ältere Arbeitskräfte anbelangt.“104 95 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 125; vgl. zur empirischen Unterstützung, Daniel / Siebert, 19 Int. Econ. J. 197, 219 f. 96 Die Ersatzpflicht des Arbeitgebers nach § 147a SGB III gilt seit dem 31. 1. 2006 grundsätzlich nicht mehr, es sei denn ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ensteht nach dem 31. 1. 2006 und dessen Dauer verlängert sich nach § 434l Abs. 2 SGB III. 97 Hierzu Allemendinger / Eichhorst / Walwei, IAB Handbuch Arbeitsmarkt, S. 79 f. 98 Eichhorst, ZSR 2006, 109; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 116 ff. 99 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 117. 100 Vgl. zu deren begrenzter Verbreitung in Deutschland im 7. Kapitel, unter E. II. 1. 101 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 121. 102 Vgl. OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 117. 103 Bonin, Lockerung des Kündigungsschutzes: Ein Weg zu mehr Beschäftigung?, S. 19; Bräuninger, Deutsche Bank Research Nr. 328, 2005, 9; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 121.

C. Empirische Hinweise auf Altersdiskriminierung

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Schließlich verteuern verschiedene Senioritätsprivilegien die Arbeit älterer Menschen und senken damit auch die Nachfrage danach.105 Mit ansteigender Betriebszugehörigkeit und damit indirekt auch mit zunehmendem Alter erlangen die Beschäftigten in Deutschland auf Grundlage zumeist tariflicher Vereinbarungen verbreitet innerbetriebliche Vorteile, wie längeren Urlaub, verkürzte Arbeitszeit bei gleichem Lohn, Verdienstsicherung, Jubiläumszuwendungen oder Ansprüche auf betriebliche Altersvorsorge.106 Die Kosten dieser Senioritätsrechte für Unternehmen führen regelmäßig zu einem Auseinanderfallen von Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers und den mit seiner Beschäftigung einhergehenden Kosten. Dies verringert nicht nur die Chancen älterer Arbeitssuchender, einen Arbeitsplatz zu finden, sondern setzt auch einen Anreiz für den Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu entlassen, bevor er von den zahlreichen Regelungen profitiert.107 Auch richtet sich gemäß §§ 9, 10 KSchG und nach zahlreichen Regelungen in Tarifverträgen108 die Höhe der Abfindung eines Arbeitnehmers nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und teilweise auch nach dem Lebensalter. Löwisch, Caspers und Neumann führen dazu aus: „Dass altersbedingt höhere Abfindungen gezahlt werden, übt auf Arbeitnehmer, die das betreffende Alter erreicht haben, einen nicht zu unterschätzenden Anreiz aus, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. Auf der anderen Seite liegt für die Unternehmen bislang die Überlegung nicht fern, sich von Arbeitnehmern schon in einem Zeitpunkt zu trennen, zu dem sie noch keine Aussicht auf höhere Abfindungen wegen ihres Alters erlangt haben. Wird auf den Faktor ,Alter‘ verzichtet, trägt das dazu bei, die Personalpolitik der Unternehmen unabhängig von Erwägungen über das Alter der Arbeitnehmer zu gestalten.“109

3. Ergebnis Wie gezeigt, stellt sich die schlechte Beschäftigungssituation älterer Menschen als Ergebnis zahlreicher Angebots- und Nachfragehemmnisse dar. Dabei kann das reduzierte Arbeitsangebot Älterer grundsätzlich nicht als Altersdiskriminierung durch den Arbeitgeber qualifiziert werden. Es beruht auf der freiwilligen Entscheidung der betroffenen Personen anhand der gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ihre Arbeit nicht weiter am Markt anzubieten. Ob die reduzierte Nachfrage nach der Arbeit älterer Menschen durch die Unternehmen als AltersdisOECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 124. So auch Behrend, in: Tesch-Römer, Gerontologie und Sozialpolitik, S. 68; Eichhorst, ZSR 2006, 120; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 28 ff.; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301; Waas, ZRP 2006, 119. Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter E. I. 106 Eine Übersicht derartiger Regelungen in Tarifverträgen findet sich bei: Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen. 107 So auch Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301. 108 Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. 10 f. 109 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 32 f. 104 105

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

kriminierung einzuordnen ist, hängt entscheidend davon ab, ob deren wirtschaftliche Motive – regelmäßig die Minimierung von Kosten und Erhöhung der Produktivität der Belegschaft – als Rechtfertigungsgrund im Sinne des AGG anerkannt werden können. Dies wird im sechsten Kapitel zu diskutieren sein. Die Beschäftigungssituation Älterer kann aufgrund der genannten, vielschichtigen Ursachen effektiv nur durch eine breit angelegte Beschäftigungsstrategie bekämpft werden, bei der die Fehlanreize aus arbeits- und sozialrechtliche Benachteiligungen und Privilegien bestimmter Altersgruppen abgebaut werden. Der Ansatz der RL 2000 / 78 / EG und des AGG, ungerechtfertigte Benachteiligungen aller Altersklassen zu verbieten, bietet im Rahmen einer derartigen Strategie eine große Chance. Denn in den gesetzlichen und untergesetzlichen Privilegien älterer Menschen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit ihre Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt verschlechtern,110 liegen oftmals auch Benachteiligungen der nicht privilegierten, jüngeren Altersgruppen. Im Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG und des AGG werden derartige Ungleichbehandlungen einem Rechtfertigungszwang unterworfen. Verfolgen sie kein legitimes Ziel auf verhältnismäßige Weise, sind diese Privilegien (europa-) rechtswidrig.111

D. Demographische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Demographische Hintergründe spielten beim Erlass des ADEA in den USA im Jahr 1967 naturgemäß keine Rolle. Damals ebbte der baby boom, der das Land von Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre erfasst hatte, gerade allmählich ab. Heute stellt eben diese baby boomer Generation das Land jedoch vor erhebliche Probleme. Im Bereich der Sozial- und Krankenversicherungen drohen umfangreiche Mehrausgaben, wenn die baby boomer ab 2008 beginnen werden, in den Ruhestand zu treten.112 Auch die Situation am Arbeitsmarkt wird vor allem durch die baby boomer Generation geprägt. Sie wird sich aber insbesondere aufgrund der höheren bis 2050 prognostizierten Geburtenrate von ca. 2,2 Kindern pro Frau weniger dramatisch entwickeln als in Deutschland und anderen Industrieländern.113 Immerhin werden für die USA bis 2020 noch ein jährlicher Zuwachs der Erwerbsbevölkerung um 0,65% und zwischen 2020 und 2050 um 0,55% vorhergesagt, während die deutsche Erwerbsbevölkerung in diesem Zeitraum um jährlich 0,18% 110 In den USA ist die Problematik der faktisch benachteiligenden Schutzgesetze im Bereich der Geschlechterdiskriminierung seit längerem unter dem Stichwort „benign classification“ bekannt. Vgl. Ginsburg, 10 Conn. L. Rev. 813, 200: „The pedestal upon which women have been placed has all too often, upon closer inspection, been revealed as a cage.“; auch Ginsburg für das Mehrheitsvotum in: United States v. Virginia, 518 U.S. 515, 519 ff. (1996); Walsh, 32 J. Marshall L. Rev. 197. 111 Vgl. ausführlich im 7. Kapitel, unter E.; ähnlich auch Waas, ZRP 2006, 119 f. 112 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 39, 43. 113 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 40.

D. Demographische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt

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bzw. 0,69% schrumpfen wird.114 Auch die Verschiebung der Altersstruktur am Arbeitsmarkt wird in den USA weniger stark ausfallen als in Deutschland. Nachdem die baby boomer Generation bis ca. 2020 den Arbeitsmarkt verlassen hat, nimmt die Größe der einzelnen Altersgruppen auf dem Arbeitsmarkt wieder mit zunehmendem Alter geringfügig ab.115 Im Gegensatz zur Lage bei Erlass des ADEA wird der Bekämpfung von Altersdiskriminierung durch die RL 2000 / 78 / EG und das AGG gerade auch im Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vom Gesetzgeber und der Literatur eine besondere Bedeutung beigemessen.116 Die aktuellsten Zahlen über die demographische Entwicklung in Deutschland stammen aus der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes von 2006.117 Danach ergibt sich aus den Variablen der niedrigen Geburtenrate,118 der steigenden Lebenserwartung119 und verschiedener Zuwanderungsszenarien120 eine Abnahme der Bevölkerung in Deutschland von 82,4 Millionen im Jahr 2005 auf 68,7 bzw. 74 Millionen Menschen im Jahr 2050 (je nach Zuwanderungsszenario).121 Stärker noch als die Gesamtbevölkerung wird die Erwerbsbevölkerung (zwischen 20 und 64 Jahren) in den nächsten fünf Jahrzehnten schrumpfen. Im Jahr 2005 gehörten der Erwerbsbevölkerung rund 50 Millionen OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 44. Bureau of Census, 65+ in the United States: 2005 – Current Population Reports, S. 14 f. 116 Vgl. BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36; Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 entg., S. 3; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 2; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 39 f.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 79. 117 DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung; zum demographischen Wandel auch: Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“, BT-Drucks. 14 / 8800; zur Problematik am Arbeitsmarkt, Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft – Problembereiche und Entwicklungstendenzen der Erwerbssituation Älterer. 118 Nach dem Höchstwert der Geburtenrate in der Bundesrepublik von 2,5 Kindern pro Frau in den 1960er Jahren fiel diese bis 1990 auf 1,4 Kinder pro Frau und schwankt seitdem um diesen Wert. Auch künftig werden keine großen Abweichung von dieser Geburtenrate erwartet. DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 3, 8 f. 119 Die Lebenserwartung ist in Deutschland in den vergangenen 130 Jahren stetig angestiegen. Ein Junge wurde im Jahr 1871 / 1881 im Durchschnitt 35,6 Jahre und ein Mädchen 38,4 Jahre alt. Zum Meßpunkt 2002 / 2004 betrug die jeweilige Lebenserwartung 75,9 Jahre bei Männern bzw. 81,5 Jahre bei Frauen. Bis zum Jahr 2050 wird eine kontinuierliche Steigerung der durchschnittlichern Lebenserwartung auf bis zu 85,4 Jahren bei Männern und 89,8 Jahren bei Frauen geschätzt. DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 12, 16 f. 120 Das Wanderungssaldo für die Bundesrepublik Deutschland war in der Vergangenheit sehr volatil und schwankte zwischen einer Netto-Abwanderung von bis zu 200.000 Menschen im Jahr und einer jährlichen Netto-Zuwanderung von bis zu 500.000 Menschen. Seit 1995 liegt das Saldo zwischen 0 und 200.000 Menschen. Für die Zukunft wird mit einem Überschuss der Zuwanderung gegenüber der Abwanderung von 100.000 bzw. 200.000 Menschen gerechnet. DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 20 f., 28. 121 DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 33 f. 114 115

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Menschen an. Diese Zahl wird bis 2020 auf 48 Millionen, bis 2030 auf 42,4 Millionen und bis 2050 auf 35,5 Millionen sinken, was einen Rückgang von 29% gegenüber 2005 bedeutet.122 Ebenso gravierend wird die Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung ausfallen. Die graphische Veranschaulichung der heutigen Altersstruktur gleicht nicht mehr einer Pyramide sondern eher einer „zerzausten Wettertanne“ und wird sich bis 2050 an eine Pilzform annähern.123 Insbesondere auch der Altersaufbau der Erwerbsbevölkerung wird sich erheblich wandeln. Machten 2005 die mittlere Altersgruppe (30 bis 49 Jahre) ca. 50% der Erwerbsbevölkerung aus, so sinkt dieser Anteil bis 2020 auf 42 % und bleibt bis 2050 auf diesem Niveau. Gleichzeitig steigt der Anteil der älteren Altersgruppe (50 bis 64 Jahre) von ca. 30% auf 40%. Der Anteil der jüngeren Altersgruppe (20 bis 29 Jahre) stagniert zwischen 2005 und 2050 bei um die 20 %.124 Infolge des Schrumpfens und der Alterung der Erwerbsbevölkerung sind verschiedene Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt denkbar. Teilweise wird wegen der sinkenden Erwerbsbevölkerungszahlen ein Rückgang der Arbeitslosigkeit erwartet und ultimativ sogar von einem Arbeitskräftemangel gewarnt.125 Andere halten „nur“ einen Fachkräftemangel für wahrscheinlich.126 Andererseits wird aber auch eine steigende Arbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste für möglich gehalten, da eine Alterung der Erwerbsbevölkerung zu sinkender Produktivität und geringerer Innovativität führe.127 Schließlich weisen einige Vertreter daraufhin, dass allein durch den demographischen Wandel keines dieser Szenarien eintreten wird, sondern die Entwicklung vielmehr stark durch die künftige Erwerbsfähigkeit und -neigung, das Arbeitsvolumen in geleisteten Arbeitsstunden, die Wirtschaftsentwicklung sowie die Entwicklung der Arbeitsnachfrage, der Arbeitsproduktivität und des technologischen Fortschritts bestimmt wird.128 Weniger umstritten sind die mit 122 DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 42. Das bedeutet, dass der Anteil der Menschen im Erwerbsalter an der Gesamtbevölkerung von 61 % im Jahr 2005 auf 51 % im Jahr 2050 absinkt. Gleichzeitig steigt der Anteil der über 65-Jährigen von 19 % in 2005 auf 36 % im Jahr 2050 an. DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 36. 123 DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 34. 124 Die absolute Zahl der 50 – 64-Jährigen steigt zwar nur bis 2020 rapide an, um dann wieder unter das Ausgangsniveau zurückzufallen. Überlagert durch die Schrumpfung der Gesamtbevölkerung ergibt dies aber einen konstant hohen Anteil dieser Altersgruppe bis 2050. DeStatis, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 40 ff. 125 Hartz-Komission, Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, S. 118 (im ungünstigsten Fall fehlten im Jahr 2015 rund 7 Millionen Erwerbspersonen in Deutschland); RürupKommission, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, S. 62 f.; Waas, ZRP 2006, 118; dagegen Engelhardt / Prskawetz, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 341. 126 Bosch / Heinecker / Kistler / Wagner, Aktueller und künftiger Fachkräftemangel und Fachkräftebedarf, S. 73 ff. 127 Dazu ablehnend Arnds / Bonin, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 139 ff.; Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“, BTDrucks. 14 / 8800, S. 76.

D. Demographische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt

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dem demographischen Wandel einhergehenden erheblichen Belastungen der umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme.129 Dies betrifft die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Hier führen das Absinken der Zahl der Beitragszahler und das gleichzeitige Ansteigen der Zahl der Leistungsempfänger zu einer Deckungslücke.130 Dieser Finanzierungslücke könnte durch verringerte Leistungen oder steigende Beiträge begegnet werden. Gerade letzteres hätte aber wiederum wachstums- und beschäftigungshemmende Rückkopplungseffekte.131 Einigkeit besteht, dass etwaige negative Folgen der Schrumpfens der Erwerbsbevölkerung für den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme dadurch abgemildert werden können, dass Arbeitslose,132 Erwerbslose133 und Menschen aus der so genannten „stillen Reserve“134 eine Beschäftigung aufnehmen.135 Dabei wird gerade der Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen, die in diesen drei Gruppen überdurchschnittlich häufig vertreten sind, eine besondere Bedeutung beigemessen.136 Hierzu könnte auch das Verbot der Benachteiligung wegen 128 Buchner, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 48; Kistler, WSI Mitteilungen 2004, 73; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 30. 129 Birg, APuZ 20 / 2003, 11 f.; Bräuninger, Deutsche Bank Research Nr. 328, 2005, 3 f.; Buchner, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 48 ff.; Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 1; Waltermann, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 495 f. 130 Arnds / Bonin, Arbeitsmarkteffekte und finanzpolitische Folgen der demographischen Alterung in Deutschland, S. 29 ff. 131 Arnds / Bonin, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 157 f.; Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“, BT-Drucks. 14 / 8800, S. 76 f. 132 Arbeitslose sind nach § 16 Abs. 1 SGB III Personen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und sich bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben. 133 Erwerbslose sind Personen ohne Arbeitsverhältnis, die sich aktiv um eine Arbeitsstelle bemühen, unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt als Arbeitslose gemeldet sind. Insofern ist der Begriff der Erwerbslosen umfassender als der Begriff der Arbeitslosen. Andererseits zählen Arbeitslose, die vorübergehend eine geringfügige Tätigkeit ausüben, nach dem Erwerbskonzept nicht zu den Erwerbslosen, sondern zu den Erwerbstätigen. Fuchs / Walwei / Weber, IAB Kurzbericht Nr. 21, 2005, 5. 134 Zur Stillen Reserve; gehören u. a. durch den Verlust ihres Arbeitplatzes entmutigte Arbeitskräfte, Rentner, die aus Arbeitsmarktgründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, aber auch Schüler und Studenten, die aufgrund schlechter Arbeitmarktbedingungen ihren Abschluss hinauszögern. Weiterhin zählen dazu die Teilnehmer an bestimmten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, insbesondere Weiterbildungsmaßnahmen, Rehabilitation, Altersübergangsgeld / Vorruhestandsgeld und ältere Arbeitslose, die nach § 428 SGB III der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen. Seit 2004 gehören auch die Teilnehmer von Trainingsmaßnahmen dazu. Fuchs / Walwei / Weber, IAB Kurzbericht Nr. 21, 2005, 5. 135 Diesen drei Gruppen gehörten im Jahr 2004 rund 6 Millionen Menschen in Deutschland an. Vgl. Fuchs / Walwei / Weber, IAB Kurzbericht Nr. 21, 2005, 3, Abbildung 4. 136 Clemens / Hinte / Künemund / Ohly, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 196; Eichhorst, ZSR 2006, 104; Enquête-Kommission „Demogra-

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

des Alters nach dem AGG einen Beitrag leisten.137 Ein Arbeitsumfeld frei von Diskriminierungen wegen des Alters soll ältere Menschen motivieren, sich weiter aktiv am Erwerbsleben zu beteiligen.138 Des Weiteren erhofft man sich durch das Verbot der Altersdiskriminierung die Schaffung oder Verstärkung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für die Problematik der demographischen Entwicklung und der Beschäftigungssituation Älterer.139 Welchen Stellenwert das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters bei der Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Menschen wirklich haben kann, ist angesichts der zahlreichen gesetzlichen und untergesetzlichen Angebots- und Nachfragehemmnisse bezüglich der Arbeit Älterer zweifelhaft. Darüber hinaus zeigen Erfahrungen über die geringe Effektivität des U.S.-amerikanischen ADEA, dass Altersdiskriminierungsgesetze auch als Einstellungshemmnis fungieren können und gewünschte Beendigungen von Arbeitsverhältnissen auch in Gegenwart eines solchen Gesetzes durch finanzielle Anreize erreicht werden können.140 Schließlich ist nicht ersichtlich, warum ein Verbot der Benachteiligung wegen des Alters ein Bewusstsein für die schlechte Beschäftigungssituation Älterer schaffen sollte, wenn der Kern dieser Beschäftigungsprobleme in verringerten Anreizen für Angebot und Nachfrage von Arbeit Älterer im deutschen Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht liegt. Auch steht nicht zu befürchten, dass sich wirtschaftlich denkende Akteure einer so detailliert erforschten und viel diskutierten Entwicklung, wie der des demographischen Wandels der Bevölkerung, nicht bewusst sind. Unterlassen sie trotz dieses Bewusstseins Anpassungsmaßnahmen, so sind Instrumente zu prüfen, mit denen die Akteure zur Internalisierung von Externalitäten, wie etwa der erhöhten Kosten für die sozialen Sicherungssysteme oder den volkswirtschaftlichen Schaden durch ungenutztes Humankapital, gebracht werden können. Schließlich ist zu beachten, dass die Einführung eines gesetzlichen Schutzes vor Altersdiskriminierung gerade das Bewusstsein der Schutzbedürftigkeit und damit der Schwäche der geschützten Personen nährt.141 Zwar zielt der Schutz des AGG auf die Verhinderung von Benachteiligungen sämtliche Altersgruppen. Jedoch droht das Gesetz die Wahrnehmung von Jugendlichen und älteren Menschen als den am Arbeitsmarkt problematischen Altersgruppen142 noch zu verstärken.143 Insgesamt ist das Verbot der Benachteiphischer Wandel“, BT-Drucks. 14 / 8800, S. 82; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 9; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 37 ff. 137 Erwägungungsgründe 8, 11 und 25 RL 2000 / 78 / EG; Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“, BT-Drucks. 14 / 8800, S. 90; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 36; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 33; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 27; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 79. 138 Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 7. 139 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 40; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 6. 140 Dazu ausführlich im 5. Kapitel, unter A. I. 141 So auch BMFSFJ, Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in Deutschland, S. 323; Entschließung des Bundesrates zum Entwurf des AGG v. 10. 02. 2005, BR-Drucks. 103 / 05, S. 2; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 228 f.

E. Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Menschen

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ligung wegen des Alters im AGG als Instrument zur Abmilderung der Folgen des demographischen Wandels somit kritisch zu bewerten.

E. Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Menschen Im Zusammenhang mit dem Verbot von Altersdiskriminierung wird häufig angeführt, dass Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern gegenüber negativ eingestellt sind und positive Eigenschaften eher jüngeren Arbeitnehmern zuschreiben.144 Unternehmer würden die Leistungsfähigkeit Älterer systematisch verkennen.145 Empirische Daten aus den USA und Deutschland stützen diese Aussagen nur bedingt. Außerdem ist es auch schwierig, zu ermitteln, welchen Einfluss etwaige negative Ansichten über die Eigenschaften älterer Menschen auf arbeitgeberische Entscheidungen in Arbeitsverhältnissen haben.146

I. Arbeitgebereinstellungen in den USA Industrie-Psychologen und Gerontologen haben eine Vielzahl von Studien durchgeführt, um die Haltung von Akteuren auf dem U.S.-amerikanischen Markt gegenüber älteren Menschen zu erforschen. Einzelne Studien setzen sich mit den verschiedenen Eigenschaften auseinander, die Arbeitgeber bei älteren Menschen vermuten. Dabei ergibt sich ein gemischtes Bild. Teilweise werden mit älteren Menschen positive, teilweise auch negative Eigenschaften assoziiert. Bei einer im Jahr 1998 im Auftrag der American Association of Retired Persons (AARP) durchgeführten Untersuchung von 400 Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern, wurden Loyalität und Einsatz, Qualitätsbewusstsein, Verlässlichkeit, solide Arbeitsleistung, gute Grundfertigkeiten und Kollegialität mit Mitarbeitern als positive Merkmale älterer Menschen genannt, die den Arbeitgebern besonders wichtig waren. Ältere Menschen stünden auch für Arbeitserfahrung und Führungsstärke, was aber in den Vorlieben des Unternehmens weniger Gewicht hätte. Schlecht schätzten die Unternehmen ältere Menschen in Bezug auf die Flexibilität hinsichtlich der Ausführung verschiedener oder neuartiger Tätigkeiten, die Teilnahme an SchulunVgl. Begründung zum AGG in BT-Drucks. 16 / 1780, S. 24. Zum faktisch stärkeren Schutz von Jugendlichen und älteren Menschen durch das AGG, vgl. 5. Kapitel, unter B. 144 Vgl. Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 59 ff.; Simitis, NJW 1994, 1453. 145 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 32 f.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 28. 146 Zu allgemein gesellschaftlichen Ansichten über Ältere: Cuddy / Norton / Fiske, 61 J. of Soc. Issues 267; Nelson, 61 J. of. Soc. Issues 207. 142 143

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

gen, die Aktualität von Wissen und Fertigkeiten sowie die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien ein.147 Eine Studie der Society for Human Resource Management aus dem Jahr 2003 fragte 400 Unternehmen nach den Vorteilen und Nachteilen der Einstellung eines älteren Arbeitnehmers aus Sicht des Arbeitgebers.148 Hierbei gaben jeweils 72% der Arbeitgeber an, dass die Einstellung Älterer wegen ihrer Berufserfahrung, wegen ihrer Bereitschaft, Teilzeitarbeit zu verrichten, und als Mentoren für jüngere Kollegen von Vorteil sei. Dem folgten die gute Arbeitsmoral Älterer mit 69% und deren größere Verlässlichkeit mit 68%. Als Nachteile empfanden 53% der Befragten, dass ältere Menschen weniger mit der technologischen Entwicklung Schritt hielten, während 36% höhere Kosten, insbesondere bei health care, und 28% geringere Flexibilität beklagten.149 Nach einer Studie des Center for Retirement Research aus dem Jahr 2006 gaben 56% der befragten Arbeitgeber an, dass ältere Arbeitnehmer produktiver seien als jüngere, während 39% von gleicher Produktivität ausgingen und nur 6 % jüngere Arbeitnehmer für produktiver hielten.150 Gleichzeitig führten aber 39% der Arbeitgeber an, das mit der Beschäftigung älterer Menschen höhere Kosten verbunden seien, 42 % gingen von gleichen Kosten aus und 19% hielten ältere Arbeitnehmer für kostengünstiger.151 Inwiefern sich obige Ansichten auch in den Entscheidungen von amerikanischen Arbeitgebern auswirken, ist empirisch schwer zu bestimmen. Neumark und Adams zeichnen in einem neueren Überblick im Auftrag des National Board of Employment Relations (NBER) ein gemischtes Bild: Die Autoren verweisen teilweise auf Forschungsergebnisse, nach denen an das Lebensalter anknüpfende Vorurteile bei Arbeitsmarktentscheidungen keine signifikante Rolle spielen, aber auch auf Daten, die auf eine bevorzugte Behandlung jüngerer im Vergleich zu älteren Menschen schließen lassen.152 Bei der Betrachtung der Ergebnisse solcher Studien ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass eine nachteilige Behandlung eines älteren Menschen am Arbeitsmarkt nicht zwangsläufig auf Vorurteile zurückzuführen ist, die an sein Alter anknüpfen.153 Auch im Bereich der Interviewsituation für einen Arbeitsplatz AARP, American Business and Older Employees, S. 4 ff. Collison, Older Workers Survey. 149 Vgl. OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 104 f.; zu weiteren Studien über die Einstellungen gegenüber Älteren: Hellerstein / Neumark / Troske, 17 J. Lab. Econ. 409; Posner, Aging and Old Age, Ch. 4, Ch. 7; Schuster / Miller, 38 Indus. & Lab. Rel. Rev. 64, Fn. 7 – 9. 150 Munnell / Sass / Soto, Employmer Attitudes Towards Older Workers, S. 2, Table 1. 151 Munnell / Sass / Soto, Employmer Attitudes Towards Older Workers, S. 4, Table 2. 152 Adams / Neumark, in: Rodgers, Economics of Discrimination, S. 189. 153 In einer Befragung durch Rosen und Jerdee wurden beispielsweise Arbeitgeber mit verschiedenen Szenarien am Arbeitsplatz konfrontiert, bei denen es um Leistung, Schulung und Beförderung von Arbeitnehmern ging. In den verschiedenen Fragestellungen wurde der betreffende Arbeitnehmer entweder als „jung“ (32 Jahre alt) oder als „alt“ (61 Jahre alt) bezeichnet. Zusammenfassend gehen die Autoren davon aus, dass Manager ältere Menschen als relativ unflexibel und widerwillig gegenüber Veränderungen empfinden. Zusätzlich 147 148

E. Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Menschen

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gibt es gemischte empirische Ergebnisse über die Rolle von Altersstereotypen. Einige Experimente weisen diesen Stereotypen einen erheblichen Einfluss auf die Arbeitgeberentscheidung zulasten älterer Menschen zu.154 Andere wiederum stützen die Existenz von negativen Altersstereotypen nicht.155 Eine Meta-Analyse von Kite und Johnson findet zwar ebenfalls sich widersprechende Nachweise,156 kommt aber zu dem Schluss, dass ältere Menschen verbreitet als weniger produktiv und kompetent betrachtet werden. Gleichzeitig betonen die Autoren aber auch, dass das Lebensalter im Vergleich zu anderen Indikatoren, insbesondere dem Geschlecht, weniger bestimmend für die Beurteilung älterer Menschen ist.157 Im Rahmen einer erneuten Meta-Analyse im Jahr 2005158 finden diese Autoren, dass sich die teilweise gemessenen negativen Einstellungen gegenüber älteren Menschen erheblich verringerten, wenn den Testpersonen zusätzliche Informationen neben dem Lebensalter eines Bewerbers gegeben wurden. Eine solche Reduzierung wurde bereits bei Angabe seines Beschäftigungs- oder Gesundheitsstatus beobachtet. Es ist davon auszugehen, dass gerade im Rahmen von Entscheidungen im würden älteren Menschen Schulungs- und Trainingsmöglichkeiten tendenziell verweigert. Die ersten beiden Schlüsse dieser Studie weisen in der Tat auf Altersvorurteile seitens der Arbeitgeber hin. Jedoch kann eine solche Folgerung aus der letzten Aussage nicht zwangsläufig gezogen werden. Der Grund für die Zurückhaltung hinsichtlich älterer Menschen bei Trainingsmaßnahmen kann in Eigenschaften liegen, die bei Älteren vermutet werden (etwa geringere Lernfähigkeit), aber auch in der Tatsache, dass das Ende ihres Arbeitslebens erheblich näher liegt (die Beispielpersonen waren immerhin 61 Jahre alt). Eine Amortisierung Humankapitalinvestitionen ist damit oft nicht mehr möglich. Die nahende Rente ist zwar mit dem Alter des betreffenden Arbeitnehmers verknüpft, ist aber kein Vorurteil hinsichtlich seines Alters. Weiterhin zeigt die Studie von Rosen und Jerdee exemplarisch eine weitere häufige Schwäche von empirischen Nachforschungen auf dem Gebiet der Altersdiskriminierung. Um klare Ergebnisse zu ermitteln werden extreme Vergleichsgruppen geschaffen, die der Situation am Arbeitsmarkt und dem Schutzkonzept des ADEA kaum entsprechen. So ist der junge Arbeitnehmer 32 Jahre alt, der alte bereits 61. Der Schutz des ADEA greift aber bereits ab dem 40. Lebensjahr. Es ist fraglich, ob die Ergebnisse der Studie mit Vergleichspaaren im Alter von 25 und 41 vergleichbar ausgefallen wären. Auch wird in vielen Studien durch einen extremen Altersunterschied versucht, dem Merkmal Alter das Kennzeichen des Kontinuums – des alle betreffenden, ständig im Fluss befindlichen Wertes – zu nehmen. Damit wird auch bei Altersdiskriminierung ein „schwarz-weiß“ oder „wir-sie“ Denken suggeriert, was so im Gegensatz zu Rassen- oder Geschlechterdiskriminierung nicht besteht. Auf diese Weise erlangte Ergebnisse sind wenig belastbar und nicht hilfreich bei der konstruktiven Betrachtung von Problemen älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Vgl. zu der Studie Rosen / Jerdee, 55 Harv. Business Rev. 97. 154 Avolio / Barrett, 2 Psychology & Aging 56; Rupp / Vondanovich / Credé, 36 J. of Appl. Soc. Psychol. 1337. 155 Connor / Walsh / Litzelman / Alvarez, 33 Journal of Gerontology 246, 252; Locke-Connor / Walsh, 35 Journal of Gerontology 920, 925 f. 156 Aus den 43 dort untersuchten Studien kamen immerhin 11 zu einer Bevorzugung älterer Menschen und 2 zu einem neutralen Ergebnis, während 30 eine Bevorzugung jüngerer Menschen attestierten (Kite / Johnson, 3 Psych. & Aging 233, 236). 157 Kite / Johnson, 3 Psych. & Aging 233, 233, 241. 158 Kite / Stockdale / Withley / Johnson, 61 J. of Soc. Issues 241, 255 f.

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Arbeitsverhältnis erheblich mehr Informationen über den betroffenen Arbeitnehmer oder Bewerber zur Verfügung stehen als deren Lebensalter allein. Dies deutet darauf hin, dass die Kausalität von Altersbildern bei Arbeitsmarktentscheidungen eher gering ist.

II. Arbeitgebereinstellungen in Deutschland Auch für die deutsche Wirtschaft wurden Erhebungen über die Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber verschiedenen Altersgruppen vorgenommen. Ergiebige Daten neueren Datums liefern vor allem die IAB-Betriebspanel 2000 bis 2004 auf der Grundlage einer repräsentativen Befragung von 16.000 Betrieben aller Branchen und Größenklassen.159 Ältere Menschen gelten hier als weniger lernfähig und unkreativer, unflexibler, sowie körperlich gebrechlicher, aber auch als erfahrener, disziplinierter, zuverlässiger und loyaler. Menschen unter 50 Jahren werden oftmals als lernfähig, flexibel, kreativ und körperlich belastbar gesehen, während ihnen aber mangelnde Erfahrung, unterentwickeltes Qualitätsbewusstsein und geringere Disziplin als Defizite nachgesagt werden. Bezieht man die Angaben der Arbeitgeber über die relative Wichtigkeit der einzelnen Eigenschaften in die Bewertung mit ein, ergibt sich für ältere Menschen eine positivere Einschätzung als für jüngere.160 Bei einer Befragung der 100 größten Deutschen Unternehmen im Jahr 2004 schätzten 89% der Befragten die allgemeine Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter im Vergleich zu Jüngeren als gleichwertig ein, während 11% sie für weniger leistungsfähig hielten.161 Trotzdem geben diese Arbeitgeber in 95% der Fälle an, überwiegend jüngere Menschen einzustellen.162 Nach dieser Studie sehen 62% der Unternehmen keine Probleme bei der Beschäftigung älterer Menschen, während 38% dort Probleme entdecken (davon gaben 57 % hohe Lohnkosten; 36% geringe Motivation und 29 % geringere Produktivität an).163 Diese Zahlen unterstützen das 159 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), http: //betriebspanel.iab.de/. Zur Analyse der Daten: Bellmann / Gewiese / Leber, WSI Mitteilungen 2006, 429; Bellmann / Kistler / Wahse, APuZ 20 / 2003, 26; Bookmann / Zwick, ZAF 2004, 55 ff.; Brussig, Betriebe und die Beschäftigung Älterer; Strotmann / Hess, IAW-Kurzbericht 7 / 2003, 2 ff. 160 IAB-Betriebspanel 2002, in: Bellmann / Gewiese / Leber, WSI Mitteilungen 2006, 429; Bellmann / Kistler / Wahse, APuZ 20 / 2003, 31; Bookmann / Zwick, ZAF 2004, 58; Brussig, Betriebe und die Beschäftigung Älterer, S. 7 ff., Abbildung 3; Wenzel, ZSR 2006, 377 f. Dies deckt sich mit dem positiven Bild von Arbeitnehmern über 55 Jahren in der deutschen Bevölkerung. Vgl. hierzu die Umfrage zur Leistungsfähigkeit Älterer am Arbeitsplatz in: Die Zeit, Nr. 51 / 2003 v. 11. 12. 2003, S. 21. 161 Becker / Bobrichtchev / Henseler, Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften, S. 15. 162 Becker / Bobrichtchev / Henseler, Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften, S. 18. 163 Becker / Bobrichtchev / Henseler, Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften, S. 15. Jedoch weisen die Autoren darauf hin, dass bei dieser Studie der Effekt der sozialen Erwünschtheit der Aussagen nicht ausgeschlossen werden kann, vgl. S. 26.

E. Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Menschen

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grundsätzlich positive Bild der Leistungsfähigkeit älterer Menschen aus dem IABPanel 2002, zeigen jedoch auch eine zurückhaltende Personalpolitik gegenüber Älteren. Auch Ergebnisse des IAB-Betriebspanels 2000 zeichnen ein eher optimistisches Bild von Älteren.164 84% der Befragten halten ältere Arbeitnehmer für genauso leistungsfähig wie jüngere, und nur 17% halten es für wichtig, ältere Arbeitnehmer im Betrieb durch jüngere zu ersetzen. Während 30% finden, dass sich Ältere nur schwer auf neue Anforderungen einstellen können, gehen 60% davon aus, dass durch altersgerechten Einsatz die Stärken älterer Menschen besser genutzt werden können. Insbesondere unterstützen 88% der Teilnehmer die Aussage, dass altersgemischte Teams wünschenswert seien und 86% auch, dass ältere Menschen in Fortbildungsmaßnahmen einbezogen werden sollten. In politischen Debatten zum Verbot der Altersdiskriminierung wird oftmals betont, dass rund 40% der Betriebe gar keine älteren Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Zahl ist aber mit einiger Vorsicht zu betrachten. So ist zu beachten, dass rund jeder dritte Betrieb überhaupt nur einen einzigen Beschäftigten hat, der logischerweise entweder jüngeren, mittleren oder höheren Alters sein kann. Und auch in Kleinbetrieben sind Einstellungen eher seltenes Ereignis, und unausgewogene Altersstrukturen entstehen schnell aufgrund der kleinen absoluten Anzahl der Beschäftigten. Somit beschäftigt ein beträchtlicher Anteil von Betrieben aus statistischen Effekten und ohne diskriminierende Absicht keine oder wenige ältere Arbeitnehmer.165 Nichts desto trotz stehen die grundsätzlich ausgewogenen Einschätzungen von Arbeitgebern über die Eigenschaften älterer Arbeitnehmer in Kontrast zu der vergleichsweise geringen Bereitschaft, ältere Menschen auch wirklich einzustellen. Nur 54% der Unternehmen sind laut IAB-Panel 2002 bereit, ältere Bewerber ohne zusätzliche Bedingungen einzustellen, während 15 % diese grundsätzlich nicht einstellen. Als Einstellungsbedingungen Älterer wird Teilzeit (8 %), Befristung (6%), Lohnkostenzuschüsse (9 %) und die Nichtverfügbarkeit jüngerer Arbeitskräfte (8%) genannt.166 Dieser Kontrast deutet darauf hin, dass andere Faktoren außer der geschätzten Leistungsfähigkeit bei Alten einstellungshemmend wirken. Ein wichtiger Grund für diese Diskrepanz ist, wie gezeigt, eine Kombination zwischen Nachfragehindernissen durch zu hohe Kosten der Beschäftigung Älterer und Angebotsbeschränkungen durch verschiedene Anreize, wie den Vorruhestand. Diese Diagnose findet in verschiedenen Studien des IAB empirische 164 Wiedergegeben in: Hübner / Wahse, in: Kistler / Mendius, Demographischer Strukturbruch und Arbeitsmarktentwicklung, S. 68 ff.; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 109 f. 165 So auch Brussig, Betriebe und die Beschäftigung Älterer, S. 3 f.; Promberger / Bender, arbeit und beruf 2006, 133; Promberger, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, Sozialpolitische Flankierung einer verlängerten Erwerbsphase, S. 26 f.; Strotmann / Hess, IAW-Kurzbericht 7 / 2003, 4 f. Vgl. zu Unternehmensgrößen in Deutschland: Günterberg / Wolter, Unternehmensgrößenstatistik 2001 – 2002, Kapitel 5, S. 164, Tabelle 4. 166 Bellmann / Kistler / Wahse, APuZ 20 / 2003, 33.

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3. Kap.: Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Bestätigung. Im IAB-Panel 2002 gaben die Befragten als Begründung für die Besetzung von Stellen durch jüngere Personen an, dass in 74% der Fällen keine Bewerbung Älterer vorlag, was auf erhebliche Schwächen auch auf der Arbeitsangebotsseite schließen lässt. Eine Ablehnung eines älteren Bewerbers, wird zu 75% mit nicht passender Qualifikation oder Persönlichkeit, zu 14% mit der entgegenstehenden betrieblichen Altersstruktur, zu 4 % mit schlechten Erfahrungen mit Älteren und zu 7 % mit generellen Problemen bei der Einstellung Älterer begründet.167 Auch eine weitere IAB Studie aus dem Jahr 2001 beleuchtet die Gründe für die geringe Einstellungsbereitschaft gegenüber älteren Arbeitnehmern. Sie kommt zu dem Schluss, dass die meisten Personalverantwortlichen zwar gängige Altersbilder haben, sich jedoch um eine differenzierte Einschätzung älterer Arbeitnehmer bemühen und keinesfalls gängige Vorurteile reproduzieren wollen.168 Auf die Frage nach den wichtigsten Einstellungshindernissen für ältere Menschen gaben 45% der Personalverantwortlichen an, dass diese zu teuer seien, 36,5% verwiesen auf abschreckende rechtliche Schutzbestimmungen für Ältere, 22,7% verwiesen auf veraltete Qualifikationen, 16,9% hielten Ältere für nicht mehr so leistungsfähig, und 14,7% für nicht motiviert.169 Das mit 45% am häufigsten genannte Kostenargument wurde mit Mehrkosten Älterer durch tarifliche Senioritätsentlohnung, längeren Urlaub, durchschnittlich längere Krankheitszeiten und höhere Gehaltsvorstellungen begründet.170 Als einstellungshemmende rechtliche Schutzbestimmungen werden vor allem der besondere tarifvertragliche Kündigungsschutz für Ältere, sowie deren Bevorzugung bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG genannt. Ebenso stelle die Regelung des § 147a SGB III171 ein Einstellungshemmnis dar, wonach der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld für einen entlassenen älteren Arbeitnehmer erstatten muss. Schließlich machten auch der verlängerte Urlaub und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und tarifvertragliche Verdienstsicherungsklauseln die Einstellung älterer Menschen unattraktiv.172

III. Zusammenfassung Die empirischen Daten über die Einstellungen von Marktakteuren gegenüber älteren Arbeitnehmern führen zu gemischten Ergebnissen. Eine pauschal negative Voreingenommenheit von Arbeitgebern gegenüber der Leistungsfähigkeit und den Bellmann / Gewiese / Leber, WSI Mitteilungen 2006, 430. Koller / Gruber, MittAB 2001, 488 ff. 169 Koller / Gruber, MittAB 2001, 496. 170 Koller / Gruber, MittAB 2001, 496 f. 171 Vgl. zur beschränkten Anwendbarkeit von § 147a SGB III seit dem 31. 1. 2006 im 3. Kapitel, unter C. IV. 2., Fn. 96. 172 Koller / Gruber, MittAB 2001, 498 f.; zu Aspekten geringerer Qualifikation Älterer im 4. Kapitel, unter D. I. 167 168

E. Einstellungen von Arbeitgebern gegenüber älteren Menschen

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Eigenschaften älterer Menschen ist aber jedenfalls heute in den USA und Deutschland nicht mehr zu erkennen.173 Vielmehr werden verschiedene Eigenschaften von Arbeitsmarktakteuren eher jüngeren oder eher älteren Arbeitnehmern zugeschrieben. Berücksichtigt man die relative Wichtigkeit dieser Eigenschaften aus Sicht von Arbeitgebern, ergibt sich für ältere Arbeitnehmer sogar ein positiveres Bild als bei jüngeren Kollegen. Damit ist die Sicht, dass Unternehmer die Leistungsfähigkeit Älterer systematisch verkennen, heute eher selbst ein Vorurteil. Die erhebliche Diskrepanz zwischen dem verbreitet positiven Bild älterer Arbeitnehmer und der tatsächlichen Bereitschaft, ältere Menschen einzustellen, lässt sich in Deutschland aus Sicht der Personalverantwortlichen eher mit höheren Kosten und strengeren Schutzvorschriften im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern begründen.

173 Koller / Gruber, MittAB 2001, 502; Kruse / Schmitt, ApuZ 2005, 12 f.; Lehr, Psychologie des Alterns, S. 197 f., 204.

4. Kapitel

Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt Zur Beurteilung der verhaltenssteuernden Wirkung von Antidiskriminierungsgesetzen ist es unabdingbar zu ermitteln, warum rational handelnde Akteure Altersdiskriminierung betreiben.1 Dabei gilt es zu untersuchen, ob und inwiefern verschiedene ökonomische Modelle zur Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt auch auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters anwendbar sind. Denn wegen der großen Unterschiede zwischen den im Arbeitsrecht vor Diskriminierung geschützten Bevölkerungsgruppen und wegen der unterschiedlichen Faktoren, die in verschiedenen Diskriminierungssituationen zu berücksichtigen sind, gibt es kein allgemeingültiges theoretisches Modell für alle Arten der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt.2 Weiterhin hängt die Analyse der Effektivität und Effizienz von Antidiskriminierungsgesetzen maßgeblich davon ab, welches Modell auf das infrage stehende Diskriminierungsmerkmal am ehesten zutrifft.3 Schließlich hilft das Verständnis über die Quelle und die Motivation diskriminierenden Verhaltens aus Sicht des Rechtsanwenders bei der Beantwortung der Frage, welche Ungleichbehandlungen durch den ADEA oder dass AGG verboten sind und welche eine Rechtfertigung finden.4 In Deutschland wird der Diskriminierungsschutz nur vereinzelt unter ökonomischen Gesichtspunkten erörtert.5 Zur Illustration der relevanten wirtschaftswissenschaftlichen Modelle und Argumente im Bereich von Antidiskriminierungsgesetzen erfolgt in diesem Kapitel daher ein Rückgriff auf die in der U.S.-amerikanischen Literatur geführte Diskussion. Zwar ist die rechtliche Ausgestaltung des Verbots der Altersdiskriminierung insbesondere hinsichtlich deren Rechtfertigung nach dem ADEA und dem AGG recht unterschiedlich ausgestaltet.6 Dies lässt jedoch die Vergleichbarkeit der hinter Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt 1 Vgl. Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 336 f.; so auch zu einem Antidiskriminierungsgesetz im Bereich der Geschlechterdiskriminierung bereits: Coester-Waltjen, ZRP 1982, 220. 2 Donohue III, The Law and Economics of Anti-Discrimination Law, S. 5. 3 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 582. 4 Ähnlich: Neumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 17. 5 Einen kurzen Überblick bietet Temming, Altersdiskriminierung im Arbeitsleben, 24 ff. 6 Dazu ausführlich im 1. Kapitel, unter B.

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination)

85

stehenden ökonomischen Konzepte und Modelle weitgehend unberührt. Hinsichtlich der Effizienzwirkungen der Regelungen des ADEA und denen des AGG ist hingegen zumeist zu differenzieren, da ineffiziente Auswirkungen des Verbots der Altersdiskriminierung durch den ADEA teilweise durch eine entsprechende Auslegung der Rechtfertigungstatbestände des AGG vermieden werden können. Seit Beckers Präferenzmodell wurden in der Wissenschaft verschiedene andere Modelle, wie unter anderem das Modell der statistischen Diskriminierung und der verhaltenswissenschaftliche Ansatz zum Problem der Diskriminierung, entwickelt. Weiterhin finden sich Ursachen für Diskriminierungen am Arbeitsmarkt auch im Humankapitalmodell und im Modell der Senioritätsentlohnung. Die meisten dieser Modelle wurden zur Rassendiskriminierung und teilweise auch zur Geschlechterdiskriminierung entwickelt, was eine kritische Hinterfragung der Anwendbarkeit auf Diskriminierungen wegen des Alters erforderlich macht. Im Folgenden werden daher die Gründe für Altersdiskriminierung anhand der bereits durch Wirtschaftswissenschaftler erarbeiteten und getesteten Modelle überprüft. Weiterhin werden die Auswirkungen des Wettbewerbs am Markt auf die unterschiedlich motivierten Ungleichbehandlungen erörtert. Schließlich werden Schlüsse gezogen, wie sich das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem U.S.-amerikanischen ADEA auf die Effizienz am Arbeitsmarkt auswirkt.

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination) I. Beckers Modell In den 1950er Jahren entwickelte Gary S. Becker7 das Modell der taste-based discrimination, das in der amerikanischen Wissenschaft auch animus discrimination genannt wird (hier im Weiteren: Präferenzmodell8). Dieses Modell, das seither Ausgangspunkt nahezu aller weiteren Forschungsbeiträge war, wurde zur Analyse von Rassendiskriminierung entwickelt, sollte aber auch auf Diskriminierungen wegen anderer Merkmale übertragbar sein.9 Nach dem Präferenzmodell lässt sich der Ursprung der Diskriminierung als ein Disnutzen interpretieren, den manche Menschen haben, wenn sie mit Trägern bestimmter Merkmale zusammenarbeiten, zusammenleben oder geschäftliche Transaktionen tätigen. Es gibt somit Marktakteure, die aufgrund einer persönlichen Abneigung bereit sind, etwas zu bezahlen, um nicht mit den Mitgliedern bestimmter Gruppen in Kontakt treten zu müssen.10 Becker, The Economics of Discrimination. So auch Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 6; Lorenz, Geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen und Diskriminierung, S. 73; Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 71 f. 9 Becker, The Economics of Discrimination, S. 11; Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 71. 7 8

86

4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Diese Präferenzfunktion wird üblicherweise durch Aversionen, Ignoranz, Vorurteile, Bosheit, Vorlieben oder Irrationalität inspiriert.11 Im Arbeitsverhältnis kann sie beim Arbeitgeber, Mitarbeitern oder bei Kunden auftreten und ihre Wirkung entfalten. Becker nennt die zusätzlichen, nicht-monetären Kosten, die einem präferenzmotivierten Menschen entstehen, wenn er doch mit einem missliebigen Menschen beispielsweise zusammenarbeiten muss, „Diskriminierungskoeffizient“ oder „d“. Während unter den üblichen wirtschaftlichen Annahmen ein Arbeitgeber bereit ist, einen Arbeitnehmer in Höhe seines Wertgrenzproduktes zu entlohnen, stellen sich die Kosten des Arbeitsverhältnisses für einen Arbeitgeber mit einer Präferenz als Summe des Wertgrenzproduktes und den zusätzlichen Kosten d dar.12 Das Ergebnis sind niedrigere Löhne oder die Verweigerung der Einstellung für Merkmalsträger.13 Treten solche Präferenzen bei den Mitarbeitern oder Kunden auf, werden diese höheren Lohn bzw. niedrigere Preise fordern, um für die Assoziierung mit Trägern des betroffenen Merkmals kompensiert zu werden.

II. Rolle des Wettbewerbs Die Auswirkungen des Wettbewerbs am Produkt- und Arbeitsmarkt auf Diskriminierungen, die auf Präferenzen beruhen, sind in der Wissenschaft umstritten. Zumeist wird argumentiert, dass dieser Wettbewerb Präferenzdiskriminierungen auf lange Sicht verhindert.14 Der Nettoertrag von diskriminierendem Verhalten ist wegen der ineffizienten Allokation des Kapitals im Vergleich zum präferenzlosen Verhalten niedriger, was sich faktisch wie eine „Selbstbesteuerung“ präferenzbehafteter Akteure auswirkt.15 Für Lohndiskriminierung heißt dies beispielsweise, dass der Zustand der Präferenzdiskriminierung instabil ist, da Arbeitgeber ohne Präferenzen, diejenigen Arbeitnehmer, die durch den präferenzgesteuerten Arbeitgeber unter Wert entlohnt werden, mit höheren Löhnen abwerben können und 10 Becker, The Economics of Discrimination, S. 14: „If an individual has a ,taste for discrimination‘, he must act as if he were willing to pay something, either directly or in the form of a reduced income, to be associated with some persons instead of others.“ 11 Vgl. Posner, Aging and Old Age, S. 320. 12 Strauss, 79 Georgetown L. J. 1619, 1622. 13 Am Beispiel einer Präferenz gegen ethnische Minderheiten bedeutet dies: Ein weißer Arbeiter erhält den Lohn (Ww) in Höhe seines Wertgrenzproduktes (VMP). Also: Ww = VMP. Der Lohn eines Arbeitnehmers aus einer ethnischen Minderheit (Wb) wird um d niedriger sein als sein Wertgrenzprodukt. Daher: Wb = VMP-d. Vgl. Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 395; ähnlich Hirsch, Law and Economics, S. 366. 14 Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 107 f.; Arrow, in: Pascal, Racial Discrimination in Economic Life, S. 90; Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 6; Donohue III, 134 U. Pa. L. Rev. 1411, 1415 ff.; Epstein, Forbidden Grounds, S. 445; Friedman, Capitalism and Freedom, S. 109 f.; Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513, 514; Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 72; Strauss, 79 Georgetown L. J. 1619, 1632; Thüsing, RdA 2003, 259. 15 Zur Herleitung der Ertragssenkung, Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 396.

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination)

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davon profitieren werden.16 Somit wird ein Unternehmer angesichts von Gewinneinbußen durch Diskriminierung seine Präferenz reduzieren, um den Gewinn wieder zu erhöhen.17 Spiegelbildlich dazu haben Arbeitgeber ohne Präferenz einen Wettbewerbsvorteil vor ihren präferenzbeeinflussten Konkurrenten. Dieser Wettbewerbsvorteil resultiert in einer Verschiebung der Produktionsfaktoren hin zu Unternehmen, deren Gewinnstreben nicht durch persönliche Aversionen gegen bestimmte Merkmalsträger behindert wird.18 Auch Kapitalmittel werden zu den diskriminierungsfreien und damit profitableren Unternehmen fließen.19 Letztlich bedeutet dies die Abkehr der Akteure von ihrer Präferenz oder deren Verdrängung vom Markt. Arrow konstatiert daher: „In the long run, the less discriminatory will either drive the more discriminatory out of business or, if not, will cause the wage difference to fall. If we suppose there are some actual or potential employers who do not discriminate at all, then the wage difference should, in the long run, fall to zero.“20 Zu diesem Ergebnis kommt auch Adams,21 der die Rolle des Wettbewerbs im Bereich des bürgerlich-rechtlichen Benachteiligungsverbots wegen des Geschlechts bei der Vergütung gemäß § 612 Abs. 3 BGB a.F.22 erörtert. Auf der Grundlage des Präferenzmodells genüge die Anwesenheit einiger nicht-diskriminierender Arbeitgeber, um die Einkommen von gleich produktiven Männern und Frauen aneinander anzugleichen und diskriminierende Arbeitgeber auf Dauer vom Markt zu verdrängen. Auch neuere empirische Studien stützen die Hypothese, dass gesteigerter Wettbewerb auf dem Produktmarkt die Möglichkeiten von Arbeitgebern einschränken, bestimmte Arbeitnehmergruppen zu diskriminieren.23 Im Gegensatz dazu argumentiert Schwab, dass der freie Markt nur solche Akteure verdrängt, für deren Präferenzen keiner bereit ist, zu bezahlen. Der Markt nähre aber solche Präferenzen, die den Akteuren mehr wert seien, als ihre damit verbunden Kosten.24 Auch Lorenz konstatiert, dass präferenzgesteuerte Arbeitgeber „gewinnen“, wenn sie sich nicht so verhalten, als hätten sie keine Präferenz für Diskriminierung, sondern im Gegenteil danach streben, ihren Nutzen aus der Präferenz zu maximieren.25 Es ist vorstellbar, dass der hohe Wert einer Präferenz in der Nutzenfunktion der Betroffenen den Zeitraum ausdehnt, der für die Verdrängung von diskriminierenden Arbeitgebern vom Markt erforderlich ist. Dieses Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 35. Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 72. 18 Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513, 514. 19 Arrow, in: Ashenfelter / Rees, Discrimination in Labor Markets, S. 10. 20 Arrow, in: Pascal, Racial Discrimination in Economic Life, S. 90. 21 Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 106 ff. 22 Aufgehoben durch das AGG mit Wirkung vom 18. 8. 2006, BGBl. I S. 1897. 23 Vgl. Black, 122 Monthly Lab. Rev. 39, 39, 42 bezüglich Geschlechterdiskriminierung. 24 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 576; so auch Somek, Rationalität und Diskriminierung, S. 21. 25 Lorenz, Geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen und Diskriminierung, S. 89. 16 17

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Argument kann aber nicht die Tendenz des Marktes widerlegen, die präferenzgesteuerten Akteure am Markt zu verringern und damit taste-based discrimination zu vermeiden. Zwar können Arbeitgeber ihren Präferenznutzen maximieren, der auch bei entsprechend hohem Diskriminierungskoeffizienten den Disnutzen der damit verbundenen Kosten überwiegen kann (was Lorenz wohl mit „gewinnen“ meint). Damit geht aber gerade keine Gewinnmaximierung einher, sondern eine Gewinneinbuße, da der Präferenznutzen ein nicht-monetärer Wert ist, den der Arbeitgeber zwar subjektiv schätzt aber der Markt nicht honoriert.26 Arbeitgeber, die auf irrationale Weise anhand ihrer Präferenzen Arbeitnehmer benachteiligen, können ihre zusätzlichen Kosten daraus nicht am Markt decken.27 Wettbewerbsdruck und Verdrängung vom Markt sorgen dafür, dass präferenzgesteuerte Akteure weniger und weniger in Lage sein werden, den Preis für ihre Präferenz zu bezahlen. Auch empirische Studien weisen auf eine erhebliche positive Korrelation zwischen erhöhtem Wettbewerb am Markt und geringeren (Lohn-)Diskriminierungen hin.28 Weitestgehend wettbewerbsresistent sind hingegen einige Formen der Diskriminierung aufgrund der Präferenzen von Mitarbeitern oder Kunden. Zwar kann eine Präferenz den monetären Gewinn, den Angehörige dieser Personengruppen aus einem Arbeitsverhältnis oder dem Geschäft mit dem Arbeitgeber erzielen, verringern. Denn der Arbeitgeber wird sich zu Veränderungen in seiner Belegschaft nur durch eine Prämie in Form eines niedrigeren Lohns an den präferenzgesteuerten Arbeitnehmer oder eines höheren Preises für präferenzgesteuerten Kunden bereit erklären. Mitarbeiter und Kunden richten ihr Handeln aber regelmäßig nicht an der Gewinnmaximierung sondern an der Maximierung ihres Nutzens aus. Ist die Vermeidung von Kontakt mit bestimmten Personengruppen für Präferenzträger hinreichend nutzenstiftend, können etwaige finanzielle Nachteile kompensiert werden.29 In Gegenwart von Wettbewerb auf dem Arbeits- und Produktmarkt führen Präferenzen von Mitarbeitern und Arbeitnehmern auf lange Sicht aber nicht zu niedrigeren Löhnen oder nachteiligen Arbeitsbedingungen, sondern zu einer teilweisen Trennung der Arbeitnehmerschaft (segregation of the workforce) durch gewinnmaximierende Arbeitgeber.30 Denn eine Bezahlung von Merkmalsträgern unter Wert wäre nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zu einem Arbeitgeber, der keine 26 Auch Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 398 weist auf diesen Unterschied zwischen der Maximierung von „utility“ und „profits“ hin. 27 Epstein, Forbidden Grounds, S. 445. 28 Weichselbaumer / Winter-Ebmer, The Effects of Competition and Equal Treatment Laws on the Gender Wage Differential; Zweimüller / Winter-Ebmer / Weichselbaumer, Market Orientation and Gender Wage Gaps: An International Study, S. 9 f., 13 ff.; vgl auch Mussler, Der Wettbewerb hilft Frauen, F.A.S. v. 12. 8. 2007, Nr. 32, S. 34. 29 Sunstein, Free Markets and Social Justice, S. 154. 30 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 573; Sunstein, Free Markets and Social Justice, S. 152 ff.; Strauss, 79 Georgetown L. J. 1619, 1632 ff.; Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 106 ff.; Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 399 ff.

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination)

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Merkmalsträger einstellt, aber alle Arbeitnehmer gleich bezahlt. So kann es für einige Arbeitgeber unternehmerisch sinnvoll sein, sich auf homogene Belegschaften zugunsten der jeweiligen Präferenzen der Mitarbeiter oder Kunden zu spezialisieren. Andere Arbeitgeber finden ihre Nische am Markt mit dem Angebot gemischter Belegschaften.31 Solange nicht fast alle Kunden oder Arbeitnehmer die Präferenz gegen bestimmte Merkmale teilen, kommt es zur Trennung des Marktes aber nicht zu nachteiligen Arbeitsbedingungen für Merkmalsträger.32 Im Ergebnis weist Beckers Präferenzmodell jedoch eine erhebliche Schwäche auf: Die Vorhersage, dass Wettbewerbsdruck an den Arbeitsmärkten langfristig zum Verschwinden von Diskriminierungen im Arbeitsleben führt, stimmt nicht mit den Anzeichen andauernder Ungleichbehandlungen am Arbeitsmarkt überein. Diese Abweichung zwischen Modell und Realität kann nicht allein durch Präferenzen auf Seiten der Arbeitskollegen oder der Kunden erklärt werden, da diese allein eine teilweise Markttrennung verursachen. Auch der Hinweis, dass die Marktkräfte nur langfristig Diskriminierungen verhindern, kann diesen Unterschied nicht begründen.33 Andere Modelle von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt finden schlüssigere Erklärungen für das Fortbestehen von Diskriminierung im Wettbewerb am Arbeitsmarkt.

III. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung Fraglich ist allerdings die Übertragbarkeit des rassenspezifisch entwickelten Präferenzmodells auf die Diskriminierung wegen des Alters.34 So könnte man ageism, also aus Aversion, Boshaftigkeit oder Irrationalität getriebene Alterdiskriminierung, als Analogon zu racism und sexism sehen.35 Verbreitet wird jedoch davon ausgegangen, dass Präferenzdiskriminierung in Bezug auf das Alter am Arbeitsmarkt von geringer Relevanz ist.36 Zwar werden vergleichbar zu Rasse und Geschlecht auch an das Lebensalter verbreitet Vorurteile geknüpft. Jedoch münden diese Vorurteile regelmäßig nicht in Antipathien oder Abneigung gegen Menschen bestimmter Altersgruppen. Im Gegensatz zur Diskriminierung anhand anderer Merkmale gibt es hinsichtlich des Alters keine Gruppe, die eine explizite Antipathie gegen bestimmte Altersgruppen 31 Zu erfolgreichen Beispielen von Unternehmen, die sich bei Einstellungen auf ältere Arbeitnehmer konzentrieren, Segrave, Age Discrimination by Employers, S. 168 f. 32 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 575 f. 33 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 579. 34 Lorenz bezweifelt schon die Übertragbarkeit des Präferenzmodells auf Geschlechterdiskriminierung. Vgl. Lorenz, Geschlechtsspezifische Einkommensdifferenzen und Diskriminierung, S. 89 ff. 35 Dahingehend Evans, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 20. 36 Epstein, Forbidden Grounds, S. 447; Issacharoff, 70 Tex. L. Rev. 1219, 1246; Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 786; Posner, Aging and Old Age, S. 320.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

hegt (hate group).37 Auch wenn die Annahmen, die einer Ungleichbehandlung zugrunde liegen, im Einzelfall in der Sache unzutreffend sein sollten, wird hieraus keine Präferenz für Diskriminierung im Becker’schen Sinne.38 Denn wenn ein Akteur ältere Arbeitnehmer beispielsweise (fälschlicherweise) für weniger produktiv hält, zieht er keinen Diskriminierungskoeffizienten vom Lohn ab, sondern deren geringere Produktivität. Zwischen Altersdiskriminierung und Rassen- bzw. Geschlechterdiskriminierung bestehen signifikante Unterschiede. Lebensalter stellt zwar auch ein nicht disponibles Kriterium dar, ist aber auf der anderen Seite ein variables und relatives Merkmal.39 „Alt“ oder „Jung“ ist im Gegensatz zu ethnischen Minderheiten oder den Geschlechtern keine klar abgegrenzte Gruppe. Auch bestehen keine eindeutigen Minderheiten oder Mehrheiten zwischen Altersgruppen, was jedenfalls bei verschiedenen Ethnien regelmäßig der Fall ist und auch beim Geschlecht in bestimmten Berufsfeldern oder auf bestimmten Führungsebenen vorkommt. Weiterhin ist Alter ein Kontinuum, durch dessen verschiedene Phasen jedes Menschenleben sich bewegt, wo hingegen Rasse und Geschlecht einer Person grundsätzlich lebenslänglich konstant bleiben.40 Auch die sozial stigmatisierende Wirkung, die etwa im Bereich der Rassendiskriminierung vorherrscht, ist beim Merkmal Alter nicht in dem Maße entwickelt.41 Schließlich ist keine Altersgruppe per se besonders schutzwürdig, was jedoch zumeist über ethnische Minderheiten oder über Frauen als Minderheiten in bestimmten Berufsfeldern gesagt werden kann. Der Supreme Court stellte dazu fest: „Old age does not define a ,discrete and insular‘ group [ . . . ] in need of extraordinary protection from the majoritarian political process. Instead, it marks a stage that each of us will reach if we live out our normal span.“42 Gegen eine Präferenz zulasten älterer Menschen spricht zudem, dass diejenigen Marktakteure, die üblicherweise mit der Erstellung und Durchsetzung der Beschäftigungspolitik in einem Unternehmen betraut sind, regelmäßig selbst fortgeschrittenen Alters sind oder jedenfalls dieses Alter bald erreichen werden (also im Falle des ADEA das 40. Lebensjahr).43 Es ist unwahrscheinlich, dass diese Akteure be37 Anders etwa beim Geschlecht die Misogynisten, Chauvinisten oder Männerhasser. Vgl. Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 50. 38 So auch Bouchouaf, KritJ 2006, 312; Dammann, Diskriminierung im Zivilrecht, S. 105, Fn. 286; OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 108 f. 39 So auch Becker, JZ 2004, 935; Nussberger, JZ 2002, 524; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 5. 40 Ähnlich auch BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36; vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, S. 95; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 2. 41 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 96; Schuck, 89 Yale L. J. 27, 32 f.; Schuck, 57 Chi.Kent L. Rev. 1029, 1032 f. 42 Massachusetts Board of Retirement v. Murgia, 427 U.S. 307, 313 (1976). 43 So auch OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 109; vgl. hierzu Koller / Gruber, MittAB 2001, 487, in deren representativen Befragung das Durchschnittsalter von Personalverantwortlichen bei 45,6 Jahren lag.

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination)

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sondere Aversionen gegen Menschen ihrer eigenen Altersgruppe pflegen oder deren Wert und die Fähigkeiten systematisch unterschätzen.44 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch Akteure, die noch nicht zu den Berechtigten nach dem ADEA gehören, eines Tages (so Gott will) dieses Alter erreichen werden. Eine solche Entwicklung ist bei Geschlecht und Rasse selten der Fall.45 Damit entwickelt sich bei der Behandlung von älteren Arbeitnehmern nicht dasselbe „wirsie-Denken“, das Diskriminierungen nährt, die an Rasse, ethnischer Herkunft oder Geschlecht anknüpfen.46 Schließlich sehen sich ältere Arbeitnehmer, anders als Opfer von Rassendiskriminierung, nicht willkürlichen Vorurteilen ausgesetzt, sondern werden in erster Linie mit wirtschaftlichen Fragen konfrontiert.47 Diese Problematik wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren zum ADEA im Jahr 1967 erkannt: „[I]t is not discriminatory or malice, it is simply that it costs more money to employ [older workers].“48 Secretary of Labor W. Willard Wirtz, ein vehementer Unterstützer des ADEA, argumentierte in der Anhörung des amerikanischen Kongress zum ADEA: „[Age discrimination] is entirely different from racial discrimination; the root of racial discrimination is purely bigotry, while age discrimination arises because of sometimes valid assumptions made about the effects of age on performance.“49 Zusammenfassend ist das Präferenzmodell in zweierlei Hinsicht problematisch: Erstens kann es das Fortbestehen von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt trotz des dort und auf dem Produktmärkten herrschenden Wettbewerbs nicht hinreichend erklären. Zum Zweiten passt die Herleitung über Aversionen bei Akteuren zwar häufig bei Benachteiligungen wegen Rasse und Geschlecht, jedoch selten bei solchen wegen des Lebensalters des Arbeitnehmers. Für dennoch vereinzelt auftretende irrationale Aversionen gegen bestimmte Altersgruppen bedarf es keines Antidiskriminierungsgesetzes, da bereits der Wettbewerbsdruck am Markt derartige Ungleichbehandlungen vermeidet oder jedenfalls reduziert.

44 Posner, Aging and Old Age, S. 320. Nach einer Studie von Brewer / Lui, 10 Pers. Soc. Psych. Bulletin 585 zeigen ältere Menschen eine größerer Sensibilität als jüngere Menschen hinsichtlich der unterschiedlichen Fähigkeiten und Eigenschaften alter Menschen. Vgl. auch Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 54 mit empirischen Nachweisen, dass die bewusste Präferenz zugunsten älterer Menschen mit zunehmendem Alter des Befragten wächst. 45 Rutherglen, Employment Discrimination Law, S. 199. 46 Posner, Aging and Old Age, S. 320; ähnlich Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 21. 47 Siehe zu Angebots- und Nachfragehemmnissen hinsichtlich der Arbeit Älterer in Deutschland in 3. Kapitel, unter C. IV. 48 Age Discrimination in Employment: Hearings on H.R. 3651, H.R. 3768, and H.R. 4221, 90th Congress 7 (1967), Statement of Peter J. Pestillo, U.S. Chamber of Commerce, S. 69. 49 Hearings on HR 4221, 90th Congress 13 (1967), S. 174.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

IV. Auswirkungen des ADEA auf die Effizienz am Arbeitsmarkt Auch die Auswirkungen eines Antidiskriminierungsgesetzes auf Benachteiligungen nach dem Präferenzmodell sind in der U.S.-amerikanischen Literatur umstritten. Mehrheitlich wird davon ausgegangen, dass angesichts der verdrängenden Wirkung des Wettbewerbs auf diese Art der Diskriminierung kein Bedürfnis für ein gesetzgeberisches Eingreifen besteht.50 Der Markt wird ineffiziente Präferenzen am genausten identifizieren, und die Kosten von Verwaltung und Durchsetzung eines Diskriminierungsverbots blieben der Gesellschaft erspart.51 Gerade im Bereich der Altersdiskriminierung, in dem wie gezeigt Präferenzen von Akteuren zu Lasten von älteren Menschen eher die Ausnahme sein werden, wird das Verbot der Differenzierung anhand dieses Merkmals zwar regulierungsbedingte Kosten mit sich bringen, aber kaum Anwendungsfälle finden. Nach Meinung von Donohue kann ein Verbot von Präferenzdiskriminierung aber dennoch vorteilhaft sein, indem es den Prozess hin zu einem diskriminierungsfreien Marktgleichgewicht fördert und beschleunigt.52 Jedoch kann auch eine Beschleunigung von Prozessen, die bereits durch Marktzwänge betrieben werden, mit einem Effizienzverlust einhergehen. Posner betont, dass die zu schnelle Verdrängung von taste-based discrimination vom Arbeitsmarkt ähnlich ineffizient sein kann, wie die gesetzlich verordnete Einführung Kosten sparender Technologien, die zur verfrühten Verschrottung alter Anlagen führt. In beiden Fällen kann der Markt nicht nur die effizientere Methode identifizieren, sondern auch den besten Zeitpunkt des Wechsels und dessen Geschwindigkeit.53 Darüber hinaus ist zu beachten, dass Antidiskriminierungsgesetze auch kontraproduktive Konsequenzen 50 Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 107 f.; Arrow, in: Pascal, Racial Discrimination in Economic Life, S. 90; Epstein, Forbidden Grounds, S. 445; Epstein, 108 Harv. L. Rev. 1085, 1095; Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513, 514; Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 72; Strauss, 79 Georgetown L. J. 1619, 1632. 51 Vgl. zu Schätzungen der Kosten im Zusammenhang mit dem ADEA: Donohue III, 44 Stan. L. Rev. 1583, 1600 (geschätzte Kosten der gesamten Antidiskriminierungsgesetzte im Arbeitsrecht: 6,5 Milliarden U.S.-Dollar); Johnson, Cost of Workplace Regulations, S. 22 ff. Zur Kostenschätzung des britischen Gesetzgebers hinsichtlich eines Gesetzes zur Umsetzung des Verbots der Altersdiskriminierung in RL 2000 / 78 / EG, Ministerium für Handel und Industrie des Vereinigten Königreichs, Equality and Diversity: Age Matters, S. 55 ff. Warnende Hinweise zu den möglichen Kosten des AGG: Adomeit, Auf Biegen oder Brechen, F.A.Z. Nr. 151 v. 3. 7. 2006, S. 10; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, 35; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1236; Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. EG 2000, Nr. C 204 / 82, S. 84. Eine erste Untersuchung der Gesetzesfolgekosten des AGG geht von mindestens 1,73 Milliarden Euro für deutsche Unternehmen aus. Dies entspricht 72,50 Euro pro sozialversichterten Beschäftigten im ersten Jahr der Wirkung des AGG. Hoffjan / Bramann, Empirische Erhebung der Gesetzesfolgekosten aus dem AGG, S. 5 ff. 52 Donohue III, 44 Stan. L. Rev. 1583, 1597; Donohue III, 134 U. Pa. L. Rev. 1411, 1422 f.; ähnlich auch Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 50. 53 Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513, 515.

A. Präferenzmodell (Taste-Based Discrimination)

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haben können, die zu negativen Folgen für den von ihnen geschützten Personenkreis führen. Geht man beispielsweise von einer Diskriminierung afroamerikanischer Arbeitnehmer bei der Entlohnung aus, würde die gesetzliche Verpflichtung zu gleicher Bezahlung die Kosten der Einstellung dieser Arbeitnehmer um den Diskriminierungskoeffizienten erhöhen. Dies schreckt präferenzgesteuerte Arbeitgeber davon ab, freie Arbeitsplätze mit afroamerikanischen Bewerbern zu besetzen.54 Zwar verbieten Antidiskriminierungsgesetze regelmäßig auch die Benachteiligung anhand bestimmter Merkmale bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,55 jedoch ist dieser Aspekt des Verbots erheblich schwieriger durchzusetzen.56 Somit würde eine etwaige Beschleunigung der marktimmanenten Tendenz gegen Präferenzdiskriminierung zu Ineffizienzen führen, Regulierungskosten verursachen und teilweise die Beschäftigungschancen der geschützten Individuen noch verschlechtern. Auch das Verbot der durch Mitarbeiter- und Kundenpräferenzen hervorgerufenen Markttrennung führt zu ineffizienten Ergebnissen. Zwar sind die Präferenzen dieser Personengruppen im Gegensatz zu denen von Arbeitgebern weitestgehend wettbewerbsresistent. Jedoch ist die Trennung des Marktes in Belegschaften ohne Merkmalsträger, in solche mit nur Merkmalsträgern und schließlich in gemischte Belegschaften die effiziente Reaktion des Marktes auf das Vorhandensein von Vorlieben und Aversionen unter den Kunden und Mitarbeitern. Fehlanreize auf Seiten von Merkmalsträgern sind damit nicht verbunden, da der Versagung von Beschäftigungsmöglichkeiten in manchen Betrieben die Eröffnung von Arbeitschancen in anderen gegenübersteht.

V. Ergebnis Das Modell der Präferenzdiskriminierung hat im Bereich von Ungleichbehandlungen wegen des Alters aufgrund von Besonderheiten dieses Merkmals einen nur geringen Erklärungswert. Darüber hinaus kann es nicht erklären, warum sich Diskriminierungen trotz des Wettbewerbs am Markt über längere Zeiträume halten können. Eine gesetzliche Sanktionierung von Arbeitgeberpräferenzen ist wegen des vorhandenen sanktionierenden Wettbewerbdrucks nicht erforderlich. Vielmehr verursacht es Kosten und Anreize, Merkmalsträger gar nicht erst einzustellen. Das Verbot der Trennung des Marktes in Reaktion auf Kunden- und Mitarbeiterpräferenzen senkt die Effizienz am Arbeitsmarkt.

54 Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513, 517; Epstein, Forbidden Grounds, S. 74; Ayres / Siegelman, 74 Tex. L. Rev. 1487, 1488 f., 1521. 55 Vgl. Sec. 623(a)(1) ADEA; § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG. 56 Zu dieser Problematik ausführlich im 5. Kapitel, unter A. I. 2.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

B. Modell der statistischen Diskriminierung I. Modell In den 1970er Jahren entwickelten Ökonomen das Modell der statistischen Diskriminierung, um einige Unzulänglichkeiten des Präferenzmodells zu klären.57 Dieses Modell fußt auf der Annahme der unvollkommenen Information von Marktakteuren und berücksichtigt, dass Informationsgewinnung Kosten verursacht. Bei statistischer Diskriminierung dient die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (zum Beispiel: dunkle Hautfarbe / helle Hautfarbe; männlich / weiblich; jung / alt) dem unvollständig informierten Arbeitgeber als proxy58 für die individuelle erwartete Leistung und Eignung eines jeweiligen Gruppenmitglieds. Im Gegensatz zum Präferenzmodell wirken hier weder Abneigungen, Vorlieben oder andere individuelle Motive seitens der Arbeitsmarktakteure. Das Unternehmen benutzt hingegen repräsentative Eigenschaften bestimmter Arbeitnehmergruppen als kostengünstiges Informationssurrogat zur Bestimmung der Charakteristika eines einzelnen Arbeitnehmers aus dieser Gruppe.59 So wird beispielsweise der Mittelwert der Produktivität einer Gruppe oft dem individuellen Gruppenmitglied zugeschrieben werden. Der Arbeitgeber wird daher bei Entscheidungen im Arbeitsverhältnis60 auf Signale achten, die er bezüglich verschiedener Gruppen wahrscheinlichkeitstheoretisch ausgewählt hat und denen er eine positive oder negative Korrelation mit der erwarteten Produktivität des Arbeitnehmers zuschreibt.61 Die Annahmen, die Arbeitgeber mit solchen Signalen verbinden, können auf zutreffenden aber auch unzutreffenden Informationen und Einschätzungen beruhen.62 Das Modell der statistischen Diskriminierung wurde in verschiedenen Experimenten empirisch bestätigt.63 Wegen der begrenzt verfügbaren Informationen in der Arbeitswelt kann ein Arbeitgeber Gruppencharakteristika auf kosteneffiziente Weise nutzen, um die Eigenschaften von Arbeitnehmern vorherzusagen.64 Denn in der Praxis können Arbeit57 Aigner / Cain, 30 Indus. & Lab. Rel. Rev. 175; Arrow, in: Ashenfelter / Rees, Discrimination in Labor Markets, S. 24; Phelps, 62 Am. Econ. Rev. 659, 661; Spence, 87 Quart. J. Econ. 355; vgl. auch England, in: Burstein, Equal Employment Opportunity, S. 60 ff. 58 Teilweise werden proxy auch als Näherungswert, Signal, Stellvertretermerkmal oder Indikator bezeichnet. 59 Bouchouaf, KritJ 2006, 311; Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 72. 60 Vor allem bei der Einstellung, aber auch bei Beförderung, Kündigung oder Pensionierung. 61 Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 8. 62 Straka, Demand for Older Workers, S. 4; Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 7 f. 63 Anderson / Haupert, 25 J. of Econ. 85; Fryer / Goeree / Holt, An Experimental Test of Statistical Discrimination. 64 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 579.

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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geber nicht kostenlos die Produktivität von Bewerbern abschätzen oder kostenlos den Arbeitseinsatz und das Arbeitsergebnis eines einzelnen Arbeitnehmers im Verlauf eines Arbeitsverhältnisses überprüfen.65 Diese Messungs- und Bewertungsprobleme66 angesichts asymmetrisch verteilter Informationen können durch den Rückgriff auf Näherungswerte gemildert werden. Ein gewinnmaximierender Arbeitgeber wird beispielsweise Bewerber aus bestimmten Bevölkerungsgruppen bei der Einstellung benachteiligen, wenn er glaubt oder Erfahrungswerte hat, dass Mitglieder dieser Gruppen im Vergleich zu Nichtmitgliedern schlechter qualifiziert, weniger verlässlich oder nur für kürzere Zeit verfügbar sind, und die Kosten der Informationsgewinnung über die individuellen Fähigkeiten des Bewerbers zu hoch sind.67 Da die Produktivitätspotentiale von Arbeitskräften vor der Ausübung bestimmter Tätigkeiten nicht direkt messbar sind und nach Aufnahme der Tätigkeit häufig auch nur schwierig messbar sind, kommt es darauf an, möglichst zuverlässige, auf die Eigenart der infrage stehenden Arbeitsplätze abgestimmte Selektionskriterien (Produktivitätsindikatoren) zur Schätzung des Produktivitätspotentials und der Eignung der Arbeitskraft heranzuziehen. 68 Natürlich ignoriert der Arbeitgeber die Unterschiede in den Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhalten und Einstellungen der einzelnen Gruppenmitglieder, wenn er auf den Gruppendurchschnitt abstellt.69 Somit sind mit der Verwendung eines Näherungswertes immer auch Fehlerkosten verbunden: einige Kandidaten werden nicht eingestellt, obwohl ihre Qualifikation höher gewesen wäre, während andere eingestellt werden und etwa eine eigentlich fähigeren Person ersetzen. Dennoch kann dieser Ansatz kosteneffizient sein, da eine Gruppenmitgliedschaft beinahe kostenlos zu ermitteln ist und ein Durchschnittswert einfacher zu handhaben und zu verwalten ist. Diese gesenkten Verwaltungskosten können die Fehlerkosten überkompensieren. Schließlich verursachen auch individuelle Testmethoden Fehlerkosten, die bei höherer Varianz der Fähigkeiten in der Gruppe der Testpersonen ansteigen.70 Damit kommt es bei der Bestimmung der den Umständen nach effizientes65 Deakin, Equality, Non-Discrimination and the Labour Market, S. 50, der dafür die „team-production nature of many tasks“ verantwortlich macht. Zur Leistungsbeurteilung im Betrieb in Bezug auf ältere Menschen, Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 42 ff. 66 Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Leistungsbeurteilung im Betrieb, Becker, Grundlagen betrieblicher Leistungsbeurteilungen, S. 141 ff. Becker zeigt auf, dass eine objektive Messung von Leistung nicht möglich ist, sondern immer Kriterien und Standards festgelegt werden müssen und zusätzlich Objektivitätsprobleme und kognitive Verzerrungen das Ergebnis beeinflussen. 67 Phelps, 62 Am. Econ. Rev. 659, 659 (für den Bereich der Geschlechter- und Rassendiskriminierung). 68 Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 101. 69 Posner, Aging and Old Age, S. 323. 70 Zu solchen „screening problems“, Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 158, 402 f.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

ten Verhaltensweise des Arbeitgebers auf die relative Größe dieser beiden Kosten an.71 Zahlreiche Faktoren beeinflussen, welche Gruppeneigenschaften sich für die Verwendung als proxy eignen. Zumeist werden leicht erkennbare Eigenschaften oder Merkmale gewählt. Häufig wird der Arbeitgeber bei der Auswahl von Näherungswerten auf eigene Erfahrungen in der Vergangenheit zurückgreifen. Aber auch wenn er selbst keine negativen Erfahrungen gemacht hat und er auch nicht von solchen Erfahrungen anderer beeinflusst ist, kann bereits die Unfähigkeit bestimmter Gruppen, ihre Produktivität dem Arbeitgeber glaubhaft zu signalisieren, den Mitgliedern dieser Gruppe zum Nachteil gereichen. Die mit einer solchen Gruppe verbundenen höheren Unsicherheiten steht bei unterstellter Risikoaversion des Arbeitgebers einer niedrigeren erwarteten Produktivität gleich.72 Ein risikoaverser Arbeitgeber wird auch Gruppen bevorzugen, in denen die Varianz der Produktivität und anderer gewünschter Eigenschaften geringer ist.73 Somit hängt die Frage der statistischen Diskriminierung bei der Entscheidung des Arbeitgebers über Einstellung, Beförderung oder Entlassung aus ökonomischer Sicht von folgenden Faktoren ab:74  Verfügbarkeit, Genauigkeit (Varianz und Störvariable) sowie Kosten und Nutzen individueller Leistungsüberprüfung;  Verfügbarkeit, Genauigkeit (Varianz und Störvariable) sowie Kosten und Nutzen des Wissens über die durchschnittlichen Fähigkeiten innerhalb einer Gruppe.

II. Rolle des Wettbewerbs Häufig wird argumentiert, dass die Verwendung von Rasse, Geschlecht oder Alter als Näherungswerte für die Produktivität „irrational“ sei.75 Jedoch kann sich am Markt am ehesten zeigen, ob die Verwendung von einem proxy im Lichte der alternativen Informationskosten, die bei der individuellen Beurteilung der Produktivität eines Menschen anfallen, effizient ist.76 Im Wettbewerb bestehen finanzielle Anreize für Unternehmen, die Minimalkostenkombination zwischen Informationsund Fehlerkosten zu finden, indem solange bessere individuelle Testmethoden oder 71 Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 158; Posner, Aging and Old Age, S. 323. 72 Aigner / Cain, 30 Indus. & Lab. Rel. Rev. 175, 181, 186; Dickinson / Oaxaca, Statistical Discrimination in Labor Markets, S. 3. 73 Dickinson / Oaxaca, Statistical Discrimination in Labor Markets, S. 3. 74 Aigner / Cain, 30 Indus. & Lab. Rel. Rev. 175, 178; Phelps, 62 Am. Econ. Rev. 659, 660; zur Erläuterung dieser Ansätze in deutscher Sprache: Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 9 ff. 75 Vgl. Gregory, Age Discrimination in the American Workplace, S. 1, 5, 22. 76 Schwab, 76 Am. Econ. Rev. 228, 228; Somek, Rationalität und Diskriminierung, S. 20.

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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pauschale Näherungswerte verwendet werden, wie der entsprechende Grenznutzen die dazugehörigen Grenzkosten überschreitet.77 Denn Arbeitgeber, die sich nicht aussagekräftiger Gruppeneigenschaften als proxy bedienen, stehen in einem Wettbewerbsnachteil zu den Konkurrenten, die die Produktivität von (potentiellen) Mitarbeitern zutreffender prognostizieren. Erstere müssen ihre Näherungswerte verbessern oder preisgünstigere Leistungsüberprüfungen vornehmen, ansonsten werden sie durch letztere vom Markt verdrängt.78 Des Weiteren verstärkt das Prinzip der adversen Selektion (adverse selection) den Anreiz für Arbeitgeber, nach möglichst kosteneffizienten Näherungswerten auszuwählen.79 Denn derjenige Arbeitgeber, der zur Lösung von Problemen asymmetrisch verteilter Information im screening Prozess nicht optimal auswählt, wird von unterdurchschnittlich leistungsfähigen Arbeitnehmern positiv selektiert und von überdurchschnittlich leistungsfähigen negativ selektiert.80 Dies bedeutet aber auch, dass statistische Diskriminierung im Wettbewerb stabil sein kann. Wettbewerbsdruck führt nicht wie bei Diskriminierungen nach dem Präferenzmodell zum Abbau der Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt sondern fördert diese in Bereichen, in denen die Informationskosten die Fehlerkosten überwiegen, und verringert sie nur, wenn die Fehlerkosten größer als die Informationskosten sind.

III. Effizienz statistischer Diskriminierung Allgemein wird geschlussfolgert, dass statistische Diskriminierung wegen der eben beschriebenen Reduzierung von Informationskosten und Verhinderung von adverser Selektion effizient ist.81 Zweifel an diesem Ergebnis werden aber teil77 So auch Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 111; Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 15. 78 Aigner / Cain, 30 Indus. & Lab. Rel. Rev. 175, 177. 79 Hierzu auch Engert, 4 German L. J. 685, 693 ff.; Vandenberghe, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 543 f.; Wolff / Lazear, Einführung in die Personalökonomik, S. 139: Adverse Selektion tritt auf, wenn durch bestimmte Verfahrensweisen systematisch die falsche Art von Mitarbeitern, etwa als Bewerber auf eine freie Stelle, angezogen werden, während die gewünschte Zielgruppe nicht erreicht wird. Sie basiert auf einer Informationsasymmetrie zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ersterer kennt seine Fähigkeit, letzterer dessen Fähigkeiten aber nicht. Zu Aspekten der adversen Selektion im Bereich des zivilrechtlichen Diskriminierungsschutzes nach dem AGG, Thüsing / von Hoff, VersR 2007, 3 f. 80 Lazear schildert ein Beispiel von adverser Selektion infolge des Verbots von Altershöchstgrenzen für Professoren durch den ADEA in den USA im Jahr 1993. Die zur Regulierung der Altersstruktur der Professorenschaft durch viele Universitäten angebotenen Pensionsprogramme (freiwillige finanzielle Anreize zur Pensionierung) wurden vor allem von den leistungsfähigsten Professoren angenommen, während die leistungsschwachen das Angebot ablehnten. Denn „Star-Professoren“ konnten regelmäßig gleich eine neue Professur an einer anderen Universität antreten, wohingegen die wenig Erfolgreichen niedrigere Reservationslöhne hatten und daher den Verbleib an ihrer Universität vorzogen. Wolff / Lazear, Einführung in die Personalökonomik, S. 169 ff.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

weise wegen der Auswirkungen statistischer Diskriminierung auf die Humankapitalinvestitionsentscheidung und auf die Reallokation von Arbeitskraft im individualisierten Arbeitsmarkt geäußert.

1. Ineffiziente Investitionen in Humankapital wegen statistischer Diskriminierung Einige Autoren gehen von der Ineffizienz statistischer Diskriminierungen aus, da mit diesen die Externalität von ineffizienten Investitionen in Humankapital durch Angehörige benachteiligter Gruppen einhergehe.82 Sollte dies zutreffen und sollten Altersdiskriminierungsgesetze ein Beitrag zur Lösung dieses Problems liefern, würden sie zu einer Effizienzsteigerung am Arbeitsmarkt führen.

a) Humankapitaltheorie Das Humankapitalmodell wurde ursprünglich von Becker83 und Mincer84 entwickelt. Es stellt eine Erweiterung des neoklassischen Modells dar, indem die vorher unrealistischerweise vorausgesetzte Homogenität des Faktors Arbeit durch Inhomogenität in Abhängigkeit der Menge des investierten Humankapitals ersetzt wird. Damit kann die Verteilung der Arbeitseinkommen mit einem durch Ausbildungsinvestitionen differenzierten Arbeitsangebot erklärt werden.85 Die Produktivität von Arbeitnehmern steigt, wenn sie sich bestimmte Fertigkeiten aneignen. Diese Fertigkeiten können ihre Produktivität im Allgemeinen erhöhen (general human capital) oder sie können jeweils nur in einem bestimmten Unternehmen nutzbar gemacht werden (firm-specific human capital). Arbeitgeber sind grundsätzlich nicht bereit, das allgemeine Humankapital zu finanzieren, da die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer nach Abschluss des Trainings das Unternehmen zugunsten eines anderen Arbeitgebers verlässt. Letzterer wäre in der Lage, höhere Löhne zu bieten, weil er die Kosten der allgemeinen Humankapitalbildung gespart hat. Im Gegensatz dazu werden die Investitionen in spezifisches Humankapital regelmäßig zwischen den Arbeitsvertragsparteien aufgeteilt.86 Dies kann auf effi81 Neumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 18; Posner, Aging and Old Age, S. 325 f.; Schwab, 76 Am. Econ. Rev. 228, 228; ähnlich auch: Bouchouaf, KritJ 2006, 312; Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit, S. 227. 82 Lundberg / Startz, 73 Am. Econ. Rev. 340, 342; Minda, 48 Hastings L. J. 511, 575; Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 35 f.; Kalter, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 311; Schiek-Schiek, AGG, Vorbem zu § 19 ff. AGG Rn. 5. 83 Becker, 70 J. Pol. Econ. 9; Becker, Human Capital. 84 Mincer, 70 J. Pol. Econ. 50. 85 Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 65. 86 Becker, 70 J. Pol. Econ. 9, 12 ff.; Veum, 65 South. Econ. J. 526, 526.

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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ziente Weise geschehen, wenn der Arbeitnehmer in der Trainingsphase einen Lohn akzeptiert, der unter seinem Reservationslohn liegt und er dadurch einen Teil der Ausbildungskosten trägt. Gleichzeitig bezahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während dieser Phase einen Lohn, der oberhalb von dessen Wertgrenzprodukt in dieser Zeit liegt. Nach Abschluss des Trainings erntet der Arbeitnehmer einen Teil des Mehrwerts durch Humankapital, indem er höhere Löhne bekommt, als sein Reservationslohn bei anderen Arbeitgebern beträgt. Aber auch der Arbeitgeber profitiert in dieser zweiten Phase, weil er den Arbeitnehmer unterhalb seiner Produktivität bezahlt.87 Dieses System basiert auf der Annahme, dass spezifische Humankapitalinvestitionen den Reservationslohn des Arbeitnehmers weitestgehend unberührt lassen, während sie seine Produktivität innerhalb des Unternehmens steigern. Dieses Modell ist selbstdurchsetzend (self-enforcing), weil beide Arbeitsvertragsparteien ihr Verhältnis zu jedem Zeitpunkt nach Abschluss des Trainings fortsetzen wollen. Denn für den Arbeitgeber ist eine Entlassung des Arbeitnehmers unattraktiv, da dessen Produktivität seinen Lohn übersteigt. Auch der Arbeitnehmer wird bei dem Unternehmen bleiben wollen, da sein gegenwärtiger Lohn oberhalb seines Reservationslohns liegt.88 b) Auswirkungen von statistischer Diskriminierung auf Humankapitalinvestitionen Nach dem Humankapitalmodell ist davon auszugehen, dass Menschen so lange in Ausbildung und Training investieren bis die Wertgrenzkosten dieser Investitionen dem gegenwärtigen Wert der dadurch erreichten Steigerung ihres Lebenseinkommens entsprechen.89 Die Entscheidung eines Arbeitnehmers über die Investition in allgemeines Humankapital hängt daher maßgeblich von seinen erwarteten künftigen Beschäftigungschancen ab. Im Gegensatz dazu basiert seine Entscheidung, in spezifisches Humankapital zu investieren, auf der erwarteten Dauer seines gegenwärtigen Arbeitsplatzes.90 Die Humankapitaltheorie sagt voraus, dass Arbeitnehmer desto eher bereit sind, in Training zu investieren, je länger sie erwarten, im Arbeitsleben zu bleiben.91 Eine Verschlechterung der Arbeitsplatzsicherheit hat damit negative Auswirkungen auf den Gewinn aus dem Humankapital, der die Investitionsentscheidung leitet.92 Reduzierte Dauerhaftigkeit der Beschäftigung verkürzt den akkumulierten Zeitraum, in dem die Investitionen ausgeglichen werSchwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 14. Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 32 ff.; Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 15. 89 Hirsch, Law and Economics, S. 363. 90 Royalty, 49 Indus. & Lab. Rel. Rev. 506, 507. 91 Minda, 48 Hastings L. J. 511, 575; Royalty, 49 Indus. & Lab. Rel. Rev. 506, 506; Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 21 ff. 92 Schömann / Rogowski / Kruppe, Labor Market Efficiency in the European Union, S. 15. 87 88

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

den können.93 Die Möglichkeit, dass Arbeitgeber bestimmte Gruppen aus opportunistischen oder willkürlichen Gründen nicht einstellen könnten, diese entlassen könnten oder in ihrer Entwicklung am Arbeitsplatz hemmen könnten, senkt daher den Anreiz für diese Arbeitnehmer, in allgemeines und spezifisches Humankapital zu investieren.94 So beklagt Kalter, dass gerade statistische Diskriminierung zu einer self-fullfilling prophecy werden kann, wenn zunächst aufgrund unzutreffender proxy diskriminierte Gruppen wegen dieser Benachteiligung weniger in Humankapital investieren und somit im Endeffekt tatsächlich als Gruppe Produktivitätsunterschiede aufweisen, die eine Unterscheidung anhand der Gruppenmitgliedschaft rational machen.95 Auf das Merkmal Alter bezogen bedeutet dies, dass Alterdiskriminierung die Anreize von Arbeitnehmern, in generelles und spezifisches Humankapital zu investieren, schwächen kann, da dadurch sowohl die erwartete Lebensarbeitszeit des Arbeitnehmers als auch die Dauer von dessen Beschäftigung auf dem gegenwärtigen Arbeitsplatz sinkt. Auch zahlen sich Investitionen überdurchschnittlich leistungsfähiger älterer Arbeitssuchender oder Arbeitnehmer nicht hinreichend aus, wenn der Arbeitgeber weiterhin den Durchschnitt ihrer Altersgruppe als Produktivitätsindikator anwendet und nicht die individuelle Produktivität betrachtet. Das gleiche gilt auch für die Anstrengungen, die Gruppenmitglieder innerhalb des Arbeitsverhältnisses unternehmen. Sie haben keinen Anreiz, sich mehr anzustrengen als der Durchschnittswert, da ja doch nur dieser bei der Entscheidungen über Beförderungen oder Entlassungen zugrunde gelegt wird.96 Fraglich ist, inwieweit mit statistischer Altersdiskriminierung eine Externalität97 in Form von ineffizienten Humankapitalinvestitionen verbunden ist.98 Dabei ist zwischen den Anreizen dieser systematische Ungleichbehandlung auf die Investition in allgemeines und in firmspezifisches Humankapital zu unterscheiden. Der Fall des allgemeinen Humankapitals betrifft vor allem Arbeitssuchende. Diese investieren nicht in allgemeine Fertigkeiten, die über den Durchschnittswert ihrer 93 Becker, 70 J. Pol. Econ. 9, 14; Schömann / Rogowski / Kruppe, Labor Market Efficiency in the European Union, S. 15. 94 So Minda, 48 Hastings L. J. 511, 574 ff. 95 Kalter, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 311. (Kalter argumentiert bezüglich Rassendiskriminierung. Dieses Argument erscheint aber im Grundsatz auf Benachteiligungen wegen des Alters übertragbar zu sein.); ähnlich auch Engert, 4 German L. J. 685, 694 ff.; Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 35 f. 96 Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 110 f. 97 Eine Externalität oder externer Effekt ist die Auswirkung einer Aktivität auf unbeteiligte Dritte, die nicht kompensiert wird. Diese bezieht der Akteur nicht in seine Berechnungen mit ein. Solche Externalitäten verhindern, dass ein Marktgleichgewicht auch gleichzeitig die gesamte Wohlverfahrt maximiert, was eine Ineffizienz bedeutet. Bei Vorliegen externer Effekte kann rechtliche Intervention effizienzsteigernd sein. 98 Vgl. Engert, 4 German L. J. 685, 695 ff., der eine solche Externalität im Bereich der Vermietung von Wohnungen argumentiert. Systematisch benachteiligten Bewerbern würde der Anreiz genommen, sich zu bemühen, „gutes“ Mieterverhalten an den Tag zu legen.

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Altersgruppe hinausgehen, da diese angesichts der Verwendung des Alters als proxy nicht honoriert würden. In spezifisches Wissen können diese Bewerber zumeist nicht investieren, da firmenspezifische Bedürfnisse ihnen mangels Arbeitgeber in der Regel nicht bekannt sind und weil dieses Wissen auch außerhalb der jeweiligen Firma schwerer zu akkumulieren ist. Der Arbeitgeber bezieht diese Fehlanreize für Arbeitssuchende hinsichtlich der Investition in allgemeines Humankapital, die er durch seinen screening Prozess und die Verwendung von proxy verursacht, nicht voll in seine Kostenminimierungsfunktion ein. Zwar ist auch er an einem hohen Niveau an allgemeinem Humankapital unter potentiellen Arbeitskräften interessiert, denn ein hohes Bildungsniveau steigert auch die Chancen des einzelnen Arbeitgebers besser qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Jedoch stellen der Pool der Bewerber bezüglich des allgemeinen Humankapitals ein allgemein zugängliches Gut (public good) dar – jedenfalls soweit ein Überschuss an Arbeitskräften besteht.99 So kann ein Arbeitgeber darauf spekulieren, die Kosteneinsparungen im screening Prozess trotz der Fehlanreize zu nutzen, und trotzdem noch aus den verbleibenden qualifizierten Kräften rekrutieren zu können. Die durch statistische Diskriminierung verursachte Unterinvestition benachteiligter Altersgruppen ist damit für den Arbeitgeber eine Externalität. Der Fall des spezifischen Humankapitals betrifft Arbeitnehmer, die einen Arbeitsplatz haben und die angesichts wegen statistischer Diskriminierung verminderter Aussichten für diese spezielle Beschäftigung (beispielsweise wegen unwahrscheinlicherer Beförderung, wahrscheinlicherer Entlassung oder Verrentung) weniger Anreize haben, in firmenspezifisches Humankapital zu investieren. Diese Auswirkungen der statistischen Diskriminierung stellen aber keine Externalität für den Arbeitgeber dar. Der Mehrwert des Arbeitsverhältnisses und damit regelmäßig auch der Gewinn des Arbeitgebers sinken, wenn Arbeitnehmer in firmenspezifisches Humankapital unterinvestieren. Zwar könnte der Arbeitgeber diesen Verlust abwenden, indem er den Arbeitnehmer gegen einen jüngeren auswechselt. Dies ginge aber mit den regelmäßig hohen Kosten durch Kündigung, Suche einer neuen Arbeitskraft und Schulung der neuen Arbeitskraft einher.100 Rational handelnde Arbeitgeber werden daher die Kosten der verminderten Investition in firmenspezifisches Humankapital ihrer Mitarbeiter in die Entscheidung über die Anwendung von statistischer Diskriminierung im Arbeitsverhältnis einbeziehen. Schließlich bezweifelt Posner, dass das Problem der Unterinvestitionen in Humankapital durch überdurchschnittliche Arbeitnehmer große Relevanz hat: „Regardless of federal regulation, employers would be unlikely to have the identical policies about retirement. [ . . . ] Competent workers wanting to retire late or not at all – always a minority of all workers – would tend either to be sorted to employers 99 Dies ist allerdings nicht allein dann anzunehmen, wenn (signifikante) Arbeitslosigkeit wie in Deutschland vorhanden ist. Auch in diesen Fällen kann in bestimmten Berufsfeldern ein Mangel an qualifizierten Kräften bestehen. 100 Hierzu ausführlich: Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 120.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

having compatible retirement policies or to become self-employed.“101 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Im Bereich der Altersdiskriminierung wird das Arbeitgeberverhalten gegenüber Älteren nicht so homogen sein, als dass die vergleichsweise kleine Gruppe der überdurchschnittlichen Älteren, die lange im Arbeitsleben bleiben wollen, unterinvestieren werden. Dazu ist die Heterogenität der Eigenschaften Älterer viel zu groß. So wird es für unterschiedliche Altersgruppen auch andere berufliche Verwendungen und andere Arbeitgeber geben. Auch der Weg in individualisierte Märkte steht ihnen offen.102 Diese Möglichkeiten verhindern, dass Anreize für Humankapitalinvestitionen erheblich sinken. Schließlich ist der Wunsch nach einem frühen Ende des Arbeitsleben recht verbreitet, so dass bei nur vergleichsweise wenigen Arbeitnehmern die Frage nach Humankapitalinvestitionen in Vorbereitung auf ihre Beschäftigung nach dem üblichen Renteneintrittsalter relevant wird. Somit kann zusammenfassend gesagt werden, dass ineffiziente Humankapitalinvestitionen nur im Falle von allgemeinem Humankapital bei Arbeitssuchenden für den Arbeitgeber eine Externalität darstellt. Darüber hinaus werden die Fehlanreize hinsichtlich der Humankapitalinvestitionen durch statistische Diskriminierung hinsichtlich des Alters dadurch verringert, dass dem regelmäßig gering ausgeprägten Wunsch nach Beschäftigung ab einem bestimmten Alter noch ausreichend nicht diskriminierende Arbeitgeber und die Möglichkeit der Selbstständigkeit gegenüberstehen. c) Auswirkungen des ADEA auf Investitionen in Humankapital Weiterhin ist es zweifelhaft, dass die Regelungen des ADEA geeignet sind, etwaige Unterinvestitionen in allgemeines und firmenspezifisches Humankapital abzuwenden. Befürworter von Altersdiskriminierungsgesetzen führen oftmals an, dass das Verbot von Altersdiskriminierung optimale Investitionen in Humankapital durch ältere Menschen fördere und somit auch effizienzsteigernd wirke. Es wird angenommen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen die Zurückhaltung bei der Einstellung Älterer durch gesetzlichen Zwang aufheben könnte.103 Das Risiko von Gerichtsverfahren und Sanktionen könnte den Arbeitgeber dazu bringen, auch ältere Menschen vermehrt einzustellen. Dies sollte deren Einstellungschancen und so wiederum den Ertrag der Humankapitalinvestitionen steigern und mithin ältere Menschen zu effizienteren Investitionen bewegen. Weiterhin ist vorstellbar, dass das Verbot der Nutzung des Lebensalter als proxy für die Produktivität des Arbeitnehmers bei der Einstellungs-, Beförderungs- oder Entlassungsentscheidung zur vermehrten individuellen Posner, Aging and Old Age, S. 328. Dazu sogleich im 4. Kapitel, unter B. III. 2. 103 Dahingehend für Diskriminierung am Arbeitsmarkt im allgemeinen: Lundberg / Startz, 73 Am. Econ. Rev. 340, 342. 101 102

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Betroffenen führt, bei der sich Investitionen in Humankapital besonders auszahlen sollten. Jedoch wurde eine effektive Durchsetzung des Verbots der Altersdiskriminierung gerade bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen durch den ADEA in den USA nicht erreicht. Empirischen Studien zufolge hat das Gesetz eher den Effekt, Einstellungen älterer Menschen noch zu verhindern. Daher verbessert der ADEA in dieser Hinsicht nicht die Anreize von älteren Arbeitnehmern, in ihr Humankapital zu investieren, sondern trägt zu dem Problem der Unterinvestitionen noch bei. Auch der Schutz vor altersdiskriminierenden Entlassungen durch den ADEA wird nicht zu verbesserten Investitionen in Humankapital der Beschäftigten insgesamt führen. Der Rückgriff auf individualisierte Überprüfung der Leistungsfähigkeit ist häufig zu kostenintensiv. Daher wird der Arbeitgeber zumeist auf das Verbot der Nutzung des Alters als proxy reagieren, indem er auf andere proxies für die Produktivität der Arbeitnehmer zurückgreift.104 Das Verbot führt also dazu, dass zwar ein besonders leistungsfähiger älterer Arbeitnehmer optimal in sein Humankapital investiert. Die Arbeitnehmer aber, die den durch den neuen proxy benachteiligten Gruppen angehören, werden nun unterinvestieren.105 Weiterhin wird der nun verwendete Näherungswert für die Leistung des Arbeitnehmers weniger effizient sein als es das Lebensalter eines Menschen ist. Sonst hätte der Arbeitgeber ihn schon ohne rechtliche Verpflichtung dem Altersmerkmal vorgezogen. Ein weniger effizienter proxy führt zu schlechterem job- matching, was wiederum die Kosten des Faktors Arbeit für den Arbeitgeber anwachsen lässt und die Höhe der Löhne oder die Zahl der Arbeitsplätze senkt. Geringere Löhne oder Arbeitsplatzverlust verringern wiederum den Ertrag der Humankapitalinvestitionen und schwächen damit die Anreize von Arbeitnehmern, in ihr Training zu investieren.106 Die alternative Reaktion auf das Verbot des Alters als proxy ist es, alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf Merkmale oder Leistungsüberprüfungen gleich zu behandeln. Dies jedoch benachteiligt die überdurchschnittlich guten Arbeitnehmer, da deren höhere Leistung nicht honoriert wird. Vorteile bringt es für leistungsschwache Arbeitnehmer, da ihre unterdurchschnittliche Leistung unberücksichtigt bleibt.107 Die vermehrten Anreize leistungsschwacher Arbeitnehmer in Bezug auf Humankapitalinvestitionen werden die reduzierten Anreize bei leistungsstarken Arbeitnehmern nicht überwiegen. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Erträge von Humankapitalinvestitionen bei überdurchschnittlich leistungsstarken Arbeitnehmern höher sind. 104 Auch Thüsing weist darauf hin, dass Schutz vor Diskriminierung bestimmter Gruppen regelmäßig zur Diskriminierung anderer, nicht geschützter Arbeitnehmergruppen führt (Thüsing, ZFA 2006, 252). Dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter B. V. 105 Posner, Economic Analysis of Law, S. 353. 106 Posner, Economic Analysis of Law, S. 354. 107 Posner, Aging and Old Age, S. 327.

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Zusammenfassend hat der ADEA eher die Wirkung Humankapitalinvestitionen zu senken, als diese zu steigern. Denn das Verbot des Alters als proxy verändert nicht die wirtschaftlichen Anreize, die mit der Verwendung von statistischer Diskriminierung anhand hinreichend aussagekräftiger Signale einhergehen. Statistische Diskriminierung wird notfalls anhand anderer Merkmale fortbestehen, solange sich dies zur Senkung von Informationskosten im screening Prozess rechnet. Die einzige Ausnahme sollte die Situation sein, in der individuelle Untersuchungen der Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern kostengünstiger sind, als der Rückgriff auf alternative proxies zum Lebensalter. Dann wird der ADEA solche individuelle Beurteilungen fördern und damit Anreize für die Investition in Humankapital für die überdurchschnittlich Leistungsstarken setzen. Aber dies sind gleichzeitig die Situationen, in denen der Wettbewerbsdruck des Marktes den Arbeitgeber bereits zu individueller Leistungsbeurteilung bewegen wird, ohne dass es eines Altersdiskriminierungsgesetzes bedarf.

2. Ineffizienter Wechsel in den individualisierten Markt wegen statistischer Diskriminierung Während Schwab108 grundsätzlich der Effizienz von statistischer Diskriminierung zustimmt, weist er auf Umstände hin, unter denen diese Art der Ungleichbehandlung auch zu Effizienzverlusten auf dem Beschäftigungsmarkt führen kann. Er erläutert, dass jeder Mensch in zwei verschiedenen Märkten seine Arbeitsleistung anbieten kann. Auf der einen Seite gibt es den „standardisierten Arbeitsmarkt“, auf dem Arbeitgeber die Leistung ihrer einzelnen Arbeitnehmer wegen Informationsdefiziten nicht kostengünstig beurteilen können. Dies ist in der Regel bei Arbeitsverhältnissen der Fall, bei denen sich der Lohn nach der Arbeitszeit richtet. Auf der anderen Seite kann Arbeit aber auch am „individualisierten Markt“ angeboten werden, auf dem die individuelle Produktivität des Einzelnen bekannt ist und unmittelbar als Grundlage für die Vergütung dient. Hierzu gehören insbesondere Selbständige, Unternehmer oder Personen, die pro Stückzahl bezahlt werden. Statistische Diskriminierung drängt Personen, die produktiver sind als der Durchschnitt der Gruppe, der sie angehören, vom standardisierten in den individualisierten Markt, weil sie dort auf Basis ihrer individuellen (höheren) Produktivität bezahlt werden.109 Ineffizienzen treten auf, wenn dadurch Menschen, die eigentlich in einem abhängigen Arbeitsverhältnis auf dem standardisierten Markt ohne statistische Diskriminierung produktiver wären, in die Selbständigkeit des individualisierten Marktes gedrängt werden, obwohl dort ihre Produktivität niedriger ist.110 Die Kosten der ineffizienten Allokation von Arbeitskräften in Märkten, in Schwab, 76 Am. Econ. Rev. 228, 229. Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 581. 110 Beispiel: Ein älterer Mensch hat eine Prokuktivität von 100 am standardisierten und von 90 am individualisierten Markt. Da aber die durchschnittliche Produktivität seiner Alters108 109

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denen sie nicht ihre höchste Produktivität erreichen, nimmt der statistisch diskriminierende Arbeitgeber nicht in seine Berechnung auf. Sie stellen mithin eine Externalität dar. Dies könnte gesetzgeberische Intervention mit dem Ziel der Internalisierung der Effizienzverluste in die Arbeitgeberentscheidung rechtfertigen. Ob diese ineffiziente Re-Allokation von Arbeitskräften vom standardisierten in den individualisierten Arbeitsmarkt auch gesamtwirtschaftlich zur Ineffizienz von statistischer Diskriminierung führt, hängt aber davon ab, ob sie die Effizienzsteigerungen aus den reduzierten Informationskosten übersteigt oder nicht. Die Bezifferung dieser Kosten ist eine empirische Frage, die in diesem Rahmen nicht beantwortet werden kann. Maßgeblich wird dabei aber sein, wie häufig Arbeitnehmer angesichts statistischer Diskriminierung tatsächlich vom standardisierten in den individualisierten Markt wechseln können und wechseln werden und wie groß die Differenz der jeweiligen Produktivität in den Märkten ist. Diesem Wechsel stehen verschiedene Probleme entgegen. Schwab selbst betont, dass sein Modell auf den Annahmen basiert, dass der Arbeitsleistungsanbieter in beiden Märkten dasselbe Produkt anbieten kann und dass seine Produktivität durch Training in beiden Märkten gleichsam gesteigert werden kann.111 Es ist aber anzunehmen, dass die Fertigkeiten, die einen abhängigen Arbeitnehmer produktiv machen, sich oftmals von denen, die einen Selbstständigen erfolgreich machen, unterscheiden. Weiterhin werden die Produkte, die in den verschiedenen Märkten gewinnbringend angeboten werden, sich regelmäßig unterscheiden, weil im individualisierten Markt der Selbstständigkeit Dienstleistungen eine erheblich größere Rolle spielen. Auch werden Tätigkeiten, die regelmäßig nach Zeit bemessen werden sich von solchen erheblich unterscheiden, bei denen der Erfolg anhand der produzierten Stückzahl zu messen ist. Schließlich ist es unwahrscheinlich, dass Investitionen in Humankapital in Form von Training in beiden Märkten zu gleichen Produktivitätssteigerungen führen. Jedenfalls im Arbeitsverhältnis akkumuliertes firmenspezifisches Humankapital wird zumeist nicht in höhere Produktivität am individualisierten Markt resultieren. Schwabs Annahmen werden daher eher selten zutreffen. Fraglich ist daher, inwieweit die ineffiziente Allokation einiger Arbeitskräfte im individualisierten Markt, wie sie Schwab beschreibt, im Rahmen von Altersdiskriminierung Gewicht hat. Eine neuere Studie über Selbständigkeit zeigt, dass in den USA die Rate der Selbständigen mit zunehmendem Alter steigt und dass in der Folge ein überproportionaler Anteil der Selbstständigen aus älteren Menschen besteht. Im Jahr 2002 waren 5,6 Millionen Beschäftigte über 50 Jahren selbständig. Das entspricht 16,4% der Erwerbstätigen über 50 Jahre. Die Selbständigkeitsquote auf alle Erwerbstätigen gerechnet liegt bei nur 10,2%. Aus einem anderen Blickgruppe, die dem Arbeitgeber als proxy dient, 80 ist, wird er auch nur in Höhe von 80 entlohnt. Somit wird er angesichts der statistischen Diskriminierung in den individualiserten Markt wechseln, was für ihn einen Gewinn von 10 bedeutet. Seine dort um 10 niedrigere Produktivität bedeutet aber gleichzeitig einen Effizienzverlust. 111 Schwab, 76 Am. Econ. Rev. 228, 229.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

winkel machten die über 50-Jährigen im Jahr 2002 nur 25% der Erwerbstätigen aus, während ihr Anteil bei den selbstständig Erwerbstätigen 40% betrug.112 Diese Zahlen geben einen Hinweis, wie häufig der von Schwab beschrieben Wechsel vom standardisierten in den individualisierten Markt vollzogen wird. Es ist wahrscheinlich, dass viele dieser Wechsel auch durch die Probleme älterer Menschen bei der Suche nach und dem Erhalt von abhängiger Arbeit motiviert werden. Leider bleibt aber offen, welche Rolle Altersdiskriminierung genau bei der Tendenz Älterer zur Selbstständigkeit spielt. Auch treffen diese Zahlen keine Aussage darüber, ob der Wechsel in die Selbstständigkeit die Arbeitskraft der Betroffen auf ineffiziente Weise am individualisierten Markt verortet. Denkbar wäre auch, dass ihre höhere Produktivität in der Selbstständigkeit ältere Menschen zu diesem Wechsel veranlasst hat. Dann läge darin eine Effizienzsteigerung, da diese Dienste sich auf dem individualisierten Arbeitsmarkt zum höchstmöglichen Wert gebracht würden. Schließlich ist das Verbot der Altersdiskriminierung durch den ADEA nicht geeignet, dieses Re-Allokationsproblem zu lösen. Hier greifen die gleichen Argumente, wie bei der Humankapitalkritik an Altersdiskriminierung: Auswirkung des Verbots der Nutzung des Lebensalters als proxy ist nicht das Verschwinden der Erscheinung von statistischer Diskriminierung insgesamt, sondern zumeist das Ausweichen auf andere proxy. Die leistungsstarken Mitglieder der vom neuen Signalwert systematisch benachteiligten Gruppe werden ähnliche Anreize für Wechsel in den individualisierten Markt haben, wie es zuvor die auf ältere Arbeitnehmer zutraf. Das Problem von ineffizienten Wechseln zwischen den Märkten bleibt mithin vom ADEA weitgehend unberührt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Schwab zutreffend mögliche Effizienzverluste identifiziert, die durch statistische Diskriminierung entstehen können. Sie entstehen aber wohl nur in begrenztem Umfang, da der Wechsel zwischen standardisiertem und individualisiertem Markt sich häufig schwierig gestaltet. Gleichwohl deuten empirische Daten darauf hin, dass gerade ältere Arbeitnehmer häufig in den individualisierten Markt wechseln. Ob dies jedoch durch statistische Diskriminierung verursacht wird und ob dadurch die Produktivität Älterer sinkt, ist unklar. Schließlich ist das Verbot der statistischen Altersdiskriminierung im ADEA auch ungeeignet, um das Allokationsproblem zu lindern, soweit es besteht. Denn das Verbot des Alters-proxy wird zumeist zum Auftreten neuer proxy führen, die wiederum Wechsel in den individualisierten Markt fördern können. Jedenfalls ist angesichts der Fülle der asymmetrischen Information in Arbeitsverhältnissen zu vermuten, dass die Effizienzsteigerungen durch die mit der Benutzung von proxy einhergehender Reduzierung von Informationskosten die Effizienzverluste durch Reallokation von Arbeitskräften in den individualisierten Markt regelmäßig überwiegen. 112 Karoly / Zissimopoulos, Self-Employment and the 50+ Population, S. 110; ausführlich: Karoly / Zissimopoulos, 127 Monthly Lab. Rev. 24.

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3. Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher der Ansicht zuzustimmen, nach der statistische Diskriminierung grundsätzlich effizient ist. Effizienzmindernde Fehlanreize beim Humankapital und beim Wechsel in den individualisierten Markt haben im Vergleich zur Einsparung der Informationskosten ein nicht sehr großes Gewicht. Schließlich verhindert ein Verbot der Nutzung eines bestimmten proxy diese Fehlanreize nicht, sondern verlagert sie nur auf andere Indikatoren für Leistung im Arbeitsverhältnis.

IV. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung Das Modell der statistischen Diskriminierung unter Benutzung des Lebensalters eines Menschen als Signal für dessen Produktivität und Eignung ist gut auf Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt anwendbar. Häufig werden Charakteristika eines durchschnittlichen Arbeitnehmers einer bestimmten Altersgruppe auch anderen Angehörigen dieser Altersgruppe zugeordnet.113 Bereits im Jahre 1965, kam Secretary of Labor W. Willard Wirtz in seinem Bericht für den U.S.-amerikanischen Kongress über Altersdiskriminierung zu diesem Schluss.114 In der betrieblichen Personalpolitik kann das Lebensalter daher als rationales Ausleseprinzip fungieren: „Das kalendarische Alter der Arbeitnehmer ist für die Betriebe, solange keine differenzierteren funktional bezogenen Informationen und Kriterien vorliegen, eine durchaus tragfähige Umschreibung für den Grad der Leistungsfähigkeit, für körperlichen Verschleiß, Qualifikation, Produktivität usw.“115 1. Lebensalter als kostengünstiger Indikator Aus verschiedenen Gründen bietet sich das Lebensalter gerade im Zusammenhang mit älteren Menschen als proxy an. Wie bereits erörtert, entscheidet ein gewinnmaximierender Arbeitgeber die Frage der Verwendung eines proxy anhand einer Kostenminimierungsfunktion, die die Verfügbarkeit, Genauigkeit sowie Kosten und Nutzen individueller Leistungsüberprüfung, der Verfügbarkeit, Genauigkeit sowie Kosten und Nutzen der Benutzung des Signalwerts gegenüberstellt. Die fol113 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 109; Macnicol, Age Discrimination, S. 30; Posner, Aging and Old Age, S. 322; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 101 ff.; Wenzel, ZSR 2006, 379 f. Vgl. zu den Einstellungen der Arbeitgeber im 3. Kapitel, unter E. 114 „Although age discrimination rarely is based on the sort of animus that motivates racial, national origin, or religious discrimination, it is based upon stereotypical assumptions of the abilities of the aged, unsupported by objective facts.“ Wirtz, Age Discrimination in Employment: Report to Congress, conclusion 3. 115 Vgl. Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 24 f.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

genden Erwägungen führen nicht dazu, dass das Lebensalter immer ein kostengünstiges Signal für die Leistungsfähigkeit eines Menschen ist, zeigen aber, warum dies häufig so sein kann. a) Einfache Erkennbarkeit und Verwaltbarkeit Das Alter eines Menschen ist ein einfach erkennbarer und verwaltbarer Indikator. Das Lebensalter ist eines der ersten Dinge, die man bei einem Menschen bemerkt.116 Auch ist die Angabe des Alters oder die Aufforderung dazu in der Arbeitswelt heute (noch117) gängige Praxis. Diese Information steht dem Arbeitgeber damit zumeist ohne weiteres „kostenlos“ zur Verfügung. Damit stellt sich das Lebensalter wegen der einfachen Erfassung und Verwaltbarkeit als ein preisgünstiger proxy dar.118 b) Hohe Kosten und geringere Nutzen alternativer Tests Die Kosten der Überprüfung von Eigenschaften und Produktivität ist grundsätzlich unabhängig vom Lebensalter einer Testperson. Soll jedoch eine Gruppe von Arbeitnehmern auf ihre Leistungsfähigkeit überprüft werden, dann hängt die Zuverlässigkeit des Testsergebnisses bzw. der Leistungsbeurteilung und damit deren Fehlerkosten von der Varianz der jeweiligen Leistungswerte innerhalb der Gruppe ab.119 Mit größerer Streuweite der Testgruppe steigen die Kosten der Leistungsüberprüfung und deren Fehlerkosten.120 Die Varianz der Fähigkeiten innerhalb einer Alterskohorte vergrößert sich mit steigendem Lebensalter dieser Gruppe überdurchschnittlich stark.121 Somit sind die Kosten individueller Leistungsüberprüfung als Alternative zur Verwendung des Alters als Signalwert im Zusammenhang mit älteren Menschen höher, als das bei jüngeren Altersgruppen mit geringerer Leistungsvarianz der Fall ist. Weiterhin stellt sich die gesteigerte Fiske, in: Gilbert, Handbook of Social Psychology, S. 376. Seit Inkrafttreten des AGG wird zunehmend geraten, in Bewerbungsverfahren auf die Frage nach dem Lebensalter zu verzichten bzw. dahingehende freiwillige Angabe zu schwärzen, um einem Vorwurf der Benachteiligung wegen des Alters begegnen zu können. Vgl. etwa F.A.Z. v. 26. 10. 06 „ ,Jung dynamisch‘ hat ausgedient“. Ausführlich zum Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Alter im 7. Kapitel, unter B. V. 9. 118 So auch, Koller / Gruber, MittAB 2001, 481, 483; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 250. 119 Zu Fehlerquellen bei der Leistungsbeurteilung am Beispiel der Zeugniserstellung, Weustler, PERSONAL 2003, 20 ff. 120 Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 158, 402 f. 121 Die steigende Varianz basiert auf einem Zusammenspiel von biologischen, psychischen und sozialen Einflüssen, die durch Kohorteneffekte überlagert werden. Vgl. Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 15 f., 26; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 32; Posner, Aging and Old Age, S. 326. 116 117

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Varianz von Produktivität und anderen Eigenschaften mit zunehmendem Alter als Nachteil aus Sicht des risikoaversen Arbeitgebers dar.122 Auch diese Erscheinung kann zu einer Bevorzugung jüngerer Personen gegenüber älteren am Arbeitsmarkt führen. Weiterhin sind individuelle Überprüfungen von Fähigkeiten und Eignung bei Personen fortgeschrittenen Lebensalters mit geringerem Nutzen verbunden. Denn Investitionen in die genaue Leistungsermittlung von (potentiellen) Arbeitnehmern zahlen sich bei steigendem Lebensalter weniger aus. Die Ressourcen, die auf die Ermittlung des am besten geeigneten Kandidaten für eine Einstellung, Beförderung oder Entlassung bzw. Pensionierung verwendet werden, müssen sich in der Folgezeit amortisieren.123 Dies bedeutet bei der Einstellung oder Beförderung, dass die erhöhte Produktivität des Ausgewählten über die noch zu erwartende Restarbeitszeit die Kosten individueller Überprüfung überwiegen muss. Da höheres Lebensalter regelmäßig mit einer kürzeren Restarbeitszeit einhergeht, lohnen sich Nachforschungen im Einzelfall bei älteren Menschen weniger. Hingegen bietet sich die Verwendung ihres Alters als Signal für die Produktivität an. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Auswahl desjenigen, der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten angesichts einer Reduzierung der Belegschaft frühverrentet oder entlassen werden soll. Der Arbeitgeber möchte zwar das Arbeitsverhältnis mit dem unproduktivsten Arbeitnehmer beenden. Aber auch hier bieten sich gerade bei älteren Arbeitnehmern eher die Verwendung des Lebensalters als proxy anstatt individueller Tests an. Denn wiederum ist der zu erwartende Zeitraum, in dem sich eine fehlerhafte Entlassung eines etwas produktiveren Arbeitnehmers und der Verbleib des etwas unproduktiveren Kollegen auswirken könnten, durch das nahende Karriereende verkürzt. Dieser Überlegung könnte man entgegenhalten, dass auch bei jüngeren Arbeitnehmern infolge wachsender Mobilität am Arbeitsmarkt die Möglichkeit besteht, dass diese nach kurzer Zeit den Arbeitgeber verlassen und so eine Amortisierung der Kosten individueller Leistungsüberprüfung unmöglich machen.124 Dieser Wechsel kann im Einzelfall schon nach einem kürzeren Zeitraum erfolgen, als das Ausscheiden eines älteren Menschen aus dem Arbeitsleben. Zu berücksichtigen ist aber, dass die steigende Mobilität am Arbeitsmarkt nicht nur jüngere Arbeitnehmer betrifft sondern auch die älteren. Das nahende Karriereende ist aber eine Grundtendenz, die nur auf ältere Arbeitnehmer zutrifft. Entscheidend ist jedoch, dass die übliche Verweildauer von Arbeitskräften bei einem Arbeitgeber von Wirtschaftszweig, Branche, Betriebsgröße, Unternehmensklima und zahlreichen anderen Faktoren abhängig ist. Pauschale, landesweite Statistiken über die Verweildauer nach Altersgruppen sind für den einzelnen Betrieb wenig aussagekräftig.125 Der betrofDickinson / Oaxaca, Statistical Discrimination in Labor Markets, S. 3 ff. Posner, Aging and Old Age, S. 326; Rutherglen, 24 J. Legal Stud. 491, 499. 124 So Koller / Gruber, MittAB 2001, 482; bezüglich des australischen Arbeitsmarktes, Brooke, 24 Int. J. of Manpower 260, 267. 122 123

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fene Arbeitgeber ist in der besten Position zu erkennen, welche Altersgruppen üblicherweise kürzer oder länger in seinem Betrieb verweilen und welche den Arbeitgeber wechseln, bevor eine Amortisierung möglich ist. Diese Kenntnisse wird er bei der Entscheidung, ob die Verwendung eines Näherungswertes, wie des Alters, einer individuellen Leistungsüberprüfung vorzuziehen ist, zur eigenen Gewinnmaximierung mit einbeziehen. Tut er dies nicht, drohen Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu Konkurrenten, die diese Prognose zutreffender vornehmen. c) Genauigkeit des proxy „Lebensalter“ Neben der kostengünstigen Erkennbarkeit und Verwaltbarkeit des Alterssignals und der häufig kostenintensiven Leistungsüberprüfung mit vergleichsweise geringem Nutzen gerade bei Älteren ist von Gewicht, wie zutreffend Aussagen über Eigenschaften und Leistungsfähigkeit eines Menschen anhand des Lebensalters sind. Ist die Korrelation des proxy mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit nur gering, gehen damit Fehlerkosten einher, die der Arbeitgeber durch genauere Einzelfallprüfung vermeiden könnte. Häufig wird daher gegen die Verwendung des Alters als proxy eingewandt, dass das Alter einer Person oftmals kein besonders genauer Indikator ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen sei, und die Verwendung von Ungleichbehandlungen aus Gründen des Alters sich häufig auf Stereotypen und Vermutungen stützten, die die Vielfältigkeit von Personen in bestimmten Altersklassen tendenziell außer Acht zu ließen.126 Vielmehr zeigten Ergebnisse der gerontologischen Forschung, „dass die Entwicklung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit allein aufgrund des Alters schwer zu typisieren ist und durch eine Reihe unterschiedlicher Faktoren wie beispielsweise die Ausgangsbegabung, Bildungsgrad, Übung durch die berufliche Tätigkeit, Anregung durch die Umgebung etc. bestimmt wird.“127 So wird in der heutigen Wissenschaft das so genannte „Defizitmodell des Alters“ weitläufig kritisiert.128 Dieses Modell wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt und vertrat einen biologischen Automatismus, nach dem Lebensalter und körperliche Abbauprozesse miteinander verbunden sind.129 Belegt 125 Vgl. etwa bei: OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 63 f.; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 61 ff. 126 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 33. 127 Bouchouaf, KritJ 2006, 311; vgl. auch Evans, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 11 ff. 128 Dazu: BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 76; Koller / Gruber, MittAB 2001, 496; Koller / Plath, MittAB 2000, 118; Lehr, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 4; Maintz, in: Badura / Schellschmidt / Vetter, Fehlzeiten-Report 2002, S. 47 ff.; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 20 ff. 129 Beispielsweise Miles, 10 Journal of Genetic Psychology 208. Dazu ausführlich: Lehr, Psychologie des Alterns, S. 46 ff.; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 20 ff.

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wurde dies durch Querschnittsuntersuchungen, bei denen Personen verschiedenen Lebensalters zu einem bestimmten Zeitpunkt miteinander verglichen wurden. Diese Art der Untersuchung hat aber die methodische Schwäche, dass sie die Überlagerung der Ergebnisse durch Kohorteneffekte nicht berücksichtigt. Querschnittsuntersuchungen können regelmäßig nicht differenzieren, ob die ermittelten Eigenschaften einer Altersgruppe wirklich auf deren Alter beruhen oder ob sie auf die Kohortenzugehörigkeit zurückzuführen sind, weil etwa bestimmte Jahrgänge unterschiedlich gute Ausbildung oder Gesundheit aufweisen.130 Solche Unklarheiten und Fehlschlüsse können durch Längsschnittstudien, wie sie der differentiellen Altersforschung zugrunde liegen, vermieden werden. Das heute verbreitete „Modell des differentiellen Alterns“ wird der Entwicklung der Eigenschaften und Leistungsfähigkeit eines Menschen über den Verlauf seines Lebens erheblich besser gerecht.131 Hiernach ist Altern ein individuell differenzierter, lebenszeitlicher Wandlungsprozess, während dessen in unterschiedlichen Lebensphasen verschiedene körperliche, geistige und soziale Eigenschaften und Fähigkeiten im Vordergrund stehen. Auch können Leistungsminderungen durch geeignete Instrumente entgegengesteuert werden.132 Ingesamt finden Studien über Produktivität älterer Menschen keine klaren Belege für eine sinkende Produktivität im Alter. Die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz insgesamt korreliert nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kaum mit dem Lebensalter.133 Mehrheitlich wird vielmehr davon ausgegangen, dass alte Menschen grundsätzlich über das gesamte Erwerbsleben produktiv sein können, soweit sie durch entsprechende Arbeitsgestaltung und Investitionen in Humankapital unterstützt werden.134 Neben dem kalendarischen Alter haben die jeweilige „Grundausstattung“ der einzelnen Person, die Kohortenzugehörigkeit, die früheren und aktuellen Lebensumstände sowie die in der Gesellschaft verbreiteten Vorstellungen über das Alter nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Leistungsfähigkeit.135 Auch die Anpassungsfähigkeit an betriebliche Innovationen ist grundsätzlich altersunabhängig.136 130 Bookmann / Zwick, ZAF 2004, 54; Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 32; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 28 f. 131 Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 32; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 28 f.; zu heute weniger verbreiteten Modellen und Theorien des Alterns: Lehr, Psychologie des Alterns, S. 45 ff.; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 22 ff. 132 Maintz, in: Badura / Schellschmidt / Vetter, Fehlzeiten-Report 2002, S. 50 f., 53. 133 Börsch-Supan / Düzgün / Weiss, Altern und Produktivität, S. 10 ff.; Engstler, in: TeschRömer / Engstler / Wurm, Altwerden in Deutschland, S. 521. 134 Vgl. Börsch-Supan / Düzgün / Weiss, Altern und Produktivität, S. 4 ff.; Eichhorst, ZSR 2006, 117. 135 Becker / Bobrichtchev / Henseler, Ältere Arbeitnehmer und alternde Belegschaften, S. 3 f. 136 Lehr, Psychologie des Alterns, S. 215 f.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Einzelne arbeitsrelevante Eigenschaften ändern sich jedoch mit zunehmendem Alter.137 So besteht weitestgehend Einigkeit, dass Ältere seltener krank sind aber häufiger von Mehrfacherkrankungen betroffen sind und sich langsamer erholen, was zu einem höheren Arbeitsausfall führt.138 So wiesen etwa ältere Arbeitnehmer über 50 Jahre in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2003 durchschnittlich doppelt so viel krankheitsbedingte Fehltage auf (rund 30 Tage pro Jahr) als Arbeitskräfte im Haupterwerbsalter (ca. 15 Tage pro Jahr).139 Insbesondere manche Krankheiten, wie Herz- / Kreislauferkrankungen oder Muskel- und Skeletterkrankungen weisen eine große Korrelation mit dem Alter auf.140 Auch steigt das Risiko der Pflegebedürftigkeit mit dem Alter.141 Hinsichtlich der kognitiven Leistungsfähigkeit ist anerkannt, dass die fluide Intelligenz142 im Alterungsprozess zurückgeht, während die kristalline Intelligenz143 stabil bleibt.144 Die Muskelkraft sinkt mit dem Alter und erreicht bei Alter 50 noch 70% ihrer Maximalkapazität. 145 Auf der anderen Seite nimmt beispielsweise das Erfahrungswissen von Mitarbeitern, das eine wichtige Komponente seiner beruflichen Fähigkeiten ausmacht, mit der Dauer in einer Tätigkeit zu, was mittelbar mit dem Alter eines Menschen verknüpft ist.146 Diese Daten treffen jedoch keine Aussage, inwieweit sich die grundsätzlich konstante Produktivität und veränderte Eigenschaften Älterer am jeweiligen Arbeitsplatz konkretisieren. So werden 70% der Maximalmuskelkraft in der ganz großen Mehrheit der Verwendung vollkommen ausreichend sein. In einigen Bereichen kann verminderte fluide Intelligenz das Arbeitsprodukt erheblich schmälern, während in anderen die kristalline Intelligenz im Vordergrund steht. Ob also obige Tendenzen einen Makel oder Vorteil älterer Arbeitnehmer bedeuten, muss für den Einzelfall festgestellt werden. Arbeitgebern wird im Zusammenhang mit Altersdiskriminierung häufig vorgeworfen, dass sie bei Entscheidungen im Arbeitsverhältnis systematisch die Er137 Vgl. auch den Überblick mit medizinischer Herleitung bei Dunkel-Benz, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 25. 138 BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 76; Lehr, Psychologie des Alterns, S. 218 f.; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 167; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 52 f. 139 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 165 ff.; ausführliche Daten bei Vetter, in: Badura / Schellschmidt / Vetter, Fehlzeiten-Report 2002, S. 249 ff. 140 BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 76. 141 Becker, JZ 2004, 930. 142 Fluide Intelligenz ist ausschlaggebend dafür, wie flüssig Umstellungen gelingen, was widerum auf der geistigen Wendigkeit, Kombinationsfähigkeit, Koordination kognitiver Prozesse, Genauigkeit und Orientierung in Situationen basiert. 143 Kristalline Intelligenz umfasst Fähigkeiten, die Allgemeinwissen, Erfahrungswissen, Wortschatz und Sprachverständnis voraussetzen. 144 Börsch-Supan / Düzgün / Weiss, Altern und Produktivität, S. 4; Lehr, Psychologie des Alterns, S. 78 f.; Oswald, Z. Geront. Geriat. 2000, 12; Posner, Aging and Old Age, S. 161. 145 Lehr, Psychologie des Alterns, S. 211. 146 Koller / Plath, MittAB 2000, 121 f.

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kenntnisse der Gerontologie ignorieren und weiter vom Defizitmodell ausgehen.147 Jedoch lässt sich dieser Vorwurf nur bedingt mit dem obigen Überblick über die Einstellungen amerikanischer und deutscher Arbeitgeber vereinbaren. Vorzüge wie Nachteile werden danach mit älteren Arbeitnehmern verbunden und die Wichtigkeit von Arbeitsplatzanpassung und Schulungen verbreitet erkannt.148 Weiterhin kann exemplarisch die Kritik von Lüderitz am Defizitmodell verdeutlichen, warum dieses Modell für Arbeitgeber seine Relevanz im Lichte der verschiedenen Kostenfaktoren eines proxy nicht vollkommen verloren hat: „Die Kritik an diesen Querschnittsuntersuchungen richtete sich unter anderem dagegen, dass die regelmäßig bessere Schulausbildung Jüngerer und der individuelle Gesundheitszustand unberücksichtigt blieben. Diese Faktoren waren mitentscheidend für ein erheblich schlechteres Abschneiden Älterer. Auch wurde die zunehmende Streuweite der Ergebnisse der älteren Gruppe nicht beachtet, einzelne schlechte Ergebnisse wirkten sich daher negativ auf das Gesamtbild Älterer aus.“149 Diese Kritikpunkte zeigen in der Tat, dass die Idee eines automatischen Leistungsabfalls allein wegen des höheren Lebensalters nicht haltbar ist. Dass ein etwaiges niedrigeres Leistungsprofil zum Zeitpunkt der Arbeitgeberentscheidung nicht auf der Intelligenz oder Leistungsbereitschaft des älteren Arbeitnehmers beruht, sondern etwa aus der schlechteren Schulbildung oder Gesundheit im Vergleich zu jüngeren, ist aber aus wirtschaftlicher Sicht des Arbeitgebers unerheblich. Er versucht nicht den guten oder widrigen Umständen, von denen ein Mensch in der Vergangenheit geprägt wurde, gerecht zu werden, sondern er versucht, den besten Arbeitnehmer für eine Stelle angesichts von begrenzter Information über dessen Eigenschaften zu finden. Im Gegensatz zur Altersforschung verfolgt ein Arbeitgeber nicht das Ziel, zu ergründen (oder zu widerlegen), dass das Alter eines Menschen Ursache für dessen Eigenschaften und Fähigkeiten ist, sondern dass das Alter ein Indikator für die an einem bestimmten Arbeitsplatz relevanten Eigenschaften und Fähigkeiten ist. Auch der verbreitete Hinweis, dass mit zunehmendem Alter keine schlechtere sondern eine andere Arbeitsleistung vorliegt,150 hilft aus Sicht des Arbeitgebers meist nicht weiter. Dass das Erstarken einer Eigenschaft für den Arbeitgeber eine Kompensation für eine mit dem Alter schwächer werdende andere Eigenschaft darstellt, kann punktuell der Fall sein, ist aber mitnichten zu verallgemeinern. Eine typische Aussage auf Basis der neueren Gerontologie ist: „Im Alter nimmt regelmäßig die Reaktionszeit ab, doch kann dies bei den meisten Berufen durch eine mit zunehmendem Alter größere Erfahrung ausgeglichen werden.“151 Das mag für manche Berufe stimmen, hilft aber dem Arbeitgeber, der einen Fahrservice oder Personen147 Frerichs, in: Rust / Lange / Pfannkuche, Altersdiskriminierung und Beschäftigung, S. 33; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 32 f.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 28. 148 Vgl. ausführlich im 3. Kapitel, unter E. 149 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 29. 150 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 30. 151 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 30 f.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

schutz betreibt, nicht.152 Auch der zweite Kritikpunkt, dass das Defizitmodell die Varianz innerhalb von Altersgruppen ignoriert, geht fehl. Wie oben gezeigt, ist gerade diese steigende Streubreite der Fähigkeiten ein Faktor, der individuelle Überprüfungen der Leistung gerade verteuert und einen risikoaversen Arbeitgeber abschreckt. Richtig ist aber, dass die gerontologische Forschung für den Arbeitgeber eine wertvolle Informationsquelle darstellen kann.153 Denn die Genauigkeit des proxy Alter für die Leistungsfähigkeit eines Menschen ist ein Faktor, bei der Frage, ob dessen Nutzung effizient ist. Auch gibt die Forschung wichtige Erkenntnisse, über die Möglichkeiten der Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit Älterer. Die Wichtigkeit dieser Punkte ist nicht zu unterschätzen, da sich viele Wirtschaftsbereiche aufgrund des demographischen Wandels darauf einstellen müssen, zunehmend ältere Menschen in die Arbeitsprozesse einzugliedern, da jüngere Arbeitskräfte mittelfristig nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen werden.154 Weiterhin ist die Erkenntnis der neueren Gerontologie, dass etwaige Leistungsminderungen Älterer nicht schicksalhaft sind, sondern durch geeignete Intervention häufig vermieden werden können, für den Arbeitgeber von großer Bedeutung. Hier gilt es Arbeitsplatzanforderungen und die betriebliche Weiterbildung frühzeitig anzupassen, soweit dadurch eine längere und effizientere Nutzung der Potentiale der Mitarbeiter ermöglicht werden kann. Jedoch bleiben auch angesichts dieser Erkenntnisse und Entwicklungen die gerontologischen Forschungsergebnisse für den Arbeitgeber nur einer der relevanten Faktoren. Die kostengünstige Verfügbarkeit und Messbarkeit des Signalmerkmals und die Kosten und Nutzen, die mit alternativen individuellen Tests einhergehen, sind weiterhin Teil der Rechnung. Und auch das Wissen um die steigende Streubreite der Fähigkeiten im Alter muss der Arbeitgeber berücksichtigen, wie auch die Kosten etwaiger Maßnahmen zur 152 Auch Lüderitz stellt fest, dass es notwendig ist, berufsbezogene Fertigkeiten nicht generell, sondern nach den speziellen beruflichen Anforderungen zu betrachten, Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 30. 153 Auch für die gesetzgeberische Intervention zur Verhinderung von Altersdiskriminierung können Schlüsse aus den Erkenntnissen der neueren Gerontologie gezogen werden: Gerade wenn die Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass Altern ein höchst individueller Prozesse ist, der sehr unterschiedlich abläuft, von vielen Faktoren beeinflusst wird und sich in verschiedenen Arbeitsumgebungen unterschiedlich auswirkt, erscheint es sensibel, den Arbeitsmarktakteuren im Einzelfall die Beurteilung zu überlassen, ob das Alter bei der jeweiligen zu besetzenden Stelle ein aussagekräftiges Kriterium ist oder nicht. Als Begründung für ein pauschales Verbot, Alter als Faktor in der Entscheidung von Arbeitgebern zu verwenden, taugen diese Erkenntnisse jedenfalls nicht. Im Gegensatz zum ADEA ist der Grundstein für diese Abwägung im Rechtfertigungstest des § 10 AGG durch den deutschen Gesetzgeber gelegt worden. Wie flexibel dieser Test tatsächlich ist, hängt aber maßgeblich von seiner Auslegung ab. Vgl. dazu ausführlich im 6. und 7. Kapitel. 154 Schneider / Stein, Personalpolitische Strategien deutscher Unternehmen zur Bewältigung demografisch bedingter Rekrutierungsengpässe bei Führungskräften, S. 11 ff.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 75 ff. Vgl. ausführlich zur demographischen Entwicklung am Arbeitsmarkt im 3. Kapitel, unter D.

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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Leistungserhaltung und -steigerung Älterer. Daher gilt die Annahme, dass die Folgen des Alterns immer einer differenzierenden und individualisierten Betrachtung bedürfen,155 bei der Personalauswahl nur bedingt. Es bleibt bei der Abwägung des Arbeitgebers zwischen Informationskosten und Fehlerkosten. Nur die Größe der einzelnen Variablen wird durch neue gerontologische Erkenntnisse beeinflusst. Schließlich ist zu beachten, dass Arbeitgeber sich des Alters einer Person nicht nur als Indikator ihrer Leistungsfähigkeit oder anderer persönlicher Eigenschaften bedienen. Insbesondere die Befragung deutscher Arbeitgeber ergab, dass diese mit älteren Arbeitnehmern verbundene höhere Kosten und strengere Schutzvorschriften mit dem Alter in Verbindung bringen und sich daher bei der Einstellung Älterer zurückhalten.156 Zwischen dem Lebensalter eines Menschen und steigenden Kosten für den Arbeitgeber besteht eine relativ starke Korrelation. In einigen Arbeitsverhältnissen liegt dies in einer an die Seniorität gekoppelten Entlohnung der Mitarbeiter begründet. Dieser Effekt wird durch die vergleichsweise hohen Lohnnebenkosten in Form von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland noch verstärkt, da diese prozentual an den Bruttolohn gekoppelt sind.157 Jedoch ist zu beachten, dass die Verbreitung von Senioritätslöhnen in Deutschland begrenzt ist und dass nicht alle mit zunehmendem Alter oder Dienstalter ansteigenden Löhne mit Fehlanreizen auf Seiten des Arbeitgebers einhergehen.158 Auch andere von Arbeitgebern genannten Kosten und Schutzvorschriften knüpfen in der Tat unmittelbar an das Alter oder mittelbar an die Betriebszugehörigkeitsdauer an, sodass die Korrelation mit dem Alters-proxy stark ist. Denn die durchschnittlich höhere Zahl der Krankheitstage Älterer bedeutet auch wegen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG Mehrkosten für den Arbeitgeber. Das gleiche gilt für oftmals nach dem Alter gestaffelte Urlaubsansprüche, Verdienstsicherungsklauseln und besonderen Kündigungsschutz Älterer in Tarifverträgen. Zu guter Letzt stellt das Lebensalter auch einen Indikator hinsichtlich der Humankapitaleigenschaften eines Menschen dar. Dies wird im Rahmen der Humankapitalaspekte der Altersdiskriminierung noch eigens diskutiert.159 Insgesamt stellt sich das Alter daher als hinreichend genauer proxy für zahlreiche kostenrelevante Faktoren dar.

2. Zusammenfassung Im Ergebnis zeigt das Modell der statistischen Diskriminierung große Übereinstimmungen mit Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt. Die Ergebnisse obiger Betrachtung zur Genauigkeit des Alters als Indikator zeigen aber auch, dass die 155 156 157 158 159

Becker, JZ 2004, 930. Vgl. dazu im 3. Kapitel, unter E. II. OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 121 f. Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter E. II. Dazu im 4. Kapitel, unter D. I. und II.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Aussagekraft des Lebensalters als proxy für die Leistungsfähigkeit Älterer begrenzt ist. Auch andere Faktoren spielen eine – im Einzelfall sehr gewichtige – Rolle. Dies muss und wird der gewinnmaximierende Arbeitgeber bei der Entscheidung, ob er anhand des Alters bei Maßnahmen im Arbeitsverhältnis unterscheiden sollte, berücksichtigen. Steht ein präziserer Näherungswert mit ähnlichem Verwaltungsaufwand zur Verfügung, ist dieser dem Lebensalter vorzuziehen. Auch wenn die Kosten der individuellen Messung der Leistungsfähigkeit niedriger sind, als die Fehlerkosten der Entscheidung nach Maßgabe des Alters, ist die Einzelfallprüfung angezeigt. Faktoren, die neben dem Alter die Leistungsfähigkeit des Einzelnen beeinflussen, wie die Ausgangsbegabung, die Übung durch die berufliche Tätigkeit, die Anregung durch die Umgebung oder die früheren und aktuellen Lebensumstände des Einzelnen, werden aber zumeist nur unter großem Aufwand messbar sein. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Arbeitgeber regelmäßig auf das Alter des Arbeitnehmers, als leicht messbaren und günstig zu verwaltenden Indikator zurückgreift. Schließlich zeigt das Lebensalter einer Person dem Arbeitgeber mit hinreichender Genauigkeit an, mit welchen besonderen Kosten und Schutzvorschriften er bei einer Einstellung bzw. bei der fortgesetzten Beschäftigung zu erwarten hat. Auch aus diesem Grund wird ein rational handelnder Arbeitgeber oftmals das Alter als Indikator verwenden. Die Vielschichtigkeit des Alterungsprozesses und der darin maßgeblichen Faktoren zeigt aber auch, dass das pauschale Verbot der Nutzung des Lebensalters als proxy für Leistung und Eigenschaften einzelner Menschen durch ein Altersdiskriminierungsgesetz den unterschiedlichen Situationen in der Arbeitswelt nicht gerecht wird. Sinnvoller ist es, wenn in den einzelnen Arbeitsverhältnissen entschieden wird, ob das Lebensalter angesichts der alternativen Informationskosten hinreichend aussagekräftig ist. Der Wettbewerb am Markt setzt Anreize, diese Abwägung so zutreffend wie möglich zu treffen.

V. Auswirkungen von Altersdiskriminierungsgesetzen auf die Effizienz Ungleichbehandlungen bei der Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses unter Nutzung des Lebensalters eines Menschen als statistischen Indikator sind nach dem ADEA verboten. Lindemann und Kadue machen dies in den ersten Sätzen ihres grundlegenden Werks zum ADEA klar: „Although aging may affect any individual employee’s physical and mental ability to work, Congress in passing the Age Discrimination in Employment Act (ADEA), rejected the legitimacy of the notion that all individuals decline in job performance as they age, and required covered employers to evaluate employees on individual merit rather than age.“160 Auch der Supreme Court entschied im Bereich des Title VII, 160

Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 3 f.

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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dass statistische Diskriminierung verboten ist, auch wenn sie auf sachlich zutreffenden statistischen Annahmen beruht.161 Dieses Urteil ist auch auf den ADEA anzuwenden. Man könnte als Hauptziel der Altersdiskriminierungsgesetzgebung sehen, den Arbeitsmarkt von vorurteilsbehafteten und nicht durch Tatsachen gestützten Annahmen über die Fähigkeiten von Menschen anhand ihres Alters zu befreien, damit statt dessen der „beste Kandidat“ für eine Einstellung, Beförderung oder Weiterbeschäftigung ausgewählt wird. Das Gesetz könne die Effizienz steigern, indem es dem Arbeitgeber Anreize gebe, seine Auswahlkriterien zu überprüfen, um wirklich den am besten geeigneten Bewerber auszuwählen.162 Diese Ansicht verkennt, dass diese Anreize gesetzlich nicht geschaffen werden müssen, sondern, wie gezeigt, im Wettbewerb bereits existieren. Vielmehr führt das Verbot von (auch statistischer) Altersdiskriminierung durch den ADEA eher zu Effizienzverlusten am Arbeitsmarkt. Diese Auswirkungen sind auch beim AGG denkbar, je nach dem ob sich eine statistische Diskriminierung als zulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters nach § 10 AGG einordnen lassen wird.163 Drei Reaktionen von Arbeitgebern sind denkbar, wenn die Benutzung des Alters als proxy verboten wird. Keine von ihnen ist aus Sicht der Effizienz wünschenswert. Zum einen könnten Arbeitgeber die standardisierte Beurteilung anhand des Alters als Produktivitätsindikator durch eine individualisierte Überprüfung der Leistung und Leistungsfähigkeit des Einzelnen ersetzen. Die Informationskosten, die mit dieser Überprüfung verbunden sind, werden im Falle von älteren Menschen besonders hoch sein, was in der größeren Varianz der Produktivität einer Altersgruppe mit zunehmendem Alter begründet liegt. Schließlich muss man davon ausgehen, dass gewinnmaximierende Arbeitgeber die Benutzung des Altersindikators bereits aus eigenem Antrieb eingestellt hätten, wenn die Informationskosten niedriger als der dadurch erreichte Produktivitätszuwachs gewesen wären. Die gesetzliche Herbeiführung dieses Wechsels von der Nutzung des Alters als proxy hin zu einer Einzelüberprüfung der Produktivität ist daher regelmäßig ineffizient. Zum Zweiten könnte der Arbeitgeber reagieren, indem er bei der Einstellung, Beförderung, Lohngestaltung, Kündigung oder anderen Entscheidung im Arbeitsverhältnis die Eigenschaften und Produktivität des Einzelnen gänzlich außer Acht lässt. Er erspart sich damit die Informationskosten der Einzelfallprüfung und wird dem Verbot der standardisierten Einschätzung anhand des Lebensalters durch das Antidiskriminierungsrecht gerecht. Entscheidungen auf dieser Basis werden aber zwangsläufig zu ineffizienten Ergebnissen führen. So wird sich beispielsweise das Lohnniveau vom Ideallohn, der grundsätzlich dem Wertgrenzprodukt des Arbeitnehmers entspricht, weiter entfernen.164 Auch wird die Produktivität des Unterneh161 Los Angeles Department of Water & Power v. Manhart, (1978), 435 U.S. 702, 708 f. (1978); Selmi, 74 Ind. L. Rev. 1233, 1234. 162 Vgl. Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 23, 59. 163 Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter B.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

mens sinken, wenn die erwartete Produktivität eines Arbeitnehmers bei der Einstellung oder Beförderung außer Acht bleibt. Schließlich wird ein Arbeitgeber mit einer derartigen Auswahlstrategie nach dem Prinzip der adversen Selektion besonders leistungsschwache Bewerber anziehen. Drittens bleibt dem Arbeitgeber angesichts des Verbots der Altersdiskriminierung nach dem ADEA die Möglichkeit, den Produktivitätsindikator „Alter“ durch einen anderen proxy zu ersetzen, um die Produktivität oder Eignung des Mitglieds einer Gruppe vorherzusagen.165 Dies ist wohl die wahrscheinlichste Reaktion des Arbeitgebers, da ihm so wenigstens einige der Einsparungen von Informationskosten durch die Nutzung eines Standards im Gegensatz zur individualisierten Beurteilung erhalten bleiben, ohne dass die Frage der Produktivität ganz ausgeblendet wird. Dem Arbeitgeber sind hierbei aber insoweit die Hände gebunden, als dass Title VII und der Americans with Disabilities Act in den USA auch weitere Unterscheidungsmerkmale verbieten. Mithin kann er nicht zur Nutzung von Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, ethnischer Herkunft oder Behinderung als proxy wechseln.166 Diese dritte Reaktionsmöglichkeit des Arbeitgebers kann aber nach dem Sinn und Zweck von Antidiskriminierungsgesetzen kaum gewünscht sein. So würde eine benachteiligte Gruppe durch eine andere ersetzt. Aber wichtiger noch ist aus ökonomischer Sicht, dass der neue proxy für die Produktivität des Arbeitnehmers regelmäßig weniger effizient sein wird als das Lebensalter als Indikator. Dies kann daran liegen, dass er die Leistung weniger genau vorhersagt als das Altersmerkmal, oder daran, dass er schwieriger zu messen bzw. teurer zu verwalten ist. Wäre er ein effizienterer proxy als das Lebensalter hätte der Arbeitgeber schon ohne gesetzlichen Zwang wirtschaftlicher Handeln können, indem er den proxy wechselt. Auch die Anreize von Arbeitnehmern können sich durch ein gesetzliches Diskriminierungsverbot verändern. So könnte das Verbot von statistischer Diskriminierung den Wechsel von älteren Arbeitnehmern vom standardisierten in den individualisierten Markt verhindern, wie es Schwab beschreibt. Wenn man davon ausgeht, dass einige dieser Wechsel von Arbeitnehmern vorgenommen werden, die am individualisierten Markt eine niedrigere Produktivität als am standardisierten Markt haben, geht mit dem Benachteiligungsverbot eine Effizienzsteigerung einher. Auch könnten die Anreize, in Humankapital zu investieren, für die überdurchschnittlich leistungsfähigen Älteren steigen. Wie gezeigt werden diese Wechsel aber eher selten und die Fehlanreize Älterer im Bereich des Humankapitals vergleichbar gering. Auch würde insbesondere die Verwendung eines neuen proxy die gleichen Re-Allokationen von Arbeitskräften zwischen den beiden Märkten und Posner, 136 U. Pa. L. Rev. 513, 516. Posner, 19 Int’l Rev. Law & Econ. 421, 424. 166 Weiterhin darf der neue Indikator nicht prozentual wesentlich häufiger Menschen einer bestimmten Altersgruppe betreffen, da sonst eine mittelbare Benachteiligung nach der disparate impact doctrine vorliegen kann. Vgl. dazu im 1. Kapitel, unter B. 164 165

B. Modell der statistischen Diskriminierung

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ähnliche Humankapitalanreize bei den dadurch benachteiligten Arbeitnehmergruppen verursachen. In der Zusammenfassung führen die Verhaltensfolgen, die ein Verbot des Altersproxy durch den ADEA bei Arbeitgebern hervorruft, entweder zu gesteigerten Informationskosten, zu Produktivitätsverlusten oder zur Verwendung weniger genauer Produktivitätsindikatoren. Dies bedeutet einen Effizienzverlust am Arbeitsmarkt. Dies kann nicht überzeugend durch die Verhinderung von ineffizienten Wechseln in den individualisierten Markt oder verbesserte Anreize zur Investition in Humankapital aufgewogen werden. Geht man dennoch von einigen Effizienzgewinnen in letzteren Bereichen aus, so hängt die Effizienz des Verbots insgesamt von der relativen Größe dieser Kosten ab. Weiterhin ist nicht zu erwarten, dass das Verbot der Altersdiskriminierung punktuell anzutreffende Fehleinschätzungen von Arbeitgebern über die Leistungsfähigkeit von älteren Menschen abbauen oder verhindern wird. Zum einen bestehen bereits Wettbewerbsanreize, derartige Fehler zu vermeiden. Zum anderen verstärken sich etwaige bestehende Vorurteile über die Leistungsfähigkeit von älteren Menschen eher dadurch, dass der Erlass von Schutzgesetzen deren Image als förderungsbedürftige „Problemgruppe“ noch unterstreicht.167 Im Ergebnis ist eine Antidiskriminierungsgesetzgebung, die statistische Altersdiskriminierung verbietet, daher effizienzmindernd. Im Bereich des AGG wäre aber jedenfalls denkbar, dass bestimmte Fälle dieser Ungleichbehandlung nach § 10 AGG gerechtfertigt werden können, um diese Verluste einzudämmen.168

VI. Ergebnis Das Modell der statistischen Diskriminierung hat einen hohen Erklärungswert im Bereich von Ungleichbehandlungen wegen des Alters am Arbeitsmarkt. Die Verwendung des Lebensalters als statistischen Indikator für die Produktivität und Eigenschaften eines Arbeitnehmers zielt angesichts von unvollkommener Information des Arbeitgebers auf die Minimierung von Informationskosten und Fehlerkosten bei Entscheidungen über die Begründung, Durchführung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen ab. Der Wettbewerb am Arbeitsmarkt setzt Anreize, nur hinreichend zutreffende Indikatoren zu nutzen und auf individuelle Leistungstests zurückzugreifen, soweit dies kostengünstiger ist. Da das Lebensalter einen einfach erkennbaren und verwaltbaren sowie hinreichend genauen Näherungswert für Eigenschaften eines Arbeitnehmers darstellt und alternative individuelle Leistungsüberprüfungen regelmäßig kostenintensiv sind, ist die Verwendung des Alters-proxy im Ergebnis effizient, auch wenn damit vereinzelt ineffiziente Wechsel 167 So auch Eichhorst, ZSR 2006, 119; Buck / Kistler / Mendius, Demographischer Wandel in der Arbeitswelt, S. 88 Fn. 38. Die OECD empfielt daher die Ausweitung des ADEA auf alle Altersgruppen, OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 126. 168 Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter B.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

in den individualisierten Arbeitsmarkt und Fehlanreize bei der Humankapitalinvestition verursacht werden. Somit führt das Verbot der statistischen Altersdiskriminierung durch den ADEA zu Ineffizienzen am Arbeitsmarkt.

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis Die neuere U.S.-amerikanische Literatur im Bereich des behavioral law and economics geht davon aus, dass Diskriminierung zu einem großen Teil durch einen implicit bias bei Akteuren verursacht wird.169 Bias bedeutet Voreingenommenheit, Schieflage oder Verzerrung. Diese ist implicit, wenn sie unterbewusst stattfindet, und bildet damit das Gegenstück zum explicit oder conscious bias, der bewussten Abneigung gegen bestimmte Menschengruppen, wie sie im Präferenzmodell angewendet wird, und zum bewusst angewendeten proxy im Rahmen von statistischer Diskriminierung. Nach Jolls lautet die Hauptaussage dieses Ansatzes der unterbewussten Verzerrung der kognitiven Informationsverarbeitung von Akteuren: „Discriminatory behavior often stems not from taste-based preferences that individuals are consciously acting to satisfy, but instead from unconscious attitudes afflicting individuals who seriously and sincerely disclaim all forms of prejudice.“170 Auch die deutsche Gerontologie beschäftigt sich vereinzelt mit dem Einfluss von unterbewussten Verzerrungen auf die Einstellungen und das Verhalten gegenüber bestimmten Altersgruppen.171 Doch ist dieses Phänomen und dessen Auswirkungen in der deutschen rechtswissenschaftlichen Diskussion zum Antidiskriminierungsrecht bisher nicht erörtert worden.

I. Verhaltenswissenschaftliche ökonomische Analyse Die verhaltenswissenschaftliche ökonomische Analyse des Rechts (behavioral law and economics)172 modifiziert die Annahmen des neoklassischen ökono169 Blasi, 49 UCLA L. Rev. 1241; Estlund, 89 Geo. L. J. 1, 27 ff.; Green, 38 Harv. C.R.C.L. L. Rev. 91; Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969; Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161; Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997; Lawrence III, 39 Stan. L. Rev. 317, 336; McGinley, 9 Cornell J. L. & Pub. Pol’y 415; Oppenheimer, 141 U. Pa. L. Rev. 899, 902 ff.; Selmi, 61 La. L. Rev. 555; Wax, 74 Ind. L. R. 1129; zu empirischen Studien im Bereich der unterbewussten Rassendiskriminierung: Gaertner / Dividio / Nier, in: Nielson / Nelson, Employment Discrimination Research, S. 377; Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias, S. 6 Fn. 14. 170 Jolls, Behavioral Law and Economics, S. 12. 171 Vgl. Beispielsweise Kruse / Schmitt, 26 Ageing & Society 393. 172 Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471; Korobkin / Ulen, 88 Calif. L. Rev. 1051; Rachlinski, 85 Cornell L. Rev. 739; Sunstein, Behavioral Law and Economics; hierzu auch:

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 121

mischen Verhaltensmodells. Nach Becker geht das neoklassische Modell davon aus, dass „alles menschliche Verhalten [ . . . ] so betrachtet werden [kann], als habe man es mit Akteuren zu tun, die ihren Nutzen, bezogen auf ein stabiles Präferenzsystem, maximieren und sich in verschiedenen Märkten eine optimale Ausstattung an Informationen und anderen Faktoren schaffen.“173 Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz beruht hingegen auf der Feststellung, dass das Verhaltensmodell des Menschen als rationalen, eigennützigen Nutzenmaximierer die Wirklichkeit häufig nicht zutreffend widerspiegelt. Menschen weisen hingegen eher beschränkte Rationalität (bounded rationality), beschränkten Eigennutz (bounded self-interest) und beschränkte Willenskraft (bounded willpower) auf.174 Der für die Analyse von Diskriminierung wichtigste Aspekt der beschränkten Rationalität des Menschen ist die Verwendung von Heuristiken im menschlichen Entscheidungsfindungsprozess angesichts von Unsicherheit (judgement under uncertainty).175 Heuristiken sind kognitive Faustregeln oder „Denkabkürzungen“, mit denen Menschen die Summe ihrer Entscheidungs- und Fehlerkosten minimieren.176 Daher ist die Verwendung von Heuristiken grundsätzlich rational und sinnvoll. Jedoch kann diese Verwendung auch zu systematischen Fehlern bei der menschlichen Einschätzung, Beurteilung und Entscheidung führen.177 Solch systematische Fehleinschätzungen können sich in einer unterbewussten Verzerrung (implicit bias) manifestieren, die dann das menschliche Verhalten beeinflussen kann, indem es das Sammeln, Verarbeiten, Gewichten, Speichern und Abrufen von Informationen mitbestimmt und färbt.

II. Unterbewusste Verzerrung und Diskriminierung Teile der U.S.-amerikanischen Literatur schreiben unterbewussten Verzerrungen eine herausragende Rolle bei der Verursachung von Diskriminierungen im ArbeitsEidenmüller, JZ 2005, 217 f.; Beiträge in Haft / Hof / Wesche, Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts; MüKo-Wagner, BGB, Vorbem. § 823 Rn. 54. 173 Becker, The Economic Approach to Human Behavior, S. 14: „that all human behavior can be viewed as involving participants who maximize their utility from a stable set of preferences and accumulate an optimal amount of information and other inputs in a variety of markets.“; auf deutsch: Becker, Ökonomische Erklärung menschlichen Verhaltens, S. 15. 174 Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1471; bereits Simon, 69 Quart. J. Econ. 99. 175 Grundlegend Kahneman / Slovic / Tversky, Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. 176 Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1477; ähnlich: Zimbardo / Gerrig, Psychologie, S. 303, nach denen Heuristiken die Effizienz von Denkprozessen erhöhen; vgl. auch Sedlmeier, in: Hell / Fiedler / Gigerenzer, Kognitive Täuschungen, S. 151 f. Anknüpfend an die obigen Ausführungen zur statistischen Diskriminierung könnte man Heuristiken als die proxy des Unterbewusstseins bezeichnen. 177 Jolls / Sunstein / Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1477.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

leben zu.178 Die Ursachen dieser Verzerrungen werden unterschiedlich hergeleitet, wobei verbreitet vertreten wird, dass verschiede systematische kognitive Fehler bei der Benutzung von Heuristiken zu diesem implicit bias führen. Nach Krieger resultiert eine Serie von kognitiven Fehlern in der Schaffung und Unterhaltung von sozialen Stereotypen. Diese Stereotypen wiederum verzerren die menschliche Informationsverarbeitung und führen so zu diskriminierendem Verhalten: Stereotypen seien eine Manifestation von kognitiven Verzerrungen, die sich aus Kategorisierung, Übergewichtung von hervorstechenden Ereignissen (salient events) und aus dem menschlichen Verlangen nach Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit ergeben. Mithin seien Menschen durch ihre kognitiven Prozesse zur Verwendung von Stereotypen prädisponiert.179 Jolls und Sunstein erklären unterbewusste Verzerrungen im Lichte ihres „Modells der zweigliedrigen Entscheidungsprozesse“ (dual-process approach). Nach diesem Modell stehen Menschen zwei verschiedene kognitive Systeme im Entscheidungsfindungsprozess zur Verfügung. Schnelle Entscheidungen werden mit dem fehleranfälligen System I getroffen, während weniger zeitsensible Fragen im abwägenden System II bearbeitet werden, dem seltener Fehler unterlaufen: „System I is rapid, intuitive, and error-prone; System II is more deliberative, calculative, slower, and often more likely to be error-free. Much heuristic-based thinking is rooted in System I, but it may be overridden, under certain conditions, by System II.“180 Nach Jolls und Sunstein sind unterbewusste Verzerrungen daher am besten als System I Reaktionen zu verstehen, die automatisch, schnell und ohne Abwägung erfolgen.181 Unabhängig davon, ob man das Phänomen als „soziale Stereotypen“ oder „System I Reaktion“ bezeichnet, haben die im folgenden besprochenen Heuristiken und Verzerrungen besondere Bedeutung bei der Verursachung von implicit bias und diskriminierendem Verhalten: Das Paradigma der minimalen Gruppen (minimal group paradigm)182 zeigt, dass die Einteilung von Menschen in verschiedene Gruppen (auch wenn sie anhand trivialer oder zufälliger Kriterien geschieht) die Wahrnehmung der Betroffenen dahingehend beeinflusst, dass Mitglieder der eigenen Gruppe als dem Betrachter 178 Blasi, 49 UCLA L. Rev. 1241; Estlund, 89 Geo. L. J. 1, 27 ff.; Green, 38 Harv. C.R.C.L. L. Rev. 91; Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969; Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161; Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997; Lawrence III, 39 Stan. L. Rev. 317, 336; McGinley, 9 Cornell J. L. & Pub. Pol’y 415; Oppenheimer, 141 U. Pa. L. Rev. 899, 902 ff.; Selmi, 61 La. L. Rev. 555; Wax, 74 Ind. L. R. 1129. 179 Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1198 f.: „stereotypes represent simply one manifestation of generalized cognitive biases resulting from categorization, differential attention to salient events, and the search for meaning and coherence. [ . . . Therefore,] human cognitive organization predisposes us to stereotyping.“ 180 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 974. 181 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 975. 182 Grundlegende Experimente von Tajfel, 223 Scientific American 96; eine aktuelle Übersicht über zahlreiche Experimente: Anderson / Fryer / Holt, in: Rodgers III, Economics of Discrimination, S. 97 ff.

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eher gleichartig und positiv, Mitglieder der anderen Gruppe als vom Betrachter eher fremdartig und negativ empfunden werden.183 Menschen bevorzugen die Aufnahme von Informationen, die Gleichartigkeiten innerhalb der eigenen Gruppe und Unterschiede zur anderen Gruppe unterstreichen. Auch ist die Fähigkeit, negatives Verhalten von Mitgliedern anderer Gruppen (outgroup members) zu erinnern, ausgeprägter als das Erinnerungsvermögen an solches Verhalten bei ingroup members (so genannter ingroup bias).184 Menschen führen Misserfolge der eigenen Gruppe eher auf äußere Umstände zurück, während sie ein Scheitern der anderen Gruppe eher an den Eigenschaften von deren Mitgliedern festmachen. Schließlich überschätzen sie das Ergebnis ihrer Gruppenarbeit im Vergleich zum Ergebnis anderer Gruppen.185 Diese Beobachtungen stimmen mit dem psychologischen Phänomen überein, dass Menschen dazu tendieren, die Welt auf eine Weise wahrzunehmen, die kognitive Dissonanzen (cognitive dissonances) verhindert.186 Einen weiteren Beitrag zur Bildung unterbewusster Verzerrungen leistet die Verfügbarkeitsheuristik (availability heuristic). Bei dieser kognitiven Faustregel beurteilen Akteure die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses oder einer Erscheinung anhand der Tatsache, wie leicht sie sich Beispiele für diese vorstellen oder sich an solche erinnern können. Es wird mithin aufgrund der Verfügbarkeit von Erinnerungen oder Gedächtnisinhalten auf die Wahrscheinlichkeit geschlossen. Hierdurch entstehen systematische Fehler in der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten.187 So wird das Eintreten von einer Naturkatastrophe von Menschen als wahrscheinlicher beurteilt, wenn in der jüngeren Vergangenheit bereits eine solche Katastrophe eingetreten ist und die Erinnerungen daran relativ präsent sind. Je hervorstechender oder markant (salient) eine Information ist, desto einfacher ist sie im Gedächtnis abzurufen. Dies führt zu einer verzerrten Wahrnehmung der Häufigkeit von Ereignissen und sogar der Frage, ob diese markanten Ereignisse überhaupt je stattfinden. Dabei spielt sich vereinfacht folgender Mechanismus ab: Menschen schenken hervorstechender Information mehr Aufmerksamkeit. Die gesteigerte Aufmerksamkeit führt zu einer höheren Informationsdichte über das herausragende Ereignis, die wiederum besser erinnert wird und leichter abgerufen werden kann. Nicht nur Ereignisse, sondern auch Personen können Träger von hervorstechender Information sein. Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Menschen führt die Verfügbarkeitsheuristik dazu, dass die Bewertung hervorstechender 183 Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1191; Lücken, Das kognitive-affektive Kreuzfeuer im Minoritäts-Majoritäts Kontext, S. 14 ff.; Mullen / Brown / Smith, 22 Eur. J. of Soc. Psychol. 103. 184 Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 951. 185 Gaertner / Dividio / Nier, in: Nielson / Nelson, Employment Discrimination Research, S. 385 f.; Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1191 ff. 186 Kahan / Braman, 24 Yale L. & Pol’y Rev. 149, 155. 187 Kahneman / Slovic / Tversky, Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases, S. 11; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 977; Levine, Age Discrimination and the Mandatory Retirement Controversy, S. 131; Zimbardo / Gerrig, Psychologie, S. 304.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Personen extremer ausfällt. So wird ein Angehöriger einer ethnischen Minderheit in einem sonst „weißen“ Umfeld als besonders extrem und hervorstechend empfunden.188 Diese herausgehobene Position des Minoritätsanhängers durch die Verfügbarkeitsheuristik allein sollte ihm grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen: Sowohl positive als auch negative Informationen über ihn könnten salient sein und damit besser erinnert werden und so die Einschätzung anderer von diesem Menschen dominieren. Jedoch führt die Kombination der Verfügbarkeitsheuristik und der unter dem Paradigma der minimalen Gruppen erläuterten Präferenz von Akteuren, positive Informationen über ihre eigene Gruppe und negative Information über die anderen Gruppen zu erinnern, regelmäßig dazu, dass eine unterbewusste Verzerrung zum Nachteil von Minderheiten entsteht. Weiterhin führt auch das Phänomen der illusorischen Korrelation (illusory correlation)189 zur Bildung unterbewusster Verzerrungen, die benachteiligendes Verhalten verursachen können. Dahinter steht der Glaube, dass die Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe in einem hohen Maße mit bestimmten Eigenschaften des Mitglieds korreliert. Dieses Phänomen ist ein Aspekt der Repräsentativitätsheuristik (representativeness heuristic) mit deren Hilfe Ereignisse oder Menschen danach beurteilt werden, in welchem Maße sie anderen Ereignissen oder Menschen ähnlich sind.190 Eine illusorische Korrelation besteht aus Sicht des Akteurs häufig zwischen zwei hervorstechenden Informationen. Daher überschätzen Menschen regelmäßig das Zusammentreffen oder gemeinsame Auftreten von verschiedenen markanten Ereignissen oder Eigenschaften. Nimmt ein Akteur beispielsweise eine Minoritätsgruppe und ein Minoritätsverhalten wahr, so schreibt er tendenziell den Angehörigen der Minderheit auch das Minoritätsverhalten zu.191 Denn beide Informationen sind seltener als ihre Alternativen (die Majoritätsgruppe und das Majoritätsverhalten) und stechen dadurch mehr hervor. Da nun aber negatives Verhalten (beispielsweise Verbrechen oder unzuverlässiges Arbeiten) seltener sind als positives Verhalten, wird das negative Verhalten häufig dem Minoritätsangehörigen zugeschrieben. Auf diese Art und Weise führt illusorische Korrelation zu einer unterbewussten Verzerrung dahingehend, dass die Mitgliedschaft in einer hervorstechenden Gruppe mit negativen Eigenschaften oder Verhalten zusammenfällt. Krieger beschreibt weiterhin, auf welche Weise durch kognitive Fehler geschaffene Stereotypen zu Diskriminierungen führen können, indem sie den Prozess der Verarbeitung von Informationen über andere Menschen verzerren. Stereotypen führen zur Bildung kognitiver Schemata, die wiederum zu einer Erwartungshaltung bei Menschen führen, dass sich diese Schemata auch erfüllen (schematic expectanKrieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1193 ff. Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1195 ff. 190 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 974; Kahneman / Slovic / Tversky, Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases, S. 4; Levine, Age Discrimination and the Mandatory Retirement Controversy, S. 131 f.; Zimbardo / Gerrig, Psychologie, S. 305. 191 Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1196 f. 188 189

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cies). Diese Erwartung beeinflusst die Interpretation von mehrdeutiger Information, die kausale Zuordnung des wahrgenommenen Verhaltens, die Erinnerungsabspeicherung und die Möglichkeit, Erinnerungen abzurufen.192 Diese Erkenntnis steht im Einklang mit dem Phänomenon der „verzerrten Assimilation“ (biased assimilation). Hiernach werden Informationen und Nachweise, die die eigene Sicht der Welt untermauern, bevorzugt wahrgenommen und damit unvereinbare Informationen weniger berücksichtigt.193 Schließlich ist es wahrscheinlich, dass die Interpretation, die kausale Zuordnung von Verhalten und Folgen und die Erinnerung und Abrufbarkeit von Informationen auch durch die Affektheuristik (affect heuristic) beeinflusst werden. Diese besagt, dass Entscheidungen unter Assoziierung mit schnellen, intuitiven Affekten getroffen werden.194 Andere Autoren195 unterstreichen die Wichtigkeit von cultural beliefs bei der Formierung von unterbewussten Verzerrungen. Danach beeinflussen die Einstellungen, die aus Sicht des Entscheidungsträgers in seinem Umfeld weitläufige Unterstützung finden, dessen Entscheidungsfindungsprozess.196 Schließlich wird die Wichtigkeit der frühen Kindheit bei der Bildung von unterbewussten Verzerrungen unterstrichen. Zunächst bewusste Zu- oder Abneigungen gegenüber bestimmten Personengruppen wandeln sich über die Zeit zu unterbewussten Einstellungen.197 Zusammenfassend werden unterbewusste Informationsverzerrungen im Zusammenhang mit Diskriminierungen durch verschiedene systematische Fehler kognitiver Heuristiken verursacht, derer sich Akteure bei der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen bedienen. Das Paradigma der minimalen Gruppen, die Vermeidung kognitiver Dissonanzen, die Verfügbarkeitsheuristik, das Problem der illusorischen Korrelation als Ausformung der Repräsentativitätsheuristik und schließlich kognitive Schemata, Affekte und cultural beliefs und Prägungen aus der Kindheit beeinflussen alle Phasen des Informationsverarbeitungsprozesses und machen unterbewusste Verzerrungen zu einem möglichen Grund für diskriminierendes Verhalten. Obwohl empirische Nachweise über die Verknüpfung von solchen unterbewussten Vorurteilen mit tatsächlich diskriminierendem Verhalten selten sind,198 wird vertreten, dass auch im Arbeitsleben solche Verzerrungen Entscheidungen beeinflussen, ohne dass die Verantwortlichen sich dessen bewusst sind.199 192 Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1200; Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 1027; Stangor / McMillan, 111 Psychol. Bull. 42. 193 Lord, 37 J. Personality & Soc. Psych. 2098, 2098 f. 194 Slovic / Finuncane, Risk as Analysis and Risk as Feelings, S. 3 ff.; Loewenstein / Weber, 127 Psych. Bulletin 267, 267 f.; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 981. 195 Arkes / Tetlock, 15 Psychol. Inquiry 257, 261 f.; Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 960; Olson / Fazio, 86 J. Personality & Soc. Psychol. 653, 654 f.; Rudman, 13 Current Directions in Psychological Science 79. 196 Arkes / Tetlock, 15 Psychol. Inquiry 257, 262. 197 Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 63. 198 Hierzu sogleich im 4. Kapitel, unter C. III. 2. 199 Green, 38 Harv. C.R.-C.L. L. Rev. 91, 99 ff.; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 972.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

III. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung Die U.S.-amerikanische Literatur über die Rolle des implicit bias bei Diskriminierungen konzentriert sich bisher in erster Linie auf Rassen- und Geschlechterdiskriminierung, wie sie von Title VII des Civil Rights Act verboten wird. Weitergehend wird ohne Begründung häufig behauptet, dass obige Erkenntnisse auch auf Diskriminierungen anwendbar sind, die an andere verbotene Merkmale anknüpfen.200 Jedoch scheinen die obigen verhaltenstheoretischen Herleitungen von implicit bias discrimination auf das Merkmal Alter nur bedingt anwendbar zu sein. Auch empirische Nachweise zur unterbewussten Verzerrung bezüglich des Lebensalters fallen uneindeutig aus. 1. Unterschiede in der theoretischen Herleitung Eine Betrachtung der verschiedenen systematischen kognitiven Fehler, die unterbewusste Verzerrungen verursachen, verdeutlicht, dass diese Art von bias im Bereich von Altersdiskriminierung im Arbeitsleben weniger Auswirkungen hat als im Bereich von Rassen- oder Geschlechterdiskriminierung. Das minimal group Paradigma basiert auf der Annahme, dass es zwei unterschiedliche Gruppen gibt – die ingroup und die outgroup. Angewendet auf Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht würde dies bedeuten, dass der Arbeitgeber ein Mitglied der ingroup sein müsste, die sich durch ihr (jüngeres) Alter von der outgroup, in der sich der betroffene Arbeitnehmer befindet, abgrenzt. Diese Annahme wird aus verschiedenen Gründen selten der Wirklichkeit entsprechen. Zum einen sind jung und alt, also niedrigeres und höheres Lebensalter, keine klar abgegrenzten Gruppen.201 Alter ist vielmehr ein Kontinuum. Weiterhin ist die Einschätzung als „alt“ oder „jung“ relativ und damit von der Perspektive (und insbesondere dem Alter) des Betrachters abhängig. Zwar gehört das Lebensalter eines Menschen zu den ersten Eigenschaften, die man über ihn zur Kenntnis nimmt.202 Die Tatsache, dass zwischen Alt und Jung aber keine klar auszumachenden Abgrenzungen bestehen, macht die kognitive Unterscheidung anhand von Altersgruppen schwieriger. Denn es müsste zunächst klar sein, in welcher Altersgruppe sich der Arbeitgeber und der infrage stehende Arbeitnehmer befindet, damit das minimal group Paradigma beim Arbeitgeber eingreifen könnte. Zweitens ist Lebensalter eine Eigen200 Green, 38 Harv. C.R.-C.L. L. Rev. 91, 94, Fn. 7: „Although this Article focuses on race and sex discrimination in the workplace, the concept of bias operating within larger organizational contexts is applicable to discrimination based on other protected characteristics as well.“; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 971: „This is likely to be true not only with respect to race, but also with respect to many other traits.“ 201 Ähnlich Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 55, die von der „psychologisch durchlässigen Abgrenzung zwischen Altersgruppen“ sprechen. Vgl. auch zu den Schwierigkeiten bei der Bestimmung, ab wann ein Mensch als „alt“ gelten kann, im 3. Kapitel, unter A. 202 Fiske, in: Gilbert, Handbook of Social Psychology, S. 376.

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schaft, die universell alle Menschen betrifft. Jeder Mensch erlebt unterschiedliche Phasen und Aspekte des Alters in verschiedenen Zeiten seines Lebens.203 Dies trägt weiter zur Verwischung der ingroup und outgroup im Sinne des minimal group Denkansatzes bei. Unterstützt wird diese These durch empirische Daten, die bei der Messung von unterbewussten Verzerrungen in Bezug auf das Alter durch Implicit Association Tests (IAT)204 zu dem Ergebnis kommen, dass die Werte unabhängig vom Alter der Testperson sind. Während bei Rasse und Geschlecht die Mitglieder einer Gruppe üblicherweise die eigene Gruppe bevorzugen (ingroup bias) teilen jüngere und ältere Testpersonen die gleichen unterbewussten, negativen Einstellungen gegenüber alten Menschen.205 Aus diesen Gründen ist eine systematisch benachteiligende Behandlung von älteren Menschen aufgrund des Paradigmas der minimalen Gruppen nicht zu erwarten.206 Selbst wenn der Arbeitgeber Menschen in unterschiedliche Gruppen aufgrund ihres Alters einteilt, wird er regelmäßig selbst in die Kategorie „alt“ oder „älter“ fallen. Denn üblicherweise sind Menschen in Entscheidungspositionen des Arbeitgebers fortgeschrittenen Alters und eher selten jünger als die seinem Verantwortungsbereich angehörenden Arbeitnehmer.207 Dies schwächt auch die Begründung einer unterbewussten Verzerrung zum Nachteil von Älteren durch die Vermeidung von kognitiven Dissonanzen auf Seiten des Arbeitgebers. Wenn der Arbeitgeber sich selbst als leistungsstark empfindet, wird die Einschätzung eines Arbeitnehmers vergleichbaren Alters als leistungsschwach eher Dissonanzen schaffen als vermeiden. Eine Bevorteilung von älteren Menschen wird daraus zwar selten folgen. Dies verhindert in der Regel das verbreitete Phänomen der Selbstüberschätzung (overconfidence), nach dem sich Akteure in Bezug auf begehrenswerte Eigenschaften überdurchschnittlich gut einschätzen.208 Jedenfalls entfällt jedoch die Herleitung eines implicit bias zum Nachteil älterer Menschen aus der Vermeidung kognitiver Dissonanzen. 203 Brewer / Lui, 10 Pers. Soc. Psych. Bulletin 585, 594: Weil alle Alten in früheren Zeiten einmal jung waren, findet teilweise ein „carry-over“ Effekt statt, nach dem sich Alte auch mit der jüngeren outgroup identifizieren können. Ähnlich auch, Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 66. 204 Ausführlich zum IAT sogleich im 4. Kapitel, unter C. III. 2. 205 Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 54 f., 66. Nur die bewusste Einstellung der Testpersonen gegenüber Älteren wird mit zunehmendem Alter der Testperson positiver. 206 Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von Brewer / Lui, 10 Pers. Soc. Psych. Bulletin 585. Ältere Menschen (die Testpersonen waren alle über 70 Jahre alt) hätten komplexere Assoziationen als jüngere Menschen (die Testpersonen waren College Studenten) hinsichtlich der Eigenschaften anderer älterer Menschen. Der ingroup bias Älterer erfasse aber nicht alte Menschen insgesamt, sondern nur die Untergruppe, der sich die Testperson zugehörig fühle. So auch Kruse / Schmitt, 26 Ageing & Society 393, 407 f.; ebenso ohne Berücksichtigung von Untergruppen, Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 54 f., 66 f. 207 Vgl. zu diesen und anderen Besonderheiten des Diskriminierungsmerkmals „Alter“ bereits im 4. Kapitel, unter A. III. 208 Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht, S. 261 ff.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Die Verfügbarkeitsheuristik kann hingegen teilweise zur unbewussten Verzerrung zulasten älterer Menschen führen. Alte Menschen stechen unter Umständen aus der Arbeitnehmerschaft in einem Betrieb hervor, was eine Assoziierung mit schlechter Leistung fördern würde. Jedoch ist anzunehmen, dass diese Folge nur bei besonders alten Menschen auftritt, weil ansonsten die erforderliche Abhebung von den anderen Arbeitnehmern nicht vorliegen wird. Auch rein quantitativ sind alte Menschen nicht unbedingt als Minderheit markant. Im Jahr 2004 in den USA waren 51 % der Beschäftigten über 40 Jahre alt – also schützenswert alt im Sinne des ADEA.209 In Deutschland betrug der Anteil der über 45-Jährigen an den Beschäftigten im Jahr 1995 immerhin noch 31,5%, wobei die Tendenz steigend ist.210 Jedoch ist zu berücksichtigen, dass ältere Arbeitnehmer branchenspezifisch in der Tat eine kleine Minderheit darstellen.211 Dort können sich dann auch systematische Fehler in der Verfügbarkeitsheuristik auswirken. Illusorische Korrelation und die Repräsentativitätsheuristik sollten einige Relevanz bei der Verursachung impliziter Verzerrungen zum Nachteil Älterer haben. Es gut vorstellbar, dass Arbeitgeber unbewusst davon ausgehen, Altern ginge mit einem Abbau von physischer Kraft und geistiger Flexibilität einher und damit letztlich einer niedrigeren Produktivität. Aber auch diese Korrelation wird weniger stark ausgeprägt sein, als bei Rasse oder Geschlecht, da das Alter als Abgrenzungskriterium zweier Gruppen weniger klar ausfällt und mithin weniger hervorstechend wirkt. Weiterhin muss die Korrelation auch in der Tat illusorisch sein. In Fällen, in denen das Lebensalter eines Menschen einen zutreffenden Indikator für einige seiner Leistungsmerkmale darstellt, ist schon kein Aspekt der beschränkten Rationalität des Arbeitgebers betroffen, den man zu korrigieren könnte.212 Levy und Banaji unterstreichen die Wichtigkeit der frühen Kindheit bei der Bildung von unterbewussten Verzerrungen zu Lasten älterer Menschen. Die große Verbreitung von negativen Darstellungen älterer Menschen als böse (z. B. „Hänsel und Gretel“) oder schwach (z. B. „Rotkäppchen“) präge zunächst bewusste Abneigungen gegenüber älteren Menschen, die sich über die Zeit zu negativen unterbewussten Einstellungen entwickelten. Auch die überwiegend negative Darstellung Älterer in den Medien präge die Einstellung von Menschen bereits im Kindes209 Statistik des Bureau of Labor Statistics, Total Labor Force, in: Davis, 70 Brooklyn L. Rev. 361, 361. 210 OECD, Maintaining Prosperity in an Ageing Society. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser Anteil bis zum Jahr 2030 auf zwischen 40,3% und 50,4% anwächst. Vgl. Walker, 10 Int. J. Org. Behav. 685, 689. 211 Vgl. die Übersichten zu branchenspezifischen Anteilen Älterer an der Belegschaft bei Brussig, Betriebe und die Beschäftigung Älterer, S. 6 (Abbildung 2). 212 Jolls, Behavioral Law and Economics, S. 37. Ob und inwiefern das Alter als Näherungswert in kognitiven Prozessen die Wirklichkeit zutreffend voraussagt, wurde bereits bei der Diskussion des Modells der statistischen Diskriminierung erörtert (4. Kapitel, unter B. IV. 1. c)). Da der Prozess des Alterns individuell abläuft und mit dem Rückgang und der Verstärkung unterschiedlicher Eigschaften und Fähigkeiten verbunden ist, kann die Genauigkeit des Altersindikators nur arbeitsplatzspezifisch bestimmt werden.

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alter.213 Diese These der Wurzel von unterbewussten Altersvorurteilen durch Kindheitserfahrungen konnte bisher jedoch nicht wissenschaftlich belegt werden. Auch ist gut vorstellbar, dass gerade im Kindesalter Erfahrungen mit (relativ) älteren Menschen besonders positiv sein können. Der Altersprototyp der „freundlichen Großmutter“214 ist hier verbreitet. Und auch im sonstigen Erfahrungsbereich steht fortgeschrittenes Alter aus Kindessicht oftmals auch für gesteigerte Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung. Eine eindeutig negative Prägung kann daraus jedenfalls nicht überzeugend abgeleitet werden. Im Ergebnis greifen nur einige der für die Rassen- und Geschlechterdiskriminierung identifizierten systematischen kognitiven Fehler und anderen psychologischen Phänomene, um eine unterbewusste Verzerrung bei Arbeitgebern zulasten von älteren Menschen zu erzeugen. Es überschreitet den Rahmen dieser Arbeit, alternative verhaltenspsychologische Phänomene bei der Verursachung von Altersdiskriminierung herzuleiten. Weitere Forschung ist auf diesem Gebiet unabdingbar. Jedenfalls ist auf der Basis der heutigen Erkenntnisse eine einfache Übernahme der Ergebnisse der Literatur über Rassen- oder Geschlechterdiskriminierung wegen der erheblichen Unterschiede des Merkmals „Alter“ nicht möglich. 2. Empirische Daten über Implicit Age Bias Einige psychologische Experimente in den 1980er Jahren zeigten, dass „ageism“, also die Assoziierung negativer Eigenschaften mit älteren Menschen, auch eine kognitive Komponente aufweist, die „automatisch“ oder unterbewusst abläuft.215 Problematisch an diesen Studien ist, dass die Assoziierungen durch so genannte label von „alt“ oder „jung“ ausgelöst werden. Es wird je nach Testperson höchst unterschiedlich sein, welche Altersgruppe(n) mit diesen Stichwörtern verbunden werden. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Einteilung der gesamten möglichen Altersspanne von Menschen in nur zwei Kategorien die Assoziierungen mit bestimmten Altersgruppen in der Wirklichkeit nur bedingt nachstellen kann. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass im Zusammenhang mit Problemen am Arbeitsmarkt das Merkmal „alt“ bereits ab dem 40., 50. oder jedenfalls 55. Lebensjahr eines Menschen greift, Männer und Frauen aber heute eine Lebenserwartung von 76 bzw. 82 Jahren haben,216 wird das Image eines Alten in der VorLevy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 63 f. Dazu Brewer / Dull / Lui, 41 J. of Pers. & Soc. Psych. 656. 215 Perdue / Gurtman, 26 J. Exp. Soc. Psych. 199, 201 ff., 207 ff. (In einem Experiment konnten sich die Testpersonen im Zusammenhang mit älteren Personen eher an die negativen der vorher vorgelesenen Eigenschaften erinneren, während in Bezug auf jüngere Menschen vor allem positive Eigenschaften im Gedächtnis blieben. Ein zweites Experiment zeigte, dass die Bezeichnung einer Person als „alt“ bei der Testperson die Verfügbarkeit negativer Eigenschaften im semantischen Gedächtnis steigerte. Vgl. auch Resultate bei: Butler, 36 J. of Soc. Issues 8. 216 Zur Lebenserwartung vgl. im 3. Kapitel, unter D. 213 214

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stellung einer Testperson regelmäßig nicht der Gruppe älterer Arbeitnehmer entsprechen, sondern erheblich älter sein. Daher ist die Aussagekraft dieser Experimente darauf beschränkt, dass Menschen auch unterbewusst bestimmte Eigenschaften mit älteren oder jüngeren Menschen assoziieren. Welche Eigenschaften dies im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben sein könnten, lassen diese Studien offen. Schließlich haben einige Studien ermittelt, dass das Alter im Vergleich zu Rasse, Geschlecht und anderen Merkmalen weniger abweichende Assoziierungen schafft.217 In jüngerer Zeit wird in der U.S.-amerikanischen Literatur vermehrt auf Ergebnisse so genannter Implicit Association Test (IAT) verwiesen, die unter anderem zeigen sollen, dass Menschen junge gegenüber alten Personen bevorzugen.218 Diese computergesteuerten Tests wurden zur Dokumentierung von implict bias bezüglich der verschiedensten Merkmale entwickelt. In einem ersten Schritt werden der Versuchsperson Abbildungen von Personen, die entweder der einen oder der anderen Gruppe von Merkmalsträgern angehören (dunkle Hautfarbe / helle Hautfarbe; weiblich / männlich; alt / jung), mit der Aufforderung gezeigt, bei einem alten Menschen eine Taste auf der linken Seite der Tastatur zu drücken und bei einem jungen Menschen eine auf der rechten Seite. Danach soll die Testperson zwischen positiven und negativen Begriffe, die auf dem Bildschirm erscheinen, mit jeweils der linken oder der rechten Taste reagieren. Schließlich werden im dritten und vierten Schritt alle vier Kategorien (also alt / jung als Abbildung oder positive / negative Begriffe) verwendet. Die Testperson soll die linke Taste betätigen, wenn er „alt“ oder „positiv“ sieht, und die rechte, wenn „jung“ oder „negativ“ auf dem Bildschirm erscheint. Im letzten Schritt, entspricht links „alt“ oder „negativ“ und rechts „jung“ oder „positiv.“219 Der Computer misst den implicit bias anhand der relativen Geschwindigkeit, in der die Teilnehmer auf die Reize in Schritt drei und vier reagieren. Daran soll die Einstellung (also die Assoziation zwischen eine Gruppe und einer Bewertung) der Testpersonen festzumachen sein, da es einfacher ist, die gleiche Reaktion (z. B. Drücken der linken Taste) auf zwei Reize zu geben, wenn die Person beide Kategorien der Reize kognitiv miteinander assoziiert.220 Wenn ein Teilnehmer also jüngere Menschen bevorzugt, wird er schneller die Taste drücken können, wenn sie gleichzeitig mit jung / positiv bzw. alt / negativ belegt ist, als wenn die Belegung jung / negativ bzw. alt / positiv lautet. 217 So auch Brewer / Dull / Lui, 41 J. of Pers. & Soc. Psych. 656; Kite / Johnson, 3 Psych. & Aging 233, 233, 241; Lutsky, in, Annual Review of Gerontology and Geriatrics I, S. 287 ff. 218 Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 957 f. (IAT-Daten zum Merkmal Alter); Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 51 ff. 219 Die Zuteilung der linken und rechten Seite zu den jeweiligen Begriffen und die Reihenfolge von Schritt drei und vier wird für jeden Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ermittelt, um auszuschließen, dass sie das Gesamtergebnis beeinflussen. 220 Zur Erläuterung des IAT-Verfahrens und der Schlüsse daraus, Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 952 ff.

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Während sich die meisten IAT mit Verzerrungen in Bezug auf die Rasse von Personen beschäftigen, gibt es mittlerweile auch solche Tests, die die unterbewusste Präferenz gegenüber alten oder jungen Menschen untersuchen. Bei im Internet frei zugänglichen IAT221 wurde ermittelt, dass 4,7 % der 11.528 Teilnehmer unterbewusst alte Menschen bevorzugen aber 81,1% junge Menschen präferieren, während 14,3% neutral, also ohne unterbewusste Verzerrung hinsichtlich des Alters sind. Zur Kontrolle wurde vor dem Test die explizite Einstellung der Testpersonen erfragt. 16,7% gaben an, Alte vorzuziehen, 46,6% bevorzugten junge Menschen und 36,8% sahen sich selbst als neutral.222 Diese Testergebnisse stützen die Annahme, dass auch unterbewusste Verzerrungen zulasten älterer Menschen sehr verbreitet sind. Im Vergleich zu Verzerrungen hinsichtlich anderer Merkmale ist 81,1% unterbewusste Bevorzugung von jungen über alten Menschen ein sehr hoher Wert, der nur von der Präferenz für reiche gegenüber armen Menschen (94,3%) in IAT-Ergebnissen übertroffen wird. Die unterbewusste Bevorzugung weißer Amerikaner gegenüber Afroamerikanern ist beispielsweise „nur“ bei 65,3 % der Teilnehmer anzutreffen.223 Eine Auswertung eines weiteren IAT zum Thema Alter kommt zu ähnlichen Ergebnissen.224 Diese Daten stehen im Widerspruch zu der obigen verhaltenstheoretischen Untersuchung, die aufgrund der Besonderheiten des Merkmals Alter der unterbewussten Verzerrung in diesem Bereich eine eher geringere Rolle zuweisen. Mehr Forschung ist notwendig, um diese Lücke zwischen Theorie und Empirie zu schließen. Jedoch ergibt sich ein Teil dieser Diskrepanz aus der Testmethode bei IATs. So werden bei der praktischen Durchführung dieser Tests im Bezug auf das Merkmal Alter im Internet Photographien von jungen Menschen im Alter von schätzungsweise 25 bis 35 Jahren und von alten Menschen im Alter von 60 und 65 Jahren verwendet.225 Die Verwendung einer so großen Alterslücke für diese Studie entspricht der Realität nicht.226 In der Wirklichkeit gibt es keine Lücke. Man trifft nicht „die Alten“ oder „die Jungen“ sondern ältere und jüngere Menschen, die nur durch fließende Grenzen voneinander zu unterscheiden sind. Weiterhin ist die Einschätzung, was „alt“ oder „jung“ bedeutet, vom relativen Standpunkt jeder einzelnen Testperson abhängig. Ein derart konzipierter Test lässt wenige Rückschlüsse zu auf die durch den ADEA bereits ab dem Alter von 40 Jahren verbotene Altersdiskriminierung. Auch https: //implicit.harvard.edu/. Vgl. Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 957. 223 Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 957. 224 Nosek / Banaji / Greenwald, 6 Group Dynamics: Theory, Research, and Practice 101, 106 f.; Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 54 f. 225 Vgl. https: //implicit.harvard.edu/. Die verwendete Bilder sind abrufbar unter www.projectimplicit.net/stimuli.php (letzter Besuch: 3. 10. 2008). 226 Auch zahlreiche andere Studien arbeiten mit extremen Altersabständen. Beispielsweise Connor / Walsh / Litzelman / Alvarez, 33 Journal of Gerontology 246, 248 (Bewerber waren 24 bzw. 63 Jahre alt); Locke-Connor / Walsh, 35 Journal of Gerontology 920, 922 (Bewerber waren 25 bzw. 65 Jahre alt). 221 222

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Wax kritisiert an den bisherigen empirischen „Nachweisen“ über die Verbreitung von unterbewussten Verzerrungen, dass sie nicht auf der Beobachtung der Einwirkung von implicit bias im Arbeitsverhältnis beruhen, sondern lediglich auf „höchst künstlich“ ausgestalteten Laborexperimenten, deren Ergebnisse bei Veränderung der Laborsituation erheblich voneinander abweichen. Insbesondere würde die Informationsarmut der Versuchspersonen über die zu beurteilende Person hohe implicit bias Werte verursachen, aber nicht mit der Realität in der Arbeitswelt übereinstimmen.227 Hauptproblem der empirischen Untersuchung von unterbewussten Verzerrungen bei Diskriminierungen im Arbeitsverhältnis ist jedoch, dass die IAT keine Aussage darüber treffen, ob ein implicit bias auch zu diskriminierendem Verhalten führt. So warnen Jolls und Sunstein, dass der Zusammenhang zwischen IAT-Werten einer Person und des tatsächlichen Verhaltens dieser Person, wissenschaftlich noch nicht hinreichend erforscht ist.228 Jolls beklagt daher: „[ . . . A] critical issue for existing antisdiscrimination law scholarship that draws on the IAT and similar measures [ . . . ] is that the evidence linking measures of implicit bias to observed behavior does not establish any connection between such measures and the types of decisions that antidiscrimination law polices. This is an important and underadressed point.“229

Nach einer Meta-Analyse von 61 Studien korrelierten in IATs festgestellte implizite Verzerrungen nur mit unbedachtem oder spontanem Verhalten, wie Augenkontakt, Lächeln, Sitzabstand und anderem Verhalten, dass Offenheit oder Verschlossenheit gegenüber einem Gesprächspartner signalisiert.230 Dies lässt aber die Aussagekraft der Ergebnisse im Bereich von Arbeitgeberentscheidungen im Arbeitsverhältnis, wie die Frage einer Einstellung, Beförderung oder Entlassung, vollkommen im Dunkeln. Denn nicht weniger Lächeln gegenüber älteren Arbeitnehmern läuft dem Verbot der Altersdiskriminierung entgegen, sondern nur das Treffen einer bestimmten negativen Entscheidung im Arbeitsverhältnis wegen des Lebensalters einer Person. Schließlich unterstreicht die obige Meta-Analyse, dass implicit bias dann besonders stark mit Verhalten korreliert, wenn es um sozial sensible Bereiche, wie Rassendiskriminierung geht.231 Unterscheidungen anhand des Lebensalters sind aber gerade kein sozial sensibler Bereich. Derartige UnterscheiWax, 74 Ind. L. R. 1129, 1139 f. Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 971 f.; Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias, S. 14 ff. 229 Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias, S. 15 f. (Hervorhebung im Original). 230 Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 955, 961. Vgl. insbesondere die Studie von McConnell / Leibold, 37 J. Experimental Social Psychol. 435, 439; Studien zur Rassendiskriminierung in: Gaertner / Dividio / Nier, in: Nielson / Nelson, Employment Discrimination Research, S. 377 ff. 231 Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 954 f.; so auch Rudman, 13 Current Directions in Psychological Science 79, 81. 227 228

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 133

dungen sind im sozialen Umfeld adäquat und selten mit Schamgefühl verbunden.232 Schließlich wird die These der Kausalität zwischen IAT-Ergebnis und diskriminierendem Verhalten im Arbeitsverhältnis von der Erkenntnis untergraben, dass die Bedeutung des Alters eines Menschen bei der Entscheidungsfindung drastisch sinkt, wenn dem Akteur andere Merkmale und Eigenschaften der zu beurteilenden Person bekannt sind.233 Personalverantwortliche werden aber beim Fällen von Entscheidungen beispielsweise über Einstellung, Beförderung oder Entlassung fast immer zahlreiche Informationen über den Betroffenen über dessen Lebensalter hinaus haben. Die Wirkung einer unterbewussten Verzerrung wird durch diese anderen Faktoren erheblich abgeschwächt. Aus diesen Gründen ist gerade im Bereich von Altersdiskriminierung wahrscheinlich, dass wegen der oben beschrieben Besonderheiten des Merkmals Alter im Vergleich zu anderen Merkmalen die IATErgebnisse über eine Jugendpräferenz nicht ausreichende Bedingung sind für ein benachteiligendes Verhalten gegenüber älteren Menschen. Auch mehren sich Stimmen in der Literatur, die das bisher anerkannte Problem des Ageism wie es Butler234 im Jahr 1969 beklagte, als überholt ansehen.235 Fortgeschrittenes Alter würde zunehmend positiv gesehen. Auch geht man mittlerweile vermehrt davon aus, dass unterbewusste Einstellungen und Stereotypen nicht so sehr an das Alter anknüpfen, sondern vielmehr an Altersprototypen. Derartige Prototypen beinhalten etwa den Typ grandmother, elder statesman oder senior citizen und können sowohl positiv als auch negativ besetzt sein.236 Insgesamt ist Vorsicht angezeigt, wenn man die Ergebnisse von Studien über implizite oder explizite Einstellungen und Stereotypen von allgemeinen Menschen gegenüber Älteren für die Situation von Altersdiskriminierung im Arbeitsleben anwendet. Arbeitgeber setzen bei Ihrer Entscheidung andere Schwerpunkte und haben je nach der Art des Unternehmens, der Branche und des infrage stehenden Arbeitsplatzes unterschiedliche Erfahrungswerte und Erwartungen. Diese spiegeln sich in allgemeinen Einstellungen nicht wieder und müssen auch nicht notwendigerweise durch allgemeine Einstellungen beeinflusst werden. Ein triviales Beispiel verdeutlicht dies: Es ist nicht auszuschließen, dass beispielsweise „die Ingenieure“ oder „die Juristen“ in einer IAT-Studie mit eher negativen Assoziationen belegt würden im Vergleich zu anderen Berufsgruppen. Dies wird ihnen je nach zu vergebenem Arbeitsplatz aber kaum zum Nachteil gereichen. Die Motivationslage ist hier eine ganz andere. Daher ist der pauschale Verweis auf angeblich verbreitete und altenfeindliche Einstellungen in westlichen Industriestaaten237 zur Erklärung der Schwierigkeiten Älterer So auch Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 50. Vgl. Brewer / Dull / Lui, 41 J. of Pers. & Soc. Psych. 656; Kite / Stockdale / Withley / Johnson, 61 J. of Soc. Issues 241, 255 f.; Kite / Johnson, 3 Psych. & Aging 233, 233, 241. 234 Butler, 9 The Gerontologist 243. 235 Hierzu Kruse / Schmitt, ApuZ 2005, 12 f.; Kruse / Schmitt, 26 Ageing & Society 393, 407 f. 236 Brewer / Dull / Lui, 41 J. of Pers. & Soc. Psych. 656; Brewer / Lui, 10 Pers. Soc. Psych. Bulletin 585, 585 f. 232 233

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

am Arbeitsmarkt oder gar zur Rechtfertigung von Altersdiskriminierungsgesetzgebung fehlleitend. Schließlich können auch Studien zu verbreiteten Ansichten von Arbeitsmarktakteuren über die Eigenschaften und die Produktivität älterer Menschen gewisse Anhaltspunkte für unterbewusste Verzerrungen im Hinblick auf das Lebensalter liefern.238 Jedoch ist hier Vorsicht geboten, da diese Daten häufig auch bewusste Voreingenommenheit der Akteure beinhalten werden. Wie bereits oben gezeigt wurde können solche bewussten Annahmen über die Eigenschaften von älteren Arbeitnehmern seitens des Arbeitgebers eine große Rolle im Bereich der statistischen Altersdiskriminierung spielen. Jedoch ist zwischen bewusstem und unbewusstem age bias streng zu unterscheiden. Wie bereits erörtert wirken Wettbewerbszwänge unmittelbar auf die Optimierung bewusster proxy hin. Ihre Verwendung wird daher regelmäßig effizienzsteigernd sein. Ist sich der Arbeitgeber hingegen der kognitiven Verzerrungen, die seine Informationsverarbeitung beeinflussen, nicht bewusst, ist denkbar, dass er ihnen zur Gewinnsteigerung nicht ohne weiteres entgegensteuern kann. Die Effizienzbetrachtungen sind beim implicit bias damit andere.239 Zusammenfassend deutet die theoretische Analyse darauf hin, dass die unterbewusste Verzerrung der kognitiven Informationsverarbeitung im Bereich der Altersdiskriminierung nicht so einflussreich sein wird wie bei Diskriminierung wegen etwa Rasse und Geschlecht. Als empirischer Nachweis unterbewusster Voreingenommenheit werden IAT-Ergebnisse angeführt, die im Gegensatz zu den mangelnden theoretischen Erklärungsmöglichkeiten unterbewusster Verzerrungen auf einen hohen implicit bias zulasten Älterer hinweisen. Diese können aber nicht nachweisen, ob und inwiefern eine kausale Verbindung zwischen Verzerrung und Diskriminierungshandlung im Arbeitsleben besteht.

IV. Rolle und Folge von Antidiskriminierungsgesetzgebung Geht man trotz der genannten Zweifel davon aus, dass implicit bias auch hinsichtlich des Alters unter Arbeitsmarktakteuren verbreitet ist und dass es jedenfalls teilweise kausal sein kann für altersdiskriminierendes Verhalten, so bleibt die Frage, inwieweit hier mit rechtlichen Instrumenten Abhilfe geschaffen werden kann und inwieweit das aus der Perspektive der Effizienz sinnvoll wäre.

237 238 239

Ganz anders in Japan: Kimmel, 43 American Psychologist 175. Vgl. derartige Studien im 3. Kapitel, unter E. Hierzu sogleich im 4. Kapitel, unter C. IV. 2.

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 135

1. Rolle des Rechts angesichts unterbewusster Verzerrung Die rechtliche Regulierung von Vorgängen im Unterbewusstsein von Akteuren bereitet einige Schwierigkeiten. Einige Autoren äußern sich skeptisch gegenüber der Steuerung unterbewusst verursachten Verhaltens, da unterbewusste Verzerrungen auch gleichzeitig von den Akteuren unkontrollierbar seien.240 a) Mögliche Rechtliche Instrumente angesichts unterbewusster Verzerrung Insbesondere Jolls und Sunstein241 machen eine Reihe von Vorschlägen, mit welchen Rechtsinstrumenten auch auf unterbewusste Verzerrungen des kognitiven Informationsverarbeitungsprozesses im Rahmen von Diskriminierungen im Arbeitsverhältnis reagiert werden kann. Sie unterscheiden dabei zwei grundsätzliche Ansätze: Der Gesetzgeber kann entweder versuchen, das Ergebnis der Arbeitgeberentscheidung von dessen möglicher unterbewusster Voreingenommenheit zu isolieren. Dies geschieht beispielsweise, indem die Entscheidung oder Maßnahme, die normalerweise durch die Verzerrung hervorgerufen worden wäre, gesetzlich verboten wird. Wenn also eine alters- oder geschlechtsbedingte Kündigung gesetzlich untersagt ist, dann besteht zwar die etwaige kognitive Verzerrung beim Arbeitgeber weiter, sie kann sich im Ergebnis für den Arbeitnehmer aber nicht mehr auswirken. Das Ergebnis ist mithin vom unterbewussten Vorurteil des Arbeitgebers isoliert. Diese Isolierung des Ergebnisses ist auch denkbar, wenn es sich um eine Entscheidung oder Maßnahme handelt, die der Arbeitgeber üblicherweise wegen seines implicit bias unterlassen würde – beispielsweise die Einstellung eines 60-Jährigen oder einer Frau. Diese könnten dem Arbeitgeber gesetzlich durch das Verbot der Verweigerung einer Einstellung aufgrund des Alters aufgegeben werden.242 Zum anderen können gesetzliche Regelungen auch die unterbewusst verzerrte Informationsverarbeitung selbst bei den relevanten Akteuren bekämpfen. Der Schlüssel zu Modifizierung der unterbewussten Schemata ist nach Ansicht von Jolls und Sunstein die Berücksichtigung derselben Heuristiken, die durch ihre systematischen Fehler zum Entstehen des implicit bias beitragen. Wenn es beispielsweise gelingt, eine ausgewogene, heterogene Zusammensetzung (population diversity) der Mitarbeiter in einem Unternehmen zu schaffen, arbeitet die Verfügbarkeitsheuristik und die Affektheuristik am Abbau der unbewussten Voreinge240

Levy / Banaji, in: Nelson, Ageism, S. 50; ähnlich auch Wax, 74 Ind. L. R. 1129,

1158. 241 Jolls / Sunstein, Debiasing through Law; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 976 ff.; Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias; erste wenig systematisierte Ansätze dazu bereits bei Coester-Waltjen, ZRP 1982, 220 f. 242 Jolls / Sunstein, Debiasing through Law, S. 26; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 977 ff.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

nommenheit.243 Das Zusammenarbeiten mit Angehörigen der betreffenden Minoritäten sorgt dann dafür, dass auch persönliche und positive Erfahrungswerte in der Erinnerung des Arbeitgebers „verfügbar“ werden. Auch werden negative Affekte durch persönliche Erfahrungen abgebaut. Schließlich kann die Korrelation zwischen Minderheit und negativem Verhalten geschwächt werden, wenn die Gruppe in einer diversifizierten Umgebung ihren Charakter als (einzige) Minderheit verliert. Unterstützt wird die Idee, dass die erhöhte population diversity zum Abbau bewusster oder unbewusster Vorurteile über die Potentiale älterer Menschen beiträgt, auch durch empirische Studien. Betriebe mit einem höheren Anteil an über 50-Jährigen in ihrer Belegschaft schätzen die Leistungsfähigkeit Älterer positiver ein als Betriebe ohne bzw. mit einem nur geringen Anteil Älterer.244 Jedoch ist es nach diesen Erkenntnissen schwierig, Ursache und Wirkung auseinander zu halten. Der hohe Anteil Älterer in der Belegschaft könnte auch Ergebnis der positiven Einstellung des Arbeitgebers sein und nicht deren Ursache. Dieser Ansatz wird debiasing genannt (frei übersetzt: Entvorurteilisierung). Dieses debiasing durch Erwirkung von heterogenen, diskriminierungsfreien Umfeldern kann sowohl direkt als auch indirekt erfolgen. Der direkte Ansatz gibt dem Arbeitgeber die Schaffung eines solchen Arbeitsumfeldes direkt auf. Dies kann etwa durch das Verbot von einer feindseligen Arbeitsumgebung (hostile environment) geschehen.245 Der indirekte Ansatz bestraft diskriminierendes Verhalten oder belohnt die Diversifizierung der Mitarbeiterschaft. Dies setzt Anreize für die privatrechtlichen Akteure, ihre unterbewussten Vorurteile zu reduzieren. Ein solche self-debiasing kann etwa durch Schulung der Vorgesetzten über die Vermeidung von Vorurteilen oder die Umgestaltung des Arbeitsplatzes mit Abbildungen, die die benachteiligten Gruppen in einem positiven Licht darstellen.246 Auch in der deutschen Literatur wird die Wichtigkeit altersgemischter Arbeitsgruppen im Betrieb unterstrichen, was dem Mittel der population diversity sehr nahe kommt.247 Schließlich könnten sich Arbeitgeber bereit erklären, die Heterogenität der Mitarbeiterschaft durch ihre Personalpolitik selbst zu fördern und aufrechtzuerhalten. 248 243 Ausführlich: Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias, S. 20 ff.; Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 980 f., gestützt auf Experimente von: Dasgupta / Asgar, 40 J. of Experimental Social Psychol. 642; Lowery / Hardin / Sinclair, 81 J. Personality & Soc. Psychol. 842; ähnlich auch Gaertner / Dividio / Nier, in: Nielson / Nelson, Employment Discrimination Research, S. 386 ff., die das minimal group Paradigma zum debiasing nutzbar machen wollen, indem Menschen verschiedener Rassen dazu gebracht werden, sich als Teil derselben Gruppe zu sehen. 244 Bellmann / Kistler / Wahse, APuZ 20 / 2003, 32; Brussig, Betriebe und die Beschäftigung Älterer, S. 8. 245 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 980 ff. 246 Zur Frage von debiasing durch positive Abbildungen von Frauen und Minderheiten, Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias, S. 40 ff. 247 Vgl. Bellmann / Gewiese / Leber, WSI Mitteilungen 2006, 430 f.; ebenso in der U.S.amerikanischen Literatur: Gaertner / Dividio / Nier, in: Nielson / Nelson, Employment Discrimination Research, S. 385 f. 248 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 985 ff.

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 137

b) Kritik dieser Rechtsinstrumente Eine nahe liegende Kritik an der rechtlichen Beeinflussung unterbewusster Prozesse von Wirtschaftsakteuren wird plakativ unter dem Stichwort „thought control“249 zusammengefasst. Es besteht die Befürchtung, dass staatlicher Einfluss auf die kognitiven Prozesse leicht fehlgeleitet werden kann und daher missbrauchsanfällig ist. Auch die Wortkreation des debiasing mutet als Euphemismus an, der suggeriert, dass dadurch Menschen von kognitiven Verzerrungen befreit werden können. Dies ist aber nicht der Fall. Diese Verzerrungen sind Ergebnis kognitiver Prozesse, die sich außerhalb der Reichweite des Gesetzgebers und des Einzelnen befinden. Beeinflusst werden kann lediglich, welche Informationen und Reize diese Prozesse verarbeiten. Damit kann, wie Jolls und Sunstein argumentieren, dann das von Gesetzgeberseite gewünschte Ergebnis erreicht werden. Das Instrument des debiasing ist daher treffender als rebiasing bezeichnet: Die unerwünschte Verzerrung wird durch die gewünschte Verzerrung ersetzt. Im Fall von unterbewusster negativer Einstellung gegenüber Älteren wird diese (im Idealfall) durch eine neutrale Einstellung ersetzt. Was eine solche Einstellung wäre, vermag aber keiner genau zu sagen. Weiterhin bestehen einige Vorbehalte hinsichtlich der Wirksamkeit von debiasing. Experimente zur Reduzierung unterbewusster Verzerrungen, in denen durch Gruppenbildung oder Abbildungen positive Erfahrungen und Assoziationen mit bestimmten Merkmalsträgern geschafft werden sollen, führten nur zu vorübergehenden Besserungen in den IAT-Werten.250 Diese mageren Ergebnisse berücksichtigen noch nicht, dass eine „künstliche“ Verbesserung von IAT-Werten sich vielleicht gar nicht in weniger diskriminierendem Verhalten niederschlägt. Vielleicht wird durch die Beschäftigung mit dem Thema kurz vor Testbeginn nur die im IAT gemessene Assoziierungsgeschwindigkeit punktuell gesteigert. Durchschlagende Verbesserungen der IAT-Werte wurden nur ermittelt, wenn eine persönliche Verbindung zwischen der Testperson und dem Merkmalsträger entsteht, wie beispielsweise eine Heirat zwischen Angehörigen unterschiedlicher Gruppen.251 Erstens ist eine derart intensive persönliche Bindung zwischen Mitarbeitern am Arbeitsplatz kaum zu leisten. Zum anderen sollte die Verbreitung von engen persönlichen Bindungen zu Menschen unterschiedlicher Altersgruppen innerhalb der Familie (Kinder, Eltern, Onkel / Tante, Großeltern) schon in Hinsicht auf das Merkmal Alter wie ein debiasing wirken. Jedenfalls gibt es zurzeit keine empirischen Nachweise in den USA, dass antidiscrimination policies in Unternehmen und dahingehende Schulungsprogramme die Anzahl von DiskrimiAmerican Booksellers Association v. Hudnut, 771 F.2d 323, 328 (7th Cir. 1985). 250 Beispielsweise erreichten Dasgupta / Greenwald, 81 J. Personality & Soc. Psychol. 800, 805 in ihrer Studie nur eine Verbesserung der IAT-Ergebnisse für 24 Stunden. Greenwald / Krieger, 94 Cal. L. Rev. 945, 963. 251 Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 964. 249

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

nierungsfällen senken.252 Hingegen attestieren einige Studien genau den gegenteiligen Effekt.253 Schließlich werden auch Argumente vorgetragen, dass Antidiskriminierungsgesetze kognitive Verzerrungen noch eher verstärken.254 Zwar vertreten einige, dass das Altersdiskriminierungsrecht „geeignet [ist], zumindest das Erfordernis, Benachteiligungen wegen des Alters auszuschließen, den unmittelbar Beteiligten stärker bewusst zu machen.“255 Das Hervorheben der Existenz verschiedener Gruppen vor Arbeitnehmern, wie es das Verbot der Benachteiligung bestimmter Merkmalsträger mit sich bringt, verstärkt aber damit auch die Wahrnehmung der Unterschiede zwischen den Gruppen und steigert damit implicit bias nach dem Prinzip der gesteigerten salience.256 Dieses Argument mag im Bereich von Rassendiskriminierung in der amerikanischen Gesellschaft wenig Gewicht haben, da dort die Unterschiede zwischen verschiedenen Nationalitäten in der Wahrnehmung bereits sehr weit oben stehen. Im Zusammenhang mit dem Lebensalter, wo klare Einteilungen in Alt und Jung, wie gezeigt, selten sind, kann dieser kontraproduktive Effekt eines Altersdiskriminierungsgesetzes allerdings relevant werden. Das Verbot, Alter als Unterscheidungsmerkmal in arbeitsrechtlichen Entscheidungen zu nehmen und die zahlreichen Ausnahmen zu diesem Verbot, kann so das Gegenteil seiner Zielsetzung erreichen: Persönliche Eigenschaften des Bewerbers oder Arbeitnehmers treten eher in den Hintergrund, weil sich der Arbeitgeber vermehrt um die Nichtbenutzung von verbotenen Merkmalen und deren Dokumentation bekümmern muss. Dass Verbot des Entscheidungsmerkmals Alter führt dazu, dass sich dieser Faktor in der Arbeitgeberentscheidung ganz besonders bewusst gemacht wird. Auch wird die stereotypisch bekannte Schwäche der Älteren noch untermauert. Auch die OECD mahnt die stigmatisierende Wirkung des beschränkten Anwendungsbereichs des ADEA auf über 40-Jährige an.257 Aber auch beim auf alle Altersgruppen anwendbaren AGG könnte es zu einer Verstärkung von Stereotypen über ältere Menschen kommen.258 Die Schutzrichtung des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters zielt im Schwerpunkt auf ältere Menschen ab.259 Des Weiteren wird der Nutzen Altersdiskriminierungsgesetzen bei der Steigerung Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 1019. Bisom-Rapp, 24 U. Ark. Little Rock L. Rev. 147, 164; Bisom-Rapp, 22 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 1, 31 ff. 254 Vgl. Waas, ZRP 2006, 118, der befürchtet, dass durch gesetzgeberische Intervention zum Schutze älterer Menschen die Fehlvorstellung über die mangelnde Leistungsfähigkeit dieser Menschen eher noch verstärkt werden könnte. Zu dieser Gefahr auch Coester-Waltjen, ZRP 1982, 221. 255 Becker, JZ 2004, 936. 256 So Krieger, 86 Cal. L. Rev. 1251, 1274. 257 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 22. 258 Warnend hierzu, BMFSFJ, Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in Deutschland, S. 322 f. 259 Dazu ausführlich im 5. Kapitel, unter B. 252 253

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 139

der Heterogenität der Belegschaft in Bezug auf das Alter relativiert, wenn man deren abschreckenden Effekt hinsichtlich der Begründung von Arbeitsverhältnissen mit geschützten Individuen wegen der erhöhten Kosten und Risiken berücksichtigt.260 Insgesamt ist der Ansatz der Verringerung von unterbewussten Verzerrungen per Gesetz in Form von debiasing abzulehnen. Zum einen besteht eine erhöhte Missbrauchsgefahr, dieser rechtlichen Instrumente. Zum anderen ist zweifelhaft, inwiefern rechtliche Instrumente überhaupt eine Verringerung des implicit age bias dauerhaft erwirken können und ob dies auch diskriminierungsfreie Verhaltensänderungen zur Folge hat. Schließlich können etwaige kontraproduktive Auswirkungen des Verbots der Altersdiskriminierung auf unterbewusste Vorbehalte gegenüber Älteren nicht ausgeschlossen werden.

2. Effizienz der gesetzlichen Reduzierung von Implicit Age Bias durch Altersdiskriminierungsgesetze Jenseits dieser allgemeinen Kritik an rechtlichem debiasing ist zu untersuchen, welche Auswirkungen Antidiskriminierungsgesetze, die zum Ziel haben, unterbewusste Vorurteile wegen des Alters zu reduzieren, auf die Effizienz am Arbeitsmarkt haben. Eine solche Gesetzgebung kann aus ökonomischer Sicht nur gerechtfertigt sein, wenn man entgegen der obigen Ergebnisse unterstellt, dass kognitive Verzerrungen in einem erheblichen Maße für Diskriminierungen wegen des Alters am Arbeitsmarkt kausal sind. Unterstellt man diese Kausalität, könnten unterbewusste Vorurteile ein Grund sein, warum ineffiziente Diskriminierung wegen des Alters trotz des Wettbewerbs am Arbeitsmarkt fortbesteht. So könnte man erwägen, dass im Falle einer verbreiteten Verzerrung der Wahrnehmung, die die betreffenden Akteure unterbewusst, also auch von sich selbst unbemerkt, in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst, diskriminierungsfeindliche Wettbewerbskräfte ihre Wirkung verfehlen. Schließlich weiß der Arbeitgeber gar nicht, dass er von nicht zutreffenden Annahmen ausgeht, die nur durch die Einflüsse systematischer kognitiver Fehler entstanden sind. Mithin könnte das Element des Unterbewussten ein Marktversagen darstellen, dass gesetzgeberische Intervention rechtfertigt. Dann würde ein Verbot der Diskriminierung den Arbeitgeber vor ineffizienten Benachteiligungen als Folge seiner unterbewussten Vorurteile bewahren und damit die Effizienz des Arbeitsmarktes steigern. Jedoch ist dieser Schluss verfehlt. Auch wenn die Verzerrung der Wahrnehmung unterbewusst erfolgt und der einzelne Arbeitgeber sie während des Entscheidungsprozesses nicht bemerkt, würde der Wettbewerb am Arbeitsmarkt starke Anreize setzen, die unbewussten Vorurteile zu reduzieren, falls diese ineffiziente Entscheidungen hervorriefen.261 Ein gewinnmaximierender Arbeitgeber wird daher ver260

Dazu ausführlich im 5. Kapitel, unter A. I. 1.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

suchen, vorurteilsgetriebene Entscheidungen zu vermeiden, die etwa zu schlechterem job matching oder zu einer Belegschaft mit niedrigerer Produktivität führen. Daher bestehen die gleichen Anreize, die Jolls und Sunstein durch gesetzliche Regulierung in Form des indirect debiasing262 erst schaffen wollen, bereits durch den Wettbewerb selbst. Denn nicht nur ein Schadensersatz ist eine Strafe für Diskriminierung und damit ein Anreiz zu ihrer Vermeidung. Auch eine gewinnschmälernde Fehlentscheidung aufgrund unzutreffend verzerrter Informationen verursacht Kosten, die vergleichbare Verhaltensfolgen des Arbeitgebers erreichen können. Somit besteht kein Bedarf für Verbote oder Strafen, um den Arbeitgeber zu self-debiasing zu veranlassen. Die Schulung von Mitarbeitern zu vorurteilsfreiem Handeln, die Schaffung eines für benachteiligte Gruppen freundlichen Arbeitsumfeldes oder die Überwachung der Heterogenität der Belegschaft sind Schritte, die auch ein Arbeitgeber selbst einleiten würde, wenn sie wirkungsvoll wären und deren Kosten geringer sein sollten als die Kosten, die durch unbewusst vorurteilsgeleitete Fehlentscheidungen verursacht werden. Im Fall von Altersdiskriminierung bringen damit wirtschaftliche Anreize den Arbeitgeber dazu, ein self-debiasing durchzuführen, wenn die unbewussten Vorurteile Nettokosten verursachen.263 Auch wenn der durchschnittliche Arbeitgeber nicht über ausreichend tiefe Einblicke in die kognitive Psychologie verfügt, um diese Fehlerquelle zu entdecken und obige Maßnahmen einzuleiten, so würden sich jedenfalls Unternehmensberater finden, die sich (auch) auf die Reduzierung kognitiver Fehler bei ihren Kunden spezialisieren. Solche Berater könnten die Gewinne ihrer Klienten steigern, indem sie ihnen aufzeigen, an welchen Stellen in ihrem Unternehmen ineffiziente Entscheidungen auf der Basis von unterbewusst verzerrten Informationen getroffen werden und durch welche Maßnahmen diese Fehlerkosten gesenkt werden können.264 Eine Beratungsstrategie einer solchen debiasing-Firma könnte es sein, IATs mit den Entscheidungsträgern eines Unternehmens durchzuführen und die geeigneten debiasing-Maßnahmen einzuleiten, wo diese Gewinn versprechen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber sich der vermeintlichen Effizienzverluste durch unterbewusste Vorurteile bewusst sein sollte, während die Marktakteure diese nicht entdecken. Und selbst wenn betroffene Marktakteure nicht auf 261 Verschiedenen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Menschen sich um die Reduzierung von fehlerhaften Entscheidungsprozessen bemühen, wenn es dafür Anreize gibt. Frey / Eichenberger, 23 J. Econ. Behav. & Org. 215, 223 ff. (über die Vermeidungsstrategien von Akteuren hinsichtlich bekannter kognitiver Fehlerquellen); Smith / Walker, 31 Econ. Inquiry 245, 246 ff. 262 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 986. 263 Beispiele für private Initiativen von Akteuren zum self-debiasing in Bezug auf Geschlechtdiskriminierung in den USA: Sturm, 101 Colum. L. Rev. 458, 489 ff., die den Standpunkt vertritt, dass nur solche Initiativen effizient mit dem Problem des implicit bias umgehen können. 264 Ähnlich Glaeser, 73 U. Chi. L. Rev. 133, 141 (die florierende Branche der management consultants sei ein Zeichen, dass wirtschaftliche Anreize für Unternehmensführungen bestehen, kognitive Fehler zu vermeiden).

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 141

die Erscheinung des implicit bias reagieren, werden sich am Markt langfristig diejenigen durchsetzen, die nur effiziente Denkabkürzungen benutzen. Denn Arbeitgeber, die überdurchschnittlich viele Fehler in der kognitiven Verarbeitung von Informationen machen, werden „kein gutes Händchen“ für erfolgreiche Personalpolitik beweisen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Akteuren ohne unterbewusste Verzerrung haben. Jedenfalls liegt in der Tatsache, dass die Verzerrungen unterbewusst erfolgen, kein Marktversagen, das eine gesetzliche Intervention erforderlich machen könnte. Weiterhin ist die Annahme, dass unterbewusste Verzerrungen des Informationsverarbeitungsprozesses ineffizient sind, nicht notwendigerweise richtig. Bereits die bewusste Verwendung des Lebensalters als proxy bei der Vorhersage der Produktivität und anderer Leistungsmerkmale von Arbeitnehmern ist effizient, solange die Kosten der individuellen Überprüfung dieser Merkmale höher sind als die Fehlerkosten, die in Verbindung mit der Nutzung eines Näherungswertes entstehen.265 Dieser Abgleich zwischen Entscheidungs- und Informationskosten auf der einen Seite und Fehlerkosten auf der anderen Seite entscheidet auch über die Bildung und Nutzung von Heuristiken bei Marktakteuren. Dabei wird es für die Akteure besonders aufwendig sein, unterbewusste Verzerrungen zu bekämpfen. Diese müssen erst durch einen Test aufgespürt werden und können in der Folge mit debiasing nur indirekt über kognitive Prozesse abgemildert werden. Dies wird häufig große Kosten verursachen, die ein solches Vorgehen unwirtschaftlich machen. Auch ein Blick auf die Ursprünge dieser Verzerrungen stützt deren Effizienzpotential. Implicit bias entsteht, wie oben erörtert, durch systematische Fehler, die mit der Verwendung verschiedener Heuristiken einhergehen. Krieger selbst unterstreicht, dass Kategorisierung ein Schutz gegen überwältigende Komplexität ist. Ihr Zweck ist die Vereinfachung der Wahrnehmung durch gewisse Verzerrung, damit Menschen die Wirklichkeit als weniger komplex und eher vorhersagbar halten, als sie eigentlich ist.266 Darüber hinaus kann ein Mehr an Informationen Akteure überlasten und damit nicht zu besseren sondern zu schlechteren Entscheidungen führen.267 Dies legt nahe, dass unterbewusste Verzerrungen das Gegenstück zu der bewussten Kosten-Nutzen-Rechnung sind, ob die Kosten der individualisierten Überprüfung der Eigenschaften eines Arbeitnehmers die Kosten einer Fehlentscheidung überwiegen.268 Es reicht nicht aus, auf einzelne Fehler bei der Verwendung von Heuristiken zu verweisen, um deren Verwendung als ineffizient zu entlarven. Es kommt vielmehr auf die im Einzelfall anfallenden Informations(-verarbeitungs-)kosten an, ob implicit bias ineffizient ist. Wie bereits erörtert, sind diese Kosten im Fall von Dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter B. II. und III. Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1189. „Categories are guardians against complexity. Their purpose is to simplify the perceptual field by distorting it, so that we experience it as less complex and more predictable than it actually is.“ 267 Eidenmüller, JZ 2005, 218, der insofern von einem negativen Grenznutzen von zusätzlicher Information ab einer bestimmten Informationsmenge spricht. 268 Ähnlich auch Wax, 74 Ind. L. R. 1129, 1142 f. 265 266

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Altersdiskriminierung besonders hoch wegen der größeren Varianz der Fähigkeiten und Fertigkeiten mit steigendem Alter einer Kohorte und wegen der kürzeren Amortisierungsperiode für Informationskosten im Falle älterer Menschen.269 Auch ist der Gesetzgeber in keiner guten Position, um per Diskriminierungsverbot zu beurteilen, wann die systematischen Fehlerkosten, die mit der Nutzung von Heuristiken einhergehen, größer sein werden als die Kosten einer Heuristik-freien individualisierten Entscheidung. Zwar stehen Vertreter des behavioral law and economics „paternalistischen“ Lösungen durch den Gesetzgeber angesichts kognitiver Fehler von Wirtschaftsakteuren tendenziell aufgeschlossener gegenüber.270 Jedoch argumentiert Glaeser, dass die jüngsten Erkenntnisse über die begrenzte Rationalität von Akteuren eher für mehr Zurückhaltung hinsichtlich gesetzgeberischer Intervention führen sollten. Private Entscheidungsträger seien erheblich wirksameren Anreizen ausgesetzt, um kognitive Fehler zu vermeiden, als dies bei öffentlichen Entscheidungsträgern der Fall ist.271 Häufig wird Gesetzgebung durch herausstechende Ereignisse bestimmt, aber selten wird sie zurückgenommen, wenn sie sich über lange Sicht nicht bewährt. Lobbying im politischen Prozess kann eine erhebliche salience bestimmter Themen und Positionen verursachen. So wird in den USA die dominante Rolle der AARP im Gesetzgebungsprozess zum ADEA und seinen amendments kritisiert.272 Auch für Deutschland beklagt Kistler die oberflächliche und fehlleitende Argumentation mit dem „demographischen Wandel“ für politische Ziele jeglicher Art.273 Schließlich lässt sich am Beispiel der europarechtlichen Richtlinien zur Gleichbehandlung die Affinität des Gesetzgebers zu Verzerrungen aufgrund herausstechender (auch sachfremder) Ereignisse verdeutlichen. So wird verbreitet davon ausgegangen, dass die zügige Verabschiedung der RL 2000 / 43 / EG und RL 2000 / 78 / EG wohl auch der Tatsache zu verdanken war, dass Jörg Haider in die österreichische Regierung eintrat. Dem wollten die Mitgliedsstaaten ein entschiedenes Vorgehen gegen ausländerfeindliche und andere Diskriminierungen entgegenstellen.274 Schließlich ist zu erwarten, dass die Verminderung von unterbewussten Verzerrungen durch Gesetze mit erheblichen Kosten verbunden ist. Dies hängt damit zusammen, dass debiasing nur indirekt wirkt und somit eine Regulierung einer Fülle von Situationen im Arbeitsverhältnis und im Vorfeld dazu notwendig ist, um nur mittelbare und schwer zu steuernde Auswirkungen zu erreichen. Denn nach Jolls Vgl. im 4. Kapitel, unter B. IV. 1. b). Vgl. Sunstein / Thaler, Libertarian Paternalism. 271 Glaeser, 73 U. Chi. L. Rev. 133, 142 ff. 272 Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 805 ff. Zur einflussreichen Stellung der Alten-Lobby in den USA, Flessner, Ältere Menschen, demographische Alterung und Recht, S. 114 ff. 273 Kistler, Die Methusalem-Lüge; Kistler, WSI Mitteilungen 2004, 71 ff. 274 Bell / Waddington, 28 E.L.Rev. 349, 365; König, in: Gaitanides / Kadelbach / Rodriguez, Europa und sein Verfassung, S. 344; Mahlmann, in: Rust / Däubler / Falke / Lange, Gerechtigkeitsfragen im Gemeinschaftsrecht, S. 47, 54. 269 270

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 143

und Sunstein sollen gesetzlich Verhaltensweisen vorgeschrieben bzw. verboten werden, was wiederum zu einer Veränderung der Zusammensetzung der Belegschaft führen soll, die dann über die Zeit die kognitiven Informationsverarbeitungsprozesse der betroffenen Arbeitsmarktakteure verändern und im Ergebnis zu einer Verhaltensänderung führen soll. Wax zitiert zahlreiche Studien, bei denen positive oder negative Effekte von debiasing durch eine Veränderung der Umgebung von Personen allein vom spezifischen Aufbau der einzelnen Experimente abhingen. Im Ergebnis erreichten diese Versuche teilweise Verringerungen unterbewusster Verzerrungen und teilweise deren Verstärkung.275 Wax kommt daher zum Ergebnis, dass sich implicit bias nicht in kosteneffizienter Weise gesetzlich reduzieren lässt.276 Sturm geht davon aus, dass gesetzliche Regelungen zur Lenkung unterbewusster Prozesse wegen der großen Bandbreite von Erscheinungsformen der Verzerrungen notgedrungen sehr allgemein gehalten werden müssen. Dadurch würde dann aber nicht ausreichend Verhaltensanleitung gegeben, sondern durch Rechtsunsicherheit ökonomisch motiviertes debiasing sogar noch verhindert.277 Somit kann unter dem Gesichtspunkt der Effizienz zusammengefasst werden, dass das Antidiskriminierungsgesetze unterbewusste Vorurteile wegen des Alters nicht verbieten sollten und auch keine anderen gesetzgeberischen Maßnahmen gegen diese getroffen werden sollten. Wettbewerbszwänge führen zu self-debiasing, soweit die Kosten der unterbewussten Verzerrungen höher sind als die damit eingesparten Informationskosten. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass die obige Analyse zu dem Ergebnis kommt, dass unterbewusste Verzerrungen im Bereich der Altersdiskriminierung im Vergleich zu Diskriminierung wegen anderer Merkmale eine kleinere Rolle spielt. Auch dies reduziert den Nutzen möglicher gesetzgeberischer Intervention.

3. Regelungen des ADEA und unterbewusste Verzerrungen Nach Ansicht von Jolls und Sunstein beinhalten die U.S.-amerikanischen Antidiskriminierungsgesetze bereits einige Ansätze, um unterbewusste Verzerrungen des Informationsverarbeitungsprozesses von Arbeitgebern zulasten bestimmter Merkmalsträger zu reduzieren oder deren Auswirkungen zu lindern.278 Dabei würde sowohl durch das Verbot der Diskriminierung einerseits der Ansatz verfolgt, die Ergebnisse der Arbeitgeberentscheidung von etwaigen implicit bias zu isolieren. Gleichzeitig würde durch die Sanktionierung des Diskriminierungsverbots ein Wax, 74 Ind. L. R. 1129, 1162 f. Wax, 74 Ind. L. R. 1129, 1133, 1226 f. Weitergehend schlägt sie vor, dass das Diskriminierungsopfer der cheapest cost avoider im Falle von unterbewusster Diskriminierung sein könnte. Kritisch dazu: Selmi, 74 Ind. L. Rev. 1233, 1233. 277 Sturm, 101 Colum. L. Rev. 458, 461, 475 ff. 278 Jolls / Sunstein, 94 Cal. L. Rev. 969, 978, 988 f.; Jolls, Antidiscrimination Law’s Effects on Implicit Bias, S. 19 ff. 275 276

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Anreiz im Sinne des indirekten debiasing gesetzt, da Arbeitgeber versuchen werden, unterbewusst verzerrte Diskriminierungen zur Vermeidung von etwaigen Schadensersatzzahlungen zu verhindern. Schließlich wirke der ADEA auch auf ein diskriminierungsärmeres Arbeitsumfeld hin. Auf der anderen Seite kritisiert die ganz herrschende Meinung, dass die aktuelle disparate treatment doctrine auf unzutreffenden Annahmen über menschliches Verhalten beruht und dem Problem der unterbewussten Verzerrungen nicht gerecht würde.279 Die Kernfrage eines Anspruchs wegen disparate treatment ist, ob der Arbeitgeber mit Diskriminierungsvorsatz gehandelt hat.280 Das bedeutet, dass der Kläger nachweisen muss, dass der Arbeitgeber vorsätzlich die infrage stehende Maßnahme im Arbeitsverhältnis wegen des Alters des Klägers getroffen hat.281 So setzt der im Präzedenzfall McDonnell Douglas Corporation v. Green282 konzipierte Test für den Nachweis einer Diskriminierung einen Diskriminierungsvorsatz voraus, der im Fall von Diskriminierung wegen unterbewusster Vorurteile kaum nachzuweisen ist. Zwar bietet dieser Test dem Kläger eine Beweiserleichterung. Aber auch bei dieser muss er auf der dritten Stufe nachweisen, dass die Rechtfertigung, die der Arbeitgeber nachgewiesen hat, ein Vorwand (pretext) ist.283 Das Konzept des Vorwandes impliziert aber, dass der Arbeitgeber versucht hat, seine gewollte Diskriminierung zu kaschieren. Ein solcher Vorwand liegt aber in Fällen unbewusster Diskriminierung nicht vor.284 Andere Autoren kommen zu dem Schluss, dass der Ansatz des Verbots von Diskriminierungen gänzlich ungeeignet ist, um unterbewusste Verzerrungen zu beheben.285 Handelte der Arbeitgeber aufgrund verschiedener Motive, so liegt sowohl nach Title VII Civil Rights Act als auch unter dem ADEA eine Diskriminierung dann vor, wenn eines der verbotenen Merkmale, die Entscheidung des Arbeitgebers motiviert hat (motivating factor).286 Die Auslegung des Rechtsbegriffs motivating factor erfolgte 1989 durch den Supreme Court in der Entscheidung Price Waterhouse v. Hopkins. Zwar enthält der ADEA keine ausdrückliche Regelung wie Sec. 703(m) in Title VII. Jedoch wird auf die Auslegung einer Diskriminierung in Price 279 Green, 38 Harv. C.R.-C.L. L. Rev. 91, 111 f., 127; Krieger, 47 Stan. L. Rev. 1161, 1241. Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 1009 ff., 1027 ff.; Lawrence III, 39 Stan. L. Rev. 317, 323; Oppenheimer, 141 U. Pa. L. Rev. 899, 972. 280 Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 25. 281 Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 352. 282 McDonnell Douglas Corp. v. Green, 411 U.S. 792 (1973). Vgl. zur Anwendung auf den ADEA: O’Connor v. Consolidated Coin Caterers Corp., 517 U.S. 308, 311 (1996). 283 Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 243; in jüngerer Zeit unter dem ADEA: Sembos v. Philips Components, 376 F.3d 696, 701 f. (7th Cir. 2004). 284 Hierzu Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 1035 ff. 285 So Gaertner / Dividio / Nier, in: Nielson / Nelson, Employment Discrimination Research, S. 385. 286 Vgl. Sec. 703(m) Title VII of the Civil Rights Act of 1964 as amended, 42 U.S.C. § 2000e – 2(m).

C. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz zur Diskriminierung im Arbeitsverhältnis 145

Waterhouse auch in disparate treatment Fällen unter dem ADEA Bezug genommen.287 Der Supreme Court äußert sich wie folgt zur erforderlichen Motivation des Arbeitgebers: „In saying that gender played a motivating part in an employment decision, we mean that, if we asked the employer at the moment of the decision what its reasons were and if we received a truthful response, one of those reasons would be that the applicant or the employee was a woman.“288 Dem Diskriminierenden muss also im Zeitpunkt der diskriminierenden Entscheidung bewusst sein, dass er gerade diskriminiert. Erforderlich ist also auch hier ein Diskriminierungsvorsatz. Angesichts der Erkenntnisse über unterbewusste Verzerrungen beim Arbeitgeber zu Lasten bestimmter Gruppen werden diese Voraussetzungen häufig nicht erfüllt sein.289 Somit ist implicit bias unter der disparate treatment doctrine des ADEA nicht verboten. Nur über die disparate impact doctrine können diskriminierende Auswirkungen solcher Verzerrungen unterbunden werden.

V. Ergebnis In der neueren U.S.-amerikanischen Literatur wird die Rolle kognitiver Prozesse als Ursache von Diskriminierungen lebhaft diskutiert. Jedoch ist die Verbreitung und Wirkungsweise von unterbewussten Verzerrungen bei der Verursachung von Altersdiskriminierung im Arbeitsverhältnis noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht, um als eigenes Modell der Diskriminierung gelten zu können. Es bestehen eher Anhaltspunkte, dass die kognitiven Fehlerquellen im Bereich des Merkmals Alter weniger wirkungsvoll bei der Verursachung von diskriminierendem Verhalten sind, als dies etwa bei den Merkmalen Rasse oder Geschlecht der Fall ist. Generell sind die Möglichkeiten des Rechts, kognitiven Verzerrungen von Informationsverarbeitung zu begegnen, kritisch zu sehen. Zwar werden vereinzelt rechtliche debiasing-Instrumente vorgeschlagen, wobei jedoch zweifelhaft ist, ob diese überhaupt implicit age bias reduzieren können, und bei denen kontraproduktive Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können. Schließlich wären derartige Regelungen aus ökonomischer Perspektive auch nicht wünschenswert, da die Verwendung von Heuristiken nicht notwendigerweise ineffizient ist und da bereits der Wettbewerb am Markt Anreize setzt, ineffiziente systematische Fehler in kognitiven Prozessen zu vermeiden. Trotzdem wird der ADEA in der U.S.-amerikanischen Rechtswissenschaft mittlerweile weitläufig kritisiert, weil das Vorsatzerfordernis der disparate treatment doctrine unterbewusst verursachte Diskriminierungen nicht erfasst. 287 Ostrowski v. Atlantic Mutual Insurance Co., 968 F.2d 171, 180 (2nd Cir. 1992): „We have held that the Price Waterhouse framework applies to actions brought under the ADEA.“; zu dahingehenden Entscheidungen des 3rd, 5th, 6th, 7th, 8th, 9th und 11th Circuit vgl. Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 402, 405 ff. 288 Price Waterhouse v. Hopkins, 490 U.S. 228, 250 (1989). Trotzdem wird diese Entscheidung im amerikanischen Recht als Erfolg der civil rights Bewegung gesehen. 289 So auch Krieger / Fiske, 94 Cal. L. Rev. 997, 1010, 1031.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

D. Verursachung von Diskriminierung durch Unterschiede im Humankapital Im Bereich der Rassen- und Geschlechterdiskriminierung werden häufig strukturelle Unterschiede im Humankapital der benachteiligten Gruppen als Ursache der Ungleichbehandlungen angeführt.290 So würden sozialer Status, gesellschaftliche Rollenvorstellungen, historische Gründe und auch statistische Diskriminierung291 bei Frauen und ethnischen Minderheiten regelmäßig zu niedrigeren Humankapitalinvestitionen führen, die sich wiederum in Ungleichbehandlungen am Arbeitsmarkt auswirken.292

I. Anwendbarkeit auf Altersdiskriminierung Auch im Bereich der Altersdiskriminierung wird beklagt, dass ältere Arbeitnehmer beim Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen benachteiligt würden, was wiederum Ungleichbehandlungen bei anderen Maßnahmen im Arbeitsverhältnis zur Folge hätte.293 Der Vorwurf, ältere Arbeitnehmer seien von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen weitgehend ausgeschlossen, ist jedoch so nicht haltbar. In den USA weisen zwar einige Studien auf eine tendenzielle Abnahme der Beteiligung an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen mit zunehmendem Alter hin. Während jedoch Arbeitnehmer zwischen 25 und 49 Jahren im Jahr 1991 noch zu 19% mehr an Trainingsmaßnahmen teilnahmen, schrumpfte diese Lücke bis 2001 auf 12%.294 Die Aussagekraft dieser reinen Teilnahmezahlen an Schulungen bezogen auf das Alter ist jedoch begrenzt, da das Ergebnis von verschiedenen Effekten, wie der Vorbildung und den Tätigkeitsbereich der Betroffenen, überlagert wird. Eine neuere Studie, die solche anderen Charakteristiken älterer Arbeitnehmer durch eine Regressionsanalyse herausrechnet, kommt zu dem Ergebnis, dass das zunehmende Lebensalter selbst nur statistisch unsignifikant mit der Verteilung von Weitbildungsmaßnahmen in den verschiedenen Kohorten korreliert.295 Jedoch haben die Probleme Älterer am Arbeitsmarkt auch eine wichtige Humankapitalkomponente. Wie bereits oben dargelegt, modifiziert die von Gary S. Becker begründete Humankapitaltheorie die Annahme des neoklassischen Grundmodells, nach der das Arbeitsangebot homogen ist. Vielmehr können die Arbeits290 Becker, in: Humphries, Gender and Economics, S. 386; Kalter, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 306 ff. 291 Dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter B. III. 1. 292 Vgl. Granato / Kalter, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2001, 503 f., 517 f. 293 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 138 f. 294 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 133. 295 Creighton / Hudson, Participation in Adult Education, S. 45.

D. Verursachung von Diskriminierung durch Unterschiede im Humankapital

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anbieter ihre Leistungsfähigkeit durch Investitionen in ihr Humankapital steigern. Daraus folgt, dass Betriebe bei Neubesetzungen von Arbeitsplätzen, die betriebsspezifische Kenntnisse erfordern, jene Bewerber auswählen, die die längste Nutzungsdauer und die niedrigsten Investitionskosten in das betriebsspezifische Humankapital signalisieren.296 Dieses rationale Unternehmerverhalten kann sich für ältere Menschen aus verschiedenen Gründen nachteilig auswirken.

1. Punktuell geringere Humankapitalausstattung Im Gegensatz zu den teilweise beobachteten geschlechts- und rassenspezifischen Unterschieden in der Humankapitalausstattung, haben sich die Unterschiede im formalen Qualifikationsniveau zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern heutzutage sehr stark verringert.297 In Deutschland konnten im Jahr 2000 beispielsweise nur in den rentennahen Altersgruppen noch Qualifikationsunterschiede festgemacht werden.298 Erst ab dem 60. Lebensjahr besteht noch eine Tendenz zu niedriger formaler Qualifikation.299 Dennoch ist es möglich, dass in bestimmten Fachbereichen ältere Kandidaten nur selten über die erforderlichen Kenntnisse verfügen. Insbesondere die Entwicklung und Verwendung neuer Technologien in einem Tätigkeitsbereich oder ein Strukturwandel in einer Branche können dazu führen, dass die nun geforderten Kenntnisse oftmals nur bei jüngeren Jahrgängen zu finden sind.300 Gerade die Kenntnisse Älterer sind heute schneller obsolet, da der Großteil ihrer Ausbildung vor dem Einsetzen von dramatischen technologischen Entwicklungen der Informationsgesellschaft erfolgte.301 Und auch angesichts sich immer schneller vollziehender Innovationsprozesse besteht ein erhebliches Dequalifizierungsrisiko bei älteren Arbeitnehmern, die im Gegensatz zu jüngeren über weniger aktuelle Qualifikationen verfügen.302 Diese Qualifikationsdefizite können zwar häufig durch Schulungen ausgeglichen werden. Diese sind aber kostenträchtig, weshalb die Defizite zunächst einmal einen Wettbewerbsnachteil gegenüber einem Bewerber darstellen, der über diese Kenntnisse bereits verfügt.

296 Koller / Gruber, MittAB 2001, 480 (zur wirtschaftstheoretischen Herleiung), 503 (zur empirischen Bestätigung). 297 Funk / Klös / Seyda / Birk / Waas, Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer, S. 43; ähnlich für die USA: OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 134 f. 298 Hierzu Koller / Plath, MittAB 2000, 114. Das Alter, ab dem Qualifikationsunterschiede aufkommen, ist seitdem eher höher geworden. 299 Vgl. Eichhorst, ZSR 2006, 116; Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 26. 300 Bookmann / Zwick, ZAF 2004, 53. 301 Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 26. 302 Clemens / Künemund / Parey, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 58; Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 99 f.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

2. Erhöhte Investitionskosten Auch die Investitionskosten in Humankapital sind bei älteren Menschen regelmäßig höher, um einen vergleichbaren Lernerfolg zu erreichen. In der Gerontologie ist umstritten, ob die Lernfähigkeit mit zunehmendem Alter tendenziell abnimmt. Teilweise wird davon ausgegangen, dass manches Wissen und manche Fähigkeiten von jüngeren Arbeitnehmern schneller erlernt werden.303 Dafür spricht die weithin anerkannte Abnahme der fluiden Intelligenz mit zunehmendem Alter, die ausschlaggebend für die Anpassung an Umstellungen ist.304 Andere betonen, dass eine tendenziell auftretende Minderung der Lernfähigkeit mit fortschreitendem Alter nicht primär altersbedingt sei, sondern zumeist auf einer beruflichen Nicht- oder Fehlnutzung der personellen Leistungsvoraussetzungen basiere, die ältere Menschen lernungewohnt und lernunerfahren machten.305 Schließlich wird vertreten, dass Ältere nicht schlechter lernen, sondern anders und teilweise langsamer lernen, und dass vergleichbare Lernerfolge bei angepassten Lernmethoden und Lerngeschwindigkeiten auch bei älteren Arbeitnehmern erreicht werden können.306 Aus betrieblicher Sicht führt jede dieser drei Sichtweisen der Lernfähigkeit Älterer zu höheren Investitionskosten. Sei es, dass die Kosten durch eine Lernminderung, eine Lernungewohntheit oder durch kostenintensivere, individualisierte oder verlangsamte Ausbildungsmethoden verursacht werden. Gleichwohl sind diese Erkenntnisse der gerontologischen Forschung für den Arbeitgeber wichtig, da er diese bei der Ausgestaltung seiner Arbeitsplätze und Weiterbildungsmaßnahmen berücksichtigen sollte, um die Produktivität seiner Mitarbeiter optimal zu fördern und zu erhalten.307

303 Nachweise für reduzierte Lernfähigkeit bei: Epstein, Age Discrimination in Employment, S. 8 ff.; Schuller, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 123, 133 f.; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 48. 304 Lehr, Psychologie des Alterns, S. 78 f.; Vgl. auch die Ausführungen zur Abnahme der fluiden Intelligenz im 4. Kapitel, unter B. IV. 1. c). 305 Clemens / Künemund / Parey, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 58 f.; Koller / Plath, MittAB 2000, 118: Insbesondere bei lang andauernde berufliche Tätigkeiten, bei denen es nichts zu lernen gibt, können bereits erworbene Fähigkeiten und sogar das Lernen selbst verlernt werden (Disuse-Effekt). 306 Lehr, Psychologie des Alterns, S. 217; Clemens, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 98; Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 98; Schwägerl, Ja, lernt denn der alte Holzmichel noch?, F.A.Z. v. 30. 11. 06, zu aktuellen Forschungsprojekten über die Lernfähigkeit Älterer. 307 Zu Möglichkeiten der Nutzung dieser Erkenntnisse: Clemens, in: Herfurth / Kohli / Zimmermann, Arbeit in einer alternden Gesellschaft, S. 93 ff.; Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 105 ff.

D. Verursachung von Diskriminierung durch Unterschiede im Humankapital

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3. Verkürzter Amortisierungszeitraum Schließlich steht den erhöhten Investitionskosten in Humankapital älterer Menschen aufgrund des nahenden Ausscheidens aus dem Arbeitsleben regelmäßig ein verkürzter Zeitraum zur Amortisierung gegenüber.308 Dieser kürzere Zeitraum, in dem sich Investitionen in Humankapital auszahlen können, verringert nicht nur die Anreize von Arbeitgebern, ältere Arbeitnehmer zu schulen. Auch die Bereitschaft älterer Arbeitnehmer, sich im Job oder in der Arbeitslosigkeit fortzubilden, wird dadurch erheblich gesenkt.309 So ist es nicht verwunderlich, dass das Interesse an beruflicher Weiterbildung mit zunehmendem Alter sinkt.310 Wegen des verkürzten Zeithorizonts für die Amortisierung sinken die Investitionen in Humankapital beider Seiten bereits lange Zeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.311 Sicherlich besteht auch bei jüngeren Arbeitnehmern infolge wachsender Mobilität am Arbeitsmarkt die Möglichkeit, dass diese nach kurzer Zeit den Arbeitgeber verlassen und so eine Amortisierung Humankapitalinvestitionen unmöglich machen. Dieser Wechsel kann im Einzelfall schon nach einem kürzeren Zeitraum erfolgen, als das Ausscheiden eines älteren Menschen aus dem Arbeitsleben, da die Mobilität von Arbeitnehmern mit zunehmendem Alter regelmäßig sinkt.312 Dabei ist aber zu beachten, dass die übliche Verweildauer von Arbeitskräften bei einem Arbeitgeber von Wirtschaftszweig, Branche, Betriebsgröße, Unternehmensklima und zahlreichen anderen Faktoren abhängig ist. Es bestehen starke Anreize, dass der Arbeitgeber den zu erwartenden Verbleib zutreffend prognostiziert. Mithin ist eine pauschale Aussage über die Mobilität der einzelnen Altersgruppen nur bedingt möglich, und der einzelne Arbeitgeber in der besten Position dies für den betroffenen Arbeitsplatz zu ermitteln. Jedenfalls ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bei der Gruppe der über 60-Jährigen doch mit großer Wahrscheinlichkeit nahe ist. Ein solch kurzfristiges und wahrscheinliches Ausscheiden wird bei jüngeren Arbeitnehmern nur selten anzutreffen sein.

308 Vgl. auch Becker / Hecken, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 139; Epstein, Age Discrimination in Employment, S. 8 ff.; Schuller, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 123, 133 f.; OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 134 f. 309 Husemann, WSI Mitteilungen 2002, 34; OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 135; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 50; zu der Parallele hinsichtlich von Humankapitalinvestitionen von Frauen: Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 34 f. 310 Hierzu Görges, Gesellschaftliche Alterung und Betriebe, S. 98; Husemann, WSI Mitteilungen 2002, 34 f. 311 Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 35 f. 312 Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 331 ff.; mit Nachweisen zum deutschen Arbeitsmarkt, Mertens, MittAB 1997, 664: Jüngere Arbeitnehmer sind regelmäßig mobiler als ältere, weil sie noch längere Zeit von etwaigen Lohnzuwächsen in der neuen Tätigkeit profitieren können und weil sie weniger firmenspezifisches Humankapital angesammelt haben.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

II. Humankapital und statistische Diskriminierung Diese drei Humankapitalspezifika älterer Menschen können am Arbeitsmarkt auch zur Nutzung des Lebensalters eines Menschen als proxy bei der Auswahl von Bewerbern, bei Kündigungsentscheidungen und bei sonstigen Maßnahmen im Arbeitsverhältnis führen. So können Humankapitalaspekte in Form von statistischer Diskriminierung auftreten. Wenn ein Arbeitgeber für einen bestimmten Arbeitsplatz davon ausgehen kann, dass das Ausbildungsniveau eines älteren Bewerbers tendenziell niedriger, die notwendigen Humankapitalinvestitionen höher oder der Zeitraum für eine Amortisierung der Investitionen kürzer ist, bietet sich das Lebensalter als Stellvertreterwert für Humankapitalrisiken an. Eine weitere Verknüpfung von Humankapitaleigenschaften und statistischer Diskriminierung, die älteren Menschen insbesondere bei der Einstellung zum Nachteil gereichen kann, ergibt sich aus der betrieblichen Wissensökonomie. Danach wird Erfahrungswissen überwiegend in den Betrieben intern generiert, während schulisches, beruffachliches und akademisches Wissen per Rekrutierung von „frischen“ Absolventen akquiriert wird.313 Zwar können grundsätzlich auch ältere Personen über letzteres Wissen verfügen. Jüngeres Lebensalter wird aber häufig positiv mit aktuellem und abrufbarem schulischem, beruffachlichem oder akademischem Wissen korrelieren. Geringere Einstellungschancen für ältere Menschen können die Folge auch dieser Humankapitaleigenschaft sein.

III. Auswirkungen des Verbots von Altersdiskriminierung auf das Humankapital Hinsichtlich der Auswirkungen des Verbots der Altersdiskriminierung auf das Humankapital kann weitestgehend auf obige Ausführungen im Rahmen des Modells der statistischen Diskriminierung verwiesen werden.314 Wie bereits dargelegt, werden durch das Verbot im ADEA die Anreize Älterer, in ihr Humankapital zu investieren, nicht durchgreifend verbessert. Es droht vielmehr die Benutzung eines neuen proxy für Humankapitaleigenschaften, der Fehlanreize bei der Humankapitalinvestition anderer Bevölkerungsgruppen schafft. Des Weiteren setzt bereits der Wettbewerb Anreize für den Arbeitgeber, das Lebensalter eines Menschen nur dann als Signal für seine Humankapitalausstattung zu nutzen, wenn die Kosten alternativer Überprüfung der Kenntnisse des Betroffenen die Fehlerkosten im Zusammenhang mit der Alterspauschalisierung überwiegen. Insgesamt geht das Verbot der Nutzung des Lebensalters als Indikator für Humankapitaleigenschaften eines Menschen mit Effizienzverlusten einher.

313 Promberger, in: Friedrich-Ebert-Stiftung, Sozialpolitische Flankierung einer verlängerten Erwerbsphase, S. 35; Wenzel, ZSR 2006, 379. 314 Hierzu ausführlich im 4. Kapitel, unter B. III. 1. c) und B. V.

E. Senioritätsentlohnung

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IV. Ergebnis Unterschiedliche Humankapitaleigenschaften verschiedener Altersgruppen können Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt verursachen. Dabei kann das Lebensalter einer Person dem Arbeitgeber im Einzelfall als effizienter Indikator punktuell niedrigerer Humankapitalausstattung, höherer Investitionskosten oder einer verkürzten Amortisierungsperiode dienen, wenn die Kosten zur individuellen Ermittlung dieser Eigenschaften die Fehlerkosten der proxy-Nutzung überwiegen. Ein Verbot dieser Form der statistischen Diskriminierung ist mit Effizienzverlusten verbunden.

E. Senioritätsentlohnung Senioritätsentlohnung, also eine Entlohnung von Arbeitnehmern nach deren Lebensalter bzw. Betriebszugehörigkeitsdauer, stellen keine Verletzung des Verbots von Altersdiskriminierungen nach dem ADEA dar. Zum einen schützt das Gesetz nur Ältere vor Benachteiligungen gegenüber Jüngeren, so dass eine privilegierte Bezahlung älterer Arbeitnehmer schon nicht in den Anwendungsbereich des Verbots fällt. In seinem Urteil General Dynamics Land System, Inc. v. Cline entschied der Supreme Court, dass der ADEA reverse age discrimination, also Differenzierungen zugunsten älterer Arbeitnehmer, nicht verbiete.315 Der ADEA schütze nach Wortlaut, Systematik und Gesetzgebungsgeschichte nur den relativ älteren Arbeitnehmer ab dem 40. Lebensjahr vor Benachteiligungen gegenüber einem relativ jüngeren Arbeitnehmer.316 Zum anderen normiert Sec. 623 (f) (2) (A) ADEA die Zulässigkeit eines an der Seniorität orientierten Entgeltsystems. Dennoch lässt der ADEA die Möglichkeiten von Unternehmen, ihre Mitarbeiter unmittelbar oder mittelbar altersbezogen zu bezahlen, nicht gänzlich unberührt. Die Diskussion in der U.S.-amerikanischen Wirtschafts- und Rechtswissenschaft zu Senioritätslöhnen wird noch heute kontrovers geführt und findet vor allem vor dem Hintergrund des Verbots von Zwangspensionierungen durch den ADEA statt. Dieser Diskurs liefert hilfreiche ökonomische Modelle für die Frage, inwiefern Senioritätslöhne und Pensionsgrenzen unter dem AGG gerechtfertigt sein können.317 Sowohl Gegner als auch Befürworter des ADEA führen in der ökonomischen Diskussion das Argument der Auswirkungen des Gesetzes auf so genannte implizite Senioritätslohnvereinbarungen (implicit life cycle contracts) zur Stützung ihrer jeweiligen Positionen an. Auf der einen Seite wird kritisiert, dass der ADEA Zwangspensionierung durch Altersgrenzen (mandatory retirement) aller AltersGeneral Dynamics Land System, Inc. v. Cline, 540 U.S. 581 (2004). General Dynamics Land System, Inc. v. Cline, 540 U.S. 581, 593 (2004); Lewis / Norman, Employment Discrimination Law and Practice, S. 428. 317 Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter E. II. 3. 315 316

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

gruppen verbietet. Diese Altershöchstgrenzen werden von zahlreichen Autoren als „natürlicher Endpunkt“ von solchen impliziten Vereinbarungen gesehen, der notwendig für deren Abschluss ist.318 Von der Gegenseite werden die negativen Folgen des ADEA für life cycle contracts abgestritten und hervorgehoben, dass das Gesetz im Gegenteil eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung dieser Vereinbarungen spielen kann.319

I. Verbreitung von Senioritätslöhnen in den USA Die Aufmerksamkeit, die Senioritätslöhnen im Zusammenhang mit dem ADEA und der Beschäftigungssituation Älterer zuteil wird, übertrifft die Bedeutung die solchen Vergütungssystemen in der U.S.-amerikanischen Arbeitswelt heute noch zukommt. Noch 1992 stellte Däubler der weniger senioritätsorientierten deutschen Arbeitswelt die stark durch das Senioritätsprinzip geprägten U.S.-amerikanischen Tarifverträge gegenüber.320 Seitdem hat die Bedeutung der Senioritätsentlohnung in den USA aber etwas nachgelassen. Die 2001 von Flabbi und Ichino zusammengetragenen empirischen Schätzungen gehen auf 10 Jahre von einem durchschnittlichen Lohnzuwachs von 11% bis 24 % aufgrund von Senioritätslöhnen aus.321 Nach dem von der OECD veröffentlichten Vergleich der Altersverdienstprofile in ausgewählten OECD-Ländern im Jahr 2002 steigt der durchschnittliche Verdienst einer Arbeitskraft in den USA bis zum Alter von 55 bis 59 Jahren auf 150 % an, wenn man das durchschnittliche Einkommen der 25- bis 29-Jährigen als 100% zugrunde legt. In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen fällt der Verdienst aber wieder auf 137 % zurück.322 Die deutschen Altersverdienstprofile verlaufen im Vergleich ähnlich. Sie sind aber sogar noch etwas steiler und verzeichnen einen erheblich geringeren Rückgang bei den 60- bis 64-Jährigen.323 Eine ausgeprägte Besonderheit weisen die amerikanischen Altersverdienstprofile aber im Vergleich zu anderen Industrienationen auf: Die Steigerung des Einkommens von Personen mit Hochschulausbildung ist erheblich steiler als die anderer Länder. Legt man das Einkommen von 18- bis 24-Jährigen als 100 % zugrunde, so steigen die durchschnittlichen Einkommen amerikanischer Männer mit Hochschulabschluss kontinuierlich bis zum Alter von 60 bis 64 Jahren auf gut 300 % an. Bei Frauen dieser Bildungsschicht steigen die Durchschnittslöhne kontinuierlich auf rund 180 % an.324 Dies unterstützt die These über die Funktion von Senioritätslöhnen als AnIssacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 790; Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261. Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813; Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081. 320 Däubler, in: Däubler, Festschrift Gnade, S. 95. 321 Flabbi / Ichino, 8 Lab. Econ. 359, 361. 322 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 118. 323 Vgl. die Daten dazu im 7. Kapitel, unter E. II. 1. 324 Blöndal / Field / Girouard, Investment in Human Capital, S. 46, Abbildung 3; BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 71 f. 318 319

E. Senioritätsentlohnung

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reizlöhne, da gerade in Berufen, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, die Leistungsüberprüfung nicht oder nur sehr aufwendig möglich ist. Insgesamt ist also die Verbreitung von Senioritätslöhnen in den USA gerade in Berufsfeldern, in denen die Überprüfung der Produktivität schwierig ist, signifikant. Ansonsten wird in den USA nur begrenzt auf Senioritätslöhne zurückgegriffen.

II. Modelle der Senioritätsentlohnung Auf Arbeitsmärkten kann oftmals beobachtet werden, dass in langfristigen Arbeitsverhältnissen der Lohn mit wachsender Betriebszugehörigkeit stetig, teilweise bis zur Pensionierung, ansteigt.325 Dieser Lohnzuwachs im Laufe eines Arbeitslebens deckt sich regelmäßig nicht mit der Entwicklung der Produktivität des betreffenden Arbeitnehmers während dieser Zeit. Dieses Phänomen stellt das neoklassische ökonomische Modell, nach dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, infrage.326 1. Lohnanstieg während der ersten Arbeitsjahre Eine Erscheinungsform von Senioritätslöhnen ist, dass die ansteigenden Lohnprofile auf die Eingangsphase auf einem Arbeitsplatz beschränkt sind. Diese Form der Inelastizität der Löhne lässt sich durch das Selektionsmodell327 erklären. Angesichts asymmetrisch verteilter Information über die Eigenschaften, Fähigkeiten und Absichten des Arbeitnehmers, kann die Bezahlung unterhalb der Produktivität in den ersten Arbeitsjahren und eine Entlohnung darüber in den Folgejahren zur Selbst-Selektion von Arbeitnehmern bestimmter Qualitäten führen.328 Insbesondere kann der Arbeitgeber bei der Auswahl eines geeigneten Arbeitnehmers kaum in Erfahrung bringen, wie lange dieser beabsichtigt, auf dem Arbeitsplatz zu verbleiben. Diese Betriebstreue kann aber angesichts erheblicher Kosten für spezifische Humankapitalbildung von entscheidender Bedeutung sein. Hier können Senioritätslöhne in der Einstiegsphase zu einer Selbstselektion betriebstreuer Arbeitnehmer führen. Im Jahr 1976 zeigten Salop und Salop, dass unbeständige Arbeitnehmer, die regelmäßig nicht lange in einem Betrieb verbleiben wollen, durch ansteigende Lohnprofile abgeschreckt werden. Denn die niedrigeren Anfangslöhne werden erst zu einem späteren Zeitpunkt durch höhere Löhne wieder ausgeglichen, was einem Arbeitnehmer bei einem schnellen Wechsel aber nicht mehr zugute kommt.329 Nach diesem Modell sind allerdings nur ansteigende Löhne zu Beginn Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 76. Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 787. 327 Grundlegend dazu Salop / Salop, 90 Quart. J. Econ. 619; auch Guasch / Weiss, 71 Am. Econ. Rev. 275, 275 f. 328 Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 77. 325 326

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

des Arbeitsverhältnisses zu erwarten, da sich die Informationsasymmetrie regelmäßig nach einigen Jahren der Zusammenarbeit beseitigt. Ein über längere Zeiträume ansteigendes Lohnprofil ist hiermit nicht zu erklären.330

2. Lohnanstieg über die gesamte Karriere Wie bereits erörtert, leistet die Humankapitaltheorie wichtige Beiträge zur Erklärung steigender Lohnprofile über das Arbeitsleben. Senioritätslöhne können so eine effiziente Aufteilung von Investitionen in firmspezifisches Humankapital zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ermöglichen. Jedoch kann dieses Modell nicht begründen, warum Löhne teilweise über das Grenzwertprodukt des Arbeitnehmers hinaus anwachsen.331 Vielmehr bleibt der Lohn nach diesem Erklärungsansatz auch nach Beendigung der Trainingsphase unterhalb der Produktivität des Arbeitnehmers im Betrieb.332 Die Inelastizität der Löhne über das gesamte Arbeitsleben eines Arbeitnehmers auch oberhalb der Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers lässt sich am besten durch das Modell der senioritätsgebundenen Anreizentlohnung (life cycle contracts) erklären. Dies sind regelmäßig implizite Vereinbarungen, die nicht rechtlich durchsetzbar sind.333 Das Modell der effizienten Senioritätsentlohnung wurde erstmals von Lazear entwickelt und besagt, dass es für ein Unternehmen und seine Arbeitnehmer optimal sein kann, das Entlohnungssystem derart auszugestalten, dass Arbeitnehmer in jungen Jahren weniger als ihr Wertgrenzprodukt verdienen und im Alter mehr.334 Seine Theorie der Motivation der Mitarbeiter durch im Verlauf der Karriere ansteigende Lohnprofile konnte insbesondere für Berufsfelder, in denen das Arbeitsergebnis schwer zu messen ist, durch verschiedene empirische Studien gestützt werden.335 Nach diesem Modell übernimmt der Lohn zusätzlich zur Kompensationsfunktion (für Arbeitsleistung und Humankapitalinvestition) Salop / Salop, 90 Quart. J. Econ. 619, 620. Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 77. 331 Hutchens, 3 J. Econ. Persp. 49; Loewenstein / Sicherman, 9 J. Lab. Econ. 67, 68; Medoff / Abraham, 95 Quart. J. Econ. 703; Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 15; in neuerer Zeit: Flabbi / Ichino, 8 Lab. Econ. 359, 359. 332 Dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter B. III. 1. a). 333 Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1086; Schrüfer, Ökonomische Analyse individueller Arbeitsverhältnisse, S. 117 ff., der herleitet, dass reale Arbeitsverträge hinsichtlich des erwarteten Anstrengungsniveau des Arbeitsnehmers regelmäßig unvollständig bleiben. 334 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264: It is „optimal for firms and workers to have a payment scheme such that the worker receives less than his marginal product when young and more than his marginal product when old.“ 335 Bellmann / Buttler, MittAB 1989, 207 f.; Hellerstein / Neumark, Production Function and Wage Equation Estimation with Heterogeneous Labor; Hutchens, 5 J. Lab. Econ. 153; Hutchens, 4 J. Lab. Econ. 439; Leigh, 19 J. Human Resources 512; Lazear, Personnel Economics, S. 42. 329 330

E. Senioritätsentlohnung

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noch eine Anreizfunktion. Dies ist erforderlich, weil das Anstrengungsniveau des Arbeitnehmers regelmäßig eine unverifizierbare Variable ist. Zwar versuchen die Arbeitsvertragsparteien, auch die Anstrengungen soweit als möglich zu kontrollieren. Dies ist jedoch kostenintensiv, und ein zu niedriges Leistungsniveau ist vor Gericht häufig nur schwer nachweisbar.336 Für den Arbeitnehmer ist der Gegenwartswert seines Lebenseinkommensstroms von Interesse, während der Arbeitgeber sich für den gegenwärtigen Wert des erwarteten Wertgrenzproduktes für das Arbeitsleben des Arbeitnehmers interessiert.337 Ceteris paribus sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer indifferent zwischen einem Entlohnungssystem mit gleich bleibenden Löhnen und einer stetig steigenden Entlohnung, solange der Gegenwartswert des Lebenslohnes gleich ist. Jedoch kann das gegenwärtige Wertgrenzprodukt für das gesamte Arbeitsleben eines Arbeitnehmers gesteigert werden, wenn der Arbeitnehmer von so genanntem shirking, also Drückebergerverhalten, trägem Arbeiten, Mogeln, Bummeln, Trödeln oder Däumchendrehen,338 abgehalten werden kann.339 Es besteht die Tendenz, dass Menschen, die für Zeit und nicht für Leistung bezahlt werden, weniger hart arbeiten.340 Dieses moral hazard problem (also eine Form des nachvertraglichen Opportunismus auf Seiten des Arbeitnehmers) kann zwar durch erhöhte Überwachung der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern abgeschwächt werden, was jedoch regelmäßig kostenintensiv ist.341 Eine Alternative dazu kann es daher sein, die Belohnung für das gute Verhalten eines Arbeitnehmers zeitlich aufzuschieben. Senioritätslöhne sind solch ein Weg, um das Prinzipal-Agenten-Problem in einer Arbeitsbeziehung abzuschwächen, indem die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Einklang gebracht werden.342 Lazear erläutert dies folgendermaßen: „By deferring payment a firm may induce a worker to perform at a higher level of effort. Both firm and worker may prefer this high wage / high effort combination to a lower wage / lower effort path that results from a payment scheme that creates incentives to shirk.“343 Vgl. Oechsler, Personal und Arbeit, S. 24. Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264. 338 Schrüfer, Ökonomische Analyse individueller Arbeitsverhältnisse, S. 38, Fn. 32. 339 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264. 340 Die grundlegende Effizienzlohntheorie kommt zu dem plausiblen Ergebnis, dass Arbeitsanstrengungen positiv mit dem Lohn korrellieren. Dazu Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 313 ff. 341 Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 58; Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1824; eingehend zu den Probleme der Leistungsüberprüfung im Betrieb: Becker, Grundlagen betrieblicher Leistungsbeurteilungen, S. 141 ff. 342 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1262, 1277; Posner, Aging and Old Age, S. 351; zur Konflikt- und Kooperationsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, deren entgegengesetzten Interessen und möglichen Kooperationsrenten: Schrüfer, Ökonomische Analyse individueller Arbeitsverhältnisse, S. 16 ff. und Kapitel 5 und 6. 343 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264. 336 337

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Mit der Verzögerung der Belohnung geht ein Anreiz für den Arbeitnehmer einher, nicht zu bummeln, da für ihn die Konsequenz, also die Kosten des Bummelns (unterstellt, er wird dabei erwischt) der Verlust des Arbeitsplatzes ist, auf dem er mehr als seinen Reservationslohn verdient und auf dem er weitere Lohnsteigerungen zu erwarten hat.344 Der Arbeitnehmer wird daher das Bummeln unterlassen, wenn der Gegenwartswert der von der andauernden Vertragsbeziehung erwarteten Quasirenten für den Arbeitnehmer größer ist als der kurzfristige Nutzen aus dem Bruch der impliziten Vereinbarung. Auf diese Art und Weise mildert eine Senioritätsentlohnung das moral hazard problem ab und steigert so die Produktivität des Arbeitnehmers über den Lauf seiner gesamten Karriere, was wiederum den Mehrwert, der durch das Arbeitsverhältnis geschaffen wird, steigert.345 Deshalb werden implizite life cyle Vereinbarungen verbreitet als effizienzsteigernd angesehen.346

3. Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz Teilweise wird vertreten, dass eine kumulative Erklärung, warum Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine Karriere stetig wachsende Lohnzahlungen bevorzugen, in der psychologischen Präferenz des Arbeitnehmers für steigende Löhne zu finden ist.347 In verschiedenen Situationen bevorzugen Menschen steigende Mengen einer positiven Sache im Vergleich zu einem stetig gleich bleibenden oder sinkenden Zufluss, auch wenn der gegenwärtige Wert in allen drei Alternativen der gleiche ist.348 Die Begründung dieser Präferenz könnte in einer Erkenntnis der Prospekttheorie (prospect theory) liegen, dass Menschen die Tendenz haben, ihre Optionen anhand der Frage zu bewerten, ob darin eine Verbesserung oder eine Verschlechterung des status quo liegt.349 In einer Studie von Loewenstein wählten Menschen angesichts einer Auswahl zwischen Lohnprofilen, die über die Zeit ansteigen, und solchen, die mit der Zeit sinken, zu 83 % die erstere Variante, obwohl der Gegenwartswert des letzteren Lohnes höher war als bei dem bevorzugLazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1267; Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 791. Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1825. 346 Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 791; Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1824, 1829; Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264; Schömann / Rogowski / Kruppe, Labor Market Efficiency in the European Union, S. 17; Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 17. 347 Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1826 ff. 348 Loewenstein / Sicherman, 9 J. Lab. Econ. 67, 71 ff.; Loewenstein / Prelec, 81 Am. Econ. Rev. 347, 347; Frank / Hutchens, 21 J. Econ. Behav. & Org. 251, 251; Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1826: Eine Entlohnung von 20.000 USD im ersten Jahr, 22.000 USD im Folgejahr und 24.000 USD im dritten Jahr wird von Teilnehmern der Studien gegenüber einer gleichbleibenden Entlohnung von 22.000 USD bevorzugt. Das ansteigende Lohnprofil ist augenscheinlich attraktiver, obwohl die zweite Lohnvariante den Betroffenen finanziell besser stellen kann, wenn man Zinszahlungen berücksichtigt. 349 Kahneman / Tversky, 47 Econometrica 263, 263. 344 345

E. Senioritätsentlohnung

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ten.350 Gefragt nach der Motivation ihrer Entscheidung gaben die Teilnehmer der Studie zumeist „Freude am Mehrwerden“ (pleasure from increase) oder „Aversion gegen Wenigerwerden“ (aversion of decrease) an. Dies könnte die Idee widerspiegeln, dass Menschen Befriedigung durch die Vorstellung erlangen, ihre Umwelt oder eine Aufgabe gemeistert zu haben, und daher steigende Lohnprofile den flachen vorziehen.351 Diese Befriedigung der Risikoaversion des Arbeitnehmers kann Pareto-effizient sein: Sie maximiert den Nutzen des Arbeitnehmers angesichts seiner Risikoaversion und kann zu Lohnkosteneinsparungen seitens des Arbeitgebers führen.

4. Zusammenfassung Ansteigende Lohnprofile in den ersten Arbeitsjahren können mithin zur Förderung von Selbstselektion betriebstreuer Mitarbeiter genutzt werden, während über die Gesamtkarriere ansteigende Löhne eine Anreizfunktion zur Steigerung der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers einnehmen können. Es ist schwierig, mit Sicherheit zu sagen, in welchem Maße die Verbreitung von Senioritätslöhnen der Verhinderung von Bummeln oder der Befriedigung einer psychologischen Präferenz der Arbeitnehmer geschuldet ist. Es ist anzunehmen, dass beide Faktoren eine Rolle spielen, wobei die relative Größe davon abhängt, wie hoch das Risiko von shirking in dem jeweiligen Berufsfeld ist.352 Unabhängig von dieser Frage sind Senioritätslöhne Pareto-effizient und erfolgen zum Gewinn von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, wenn man Wettbewerb am Arbeitsmarkt voraussetzt.353

III. Auswirkungen des ADEA auf implizite Vereinbarungen über Senioritätslöhne Die Auswirkungen des ADEA auf implizite Senioritätslohnvereinbarungen sind in der amerikanischen Wirtschafts- und Rechtswissenschaft umstritten.

350 Loewenstein / Sicherman, 9 J. Lab. Econ. 67, 71 ff. Sogar wenn den Teilnehmern die finanziellen Verluste durch die ansteigenden Lohnprofile und die psychologischen Phänomene hinter ihrer Präferenz erläutert wurden, blieb ein Großteil bei seiner Vorliebe für die ansteigenden Löhne. 351 Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1827; zu Zweifeln an dieser Erkärung: Loewenstein / Sicherman, 9 J. Lab. Econ. 67, 72. 352 Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1828. 353 Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 77; Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1261.

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

1. Verhinderung von Life Cycle Contracts durch Verbot der Zwangspensionierung Kritiker des ADEA betonen, dass das Verbot der Zwangspensionierung (mandatory retirement) durch den ADEA Arbeitgeber und Arbeitnehmer davon abhalte, implizite Senioritätslohnvereinbarungen im Sinne von Lazears Modell zu treffen, was zu Effizienzverlusten am Arbeitsmarkt führe.354 Lazear erläutert dazu, dass die Unternehmenspraxis355 des mandatory retirement ihren Grund wirtschaftlich unter anderem im Modell der impliziten Senioritätslohnvereinbarungen findet. Die Tatsache, dass bei Senioritätsentlohnung in der zweiten Hälfte der Karriere eines Arbeitnehmers ein Lohn über dessen Wertgrenzprodukt gezahlt wird, impliziert, dass es einen Zeitpunkt geben wird, ab dem der Arbeitgeber nicht mehr willens ist, diesen Lohn zu bezahlen – es bedarf eines Endpunktes der Karriere.356 Der effiziente Zeitpunkt des Ausscheidens aus einem Arbeitsverhältnis ohne Senioritätslohn ist der Punkt (T), ab dem das Wertgrenzprodukt eines Arbeitnehmers unter seinen Reservationslohn fällt.357 Denn jenseits dieses Punktes ist die Produktivität eines Arbeitnehmers in dem Arbeitsverhältnis niedriger, als der Lohn, den er anderweitig bekommen könnte. Seine Leistung würde dort den größtmöglichen Mehrwert schaffen, weshalb der Arbeitnehmer kündigen würde. In einem Senioritätssytem ist jedoch zum Zeitpunkt T der Lohn des Arbeitnehmers höher als dessen Wertgrenzprodukt und deshalb auch höher als sein Schwellenlohn. Daher ist der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt nicht bereit, freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, obwohl dies das Datum des effizienten Ausscheidens wäre. Dies ist auch der Zeitpunkt, an dem die implizite Senioritätslohnvereinbarung ihr Gleichgewicht erreicht: der Wert des Lebenswertgrenzproduktes des Arbeitnehmers ist gleich dem Wert der Lebenslohnzahlung.358 Ex ante hatte sich der Arbeitnehmer aber in der impliziten Vereinbarung mit dem Senioritätslohn zum beiderseitigen Nutzen bereiterklärt. Aus diesem Blickwinkel ist eine mit Senioritätslöhnen verknüpfte Zwangspensionierung ex ante freiwillig. Auch wenn der Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 790; Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261. Die Ansichten in der U.S.-amerikanischen Wissenschaft, wie verbreitet Zwangspensionierungen durch Altershöchstgrenzen vor ihrem Verbot durch den ADEA waren, gehen auseinander. Einige Studien zeigen, dass 5 – 10 % der Pensionierungen vor 1986 durch solche Regelungen erzwungen waren (Rones, 11 Monthly Lab. Rev. 14, 15; Quinn / Burkhauser / Myers, Passing the Torch: The Influence of Economic Incentives on Work and Retirement, S. 85 ff., 199). Schwab hingegen schätzt diese Quote auf ca. 35 % (Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 15), während von Wachter sie bei 40 – 50% der Pensionierung männlicher Arbeitnehmer in den 1960er und 1970er Jahren sieht (von Wachter, The End of Mandatory Retirement in the U.S., S. 1, Table 3 unter Verweis auf die Longitudinal Survey of Older Men, 1966 – 1983). 356 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264; Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 788. 357 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264 f. 358 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1265: „Although this is the efficient and equilibrium date of retirement (the date such that the present value of the lifetime marginal product equals the present value of the lifetime wage payment), the worker will not voluntarily retire at this date because wage exceeds reservation wage.“ 354 355

E. Senioritätsentlohnung

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ältere Arbeitnehmer dieses System nicht mehr mag je näher der Zeitpunkt T rückt, wurde doch sein auf die Karriere gerechneter Lohn durch die life cycle Vereinbarung gesteigert. Der Verlust, den der Arbeitnehmer durch mandatory retirement erfährt, wird durch die während des Arbeitslebens eingefahrenen Gewinne mehr als kompensiert.359 Daher ist eine Zwangspensionierung angesichts von Senioritätslohnvereinbarungen notwendig, um den Arbeitnehmer dazu zu bringen, zum optimalen Zeitpunkt aus dem Unternehmen auszuscheiden.360 Das Verbot des mandatory retirement beraubt mithin die Vereinbarungen über Senioritätsentlohnung ihres impliziten oder ausdrücklichen Endpunktes. Arbeitgeber werden sich auf eine solche Vereinbarung nicht einlassen, wenn die Entlohnung über dem Wertgrenzprodukt noch über den Zeitpunkt T hinaus mit offenem Ende fortgesetzt werden muss.361 Auf diese Art verlieren Senioritätslohnvereinbarungen ihre Funktion bei der effizienten Harmonisierung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien. Der Erlass eines solchen Verbots führt daher zu einem andauernden Effizienzverlust, der alle Arbeitgeber und künftigen Arbeitnehmer negativ beeinträchtigt.362

2. Kritik dieser Ansicht Diese Ansicht bedarf jedoch einiger Relativierung. Zwar ist ein fixiertes Ruhestandsalter für Firmen optimal,363 jedoch ist die Zwangspensionierung bei der Ermöglichung der Leistungsanreizfunktion durch Senioritätslöhne nicht ohne Alternativen. So betonen Neumark und Stock, dass der Effizienzverlust durch das Verbot des mandatory retirement überbewertet wird. Unternehmen blieben auch nach dem Verbot in der Lage, die Pensionierung von Arbeitnehmern durch finanzielle Anreize zu erreichen.364 Lazear selbst argumentiert in einem späteren Buch, dass Arbeitgeber durch bestimmte Betriebsrentenpläne beeinflussen können, dass Arbeitnehmer im gewünschten Alter in den Ruhestand treten. Solche Pläne werden nach einer Formel berechnet, die den Lohn gegen Ende der Karriere und die Dauer der Betriebszugehörigkeit mit einbeziehen. Damit könne dasselbe Ziel wie mit mandatory retirement erreicht werden.365 Arbeitnehmer werden veranlasst, das Arbeitsverhältnis zum gewünschten Zeitpunkt T, zu verlassen, indem der Wert des Rentenanteils für die Betriebszugehörigkeit abnimmt, sobald der Arbeitnehmer Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1283. Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1265; so auch Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 365; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 59. 361 Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 790 f. 362 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1283. 363 So auch Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 59. 364 Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1084. 365 Lazear, Personnel Economics, S. 42. 359 360

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

seine Karriere nach diesem Zeitpunkt fortsetzt. Denn die Pensionierung wird sich aus Sicht des Arbeitnehmers anbieten, wenn der erwartete Wert seiner Pensionszahlungen an dem höchsten Punkt ist.366 Zu berücksichtigen ist, dass durch solche Betriebsrentenpläne als Pensionierungsanreiz auch Kosten verursacht werden. Denn hier muss der Unwille des Arbeitnehmers, angesichts der Entlohnung oberhalb seiner Produktivität das Arbeitsverhältnis zu verlassen, durch finanzielle Anreize erst überkommen werden.367 Des Weiteren bringt die Erstellung und Verwaltung derartiger Pensionspläne Kosten mit sich.368 Posner argumentiert aber, dass Frühverrentungsangebote aus zwei Gründen nicht besonders teuer sein werden. Erstens seien solche Angebote eine Art der Vergütung des Arbeitnehmers und damit vergleichbar zu anderen Lohnzusatzleistungen. Daher könne der Arbeitgeber sie auch im Gleichgewicht mit reduzierten Löhnen während des Arbeitslebens ausgestalten.369 Zweitens wird der Arbeitgeber mit einem Frühpensionierungsangebot üblicherweise signalisieren, dass er die Anzahl seiner Arbeitnehmer oder den Altersdurchschnitt seiner Belegschaft senken möchte. Ein Arbeitnehmer, der dieses Angebot ablehnt, setzt sich dem Risiko aus, dass der Arbeitgeber sein Ziel durch andere Mittel der Reduzierung der Belegschaft erreicht, die weniger finanziell attraktiv für den Arbeitnehmer sind.370 Daher können Arbeitgeber durch rechtmäßige Betriebsrentenpläne zwar die Ziele verfolgen, die durch mandatory retirement vor seinem Verbot durch den ADEA erreicht wurden. Dies geschieht aber zu gewissen, höheren Kosten der Verwaltung solcher Pläne. Dieses Ergebnis leuchtet intuitiv ein, da ansonsten schwer zu erklären wäre, warum Arbeitgeber vor dem Verbot des mandatory retirement im Jahr 1986 diese Unternehmenspraxis den betriebsrenteninduzierten Frühpensionierungen vorgezogen haben.

3. ADEA zur Verhinderung von opportunistischem Arbeitgeberverhalten Befürworter des ADEA vertreten hingegen, dass der ADEA die Effizienz des Arbeitsmarktes steigert, indem es opportunistisches Verhalten des Arbeitgebers in der zweiten Hälfte der life cycle Karriere von Arbeitnehmern verhindert. Wie im 366 Lazear, Personnel Economics, S. 43 f.; Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 365 f. zitieren eine Studie, nach der solche Rentenregelungen in den meisten der 190 größten U.S.-Unternehmen praktiziert wird. In deutschen Literatur auch Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 60 f. 367 Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 815. 368 Epstein, Forbidden Grounds, S. 457. 369 Posner, Aging and Old Age, S. 339. 370 Posner, Aging and Old Age, S. 340.

E. Senioritätsentlohnung

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Senioritätslohnmodell bereits gezeigt, verdienen Arbeitnehmer gegen Ende mehr als der Wert ihres Wertgrenzproduktes. Dies wirkt als Anreiz für den Arbeitgeber, ihnen in dieser Phase des Arbeitslebens zu kündigen (so genanntes reneging).371 Jedoch verhindern solche Kündigungen in diesem Zeitraum, dass der Arbeitnehmer die aufgeschobene Belohnung für die Bezahlung unterhalb der Produktivität zu Beginn der Karriere erhält.372 Wenn aber eine Arbeitnehmer fürchten muss, durch opportunistisches Verhalten seines Arbeitgebers um die verzögerte Entlohnung im Rahmen impliziter Vereinbarungen über Senioritätslöhne gebracht zu werden, wird er solche Vereinbarungen von vornherein nicht abschließen wollen. Dies wiederum raubt der life cycle Vereinbarung die beiderseitig ex ante gewünschten und für den Arbeitsmarkt effizienzsteigernde Anreizfunktion, die den Arbeitnehmer vom Bummeln abhält. Jolls sieht die Rolle des ADEA in dieser Frage als „hands-tying.“ Hands-tying bedeutet die Verpflichtung, Verhalten zu unterlassen, dass kurzfristig attraktiv erscheint, aber den langfristigen Zielen der Akteure schadet.373 Angewendet auf implizite Vereinbarungen über Senioritätslöhne bedeutet dies, dass es zwar kurzfristig attraktiv für den Arbeitgeber ist, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer zu beenden, sobald dessen Lohn sein Wertgrenzprodukt überschreitet. Jedoch würde dieses Verhalten Arbeitnehmer davon abhalten, künftig in solche Vereinbarungen einzutreten, was dem langfristigen Interesse des Arbeitgebers an einer effizienten Ausrichtung der gegenläufigen Interessen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hin zu mehr Produktivität schadet. Somit besteht grundsätzlich das Problem, den Arbeitgeber in der zweiten Phase des life cycles, in der der Arbeitnehmer „überbezahlt“ wird, dazu zu veranlassen, zu seiner impliziten Verpflichtung zu stehen. Hierbei könnte gesetzliches hands-tying, das kurzfristige, kostengetriebene Entscheidungen des Arbeitgebers einschränkt, die Durchsetzungskraft von Senioritätslöhnen und damit die Effektivität ihrer Anreizfunktion und die Nutzung solcher Löhne durch die Arbeitsvertragsparteien steigern.374 Jolls, Neumark und Stock argumentieren daher, dass durch die Verhinderung von Opportunismus in der zweiten Hälfte der Karriere der ADEA effiziente life cycle Vereinbarungen noch lohnender machen und damit die Effizienz des Arbeitsmarktes im Gegensatz zu den oben vorgetragen schädlichen Auswirkungen sogar steigern könne. Bei der Analyse von Daten aus Einzelstaaten mit eigenen Altersdiskriminierungsgesetzen, die im Vorfeld zum ADEA erlassen worden sind, fanden Neumark und Stock empirische Unterstützung für ihre Hypothese, dass der ADEA als „precommitment mechanism“ (vergleichbar zu Jolls’ Ansatz des „hands-tying“) die Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 43. Donohue III, 44 Stan. L. Rev. 1583, 1586, Fn. 14. 373 Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1815: „Hands-tying refers to a commitment not to engage in behavior that is attractive in the short term but ultimately destructive of long-term goals.“ Das gleiche Konzept mit anderer Bezeichnung steht hinter dem „pre-commitment device“ nach Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1081. 374 Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1839. 371 372

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Attraktivität von Senioritätslöhnen und die Effizienz des Arbeitsmarktes steigert.375 Jedoch bezweifelt von Wachter die Verlässlichkeit der Daten über die einzelstaatlichen Altersdiskriminierungsgesetze, weil unklar ist, inwieweit diese Regelungen überhaupt durchgesetzt wurden.376 Dieses Argument wird durch die erhebliche Verbreitung der Unternehmenspraxis der Zwangspensionierung im Vorfeld zu dem Verbot durch das 1986 amendment des ADEA gestützt.377 Selbst in Gegenwart der einzelstaatlichen Gesetze gab es noch eine signifikante mandatory retirement Praxis.

4. Kritik dieser Ansicht Jedoch bestehen einige Zweifel an der effizienzsteigernden Funktion des ADEA. Zum einen ist nicht klar, warum das Opportunismusproblem in der zweiten Karrierehälfte nicht durch Marktinstrumente gelöst werden kann. Die gesetzgeberische Intervention ist nur erforderlich, wenn nicht die Arbeitsvertragsparteien selbst oder Marktmechanismen die gewünschte Nutzung von Senioritätsvereinbarungen erreichen können. Zum anderen bietet das Verbot der Altersdiskriminierung durch den ADEA in seiner derzeitigen Auslegung durch die U.S.-amerikanischen Obergerichte keinen Schutz gegen opportunistische Entlassungen. a) Erforderlichkeit gesetzgeberischer Intervention Zutreffend wird betont, dass rechtlich durchsetzbaren Verträgen, die zu Senioritätslöhnen verpflichten, indem sie aushandeln, dass die Entlohnung mit der Betriebszugehörigkeit ansteigt und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht gegen Ende der Karriere aus opportunistischen Gründen kündigen darf, erhebliche Probleme entgegenstehen. Solche Verträge sind, wie Schwab überzeugend beschreibt, wegen verschiedener Hindernisse und Transaktionskosten ungeeignet.378 Denkbar Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1082. 1090. von Wachter, The End of Mandatory Retirement in the U.S., S. 8. 377 Vgl. Daten zur Verbreitung von mandatory retirement vor dem Verbot durch das ADEA im 4. Kapitel, Fn. 355. 378 Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 19 f.: Zum Ersten ist es für die Parteien schwierig, die Eventualfälle (contingencies), die ihre Arbeitsbeziehung während der nächsten 20 oder 30 Jahre beeinflussern werden, zu antizipieren. Zum Zweiten werden die Vertragsverhandlungen durch asymmetrisch verteilte Informationen zusätzlich erschwert. Die für den Vertrag relevanten Information – ob ein Arbeitnehmer hart arbeiten wird und ob ein Arbeitgeber opportunistisch handeln wird – ist privat (private information) und für die Gegenseite schwierig zugänglich oder einzuschätzen. Drittens besteht die Gefahr, dass solche Verträge unverifiable contracts sind, was ihre Durchsetzbarkeit fraglich und unsicher macht. Ein unverifiable contract ist ein Vertrag, dessen Verletzung wegen seiner Unbestimmtheit nur schwierig nachzuweisen ist. Diese Probleme stellen Transaktionskosten dar, die die Parteien davon abhalten, eine vertragliche Verpflichtung einzugehen, die ihren Bedürfnissen entspricht. 375 376

E. Senioritätsentlohnung

163

wäre aber der Schutz gegen Opportunismus des Arbeitgebers in der zweiten Hälfte der life cycle Karriere des Arbeitnehmers durch Betriebsrentenpläne (pension benefits contracts).379 Diese Rentenverträge verhindern zwar opportunistische Entlassungen nicht, sie schützen aber vor den finanziellen Folgen einer solchen Kündigung und vor dem Verlust der deffered earnings. Flankiert wird dieser Schutz durch den Employee Retirement Income Security Act von 1974 (ERISA),380 der die Möglichkeiten des Arbeitgebers beschränkt, zugesprochene Zuwendungen zu verweigern oder zu reduzieren. Der große Vorteil des Schutzes vor Opportunismus durch pension benefits contracts ist, dass diese Verträge das Problem des arbeitgeberseitigen Opportunismus in life cycle Vereinbarungen gezielt angehen, ohne dabei die Einstellungs- oder sonstige Statusentscheidungen zu beeinflussen. Zwar entstehen auch bei Betriebsrentenplänen einige der von Schwab beschriebenen Transaktionskosten. Dass diese jedoch nicht prohibitiv sind, zeigt die Häufigkeit solcher Verträge in der U.S.-amerikanischen Praxis.381 Weiterhin bestehen auch so genannte non-legal sanctions, die opportunistische Handlungen des Arbeitgebers im zweiten Teil der Karriere des Arbeitnehmers verhindern.382 Solche Sanktionen können beispielsweise in der Beendigung der wirtschaftlichen Beziehungen liegen, so dass den jeweiligen Akteuren der Verlust zukünftiger gewinnbringender Möglichkeiten und individuelle oder gesellschaftliche Ächtung droht.383 Im Arbeitsverhältnis kann der Verlust von profitablen künftigen geschäftlichen Kontakten mit den produktivsten Arbeitnehmern am Markt eine wichtige non-legal sanction sein. Ein Arbeitgeber, der im Ruf steht, regelmäßig Arbeitnehmer aus opportunistischen Gründen zu entlassen, sobald sie mehr als ihr Wertgrenzprodukt verdienen, wird Schwierigkeiten haben, Arbeitnehmer zu finden, die bereit sind, in eine solche Vereinbarung mit ihm zu treffen (so genannte outside reputation). Weiterhin wirkt die Kontrolle der Reputation auch durch den demoralisierenden Effekt, den solche Verstöße auf die gegenwärtigen Beschäftigten des Arbeitgebers haben (so genannte inside reputation).384 Die Reputation, dass ein Unternehmen Arbeitnehmer entlässt, bevor diese ihre aufgeschobene Belohnung in Form von Senioritätslöhnen zur Gänze ausgezahlt bekommen haben, zerstört daher die Leistungsanreize von life cycle Vereinbarungen. Es ist wahrscheinlich, dass insbesondere die leistungsstärksten Arbeitnehmer auf die Reputation mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder mit Nichtabschluss eines Arbeitsvertrages mit dem betroffenen Arbeitgeber reagieren, da sie üblicherweise die besten Möglichkeiten haben, auch für andere Unternehmen zu Rutherglen, Employment Discrimination Law, S. 200. 29 U.S.C. §§ 1001 – 1461 (1974). 381 Im Jahr 2004 waren 50 % der Arbeitnehmer in den USA Teil eines Betriebsrentenplanes, OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 78. Zur Anreizwirkung verschiedener Rentenpläne, McMorrow, 31 Univ. Rich. L. Rev. 795, 803. 382 Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1835 ff. 383 Charny, 104 Harv. L. Rev. 373, 392 ff. 384 Epstein, 51 U. Chi. L. Rev. 947, 968. 379 380

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

arbeiten. Der drohende Verlust der produktivsten (potentiellen) Arbeitnehmer an einen Konkurrenten wegen des eigenen schlechten Rufs kann Opportunismus auf Seiten des Arbeitgebers verhindern.385 Auch in der deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur betont Franz, dass „[e]in Vertragsbruch der Firma in der Form, dass sie den Arbeiter entlässt, sobald dessen Lohn das Grenzwertprodukt erreicht, [ . . . ] sich aus der Überlegung, dass damit erhebliche Reputationsverluste der Firma einhergehen [, verbietet].“386 Jedoch gibt es einige Faktoren, die die Kontrolle von Arbeitgeberverhalten durch Reputation begrenzen. So ist es häufig schwierig für Jobeinsteiger, den Ruf des Arbeitgebers in Bezug auf Opportunismus in der zweiten Karrierenhälfte zu beurteilen, und das Wissen über solches Verhalten beim Arbeitgeber wird unter Arbeitnehmern nur unzureichend weitergegeben.387 Weiterhin argumentieren Neumark und Stock, dass eine Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer über die Entlassungsgründe die Abschreckungswirkung einer schlechten Reputation schwächt. Die wahren Motive einer Entlassung (opportunistisch oder zutreffende betriebliche Gründe, wie Nachfrageschocks), die einen Arbeitgeber zu der Entlassung des älteren Arbeitnehmers gebracht haben, seien seine private Information und aus Sicht des Arbeitnehmers nur schwer auseinander zu halten.388 Schließlich wirkt die Abschreckung bei Unternehmen in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten wenig, da im Falle einer drohenden Insolvenz die künftigen Geschäftsmöglichkeiten in den Hintergrund treten. Dies sind aber Fälle, in den Entlassungen besonders häufig sind.389 Im Ergebnis steht den Arbeitsvertragsparteien zur Wahrung der Leistungsanreize bei gleichzeitigem Schutz vor opportunistischen Kündigungen das Instrument der Betriebsrentenpläne zur Verfügung und wird in den USA auch verbreitet genutzt. Darüber hinaus verhindert die Reputation opportunistisches Verhalten von Arbeitgebern, wobei zu beachten ist, dass dieser Schutz nicht lückenlos greift. b) Schutz vor opportunistischen Entlassungen durch den ADEA Problematisch an der ökonomischen Rechtfertigung des ADEA als Schutz vor kostenorientierten Kündigungen (cost-based discharges) ist aber die rechtliche Ineffektivität dieser Regelungen. Denn im Kern erfolgt eine opportunistische Kündigung in der zweiten Karrierehälfte von life cycle Arbeitsverhältnissen wegen der über der Produktivität des Arbeitnehmers liegenden Entlohnung, also wegen zu 385 Epstein, 51 U. Chi. L. Rev. 947, 967 f.; Posner, Economic Analysis of Law, S. 354; Posner, Aging and Old Age, S. 336, 342. 386 Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 59. 387 Minda, 48 Hastings L. J. 511, 551; Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 27. 388 Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1085. 389 Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 27.

E. Senioritätsentlohnung

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hoher Arbeitskosten. Nur ein gesetzlicher Schutz vor dieser Art der Kündigung würde somit den Arbeitnehmer auch vor Opportunismus innerhalb der Senioritätsvereinbarung schützen. Der Supreme Court hat in seiner Grundsatzentscheidung zur disparate treatment doctrine, Hazen Paper Co. v. Biggins, festgestellt, dass der ADEA nicht verletzt ist, wenn das Verhalten eines Arbeitgebers durch einen Faktor motiviert ist, der mit dem Lebensalter des betroffenen Arbeitnehmer lediglich korreliert: „There is no disparate treatment under the ADEA when the factor motivating the employer is some factor other than the employee’s age.“390 Das Gericht hebt hervor, dass Lebensalter nicht das Gleiche sind wie Dauer der Betriebszugehörigkeit.391 In amerikanischen Senioritätsvereinbarungen ist die Höhe der Entlohnung aber nicht an das Alter des Arbeitnehmers geknüpft, sondern an die Betriebszugehörigkeit.392 Nach dieser Auslegung des ADEA bietet das Gesetz gar keinen Schutz vor diesem opportunistischen Verhalten. Die Ansätze von Jolls als hands-tying device und von Neumark und Stock als pre-commitment device gehen damit an der U.S.-amerikanischen Rechtswirklichkeit vorbei. Eine weitere Entscheidung des Court of Appeal of the Second Circuit verdeutlicht dies nochmals: „Nothing in the ADEA [ . . . ] prohibits an employer from making employment decisions that relate an employee’s salary to contemporaneous market conditions [ . . . ] and concluding that a particular employee’s salary is too high.“393 Judge Easterbrook betont in seiner abweichenden Meinung in Metz v. Transit Mix, Inc.: „It is hard to imagine how the use of wages could not be valid; wages correspond precisely to the costs of doing business, and hence to profitability.“394 In der Folge von Hazen Paper kamen verschiedene Gerichte zu folgendem Schluss: „[H]igh salary is similar to years of service in that while, on average, those workers with the highest salaries are older workers, high salary and age are nonetheless analytically distinct and therefore, termination decisions based on the employee’s level of compensation are not violative of the ADEA.“395 Mithin bestehen zahlreiche Präzedenzfälle, dass kostenmotivierte Entlassungen keine Verletzung des ADEA darstellen. Im Gegensatz zu diesen Entscheidungen steht allein das Urteil des Court of Appeals of the Seventh Circuit in Metz. Das Gericht urteilte, dass der ADEA einem älteren Arbeitnehmer Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber verleiht, der ihn mit der Begründung entlassen hatte, dass sein gegenwärtiger Lohn seine Produktivität übersteigt.396 Jedoch 390 391 392 393 394

Hazen Paper Co. v. Biggins, 507 U.S. 604, 609 (1993). Hazen Paper Co. v. Biggins, 507 U.S. 604, 611 (1993). Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 44. Bay v. Times Mirror Magazines, Inc., 936 F.2d 112, 117 (2nd Cir. 1991). Metz v. Transit Mix, Inc., 828 F.2d 1202, 1219 (7th Cir. 1987, Easterbrook, J., dissen-

ting). 395 Sperling v. Hoffmann-La Roche, 924 F.Supp. 1396, 1404 (D.N.J. 1996); unter Verweis auf: Thomure v. Phillips Furniture Company, 30 F.3d 1020, 1024 (8th Cir. 1994); Anderson v. Baxter Healthcare Corp., 13 F.2d 1120, 1125 f. (7th Cir. 1994). 396 Metz v. Transit Mix, Inc., 828 F.2d 1202, 1208 (7th Cir. 1987).

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

bekräftigt der Seventh Circuit selbst in einer späteren Entscheidung diese Haltung nicht.397 Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass nach der gegenwärtigen Interpretation der disparate treatment theory, der ADEA keinen verlässlichen Schutz vor kostenorientierten Entlassungen älterer Menschen bietet. Des Weiteren verstoßen Entlassungen, die mit zu hohen Arbeitskosten begründet werden, auch unter der disparate impact doctrine nicht gegen den ADEA. Die disparate impact doctrine Unterscheidungen im Arbeitsverhältnis, die an der Oberfläche eine neutrale Behandlung verschiedener Gruppe darstellen, aber durch die faktisch eine Gruppe härter als eine andere Gruppe betroffen ist.398 In der Entscheidung Smith v. City of Jackson urteilte der Supreme Court, dass die disparate impact theory auch für den ADEA Anwendung findet.399 Jedoch bekräftige das Gericht zugleich, dass die Ausnahme des reasonable factor other than age (RFOA) gemäß Sec. 623(f)(1) ADEA auch in Fällen des disparate impact Vorwurfs möglich sei. Damit ergibt sich auch hier das Problem, dass Kündigungen wegen erhöhter Lohnkosten an einen vernünftigen Faktor anknüpfen, der sich vom Merkmal des Lebensalters unterscheidet.400 Mithin schützt der ADEA in seiner gegenwärtigen Interpretation durch die U.S.amerikanische höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vor durch Kosten motivierten Entlassungen. Es ist daher ein denkbar schlechtes Mittel, um die Anwartschaft des Arbeitnehmers auf Löhne oberhalb seiner Produktivität während der zweiten Hälfte seiner Karriere aus den impliziten Senioritätsvereinbarungen zu durchzusetzen. Eine ökonomische Rechtfertigung des ADEA als hands-tying oder pre-commitment device kann somit nicht überzeugen. 5. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt das Verbot des mandatory retirement durch den ADEA die Effizienz am Arbeitsmarkt weitestgehend unberührt. Die gewünschten Leistungsanreize nebst Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum optimalen Zeitpunkt können auch durch Betriebsrentenpläne erreicht werden, wobei aber gewisse Verwaltungskosten entstehen. Derartige Pläne schützen den Arbeitnehmer auch vor den finanziellen Auswirkungen opportunistischer Kündigungen. Schließlich begrenzt auch die Reputation den arbeitgeberseitigen Opportunismus. Jedenfalls bietet der ADEA in seiner Auslegung durch die amerikanischen Gerichte keinen Schutz vor Kündigungen wegen höherer Lohnkosten, weshalb eine effizienzsteigernde Wirkung des Gesetzes als hands-tying oder pre-commitment device ausscheidet. EEOC v. Francis W. Parker School, 41 F.3d 1073, 1076 f. (7th Cir. 1994). Teamsters v. United States, 431 U.S. 324, 335 f. (1977). Vgl. auch im 1. Kapitel, unter B. 399 Smith v. City of Jackson, 125 S. Ct. 1536, 1544, 1546 (2005). 400 Ähnlich Harris, 13 Harv. J. L. & Pub. Pol’y 715, 756. 397 398

F. Zusammenfassung

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IV. Ergebnis Verschiedene ökonomische Modelle liefern Erklärungen für senioritätsgebundene Lohnprofile. In den ersten Betriebsjahren anwachsende Löhne dienen oftmals der Selbstselektion von betriebstreuen Arbeitnehmern (Selektionsmodell). Längerfristig ansteigende Lohnprofile können eine effiziente Aufteilung von firmenspezifischen Humankapitalinvestitionen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ermöglichen (Humankapitaltheorie). Senioritätslöhne mit einer Entlohnung oberhalb der Produktivität des Arbeitnehmers in der zweiten Karrierehälfte lassen sich schließlich durch Lazears Modell der senioritätsgebundenen Anreizlöhne oder als Bedienung einer psychologischen Präferenz von Arbeitnehmern für ansteigende Lohnprofile begründen. Das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem ADEA erfasst derartige Lohndifferenzierungen zugunsten älterer Arbeitnehmer nicht. Das mit dem Gesetz einhergehende Verbot der Zwangspensionierung beraubt die Anreizlöhne nach Lazear zwar ihres Endpunktes. Jedoch können sowohl die Leistungsanreize als auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum optimalen Zeitpunkt durch finanzielle Anreize in Betriebsrentenplänen induziert werden, so dass sich Effizienzverluste am Arbeitsmarkt durch den ADEA in Grenzen halten. Eine Effizienzsteigerung durch Verhinderung opportunistischer Kündigungen gegen Ende einer life cycle Karriere bringt der ADEA jedenfalls nicht mit sich, da das Gesetz gegen Kündigungen aufgrund erhöhter Lohnkosten keinen Schutz bietet.

F. Zusammenfassung Die Analyse verschiedener ökonomischer Modelle und Konzepte ergibt, dass das Modell der statistischen Diskriminierung das Auftreten von Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt am besten erklären kann. Des Weiteren können Ungleichbehandlungen wegen des Alters ihre Ursache in unterschiedlichen Humankapitaleigenschaften verschiedener Altersgruppen finden. Hingegen spielen subjektive Präferenzen von Arbeitsmarktakteuren oder unterbewusste, kognitive Verzerrungen zulasten älterer Menschen bei der Verursachung von Altersdiskriminierung eine eher untergeordnete Rolle. Schließlich erklären verschiedene Modelle die Existenz von Senioritätslöhnen, während das Modell senioritätsgebundener Anreizlöhne nach Lazear auch das wirtschaftliche Bedürfnis eines Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis mit einem derart entlohnten Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden, erläutert. Aus dem Blickwinkel der Effizienz stößt der ADEA in der U.S.-amerikanischen Literatur weitläufig auf Kritik. Das Verbot der Altersdiskriminierung führt verbreitet zu ineffizienten Ergebnissen und hat nur wenig Potential für Effizienzsteigerungen. Denn bereits wettbewerbsbeherrschte Märkte verdrängen Diskriminierung, soweit diese nicht effiziente Ungleichbehandlungen darstellen. Insbesondere das

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4. Kap.: Ökonomische Modelle der Altersdiskriminierung

Verbot der Benutzung des Lebensalters als Indikator für Eigenschaften eines Arbeitnehmers würde angesichts hoher Informationskosten zu Effizienzverlusten führen. Nur in Fällen kostengünstiger Beurteilung der Eigenschaften von Arbeitnehmern auf individueller Ebene, könnte ein solches Verbot die Effizienz am Arbeitsmarkt steigern. Wenn jedoch die Nutzung des Lebensalters als proxy mit Nettokosten verbunden ist, wird bereits der Wettbewerbsdruck den Arbeitgeber zur Abkehr von diesem Näherungswert bewegen, ohne dass gesetzliche Regelungen hierfür erforderlich wären. Die Erkenntnisse über die Effizienzwirkungen des Verbots der Altersdiskriminierung nach dem ADEA können auch hilfreiche Anhaltspunkte bei der Auslegung der gesetzlichen Regelungen über Benachteiligungen wegen des Alters nach dem AGG liefern. Denn Effizienzverluste laufen der wirtschaftlichen Zwecksetzung der Regelungen zur Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG entgegen. Sie müssen daher im Rahmen der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln des AGG mit den sozialen und menschenrechtlichen Zielen des Gesetzes in Einklang gebracht werden.401 Im Überblick über die verschiedenen ökonomischen Modelle der Diskriminierung zeigt sich auch, dass im Falle der Unterscheidung wegen des Lebensalters die sozial verwerflichsten Formen der Diskriminierung nach dem Präferenzmodell von Becker die geringste praktische Relevanz haben, während diese Diskriminierungen gleichzeitig am ehesten durch Wettbewerbsdruck vom Markt verdrängt werden. Die weniger verwerflichen Ungleichbehandlungen am Arbeitsmarkt, wie sie durch die Beachtung statistischer Korrelationen zwischen dem Alter und den Eigenschaften eines Menschen entstehen, sind widerstandsfähiger gegenüber Marktzwängen, und ihr Verbot geht regelmäßig mit Effizienzverlusten einher.

401

Dazu ausführlich im 6. Kapitel, unter B. II. und III. sowie im 7. Kapitel.

5. Kapitel

Effektivität von ADEA und AGG Dieses Kapitel beleuchtet, wie effektiv die Altersdiskriminierungsgesetzgebung in den USA die damit verfolgten Ziele erreicht und welche Lehren daraus für die mögliche Effektivität des AGG zu ziehen sind. Die Analyse wird in weiten Teilen theoretischer Natur sein. Zwar haben sich im Bereich des ADEA in den vergangenen 40 Jahren einige empirische Studien mit der Frage der Effektivität des Gesetzes beschäftigt. Diese haben jedoch mit der Problematik zu kämpfen, dass die Auswirkungen des ADEA aufgrund der nur schrittweisen Erweiterung des Diskriminierungsschutzes und der teilweisen Überschneidung einzelstaatlicher Altersdiskriminierungsgesetze schwierig messbar sind. Ihre Ergebnisse fallen daher oft uneindeutig und miteinander im Widerspruch aus.

A. Effektivität des ADEA Ausweislich des Congressional Statement of Findings and Purpose ist das Ziel des ADEA:1 „to promote employment of older persons based on their ability rather than age; to prohibit arbitrary age discrimination in employment; [and] to help employers and workers find ways of meeting problems arising from the impact of age on employment.“

Wie effektiv das Altersdiskriminierungsrecht in den USA diese Ziele erreicht, ist bisher nicht Gegenstand einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung gewesen. Es gibt jedoch vereinzelte Studien über die Effektivität des ADEA bei der Förderung der Beschäftigung älterer Menschen. Auf deren Grundlage können aber nur einige vorläufige Schlüsse über die Effektivität des ADEA gezogen werden.2 Im Rahmen dieser Abhandlung soll nur ein Überblick über diese Studien und die dahinter stehenden wirtschaftstheoretischen Erwägungen gegeben werden, um Anhaltspunkte für eine Einschätzung der künftigen Effektivität des AGG zu liefern.

1 2

29 U.S.C. § 621. So auch: Neumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 24.

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

I. Förderung von Beschäftigung älterer Menschen Ein Hauptziel der Regelungen des ADEA ist es, die Beschäftigung von älteren Menschen zu fördern. Altersdiskriminierungsgesetze können die Beschäftigungssituation ihrer Schutzgruppe an drei Stellschrauben beeinflussen: Die Einstellung, die Entlassung und die Pensionierung von älteren Arbeitnehmern. Die Auswirkungen des Gesetzes auf die Beschäftigung hängt davon ab, in welcher Weise und wie stark diese Übergangsprozesse verändert werden.3 Zunächst sollen hier die Daten über Auswirkungen des ADEA auf die Beschäftigungsquote älterer Menschen erörtert werden. Dann wird diskutiert, an welchen Stellschrauben diese Veränderungen erzeugt werden. 1. Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote älterer Menschen Berechnungen der Auswirkungen des ADEA auf die Beschäftigungsquote älterer Menschen in den USA stoßen auf erhebliche Probleme. Zum einen bestanden schon vor dem Erlass des ADEA im Jahr 1967 in zahlreichen Einzelstaaten Altersdiskriminierungsgesetze unterschiedlicher Reichweite und auch danach wurden noch solche Gesetze erlassen, die die Auswirkungen des ADEA verzerren.4 Zum anderen wurde der Anwendungsbereich des ADEA durch verschiedene amendments über die Jahre erweitert und die Durchsetzung des Gesetzes erst mit der Zeit verschärft.5 Schließlich ist der Kausalitätsnachweis zwischen der Beschäftigungsentwicklung Älterer und dem ADEA schwer zu führen, da zahlreiche andere wirtschaftliche, politische und demographische Entwicklungen die Wirkungen des Gesetzes überlagern.6 Eine Studie von Adams7 zeigt nach der Einführung des ADEA eine Steigerung der Beschäftigungswahrscheinlichkeit um 2,75 Prozentpunkte für ältere Personen, die in den persönlichen Schutzbereich des Gesetzes fallen. Für Menschen, die älter sind als die zunächst vom ADEA geschützten Altersgruppen, weisen seine Daten aber einen Rückgang der Beschäftigungsquote auf.8 Adams’ Studie basiert auf der 3 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 2; ähnlich auch: Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 1. 4 In 26 Staaten verfügten bei Erlass des ADEA bereits über ein eigenes Altersdiskriminierungsgesetz. Vgl. die Übersicht über die Altersdiskriminierungsgesetze der Einzelstaaten bei Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1090 ff. Laut der Übersicht bei Adams waren es 22 Staaten, Adams, 11 Lab. Econ. 219, 222 f. 5 Der ADEA von 1967 schützte Arbeitnehmer im Alter zwischen 40 und 65 Jahren. Die obere Altersbegrenzung wurde im Jahr 1978 auf 70 Jahre erhöht und im Jahr 1986 gestrichen. Die Durchsetzung des ADEA wurde erst durch das amendment von 1979, das die Verwaltung des ADEA der EEOC übertrug, effektiv. Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 5. 6 Hierzu auch Adams, 11 Lab. Econ. 219, 226 f. 7 Adams, 11 Lab. Econ. 219, 232, 240.

A. Effektivität des ADEA

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Annahme, dass die Einführung des ADEA Arbeitnehmer in Einzelstaaten, die bereits über eigene Altersdiskriminierungsgesetze verfügten, unberührt lassen würde. Diese Annahme steht aber auf wackeligen Beinen, da vielerseits vertreten wird, dass der ADEA in den Anfangsjahren vor der Übertragung seiner Durchsetzung durch die Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) im Jahre 1979 nur einen schwachen Durchsetzungsmechanismus hatte. Das gleiche gilt für die meisten einzelstaatlichen Altersdiskriminierungsgesetze. Erst nachdem erhöhte Finanzmittel zur Verfügung gestellt wurden und die EEOC die Durchsetzung der Regelungen und Ansprüche verfolgte, griffen die gesetzlichen Regelung in der Praxis.9 Dies schränkt die Belastbarkeit der Daten aus dem Vergleich zwischen den Gesetzen in ihrer Anfangsphase ein. Neumark und Stock vergleichen in ihrer Studie die Entwicklung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer mit der von jüngeren Arbeitnehmern. Auch sie finden eine Steigerung der Beschäftigung Älterer durch Altersdiskriminierungsgesetze vor.10 Jedoch auch diese Studie konzentriert sich nur auf die einzelstaatlichen Altersdiskriminierungsgesetzte vor Erlass des ADEA und auch vor allem auf die frühe Phase dieser Regelungen. Grundlage der Berechnungen sind die Zensusdaten von 1940 to 1980. Damit haben die Autoren nur einen Messpunkt knapp in der Phase nach 1979, ab der der ADEA seine Wirkung stärker entfaltete.11 Weiterhin werden die Zensusdaten nur alle zehn Jahr erstellt. Diese langen Zeitabstände steigern die Wahrscheinlichkeit, dass allgemeine Beschäftigungstrends mit den Auswirkungen der Gesetze verwechselt werden.12 Schließlich untersuchen diese Berechnungen einen Zeitraum, in dem der Anwendungsbereich des ADEA noch bis 65 Jahre bzw. bei der letzten Messung im Jahr 1980 bis 70 Jahre beschränkt war. Es ist anzunehmen, dass die vom ADEA nicht geschützten Personengruppe über 65 bzw. 70 Jahren während dieser Zeit als flexibles Ventil zur Anpassung der Belegschaftsgröße fungiert haben. Auch war in diesen Jahren noch die Zwangspensionierung (mandatory retirement) möglich, was eine Einstellung eines älteren Arbeitnehmers zu einer überschaubareren Bindung machte. Diese beiden Faktoren treffen auf den heutigen ADEA nicht zu. Die positiven Beschäftigungseffekte könnten daher hier ausbleiben. Eine neuere Studie von von Wachter untersucht die Veränderung im gesetzlichen Schutzniveau des ADEA. Zunächst war mandatory retirement ab einem Alter von 8 Die untersuchten Daten lagen in dem Zeitraum, in dem der Schutz des ADEA noch auf 40- bis 65-Jährige beschränkt war. 9 Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1102; O’Meara, Protecting the Growing Number of Older Workers: The Age Discrimination in Employment Act, S. 248 ff.; Adams, 11 Lab. Econ. 219, 223; Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 5, 8. 10 Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1103, 1108: Die Beschäftigungsquote von Arbeitnehmern im Schutzbereich der Gesetze im Alter von bis zu 60 Jahre stieg um 0,8 Prozentpunkte, während sie bei Arbeitnehmern über 60 Jahren um 6 Prozentpunkte anstieg. 11 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 8. 12 Adams, 11 Lab. Econ. 219, 226.

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

65 Jahren gesetzlich möglich. Im Jahre 1978 wurde diese Grenze dann auf 70 Jahre erhöht. 1986 wurde schließlich mit Aufhebung der Höchstaltersgrenze des ADEA mandatory retirement im Anwendungsbereich des Gesetzes gänzlich verboten. Er verweist auf dieser Grundlage auf eine Steigerung der Erwerbstätigkeit von 65 bis 70 Jahre alten Menschen um 10 – 20% in den 1980er Jahren.13 Zu beachten ist bei diesen Zahlen, dass sie die Beschäftigungssituation vor allem der Altersgruppe der 40- bis 65-Jährigen außer Acht lassen. Somit kann keine Aussage über die Auswirkung des ADEA auf die Beschäftigungsquote des geschützten Personenkreises getroffen werden. Zu Recht kritisiert Lahey, dass die Beurteilung der Beschäftigungseffekte des ADEA allein an der Veränderung der Pensionierungssituation den abschreckenden Effekten des Gesetzes bei der Einstellung und Beförderung nicht gerecht wird.14 Lahey’s empirische Nachforschungen nutzen eine Besonderheit im Verfahren des ADEA: Bevor ein Diskriminierungsopfer Ansprüche aus dem ADEA per gerichtlicher Klage geltend machen kann, muss es innerhalb von 180 Tagen eine Beschwerde bei der EEOC einreichen. Die EEOC hat jedoch einen großen Überhang an Fällen und bearbeitet die Beschwerden daher nur mit einiger Verzögerung.15 In Einzelstaaten, die über eigene Altersdiskriminierungsgesetze verfügen, kann das Opfer statt bei der EEOC bei der nicht so überbelasteten Fair Employment Agency (FEP) des Einzelstaates Beschwerde einreichen und hat dazu eine Frist von sogar 300 Tagen. Somit haben Beschwerdeführer in Staaten mit eigenem Gesetz längere Beschwerdefristen und schnellere Bearbeitungszeiten ihrer Beschwerden. Dies bedeutet auch, dass die Hürden der Durchsetzung von ADEA Ansprüchen in diesen Staaten niedriger sind, der ADEA dort also stärker wirken sollte.16 Daraus folgert Lahey, dass die Beschäftigungszahlen in Staaten mit eigenen Altersdiskriminierungsgesetzen stärker vom ADEA beeinflusst werden sollten.17 Auf dieser Grundlage vergleicht Lahey Arbeitnehmer in Staaten mit eigenem Gesetz, die unter den ADEA fallen und Arbeitnehmer in diesen Staaten, die nicht darunter fallen, mit ihren Pendants in Staaten ohne eigene Altersdiskriminierungsgesetze.18 Im Ergebnis zeigen Lahey’s Daten, dass Altersdiskriminierungsgesetze vor der Übertragung der Durchsetzungskompetenz an die EEOC in 1979 im Gegensatz zu Adams’ obigen Resultaten keine Auswirkungen auf die Beschäftigungsrate älterer Menschen hatten.19 Nach diesem Zeitpunkt bleibt die Quote älterer Frauen und ethnischer Minderheiten von dem Gesetz unberührt.20 Jedoch reduzierte die verschärfte von Wachter, The End of Mandatory Retirement in the U.S., S. 34. Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 9. 15 So auch Macnicol, Age Discrimination, S. 238. 16 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 6. 17 Dies steht im Gegensatz zu der Annahme von Adams und Neumark / Stock, die davon ausgehen, dass die Beschäftigungssituation in Einzelstaaten mit eigenen Altersdiskriminierungsgesetzen von der Einführung des ADEA nicht berührt wurde. 18 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 3. 19 Wie bereits erörtert wurde der ADEA bis 1979 nur unzureichend durchgesetzt. 13 14

A. Effektivität des ADEA

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Durchsetzung des ADEA nach 1979 bei weißen Männern über 50 Jahren die Gesamtwochenarbeitszeit pro Jahr, was auf niedrigere Beschäftigung hinweist.21 Ältere weiße Männer wurden zwar seltener entlassen, aber häufiger pensioniert und weniger eingestellt. Daraus schließt Lahey, dass Arbeitgeber diejenigen Menschen, die am stärksten vom ADEA betroffen sind, nicht einstellen wollen, da sie befürchten, diese in schlechteren Zeiten nicht wieder entlassen zu können. Stattdessen reduzieren sie die Zahl ihrer älteren Arbeitnehmer durch finanziell induzierte Pensionierungen.22 Es ist schwierig einzuschätzen, wie belastbar Lahey’s Daten sind. Zwar treffen die obigen Vorbehalte auf diese Studie nicht zu. Und sicherlich können verspätete Klagen und ein abschreckender Effekt durch die kürzere Frist und die Bearbeitungsverzögerung der überlasteten EEOC die Durchsetzung beeinflussen. Jedoch ist nicht klar, ob eine um 120 Tage längere Beschwerdefrist eine derart veränderte Durchsetzung des ADEA bedeutet, dass davon unterschiedliche Beschäftigungseffekte ausgehen.23 Mithin führen die empirischen Nachweise über die Auswirkungen des ADEA und von Altersdiskriminierungsgesetzen der Einzelstaaten auf die Beschäftigungsquote älterer Menschen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Adams, Neumark und Stock sowie von Wachter finden zwar eine Steigerung der Beschäftigungsrate. Jedoch ist die Belastbarkeit dieser Studien zweifelhaft. Lahey weist verschlechterte Beschäftigungsquoten für ältere Menschen auf, nachdem der ADEA durch die EEOC wirksamer durchgesetzt wurde. Aber auch hier ist die Aussagekraft der Daten fraglich. Aufgrund der nur sporadischen empirischen Aufarbeitung der 20 Zahlreiche Studien schließen Minderheiten und Frauen aus der Gruppe ihrer Testpersonen aus oder nutzen sie sogar als Kontrollgruppe für ihre Daten. Hintergrund ist der Schutz dieser Bevölkerungsgruppen durch Title VII des Civil Rights Act und durch andere Geschlechter- und Rassendiskriminierungsgesetze der Einzelstaaten, welche den Schutz des ADEA überlagert und so die Ergebnisse verfälschen kann. So können Diskriminierungsopfer nach diesen Gesetzen unter besseren Bedingungen im Gegensatz zum ADEA klagen, da dort zusätzlicher immaterieller Schadensersatz und auch Strafschadensersatz vorgesehen ist. Unterstützt wird diese These durch die niedrige Quote von Frauen und Minderheiten in der Gruppe der Kläger nach dem ADEA. Adams, 11 Lab. Econ. 219, 227; Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 7. 21 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 15: Die gesteigerte Durchsetzung des ADEA ab 1979 führte bei weißen Männern über 50 Jahren zu einer Reduzierung der Arbeitswochen pro Jahr um 1,1 bis 1,5 Wochen. In der Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren blieb die Gesamtarbeitswochenzeit gleich. Dies steht in Einklang mit Studien über die Beschäftigungseffekte des Americans with Disabilities Act von 1990. Acemoglu / Angrist, 109 J. Pol. Econ. 915 finden eine Reduzierung der Jahresarbeitswochen behinderter Menschen um 1,4 Wochen im Jahr 1993 und um weitere 1,5 Wochen in den Jahren 1993 bis 1995. Ähnlich auch Jolls / Prescott, Disaggregating Employment Protection, S. 1 ff.; mit ähnlichem Ergebnis für Großbritannien: Bell / Heitmueller, The Disability Discrimination Act in the UK: Helping or Hindering Employment Amongst the Disabled?. 22 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 4. 23 Interessant sind die Auswirkungen der Länge der Klagefrist auf die Durchsetzung des ADEA auch für die vergleichsweise kurze Ausschlussfrist der Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG nach § 15 Abs. 4 AGG.

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

Effektivität des ADEA und wegen der besonderen Schwierigkeiten, die kausale Beziehung zwischen Veränderungen in der Beschäftigungsquote und dem Gesetz nachzuweisen, bleibt man auch bei der Frage der Effektivität des ADEA zu weiten Teilen auf wirtschaftstheoretische Überlegungen verwiesen. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Anreize und Verhaltensfolgen für die Begründung von Arbeitsverhältnissen, die Entlassung und die Pensionierung durch den ADEA geschaffen werden. Das relative Gewicht der Veränderungen dieser drei Stellschrauben untereinander wird die Auswirkungen des Gesetzes auf die Beschäftigungssituation älterer Menschen insgesamt bestimmen.

2. Verringerung der Einstellungschancen Wirtschaftstheorie prognostiziert, dass der ADEA aus verschiedenen Gründen die Einstellungschancen älterer Menschen eher reduziert als steigert. Daher könnte man das Gesetz als eine Markteintrittsbarriere für ältere Menschen sehen, die sogar kontraproduktiv wirkt. Posner warnt: „The age discrimination law adds to the costs of employing older workers, and hence to the reluctance of employers to employ them, by giving them more legal rights against their employer than younger workers have.“24 „Antidiscrimination laws can boomerang against the protected class as employers take rational measures to minimize the impact of the laws.“25

Die rechtlichen Regelungen zum Schutz älterer Arbeitnehmer im ADEA wirken sich auf Seiten des Arbeitgebers als zusätzliche Kosten aus. Jeder im Wettbewerb stehende Unternehmer ist aber gezwungen, diese gesetzlich auferlegten Kostenerhöhungen bei der Einstellung und Vergütung älterer Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Andernfalls droht ihm die Verdrängung vom Markt durch Konkurrenten, die diese zusätzlichen Kosten in ihre Entscheidungsfindung einfließen lassen.26 So werden Arbeitgeber tendenziell vor der Einstellung älterer Arbeitnehmer zurückschrecken, da der ADEA die Wahrscheinlichkeit eines Gerichtsprozess steigert.27 Stellt der Arbeitgeber eine Person ein, die in den Schutzbereich des ADEA fällt, muss er mit gerichtlicher Kontrolle sämtlicher arbeitsrechtlichen Entscheidungen während der Durchführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen. Weiterhin beinhaltet Sec. 623(a)(3) ADEA zwar das Gebot des Posner, Aging and Old Age, S. 329. Posner, Economic Analysis of Law, S. 351. 26 So auch zum MuSchG, Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 14; auch in Hinblick auf die RL 2000 / 78 / EG, Scholl, in: Moldaschl / Thießen, Neue Ökonomie der Arbeit, S. 286 f., 291 f. 27 Adams, 11 Lab. Econ. 219, 225; Ayres / Siegelman, 74 Tex. L. Rev. 1487 weisen dieses Ergebnis auch für diparate treatment und disparate impact unter Title VII Civil Right Act nach. Schließlich kommen Acemoglu / Angrist, 109 J. Pol. Econ. 915 bezüglich des American with Disabilities Act (ADA) zum gleichen Ergebnis. 24 25

A. Effektivität des ADEA

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gleichen Lohns für gleiche Arbeit (equal pay). Jedoch steigern Gesetze, die Unterscheidungen beim Lohn verbieten, ohne gleichzeitig eine bestimmte Einstellungsquote festzuschreiben, die Arbeitslosigkeit unter den geschützten Individuen.28 Ein von einem Antidiskriminierungsgesetz ausgehender Zwang zu gleichem monetären Lohn führt bei unterschiedlichen Lohnkosten infolge unterschiedlicher gesetzlicher Lasten für ältere Menschen zur vermehrten Arbeitslosigkeit dieser Gruppe.29 Schließlich besteht die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Verbot des mandatory retirement als Mittel der Personalpolitik durch den ADEA nach dem amendment von 1986 Arbeitgeber von der Einstellung älterer Menschen abschreckt, da es dadurch schwieriger wird, die Arbeitsverhältnisse mit den geschützten Personen zu beenden.30 Problematisch ist daher insbesondere, dass der ADEA keinen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen in der Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers bietet. Beschäftigungssenkende Auswirkungen der obigen abschreckenden Elemente des ADEA können mithin durch das Verbot von Diskriminierungen bei der Einstellung nicht in ausreichendem Maße verhindert werden. Eine Studie von Donohue über die Kläger in Antidiskriminierungsverfahren kommt zu dem Ergebnis, dass es sehr schwierig ist, Diskriminierungen bei der Entscheidung über Arbeitsplatzbewerber zu entdecken und nachzuweisen. Dies erlaube es Arbeitgebern, Menschen, die wegen eines Antidiskriminierungsgesetzes nur schwieriger entlassen werden können, gar nicht erst einzustellen.31 Eine diskriminierende Nichteinstellung älterer Menschen ist für einen Arbeitgeber insbesondere deshalb so attraktiv, weil nicht nur das Risiko der Entdeckung und gerichtlichen Belangung in dieser Phase niedriger ist, sondern damit gleichzeitig auch zahlreiche mögliche gerichtliche Kontrollen der Entscheidungen über die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen, über Beförderungen, Entlassungen oder Pensionierungssysteme am Maßstab des ADEA verhindert werden.32 Auch Posner argumentiert auf der Grundlage empirischer Daten, dass der ADEA weitestgehend unwirksam ist, wenn es um die Verhinderung von Diskriminierungen bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen geht.33 In seinen Augen besteht der Hauptgrund dafür in den Rechtsansprüchen, die der ADEA dem Diskriminierungsopfer zur Verfügung stellt. Zwar ist ein Anspruch auf Abschluss des angestrebten Arbeitsvertrages (injunctive relief) gemäß Sec. 626(b) ADEA 28 Alexis, in: Furstenberg / Horowitz / Harrison, Patterns of Racial Discrimination, S. 80; Johnson, Cost of Workplace Regulations, S. 24; Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 583. 29 Issacharoff, 70 Tex. L. Rev. 1219, 1238 f.; in Bezug auf Geschlechterdiskriminierung, Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 14 Fn. 7, 113 f. 30 Epstein, Forbidden Grounds, S. 458. 31 Donohue / Siegelman, 43 Stan L. Rev. 983, 1025 (im Bereich von Title VII Civil Rights Act). 32 Ähnlich zu Klagen unter Title VII Civil Rights Act: Ayres / Siegelman, 74 Tex. L. Rev. 1487, 1497. 33 Posner, Aging and Old Age, S. 329.

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

möglich.34 Jedoch würde der Kläger in ein sehr spannungsgeladenes Arbeitsverhältnis eintreten.35 Alternativ kann der Kläger gemäß Sec. 626(b) ADEA Schadensersatz in der Form des front pay verlangen.36 Doch ist es in der Einstellungssituation aus verschiedenen Gründen zumeist nicht möglich, substantielle Schäden anzuführen und nachzuweisen.37 Der Kläger hätte in dem angestrebten Job regelmäßig nicht viel mehr verdient als seinen Reservationslohn. Und wenn an dem neuen Arbeitsplatz der Lohn erheblich höher wäre, wäre es zumeist schwierig, nachzuweisen, dass er der am meisten qualifizierte Bewerber war. Diese Prognosen werden durch empirische Studien unterstützt, die zeigen, dass Klagen wegen Diskriminierung bei Einstellungen als ein Mittel der Durchsetzung des Diskriminierungsverbots in dieser Phase selten und fast nie erfolgreich sind.38 Diese wirtschaftstheoretischen Prognosen und Daten über die Rechtsstreits unter dem ADEA stimmen mit den Schlussfolgerungen vieler Wissenschaftler aus empirischen Daten überein, dass Altersdiskriminierungsgesetze die Einstellungschancen älterer Menschen nicht verbessern, sondern eher verschlechtern.39 Nach Lahey liegen die Einstellungschancen von Arbeitnehmern über 50 Jahren in den Einzelstaaten, in denen Altersdiskriminierung einfacher verfolgbar ist um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte niedriger als in Staaten, in denen das aufwendigere EEOC Verfahren durchlaufen werden muss.40 Neumark gibt zu denken, dass der ADEA „nachweislich in den Fällen ineffektiv war, die am häufigsten zu seiner Rechtfertigung heranDickerson v. Deluxe Check Printers Inc., 703 F.2d 276, 280 (8th Cir. 1983). Posner, Aging and Old Age, S. 329. 36 Front pay kommt als Sanktion in Betracht, wenn die einstweilige Verfügung der (Wieder-)Einstellung des Diskriminierungsopfers wegen besonderer Feindseligkeit zwischen den Parteien (unusual hostility) oder andere veränderte Umstände nicht mehr möglich ist. Farley v. Nationwide Mutual Insurance Co., 197 F.3d 1322, 1338 ff. (11th Cir. 1999); Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 894. 37 Posner, Aging and Old Age, S. 329. 38 Posner, Aging and Old Age, S. 330 f. (Die Studie aller Gerichtsurteile im Zeitraum vom 1. 1. 1993 bis zum 30. 6. 1994 über Ansprüche aus dem ADEA, in denen ein Urteil auf anderen als Zulässigkeitsfragen erging, dokumentiert nur 10,5% Klagen im Zusammenhang mit der Einstellung, während deren Erfolgsaussichten bei 4,4% lagen.); Rutherglen, 24 J. Legal Stud. 491, 495, Tab. 2 (Die Studie ermittelte 8,6% aller ADEA-Klagen im Bereich der Begründung des Arbeitsverhältnis.); Schuster / Miller, 38 Indus. & Lab. Rel. Rev. 64, 71, Tab. 3 (Unter den untersuchten 157 federal court Entscheidungen nach dem ADEA war keine Klage im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bewerbers.); Donohue III, Foundations of Employment Discrimination Law, S. 476 (Weniger als 9% der in den 1980er Jahren eingereichten Klagen nach dem ADEA fußten auf dem Vorwurf der Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen, während 76% die Beendigung von Arbeitsverhältnissen betrafen.). Eine neuere Studie in OECD zeigt zwar eine Steigerung der Klagen wegen Diskriminierungen bei Einstellungsentscheidung auf 24,5% im Jahr 2002, jedoch betrifft der Großteil der Klagen weiterhin die Entlassung. Vgl. OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 125. 39 Adams, 11 Lab. Econ. 219, 240; Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 22; Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1103. 40 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 22. 34 35

A. Effektivität des ADEA

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gezogen werden – nämlich der Diskriminierung bei der Einstellung von Arbeitnehmern.“41 Auch U.S.-amerikanische Gerichte beziehen obige Überlegungen teilweise in ihre Urteile mit ein. Der Court of Appeals of the 4th Circuit etablierte in seiner Entscheidung Proud v. Stone42 die so genannte same actor inference. Danach wird vermutet, dass ein Arbeitgeber nicht aus diskriminierenden Motiven einen Arbeitnehmer entlassen hat, wenn dieselbe Person den Arbeitnehmer kurze Zeit zuvor im Bewusstsein dessen Zugehörigkeit zur Schutzgruppe des ADEA eingestellt hat. Das Gericht führt dazu aus: „Our holding advances the aims of the statute. For almost any employer, there will be cases where an individual hired for a position does not meet the employer’s expectations and a termination ensues. If former employees in these situations bring ADEA claims that are allowed to proceed to trial, employers may fear that a costly suit is possible even when there are completely legitimate reasons for a discharge. When this is coupled with the fact that individuals are far more likely to bring suits for discriminatory discharge than for discriminatory failure to hire, there is a grave risk that employers who otherwise would have no bias against older workers will now refuse to hire them in order to avoid meritless but costly ADEA actions. Courts must promptly dismiss such insubstantial claims in order to prevent the statute from becoming a cure that worsens the malady of age discrimination.“43

Im Ergebnis hat damit der ADEA eine abschreckende Wirkung auf Arbeitgeber, älteren Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz anzubieten. Dies stellt nicht nur für die älteren Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben, einen Nachteil dar. Die geringeren Chancen, einen anderen Arbeitsplatz zu finden, erschweren auch für „Arbeitsplatzinhaber“ den freiwilligen Wechsel des Arbeitsplatzes und erhöhen damit auch die Abhängigkeit vom derzeitigen Arbeitgeber.44 Sollte der ADEA daher trotzdem die Gesamtbeschäftigungsquote von älteren Arbeitnehmern erhöhen oder wenigstens beibehalten (empirische Nachweise gehen in dieser Frage wie gezeigt auseinander), so kann dies nur durch Reduzierung von Entlassungen oder spätere Pensionierung älterer Arbeitnehmer geschehen. 3. Senkung des Kündigungsrisikos Allgemeine ökonomische Überlegung führen zu der Prognose, dass der ADEA das Risiko älterer Menschen, entlassen zu werden, senkt, indem es eine Form von Kündigungsschutz bietet. Die Möglichkeit von Klagen auf der Grundlage des Diskriminierungsverbots steigert die Kosten, die mit der Entlassung einer vom ADEA Neumark, Age Discrimination Legislation in the United States, S. 30. Proud v. Stone, 945 F.2d 796 (4th Cir. 1991). 43 Proud v. Stone, 945 F.2d 796, 798 (4th Cir. 1991). 44 Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 20. 41 42

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

geschützten Person einhergehen.45 Auch zeigen die oben zitierten Studien über die Zusammensetzung der Klagen auf der Grundlage des ADEA, dass Prozesse über Diskriminierungen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erheblich häufiger vorkommen. Die deutet auf eine stärkere Durchsetzung des Diskriminierungsverbots in dieser Phase des Arbeitslebens hin. Leider sind bis heute keine empirischen Daten verfügbar, die die Reduzierung des Kündigungsrisikos für ältere Menschen durch den ADEA untermauern.46 Schließlich darf eine Senkung des Entlassungsrisikos nicht isoliert von der Frage der Verrentung gesehen werden. So gibt es empirische Anhaltspunkte, dass das Verbot von Zwangspensionierungen in den USA zu einer Steigerung von Kündigungen Älterer wegen sinkender Leistungsfähigkeit geführt hat.47 Auf der anderen Seite könnten Arbeitgeber angesichts des Drohens teurer Kündigungsprozesse auf Grundlage des ADEA weiterhin versuchen, eine gewünschte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit älteren Arbeitnehmern durch finanzielle Anreize für den verfrühten Renteneintritt zu erreichen.48 4. Situation der Pensionierung Aus wirtschaftstheoretischer Sicht gibt es unterschiedliche Lesarten hinsichtlich der Auswirkungen des ADEA auf die Pensionierungssituation. Nach der positiven Sichtweise wird durch den Schutz vor Altersdiskriminierung die Pensionierung von Arbeitnehmern verzögert, weil nicht eine an das Alter anknüpfende „automatische“ Verrentung stattfindet, sondern auf die individuelle Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers geachtet wird. Dies wird jedoch wegen der Höhe der damit häufig verbundenen Informationskosten nur solche Fälle betreffen, in denen die Kosten drohender Gerichtsprozesse eine Mehrinvestition in Informationskosten rechtfertigen. Auch noch im Jahr 2004 nehmen rund 21% der amerikanischen Arbeitnehmer an betrieblichen Pensionsplänen nach dem defined benefit System teil, die finanzielle Anreize für eine Frühverrentung beinhalten.49 Damit befinden sich wohl ähnlich viele Arbeitnehmer in einem automatisierten Verrentungsprozess wie vor dem Verbot der Zwangspensionierung.50 Nach einer anderen Lesart werden durch den ADEA die Anreize zur Verrentung Älterer verstärkt, da die Reduzierung Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 2. Laheys Studie findet nur eine statistisch nicht signifikante Abnahme der Entlassungen von über 50-Jährigen (Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 22). Adams unterscheidet in seinem Ansatz nicht zwischen Entlassung und sonstigem Renteneintritt (Adams, 11 Lab. Econ. 219, 219). Auch Neumark und Stock betrachten nur die Entwicklung der Beschäftigungsrate insgesamt, ohne Rückschlüsse zuzulassen, an welchen Stellschrauben diese Veränderungen verursacht wurden (Neumark / Stock, 107 J. Pol. Econ. 1081, 1103). 47 Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 830 f. 48 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 2. 49 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 77, 119 f. 50 Zur Verbreitung von mandatory retirement vor dem Verbot durch den ADEA im 4. Kapitel, Fn. 355. 45 46

A. Effektivität des ADEA

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oder Verjüngung der Belegschaft verhältnismäßig einfach und zu einem geringeren Prozessrisiko durch finanziell induzierte Pensionierung erreicht werden kann, als durch Entlassungen, die der ADEA noch erschwert hat.51 Adams’ Daten zeigen parallel zur Einführung des ADEA eine erhebliche Reduzierung der Verrentung von älteren Menschen, die vom damaligen Anwendungsbereich des ADEA erfasst waren, während die Wahrscheinlichkeit des Renteneintritts von Menschen, die älter waren als die Obergrenze des ADEA von 65 Jahren, anstieg.52 Dies führt Adams auf die Reaktion von Unternehmen auf die Gesetzgebung zurück. Die Arbeitsverhältnisse von durch den ADEA geschützten Arbeitnehmern würden auf Kosten derer von nicht geschützten Arbeitnehmern verlängert.53 Diese Ergebnisse sind für die Beurteilung des heutigen ADEA von begrenztem Nutzen. Die Altersbegrenzung des Anwendungsbereichs des ADEA nach oben ist mittlerweile entfallen. Damit gibt es keine „nicht vom ADEA geschützten älteren Arbeitnehmer“ mehr. Dies könnte bedeuten, dass heutzutage alle älteren Arbeitnehmer von der Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses auf Kosten jüngerer Arbeitnehmer profitieren. Jedoch ist es ebenso denkbar, dass in der Vergangenheit die Älteren jenseits der Altershöchstgrenze als Ventil für von Arbeitgebern angestrebte Reduzierung des Anteils älterer Menschen in ihren Unternehmen fungiert haben. Das Entfallen dieser Möglichkeit wird die anderen Stellschrauben der Beschäftigung älterer Menschen beeinflussen. Während das einfache Entlassen älterer Arbeitnehmer als Reaktion wegen des Prozessrisikos wohl ungeeignet wäre, könnte die Beschränkung der Verrentungsmöglichkeiten zu einer weiteren Reduzierung der Einstellungschancen älterer Menschen führen. Auch laut OECD Bericht über Alterung und Beschäftigungspolitik deuten empirische Nachweise darauf hin, dass der ADEA die Pensionierung Älterer nach hinten verlagert hat.54 Lahey hingegen findet empirische Anhaltspunkte, dass Altersdiskriminierungsgesetze die Verrentung älterer Menschen sogar steigern. Sie findet in den Einzelstaaten, in denen die Verfolgung von ADEA Beschwerden einfacher ist, eine um 0.3 Prozentpunkte höhere Pensionierungsquote vor als in den Staaten, mit schlechterer Durchsetzbarkeit von ADEA Beschwerden.55 Die Ursache hierfür könnten verstärkte finanzielle Anreize zum Renteneintritt sein, die Unternehmen aus Angst vor ADEA-Klagen der Entlassung vorziehen.56 Auch wird darauf verwiesen, dass Ähnlich auch Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 2. Adams, 11 Lab. Econ. 219, 237 f.: Das Gesetz senkte die Wahrscheinlichkeit des Renteneintritts bei Menschen zwischen 60 und 65 Jahren um 2,28 Prozentpunkte, während sich die Wahrscheinlichkeit bei Arbeitnehmern über 65 Jahren um 2,79 Prozentpunkte sank. 53 Adams, 11 Lab. Econ. 219, 239. 54 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 121 f. Einziger angeführter Nachweis ist jedoch die Studie von Ashenfelter / Card, 92 Am. Econ. Rev. 957, die allerdings die Frage des Pensionierungszeitpunkts nur für den beschränkt verallgemeinerbaren Fall von Universitätsprofessoren erörtern. 55 Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 23. 51 52

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

das Alter des Ausscheidens aus dem Arbeitsleben in den USA nach dem Verbot von mandatory retirement im Jahr 1986 weiterhin gesunken ist und erst seit 1995 wieder marginal ansteigt.57 Zusammenfassend gibt es kein klares wirtschaftstheoretisches Indiz und wenig belastbare Nachweise, inwiefern der ADEA zu einer Verhinderung oder Verzögerung des Renteneintritts für ältere Menschen beiträgt oder das Gegenteil bewirkt.

II. Zusammenfassung Auf der Grundlage der bisher zum ADEA durchgeführten empirischen Studien bleibt unklar, inwiefern das Gesetz seine Ziele effektiv erreicht. Nachweise, dass der ADEA die Beschäftigungsquote älterer Menschen insgesamt steigert, stehen anderen Daten über den gegenteiligen Effekt gegenüber. Weitgehende Übereinstimmung findet sich zwischen den empirischen Daten und den ökonomischen Theorien nur hinsichtlich der Tatsache, dass der ADEA die Chancen älterer Menschen senkt, eine Einstellung zu finden. Geht man daher von der für die Effektivität des ADEA besten Lesart der vorhandenen Daten aus, ergibt sich folgendes Bild: schlechteren Einstellungschancen stehen einer Senkung der Entlassungs- und der Verrentungswahrscheinlichkeit gegenüber, was zu einer insgesamt höheren Gesamtbeschäftigung älterer Menschen führt. Somit werden bestehende Arbeitsverhältnisse auf Kosten der älteren Arbeitssuchenden und derjenigen, die ihren Arbeitsplatz wechseln wollen oder müssen, verlängert. Die negativen Folgen dieser Entwicklung treffen vor allem Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen, da diese ihren Arbeitsplatz häufiger wechseln als besserbezahlte Arbeitnehmer. Weiterhin zeigen Analysen der sozialen Zusammensetzung der Kläger unter dem ADEA, dass sich vor allem weiße, männliche Arbeitnehmer höherer Gehaltsstufen auf dieses Gesetz berufen. Für sie besteht mithin eine wirksamere Durchsetzung der Regelungen des ADEA.58 Die Belastung sozial Schwächerer beim Wechsel von Arbeitsplätzen bei gleichzeitig geringerer Durchsetzung ihrer Rechte nach dem ADEA ist ein sozialpolitisch fragwürdiger Aspekt dieses Gesetzes. Zusammenfassend ergibt sich hinsichtlich der Effektivität des ADEA ein gemischtes Bild, das aber wegen der Abschreckung der Einstellung Älterer und der Lahey, State Age Protection Laws and the ADEA, S. 16. Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 90, der die Bedeutung dieser Zahlen jedoch als begrenzt ansieht. Vgl. dazu Abbildung 2.4. in OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 53. 58 Donohue III, Foundations of Employment Discrimination Law, S. 476; Weidenbaum, Business and Government in the Global Marketplace, S. 97; Posner, Aging and Old Age, S. 344. 56 57

B. Anhaltspunkte für die zu erwartende Effektivität des AGG

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Senkung der Nachfrage nach Arbeit insgesamt eher negative Tendenzen aufweist. Jedenfalls ist die gesetzgeberische Intervention in den Arbeitsmarkt durch den ADEA nicht mit effektiver Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Menschen zu rechtfertigen. Schließlich wirft Adams einen interessanten Zusammenhang zwischen Effektivität und Effizienz des ADEA auf. Soweit der ADEA die Verlängerung von Arbeitsverhältnissen mit Älteren erreiche und damit effektiv sei, ginge diese Verlängerung über den optimalen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus, so dass ein Effizienzverlust verursacht würde.59 Die steigende Effektivität eines Gesetzes als Funktion sinkender Effizienz ist aus wirtschaftlicher Sicht ein schlechtes Zeugnis für ein Gesetz.

B. Anhaltspunkte für die zu erwartende Effektivität des AGG Auch hinsichtlich des AGG kommt der Frage besondere Bedeutung zu, inwieweit das Gesetz, die mit ihm verfolgten Ziele effektiv erreichen kann und wird. Ähnlich wie bei der Zielsetzung des ADEA verfolgen auch die RL 2000 / 78 / EG und das AGG die Steigerung der Beschäftigungschancen der geschützten Personen und die Verhinderung von willkürlichen Benachteiligungen wegen des Alters.60 Der Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG,61 verschiedene Erwägungsgründe der Richtlinie,62 die Gesetzesbegründung des AGG63 und Befürworter des Gesetzes64 unterstreichen in Bezug auf das Verbot der Altersdiskriminierung dessen positive Auswirkung auf die Beschäftigungssituation älterer Menschen. Damit soll nicht nur deren Persönlichkeitsentwicklung und wirtschaftliche, kulturelle und soziale Teilhabe gefördert werden, sondern auch Abhilfe geschaffen werden hinsichtlich zahlreicher Probleme, die der demographische Wandel für Deutschland mit sich bringt.65 Scholz nennt diese Erwartungen „sehr optimistisch“ und weist mit Recht darauf hin, dass die EU-Kommission keine Begründung oder gar wissenschaftliche Untersuchung vorweise, die einen positiven Beschäftigungseffekt von Antidiskriminierungsgesetzen vermuten lassen würden.66 Adams, 11 Lab. Econ. 219, 220, 240. Zu den Zielen hinter der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG ausführlich im 2. Kapitel, unter B. II. 61 Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 entg., S. 3. 62 Vgl. Erwägungsgründe 8 und 11 RL 2000 / 78 / EG. 63 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 20. 64 Vgl. Hahn, Altersdiskriminierung, S. 36; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 33; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 27; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 79. 65 Erwägungsgrund 9 RL 2000 / 78 / EG; Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 entg., S. 29. 66 Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 226. 59 60

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

Zwar beschäftigen sich ein Jahr nach Inkrafttreten des AGG bereits erste Studien mit den Folgen des AGG. Diese konzentrieren sich aber vorerst auf die Gesetzesfolgekosten für die deutsche Wirtschaft und lassen Beschäftigungswirkungen des Gesetzes unbeachtet.67 Anhaltspunkte, ob eine Steigerung der Erwerbsquote Älterer als Folge der Regelungen des AGG zur Altersdiskriminierung zu erwarten ist, können die obigen Erkenntnisse der U.S.-amerikanischen Wissenschaft zur Effektivität des ADEA geben.68 Danach wäre im Grundsatz zu erwarten, dass auch ein deutsches Altersdiskriminierungsgesetz hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote älterer Menschen uneindeutig ausfällt. Kündigungen Älterer könnten erschwert werden, was aber wohl durch Aufhebungsverträge oder vorgezogene Verrentung ausgeglichen würde. Schließlich deuten die amerikanischen Erfahrungen darauf hin, dass das Gesetz die Einstellungschancen Älterer verringern wird. In diesem Sinne äußert sich auch Duncan pessimistisch über die zu erwartende Effektivität von Umsetzungsgesetzen zur RL 2000 / 78 / EG. Er verweist ebenfalls auf die durchwachsenen Ergebnisse von Studien über die Auswirkungen des ADEA auf die Beschäftigungssituation Älterer und insbesondere auf die Reduzierung von Einstellungschancen der geschützten Personen durch Antidiskriminierungsgesetze.69 Hinsichtlich der Übertragbarkeit der Erkenntnisse zur Effektivität des U.S.-amerikanischen ADEA auf das deutsche AGG sind jedoch einige Unterschiede zwischen den Arbeitsmärkten der beiden Länder und den beiden Gesetzen im Kontext des jeweiligen Arbeitsrechts zu beachten. Die niedrige Erwerbstätigenquote älterer Menschen in Deutschland hat zahlreiche und vielschichtige Ursachen. Wie bereits erörtert, ist der Kern dieses Problems, dass sowohl das Angebot als auch die Nachfrage der Arbeitskraft älterer Menschen infolge verschiedener Hemmnisse niedriger ist.70 Zwar ergeben sich auch in den USA Nachfragehemmnisse infolge von teilweise mit dem Alter eines Arbeitnehmers ansteigenden Kosten.71 Jedoch bleiben diese weit hinter der Nach67 Vgl. Hoffjan / Bramann, Empirische Erhebung der Gesetzesfolgekosten aus dem AGG, S. 3 ff. 68 Zu bisher wenig aussagekräftigen Hinweisen auf die Effektivität bereits bestehender Altersdiskriminierungsgesetzgebung in Finnland, Irland und den Niederlanden, vgl. O’Cinneide, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 200 ff.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 122 f. 69 Duncan, 17 Work, Employment and Society 101, 113; ähnlich Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 226 f. 70 Dazu ausführlich im 3. Kapitel, unter C. IV. 71 So gehen Schätzungen etwa davon aus, dass die arbeitgebergetragenen Gesundheitskosten für männliche Arbeitnehmer für 25 – 34-Jährige 6,1% des Lohnes beträgt, während sie bei 55 – 64-Jährigen 14,5 % des Lohnes ausmacht (Barth / McNaught / Rizzi, in: Crown, Handbook of Employment and the Elderly, S. 330). Auch andere Lohnnebenkosten (fringe benefits) in den USA steigen tendenziell mit zunehmendem Alter des Arbeitnehmers. Regelmäßig steigen die Prämien arbeitgebergetragener Lebensversicherungen mit dem Alter des Versicherten an. Gleiches gilt für die Beiträge des Arbeitgebers in Betriebsrentenpläne. Schließlich werden älteren Arbeitnehmern auch in den Vereinigten Staaten längere Urlaubszeiten gewährt. Zum Ganzen: OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 110 f.

B. Anhaltspunkte für die zu erwartende Effektivität des AGG

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fragehemmung durch die mit der deutschen Arbeitsmarktregulierung verbundenen Kosten zurück. Auch die Verrentungsanreize in Deutschland sind nach Angaben der OECD erheblich höher als in den USA.72 Problematisch ist, dass die in Deutschland dominanten institutionellen Hemmnisse der Beschäftigung älterer Menschen im deutschen Arbeits- und Sozialrecht beim Ansatz des AGG weitestgehend außen vor bleibt.73 Die verringerte Nachfrage nach Arbeit älterer Menschen durch Unternehmen kann auf wirtschaftlichen Gründen, aber auch auf Vorurteilen oder unzutreffenden Verallgemeinerungen in Bezug auf Ältere basieren. An diesen vermeintlichen Vorurteilen und Verallgemeinerungen setzt das AGG an. Wirtschaftliche Anreize von Arbeitgebern, jüngere Arbeitnehmer zu bevorzugen, bleiben durch das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters weitestgehend unberührt. Angesichts der Tatsache, dass das AGG den Großteil der Gründe niedriger Erwerbstätigkeit älterer Menschen in Deutschland nicht berührt, ist davon auszugehen, dass mit dem Gesetz keine spürbare Verbesserung von deren Beschäftigungssituation einhergehen wird. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem ADEA und dem AGG ist, dass ersterer nur ältere Arbeitnehmer ab dem 40. Lebensjahr schützt, während durch das AGG sämtliche Altersgruppen vor Benachteiligungen wegen ihres Alters geschützt sind. Das spricht für die Annahme, dass das AGG weniger als Einstellungsbarriere für ältere Menschen fungieren wird, als dies die empirischen Daten hinsichtlich des ADEA aufzeigen. Ein unter den amerikanischen ADEA fallender über 40 Jahre alter Arbeitssuchender wird nur eingestellt, wenn seine zu erwartende Wertgrenzproduktivität nicht nur seinen Lohn, sondern auch die durch Schutz nach dem ADEA zusätzlich anfallenden Kosten und Risiken übersteigt. Mithin folgt aus diesem Gesetz eine Belastung des Faktors Arbeit für ältere Arbeitnehmer. Daher empfiehlt die OECD auch in ihrem Bericht über Alterung und Beschäftigung in den USA, die Begrenzung der Anwendbarkeit des ADEA auf Menschen über 40 Jahre aufzuheben.74 Hinsichtlich des deutschen AGG ist auf den ersten Blick ein anderer Effekt zu erwarten. Hier ist nicht nur der ältere, sondern auch der jüngere Arbeitnehmer gleichsam vor einer Benachteiligung wegen des Alters geschützt. Da mithin alle Arbeitnehmer vom Kontinuum des Merkmals Alter betroffen sind, wird nicht der Faktor Arbeit relativ zu einer anderen Bevölkerungsgruppe verteuert, sondern relativ gegenüber dem Faktor Kapital. Gesamtwirtschaftlich verteuern sich dadurch arbeitsintensive Produkte relativ zu kapitalintensiven. Das Produktionseinsatzverhältnis verändert sich durch derartige Regulierung zuungunsten der 72 OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 78. Zum Zusammenhang zwischen Verrentungsanreizen und dem Arbeitskräfteangebot in den beiden Ländern, ebd., S. 79 f. 73 Vgl. Eichhorst, in: Rust / Lange / Pfannkuche, Altersdiskriminierung und Beschäftigung, S. 83. Zur möglichen Berücksichtigung der Verschlechterung von Beschäftigungschancen bei der Rechtfertigung von priviligierenden Ungleichbehandlungen wegen des Alters, insbesondere durch tarifliche Senioritätsrechte, vergleiche aber im 7. Kapitel, unter E. I. 2. 74 OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 22.

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

Arbeit, so dass kapitalintensive Produktionsmethoden bevorzugt werden.75 Jedoch könnten die einstellungshemmenden Auswirkungen des ADEA speziell für ältere Menschen im Ergebnis auch unter dem AGG entstehen. Denn es ist anzunehmen, dass die meisten Klagen im Bereich der ganz jungen und der älteren Arbeitnehmer auftreten werden, während Arbeitnehmer im besten Alter (prime age workers) sich eher selten auf den Schutz vor Altersdiskriminierung berufen werden.76 Auch die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass das AGG gerade den jugendlichen und den älteren Arbeitnehmern besonderen Schutz bieten soll.77 Der Schutz älterer Menschen vor Benachteiligungen stelle einen Schwerpunkt des Verbots dar.78 Es leuchtet ein, dass sich ein 35-Jähriger nach einer Kündigung vor allem auf das KSchG berufen wird und nur unter besonderen Umständen seine Klage auch auf den Schutz vor Altersdiskriminierung nach dem AGG stützen wird. Bei der Kündigung eines 63-Jährigen sähe das anders aus. Gleichsam würde ein jugendlicher Bewerber um einen Arbeitsplatz im Falle einer Ablehnung eher eine (mittelbare) Benachteiligung vermuten, als ein Konkurrent mittleren Alters, der schon einige Jahre Berufserfahrung aufweisen kann. Damit ist bei Jugendlichen und bei älteren Menschen die Durchsetzung des Altersdiskriminierungsschutzes wirksamer und auch das Prozessrisiko für den Arbeitgeber höher. Im Ergebnis können sich daher durch das AGG ähnliche Einstellungshemmnisse für die besonders schutzbedürftigen und faktisch besonders geschützten Altersgruppen der Jugendlichen und der älteren Arbeitnehmer ergeben, wie dies für Arbeitnehmer über 40 Jahren unter dem ADEA der Fall ist.79 Jedenfalls geht auch mit der Regulierung durch das AGG eine Belastung des Faktors Arbeit relativ zum Faktor Kapital einher. Verstärkt werden könnten diese beschäftigungspolitischen Fehlanreize unter dem AGG, da es im Gegensatz zum ADEA80 keine Ausnahme vom Anwendungsbereich für Kleinbetriebe vorsieht. Im Gegensatz zum AGG betrifft daher der ADEA einen großen Teil der Arbeitsverhältnisse gar nicht und entfaltet dort auch keine Abschreckungswirkung.81 75 Eger / Weise, in: Ott / Schäfer, Ökonomische Analyse des Arbeitsrechts, S. 55; ähnlich auch Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 37. 76 Dies wird durch die Erfahrungen mit dem Irischen Employment Equality Act bestätigt, unter dem in den Jahren 2000 – 2003 die große Mehrheit der Fälle der Altersdiskriminierungsfälle zu älteren Arbeitnehmern entschieden. Vgl. Reid, Age Discrimination in Employment, S. 7. 77 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 24; dazu auch Wendeling-Schröder-Wendeling-Schröder / Stein, AGG, § 10 Rn. 1; Wendeling-Schröder, NZA 2007, 1399 f. 78 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 31. 79 So allgemein zu den geschützten Gruppen der RL 2000 / 78 / EG, Scholl, in: Moldaschl / Thießen, Neue Ökonomie der Arbeit, S. 291 f. 80 Gemäß Sec. 630 b) ADEA ist das Gesetz nur auf Arbeitgeber anwendbar, die regelmäßig mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigen. 81 Im Falle einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des AGG auf Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern wäre das Gesetz auf 89,9 % der Betriebe bzw. 27,9% der Beschäftigten in Deutschland nicht anwendbar. Vgl. die Statistik in: Günterberg / Wolter, Unternehmensgrößenstatistik 2001 – 2002, Kapitel 5, S. 164, Tabelle 4.

B. Anhaltspunkte für die zu erwartende Effektivität des AGG

185

Eine weitere Abweichung zwischen ADEA und AGG ist, dass gemäß § 10 AGG Rechtfertigungen von Ungleichbehandlungen wegen des Alters in einem erheblich größeren Umfang möglich sind, als dass dies durch die strengen Rechtfertigungsmöglichkeiten unter dem ADEA der Fall ist.82 Größere Rechtfertigungsmöglichkeiten von Ungleichbehandlungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die zu erwartende Effektivität des AGG. Einerseits sind dadurch nicht so viele Ungleichbehandlungen verboten. Jedoch handelt es sich bei den nach dem AGG gerechtfertigten Differenzierungen per definitionem nicht um willkürliche Diskriminierungen, die es zu vermeiden gilt. Andererseits ist davon auszugehen, dass ein weiterer Spielraum bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen die Einstellungsbarriere durch das Verbot der Altersdiskriminierung abschwächt. Viel wird aber davon abhängen, wie die unbestimmten Rechtsbegriffe des Rechtfertigungstatbestands in § 10 AGG ausgelegt werden und welcher Stellenwert wirtschaftlichen Gesichtspunkten in diesem Rahmen beigemessen wird.83 Je mehr wirtschaftliche Aspekte bei der Rechtfertigung ausgeblendet werden, desto mehr entsteht ein Umgehungsdruck für das Unternehmen, das wirtschaftlich gewünschte Ergebnis auf andere Weise zu erreichen.84 Wegen der Rechtfertigungsmöglichkeiten des § 10 AGG werden auch die Auswirkungen des AGG auf die Verzögerung der Verrentung von denen des ADEA abweichen. Aktuell wird die Personalanpassung in deutschen Betrieben vorzugsweise durch Frühverrentung vorgenommen.85 Daran wird sich wohl auch durch das AGG nur wenig ändern. Denn Zwangspensionierungen durch Höchstaltersgrenzen waren auch vor Inkrafttreten des AGG nur eingeschränkt möglich und wurden durch die Rechtsprechung am Maßstab des § 14 Abs. 1 TzBfG und Art. 12 Abs. 1 GG überprüft.86 Diese Fälle werden wohl auch in Zukunft nach § 10 AGG gerechtfertigt sein.87 In Deutschland bietet sich mit dem AGG keine dem Verbot von mandatory retirement nach dem U.S.-amerikanischen ADEA vergleichbare Situation. Pensionsgrenzen können vielmehr nach § 10 AGG gerechtfertigt sein, wobei sie nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG bei wirtschaftlicher Absicherung der Betroffenen durch einen Rentenanspruch regelmäßig auch angemessen sein werden.88 Vgl. zu den Rechtfertigungsgründen unter dem ADEA und AGG im 1. Kapitel, unter B. Dazu ausführlich im 5. Kapitel, unter B. II. 4. und im 6. Kapitel. 84 Vgl. Britz, VVDStRL 2005, 380. 85 Kocher, ARBEIT 2005, 306; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 9, 47. 86 Vgl. nur: BAG v. 21. 07. 2004 – 7 AZR 589 / 03, Rz. 24 ff., (Leitsätze veröffentlicht in: NZA 2004, 1352; Volltext verfügbar unter: http: //juris.bundesarbeitsgericht.de); BVerfG v. 25. 11. 2004, AP Nr. 25 zu § 620 BGB Altersgrenze; BVerfG v. 31. 3. 1998, NZA 1998, 590; BVerfG v. 16. 6. 1959, NJW 1959, 1579 f.; ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 3. 2007, BB 2007, 1738 (Anm. von Hoff). 87 So auch die Einschätzung in weiten Teilen der Literatur zur RL 2000 / 78 / EG und zum AGG: Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 298; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn 27; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 34; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 42; Waltermann, NZA 2005, 1267. 82 83

186

5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

Hinsichtlich der Frage der Senkung des Kündigungsrisikos für ältere Menschen wird das AGG geringere Auswirkungen haben als der ADEA. Wesentliche Funktionen des Schutzes vor Altersdiskriminierungen in den USA durch den ADEA wurden und werden in Deutschland durch andere arbeitsrechtliche Vorschriften, insbesondere den allgemeinen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes wahrgenommen.89 Auch vor Einführung des AGG waren Arbeitnehmer in Deutschland vor altersbedingten Kündigungen umfangreich geschützt.90 Das Lebensalter eines Menschen ist kein Kündigungsgrund im Sinne von § 1 KSchG.91 Auch § 41 Satz 1 SGB VI sieht vor, dass das Erreichen eines Alters, ab dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Altersrente erlangt, nicht als Rechtfertigung für eine Kündigung dienen kann. Des Weiteren werden Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit zugunsten älterer Menschen bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berücksichtigt.92 Daher ist das Kündigungsrisiko älterer Arbeitnehmer ist in Deutschland wegen gesetzlicher und tarifvertraglicher Bestandsschutzregelungen vergleichsweise niedrig.93 Zu beachten ist jedoch, dass das AGG insbesondere hinsichtlich der Anwendbarkeit, der Beweislastverteilung und der Sanktionen über das Schutzniveau des KSchG und des § 242 BGB hinausgeht.94 Insoweit wird das Vorgehen gegen altersbedingte Kündigungen durch das AGG künftig noch erleichtert, weshalb eine gewisse weitergehende Reduzierung altersbedingter Kündigungen zu erwarten ist. Schließlich ist nicht abschließend geklärt, welche Rolle das AGG bei Kündigungen künftig spielen wird. Zwar besagt § 2 Abs. 4 AGG, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten.95 Diese Norm ist dem Wortlaut nach aber europarechtswidrig, weil die RL 2000 / 78 / EG gemäß Art. Art. 3 Abs. 1 c) RL unstrittig auch auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen anwendbar ist.96 Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter B. V. 2. Eger, in: Sadowski / Walwei, Eine ökonomische Analyse des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes in Deutschland und den USA, S. 66; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 37; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 223 f.; MüKo-Thüsing, AGG, Einl. Rn. 7. 90 So bereits 1998, Boecken, NJW-Beil. Heft 23 / 1998, 12. 91 BAG v. 25. 3. 1971, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952; BAG v. 20. 11. 1987, AP Nr. 2 zu § 620 Altersgrenze, A. IV. 3.; ErfK-Ascheid / Oetker, KSchG, § 1 Rn. 248; Bauer / Lingemann, NZA 1993, 625; Leuchten, NZA 2002, 1259; Waltermann, Berufsfreiheit im Alter, S. 49. 92 Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 7 Rn. 238 ff. 93 Brussig / Knuth / Schweer, Arbeitsmarktpolitik für Ältere, S. 1; Eichhorst, in: Rust / Lange / Pfannkuche, Altersdiskriminierung und Beschäftigung, S. 58. 94 Vgl. ausführlich zu den Unterschieden zwischen dem KSchG und dem AGG, Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 107 ff. 95 Zur Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 4 AGG, MüKo-Thüsing, AGG, § 2 Rn. 14 ff. 96 Vgl. nur ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 627; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 2 Rn. 63; Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 2 Rn. 262 f.; ErfK-Schlachter, AGG, § 2 Rn. 14 f.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 106; Wisskirchen, DB 2006, 1495. Anderer Ansicht ist aber weiterhin die Bundesregierung. Vgl. Antwort vom 21. 5. 2007 auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion BÜND88 89

B. Anhaltspunkte für die zu erwartende Effektivität des AGG

187

Dass Kündigungen vom Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG erfasst sind, wurde auch vom EuGH in der Rechtssache Navas für den Bereich der Benachteiligung wegen einer Behinderung bestätigt.97 Jedoch ist in der Literatur umstritten, ob § 2 Abs. 4 AGG wegen Europarechtswidrigkeit außer Anwendung bleiben muss98 bzw. europarechtskonform auszulegen ist99 oder ob jedenfalls die Bestimmungen zum Kündigungsschutz dahingehend auszulegen sind, dass sie das Schutzniveau der RL 2000 / 78 / EG gewähren.100 Im Ergebnis ist ersterer Ansicht zufolgen, die § 2 Abs. 4 AGG wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben für unanwendbar erklärt. Denn der eindeutige Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG ist einer richtlinienkonformen Auslegung schon nicht zugänglich101 und eine Auslegung der Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzes, insbesondere der zivilrechtlichen Generalklauseln in den §§ 138 und 242 BGB, widerspricht dem Transparenzgebot bei der Umsetzung von Individualrechten aus Richtlinien.102 Angesichts des Urteils des EuGH in der Rechtssache Mangold, in dem das Gericht urteilte, dass § 14 Abs. 3 TzBfG wegen Verstoßes gegen den primärrechtlichen Grundsatz des Verbots von Altersdiskriminierungen außer Anwendung bleiben müsse,103 ist auch § 2 Abs. 4 AGG nicht anzuwenden, weil der pauschale AusNIS 90 / DIE GRÜNEN, BT-Drucks. 16 / 5382, S. 4: „Die in § 2 Abs. 4 AGG getroffene Regelung [ . . . ] steht nicht im Widerspruch zu den EG-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung. Das Kündigungsschutzgesetz und die anderen Kündigungsschutzvorschriften schützen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor allen diskriminierenden Kündigungen. Diese Kündigungsvorschriften gelten nach Inkrafttreten des AGG unverändert weiter. Eine Absenkung des bisherigen Schutzniveaus ist nicht eingetreten.“ 97 EuGH v. 11. 7. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), NZA 2006, 840, Rz. 36 ff.; zustimmend Kock, ZIP 2006, 1552. 98 ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 627; Adomeit / Mohr, AGG, § 2 Rn. 212 ff.; Bayreuther, DB 2006, 1842; Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 2 Rn. 262 f.; Sagan, NZA 2006, 1259; Schleusener-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 2 Rn. 24; MüKo-Thüsing, AGG, § 2 Rn. 17 ff. 99 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 2 Rn. 66 ff. (Die Wortlautgrenze des § 2 Abs. 4 AGG lasse aber eine richtlinienkonforme Auslegung nur dahingehend zu, dass § 15 Abs. 2 AGG auch auf Kündigungen anwendbar ist.). 100 ErfK-Schlachter, AGG, § 2 Rn. 15; Richardi, NZA 2006, 886; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 164 f.; v. Hoyningen-Huene / Linck, KSchG, § 1 Rn. 226a; Diller / Krieger / Arnold, NZA 2006, 889 f. (mit einer Differenzierung nach dem Kündigungsmotiv des Arbeitgebers); wohl auch Annuß, BB 2006, 1630. 101 So auch Sagan, NZA 2006, 1258. 102 Vgl. EuGH v. 23. 5. 1985 – Rs. 29 / 84 (Kommission / Deutschland), Slg. 1985, 1661, Rz. 23; EuGH v. 9. 4. 1987 – Rs. 363 / 85 (Kommission / Italien), Slg. 1987, 1733, Rz. 7; EuGH v. 30. 5. 1991 – Rs. C-59 / 89 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-2607, Rz. 18; EuGH v. 19. 9. 1996 – Rs. 236 / 95 (Kommission / Griechenland), Slg. 1996, I-4459 Rz. 13. Dem Ansatz der Auslegung bestehender Generalklauseln zur Umsetzung der Vorgaben der RL 2000 / 78 / EG ist der Gesetzgeber beim AGG zu Recht nicht gefolgt. Vgl. bereits im die ablehnenden Stellungsnahmen im Gesetzgebungsprozess: Armbrüster, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien, A.Drucks. 15(12)440-E, S. 1; Mahlmann, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien, A.-Drucks. 15(12)440-F, S. 3.

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5. Kap.: Effektivität von ADEA und AGG

schluss von Kündigungen vom Anwendungsbereich des AGG dem Primärrecht und den Regelungszwecken der RL 2000 / 78 / EG entgegenläuft.104 Bis zur endgültigen Klärung dieser Frage durch den EuGH ist daher davon auszugehen, dass auch Kündigungen zusätzlich am Maßstab des AGG und der RL 2000 / 78 / EG zu messen sind.105 Ein Unterschied zwischen dem AGG und dem ADEA könnte die Beschäftigungssituation älterer Menschen in der Tat verbessern: Nach dem AGG sind auch Privilegien älterer Arbeitnehmer in Individual- oder Kollektivverträgen rechtfertigungsbedürftig, wenn damit eine Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer einhergeht. Diese Senioritätsprivilegien haben aber auch häufig wegen der damit für den Arbeitgeber verbundenen Kosten eine beschäftigungshemmende Wirkung für ältere Menschen. Die Verbesserung der Beschäftigungschancen Älterer durch den Abbau von Senioritätsrechten wird entscheidend dadurch bestimmt, inwieweit die Beschäftigungshemmnisse durch derartige Privilegien kumulativ zu der Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer bei der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wegen des Alters berücksichtigt werden. Eine solche Berücksichtigung wäre nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch im Hinblick auf das Ziel des Gesetzes – die Förderung der Beschäftigungschancen Älterer – wünschenswert.106 Im Ergebnis ist daher dem Fazit von Körner daher zuzustimmen: „Das gesetzgeberische Ziel, Unternehmen Anreize zu geben, wieder mehr ältere Arbeitnehmer einzustellen, [ist] begrüßenswert [ . . . ]. Allerdings ist schon wirtschaftspolitisch fraglich, ob dafür Sonderregelungen geschaffen werden müssen, oder ob es im Gegenteil nicht effizienter wäre, zunächst einmal bestehende Privilegierungen wegen des Alters auf den Prüfstand zu stellen.“107 Schließlich wird das AGG für die Reduzierung willkürlicher Benachteiligungen wegen des Alters förderlich sein. Zwar ist angesichts der zahlreichen wirtschaftlichen Motive hinter Unterscheidungen wegen des Alters in Arbeitsverhältnissen und der willkürfeindlichen Wirkung des Wettbewerbsdrucks am Arbeitsmarkt nicht davon auszugehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters häufig ohne Sachgrund erfolgen. Soweit das Unterscheidungsmotiv aber willkürlich ist, werden derartige Fälle jedoch unter dem AGG zusätzlich erschwert, da das AGG die gerichtliche Kontrolle der Arbeitgeberentscheidung eröffnet und im Fall einer willkürlichen Diskriminierung die Sanktionen des § 15 Abs. 1 und 2 AGG greifen. Zu beachten ist aber, dass ein Verbot von Altersdiskriminierung regelmäßig zu subtile103 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1348, Rz. 77; zustimmend BAG v. 26. 4. 2006, NZA 2006, 1163 f., Rz. 10, 23 f.; kritisch zur Mangold-Entscheidung als ausbrechender Rechtsakt des EuGH, Böhm, JZ 2008, 324 ff. 104 So auch ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 628; Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 2 Rn. 263; Sagan, NZA 2006, 1259; MüKo-Thüsing, AGG, § 2 Rn. 26. 105 Ausführlich zur Problematik des § 2 Abs. 4 AGG: von Medem, Kündigungsschutz und AGG, 153 ff. 106 Dazu unten im 7. Kapitel, unter E. I. 107 Körner, NZA 2005, 1395.

C. Ergebnis

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ren Formen der Benachteiligung führt.108 So werden beispielsweise offene Altersgrenzen bei der Besetzung von Stellen ersetzt werden durch schwerer zu entdeckende Benachteiligungen, etwa im Rahmen des Bewerbungsgesprächs. Es ist daher damit zu rechnen, dass offene Formen der Altersdiskriminierung drastisch abnehmen, sich aber subtile Willkürentscheidungen in Verbindung mit dem Alter eines Menschen zu einem gewissen Grad halten können.

C. Ergebnis Zusammenfassend ist zu erwarten, dass auch das AGG eine gewisse einstellungshemmende Wirkung hinsichtlich von älteren Arbeitnehmern aufweisen wird, obwohl das Gesetz im Gegensatz zum ADEA alle Altersgruppen schützt. Während diese Abschreckungswirkung mangels Kleinbetriebsklausel im AGG alle Betriebe in Deutschland erfasst, so wird sie doch wegen der weiteren Möglichkeiten der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach § 10 AGG geringer ausfallen als in den USA. Eine erhebliche Verzögerung des Rentenalters oder die Senkung des Kündigungsrisikos Älterer ist infolge des AGG nicht zu erwarten, da die Anforderungen an eine Rechtfertigung nach dem AGG in vielen Fällen nicht strenger sein werden als die der bisherigen Rechtsprechung zu Altershöchstgrenzen und zum Kündigungsschutz. Jedoch sind hier einige Verbesserungen der Situation Älterer denkbar. Eine Chance für die Steigerung der Beschäftigungschancen Älterer durch das AGG liegt in der Möglichkeit, auch Privilegien älterer Arbeitnehmer, die ein Beschäftigungshemmnis darstellen, als unzulässige Benachteiligungen zu qualifizieren. Insgesamt können aus den Schwierigkeiten hinsichtlich der Effektivität des ADEA für die Anwendung des deutschen AGG aber auch Lehren gezogen werden. So können Einstellungshemmnisse verringert werden, je eher wirtschaftlich begründete Ungleichbehandlungen wegen des Alters unter dem AGG zulässig bleiben. Des Weiteren ist es wünschenswert, auch an das Alter anknüpfende Privilegien am Maßstab der RL 2000 / 78 / EG bzw. des AGG zu überprüfen, wobei die damit einhergehenden Beschäftigungshemmnisse für ältere Menschen Berücksichtigung finden sollten. Spielraum zur Umsetzung dieser Erkenntnisse bietet die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe und die Verhältnismäßigkeitsprüfung in § 10 AGG.

108

So auch Duncan, 17 Work, Employment and Society 101, 113.

6. Kapitel

Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht In den folgenden Kapiteln sollen verschiedene Regelungen des AGG angesichts unterschiedlich begründeter Altersdiskriminierungserscheinungen auf dem Arbeitsmarkt aus ökonomischer Sicht ausgelegt werden. Die im AGG verwendete Regelungstechnik sieht insbesondere in § 10 AGG offene Formulierungen von Tatbeständen vor, unter deren Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zulässig sein kann. Wie gezeigt, ist die Berücksichtigung des Effizienzkriteriums bei der Auslegung der Normen zur Benachteiligungen wegen des Alters nicht nur zulässig, sondern wegen des Wortlauts und des Sinn und Zwecks der RL 2000 / 78 / EG und des AGG auch angezeigt.1 Daher liegt im Folgenden ein besonderes Augenmerk auf den wirtschaftlichen Hintergründen und Zusammenhängen bei Ungleichbehandlungen wegen des Alters, wobei auf die im vierten Kapitel der Arbeit dargelegten ökonomischen Modelle Bezug genommen wird. Angesichts der verbreiteten Kritik an der Ineffizienz und Ineffektivität des ADEA in der U.S.-amerikanischen Literatur, soll dargelegt werden, in welchem Maße Auslegungsspielräume im AGG mit dem Ziel der Minimierung von Ineffizienzen und Ineffektivitäten oder sogar effizienzsteigernd genutzt werden können. Insbesondere birgt die Berücksichtigung des ökonomischen Arguments bei der Auslegung der Rechtfertigungsgründe des AGG die Chance, dem Ziel der Verbesserung der Arbeitsmarktsituation Älterer in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG gerecht zu werden. Die verstärkte Eingliederung Älterer in den Arbeitsmarkt ist aber nicht nur volkswirtschaftlich wünschenswert, sondern gleichzeitig Grundlage für die verbesserte Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppe am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben.2 Neben dem ökonomischen Argument muss daher auch die soziale und menschenrechtliche Zielsetzung der Verwirklichung von Gleichbehandlung durch das AGG bei der Auslegung der Normen berücksichtigt werden. Auch damit verbundene Faktoren und Interessen, die mit der Effizienz am Arbeitsmarkt abzuwägen sind, werden im Folgenden angesprochen, wobei nach dem hier gewählten Blickwinkel der Schwerpunkt auf dem ökonomischen Argument liegt.3 Hierzu ausführlich im 2. Kapitel, unter B. Vgl. Erwägungsgrund 9 RL 2000 / 78 / EG. 3 Die anderen betroffenen Interessen werden ausführlich in den Kommentierungen zum AGG besprochen, die regelmäßig nicht zur Frage der Effizienz Stellung nehmen. Ausnahmen 1 2

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände

191

Die weitere Darstellung wird sich auf die Auslegung der Rechtfertigungstatbestände für Ungleichbehandlungen wegen des Alters in den §§ 10, 8 Abs. 1 und 5 AGG, sowie auf dem Ausschluss des Tatbestandes der mittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG konzentrieren. Denn es sind die Rechtfertigungsgründe, die über die Bedeutung der Gleichbehandlung in Bezug auf das Merkmal Alter bestimmen, da diese diejenigen Ungleichbehandlungen wegen des Alters identifizieren, die weiterhin zulässig sind.4 Wiedemanns Formulierung zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zeigt dies trefflich: „Die Sachgründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, bilden den Mittelpunkt des Gleichheitssatzes – sozusagen die Cella der Gerechtigkeit: dort offenbart die Rechtsgemeinschaft ihre Wertvorstellungen, wenn sie festlegt, was gleich zu achten und deshalb auch gleichmäßig zu behandeln, was gleich zu würdigen und deshalb auch ebenso nachhaltig zu schützen ist.“5 Daher wird in Kapitel 6 die Systematik der Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach dem AGG erörtert und die Möglichkeiten der Berücksichtigung des ökonomischen Arguments bei der Auslegung von § 10 AGG ausgelotet. Im siebten Kapitel folgt dann die Anwendung ökonomischer Konzepte bei der Rechtfertigung typischer Ungleichbehandlungen wegen des Alters im Arbeitsverhältnis.

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände hinsichtlich des Alters im AGG Ungleichbehandlungen wegen des Alters können nach dem AGG nach Maßgabe der §§ 10, 8 Abs. 1, 5 und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG gleichwohl zulässig sein. Bei unmittelbaren Benachteiligungen im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG müssen dafür die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes gemäß § 10, 8 Abs. 1 oder 5 AGG vorliegen. Mittelbare Benachteiligungen sind gemäß § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG bereits tatbestandlich ausgeschlossen, soweit sie zur Erreichung eines rechtmäßigen Ziels erforderlich und angemessen sind.6 Die Systematik der Rechtfertigungsgründe des AGG im Bereich der Altersdiskriminierung wirft jedoch eine Reihe von Fragen auf. So ist im Bereich der unmittelbaren Benachteiligung zu klären, in welchem Verhältnis der allein für das Alter dazu sind, Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 48 ff.; MüKo-Thüsing, AGG, Einl. Rn. 51 ff.; Schiek-Schiek, AGG, Vorbem. zu §§ 19 ff. Rn. 2 ff. 4 Swift, 35 Ind. L. J. 228, 231: „these provisions [ . . . ] are the ones that are integral to what is meant by equality in this area, since they identify the forms of age discrimination that are legitimate.“ 5 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 44 f. 6 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 33; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 31; Palandt-Heinrichs, AGG, § 3 Rn. 3; ErfK-Schlachter, AGG, § 3 Rn. 8; Schrader / Schubert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 3 Rn. 52 („negatives Tatbestandsmerkmal“).

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

geschaffene, besondere Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG zum allgemeinen Rechtfertigungsgrund wegen beruflicher Anforderungen in § 8 Abs. 1 AGG und den positiven Maßnahmen gemäß § 5 AGG steht.7 Hinsichtlich der mittelbaren Benachteiligung besteht die Frage nach dem Verhältnis des Tatbestandsausschlusses des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG zu den Rechtfertigungsgründen und nach den Anforderungen dieser Norm im Vergleich zu § 10 AGG. Diese systematischen Fragen sind im Folgenden zu beantworten, bevor in einem nächsten Schritt eine Auslegung der für die Altersdiskriminierung maßgeblichen Normen aus ökonomischer Sicht angeboten werden kann.

I. Zulässige unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG Der Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG gilt nur für Benachteiligungen wegen des Alters und wurde in Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL erlassen. Dabei stand es nach dem Vorschlag der Kommission „den Mitgliedstaaten frei, im Einklang mit ihrer Rechtstradition und ihren politischen Prioritäten andere als die in Artikel 5 [später Art. 6 RL] aufgeführten Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters zuzulassen, sofern diese angemessen und zur Erreichung eines legitimen Ziels erforderlich sind.“8 Laut Gesetzesbegründung des AGG war es dem deutschen Gesetzgeber aufgrund der komplexen Zusammenhänge im Bereich der Altersdiskriminierung nicht möglich, „eine allgemein gültige Lösung“ zu entwickeln. Daher habe man sich auf die Umsetzung der in der Richtlinie vorgegebenen allgemeinen Grundsätze beschränkt, was die Regelung flexibel und handhabbar mache.9 Ähnlich hat auch der französische Gesetzgeber in Art. L 122-45-3 Code du travail reagiert10 und auch in Österreich erfolgte die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL durch weitgehende Übernahme von dessen Wortlaut durch die Generalklausel nebst Beispielen in § 20 Abs. 3 und 4 Gleichbehandlungsgesetz.11 Eine dem Wortlaut des Art. 6 7 Ähnlich ungeklärt ist das Verhältnis der diesen Rechtfertigungsgründen zugrunde liegenden europarechtlichen Normen Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 7 Abs. 1 RL 2000 / 78 / EG. 8 KOM(1999)565 endg., S. 12. 9 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 10 Art. L 122-45-3: „Les différences de traitement fondées sur l’âge ne constituent pas une discrimination lorsqu’elles sont objectivement et raisonnablement justifiées par un objectif légitime, notamment par des objectifs de politique de l’emploi, et lorsque les moyens de réaliser cet objectif sont appropriés et nécessaires. Ces différences peuvent notamment consister en: – l’interdiction de l’accès à l’emploi ou la mise en place de conditions de travail spéciales en vue d’assurer la protection des jeunes et des travailleurs âgés; – la fixation d’un âge maximum pour le recrutement, fondée sur la formation requise pour le poste concerné ou la nécessité d’une période d’emploi raisonnable avant la retraite.“ 11 Dazu Windisch-Graetz-Rebhahn, GlBG, § 20 Rn. 24 ff.; zu weiteren „offenen“ Umsetzungen von Art. 6 Abs. 1 RL in anderen Mitgliedstaaten, O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 36.

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände

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Abs. 1 RL derart eng nachempfundene Umsetzung, wie sie § 10 AGG vorsieht, wurde im Schrifttum kritisiert.12 Diese Kritik ist aus ökonomischer Sicht in Teilen zu unterstützen. In Verbindung mit Rechtsregeln entstehen drei Arten von Kosten: Regelaufstellungskosten, Regelanwendungskosten und Kosten der Unsicherheiten für den Adressaten infolge unklarer Regeln.13 Die Regelaufstellungskosten sind Fixkosten und werden bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters wegen der damit verbundenen „komplexen Zusammenhänge“14 relativ hoch ausfallen. Das spricht grundsätzlich für die Normierung eines flexiblen Standards, da die hohen Kosten der Ausarbeitung einer präzisen Direktive dann entfielen. Die Wahl eines Standards steigert aber die Regelanwendungskosten von Gerichten und anderen Rechtsanwendern. Da letztere Kosten variabel sind, sind die Regelanwendungskosten umso höher, je häufiger es zu einer Anwendung der Regel kommt.15 Angesichts der Verbreitung von Unterscheidungen nach dem Alter in individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen ist mit einer sehr häufigen Anwendung des § 10 AGG zu rechnen. Insoweit erscheint die Regelungstechnik des § 10 AGG im Grundsatz zweckmäßig: Die Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG ermöglicht eine flexible Präzisierung durch die Auslegung und Rechtsfortbildung der dezentral arbeitenden und an vielen Stellen Informationen aufnehmenden und verarbeitenden Gerichte. Dies ist regelmäßig sachnäher und kostengünstiger.16 Auf der anderen Seite setzen die Beispiele des § 10 Satz 3 AGG auch Direktiven, was Rechtsanwendungskosten verringern könnte. Ein verbleibender Kritikpunkt ist aber, dass die Direktiven in den Regelbeispielen des § 10 Satz 3 AGG nicht präzise genug sind, um die Anwendbarkeit zu erleichtern. Hier wären größere, einmalige Fixkosten bei Regelaufstellung sinnvoll gewesen, um Rechtsanwendungskosten für zahlreiche Anwendungsfälle zu sparen. Schließlich ist wegen der geringen Präzision des Rechtfertigungstatbestandes in § 10 AGG mit erheblichen Kosten aufgrund von Unsicherheiten beim Rechtsanwender zu rechnen. Auch für diesen sind Standards mit höheren Kosten verbunden, da er entscheiden muss, welches Vorsorgeniveau erforderlich ist, um einen Verstoß und die damit verbundene Sanktion zu vermeiden.17 Denn Rechtsunsicherheit führt angesichts 12 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 11; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 3 ff.; König, ZESAR 2005, 224; Preis, NZA 2006, 409; Reichold / Hahn / Heinrich, NZA 2005, 1275 f.; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 112: „Tunlichst vermieden werdensollte eine Generalklausel, die sich darin erschöpft, Art. 6 I im wesentlichen wiederzugeben.“ Ähnlich auch Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1238; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 19; Löwisch, DB 2006, 1730; die Gesetzgebungstechnik des § 10 AGG tendenziell stützend Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 428; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 287; Roetteken, AGG, § 10 Rn. 5 f. („das Gegenteil der angestrebten Rechtssicherheit“). 13 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 117; Schäfer, Direktiven oder Standards?, S. 2 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, S. 556 ff. 14 Gesetzesbegründung zu § 10 AGG, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 15 Kaplow, in: Geest, General Characteristics of Rules, S. 504 f. 16 Vgl. Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 118.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

von Sanktionen, wie der in § 15 AGG, zu Überinvestitionen bei der Erfüllung einer Norm. Eine Art Sicherheitsabstand zum „effizienten Verstoß“18 wird gewahrt. Eine Maßnahme im Arbeitsverhältnis wäre effizient, wenn der damit verbundene Nutzen die damit einhergehenden Kosten übersteigt. Ist es aus Sicht des Arbeitgebers aber unklar, welches Verhalten eine Sanktion auslöst, so wird er manche, eigentlich effiziente Maßnahmen unterlassen, um den Sanktionen zu entgehen. Weitere Kosten der Rechtsunsicherheit äußern sich in Form von übermäßiger Dokumentation von Entscheidungsprozessen oder überhöhter Nachfrage nach Schulungen und juristischem Beistand. Auch wegen dieser Kosten wäre eine präzisere Normierung in § 10 Satz 3 AGG wünschenswert gewesen. Nach der Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sein müssen. In § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG hat der deutsche Gesetzgeber Regelbeispiele einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung normiert.19 Diese sind ebenso wie die zugrunde liegenden Formulierungen in Art. 6 Abs. 1 a) bis c) RL nicht abschließend formuliert („insbesondere“). Teilweise wird aber vertreten, dass die Regelbeispiele den „Charakter einer Wegweisung“ hätten.20 Weitere Ausnahmen müssten vergleichbares Gewicht wie die in den Katalog aufgenommenen Ausnahmen aufweisen und dürften ebenso wie diese nicht das grundsätzliche Verbot der unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters infrage stellen.21 Begründet wird dies mit einem Vergleich zu den Regelbeispielen des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, wo eine derartige Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „sachlichen Grundes“ in § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG vertreten wird.22 Diese Anlehnung an die Systematik von § 14 Abs. 1 TzBfG überzeugt jedoch nicht. Die unterschiedliche Funktion von § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG und § 10 Satz 3 AGG wird schon aus deren Wortlaut deutlich. Während § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG in der Tat den unbestimmten Rechtsbegriff des sachlichen Grundes in Satz 1 konkretisiert („Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn . . .“), nimmt § 10 Satz 3 AGG nicht auf das legitime Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG Schäfer, Direktiven oder Standards?, S. 2. Zur „efficient violation of law“: Polinsky, Law and Economics, S. 79 f.; zum „efficient breach“ im Vertragsrecht, Posner, Economic Analysis of Law, S. 120, 128; Polinsky, Law and Economics, S. 33 ff., 63 ff. 19 In seiner ursprünglichen Fassung sah § 10 AGG a.F. acht Regelbeispiele vor. § 10 Satz 3 Nr. 6 und 7 AGG a.F. wurden aber durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze (BGBl. 2006 I, 2742, 2745 (BT-Drucks. 16 / 3007)) im Hinblick auf § 2 Abs. 4 AGG gestrichen. 20 Löwisch, DB 2006, 1730; zustimmend Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 12, 25. 21 Löwisch, Betriebliche Altersversorgung 2006, 533; Löwisch, DB 2006, 1730. 22 Vgl. ErfK-Müller-Glöge, TzBfG, § 14 Rn. 5; Meinel / Heyn / Herms, TzBfG, § 14 Rn. 5; a.A.: Maschmann- Annuß / Thüsing, Teilzeit- und Befristungsgesetz, § 14 Rn. 28 (danach stellen die Beispiele des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG keine Regelbeispiele dar sondern sind lediglich als „Orientierungshilfe“ zu sehen). 17 18

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände

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Bezug, sondern auf die ungleiche Behandlung („Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen“). So beinhalten § 10 Satz 3 Nr. 2, 4, 5 und 6 AGG auch gar keine Angabe über das verfolgte Ziel, sondern nur über eine bestimmte Art der Ungleichbehandlung.23 Weiterhin wird in der Generalklausel des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zur Rechtfertigung einer Befristung eines Arbeitsvertrages lediglich ein sachlicher Grund gefordert. § 10 Satz 1 und 2 AGG fordert jedoch zusätzlich zu einem legitimen Ziel, dass dieses auch in einem angemessenen Verhältnis zu den anderen betroffenen Interessen steht. Ein besonderes oder vergleichbares Gewicht des Grundes ist damit im Fall des § 10 AGG nicht bei der Frage des Vorliegens eines legitimen Ziels erforderlich, sondern kann hinreichend bei der Interessenabwägung innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Schließlich erwähnt auch die Gesetzesbegründung zu § 10 AGG eine Einengung der Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG durch die Regelbeispiele des Satz 3 nicht, sondern betont im Gegenteil, dass die Vorschrift wegen der komplexen Fragen im Zusammenhang mit Ungleichbehandlungen wegen des Alters „flexibel handhabbar“ sein soll.24 Somit gehen vom Katalog der Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG keine Wegweisungen oder Konkretisierungen für das legitime Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG aus. Schließlich ist zu beachten, dass das Vorliegen der Merkmale eines in den Regelbeispielen genannten Falles allein für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht ausreicht. Dadurch wird keine unwiderlegliche Vermutung für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters begründet.25 Vielmehr sind auch die in den Regelbeispielen aufgezählten Ungleichbehandlungen nur dann gerechtfertigt, wenn damit ein im Sinne von § 10 Satz 1 und 2 AGG legitimes Ziel verfolgt wird, zu dessen Erreichung die Ungleichbehandlung geeignet, erforderlich und angemessen ist.26 Ein derartig weiter Rechtfertigungsgrund für Diskriminierungen wegen des Alters findet im U.S.-amerikanischen ADEA kein Vorbild.27 Im Gegenteil: Die in Art. 6 Abs. 1 a) bis c) RL genannten und in § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 3 AGG umgesetzten Regelbeispiele wären alle ungerechtfertigte Verstöße gegen das Verbot der 23 Nur in § 10 Satz 3 Nr. 2 und 3 AGG werden mit der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten bzw. den spezifischen Ausbildungserfordernissen und der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand auch die Ziele der Ungleichbehandlungen genannt. 24 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 25 So bereits zu Art. 6 Abs. 1 RL, Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 72. 26 Adomeit / Mohr, AGG, § 10 Rn. 3; Flohr / Ring, Das neue Gleichbehandlungsgesetz, Rn. 228; ErfK-Schlachter, AGG, § 10 Rn. 2; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 9; bereits zu Art. 6 Abs. 1 RL: Hahn, Altersdiskriminierung, S. 123; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 72; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 119; a.A. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 25: „Allerdings indiziert die Erfüllung eines Regelbeispiels auch die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen.“ 27 Osborne, 38 Int’l Law. 867, 872 ff.; Suh / Bales, 8 Or. Rev. Int’l L. 263, 295.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Altersdiskriminierung unter dem ADEA, wenn nicht das Alter im Einzelfall eine bona fide occupational qualification darstellt, was in etwa den Anforderungen des § 8 Abs. 1 AGG entspricht.28 Insbesondere auch eine nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG rechtfertigungsfähige Altersgrenze zur Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann, wäre ein klarer Verstoß gegen das Verbot des mandatory retirement unter dem ADEA.29

II. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1 AGG Der Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG setzt Art. 4 Abs. 1 RL um. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Trotz der abweichenden Formulierung ist damit keine Absenkung des Schutzstandards im Vergleich zur Rechtfertigung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. verbunden, nach dem das Geschlecht noch „unverzichtbare Voraussetzung“ für eine bestimmte Tätigkeit sein musste.30 Bei der Bestimmung dieses Rechtfertigungsgrundes kann damit auch auf die bisher zu § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.31 Des Weiteren weist der Rechtfertigungstatbestand des § 8 Abs. 1 AGG starke Ähnlichkeiten mit der bona fide occupational qualification (BFOQ) Einrede auf, wie sie im U.S.-amerikanischen Title VII des Civil Rights Act hinsichtlich der Merkmale Religion, Geschlecht und nationale Herkunft32 und auch im ADEA hinsichtlich des Merkmals Alter33 vorgesehen ist.34 Auch aus der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung zu diesen Normen können wertvolle Anhaltspunkte zur Auslegung von § 8 Abs. 1 AGG gewonnen werden.35 Osborne, 38 Int’l Law. 867, 874. Hierzu auch bereits im 1. Kapitel, unter B. 30 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 35; vgl. zum Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen der RL, Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, 177 ff. 31 So auch Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 7. 32 42 U.S.C. § 2000e – 2(e)(1); vgl. dazu Sullivan / Zimmer / White, Employment Discrimination, § 3.05. 33 29 U.S.C. § 623(f)(1); vgl. dazu Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 219 ff. 34 Defeis, 32 Ga. J. Int’l & Comp. L. 73, 90; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 77; Osborne, 38 Int’l Law. 867, 873; MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 28. 35 Hierzu im Bereich der Geschlechterdiskriminierung: Thüsing, RdA 2001, 320 f. 28 29

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände

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Jedoch ist fraglich, welche Bedeutung der Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG für das Merkmal Alter haben kann. Die Gesetzesbegründung geht wohl davon aus, dass auch unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt werden können, weil es sich um „einen einheitlichen Rechtfertigungsmaßstab bezüglich aller in § 1 des Gesetzes genannten Gründe“ handle.36 Doch ist das Verhältnis zwischen § 8 Abs. 1 AGG und § 10 AGG bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters im Schrifttum umstritten. Nach einer bereits zur RL 2000 / 78 / EG entwickelten Ansicht sind die beruflichen Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 1 RL als lex specialis zu Art. 6 Abs. 1 RL zu betrachten, in dessen Anwendungsbereich Art. 6 Abs. 1 RL gesperrt ist, um eine Aushöhlung des Schutzniveaus von Art. 4 Abs. 1 RL zu vermeiden.37 Dafür wird Erwägungsgrund 23 RL ins Feld geführt, der den Rechtfertigungsgrund des Art. 4 Abs. 1 RL erläutert und dabei das Merkmal Alter ausdrücklich erwähnt. Daraus folgert Sprenger, dass Art. 4 Abs. 1 RL für den Bereich des „ob“ eines Arbeitsverhältnisses, also bei Statusentscheidungen über die Begründung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, abschließend sei.38 Es ist aber systemwidrig, den für das Alter speziell geschaffenen Rechtfertigungstatbestand des Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG durch den allgemeinen Rechtfertigungsgrund des Art. 4 Abs. 1 RL bzw. § 8 Abs. 1 AGG zu sperren. Das Schutzniveau des Benachteiligungsverbots hinsichtlich des Merkmals Alter ist sowohl vom europäischen als auch vom deutschen Gesetzgeber durch Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG bewusst niedrigerer konzipiert worden als das der anderen Merkmale des § 1 AGG. Darin liegt keine Aushöhlung des Schutzniveaus, sondern die Festlegung eines von den anderen Merkmalen des § 1 AGG abweichenden Schutzniveaus. Dem Verweis auf den Erwägungsgrund 23 ist zuzugestehen, dass in der dortigen Auflistung aller von der Richtlinie umfassten Merkmale auch das Alter genannt ist. Jedoch vermag die Schlussfolgerung für eine Sperrwirkung des Art. 4 Abs. 1 RL für Statusentscheidung über den Zugang zu und die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen nicht zu überzeugen. In Art. 6 Abs. 1 a), b) und c) RL werden gerade auch für Differenzierungen wegen des Alters beim Zugang zu und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen speziellere Regelungen zu Art. 4 Abs. 1 RL getroffen, bei denen das Alter keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung sein muss. Diese Regelungen im Richtlinientext selbst haben Vorrang gegenüber den Erwägungsgründen.39 Den widersprechenden Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL versucht BT-Drucks. 16 / 1780, S. 35. Hahn, Altersdiskriminierung, S. 125; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 101 f., 111. 38 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 102. 39 Zur Funktion von Erwägungsgründen: Hahn, Altersdiskriminierung, S. 133 f.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 363 ff.; Schmidt / Senne, RdA 2002, 84 f.; EuGH v. 7. 7. 1981 – Rs. 158 / 80 (Rewe Handelsgesellschaft), Slg. 1981, 1805 ff. Rz. 25 f.; EuGH v. 13. 7. 1989 – Rs. 215 / 88 (CASA Fleischhandel), Slg. 1989, 2789 ff., Rz. 31; allgemein: Anweiler, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 253 ff. 36 37

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Sprenger dadurch zu versöhnen, dass er eine Rechtfertigung von Statusentscheidungen nur dann „privilegiert“ durch Art. 6 Abs. 1 RL zulassen möchte, wenn damit „beschäftigungs- und bildungspolitische Zielsetzungen der Mitgliedstaaten“ verfolgt werden.40 Dabei bleibt zum einen unklar, warum nicht auch die in Art. 6 Abs. 1 RL ebenfalls genannten Ziele aus dem Bereich des Arbeitsmarktes dieses Privileg genießen sollen. Darüber hinaus überzeugt dieser Ansatz nicht, weil Art. 6 Abs. 1 RL besagte Ziele ausdrücklich nicht abschließend formuliert („insbesondere“). Der Sperrwirkung des allgemeinen Art. 4 Abs. 1 RL gegenüber dem altersspezifischen Rechtfertigungsgrund des Art. 6 Abs. 1 RL bei Statusentscheidungen stehen damit die Systematik der Rechtfertigungsgründe sowie der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL entgegen. Auf der anderen Seite wird vertreten, dass § 10 AGG eine Spezialregelung gegenüber § 8 Abs. 1 AGG darstellt und damit „ausschließlicher Prüfungsmaßstab für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters [ist], da die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung weniger streng sind.“41 Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als dass § 10 AGG einen besonderen Rechtfertigungsgrund für das Merkmal Alter normiert, dessen Anforderungen weniger streng sind als die des § 8 Abs. 1 AGG. Einem Ausschluss der Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG im Bereich der Altersdiskriminierung steht aber schon der Wortlaut des § 10 Satz 1 AGG entgegen, nach dem die Rechtfertigung gemäß dieser Norm „ungeachtet des § 8“ möglich ist. Auch § 8 Abs. 1 AGG bezieht sich dem Wortlaut nach ohne Beschränkungen auf die in § 1 AGG genannten Gründe. Die Wortlautgrenze steht damit dem gänzlichen Ausschluss der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 1 AGG im Bereich der Altersdiskriminierung entgegen. Die Rechtfertigungsgründe des § 10 AGG und § 8 Abs. 1 AGG sind damit tatbestandlich nebeneinander anzuwenden.42 Dies bedeutet aber, dass für Ungleichbehandlungen wegen des Alters faktisch nur der Maßstab des § 10 AGG relevant werSprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 115. Nollert-Borasio / Perreng, AGG, § 10 Rn. 2. Auch Zöllner erwägt ein solches Spezialitätsverhältnis bereits zwischen Art. 6 Abs. 1 RL und Art. 4 RL: „Man könnte daher Art. 6 als eine für die Altersdiskriminierung getroffene Sonderregelung qualifizieren, mit der Folge, dass die Anwendung von Art. 4 auf die Altersdiskriminierung ausgeschlossen wäre.“ Zöllner, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 531. Ähnlich Boecken, NZS 2005, 395, Fn. 31. 42 Ebenso Adomeit / Mohr, AGG, § 10 Rn. 7; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 13; Falke-Rust / Falke, AGG, § 8 Rn. 32; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 3; Roetteken, AGG, § 10 Rn. 37 f.; Palandt-Weidenkaff, AGG, § 10 Rn. 1; Wendeling-SchröderWendeling-Schröder / Stein, AGG, § 10 Rn. 4; ähnlich auch Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 2, § 10 Rn. 17: „Hat der nationale Gesetzgeber keinen im Rahmen des § 10 wirksamen Rechtfertigungsgrund geschaffen, kann die diskriminierende Maßnahme oder Regelung durchaus nach den anderen genannten Tatbeständen gerechtfertigt sein.“ Diese Aussage lässt jedoch einiges im Unklaren: Zum einen hat der deutsche Gesetzgeber mit § 10 AGG einen wirksamen (und recht weiten) Rechtfertigungsgrund geschaffen. Zum anderen sind keine Ungleichbehandlungen wegen des Alters vorstellbar, in denen zwar die Anforderungen des § 10 AGG verfehlt werden, jedoch die von § 8 Abs. 1 AGG vorliegen. 40 41

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den wird, da dessen Voraussetzungen wesentlich geringer sind als die des § 8 Abs. 1 AGG.43 Denn eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“, die angemessen im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG ist, stellt stets auch eine unterschiedliche Behandlung dar, die im Sinne von § 10 AGG objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.44 Des Weiteren sind die Hauptanwendungsfälle einer etwaigen Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG wegen des Alters als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung bereits in den Regelbeispielen des § 10 Satz 3 Nr. 2 und 3 AGG ausdrücklich erwähnt.45 § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG benennt mit den „Mindestanforderungen an das Alter“ für den Zugang zur Beschäftigung einen Aspekt, der sonst unter § 8 Abs. 1 AGG geprüft werden würde. In § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG ist die „Festsetzung eines Höchstalters bei der Einstellung“ speziell zu § 8 Abs. 1 AGG geregelt. Der Fall des Ausscheidens aus einem Arbeitsverhältnis aufgrund einer vereinbarten Altershöchstgrenze für eine bestimmte Tätigkeit ist von § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG erfasst. Schließlich können solche Fälle, die in den Regelbeispielen nicht ausdrücklich benannt werden, noch unter die Generalklausel des § 10 Satz 1 AGG fallen. Erste Urteile zur Benachteiligung wegen des Alters bestätigen diese Einschätzung. So prüfte beispielsweise das OVG Lüneburg die Vereinbarkeit der Altersgrenze von 68 Jahren für flugmedizinische Sachverständige gemäß § 24e Abs. 6 Satz 2 LuftVZO mit dem AGG und der RL 2000 / 78 / EG nicht am Rechtfertigungsmaßstab des § 8 Abs. 1 AGG: „Ob diese Differenzierung aufgrund des Alters bereits gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000 / 78 / EG und § 8 Abs. 1 AGG zulässig ist, kann dahinstehen. Sie ist jedenfalls [ . . . ] gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000 / 78 / EG und § 10 Abs. 1 AGG objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt.“46 Das ArbG Frankfurt, bestätigt durch das LAG Hessen, sah in einer tarifvertraglichen Pensionsgrenze von 60 Jahren für Piloten keinen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, weil diese nach Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG gerechtfertigt sei, ohne dass Art. 4 Abs. 1 RL bzw. § 8 Abs. 1 AGG Erwähnung fand.47 Auch das BAG stellte in einem obiter dictum fest, 43 So auch Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 37 (Der Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG spiele wegen der Sonderregelung in § 10 AGG hinsichtlich der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters nur eine untergeordnete Rolle.); MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 30; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 347 (Der Maßstab des § 8 Abs. 1 AGG sei für das Merkmal Alter nicht relevant, da „§ 10 speziell für das Alter großzügiger in der Unterscheidung ist.“); Voggenreiter, in: Rudolf / Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, S. 338 (praktische Bedeutung des § 8 Abs. 1 AGG für das Merkmal Alter vernachlässigenswert); Worzalla, AGG, S. 101 („Für die Anwendugn des § 8 Abs. 1 AGG ist im Hinblick auf die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG jedoch praktisch kein Raum.“). 44 Worzalla, AGG, 101, S. 110. 45 Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 13. 46 OVG Lüneburg v. 13. 9. 2006, 12 ME 275 / 06, BeckRS 2006 26348. 47 ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 03. 2007, BB 2007, 1738 (Anm. von Hoff); LAG Hessen v. 15. 10. 2007, 17 Sa 809 / 07.

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dass eine derartige Pensionsgrenze mit der RL 2000 / 78 / EG vereinbar sei, da sie nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL zulässig sei. Dabei ging das Gericht nicht auf ein etwaiges Vorliegen einer wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung nach Art. 4 Abs. 1 RL ein.48 Andererseits prüft aber das LSG Hessen49 in seinem Urteil vom 15. 3. 2006 sowohl eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 RL als auch nach Art. 4 Abs. 1 RL. Im Ergebnis bedarf es damit in der Praxis keines Rückgriffs auf § 8 Abs. 1 AGG zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Zwar erfasst § 8 Abs. 1 AGG ausdrücklich auch das Merkmal Alter, jedoch verbleibt für § 8 Abs. 1 AGG neben § 10 AGG kein eigenständiger Anwendungsbereich. Dogmatisch vorzugswürdig wäre es gewesen, das Merkmal Alter gar nicht erst in § 8 Abs. 1 AGG einzubeziehen, sondern § 10 AGG als alleinigen Rechtfertigungsgrund für das Alter zu normieren.50 Damit wäre auch von vornherein klar gewesen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters einem geringeren Rechtfertigungszwang ausgesetzt sind, als Differenzierungen wegen der anderen Merkmale des § 1 AGG. So wie das AGG Gesetz geworden ist, besteht zwar wegen der umfangreicheren Rechtfertigungsmöglichkeiten des § 10 AGG ein niedrigeres Schutzniveau hinsichtlich des Merkmals Alter. Der pauschale Verweis auf die Gründe des § 1 AGG in § 8 Abs. 1 AGG suggeriert aber eine Gleichbehandlung der verschiedenen Diskriminierungsmerkmale, die weder in der RL 2000 / 78 / EG angelegt war, noch im AGG umgesetzt wurde. Dies führt zu Unsicherheiten beim Rechtsanwender, weil verschleiert wird, dass die in der Rechtsprechung zur unmittelbaren Diskriminierung nach § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und Art. 2 Abs. 2 a.F. Richtlinie 76 / 207 / EWG entwickelten Maßstäbe gerade nicht für Benachteiligungen wegen des Alters zu übernehmen sind.51

III. Positive Maßname gemäß § 5 AGG Gemäß § 5 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung in Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 RL zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.52 Damit handelt es sich um einen Rechtfertigungsgrund BAG v. 21. 7. 2004, EzA Nr. 5 zu § 620 BGB Altersgrenze, 12 f. LSG Hessen v. 15. 3. 2006, L 4 KA 32 / 05, BeckRS 2006 44320. 50 So etwa in den Niederlanden Art. 7(1)(c) Wet gelijke behandeling op grond van leeftijd bij de arbeid (WGBL). Vgl. hierzu Asscher-Vonk / Schlachter, RIW 2005, 505 f. 51 Zahlreiche Stimmen in der Literatur nehmen aber dort Anleihen oder übernehmen die zu Geschlechterdiskriminierung entwickelte Maßstäbe unkritisch auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Vgl. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 24 ff.; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 113 ff.; König, ZESAR 2005, 220; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 81 ff.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 359 f.; ErfKSchlachter, AGG, § 8 Rn. 3; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 104 ff. 48 49

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für Ungleichbehandlungen, der aufgrund seiner Stellung im allgemeinen Teil des AGG sowohl auf das arbeitsrechtliche Verbot der Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG als auch auf das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gemäß § 19 Abs. 1 und 2 AGG anwendbar ist.53 Der Rechtsgedanke hinter § 5 AGG findet seinen Ursprung in der im U.S.-amerikanischen Recht der Rassen- und Geschlechterdiskriminierung anerkannten affirmative action,54 wobei eine Verpflichtung zur Förderung älterer Menschen unter dem ADEA gerade nicht besteht.55 Dennoch vorgenommene Förderungsmaßnahmen Älterer durch Arbeitgeber (reverse age discrimination) sind aufgrund der Begrenzung des Schutzbereichs des ADEA auf Person über 40 Jahren aber auch keine Verletzung des Verbots der Altersdiskriminierung unter dem ADEA.56 Teilweise wird die positive Maßnahme gemäß § 5 AGG als speziell gegenüber dem Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG angesehen. Differenzierungen, die schon zu den positiven Maßnahmen zählen, seien gar nicht erst unter den Anwendungsbereich des § 10 AGG zu fassen.57 Diese Ansicht ist aber abzulehnen. Bereits aus dem Wortlaut des § 5 AGG („ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 sowie in § 20 genannten Gründe“) ergibt sich, dass positive Maßnahmen wegen des Alters auch nach § 10 AGG gerechtfertigt sein können. Dazu führt die Gesetzesbegründung zu § 5 AGG aus: „Die Vorschrift erklärt eine Ungleichbehandlung über die in den §§ 8 bis 10 sowie § 20 genannten Fällen hinaus für zulässig, wenn dadurch bestehende Nachteile tatsächlicher oder struktureller Art wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.“58 Gegen eine Spezialität des § 5 AGG gegenüber § 10 AGG für Ungleichbehandlungen wegen des Alters spricht auch, dass verschiedene Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG Rechtfertigungen für Vorteile, die an das Alter anknüpfen, vorsehen. So werden einige nach dem Alter differenzierte Gewährungen von Vorteilen in § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG ausdrücklich geregelt. In § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist ein Rechtfertigungsgrund zum Schutz von Jugendlichen, Personen mit Fürsorgeverpflichtungen und Älteren oder zur Förderung ihrer beruflichen Eingliederung explizit normiert.59 Schließlich 52 Zur Kritik am verfehlten Wortlaut dieser Norm: Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 390 („Wie können bestehende Nachteile, sind sie denn bereits existent, noch verhindert werden?“). 53 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 5 Rn. 1; Palandt-Heinrichs, AGG, § 5 Rn. 1 ff.; MüKo-Thüsing, AGG, § 5 Rn. 1, § 20 Rn. 4; Wüst, AGG, S. 66 f. 54 Ausführlich: Lindemann / Grossman, Employment Discrimination Law, Chapter 27, S. 1035 ff.; Sowell, Affirmative Action around the World; in der deutschen Literatur: Empt, DÖV 2004, 239 ff. 55 Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 84 f. 56 General Dynamics Land System, Inc. v. Cline, 540 U.S. 581, 600 (2004). Vgl. bereits im 4. Kapitel, unter E. 57 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 13; ebenso zu Art. 7 Abs. 1 RL, Bauer / Krieger, BB-Spezial 6 / 2004, 21; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 123. 58 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 33 f. (Hervorhebung durch den Verfasser).

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sieht auch § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG vor, dass wesentlich vom Alter abhängende Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters bei Abfindungsregeln in Sozialplänen berücksichtigt werden können. Diese Regelbeispiele erfassen „positive Maßnahmen“ für bestimmte Altersgruppen und sind im Vergleich zu § 5 AGG die für das Alter speziellere Regelung. Schließlich spricht für die Überprüfung von Bevorzugungen wegen des Alters an § 10 AGG, dass auf diese Weise mehr Spielraum für Förderungsmaßnahmen, die an das Lebensalter anknüpfen, entsteht.60 Dies ist nur konsequent: Wenn die an das Alter anknüpfenden nachteiligen Behandlungen gemäß § 10 AGG eine niedrigere Rechtfertigungshürde haben als andere Merkmale des § 1 AGG, so gilt dies auch für die Gewährung von Vorteilen nach dem Lebensalter. Denn dies sind zwei Seiten derselben Medaille. Vielmehr könnte parallel zum Verhältnis zwischen § 8 Abs. 1 AGG und § 10 AGG angenommen werden, dass die Rechtfertigungsgründe in § 5 AGG und § 10 AGG nebeneinander anwendbar sind.61 § 5 AGG wäre dann ein Auffangtatbestand für positive Maßnahmen, die von den §§ 8 bis 10 und 20 AGG nicht erfasst werden.62 Dieser Ansicht folgend wäre § 5 AGG, wie schon § 8 Abs. 1 AGG, zwar neben § 10 AGG auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters grundsätzlich anwendbar, jedoch faktisch ohne eigene Anwendungsfälle.63 Denn jede Bevorteilung einer Altersgruppe ist gleichzeitig eine Benachteiligung anderer Altersgruppen, die zur Erreichung eines legitimen Ziels bereits gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig ist, soweit sie dazu ein verhältnismäßiges Mittel darstellt. Diese Anforderungen des § 10 AGG sind weniger streng als die des § 5 AGG. Denn beide Tatbestände rechtfertigen nur verhältnismäßige Ungleichbehandlungen. Jedoch begrenzt § 5 AGG den weiten Kreis der möglichen legitimen Ziele des § 10 Satz 1 AGG auf das Ziel der Verhinderung und des Ausgleichs bestehender Nachteile. Auf der anderen Seite ist aber das spezielle Ziel der positiven Maßnahmen nach § 5 AGG immer auch legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Hinzu kommen bei § 5 AGG noch besondere Anforderungen an das tatsächliche Bestehen von Nachteilen64 oder teilweise geforderte Hürden wie ein „funktionaler Nexus zwi59 Ähnlich Nollert-Borasio / Perreng, AGG, § 10 Rn. 9, die in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG eine Spezialregelung zu § 5 AGG sehen. 60 So auch zum Verhältnis zwischen Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 RL, Hahn, Altersdiskriminierung, S. 140. 61 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 5 Rn. 1, 4; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 2; Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 51; Worzalla, AGG, S. 73; bereits zum Verhältnis zwischen Art. 7 Abs. 1 RL und Art. 6 Abs. 1 RL: Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 26 f.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 124. 62 Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 10, 51; Worzalla, AGG, S. 73. 63 So auch Adomeit / Mohr, AGG, § 10 Rn. 9. 64 Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 19 ff.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 366, die „spezifische Fördermaßnahmen“ verlangt, die „gezielt einer besonders benachteiligten Gruppe zugute komm[en].“

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände

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schen positiver Maßnahme und der faktischen Benachteiligung.“ 65 Solches schreibt der weiter gefasste § 10 AGG nicht vor. Daher ist jede Differenzierung, die den Tatbestand des § 5 AGG erfüllen könnte, bereits durch § 10 AGG gerechtfertigt, was § 5 AGG im Bereich der Altersdiskriminierung eines eigenständigen Anwendungsbereichs beraubt.66 Diese Konstruktion des Nebeneinanders der Rechtfertigungsgründe von § 10 AGG und § 5 AGG, wobei letzterer ohne Anwendungsfälle bleibt, ist jedoch im Gegensatz zum Verhältnis zwischen den §§ 8 Abs. 1 und 10 AGG nicht erforderlich. Denn zum einen schreibt der Wortlaut des AGG die Anwendbarkeit des § 5 AGG auf Benachteiligungen wegen des Alters anders als bei § 8 Abs. 1 AGG gar nicht ausdrücklich vor. § 5 AGG weicht im Wortlaut von den §§ 8 bis 10 AGG ab: Nicht unterschiedliche Behandlungen „wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes“ können dort gerechtfertigt werden, sondern unterschiedliche Behandlungen allgemein. Nur hinsichtlich der bestehenden Nachteile, die ausgeglichen oder verhindert werden sollen, wird an die Gründe des § 1 AGG angeknüpft. Dass eine unterschiedliche Behandlung zum Ausgleich bestehender Nachteile überhaupt an einen Grund aus § 1 AGG anknüpfen muss, fordert § 5 AGG nicht. Zwar wird etwa der Ausgleich bestehender Nachteile von Frauen oftmals eine durch eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts zulasten von Männern erreicht werden, dies muss aber nicht zwingend so sein.67 Zum anderen greift der besondere Rechtfertigungsgrund wegen des Alters in § 10 AGG ausdrücklich nur „ungeachtet des § 8“ und nicht auch ungeachtet des § 5 AGG. Eine Anwendbarkeit des § 5 AGG neben dem für Ungleichbehandlungen wegen des Alters besonderen Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG ist somit nicht gefordert. Somit besteht die Hürde der Wortlautgrenze im Verhältnis zwischen § 5 und § 10 AGG erst gar nicht. Im Verhältnis zwischen § 5 und § 10 AGG ist daher anders als zwischen § 8 und § 10 AGG vom gänzlichen Ausschluss des § 5 AGG im Anwendungsbereich des § 10 AGG und nicht von einem Nebeneinander der beiden Rechtfertigungsgründe auszugehen. Im Ergebnis besteht aber kein Unterschied zur zweiten Ansicht, nach der es neben § 10 AGG faktisch auch zu keiner Anwendung des § 5 AGG auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters kommen kann.

65 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 400; MüKo-Thüsing, AGG, § 5 Rn. 12. 66 Vgl. auch Worzalla, AGG, S. 74. „Nur wenig Raum“ für die Anwenbarkeit von Art. 7 Abs. 1 RL neben Art. 6 Abs. 1 RL sehen Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 19. 67 Auch Thüsing weist darauf hin, dass gemäß § 5 AGG auch Ungleichbehandlungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zum Ausgleich bestehender Nachteile wegen eines anderen dort genannten Grundes gerechtfertigt sein können. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 401 f.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

IV. Tatbestandsausschluss des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG Mittelbare Benachteiligungen sind gemäß § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG schon tatbestandlich ausgeschlossen, wenn sie „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel [ . . . ] zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“ sind.68 Für unmittelbare Benachteiligungen wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG ist hingegen auf der Ebene der Rechtfertigung nach § 10 AGG zu prüfen, ob sie zulässig sein können. Im Verhältnis der Rechtfertigung von Altersdiskriminierungen nach § 10 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG stellen sich vor allem zwei Fragen: Erstens ist zu klären, ob die Anforderungen an eine zulässige ungleiche Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und 2 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG identisch sind, obwohl der Wortlaut der Normen leicht voneinander abweicht. Zweitens ist zu fragen, ob § 10 AGG oder jedenfalls die Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG auch auf mittelbare Benachteiligungen anwendbar sind oder ob für diese Fälle allein der Tatbestandsausschluss des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG greift.

1. Identischer Prüfungsmaßstab für § 10 Satz 1 und 2 AGG sowie § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG Zunächst ist fraglich, wie sich der Prüfungsmaßstab des § 10 Satz 1 und 2 AGG zu dem des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG verhält. Teilweise wird ohne weitere Ausführungen oder eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut dieser Normen ein unterschiedlicher Maßstab gefordert: „Die Rechtfertigungsschwelle liegt bei § 3 Abs. 2 deutlich niedriger als bei den allgemeinen und besonderen Rechtfertigungsgründen des AGG. Ist die Ungleichbehandlung nicht nach § 3 Abs. 2 sachlich gerechtfertigt, kommt daher auch keine Rechtfertigung nach den §§ 8 bis 10 sowie § 20 in Betracht.“69 Nach anderer Ansicht weicht zwar der Wortlaut von § 3 Abs. 2 AGG geringfügig von dem des § 10 Satz 1 und 2 AGG ab, an die rechtmäßigen bzw. legitimen Ziele im Sinne dieser Normen sind jedoch dieselben Anforderungen zu stellen. Der Rechtfertigungsmaßstab von unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligungen wegen des Alters gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG sowie nach § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG sei damit identisch.70 68 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 33; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 31; Palandt-Heinrichs, AGG, § 3 Rn. 3; ErfK-Schlachter, AGG, § 3 Rn. 8; Schrader / Schubert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 3 Rn. 52 („negatives Tatbestandsmerkmal“). 69 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 32. 70 Adomeit / Mohr, AGG, § 10 Rn. 8; Nollert-Borasio / Perreng, AGG, § 10 Rn. 5; MüKoThüsing, AGG, § 3 Rn. 45, § 10 Rn. 10; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 468, Rn. 271: („Der Rechtfertigungsmaßstab nach § 3 Abs. 2 AGG und § 10 AGG ist damit trotz leicht unterschiedlicher Wortwahl identisch.“); Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt,

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Ein Blick auf den Wortlaut der betreffenden Normen verdeutlicht diesen Standpunkt: Nach § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG sind Vorschriften, Kriterien oder Verfahren keine mittelbaren Benachteiligungen, soweit sie „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel [ . . . ] zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“ sind. Eine unmittelbar an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung ist im Vergleich dazu nach § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig, „wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.“71 Übereinstimmend wird damit eine verhältnismäßige Zweck-Mittel-Relation gefordert. Dabei soll der Zweck ein rechtmäßiges Ziel bzw. ein legitimes Ziel darstellen. In § 10 Satz 1 AGG wird zusätzlich gefordert, dass die Ungleichbehandlung auch „objektiv und angemessen“ sein soll, was wörtlich aus der deutschen Fassung der RL 2000 / 78 / EG übernommen wurde. Diese beiden Abweichungen im deutschen Wortlaut relativieren sich aber, wenn man die englische und französische Fassung der RL 2000 / 78 / EG heranzieht. Im Englischen lautet die Formulierung „objectively justified by a legitimate aim“ (Art. 2 Abs. 2 (b) RL) bzw. „objectively and reasonably justified by a legitimate aim“ (Art. 6 Abs. 1 RL). Der französische Wortlaut der Normen ist „objectivement justifié par un objectif légitime“ (Art. 2 Abs. 2 (b) RL) bzw. „objectivement et reasonnablement justifiées [ . . . ] par un objectif légitime“ (Art. 6 Abs. 1 RL). Das in der deutschen Fassung recht-

AGG, § 10 Rn. 12; Waltermann, NZA 2005, 1266. Ebenso Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 128 ff., der bei Art. 2 Abs. 2 b) Nr. i und Art. 6 Abs. 1 RL von einem „Einheitstatbestand“ mit identischem Anwendungsbereich und identischen Anforderungen. Das gleiche gelte für § 3 Abs. 2 AGG und § 10 AGG, vgl. ders., S. 168. Bereits zu Art. 2 Abs. 2 b) Nr. i) und Art. 6 Abs. 1 RL, Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 26; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 276; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 367; Schmidt, KritV 2004, 249; Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 60 f.; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1238; Zierold, Diskriminierungsverbote im Entgeltbereich, S. 199, Fn. 897; wohl auch Hahn, Altersdiskriminierung, S. 122, der die Anlehnung des Art. 6 Abs. 1 RL an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der mittelbaren Diskriminierung betont. Für sogar höhere Anforderungen an die Zulässigkeit mittelbarer Benachteiligungen gemäß Art. 2 Abs. 2 RL im Vergleich zu unmittelbaren Benachteiligung gemäß Art. 6 Abs. 1 RL, Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 48. 71 Dem liegen folgende Formulierungen der RL 2000 / 78 / EG zugrunde: Art. 2 Abs. 2 RL: „Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, [ . . . ] es sei denn: diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.“ Art. 6 Abs. 1 RL: „Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.“

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mäßige bzw. legitime Ziel wird in diesen Sprachen daher gleichlautend formuliert. Auch muss die Ungleichbehandlung in beiden Fällen „objektiv“ sein. Lediglich in Art. 6 Abs. 1 RL findet sich der Zusatz „reasonably“ bzw. „reasonnablement“, was zwar als „angemessen“ ins Deutsche übersetzt wurde, jedoch eher „vernünftig“ bedeutet.72 Dem Wort „angemessen“ kommt aber im § 10 Satz 1 AGG kein eigenständiger Bedeutungsgehalt zu.73 Erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist die Angemessenheit der Zweck-Mittel-Relation zu prüfen. Jedenfalls rechtfertigt diese geringfügige Abweichung des Wortlauts der beiden Normen nicht die Annahme unterschiedlicher Anforderungen an eine Rechtfertigung von unmittelbaren und mittelbaren Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Somit zeigt die Analyse des Wortlauts, dass die Rechtfertigungsschwelle in § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG und § 10 Satz 1 und 2 AGG identisch sind. Weiterhin geht der Vorschlag der Kommission zur RL 2000 / 78 / EG ebenfalls davon aus, dass die bestehenden Präzedenzfälle zur mittelbaren Diskriminierung analog auf die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters anzuwenden sind. Mit der Regelung des Art. 6 Abs. 1 RL „soll zum einen die Möglichkeit der Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung auf ganz bestimmte das Alter betreffende Ausnahmefälle beschränkt werden, zum anderen soll sichergestellt sein, dass diese begrenzte Zahl von Ausnahmen den vom Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Begriff der mittelbaren Diskriminierung festgelegten Grundsätzen der Erforderlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Legitimität genügen.“74 Auch sind die Unterschiede in der Rechtfertigung von unmittelbaren und mittelbaren Verstößen gegen Diskriminierungsverbote, wie sie im Bereich der Diskriminierung wegen des Geschlechts praktiziert werden, keineswegs die Norm im Europarecht. In anderen Bereichen, wie der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EG oder der Freizügigkeit nach Art. 39 EG, wird der gleiche Maßstab an die Rechtfertigung unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung angelegt.75 Somit ist der Maßstab einer zulässigen Ungleichbehandlung nach § 10 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG identisch. Auf die Rechtsprechung des EuGH zur mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts kann mithin bei der Auslegung des § 10 Satz 1 und 2 AGG zurückgegriffen werden.76 Auch andere EUMitgliedsstaaten haben die Anforderungen an die Zulässigkeit unmittelbarer und 72 Als „angemessen“ werden in Art. 2 Abs. 2 RL und Art. 6 Abs. 1 RL die Begriffe „appropriate“ bzw. „approprié“ übersetzt. 73 So auch Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 21: „Dem Begriff ,angemessen‘ (,appropriate‘) kommt daneben kein eigener auslegungsbedürftiger Wert zu. Es handelt sich dabei um eine Worthülse aus dem englischen Text der Richtlinie 2000 / 78 / EG.“; dazu auch im 6. Kapitel, unter B. II. 1. 74 Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM (1999)565 endg., 12; dazu auch MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 10. 75 Vgl. Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 60 f. 76 Hierzu auch Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 60 f.

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mittelbarer unterschiedlicher Behandlungen wegen des Alters gleich ausgestaltet. Das niederländische Wet gelijke behandeling op grond van leeftijd bij de arbeid (WGBL), das Altersdiskriminierung im Arbeitsverhältnis verbietet, verzichtet aus diesem Grund in Art. 1 gänzlich auf die Differenzierung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung, weshalb der Rechtfertigungsgrund des Art. 7 (1)(c) WGBL auch für beide Fälle unterschiedslos greift.77 Auch die Employment Equality (Age) Regulations 2006 in Großbritannien sehen vor, dass sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters bereits tatbestandlich ausgeschlossen ist, soweit der Nachweis erbracht wird, dass sie ein angemessenes Mittel zur Erreichung eines legitimen Ziels ist.78 Letztere Ausgestaltung wurde auch in Frankreich mit Art. L 122-45-3 Code du Travail gewählt.79

2. Anwendbarkeit des § 10 AGG auf mittelbare Benachteiligungen Aufgrund des identischen Prüfungsmaßstabs von § 10 Satz 1 und 2 AGG sowie § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG verliert die Frage nach der Anwendbarkeit des § 10 AGG auch auf mittelbare Benachteiligungen einen Teil ihrer Bedeutung. Gleichwohl ist sie für die Rechtsanwendung des AGG nicht gänzlich bedeutungslos, da nur bei Anwendbarkeit des § 10 AGG auf mittelbare Benachteiligungen auch die Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG herangezogen werden können, um die Zulässigkeit einer mittelbar an das Alter anknüpfenden unterschiedlichen Behandlung zu prüfen. Des Weiteren ist das Verhältnis von § 10 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG zu klären, da erstere Regelung als Rechtfertigungstatbestand ausgestaltet ist, während zweitere einen Tatbestandsausschluss darstellt. Nach einer Ansicht ist Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG nicht auf mittelbare Benachteiligungen wegen des Alters anwendbar.80 Zur Begründung wird auf den 77 Vgl. hierzu Asscher-Vonk / Schlachter, RIW 2005, 504; Gijzen, Country Report on Measures Combatting Discrimination – The Netherlands, S. 15 ff. 78 Vgl. Regulation 3: Discrimination on grounds of age: „(1) For the purposes of these Regulations, a person („A“) discriminates against another person („B“) if (a) on grounds of B’s age, A treats B less favourably than he treats or would treat other persons, or (b) A applies to B a provision, criterion or practice which he applies or would apply equally to persons not of the same age group as B, but – (i) which puts or would put persons of the same age group as B at a particular disadvantage when compared with other persons, and (ii) which puts B at that disadvantage, and A cannot show the treatment or, as the case may be, provision, criterion or practice to be a proportionate means of achieving a legitimate aim.“ Vgl. dazu Cheetham, Age Discrimination, 18 ff.; Swift, 35 Ind. L. J. 228, 233; Sargeant, 35 Ind. L. J. 209, 219 f. 79 Vgl. zum Wortlaut der Norm im 6. Kapitel, Fn. 10.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verwiesen,81 in dem die Kommission zu Art. 5, dem Vorläufer des Art. 6 Abs. 1 RL, ausführt, dass danach eine „unmittelbare Diskriminierung“ gerechtfertigt werden kann.82 Dabei wird jedoch übersehen, dass die in Art. 5 des Vorschlags noch vorgesehene, auf unmittelbare Diskriminierungen beschränkte Formulierung83 gerade in Art. 6 Abs. 1 RL nicht übernommen wurde. Damit dürfte der Hinweis der Kommission für die geltende Richtlinie an Bedeutung verloren haben. Vielmehr sind Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 AGG auch auf mittelbare Benachteiligungen wegen des Alters anwendbar.84 Davon ging wohl auch der deutsche Gesetzgeber aus, wenn er in der Gesetzesbegründung zum AGG formuliert, dass es neben dem Tatbestandsausschluss des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG für mittelbare Benachteiligungen, auf die weiteren speziellen Rechtfertigungsgründe, die das Gesetz in den §§ 5, 8 bis 10 AGG sowie § 20 AGG vorsehe, „regelmäßig“ nicht mehr ankäme.85 Gestützt wird diese Ansicht durch den Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL und des § 10 AGG. Beide Normen stellen in Art. 6 Abs. 1 b) RL bzw. § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG explizit auf Differenzierungen anhand der „Berufserfahrung“ oder des „Dienstalters“ ab, womit mittelbare Benachteiligungen wegen des Alters ausdrücklich erfasst sind. Auch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG stellt auf nach der „Betriebsgehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelungen“ ab, was einen Verweis auf mittelbare Benachteiligungen darstellt. Schließlich ist die Festlegung besonderer Bedingungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung von Personen mit Fürsorgepflichten gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG regelmäßig nur mittelbar mit dem Lebensalter verknüpft. Neben diesen Hinweisen im Wortlaut der Normen ist es auch sinnvoll, die Richtungsweisung, die der Gesetzgeber durch Ausformulierung der Regelbeispiele in § 10 Satz 3 AGG vorgenommen hat, ebenfalls für die Prüfung der Zulässigkeit mittelbarer unterschiedlicher Behandlung wegen des Alters nutzbar zu machen. Dogmatisch wirft die Anwendbarkeit des Tatbestandsausschlusses nach § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG neben dem Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG einige Probleme auf. Wegen des gleichen Prüfungsmaßstabs der beiden Normen kommt Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 17, 23; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 122. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 23; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 122, Fn. 533. 82 KOM(1999)565, endg., S. 13. 83 Art. 5 a.F. lautete: „Abweichend von den Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) stellen insbesondere die nachstehenden Ungleichbehandlungen keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters dar, sofern sie durch ein legitimes Ziel objektiv gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind“ Vgl. KOM(1999)565, endg., S. 22 (Hervorhebung durch den Autor). 84 Bertelsmann-Rust / Falke, AGG, § 10 Rn. 23 f.; So auch zu Art. 6 Abs. 1 RL, Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 46. 85 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 33. 80 81

A. Systematik der Rechtfertigungstatbestände

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es bei sauberer Trennung zwischen der Tatbestands- und Rechtfertigungsebene bei mittelbaren Benachteiligungen nicht zu einer Prüfung nach § 10 AGG. Jedoch ist eine derart klare Trennung weder in der RL 2000 / 78 / EG angelegt, noch im AGG umgesetzt worden. Dies zeigt schon die Vermischung unmittelbarer und mittelbarer Ungleichbehandlungen in den Beispielen nach Art. 6 Abs. 1 a) und b) RL und § 10 Satz 3 Nr. 1, 2 und 6 AGG. Plakativ ist dahingehend auch die Formulierung des Tatbestandsausschlusses selbst in Art. 2 Abs. 2 b) i) RL bzw. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG, nach denen bei Vorliegen der Voraussetzung eine Ungleichbehandlung „gerechtfertigt“ ist. Gangbar erscheint der Vorschlag von Sprenger, demzufolge Art. 2 Abs. 2 b) i) RL und Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG und § 10 AGG für mittelbare Ungleichbehandlungen wegen des Alters einen „Einheitstatbestand“ bilden.86 Die Vorschriften des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG und § 10 AGG finden damit auf mittelbare unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters stets kumulative Anwendung und werden auf der Ebene des Tatbestandes geprüft.

V. Ergebnis Im Ergebnis stellt sich die Systematik der Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach dem AGG wie folgt dar: Die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG umfasst die Ungleichbehandlung wegen beruflicher Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1 AGG vollständig, weshalb § 8 Abs. 1 AGG kein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt. Positive Maßnahmen gemäß § 5 AGG werden im Bereich der Altersdiskriminierung durch den spezielleren Rechtfertigungstatbestand des § 10 AGG verdrängt. Die Rechtfertigungsanforderungen nach § 10 AGG sind mit denen gemäß § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG identisch. Bei mittelbaren Ungleichbehandlungen wegen des Alters formen § 10 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG einen Einheitstatbestand, dessen Vorliegen eine mittelbare Benachteiligung bereits tatbestandlich ausschließt. Somit sind Ungleichbehandlungen wegen des Alters ausschließlich am Maßstab des § 10 AGG bzw. des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz i.V.m § 10 AGG zu überprüfen, auch wenn im Einzelfall zusätzlich die Voraussetzungen des § 5 oder § 8 Abs. 1 AGG erfüllt wären.87

86 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 128 ff., 167 f. Ähnlich auch PalandtHeinrichs, AGG, § 3 Rn. 3: „In diese Prüfung [des § 3 Abs. 2 AGG] sind die Rechtfertigungsgründe der §§ 8 – 10 und 20 mit einzubeziehen. Soweit diese die Differenzierung rechtfertigen, entfällt bereits der Tatbestand der mittelbaren Benachteiligung.“ Auch Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 60 f. 87 In der weiteren Bearbeitung wird die Rechtfertigung anhand von § 10 AGG erörtert, auch wenn im Einzelfall der Einheitstatbestand der §§ 10 AGG i. V. m. 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG einschlägig ist, da die Anforderungen an eine Rechtfertigung in diesen Fällen wie gezeigt die gleichen sind.

210

6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG Im Folgenden wird die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes „legitimes Ziel“ gemäß § 10 Satz 1 AGG sowie die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 10 Satz 2 AGG erörtert. Bisher ungeklärt war insbesondere die Frage, inwieweit ökonomische Erwägungen eine Unterscheidung rechtfertigen können.88 In diesem Abschnitt wird dargelegt, dass wirtschaftliche Erwägungen legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG sein können und dass diese, in Abwägung mit den anderen betroffenen Interessen im Rahmen der Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 10 Satz 2 AGG, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen können.

I. Frage der engen Auslegung von Rechtfertigungsgründen Teilweise wird gefordert, dass der Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG als Ausnahme zum Grundsatz des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 1 AGG eng auszulegen sei.89 Dies folge aus der Rechtsprechung des EuGH, nach der Ausnahmetatbestände von Diskriminierungsverboten stets eng ausgelegt würden.90 Andere fügen hinzu, dass eine weite Auslegung dem Zweck der RL 2000 / 78 / EG – der effektiven Bekämpfung der Altersdiskriminierung – zuwiderlaufen würde.91 Letzteres Argument ist ein Zirkelschluss: Nur wenn man die größtmögliche Vermeidung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters als Ziel der Richtlinie festlegt, würde eine weite Ausnahme deren Sinn widersprechen. Durch die Richtlinie sollen hinsichtlich von Ungleichbehandlungen wegen des Alters aber nur bestimmte, nämlich willkürliche oder sachwidrige Benachteiligungen verboten werden.92 Zulässige Unterscheidungen nach dem Alter dürfen nach Art. 6 Abs. 1 RL weiter getroffen werden. Erwägungsgrund 25 RL stellt dahingehend fest: „Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“93 Die „effektive Bekämpfung der AlThüsing, ZFA 2006, 246. Bertelsmann, ZESAR 2005, 243; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 1; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 90; Roetteken, AGG, § 10 Rn. 11 f. 90 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 1; Schiek, AuR 2006, 147. 91 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 90. 92 Vgl. dazu Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg., S. 29; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 144. 93 Der deutsche Gesetzgeber hat diese Unterscheidung mit der Differenzierung zwischen Diskriminierung und Benachteiligung aufgegriffen, BT-Drucks, 16 / 1780, S. 30: „Der 88 89

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

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tersdiskriminierung“ bedeutet damit nach der Richtlinienbegründung nur die Vermeidung und Verhinderung derjenigen Ungleichbehandlungen, die nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL gerechtfertigt werden können, und daher Diskriminierungen genannt werden. Diese Zielrichtung lässt somit keinerlei Schluss auf die Weite des Tatbestandes von Art. 6 Abs. 1 RL und dessen Auslegung zu. Vielmehr sind die sozialen, menschenrechtlichen und wirtschaftlichen Ziele der RL 2000 / 78 / EG im Bereich der Ungleichbehandlungen wegen des Alters im Rahmen der Abgrenzung zwischen zulässiger unterschiedlicher Behandlung und verbotener Diskriminierung nach Art. 6 Abs. 1 RL miteinander in Ausgleich zu bringen.94 Darin liegt kein Unterlaufen der Ziele der Richtlinie sondern deren Verwirklichung. Auch wird zur Herleitung des Erfordernisses einer engen Auslegung der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen auf den Vorschlag der Kommission zur RL 2000 / 78 / EG verwiesen. Dort führt die Kommission in Bezug auf Diskriminierungen wegen der Merkmale in Art. 1 Abs. 1 RL aus: „Das geltende Recht der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten geht davon aus, daß eine solche Ungleichbehandlung nur unter ganz besonderen, außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt sein kann.“95 Jedoch hat diese Aussage der Kommission keinen Einzug in die Erwägungsgründe der RL 2000 / 78 / EG gefunden. Dort erläutert Erwägungsgrund 25, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters „unter bestimmten Umständen“ gerechtfertigt sein können, ohne dass gefordert wird, dass diese Umstände „besonders“ oder „außergewöhnlich“ sein müssen. Weiterhin stand der Vorschlag der Kommission naturgemäß ganz am Anfang des Gesetzgebungsprozesses zur RL 2000 / 78 / EG. Besonders bezüglich des Verbots der Altersdiskriminierung folgten erhebliche Diskussionen, die zu Veränderungen am Rechtfertigungstatbestand und auch zur Einfügung des Erwägungsgrundes 25 führten, der im Vorschlag der Kommission noch nicht vorgesehen war.96 Das Fordern von „ganz besonderen, außergewöhnlichen Umständen“ zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen kann daher jedenfalls hinsichtlich des Merkmals Alter angesichts von Art. 6 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund 25 als überholt angesehen werden. Schwerer wiegt der Verweis der Verfechter einer engen Auslegung des § 10 AGG auf die Rechtsprechung des EuGH zum Gebot der engen Auslegung von Ausnahmen von einem in einer Richtlinie verankerten individuellen Recht.97 Die Gesetzentwurf spricht im Folgenden von ,Benachteiligung‘ und nicht von ,Diskriminierung‘, um deutlich zu machen, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminierenden Charakter hat. Unter ,Diskriminierung‘ nämlich wird schon im allgemeinen Sprachgebrauch nur die rechtswidrige, sozial verwerfliche Ungleichbehandlung verstanden. Es gibt indessen auch Fälle der zulässigen unterschiedlichen Behandlung; dies zeigen die §§ 5, 8 bis 10 und 20.“ 94 Zu diesen Zielsetzungen der RL 2000 / 78 / EG und des AGG ausführlich im 2. Kapitel, unter B. 95 Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg., S. 12. 96 Dazu Hahn, Altersdiskriminierung, S. 118 f.; Thüsing, ZfA 2001, 409; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1235.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

zitierten Entscheidungen ergingen zur Geschlechterdiskriminierung.98 Es galt die Ausnahmen des Art. 2 der RL 76 / 207 / EWG auszulegen. Auf Rechtfertigungen vom Verbot der Altersdiskriminierung nach Art. 6 Abs. 1 RL ist diese Rechtsprechung jedoch nicht zu übertragen, wie sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Normen zur Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG ergibt. Der Wortlaut der RL 2000 / 78 / EG sieht in Art. 6 Abs. 1 RL einen weiten Rechtfertigungstatbestand für Ungleichbehandlungen wegen des Alters vor. Erwägungsgrund 25 RL erläutert, wie gezeigt, die anhand von Art. 6 Abs. 1 RL zu lösende Gradwanderung zwischen erlaubten und verbotenen Unterscheidungen. Zwar besteht zwischen den einzelnen Diskriminierungsmerkmalen keine Rangordnung, wie die Europäische Kommission betont,99 jedoch zeigt der Wortlaut des speziellen Rechtfertigungsgrundes in Art. 6 Abs. 1 RL, dass unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters in einem weitaus größeren Rahmen zulässig sind, als das bei anderen Merkmalen der Fall ist.100 Dieser Rechtfertigungstatbestand stellt wegen seiner großen Weite ein „gemeinschaftsrechtliches Novum“ dar.101 In Art. 2 Abs. 2 RL 76 / 207 / EWG ist zwar ein dem allgemeinen Rechtfertigungsgrund gemäß Art. 4 Abs. 1 RL 2000 / 78 / EG vergleichbarer Rechtfertigungstatbestand vorgesehen. Einen weiten Rechtfertigungsgrund, wie in Art. 6 Abs. 1 RL, gibt es dort aber nicht. Die Übernahme der Maßstäbe, die die Rechtsprechung zu vom Wortlaut her erheblich engeren Rechtfertigungsgründen ermitteltet hat, ist aber abzulehnen. Weiterhin zeigt die Entstehungsgeschichte102 von Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 AGG, dass sich sowohl der europäische, als auch der deutsche Gesetzgeber bewusst für einen weiten Rechtfertigungstatbestand für Ungleichbehandlungen wegen des Alters entschieden hat. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht durch ein Postulat der engen Auslegung für den Rechtsanwender (teilweise) rückgängig gemacht werden. Bereits aus Sicht des Kommissionsvorschlags sollte 97 EuGH v. 15. 5. 1986 – Rs 222 / 84 (Johnston), Slg. 1986, 1651 ff., Rz. 36; EuGH v. 26. 10. 1999 – Rs. C-273 / 97 (Sirdar), Slg. 1999, I-7403 ff., Rz. 23; EuGH v. 11. 01. 2000 – Rs. C-285 / 98 (Tanja Kreil), Slg. 2000, I-69 ff., Rz. 20. 98 Teilweise wird das Erfordernis der engen Auslegung auch auf das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung übertragen. Vgl. ErfK-Rolfs, SGB IX, § 81 Rn. 7. 99 Beschluss des Rates v. 27. 11. 2000 über ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Diskriminierung, ABl. EG Nr. L-303 / 23, Erwägungsgrund 5. 100 Daher wurde das Verbot der Altersdiskriminierung teilweise als „Diskriminierungsschutz zweiter Klasse“ bezeichnet. Vgl. König, in: Gaitanides / Kadelbach / Rodriguez, Europa und sein Verfassung, S. 341 ff.; Schmidt / Senne, RdA 2002, 89; Schiek-Schiek, AGG, Einl AGG, Rn. 36; ähnlich bereits Waddington, 29 Ind. L. J. 176, 179. 101 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 115. 102 Zur Entstehungsgeschichte ausführlich: Hahn, Altersdiskriminierung, S. 118 f.; SchiekSchiek, AGG, Einl AGG Rn. 35 ff.; Stalder, Antidiskriminierungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft nach Art. 13 EG-Vertrag, S. 215 f.;Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1235.

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

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Art. 5 (später Art. 6) RL den Mitgliedstaaten gerade Flexibilität bei der Umsetzung geben.103 Die dann noch ausgeweiteten, umfassenden Rechtfertigungsmöglichkeiten des Art. 6 Abs. 1 RL sind das Produkt eines politischen Konsenses, ohne den die in Art. 13 EG geforderte Einstimmigkeit fraglich gewesen wäre.104 Wegen der mit dem Verbot der Altersdiskriminierung potentiell verbunden erheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Folgen wurde Art. 6 Abs. 1 RL durch den Gemeinschaftsgesetzgeber inhaltlich näher ausgestaltet.105 Gerade die Beispiele des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 RL waren von den Mitgliedsstaaten für den Bereich der Altersdiskriminierung als Sicherung intendiert vor der Tendenz des EuGH, Benachteiligungen unter Verweis auf „die enge Auslegung von Ausnahmen“ als unzulässig anzusehen.106 Und auch der deutsche Gesetzgeber hat mit § 10 AGG die ihm durch Art. 6 Abs. 1 RL eingeräumten Spielraum im Sinne einer weiten Umsetzung der Rechtfertigungen von Ungleichbehandlungen voll ausgeschöpft. Er wählte die „halboffene“ Umsetzung, indem er in § 10 AGG einen am Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 RL orientierten allgemeinen objektiven Rechtfertigungstest mit Anwendungsbeispielen einführte.107 Darin liegt eine Entscheidung für weite Rechtfertigungsmöglichkeiten, da Art. 6 Abs. 1 RL nur eine Rechtfertigungsoption beinhaltet und der deutsche Gesetzgeber auch einen strengeren und abschließenden Katalog legitimer Ziele hätte vorsehen können.108 Schließlich weicht der Sinn und Zweck des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters teilweise von dem anderer Diskriminierungsverbote ab. Das Merkmal Alter weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die einen der Rasse und Geschlecht vergleichbaren Schutz nicht erforderlich und teilweise sogar schädlich machen.109 Für Hahn erfordert der Wesensgehalt des Alters, dass dessen Schutz im Bereich des Berufes und der Beschäftigung im Vergleich zu anderen Merkmalen eine schwächere Ausprägung erfahren muss.110 Nach Wiedemann berücksichtigt ein schwächerer Schutz gemäß Art. 6 Abs. 1 RL, „dass das Älterwerden eine alle Menschen verbindende Eigenschaft ist [und] dass es keine sozial stigmatisierende Wir103 Vgl. Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg., S. 7 f., 12: „Daher steht es den Mitgliedstaaten frei, im Einklang mit ihrer Rechtstradition und ihren politischen Prioriäten andere als die in Artikel 5 aufgeführten Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters zuzulassen, sofern diese angemessen und zur Erreichung eines legitimen Ziels erforderlich sind.“ 104 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 119, 158 Fn. 731; ähnlich Schiek-Schiek, AGG, Einl AGG, Rn. 36 („überwiegend politisch begründet“). 105 Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed v. 16. 3. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), Rz. 51. 106 Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 276; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 91; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 93, 112. 107 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 35 f. 108 Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 6. 109 Zu den Besonderheiten des Merkmals Alter im 4. Kapitel, unter A. III. 110 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 158.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

kung hat.“111 Generalanwalt Mazák betont in der Rechtssache Palacios, dass das Verbot der Altersdiskriminierung in Art. 6 Abs. 1 RL „insofern besonders beschaffen ist, als das Alter als Kriterium eine Punkt auf einer Skala darstellt, und dass eine Diskriminierung aufgrund des Alters deshalb abgestuft sein kann.“112 Das OVG Münster stellt zur Weite von Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG fest: „Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, dass mit dem prinzipiellen Verbot der Altersdiskriminierung ein europarechtlicher Ausgangspunkt gewählt worden ist, der ohne weit reichende, den natürlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Ausnahmen in der Lebenswirklichkeit nicht praktiziert werden kann.“113 Das Merkmal Alter ist nicht so einfach aus der Entscheidungsfindung am Arbeitsmarkt herauszufiltern, wie dies etwa bei Rasse oder Geschlecht der Fall ist. Es ist vielmehr jedenfalls mittelbar in zahlreichen Unterscheidungskriterien systematisch enthalten. Selbst wenn Maßnahmen bei der Begründung, Durchführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur anhand der Kenntnisse Fähigkeiten und Erfahrungen des Einzelnen entschieden werden, wie verbreitet im Zusammenhang mit Antidiskriminierungsgesetzen gefordert,114 zeigt Swift, dass sich eine mittelbare Verknüpfung mit dem Lebensalter kaum vermeiden lassen wird.115 So korrelieren allgemeine Kenntnisse auf aktuellem Stand regelmäßig mit jungem Alter, da diese vor allem in der nicht so lange zurückliegen Ausbildung vermittelt werden. Hingegen treten tätigkeitsspezifische Kenntnisse vermehrt bei älteren Arbeitnehmern oder solchen in ihrer prime time auf, da sie sich eher im Laufe einer Tätigkeit entwickeln. Auch verschiedene Fähigkeiten und deren Entwicklung korrelieren teilweise mit dem Alter, genauso wie auch das Erfahrungswissen, das mit steigendem Alter eher zunimmt. Weiterhin wäre ein zu eng gefasster Rechtfertigungsgrund schädlich, da das Verbot alle Altersgruppen schützt und sonst häufig Konflikte zwischen den Interessen verschiedener geschützter Gruppen entstehen würden.116 Darüber hinaus ist auch die wirtschaftliche Zielrichtung des Verbots der Altersdiskriminierung zu beachten, die in Art. 6 Abs. 1 RL mit den sozialen und menschenrechtlichen Zielen in Ausgleich gebracht werden sollen. Ein zu hohes Schutzniveau kann die Wirtschaftlichkeit europäischer Unternehmen verschlechtern, welche aber Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 71. Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios de la Villa), Rz. 61. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs v. 27. 10. 2005 – Rs. C-227 / 04 (Lindorfer), Rz. 83 ff. 113 OVG Münster v. 15. 3. 2007, 6 A 2007 / 04, BeckRS 2007 22660, unter II. 1. b); OVG Münster v. 15. 3. 2007, 6 A 4625 / 04, BeckRS 2007 23206, unter II. 1. b); OVG Münster v. 15. 3. 2007, 6 A 942 / 05, BeckRS 2007 22662, unter II. 1. b). 114 Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg., S. 11 („Fähigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen“); ähnlich O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 15; vgl. auch hinsichtlich des ADEA, Statement of findings and purpose, 29 U.S.C. § 621: „It is therefore the purpose of this Act to promote employment of older persons based on their ability rather than age [ . . . ].“ 115 Swift, 35 Ind. L. J. 228, 235 ff. 116 Swift, 35 Ind. L. J. 228, 228. 111 112

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

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wiederum Grundlage für die ebenfalls verfolgte Beschäftigungssteigerung zur Förderung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Teilhabe ist. Schließlich ist zur Erhaltung der Glaubwürdigkeit einer Antidiskriminierungsgesetzgebung eine Orientierung an erreichbaren Zielen erforderlich,117 weil sonst die Akzeptanz als zwingende Voraussetzung für die Effizienz rechtlicher Normen verloren geht.118 Angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der in deutschen Beschäftigungsverhältnissen und im Arbeitsrecht bisher nach dem Alter oder altersbezogen unterschieden wurde,119 würde ein zu strikt ausgeformtes Verbot von solchen Ungleichbehandlungen zu durchsetzungshemmenden Akzeptanzproblemen führen. Somit ist das Erfordernis einer engen Auslegung von Rechtfertigungstatbeständen als Ausnahmen von Diskriminierungsverboten aus der Rechtsprechung des EuGH zur Geschlechterdiskriminierung nicht auf die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gemäß § 10 AGG zu übertragen.120 Diese Ansicht wird auch durch die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Navas und des Generalanwalts Mazák in der Rechtssache Palacios bestätigt. Danach ist schon „der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000 / 78 / EG – insbesondere, soweit das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters betroffen ist – eng auszulegen.“121 „Die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut von Art. 13 EG als Rechtsgrundlage für die Richtlinie 2000 / 78 / EG [legt] eine eher zurückhaltende Auslegung dieser Richtlinie nahe [ . . . ].“ Die Generalanwälte unterstreichen, „dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber der potenziell weit reichenden wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen – insbesondere hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Alters – bewusst gewesen“ sei.122 Die Abgrenzungen zwischen verbotener Diskriminierung und zulässiger Ungleichbehandlung in der RL 2000 / 78 / EG „sollten ernst genommen werden“, da die wirtschaftlichen und finanziellen Effekte vor allem in Bereichen wie der Beschäftigungspolitik, der Sozialpolitik der beruflichen Bildung und des Gesundheitswesens auftreten, „in denen die Gemeinschaft höchstens über Teilzuständigkeiten, meist aber nur über ergänzende Zuständigkeiten verfügt.“123 Anderenfalls könnte das Diskriminierungsverbot benutzt werden, „um ohne Einschaltung des VertragsgeHahn, Altersdiskriminierung, S. 89. Vgl. Quambusch, ZFSH / SGB 2003, 76; Reichold, JZ 2004, 393. 119 So auch Körner, NZA 2005, 1397; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 5; Swift, 35 Ind. L. J. 228, 228. 120 Allgemein ablehnend zur pauschal restriktiven Auslegung von Ausnahmen, Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 99 f. 121 Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios de la Villa), Rz. 57. 122 Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios de la Villa), Rz. 58; Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed v. 16. 3. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), Rz. 46 ff. 123 Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed v. 16. 3. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), Rz. 52. 117 118

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

bers oder des Gemeinschaftsgesetzgebers die Abwägungen zu korrigieren, die die Mitgliedstaaten in Ausübung der ihnen – noch – verbliebenen Zuständigkeiten vorgenommen haben.“124 Wenn aber schon der Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG nach Meinung der Generalanwälte Geelhoed und Mazák aus obigen Gründen eng auszulegen ist, so spricht wenig für eine enge Auslegung von Rechtfertigungen, die bestimmte Ungleichbehandlungen vom Verbot der Altersdiskriminierung ausnehmen.

II. Legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG Gemäß § 10 Satz 1 AGG kann eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig sein, „wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.“ Im Folgenden wird gezeigt, dass unter legitimen Zielen im Sinne von § 10 Satz 1 AGG jegliche gesetzlich nicht verbotenen Ziele zu verstehen sind.125 Solche Ziele müssen auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen.126 Dies ist unter Berücksichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht des Arbeitgebers oder der Tarifparteien zu beurteilen.127 Insbesondere bedeuten die Begriffe „objektiv und angemessen“ in § 10 Satz 1 AGG keine Einschränkung der möglichen legitimen Ziele. Weiterhin sind diese auch nicht auf Ziele des Allgemeinwohls beschränkt. Vielmehr kann aufgrund der ähnlichen Ausgestaltung der zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters bei der Auslegung des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG auf die Literatur und Rechtsprechung zum sachlichen Grund beim allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgegriffen werden. Auch ist bei der Frage der Legitimität eines Ziels das ökonomische Argument der Allokationseffizienz zu berücksichtigen. So können auch wirtschaftliche Beweggründe und insbesondere die Kostenminimierung legitime Ziele des Arbeitgebers oder der Tarifparteien für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters sein. Nicht berücksichtigt werden können bei der Rechtfertigung einer geringeren Vergütung nach § 8 Abs. 2 AGG jedoch Kosten, die infolge besonderer Schutzvorschriften wegen des Alters entstehen.

124 Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed v. 16. 3. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), Rz. 54; zustimmend, Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios de la Villa), Rz. 60. 125 Ähnlich Nollert-Borasio / Perreng, AGG, § 10 Rn. 5 ff.; a.A. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 21. 126 So zum sachlichen Grund beim allgemeinem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, BAG v. 18. 9. 2001, NZA 2002, 149; BAG v. 21. 05. 2003, NJW 2003, 3150. 127 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36.

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

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1. Keine zusätzliche Einschränkung des legitimen Ziels durch die Merkmale „objektiv und angemessen“ Die Bedeutung der Begriffe „objektiv und angemessen“ in § 10 Satz 1 AGG wird in der Literatur zum AGG unterschiedlich gesehen. Einige Kommentierungen erläutern diese Merkmale nicht,128 was gegen eine maßgebliche Einschränkung der möglichen legitimen Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG durch diese Merkmale spricht. Andere sehen in der Formulierung ein Redaktionsversehen.129 Teilweise wird aber vertreten, das Ziel der Ungleichbehandlung müsse nicht nur legitim sein, sondern darüber hinaus auch objektiv.130 Dies sei der Fall, „wenn es nicht nur auf subjektiven Vorstellungen des Rechtsanwenders beruht, sondern zumindest an Hand von Indizien belegbar auch in der Wirklichkeit findet, also entweder in der betrieblichen Situation, im jeweiligen Unternehmen, in einer Branche oder in einem konkret in Bezug genommenen Arbeitsmarktbereich.“ 131 Der Begriff „angemessen“ sei hingegen eine „Worthülse“, der kein eigener auslegungsbedürftiger Wert zukomme.132 Brors bezieht die Merkmale „objektiv und angemessen“ ebenfalls auf das verfolgte legitime Ziel, sieht aber deren Bedeutung anders. „Objektiv“ bedeute, dass sich das legitime Ziel „objektiv vom Alter unterscheiden“ müsse.133 Angemessen ist das Ziel, „wenn es zumindest ebenso gewichtig, wie der Diskriminierungsschutz ist.“134 Bezüglich des Merkmals „objektiv“ stellen auch die obigen Ansichten keine engeren Anforderungen an das legitime Ziel. Denn jedes legitime Ziel ist auch objektiv im Sinne einer „nicht rein subjektiven Vorstellung.“ Und es ist auch selbstverständlich, dass das legitime Ziel einer Unterscheidung wegen des Alters nicht das Alter selbst sein kann.135 Jedoch ist Brors’ Interpretation des Merkmals 128 Nollert-Borasio / Perreng, AGG, § 10 Rn. 5 ff. (der Maßstab entspreche dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz); ErfK-Schlachter, AGG, § 10 Rn. 1; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 11 ff.; Palandt-Weidenkaff, AGG, § 10 Rn. 2. 129 Schmidt / Senne, RdA 2002, 85, Fn. 55. 130 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 21. 131 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 21; ähnlich Lingemann-Prütting / Wegen / Weinreich, BGB, § 10 AGG Rn. 4. 132 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 21. 133 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 31; ähnlich, aber unter Bezugnahme auf die Objektivität der Mittel, Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 5. 134 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 33. 135 Zum sonst drohenden Zirkelschluss, Schmidt, KritV 2004, 250. Auch beim allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist anerkannt, dass Merkmale des Art. 3 Abs. 2 GG und § 1 AGG bzw. seiner arbeitsrechtlichen Vorgängernormen nicht sachliche Gründe für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung sein können. Dazu ErfK-Preis, BGB, § 611 Rn. 732; Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 2 Rn. 199. Auch die Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 RL in Großbritannien verzichtet auf das Kriterium „objectively justified“, da es keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt habe. Dazu Employment Equality (Age) Regulations 2006, Notes on Regulations, 3.13, S. 3.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

„angemessen“ abzulehnen. Müsste das vom Arbeitgeber oder den Tarifparteien verfolgte Ziel bereits ebenso gewichtig sein wie der Diskriminierungsschutz, würde ein Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 10 Satz 2 AGG bereits in die Prüfung des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG vorgezogen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist aber ausreichend Raum für die Gewichtung der Ziele bei der Frage, ob eine Ungleichbehandlung angemessen ist zur Erreichung des legitimen Ziels in Anbetracht der anderen dadurch betroffenen Interessen. Wichtiger aber ist, dass der Ansicht von Brors der Wortlaut des § 10 Satz 1 AGG entgegensteht. Nach dem Wortlaut des § 10 Satz 1 AGG, wie schon bei Art. 6 Abs. 1 RL, beziehen sich die Begriffe „objektiv und angemessen“ nicht auf das legitime Ziel, sondern auf die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, also das Mittel zur Erreichung dieses Ziels.136 Daher sind daraus auch keine Einschränkungen für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „legitimes Ziel“ zu folgern.137 Vielmehr sind diese Merkmale mit denen des § 10 Satz 2 AGG zu einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Mittel zusammenzuziehen: Nach § 10 Satz 1 und 2 AGG muss die unterschiedliche Behandlung zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet und erforderlich sein, sowie das Ziel in angemessenem Verhältnis zu den anderen Interessen stehen.

2. Keine Beschränkung auf Allgemeinwohlziele Seit Erlass der RL 2000 / 78 / EG wurde diskutiert, ob nur Interessen der Allgemeinheit legitime Ziele im Sinne von Art. 6 Abs. 1 RL sein können. Dafür wurde angeführt, dass die dort genannten Ziele der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung allesamt „Gemeinwohlinteressen von erheblicher Bedeutung“ wären.138 Auch wurde bezweifelt, dass der Arbeitgeber,139 die Betriebsparteien oder die Tarifparteien140 überhaupt befugt oder in der Lage 136 Vgl. zu Art. 6 Abs. 1 RL, Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 89; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 189 f. 137 Ebenso zu „objectively and reasonably“ in der britischen reg. 3(1) Employment Equality (Age) Regulations 2006, Cheetham, Age Discrimination, 18. 138 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 20; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 123; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 88 f.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 368; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 86 f.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 190; Roetteken, AGG, § 10 Rn. 16 f.; zunächst noch Thüsing, ZfA 2001, 409; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1237 f. 139 Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1238; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 72 (mit dem Hinweis, dass diese Frage bei der Umsetzung der RL zu klären sei); Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 89, der aber das spezielle Interesse des einzelnen Arbeigebers, durch Altersgrenzen auf die Beschäftigungspolitik und berufliche Bildung seines Unternehmens einzugreifen, auch als Allgemeininteresse anerkennen will, das als legitimes Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 RL geeignet ist. 140 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 176; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 190.

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sind, Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung zu verfolgen. Daher seien nur solche Ziele legitim, die auch der „Gesetzgeber einer Norm zugrunde gelegt“ habe.141 Dieser Ansicht ist aus verschiedenen Gründen entgegen zu treten: Erstens dienen die unter Art. 6 Abs. 1 a) bis c) RL beispielhaft aufgezählten rechtfertigungsfähigen Ungleichbehandlungen mitnichten nur der Allgemeinheit sondern auch den Interessen des Arbeitgebers. So berücksichtigt die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder Dienstalter für den Zugang zu einer Beschäftigung oder für bestimmte mit einer Beschäftigung verbundene Vorteile nach Art. 6 Abs. 1 b) RL auch Bedürfnisse des Arbeitgebers – beispielsweise im job matching oder bei Anreizlohnsystemen. „Genuine Arbeitgeberinteressen“142 verfolgt sogar Art. 6 Abs. 1 c) RL, der die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderung eines bestimmten Arbeitsplatzes oder die Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand nennt. Zum Zweiten ist mit der Benennung der nicht abschließend formulierten Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung keine Beschränkung der möglichen legitimen Ziele beabsichtigt. Es sollte im Gegenteil eine Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten durch eine zu restriktive Auslegung des Art. 6 Abs. 1 RL durch die Rechtsprechung des EuGH von vornherein verhindert werden.143 Drittens sind sowohl Arbeitgeber als auch die Betriebsparteien und Tarifparteien befugt, Ziele im Sinne des § 10 Satz 1 AGG festzulegen und zu verfolgen. Diese sind zwar nicht Adressaten der RL 2000 / 78 / EG aber solche des AGG. Der deutsche Gesetzgeber als Adressat der RL 2000 / 78 / EG nach Art. 249 Abs. 3 EG verfolgt die gemäß Art. 6 Abs. 1 RL legitimen Ziele, indem er für Ungleichbehandlungen wegen des Alters durch Tarifparteien, Betriebsparteien und den Arbeitgeber eine Rechtfertigung zulässt, wenn diese ihrerseits in verhältnismäßiger Weise legitime Ziele verfolgen.144 Für diese Ziele sind die jeweiligen Arbeitsmarktakteure auch zuständig.145 Die Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 RL in § 10 AGG bewirkt damit, dass auch einzelne Arbeitgeber und Tarifvertragsparteien diese Rechtfertigungsnorm für Ungleichbehandlungen in Anspruch nehmen können.146 Schließlich ist viertens der Maßstab des „normativen 141 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 21; zustimmend ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 628. Ähnlich Bertelsmann-Rust / Falke, AGG, § 10 Rn. 45 (Ungleichbehandlungen durch Arbeitgeber seien nur möglich, wenn der Gesetzgeber entsprechende, konkret bestimmte Ausnahmetatbestände geschaffen hätte.) 142 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 422. 143 So Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 276; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 112. 144 So auch O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 35; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 287 f.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 6; kritisch dazu Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 AGG Rn. 6. 145 Vgl. BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 146 Roetteken, AGG, § 10 Rn. 7.

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Aufgreifens“ durch den nationalen Gesetzgeber147 schwierig zu handhaben. So weist Brors selbst auf die Schwierigkeiten bei widersprüchlichen beschäftigungspolitischen Zielen des Gesetzgebers hin.148 Nach vorzuziehender Ansicht149 sind vielmehr rechtmäßige Ziele weder in Art. 6 Abs. 1 RL noch in § 10 Satz 1 AGG auf Interessen der Allgemeinheit beschränkt. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 10 AGG den weiten Kreis legitimer Ziele nach Art. 6 Abs. 1 RL aufgegriffen, zu denen neben Gemeinwohlinteressen auch Interessen des Arbeitgebers gehören. Nicht nur wurden Art. 6 Abs. 1 b) und c) RL in § 10 Satz 3 Nr. 2 und 3 AGG wörtlich umgesetzt. Auch § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG nimmt mit der Rechtfertigungsfähigkeit von Vereinbarungen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehen, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann, auf Arbeitgeberinteressen an einer Pensionsgrenze Rücksicht. Weiterhin sind auch die Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG nicht abschließend formuliert („insbesondere“). Der deutsche Gesetzgeber hat vielmehr mit der Generalklausel des § 10 Satz 1 AGG den europarechtlichen Freiraum für seine „politischen Prioritäten“150 genutzt und Ungleichbehandlungen wegen des Alters im vollen Rahmen zugelassen, den Art. 6 Abs. 1 RL zulässt. Daher ist auch aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden, dass der deutsche Gesetzgeber in § 10 Satz 1 AGG die Verfolgung jedes legitimen Ziels gestattet hat.151 Auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 10 AGG stützen diese Ansicht: „Die Legitimität des Zieles ist unter Berücksichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht des Arbeitgebers oder der Tarifparteien zu beurteilen. Dies können auch Ziele sein, die über die Situation des einzelnen Unternehmens oder einer Branche hinausgehen und von allgemeinem Interesse sind, wie etwa Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung.“152 Damit wird sogar ausdrücklich die Sicht des Arbeitgebers bzw. bei kollektivvertraglichen Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 21. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 22. 149 Bereits zu Art. 6 Abs. 1 RL: König, ZESAR 2005, 220; König, in: Gaitanides / Kadelbach / Rodriguez, Europa und sein Verfassung, S. 349; Kuras, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 15; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 26; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 111; Waddington / Bell, 38 C. M. L. Rev. 587, 599; Waltermann, ZFA 2006, 315; Waltermann, NZA 2005, 1267; Weber, AuR 2002, 403. Zu § 10 AGG: Adomeit / Mohr, AGG, § 10 Rn. 14; Annuß, BB 2006, 1633; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 5, 20; Boemke / Danko, AGG im Arbeitsrecht, Rn. 69; Flohr / Ring, Das neue Gleichbehandlungsgesetz, Rn. 226; ErfK-Schlachter, AGG, § 10 Rn. 1; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 422; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 12; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 15; Wendeling-Schröder-Wendeling-Schröder / Stein, AGG, § 10 Rn. 7; WendelingSchröder, NZA 2007, 1400 f. 150 So KOM(1999)565 endg., S. 12. 151 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 36; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 6. 152 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 147 148

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Regelungen der Tarifparteien für maßgeblich erklärt und diesen Akteuren ein eigenständiger Spielraum für die Bestimmung legitimer Ziele eingeräumt.153 Weiterhin weist der Gesetzgeber darauf hin, dass der Arbeitgeber oder die Tarifparteien „auch“ Allgemeininteressen verfolgen können.154 Dies zeigt im Umkehrschluss, dass sie jedenfalls auch legitime Eigeninteressen verfolgen dürfen. Im Ergebnis sind die legitimen Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG daher nicht auf Allgemeinwohlziele beschränkt. Schlachter formuliert treffend: Durch § 10 AGG „werden die innerstaatlichen Rechtsanwender dazu ermächtigt, die Legitimität derjenigen Ziele selbst festzulegen, die die Ausnahme vom Verbot der Altersdiskriminierung begründet; eine hohe Beschränkungswirkung kommt dem nicht zu. Neben die zahlreichen, weit gefassten Ausnahmebestimmungen tritt eine von staatlichen Vorgaben weitgehend unabhängige Festlegung der Fälle, in denen ein Eigeninteresse an Unterscheidungen nach dem Alter eine Ausnahme vom generellen Benachteiligungsverbot bewirken kann. Als wirksame Begrenzung bleibt die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Mittel, die zur Erreichung der selbst gesetzten Ziele eingesetzt werden.“155

3. Verhältnis zum sachlichen Grund im Sinne des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Fraglich ist, wie sich das legitime Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG zum sachlichen Grund verhält, nach dem Ungleichbehandlungen am Maßstab des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gerechtfertigt sein können.156 Verschiedene Stimmen in der Literatur haben sich für einen identischen Maßstab zwischen sachlichem Grund im Sinne des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und dem legitimen Ziel nach § 10 Satz 1 AGG ausgesprochen. Thüsing führt in diesem Sinne zu § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG157 aus: „Eine So auch Wendeling-Schröder, NZA 2007, 1400. Mit Recht weist Thüsing darauf hin, dass ein altruistisches Verfolgen von Gemeinwohlzielen wohl selten von einem Arbeitgeber zu erwarten sein wird, Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 422. Jedoch verwehrt dies dem Arbeitgeber nicht, sich auf diese Ziele zu berufen. Erst auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit muss der Arbeitgeber dann nachweisen, dass seine Ungleichbehandlung wegen des Alters geeignet, erforderlich und angemessen ist, das angestrebte Allgemeininteresse zu erreichen. Hier wird es häufig schon an der Geeignetheit fehlen, wenn beispielsweise ein mittelständischer Betrieb Pensionsgrenzen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einführt. Kann er jedoch nachweisen, dass durch die Altersgrenzenregelung die Eingliederung von Jugendlichen in seinem Betrieb nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG wesentlich verbessert wird, kann die Interessenabwägung im Einzelfall auch anders ausfallen. 155 ErfK-Schlachter, AGG, § 10 Rn. 1. 156 Zum Inhalt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz: Fastrich, RdA 2000, 70 ff.; MüKo-Müller-Glöge, BGB, § 611 Rn. 1123 ff.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 888 ff. 153 154

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Differenz zwischen den Begriffen zu beschreiben, ist sprachlich kaum möglich und sachlich entbehrlich. Eine überzeugende Trennlinie erscheint ohnehin rational nicht begründbar. Was ein sachlicher Grund iS [im Sinne] des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist, ist daher auch Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung.“ 158 Auch nach Nollert-Borasio und Perreng entspricht die im deutschen Recht bisher nicht gebräuchliche Formulierung des § 10 AGG dem gleichen Rechtfertigungsmaßstab wie beim allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.159 Ähnlich äußerten sich Zöllner160 und Zierold161 bereits zu den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 RL. Schließlich empfiehlt Waltermann die Übernahme der Anforderungen an den allgemeinen Gleichheitssatz nach der „Neuen Formel“ für die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 6 Abs. 1 RL, soweit durch die Ungleichbehandlung keine strengeren Freiheitsrechte, wie die Berufsfreiheit, verletzt würden.162 Hahn hingegen geht ohne Begründung davon aus, dass der Maßstab des legitimen Ziels nach § 10 Satz 1 AGG jedenfalls mehr als der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlange, der Differenzierungen durch Sachgründe erlaubt.163 Dieser Ansicht ist im Grundsatz zugute zuhalten, dass dogmatisch zwischen besonderen Diskriminierungsverboten auf der einen Seite und dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Besondere Diskriminierungsverbote, zu denen auch das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nach den §§ 1, 7 Abs. 1 AGG gehört, „verbieten es, bestimmte Merkmale als Unterscheidungskriterium einer Regelung oder einseitigen Maßnahme zu benutzen, wenn dadurch Personen herabgesetzt, ausgegrenzt oder sonst benachteiligt werden.“164 Der allgemeine Gleichheitssatz knüpft dagegen nicht an ein bestimmtes Merkmal an, sondern wird inhaltlich durch 157 Diese Ausführungen gelten für das legitime Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG entsprechend, da Thüsing den Prüfungsmaßstab von § 10 Satz 1 und 2 AGG mit denen von § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG für identisch hält. Vgl. MüKo-Thüsing, AGG, § 3 Rn. 45, § 10 Rn. 10; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 468, Rn. 271. 158 MüKo-Thüsing, AGG, § 3 Rn. 38; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 264; ähnlich bereits Thüsing, ZfA 2001, 409; Thüsing, NZA 2001, 1063. 159 Nollert-Borasio / Perreng, AGG, § 10 Rn. 5. 160 Zöllner, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 528 f. 161 Zierold, Diskriminierungsverbote im Entgeltbereich, S. 199 f.: Art. 6 Abs. 1 RL stelle „jedenfalls keine höheren Anforderungen auf als der im Rahmen des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes geforderte sachliche Grund [ . . . ].“ 162 Waltermann, ZFA 2006, 315 f. 163 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 109, 122: „Allein sachliche Gründe, wie sie beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Voraussetzung einer Ungleichbehandlung genügen, reichen für eine ausnahmsweise zulässige Diskriminierung wegen des Alters nicht aus.“ 164 MüKo-Thüsing, AGG, § 1 Rn. 6; dazu auch Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 11 ff.; Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios de la Villa), Rz. 91 ff.

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den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt.165 Daher ist er verletzt, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.166 Mit der Einordnung als besonderes Diskriminierungsverbot sind daher Unterschiede in Bezug auf den Anknüpfungspunkt, den Anwendungsbereich167 und den Sinn und Zweck168 verbunden.169 Ob aber Unterschiede bei den Anforderungen bestehen, die an eine Rechtfertigung zu stellen ist, hängt allein davon ab, was für ein Maßstab für das infrage stehende besondere Diskriminierungsverbot normiert ist.170 Denn die besonderen Diskriminierungsverbote sind unter sich mit unterschiedlicher Strenge ausgestattet.171 Allein die dogmatische Einordnung zu den besonderen Diskriminierungsverboten sagt daher noch nichts über den Maßstab der Rechtfertigung aus. Dieser Rechtfertigungsmaßstab ist für Ungleichbehandlungen wegen des Alters in Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 Satz 1 und 2 AGG so gewählt, dass diese zulässig sind, wenn sie durch ein legiti165 Ständige Rechtsprechung des BAG: BAG v. 15. 11. 1994, NZA 1995, 939; BAG v. 17. 11. 1998, NZA 1999, 608; vgl. dazu ErfK-Dieterich, GG, Art. 3 Rn. 30; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 52 ff. 166 Vgl. zur „neuen Formel“ im Bereich von Art. 3 Abs. 1 GG, BVerfG v. 7. 10. 1980, NJW 1981, 271 f.; BVerfG v. 11. 1. 1995, AP Nr. 209 zu Art. 3 GG, unter C. I. 1. Wiedemann weist jedoch darauf hin, dass die Formulierungen des BAG bei der Anwendung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes teilweise erheblich voneinander abweichen und auch in der Literatur hinsichtlich des Rechtfertigungsmaßstabs unterschiedliche Meinungen vertreten werden (Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 52 ff.). Die umstrittene Frage, ob im Rahmen des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz lediglich eine Willkürkontrolle oder zusätzlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgt, kann hier dahinstehen, da vorliegend nur der Begriff des sachlichen Grundes erörtert wird, der Teil beider Prüfungsmaßstäbe ist. 167 So werden verbreitet einseitige Maßnahmen bei der Einstellung oder Einzelmaßnahmen im Arbeitsverhältnis vom Anwendungsbereich des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Hierzu Buchner-Richardi / Wlotzke, MüHdbArbR, § 39 Rn. 1 ff.; Fastrich, RdA 2000, 68; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 235 ff.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 892 ff.; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 18 ff. Diese Maßnahmen sind hingegen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGG ausdrücklich vom Verbot der Benachteiligung wegen des Alters erfasst. 168 Der allgemeine Gleichheitssatz dient der Verteilungsgerechtigkeit, während besondere Diskriminierungsverbote in der Menschenwürde wurzeln. Dazu MüKo-Thüsing, AGG, § 1 Rn. 6; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 891. Wiedemann betont die Verbindung des allgemeinen Gleichheitssatzes zur Menschenwürde und Gerechtigkeitsidee, während bei Diskriminierungsverboten der soziale Schutzcharakter im Vordergrund stehe. Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 13 mwN. 169 Wegen des beschränkten Anwendungsbereichs des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wurde zu Recht gefolgert, dass dieser für eine Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG hinsichtlich des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters nicht ausreicht. Vgl. Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 235 ff. 170 So auch Zöllner, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 528. 171 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 40.

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mes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Ein strengerer Maßstab als das Erfordernis eines sachlichen Grundes und der Verhältnismäßigkeit der Mittel, wie sie auch im Rahmen des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gefordert werden,172 ist aus dieser Formulierung nicht ersichtlich. Daher ist der ersten Meinung zuzustimmen, die die gleichen Anforderungen an ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG und den sachlichen Grund im Sinne des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gleichstellt. Somit kann auch bezüglich des legitimen Ziels nach § 10 Satz 1 AGG auf die Definition des sachlichen Grundes der Rechtsprechung zurückgegriffen werden: Solche Ziele müssen auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen.173 Auch kann die bisherigen von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten zulässigen Sachgründe eine Orientierungshilfe geben bei der Suche nach legitimen Zielen gemäß § 10 Satz 1 AGG. Zu beachten ist aber, dass neben dem Erfordernis eines legitimen Ziels noch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung zur Erreichung dieses Ziels gemäß § 10 Satz 2 AGG vorliegen muss, damit eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gerechtfertigt sein kann.174 Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls durchzuführen, wobei die Wertigkeit des Ziels und die der anderen durch die Ungleichbehandlung betroffenen Interessen zu berücksichtigen ist.175 Schließlich ist das Erfordernis eines verhältnismäßigen Sachgrundes für Unterscheidungen nach dem Alter in Arbeitgeberentscheidungen keine inhaltsleere Anforderung. Die Hauptaufgabe eines Gleichheitssatzes, nach Wiedemann, wird durch § 10 AGG gewahrt: „[E]s öffnet die Tür zu einem Gerichtsverfahren und verbürgt damit ein Mindestmaß an Sachgesetzlichkeit.“176

172 Vgl. zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 909: „Die Unterscheidung muss einem legitimen Ziel dienen und zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen sein.“ 173 Vgl. BAG v. 18. 9. 2001, NZA 2002, 149; BAG v. 21. 05. 2003, NJW 2003, 3150; HWK-Thüsing, BGB, § 611 Rn. 202; zustimmend hinsichtlich § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG: Schrader / Schubert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 3 Rn. 58. 174 Dazu auch Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 118. 175 Ausführlich sogleich im 6. Kapitel, unter B. III. 176 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 45; ähnlich zu Art. 6 Abs. 1 RL Skidmore, 29 E.L.Rev. 52, 59 f.: „Its significance lies in ist potential to bring employment policy measures into the sphere of judicial scrutiny.“

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4. Wirtschaftliche Gründe und Kostenminimierung als legitime Ziele Zahlreiche Autoren schließen wirtschaftliche Gründe und insbesondere die Kostenminimierung als legitime Ziele im Rahmen einer Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach § 10 AGG bzw. Art. 6 Abs. 1 RL von vornherein aus. Hahn stellt unter Berufung auf die hohe Kontrolldichte besonderer Diskriminierungsverbote klar: „Insbesondere die regelmäßig beim sachlichen Grund angestellten ökonomischen Überlegungen entfallen grundsätzlich als Rechtfertigungselement einer Diskriminierung.“177 Zu § 8 Abs. 1 AGG schreibt Brors: „Allein wirtschaftliche Erwägungen können eine Diskriminierung nicht rechtfertigen.“178 Und nach Schrader und Schubert genügt „bloßes Einsparen von Kosten“ dem Erfordernis des sachlichen Grundes nach § 3 Abs. 2 AGG nicht.179 Schließlich konstatiert Wiedemann in Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 RL: „Im Ergebnis kann nicht zweifelhaft sein, [ . . . ] dass auf der anderen Seite entstehende Mehrkosten, die mit der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer verbunden sind (längerer Urlaub, höherer Krankenstand) eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen vermögen.“180 Insgesamt sieht Thüsing einen Konsens, „dass reine Kostenargumente ausscheiden, die Benachteiligung also nicht damit begründet werden kann, dass ältere Arbeitnehmer [ . . . ] billiger zu haben sind oder dass sie dem Arbeitgeber später teurer zu stehen kommen.“181 Diesem pauschalen Ausschluss von wirtschaftlichen Argumenten ist im Rahmen der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG nicht zu folgen.182 Der Wortlaut des § 10 Satz 1 AGG beinhaltet keine Beschränkung hinsichtlich der Art der legitimen Ziele, die unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigend wirken können. Der flexibel ausgestaltete Rechtfertigungstatbestand des § 10 AGG bietet die Chance, die individu177 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 94. An anderer Stelle äußert Hahn, dass die Berücksichtigung primär wirtschaftlicher Gründe im Rahmen des Diskriminierungsverbots „nicht zu tolerieren“ sei. Hahn, Altersdiskriminierung, S. 114. 178 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 4. 179 Schrader / Schubert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 3 Rn. 56. 180 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 72 f. 181 MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 33; bereits Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1239. 182 Zustimmend: Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 33 (Bei § 10 AGG könne „ein rechtmäßiges Ziel auf unternehmerischen Erwägungen beruhen, z. B. Steigerung der Produktivität, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit oder Wettbewerbsfähigkeit.“‘); ebenso Temming, Altersdiskriminierung im Arbeitsleben, 627: „[ . . . ] rationale ökonomische Erwägungen sind grundsätzlich geeignet, für Altersdiskriminierungen in rechtlicher Hinsicht legitime Ziele bereitzuhalten und Benachteiligungen wegen des Lebensalters vorbehaltlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen.“; wohl auch Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 82, der geschäftliche Interessen, wie die Kundenerwartung und Authentizität, sogar im Rahmen der strengeren Rechtfertigung nach Art. 4 Abs. 1 RL bzw. § 8 Abs. 1 AGG berücksichtigen möchte.

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ellen Stärken und Bedürfnisse verschiedener Altersgruppen auf der einen Seite, aber auch die betrieblichen und tätigkeitsbezogenen Erfordernisse auf der anderen Seite im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in einen Ausgleich zu bringen. Der Ausschluss des Gebots der Wirtschaftlichkeit von dieser Abwägung entspringt einem kontraproduktiven Verständnis des Schutzes Älterer und ignoriert die Reaktionen des Marktes, die auf ein Verbot effizienter Verhaltensweisen folgen.183 Des Weiteren ergibt sich ein Ausschluss wirtschaftlicher Ziele auch nicht aus einer Gesamtschau der Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG. Zum einen sind diese nicht abschließend formuliert und weisen nach hier vertretener Ansicht auch nicht den „Charakter einer Wegweisung“ für die Auslegung des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG auf.184 Im Gegenteil nutzt der deutsche Gesetzgeber die ihm durch Art. 6 Abs. 1 RL eingeräumte Flexibilität und gibt diese auf dem Wege der Generalklausel des § 10 Satz 1 AGG an die Normadressaten weiter. Zum anderen ergibt eine Gesamtschau der Regelbeispiele des Satz 3, dass wirtschaftliche Gründe und Interessen des Arbeitgebers sehr wohl ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG darstellen können. So spricht § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG mit den spezifischen Ausbildungserfordernissen und der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand genuine wirtschaftliche Arbeitgeberinteressen an.185 Wendeling-Schröder betont, dass im Rahmen von § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG „im Kern eine schlichte Wirtschaftlichkeitserwägung vorzunehmen“ sei.186 Auch die Gesetzesbegründung zu § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG stellt auf betriebswirtschaftliche Erfordernisse und Kostenamortisierung ab.187 Und auch die Regelbeispiele, die selbst kein Ziel, sondern nur unterschiedliche Arten von möglicherweise zulässigen Ungleichbehandlungen beinhalten, lassen die Berücksichtigung von wirtschaftlichen Gründen jedenfalls zu. Somit ist dem Wortlaut des § 10 Satz 1 AGG und einer Gesamtschau der Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG kein Ausschluss von wirtschaftlichen Zielen zu entnehmen; letztere liefert eher Beispiele für eine mögliche Rechtfertigung bei der Verfolgung solcher Ziele. Ein Ausschluss wirtschaftlicher Argumente ergibt sich auch nicht aus der europarechtskonformen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „legitimes Ziel.“ Grundsätzlich ist festzustellen, dass Art. 6 Abs. 1 RL wenig strenge Anforderungen stellt. Er soll den Mitgliedsstaaten Flexibilität geben, um bei der Umsetzung auf ihre spezifische nationale Situation eingehen zu können. Den nationalen Ge183 Vgl. hierzu allgemein Schnökel, ZRP 2005, 172; Scholl, in: Moldaschl / Thießen, Neue Ökonomie der Arbeit, S. 284; Somek, Rationalität und Diskriminierung, S. 28. 184 Dazu ausführlich im 6. Kapitel, unter A. I. 185 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 422. 186 Wendeling-Schröder-Wendeling-Schröder / Stein, AGG, § 10 Rn. 49. 187 „Nummer 3 [ . . . ] liegt die Überlegung zugrunde, dass bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss.“ BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36.

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setzgebern kommt daher ein weiter Umsetzungsspielraum zu.188 Des Weiteren nennt Art. 6 Abs. 1 RL beispielhaft die „Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“. Wirtschaftliche Überlegungen der Effizienz sind sowohl im Bereich der Beschäftigungspolitik als auch des Arbeitsmarktes zu verorten. Es kann sehr wohl Inhalt einer Beschäftigungspolitik eines Mitgliedsstaates sein, die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen zu fördern, in der Hoffnung auf die Schaffung von Arbeitsplätzen.189 Dabei sind der Arbeitgeber bzw. die Tarifparteien auch die richtigen Adressaten der Rechtfertigung nach § 10 AGG und auch befugt, Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung zu verfolgen.190 Wie bereits ausführlich erörtert, verlangen Wortlaut und Zielsetzung von Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 AGG, dass bei der Auslegung der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe die Allokationseffizienz als ein Kriterium berücksichtigt wird.191 Daher ist auch bei der Bestimmung, was legitime Ziele im Sinne des § 10 Satz 1 AGG sein können, das ökonomische Argument zu beachten. Eine Berücksichtigung der Effizienz bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „legitimes Ziel“ aus § 10 Satz 1 AGG erfordert insbesondere die Einbeziehung von wirtschaftlichen Gründen und Kosten als legitime Ziele. Ansonsten ist eine auf dem Kaldor-Hicks-Effizienzkriterium gründende Kosten-Nutzenrechnung der einzelnen Maßnahme gar nicht denkbar. Weiterhin kann gerade bei der Ermittlung von zulässigen Sachgründen die ökonomische Analyse des Rechts hilfreich sein.192 Denn neben der Anforderung, nicht gegen verfassungsrechtliche oder sonstige übergeordnete Wertentscheidungen zu verstoßen, muss ein legitimes Ziel auch auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen.193 Und auf Seiten des Arbeitgebers, aus dessen Sicht und der der Tarifparteien die Legitimität des Ziels im Rahmen der Rechtfertigung nach § 10 AGG zu beurteilen ist,194 werden regel188 Vgl. Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg., S. 7 f., 12. 189 Auch die RL 2000 / 78 / EG selbst verfolgt u. a. das Ziel der Steigerung der Beschäftigung in Kombination mit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Vgl. Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg, S. 29: „Die vorgeschlagene Richtlinie wird durch den Abbau von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf wirtschaftliche und soziale Teilhabe fördern und sozialer Ausgrenzung entgegenwirken. Dies wird dem Wirtschaftswachstum unmittelbar zugute kommen – durch eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben für soziale Sicherung und soziale Unterstützung, durch eine Erhöhung der Kaufkraft der einzelnen Haushalte und durch eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die alle auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Ressourcen optimal nutzen können.“ 190 Vgl. dazu BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36 und im 6. Kapitel, unter B. II. 2. 191 Hierzu ausführlich im 2. Kapitel, unter B. II. und III. 192 Vgl. zur Allokationseffizienz bei der Prüfung gesetzgeberischer Zielbestimmung anhand des Gleichheitsatzes von Art. 3 Abs. 1 GG, Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 14 f. 193 Vgl. BAG, v. 18. 9. 2001, NZA 2002, 149; BAG v. 21. 05. 2003, NJW 2003, 3150. Zu dieser Definition bereits im 6. Kapitel, unter B. II. 3.

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mäßig Kosten-Nutzen-Rechnungen und Effizienzgesichtspunkte eine tragende Rolle in der Entscheidungsfindung spielen. Folglich sind angesichts der auch wirtschaftlichen Zweckrichtung hinter § 10 AGG jedenfalls Gründe des Arbeitgebers und der Tarifparteien als legitim anzusehen, die auf die eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit oder Steigerung der Effizienz gerichtet sind. Vor dem Hintergrund der Verhinderung und Vermeidung willkürlicher Ungleichbehandlungen wegen des Alters wäre es geradezu kontraproduktiv, wirtschaftliche Gründe nicht als legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG zuzulassen. Denn wie im Rahmen der ökonomischen Modelle von Diskriminierung am Arbeitsmarkt gezeigt wurde, reduziert Wettbewerbsdruck am Arbeitsmarkt grundsätzlich willkürliche Unterscheidungen durch Arbeitgeber. Willkür, wie etwa präferenzgesteuerte Diskriminierungen nach dem Modell von Becker, verursacht Kosten, was willkürfreien Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil verschafft.195 Soweit aber einige wirtschaftliche Erwägungen im Sinne der obigen Modelle nicht als Rechtfertigungen von Ungleichbehandlungen im Rahmen des AGG angesehen werden, befindet sich der nicht-willkürlich diskriminierende Unternehmer ebenfalls im Wettbewerbsnachteil, da auch er Sanktionen für seine wirtschaftlich motivierten Unterscheidungen fürchten muss. Daher kann er nicht den gleichen Wettbewerbsdruck gegenüber willkürlichen Arbeitgebern aufbauen, wie ihm das im Falle der Zulässigkeit wirtschaftlich motivierter Ungleichbehandlungen möglich wäre. Mithin würde der Ausschluss wirtschaftlicher Motive als legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG gerade diejenigen Marktmechanismen schwächen, die von sich aus willkürliche Diskriminierungen verringern. Schließlich findet die Zulässigkeit wirtschaftlicher Gründe und Kostengesichtspunkte auch Unterstützung in der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts196 und der Rechtsprechung des BAG zum sachlichen Grund im Sinne des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Diesen Rechtfertigungsgründen liegt der gleiche Maßstab zugrunde, weshalb nach hier vertretener Ansicht auf beide Rechtsprechungen zur Auslegung des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG zurückgegriffen werden kann.197 So konnten mittelbare Diskriminierungen wegen des Geschlechts im Hinblick auf Teilzeitarbeit nach Meinung des EuGH damit gerechtfertigt werden, dass der Arbeitgeber „aus objektiv gerechtfertigten wirtschaftlichen Gründen“, Anreize für Vollzeitarbeiter setzen wollte.198 Das Gericht erläuterte dazu, 194 195 196

BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. Vgl. dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter A. II. Maßgebliche Norm war zunächst Art. 119 EWGV, dann Art. 119 EGV, später Art. 141

EG. 197 Ausführlich zum identischen Maßstab im Vergleich zur mittelbaren Diskriminierung im 6. Kapitel, unter A. IV. 1.; hinsichtlich der Vergleichbarkeit zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz im 6. Kapitel, unter B. II. 3. 198 EuGH v. 31. 03. 1981 – Rs. 96 / 80, NJW 1981, 2639; EuGH v. 27. 10. 1993 – Rs. C-127 / 92, NZA 1994, 799, Rz. 26: „Die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die einen Arbeit-

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dass die Ungleichbehandlung „einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen“ und verhältnismäßig sein müsse.199 Auch in den Rechtssachen Danfoss und Cadman hat der EuGH als Rechtfertigung anerkannt, dass es „legitimes Ziel der Entgeltpolitik ist, unter anderem die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.“200 Auch diese Anreizwirkungen von Entgeltsystemen sind ein wirtschaftliches Anliegen des Arbeitgebers. Ähnlich berücksichtigt auch die Rechtsprechung des BAG zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wirtschaftliche Sachgründe bei der Rechtfertigung.201 Fastrich führt dazu aus: „Unter dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz sind im allgemeinen Differenzierungen zulässig, die sich an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren. Denn der Arbeitgeber ist meist ein am Wirtschaftsverkehr teilnehmendes Unternehmen, das entsprechend wirtschaftliche Zwecksetzungen verfolgt. Marktpreise, Effektivitäts- und Kostengesichtspunkte sind daher regelmäßig sachliche Gesichtspunkte. Dem entsprechend ist es unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sachgerecht, Entgelt nach Preis und Leistung, Gratifikationen nach Betriebstreue, und die Auswahl von Arbeitnehmern nach ihrem Nutzen für das Unternehmen zu treffen.“202

Fastrich kommt zu dem Schluss, dass „Kostengesichtspunkte für ein wirtschaftliches Unternehmen sachliche Gründe sein müssen“203 Auch Wiedemann betont die Aufgabe des Arbeitgebers beim Kostenmanagement, weshalb unternehmerische Rahmenbedingungen und insbesondere die Ertrags- und Marktsituation sachliche Gründe sein könnten.204 Somit spricht auch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG für eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen Argumenten und Kosten als legitime Ziele des Arbeitgebers oder der Tarifparteien für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters. geber veranlassen kann, das Entgelt für eine bestimmte Tätigkeit zu erhöhen, um Bewerbern einen Anreiz zu bieten, kann einen sachlich gerechtfertigten wirtschaftlichen Grund im Sinne dieser Rechtsprechung darstellen.“ 199 EuGH v. 13. 05. 1986 – Rs. 170 / 84 (Bilka), Slg. 1986, 1607 ff., Rz. 36 f.; dazu auch BAG v. 14. 10. 1986, NJW 1987, 2183; Schiek-Schiek, AGG, § 3 Rn. 49 f., die darauf aufmerksam macht, dass Unternehmen aber auch soziale oder ökologische Ziele verfolgen können. 200 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 34; EuGH v. 17. 10. 1989 – Rs. 109 / 88 (Danfoss), NZA 1990, 774, Rz. 24 f. 201 BAG v. 18. 9. 2001, NZA 2002, 149; BAG v. 21. 03. 2001, NJW 2001, 2276 (hinsichtlich finanzieller Anreize zur Überwindung eines arbeitsmarktbedingten Personalkräftemangels); ErfK-Dieterich, GG, Art. 3 Rn. 37 f. 202 Fastrich, RdA 2000, 71 unter Verweis auf BAG v. 15. 2. 1990 und 26. 10. 1994, AP Nr. 15 und 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie; vgl. auch Blomeyer, in: Mayer-Mali / Richardi / Schambeck / Zöllner, Festschrift Müller, S. 65 f. 203 Fastrich, RdA 2000, 73. 204 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 48; zur Kostenminimierung und Profitabilität von Arbeitsverhältnissen als sachlichen Grund, Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 910, 912.

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Im Ergebnis sind wirtschaftliche Ziele des Arbeitgebers und der Zweck der Kostenminimierung entgegen der obigen Vorbehalte legitime Ziele im Sinne des § 10 Satz 1 AGG. Klarzustellen ist aber, dass die Anerkennung wirtschaftlicher Motivationen und Kostenminimierung als legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG keine Rechtfertigung jeglicher Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach sich zieht, die auf ökonomischen Erwägungen fußt. Vielmehr sind die Gründe und deren Bedeutung bzw. die Kosten und deren Höhe mit den anderen durch die Ungleichbehandlung betroffenen Interessen im Wege der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG in Ausgleich zu bringen. Nur wenn die Ungleichbehandlung im Einzelfall ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Erreichung des wirtschaftlichen Ziels bzw. der Kostenminimierung ist, und dieses Ziel im Verhältnis zu den anderen durch die Ungleichbehandlung beeinträchtigten Interessen angemessen ist, ist sie auch nach § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig.205

5. Grenze der Berücksichtigung von Kosten nach § 8 Abs. 2 AGG Eine Grenze hinsichtlich der Berücksichtigung von Kosten bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters stellt § 8 Abs. 2 AGG dar. Danach wird die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten. Diese Regelung übernimmt die Wortwahl des § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. und erweitert den Anwendungsbereich über das Merkmal Geschlecht hinaus auf alle Gründe gemäß § 1 AGG. Dass § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. nicht ebenfalls übernommen wurde, zeigt, dass das Verbot der geringeren Vergütung selbst in § 8 Abs. 2 AGG nicht geregelt ist, sondern sich weiterhin aus den §§ 1, 3, 7 Abs. 1 AGG ergibt.206 Eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters richtet sich damit auch bei der Vergütung grundsätzlich nach § 10 AGG.207 § 8 Abs. 2 AGG schränkt nur die Gründe ein, die zur Rechtfertigung einer 205 So auch Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 210 f.: Art. 6 Abs. 1 RL trägt den wirtschaftlichen Notwendigkeiten bei der Ungleichbehandlung wegen des Alters Rechnung: „Die hier aufgeführten Rechtfertigungsgründe erlauben jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass eine Differenzierung nach wirtschaftlichen Gründen durch den Arbeitgeber weiterhin in vollem Umfang zulässig ist. Denn Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 2000 / 78 / EG unterzieht die wirtschaftlichen Gründe des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 RL 2000 / 78 / EG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, erkennt sie also nur begrenzt an.“; O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 40; auch Hepple empfielt für die Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 RL in Großbritannienen: „The increase in cost must be balanced against the extent of the discirimination involved.“, Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 88; ähnlich bereits zu Art. 141 Abs. 1 EG, Fastrich, RdA 2000, 79. 206 ErfK-Schlachter, AGG, § 8 Rn. 5; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 362. 207 Vgl. auch den Wortlaut von § 10 Satz 1 AGG: „Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig. . ..“

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Ungleichbehandlung wegen des Alters bei Vergütungsfragen angeführt werden können. Dies bedeutet, dass soweit eine geringere Vergütung tatbestandlich eine Benachteiligung wegen des Alters gemäß den §§ 1 und 3 Abs. 1 oder 2 AGG darstellt, eine Rechtfertigung nach § 10 AGG zwar weiterhin möglich ist, jedoch besondere Schutzvorschriften in Bezug auf das Alter als legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG ausscheiden.208 In der Praxis geht es bei dem legitimen Ziel aber nicht um die besonderen Schutzvorschriften selbst, sondern um die hieraus entstehenden Zusatzkosten der Beschäftigung eines besonders geschützten Arbeitnehmers.209 Zur Anwendung kommt die Beschränkung der legitimen Ziele in § 8 Abs. 2 AGG nur, wenn die Ungleichbehandlung wegen des Alters die Vergütung von Arbeitnehmern betrifft. Bei Differenzierungen nach dem Alter hinsichtlich anderer Arbeitsbedingungen und bei Entscheidungen über die Begründung und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen kommt § 10 AGG unmodifiziert zur Anwendung, so dass auch die Kosten im Zusammenhang mit Schutzvorschriften rechtfertigend berücksichtigt werden können. Zur Vergütung gehören in Anlehnung an den Entgeltbegriff des Art. 141 Abs. 2 EG grundsätzlich alle Leistungen, die der Arbeitgeber in Bezug auf die Arbeitsleistung unmittelbar oder mittelbar gewährt, und zwar nicht nur diejenigen, die im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Dienstleistung stehen.210 Dazu gehören beispielsweise die Grundlöhne, Zulagen, Gratifikationen, Einmalzahlungen, Prämien, Sondervergütungen, Sachbezüge und Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge.211 Zu Vereinbarungen im Sinne von § 8 Abs. 2 AGG zählen nicht nur Individualvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern auch arbeitsvertragliche Einheitsregelungen, Gesamtzusagen und Leistungen auf Grund betrieblicher Übung, sowie Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen.212 Zur Problematik, welche Arbeit „gleich oder gleichwertig“ im Sinne von § 8 Abs. 2 AGG ist, sei hier auf die Literatur zu § 612 Abs. 3 BGB a.F. verwiesen.213 Gleiche Arbeit wird danach angenommen, wenn die üblichen Tätigkeiten der verglichenen Personen identisch oder unter Berücksichtigung von Belastung, Verantwortung, Arbeitsbedingungen und Qualifikation jedenfalls gleichartig sind, so dass die Arbeitnehmer einander bei Bedarf ersetzen könnten.214 Die Gleichwertigkeit von Arbeit ist anhand von objektiven 208 Ähnlich auch ErfK-Schlachter, AGG, § 8 Rn. 5: „Ausgeschlossen wird lediglich ein besonderer Grund zur Rechtfertigung von Entgeltunterschieden bei gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit, nämlich das Vorhandensein besonderer Schutzvorschriften zugunsten der geringer entlohnten Gruppe.“ 209 Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 48. 210 ErfK-Preis, BGB, § 612 Rn. 51; Staudinger-Richardi, § 612 BGB Rn. 59; MüKoThüsing, AGG, § 8 Rn. 54 ff. 211 EuGH v. 11. 3. 1981 – Rs. 69 / 80, NJW 1981, 2637. 212 So zu § 612 Abs. 3 BGB a.F.: BAG v. 2. 8. 2006, AP Nr. 72 zu § 612 BGB, Rz. 18. 213 Vgl. ErfK-Preis, BGB, § 612 Rn. 62 f.; Staudinger-Richardi, § 612 BGB Rn. 60 ff.; HWK-Thüsing, BGB, § 612 Rn. 59 ff.; Thüsing, NZA 2000, 570 ff.

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Maßstäben der Arbeitsbewertung zu beurteilen, wobei die Praxis der Tarifvertragsparteien und die allgemeine Verkehrsanschauung als Anhaltspunkte dienen können.215 Ausgeschlossen von der Rechtfertigung von Entgeltdifferenzierungen ist nach § 8 Abs. 2 AGG das Vorbringen besonderer Schutzvorschriften wegen des Alters. Dies sind gesetzliche Sonderschutzbestimmungen, die spezifisch an die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern einer bestimmten Altersgruppe anknüpfen.216 Keine Schutzvorschriften im Sinne des § 8 Abs. 2 AGG sind Senioritätsprivilegien in Tarifverträgen.217 Als alterspezifische Schutzvorschriften zugunsten von Jugendlichen sind die begrenzte Arbeitszeit gemäß §§ 8 bis 18 JArbSchG, der verlängerte Urlaub gemäß § 19 JArbSchG, die Beschäftigungsverbote und -beschränkungen gemäß §§ 22 bis 27 JArbSchG sowie die erhöhten Fürsorgepflichten gemäß §§ 28 bis 31 JArbSchG zu nennen.218 Für ältere Arbeitnehmer stellt § 622 Abs. 2 BGB eine besondere Schutzvorschrift dar, da altersgestaffelte Kündigungsfristen den Schutz Älterer angesichts eines teilweise höheren Kündigungsrisikos und geringerer Wiedereingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer fortgeschrittenen Alters bezwecken.219 Gleiches gilt für die Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG.220 Schließlich bezweckt auch die altersgestaffelte Abfindung von Arbeitnehmern bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 Abs. 2 KSchG den regelmäßig erhöhten finanziellen Ausfall von älteren Arbeitnehmern und die geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen.221 Auch das Recht von Nachtarbeitern auf arbeitsmedizinische Untersuchungen auf Kosten des Arbeitgebers im Abstand von einem Jahr gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 ArbZG, stellt eine besondere Schutzvorschrift zugunsten älterer Arbeitnehmer dar. Keine besondere Schutzvorschrift wegen des Alters im Sinne von § 8 Abs. 2 AGG ist hingegen die Verpflichtung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 EFZG. Diese Norm zielt nicht spezifisch auf den Schutz einer Altersgruppe ab, ErfK-Preis, BGB, § 612 Rn. 62. Vgl. Gesetzesbegründung zu § 612 Abs. 3 BGB a.F., BT-Drucks. 8 / 3317, S. 10. Ausführlich zur Frage der gleichwertigen Arbeit unter dem AGG, Richardi, NZA 2006, 887; MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 47 ff. 216 Vgl. zum Merkmal Geschlecht, BAG v. 2. 8. 2006, AP Nr. 72 zu § 612 BGB, Rz. 17. 217 Auch unter § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. ist kein Urteil ersichtlich, in dem auf untergesetzliche Bestimmungen zum Schutz von Frauen abgestellt wurde. Kommentierungen zu § 8 Abs. 2 AGG benennen ebenfalls nur gesetzliche Schutzvorschriften ohne tarifliche Regelungen in Erwägung zu ziehen. Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 49; Schmidt-Schiek, AGG, § 8 Rn. 8. 218 So auch Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 49. 219 Vgl. Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 277; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 41. 220 Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 59; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 193 f. 221 Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 207. 214 215

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sondern auf Arbeitnehmerschutz allgemein. Gleiches gilt für Arbeitnehmerschutzvorschriften im BUrlG und ArbZG. Die Regelung des § 8 Abs. 2 AGG in Bezug auf das Merkmal Alter ist aus ökonomischer Sicht äußerst kritisch zu sehen.222 Für den Arbeitgeber sind die Kosten der Beschäftigung eines älteren Arbeitnehmers, die mit den oben genannten gesetzlichen Schutzvorschriften für Ältere einhergehen, ebenso maßgeblich für die Entlohnung, wie etwa die Produktivität des Arbeitnehmers. Gelten nur für bestimmte Arbeitnehmer Schutzrechte, die für den Arbeitgeber mit Kosten verbunden sind, muss er auch diese berücksichtigen und vom Lohn der betroffenen Arbeitnehmer abziehen.223 Wird die Verringerung des Lohnes in Höhe der Kosten im Zusammenhang mit den Schutzvorschriften gemäß § 8 Abs. 2 AGG gesetzlich verboten, finden sich diejenigen Arbeitgeber im Wettbewerb benachteiligt, die einen erhöhten Anteil der geschützten älteren Arbeitnehmer in ihrer Belegschaft haben. Sie tragen die Lohnkosten in Höhe der Grenzproduktivität der Arbeitnehmer und zusätzlich die Kosten der Schutzvorschriften im Zusammenhang mit der Beschäftigung der geschützten Arbeitnehmer. Angewendet auf besondere Schutzvorschriften zugunsten älterer Arbeitnehmer bedeutet dies, dass der Arbeitgeber neben den Lohnkosten noch Kosten trägt, die mit dem erhöhten Bestandsschutz Älterer nach § 622 Abs. 2 BGB und § 1 Abs. 3 KSchG bzw. höheren Abfindungszahlungen gemäß §§ 9, 10 Abs. 2 KSchG einhergehen.224 In Reaktion darauf wird ein Arbeitgeber die Beschäftigung der besonders geschützten Individuen nach Möglichkeit verhindern, indem er diese entweder nicht einstellt oder sich bevorzugt von ihnen trennt. Daher stellt das Verbot der Berücksichtigung der Kosten im Zusammenhang mit besonderen Schutzvorschriften bei der Rechtfertigung von Entgeltdifferenzierungen gemäß § 8 Abs. 2 AGG ein Beschäftigungshemmnis für die geschützten 222 Grundsätzlich gilt die folgende ökonomische Kritik nicht nur für den Ausschluss der Berücksichtigung von Kosten im Zusammenhang mit besonderen Schutzvorschriften, sondern auch für das Verbot von Entgeltdifferenzierungen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, das im Benachteiligungsverbot gemäß §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 AGG enthalten ist. Auch dies kann eine besondere Belastung für Arbeitgeber bedeuten, die einen hohen Anteil der geschützten Arbeitnehmergruppe beschäftigen. Die hier vertretene Berücksichtigung ökonomischer Konzepte bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG vorausgesetzt, können aber die meisten beschäftigungshemmenden Wirkungen dieses Verbots verhindert werden. Daher ist hier das Hauptaugenmerk auf § 8 Abs. 2 AGG gerichtet, der eine Berücksichtigung bestimmter wirtschaftlich relevanter Kosten gerade ausschließt. 223 Vgl. die Kritik zu § 612 Abs. 3 BGB a.F. bei Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 112. 224 Dass diese Kosten nicht bei jedem älteren Arbeitnehmer auftreten müssen, da es nicht zwangsläufig zu einer ordentlichen oder betriebsbedingten Kündigung kommen muss bzw. Abfindungen gemäß §§ 9, 10 Abs. 2 KSchG nicht bei Ende jedes Arbeitsverhältnis fällig werden, ist unerheblich. Der Arbeitgeber muss die erwarteten Kosten dieser Schutzvorschriften bereits bei der Einstellung von (zeitnah) in den Schutzbereich der Vorschriften fallenden Arbeitnehmern berücksichtigen. Die erwarteten Kosten sind das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit des Anfallens der Kosten im Zusammenhang mit den besonderen Schutzvorschriften und der Höhe dieser Kosten.

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6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Arbeitnehmer dar.225 Zwar könnte ein Teil der nachteiligen Auswirkungen der Norm dadurch kompensiert werden, dass gemäß § 7 Abs. 1 AGG auch unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen wegen des Alters bei der Begründung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses verboten sind. Jedoch ist dieser Benachteiligungsschutz nicht effektiv genug, um die beschäftigungshemmende Wirkung des § 8 Abs. 2 AGG zu beseitigen. Dies wird zum einen deutlich, wenn man die Erfahrungen mit dem U.S.-amerikanischen ADEA berücksichtigt, nach denen Benachteiligungen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnis erheblich schwieriger nachzuweisen sind und auch seltener erfolgreich klageweise geltend gemacht werden.226 Zum anderen verbietet § 8 Abs. 2 AGG ausdrücklich nur die Berücksichtigung der besonderen Schutzvorschriften bei der Entgeltbemessung, nicht jedoch bei der Begründung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. In diesen Situationen sind weiterhin Ungleichbehandlungen wegen des Alters zulässig, soweit sie gemäß § 10 AGG ein legitimes Ziel in verhältnismäßiger Weise verfolgen. Dazu können auch wirtschaftliche Ziele des Arbeitgebers, wie die Verringerung der Personalkosten, gehören. Mithin bleibt es bei einer beschäftigungshemmenden Wirkung des § 8 Abs. 2 AGG für ältere Menschen. Die Verschlechterung der Beschäftigungschancen Älterer durch die Regelung des § 8 Abs. 2 AGG läuft dem Sinn und Zweck der RL 2000 / 78 / EG in Bezug auf das Verbot der Altersdiskriminierung entgegen. Dabei ist zu beachten, dass die Erstreckung der Anwendbarkeit dieser Norm auf das Alter europarechtlich nicht geboten ist. Denn Art. 141 EG und Art. 1 RL 75 / 117 / EWG227 sehen das Gebot der Entgeltgleichheit für gleiche und gleichwertige Arbeit nur für das Merkmal Geschlecht vor.228 Die RL 2000 / 78 / EG zielt hingegen nur auf die Vermeidung willkürlicher Benachteiligungen wegen des Alters ab, was durch den besonderen Rechtfertigungsgrund für Ungleichbehandlungen wegen des Alters in Art. 6 Abs. 1 RL und in Erwägungsgrund 25 RL deutlich wird. Die Berücksichtigung von regulierungsbedingten Kosten bei der Entlohnung von Arbeitnehmern ist aber nicht sachfremd sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Des Weiteren verfolgt die RL 2000 / 78 / EG die Verbesserung der Beschäftigungssituation gerade älterer Menschen, wodurch ihre Teilhabe am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben gefördert werden soll.229 Eine beschäftigungshemmende Norm, wie § 8 225 Vgl. auch die ökonomische Kritik zu anderen equal pay Geboten: Alexis, in: Furstenberg / Horowitz / Harrison, Patterns of Racial Discrimination, S. 80; Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 408 f.; Issacharoff, 70 Tex. L. Rev. 1219, 1238 f.; Johnson, Cost of Workplace Regulations, S. 24; Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 583. 226 Dazu ausführlich im 5. Kapitel, unter A. I. 2. 227 Richtlinie 75 / 117 / EWG vom 10. 2. 1975, Abl. EG Nr. L45, S. 19. 228 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 360; Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien, A.Drucks. 15(12)440-C, S. 7. 229 Vgl. Erwägungsgründe 8, 9, 25 RL 2000 / 78 / EG und im 2. Kapitel, unter B. II.

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

235

Abs. 2 AGG, läuft dieser Zielsetzung diametral entgegen. Angesichts des Stellenwerts, den regulierungsbedingte Kosten im Zusammenhang mit der Beschäftigung älterer Menschen haben,230 ist diese Wirkung auch nicht gering zu schätzen. Dass der EuGH die Erstreckung der Wirkung des § 8 Abs. 2 AGG über das Merkmal Geschlecht hinaus auch auf das Merkmal Alter als europarechtswidrig einstufen könnte, ist jedoch zu bezweifeln. Auch wenn darin eine faktische Benachteiligung bestimmter Altersgruppen aufgrund von verringerten Arbeitsmarktchancen zu sehen ist, haben die Mitgliedsstaaten doch gerade bei der Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 RL einen erheblichen Spielraum. Die gesetzgeberische Entscheidung, Entgeltgleichheit zwischen Altersgruppen auf Kosten der Beschäftigungschancen dieser Personen zu schützen, ist ökonomisch zu kritisieren, verlässt aber wohl nicht den Rahmen gesetzgeberischen Ermessens bei der Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG. 6. Ergebnis Legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG sind unter Berücksichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht des Arbeitgebers oder der Tarifparteien zu beurteilen. Sie beinhalten jegliche gesetzlich nicht verbotenen Ziele, die auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen. Dabei bedeuten die Begriffe „objektiv und angemessen“ in § 10 Satz 1 AGG keine Einschränkung der möglichen legitimen Ziele. Des Weiteren sind diese auch nicht auf Ziele des Allgemeinwohls beschränkt. Bei der Auslegung des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG kann auf die Literatur und Rechtsprechung zum sachlichen Grund beim allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgegriffen werden, da der Prüfungsmaßstab hier identisch ist. Schließlich ist bei der Frage der Legitimität eines Ziels das ökonomische Argument der Allokationseffizienz zu berücksichtigen. Insbesondere können auch wirtschaftliche Beweggründe und die Kostenminimierung legitime Ziele des Arbeitgebers oder der Tarifparteien für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters sein. Nicht berücksichtigt werden können bei der Rechtfertigung einer geringeren Vergütung nach § 8 Abs. 2 AGG jedoch Kosten, die infolge besonderer Schutzvorschriften wegen des Alters entstehen.

III. Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 10 Satz 2 AGG Den Kern der Rechtfertigungsprüfung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters bildet das Erfordernis des § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung des legitimen Ziels angemessen und erforderlich sein müssen. Dies bedeutet die 230

Dazu im 3. Kapitel, unter C. IV.

236

6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Normierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters. Das Wort von der „schlechthin überragenden Bedeutung“ des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes231 lässt sich gut auf den Rechtfertigungsgrund des § 10 AGG übertragen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters kann deshalb nach § 10 Satz 2 AGG nur zulässig sein, wenn sie zur Erreichung des verfolgten legitimen Ziels geeignet ist, wenn es kein milderes, ebenso geeignetes Mittel zur Zielerreichung gibt und schließlich, wenn das Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und dem verfolgten Ziel angemessen im engeren Sinne ist, was im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu bestimmen ist.232 Diesen Anforderungen muss eine Ungleichbehandlung genügen, ob sie sich nun auf die Generalklausel des § 10 Satz 1 AGG stützt oder ob sie unter die Beispiele des § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG fällt.233 Der EuGH fordert in Fällen der Altersdiskriminierung eine an der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen ausgerichtete Prüfung der Zweck-MittelRelation.234 Dabei ist dem Arbeitgeber bzw. den Tarifparteien zuzumuten, dass sie regelmäßig überprüfen, ob die von ihnen verfolgten Ziele, sowie die von ihnen vorgenommene Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Mittel auch weiterhin relevant und gültig sind, oder ob eine Veränderung der Umstände eine andere Beurteilung erfordert.235 Das legitime Ziel oder die Verhältnismäßigkeitserwägungen müssen aber nicht in der Vereinbarung, auf der die Ungleichbehandlung beruht, ausdrücklich benannt werden.236 Schließlich können Arbeitgeber und Tarifparteien auch mehrere legitime Ziele mit einer Ungleichbehandlung wegen des Alters verfolgen.237 Diese werden dann zum Anknüpfungspunkt der Frage nach der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Mittel und müssen auch bei der Abwägung im Rahmen der Angemessenheit Berücksichtigung finden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist auch der Ort, an dem der „Zusammenstoß von Gleichbehandlungspflicht und Gewinnmaximierungsabsicht“238 im Einzelfall aufgelöst werden kann. Auch Karpen betont auf der Tagung am Bundesarbeitsgericht zur Folgenabschätzung im Arbeitsrecht im Jahr 2006: „Effizienz ist VerhältDreier-Dreier, GG, Band I, Vorb. Rn. 145. Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 34; ebenso zu den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, st. Rspr. des EuGH, vgl. EuGH v. 15. 5. 1986 – Rs 222 / 84 (Johnston), Slg. 1986, 1651 ff., Rz. 38 ; EuGH v. 26. 10. 1999 – Rs. C-273 / 97 (Sirdar), Slg. 1999, I-7403 ff., Rz. 26; EuGH v. 11. 01. 2000 – Rs. C-285 / 98 (Tanja Kreil), Slg. 2000, I-69 ff., Rz. 23; auch ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 3. 2007, 6 Ca 7405 / 06, unter 1. 233 ErfK-Schlachter, AGG, § 10 Rn. 2; vgl. bereits im 6. Kapitel, unter A. I. 234 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1347, Rz. 65. 235 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 40. 236 EuGH v. 16. 10. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), NZA 2007, 1221 f.; auch Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios de la Villa), Rz. 72. 237 So auch ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 3. 2007, 6 Ca 7405 / 06, unter 1. 238 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 48. 231 232

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

237

nismäßigkeit.“239 Nach Bizer und Führ weist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Berührungspunkte zum ökonomischen Prinzip auf, die es ermöglichen, die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse für juristische Fragestellungen fruchtbar zu machen.240 Beide Konzepte beinhalteten im Kern eine Prüfung der Zweck-Mittel-Relation und strebten so eine „möglichst (freiheits- bzw. ressourcen-) schonende, mit anderen Worten also eine möglichst ,verschwendungsfreie‘ Lösung“ an.241 Die Optimierungsintention des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – die Erreichung des Ziels bei einer Minimierung der Freiheitsbeeinträchtigung auf das „geradenoch-Notwendige“ – ähnele dem Effizienzprinzip, bei dem eine Zielerreichung bei minimalem Ressourceneinsatz verfolgt wird.242 Die Heranziehung des ökonomischen Prinzips bedeute aber keineswegs, dass nur wirtschaftliche Belange abgewägt werden. Vielmehr könnten auch ästhetische, altruistische und wertgebundene Präferenzen in die Nutzenfunktion eingestellt werden.243 Dieser Ansatz von Bizer und Führ wendet sich an den durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vielfältig gebundenen Gesetzgeber. Jedoch steht er der Berücksichtigung des ökonomischen Arguments im Rahmen der teleologischen Auslegung durch den Rechtsanwender im Sinne von Taupitz und Thüsing244 und auch der praktischen Konkordanz zwischen verschiedenen Methoden nach Grundmann245 nahe. Als Richtschnur für den Rechtsanwender, insbesondere für die Gerichte, kann die ökonomische Analyse innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung aber nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen an die Legalität des ökonomischen Arguments bei der Rechtsanwendung dienen. Daher darf die Allokationseffizienz nur insoweit die Rechtsanwendung leiten, als dass eine teleologische Auslegung der anzuwendenden Norm ergibt, dass dieses Merkmal auch (ein) Sinn und Zweck dieser Norm ist. Weiterhin sind die Kosten und Nutzen, die in der Zweck-Mittel-Relation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Berücksichtigung finden, sowie deren Gewichtung entscheidend durch die gesetzlichen Regelungen und gesetzgeberischen Wertungen geprägt. Im Falle der zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters gemäß § 10 AGG stehen die Ziele der Steigerung der Beschäftigung, Wirtschaftlichkeit und Effizienz neben den sozialen und menschenrechtlichen Zielsetzungen des Verbots von Benachteiligungen wegen des Alters.246 Daraus folgt, dass das ökonomische ArguKarpen, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 22. Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 5, 12; Bizer, Die Ökonomik der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 6 f. Auch Dreier unterstreicht den „rationalitätsverbürgenden Sinn der Verhältnismäßigkeitsprüfung“, Dreier-Dreier, GG, Band I, Vorb. Rn. 146. 241 Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 5. 242 Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 12. 243 Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 13. 244 Taupitz, AcP 1996, 127 f., 136; Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 349; hierzu im 2. Kapitel, unter A. II. 4. 245 Grundmann, RabelZ 1997, 444 ff.; hierzu im 2. Kapitel, unter A. II. 2. 246 Dazu ausführlich im 2. Kapitel, unter B. III. 239 240

238

6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

ment bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme durch den Rechtsanwender berücksichtigt werden darf und muss. Es ist aber dabei in Ausgleich zu bringen mit den anderen durch das AGG verfolgten Zielen. Zu beachten ist dabei, dass die wirtschaftlichen, sozialen und menschenrechtlichen Zielsetzungen des Verbots sachfremder Ungleichbehandlungen wegen des Alters nicht notwendigerweise in einem Gegensatz zueinander stehen, sondern sich regelmäßig gegenseitig bedingen. Denn die Verwirklichung der Gleichbehandlung kann auch für die Ziele der Steigerung der Erwerbsquote und der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie die optimale Ressourcenallokation am Arbeitsmarkt förderlich sein.247 Die Steigerung der Erwerbsquote verbessert ihrerseits die Teilhabe aller Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben.248 Schließlich fördern ein erhöhter Wettbewerb, verbesserte Beschäftigungschancen und Effizienz am Arbeitsmarkt auch die Verhinderung von Diskriminierungen.249 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind diese Ziele zu ihrer maximalen Wirkung miteinander in Ausgleich zu bringen. Dabei steht das ökonomische Argument gleichrangig neben den sozialen und menschenrechtlichen Zielen des Gleichbehandlungsgebots und ist auf allen Ebenen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen.

1. Geeignetheit Geeignet ist ein Mittel, wenn mit ihm das angestrebte Ziel erreicht werden kann.250 Die Maßnahme alleine muss zwar nicht zur vollständigen Zielerreichung führen, jedoch dazu einen fördernden Beitrag leisten.251 So müssen der Arbeitgeber oder die Tarifvertragsparteien Argumente dafür anführen können, dass das Ziel überhaupt erreichbar ist. Weiterhin ist der Beitrag der Maßnahme zur Zielerreichung darzulegen. Schließlich ist eine Eignung zu verneinen, wenn zielinkonforme Effekte einer Maßnahme deren zielkonforme Auswirkungen überwiegen.252 Regelmäßig ist eine empirische Überprüfung der Geeignetheit der Ungleichbehandlung nicht zu verlangen.253 Insgesamt führt Schiek aus, dass die Eignung einer Differenzierung zur Erreichung eines Ziels in der Regel vom EuGH und den Gerichten der Mitgliedsstaaten regelmäßig akzeptiert werden wird: „Lediglich offensichtlich unsinnige Argumente [ . . . ] führen erfahrungsgemäß zur Ablehnung einer Maßnahme auf der bereits ersten Stufe.“254 KOM(1999)565 endg, S. 29. Erwägungsgrund 9 RL 2000 / 78 / EG. 249 Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 8; Schmid, Gleichheit und Effizienz auf dem Arbeitsmarkt, S. 11 ff.; hierzu ausführlich im 2. Kapitel, unter B. I. 250 Preis / Mallossek, in: Oetker / Preis, EAS, B 4000, Rn. 70. 251 A.A.: Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 118. 252 Vgl. Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 16. 253 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 35. 247 248

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

239

2. Erforderlichkeit Hinsichtlich der Erforderlichkeit darf dem betroffenen Arbeitgeber bzw. den Tarifparteien kein milderes Mittel zur Verfügung stehen, das für die Erreichung des Ziels in gleicher Weise geeignet ist.255 Erforderlich ist daher eine Ungleichbehandlung, „wenn sie das mildeste Mittel zur Zielerreichung darstellt, dem Arbeitgeber also kein anderes, gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht, dass gar nicht oder weniger nachteilig für die benachteiligte Arbeitnehmergruppe wäre.“256 Hier liegen die größten Parallelen zum ökonomischen Prinzip: Es gilt eine Minimierung der Beeinträchtigung angesichts eines gleich bleibendem Einsatzes von Ressourcen zur gleich effektiven Zielerreichung zu ermitteln.257 3. Angemessenheit Schließlich muss das Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und dem verfolgten Ziel angemessen im engeren Sinne sein. Dabei ist auf den Gesamtcharakter der Maßnahme oder Regelung abzustellen, wie sich ihr Sinn einem objektiven Beobachter in der Arbeits- und Berufswelt darstellt.258 Die Angemessenheit im engeren Sinne ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen zu bestimmen.259 Auf der einen Seite ist das Ausmaß der benachteiligenden Auswirkungen der Maßnahme für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist die Relevanz des vom Arbeitgeber oder von den Tarifparteien angestrebten Ziels zu veranschlagen.260 Hinsichtlich der Gewichtung der beiderseitigen Interessen hat wiederum eine wertende Betrachtung im Lichte der Ziele des Altersdiskrimininierungsschutzes zu erfolgen. Dabei ist einerseits die Wertigkeit des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu beachten. Andererseits ist der Stellenwert des jeweiligen legitimen Ziels bei der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele der RL 2000 / 78 / EG – Steigerung der Beschäftigung, der Wettbewerbsfähigkeit und der Effizienz am europäischen Arbeitsmarkt – einzubeziehen. Schließlich muss berücksichtigt werden, inwiefern das verfolgte legitime Ziel nur eine der europäischen Zielsetzungen auf Kosten der anderen verfolgt oder ob diese dadurch gleichsam gefördert werden. Schiek-Schiek, AGG, § 3 Rn. 51. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 37; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 89. 256 Preis / Mallossek, in: Oetker / Preis, EAS, B 4000, Rn. 70. 257 Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 17. 258 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 118 f.; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 57. 259 Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 34. 260 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 90; Schiek-Schiek, AGG, § 3 Rn. 53; so auch für Großbritannien, Employment Equality (Age) Regulations 2006, Notes on Regulations, 3.15, S. 4. 254 255

240

6. Kap.: Auslegung der Regelungen des AGG aus ökonomischer Sicht

Andere Autoren beziehen in diese Abwägung lediglich die Wertigkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein.261 Dies ist angesichts der verschiedenen Ziele, die die RL 2000 / 78 / EG und das AGG im Bereich der Altersdiskriminierung verfolgen, abzulehnen. Auch der EuGH wägt in der Rechtssache Mangold im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 RL nicht allein im Lichte der Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ab. Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedeute, „dass bei Ausnahmen von einem Individualrecht die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich mit denen des angestrebten Zieles in Einklang gebracht werden müssen.“262 Dieses vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 3 TzBfG a.F. angestrebte Ziel lag in der Förderung der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden.263 Dieses Ziel der Beschäftigungssteigerung erkennt der EuGH ausdrücklich als legitim an264 und nimmt es in die Abwägung der betroffenen Interessen mit auf.265 Dies bedeutet für die Abwägung im Rahmen des § 10 AGG, dass neben den betroffenen Interessen der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Tarifparteien die gesetzgeberischen wirtschaftlichen, sozialen und menschenrechtlichen Wertungen hinter Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG berücksichtigt werden müssen. So ist beispielsweise auf Seiten des Arbeitnehmers in Anschlag zu bringen, wenn mit einer Ungleichbehandlung eine besondere Herabwürdigung der Person unter Verletzung des Gleichbehandlungssatzes liegt. Andererseits können Ziele des Arbeitgebers bzw. der Tarifparteien größeres Gewicht erlangen, wenn dadurch etwa Beschäftigungshemmnisse bezüglich des Alters abgebaut werde oder eine effiziente Allokation von Ressourcen am Arbeitsmarkt gefördert wird. Auch kann eine Ungleichbehandlung im Einzelfall geringer wiegen, wenn dadurch lediglich eine Markttrennung und keine Marktdiskriminierung einhergeht.266 Gleichsam verlieren wirtschaftliche Gründe des einzelnen Arbeitgebers in der Abwägung an Gewicht, wenn dieser Externalitäten außer Acht lässt, die geeignet sind, die Effizienz des Arbeitsmarktes insgesamt zu verringern. Die Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit im engeren Sinne weist Ähnlichkeiten mit der Kosten-Nutzen-Analyse der Ökonomie auf.267 Jedoch sind die Präferenzen, die dieser Kosten-Nutzen-Analyse zugrunde 261 Vgl. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 119; Schrader / Schubert-Däubler / Bertzbach, AGG, § 3 Rn. 60. 262 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1347, Rn. 65; vgl. auch EuGH v. 19. 03. 2002 – Rs. C-476 / 99 (Lommers), EuZW 2002, 349, Rz. 39. 263 BT-Drucks. 15 / 25, S. 40; dazu auch Maschmann-Annuß / Thüsing, Teilzeit- und Befristungsgesetz, § 14 Rn. 97; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 27. 264 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1347, Rn. 59 f. 265 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1347, Rn. 64 f. 266 Vgl. zur Markttrennung im 4. Kapitel, unter A. II. und im 7. Kapitel, unter A. II. 1 b) cc) (2). 267 Dazu Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 21 f.; Bizer, Die Ökonomik der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 7. Auch Wieacker weist

B. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

241

liegen, durch die Rechtsordnung zwingend vorgegeben. Die Auswahl dieser Wertungen entzieht sich der Ökonomie.268 Diese decken sich vielmehr mit den soeben angesprochenen Wertungen, die der Gesetzgeber einer Norm zugrunde gelegt hat. Im Falle des Verbots von sachwidriger Benachteiligungen wegen des Alters nach der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG bestimmen sich diese aus der wirtschaftlichen, sozialen und menschenrechtlichen Zielsetzung der Normen. Schließlich ergibt sich bei einer Kosten-Nutzen-Analyse unter Einbeziehung der rechtlich vorgegebenen Präferenzen – wie auch bei der Abwägung ohne Rückgriff auf ökonomische Prinzipien – regelmäßig das Problem der Quantifizierung der betroffenen Interessen. Gesetzgeberische Wertungen, wie insbesondere die menschenrechtliche Zielsetzung des Diskriminierungsschutzes, sind schwierig zu Bemessen. Aber auch für andere Güter im Rahmen der Abwägung existiert häufig kein Marktpreis. Auch Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit entziehen sich regelmäßig einer genauen Quantifizierung. Diese Wertungsprobleme treten jedoch in der Abwägung der betroffenen Interessen auch ohne Rückgriff auf die ökonomische Analyse des Rechts auf.

auf das Ökonomiegebot der Zweck-Mittel-Relation als Wurzel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hin, Wieacker, in: Lutter / Stimpel / Wiedemann, Festschrift Fischer, S. 878.: Durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei das Recht „notwendig auch an das Ökonomiegebot jeder Mittel-Zweck-Relation gebunden, welches im allgemeinen die Erforderlichkeit wie im besonderen die Verhältnismäßigkeit des gebotenen Mittels zum Zweck einschließt.“ 268 Auch nach Bizer und Führ ist der rationalitätssteigernde Effekt der Ökonomik im Rahmen der Angemessenheitsprüfung eher prozeduraler Natur. Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 21 f.

7. Kapitel

Anwendung ökonomischer Konzepte bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG Inhalt dieses Kapitels ist die Anwendung ökonomischer Konzepte bei der Rechtfertigung von verschiedenen Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG. Dabei wird auf die zur Altersdiskriminierung in den USA diskutierten ökonomischen Modelle und Argumente zurückgegriffen. Wie gezeigt stößt der ADEA in den USA aus ökonomischer Sicht teilweise auf erhebliche Kritik, und nur vereinzelt werden ihm auch effizienzfördernde Effekte zugeschrieben. Des Weiteren können durch das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem ADEA Einstellungshemmnisse für den geschützten Personenkreis entstehen. Der offene Rechtfertigungstatbestand des § 10 AGG ermöglicht es, die Auswirkungen auf die Effizienz am Arbeitsmarkt und die Effektivität des Verbots der Altersdiskriminierung bei der Frage zu berücksichtigen, inwieweit eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters in Deutschland zulässig ist. Wegen der auch ökonomischen Zielsetzung des Schutzes vor Altersdiskriminierung in der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG ist die Berücksichtigung dieser Faktoren bei der Auslegung von § 10 AGG sogar geboten. Gleichzeitig verhindert die Ausgestaltung des Rechtfertigungsgrundes des § 10 AGG eine allgemeingültige Einordnung von unterschiedlichen Behandlungen wegen des Alters als zulässig oder unzulässig. Kern der Rechtfertigung ist die Abwägung der betroffenen Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung bei der Erreichung eines legitimen Ziels. Bei der Anwendung der ökonomischen Modelle wird im Weiteren auf die Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG Bezug genommen, wo diese einschlägig sind. Hinsichtlich der allgemeinen Auslegung der Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG und der Einordnung in die bisherige Rechtsprechung zu Unterscheidungen wegen des Alters, insbesondere bei Pensionsgrenzen, wird auf die Kommentierungen zu § 10 AGG verwiesen.1 Gegenstand dieser Bearbeitung sind die Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG und die Regelbeispiele des § 10 Satz 3 AGG als Einfallstore für die Berücksichtigung der erarbeiteten ökonomischen Konzepte und Modelle hinsichtlich der Effizienz und der Effektivität bei der Auslegung des § 10 AGG.

1 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 15 ff.; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 18 ff.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 4 ff.; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 18 ff.

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

243

Ungleichbehandlungen im Arbeitsverhältnis können auf tarifvertraglicher, betrieblicher oder einzelvertraglicher Ebene auftreten, und alle diese Ebenen werden vom AGG erfasst. Die vorliegende Analyse untersucht aber nur die individuellen Entscheidungskalküle der Arbeitsvertragsparteien nach dem Prinzip des methodologischen Individualismus. Denn das Modell des rational handelnden Nutzenmaximierers lässt sich auf Entscheidungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gut anwenden. Es verliert aber hinsichtlich von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen an Erklärungs- und Prognosekraft, da hier andere Präferenzstrukturen vorherrschen. Denn die Motivationslage der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände unterscheidet sich vom Entscheidungskalkül des einzelnen Arbeitgebers oder Arbeitnehmers.2 Darüber hinaus ist in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen eine jede Maßnahme Teil eines ausgehandelten Gesamtpakets. Eine Regelung folgt daher oftmals nicht einem einzelnen Ziel, sondern ist im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Forderungen der Parteien und mit der Verhandlungssituation zu verstehen. Im Ergebnis können sich die Entscheidungskalküle des einzelnen Arbeitgebers und Arbeitnehmers auch im Einzelfall mit den Zielen der Betriebsparteien und der Tarifparteien decken. Soweit dies der Fall ist, haben die folgenden Erkenntnisse auch Bedeutung für Ungleichbehandlungen in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Soweit die Motive dieser Parteien jedoch von denen der Einzelarbeitnehmer und -arbeitgeber abweichen, ist eine veränderte Analyse unter Beachtung der jeweiligen Präferenzen erforderlich, die den Gegenstand dieser Arbeit verlässt.

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters I. Arbeitgeberpräferenzen Diskriminierungen aufgrund von Präferenzen des Arbeitgebers spielen hinsichtlich des Merkmals Alter eine nur untergeordnete Rolle am Arbeitsmarkt. Zum einen werden solche Präferenzen aufgrund der Besonderheiten des Merkmals Alter nur in Ausnahmefällen entscheidungsrelevant für Maßnahmen im Arbeitsverhältnis sein. Zum anderen wirken schon die Kräfte des Wettbewerbs an den Produktmärkten und am Arbeitsmarkt diskriminierungsfeindlich. Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund von Präferenzen, die durch Aversionen, Ignoranz, Vorurteile, Bosheit, Irrationalität oder persönlichen Vorlieben inspiriert sind, bringt 2 Vgl. zu den Besonderheiten der Normsetzung durch Tarifvertragsparteien, Berg, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 129 f.; zur ökonomischen Analyse der Gewerkschaften, Schnabel, Zur ökonomischen Analyse der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland; Sesselmeier / Blauermel, Arbeitsmarkttheorien, S. 97 ff.; Posner, 51 U. Chi. L. Rev. 988.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

für den präferenzbelasteten Arbeitgeber Kosten mit sich, die er am Markt nicht decken kann. Darin besteht ein Wettbewerbsnachteil solcher Arbeitgeber, der entweder eine Anpassung der Präferenzen herbeiführt oder ultimativ das Scheitern am Markt bedeutet. Ungleichbehandlungen wegen des Alters aufgrund von Arbeitgeberpräferenzen verstoßen gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG. Regelmäßig wird darin eine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG liegen, da die Präferenz sich unmittelbar gegen eine Altersgruppe richtet. Es ist aber auch denkbar, dass eine Präferenz für oder gegen neutrale Kriterien, etwa ein bestimmtes physisches Erscheinungsbild, besteht, die Personen einer bestimmten Altersgruppe in besonderer Weise betreffen. Dies wäre als mittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG einzuordnen. Einer Rechtfertigung nach § 10 AGG sind solche Benachteiligungen nicht zugänglich. Eine auf Aversionen, Ignoranz, Vorurteile, Bosheit, Irrationalität oder persönlichen Vorlieben basierende Präferenz des Arbeitgebers ist schon kein legitimes Ziel im Sinne dieser Vorschriften. Dies ist aus ökonomischer Sicht auch nicht zu beanstanden. Freilich ist ein Verbot von Präferenzdiskriminierungen aus dieser Perspektive nicht erforderlich, da die Mechanismen des Marktes die Vermeidung von Diskriminierungen dieser Art auf effizientere Weise erreichen, jedoch bedeutet ein Verbot derartiger Präferenzen auch keine erheblichen Effizienzverluste am Arbeitsmarkt. Mit dieser Art der Diskriminierung geht zwar eine Nutzenmaximierung des Arbeitgebers einher, die durch das gesetzliche Verbot des § 7 Abs. 1 AGG verhindert oder verringert wird. Jedoch ist mit der Präferenzverfolgung keine Gewinnmaximierung verbunden, so dass sie auch keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen bringt.3 Einzig zu bedenkender Nachteil eines Verbots der Ungleichbehandlung aufgrund von Arbeitgeberpräferenzen (neben den allgemeinen Kosten einer solchen Regulierung4) ist, dass sie Anreize für präferenzbelastete Arbeitgeber setzt, die missliebige Altersgruppe erst gar nicht einzustellen. Denn das Verbot allein ändert nicht die Präferenz des Arbeitgebers. Kann er das gesetzlich verordnete Verhalten, das im Konflikt mit seinen Vorlieben steht, nicht beispielsweise durch einen niedrigeren Lohn kompensieren, wird er versuchen, von der Einstellung insgesamt Abstand zu nehmen. Dadurch entsteht ein Einstellungshindernis gegenüber der eigentlich zu schützenden Arbeitnehmergruppe, die der durch die RL 2000 / 78 / EG verfolgten verbesserten Eingliederung dieser Gruppe in den Arbeitsmarkt entgegensteht.5 Aufgrund der Seltenheit solcher Präferenzen hinsichtlich des Alters bei Arbeitsmarktakteuren sollte diese Verhaltensfehllenkung durch das Benachteiligungsverbot aber nicht ins Vgl. Büsch, Statistische Altersdiskriminierung, S. 6. Vgl. hierzu die Folgenabschätzung der EU-Kommission im Anhang zu KOM(1999)565 endg., S. 27 ff.; sehr optimistisch dazu die Begründung zum AGG, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 3; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 190 ff.; in den USA: Johnson, Cost of Workplace Regulations, S. 22 ff. 5 Vgl. Erwägungsgründe 6, 8, 25 RL 2000 / 78 / EG; ausführlich im 2. Kapitel, unter B. II. und III. 3 4

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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Gewicht fallen. Somit sind Benachteiligungen aufgrund von Arbeitgeberpräferenzen nicht gerechtfertigt, sondern gemäß § 7 Abs. 1 AGG verboten.

II. Kundenpräferenzen Von größerer Bedeutung sind Ungleichbehandlungen wegen des Alters durch den Arbeitgeber aufgrund von altersbezogenen Präferenzen unter seinen Kunden. Diese werden zumeist als unmittelbare, können aber auch als mittelbare Benachteiligungen auftreten. Reagiert beispielsweise ein Betreiber einer Fluglinie auf Vorlieben seiner Passagiere für jüngeres Bordpersonal mit einer Altersgrenze,6 liegt darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 1 AGG. Wird bei der Einstellung eines Verkäufers auf die „Ansehnlichkeit“ des Bewerbes oder darauf, ob er einen „seriösen Eindruck“ macht, abgestellt, können dadurch ältere bzw. jüngere Kandidaten mittelbar benachteiligt sein.7

1. Rechtfertigung von Kundenpräferenzen nach § 10 AGG Fraglich ist, unter welchen Anforderungen eine Ungleichbehandlung aufgrund von Kundenpräferenzen nach dem AGG zulässig sein kann. Verbreitet wird die Rechtfertigung von Kundenpräferenzen am Maßstab der wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung des § 8 Abs. 1 AGG gemessen.8 Dabei wird an die bisherige Argumentation zur Geschlechterdiskriminierung angeknüpft. Hinsichtlich einer Diskriminierung wegen des Geschlechts ist die Berücksichtigung von Kundenerwartungen auf der Ebene der Rechtfertigung umstritten, wobei sie national wie international eher ablehnend behandelt wird.9 Die Rechtsprechung erklärte derartige Ungleichbehandlungen am Maßstab der „unverzichtbaren Voraussetzung“ für die Tätigkeit im Sinne von § 611a BGB a.F. nur dann für zulässig, wenn die Gründe dafür in der Privatsphäre der Kunden oder in der Authentizität des Unternehmens lagen.10 Im Bereich der Rasse und der Reli6 Vgl. das Vorbringen einer Airline hinsichtlich einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts in den USA: Diaz v. Pan American World Airways, Inc., 442 F.2d 385, 387 (5th Cir. 1971). Die Fluggesellschaft verteidigte ihre Einstellungspraxis mit Präferenzen ihrer Kunden für weibliche Stewardessen. Dies wurde vom Gericht nicht als BFOQ-Einrede anerkannt. 7 In einer Umfrage unter Personalverantwortlichen gab keiner der Befragten an, dass ältere Menschen ansehnlicher wären als jüngere. Ersteren wurde hingegen eher ein seriöses Auftreten zugeschrieben. Dazu Koller / Gruber, MittAB 2001, 489. 8 Vgl. nur Krause, in: Hanau / Thau / Westermann, Festschrift Adomeit, S. 380: „Die weiteren Rechtfertigungsgründe für unterschiedliche Behandlungen spielen in diesem Zusammenhang [ . . . ] nur eine nachgeordnete Rolle (§ 10 AGG).“ 9 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 114 f.; ausführlich Thüsing, RdA 2001, 321 f.; MüKoThüsing, AGG, § 8 Rn. 17 ff.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

gion ließ das BAG im Fall einer kopftuchtragenden Verkäuferin offen, ob eine Kundenpräferenz jemals eine Diskriminierung rechtfertigen kann.11 In der Literatur wird für Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts vertreten, dass die zur Realisierung eines bestimmten unternehmerischen Erfolgs notwendigen Maßnahmen prinzipiell als unverzichtbare Voraussetzungen im Sinne von § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. anerkannt werden müssten.12 Ein Arbeitgeber müsse sich nicht geschlechtsneutral verhalten, wenn er dadurch Erwartungen und Einstellungen seiner Kunden und Geschäftspartner, auf die er keinen Einfluss habe, zuwider handeln würde.13 Teilweise wird aber die Einschränkung gemacht, dass der Bestand des betreffenden Unternehmens nachhaltig gefährdet sein müsse.14 Andere lehnen die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts zur Bedienung von Vorurteilen der Kunden ab.15 In den USA können customer preferences eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts grundsätzlich nicht rechtfertigen.16 Nach den EEOC Richtlinien ist hinsichtlich des Geschlechts verboten: „The refusal to hire an individual because of the preferences of coworkers, the employer, clients or customers [ . . . ].“17 Ein solcher Hinweis fehlt in den Richtlinien der EEOC zum ADEA bezüglich des Verbots von Altersdiskriminierung. Jedoch kann die Berücksichtigung von Kundenpräferenzen nur in Ausnahmefällen durch die BFOQ-Einrede zur Verteidigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters vorgebracht werden, wenn die Altersanforderungen der Kunden eine Ungleichbehandlung als notwendig für den Kern des Geschäfts des Arbeitgebers ist („reasonably necessary to the essence of the particular business“).18 Dabei ist die Übernahme der Grundsätze zur customer preference zur Geschlechtsdiskriminie10 BAG v. 12. 11. 1998, NZA 1999, 371 f.; dazu ErfK-Schlachter, BGB, § 611a Rn. 23; Staudinger-Annuß, § 611a Rn. 64. Zur Privatsphäre im Bereich des Kaufs von Damenoberbekleidung: LAG Köln v. 19. 07. 1996, AuR 1996, 504; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 30; zur Authentizität: ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR 2002, 102. 11 BAG v. 10. 10. 2002, NJW 2003, 1685; vgl. dazu Thüsing / Wege, ZEuP 2004, 405 ff. 12 Staudinger-Annuß, BGB, § 611a Rn. 63. 13 Eich, NJW 1980, 2331 f. 14 KR-Pfeiffer, BGB, 7. Aufl., § 611a Rn. 53 f.; zweifelnd dazu MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 18. 15 HWK-Thüsing, BGB, § 611a Rn. 31. 16 Diaz v. Pan American World Airways, Inc., 442 F.2d 385, 387 f. (5th Cir. 1971). (Das Gericht lehnte die BFOQ-Einrede ab, wenn das Geschlecht eines Arbeitnehmers den Geschäftskern („essence of the business“) nur berührt); Fernandez v. Wynn Oil Co., 653 F.2d , 1273, 1276 f. (9th Cir. 1981) (diskriminierende Einstellungspraxis auf der Grundlage, dass die Geschäftspartner eines international operierendes Unternehmens lieber mit männlichen Arbeitnehmern verhandeln, ist nicht durch die BFOQ-Einrede gerechtfertigt); Wilson v. Southwest Airlines Comp., 517 F. Supp. 292, 303 (N.D. Tex. 1981) (Das Gericht unterstreicht, dass Kundenpräferenzen wegen des Geschlechts nur unter den Voraussetzungen des business necessity tests der BFOQ-Einrede zulässig sind.). 17 EEOC Guidelines, 29 C.F.R. § 1604.2 (a) (1) (iii) (2002). 18 Western Air Lines Inc. v. Criswell, 472 U.S. 400, 413 f. (1985); Trans World Airlines v. Thurston, 469 U.S. 111, 122 (1985).

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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rung unter Title VII Civil Rights Act auf die Altersdiskriminierung unter dem ADEA höchst wahrscheinlich. Es ist anerkannt, dass der ADEA dem Title VII des Civil Rights Act nachgebildet ist und dass die Interpretation von Normen des Title VII auch auf den ADEA anwendbar sind.19 Gerichtlich geklärt ist diese Frage freilich bis auf weiteres nicht, da der District Court California in Wynn v. National Broadcasting Company eine Sammelklage älterer Fernsehskriptschreiber gegen verschiedene Fernsehsender wegen Altersdiskriminierung zur Erfüllung von Kundenerwartungen bei der Einstellung mangels Zulässigkeit abgewiesen hat, ohne die Behandlung von Kundenpräferenzen unter dem ADEA zu erörtern.20 Anhand des Maßstabs des § 8 Abs. 1 AGG kommen Literaturstimmen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gänzlich gegen Kundenerwartungen als berufliche Anforderungen im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG votiert Hahn. Dies hätte „primär wirtschaftliche Gründe, deren Berücksichtigung im Rahmen des Diskriminierungsverbotes nicht zu tolerieren“ sei.21 Weiterhin würden dadurch „Vorurteile verfestigt, die das Verbot der Altersdiskriminierung ja gerade beseitigen möchte.“22 Andere übertragen die strengen Voraussetzungen, die das BAG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH zum Verbot der Geschlechterdiskriminierung entwickelt hat, auf alle anderen Merkmale des § 1 AGG.23 Danach ist eine berufsbezogene Rechtfertigung gemäß § 8 Abs. 1 AGG nur dann möglich, wenn ein Angehöriger des anderen Geschlechts die vertragsgemäße Leistung nicht erbringen könne und dieses Unvermögen auf Gründen beruht, die ihrerseits mit der gesetzlichen Wertentscheidung der Gleichberechtigung beider Geschlechter genügen.24 Im Ergebnis sollen nur Ungleichbehandlungen in Tätigkeiten, die ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordern und die der Zielsetzung des Diskriminierungsverbotes nicht widersprechen, rechtfertigungsfähig sein. Dies sei etwa bei einer Frauenreferentin 25 oder der Geschäftsführerin eines Frauenverbandes26 der Fall.27 Leider fehlt bei dieser Ansicht eine Auseinandersetzung mit den tatsäch19 Trans World Airlines v. Thurston, 469 U.S. 111, 121 (1985): „[I]nterpretation of Title VII [ . . . ] applies with equal force in the context of age discrimination, for the substantive provisions of the ADEA were derived in haec verba from Title VII.“ 20 Wynn v. National Broadcasting Company, Inc., 234 F.Supp. 2d 1067, 1074 ff. (S.D. Cal. 2002) (ausschließliche Einstellung jüngerer Skriptschreiber durch Fernsehsender, um damit den Erwartungen der Werbezeitkäufer zu entsprechen, die ihrerseits ein junges Fernsehpublikum ansprechen wollen); dazu Browne, 23 Loy. L. A. Ent. L. Rev. 125, 133 ff.; Dilts, 10 Comm. L. & Publ. Pol. 1, 16; a.A. hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit Alch v. Superior Court of Los Angeles, 122 Cal.App. 4th 339, 350 f. (Cal. App. 2nd Dist. 2004). 21 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 114. 22 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 115. 23 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 10 ff.; bereits zu Art. 4 Abs. 1 RL, Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 176 ff. 24 BAG v. 12. 11. 1998, NZA 1999, 372. 25 Dazu bereits LAG Hamm v. 10. 4. 1997, NZA-RR 1997, 315; LAG Berlin v. 14. 1. 1998, NZA 1998, 312. 26 Dazu bereits ArbG München v. 14. 2. 2001, NZA-RR 2001, 365.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

lichen und rechtlichen Unterschieden zwischen den einzelnen in § 1 AGG genannten Merkmalen. Auch finden sich keine Erläuterungen, wie sich die Übertragung der „Wertung“ der Rechtsprechung zur Geschlechterdiskriminierung28 auf das Merkmal Alter konkretisieren lassen könnte. Nach einer weiteren Ansicht können Kundenerwartungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 RL bzw. § 8 Abs. 1 AGG sein, wenn eine bestimmte altersmäßig begrenzte Kundengruppe „konstitutiver Teil des Unternehmenskonzeptes“ ist.29 Dass eine unternehmerische Ausrichtung auf einen bestimmten Kundenkreis einen rechtmäßigen Zweck im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG darstellt, könne angesichts der in den Staaten der Europäischen Union geltenden und in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union betonten Unternehmerfreiheit nicht zweifelhaft sein.30 Diese Rechtfertigung träfe beispielsweise auf die Theaterrolle des „jungen Liebhabers“31, das Model für Mode, die auf bestimmte Altersgruppen abzielt, den Moderator eines Musikfernsehsenders32 oder bei Funktionsträgern von Jungend- und Altersverbänden33 aber auch auf Personal bei der Beratung alterstypischer Probleme oder Produkte zu.34 Schwachpunkt dieser Ansichten ist, dass sie an die bisherige Rechtsprechung und Literatur zur Rechtfertigung einer Geschlechterdiskriminierung nach § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. anknüpfen, obwohl die Anforderungen des AGG an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters nicht so streng sind. Denn nicht § 8 Abs. 1 AGG, sondern § 10 AGG ist der maßgebliche Rechtfertigungstatbestand für Ungleichbehandlungen wegen des Alters.35 An eine Rechtfertigung nach dieser Norm sind geringere Anforderungen zu stellen. Das Alter der Person muss nach § 10 AGG keine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ sein, wie dies § 8 Abs. 1 AGG fordert. Es bedarf lediglich eines legitimen Ziels, zu dessen Erreichen die Ungleichbehandlung wegen des Alters ein verhältnismäßiges Mittel ist. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 13. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 10. 29 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 25; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 83; Waltermann, ZFA 2006, 314; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 26; Kania, in: Küttner, Personalhandbuch, § 144 Rn. 75 f.; Annuß, BB 2006, 1633; a.A. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 107; zweifelnd: Kocher, ARBEIT 2005, 316. 30 So Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 25 zu Art. 4 Abs. 1 RL. 31 Schmidt / Senne, RdA 2002, 83; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1237. 32 Kamanabrou, RdA 2006, 327. 33 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 83; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht, S. 274. 34 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 105. 35 Hierzu ausführlich im 6. Kapitel, unter A. II. 27 28

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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Weiterhin vermag die Übernahme der Argumentation gegen die Berücksichtigung von costumer preferences im Falle von Rassen- und Geschlechterdiskriminierungen auch inhaltlich im Bereich der Unterscheidungen wegen des Alters nicht zu überzeugen. Während beispielsweise Kunden eines Restaurants, die nicht von Angehörigen einer ethnischen Minderheit bewirtet werden wollen, regelmäßig in der Tat rassistisch motiviert sind, muss eine Präferenz bezüglich des Alters nicht diese niederen Beweggründe haben. So erwarten gegebenenfalls ältere Kunden einer Bank bei der Bevorzugung eines Beraters fortgeschrittenen Alters ein besonderes Verständnis für ihre Lebenssituation und mithin eine bessere Vertrauensbasis. Und auch jüngere Zuschauer einer Fernsehsendung pflegen nicht ein Vorurteil, das ältere Menschen zur Moderation einer Musiksendung nicht in der Lage sind, wenn sie einen gleichaltrigen Darsteller bevorzugen. Wenn Hahn betont, dass das Ankündigen von Programmabläufen als „maßgebliche Aufgabe“ eines Moderators von Alt und Jung gleichermaßen vorgenommen werden kann,36 verkennt er, dass sich eine im Wettbewerb stehende Fernsehsendung durch zahlreiche Faktoren ein Image geben muss, um Kunden für sich zu gewinnen und an sich zu binden. Dazu gehört neben der Auswahl des Programms, dem Stil der Sendung, dem Design des Studios oder der Sendezeit, eben auch die Wahl des Moderators nebst dessen Kleidung und Darstellungskunst. Gleiches gilt für eine Modeboutique oder ein Geschäft für Seniorenartikel. Schließlich spricht gegen die Ablehnung der Rechtfertigung von Kundenpräferenzen nach der Argumentation von Hahn, dass der pauschale Ausschluss wirtschaftlicher Erwägungen als legitime Ziele im Sinne des AGG keine Grundlage im Gesetz oder der zugrunde liegenden Richtlinie findet und auch deren Sinn und Zweck im Bereich der Altersdiskriminierung zuwider läuft.37 Somit kommt es im Bereich von Kundenpräferenzen für oder gegen bestimmte Altersgruppen unter dem AGG darauf an, ob darauf basierende Ungleichbehandlungen nach § 10 AGG zulässig sein können. Kundenpräferenzen werden in keinem Regelbeispiel des § 10 Satz 3 AGG ausdrücklich erwähnt. Lediglich eine Mindestaltersgrenze für den Zugang zu einer Beschäftigung aufgrund von Wünschen der Kundschaft könnte unter § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG subsumiert werden. Dies entbindet aber nicht von der Prüfung der Voraussetzungen des § 10 Satz 1 und 2 AGG und gibt auch mangels Angabe eines legitimen Ziels in § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG keinerlei Richtungsweisung. Daher sind Ungleichbehandlungen aufgrund von Kundenpräferenzen anhand der Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG zu beurteilen.

36 37

Hahn, Altersdiskriminierung, S. 115, Fn. 115. Dazu bereits ausführlich im 6. Kapitel, unter B. I. 4.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

a) Legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG Legitimes Ziel einer Ungleichbehandlung zur Bedienung von Kundenpräferenzen ist die profitable Verfolgung eines unternehmerischen Konzeptes, zu der insbesondere auch die unternehmerische Ausrichtung am Markt auf einen bestimmten Kundenkreis gehört. Ebenfalls Teil dieses legitimen Ziels ist die auf das Konzept ausgerichtete organisatorische und personelle Ausgestaltung des Unternehmens.38 Hinsichtlich der Legitimität dieses Ziels kann auf die in den Staaten der Europäischen Union geltende Unternehmerfreiheit verwiesen werden, die auch in Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zur Geltung kommt.39 Das AGG fordert insbesondere nicht vom Arbeitgeber, sein Unternehmenskonzept altersneutral auszurichten. Dies ist vom sachlichen Anwendungsbereich gemäß § 2 AGG schon nicht erfasst.40 So muss ein Produzent nicht versuchen, mit seiner Fernsehsendung alle Altersgruppen anzusprechen. Und auch ein Designer muss nicht auf altersübergreifende Zustimmung zu seiner Kollektion abzielen.41 Teil einer Unternehmensausrichtung ist aber auch, das Konzept im Rahmen der Gesetze möglichst gewinnbringend umzusetzen. Dabei ist die Ausrichtung an den Vorzügen und Abneigungen der Kunden ein für den wirtschaftlichen Erfolg maßgeblicher Faktor. Dem rational handelnden Unternehmer ist daher kein Vorwurf zu machen, wenn er kostengünstig kalkuliert und seine Produkte an die Wünsche seiner Konsumenten anpasst, auch wenn deren Präferenzen auf Vorurteilen beruhen sollten.42 Ein Aspekt des Produktes oder der Dienstleistung ist auch die personelle Besetzung, in der diese an den Kunden gebracht werden. Im Bereich der Geschlechterdiskriminierung wurde durch die Rechtsprechung auf das Schamgefühl oder die Privatsphäre der Kunden verwiesen, wenn die Einstellung lediglich weiblicher Verkäuferinnen beispielsweise für den Verkauf von Damenoberbekleidung (einschließlich Badebekleidung) gerechtfertigt wurde.43 Aus ökonomischer Sicht ist dieses Schamgefühl nichts anderes als eine (mitunter sehr starke) Präferenz gegen die Hilfe und Beratung durch Angehörige des anderen Geschlechts beim Anprobieren und Kauf von bestimmter (Unter-)wäsche.44 Ein Vgl. hierzu ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR 2002, 101. So auch Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 25 zum „rechtmäßigen Zweck“ im Sinne von Art. 4 RL; ebenso zu § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und unter direkter Bezugnahme auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR 2002, 102. 40 So auch Kania, in: Küttner, Personalhandbuch, § 144 Rn. 75; ähnlich Annuß, BB 2006, 1633. 41 a.A. wohl Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 17: Dem Arbeitgeber sei es nicht erlaubt, „über die Definition des Betriebs diskriminierende Kundenerwartungen profitabel zu bedienen.“ 42 Vgl. Somek, Rationalität und Diskriminierung, S. 23 f. 43 LAG Köln v. 19. 07. 1996, AuR 1996, 504; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 30; ErfK-Schlachter, BGB, § 611a Rn. 22. 44 Vgl. auch Thüsing, RdA 2003, 263. 38 39

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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Unternehmer, der mit seiner Geschäftsausrichtung dieser Vorliebe widerspricht, wird nicht viel Damenbekleidung dieser Art verkaufen. Das Anführen der Privatsphäre als Grund für die Rechtfertigung ist hingegen unter diesem Blickwinkel ungenau. Kein Kunde wird zum Betreten, Verbleib oder Konsum in einem Verkaufslokal, in dem seine Privatsphäre nicht gewahrt wird, gezwungen. Eine „Abstimmung mit den Füßen“ und ein entgangenes Geschäft für den Unternehmer ist die Folge. Erst wenn man vermuten müsste, dass der Markt aufgrund einer Fehlfunktion nur männliche Verkäufer in solchen Geschäften hervorbringen würde, wäre primär die Privatsphäre von Kunden betroffen. Im Kern ist also auch hier Grund der Rechtfertigung die Ermöglichung der profitablen Verfolgung eines unternehmerischen Konzepts. Gleiches gilt für bisherige Rechtfertigungen von Ungleichbehandlungen aus Gründen der Authentizität.45 Auch diese Art der Kundenpräferenz ist aus Sicht eines gewinnmaximierenden Unternehmers nicht mehr und nicht weniger relevant, als wenn die Vorliebe des Kunden irrational oder sogar böswillig ist. Auf der Prüfungsebene des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG sind die Motive hinter den Präferenzen der Geschäftspartner aber unbeachtlich. Das durch die Differenzierung verfolgte Ziel ist die profitable Unternehmensausrichtung selbst. Der Kontrolle durch das Benachteiligungsverbot des AGG unterliegt lediglich die Art und Weise der Verfolgung des Unternehmensziels durch Personalmaßnahmen des Arbeitgebers im Sinne von § 2 Abs. 1 AGG. Entscheidend für die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung wegen des Alters ist daher die Frage, ob diese ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel im Sinne von § 10 Satz 2 AGG zur profitablen Erreichung dieses Unternehmenskonzept ist. b) Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 10 Satz 2 AGG aa) Geeignetheit Die Ausrichtung an den Wünschen der Geschäftspartner ist zur profitablen Verfolgung eines Unternehmenskonzepts geeignet. Dies gilt auch für Präferenzen der Kunden hinsichtlich der personellen Besetzung eines Unternehmens. Eine Kundenpräferenz hinsichtlich des Alters bedeutet aus ökonomischer Sicht, dass Geschäftspartner Waren oder Dienstleistungen nur zu niedrigeren Preisen abnehmen, wenn damit eine Assoziierung oder ein Kontakt mit einer missliebigen Altersgruppe einhergeht. Anders formuliert, sind solche Kunden bereit, einen höheren Preis dafür zu bezahlen, dass ein solcher Kontakt ausbleibt.46 Für die unternehmerische Ausrichtung des Arbeitgebers stellen Präferenzen der Kundschaft maßgebliche Faktoren dar. Läuft sein Geschäftsmodell diesen Präferenzen entgegen, sinkt der Preis, den seine Kunden bereit sind, für seine Güter oder Dienstleistungen zu bezahlen. 45 Vgl. Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 83; ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR, 102. 46 Vgl. bereits im 4. Kapitel, unter A. I.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Manche Kunden werden ganz zu einem anderen Anbieter wechseln. Anderseits kann ein Unternehmer durch die Ausrichtung auf eine bestimmte Altersgruppe die Attraktivität seines Produktes steigern und einen höheren Preis verlangen.47 Es entspricht daher „intuitiver Wertung“, dass die Berücksichtigung der Präferenzen von Kunden grundsätzlich möglich sein muss.48

bb) Erforderlichkeit Erforderlich zur Erreichung dieses legitimen Ziels ist allerdings nur die Ungleichbehandlung wegen des Alters bei Arbeitnehmern, die auch von den Kunden wahrgenommen werden.49 Dies folgt bereits aus der ökonomischen Erklärung von Kundenpräferenzen als Disnutzen durch den Kontakt mit einer missliebigen Personengruppe bzw. Nutzen aus dem Kontakt mit der bevorzugten Personengruppe. Kundenpräferenzen spielen daher regelmäßig nur bei Dienstleistungen eine Rolle, bei denen Berührungspunkte zwischen Arbeitnehmern und Kunden bestehen. Denn beim Kauf von Waren wird der Käufer nur selten die Alterseigenschaften der an der Fertigung beteiligten Arbeitnehmer kennen oder jedenfalls indifferent bezüglich deren Alters sein.50 Die Wahrnehmbarkeit durch den Kunden kann entweder durch direkten Kundenkontakt geschehen, wie beispielsweise im Verkaufslokal eines Einzelhändlers oder bei einem Handelsvertreter. Aber auch andere aufgrund ihrer repräsentativen Funktion oder Stellung im Unternehmen besonders wahrnehmbare Personen sind erfasst.51 Auch die Wahrnehmbarkeit über Medien, wie in der Werbung oder in Fernsehsendungen, reicht aus, um eine Ungleichbehandlung erforderlich zu machen.

cc) Angemessenheit Schließlich muss die Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 10 Satz 2 AGG auch ein angemessenes Mittel zur Erreichung der Unternehmensausrichtung sein. Dabei sind auf der Arbeitgeberseite die Bedeutung des Unternehmenskonzepts und das Ausmaß der zu erwartenden Kundenreaktion sowie der damit zusammenhängenden Kosten zu beachten. Auf Seiten des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, welches Gewicht der durch die Ungleichbehandlung im Einzelfall ver47 So auch zu Kundenpräferenzen im Rahmen des zivilrechlichen Benachteiligungsverbotes gemäß §§ 19 ff. AGG, MüKo-Thüsing, AGG, § 20 Rn. 21. 48 Thüsing, RdA 2003, 263. 49 Dazu auch Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 26; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 107. 50 Vgl. England, in: Burstein, Equal Employment Opportunity, S. 60. 51 Vgl. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 107, der hierzu den Marketing-Manager als Beispiel nennt.

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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ursachten Herabsetzung beizumessen ist und wie sehr seine Teilhabemöglichkeiten am Arbeitsmarkt dadurch eingeschränkt werden. (1) Stellenwert des Interesses an einer Ungleichbehandlung Je höher der Stellenwert des Unternehmenskonzeptes desto gewichtiger sind die Arbeitgeberinteressen für eine Ungleichbehandlung. Dieses Konzept kann entweder die Ausrichtung auf eine altersmäßige Kundengruppe beinhalten52 oder aber Kunden aller Altersgruppen ansprechen, wobei jedoch die Art des Produkts oder der Tätigkeit in der Kundenvorstellung mit Personal eines bestimmten Alters verknüpft ist.53 Hoch ist der Stellenwert jedenfalls, wenn es sich um einen „konstitutiven Teil des Unternehmenskonzepts“54 oder um eine für den Unternehmenserfolg entscheidende Ausrichtung55 handelt. Bleibt ein Nachweis hinter dieser Schwelle zurück, bedeutet dies jedoch nicht automatisch die Unangemessenheit im Sinne von § 10 Satz 2 AGG, wenn eine Gesamtabwägung ergibt, dass die Interessen an einer Ungleichbehandlung diejenigen an einer Gleichbehandlung überwiegen. Einen geringen Stellenwert in der Abwägung der Interessen hat die bloße Behauptung einer Unternehmensphilosophie56 oder das Schaffen eines „jungen Images“ für das Unternehmen. Diese Zielsetzung ist sowohl hinsichtlich der angestrebten Kundengruppe als auch bezüglich der Art des Produkts oder der Tätigkeit zu unspezifisch, so dass sich nur selten hinreichende wirtschaftliche Argumente finden lassen werden, die eine Benachteiligung bestimmter Altersgruppen rechtfertigen können. Weiterhin ist bei der Einzelfallabwägung der betroffenen Interessen sowohl die Wahrscheinlichkeit der Kundenreaktion als auch deren wirtschaftliches Ausmaß zu berücksichtigen, wobei dem Arbeitgeber bei dieser Einschätzung ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.57 Dabei kann „nicht jede vage Befürchtung der negativen Reaktion eines unbedeutenden Teils der Kundschaft“ eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen.58 Der Arbeitgeber wird insoweit plauDazu gehört die Boutique für junge Mode oder der Musikfernsehsender. So ist denkbar, dass Kunden aller Altersgruppen eher die Beratung über High-Tech-Geräte durch jüngeres Personal wünschen. 54 Dazu für § 8 Abs. 1 AGG bzw. Art. 4 Abs. 1 RL: Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 26; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 25; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 83; Waltermann, ZFA 2006, 314; zu § 611a BGB: ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR 2002, 100. 55 So zu § 8 Abs. 1 AGG: Annuß, BB 2006, 1633; Kania, in: Küttner, Personalhandbuch, § 144 Rn. 75; ErfK-Schlachter, AGG, § 8 Rn. 3. 56 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 17; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 107. 57 Ähnlich im Bereich von § 8 Abs. 1 AGG: Annuß, BB 2006, 1633; Kania / Merten, ZIP 2007, 9; ebenso zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen im Zivilrecht durch Kundenpräferenzen, MüKo-Thüsing, AGG, § 20 Rn. 22. 58 MüKo-Thüsing, AGG, § 20 Rn. 22. 52 53

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

sibel darlegen müssen, dass Umsatzeinbußen, Preisnachlässe oder sonstige Kosten ihm bei einer präferenzwidrigen Gleichbehandlung drohen. Die Angabe der konkreten Höhe dieser Kosten ist nicht erforderlich, jedoch kann der Arbeitgeber durch den Nachweis von in Relation zur Unternehmensgröße und -situation erheblichen Kosten das Gewicht seiner Interessen verdeutlichen. Als Beweis für den Stellenwert seiner Unternehmensausrichtung und zur Abschätzung der Kundenreaktion kann der Arbeitgeber beispielsweise Umfragen unter seinen (potentiellen) Kunden vorlegen.59 Nicht erforderlich ist der Nachweis über konkrete Kundenbeschwerden. Regelmäßig werden nämlich Kunden ihren Unmut nicht durch eine Beschwerde beim Arbeitgeber artikulieren, sondern durch eine Anpassung ihres Konsumverhaltens reagieren. Sie werden die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmers weniger oder gar nicht mehr nachfragen. Schließlich ist eine „konkrete betriebliche Störung“, wie sie das BAG im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung einer Verkäuferin wegen des Tragens eines Kopftuchs während der Arbeitszeit verlangte,60 im Bereich des § 10 Satz 1 und 2 AGG nicht zu fordern. Dieses Urteil betraf das vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG erfasste Tragen eines religiösen Symbols,61 weshalb die Ungleichbehandlung strenger zu beurteilen war. Auch die RL 2000 / 78 / EG und das AGG stellen an eine Benachteiligung wegen der Religion die restriktiveren Rechtfertigungsanforderungen des Art. 4 Abs. 1 RL bzw. § 8 Abs. 1 AGG, die in § 9 AGG nur für Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen und Vereinigungen, die sich der gemeinschaftlichen Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, gelockert werden. § 10 Satz 1 und 2 AGG stellt hinsichtlich des Alters erheblich geringere Anforderungen. Teilweise wird die Berücksichtigung finanzieller Einbußen des Unternehmens bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen aufgrund von Kundenpräferenzen gänzlich infrage gestellt. Dem Arbeitgeber entstünde durch das Verbot der unterschiedlichen Behandlung nach Kundenpräferenzen kein Wettbewerbsnachteil gegenüber seinen Konkurrenten, da diese ja auch dem Gleichbehandlungsgebot unterlägen.62 Dies lässt außer Acht, dass finanzielle Belastungen für ein Unternehmen nicht nur relativ zu seinen Konkurrenten von Bedeutung sind, sondern auch absolut für das Unternehmen selbst. Hat ein Unternehmer ein Unternehmenskonzept gewählt, was durch die unternehmerische Freiheit geschützt und vom Anwen59 Vgl. ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR 2002, 102 zur Benachteiligung von männlichen Bewerbern für eine frauenspezifische Finanzberatung: „Die im vorgelegten Fragebogen bestätigte Akzeptanz des Konzepts durch die große Mehrzahl der Kundinnen spiegelt ein gesellschaftliches Bedürfnis nach einer spezifisch weiblichen Beratung in spezifisch weiblichen Lebenssituationen wieder.“; auch Fragebogen bei Diaz v. Pan American World Airways, Inc., 311 F.Supp. 559, 565 (S.D. Fla. 1971). 60 BAG v. 10. 10. 2002, NJW 2003, 1686. 61 BAG v. 10. 10. 2002, NJW 2003, 1687; BVerfG v.16. 5. 1995, NJW 1995, 2478. 62 So Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 17; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 114, Fn. 496; ebenfalls im Bereich der Geschlechterdiskriminierung, HWK-Thüsing, BGB, § 611a Rn. 31; Thüsing, RdA 2001, 323.

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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dungsbereich der RL 2000 / 78 / EG nicht erfasst ist, kann diese Wahl durch das Verbot der Berücksichtigung bestimmter Kundenpräferenzen erheblich beeinträchtigt oder sogar unmöglich gemacht werden. Denn durch die Versagung einer Rechtfertigung angesichts finanzieller Einbußen können einzelne Produkte, Vertriebsformen und Geschäftsideen unwirtschaftlich werden. Unternehmen, die sich auf diese Produkte, Vertriebsformen oder Geschäftsideen spezialisiert haben, entstehen dadurch wirtschaftliche Schäden, auch wenn sie einem Konkurrenten ebenfalls entstehen sollten. Aber auch im Vergleich zu Konkurrenten können einem Unternehmen Wettbewerbsnachteile drohen. So finden beispielsweise gerade kleinere Unternehmen im Vertrieb von Waren oftmals ihre Nische im Wettbewerb mit größeren Konkurrenten, indem sie die Preisnachteile wegen ihrer geringeren Verkaufszahlen (economies of scale) durch eine bessere Kundenbefriedigung in der Art des Vertriebs kompensieren. Zu dieser Ausrichtung des Vertriebs kann auch die Fokussierung auf bestimmte Altersgruppen oder die Bedienung von Kundenerwartungen hinsichtlich des Alters des Personals gehören. Versagt man diesen Unternehmen ihre Nische, droht ihnen die Verdrängung im Wettbewerb durch die Konkurrenz. Schließlich zeigen, wie bereits erörtert,63 im Bereich der Altersdiskriminierung auch Regelbeispiele, wie § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG, dass die Beachtung wirtschaftlicher Nachteile des Arbeitgebers im Rahmen der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen angezeigt ist. Wenn der Arbeitgeber gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG Altersgrenzen bei der Einstellung von Arbeitnehmern setzen darf, wenn ihm sonst unverhältnismäßige Kosten aufgrund einer zu kurzen Beschäftigungszeit vor dem Ruhestand entstünden, so können auch finanzielle Nachteile wegen der Außerachtlassung von Kundenpräferenzen in der Abwägung der Interessen Beachtung finden. Mithin dürfen drohende finanzielle Einbußen von Unternehmen in Verbindung mit dem Außerachtlassen von Kundenpräferenzen bei der Abwägung der betroffenen Interessen im Rahmen der Rechtfertigung berücksichtigt werden. Dies gesteht auch implizit die obige Ansicht zu, wenn sie überlegt, ob eine Bestandsgefährdung – also wirtschaftliche Einbußen bestandsgefährdenden Ausmaßes – einen Platz in der Abwägung um die Rechtfertigung von costumer preferences haben können.64 (2) Stellenwert des Interesses an einer Gleichbehandlung Auf der anderen Seite ist in der Abwägung zu berücksichtigen, in welchem Maße der Arbeitnehmer durch die Ungleichbehandlung herabgesetzt wird und wie sehr seine Teilhabemöglichkeiten am Arbeitsmarkt dadurch eingeschränkt werden. Das Maß der Herabsetzung durch eine Ungleichbehandlung hängt davon ab, wie sozial verwerflich oder sozial adäquat die Motive hinter den Kundenpräferenzen Ausführlich im 6. Kapitel, unter B. II. 4. Vgl. zu § 611a BGB a.F.: Thüsing, RdA 2001, 324; zu § 8 Abs. 1 AGG, MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 18, 20. 63 64

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

sind. Je verwerflicher die Kundenwünsche sind, desto größer ist die damit verbundene Herabwürdigung der betroffenen Merkmalsträger, und desto höher sind die Anforderungen an den Stellenwert der Unternehmensausrichtung sowie an die Wahrscheinlichkeit und die wirtschaftlichen Einbußen durch die Kundenreaktion.65 Thüsing schlägt vor, danach zu unterscheiden, „ob die Kundenerwartungen selber diskriminierend sind, die durch die Entscheidung des Arbeitgebers reflektiert und damit perpetuiert werden würden, oder ob den Kundenerwartungen ein solches Diskriminierungselement fehlt.“66 Einschränkend ist aber zu fordern, dass das Unternehmenskonzept des Arbeitgebers gerade auf die Bedienung der sozial verwerflichen Motive hinter den Präferenzen abzielen muss. Wird die Dienstleistung oder das Produkt des Arbeitgebers nur vereinzelt oder zufällig auch von präferenzbelasteten Kunden aufgesucht, steht dies der Angemessenheit einer Ungleichbehandlung nicht entgegen. Denn dann hat der Arbeitgeber auf diese Motive hinter den Präferenzen keinen Einfluss und wird sie oftmals nicht einmal kennen.67 Angewendet auf das Merkmal Alter bedeutet dies, dass nur in Ausnahmefällen eine besondere Herabwürdigung durch die Kundenausrichtung anzunehmen ist, da verwerfliche Einstellungen gegenüber Älteren eher selten sind.68 Persönliche (auch irrationale) Vorliebe für, größeres Vertrauen in oder höhere Identifikation mit Angehörigen einer Altersgruppe sind nicht sozial verwerfliche Motive eines Kunden. Nur wenn altersspezifische Kundenpräferenzen auf einer Aversion gegen eine Altersgruppe oder dem pauschalen Vorurteil ihrer Wertlosigkeit oder Leistungsunfähigkeit beruht, wird das Interesse an einer Gleichbehandlung die Arbeitgeberinteressen überwiegen. Weiterhin sind die Auswirkungen von Ungleichbehandlungen aufgrund von Kundenpräferenzen auf die Teilhabemöglichkeiten für bestimmte Altersgruppen am Arbeitsmarkt zu beachten. Diese sind aufgrund der Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG, die die Steigerung der Erwerbstätigkeit insbesondere von älteren Menschen zur Förderung ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Teilhabe einschließt, von besonderer Bedeutung.69 Die Arbeitsmarktchancen verschiedener Altersgruppen werden aber durch Diskriminierungen wegen Kundenpräferenzen grundsätzlich weniger berührt, da rational handelnde Arbeitgeber auf derartige Vorlieben in Kundschaft durch eine Markttrennung reagieren (segregation of the workforce).70 Einige Arbeitgeber spezialisieren sich etwa auf einen jüngeren Kun65 So auch zum zivilrechtlichen Benachteiligungsverbote, MüKo-Thüsing, AGG, § 20 Rn. 22. 66 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 336; MüKo-Thüsing, AGG, § 8 Rn. 19; ebenso Adomeit / Mohr, AGG, § 8 Rn. 40. 67 So auch Dammann, Diskriminierung im Zivilrecht, S. 106. 68 Vgl. zur geringen Verbreitung von verwerflichen Einstellungen gegenüber Älteren im 3. Kapitel, unter E. 69 Vgl. Erwägungsgrund 8 und 9 RL 2000 / 78 / EG; Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg, S. 3. 70 Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 106 ff.; Ehrenberg / Smith, Modern Labor Economics, S. 399 ff.; Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 575;

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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denkreis und bevorzugen daher jüngere Mitarbeiter in den Positionen mit Kundenrelevanz. Andere Unternehmer bedienen die Vorlieben eines älteren Publikums unter Zuhilfenahme älterer Arbeitnehmer. Schließlich werden andere ihre Nische in der altersgruppenübergreifenden Zielsetzunge finden. Die negativen Auswirkungen einer Markttrennung für die betroffenen Arbeitnehmer sind daher weitaus geringer als die einer Marktdiskriminierung.71 Nur wenn fast alle Kunden die Präferenz für eine bestimmte Altersgruppe teilen, kommt es zusätzlich zur Trennung des Marktes noch zu nachteiligen Arbeitsbedingungen für Angehörige dieser Gruppe.72 Es ist nicht zu erkennen, dass sich die Berücksichtigung von Alterspräferenzen der Kunden besonders negativ für eine bestimmte Altersgruppe auswirken wird. Zwar gibt es Berufe, die wegen ihrer Orientierung an einer jungen Kundschaft älteren Arbeitnehmern weniger offen stehen (beispielsweise der Moderator eines Musiksenders, der Verkäufer in einem Geschäft für junge Mode bzw. HighTech-Produkte oder das Model für junge Mode). Des Gleichen existieren aber auch Tätigkeiten, in denen ältere Menschen bevorzugt eingesetzt werden können (Berater für altersorientierte Finanz- oder Versicherungsprodukte73 oder Verkäufer und Werbedarsteller für Seniorenprodukte74). Beschäftigungsmöglichkeiten in letzterem Markt werden künftig eher wachsen, da auch die Kundenstruktur im demographischen Wandel einer Alterung unterliegt.75 Angesichts einer wachsenden Zahl von älteren Kunden, Verbrauchern und Dienstleistungsempfängern ist nicht zu erwarten, dass ältere Arbeitnehmer durch eine Markttrennung strukturelle Nachteile erfahren werden. Somit geht mit Kundenpräferenzen wegen des Alters regelmäßig keine strukturelle Versagung von Teilhabechancen am Arbeitsmarkt für bestimmte Altersgruppen einher. Sollte dies in bestimmten Branchen oder TätigSunstein, Free Markets and Social Justice, S. 152 ff.; Strauss, 79 Georgetown L. J. 1619, 1632 ff.; Diese Markttrennung macht Kundenpräferenzen im Gegensatz zu Arbeitgeberpräferenzen wettbewerbsresistent. Dazu Sunstein, 53 U. Chi. L. Rev. 1135, 1147 ff. 71 Ähnlich auch Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 337; MüKoThüsing, AGG, § 8 Rn. 20; zustimmend Adomeit / Mohr, AGG, § 8 Rn. 42; vgl. auch ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 03. 2007, BB 2007, 1736 ff. (Anm. von Hoff): Das Gericht hielt eine Höchstaltersgrenze für Piloten von 60 Jahren u. a. deshalb für angemessen, weil damit wegen der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bei einer anderen Fluggesellschaft, die höhere Altersgrenzen praktiziert, keine Zwangsverrentung verbunden sei. 72 Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 575 f. 73 Vgl. hierzu für den Bereich der Geschlechterdiskriminierung: ArbG Bonn v. 8. 3. 2001, NZA-RR 2002, 100 (Ein Finanzdienstleistungsunternehmen kann für sich ein frauenspezifisches Betätigungsfeld und eine darauf gerichtete Organisation in Anspruch nehmen, die es erfordert, dass die Beratungstätigkeit ausschließlich von weiblichen Kundenbetreuerinnen wahrgenommen wird. In diesem Fall sei das Geschlecht „unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit“ im Sinne von § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.); dazu Hunold, NZA-RR 2006, 562; zustimmend: Staudinger-Annuß, BGB, § 611a Rn. 64; a.A. MüKo-Müller-Glöge, BGB, § 611a Rn. 44; Kamanabrou, RdA 2006, 327. 74 Vgl. Simitis, KritV 2004, 233. 75 Vgl. zum wirtschaftlichen Potential älterer Menschen in den USA, Flessner, Ältere Menschen, demographische Alterung und Recht, S. 131 ff.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

keiten jedoch im Einzelfall anders sein, ist diesem Argument einiges Gewicht in der Abwägung der Interessen beizumessen. dd) Besonderheiten bei Kündigungen Sollte der Arbeitgeber auf Kundenpräferenzen im Einzelfall mit einer Kündigung reagieren, sind zusätzlich zu den Vorgaben des AGG76 die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Druckkündigung zu beachten. Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Das BAG ordnet derartige Kündigungen einzelfallabhängig als verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung ein.77 Es wird zwischen unechter und echter Druckkündigung unterschieden.78 Bei ersterer knüpft das Verlangen des Dritten an das Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers oder an einen in dessen Person liegenden Grund an. Dann liege es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung ausspreche.79 Liegt der Druck auf den Arbeitgeber unmittelbar in einem Merkmal nach § 1 AGG begründet, ist dies nicht als Grund in der Person oder im Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers anzuerkennen.80 Nur bei mittelbarem Anknüpfen an ein Merkmal des § 1 AGG ist eine objektive Rechtfertigung und damit eine unechte Druckkündigung denkbar. Setzen jedoch Dritte den Arbeitgeber gerade wegen des Alters des Arbeitnehmers unter Druck, so sind an eine Kündigung die strengeren Maßstäbe der echten Druckkündigung in Form einer betriebsbedingten Kündigung zu stellen. Das bloße Verlangen Dritter ist dann nicht ohne weiteres geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen, sondern der Arbeitgeber muss sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen und alles ihm Zumutbare versuchen, um Dritte von deren Drohung abzubringen. Nur für den Fall, dass diese Versuche des Arbeitgebers keinen Erfolg haben, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.81 Regelmäßig kommt nur eine Rechtfertigung zur Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden in Betracht.82 Entspricht eine Kündigung wegen Kundenpräferenzen diesen Anforderungen an eine Druckkündigung, so liegt darin auch eine zulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG.83 Der gegenteiligen Ansicht von Däubler, nach der auch eine nach 76 Auch wenn die Anwendbarkeit des AGG im Fall von Kündigungen durch § 2 Abs. 4 AGG infrage gestellt wird (str., hierzu im 5. Kapitel, unter B.), bleiben strengere Maßstäbe aus dem Kündigungsschutzrecht jedenfalls bestehen. 77 Vgl. BAG v. 18. 9. 1975, NJW 1976, 869; BAG v. 19. 6. 1986, NZA 1987, 22; BAG v. 4. 10. 1990, NZA 1991, 468; BAG v. 31. 01. 1996, NZA 1996, 584. 78 ErfK-Ascheid / Oetker, KSchG, § 1 Rn. 276 ff. 79 BAG v. 31. 01. 1996, NZA 1996, 584. 80 So auch MüKo-Thüsing, AGG, § 12 Rn. 14. 81 BAG v. 31. 01. 1996, NZA 1996, 584; ErfK-Ascheid / Oetker, KSchG, § 1 Rn. 279 f.; MüKo-Hergenröder, KSchG, § 1 Rn. 264 ff. 82 BAG v. 19. 6. 1986, NZA 1987, 22.

A. Präferenzen von Marktteilnehmern hinsichtlich des Alters

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herkömmlichen Maßstäben rechtmäßige Druckkündigung einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG darstellt, soweit der aufgebaute Druck im Zusammenhang mit einem der Merkmale des § 1 AGG steht,84 kann in Hinblick auf das Merkmal Alter nicht gefolgt werden. Der maßgebliche Rechtfertigungstatbestand des § 10 AGG stellt an eine zulässige Ungleichbehandlung keine über die an eine Druckkündigung gestellten hinausgehenden Anforderungen.

2. Zusammenfassung Ungleichbehandlungen wegen des Alters zur Befriedigung von Kundenpräferenzen können zur Erreichung des legitimen Ziels der profitablen Verfolgung eines Unternehmenskonzeptes nach § 10 AGG gerechtfertigt sein. Dabei sind die Anforderungen an eine Rechtfertigung geringer als bei der Berücksichtigung von Kundenwünschen nach der Rechtsprechung zur unverzichtbaren Voraussetzung gemäß § 611a BGB a.F. und den Vorschlägen in der Literatur zur wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung nach § 8 Abs. 1 AGG. Erforderlich sind Ungleichbehandlungen aber nur, wenn sie Positionen betreffen, die von den Kunden auch tatsächlich wahrgenommen werden. Schließlich muss der Arbeitgeber für eine Rechtfertigung nachweisen, dass der Stellenwert seines Unternehmenskonzepts und die sonst drohenden wirtschaftlichen Einbußen das Interesse des Arbeitnehmers an einer Gleichbehandlung überwiegen. Dabei ist zu beachten, dass eine Ungleichbehandlung desto weniger herabwürdigend ist, je sozial adäquater die dahinter stehenden Kundenwünsche sind, und dass die Arbeitsmarktchancen durch die Ungleichbehandlung desto weniger beeinträchtigt werden, je eher im Ergebnis eine Markttrennung und keine Marktdiskriminierung anzunehmen ist.

III. Mitarbeiterpräferenzen Schließlich können auch die Mitarbeiter Präferenzen für oder gegen Angehörige einer bestimmten Altersgruppe in ihrem Kollegenkreis haben (co-worker preferences). Hierzu sind die ökonomischen Ausführungen hinsichtlich der Kundenpräferenzen weitestgehend übertragbar. Eine Präferenz bei einem Arbeitnehmer äußert sich, wirtschaftlich gesprochen, darin, dass er einen höheren Lohn verlangen wird, wenn er am Arbeitsplatz mit Arbeitnehmern aus der missliebigen Altersklasse zusammenarbeiten muss.85 Spiegelbildlich kann daher ein Arbeitgeber einen präferenzbelasteten Arbeitnehmer günstiger einstellen, wenn er dessen Präfe83 So allgemein zu Ungleichbehandlungen wegen eines Grundes aus § 1 AGG, MüKoThüsing, AGG, § 8 Rn. 24, § 12 Rn. 14. 84 Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 7 Rn. 261. 85 Allgemein dazu England, in: Burstein, Equal Employment Opportunity, S. 60; Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 575.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

renzen bei der Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft berücksichtigt. Für den rational handelnden Arbeitgeber stellen Arbeitnehmerpräferenzen daher grundsätzlich relevante Faktoren bei der Auswahl seiner neuen Mitarbeiter dar. Auch diese Spielart des Präferenzmodells ist weitestgehend wettbewerbsresistent und kann zu Markttrennung führen.86 Es ist davon auszugehen, dass diese Art der Präferenzen hinsichtlich des Merkmals Alter eine zu vernachlässigende Rolle spielen wird. Zwar ist denkbar, dass ein junger Arbeitnehmer gerne in einem „jungen, dynamischen Team“ arbeiten möchte. Andererseits könnte ein junger Arbeitnehmer aber auch gerade ältere, erfahrenere Kollegen interessant finden, da er von deren Wissen am Arbeitsplatz profitieren kann. Ebenso können Präferenzen älterer Arbeitnehmer unterschiedlich ausfallen. Jedoch werden derartige Präferenzen nur selten besonderes Gewicht bekommen. Die altersspezifischen Vorlieben einer Belegschaft werden kaum derart übereinstimmen, dass sie ein Arbeitgeber sinnvollerweise bei der Einstellung neuer Mitarbeiter berücksichtigen kann. Auch Druckkündigungen wegen Abneigungen der Mitarbeiter hinsichtlich bestimmter Altersgruppen sind kaum zu erwarten. Sollte der Arbeitgeber jedoch im Einzelfall aufgrund einer Alterspräferenz seiner Mitarbeiterschaft eine Ungleichbehandlung vornehmen, käme eine Rechtfertigung nach § 10 Satz 1 und 2 AGG regelmäßig nicht in Betracht. Zwar könnte er als legitime Ziele die Wahrung des Betriebsfriedens, den reibungslosen Arbeitsablauf im Betrieb oder den Erhalt einer produktiven Belegschaft anführen. Diese legitimen Ziele werden durch den von der Belegschaft auf den Arbeitgeber ausgeübten Druck, etwa zur Nichteinstellung, Versetzung oder Entlassung einer bestimmten Person, gefährdet. Jedoch werden Antipathien von Mitarbeitern hinsichtlich bestimmter Altersgruppen selten die Intensität erreichen, dass eine Ungleichbehandlung ein verhältnismäßiges Mittel im Sinne von § 10 Satz 2 AGG sein kann. Jedenfalls muss der Arbeitgeber den Nachweis einer eingetretenen oder drohenden wirtschaftlichen Schädigung des Unternehmens durch die Störung des Betriebsfriedens bzw. des reibungslosen Arbeitsablaufs im Betrieb oder durch die Senkung der Produktivität der Belegschaft erbringen. Dabei ist auf konkrete Drohungen durch Mitarbeiter oder Vorkommnisse zu verweisen. Die Schädigung muss so erheblich sein, dass sie das Interesse des Arbeitnehmers an einer Gleichbehandlung überwiegt. Im Falle einer Kündigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber aufgrund von Mitarbeiterpräferenzen sind neben den Vorgaben des AGG die Anforderungen der Rechtsprechung an eine Druckkündigung zu beachten. Eine rechtmäßige Kündigung aufgrund des Drucks der Mitarbeiter in Hinblick auf das Alter des Gekündigten wäre dann auch eine zulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 10 AGG.

86 Sunstein, Free Markets and Social Justice, S. 152 ff.; Schwab, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 575 f.; vgl. im 4. Kapitel, unter A. II.

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy Bei der statistischen Altersdiskriminierung wird das Alter oder ein altersbezogenes Merkmal am Arbeitsmarkt angesichts von unvollkommener Information als Indikator für bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften von Personen verwendet. Dieses ökonomische Modell hat einen hohen Erklärungswert für die Verbreitung von Unterscheidungen wegen des Alters in Beruf und Beschäftigung.87 Eine statistische Korrelation zwischen dem proxy „Alter“ und bestimmten Fähigkeiten oder Eigenschaften eines Menschen liegen beinahe allen Ungleichbehandlungen wegen des Alters zugrunde.88 Jedoch kommt diesem Argument unterschiedliches Gewicht bei der Entscheidungsfindung von Arbeitsmarktakteuren zu, und es wird teilweise durch andere Erwägungen überlagert. Die weitere Bearbeitung wird sich daher auf die prominentesten Vertreter statistischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt konzentrieren: Altersgrenzen bei der Begründung und bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Hier hat die der statistischen Diskriminierung innewohnende Reduzierung von Informationskosten ein besonderes Gewicht. Andere Ungleichbehandlungen mit statistischen Elementen, wie an Altersgrenzen anknüpfende Vorteile im Arbeitsverhältnis oder statistisch mit höherem Alter verbundene Humankapitaleigenschaften, werden anhand der dort dominanten ökonomischen Erwägung erläutert.

I. Minimalkostenkombination zwischen Informationsund Fehlerkosten und Effizienz Ziel der statistischen Diskriminierung durch den Arbeitgeber ist die Minimalkostenkombination zwischen Informations- und Fehlerkosten. Auf der einen Seite gehen mit der Verwendung des Alters oder eines mittelbar mit dem Alter verknüpften Merkmals als proxy Einsparungen von Informationskosten im Vergleich zur individuellen Überprüfung der einzelnen Kandidaten einher, da diese Indikatoren regelmäßig einfacher zu erkennen und zu verwalten sind. Auf der anderen Seite Vgl. ausführlich im 4. Kapitel, unter B. IV. Auch der Gesetzgeber bedient sich des Alters als proxy. So ist das Sozialauswahlkriterium „Lebensalter“ in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG im Sinne eines pauschalierenden Maßstabs für die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen (vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 43). Dass diese Chancen am Arbeitsmarkt mit höherem Alter sinken, ist statistisch zutreffend. Unbestreitbar ist aber gleichzeitig, dass dies nicht für die Chancen jedes älteren Arbeitnehmers im Vergleich zu Jüngeren richtig ist. Jedoch ist es nachvollziehbar, dass sich das Gesetz vereinfachend des Alters als Indikator für Arbeitsmarktchancen bedient. Eine (ohnehin komplizierte) Sozialauswahl unter Berücksichtigung der durch Fähigkeiten, Beruf, Konjunktur, Bemühung und Glück beeinflussten individuellen Wahrscheinlichkeit, wieder eine Anstellung zu finden, würde den Rahmen des für die Arbeitsvertragsparteien und die Gerichte Darstellbaren verlassen. 87 88

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

entstehen durch die Annahme einer nur statistisch zutreffenden Eigenschaft oder Fähigkeit des Arbeitnehmers Fehlerkosten, während eine Einzelfallprüfung zumeist die wirklichen Attribute des Kandidaten zutreffender ermittelt. Daher wird ein Akteur nur dann auf statistische Diskriminierung zurückgreifen, wenn die dadurch eingesparten Informationskosten die damit einhergehenden Fehlerkosten überwiegen. Entscheidende Faktoren dafür sind die Verfügbarkeit, Genauigkeit, Kosten und Nutzen der individuellen Prüfung im Vergleich zur proxy-Verwendung. Weiterhin bestehen im Wettbewerb wirksame Anreize, nicht nur die Entscheidung zwischen statistischer Diskriminierung und Einzelüberprüfung nutzenmaximierend zu treffen, sondern auch den verwendeten proxy hinsichtlich seiner Genauigkeit zu optimieren. Schließlich ist statistische Diskriminierung allgemein als effizient einzuordnen, wobei suboptimale Anreize zur verringerten Investition in Humankapital und zum Wechsel in den individualisierten Arbeitsmarkt im Einzelfall berücksichtigt werden müssen.89 Hahn hofft jedoch, dass die Effizienz und Rationalität der Entscheidungen des Arbeitgebers infolge eines Verbotes der Benachteiligung wegen des Alters zunehmen werden, „da das unzulässige Motiv der Altersdiskriminierung durch die fachliche Eignungsprüfung bei der Personalauswahl überlagert wird.“90 Dies ist leider nicht zwangsläufig der Fall. Zum einen verpflichtet das AGG nicht zur Vornahme einer Eignungsprüfung. Denn eine Pflicht zur qualifikationsbezogenen Auswahl, wie beispielsweise die Auswahl nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nach Art. 33 Abs. 2 GG, wird dem Arbeitgeber durch § 7 Abs. 1 AGG nicht auferlegt.91 Alle sachlichen und unsachlichen Erwägungen können weiterhin die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers prägen. Nur wenn die Erwägung unmittelbar oder mittelbar altersbezogen ist, bedarf es der Rechtfertigung nach § 10 AGG. Des Weiteren muss ein Arbeitgeber nicht zwangsläufig auf das Verbot des Alters-proxy mit individuellen Tests der Leistungsfähigkeit oder der Eigenschaften eines Arbeitnehmers reagieren. Vielmehr kann er auch auf andere (weniger effiziente) Indikatoren bei der Entscheidungsfindung zurückgreifen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.92 Weiterhin verringert das AGG die Möglichkeiten und die Anreize für den Arbeitgeber zum signaling vor einer Bewerbung, was zu verschlechtertem matching zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen kann. Signaling ist das Preisgeben relevanter Informationen gegenüber einem potentiellen Vertragspartner angesichts von asymmetrisch verteilter Information über Eigenschaften, Umstände oder Anforderungen in Bezug auf die potentiellen Vertragspartner oder das Geschäft. Im Bereich des Arbeitsmarktes kann beispielsweise ein Bewerber eine bestimmte HumankapitalHierzu ausführlich bereits im 4. Kapitel, unter B. III. Hahn, Altersdiskriminierung, S. 88, Fn. 341. 91 So auch Hahn, Altersdiskriminierung, S. 85; bereits zu § 611a BGB a.F., Fastrich, RdA 2000, 68. 92 Vgl. dazu bereits im 4. Kapitel, unter B. V. 89 90

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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ausstattung signalisieren, indem er dem Arbeitgeber Abschlüsse vorlegt. Gleichsam kann der Arbeitgeber seine Anforderungen an einen Arbeitnehmer und die Inhalte einer Tätigkeit durch eine Stellenbeschreibung offen legen. Ergebnis von signaling ist regelmäßig ein besseres Zusammenpassen der Vertragsparteien (matching), dass den Nutzen auf beiden Seiten mehrt.93 Die Reaktion auf das Haftungsrisiko aus dem AGG ist häufig die Kürzung der Arbeitsplatzbeschreibung und des Anforderungsprofils auf das absolute Mindestmaß. Jede weitere Umschreibung birgt das Risiko als Indiz beim Nachweis einer Benachteiligung zu dienen.94 So wird vertreten, dass die Frage nach dem Alter künftig unzulässig sein soll,95 und das Wörter wie „flexibel“, „aufgeschlossen“ oder „dynamisch“, sowie die Beschreibung der Eigenschaften des jetzigen Teams eine Indizfunktion haben.96 Schließlich wird das Signalisieren von Vorstellungen des Arbeitgebers über das ideale Alter oder das Vorhandensein von mittelbar an das Alter anknüpfenden Eigenschaften durch das AGG rechtfertigungspflichtig. Daher wird der Arbeitgeber zunehmend von diesem signaling absehen, obwohl die jeweiligen Vorstellungen bei ihm fortbestehen. Dadurch kann die Zahl der von vornherein nicht zielführenden Bewerbungen zunehmen, womit eine Verschwendung von Ressourcen des Arbeitnehmers durch die Vorbereitung und des Arbeitgebers durch die Bearbeitung einhergeht. Schließlich ist das Lebensalter nach den Erkenntnissen zur statistischen Diskriminierung häufig ein aussagekräftiges Merkmal, mit Hilfe dessen Informations- und Fehlerkosten minimiert werden können. Mit einem Verbot statistischer Diskriminierung ginge daher wegen der dann unmöglichen Kostenminimierung ein Effizienzverlust einher, der auch nicht durch den Nutzen einer verbesserten Personalauswahl aufgewogen werden kann. Diese Effizienzverluste müssen bei der Frage der Rechtfertigungsfähigkeit von statistischen Altersdiskriminierungen nach § 10 AGG berücksichtigt werden, da nach den wirtschaftlichen Zielen der RL 2000 / 78 / EG und des AGG eher eine Steigerung der Effizienz und der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gewollt ist. Das Vermeiden von Effizienzverlusten bei Personalentscheidungen ist auch für eine gesteigerte Beschäftigung förderlich, die wiederum über die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Teilhabe des Einzelnen auch die sozialen und menschenrechtlichen Ziele der europäischen Antidiskriminierungsgesetzgebung fördert.

93 Grundlegend zum signaling, Spence, 87 Quart. J. Econ. 355; Spence, 92 Am. Econ. Rev. 434; zur Suche des Arbeitgebers, Franz, Arbeitsmarktökonomik, 214. 94 Auch die Gesetzesfolgekostenstudie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) beklagt, dass das AGG verbreitet zu nur noch vagen Stellenbeschreibungen führe. Vgl. Hoffjan / Bramann, Empirische Erhebung der Gesetzesfolgekosten aus dem AGG, S. 4, 8 ff.; ähnlich bereits Paulus, Grüße aus Absurdistan, F.A.Z. v. 21. 4. 2007; Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Jg. 33 Nr. 7, 15. 2. 2007, S. 2 95 Ausführlich noch im 7. Kapitel, unter B. V. 9. 96 Vgl. MüKo-Thüsing, AGG, § 11 Rn. 6.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

II. Zweistufigkeit der legitimen Ziele bei statistischer Diskriminierung Im Fall der statistischen Diskriminierung verfolgen die Arbeitsmarktakteure regelmäßig mehrere verschiedene Ziele. Diese stehen in einem Stufenverhältnis zueinander. Auf der ersten Stufe steht das eigentliche, zu erreichende wirtschaftliche Ziel des Arbeitgebers oder der Tarifparteien, etwa die Sicherheit Dritter oder die Ermöglichung einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung (Hauptziel). Das Ziel der zweiten Stufe betrifft hingegen das kosteneffiziente Mittel zur Erreichung des Hauptziels (Nebenziel): Mit der Verwendung des Alters oder eines altersbezogenen Merkmals als proxy soll eine Minimierung der Summe der Informations- und Fehlerkosten erreicht werden. Denn nicht nur bei der Wahl des Hauptziels verfolgt der Arbeitgeber Effizienzsteigerungen. Daneben strebt er nach der Erreichung dieses Ziels unter Einsatz möglichst geringer Mittel. Die Hauptziele könnten grundsätzlich auch ohne (statistische) Diskriminierung verfolgt werden, jedoch regelmäßig nur mit einem erheblich höheren Aufwand, der mit der individuellen Überprüfung der Fähigkeiten und Eigenschaften von Personen einhergeht. Beispielsweise, müssten die Sicherheitsinteressen in Verbindung mit bestimmten Berufen, nicht notwendigerweise qua Altersgrenze verfolgt werden. Wäre man bereit zu entsprechenden Aufwendungen zur genauen Überprüfungen, so könnte regelmäßig ein vergleichbares Maß an Sicherheit erreicht werden – allein der Preis dafür wäre ein anderer.

III. Statistische Altersdiskriminierung und das AGG In der statistischen Verwendung des Alters oder eines altersbezogenen Merkmals liegt eine rechtfertigungsbedürftige Benachteiligung nach dem AGG. Dient das Lebensalter eines Menschen selbst als proxy bei der Entscheidung des Arbeitgebers, liegt eine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor. Wird hingegen an ein neutrales Kriterium angeknüpft, das aber bei Menschen bestimmter Altersgruppen besonders häufig verwirklicht ist, so liegt eine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, sofern damit nicht auf verhältnismäßige Weise ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird. Solche dem Anschein nach neutralen Kriterien können etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder das Erfordernis von hinreichender Berufserfahrung sein. Entscheidend dafür, ob ein Arbeitgeber unmittelbar oder mittelbar das Alter eines Menschen als Indikator nutzen darf, ist die Frage, ob er eine Rechtfertigung für diese statistische Diskriminierung gemäß § 10 AGG vorweisen kann. Bei der Frage der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 10 AGG ist die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenziel von Bedeutung. Während das Hauptziel als legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG dienen kann, kommt das Nebenziel der Minimierung von Informations- und

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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Fehlerkosten auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 10 Satz 2 AGG zum Tragen. Dabei ist zu klären, ob der verwendete statistische proxy überhaupt geeignet ist, das Hauptziel zu erreichen. Zweitens ist fraglich, ob die statistische Unterscheidung erforderlich ist oder ob es mildere, gleich wirksame Mittel zur Zielerreichung gibt. Drittens müssen die Haupt- und Nebenzielerreichung in einem angemessenen Verhältnis zu den benachteiligenden Auswirkungen der Ungleichbehandlung stehen. Die Literatur zu Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG hat sich bisher vor allem auf die Frage der Rechtfertigungsfähigkeit der mit Ungleichbehandlungen verfolgten Hauptziele konzentriert.97 Da aber die Verhältnismäßigkeitsprüfung den Kern der Rechtfertigung nach § 10 AGG darstellt, ist vor allem auch die Abwägung mit dem Nebenziel erforderlich. Hier soll zunächst die allgemeine Rolle des Nebenziels bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mittel nach § 10 Satz 2 AGG erörtert werden. Diese ist für sämtliche Fälle der Erreichung der Hauptziele durch statistische Diskriminierung vergleichbar. Im Anschluss wird der Stellenwert verbreitet verfolgter Hauptziele aus ökonomischer Sicht beleuchtet und Besonderheiten der Verhältnismäßigkeit ihrer Erreichung erörtert.

IV. Verhältnismäßigkeit von statistischer Diskriminierung nach § 10 Satz 2 AGG Kern der Frage der Zulässigkeit der Benutzung des Alters oder eines altersbezogenen Merkmals als proxy bei Maßnahmen von Arbeitsmarktakteuren ist die Frage der Verhältnismäßigkeit dieses Mittels zur Erreichung eines legitimen Hauptziels gemäß § 10 Satz 2 AGG. Bereits im Bereich des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, dessen Rechtfertigungsmaßstab dem des § 10 AGG entspricht,98 ist die grundsätzliche Zulässigkeit der Verwendung eines Hilfskriteriums anerkannt.99 „Erforderlich ist allein, dass sich durch die Unterscheidung nach den Hilfskriterien hinreichend sicher das eigentliche Ziel fördern lässt und der Aufwand, eine feingliedrigere Abgrenzung vorzunehmen, unverhältnismäßig wäre.“100 97 Vgl. etwa Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 29 ff.; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 87 ff., 109 ff. 98 Vgl. ausführlich dazu im 6. Kapitel, unter B. II. 3. 99 ErfK-Dieterich, GG, Art. 3 Rn. 47; HWK-Thüsing, BGB, § 611 Rn. 206. Den Anforderungen an eine unverzichtbare Voraussetzung im Sinne von § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. genügt das Geschlecht als Hilfskriterium jedoch nicht, HWK-Thüsing, BGB, § 611a Rn. 32; ErfK-Schlachter, BGB, § 611a Rn. 22. Dies führe jedoch zu ineffizienten Ergebnissen (HWK-Thüsing, BGB, § 611a Rn. 32; Thüsing, RdA 2003, 259). 100 HWK-Thüsing, BGB, § 611 Rn. 206. Thüsing verweist hier auf ein Beispiel von statistischer Unterscheidung nach dem Alter per Gesetz: die Geschäfts- und Deliktsfähigkeit. Auch diese würden nicht in Ansehung des Einzelfalls, sondern vergröbernd durch Gruppenbildung bestimmt. So wie hier eine Vermutung hinreichender oder fehlender Verstandesreife an das

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1. Geeignetheit Zunächst muss die Verwendung des Lebensalters oder eines altersbezogenen Merkmals als Indikator überhaupt geeignet sein, um das Hauptziel des Arbeitgebers oder der Tarifparteien zu erreichen. Diese Eignung fehlt etwa, wenn dem Alter oder dem mittelbar mit dem Alter verknüpften Merkmal eine statistisch belastbare Aussagekraft gänzlich fehlt. Der proxy ist nur geeignet, wenn überhaupt eine Korrelation zwischen dem Lebensalter bzw. den altersbezogenen Merkmalen und der Fähigkeit bzw. der Eigenschaft des Arbeitnehmers, die für die Erreichung des Hauptziels erforderlich ist, besteht. An den Nachweis dieser Eignung des Altersproxy sind aber keine hohen Anforderungen zu stellen. Zum einen werden rational handelnde Arbeitsmarktakteure Unterscheidungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen nicht anhand von aussagelosen Merkmalen treffen. Zum anderen handelt es sich beim Lebensalter eines Menschen um einen Indikator, dem in verschiedener Weise Aussagekraft im Arbeitsleben zukommt. Bereits die in der Vergangenheit gehäufte Verwendung des Alters als Unterscheidungsmerkmal im Arbeitsrecht, in Tarifverträgen und bei Maßnahmen im Arbeitsverhältnis zeigt, dass dieses Merkmal nicht vollkommen abwegig ist. Deshalb ist es ausreichend, wenn der Arbeitgeber vernünftige, nachvollziehbare Gründe vortragen kann, warum hier von einer Korrelation auszugehen ist. Sollte sich jedoch im Einzelfall die Berufung auf das Alter als Indikator als nicht vernünftig oder nachvollziehbar darstellen, so ist bereits die Eignung zu verneinen. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn einer Korrelation zwischen dem proxy und der gewünschten Fähigkeit oder Eigenschaft gesicherte statistische Erkenntnisse entgegenstehen. 2. Erforderlichkeit Im Rahmen der Erforderlichkeit ist zu fragen, ob sich der Arbeitgeber nicht eines milderen, gleich wirksamen Mittels bedienen könnte. Dies ist insbesondere auf zwei Ebenen denkbar. Einerseits kann die Verwendung eines anderen statistischen Indikators mit weniger benachteiligender Wirkung andererseits das gänzliche Absehen von der proxy-Verwendung als milderes Mittel die Erforderlichkeit der statistischen Unterscheidung anhand des Lebensalters ausschließen. So ist im Einzelfall zu prüfen, ob es einen gleich aussagekräftigen proxy gibt, der weniger benachteiligende Auswirkungen für die betroffene Gruppe mit sich bringt, aber gleich wirksam die Ziele des Arbeitgebers erreicht. Bei der Verwendung des Lebensalters als proxy wird ein solches milderes Mittel häufig die Dauer der Betriebszugehörigkeit sein. In manchen Fällen kann auch die Dauer der bisherigen Beschäftigung in derselben Branche als gleich geeigneter aber weniger benachteiligender proxy fungieren. Denn dieses Merkmal kann dem ArAlter geknüpft würde, könne auch der Arbeitgeber beispielsweise hinsichtlich der Krankheitswahrscheinlichkeit nicht im Einzelfall sondern nach einer Gruppenzugehörigkeit differenzieren.

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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beitgeber teilweise dieselbe Information signalisieren (Leistungsfähigkeit, Erfahrung), ohne dabei höhere Informations- oder Fehlerkosten zu verursachen. Die Betriebszugehörigkeit ist regelmäßig ähnlich einfach zu ermitteln und zu verwalten wie das Lebensalter eines Menschen. In diesen Fällen ist der Rückgriff auf das Alter als Unterscheidungsmerkmal nicht erforderlich. Jedoch wird die Betriebszugehörigkeit in einigen Fällen nur ein weniger geeigneter Indikator sein. So lässt sich die zu erwartende Restbeschäftigungsdauer bis zur Pensionierung vom Lebensalter erheblich besser ablesen, als von der Betriebszugehörigkeit. Auch indiziert das Lebensalter die Menge der zu erwartenden Krankheitstage regelmäßig besser als die Betriebszugehörigkeit. Weiterhin steht bei Einstellungsentscheidungen regelmäßig nur das Altersmerkmal zur Verfügung, da eine Betriebszugehörigkeit bisher noch nicht bestand. Maßstab der gleichen Eignung des proxy ist immer das kosteneffizient zu erreichende Hauptziel des Arbeitgebers und die Eigenschaften und Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer dafür nachvollziehbarerweise aufweisen sollte. Dabei kommt es auf die fachlich-beruflichen Zusammenhänge aus Sicht des Arbeitgebers an.101 Zum anderen ist die Erforderlichkeit einer statistischen Unterscheidung dann zu verneinen, wenn das Haupt- und Nebenziel des Arbeitgebers oder der Tarifvertragsparteien gleich wirksam erreicht werden können und die Nutzung des proxy dabei gänzlich vermieden werden kann. Als alternatives, milderes Mittel kommt regelmäßig die individuelle Überprüfung der Fähigkeiten und Eigenschaften der betreffenden Bewerber oder Arbeitnehmer in Betracht, wobei problematisch ist, ob solche Einzelfallprüfungen wegen der damit verbundenen höheren Kosten gleich geeignet sind. Teilweise wird vertreten, dass die Verwendung des Alters als Stellvertreter für andere Merkmale außerhalb der Fälle der Unmöglichkeit individueller Leistungsüberprüfung unverhältnismäßig ist.102 Die Gesundheit, Erfahrung, Lernfähigkeit, Fertigkeit und Einsatzbereitschaft eines Menschen ließe sich häufig anhand von normalen Untersuchungsverfahren, einzelnen Bewertungen und guten Stellenbeschreibungen ermitteln.103 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 AGG fordern die Verhältnismäßigkeit des Mittels und nicht die Unmöglichkeit alternativer Mittel. Nur mildere, gleich wirksame Handlungsalternativen sollen Vorzug genießen, nicht bereits jede mögliche mildere Alternative. Auch kann die beabsichtigte Abwägung der betroffenen Interessen im Lichte der Ziele des Gesetzes anhand der starren Prüfung der Unmöglichkeit im Sinne von § 275 BGB nicht vorgenommen werden. Vielmehr ist die Erforderlichkeit der Verwendung des proxy anhand der Faktoren zu bemessen, die auch ein Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Verwendung Vgl. BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 41; ähnlich Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 72 (generalisierende Benachteiligungen wegen des Alters seien nur dann zuzulassen, wenn eine Einzelfallentscheidung nicht durchführbar oder nicht aussagekräftig sei). 103 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 41. 101 102

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

eines Indikators aus ökonomischer Sicht anstellen sollte. Ein rational handelnder, gewinnmaximierender Arbeitgeber entscheidet sich zwischen der Verwendung eines statistischen proxy oder der Durchführung individueller Leistungsüberprüfung anhand deren jeweiliger Verfügbarkeit, Genauigkeit und Kosten und Nutzen.104 Kann der Beklagte schlüssig darlegen, dass er diesem Entscheidungsmuster im konkreten Fall gefolgt ist, so ist die Verwendung des Alters oder eines mit dem Alter mittelbar verknüpften Indikators auch erforderlich im Sinne von § 10 Satz 2 AGG. An den Nachweis der einzelnen Faktoren sind wie schon bei der Geeignetheit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Denn, wie gezeigt haben altersbezogene proxy ein hohes Potential, effiziente Indikatoren zu sein.105 Weiterhin entspricht die Berücksichtigung dieser Faktoren dem Entscheidungskalkül des rationalen, gewinnmaximierenden Arbeitgebers. Eine Erforderlichkeit ist daher nur zu verneinen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass dieser den proxy in irrationaler Weise verwendet oder an ihm festhält, obwohl individuelle Tests gleich wirksam und zu vergleichbaren Kosten zur Zielerreichung beitragen. Auch ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber kumulativ nachweisen kann, dass der verwendete proxy verfügbarer, genauer, kostengünstiger und nutzenstiftender ist als eine alternative Leistungsüberprüfung. Vielmehr ist es ausreichend, dass die KostenNutzen-Relation der proxy-Verwendung in der Summe besser ausfällt als die der individuellen Überprüfung. Im Einzelfall kann sich die Verwendung des Alters oder eines mittelbar an das Alter anknüpfenden Indikators als statistisches Unterscheidungsmerkmal aber als weniger oder nur gleich geeignet im Vergleich zum milderen Mittel der individuellen Beurteilungen der betroffenen Arbeitnehmer erweisen. Dann ist die Erforderlichkeit des Mittels zu verneinen. Dies ist etwa der Fall, wenn ein proxy aus reiner Gewohnheit angewendet wird. Der in manchen Bereichen aussagekräftige Altersindikator darf nicht ungeprüft auf jegliche Arbeitgeberentscheidungen übernommen werden. Der Indikator ist auch dann nicht erforderlich, wenn die damit korrelierenden Informationen hinreichend bekannt oder einfach zugänglich sind. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Verwendung des Altersindikators bei Einstellungsentscheidungen eher erforderlich ist als bei Maßnahmen im Arbeitsverhältnis oder bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Denn die Informationsassymetrien sind zwischen Arbeitgeber und Bewerber erheblich größer als zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und sie nehmen über die Dauer des Arbeitsverhältnisses noch weiter ab. Thüsing führt dahingehend aus: „Da bei der Einstellung nur eine Momentaufnahme vorliegt, die auch bei eingehender Untersuchung zukünftige Entwicklungen nur mit höheren oder geringeren Wahrscheinlichkeiten prognostizieren kann, ist ein die Kosten der Überwachung minimierendes Verfahren, die Unterscheidung nach dem Alter zuzulassen.“106 Bei Maßnah104 105 106

Ausführlich im 4. Kapitel, unter B. I. Vgl dazu im 4. Kapitel, unter B. IV. 1. Thüsing, RdA 2003, 259.

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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men bei der Durchführung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses liegen dem Arbeitgeber aufgrund der bisherigen Zusammenarbeit zumeist erheblich zahlreichere und genauere Informationen über Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistung des Einzelnen vor oder sind jedenfalls einfacher zu ermitteln als vor Begründung des Arbeitsverhältnisses. Dies bedeutet nicht die pauschale Verneinung der Erforderlichkeit der proxy-Verwendung, sollte sich aber in einer erhöhten Prüfungsdichte auswirken. Berücksichtigt werden kann auch, inwieweit der Arbeitgeber in der Lage ist, die bei einer individuellen Überprüfung anfallenden Informationskosten auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.107 Hier aber zu beachten, dass Kosten und Nutzen im Arbeitsverhältnis regelmäßig für beide Parteien ein Gleichgewicht finden. Bürdet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Finanzierung einer ineffizienten Vermeidung statistischer proxy auf, so wird dies häufig an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen (etwa durch höheren Lohn oder andere Vergünstigungen, bzw. geringere Leistungsanforderungen). Daher führt auch die Möglichkeit der Kostentragung durch den Arbeitnehmer oftmals nicht zur gleich wirksamen Zielerreichung. Teilweise gibt es auch keine Alternativen zur proxy-Nutzung, da die gesuchte Information nicht überprüfbar ist. Dann ist eine Unterscheidung anhand des Alters oder mittelbar an das Alter anknüpfender Indikatoren jedenfalls erforderlich. Eine nicht durch individuelle Überprüfungen feststellbare Information kann beispielsweise das Risiko plötzlicher Ausfallerscheinungen bei Flugzeugführern sein, die durch heute verfügbare Gesundheitstests nicht abschließend messbar sind.108 Im Fall der Festlegung eines Höchstalters für Richter kann die richterliche Unabhängigkeit der individuellen Leistungs- und Eignungsüberprüfungen im Alter entgegenstehen. Kompetenztests einzelner Richter, die über ihren Verbleib im Amt entscheiden, gefährden die Wahrnehmung ihrer Unabhängigkeit.109 O’Cinneide hält die Nutzung des Alters als ein stellvertretendes Merkmal auch für unvermeidbar, „wenn eine Bewertung der Qualitäten jedes Einzelnen [ . . . ] mit übermäßig hohen Kosten verbunden ist.“110 Die Kosten von Einzelüberprüfungen sind aber zutreffender in einer Gesamtsaldierung der Kosten und Nutzen im Zusammenhang mit diesen Überprüfungen im Vergleich zu denen in Verbindung mit der statistischen Unterscheidung zu berücksichtigen. Die Festlegung einer Übermaßgrenze ist mit Wertungsfragen verbunden, die erst auf der Ebene der Angemessenheit einbezogen werden sollten.

Dazu auch Boecken, NZS 2005, 395 f.; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 32. Vgl. Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 85 f.; ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 3. 2007, 6 Ca 7405 / 06, teilweise abgedruckt in BB 2007, 1737 f. (Anm. von Hoff). 109 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 40. 110 O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 15. 107 108

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

3. Angemessenheit Schließlich muss die statistische Unterscheidung nach dem Alter oder einem altersbezogenen Merkmal auch angemessen im engeren Sinne sein, um das legitime Ziel des Arbeitgebers oder der Tarifparteien zu erreichen. Neben dem Stellenwert und Gewicht des Hauptziels ist bei der Abwägung der betroffenen Interessen die Höhe der Informationskosten, die durch die Nutzung des proxy gespart werden, zu berücksichtigen. Lassen sich diese Kosten nicht genau beziffern, stellen der Zeitaufwand, die Anzahl der Einzelprüfungen und der Aufwand für die Erstellung und Durchführung der individuellen Tests Anhaltspunkte für deren Höhe dar. Weiterhin ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Kostenbelastung die Unternehmensgröße und -situation zu berücksichtigen.111 Auf der anderen Seite ist auch bei der statistischen Diskriminierung zu beachten, welches Maß an persönlicher Herabsetzung mit der Ungleichbehandlung im Einzelfall verbunden ist. Die Auswirkungen der Ungleichbehandlung auf die Würde des Betroffenen können von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ausfallen. Geringer wird die herabsetzende Wirkung regelmäßig sein, je stärker die statistische Korrelation zwischen dem Alter und den dadurch vertretenen Merkmalen, wie niedrige Arbeitskosten, hohe Leistungsfähigkeit oder geringe krankheitsbedingte Fehlzeiten, sind. Denn bei hoher statistischer Übereinstimmung wird die Entscheidung im Kern anhand der Eigenschaften des Einzelnen getroffen, nur der Nachweis dieser Eigenschaft wird durch Hilfskriterien vereinfacht. Allgemein ist auf Seiten der Arbeitnehmerinteressen der vom BAG in ständiger Rechtsprechung unterstrichene hohe Wert der Arbeitstätigkeit für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen in der Abwägung zu berücksichtigen.112 Daher steigen die Anforderungen an die Ziele und Interessen des Arbeitgebers, wenn mit der statistischen Ungleichbehandlung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden ist.113 Des Weiteren ist die Angemessenheit einer auf statistischen Vereinfachungen beruhenden Altersgrenze eher anzunehmen, je mehr diese Grenze auch den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer entspricht. Deckt sich etwa eine Pensionsgrenze mit dem Wunsch der großen Mehrheit der Betroffenen, in diesem Alter in den Ruhestand zu gehen,114 so beeinträchtigt diese Vereinfachung nur die Interessen einer kleineren Gruppe und ist mithin eher durch Interessen des Arbeitgebers Vgl auch Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 78. BAG v. 10. 11. 1955, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, unter II.2.; BAG v. 19. 8. 1976, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, unter I.3.; BAG v. 27. 2. 1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, unter C.I.1. 113 Zustimmend Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 370. 114 Dazu Schmidt / Senne, RdA 2002, 85; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 305 (Im Jahr 2001 hofften lediglich 6% der Befragten, auch nach dem 65. Lebensjahr beschäftigt zu bleiben). Neue Statistiken bei Engstler, Austrittsalter aus dem Erwerbsleben, S. 10. 111 112

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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an einem kostengünstigen Standard zur Erreichung seines legitimen Ziels aufzuwiegen. Denkbar wäre es, die Anforderungen an die Angemessenheit des verwendeten Indikators strenger zu handhaben, je enger der Indikator mit dem Alter verknüpft ist.115 „Die Nähe des Unterscheidungsmerkmals zum Alter des Beschäftigten ist [ . . . ] proportional zur Rechtfertigungsintensität für das altersbezogene Merkmal.“116 Diese Überlegung ist von anderen besonderen Benachteiligungsverboten, wie dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung, bekannt. Dort besteht ein Stufenverhältnis in der Rechtfertigung von unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung. Da an die Rechtfertigung für das ummittelbare Anknüpfen an das verbotene Merkmale nach § 8 Abs. 1 AGG strengere Anforderungen gestellt werden, als an den Tatbestandsauschluss bei der „nur“ mittelbaren Benachteiligungen nach § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG, wird gefolgert, dass auch innerhalb der mittelbar an das Geschlecht anknüpfenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren eine größerer Nähe zum verbotenen Merkmal einen höheren Rechtfertigungszwang auslöst. Dieser Ansatz ist auf das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nicht zu übernehmen. Wegen der identischen Rechtfertigungsanforderungen an eine unmittelbare und mittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 10 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG,117 ist ein Stufenverhältnis, wie bei der Unterscheidung nach dem Geschlecht, nicht gegeben. Das Alter ist gerade nicht als rechtlich verpöntes Unterscheidungsmerkmal ausgestaltet, sondern ist dann zulässiges Unterscheidungsmerkmal, wenn auch ein mittelbares Anknüpfen an die Gründe des § 1 AGG zulässig wäre.118 Weiterhin passt das Verständnis der Rechtsfigur der mittelbaren Benachteiligung als Hilfsinstrument, mit dem Versuche des Arbeitgebers, das Verbot der unmittelbaren Benachteiligung zu umgehen, unterbunden werden sollen,119 nur wenig auf die Motivationslage bei Ungleichbehandlungen wegen des Alters. Die im vierten Kapitel vorgenommene Analyse der Gründe von Diskriminierungen durch Arbeitsmarktakteure zeigt, dass im Gegensatz etwa zur Diskriminierung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, bei der Altersdiskriminierung der Ansatz der Präferenzdiskriminierung im Sinne von Becker eine geringe Rolle spielt. So ist es vielleicht im Rahmen der Rassendiskriminierung denkbar, dass ein vorurteilsbelasteter Arbeitgeber vordergründig auf die Sprachfertigkeiten von Bewerbern abstellt, damit aber eigentlich nur ethnische Minderheiten aus seinem Unternehmen fernhalten will. Differenziert ein Arbeitgeber aber nach der 115 Kuras, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 15; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 130 f.; Zedler, NJW 2007, 49 f. 116 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 131. 117 Hierzu ausführlich im 6. Kapitel, unter A. IV. 1. 118 So auch MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 10; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 420. 119 So Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 130; Thüsing, NZA, Sonderbeil. Heft 22 / 2004, 6; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1236. Dieser Ansatz wird auch im Wortlaut des § 3 Abs. 2 AGG „dem Anschein nach neutrale Vorschriften“ deutlich.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Dauer der Betriebszugehörigkeit, ist dies regelmäßig nicht eine Kaschierung seiner Aversionen gegen jüngere Menschen, sondern wird regelmäßig durch Eigenschaften motiviert, die erwartungsgemäß mit längerer Betriebszugehörigkeit auftreten. Vielmehr besteht der Zweck des Verbots der mittelbaren Altersdiskriminierung darin, dass sachwidrige Kriterien, die Menschen wegen des Alters jedenfalls faktisch benachteiligen, verhindert werden sollen. Denn bei einem Fortbestehen sachlich nicht begründbarer, systematischer Nachteile am Arbeitsmarkt, die mittelbar mit dem Lebensalter verknüpft sind, wäre eine Verbesserung der Beschäftigungssituation, wie sie die RL 2000 / 78 / EG und das AGG verfolgen, nicht zu erwarten. Somit steigt die Prüfungsintensität bei der Angemessenheit der Maßnahme nicht mit zunehmender Nähe zum Altersmerkmal. Entscheidend für die Anforderungen an die Angemessenheit des Mittels ist vielmehr das Ausmaß dessen benachteiligender Auswirkungen. Härtefallregelungen können eine Beurteilung der Unterscheidung anhand eines proxy als angemessen begünstigen. Dies kann beispielsweise bei der Kombination einer Altersgrenze mit der Möglichkeit des arbeitnehmerseitigen Einzelnachweises der Fall sein. So kann in einigen Fällen das legitime Ziel des Arbeitgebers auch dann erreicht werden, wenn in einem Betrieb Arbeitnehmer mit einer bestimmten beruflichen Tätigkeit mit Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand gehen, es sei denn der betroffene Arbeitnehmer bewirbt sich um eine Weiterbeschäftigung über diesen Zeitpunkt hinaus.120 Mit dieser Bewerbung könnten auch Nachweiserfordernisse über bestimmte Eigenschaften des jeweiligen Arbeitnehmers verbunden sein, die für die Tätigkeit erforderlich sind. Auf diese Weise würde sich der Arbeitgeber den größten Teil der Kostenminimierung durch die Verwendung des proxy bewahren, während diejenigen (oftmals wenigen) Arbeitnehmer, die an einer Weiterbeschäftigung interessiert sind, ihr Interesse und ihre Eignung signalisieren können. Bei Arbeitgeberinteressen von geringerem Wert werden daher regelmäßig nur so genannte „relative Altersgrenzen“ angemessen sein. Diese sehen grundsätzlich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt vor, geben aber bei individuell fortbestehendem Leistungsvermögen des Einzelnen einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. 121 Derartige Härtefallregelungen ändern grundsätzlich nichts an der Erforderlichkeit der statistischen Unterscheidung.122 Sie wären zwar mildere Mittel, aber wegen des zumeist höheren Aufwands nicht gleich wirksam. Ungenutzte Möglichkeiten, Härtefällen zu begegnen, können jedoch zu einem Überwiegen der Arbeitnehmerinteressen führen, was die Unangemessenheit der Ungleichbehandlung zur Folge hätte. 120 So der Vorschlag von Waltermann, ZFA 2006, 325; Waltermann, NZA 2005, 1270; Waltermann, NZA 1994, 829. Vgl. dazu auch im 7. Kapitel, unter B. V. 6. 121 Hanau, RdA 1976, 27 f.; Kocher, ARBEIT 2005, 316; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 47; Simitis, RdA 1994, 263; vgl. auch Waltermann, ZFA 2006, 325. 122 a.A. Rieble / Zedler, ZFA 2006, 298.

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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Schließlich sind etwaige Externalitäten und Auswirkungen auf die Effizienz am Arbeitsmarkt im Zusammenhang mit statistischen Ungleichbehandlungen wegen des Alters zu berücksichtigen. Wie gezeigt, sind diese regelmäßig geringer als die Informationskosten, die mit statistischer Diskriminierung eingespart werden. Zwar verringert die Orientierung an einem statistischen Mittelwert einer Gruppe die Anreize überdurchschnittlich leistungsstarker Gruppenmitglieder, in ihr Humankapital zu investieren. Jedoch würde eine Untersagung der Verwendung des Altersproxy regelmäßig zur Verwendung anderer Hilfsmerkmale führen, die vergleichbare Fehlanreize setzen, aber geringere Kostenminimierungen mit sich bringen.123 Des Weiteren setzt statistische Diskriminierung Anreize, vom standardisierten Arbeitsmarkt (etwa Bezahlung nach Arbeitszeit) in den individualisierten Arbeitsmarkt (insbesondere selbstständige Arbeit und Bezahlung nach Ergebnis) zu wechseln. Diesen Wechseln stehen aber oftmals einige Widerstände entgegen. Stellt sich jedoch in einem bestimmten Tätigkeitsbereich heraus, dass ineffiziente Humankapitalinvestitionen oder Wechsel in den individualisierten Markt verbreitet sein sollten, sind diese Externalitäten bei der Abwägung der betroffenen Interessen zu berücksichtigen. In diesen Fällen wird eine statistisch begründete Ungleichbehandlung eher nicht angemessen sein. Auf der anderen Seite ist im Falle erheblicher Informationskosteneinsparungen durch die Verwendung des Alters als proxy zugunsten des Arbeitgebers in die Abwägung einzubeziehen, dass damit Effizienzgewinne einhergehen, die die Wettbewerbsposition europäischer Unternehmen stärken und Beschäftigung in Europa allgemein fördern. Daher sind diese Kosteneinsparungen im Lichte der wirtschaftlichen Ziele der RL 2000 / 78 / EG und des AGG nicht zu gering zu bewerten.

V. Anwendungsfälle: Verbreitete Altersgrenzen bei der Einstellung und Pensionierung Die Ausgestaltung des Rechtfertigungsgrundes des § 10 AGG verhindert eine allgemeingültige Einordnung von unterschiedlichen Behandlungen wegen des Alters als zulässig oder unzulässig. Sobald das von Arbeitgebern oder Tarifvertragsparteien verfolgte Ziel legitim ist, hängt es von der Verhältnismäßigkeit der Mittel anhand der Tatsachen und Interessen im Einzelfall ab, ob eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann. Gleichwohl gibt es über die allgemeinen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit statistischer Diskriminierungen wegen des Alters hinaus Besonderheiten, die bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel regelmäßig von Bedeutung sind. Im Weiteren sollen anhand von Anwendungsfällen aus dem Bereich der Altersgrenzen bei Einstellung und Pensionierung diese Besonderheiten aus dem Blickwinkel der ökonomischen Analyse des Rechts bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von statistischen Altersdiskriminierungen herausgearbeitet werden. 123

Vgl. ausführlich im 4. Kapitel, unter B. III. und V.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

1. Allgemeines zu Altersgrenzen und dem AGG Altersgrenzen sind auf gesetzlicher, tarifvertraglicher, betrieblicher und einzelvertraglicher Ebene anzutreffen oder entsprechen einfach der Unternehmenspraxis. Sie können sowohl die Begründung und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, als auch die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen betreffen und können als Höchstaltersgrenzen sowie als Mindestaltersgrenzen ausgestaltet sein.124 Altersgrenzen, insbesondere Pensionsgrenzen, müssen neben den Anforderungen des § 10 AGG auch noch andere rechtliche Vorgaben beachten, die nicht Gegenstand dieser Bearbeitung sind. So stellt § 41 SGB VI, der gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG ausdrücklich unberührt bleibt, zusätzliche Anforderungen an arbeitsvertragliche Altersgrenzen vor dem 65. Lebensjahr.125 Weiterhin unterliegen Altersgrenzen dem Erfordernis eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG. Schließlich müssen sämtliche Pensionsgrenzen die Rechtsprechung zur Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG beachten.126 Diese Vorschriften sind auch nach Inkrafttreten des AGG zu berücksichtigen, weil die Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG gemäß Art. 8 Abs. 2 RL nicht zu einer Absenkung des Schutzniveaus vor Diskriminierungen im Vergleich zur vorherigen Rechtslage führen darf. Insbesondere Waltermann unterstreicht zu Recht, dass „der Blickwinkel des Antidiskriminierungsrechts nicht dazu beitragen [darf], dass gültige rechtliche Wertungen nicht beachtet werden.“127 Hinsichtlich von Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand besteht die Besonderheit, dass bereits umstritten ist, ob diese in den Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG fallen. Der Streit in der Literatur entzündete sich wegen des vermeintlich widersprüchlichen Wortlauts zwischen Art. 3 Abs. 1 c) RL und dem Erwägungsgrund 14. Während nach Art. 3 Abs. 1 c) RL die „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen“ vom Geltungsbereich der RL 2000 / 78 / EG erfasst sind, erklärt der Erwägungsgrund 14, dass diese Richtlinie „nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand“ berühre. Vereinzelt wurde daher vertreten, dass wegen Erwägungsgrund 14 Pensionsgrenzen nicht vom Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG erfasst seien.128 Nach einem Großteil der Ausführlich Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 21 ff. Vgl. Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 44 f.; ErfK-Rolfs, SGB VI, § 41 Rn. 10 ff. 126 BAG v. 21. 07. 2004 – 7 AZR 589 / 03, Rz. 24 ff., (Leitsätze veröffentlicht in: NZA 2004, 1352; Volltext verfügbar unter: http: //juris.bundesarbeitsgericht.de); BVerfG v. 25. 11. 2004, AP Nr. 25 zu § 620 BGB Altersgrenze; BVerfG v. 31. 3. 1998, NZA 1998, 590; BVerfG v. 16. 6. 1959, NJW 1959, 1579 f.; ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 3. 2007, BB 2007, 1738 (Anm. von Hoff). Vgl. dazu Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 45; Waltermann, ZFA 2006, 315 f.; ausführlich Waltermann, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 497 ff. 127 Waltermann, ZFA 2006, 326. 128 Leuchten, NZA 2002, 1258; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 664, 666; Nussberger, JZ 2002, 530. 124 125

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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Literatur vermag Erwägungsgrund 14 RL den sachlichen Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG nicht einzuschränken.129 Dieser bloße Programmsatz, der im Text der Richtlinie keinen Niederschlag gefunden habe, könne nicht den Ausschluss der Altersgrenzen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie begründen. Er richte sich allein an den Gesetzgeber und seine Regelungen – nicht aber an den Arbeitgeber.130 Schließlich bejahen einige Vertreter die Anwendbarkeit der RL 2000 / 78 / EG auf Pensionsgrenzen, ziehen aber den Erwägungsgrund 14 bei der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 RL und des § 10 AGG dahingehend heran, dass an die Rechtfertigung von Altergrenzen für den Eintritt in den Ruhestand geringere Anforderungen zu stellen sind.131 In seinem Urteil in der Rechtsache Palacios hat der EuGH nunmehr klargestellt, dass Altersgrenzen, die die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Erreichen eines bestimmten Alters zum Gegenstand haben „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 c) RL darstellen und somit vom Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG erfasst sind. Die Bedeutung von Erwägungsgrund 14 beschränke sich auf die Klarstellung, dass „die Richtlinie nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tangiert, das Alter für den Eintritt in den Ruhestand zu bestimmen, und steht in keiner Weise der Anwendung der Richtlinie auf nationale Maßnahmen entgegen, mit denen die Bedingungen geregelt werden, unter denen ein Arbeitsvertrag endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte Ruhestandsalter erreicht wird.“132 Seit Inkrafttreten des AGG hat dieser Streit an Bedeutung verloren. Denn der deutsche Gesetzgeber hat sich jedenfalls entschlossen, dass Pensionsgrenzen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, Dienstvereinbarungen und Arbeitsverträgen in den Anwendungsbereich des AGG fallen. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG erstreckt den Anwendungsbereich des AGG ausdrücklich auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg.“ In § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG hat der Gesetzgeber eigens für solche Vereinbarungen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne 129 Boecken, NZS 2005, 395; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 133 ff.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 62 ff.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 363; Schmidt / Senne, RdA 2002, 84 f.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 150 ff.; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 246; Thüsing, NZA 2001, 1064, Fn. 28. 130 Thüsing, NZA 2001, 1064, Fn. 28; Schmidt / Senne, RdA 2002, 85; auch Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 36. 131 Kuras, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 15; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 297; Zöllner, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 530; ablehnend: Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 98 f. 132 EuGH v. 16. 10. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), NZA 2007, 1221.

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Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehen, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann, ein Regelbeispiel zur Rechtfertigung geschaffen. Diese Einbeziehung ist aus europarechtlicher Sicht unproblematisch, auch wenn man die Ansicht vertritt, Erwägungsgrund 14 RL beschränke den Anwendungsbereich der RL 2000 / 78 / EG. Denn die Richtlinie stellt gemäß Art. 8 Abs. 1 RL und Erwägungsgrund 28 RL nur Mindestanforderungen an die Mitgliedsstaaten, denen es frei steht, günstigere Vorschriften einzuführen.

2. Pensionsgrenzen bei wirtschaftlicher Absicherung durch Rentenanspruch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG In Deutschland waren und sind Pensionsgrenzen, die an die Vollendung des 65. Lebensjahr oder den Zeitpunkt des Entstehens eines Anspruchs auf Rente wegen Alters anknüpfen, tarifvertraglich und arbeitsvertraglich üblich.133 Derartige Regelungen sind als unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligungen nach dem AGG rechtfertigungsbedürftig. Gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG kann die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann, vereinbart werden. Diese Regelung fußt auf der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu allgemeinen Pensionsgrenzen in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen, die sich am Maßstab des sachlichen Grundes im Sinne des Befristungsrechts orientierte.134 Sie soll ausweislich der Gesetzesbegründung klarstellen, „dass auch weiterhin das Alter bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen [ . . . ] berücksichtigt werden kann.“135 Die Vereinbarkeit des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG mit der RL 2000 / 78 / EG wird teilweise bezweifelt.136 In seinem Urteil in der Rechtssache Palacios vom 16. Oktober 2007 hat jedoch der EuGH eine vergleichbare spanische Regelung für europarechtskonform gehalten.137 In dieser Vorlage des spanischen Juzgado de lo Social 133 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 95 f.; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 31; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 45 f.; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 35. 134 BAG v. 20. 11. 1987, AP Nr. 2 zu § 620 BGB Altersgrenze, unter B.VI.3.; BAG v. 11. 6. 1997, NZA 1997, 1292; BAG v. 19.11. 2003, AP Nr. 3 zu § 17 TzBFG, unter II. 2. d) aa); BAG v. 27. 07. 2005, AP Nr. 27 zu § 620 BGB Altersgrenzen, unter 2. c) bb); dazu Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 27 mwN. 135 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 136 Bertelsmann, ZESAR 2005, 250; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 85 f.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 369; Waltermann, NZA 2005, 1270; Waltermann, ZFA 2006, 324; a.A. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 39; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 30 f.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 47; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 107; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 216; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 440; Zöllner, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 529 f.

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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Nr. 33 Madrid ging es gerade um die Frage, ob das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die Tarifklauseln über Zwangsversetzungen in den Ruhestand ab Erreichen der Rentenberechtigung für zulässig erklärt. Laut EuGH sei die RL 2000 / 78 / EG ungeachtet des 14. Erwägungsgrundes für diese Art der Entlassungsbedingung anwendbar.138 Jedoch sei diese unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach Art. 6 RL gerechtfertigt, weil damit das legitime Ziel der Beschäftigungsförderung verfolgt würde. Angesichts des Ermessenspielraums, der den Mitgliedstaaten und Sozialpartnern im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik bei der Wahl ihrer Ziele und der Maßnahmen ihrer Erreichung beizumessen sei, sei die spanische Regelung auch angemessen und erforderlich zur Erreichung der erstrebten Beschäftigungsförderung. Denn die Annahme, dass eine „Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende angemessen und erforderlich sein kann, um das im Rahmen der nationalen Beschäftigungspolitik angeführte legitime Ziel der Förderung von Vollbeschäftigung durch Begünstigung des Zugangs zum Arbeitsmakrt zu erreichen, erscheint nicht unvernünftig.“139 Aus diesem Urteil ergibt sich, dass auch die deutsche Ermächtigung der Tarif- und Arbeitsvertragsparteien zum Erlass von Altersgrenzen, die an das Renteneintrittsalter anknüpfen, in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG am Maßstab der RL 2000 / 78 / EG zulässig ist.140 Jedoch muss für eine Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG mit der Altersgrenze auch im Einzelfall weiterhin ein legitimes Ziel auf verhältnismäßige Art und Weise verfolgt werden. Denn mit dem EuGH ist zu fordern, dass es „Sache der zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten [ist], einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen widerstreitenden Interessen zu finden“ und dass „die in diesem Zusammenhang vorgesehenen nationalen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was angemessen und erforderlich ist, um das von den betreffenden Mitgliedstaat verfolgte Ziel zu erreichen.“141 Daher ist hinsichtlich der Voraussetzungen einer Rechtfertigung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG zu beachten, dass das Bestehen eines Anspruchs auf Rente wegen Alters142 nicht das legitime Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG, das mit der Pensionsgrenze durch den Arbeitgeber oder die Tarifparteien verfolgt wird, ersetzt, sondern vielmehr die Verfolgung eines solchen Ziels voraussetzt. Die durch diesen EuGH v. 16. 10. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), NZA 2007, 1219. EuGH v. 16. 10. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), NZA 2007, 1221; anders noch die Schlussanträge des Generalanwalts Mazák v. 15. 02. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), Rz. 57 ff. 139 EuGH v. 16. 10. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), NZA 2007, 1222. 140 Vgl. auch Bauer, in: Hanau / Thau / Westermann, Festschrift Adomeit, S. 32; Bauer / Krieger, NJW 2007, 3674; Rolfs, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 12; Temming, NZA 2007, 1198; im Ergebnis auch Kocher, RdA 2008, 241; kritisch aber Waltermann, NJW 2008, 2531 f.; Waltermann, in: Konzen / Krebber / Raab / Veit / Waas, Festschrift Birk, S. 927 f. 141 EuGH v. 16. 10. 2007 – Rs. C-411 / 05 (Palacios), NZA 2007, 1222. 142 Dieser Anspruch richtet sich nach den §§ 35 ff. SBG VI . Er entsteht grundsätzlich, wenn der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet hat und die allgemeine Wartezeit gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI von 5 Jahren erfüllt ist. 137 138

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Anspruch indizierte wirtschaftliche Absicherung erleichtert aber die Angemessenheit einer Pensionsgrenze.143 Legitime Ziele können unter anderem altersbedingter Leistungsabfall, Sicherheitsgründe, Erreichung einer ausgewogenen Altersstruktur, eine vorhersehbare Personal- und Nachwuchsplanung oder die Förderung der beruflichen Eingliederung bestimmter Gruppen sein. Bei Vorliegen eines derartigen Ziels wird eine Pensionsgrenze im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG oftmals angemessen im engeren Sinne sein, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Ziele bei der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind. Die Fallgruppen der bisherigen Rechtsprechung werden dabei regelmäßig auch künftig europarechtskonform sein.144 Denn wie auch vor Inkrafttreten des AGG die wirtschaftliche Absicherung des Betroffenen einen Teil seiner durch die Zwangsverrentung berührten Interessen im Bereich seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG relativierte, so ist dies auch am Maßstab des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters der Fall. Zudem können auch andere positive Eigenschaften einer festen Pensionsgrenze, wie die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit des Ruhestands durch den Arbeitnehmer, verbesserte Aufstiegschancen im bisherigen Berufsleben und das Vermeiden eines gesteigerten Drucks durch Leistungsüberprüfungen zur Vorbereitung eines etwaigen Kündigungsschutzprozesses, für die Angemessenheit einer solchen Altersgrenze sprechen.145 Jedoch ist die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Mittels der Pensionsgrenze eine Frage des Einzelfalls. Dabei sind die verbleibenden Interessen des Arbeitnehmers, insbesondere dessen Möglichkeit zur individuellen Persönlichkeitsentfaltung im Beruf, mit dem legitimen Ziel des Arbeitgebers in Einklang zu bringen.146 Aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass ein etwaiges Fortsetzungsverlangen über die Vollendung des 65. Lebensjahr hinaus schwächer wiegt, da der Arbeitnehmer dann „bereits ein langes Berufsleben hinter sich hat“ und sein „Interesse an der Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit aller Voraussicht nach nur noch für eine begrenzte Zeit besteht.“147 Pensionsgrenzen, die an einen Zeitpunkt vor Erlangung eines Anspruchs auf Altersrente anknüpfen, können 143 So auch Hahn, Altersdiskriminierung, S. 174; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 31; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 107; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 370; LSG Schleswig v. 31. 01. 2006, BeckRS 2007 40843; a.A. Annuß, BB 2006, 1633 (Eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG soll prinzipiell ohne weiteres zulässig sein.). 144 So die Einschätzung von Rieble / Zedler, ZFA 2006, 298; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 27; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 34; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 42; Waltermann, NZA 2005, 1267. 145 Dazu bereits BAG v. 27. 07. 2005, AP Nr. 27 zu § 620 BGB Altersgrenzen, unter 2. c) bb); BAG v. 20. 11. 1987, AP Nr. 2 zu § 620 BGB, unter B. IV. 2.; BAG v. 21. 04. 1977, AP Nr. 1 zu § 60 BAT, unter I. 1.; BAG v. 25. 03. 1971, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952, unter III. 2. d); zustimmend: Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 216; ähnlich Epstein, Age Discrimination in Employment, S. 13; Posner, Aging and Old Age, S. 324; ablehnend: Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 23, 106; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 28. 146 So auch Waltermann, ZFA 2006, 324. 147 BAG v. 27. 07. 2005, AP Nr. 27 BGB § 620 Altersgrenze, unter 2. c) bb).

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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nach Maßgabe des § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt sein, ohne jedoch die Erleichterung des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG bei der Interessenabwägung im Rahmen der Angemessenheit des Mittels zu erfahren.148

3. Altersgrenzen und Leistungsrückgang Von besonderer Bedeutung sind Altersgrenzen aufgrund eines vom Arbeitgeber beim Arbeitnehmer mit zunehmendem Alter vermuteten Leistungsabfalls. Sie können sowohl bei der Einstellung als auch beim Eintritt in den Ruhestand relevant werden. Oftmals werden diese Altersgrenzen nicht explizit formuliert sein, sondern einer Unternehmenspraxis entsprechen. Im Falle von Pensionsgrenzen sind aber auch ausdrückliche Altersgrenzen in Arbeits- oder Tarifverträgen verbreitet.149 In der Literatur zur RL 2000 / 78 / EG und zum AGG besteht weitestgehende Einigkeit, dass überkommene Vorurteile und ungesicherte Erfahrungssätze über Leistungsfähigkeit, Leistungswilligkeit und Arbeitsproduktivität zur Rechtfertigung gemäß § 10 AGG nicht ausreichen.150 Vielmehr wird in vielen Situationen „nur eine individuelle Beurteilung der Person und des Arbeitsplatzes ein angemessenes Ergebnis zeitigen.“151 Dem ist aus ökonomischer Sicht im Ergebnis grundsätzlich zuzustimmen. Jedoch ergibt sich auch hier eine etwaige Unzulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung nur anhand der Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 10 Satz 2 AGG sind im Zusammenhang mit einem vermuteten Leistungsabfall insbesondere die Erkenntnisse der neueren Gerontologie auf der Stufe der Geeignetheit und Erforderlichkeit zu berücksichtigen. Danach ist in Abkehr vom Defizitmodell eine allgemeine Verknüpfung zwischen zunehmendem Alter und abnehmender Leistungsfähigkeit nicht zu erkennen. Vielmehr können Menschen über das gesamte Erwerbsleben produktiv sein, soweit sie durch entsprechende Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und Investitionen in Humankapital unterstützt werden.152 Auch die Leistungswilligkeit ist über das Arbeitsleben hin gesehen eher konstant und vor allem auch von So auch Bauer / Krieger, NJW 2007, 3673. Zu Beispielen Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 44 ff. 150 MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 34; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 444; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1239; Bertelsmann-Rust / Falke, AGG, § 10 Rn. 251 f.; Schmidt, KritV 2004, 253; Kocher, ARBEIT 2005, 315; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 359, 371; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 116; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 108; genauso zu Art. 4 Abs. 1 RL 2000 / 78 / EG, Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 78; für Österreich: Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 56. 151 MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 34; zustimmend Schmidt / Senne, RdA 2002, 87. 152 Vgl. dazu im 4. Kapitel, unter B. IV. 1. c). 148 149

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

anderen Faktoren, wie den Anforderungen am Arbeitsplatz, Weiterbildungsmöglichkeiten und der Höhe von Transferleistungen, abhängig.153 Insgesamt ist wegen dieser allgemeinen Erkenntnisse der Gerontologie eine hohe Prüfungsdichte bei vermutetem Leistungsabfall angezeigt. Gleichwohl zeigen die neueren Studien auch Korrelationen zwischen zunehmendem Alter und dem Abnehmen bestimmter Fähigkeiten auf.154 Eine Ungleichbehandlung kann daher gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass bestimmte Fähigkeiten und Leistungsmerkmale, die für die konkrete Tätigkeit erforderlich sind, ab einem gewissen Alter signifikant abnehmen und dass die Kosten, die bei einer Einzelbeurteilung dieser Leistungsmerkmale entstünden, deren Nutzen überwiegen. Dies bedeutet, dass sich mit dem Argument des Leistungsabfalls jedenfalls keine generellen Altersgrenzen, etwa in Tarifverträgen oder auf Betriebsebene, rechtfertigen lassen, sondern nur tätigkeitspezifische Altersgrenzen.155 Fraglich ist in diesem Zusammenhang vor allem die Fortsetzung der Rechtsprechung des BVerfG, nach der es „der Lebenserfahrung [entspricht], daß die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit auch heute noch mit zunehmendem Alter größer wird.“156 Der Arbeitgeber wird sich jedenfalls nicht auf die allgemeine Lebenserfahrung hinsichtlich eines altersbedingten Leistungsabfalls berufen können, sondern muss die konkreten, nachlassenden Leistungsmerkmale benennen und dies auf konkrete Erfahrungswerte oder Statistiken stützen. Denkbar wäre hier zum einen, dass der Arbeitgeber auf eigene Erfahrungen mit älteren Arbeitnehmern im Rahmen einer bestimmten beruflichen Tätigkeit verweist, die auf das erhebliche Nachlassen von Eigenschaften, die für diese Tätigkeit erforderlich sind, hindeuten. Dabei ist aber eine hinreichend breite Datenbasis zu fordern, wobei dies in Relation zur Anzahl der Arbeitnehmer zu sehen ist, die der Arbeitgeber in dieser Tätigkeit beschäftigt. Je mehr Arbeitnehmer dieser Tätigkeit nachgehen, desto zahlreichere Erfahrungswerte sind vom Arbeitgeber zu fordern. Zum anderen kann ein Arbeitgeber auch auf gesicherte Erkenntnisse der gerontologischen und medizinischen Forschung verweisen, nach denen eine für die Tätigkeit erforderliche Eigenschaft ab einem bestimmten Alter signifikant nachlässt. Weiterhin werden Altersgrenzen auf der Grundlage statistisch mit einem bestimmten Alter korrelierender Verminderung bestimmter Leistungsmerkmale bei der Einstellung eher erforderlich sein, als bei der Pensionierung von Arbeitnehmern. Während die Informationsasymmetrien über die erforderlichen EigenschafMaintz, in: Badura / Schellschmidt / Vetter, Fehlzeiten-Report 2002, S. 50 ff. Beispielsweise die Abnahme der Maximalmuskelkraft, den Rückgang der fluiden Intelligenz, die Erhöhung der Krankheitstage pro Jahr oder die Reaktionsschnelligkeit (vgl. im 4. Kapitel, unter B. IV 1. c)). 155 So bereits Hanau, RdA 1976, 27; Simitis, RdA 1994, 263; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 176 f., 189; Kocher, ARBEIT 2005, 315; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 116; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 371. 156 Vgl. BVerfG v. 31. 3. 1998, NZA 1998, 590; BVerfG v. 25. 11. 2004, AP Nr. 25 zu § 620 BGB Altersgrenzen, unter B. II. 3. c) aa). 153 154

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ten in der Einstellungssituation regelmäßig groß sind, was kostenträchtige Einzelüberprüfungen nach sich ziehen kann, so nehmen die Asymmetrien im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses häufig ab, dadurch dass Leistungsdefizite zutage treten oder einfacher zu überprüfen sind. Schlachter hält jedoch auch auf konkrete Berufsfelder beschränkte Altersgrenzen wegen Leistungsabfalls für unverhältnismäßig.157 Sie argumentiert, dass Arbeitnehmer typischerweise kein besonderes Interesse an einer weiteren beruflichen Tätigkeit haben werden, wenn ihre individuellen Fähigkeiten zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen abnehmen. Daher würde auch ohne Altersgrenze der Großteil der Arbeitnehmer in den Ruhestand gehen, sobald deren Leistungsfähigkeit das für die Tätigkeit erforderliche Maß unterschreitet. Den Wenigen, die trotz schwindender Leistungsfähigkeit an ihrem Arbeitsplatz festhalten wollten, könne der Arbeitgeber durch personenbedingte Kündigungen begegnen.158 Die Einschätzung, dass überforderte ältere Arbeitnehmer eher bereit sind, in den Ruhestand zu gehen, wird sicherlich teilweise zutreffen. Schlachter lässt jedoch unbeachtet, dass die niedrigere Produktivität eines Arbeitnehmers dem Unternehmen bereits schadet, bevor ein Arbeitnehmer subjektiv die Schwelle der Überforderung erreicht. Dabei spielt auch das psychologische Phänomen der Selbstüberschätzung eine Rolle.159 Weiterhin ist die berufliche Tätigkeit sowohl Teil der Persönlichkeitsentfaltung als auch von wirtschaftlicher und finanzieller Bedeutung für den Einzelnen.160 Während der erstere Aspekt bei zu starkem Leistungsabfall aus Sicht des Arbeitnehmers an Bedeutung verliert, kann der wirtschaftliche Aspekt der Arbeitstätigkeit fortbestehen und den Einzelnen zu einem Weiterarbeiten trotz Leistungsschwäche bewegen. Illustrativ ist auch der Vergleich zur Einstellungssituation. Nach Schlachters Überlegung müsste auch der ganz große Teil der Bewerber für eine Stelle die erforderlichen Qualifikationen und Eigenschaften haben, da sie an einer Überforderung vom ersten Arbeitstag an nicht interessiert sein können. Trotzdem wird aus guten Gründen eine Bewerberauswahl durchgeführt.161 Des Weiteren ist die von Schlachter angeführte personenbedingte Kündigung für Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 371 f. Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 371. 159 Das psychologische Phänomen der Selbstüberschätzung beschreibt die Neigung von Akteuren, die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften positiver zu beurteilen, als dies der Realität entspricht. Ursachen diese Erscheinung können in der Vermeidung von Widersprüchen zum grundsätzlich positiven Selbstbild (cognitive dissoncances), der bevorzugten Verarbeitung und Abspeicherung von positiver Information über eigene Eigenschaften sowie in der höheren Präsenz (salience) der eigenen Handlungen liegen. Vgl. dazu Schweizer, Kognitive Täuschungen vor Gericht, 261; Ross / Sicoly, in: Kahneman / Slovic / Tversky, Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases 179 ff.; zu einzelnen Aspekten dieses Phänomens bereits im 4. Kapitel, unter C. II. 160 So auch BAG v. 27. 07. 2005, AP Nr. 27 zu § 620 BGB Altersgrenzen, unter 2.c)bb); BAG (GS) v. 27. 2. 1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, unter C.I.1. 161 Zu den ökonomischen Aspekten der Auswahl geeigneter Mitarbeiter, Wolff / Lazear, Einführung in die Personalökonomik, S. 136 ff. 157 158

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den Arbeitgeber nicht nur mit erheblichen Kosten der Leistungsüberprüfung, Dokumentation sowie ggf. Nachweis und Unsicherheiten vor Gericht verbunden; sie ist auch nach der Auslegung von § 1 KSchG durch die bisherige Rechtsprechung nicht ohne weiteres möglich. So stellt ein begrenztes, altersbedingtes Nachlassen der Leistungsfähigkeit regelmäßig keinen Grund für eine personenbedingte Kündigung dar.162 Weiterhin wird nach dem ultima-ratio Grundsatz gefordert, dass vor allem älteren Mitarbeitern durch andere Maßnahmen, wie Änderung des Arbeitsablaufs, Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Umverteilung der Aufgaben, entgegengekommen wird.163 Ähnlich wird auch im Zusammenhang mit verhaltensbedingten Kündigungen von älteren Arbeitnehmern davon ausgegangenen, dass ihr individuelles Leistungsvermögen altersbedingt gemindert ist, so dass sie nicht an der höheren Leistungsfähigkeit jüngerer Kollegen gemessen werden.164 Schließlich entstehen in Abwesenheit der Altersgrenze wegen Schwindens bestimmter Leistungsmerkmale auch hold-out Probleme. Selbst wenn ein Arbeitnehmer angesichts verringerter Leistungsfähigkeit grundsätzlich bereit wäre, in den Ruhestand zu gehen, so bestehen doch angesichts der Schwierigkeiten in Verbindung mit einer Kündigung erhebliche Anreize, so lange weiter zu arbeiten, bis der Arbeitgeber aufgrund des weitergehenden Leistungsabfalls zu einer attraktiven Abfindungszahlung bereit ist.165 Somit ist eine Altersgrenze wegen erwarteten, altersbedingten Leistungsabfalls nicht bereits deshalb unverhältnismäßig, weil die zurückgehende Leistung selbst den Arbeitnehmer zur Aufgabe seiner Tätigkeit bewegen kann. Das im Rahmen der Angemessenheit mit den Interessen des Arbeitnehmers abzuwägende Hauptziel ist die regelmäßig die Gewährleistung einer hinreichen leistungsfähigen Belegschaft.166 Aber es können noch andere Hauptziele damit verknüpft sein, wie beispielsweise das Erfordernis einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung.167 Dabei kommt dem Arbeitgeberinteresse mehr Gewicht zu, je wichtiger der jeweilige Aspekt der Leistungsfähigkeit für Ausübung der infrage stehenden Tätigkeit ist. Die Schwelle der wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG muss dabei nicht erreicht werden. Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis jedoch erbringen, so wird die statistische Ungleichbehandlung auch im Rahmen von § 10 AGG gerechtfertigt sein. Auf der anderen Seite steigen die Anforderungen, die an die Belastbarkeit der die Vermutung des Leistungsabfalls stützenden Erfahrungswerte und Statistiken zu stellen sind, je geringer der Aufwand und die Kosten der individuellen Überprüfung der 162 Vgl. BAG v. 11. 12. 2003, NZA 2004, 786, 788; BAG v. 28. 9. 1961, NJW 1962, 73 f.; dazu ErfK-Ascheid / Oetker, KSchG, § 1 Rn. 248 f.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 50; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 265. 163 BAG v. 12. 07. 1995, NJW 1996, 2247. 164 BAG v. 11. 12. 2003, NZA 2004, 788. 165 Vgl. auch Simitis, NJW 1994, 1453. 166 Dazu auch Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 371. 167 Dazu ausführlich sogleich im 7. Kapitel, unter B. V. 6.

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konkreten Leistungsmerkmale sind. Auch steigt die Dichte der Anforderungen mit der Anzahl der durch die Altersgrenze negativ betroffenen Personen. Dabei werden diejenigen Betroffenen nicht so sehr ins Gewicht fallen, deren Vorstellungen über den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand sich ohnehin grob mit dem Zeitpunkt, den die Altersgrenze festlegt, decken. 4. Altersgrenzen aus Sicherheitsgründen oder zum Schutz Dritter Altersgrenzen aus Sicherheitsgründen und zum Schutz Dritter stehen häufig im Zentrum der Aufmerksamkeit der Diskussion um Altersgrenzen. Dies ist wohl der Verbreitung solcher Regelungen in Arbeits- und Tarifverträgen, der bereits dazu existierenden Rechtsprechung des BVerfG168 und des BAG169 und den Parallelen zur bona fide occupational qualification-Einrede (BFOQ-Einrede) im U.S.-amerikanischen ADEA170 geschuldet. So knüpfen erste Erläuterungen zu sicherheitsbedingten Altersgrenzen unter dem AGG schnell an bekannte Fallgruppen der Unterscheidung nach dem Geschlecht oder aus der amerikanischen Rechtsprechung zur BFOQ-Einrede an171 und verkennen damit, dass § 8 Abs. 1 AGG nicht den entscheidenden Maßstab für zulässige Unterscheidung nach dem Alter in Deutschland liefert. Vielmehr ist die Erfüllung der geringeren Anforderungen des § 10 Satz 1 AGG ausreichend, um eine Benachteiligung wegen des Alters zu rechtfertigen.172 168 BVerfG v. 25. 11. 2004, AP Nr. 25 zu § 620 BGB Altersgrenze; BVerfG v. 16. 6. 1959, NJW 1959, 1579 f.; hierzu Bouchouaf, KritJ 2006, 313 f.; Boecken, NZS 2005, 395 f. 169 BAG v. 21. 07. 2004 -7 AZR 589 / 03, Rz. 24 ff. (Leitsätze veröffentlicht in: NZA 2004, 1352; Volltext verfügbar unter: http: //juris.bundesarbeitsgericht.de). 170 Im Rahmen der U.S.-amerikanischen BFOQ-Einrede kann eine Diskriminierung Älterer gerechtfertigt sein, wenn ein bestimmtes Alter vernünftigerweise für die Bewältigung der mit der speziellen Tätigkeit normalerweise verbundenen Aufgaben notwendig ist (Sec. 623(f)(1): „resonably necessary to the normal operation of the particular business“). Dies ist nach der Rechtsprechung anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass im Wesentlichen alle Personen oberhalb einer bestimmten Altersgrenze die notwendige Fähigkeit nicht mehr aufweisen oder wenn eine individuelle Überprüfung der Qualifikation nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist, Western Air Lines Inc. v. Criswell, 472 U.S. 400, 414 (1985). Aber das Fehlen einer Fähigkeit bei (beinahe) allen Angehörigen einer Altergruppe oberhalb einer bestimmten Altersgrenze wird nicht sehr streng gehandhabt. So wurden Altersobergrenzen bei Busfahrern von 65 Jahren für zulässig gehalten, weil wissenschaftliche Untersuchung belegten, dass die Fähigkeit, einen Bus sicher zu führen mit zunehmendem Alter abnimmt, was sich in einer steigenden Unfallquote jenseits des 55. Lebensjahres äußert, Usery v. Tamiami Trail Tours, 531 F.2d 224, 236 ff. (5th Cir. 1976). Allein die Tatsache, dass eine Fähigkeit negativ mit dem Alter einer Person korelliert und die steigende Unfallquote ab dem 55. Lebensjahr zunimmt, genügten also für den Nachweis, das im Wesentlichen allen Personen ab dem 65. Lebensjahr die Fähigkeit zum sicheren Führen eines Buses fehlt. Vgl. auch Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 220 f. 171 Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 8 Rn. 36; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 88 ff.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 78 f.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Nach Lüderitz können Altershöchstgrenzen im Hinblick auf den Schutz Dritter bei bestimmten Tätigkeiten zulässig sein. Bestünde bei einem plötzlichen körperlichen Ausfall die Gefahr schwerwiegender Folgen, so reiche ein Anstieg des Ausfallrisikos ab einer bestimmten Altersgrenze, da individuelle Leistungstests dieses Risiko nicht vollständig ausschließen könnten. Auch regelmäßige Leistungstests machten eine generelle Altershöchstgrenze nicht entbehrlich, weil auch bei Bestehen dieser Tests ein nachweisliches Ausfallrisiko bestünde.173 Diese Sicht wurde durch eine erste Entscheidung zu einer tarifvertraglichen Pensionsgrenze von 60 Jahren für Flugzeugführer unter dem AGG bestätigt. Das Arbeitsgericht Frankfurt sah diese Ungleichbehandlung als zulässig gemäß Art. 6 Abs. 1 RL bzw. § 10 AGG an.174 Aus ökonomischer Sicht stellen diese an statistische Korrelationen mit dem Lebensalter anknüpfenden Ungleichbehandlungen einen Sonderfall der Altersgrenzen wegen altersbedingten Leistungsabfalls dar, weshalb auf die dortigen Ausführungen zu verweisen ist.175 Die Besonderheit ist hierbei jedoch, dass dem Hauptziel, die Verhinderung von Gefahren und Schäden für Arbeitnehmer und Dritte, in der Abwägung der betroffenen Interessen ein besonderes Gewicht zukommt. Teilweise wird in Anlehnung an die U.S.-amerikanische Rechtsprechung zum ADEA vertreten, dass dem Arbeitgeber eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters verwehrt sein soll, wenn sich dieser widersprüchlich verhält.176 Unter dem ADEA wird dem Arbeitgeber eine Berufung auf die BFOQ-Einrede wegen Treuwidrigkeit und widersprüchlichen Verhaltens verweigert, wenn er Gesundheitstest nur bei älteren Arbeitnehmern durchführt,177 wenn er vereinzelt Arbeitnehmer jenseits der Altersgrenze in vergleichbaren Tätigkeiten einstellt178 oder wenn er einige Arbeitnehmer jenseits dieser Grenze weiterbeschäftigt. 179 Im Kontext des ADEA ist diese Rechtsprechung konsequent: Eine Eigenschaft, die angeblich ab einem bestimmten Alter fehlt, ist eben nicht eine vernünftigerweise notwendige Voraussetzung einer Tätigkeit,180 wenn dann doch einzelne Personen Dazu ausführlich im 6. Kapitel, unter A. II. So Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 85 (zu Art. 4 RL), 111 f. (zu Art. 6 Abs. 1 RL). Ähnlich auch Schmidt / Senne, RdA 2002, 88. Auch Lüderitz geht wohl davon aus, dass unter Art. 6 Abs. 1 RL geringere Anforderungen hinsichtlicher der Gefahr für Dritte zu stellen sind, Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 112. 174 ArbG Frankfurt a.M. v. 14. 3. 2007, BB 2007, 1736 ff. (Anm. von Hoff); bestätigt durch LAG Hessen v. 15. 10. 2007, 17 Sa 809 / 07. 175 Vgl. bereits im 7. Kapitel, unter B. V. 3. 176 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 80 ff.; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 117; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 426. 177 EEOC v. State Department of Highway Safety & Motor Vehicles, 660 F. Supp. 1104, 1110 (N.D. Florida 1986); Heiar v. Crawford County, 746 F.2d 1190, 1198 f. (7th Cir. 1984). 178 EEOC v. State of Mississippi, 654 F. Supp. 1168, 1181 (S.D. Mississippi 1987). 179 EEOC v. Tennessee Wildlife Resources Agency, 859 F.2d 24, 26 (6th 1988); ähnlich EEOC v. Commonwealth of Pennsylvania, 768 F.2d 514, 518 (3rd Cir. 1985). 172 173

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jenseits dieses Alters beschäftigt werden können oder bei Jüngeren das Vorliegen dieser Eigenschaft nicht überprüft wird. Jedoch ist diese Alles-oder-nichts-Lösung mit dem für Ungleichbehandlungen nach dem Alter maßgeblichen, flexiblen Ansatz des Art. 6 Abs. 1 RL und des § 10 AGG nicht zu vereinbaren. Vielmehr kann das vermeintlich widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers gerade als milderes Mittel und Härtefallregelung zur Abfederung einer Altersgrenze im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dienen. Auch kann es nicht Ziel der Regelungen der §§ 3, 7 Abs. 1 und 10 AGG sein, vereinzelt nicht pauschalierendes Verhalten zu sanktionieren, indem man die Rechtfertigung für die Verwendung des Alters als statistischen proxy gänzlich versagt. Dadurch würden dem Arbeitgeber gerade Möglichkeiten genommen, in Fällen mit ausnahmsweise niedrigeren Informationskosten, eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Weiterhin stellen sich aus ökonomischer Sicht die obigen Verhaltensweisen des Arbeitgebers gar nicht als widersprüchlich dar. Werden Tests erst ab einem bestimmten Alter durchgeführt, obwohl auch bei jüngeren Kollegen die gewünschte Eigenschaft nicht fehlen sollte, so liegt das regelmäßig darin begründet, dass erst die steigende statistische Wahrscheinlichkeit des Fehlens der Eigenschaft ab einem bestimmten Alter die Kosten der individuellen Überprüfung im Vergleich zu den Kosten eines unerkannten Fehlens der Eigenschaft rechtfertigt. Auch das vereinzelte Einstellen oder Weiterbeschäftigen von Arbeitnehmern jenseits der Altersgrenze muss nicht Zeichen der Willkür der Altersgrenze sein. Vielmehr kann es daher rühren, dass einige Arbeitnehmer besser als andere in der Lage sind, die vom Arbeitgeber gewünschten Eigenschaften zu signalisieren. Schließlich liefe die Pflicht, sämtliche Altersgruppen zu testen, sobald Leistungs- oder Fähigkeitsüberprüfungen für eine bestimmte Altersgruppe wirtschaftlich angezeigt sind, den wirtschaftlichen Zielsetzungen des Schutz vor Benachteiligungen wegen des Alters nach der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG entgegen. Diese Pflicht kann sich als Einstellungshemmnis für Angehörige der Altersgruppe äußern, die zu den belegschaftsweiten individuellen Tests Anlass gibt. Würde etwa ein Busunternehmer eigentlich auch ältere Fahrer in Kombination mit Gesundheitstests zulassen, so wird er angesichts zwangsweiser Tests aller seiner Fahrer durch die Versagung der Rechtfertigungsmöglichkeit versuchen, die Beschäftigung dieser älteren Arbeitnehmer gänzlich zu vermeiden. Des Weiteren entstünden durch eine Auslegung des § 10 AGG, nach der entweder alle Altersgruppen oder keine individuell überprüft werden muss, Kosten der unnötigen Überprüfung oder Schäden wegen unterlassener Überprüfung, die der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen schaden und auch generell beschäftigungs- und wohlstandsfeindlich sind.

180 Sec. 623(f)(1) ADEA: „resonably necessary to the normal operation of the particular business“.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

5. Altersgrenzen bei der Einstellung oder Pensionierung zur Ermöglichung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb oder Unternehmen Die Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Altersgruppen bei der Begründung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen wird oftmals mit der Notwendigkeit einer ausgewogenen oder vernünftigen Altersstruktur im Betrieb oder im Unternehmen begründet.181 Einigen Stimmen im Schrifttum zufolge liegt darin schon kein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG für die Rechtfertigung von Altersgrenzen bei der Einstellung oder Pensionierung.182 Verbreitet wird jedoch die Legitimität des Interesses des Arbeitgebers an einem solchen Altersaufbau seiner Belegschaft bejaht.183 Diese Ansicht stützt sich zum einen auf das Gewicht, das die Alterstruktur im deutschen Arbeitsrecht vor Erlass des AGG bereits hatte. So war das Interesse des Arbeitgebers an einem „vernünftigen Altersaufbau“ in der Rechtsprechung des BAG zu Altersgrenzen anerkannt.184 Ähnlich hatte das BVerfG die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur im Rahmen der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG als Rechtfertigungsgrund gelten lassen.185 Ferner weist § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG dem Interesse des Arbeitgebers an einer ausgewogenen Personalstruktur186 einen wichtigen Stellenwert in der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen zu.187 Die Anerkennung der ausgewogenen Alters181 Nach dem IAB-Betriebspanel 2004 gaben 14% der Befragten als Grund für die Ablehnung von über 50-jährigen Bewerbern an, dass diese nicht in die betriebliche Altersstruktur passten. Vgl. Bellmann / Gewiese / Leber, WSI Mitteilungen 2006, 430. 182 Bertelsmann-Rust / Falke, AGG, § 10 Rn. 190; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 75, 109 f.; Roetteken, AGG, § 10 Rn. 48; ähnlich bereits zu Art. 6 Abs. 1 RL, Schmidt / Senne, RdA 2002, 87 f.; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 88, 173 f.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 254 f. 183 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 5; Bauer, NJW 2001, 2674; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 174 f.; Hanau, ZIP 2006, 2197; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29, 31; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 45, 50; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 109; O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 40 f.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 460; Waltermann, NZA 2005, 1267 f.; Waltermann, NJW 2008, 2532; ebenso OVG Münster v. 15. 3. 2007, 6 A 942 / 05, BeckRS 2007 22662, unter II. 1. b); ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 628 f.; zweifelnd Leuchten, NZA 2002, 1259. 184 BAG v. 20. 11. 1987, AP Nr. 2 zu § 620 BGB Altersgrenze, unter B.IV.3.b); BAG v. 25. 3. 1971, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952; kritisch dazu Nussberger, JZ 2002, 529. 185 BVerfG v. 29. 10. 1992, NJW 1993, 1575 f. (Altersgrenze bei Notaren); BVerfG v. 30. 3. 1999, NZA 1999, 817 (zu Art. 2 des SGB VI Änderungsgesetzes). 186 Mit der Ausgewogenheit der Personalstruktur ist auch die altersmäßige Zusammensetzung der Belegschaft erfasst. Vgl. BAG v. 20. 4. 2005, NZA 2005, 877; BAG v. 23. 11. 2000, NZA 2001, 601; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 109; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 460. 187 Der Nationale Beschäftigungspolitische Aktionsplan 2003 unterstreicht auf Seite 18, dass das betriebliche Interesse an einer Erhaltung einer leistungsfähigen Alters- und Qua-

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struktur als legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG stimmt schließlich auch mit Erwägungsgrund 25 der RL 2000 / 78 / EG überein, nach dem das Verbot der Altersdiskriminierung der „Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung“ dienen soll.188 Aus ökonomischer Sicht ist die Ermöglichung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb oder Unternehmen ein legitimes Ziel von einigem Gewicht. So beugt eine ausgewogene Altersstruktur den zahlreichen negativen Effekten einer Kohortenbildung – der Konzentration größere Teile der Belegschaft in einer bestimmten Altersgruppe – vor. Ein solches Ungleichgewicht im Altersaufbau der Belegschaft kann nämlich zu kohortenspezifischen Ausbildungsdifferenzen, zu Kohortenunterschieden bezüglich betrieblichen Wissens und zu Konflikten innerhalb der Belegschaft aufgrund von Altersdifferenzen führen.189 Daraus entstehen Problemfelder, wie der „Beförderungsstau“, der qualifizierte Nachwuchskräfte abschrecken, demotivierend auf jüngere Mitarbeiter wirken und schließlich die Fluktuationswahrscheinlichkeit dieser Mitarbeiter erhöhen kann.190 Des Weiteren kann die Produktivität des Unternehmens unter einem „Innovationsstau“ infolge fehlenden neuen Wissens durch jüngere Mitarbeiter leiden.191 Darüber hinaus können außerordentliche Rekrutierungs- und Verrentungswellen den erforderlichen Wissenstransfer zwischen den Generationen im Betrieb verhindern und zu einem Mangel an erfahrenen Kräften führen.192 Dem Arbeitgeber muss ermöglicht werden, zur Sicherung seines Unternehmens einen abrupten Wechsel eines Großteils der Belegschaft zu verhindern und für einen geordneten und kontinuierlichen Übergang zu einer neuen Arbeitnehmergeneration zu sorgen, damit die Weitergabe von betrieblichem Know-how und Erfahrungswissen gewährleistet bleibt.193 Schließlich ist zu beachten, dass aus Sicht des Arbeitgebers mit der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer mitunter höhere Kosten aufgrund von ansteigenden Lohnprofilen oder gesetzlichen bzw. untergesetzlichen Sonderrechten Älterer einherlifikationsstruktur größeres Gewicht gegenüber den sozialen Gesichtspunkten erhalten soll. (verfügbar unter http: //ec.europa.eu/employment_social/employment_strategy/nap_2003/nap _de_de.pdf); ebenso die Begründung des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt, BTDrucks. 15 / 1204, S. 9. 188 So auch Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29. 189 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 310 unter Verweis auf Fearns, Auswirkungen der betrieblichen Altersstruktur auf die Personalentwicklung, S. 41 ff.; ähnlich Dworschak / Buck, Veränderung der Arbeitswelt, S. 31; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 172. 190 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 310. 191 BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 267; Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 91; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 310. 192 Dworschak / Buck, Veränderung der Arbeitswelt, S. 31; Nienhüser, Betriebliche Personalstrukturen, S. 305 f. 193 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 276.

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gehen.194 Auch angesichts dieser Kosten kann eine ausgewogene Verteilung von Altersgruppen in der Belegschaft wirtschaftlich erforderlich sein. Linsenmaier sieht in der Versagung der Altersstruktur als Rechtfertigungsgrund auch ein Einstellungshindernis.195 Wenn ein künftiges Ausscheiden aus dem Beruf durch Altersgrenzen oder Kündigungen nicht mit dem Erfordernis einer ausgewogenen Alterstruktur begründet werden kann, wird der Arbeitgeber versuchen, Einstellungen Älterer zu vermeiden. Damit entspricht die Anerkennung der ausgewogenen Altersstruktur als legitimes Ziel im Sinn von § 10 Satz 1 AGG in mehrfacher Hinsicht der Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG und des AGG. Zum einen ermöglicht dies den Erhalt und die Steigerung der Leistungsfähigkeit europäischer Unternehmen, was wiederum deren Wettbewerbsfähigkeit steigert. Zum anderen werden Hemmnisse für die Teilhabe älterer Menschen am Arbeitsmarkt abgebaut. Problematisch bleibt aber, was unter einer „vernünftigen“ oder „ausgewogenen“ Altersstruktur zu verstehen ist. Dies ist grundsätzlich aus Sicht des Arbeitgebers zu beurteilen unter Berücksichtigung der fachlich-beruflichen Zusammenhänge.196 Der Arbeitgeber muss darlegen können, welchen Altersaufbau er anstrebt und warum dieser vernünftig ist.197 Dabei muss er auf der Basis der oben genannten betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse argumentieren.198 Die Behauptung, die Belegschaft bedürfe einer „Verjüngung“ bzw. ihr drohe die „Überalterung“ ist dafür jedenfalls nicht ausreichend. Als Anhaltspunkt für eine Ausgewogenheit kann gelten, dass etwa so viele Arbeitnehmer eingestellt werden, wie ausscheiden, und das die verschiedenen Altersgruppen im Unternehmen in etwa ähnlich stark besetzt sind. Jedoch kann eine Gleichverteilung zwischen den Arbeitsgruppen nicht pauschal als „ausgewogen“ gelten, da auch die unterschiedliche Besetzung dieser Gruppen in der Bevölkerung, im Erwerbspersonenpotential und am Arbeitsmarkt berücksichtigt werden muss.199 Des Weiteren kann innerhalb einer Belegschaft die Ausgewogenheit tätigkeitsspezifisch zu ermitteln sein, da sich die obigen ökonomischen Hintergründe und das Arbeitsangebot in verschiedenen Tätigkeiten mitunter stark unterscheiden können. Schließlich müssen bei der Beurteilung der Ausgewogenheit der Altersstruktur branchenspezifische Gründe berücksichtigt werden.200 194 So auch Nienhüser, Betriebliche Personalstrukturen, S. 309.; vgl. zu diesen Kosten und deren Berücksichtigung bei der Rechtfertigung nach § 10 AGG im 7. Kapitel, unter E. I. 195 Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29. 196 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 197 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 19. 9. 2007 – 15 Sa 1144 / 07, BeckRS 2008, 50730. 198 Ähnlich Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 173; ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 629. 199 Dworschak / Buck, Veränderung der Arbeitswelt, S. 31. 200 Etwa die körperliche Belastung in der Bauwirtschaft, die eine eher jüngere Altersstruktur begründet. Zu branchenspezifischen Altersstrukturen, Brussig, Betriebe und die Beschäftigung Älterer, S. 5.

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Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit des Mittels sind verbandstarifvertragliche Altersgrenzen für die Schaffung oder den Erhalt eines zweckmäßigen Altersaufbaus schon nicht geeignet. Dieser Aufbau ist betriebsspezifisch bzw. unternehmensspezifisch und kann daher nicht für alle Tarifgebundenen gleich geregelt werden.201 Bei der Angemessenheit kann Berücksichtigung finden, dass altersgemischte Belegschaften zur Verringerung von unterbewussten Verzerrungen von kognitiven Prozessen von Arbeitsmarktakteuren beitragen können. Eine heterogene Belegschaft stellt eine population diversity dar, die im Sinne von Sunstein und Jolls zum debiasing von Akteuren genutzt werden kann.202 Dies hilft beim Abbau von Vorurteilen gegenüber älteren Menschen mit und spricht daher für die Angemessenheit von Maßnahmen, die die Ausgewogenheit der Altersstruktur in einem Unternehmen langfristig sicherstellen.

6. Pensionsgrenzen zur Ermöglichung vorhersehbarer Personal- und Nachwuchsplanung Ein weiteres legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG, das regelmäßig mit Altersgrenzen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen verfolgt wird, ist die Ermöglichung einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung.203 Nach Löwisch, Caspers und Neumann ist eine berechenbare Personal- und Nachwuchsplanung neben der Gewährleistung eines vernünftigen Altersaufbaus der Belegschaft sogar eine Grundvoraussetzung der ökonomischen Führung von Wirtschaftsunternehmen, an deren Beachtung auch ein erhebliches Allgemeininteresse besteht.204 Das Ausscheiden erfahrener Mitarbeiter geht mit einem Verlust an betrieblichem Know-how einher und muss daher zur Ermöglichung der innerbetrieblichen Wissensweitergabe und zur Verhinderung von Produktivitätseinbußen längerfristig geplant werden. Je nach Tätigkeit und Position eines Arbeitnehmers in der Unternehmenshierarchie muss der Arbeitgeber durch eine Personalentwicklung vorsorgen, um Engpässen an qualifiziertem Personal vorzubeugen. Dabei spielt die Vorhersehbarkeit des Zeitpunktes, an dem ein Arbeitnehmer aus dem Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 174. Dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter C. IV. 1. a). 203 Vgl. LAG Niedersachsen v. 20. 6. 2007, 15 SA 1257 / 06, BeckRS 2007, 46076; so auch zu Art. 6 Abs. 1 RL, Hahn, Altersdiskriminierung, S. 175; Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 91; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 45 ff.; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 31; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 110 f.; O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 40 f.; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 372 f.; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 239; für Großbritannien, Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 91; ablehnend aber Kocher, ARBEIT 2005, 315; Schmidt / Senne, RdA 2002, 87; Schmidt, KritV 2004, 253; dazu in der ökonomischen Analyse des ADEA: Posner, Aging and Old Age, S. 324. 204 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 46. 201 202

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Unternehmen ausscheidet, eine wichtige Rolle für die Planbarkeit der Personalmaßnahmen. Gerade ältere Arbeitnehmer verfügen regelmäßig über ein hohes Maß betrieblichen Erfahrungswissens und befinden sich oftmals auf einer höheren Hierarchiestufe. Damit kann ein besonderes unternehmerisches Interesse bestehen, den Zeitpunkt ihres Ausscheidens in den Ruhestand frühzeitig offen zu legen. Tarifvertragliche Altersgrenzen sind jedoch schon ein ungeeignetes Mittel zur Erreichung einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Eine solche Planung kann nur betriebsspezifisch erfolgen.205 Zum Erreichen einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung sind Altersgrenzen auf betrieblicher und einzelvertraglicher Ebene jedenfalls geeignet.206 Aber auch diese Altersgrenzen werden häufig kein erforderliches Mittel zur Zielerreichung sein. Lüderitz weist zutreffend darauf hin, dass regelmäßig nur Pensionsgrenzen im Bereich von hoch spezialisierten Tätigkeiten oder von Führungskräften erforderlich sind.207 Bei geringqualifizierten Arbeitnehmern stellt regelmäßig bereits die Dauer der Kündigungsfrist ein milderes, gleichwirksames Mittel dar. Denn die Dauer der Kündigungsfrist steigt mit der Betriebszugehörigkeit an und ist so bemessen, dass dem Arbeitgeber ausreichend Zeit zur Beschaffung eines adäquaten Ersatzes verbleibt.208 Nur bei Spezialisten und Führungskräften ist die Kündigungsfrist in der Regel nicht gleich wirksam wie eine Altersgrenze, da sich in diesen Fällen ein angemessener Ersatz nicht kurzfristig finden lässt.209 Bei anderen Arbeitsverhältnissen kann eine Kündigungsfrist jedoch ein milderes, gleich wirksames Mittel sein, das die Erforderlichkeit einer Altersgrenze ausschließt. Als weiteres milderes Mittel nennt Lüderitz die bereits erwähnten210 relativen Pensionsgrenzen, bei denen auf Wunsch des Arbeitnehmers ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht.211 Auch Waltermann führt an, dass ohne allgemeine Altersgrenzen der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ebenfalls auf kalkulierbare Weise gewährleistet werden kann. So könne sowohl tarifvertraglich als auch arbeitsvertraglich geregelt werden, dass sich ein Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Regelaltersgrenze äußern muss, wenn er darüber hinaus arbeiten möchte. So stünde es dem Arbeitnehmer offen weiterzuarbeiten, während der Arbeitgeber ausreichend Vorwarnzeit hat, um die notwendigen Schritte zu ergreifen.212 In der Tat wird eine derartige Ausgestaltung dem ArbeitLüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 174. So auch Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 111, 204. 207 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 111, 204; ähnlich Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 372 f.; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 175. 208 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 111. 209 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 111. 210 Zur Frage von relativen Altersgrenzen als milderes Mittel bereits im 7. Kapitel, unter B. IV. 3. und B. V. 6. 211 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 111; ebenso bereits Waltermann, Berufsfreiheit im Alter, S. 138 f. 205 206

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geber in vielen Fällen hinreichende Planungssicherheit geben. Bei der Neubesetzung von Positionen, die von Spezialisten oder Führungskräften ausgeübt werden, bedarf es aber einer langfristigen und aufwendigeren Planung, die im Einzelfall über eine einfache Vorwarnzeit hinausgeht. Denn häufig gibt es ein betriebswirtschaftliches Interesse, solche freiwerdenden Stellen mit internem Sachverstand zu besetzen. Dieser steht aber nicht einfach im Unternehmen zur Verfügung, sondern muss über eine langfristige Personalentwicklung herangebildet werden. Diese Planung erstreckt sich von der Einstellung von Auszubildenden oder dem Angebot von Trainee-Programmen, über Weiterbildungsmaßnahmen, bis hin zu Beförderungen in neue Verantwortungsbereiche. Derartige Maßnahmen können auf der einen Seite nicht erst bei der Ankündigung eines Arbeitnehmers, nach der Regelaltersgrenze nicht mehr zur Verfügung zu stehen, eingeleitet werden. Auf der anderen Seite ist die Personalentwicklung von Spezialisten und Führungskräften besonders kostspielig, so dass auch nicht einfach ein „Puffer“ an hinreichend qualifiziertem Personal angelegt werden kann, mit dem dann flexibel auf die Arbeitnehmerentscheidung reagiert werden kann. Flexible Altersgrenzen oder Regelaltersgrenzen im Sinne von Waltermann sind daher im Bereich von Spezialisten und Führungskräften zwar ein milderes Mittel. Es fehlt in diesem Bereich aber an der gleichen Eignung im Vergleich zu Altersgrenzen. Auch Lüderitz betont, dass für spezialisierte Tätigkeiten und Führungspositionen ein fester Austrittstermin notwendig und daher eine Pensionsgrenze auch erforderlich ist.213 Bei der Abwägung der betroffenen Interessen im Rahmen der Angemessenheit des Mittels kommt dem Erfordernis einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung ein unterschiedliches Gewicht zu, je nach dem wie langfristig die Planung des Arbeitgebers erfolgen muss und wie hoch die Kosten sind, die mit einem Personalengpass aufgrund des Ausscheidens von Arbeitskräften einhergehen. Daher hat das Ziel bei hoch spezialisierten Arbeitskräften oder bei Führungspersonal ein erhebliches Gewicht. Eine Altersgrenze kann aber auch in diesen Fällen unangemessen sein, wenn eine relative Altersgrenze nach Waltermann angesichts der Erheblichkeit der betroffenen Interessen des Arbeitnehmers oder der besonderen Länge der Vorwarnzeit zumutbar erscheint. 7. Festlegung von Mindestanforderungen an die Berufserfahrung Die Berücksichtigung der Berufserfahrung eines Bewerbers bei der Einstellung stellt regelmäßig eine mittelbare Benachteiligung jüngerer Menschen wegen ihres Alters gemäß § 3 Abs. 2 AGG dar. Und auch eine dahingehende Anforderung in der Ausschreibung einer offenen Stelle verstößt gegen das Gebot der altersneutra212 Waltermann, ZFA 2006, 325; Waltermann, NZA 2005, 1270; Waltermann, NZA 1994, 829. Ähnlich auch der Vorschlag von Preis, Gutachten B für den 67. Deutschen Juristentag, B 89 f. 213 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 111.

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len Ausschreibung gemäß § 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG.214 Jedoch ist eine Unterscheidung nach dem Alter bei der Einstellungsentscheidung oder in der Ausschreibung zulässig, wenn der Arbeitgeber damit gemäß § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG ein legitimes Ziel in verhältnismäßiger Weise verfolgt. Die Situation, dass beim Zugang zur Beschäftigung Mindestanforderungen an die Berufserfahrung gestellt werden, wird in § 10 Satz 3 Nr. 2, 1. Fall AGG ausdrücklich als rechtfertigungsfähig genannt. Dahinter steht das legitime Ziel, eine leistungsfähige und produktive Belegschaft zu erreichen oder zu erhalten. In vielen Tätigkeiten korreliert die Berufserfahrung eines Menschen positiv mit dessen Produktivität. Das rührt regelmäßig daher, dass ein Arbeitnehmer im Verlauf seiner Tätigkeit Erfahrungswissen und tätigkeitsspezifisches Humankapital akkumuliert. Des Weiteren kann das Erfordernis einer bestimmten Berufserfahrung im Einzelfall auch die Überqualifikation eines Bewerbers verhindern.215 Die Berufserfahrung ist daher eine wichtige Messgröße zur Bestimmung der Fähigkeiten, Kompetenzen und des Leistungsvermögens eines Bewerbers.216 Der Orientierung an diesem Indikator sollte die RL 2000 / 78 / EG grundsätzlich nicht entgegenstehen, da diese nach Erwägungsgrund 17 RL nicht die Einstellung einer Person vorschreibt, die „für die Erfüllung der wesentlichen Funktion des Arbeitsplatzes [ . . . ] nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.“ Neben der Berufserfahrung nennt § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG auch das Dienstalter als rechtfertigungsfähiges Unterscheidungsmerkmal. Dabei meint das Dienstalter217 die Dauer des konkreten Arbeitsverhältnisses, während die Berufserfahrung sämtliche berufliche Tätigkeit auch bei anderen Arbeitgebern umfasst.218 Für den Zugang zur Beschäftigung im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 2, 1. Fall AGG ist allein die Berufserfahrung maßgeblich. Ein Dienstalter besteht bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses naturgemäß noch nicht. Beide Faktoren können aber unter § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG Berücksichtigung finden, wenn es um bestimmte mit einer Beschäftigung verbundenen Vorteile geht.219 Die Differenzierung nach der Berufserfahrung ist zur Gewährleistung einer leistungsfähigen und produktiven Belegschaft grundsätzlich geeignet. Der Stellenwert 214 Zwar ist ein solcher Verstoß nicht nach § 15 AGG sanktionsbewehrt, jedoch kann eine Ausschreibung mit unmittelbaren oder mittelbaren Altersvorgaben ein Indiz für eine Altersdiskriminierung bei der Ablehnung eines Bewerbers sein. Vgl. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 200; MüKo-Thüsing, AGG, § 11 Rn. 8. 215 Auch Hanau, ZIP 2006, 2198; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 23. 216 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 126; ähnlich Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 211. 217 Alternativ wird auch der Begriff der Dauer der Betriebs- bzw. Unternehmenszugehörigkeit benutzt. 218 Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 90; Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 47; Flohr / Ring, Das neue Gleichbehandlungsgesetz, Rn. 234. 219 Zu § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG ausführlich im 7. Kapitel, unter E. II. 3.

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der Berufserfahrung bei der Bestimmung der Produktivität eines Menschen differiert erheblich zwischen verschiedenen Tätigkeiten und unterschiedlichen Arten der Berufserfahrung. Eine starke Verknüpfung zwischen Produktivität und Berufserfahrung ist beispielsweise bei hoch spezialisierten Tätigkeiten zu erwarten. In anderen Tätigkeitsbereichen wird nicht jegliche Art der Berufserfahrung zu erheblichen Produktivitätssteigerungen führen, sondern dies nur durch Erfahrungen in einer vergleichbaren Tätigkeit oder jedenfalls der gleichen Branche gewährleistet werden. Aber auch bei solchen Arbeitsplätzen besteht eine Korrelation zwischen Berufserfahrung und Produktivität. So werden allgemeine Softskills für den Arbeitsplatz, wie die Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit oder das Akzeptieren von Hierarchien am Arbeitsplatz, eher bei einem Bewerber vorliegen, der bereits beruflich tätig war. Dies gilt häufig selbst dann, wenn diese Erfahrungen in einer anderen Tätigkeit oder anderen Branche gesammelt wurden. Und auch diese Vorzüge einer Berufserfahrung sind produktivitätsrelevant, da dadurch Friktionen innerhalb der Belegschaft vermieden und die Zusammenarbeit verbessert werden kann. Des Weiteren wird heute die häufig die Praxisferne vor allem der akademischen Ausbildung beklagt. Jegliche ernsthaft betriebene Auseinandersetzung mit der beruflichen Realität wird die Verknüpfung des erlernten theoretischen Wissens mit den tatsächlichen Gegebenheiten in der Arbeitswelt fördern. Somit wird die Berufserfahrung für die Prognose der Produktivität nur in seltenen Fällen vollkommen ungeeignet sein. Ein Nachweis der Geeignetheit dieses Indikators für die konkrete Tätigkeit im Einzelfall erscheint daher eine unnötige Belastung für den Arbeitgeber, mit der auch Ressourcen verschwendet werden. Sinnvoll erscheint die Übernahme der Cadman-Vermutung des EuGH auf Differenzierungen nach der Berufserfahrung.220 Danach indiziert das Dienstalter die Berufserfahrung, und die Berufserfahrung indiziert bessere Arbeitsverrichtung. Daher kann der Arbeitgeber sich grundsätzlich auf das Dienstalter berufen, „ohne dass er dessen Bedeutung für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben darlegen muss.“221 Gleiches muss für die Berufung auf die Berufserfahrung gelten. Anders ist dies nur, „wenn der Arbeitnehmer Anhaltspunkte liefert, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass im vorliegenden Fall der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters zur Erreichung des genannten Ziels geeignet ist. Dann ist es Sache des Arbeitgebers, zu beweisen, dass das, was in der Regel gilt, nämlich dass das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergeht und dass diese den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten, auch in Bezug auf den fraglichen Arbeitsplatz zutrifft.“222 Gestützt werden diese niedrigeren Anforderungen an die Geeignetheit des Mittels durch den Wortlaut des § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG bzw. des Art. 6 Ebenfalls dazu im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) aa). EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 36; EuGH v. 17. 10. 1989 – Rs. 109 / 88 (Danfoss), NZA 1990, 774, Rz. 24 f. 222 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 38; zustimmend Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 8. 220 221

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Abs. 1 b) RL. Danach können Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter allgemein für den „Zugang zur Beschäftigung“ festgelegt werden. Im Vergleich dazu schränkt der Wortlaut des § 10 Satz 3 Nr. 3, 1. Fall AGG bzw. des Art. 6 Abs. 1 c) RL die Festsetzung eines Höchstalters auf „spezifische Ausbildungsanforderungen“ für eine „bestimmten Arbeitsplatz“ ein. Im Umkehrschluss geht auch der Gesetzeswortlaut davon aus, dass eine Berufserfahrung grundsätzlich die Produktivität in der beruflichen Tätigkeit allgemein steigert. Schließlich kann das unterschiedliche Ausmaß der Korrelation der Berufserfahrung mit der Produktivität im Einzelfall hinreichend und flexibel bei der Abwägung der betroffenen Interessen im Rahmen der Angemessenheit der Mittel im engeren Sinne berücksichtigt werden. Auch unmittelbare Differenzierungen nach dem Lebensalter durch Altersgrenzen bei der Einstellung, mit denen eine hinreichende Berufserfahrung sichergestellt werden soll, können sich grundsätzlich als geeignete Mittel erweisen. Anders sieht dies Lüderitz, weil das Alter eines Beschäftigten nicht mit der Dauer der Beschäftigung übereinstimmen müsse.223 Jedoch reicht zur Bejahung der Geeignetheit des Altersindikators bereits eine positive statistische Korrelation aus, von der zwischen Alter und beruflicher Beschäftigungsdauer wohl zumeist auszugehen ist. Trotzdem wird es hier regelmäßig an der Erforderlichkeit einer solchen Altersgrenze fehlen, da mit dem unmittelbaren Abstellen auf die Dauer der Berufserfahrung ein milderer Indikator für die Produktivität im Vergleich zum Lebensalter zur Verfügung steht, der vergleichbar einfach zu erkennen ist und stärker mit der Produktivität korreliert. Dagegen ist das Abstellen auf die Berufserfahrung eines Bewerbers in der Regel auch ein erforderliches Mittel zur Erreichung einer produktiven Belegschaft. Individuelle Überprüfungen der konkret erforderlichen Eigenschaften wären zwar ein milderes Mittel. Dies ist aber angesichts der großen Bandbreite der mit der Berufserfahrung einhergehenden produktivitätsrelevanten Faktoren ein aufwendigeres, nicht gleich wirksames Verfahren. Nicht für jede Tätigkeit wird eine Unterscheidung nach der Berufserfahrung oder dem Dienstalter jedoch das angemessene Mittel zu Erreichung einer produktiven Belegschaft sein. Hier kommt es entscheidend darauf an, in welchem Maße im Bereich der konkreten Tätigkeit eine positive Korrelation zwischen Berufserfahrung und steigender Produktivität tatsächlich anzunehmen ist.224 In der Interessenabwägung im Rahmen der Angemessenheit steigt das Gewicht des Arbeitgeberinteresses an einer bestimmten Berufserfahrung proportional zur Größe des danach zu erwartenden Produktivitätszuwachses. Ein enger Zusammenhang zur Produktivität und damit ein größeres Gewicht bei der Abwägung ist zu erwarten, wenn die Berufserfahrung tätigkeits- oder branchenspezifisch bemessen wird. Weniger gewichtig wird das Interesse des Arbeitgebers an Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 117. So auch allgemein: Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 24; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 126; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 299. 223 224

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der Tatsache sein, dass ein Bewerber überhaupt schon einmal berufstätig war. Weiterhin kann die Berufserfahrung bei der Auswahl mehr Gewicht bekommen, je höher die qualitativen Anforderungen der zu verrichtenden Tätigkeit sind.225 Rebhahn formuliert: „Gerade bei der Möglichkeit, im Laufe der Zeit zusätzliche relevante Erfahrungen zu sammeln, gibt es große Unterschiede zwischen den Berufen. Bei Personal an der Kasse eines Supermarktes können weniger Erfahrungen relevant werden als bei Verkaufspersonal in einem Fachgeschäft, und bei diesem wieder weniger als bei Wissenschaftlern.“226 Diese tätigkeitsspezifischen Unterschiede sind bei der Abwägung zu berücksichtigen. Auch ist die Länge der geforderten Berufserfahrung mit den damit verknüpften Produktivitätssteigerungen in Verhältnis zu setzen. Bei geringeren Produktivitätsunterschieden oder längeren Anforderungen an die Berufserfahrung können dem Arbeitgeber Härtefallregelungen zuzumuten sein. Solche Regelungen können die Akzeptanz auch geringerer Berufserfahrung beinhalten, wenn der Bewerber dies etwa durch längere Praktika, berufsnahe Ausbildung oder Weiterbildungsmaßnahmen aufwiegen kann. Bei der Angemessenheit ist auch zu berücksichtigen, dass es zu ökonomischen Fehlanreizen käme, wenn Arbeitgeber die Berufserfahrung nicht hinreichend würdigen dürften. Diese vorherigen Tätigkeiten stellen oftmals zeitaufwendige Humankapitalinvestitionen durch den Arbeitnehmer dar und würden durch eine Gleichbehandlung von Bewerbern unterschiedlicher Berufserfahrungen geradezu sanktioniert. Dem Arbeitgeber muss möglich sein, den mit Berufserfahrung üblicherweise einhergehenden Erwerb von Zusatzqualifikationen, Fähigkeiten und Kenntnissen zu honorieren, da diese Investitionen ansonsten für den Arbeitnehmer teilweise an Sinn verlieren.227

8. Pensionsgrenzen zur Förderung der beruflichen Eingliederung Als legitime Ziele für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters benennt § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten. Mit dieser Zielsetzung können sowohl unterschiedliche Behandlungen beim Zugang zu Beschäftigung als auch bei den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere auch hinsichtlich der Entlohnung und der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, gerechtfertigt werden, soweit diese verhältnismäßige Mittel im Sinne von § 10 Satz 2 AGG sind. Zur Förderung der beruflichen Eingliederung bestimmter Gruppen sind insbesondere zwei Fallgruppen von Ungleichbehandlungen wegen des Alters denkbar. Zum einen kann eine Altersgruppe nachteilig behandelt werden, um die berufliche Eingliederung der Angehörigen derselben Altersgruppe zu fördern. Andererseits kann Hahn, Altersdiskriminierung, S. 126. Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 47. 227 So auch Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 211 f. mit ausführlichen Nachweisen auf die entgegenstehende Europäische Beschäftigungsstrategie. 225 226

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eine Ungleichbehandlung der Angehörigen einer bestimmten Altersgruppe mit dem Ziel erfolgen, die berufliche Eingliederung einer anderen Altersgruppe zu begünstigen. Zur Rechtfertigung von Pensionsgrenzen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG kann etwa angeführt werden, dass diese die berufliche Eingliederung von älteren Arbeitnehmern fördern, da der Arbeitgeber eher bereit sein wird, Ältere einzustellen, wenn er sich in absehbarer Zeit auch ohne Kündigung wieder von diesen trennen kann. Denn „unter Nr. 1 fällt gerade der gezielte Einsatz abgesenkter Beschäftigungsbedingungen, um auf dem Arbeitsmarkt einen Anreiz zur Beschäftigung zu schaffen.“228 Durch die Reduzierung von Bestandsschutz sollen Hemmnisse bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen abgebaut werden.229 Unternehmen mit Pensionsgrenzen werden eher willens sein, so genannte high-risk workers (also auch ältere Menschen) einzustellen, da sie weiteres Ermessen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben als ohne Altersgrenzen.230 Auch der Rat der Europäischen Gemeinschaften räumte bereits 1993 ein, dass Veränderungen der Praxis von Altersgrenzen die Möglichkeiten der Rückkehr von älteren Personen in das Erwerbsleben negativ beeinflussen könnten.231 Denn die mit einer Kündigung eines Arbeitnehmers verbundenen Kosten können erheblich sein.232 Daher geht es um mehr als um die Überwindung „psychologischer Einstellungsbarrieren.“233 Auch durch die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG a.F. wurde die Förderung der beruflichen Eingliederung älterer Arbeitnehmer verfolgt.234 Diese Norm ermöglichte die sachgrundlose Befristung von Arbeitnehmern ab Vollendung des 52. Lebensjahres und wurde aus beschäftigungspolitischer Sicht weitläufig begrüßt.235 228 Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 21; a.A. Hahn, Altersdiskriminierung, S. 173. 229 Vgl. dazu allgemein: Schlachter, RdA 2004, 356 und Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 231 (beide im Zusammenhang mit § 14 Abs. 3 TzBfG); Löwisch, NZA 2003, 690 (in Zusammenhang mit dem KSchG); OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 172 f. 230 Epstein, Forbidden Grounds, S. 458. 231 Entschließung des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 30. 06. 1993, Abl. C-188, S. 1 f., Nr. 8. 232 Kündigungen führen zu administrative Kosten und gegebenenfalls Kosten der Rechtsdurchsetzung, also Rechtsberatungs- und Gerichtskosten, und zu etwaigen Aufwendungen für Abfindungszahlungen. Des Weiteren sorgen tarifliche und gesetzliche Kündigungsfristen dafür, dass Verzögerungen eintreten, die sich in weiterlaufenden Lohnkosten niederschlagen. Schließlich sind Kosten einer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung und im Zusammenhang mit Annahmeverzugslohn möglich. Vgl. dazu Löwisch, NZA 2003, 690; von Klitzing, Ordnungsökonomische Analyse des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes, S. 174 ff. 233 Dazu Thüsing, RdA 2003, 261. 234 BT-Drucks. 13 / 4612, S. 17 (zu § 14 Abs. 3 TzBfG a.F.); BT-Drucks. 16 / 3793, S. 7 (zu § 14 Abs. 3 TzBfG n.F.). 235 Funk / Klös / Seyda / Birk / Waas, Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer, S. 112; Bauer, BB 2001, 2477; Rolfs, in: Oetker / Preis, EAS, B 3200, Rn. 38; Kerwer, NZA

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Der EuGH erklärte diese Regelung in der Entscheidung Mangold wegen Verstoßes gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für europarechtswidrig.236 Grund dafür war aber allein die Unverhältnismäßigkeit des Mittels. Das legitime Ziel der verbesserten Eingliederung älterer Arbeitnehmer und die grundsätzliche Eignung der Reduzierung von arbeitsrechtlichem Schutz als Mittel zu deren Erreichung erkannte der EuGH ausdrücklich an.237 Kernfrage ist daher auch hier die Verhältnismäßigkeit des Mittels zur Verbesserung der Einstellungschancen älterer Menschen. Im Ergebnis kann daher die Förderung der beruflichen Eingliederung älterer Menschen auch legitimes Ziel einer Pensionsgrenze gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sein. Die Vereinbarung von Pensionsgrenzen bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer ist auch wegen des damit verbundenen Abbaus von Einstellungshindernissen geeignet, deren berufliche Eingliederung zu fördern. Hingegen fehlt es an dieser Eignung, wenn auch bei Arbeitnehmern im jungen und mittleren Alter derartige Altersgrenzen vereinbart werden. Eine Förderung der Eingliederung Älterer kann damit nicht verbunden sein. Aber auch bei älteren Bewerbern werden Pensionsgrenzen nur selten ein im Einzelfall angemessenes Mittel zur verbesserten beruflichen Eingliederung sein, da die Eingliederung durch eine absehbare Ausgliederung in den Ruhestand erkauft wird. Von der Angemessenheit einer Altersgrenze im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist aber auszugehen, wenn die Anforderungen einer sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG n.F. erfüllt sind.238 Danach muss der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet haben und unmittelbar davor mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sein, Transferkurzarbeitergeld bezogen haben oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder III teilgenommen haben. Die Befristung darf eine Gesamtdauer von fünf Jahren nicht überschreiten.239 Im Sinne der zweiten Fallgruppe können Pensionsgrenzen auch das Ziel verfolgen, die berufliche Eingliederung Jugendlicher zu fördern. Die pauschale Be2002, 1317; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 177 ff.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 125; Schlachter, RdA 2004, 356. 236 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1348, Rz. 75 ff. 237 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. C-144 / 04 (Mangold), NZA 2005, 1347, Rz. 59 f.: „Wie sich aus den dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten ergibt, bezwecken diese Rechtsvorschriften klar, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Die Legitimität eines solchen im Allgemeininteresse liegenden Zieles steht außer Zweifel, wie die Kommission im Übrigen selbst eingeräumt hat.“ Davon geht auch die Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 3 TzBfG n.F. aus, BT-Drucks. 16 / 3793, S. 7. 238 Geändert mit Wirkung vom 1. 5. 2007 durch das Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen v. 19. 4. 2007, BGBl. I, S. 538. Für die Europarechtskonformität dieser Norm: Bader, NZA 2007, 714; Bauer, NZA 2007, 544; Schiefer / Köster / Korte, DB 2007, 1086; a.A. Bayreuther, BB 2007, 1113 ff. 239 Zu den Voraussetzungen von § 14 Abs. 3 TzBfG n.F.: Bader, NZA 2007, 714 ff.

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hauptung, die Pensionsgrenze diene der beruflichen Eingliederung Jüngerer, reicht aber für eine Rechtfertigung nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht aus.240 Vielmehr muss der Arbeitgeber oder die Tarifparteien schlüssig darlegen können, dass die Maßnahme verstärkt Jugendlichen zugute kommt.241 Dazu wird eine Pensionsgrenze regelmäßig schon nicht geeignet sein. Dabei ist es wichtig, nicht der so genannten lump of labor fallacy zu verfallen. Der lump-of-labor-Ansatz geht davon aus, dass das Arbeitsvolumen am Arbeitsmarkt ein Fixwert sei und eine höhere Erwerbstätigkeit von Älteren die Beschäftigungschancen Jüngerer verringere. So beklagt etwa Sprenger: „Wäre es älteren Arbeitnehmern möglich, ohne jedwede altersmäßige Begrenzung weiterzuarbeiten, ginge dies zulasten jüngerer Generationen; jüngeren Arbeitnehmern entständen durch die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit Rentennachteile, die später nicht wieder ausgeglichen werden könnten.“242 Diese Sorge trifft aber nur dann zu, wenn eine Weiterbeschäftigung Älterer den Beschäftigungschancen Jugendlicher oder Jüngerer wirklich schadet und diese daher von der Arbeitsangebotsverknappung durch Zwangsverrentung Älterer profitieren würden. Diese Annahmen des lump-of-labor-Ansatzes sind aber empirisch nicht haltbar. Empirische Studien zeigen vielmehr, dass international eine hohe Beschäftigung Älterer regelmäßig mit einer hohen Beschäftigung jüngerer Arbeitnehmer einhergeht.243 Tätigkeiten jüngerer und älterer Arbeitskräfte sind danach als komplementär zu betrachten. Ältere und jüngere Arbeitskräfte sind zudem im Betrieb regelmäßig aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften nicht frei substituierbar, sondern werden als unterschiedliche Produktionsfaktoren angesehen.244 Studien für Deutschland zeigen beispielsweise in der chemischen Industrie, dass Frühverrentungen nicht zur Verringerung von Arbeitslosigkeit bei Berufseinsteigern führen. Diese Instrumente würden von den Betrieben vielmehr als kostengünstiges Instrument der personellen Anpassung angesichts von ausgeprägtem rechtlich-institutionellen Schutz von Arbeitnehmern mittleren Alters genutzt.245 Angesichts dieser wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse ist die Geeignetheit des Mittels der Angebotsverknappung durch Zwangsverrentung zur verbesserten Eingliederung Jugendlicher in den Arbeitsmarkt äußert fraglich. Des Weiteren liegt die Ursache der Jugendarbeitslosigkeit in der Regel an fehlender oder nicht passen240 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 55; Kocher, ARBEIT 2005, 315; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 30; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 47; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 100 f. 241 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 55. 242 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 238 f. 243 Empirische Nachweise bei Fredman, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 47; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 37 ff.; OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 171 f.; O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 47. 244 Bookmann / Zwick, ZAF 2004, 54. 245 Sackmann, MittAB 1997, 678 f. Eher sank das Arbeitslosigkeitsrisiko von Berufseinsteigern statistisch nicht signifikant um 2%, wenn die Lebensarbeitszeit um ein Jahr zunahm.

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der Qualifikation246 bzw. an mobilitätshemmendem Bestandsschutz von Arbeitsplatzinhabern mittleren Alters,247 was durch eine Pensionsgrenze nicht verbessert wird. Weiterhin spricht gegen die Geeignetheit einer Pensionsgrenze zur Verbesserung der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen, dass die frei werdenden Arbeitplätze in den seltensten Fällen durch arbeitssuchende Jugendliche selbst besetzt werden können, sondern eher erfahrene Arbeitskräfte im Betrieb nachrücken werden. Zu beachten ist aber das § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht „jüngere Arbeitnehmer“ privilegiert, sondern nur „Jugendlichen“ den Einstieg in das Berufsleben erleichtern möchte. Deshalb sind Pensionsgrenzen zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen Jungendlicher nicht nur ungeeignet sondern auch ein zu unspezifisches Mittel, um als Förderung Jugendlicher im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gelten zu können.248 Lüderitz bejaht hingegen die Geeignetheit mit dem Argument, dass die durch Verrentung frei werdender Plätze ein Nachrücken Jüngerer ermöglichen, welches wiederum Arbeitsplätze für noch jüngere und ultimativ auch Jugendliche eröffnet.249 Diese Kausalitätskette (auch „Vakanzkette“ genannt) kann in der Praxis doch recht lang werden und auch dadurch vereitelt werden, dass frei gewordene Stellen auf einer Ebene nicht neu besetzt werden, sondern für Rationalisierungsmaßnahmen genutzt werden.250 Im Ergebnis ist es dann fraglich, ob man noch von einer Kausalität zwischen der Verrentung eines Älteren und der Eingliederung eines Jugendlichen sprechen kann oder ob die Einstellung des Jugendlichen nicht eine andere Ursache hatte. Selbst wenn man diese Kausalkette für die Geeignetheit ausreichen ließe, so muss der Arbeitgeber bzw. die Tarifparteien jedenfalls nachweisen, dass sie sich diese in dem Betrieb bzw. dem tariflichen Anwendungsbereich auch grundsätzlich so abspielt. Das ist zwar nicht bereits zu verneinen, wenn einige frei werdende Arbeitsplätze nicht wieder besetzt werden.251 Der einfache Verweis, dass „der Arbeitsmarkt in erster Linie auf diesem Kreislauf des Nachrückens auf bereits vorhandene Stellen“ beruhe,252 macht eine Pensionsgrenze jedoch noch nicht zu einer Förderung Jugendlicher. Vielmehr muss es sich um ein Arbeitsmarktsegment handeln, in dem durch Pensionierung frei werdende Stellen in der Regel weiter vergeben werden und nicht zum Personalabbau genutzt wer246 Bröll, Die Außenseiter, F.A.Z. v. 10. 01. 2005; Kepper, bundesarbeitsblatt 2005, 15 f.; Kocher, ARBEIT 2005, 315; Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 366; Weber, AuR 2002, 402. 247 Sackmann, MittAB 1997, 679. 248 So auch Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 369. 249 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 100; ähnlich auch Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 238, der aber entgegen des Wortlauts von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht für die Förderung „Jugendlicher“ sondern „jüngerer Arbeitnehmer“ allgemein argumentiert. 250 Sackmann, MittAB 1997, 675; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 315. 251 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 238. 252 So Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 100.

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den.253 Brors und Lüderitz sehen diese Voraussetzungen nur in gesetzgeberisch gesteuerten Arbeitsmärkten, wie bei Beamten, im Hochschulbereich oder im staatlichen Gesundheitswesen, als gegeben an.254 Aus ökonomischer Sicht verfängt jedoch das Argument des Nachrückens in höhere offene Stellen zur Förderung der beruflichen Eingliederung Jugendlicher nur selten. Hinter der Pensionierung, dem Nachrücken und der Einstellung von Personal stehen regelmäßig nicht ein Förderungsgedanke, sondern vielmehr wirtschaftliche Beweggründe des Arbeitgebers, wie die Schaffung oder der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur oder die Ermöglichung einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Die Frage der Rechtfertigung ist dann anhand dieser legitimen Ziele zu prüfen und nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung Jugendlicher.255 Anders kann dies bei tarifvertraglichen Pensionsgrenzen sein, wenn die Tarifparteien die berufliche Eingliederung Jugendlicher verbessern wollen. Hier ist aber die Erforderlichkeit der Zwangsverrentung fraglich. Die Förderung der beruflichen Eingliederung kann auf gleich wirksame Weise durch das mildere Mittel relativer Altersgrenzen erreicht werden, bei der arbeitswilligen Älteren die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung gegeben wird.256 Schließlich wird es an der Angemessenheit der Pensionsgrenze fehlen, da angesichts des schwachen Zusammenhangs zwischen frei werdenden Plätzen und steigenden Arbeitsmarktchancen Jugendlicher, das Interesse der Arbeitsplatzinhaber, das der arbeitssuchenden Jugendlichen überwiegt. Zudem ist zu beachten, dass durch solche Maßnahmen keine neue Arbeit geschaffen, sondern nur vorhandene Arbeitsplätze zu Lasten Älterer umverteilt wird.257 Schließlich sind Altersgrenzen zur Förderung der beruflichen Eingliederung von Personen mit Fürsorgepflichten häufig schon nicht geeignet. Regelmäßig fehlt es an der dazu notwendigen Korrelation zwischen Alter und bestehenden Fürsorgepflichten. Derartige Pflichten können gegenüber minderjährigen Kindern, pflegebedürftigen älteren Angehörigen oder auch gegenüber Angehörigen mit Krankheiten oder Behinderungen bestehen.258 Eine Altersgruppe, in der derartige Fürsorgepflichten so verstärkt auftreten, dass eine Altersgrenze sich zur Förderung der beruflichen Eingliederung eignet, ist kaum zu erkennen.259 Jedenfalls scheitert 253 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 55; ähnlich bereits Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1239. 254 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 100 ff.; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 55. 255 Dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter B. V. 5. und 6. 256 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 101, 176. 257 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 444; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1239; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 215. 258 Flohr / Ring, Das neue Gleichbehandlungsgesetz, Rn. 231; Waltermann, NZA 2005, 1267. 259 So auch Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 42; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 104; Schmidt / Senne, RdA 2002, 85, Fn. 56; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 195.

B. Statistische Diskriminierung: Das Lebensalter als Proxy

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eine Altersgrenze mangels Erforderlichkeit, da das Anknüpfen an die Fürsorgeverpflichtung selbst ein milderes, gleich wirksames Mittel darstellen wird. Ungeachtet der Unzulässigkeit von Altersgrenzen zur beruflichen Eingliederung von Fürsorgeverpflichteten kann daher eine bevorzugte Einstellung gleich qualifizierter Bewerber mit unterhaltsberechtigten Kindern unter dem 18. Lebensjahr trotz etwaiger mittelbarer Benachteiligung wegen des Lebensalters der Menschen ohne derartige Verpflichtung nach § 10 Satz 1 Nr. 1 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG gerechtfertigt sein.

9. Exkurs: Frage des Arbeitgebers nach dem Alter Umstritten ist, inwieweit die Frage eines Arbeitgebers nach dem Alter eines Bewerbers im Vorstellungsgespräch oder in Bewerbungsmaterialien unter dem AGG zulässig ist.260 Auch der vorvertragliche Kontakt beim Zugang zu einer Erwerbstätigkeit fällt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, während § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG den persönlichen Anwendungsbereich auch auf Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis erstreckt. Das Fragerecht des Arbeitgebers ist in verschiedener Hinsicht von Bedeutung. Zum einen korrespondiert damit die Verpflichtung des Bewerbers zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage, und eine falsche Angabe kann zur Anfechtung gemäß § 123 BGB berechtigen.261 Auf eine unzulässige Frage des Arbeitgebers darf der Bewerber oder Arbeitnehmer hingegen auch wahrheitswidrig antworten.262 Zum anderen kann der unzulässigen Frage nach einem Merkmal des § 1 AGG Indizwirkung hinsichtlich einer Benachteiligung beigemessen werden, so dass die Darlegungs- und Beweislast, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, gemäß § 22 AGG auf den Arbeitgeber übergeht.263 Teilweise werden Fragen, die auf ein Merkmal des § 1 AGG abzielen, generell für unzulässig gehalten.264 Nach überwiegender Meinung ist die Frage nach dem Alter unter dem AGG dann zulässig, wenn auch eine Unterscheidung nach diesem Kriterium bei der Einstellungsentscheidung zulässig wäre.265 Diese Ansichten vermögen im Fall der Frage nach dem Lebensalter jedoch nicht zu überzeugen. 260 Ausführlich zu Stellenbewerbungen unter dem AGG: Buchner, in: Hanau / Thau / Westermann, Festschrift Adomeit, S. 117 ff. 261 Vgl. BAG v. 3. 12. 1998, NZA 1999, 584; BAG v. 16. 12. 2004, NZA 2006, 624; HWK-Thüsing, BGB, § 123 Rn. 2, 6 ff. 262 Zum so genannten „Recht zur Lüge“: BAG v. 22. 9. 1961, NJW 1962, 75. 263 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 207 f.; MüKo-Thüsing, AGG, § 11 Rn. 8 ff., § 22 Rn. 11; Wisskirchen, DB 2006, 1494. 264 Wisskirchen / Bissels, NZA 2007, 170; Wisskirchen, DB 2006, 1494. 265 Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 7 AGG Rn 37; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 87; Leuchten, NZA 2002, 1257; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 28; ErfK-

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Gegen einen generellen Ausschluss der Frage nach dem Alter sprechen schon die weiten Rechtfertigungsmöglichkeiten einer Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 10 AGG. Wenn eine Differenzierung nach dem Alter sogar bei der Einstellung, bei der Festsetzung von Arbeitsbedingungen oder bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses am Maßstab des § 10 AGG zulässig sein kann, muss dies erst recht für die bloße Frage nach dem Alter gelten. Aber auch die Beschränkung des Fragerechts des Arbeitgebers nach dem Lebensalter auf Situationen, in denen auch eine Ungleichbehandlung wegen des Alters bei der Einstellung zulässig wäre, ist zu eng. Weder der Maßstab des § 10 AGG noch die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung zum Fragerecht des Arbeitgebers fordern eine Abwägung des Arbeitgeberinteresses an dieser Information mit den durch eine versagte Einstellung verbundenen Interessen des betroffenen Arbeitnehmers. Vielmehr ist die Frage nach dem Alter zulässig, wenn mit der Frage selbst ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 AGG in verhältnismäßiger Weise verfolgt wird. Die legitimen Ziele hinter der Frage nach dem Alter sind zahlreich und umfassen insbesondere die Schaffung oder Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur, die Ermöglichung einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung und die Gewährleistung eines angemessenen Beschäftigungszeitraums bis zum Ruhestand.266 Bei der Verfolgung dieser Ziele bedarf der Arbeitgeber Informationen über das Alter eines Bewerbers, unabhängig von der Frage, ob er den konkreten Bewerber aufgrund dieser Information auch ablehnen dürfte. Beispielsweise hat das Alter auch eines erfolgreichen Bewerbers Einfluss auf Bewerbungsverfahren für andere offene Stellen, wenn der Arbeitgeber die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur im Betrieb verfolgt. Des Weiteren kann ein Arbeitgeber die gemäß § 10 Satz 2 AGG erforderliche Abwägung seines Interesses an einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsstruktur mit den Interessen des Bewerbers im Einzelfall nur dann vornehmen, wenn er dessen Alter kennt und damit abschätzen kann, inwiefern sich der Kandidat in das Nachwuchskonzept des Unternehmens einfügt. Ebenso bedarf der Arbeitgeber der Altersinformation auch für den Fall, dass er ermitteln muss, ob die zu erwartende Restbeschäftigungsdauer bis zum Ruhestand eine altersbezogene Ablehnung des Bewerbers nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG rechtfertigen könnte. Schließlich bedarf der Arbeitgeber u. a. der Kenntnis des Alters, wenn er abschätzen will, ob er den Bewerber sachgrundlos befristet gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG n.F. einstellen darf. Dies ist erst ab Vollendung des 52. Lebensjahrs des Arbeitnehmers möglich, so dass dem Arbeitgeber ein diesbezügliches Fragerecht hinsichtlich des Alters einzuräumen ist.267 Schlachter, AGG, § 2 Rn. 3; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 34; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 256 f.; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 204 f.; Thüsing, NZA 2001, 1064; Thüsing / Lambrich, BB 2002, 1152; MüKo-Thüsing, AGG, § 11 Rn. 15; Weber, AuR 2002, 404. 266 Zu den einzelnen legitimen Zielen im 7. Kapitel, unter B. V und D. I. 267 Ebenso Bader, NZA 2007, 717.

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Der vorliegende Ansatz steht auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BAG zum Fragerecht des Arbeitgebers. Danach ist das Informationsverlangen des Arbeitgebers auf Fälle beschränkt, in denen er ein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Fragen im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat.“ Das Interesse des Arbeitgebers müsse objektiv so stark sein, dass dahinter das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seines Persönlichkeitsrechtes und an der Unverletzbarkeit seiner Individualsphäre zurückzutreten habe.268 Im Kern geht es bei der Frage der Zulässigkeit einer Frage daher um die Abwägung der berechtigten Interessen beider Seiten.269 Diese Interessenabwägung entspricht aber auch gerade dem Maßstab, den § 10 Satz 2 AGG an eine zulässige Frage nach dem Alter anlegt. Des Weiteren besteht der besondere Zusammenhang zwischen der Frage und einer Benachteiligung, der der Rechtsprechung im Bereich der Diskriminierung wegen des Geschlechts zugrunde liegt, in Hinblick auf das Merkmal Alter nicht.270 Das BAG führt dazu aus, dass das Geschlecht eines Bewerbers auch im Falle einer Schwangerschaft keine „unverzichtbare Voraussetzung“ im Sinne von § 611a Abs. 1 Satz BGB a.F. darstelle. Daher bestehe die „erkennbare Zielrichtung der Frage nach der Schwangerschaft [ . . . ] darin, die Bewerberin bei einer Bejahung der Frage schon wegen der Schwangerschaft, folglich wegen des Geschlechts, nicht einzustellen.“271 Im Gegensatz dazu kann das Ziel der Frage nach dem Alter die Vornahme der verschiedenen zulässigen Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG sein. Eine diskriminierende Zielrichtung ist wegen der Bandbreite der Rechtfertigungsmöglichkeiten für Differenzierungen wegen des Alters nicht zu erkennen. Darüber hinaus ist im Falle der Frage nach dem Alter oftmals gar nicht klar, welche Antwort sich für den Bewerber nachteilig auswirken könnte. Während die Bejahung einer Schwangerschaft die Einstellungschancen dramatisch verschlechtert, kann der Arbeitgeber etwa aufgrund der jeweiligen Erfordernisse der Altersstruktur oder der Personalplanung unterschiedliche Altersgruppen bevorzugen.272 Schließlich ist die Frage nach dem Alter auch aus ökonomischer Sicht immer dann zuzulassen, wenn sie ein verhältnismäßiges Mittel zu Erreichung eines legitimen Ziels des Arbeitgebers ist. Jede weitergehende Beschränkung des Informationsbedürfnisses des Arbeitgebers würde zu erheblichen Problemen beim job matching führen. Zum einen kann das Alter eines Bewerbers aus den oben genannten Gründen für den Arbeitgeber legitimerweise bei der Bewerberauswahl für eine Stelle von Bedeutung sein. Fehlt ihm diese Information, wird die Auswahl des am meisten geeigneten Bewerbers erschwert. Ein schlechteres job matching mit den 268 269 270 271 272

BAG v. 7. 6. 1984, NZA 1985, 57; BAG v. 5. 10. 1995, NJW 1996, 2324. Vgl. Thüsing / Lambrich, BB 2002, 1146. So auch Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 163 f. BAG v. 6. 2. 2003, NZA 2003, 849. Vgl. Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 163 f.

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damit verbundenen erhöhten Kosten und niedrigerer Produktivität der Belegschaft sind die Folge. Alternativ kann die Verwehrung der Frage nach dem Alter im Bewerbungsverfahren auch dazu führen, dass der Arbeitgeber von weiteren Abschlüssen von Arbeitsverträgen gänzlich absieht.273 Zum anderen lassen auch zahlreiche andere Informationen über die Eigenschaften und Qualifikationen eines Bewerbers hinreichend genaue Rückschlüsse auf das Alter zu. So legen Datumsoder Zeitraumsangaben auf Zeugnissen, Zertifikaten und Lebensläufen das ungefähre Alter eines Menschen oftmals offen. Spätestens im persönlichen Bewerbungsgespräch wird das Alter des Bewerbers einschätzbar.274 Würde auch das Erfragen dieser Informationen oder ein persönliches Gespräch zum Indiz einer Altersdiskriminierung im Sinne von § 22 AGG, würde die Auswahl geeigneter Kandidaten geradezu unmöglich. Wohlfahrtsverluste und Beschäftigungshemmung wären die Folge. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass obige Angaben weiterhin freiwillig von Bewerbern gemacht werden können (und wohl auch werden). Auch für diesen Fall wäre das Verbot nach der Frage nach dem Alter kontraproduktiv, da nur die „problematischen“ Altersgruppen von der Möglichkeit einer „altersneutralen“ Bewerbung Gebrauch machen würden, was diese im Bewerbungsverfahren eher mehr als weniger benachteiligen würde.275 Denn ein Weniger an Information bedeutet immer auch ein Mehr an Unsicherheit, die der Arbeitgeber bei der Abschätzung der Wirtschaftlichkeit einer Einstellung negativ in Rechnung stellen muss.276 Zusammenfassend ist daher die Frage des Arbeitgebers nach dem Alter zulässig, wenn damit gemäß § 10 AGG ein legitimes Ziel verfolgt wird und die Frage in Anbetracht der beiderseitigen Interessen zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen ist. Das Interesse des Arbeitgebers ist dabei anhand des Gewichts des von ihm verfolgten legitimen Ziels zu bemessen. Auf der Gegenseite steht das im Persönlichkeitsrecht begründete Interesse des Arbeitnehmers, sein Alter nicht preiszugeben. Dieses wiegt im Vergleich zum Interesse an einem Nichtbekanntwerden einer Schwangerschaft, Behinderung oder sexuellen Identität erheblich geringer, da das Alter einer Person dessen Individualsphäre nur in geringerem Maße betrifft. Altersangaben sind nicht nur im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis überaus üblich. Auch bei Vorgängen wie Antwortkarten zu Preisausschreiben So auch Thüsing / Lambrich, BB 2002, 1152. Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 28; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 162; Waltermann, NZA 2005, 1268. 275 Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 162. 276 Die Problematik der möglichen Haftung eines Arbeitgebers für Schäden an Dritten aufgrund einer fehlerhaften Personalauswahl (negligent hiring), die in den USA im Spannungsverhältnis mit dem Schutz der Individualsphäre des Arbeitnehmers diskutiert wird, wirft unter dem AGG keine besonderen Probleme auf. Nach § 10 AGG ist selbst die Versagung der Einstellung aus Sicherheitsgründen in einem weiteren Umfang zulässig, weshalb die Frage nach dem Alter mit dieser Zielsetzung erst recht zuzulassen ist. Vgl. zu Schlüssen für das deutsche Recht: Hahn, Altersdiskriminierung, S. 89; Thüsing / Lambrich, BB 2002, 1152. 273 274

C. Unterbewusste Verzerrungen zulasten Älterer Menschen

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geben Teilnehmer regelmäßig bereitwillig ihr Geburtsdatum an.277 Angesichts der geringen Betroffenheit des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, überwiegt das Informationsbedürfnis des Arbeitgebers hinsichtlich des Alters des Bewerbers grundsätzlich dessen Interesse an der Nichtoffenlegung seines Alters, soweit der Arbeitgeber ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG verfolgt. Nur im Falle einer sachgrundlosen Frage oder bei einem legitimen Ziel von besonders geringem Gewicht ist daher die Frage nach dem Alter als unzulässig einzustufen. Im Ergebnis kann es somit bei der bisherigen Praxis zu Altersangaben im Bewerbungsprozess bleiben, da bereits die Maßstäbe der Rechtsprechung zum Fragerecht des Arbeitgebers die erforderliche Interessenabwägung beinhaltete. 278

C. Unterbewusste Verzerrungen zulasten älterer Menschen Die in den USA viel diskutierte Problematik, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters ihre Begründung nicht in bewusstem Handeln von Arbeitsmarktakteuren sondern in systematischen Fehlern in deren kognitiven Prozessen finden können, ist für den Schutz vor Benachteiligungen nach dem AGG nicht sehr ergiebig. Dies liegt insbesondere daran, dass eine unmittelbare und mittelbare Benachteiligung nach dem AGG im Gegensatz zur disparate treatment doctrine nach dem ADEA keine subjektive Komponente im Sinne einer Diskriminierungsabsicht voraussetzt. Eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes liegt vielmehr bereits dann vor, wenn objektiv nachteilige Folgen an eines der verbotenen Merkmale geknüpft werden.279 Somit ist auch eine unterbewusst vorgenommene nachteilige Behandlung bestimmter Altersgruppen nach § 3 Abs. 1 oder 2 AGG erfasst und bedarf der Rechtfertigung gemäß § 10 AGG bzw. § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG. Diese wird im Falle von Maßnahmen auf Grundlage unterbewusst verzerrter Informationen regelmäßig ausscheiden. Entweder wird es dem Arbeitgeber nicht möglich sein, ein legitimes Ziel nachzuweisen, da er dieses nur aufgrund der inneren Täuschung vermeintlich verfolgte. Oder die Maßnahme wird nicht geeignet sein zur Zielerreichung, da sie nur aufgrund der verzerrten Wahrnehmung des Arbeitgebers geeignet erschien, dies in Wirklichkeit aber nicht ist. Vgl. die Beobachtungen von Hassemer, „Partner Staat“, F.A.Z vom 4. 7. 2007, S. 6. Im Ergebnis auch Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 164, der wohl bereits die Rechtfertigungsbedürftigkeit der Frage nach dem Alter bezweifelt, jedoch hilfsweise davon ausgeht, dass das Informationsverlangen nach § 10 AGG gerechtfertigt wäre. 279 Baer, ZRP 2001, 502; O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 24; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 169; MüKo-Thüsing, AGG, § 3 Rn. 7; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 40. Dies geschieht in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Geschlechterdiskriminierung, EuGH v. 22. 4. 1997 – Rs. C-180 / 95 (Draehmpaehl), NZA 1997, 646, Rz. 18 ff.; EuGH v. 8. 11. 1990, Rs. C-177 / 88 (Dekker), Slg. 1990, I-3941 Rn. 24 f.; a.A. Adomeit / Mohr, AGG, Einl. Rn. 253, § 3 Rn. 26. 277 278

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Beispielsweise könnte ein junger Arbeitgeber als Ergebnis von illusorischer Korrelation sowie Verfügbarkeits- und Repräsentativitätsheuristik280 unterbewusst davon ausgehen, das Personen über 50 Jahren pauschal nicht mehr leistungsfähig sind. Dies stünde im Widerspruch zu den Erkenntnissen der gerontologischen Forschung und könnte somit eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Mithin ergeben sich kaum besondere Auslegungsfragen zu den Rechtfertigungsgründen des AGG im Bereich von unterbewussten Verzerrungen zulasten älterer Menschen. Das Verbot von auch unterbewusst veranlassten Ungleichbehandlungen wegen des Alters im AGG stellt ein debiasing Werkzeug im Sinne von Sunstein und Jolls dar. Denn es setzt Anreize für Unternehmen, derartige systematische kognitive Fehler bei seinen Personalverantwortlichen zu vermeiden. Wie jedoch bereits erläutert, bestehen diese Anreize bereits durch den Wettbewerb am Markt, da ineffiziente Verzerrungen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen schwächen.281 Eine weitere Reduzierung von kognitiven Verzerrungen zulasten älterer Menschen könnte durch Schulungen von Mitarbeitern erreicht werden. Von § 12 Abs. 2 Satz 2 AGG geht eine Anreizwirkung aus, derartige Schulungen innerhalb der Belegschaft durchzuführen. Diese Norm fingiert die Erfüllung der Verpflichtung zu (Präventiv-)Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen gemäß § 12 Abs. 1 AGG, soweit der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise geschult hat.282

I. Leistungsbeurteilungen Bei der Problematik der Zulässigkeit von Leistungsbeurteilungen im Arbeitsverhältnis werden teilweise kognitive Prozesse von Arbeitsmarktakteuren auch in der deutschen Literatur herangezogen, weshalb diese Frage im folgenden genauer erörtert werden soll. Die Leistungsbeurteilung von Arbeitnehmern ist ein Aspekt der Personalbeurteilung, bei der in der Vergangenheit liegendes Verhalten und Eigenschaften von Arbeitnehmern anhand von bestimmten Leistungsmerkmalen bewertet werden.283 Als Instrument der Personalführung bieten derartigen Beurteilungen einen Anreiz für künftige Leistungen der Mitarbeiter und eine Grundlage für Entscheidungen über den beruflichen Aufstieg, die innerbetriebliche Stellenbesetzung und die Entgeltbemessung.284 Häufig verwendete Leistungsmerkmale sind die Qualität und Quantität der Arbeit, die Erreichung vereinbarter Ziele, sowie persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers.285 Diese Leis280 Ausführlich zu den Wirkungsweisen dieser kognitiven Phänomene im 4. Kapitel, unter C. II. und III. 281 Vgl. dazu im 4. Kapitel, unter C. IV. 2. 282 Grobys, NJW 2006, 2951 f. 283 Oechsler, Personal und Arbeit, S. 390 ff.; Paschen, PERSONAL 2003, 16 f. 284 Becker, Grundlagen betrieblicher Leistungsbeurteilungen, S. 265; Jedzig, DB 1991, 753. 285 Jedzig, DB 1991, 754; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 43; Rieble, NZA, Sonderbeil. Heft 3 / 2000, 42 f.

C. Unterbewusste Verzerrungen zulasten Älterer Menschen

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tungsmerkmale werden regelmäßig als allgemeine Beurteilungsgrundsätze in Betriebsvereinbarungen gemäß § 94 Abs. 2 BetrVG festgelegt.286 Nach Sprenger287 kann in der Vornahme von Leistungsbeurteilungen von Arbeitnehmern eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters liegen. Unternehmen richteten ihre Leistungsstandards regelmäßig an jüngeren Beschäftigten aus. Deren Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung, körperliche Leistungsfähigkeit, Kreativität, Risikobereitschaft, Routine, Urteilsfähigkeit und Zuverlässigkeit läge zumeist der Leistungsbeurteilung zugrunde. Da sich diese Eigenschaften aber im Laufe des Lebens eines Menschen wandelten, stelle die so definierte „Leistung“ eines Arbeitnehmers ein dem Anschein nach neutrales Kriterium dar, welches aber ältere Menschen in besonderer Weise benachteiligen könne. Löwisch, Caspers und Neumann betonen hingegen, dass Leistungsmerkmale regelmäßig unabhängig vom Alter einer Person verwirklicht werden können. Selbst wenn es anhand von Beurteilungsgrundsätzen zu einer häufigeren schlechteren Beurteilung älterer Arbeitnehmer kommen sollte, läge dies nicht an den Kriterien sondern daran, dass eben ältere Arbeitnehmer die gestellten Anforderungen weniger ausreichend erfüllten, was allein „Sache der Arbeitnehmer selbst“ sei.288 Letzterer Einwand überzeugt nicht. Soweit ältere Menschen anhand der Leistungskriterien zahlenmäßig wesentlich häufiger289 schlechter beurteilt werden, können sie durch die Kriterien im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG „in besonderer Weise“ benachteiligt werden. Korrektiv für anerkennenswerte Regelungen, die mittelbar an das Alter anknüpfen, ist der Tatbestandsausschluss einer mittelbaren Benachteiligung bei Vorliegen eines legitimen Ziels und Verhältnismäßigkeit der Mittel.290 Nicht ausreichend für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung durch Leistungsbeurteilungen ist aber die Aussage Sprengers, dass Leistungsstandards in Unternehmen „heute tendenziell eher an jüngeren Beschäftigten ausgerichtet“ seien.291 Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Verwendung der Kriterien im Ergebnis als faktische Benachteiligung einer Altersgruppe darstellt. Daher wird nicht schon die Verwendung einzelner Kriterien, die überwiegend bei jüngeren Menschen vertreten sind, eine mittelbare Benachteiligung Älterer darstellen, wenn mit vergleichbarem Gewicht auch Leistungsmerkmale Berücksichtigung finden, die ältere Menschen eher verwirklichen. 286 Dazu Jedzig, DB 1991, 754; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 42 f. 287 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 218; ähnlich hinsichtlich typisch männlicher Leistungsmerkmale, Rieble, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 72. 288 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 43 f. 289 Vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 25; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 257. 290 So auch zur RL 2000 / 78 / EG, O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 27 f. 291 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 218.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Schließlich ist der Tatbestand der mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters durch Leistungsbeurteilungen nach § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG ausgeschlossen, wenn dafür ein legitimes Ziel besteht, zu dessen Erreichung diese Beurteilungen geeignet, erforderlich und angemessen sind. Das Ziel hinter der Beurteilung von Leistungen am Arbeitsplatz und den damit häufig verknüpften Aufstiegschancen oder Vergütungsbestandteilen ist die Schaffung von Anreizen für künftige Leistungserbringung und -steigerung. An die Verhältnismäßigkeit der verwendeten Leistungsmerkmale sind keine hohen Anforderungen zu stellen, da der Gedanke der Honorierung von Leistung dem Prinzip der Antidiskriminierung sehr nahe steht.292 So betont Erwägungsgrund 17 der RL 2000 / 78 / EG, dass Leistungsmerkmale, wie Kompetenz und Fähigkeit, weiterhin Grundlage arbeitsrechtlicher Entscheidungen sein dürfen. Auch nach dem ADEA soll das „Können“ des Arbeitnehmers im Vordergrund stehen und nicht dessen Alter.293 Insgesamt ist der Leistungszweck wegen des Charakters des Arbeitsvertrages als Austauschverhältnis von zentraler Bedeutung im Arbeitsverhältnis, weshalb dem Arbeitgeber bei der Festlegung der Leistungsmerkmale ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt.294 Daher ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts die Benutzung bestimmter Leistungsmerkmale dann verhältnismäßig, wenn diese in nachvollziehbarem, innerem Zusammenhang mit der zu erbringenden Tätigkeit steht. Dabei muss die Art der zu verrichtenden Tätigkeit bei der Leistungsbemessung objektiv berücksichtigt werden.295 Eine andere Dimension erhält die Frage der Zulässigkeit von Leistungsbeurteilungen, wenn man davon ausgeht, dass sich Arbeitgeber und Tarifparteien eines durch kognitive Verzerrungen fehlgeleiteten Leistungsbegriffs oder einer verzerrten Gewichtung von Leistungsmerkmalen bedienen, da sie unterbewusst von einem negativen Bild älterer Menschen ausgehen. Dann könnte die Untersagung derartiger Leistungskriterien zu Effizienzsteigerungen führen, wenn dadurch erreicht würde, dass die Akteure künftig auf einen zutreffenden Leistungsbegriff abstellen. Vom Wirken kognitiver Verzerrungen geht wohl auch Sprenger aus, wenn er auf Studien verweist, nach denen die Leistungsbeurteilung von Frauen durch vorhandene Machtgefüge am Arbeitsplatz und durch systematische Unterbewertung von typisch weiblichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu Lasten von weiblichen Mitarbeitern verzerrt werden.296 Auch in der Literatur zum U.S.-amerikanischen Vgl. Däubler-Däubler / Bertzbach, AGG, § 1 Rn. 9. Congressional Statement of Findings and Purpose ist das Ziel des ADEA, 29 U.S.C. § 621: „to promote employment of older persons based on their ability rather than age.“ 294 Vgl. Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote, S. 47 (im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Leistungsprinzips am Maßstab des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes); Rieble / Zedler, ZFA 2006, 294 (Nach dem AGG sei „jede leistungsbezogene Vergütung schon aufgrund des zentralen Leistungszwecks des Arbeitsvertrages gerechtfertigt“). 295 So zu Art. 141 EG, EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 49, Rz. 39; EuGH v. 1. 7. 1986 – Rs. 237 / 85 (Rummler), NJW 1987, 1139, Rz. 13 ff. 292 293

C. Unterbewusste Verzerrungen zulasten Älterer Menschen

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ADEA werden unterbewusste Verzerrungen, wie gezeigt, gerade im Bereich der Diskriminierung wegen Rasse und Geschlecht diskutiert. Die im Zusammenhang mit diesen Merkmalen wirkenden psychologischen Phänomene lassen sich aber nur bedingt auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters übertragen.297 Weiterhin sind die Möglichkeiten des Rechts, auf effiziente Weise kognitive Prozesse von Akteuren zu optimieren, beschränkt und wenig erforscht.298 Solange über die Rolle kognitiver Prozesse im Bereich der Altersdiskriminierung und deren Beeinflussung durch gesetzliche Regelungen keine gesicherten empirischen Erkenntnisse bestehen, sollte die Rechtfertigung gemäß § 10 AGG nicht die Möglichkeit unterbewusster Verzerrungen berücksichtigen. Vielmehr muss der Arbeitgeber für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters nachweisen, dass diese in verhältnismäßiger Weise zur Erreichung eines legitimen Ziels erfolgen. Wie gezeigt werden allein auf Fehlern bei der kognitiven Informationsverarbeitung beruhende Ungleichbehandlungen diesem Rechtfertigungstest nicht standhalten. Angesichts der demographischen Veränderung der Arbeitsbevölkerung kann es aber für die Unternehmen selbst wirtschaftlich sinnvoll sein, etwaige unterbewusste Verzerrungen ihrer Personalverantwortlichen im Zusammenhang mit älteren Menschen zu reduzieren. Eine Personalauswahl und Leistungsbeurteilung, die frei von systematischen kognitiven Fehlern ist, kann einen Wettbewerbsvorteil gegenüber unterbewusst beeinflussten Konkurrenten sein. Daher sollten Unternehmen bedenken, auf freiwilliger Basis etwaige Wirkungen von implicit age bias bei der Personalauswahl und -beurteilung zu verringern. Möglichkeiten dazu liegen in der Bildung altersgemischter Beurteilungs- und Auswahlkommissionen oder in der Sensibilisierung des Führungspersonals für unterbewusste Verzerrungen wegen des Alters im Rahmen von Schulungen. Des Weiteren kann die Fähigkeit eines Vorgesetzten zur zutreffenden Leistungsbeurteilung seiner Untergebenen als Leistungsmerkmal für Personalverantwortliche im Rahmen einer 360-Grad-Beurteilung gemacht werden.299 Dies setzt Anreize für Vorgesetzte, ihre Mitarbeiter möglichst objektiv zu beurteilen. Schließlich kann eine diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung auch anhand von Zielsetzungsverfahren gewährleistet werden. Dabei wird beispielsweise eine Zielvereinbarung mit dem Mitarbeiter geschlossen und dessen Leistung anhand des Grades der Zielerreichung bemessen.300 296 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 218 unter Verweis auf Katz / Baitsch, Lohngleichheit für die Praxis, S. 10, 25 f.; dazu auch Kühne / Oechsler, in: Krell, Chancengleichheit durch Personalpolitik, S. 115 f. 297 Vgl. ausführlich im 4. Kapitel, unter C. III. 298 Dazu im 4. Kapitel, unter C. IV. 1. und 2. 299 Bei der 360-Grad-Beurteilung (auch multi-source-audit) wird eine Fach- oder Führungskraft nicht allein von seinem Vorgesetzten beurteilt, sondern von verschiedenen Personen, zu denen auch Kollegen, Kunden oder Mitarbeiter gehören können. Die Vielzahl der Einschätzungen soll eine ausgewogenere und umfassendere Personalbeurteilung gewährleisten. Dazu Edwards / Ewen, 360 Grad Beurteilung, S. 7 ff.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

II. Ergebnis Zusammenfassend erfasst das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 1 AGG im Gegensatz zur disparate treatment doctrine des ADEA auch Ungleichbehandlungen, die aufgrund von unterbewussten Verzerrungen kognitiver Entscheidungsprozesse von Arbeitsmarktakteuren entstehen. Eine Rechtfertigung derartiger Benachteiligungen wird regelmäßig nicht möglich sein, da eine durch systematische kognitive Fehler beeinflusste Entscheidung selten ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG verfolgt oder zu dessen Erreichung geeignet ist. Leistungsbeurteilungen im Arbeitsverhältnis können sich mittelbar benachteiligend für ältere Arbeitnehmer auswirken. Diese sind aber gemäß § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG gerechtfertigt, soweit sie in einem nachvollziehbaren innerlichen Zusammenhang mit der zu verrichtenden Tätigkeit stehen. Etwaige unterbewusste Verzerrungen im Rahmen von Leistungsbeurteilungen sollten außer Acht bleiben, da deren Wirkungsweisen und die Möglichkeiten rechtlicher Steuerung bisher nicht hinreichend geklärt sind.

D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung Im Gegensatz zum ADEA, dem teilweise eine Rolle bei der Steigerung von Humankapitalanreizen diskriminierter Gruppen zugewiesen wird,301 macht dieser Gesichtspunkt das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nach dem AGG nicht erforderlich. Denn im deutschen Arbeitsrecht übernehmen bereits andere Regelungen Funktionen, die effiziente Investitionen in Humankapital fördern. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die rechtliche Stabilisierung von Arbeitsverhältnissen Anreize dafür bieten kann, durch betriebliche Weiterbildung firmenspezifisches Humankapital aufzubauen.302 Dies ist ein tragendes ökonomisches Argument zur Rechtfertigung des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem KSchG.303 Eine ähnliche Funktion hat das Willkürverbot nach § 242 BGB.304 300 Vgl. zu zahlreichen Empfehlungen zur Reduzierung systematischer Diskriminierung wegen des Geschlechts bei der Leistungsbeurteilung, Katz / Baitsch, Lohngleichheit für die Praxis, S. 33 ff.; Krell / Winter, in: Krell, Chancengleichheit durch Personalpolitik, S. 255 f.; Kühne / Oechsler, in: Krell, Chancengleichheit durch Personalpolitik, S. 116 ff. 301 Vgl. zu diesen Ansichten im 4. Kapitel, unter B. III. 1. 302 Eichhorst, ZSR 2006, 107; Walwei, in: Montada, Beschäftigungspolitik zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, S. 157 ff. 303 Zur ökonomischen Analyse des Kündigungsschutzes in den USA und Deutschland: Kirstein / Kittner / Schmidtchen, in: Ott / Schäfer, Ökonomische Analyse des Arbeitsrechts, S. 90 ff.; Eger, Opportunistic Termination of Employment Contracts and Legal Protection against Dismissal in Germany and the USA; Rost, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 101 ff.; Schömann / Rogowski / Kruppe, Labor Market Efficiency in the European Union; Stoffels, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 77 ff.

D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung

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Auch wenn man die durch statistische Diskriminierung verursachte Unterinvestition in Humankapital entgegen der hier vertretenen Auffassung305 als verbreitet ansieht, schwächt der bereits vorhandene arbeitsrechtliche Schutz die Notwendigkeit eines Schutzes vor Altersdiskriminierung in Deutschland ab. Nichts desto trotz können Humankapitalaspekte eine wichtige Rolle bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters nach § 10 AGG spielen. Wie bereits dargestellt, geht zunehmendes Lebensalter einer Person oftmals mit der Veränderung von deren Humankapitaleigenschaften einher. So kann in einigen Bereichen und Situationen die Humankapitalausstattung älterer Menschen geringer sein, als die jüngerer Kandidaten. Weiterhin nimmt der zeitliche oder organisatorische Aufwand für Weiterbildungsmaßnahmen mitunter ab einem bestimmten hohen Alter zu. Schließlich spricht der nahende Ruhestand oftmals für geringere Amortisierungsmöglichkeiten für Humankapitalinvestitionen bei älteren Arbeitnehmern.306 Daher verwenden Arbeitgeber das Lebensalter eines Menschen oftmals als proxy für dessen Humankapitalausstattung, die zu erwartenden erforderlichen Humankapitalinvestitionen oder die Länge des zur Verfügung stehenden Amortisierungszeitraums.307

I. Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG Das Regelbeispiel des § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG benennt selbst kein legitimes Ziel sondern nur zwei beispielhafte Situationen, in denen Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung unter den Voraussetzungen des § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig sein können. In § 10 Satz 3 Nr. 3, 1. Fall AGG ist die Situation genannt, dass ein bestimmter Arbeitsplatz spezifische Ausbildungsanforderungen voraussetzt. § 10 Satz 3 Nr. 3, 2. Fall AGG unterstreicht die Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand. Durch diese Regelungen soll laut der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, „dass bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produkti304 Danach sind Arbeitnehmer aufgrund der objektiven Wertungen aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen und ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme zu gewährleisten, sofern unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist. Vgl. dazu BVerfG v. 27. 1. 1998, NJW 1998, 1476; BAG v. 6. 2. 2003, NJW 2003, 2188; BAG v. 21. 2. 2001, NZA 2001, 833; ErfK-Kiel, KSchG, § 13 Rn. 26; kritisch dazu Mohr, ZfA 2006, 558 ff. 305 Vgl. dazu im 4. Kapitel, unter B. III. 1. 306 Ausführlich zu Humankapitaleigenschaften älterer Menschen bereits im 4. Kapitel, unter D. I. 307 Dazu auch Koller / Gruber, MittAB 2001, 480.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

ven Arbeitsleistung“ gegenübersteht.308 Mit der Verwendung von Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung verfolgt der Arbeitgeber das legitime Ziel der optimalen Investition in das Humankapital seiner Mitarbeiter. Er versucht, unter Minimierung der auf das Humankapital verwendeten Ressourcen den daraus resultierenden Nutzen zu maximieren. 1. Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung wegen spezifischer Ausbildungsanforderungen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3, 1. Fall AGG Gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3, 1. Fall AGG können Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung durch spezifische Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes gerechtfertigt sein. Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Rechtfertigungsmöglichkeit ist es, besonders langwierigen oder kostspieligen Humankapitalinvestitionen auf bestimmten Arbeitsplätzen gerecht zu werden. Im Falle derartiger Investitionen ist der Arbeitgeber legitimerweise an einem angemessen langen Verbleib im Unternehmen zur Amortisierung dieser Kosten interessiert. Aber auch der Arbeitnehmer, der vor oder nach der Einstellung in die für die bestimmte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten investiert (hat), wird sich einen Arbeitgeber aussuchen, bei dem er grundsätzlich die gesamte mögliche Laufbahn in dieser Beschäftigung durchlaufen kann. Ist dies bei einigen Arbeitnehmern altersbedingt nicht möglich, fällt dies negativ auf die Reputation des Arbeitgebers zurück. Der Wortlaut des Regelbeispiels verdeutlicht, dass Einstellungshöchstgrenzen nicht pauschal für ein Unternehmen festgelegt werden kann. Nur solche Altersgrenzen bei der Einstellung sind geeignet, die an einen „bestimmten Arbeitsplatz“ anknüpfen, für den „spezifische Ausbildungsanforderungen“ erforderlich sind. Zu den spezifischen Ausbildungsanforderungen einer Tätigkeit können zum einen bestimmte Lizenzen, Schulungen oder Weiterbildungsmaßnahmen gehören, die erst zur Ausübung der Tätigkeit qualifizieren. Eingeschlossen sind aber auch aus unternehmerischer Sicht sinnvolle Zeiten zur Einarbeitung und zur Erlangung von Routine in einer Tätigkeit, sowie ein für die Erlangung einer bestimmten Position vorgegebener Karrierepfad in einem Unternehmen. Keine spezifische Ausbildungsanforderung einer bestimmten Tätigkeit ist die zeitliche Nähe zum Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums. Erforderlich und angemessen sind Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass nur bei einer Einstellung vor dem festgelegten Alter eine Erfüllung der spezifischen Ausbildungsanforderungen und eine Amortisierung dieser Investitionen möglich sind. Die Abwägung der Interessen im Einzelfall wird im Allgemeinen dann eher zugunsten der Angemessenheit einer Höchstaltersgrenze ausfallen, wenn diese mit der Möglichkeit zur Einzelfallabwägung formuliert sind, die etwa 308

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D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung

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eine geringfügige Überschreitung der Altersgrenze durch einen Bewerber zulässt.309 In der Literatur werden als Beispiele für zulässige Höchstaltersgrenzen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3, 1. Fall AGG vor allem Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmens genannt, die erst nach Durchlaufen einer bestimmten Laufbahn offen stehen. Dazu gehören Trainee-Programme und andere Stellen zur Ausbildung von Führungskräftenachwuchs.310 Ein weiterer Beispielfall ist die Höchstaltersgrenze bei der Einstellung zum Piloten. Hier beinhaltet das Ausbildungskonzept regelmäßig, dass über Jahre hinweg Flugstunden als Copilot, Pilot für Kurstreckenflüge und schließlich als Pilot für Langenstreckenflüge gesammelt werden.311 Auch unter dem U.S.amerikanischen ADEA wurde eine Höchstaltersgrenze bei der Einstellung von Flugzeugpiloten für zulässig gehalten, wenn sonst aufgrund des speziellen Ausbildungsgangs in diesem Beruf nur noch wenige Arbeitsjahre vor der Pensionierung in der Funktion als Flugzeugkapitän verbleiben.312 Schließlich ermöglicht Art. 6 Abs. 1 Satz 2 c) RL, der dem § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG zugrunde liegt, auch Höchstaltersgrenzen für den Eintritt in verschiedene Laufbahnen des öffentlichen Dienstes.313 2. Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung zur Ermöglichung eines angemessenen Beschäftigungszeitraums bis zum Ruhestand § 10 Satz 3 Nr. 3, 2. Fall AGG betrifft die Situation, dass der Arbeitgeber durch eine Höchstaltersgrenze bei der Einstellung eines Arbeitnehmers sicherstellen will, dass eine betriebswirtschaftlich lohnende Beschäftigungszeit vor Eintritt in den Ruhestand verbleibt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Zeitspanne zur Verwertung von Investitionen in das Humankapital von eingestellten Arbeitneh309 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 432: („Der Bewerber sollte Anfang 40 sein“ sei der Formulierung „Wir suchen einen Bewerber bis Alter 45 Jahre“ vorzuziehen.). 310 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 35; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 119 f.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 432. 311 Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 119 f. Beispielsweise beträgt das Höchstalter bei der Einstellung für die Ausbildung als Pilot der Lufthansa AG 32 Jahre. Die Ausbildung bis zur Berufspilotenlizenz beträgt 2 Jahre. Danach folgen 8 – 12 Jahre Berufserfahrung als Copilot, bei der ca. 5000 Flugstunden gesammelt werden müssen. Im Anschluss kann der Pilot zum Flugkapitän befördert werden. (vgl. dazu: http: //www.wie-werdeich-pilot.de/flugzeuge_02.html, letzter Besuch: 3. 10. 2008). 312 Johnson v. American Airlines, 745 F.2d 988, 992 f. (5th Cir. 1984); Murnane v. American Airlines, Inc., 667 F.2d 98, 100 (D.C. Cir 1981); a. A. Smallwood v. United Airlines, Inc. 661 F.2d 303, 307 f. (4th Cir. 1981); dazu auch Fenske, Das Verbot der Altersdiskriminierung im US-amerikanischen Arbeitsrecht, S. 151. 313 Vgl. etwa die §§ 14 Abs. 2, 33 Abs. 1, 33a Abs. 1, 33b Abs. 1, 38 Abs. 3 Bundeslaufbahnverordnung für die Laufbahn von Bundesbeamten; dazu Hahn, Altersdiskriminierung, S. 129; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 22.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

mern bei älteren Menschen wegen der nahenden Möglichkeit des Eintritts in den Ruhestand kürzer ist. Die Rechtfertigung eines Einstellungshöchstalters hängt nicht davon ab, ob im Unternehmen auch eine Pensionsgrenze für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters besteht. Nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer nur solange dem Unternehmen zur Verfügung stehen wird, bis er durch eine Altersrente nach den §§ 35 ff. SGB VI wirtschaftlich abgesichert ist.314 Dieser Zeitpunkt wird gemäß § 35 SGB VI regelmäßig die Vollendung des 65. Lebensjahrs sein.315 Auch die Rechtfertigungsmöglichkeit des § 10 Satz 3 Nr. 3, 2. Fall AGG findet eine Parallele im U.S.-amerikanischen Recht, wo im Rahmen der bona fide occupational qualification (BFOQ) Einrede gemäß § 623(f)(1) ADEA Arbeitnehmer in bestimmten kostenintensiven Ausbildungs- und Laufbahnkonzepten noch eine angemessene Zeit auf der Zielposition arbeiten können müssen bevor sie voraussichtlich in den Ruhestand treten werden.316 Bei der Frage der Geeignetheit einer Altershöchstgrenze zur Gewährleistung einer angemessenen Amortisierungszeit von Investitionen in das Humankapital kommt es entscheidend auf die übliche Fluktuation von Mitarbeitern in dem betroffenen Unternehmen an. Eine Einstellungsgrenze kann schon nicht geeignet zur Ermöglichung der Amortisierung sein, wenn auch ein großer Teil der eingestellten jüngeren Arbeitnehmer in einem Zeitraum das Unternehmen verlässt, der eine Erwirtschaftung der Investitionen vereitelt.317 Denn die Alternative zur Einstellung einer über der Altersgrenze liegenden Person ist die Einstellung eines jüngeren Bewerbers. Hat dieser aber eine geringere Verweildauer, so kann der Arbeitgeber die Amortisierung auch nicht mit einer Einstellungshöchstgrenze erreichen. Die Geeignetheit der Höchstaltersgrenze ist daher aus einem Vergleich der Fluktuation der von ihr zugelassenen Arbeitnehmer einerseits und der von ihr ausgeschlossenen Bewerber andererseits zu ermitteln. Bauer, Göpfert und Krieger stellen dafür die durchschnittliche Verweildauer der Mitarbeiter in dem betroffenen Unternehmen der Differenz zwischen Ruhestandsalter und Höchstaltersgrenze gegenüber.318 Dieser Vergleich beurteilt aber die Eignung von Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung zu restriktiv. Die tatsächliche Beschäftigungsdauer eines Bewerbers, dessen Alter der Einstellungsgrenze entspricht, wird oftmals kürzer Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 210. Liegt der übliche Renteneintritt in dem Unternehmen aber nach den §§ 36 ff. SBG VI vor der Vollendung des 65. Lebensjahr, darf der Arbeitgeber auch auf diesen früheren Zeitpunkt als den „Eintritt in den Ruhestand“ nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG abstellen. Vgl. auch Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 26. 316 Murnane v. American Airlines Inc., 667 F.2d 98, 100 (D.C. Cir. 1981); dazu Fenske, Das Verbot der Altersdiskriminierung im US-amerikanischen Arbeitsrecht, S. 151; Lindemann / Kadue, Age Discrimination in Employment Law, S. 128; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 28. 317 So auch Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 429. 318 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 33. 314 315

D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung

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sein als die Differenz zwischen Ruhestandsalter und Einstellungsgrenze, da auch andere Gründe des frühzeitigen Ausscheidens aus dem Unternehmen möglich sind. Vielmehr ist eine Einstellungsgrenze nur dann ungeeignet, wenn die mittlere Verweildauer der Arbeitnehmer, die jünger als die Altersgrenze sind, in einem Unternehmen geringer ist, als die Verweildauer, die durchschnittlich von einem Einstellungskandidaten oberhalb der Höchstaltersgrenze zu erwarten wäre. Den ersten Wert muss der Arbeitgeber anhand von Fluktuationsdaten seines Unternehmens nachweisen.319 Der zweite Wert ist hingegen regelmäßig hypothetischer Natur. Denn oberhalb der Altersgrenze werden keine Arbeitnehmer eingestellt, deren Verweildauer dem Durchschnittswert zugrunde gelegt werden könnte.320 Es handelt sich bei dem zwischen Einstellungsgrenze und Ruhestandsalter gewählten Zeitraum um eine Prognose des Arbeitgebers, nach der aus seiner Sicht eine Amortisierung der Ausbildung und Einarbeitung des Arbeitnehmers noch möglich ist. Dabei diskontiert er den theoretisch zwischen Einstellungsgrenze und Ruhestandseintritt bestehenden Beschäftigungszeitraum um die Wahrscheinlichkeit, dass ein eingestellter Kandidat aus anderen Gründen als der Regelaltersrente Unternehmen verlässt.321 Auch sein persönliches Risikokalkül ist dabei entscheidungsrelevant. Diese fachlich-berufliche Sicht des Arbeitgebers ist auch die maßgebliche Perspektive für die gerichtliche Überprüfung des Einstellungshöchstalters. 322 Soweit der Arbeitgeber schlüssig darlegen kann, nach welchen Faktoren er zu der erwarteten Durchschnittsverweildauer von Bewerbern oberhalb der Einstellungsgrenze gekommen ist, ist diese beim Vergleich zur Durchschnittsverweildauer der Belegschaft unterhalb der Altersgrenze zugrunde zu legen. Die Nutzung des Alters als proxy für die bis zum Ruhestand verbleibende Beschäftigungszeit ist auch erforderlich. Insbesondere kann dies nicht durch einen anderen Indikator, wie zum Beispiel die Dauer der Betriebszugehörigkeit, vorhergesagt werden.323 Bei der Frage der Angemessenheit der Beschäftigungszeit bis zum Ruhestand ist das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an einer Amortisierung seiner Investitionen mit den Arbeitnehmerinteressen abzuwägen. Das Interesse an der Gleichbehandlung wegen des Alters tritt danach zurück, wenn sich das finanzielle und zeitliche Investment des Arbeitgebers bis zum Ausscheiden aus 319 Gilt die Einstellungshöchstgrenze nur für eine bestimmte Tätigkeit in einem Unternehmen, so sind auch nur die Fluktuationsdaten und die Fluktuationsprognose zu dieser Tätigkeit zu vergleichen. 320 Auch die Fluktuation von Mitarbeitern, die vor Erreichen der Altersgrenze eingestellt wurden, diese aber mittlerweile überschritten haben, ist nicht maßgeblich. Die Verweildauer von langjährigen Mitarbeitern weicht in der Regel von der neu eingestellter Arbeitskräfte erheblich ab. Vgl. Daten bei OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 61 ff. 321 Dieses Ausscheiden kann durch zahlreiche Faktoren, wie Enttäuschung über den Arbeitsplatz, Berufsunfähigkeit, Tod, Arbeitsplatzwechsel oder vorgezogener Ruhestand, bedingt sein. 322 Vgl. Gesetzesbegründung zu § 10 AGG, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36. 323 Vgl. auch O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 15.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

dem Erwerbsleben nicht mehr lohnen würde.324 Wisskirchen geht davon aus, dass dies ungefähr ab dem 55. Lebensjahr der Fall sein wird.325 Wank meint, dass erst ein Neunzigjähriger mit dieser Begründung abgewiesen werden könne, nicht jedoch ein Sechzigjähriger.326 Diese grob pauschalierenden Ansätze entsprechen jedoch nicht der nach § 10 Satz 2 AGG geforderten Abwägung der Interessen im Einzelfall. Sinnvoll erscheint es vielmehr die Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fortund Ausbildungskosten als Ausgangspunkt für einen angemessenen Beschäftigungszeitraum im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 3, 2. Fall AGG zu nehmen.327 Hiernach muss die Dauer der Fortbildungsmaßnahme mit dem Zeitraum der Bindung an den Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis stehen.328 Das BAG nimmt die Dauer einer Weiterbildungsmaßnahme als Indiz für die damit verbundenen Kosten und die dabei erlangten Qualifikationen.329 Die ratio dahinter läuft parallel zu derjenigen von § 10 Satz 3 Nr. 3, 2. Fall AGG: Die Ausbildungskosten sollen sich für den Arbeitgeber betriebswirtschaftlich lohnen, was durch eine Mindestbeschäftigungsdauer gewährleistet werden soll. Die regelmäßig zulässige Bindungsdauer ist daher gestaffelt nach der Dauer des Lehrgang bzw. der Schulung. Einer Lehrgangsdauer von einem Monat ohne Arbeitsverpflichtung steht in der Regel eine Bindung von höchstens 6 Monaten gegenüber.330 Bei 2 Monaten Lehrgang beträgt diese 1 Jahr,331 bei 3 bis 4 Monaten dann 2 Jahre332 und bei 6 bis 12 Monaten regelmäßig 3 Jahre.333 Schließlich wurde bei einer Ausbildungsmaßnahme von 2 Jahren eine zusätzliche Bindungsfrist von 5 Jahren für zulässig gehalten.334 Bauer, Göpfert und Krieger schließen daraus, dass die zusätzliche Mindestproduktivitätsdauer bis zu dreimal so lang sein kann, wie die Ausbildungs- bzw. Einarbeitungszeit in einer Tätigkeit. Würde beispielsweise ein Vertriebsleiter für den Außendienst eingestellt und brauche dieser nachvollziehbarer Weise etwa 5 Jahre zum So Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 121. Wisskirchen, DB 2006, 1493. 326 Wank, NZA, Sonderbeil. Heft 22 / 2004, 24. 327 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 34; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 20 ff. 328 Dazu zusammenfassend BAG v. 6. 9. 1995, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter III.2.a); BAG v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter 4.a); ausführlich Schmidt, NZA 2004, 1005 f.; ErfK-Preis, BGB, § 611 Rn. 559; HWK-Thüsing, BGB, § 611 Rn. 460 ff. 329 BAG v. 16. 3. 1994, AP Nr. 18 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter A.III.2.; BAG v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 330 BAG v. 5. 12. 2002, NZA 2003, 559. 331 BAG v. 15. 12. 1993, AP Nr. 17 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 332 BAG v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 333 BAG v. 23. 2. 1983, AP Nr. 6 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG v. 11. 4. 1984, AP Nr. 8 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 334 BAG v. 19. 6. 1974, AP Nr. 1 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG v. 12. 12. 1979, AP Nr. 4 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 324 325

D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung

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Aufbau von Kundenbeziehungen, so seien dem Arbeitgeber weitere 15 Jahre Produktivzeit zuzugestehen, weshalb eine Höchstaltersgrenze von 45 Jahren bei der Einstellung angemessen sei.335 Thüsing weist aber mit Recht darauf hin, dass die Bindungsfristen der Rechtsprechung nur den Mindestrahmen der angemessen Beschäftigungsdauer markieren. Denn bei Erreichen des Ruhestandsalters sei das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben der Regelfall, während nach Ablauf der Bindungsfrist das Arbeitsverhältnis oftmals weitergeführt wird.336 Auch ist nicht allein die Dauer der vorgenommenen Schulungen oder Weiterbildungsmaßnahmen für die Angemessenheit einer Höchstaltersgrenze maßgeblich. Andere Umstände des Einzelfalls sind ebenfalls in die Abwägung einzubeziehen.337 So können höhere Anforderungen an die Restbeschäftigungsdauer gestellt werden, wenn der Arbeitgeber besondere Kosten bei der Weiterbildung für bestimmte Tätigkeiten nachweist. Insbesondere kann eine Höchstaltersgrenze auch dann eher gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber zeigt, dass sich der Lernerfolg oder die Lerngeschwindigkeit erfahrungsgemäß ab einem bestimmten Alter erheblich verringern. Auch können bestimmte altersgerechte Schulungsmethoden dazu führen, dass die Kosten für die Weiterbildungsmaßnahme älterer Menschen höher liegen.338 Weiterhin sind Unterschiede in der erforderlichen Amortisierungszeit zu beachten. Humankapitalinvestitionen werden sich in einigen Tätigkeitsbereichen schneller amortisieren als in anderen. Darüber hinaus sind nicht nur Lehrgänge ohne Arbeitsverpflichtungen bei der Angemessenheit zu berücksichtigen, sondern auch solche Zeiträume zu Beginn einer Tätigkeit, in denen ein Arbeitnehmer durch Einarbeitung, fehlendes firmenspezifisches Humankapital, fehlende Routine oder zu geringes Netzwerk eine geringere Produktivität aufweist. Daher ist zu beachten, inwieweit der Arbeitnehmer auch während der Anlernphase bereits (eingeschränkt) produktiv ist. Schließlich ist bei der Angemessenheit einer Höchstaltersgrenze zu beachten, dass diese oftmals die Weiterbildungsmaßnahmen erst betriebswirtschaftlich ermöglichen. Denn diese Maßnahmen würde der Arbeitgeber ohne die Möglichkeit der Altersgrenze bei der Einstellung gar nicht oder nicht in dieser kostenintensiven Form vornehmen, weil eine Wiedereinspielung seiner Kosten nicht gesichert wäre. Ohne die Einstellungsgrenze würde der Arbeitgeber daher auf Humankapitalinvestitionen verzichten, die unter Verwendung dieser Altersgrenze effizient wären. Solche verringerten Investitionen in das Humankapital durch den Arbeitgeber wirken sich aber negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und auch auf die Möglichkeiten der beruflichen Teilhabe von Arbeitnehmern aus, die zu den Zielen der RL 2000 / 78 / EG gehören. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 34. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 431. 337 Auch die Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten weicht im Einzelfall von diesen Fallgruppen der regelmäßig angemessenen Bindungsdauer ab. Vgl. BAG v. 15. 12. 1993, AP Nr. 17 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG v. 6. 9. 1995, AP Nr. 23 § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 338 Zu höheren Kosten der Schulung Älterer bereits im 4. Kapitel, unter D. I. 2. 335 336

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Ähnliche Überlegungen sind anzustellen, wenn der Arbeitgeber die Beförderung eines Arbeitnehmers wegen des fortgeschrittenen Alters verweigert. Dies kann nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt sein, wenn sonst keine angemessene Beschäftigungszeit in der neuen Position verbleiben würde.339 Freilich sind hier die Anforderungen an die Angemessenheit der mit der Altershöchstgrenze verfolgten produktiven Beschäftigungszeit nach der Beförderung niedriger anzusetzen. Denn im Gegensatz zur gänzlichen Verweigerung der Einstellung im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG wiegen die Interessen des Arbeitnehmers bei der Ablehnung einer Beförderung geringer.

II. Ungleichbehandlungen wegen des Alters bei der Einstellung und betriebliche Wissensökonomie Denkbar ist weiterhin, dass ein Arbeitgeber Höchstaltersgrenzen bei der Einstellung mit den Erfordernissen seiner betrieblichen Wissensökonomie begründet. Die Verfolgung eines betriebswirtschaftlich sinnvollen Konzeptes zur Generierung und Nutzung von Wissen kann dabei ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG sein. Nach der betrieblichen Wissensökonomie bedürfen Unternehmen für ihre Produktionsprozesse regelmäßig zwei Arten von Wissen:340 Auf der einen Seite steht das Erfahrungs- bzw. Anwendungswissen, welches zumeist im Unternehmen selbst generiert wird. Entweder sammeln Mitarbeiter diese Wissensform bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit oder planmäßig durch Trainee-Programme oder betriebliche Weiterbildung. Auf der anderen Seite wird aber auch schulisches, beruffachliches oder akademisches Wissen benötigt, welches extern in Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen generiert wird und dann durch Einstellung von deren Absolventen dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden kann. Da letzteres Wissen nach Abschluss der jeweiligen Bildung veraltet, besteht ein Anreiz für ein Unternehmen im Wettbewerb, möglichst „frisches Wissen“ zu erwerben, was tendenziell bei jüngeren Bewerbern anzutreffen ist.341 Wie bei einem Fall der statistischen Diskriminierung üblich, verknüpft sich hier das legitime Hauptziel der effizienten Wissensökonomie mit dem Nebenziel der möglichst kostengünstigen Erreichung dieses Ziels durch Verwendung des Lebensalters als proxy.342 Kernfrage ist die Verhältnismäßigkeit des Mittels der Höchstaltersgrenze bei der Einstellung zum Erreichen dieser Ziele gemäß § 10 Satz 2 AGG.343 339

So auch Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel,

S. 26. 340 Dazu Promberger / Bender, arbeit und beruf 2006, 135; Promberger, in: FriedrichEbert-Stiftung, Sozialpolitische Flankierung einer verlängerten Erwerbsphase, S. 35. 341 Promberger / Bender, arbeit und beruf 2006, 135. 342 Ausführlich zu Haupt- und Nebenziel bei statistischer Diskriminierung im 7. Kapitel, unter B. II.

D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung

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Löwisch, Caspers und Neumann bezweifeln wohl schon die Geeignetheit einer solchen Altersgrenze, wenn sie betonen, dass vergleichbare Kenntnisse auch bei Personen vorliegen können, deren jeweiliger Abschluss weiter zurück liegt. Daher dürfe sich der Arbeitgeber nicht auf jüngere Bewerber mit der Begründung beschränken, dass deren Kenntnisse und Fertigkeiten typischerweise auf dem neusten Stand seien.344 Zwar ist es ohne Zweifel möglich, dass auch älterer Personen über schulisches, beruffachliches oder akademisches Wissen auf dem neusten Stand verfügen. Sie können entweder die entsprechende Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben durchlaufen haben oder die früher erworbenen Kenntnisse durch kontinuierliche Bildungsmaßnahmen auf dem aktuellen Stand gehalten haben. Jedoch ist von einer positiven statistischen Korrelation zwischen veraltetem Wissen dieser Art und steigendem Lebensalter auszugehen. Die Geeignetheit der Altersgrenze ist daher bereits dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er für die infrage stehende Tätigkeit des Zuflusses von externem und aktuellem Wissen im Rahmen seines wissensökonomischen Konzepts bedarf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls Schulkenntnisse nur sehr langsam veralten. Fachspezifisches Wissen aus fortgeschrittenen Ausbildungsgängen kann hingegen schon nach kürzerer Zeit nicht mehr aktuell sein. Erforderlich wird eine derartige Einstellungsgrenze jedoch nur in seltenen Fällen sein. Regelmäßig kommt als gleich geeignetes, milderes Mittel das Abstellen auf den Zeitpunkt des erreichten Bildungsabschlusses in Betracht. Ob zusätzlich noch individuelle Tests über die Aktualität des Wissens der Bewerber ein milderes Mittel darstellen, hängt davon ab, ob sie angesichts der damit verbunden Kosten und Nutzen aus Sicht des Arbeitgebers noch als gleich wirksam angesehen werden können. Schließlich wird eine feste Höchstaltersgrenze bei der Einstellung zur Gewährleistung von aktuellem Wissen nicht angemessen sein. Die Verwehrung des Arbeitsplatzes aufgrund des Alters wiegt schwer. Auf der anderen Seite wird die Aktualität des Ausbildungswissens verhältnismäßig leicht zu überprüfen sein. Ein empfohlenes Höchstalter, das anhand des Einzelfalls flexibel gehandhabt werden kann, kann hingegen angemessen sein, wenn es nicht zu jung gewählt ist. Schließlich ist der Fall zu beachten, dass der Arbeitgeber zur Gewährleistung von aktuellem schulischem, beruffachlichem oder akademischem Wissen bei der Einstellungsentscheidung nicht auf das Alter selbst abstellt, sondern durch einen Test versucht zu ermitteln, ob diese Kenntnisse beim jeweiligen Bewerber vorliegen. Ausgehend von der negativen Korrelation zwischen aktuellem Wissen dieser Art und zunehmendem Lebensalter stellte dies ein Verfahren dar, nach dem ältere Menschen in besonderer Weise benachteiligt würden. Eine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG läge damit vor, soweit damit nicht ein legitimes Ziel auf verhältnismäßige Weise verfolgt würde. Auch hier ist das legitime Ziel die Ver343 Vgl. dazu auch die allgemeinen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit von statistischer Altersdiskriminierung im 7. Kapitel, unter B. IV. 344 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 26.

320

7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

folgung einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Wissensökonomie. Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass er für die betroffene Tätigkeit aktuelles Wissen extern akquirieren muss, während er Erfahrungswissen im Unternehmen intern generiert, so sind Tests zur Überprüfung der aktuellen Kenntnisse auch ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung seines Ziels.

III. Verweigerung der Teilnahme an einer Weiterbildung Oftmals wird die geringe Bereitschaft von Personalverantwortlichen kritisiert, ältere Menschen durch betriebliche Weiterbildungsmaßnamen zu fördern.345 Statistiken weisen für Deutschland Teilnahmequoten an beruflichen Weiterbildungen im Jahr 2003 im Falle von 19 – 34-Jährigen bei 29 %, von 35 – 49-Jährigen bei 31% und von 50 – 64-Jährigen nur bei 17% aus.346 Diese Zahlen beziehen sich aber auf die Gesamtbevölkerung und nicht auf die Zahl der Erwerbstätigen. Bezogen auf die Erwerbstätigen variiert die Weiterbildung von Altersgruppen zwischen 19 und 59 Jahren zwischen 32% und 39%. Erst ab einem Alter von 60 Jahren fällt die Quote auf 16%. Die geringe Teilnahmequote Älterer beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen erklärt sich damit bis zum Alter von 60 Jahren weitestgehend durch die geringe Erwerbsbeteiligung im Alter.347 Soweit die geringere Beteiligung Älterer aufgrund der Verweigerung der Teilnahme an einer betrieblichen Weiterbildung durch den Arbeitgeber wegen des fortgeschrittenen Alters eines Arbeitnehmers geschieht, liegt darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters beim Zugang zu Berufsbildung gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 AGG.348 Fraglich ist, ob diese nach § 10 AGG rechtfertigungsfähig ist. Unter den Regelbeispielen des § 10 Satz 3 AGG nennt nur Nr. 1 die Festlegung von besonderen Bedingungen für den Zugang zur beruflichen Bildung. Jedoch greifen die hier genannten legitimen Ziele nicht, da eine Verweigerung der Teilnahme an einer Weiterbildung nicht mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer oder Jugendlicher bzw. der Förderung von deren beruflicher Eingliederung begründet werden kann. Mithin kommt nur eine Rechtfertigung nach der Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG in Betracht. Ein Arbeitgeber entscheidet über die Aus-, Weiter- oder Fortbildung eines Mitarbeiters anhand der damit verbundenen Kosten und Nutzen. Aus seiner Sicht kann sich diese Investition ab einem bestimmten Alter des Arbeitnehmers betriebswirtSenne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 273 f. mwN. Morschhäuser, Arbeit 2005, 292 f. (Quelle: TNS Infratest Sozialforschung 2004). 347 Morschhäuser, Arbeit 2005, 292 f. Auch Koller macht auf diese Verzerrung der Statistiken über die Teilnahme an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen aufmerksam, Koller / Plath, MittAB 2000, 114; Husemann, WSI Mitteilungen 2002, 34. 348 Zu den gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 AGG erfassten Arten der Berufsbildung, MüKoThüsing, AGG, § 2 Rn. 11 f. 345 346

D. Humankapitalaspekte und Altersdiskriminierung

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schaftlich nicht mehr lohnen. Die Argumentation verläuft hier parallel zu den wirtschaftlichen Hintergründen zu § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG. So kann einerseits die Amortisierung der Kosten der Bildungsmaßnahme unmöglich sein, wenn wegen des nahenden Ruhestands des Arbeitnehmers eine zu geringe Beschäftigungszeit nach Abschluss der Bildungsmaßnahme verbleibt.349 Wie bei dem Einstellungshöchstalter muss der Arbeitgeber auch hier zeigen, dass jüngere Teilnehmer einer Maßnahme durchschnittlich länger im Unternehmen verbleiben, als dies bei einem jenseits der Altersgrenze liegenden älteren Arbeitnehmer der Fall wäre. Bei der Angemessenheit der Ablehnung der Schulungsteilnahme ab einem bestimmten Alter kann wiederum die Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten als Ausgangspunkt genommen werden, wobei neben dem zeitlichen auch der finanzielle Aufwand für die Fortbildungsmaßnahme und andere Umstände des Einzelfalls zu beachten sind.350 Andererseits kann die Verweigerung der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme ab einem bestimmten Alter gerechtfertigt sein, wenn die damit verbundenen Kosten erfahrungsgemäß ab einem bestimmten Alter derart steigen, dass sie nicht mehr in Relation zu deren Nutzen für den Arbeitgeber stehen. Diese gesteigerten Kosten können etwa auf einem altersbedingt langsameren Lernfortschritt oder wegen des Alters der Teilnehmer kostenintensiveren Schulungsmethoden entstehen.351 Dies darf aber nicht einfach anhand eines bestimmten Alters behauptet werden, sondern muss vom Arbeitgeber anhand von Erfahrungswerten im Unternehmen oder anhand von übertragbaren Erkenntnissen der gerontologischen Forschung nachgewiesen werden. Beide Fälle des Ausschlusses von der beruflichen Bildung werden in der Praxis wohl nur in rentennahen Jahrgängen gerechtfertigt sein.352 Zwar ist das Arbeitnehmerinteresse an der Teilnahme der Weiterbildung nicht so gewichtig, wie dies bei einer Einstellungshöchstgrenze nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG der Fall ist. Jedoch kann das Interesse des Arbeitnehmers an einer Teilnahme trotzdem groß sein, wenn er damit berufsbezogene Kenntnisse erlangen oder vervollständigen könnte, die für seine derzeitige Tätigkeit erforderlich sind. Ultimativ könnte dem Arbeitnehmer sonst eine Kündigung wegen fehlender Qualifikation drohen.353 Andererseits wiegen aber auch die Interessen des Arbeitgebers an der Verweigerung der Weiterbildung geringer als im Falle des § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG, da damit regelmäßig nicht so hohe Kosten verbunden sind, wie mit der Einstellung eines neuen Arbeitnehmers. Schließlich ist die Angemessenheit eines Ausschlusses von Bildungsmaßnahmen wegen der damit Reduzierung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen streng zu beurteilen.354 Die Erreichung des Ziels der RL 2000 / 78 / EG, 349 So auch Bertelsmann, ZESAR 2005, 249; Dette-Däubler / Bertzbach, AGG, § 7 Rn. 176; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 26 f. 350 Dazu bereits im 7. Kapitel, unter D. I. 2. 351 Vgl. hierzu im 4. Kapitel, unter D. I. 2. 352 Ähnlich Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 47 („vereinzelte Ausnahmefälle“). 353 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 46.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

die berufliche Eingliederung Älterer zu fördern, hängt maßgeblich davon ab, dass auch älteren Jahrgängen die Möglichkeit zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen offen bleibt, soweit dies nicht betriebswirtschaftlich unsinnig ist.355 Andererseits darf die Beschränkung der Teilnahme Älterer an betrieblichen Bildungsmaßnahmen auch nicht zu restriktiv gehandhabt werden. Sonst entstünde eine Art gesetzlicher Verpflichtung zu nicht kostendeckenden Schulungen rentennaher Jahrgänge, die den Faktor Arbeit von Personen in dieser Altersgruppe verteuern würden. Dadurch entstünden Anreize für Unternehmen, diese Personen gar nicht erst einzustellen oder sich nach Möglichkeit von ihnen zu trennen, bevor es zu den nicht lohnenden Bildungsmaßnamen kommen kann. Auch dies würde dem Ziel der Steigerung der beruflichen Eingliederung Älterer schaden. Sowohl der Verlust der Beschäftigungsfähigkeit als auch die Fehlanreize durch ein Verbot von Ungleichbehandlungen bei Weiterbildungsmaßnahmen können zielführend durch eine staatliche Förderung der Berufsbildung älterer Personen verhindert werden.356 Angemessen erscheint auch der Vorschlag von Brors, nach dem der Arbeitnehmer an einer Weiterbildungsmaßnahme auch jenseits eines bestimmten Alters teilnehmen darf, wenn er im Einzelfall glaubhaft machen kann, dass er nach der Abschluss der Schulung noch ausreichend lange und leistungsfähig dem Unternehmen zur Verfügung steht. Stelle sich im Nachhinein heraus, dass der Arbeitnehmer etwa wegen eines altersbedingten Leistungsabfalls nicht angemessene Zeit einsatzfähig sei, so müsse er dem Arbeitgeber die Kosten zurückerstatten.357

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer Das Senioritätsprinzip bedeutet eine Unterscheidung zwischen Menschen aufgrund ihres Alters oder der Dauer ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (etwa das Dienstalter in einem Betrieb).358 Im Hinblick auf das Verbot der Benach354 Vgl. Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 93, der aus diesem Grund die Rechtfertigungsfähigkeit der Verweigerung von Weiterbildungsmöglichkeiten auch angesichts unzureichender Restbeschäftigungsdauer verneint. 355 Vgl. zum Erfordernis der Erhaltung und Verbesserung von Qualifikationen über das gesamte Erwerbsleben: Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999) 565 entg., S. 6; EU-Kommission, Beschäftigung in Europa, Zusammenfassung, 2006, S. 9 f.; für die Bundesrepublik Deutschland: Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan 2003, S. 9, 19 ff. 356 Nach § 417 Abs. 1 SGB III können in Betrieben mit unter 250 Arbeitnehmern die Weiterbildungskosten für Arbeitnehmer mit vollendetem 45. Lebensjahr von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt weiter bezahlt. Vgl. auch BMAS, Initiative 50plus, S. 5 f. 357 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 46 f. 358 Vgl. Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 76; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 319; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 28 f.;

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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teiligung wegen des Alters nach dem AGG können Leistungen und Maßnahmen im Arbeitsverhältnis, die an das Senioritätsprinzip anknüpfen, in zweierlei Hinsicht problematisch sein. Zum einen kann in einem nach Seniorität vergebenen Vorteil eine Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters liegen. Andererseits können sich Senioritätsprivilegien auch für ältere Menschen nachteilig auswirken, indem sie ihre Beschäftigungschancen beeinträchtigen. Jedoch kommen auch zahlreiche ökonomische Erwägungen in Betracht, unter denen Differenzierungen nach der Seniorität gemäß § 10 AGG bzw. § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG gerechtfertigt sein können.

I. Senioritätsprinzip und Beschäftigungschancen älterer Menschen Hinsichtlich der Auswirkungen des Senioritätsprinzips auf die Beschäftigungschancen der privilegierten Altersgruppe ist zu klären, ob und mit welchen Senioritätsprivilegien eine Verringerung der Chancen älterer Menschen am Arbeitsmarkt einhergeht und inwiefern diese negativen Auswirkungen auch bei der Frage der Rechtfertigung der Privilegien als Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer Berücksichtigung finden können.

1. Verringerte Beschäftigungschancen älterer Menschen durch Privilegien In der Rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zur Altersdiskriminierung sind die problematischen Auswirkungen von Privilegien für bestimmte Altersgruppen auf die Beschäftigungschancen der geschützten Personen bekannt. Schmidt gibt hinsichtlich von Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt zu Bedenken: „Will man die Benachteiligungen beseitigen, muss man auch über die Abschaffung oder Umgestaltung der Schutzvorschriften nachdenken.“359 Eichhorst konstatiert: „Manche gut gemeinte Privilegierung Älterer hat sich im Hinblick auf die Beschäftigungseffekte ins Gegenteil verkehrt, da bestimmte Besserstellungen bei Transferansprüchen oder im Arbeitsrecht die Erwerbsintegration der Älteren hemmen.“360 Körner geht sogar davon aus, dass es im Vergleich zum Verbot von Benachteiligungen wegen des Alters effizienter wäre, zunächst einmal gesetzliche und untergesetzliche Privilegierungen wegen des Alters auf den Prüfstand zu stelLöwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 34 ff.; Teilweise wird auch nur die Differenzierung nach dem Alter selbst als Senioritätsprinzip bezeichnet, während die Unterscheidung nach der Dauer einer Gruppenzugehörigkeit als Anciennität bezeichnet wird. Vgl. Schubert / Klein, Das Politiklexikon, 2006. 359 Schmidt, KritV 2004, 251; ähnlich Simitis, NJW 1994, 1454. 360 Eichhorst, ZSR 2006, 120.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

len.361 Buchner fordert vor dem Hintergrund des demographischen Wandels die Tarifparteien dazu auf „alle tariflichen Regelungen abzubauen, die sich zu Lasten der älteren Arbeitnehmer einstellungshemmend erweisen – dies sind all die Tarifregelungen, die die Arbeit der Älteren unmittelbar oder mittelbar verteuern.“362 Rieble und Zedler gehen gar so weit, dass der Schutz älterer Arbeitnehmer den Schutz älterer Arbeitnehmer erst erforderlich mache.363 Schließlich unterstreicht Preis in seinem Gutachten für den 67. Juristentag zum Thema „Alternde Arbeitswelt“ im Jahr 2008 den Zusammenhang zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Schutz ältere Arbeitnehmer und den festzustellenden Nachteilen Älterer auf dem Arbeitsmarkt.364 Auch im Grünbuch „Ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ betont die EU-Kommission, dass „allzu sehr auf Schutz ausgerichtete Bedingungen [ . . . ] Arbeitgeber in Phasen des Wirtschaftsaufschwungs davon abhalten [können], Leute einzustellen.“365 Strenge Beschäftigungsschutzgesetze verringerten eher die Dynamik des Arbeitsmarktes, wodurch insbesondere die Beschäftigungschancen von Gruppen „am Rande des Arbeitsmarktes“, wie Frauen, Jugendliche und ältere Arbeitnehmer, verschlechtert würden.366 Zu diesem Ergebnis kommt auch der Bericht der EU-Kommission „Beschäftigung in Europa 2006.“367 Der deutsche Gesetzgeber hat ebenfalls punktuell darauf hingewiesen, dass der Abbau von arbeitsrechtlichem Schutz angesichts der schlechten Arbeitsmarktsituation älterer Menschen helfen kann, deren Einstellungschancen zu erhöhen.368 Schließlich hat auch der EuGH in der Rechtssache Mangold grundsätzlich anerkannt, dass sogar rechtliche Benachteiligungen älterer Menschen zulässig sein können, wenn diese deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbesserten.369 Dies muss umso mehr gelten, wenn es sich nicht um die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer bei gesetzlichen Schutzbestimmungen handelt, sondern um den Abbau von Senioritätsprivilegien in Tarifverträgen, die ihrerseits selbst eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zulasten jüngerer Arbeitnehmer darstellen. Körner, NZA 2005, 1395. Buchner, NZA, Sonderbeil. Heft 1 / 2008, 50. 363 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301. Dies bestreitet aber Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 8: „Ohne staatliche Eingriffe, die die wirtschaftliche Macht des Arbeitgebers durch Gebote und Verbote zugunsten des Arbeitnehmers nivellieren, bliebe die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt auf der Strecke.“ 364 Preis, Gutachten B für den 67. Deutschen Juristentag, B 23 ff. 365 Grünbuch Arbeitsrecht, KOM(2006)708 endg., S. 6. 366 Grünbuch Arbeitsrecht, KOM(2006)708 endg., S. 9. 367 EU-Kommission, Beschäftigung in Europa 2006, Zusammenfassung, 5; EU-Komission, Employment in Europe 2006, 2. Kapitel, 81 ff. 368 So zur Begründung der erleichterten Befristung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern gemäß § 14 TzBfG, BT-Drucks. 15 / 25, S. 40. 369 EuGH v. 22. 11. 2005 – Rs. 144 / 05 (Mangold), NZA 2005, 1347, Rz. 59 f.; dazu auch Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301. 361 362

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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Jedoch treffen obige Befürchtungen nicht bei jedem an Seniorität geknüpften Vorteil im Arbeitsverhältnis zu. Steht dem Vorteil für den älteren Arbeitnehmer eine Gegenleistung für den Arbeitgeber gegenüber, führt dies regelmäßig nicht zu einer Verschlechterung der Beschäftigungschancen der Privilegierten. Erst wenn durch die Senioritätsrechte das arbeitsvertragliche Synallagma gestört wird, kann es zu Fehlanreizen auf Seiten des Arbeitgebers kommen. Diese Fehlanreize äußern sich häufig in der bevorzugten Trennung von älteren Arbeitnehmern oder in Hemmnissen bei deren Einstellung.370 In der weiteren Bearbeitung wird am Beispiel von verschiedenen Formen von Senioritätslöhnen, von Jubiläumszuwendungen und altersgestaffelten Ausgleichszahlungen in Sozialplänen, sowie tarifvertraglichen Verdienstsicherungsklauseln, Arbeitszeitreduzierungen und Kündigungsschutzregelungen auch untersucht, bei welchen dieser an die Seniorität von Arbeitnehmern anknüpfenden Privilegien beschäftigungsschädliche Auswirkungen zu befürchten sind.

2. Berücksichtigung der Senkung von Beschäftigungschancen älterer Menschen bei der Rechtfertigung nach § 10 AGG Fraglich ist, inwiefern bei der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer durch Privilegien älterer Arbeitnehmer etwaige nachteilige Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation Älterer Beachtung finden können.371 Nach Rieble und Zedler ist der „ökonomische Bumerang-Effekt“372 von Bevorzugungen Älterer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit dieser Mittel zur Erreichung eines Schutzes älterer Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Diskriminierungsschutz wirkungsbezogen ausgestaltet sei, was insbesondere an dem Verbot auch der mittelbaren Diskriminierung deutlich würde. Daher seien ökonomische, also mittelbare Folgen von Ungleichbehandlungen bei der Frage der Rechtfertigung zu berücksichtigen.373 Auch Hinrichs weist im Rah370 Vgl. dazu Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301: „Zwar kommen die verschiedenen Regelungen dem einzelnen Arbeitnehmer zugute, der einen Arbeitsplatz hat und zusätzliche Vorteile von verbessertem Kündigungsschutz, Verdienstsicherung, mehr Urlaubstagen, Altersfreizeit etc. erhält. Älteren Arbeitssuchenden hingegen macht es dieser Schutz oft schwer, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Aber nicht nur Arbeitssuchende sind durch den gut gemeinten Schutz älterer Arbeitnehmer benachteiligt. Ein wirtschaftlich denkender Unternehmer muss seine Arbeitnehmer entlassen, bevor sie von den zahlreichen Regelungen profitieren und so das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auseinander fällt. Wer ältere Arbeitnehmer daher wirklich schützen möchte, muss das Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung im Alter eher verhindern als es weiter voranzutreiben.“ 371 Vgl. zur ähnlichen Diskussion der Berücksichtigung der Interessen Arbeitssuchender bei der Auslegung des Kündigungsschutzrechts, Mohr, ZfA 2006, 571 ff. 372 Hierzu auch Rieble, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S., 61 ff. 373 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 296.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

men von positiven Maßnahmen gemäß § 5 AGG darauf hin, dass bei der Beurteilung von Bevorzugungen einer Personengruppe „stets deren Auswirkungen und die kontraproduktiven Mechanismen, die diese auslösen können, in die Überlegungen miteinbezogen werden“ müssen.374 Bereits das BVerfG stellte in seinem Urteil zu § 14 Abs. 1 MuSchG derartige Überlegungen an. In der besonderen Belastung des Arbeitgebers mit Kosten im Zusammenhang mit dem Mutterschutz würde die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 2 GG von Arbeitnehmerinnen verletzt, da diese faktisch als Beschäftigungsbarriere fungieren.375 Aus dem Blickwinkel der ökonomischen Analyse des Rechts ist die Einbeziehung der Auswirkungen von Senioritätsprivilegien für den Beschäftigungssituation älterer Menschen im Rahmen der Frage der Rechtfertigung solcher Ungleichbehandlungen geradezu selbstverständlich. Denn dabei geht es ja gerade um die Folgenabschätzung rechtlicher Regelungen.376 Der Veränderung der Anreizstrukturen von Arbeitsmarktakteuren durch Senioritätsrechte, die sich beschäftigungshemmend auswirken kann, gilt im Rahmen der ökonomischen Analyse ein besonderes Augenmerk. Auch Bizer und Führ empfehlen im Rahmen ihrer ökonomischen Analyse zur Integration von Schwerbehinderten am Arbeitsmarkt die Berücksichtigung der negativen Beschäftigungseffekte im Rahmen der Frage der Verhältnismäßigkeit.377 Schließlich spricht entscheidend für die Berücksichtigung der Beschäftigungsfolgen von Senioritätsrechten im Rahmen der Frage nach ihrer Verhältnismäßigkeit die Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG als Bestandteil der europäischen Beschäftigungspolitik. Die Steigerung der Beschäftigungschancen älterer Menschen ist ein wichtiges Ziel dieser Beschäftigungspolitik. In dem Beschluss des Rates vom 19. Januar 2001 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedsstaaten im Jahr 2001 ist Deutschland ausdrücklich aufgefordert worden, Hindernisse und negative Faktoren zu beseitigen, die der Erwerbsbeteiligung insbesondere älterer Arbeitnehmer entgegenstehen.378 Laut Kommissionsentwurf für 374 Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 13 (zu den positiven Maßnahmen gemäß § 5 AGG). 375 BVerfG v. 18. 11. 2003, NZA 2004, 33; dazu Aubel, RdA 2004, 141 ff.; Buchner, NZA 2004, 1121 ff.; Adomeit, NJW 2006, 2170. 376 Adams formuliert: „Das Recht ist eine Sammlung von mit autoritativer Gewalt ausgestatteten Anweisungen, die durch die Änderung der monetären und nichtmonetären Nutzen und Kosten die mit bestimmten Handlungen verbunden sind, den Bürgern bei diesen Handlungen Anreize vermitteln.“ Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, S. 14. 377 Bizer / Führ, Ökonomische Verhaltenstheorie in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 16, 40 ff.; Bizer, Die Integration von Schwerbehinderten in die Arbeitswelt – Eine institutionenökonomische Analyse der Anreizsituation von Akteuren, S. 32 f., 35 f.; ebenso für die Beachtung faktischer Benachteiligungen Schwerbehinderter durch gesetzliche Privilegien, Däubler, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeitsrecht, S. 48. 378 So zur Begründung der erleichterten Befristung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern, BT-Drucks. 15 / 25, S. 40. Vgl. auch Beschäftigungspolitische Leitlinien

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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die RL 2000 / 78 / EG soll durch den Schutz vor Diskriminierungen angesichts der demographischen Trends sichergestellt werden, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter einer Beschäftigung nachgeht.379 Dabei soll gemäß dem achten Erwägungsgrund der RL 2000 / 78 / EG der Steigerung der Erwerbsquote älterer Menschen besondere Aufmerksamkeit gebühren. Hintergrund ist, dass damit die Teilhabe am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie die individuelle Persönlichkeitsentfaltung gefördert werden soll.380 Deutlich wird das Erfordernis der Einbeziehung kontraproduktiver Beschäftigungsfolgen schließlich dadurch, dass auch die Beschäftigungssituation Älterer einen Aspekt des Schutzes älterer Arbeitnehmer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 a) RL bzw. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG darstellt und dieses Regelbeispiel die Förderung der beruflichen Eingliederung dieser Personengruppe ausdrücklich benennt. Auch Generalanwalt Geelhoed weist in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Navas auf das Erfordernis der „Abwägung der in Rede stehenden Belange wie der Rechte [ . . . ] älterer Arbeitnehmer gegen das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes oder die Verstärkung des Partizipationsgrades älterer Altersklassen“ hin.381 Rieble und Zedler meinen aber, dass die Verschlechterung von Beschäftigungschancen Älterer zwar in der Abwägung der betroffenen Interessen zu berücksichtigen sei, jedoch einer Rechtfertigung von Privilegien im Einzelfall nicht im Wege stünde.382 Denn eine konkrete Verschlechterung der Beschäftigungssituation durch eine bestimmte Regelung ließe sich oftmals nicht exakt bestimmen. Insofern blieben „grundsätzlich nur Schätzungen anhand des gesunden Menschenverstandes.“383 Dem ist aus verschiedenen Gründen entgegenzutreten: Zum einen geben neben dem Menschenverstand eine ganze Reihe volkswirtschaftlicher Studien Aufschluss über die Wirkungen von senioritätsgebundenen Rechten auf die Beschäftigungschancen der Privilegierten.384 Zum anderen ist die Beweislast nach § 22 AGG umgekehrt, und auch nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung muss der Beklagte das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen beweisen.385 Wer also aufgrund von arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen 2002, Abl. L-60, S. 63: Bis zum Jahr 2010 soll in jedem EU-Mitgliedsland eine Erwerbstätigkeitsquote von Menschen zwischen 55 und 64 Jahren von mindestens 50 % erreicht werden. 379 So der Vorschlag der EU-Kommission zur RL 2000 / 78 / EG, KOM(1999)565 endg, S. 3; vgl. auch Gesetzesbegründung zum AGG, BT-Drucks. 16 / 1780, S. 20. 380 Erwägungsgrund 9 RL 2000 / 78 / EG. 381 Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed v. 16. 3. 2006 – Rs. C-13 / 05 (Navas), Rz. 55. 382 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 296. 383 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 296. 384 Vgl. etwa zur Verdienstsicherung und der Arbeitszeitreduzierung bei gleichem Lohn Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, 5 ff.; IAW, Situation Älterer Arbeitnehmer, S., 16, 90 ff.; Koller / Gruber, MittAB 2001, 496 ff.; bereits Boecken, Gutachten B für den 62. Deutschen Juristentag, S. 148 ff. 385 Windel, RdA 2007, 2, 6.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

nach dem Alter differenziert, muss nachweisen, dass damit ein legitimes Ziel auf verhältnismäßige Weise verfolgt wird. Dafür muss er auch zeigen, dass die Differenzierung keine unangemessene Verringerung der Beschäftigungschancen älterer Menschen mit sich bringt, deren Steigerung gerade ein Ziel der RL 2000 / 78 / EG und des AGG ist. Sprechen Menschenverstand und ökonomischer Sachverstand gegen ein derartiges Privileg wegen des Alters, so wird die Ungleichbehandlung sich schwerlich als angemessen erweisen. Schließlich wird teilweise gegen die Verringerung oder Abschaffung von Senioritätsrechten eingewendet, dass die Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG gemäß Art. 8 Abs. 2 RL keinesfalls als Rechtfertigung für die Absenkung des von den Mitgliedsstaaten bereits garantierten Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen benutzt werden dürfe.386 Dieser Einwand geht aus verschiedenen Gründen fehl. Zum einen richtet sich Art. 8 Abs. 2 RL an die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG und nicht an die Anwendung des „Schutz älterer Arbeitnehmer.“ Zweitens ist mit Art. 8 Abs. 2 RL eine Schutzniveauabsenkung durch den Mitgliedstaat als ganzes gemeint und nicht schon weniger schützende Einzelmaßnahmen. Zum Dritten ist eine Bevorzugung einer Altersgruppe keine Gleichbehandlung sondern gleichzeitig eine Benachteiligung anderer, ebenfalls durch das AGG geschützter Altersgruppen.387 Mithin ist ein Senioritätsprivileg schon kein Schutz in Bezug auf Diskriminierungen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 RL.

II. Senioritätsentlohnung Ein bedeutender Anwendungsfall des Senioritätsprinzips in deutschen Arbeitsverhältnissen ist die Senioritätsentlohnung. Diese Staffelung des Entgelts erfolgt entweder nach dem Lebensalter einer Person oder nach mittelbar mit dessen Alter verknüpften Merkmalen, wie der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Vereinzelt wird auch nach einer Kombination beider Faktoren differenziert. Im Zusammenhang mit Altersdiskriminierung wird oftmals beklagt, dass diese Art der Entlohnung ältere Mitarbeiter besonders teuer macht, was ihre Chancen am Arbeitsmarkt verringere.388 Im Rahmen einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Jahr 2004 waren 77% der befragten Arbeitgeber der Meinung, dass ältere Menschen häufiger eingestellt würden, wenn sie nicht nach dem Senioritätsprinzip entlohnt würden.389 In einer Studie des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung Hierzu Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1242. Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1242; so auch Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 373; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 200. 388 BdA, Ältere Mitarbeiter im Betrieb, S. 29, 56 f.; BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 102; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 27; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 229 f. 389 Janßen, iw-trends 2004, 12. 386 387

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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(IAW) aus dem gleichen Jahr gaben knapp drei von vier Personalverantwortlichen an, dass die Höhe der Bruttogehälter bei der Einstellungsentscheidung ein wichtiger oder sehr wichtiger Faktor sei.390 Die beschäftigungsschädliche Wirkung von Senioritätslöhnen relativiert sich jedoch in Anbetracht ihres beschränkten Verbreitungsgrades in Deutschland und muss anhand der verschiedenen ökonomischen Hintergründe dieses Entlohnungsmodells differenziert betrachtet werden. 1. Verbreitung von Senioritätslöhnen in Deutschland Die Verbreitung von Senioritätslöhnen in deutschen Tarifverträgen ist vergleichsweise gering und nimmt weiterhin ab. Ein wichtiger Schritt weg von der Vergütung nach Dienstalter war der Abschluss des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD), der den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zum 1. 10. 2005 abgelöst hat und statt des Senioritätsprinzips bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst nunmehr eine leistungsbezogene Bezahlung vorsieht.391 Zwar sind noch heute Senioritätslöhne während der Einstiegsphase in Tarifverträgen verbreitet. Diese Staffelung endet aber spätestens mit dem 28. Lebensjahr.392 Direkt an das Lebensalter anknüpfende Lohnsteigerungen über die Gesamtkarriere sind eine seltene Ausnahme. Eine gewisse Verbreitung weisen indirekte Altersverknüpfungen der Tarifentgelte auf, die auf die Dauer der Tätigkeit im Betrieb,393 im Beruf394 oder in einer Tarifgruppe395 abstellen.396 Aber auch in diesen Fällen erfolgt die Gliederung in Vergütungsgruppen in den Lohn- und Gehaltstabellen regelmäßig anhand von qualifikatorischen und sonstigen Anforderungen. Erst die Abstufung innerhalb der einzelnen Vergütungsgruppen wird vielfach (mittelbar) altersbezogen vorgenommen.397 IAW, Situation Älterer Arbeitnehmer, S. 90 f. Hierzu auch Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 34. (Der alte BAT hätte gegen die Richtlinie 2000 / 78 / EG verstoßen.) 392 Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. VI, 6; BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 86; Kistler, WSI Mitteilungen 2004, 76. 393 Vgl. § 5 Abs. 2 Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe vom 5. 10. 2000, (verfügbar unter: http: //www.rechtsrat.ws/tarif/doks/tvv.doc, letzter Besuch: 3. 10. 2008). 394 Vgl. § 8 Abs. 3 Manteltarifvertrag über das private Bankgewerbe (verfügbar unter: http: //www.keller-menz.de/pdf/MTV_Bank_03.pdf, letzter Besuch: 3. 10. 2008). 395 Vgl. §§ 16 Abs. 4, 17 Abs. 2 TVöD (wobei eine Berücksichtigung von überdurchschnittlicher oder erheblich unterdurchschnittlicher Leistung möglich bleibt). 396 Bellmann / Kistler / Wahse, APuZ 20 / 2003, 34; Däubler, in: Däubler, Festschrift Gnade, S. 98; Eichhorst, ZSR 2006, 108 f.; Gussone, in: Gussone / Huber / Morschhäuser / Petrenz, Ältere Arbeitnehmer, S. 189 ff.; Kocher, ARBEIT 2005, 307. Zur Übersicht über die verschiedenen tarifvertraglichen Regelungen vgl.: Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 35 f.; Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. 5 ff.: Danach erstrecken sich die tariflich teilweise vorgesehenen Entgeltsteigerungen über bis zu 21 Jahre Betriebszugehörigkeit und beinhalten bis zu 16 Entgeltstufen. 397 Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. Vf. 390 391

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Im übertariflichen Bereich sind Senioritätslöhne jedoch wegen ihrer Anreizwirkung verbreitet.398 Insgesamt zeigen empirische Erhebungen daher deutlich ansteigende Durchschnittslöhne in Verbindung mit dem Alter und der Betriebszugehörigkeitsdauer in Deutschland. Setzt man den Lohn einer 25- bis 29-jährigen Arbeitskraft gleich 100 %, so steigt dieser durchschnittlich bis zum Alter von 40 bis 44 Jahren auf ca. 148 % und bis zum Alter von 55 bis 59 Jahren auf ca. 157 % an und fällt dann bis zum 64. Lebensjahr geringfügig auf ca. 153 % zurück.399 In Deutschland verlaufen die Lohnaltersprofile verschiedener Bildungsschichten im starken Gegensatz zu den USA fast deckungsgleich. Jedoch steigt der Verdienst von Hochschulabsolventen ab dem 55. Lebensjahr noch um rund 20% an, während er bei Inhabern niedrigerer Abschlüsse dann stagniert.400 2. Senioritätsentlohnung als Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 AGG Verbreitet wird davon ausgegangen, dass in der nach dem Lebensalter anwachsenden Entlohnung von Arbeitnehmern eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 AGG liegt.401 Teilweise wird dies aber bezweifelt.402 So ergebe eine nach Waltermann vorzunehmende Gesamtbetrachtung des Lebenseinkommens, dass jüngere Arbeitnehmer durch Senioritätslöhne überhaupt nicht schlechter gestellt seien. Das Alter sei im Gegensatz zu anderen Diskriminierungsmerkmalen des § 1 AGG ein „sich in der Zeit linear fortentwickelnder Umstand, der jeden potenziell gleich trifft.“403 Eine „punktuelle“ Betrachtung ergebe daher ein schiefes Bild.404 Die nach dem Alter gestaffelte Entlohnung enthalte jüngeren Arbeitnehmern die höhere Vergütung nur vorübergehend vor. Mit zunehmendem Alter rückten die Betroffenen dann in die vorteilhaftere Position nach.405 Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 28 ff. OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 118; ähnliche Daten bei OECD, Aging and Employment Policies – United States, S. 110; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 28. 400 BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 71 f. 401 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 30; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 56; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 126 f.; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 663; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 34 f.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 115; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 294; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 19; Schmidt, KritV 2004, 249 f.; Schmidt / Senne, RdA 2002, 88; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 214. 402 Runggaldier / Kreil, RdW 2003, 394 f.; Waltermann, ZFA 2006, 321; Waltermann, NZA 2005, 1269. 403 Waltermann, ZFA 2006, 321. 404 Waltermann, NZA 2005, 1269; Waltermann, in: Rust / Lange / Pfannkuche, Altersdiskriminierung und Beschäftigung, S. 141; Waltermann, NJW 2008, 2534. 405 Waltermann, ZFA 2006, 321; Waltermann, NZA 2005, 1269. 398 399

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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Auch Runggaldier und Kreil vertreten in der österreichischen Diskussion, dass die Bevorzugung Älterer schon keine Diskriminierung darstelle, da Jüngere nach einiger Zeit auch in den Genuss dieses Vorzugs kommen.406 Die Verneinung des Benachteiligungstatbestandes vermag jedoch nicht zu überzeugen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Benachteiligung ist der Zeitpunkt der Leistungsgewährung.407 Die an das Alter anknüpfende geringere Entlohnung im Jetzt stellt daher eine weniger günstige Behandlung von jüngeren Arbeitnehmern wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG dar. Diese kann nicht durch eine in die Zukunft reichende Gesamtbetrachtung mit künftigen (ungewissen) Vorteilen aufgewogen werden.408 Dies muss umso mehr gelten, als dass nicht jeder jüngere Arbeitnehmer das Stadium des älteren Arbeitnehmers in einem Betrieb erreicht. Arbeitsplatzwechsel, Tod, Arbeitsunfähigkeit oder Entlassung des jüngeren Arbeitnehmers können das Erreichen der höheren Entgeltstufen verhindern. Weiterhin ist auch nicht auszuschließen, dass die Entlohnungsregelung selbst geändert wird, bevor der jüngere Arbeitnehmer die höheren Entgeltstufen (alle) erreichen kann.409 Vielmehr macht die demographische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Veränderungen im Bereich von Vorzügen für ältere Arbeitnehmer aufgrund eines erhöhten Kostendrucks in Zukunft eher wahrscheinlich. Schließlich hebelt die Verneinung des Benachteiligungstatbestandes aufgrund der Vornahme einer Gesamtbetrachtung über das Arbeitsleben einer Person den Schutz vor Diskriminierungen wegen des Alters in weiten Teilen aus.410 Eine günstigere Behandlung wegen des Alters zeichnet sich nun einmal dadurch aus, dass die Mitglieder der ausgenommen Altersgruppe entweder vor Erreichen des jetzigen Alters den Vorzug selbst genießen durften oder ihn bei Überschreiten des kritischen Alters potenziell erreichen werden. Auch ist es eine Frage der Betrachtungsweise, ob man in einem Senioritätslohnsystem einen mit zunehmendem Alter steigenden Lohn oder einen bei geringem Alter abgesenkten Lohn sieht. Darüber hinaus besteht selbst bei Vornahme einer Gesamtsaldierung des Lebenseinkommens411 eine Benachteiligung wegen des Alters für jüngere Arbeitnehmer im Vergleich zu demjenigen Arbeitnehmer, der erst mit fortgeschrittenem Alter zum Unternehmen stößt. Dieser wird jedenfalls bei unmittelbar altersabhängiger Vergütung ab dem ersten Tag auf höherem Niveau vergütet und wird daher am Ende seiner Tätigkeit ein höheres Einkommen pro Jahr im Unternehmen verdient haben als ein Arbeitnehmer, der jung im Unter406 Runggaldier / Kreil, RdW 2003, 394 f.; ablehnend Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 9 f. 407 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 56; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 214. 408 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 214. 409 Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 45. 410 So auch Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 9 f. 411 Kritisch zum Begriff des „Lebenseinkommens“ wegen zunehmend wechselhaften Arbeitsbiographien, Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 214.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

nehmen begonnen und dann im Verlauf seines dortigen Arbeitslebens die jeweiligen Entgeltstufen durchlaufen hat. Grund der weniger günstigen Behandlung ist auch hier das Alter der Person. Mithin liegt in den nach Lebensalter ansteigenden Lohnzahlungen eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 AGG. Berücksichtigt werden kann die Tatsache, dass auch jüngere Arbeitnehmer bei altersbezogener Entgeltstaffelung zeitlich verzögert in den Genuss der Lohnsteigerungen kommen können, aber bei der Frage der Rechtfertigung eines solchen Entlohnungssystems. Dies entspricht auch der Systematik des Verbots von Benachteiligungen wegen des Alters nach dem AGG: Dem weit gefassten und alle Altersgruppen schützenden Verbot der Benachteiligung wegen des Alters stehen zur Vermeidung häufiger Konflikte zwischen den Interessen verschiedener geschützter Gruppen der weite Rechtfertigungstatbestand des § 10 AGG gegenüber.412 Um den Diskriminierungsschutz zu seiner vollen Wirkung zu bringen, können verzögerte Vorteile oder eine positive Gesamtbetrachtung nicht den Tatbestand der Benachteiligung wegen des Alters ausschließen aber dennoch deren Rechtfertigung erleichtern. Entgeltstaffelung in Arbeitsverhältnissen oder Tätigkeitsbereichen, in denen Arbeitnehmer die höheren Lohnstufen regelmäßig erreichen, werden unter Abwägung der betroffenen Interessen eher angemessen sein. Dies wird entweder bei Entlohnungsstaffelungen der Fall sein, die nicht über sehr lange Zeiträume gestreckt sind, oder aber bei typischerweise besonders langfristig angelegten Arbeitsverhältnissen. Bei Tätigkeiten, bei denen hingegen die Fluktuation regelmäßig hoch ist, können künftige Vorteile oder eine Gesamtbetrachtung des Lebenseinkommens nicht die Angemessenheit eines Entlohnungssystems begründen. Ist der Anknüpfungspunkt von Lohnsteigerungen nicht das Alter selbst sondern die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Tätigkeit in einem Beruf oder der Zugehörigkeit zu einer Tarifgruppe, kann darin zumindest noch eine mittelbare Benachteiligung Jüngerer gemäß § 3 Abs. 2 AGG liegen, da dieses Merkmal zwar analytisch vom Lebensalter getrennt ist aber in der Regel damit korreliert.413 Soweit die Lohnsteigerung an eine Kombination aus Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft ist, liegt darin sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AGG. Zum einen knüpft die Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitnehmern an das Alter unmittelbar an: Wer das Mindestalter nicht erfüllt, erreicht die nächste Lohnstufe nicht – unabhängig davon, wie lange er bereits bei diesem Arbeitgeber in Diensten steht. Zum anderen differenziert die zusätzliche Unterscheidung nach dem Dienstalter zwischen den Arbeitnehmern innerhalb derselben Altersgruppe anhand der Frage, wie lange diese im Betrieb tätig waren. Auch innerhalb einer Altersgruppe (etwa der 55- bis 65-Jährigen) wird die längere Betriebszugehörigkeit eher bei den Swift, 35 Ind. L. J. 228, 228. Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 36; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 283, 295. 412 413

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älteren Mitgliedern anzutreffen sein. Daher wird in dieser Altersgruppe durch das Kriterium der Betriebszugehörigkeitsdauer erneut mittelbar nach dem Alter unterschieden.414 3. Rechtfertigungsmöglichkeiten von Senioritätslöhnen Nach dem Alter oder nach altersbezogenen Merkmalen gestaffelte Entgeltsysteme können nach § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG als Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile gerechtfertigt sein. Dieses Regelbeispiel benennt das legitime Ziel hinter Lohnprofilen, die nach dem Alter oder dem Dienstalter ansteigen, nicht selbst. Aus ökonomischer Sicht kommen verschiedene legitime Ziele zur Rechtfertigung derartiger Lohnprofile in Betracht. Neben der Honorierung von Berufserfahrung oder Betriebstreue können damit die Kosten von firmenspezifischem Humankapital zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt oder Anreize zu höherer Arbeitsleistung gesetzt werden. Schließlich bedienen über die Zeit ansteigende Löhne eine dahingehende Präferenz von Arbeitnehmern.415 Zusätzlich müssen diese Löhne gemäß § 10 Satz 2 AGG zur Erreichung des jeweiligen legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein.416 a) Entgeltstaffelung nach dem Lebensalter Nach allgemeiner Ansicht können unmittelbar an das Lebensalter von Arbeitnehmern anknüpfende Senioritätslöhne nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt werden.417Auch die Gesetzesbegründung zum AGG geht davon aus, dass nach dem Alter differenzierende Löhne jedenfalls schwieriger zu rechtfertigen sind.418 Die 414 a.A. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 340 (es läge nur eine unmittelbare Benachteiligung vor). 415 Zu diesen legitimen Zielen im Einzelnen sogleich im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b). 416 So auch Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 17; Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 29; ErfK-Schlachter, AGG, § 10 Rn. 3. 417 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 30; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 57 (aber mit anderer Begründung: der Gesetzgeber habe keinen ausreichenden Rechtfertigungsgrund geschaffen); Hanau, ZIP 2006, 2197; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 294 f.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 19; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 214 f.; Wulfers / Hecht, ZTR 2007, 479 f.; ebenso bereits zu Art. 6 RL: Hahn, Altersdiskriminierung, S. 126 f.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 34 f.; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 115; Schmidt, KritV 2004, 249 f.; Schmidt / Senne, RdA 2002, 88; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 263; a.A. Leuchten, NZA 2002, 1258. 418 BT-Drucks. 16 / 1780, S. 36: „Hinsichtlich des Entgelts dürfte etwa eine Anknüpfung an die Berufserfahrung eher zu rechtfertigen sein als an das bloße Lebensalter.“

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

teilweise zur Begründung von altersdifferenzierender Entlohnung angeführte Honorierung von Lebenserfahrung419 vermag die Ungleichbehandlung wegen des Alters nicht zu rechtfertigen. Dieses Kriterium ist zu vage, um ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG darzustellen.420 Das bloße Vorhandensein einer „Lebenserfahrung“ sagt nichts über deren Inhalt aus. Daher ist eine Verknüpfung mit einer beruflichen Notwendigkeit oder Qualifikation nicht zu erkennen.421 Weiterhin ist das Alter kaum geeignet, um die für eine bestimmte Tätigkeit nützliche Lebenserfahrung eines Menschen zu indizieren.422 Beruflich relevante Lebenserfahrungen hängen vielmehr mit persönlichen Eigenschaften sowie individuellen Erfahrungen, Erkenntnissen und Lernprozessen zusammen, die nicht notwendigerweise dadurch ansteigen, dass eine Person älter wird.423 Bezeichnend ist, dass in der ökonomischen Literatur fast selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass nur ein betriebliches Interesse an der Entgeltstaffelung nach der Betriebszugehörigkeit und nicht nach dem Alter besteht.424 Auch sind unmittelbar altergestaffelte Lohnprofile kein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung anderer legitimer Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Zwar könnte die Vergütung nach Altersgrenzen zur Honorierung von Berufserfahrung grundsätzlich geeignet sein, da das Lebensalter oftmals positiv mit größerer Berufserfahrung korreliert. Das unmittelbare Anknüpfen an das Alter ist hierfür aber nicht erforderlich, da das Abstellen auf die Betriebszugehörigkeitsdauer oder die Jahre der Berufserfahrung als milderes und sogar genaueres Mittel zur Verfügung steht. Gleiches gilt für in Altersintervallen steigende Löhne zur Belohnung für Betriebstreue. Dies ist jedenfalls nicht erforderlich, da der Indikator der Betriebszugehörigkeitsdauer dafür ein milderes und besser geeignetes Mittel darstellt.425 Schließlich ist bei der Frage der Angemessenheit derartiger Altersgrenzen zu beachten, dass eine unmittelbare Verknüpfung von Lebensalter und Lohnniveau ein Beschäftigungshemmnis für ältere Menschen darstellen kann, das den beschäftigungspolitischen Zielen der RL 2000 / 78 / EG, die auch die Grundlage für die verbesserte wirtschaftliche, soziale und kulturelle Teilhabe älterer Menschen sein sollen, zuwider läuft.426 Somit stellt die unmittelbar an das Alter eines Arbeitneh419 Vgl. zur dahingehenden Begründung der Senioritätslöhne in §§ 26 ff. BAT a.F., Böhm / Spiertz / Sponer / Steinherr, BAT-Kommentar, § 27 Rn. 5; Dassau / Wiesend-Rothbrust, BATKompaktkommentar, § 27, Rn. 1. 420 Hahn, Altersdiskriminierung, S. 126; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 115; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 215; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 34; Löwisch, DB 2006, 1731. 421 Schmidt, KritV 2004, 250; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 215. 422 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 295. 423 Ähnlich Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 215; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 196 f. 424 Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 76; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 76; Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264 ff., Figur 1. 425 So auch Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 116.

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mers anknüpfende Entgeltstaffelung kein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung eines legitimen Ziels dar und kann daher nicht gemäß § 10 AGG gerechtfertigt werden. Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. September 2008 stellen etwa die Lebensaltersstufen nach § 27 A. Abs. 1 BAT eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters dar. Das Gericht sah in der Vergütung nach dem Lebensalter kein verhältnismäßiges Mittel zur Honorierung von höherer Lebenserfahrung der Bediensteten, sondern sprach dem Kläger eine Vergütung nach der höchsten Altersstufe zu.427 Hanau hält dagegen eine Staffelung, die sowohl an das Dienstalter als auch an das Lebensalter anknüpft, für regelmäßig gerechtfertigt. Die Benachteiligung Jüngerer würde durch das Abstellen auf das Lebensalter eingeschränkt.428 Wie bereits gezeigt, ändert das Hinzuziehen eines neben dem Alter zusätzlichen Unterscheidungsmerkmals nichts daran, dass dadurch eine Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung erfährt, weshalb eine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG vorliegt.429 Auch wird durch die zweite Bedingung der Entgelterhöhung keine Benachteiligung desjenigen eingeschränkt, der bereits an der ersten Hürde – der Altersgrenze – gescheitert ist, weil er zu jung war. Somit bedarf auch eine Entgeltstaffelung, die neben dem Lebensalter noch weitere Anforderungen an das Erreichen der nächsten Lohnstufe knüpft, erst einmal einer Rechtfertigung für die Differenzierung unmittelbar nach dem Alter. Unmittelbar nach dem Alter gestaffelte Löhne sind aber, wie soeben gezeigt, nach § 10 AGG nicht zu rechtfertigen. b) Entgeltstaffelung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit Weniger kritisch wird in der Literatur die Staffelung des Entgelts nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers beurteilt.430 Die Rechtfertigungsfähigkeit derartiger Entlohnungssysteme hängt dabei maßgeblich von deren Ausgestaltung im Einzelfall sowie den Eigenschaften und Umständen der einzelnen erfassten Tätigkeiten ab. Es gilt daher für verschiedene, aus ökonomischer Sicht mit mittelbar an das Alter anknüpfenden Lohnprofilen verfolgte legitime Ziele im 426 427

Ausführlich zu diesen Zielen im 2. Kapitel, unter B. II. und III. LAG Berlin-Brandenburg v. 11. 9. 2008 – Az. 20 Sa 2244 / 07, n.v., Berufung zugelas-

sen. Hanau, ZIP 2006, 2197. Im Gegenteil tritt eine mittelbare Benachteiligung innerhalb der durch die Altersgrenze definierten Altersgruppe hinzu. Vgl. dazu im 7. Kapitel, unter E. II. 2. 430 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 30; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 58; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 294 f.; Hanau, ZIP 2006, 2197; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 264 f.; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 13, 17. 428 429

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Sinne von § 10 Satz 1 AGG zu beurteilen, ob Entgeltstaffelungen nach der Betriebszugehörigkeit zu deren Erreichung gemäß § 10 Satz 2 AGG geeignet, erforderlich und angemessen sind. aa) Honorierung von Berufserfahrung Mit nach der Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelten Löhnen kann das legitime Ziel der Honorierung von Berufserfahrung verfolgt werden.431 Dazu ist das Merkmal des Dienstalters jedoch lediglich bei solchen Tätigkeiten geeignet, bei denen ein Mehr an Berufserfahrung mit einer Qualifikationssteigerung und einem Produktivitätszuwachs einhergeht und auch nur solange, wie diese Steigerungen auch tatsächlich anhalten.432 So gibt es Tätigkeiten, bei denen nach einer gewissen Zeit ein Plus an Berufserfahrung keine Qualifikationssteigerung mehr zur Folge hat, während es andere Berufe gibt, in denen jeder Tag zusätzliche Erkenntnisgewinne und damit zusätzliche Qualifikationen mit sich bringt.433 Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass bei einfachen Tätigkeiten Entgeltsteigerungen nur über kürzere Zeiträume geeignet sind, die steigende Berufserfahrung zu honorieren, während bei komplizierten Tätigkeiten auch länger ausgedehnte Entgeltstufen rechtfertigungsfähig sein können.434 „Bei Personal an der Kasse eines Supermarktes können weniger Erfahrungen relevant werden als bei Verkaufspersonal in einem Fachgeschäft, und bei diesem weniger als bei Wissenschaftlern.“435 An den Nachweis der Geeignetheit durch den Arbeitgeber sind jedoch keine strengen Anforderungen zu stellen. Vielmehr kann sich der Arbeitgeber hierbei auf die vom EuGH in den Rechtssachen Danfoss und Cadman formulierte Vermutung der Geeignetheit der Entgeltstaffelung nach der Betriebszugehörigkeitsdauer zur Honorierung der Berufserfahrung berufen (im Folgenden „Cadman-Vermutung“). Das Gericht hat in diesen Entscheidungen anerkannt, „dass es ein legitimes Ziel 431 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 30; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 58; Fuchs / Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 115; Kuras, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 19; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 36; Schmidt / Senne, RdA 2002, 88; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 13; Waltermann, NZA 2005, 1268 f.; Waltermann, ZFA 2006, 321; Weber, AuR 2002, 404; Wisskirchen, DB 2006, 1497; Wulfers / Hecht, ZTR 2007, 479 f.; ähnlich BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S. 70. 432 So auch O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 50; Kocher, ARBEIT 2005, 318; Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 47; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 284, 295; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 8; Schmidt / Senne, RdA 2002, 88. 433 Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 8; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 198. 434 Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 36 f.; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 284, 295. 435 Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 47.

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der Entgeltpolitik ist, unter anderem die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.“436 Der Arbeitgeber könne das Dienstalter437 bei der Vergütung grundsätzlich berücksichtigen, „ohne dass er dessen Bedeutung für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben darlegen muss.“438 Der EuGH führt dazu aus, dass der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters regelmäßig zur Erreichung dieses Ziels geeignet sei, weil das Dienstalter mit wachsender Berufserfahrung einhergehe, und diese wiederum den Arbeitnehmer im allgemeinen befähige, seine Arbeit besser zu verrichten.439 Der Arbeitgeber müsse die Geeignetheit seines Entlohnungssystems zur Förderung der Produktivität durch Honorierung der Berufserfahrung nur dann für den Einzelfall nachweisen, „wenn der Arbeitnehmer Anhaltspunkte liefert, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass im vorliegenden Fall der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters zur Erreichung des genannten Ziels geeignet ist.“440 Sowohl in der Rechtssache Danfoss als auch in der Rechtssache Cadman befasste sich der EuGH mit der Frage, ob die Vergütung nach Dienstjahren eine mittelbare Diskriminierung von Frauen unter Verstoß gegen das Gebot der Entgeltgleichheit gemäß Art. 141 EG bzw. Richtlinie 75 / 177 / EWG darstellt. Nicht zu entscheiden hatte der EuGH die Frage, ob in der Anknüpfung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine unmittelbare Diskriminierung oder jedenfalls mittelbare Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters unter Verstoß gegen die RL 2000 / 78 / EG liegt. Jedoch kann der Maßstab dieser Rechtsprechung auf die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß Art. 6 Abs. 1 RL übertragen werden, da die Anforderungen an eine Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts und einer unmittelbaren bzw. mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters identisch sind. Sowohl in Danfoss441 als auch Cadman442 war eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt, wenn diese auf einem legitimen Ziel beruhte und zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich war.443 Dies deckt sich mit den Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 RL und § 10 Satz 1 und 2 AGG und mit Art. 2 Abs. 2 b) i) RL bzw. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG.444 Somit ist die Cadman-Vermutung auch auf die Rechtfertigung von mittel436 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 34; EuGH v. 17. 10. 1989 – Rs. 109 / 88 (Danfoss), NZA 1990, 774, Rz. 24 f. 437 Der EuGH verwendet die Bezeichnungen Dienstalter und Anciennität, wozu auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit gehört, in den Urteilen Danfoss und Cadman als Synomyme. 438 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 36. 439 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 35; EuGH v. 17. 10. 1989 – Rs. 109 / 88 (Danfoss), NZA 1990, 774, Rz. 24 f. 440 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 38. 441 EuGH v. 17. 10. 1989 – Rs. 109 / 88 (Danfoss), NZA 1990, 774, Rz. 22. 442 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 32. 443 Vgl. EuGH v. 13. 05. 1986 – Rs. 170 / 84 (Bilka), Slg. 1986, 1607 ff., Rz. 37.

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baren Benachteiligungen wegen des Alters durch nach der Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelte Entgeltsysteme anzuwenden.445 Anderer Ansicht waren hierzu noch Schmidt und Senne446 unter Berufung auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Nimz. Hier hatte der EuGH zum Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts gemäß Art. 119 EWGV (heute Art. 141 EG) durch eine an das Dienstalter anknüpfende Entgeltregelung nach § 23a BAT entschieden, dass der objektive Charakter des Dienstalters als Unterscheidungsmerkmal von allen Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon abhängt, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden verschafft.447 Entgegen der Prognose von Schmidt und Senne448 ist der EuGH aber in der Rechtssache Cadman wieder von Überprüfung der Geeignetheit der Entgeltstaffelung nach dem Dienstalters im Einzelfall abgerückt und hat seine Rechtsprechung aus der Rechtssache Danfoss ausdrücklich bestätigt.449 Die Vermutung der Geeignetheit nach der Rechtssache Cadman ist auch ökonomisch sinnvoll. Darin liegt eine Beweiserleichterung für den Arbeitgeber, die zu mehr Rechtssicherheit führt. Dies erscheint gerechtfertigt, da die Kausalitätskette zwischen der steigenden Betriebszugehörigkeitsdauer, der vermehrten Berufserfahrung und schließlich der wachsenden Produktivität eines Arbeitnehmers wirtschaftlich plausibel ist und häufig der Realität entsprechen wird. Weiterhin entspricht es dem rationalen Handeln von Unternehmen im Wettbewerb, nur bei solchen Tätigkeiten wachsende Berufserfahrungen zu belohnen, in denen diese auch tatsächlich produktivitätssteigernd wirken. Schließlich ist die Vermutungsregelung zu begrüßen, weil angesichts der Unwirksamkeit einer gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters verstoßenden Vereinbarung gemäß § 7 Abs. 2 AGG drohenden „Anpassung nach oben“450 ein erheblicher wirtAusführlich zum identischen Maßstab dieser Normen im 6. Kapitel, unter A. IV. 1. Für die Übertragbarkeit hinsichtlich der Rechtssache Danfoss Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 36; O’Cinneide, Diskriminierung aus Gründen des Alters, S. 50; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 386; dagegen aber: Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 216; für die Übertragbarkeit hinsichtliche der Rechtssache Cadman: Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Nicolai, SAE 2006, 281 f.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 8; dagegen: Zedler, NJW 2007, 49 f. 446 Schmidt / Senne, RdA 2002, 88; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 198. 447 EuGH v. 7. 2. 1991 – Rs. C-184 / 89 (Nimz), NVwZ 1991, 462, Rz. 14 f. 448 Schmidt / Senne, RdA 2002, 88; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 198. 449 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 31, 33. 450 Kamanabrou, RdA 2006, 333; Kamanabrou, ZFA 2006, 333 f.; Löwisch, DB 2006, 1731; Schleusener-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 7 Rn. 51; MüKo-Thüsing, AGG, § 7 Rn. 12, 16; Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2588; vgl. zu Art. 119 EWGV, EuGH v. 27. 6. 1990 – Rs. C-33 / 89 (Kowalska), NZA 1990, 772, Rz. 19 f.; EuGH v. 7. 2. 1991 – Rs. C-184 / 89 (Nimz), NVwZ 1991, 462, Rz. 18; so auch das BAG hinsichtlich eines Verstoßes gegen Gleichbehandlungsgebote durch Kollektivverträge, BAG v. 7. 3. 1995, NZA 1996, 52; BAG v. 24. 9. 2003, NZA 2004, 611; bei § 10 AGG angewendet in LAG Berlin-Branden444 445

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schaftlicher Schaden eintreten würde, wenn ein solcher Verstoß vorliegt. Daher würden ohne die Vermutungsregeln zahlreiche effiziente Entlohnungssysteme aus Vorsorge gegen unsichere, teure Sanktionen unterlassen.451 Im Ergebnis kann sich der Arbeitgeber mithin hinsichtlich der Geeignetheit der Entgeltstaffelung nach der Betriebszugehörigkeit auf die Cadman-Vermutung berufen und diese somit bei der Vergütung berücksichtigen, ohne dass er deren Bedeutung für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben darlegen muss, es sei denn der Arbeitnehmer liefert Anhaltspunkte für ernsthafte Zweifel an der Eignung des Kriteriums der Betriebszugehörigkeitsdauer. Nach Sprenger sollen aber Entgeltstaffelungen nach der Betriebszugehörigkeitsdauer nur in den Ausnahmefällen zur Honorierung der Berufserfahrung eines Arbeitnehmers geeignet sein, in denen Erfahrungen aus vorangegangenen Tätigkeiten ohne Einfluss auf die jetzige Produktivität sind. Sonst sei der Staffelung nach der Dauer der Berufserfahrung der Vorzug zu geben.452 Dieser Ansicht ist zuzugestehen, dass die Dauer der einschlägigen Berufserfahrung der genauere Indikator für die produktivitätssteigernde berufliche Erfahrung ist als die Dauer der Zugehörigkeit zu einem Betrieb oder Unternehmen. Jedoch wird dieser Indikator oftmals erheblich schwieriger zu überprüfen sein, als die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Was genau unter „einschlägiger Berufserfahrung“ zu verstehen ist, kann höchst unterschiedlich ausfallen. Erfahrungen, die in einem Unternehmen der gleichen Branche gesammelt wurden, können einschlägig sein. Sie können aber in der neuen Funktion auch wenig produktivitätssteigernd sein, wenn etwa vorher eine andere Tätigkeit ausgeübt wurde oder das ehemalige Unternehmen mit anderer technischer Ausstattung oder etwa abweichendem Führungsstil arbeitete. Des Weiteren kann sich die Betriebszugehörigkeitsdauer auch deshalb für den Arbeitgeber als den besseren Indikator darstellen, wenn er neben der Honorierung der Berufserfahrung noch andere legitime Ziele, wie die Belohnung der Betriebstreue oder die anteilige Kostentragung für firmenspezifisches Humankapital verfolgt.453 Derartige gemischte Ziele können nur mit dem einheitlichen Kriterium der Betriebszugehörigkeitsdauer erreicht werden. Schließlich zeigt die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Danfoss und Cadman, dass keine hohen Anforderungen an den Nachweis der Geeignetheit der Lohndifferenzierung nach dem Merkmal des Dienstalters zu stellen sind. Dem Arbeitgeber ist hinsichtlich der Eignung des verwendeten Kriterium ein gewisser Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine Lohnstaffelung nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, so ist dies ebenso wenig zu beanstanden, als burg v. 11. 9. 2008 – Az. 20 Sa 2244 / 07, n.v.; a.A. Rieble / Zedler, ZFA 2006, 291 f.; differenzierend: Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 7 Rn. 30 f. 451 Auch Rieble und Zedler warnen vor einem erheblichen „Sicherheitsabstand“, den der Arbeitgeber zur Prävention von Verstößen gegen § 7 Abs. 1 AGG einhalten würde, Rieble / Zedler, ZFA 2006, 291. 452 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 216. 453 Zu diesen Zielen sogleich im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) bb) und cc).

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

wenn er bei der Entgeltbemessung nach der Dauer der einschlägigen Berufserfahrung differenziert. Nicht erfasst von der Cadman-Vermutung ist aber die Angemessenheit des Mittels der altersbezogenen Staffelung zur Honorierung der Berufserfahrung eines Arbeitnehmers. Dies ist vielmehr anhand der konkreten Ausformung des einzelnen Entgeltsystems zu beurteilen. Dabei muss sowohl der Zeitraum, über den sich die Entgeltzahlungen erhöhen, als auch der absolute Wert der Erhöhungen in einem angemessenen Verhältnis zum Interesse des Arbeitgebers an der Honorierung der Berufserfahrung stehen. Des Weiteren ist der Inhalt der zu entlohnenden Tätigkeit von entscheidender Bedeutung. Bei höherwertigen Tätigkeiten mit kontinuierlichem Erfahrungszuwachs und damit einhergehenden Produktivitätssteigerungen ist dies Interesse von größerem Gewicht. Einfache Tätigkeiten können hingegen regelmäßig nur geringere Lohnsteigerungen mit der Honorierung der Berufserfahrung begründen oder nur Steigerungen in den ersten Berufsjahren. Schließlich ist zu beachten, dass Entgeltstaffelungen zur Honorierung der Berufserfahrung sich grundsätzlich nicht nachteilig auf die Beschäftigungssituation älterer Menschen auswirken. Hier steht dem erhöhten Entgelt auch eine durch die Berufserfahrung erhöhte Produktivität des Arbeitnehmers gegenüber, weshalb keine Fehlanreize bei der Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern zu besorgen sind.454 Mithin erhöhen sich die Anforderungen an die Angemessenheit von Entgeltstaffelungen zur Belohnung wachsender Berufserfahrung nicht wegen den Zielen der RL 2000 / 78 / EG entgegenlaufenden negativen Beschäftigungseffekten für ältere Menschen. bb) Honorierung von Betriebstreue Auch die Honorierung der Betriebstreue von Arbeitnehmern ist als legitimes Ziel einer nach Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelten Entlohnung weitgehend anerkannt.455 Dahinter steht das betriebliche Bedürfnis nach einer Förderung von 454 So auch Eichhorst, ZSR 2006, 106: „Was die Arbeitskosten angeht, so kann ein starker Anstieg der Entlohnung nach Betriebszugehörigkeit oder Lebensalter, etwa auf tariflicher Basis, die Arbeitnachfrage dämpfen, wenn dies nicht durch eine entsprechende Arbeitsproduktivität auf der Grundlage betrieblich nutzbaren Humankapitals gerechtfertigt ist. Senioritätslöhne sind jedoch betriebswirtschaftlich plausibel, wenn damit eine Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb erreicht werden kann oder die Produktivität nach längerer Betriebszugehörigkeit ein höheres Niveau erreicht.“ Ähnlich Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 37. 455 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 30; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 58; Fuchs / Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 114; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 127 f.; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 42; Löwisch, DB 2006, 1731; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 284 ff.; Schmidt / Senne, RdA 2002, 88; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 216 f.; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 17; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 29; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1241; Wulfers / Hecht, ZTR 2007, 479 f.

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stabilen Arbeitsverhältnissen, weil daraus regelmäßig verschiedentliche Nutzen gezogen werden können.456 Ansteigende Lohnprofile sind ein Anreiz für eine höhere Verweildauer im Unternehmen.457 Geringere Fluktuation von Arbeitskräften durch gesteigerte Betriebstreue erspart dem Unternehmen Kosten bei der Suche, der Einarbeitung und dem Training von Arbeitnehmern und kann auch Kosten fehlerhafter Personalauswahl senken.458 Eine gesteigerte Bindung an den Betrieb fördert die Bereitschaft von Arbeitnehmern, in betriebsspezifische Kenntnisse zu investieren.459 Auch entwickeln langfristig bei einem Unternehmen beschäftigte Personen über die eigentliche Berufserfahrung hinaus ein besonderes Verständnis für Betriebsinterna, sie fungieren als Stabilitätsfaktoren im Betrieb, sind wesentlicher Bestandteil der innerbetrieblichen Wissensweitergabe und Ermöglichen eine personelle Kontinuität gegenüber etwaigen Kunden.460 Weiterhin ermöglicht die Senkung der Fluktuation eine verbesserte betriebliche Personalplanung.461 Insgesamt kommt eine Studie der Finanz- und Personaldaten von 1000 Unternehmen durch die Beratungsfirma Hewitt Associates zu dem Ergebnis, dass, auf ein Jahr gerechnet, die Verringerung der Fluktuation wertvoller Mitarbeiter um 10% eine Steigerung des Cashflows des Unternehmens um bis zu 1,6 % ermöglicht.462 Schließlich können ansteigende Lohnprofile zu einer aus Arbeitgebersicht erstrebenswerten Selbstselektion von betriebstreuen Bewerbern für eine freie Stelle führen. Die beabsichtige Betriebstreue eines Bewerbers ist dessen private Information, die der Arbeitgeber kaum zutreffend vor der Einstellung ermitteln kann. Nach Salop und Salop werden Arbeitnehmer, die regelmäßig nicht lange in einem Betrieb verbleiben wollen, durch ansteigende Lohnprofile abgeschreckt.463 Da sie die höheren Lohnstufen bei einem schnellen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber nicht erreichen werden, sinken bereits die Anreize, 456 Vgl. BAG, Urteil v. 20. 2. 1975, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unverfallbarkeit, unter I.1.b): Das „Verbleiben des Arbeitnehmers im Betrieb ist dem Arbeitgeber geldwert, und zwar aus einer Reihe von Gründen, die sich an Überlegungen der Rentabilität, der Arbeitswissenschaft, des Betriebsklimas und der Fürsorge mit wechselndem Gewicht orientieren [ . . . ].“ 457 Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 318; Diekmann / Preisendörfer, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 62, 66 (ein durchschnittlicher Lohnzuwachs senke die Abstromrate um ca. 50%). 458 Dazu Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 80; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 58 f., 305, 318; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 285; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 1; Walther, Ökonomische Funktion der österreichischen Abfindungsregelung im Lichte von Theorie und Empirie, S. 6 ff. 459 Bookmann / Zwick, ZAF 2004, 55. 460 So auch zum österreichischen Gleichbehandlungsgesetz, Windisch-Graetz-Rebhahn, GlBG, § 20 Rn. 33. 461 Diekmann / Preisendörfer, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 48. 462 Zitiert in Hus / Batke, Den Mitarbeiter ewig binden, F.A.Z. v. 16. 6. 2007, Nr. 137, S. C1. 463 Salop / Salop, 90 Quart. J. Econ. 619, 620 f.

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sich bei dem nach Betriebszugehörigkeit gestaffelt entlohnenden Unternehmen um Einstellung zu bemühen.464 Maßstab zulässiger Entgeltdifferenzierungen zur Belohnung von Loyalität zum Betrieb oder Unternehmen ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 10 Satz 2 AGG. Zur Honorierung der Loyalität zum Betrieb oder Unternehmen ist nur die Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer im jeweiligen Betrieb oder Unternehmen geeignet. Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern müssen außer Betracht bleiben, da sonst schon kein Anreiz zur Loyalität zu einem Betrieb oder Unternehmen besteht.465 So lassen sich etwa Entgeltstaffelungen im Manteltarifvertrag des Bankgewerbes nach der Zahl der Berufsjahre in einer Bank oder einem Kreditinstitut nicht mit der Honorierung der Betriebstreue begründen.466 Aus demselben Grund sind auch tarifvertraglich geregelte Entgeltstaffelungen zur Belohnung der Betriebstreue ungeeignet, wenn ein Wechsel zwischen Arbeitgebern im Anwendungsbereich des Tarifvertrages unter Anrechnung der Beschäftigungszeiten möglich ist.467 Ein Beispiel für die fehlende Eignung von ansteigenden Lohnprofilen zur Förderung der Betriebstreue gab der EuGH in der Rechtssache Schöning-Kougebetopoulou.468 Auf Vorlage des Arbeitsgerichts Hamburg hatte der EuGH über die Vereinbarkeit der im BAT vorgesehenen Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 48 EGV (heute Art. 39 EG) zu entscheiden. Das Gericht urteilte, dass angesichts der weiten Verbreitung der Vergütung nach dem BAT die Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer keine Anreize zum Verbleib bei einem Arbeitgeber setze. Dieses System ermögliche im Gegenteil den Arbeitnehmern, für die der BAT gilt, eine beachtliche Mobilität innerhalb einer Gruppe rechtlich voneinander unabhängiger Arbeitgeber. Unter diesen Umständen sei die Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer zur Honorierung der Betriebstreue nicht geeignet.469 Rieble und Zedler formulieren darüber hinaus strenge Anforderungen für den Nachweis der Geeignetheit und Erforderlichkeit. Der Arbeitgeber müsse darlegen, dass ohne die Anreize zur Betriebstreue eine starke Fluktuation drohen würde. Auch müsse der Arbeitgeber zeigen, warum mit der Betriebszugehörigkeit anstei464 Vgl. hierzu Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 59; Brüderl, in: Köhler / Preisendörfer, Betrieblicher Arbeitsmarkt im Umbruch, S. 77. 465 So auch Rieble / Zedler, ZFA 2006, 285; ablehnend zur Rechtfertigung wegen Honorierung der „Branchentreue“, Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 52. 466 Vgl. § 8 Abs. 3 Manteltarifvertrag über das private Bankgewerbe (verfügbar unter: http: //www.keller-menz.de/pdf/MTV_Bank_03.pdf, letzter Besuch: 3. 10. 2008). 467 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 463; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn 29. 468 EuGH v. 15. 1. 1998, Rs. C-15 / 96 (Schöning-Kougebetopoulou), AP Nr. 1 zu Art. 48 EG-V, Rz. 26 f.; zustimmend Schmidt / Senne, RdA 2002, 89. 469 EuGH v. 15. 1. 1998, Rs. C-15 / 96 (Schöning-Kougebetopoulou), AP Nr. 1 zu Art. 48 EG-V, Rz. 26 f.

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gende Entgeltzahlung zur Bindung an das Unternehmen angesichts von anderen bereits vorhandenen loyalitätssteigernden Faktoren, wie Gewöhnung oder Privilegierung bei der Sozialauswahl, erforderlich seien.470 Diese Anforderungen an den Nachweis des Arbeitgebers im Einzelfall erscheinen aber zu weitgehend. Zum einen ist nicht ersichtlich, warum nur eine drohende „starke Fluktuation“ die Eignung von Anreizen zur Betriebstreue begründen kann, wenn auch schon eine geringere Fluktuation zu erheblichen Kosten führen kann. Des Weiteren schließen andere loyalitätssteigernde Mechanismen nicht die Geeignetheit oder Erforderlichkeit von weiteren Anreizen zur Betriebstreue durch ansteigende Entgeltprofile aus, wenn diese Mechanismen den Verbleib von Arbeitnehmern im Betrieb noch weiter nutzenbringend steigern. Insgesamt sollte hier eine ähnliche Vermutung der Geeignetheit greifen, wie sie der EuGH in der Rechtssache Cadman hinsichtlich der Honorierung der Berufserfahrung durch Entgeltstaffelungen aufgestellt hat.471 Für eine Übertragung der Cadman-Vermutung auf nach Betriebszugehörigkeit ansteigende Lohnprofile zur Honorierung der Betriebstreue spricht, dass der EuGH selbst in seinem Urteil die Belohnung der Berufserfahrung als ein Beispiel für ein mögliches legitimes Ziel angesehen hat.472 Darüber hinaus ist die Kausalitätskette zwischen an Betriebszugehörigkeit gekoppelter Entgeltstaffelung und gesteigerter Betriebstreue der betroffenen Arbeitnehmer und wiederum der Erreichung der mit gesteigerter Loyalität regelmäßig einhergehenden Nutzen für das Unternehmen ähnlich plausibel wie diejenige zwischen Betriebszugehörigkeitsdauer, Berufserfahrung und gesteigerter Produktivität, die der Cadman-Vermutung zugrunde liegt. Denn im Regelfall sind mit der Steigerung der Betriebstreue der Arbeitnehmer, wie gezeigt, zahlreiche Vorteile für das Unternehmen verbunden. Auch werden finanzielle Anreize in Verknüpfung mit steigender Betriebszugehörigkeit Arbeitnehmer regelmäßig motivieren, in dem Unternehmen zu bleiben. Schließlich bestehen für ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen erhebliche Anreize, höhere Entgeltzahlungen nur dann zur Förderung der Loyalität der Arbeitnehmer einzusetzen, wenn die längere Verweildauer im Unternehmen entsprechende Nutzen bringt und nicht durch bereits vorhandene Faktoren gewährleistet wird. Daher muss der Arbeitgeber auch die Geeignetheit eines nach Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelten Entgeltsystems zur Honorierung der Betriebstreue nur dann für den Einzelfall nachweisen, wenn der Arbeitnehmer Anhaltspunkte liefert, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass im vorliegenden Fall der Rückgriff auf das Kriterium der Betriebszugehörigkeit zur Erreichung des genannten Ziels geeignet ist.473 Ansonsten reicht die schlüssige DarleRieble / Zedler, ZFA 2006, 285; ähnlich Bertelsmann-Rust / Falke, AGG, § 10 Rn. 34 f. Vgl. dazu ausführlich im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) aa). 472 EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 34: „Damit hat der Gerichtshof anerkannt, dass es ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik ist, unter anderem die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 473 Vgl. EuGH v. 3. 10. 2006 – Rs. C-17 / 05 (Cadman), NJW 2007, 48, Rz. 38. 470 471

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gung eines unternehmerischen Bedürfnisses gesteigerter Betriebstreue als Nachweis der Geeignetheit derartiger Lohnstaffelungen aus. Wie auch bei der Honorierung der Berufserfahrung ist die Angemessenheit einer Entgeltstaffelung nach der Betriebszugehörigkeitsdauer anhand der betroffenen Interessen im Einzelfall zu entscheiden. Regelmäßig wird nur eine maßvolle Erhöhung des Arbeitsentgelts nach der Betriebszugehörigkeit angemessen sein.474 Jedenfalls können zur Honorierung der Betriebstreue nur geringere Lohnsteigerung über die Zeit gerechtfertigt werden, als dies bei wachsender Berufserfahrung der Fall ist. Schließlich ist die mit der steigenden Berufserfahrung einhergehende steigende Produktivität Kern des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis, während das Ausmaß der Betriebstreue lediglich der Optimierung des Leistungsaustauschs dient. Entscheidend ist bei der Angemessenheit, ob die Entgeltsteigerung noch den Charakter einer Belohnung für die Betriebstreue des Arbeitnehmers hat.475 Je mehr wirtschaftlichen Nutzen der Betriebstreue ein Arbeitgeber für seinen Betrieb aufzeigen kann, desto höhere Entgeltsteigerungen werden angemessen sein. So sind beispielsweise bei Mitarbeitern, für die hohe Einarbeitungskosten anfallen, größere Staffelungen angemessen als für Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einfacher ist. Der Vorschlag von Wiedemann und Thüsing, dass freiwillige Sozialleistungen eher mit der Betriebstreue gerechtfertigt werden können als die Staffelungen des Grundentgelts,476 ist aus ökonomischer Sicht nicht zu unterstützen. Die Anreizwirkungen einer Treueprämie auf den Arbeitnehmer hängen nicht von der Bezeichnung oder Rechtsform der Zahlung ab. Maßgeblich dafür sind eher die Höhe des Aufschlags und die Transparenz des Lohngefüges.477 Schließlich sind auch bei gestaffelten Entgeltprofilen zur Honorierung der Betriebstreue keine nachteiligen Auswirkungen auf die Beschäftigungschancen älterer Menschen zu befürchten. Der Arbeitgeber setzt gerade Anreize, um diese Arbeitnehmer zu halten und erhält ihre Betriebstreue als Gegenleistung dafür. Beschäftigungspolitische Zielsetzungen der RL 2000 / 78 / EG stehen der Angemessenheit derartiger Entlohnungssysteme daher nicht entgegen. cc) Kostenteilung für Humankapitalinvestitionen Ein weiteres legitimes Ziel von mit wachsender Betriebszugehörigkeit ansteigenden Lohnprofilen ist die Aufteilung der Kosten für firmenspezifisches Humankapital zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Empirische Studien legen nahe, dass die direkten Kosten für firmenspezifisches Humankapital zumeist 474

Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt,

S. 52. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 217. Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1242. 477 Ablehnend auch Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 33; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 217. 475 476

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von den Firmen getragen werden.478 Der in Vorleistung gegangene Arbeitgeber ist daher an einer ausreichend langen Betriebszugehörigkeit interessiert, um eine Amortisierung dieser Kosten zu ermöglichen. In dieser Situation sind Nötigungsversuche durch den Arbeitnehmer nach Abschluss des Trainings möglich. Er könnte zur Erreichung eines höheren Lohns oder anderer Vorzüge mit Verlassen des Unternehmens drohen, was die Investitionen des Arbeitgebers zunichte machen würde.479 Dies kann verhindert werden, wenn der Arbeitnehmer in der Trainingsphase einen Lohn unterhalb seines Reservationslohns akzeptiert und dadurch einen Teil der Ausbildungskosten trägt. Gleichzeitig bezahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während dieser Phase einen Lohn, der oberhalb von dessen Wertgrenzprodukt in diesem Zeitraum liegt. Die Investitionen in das firmenspezifische Humankapital lassen den Reservationslohn, den der Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber erreichen könnte, unberührt, steigern aber die Produktivität des Arbeitnehmers innerhalb des Unternehmens. Nach Abschluss des Trainings erntet der Arbeitnehmer einen Teil des Mehrwerts durch sein Humankapital, indem er oberhalb seines Reservationslohns entlohnt wird. Aber auch der Arbeitgeber profitiert in dieser zweiten Phase, weil er den Arbeitnehmer weiterhin unterhalb von dessen (nun gestiegenen) Produktivität bezahlt. Diese Art der Entlohnung fördert das Interesse des Arbeitnehmers am Verbleib im Unternehmen zur Erlangung der Humankapitalrenten in Form von einer Bezahlung oberhalb seines Reservationslohns. Eine opportunistische Kündigung durch den Arbeitgeber in der zweiten Karrierehälfte droht gleichwohl nicht, da auch dieser weiterhin von der Entlohnung unterhalb der Produktivität des Arbeitnehmers im Betrieb profitiert.480 Ansteigende Lohnprofile sind mithin geeignet, die Kosten von Investitionen in firmenspezifisches Humankapital zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer effizient aufzuteilen. Erforderlich werden derartige Lohnstaffelungen bei der Aufteilung von Humankapitalkosten regelmäßig nur sein, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die umfangreiches betriebsspezifisches Wissen erfordert. Bei einfachen Tätigkeiten können dagegen Einarbeitungsabschläge als milderes Mittel fungieren.481 Diese können zwar ebenfalls eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellen, etwa weil Berufseinsteiger in einer Branche regelmäßig jüngere Menschen sind, oder wenn die Abschläge nur für die Gruppe der Langzeitarbeitslosen Anwendung finden, in der ältere Menschen überdurchschnittlich stark vertreten sind. Jedoch beeinträchtigen zeitlich befristete Lohnabschläge während der Einarbeitungsphase regelmäßig die Interessen der Betroffenen an einer GleichbeVgl. Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 87. Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 87 f.; Vandenberghe, in: Geest, Encyclopedia of Law and Economics, S. 546 f.; zu dieser Form des hold-out Problems auch Walther, Ökonomische Funktion der österreichischen Abfindungsregelung im Lichte von Theorie und Empirie, S. 21 f. 480 Vgl. dazu ausführlich im 4. Kapitel, unter B. III. 1. a). 481 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 295. 478 479

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handlung weniger, als dies bei Lohnstaffelungen über einen erheblich längeren Zeitraum der Fall wäre. Zur Kostenteilung für Humankapitalinvestitionen bei komplexeren Tätigkeiten sind Einarbeitungsabschläge freilich kaum geeignet, da derartige Abschläge wegen des erheblicheren Investitionsvolumens nicht ausreichen würden. Die Frage der Angemessenheit der Lohnstaffelung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit hängt entscheidend davon ab, ob Staffelungszeitraum und die Höhe der Staffelung in Relation stehen mit dem Volumen der üblichen Humankapitalinvestitionen für die jeweilige Tätigkeit. Auch mit Entgeltstaffelungen zur Aufteilung von Humankapitalinvestitionen geht keine Verschlechterung der Beschäftigungschancen Älterer einher. Wie gezeigt bedürfen diese Lohnprofile aufgrund der Eigeninteressen der Betroffenen keiner externen Durchsetzung. Sie sind selfenforcing, da die Löhne hier in der zweiten Karrierehälfte zwar den Reservationslohn des Arbeitnehmers übersteigen (weshalb der Arbeitnehmer keinen Anreiz zur Kündigung hat), jedoch noch unterhalb seiner Produktivität im jetzigen Betrieb liegen (weshalb der Arbeitgeber keinen Anreiz zur Kündigung hat).482 Folglich stehen der Angemessenheit von dieser Art der Senioritätslöhne keine den Zielen der RL 2000 / 78 / EG entgegenlaufenden negativen Beschäftigungseffekte für ältere Menschen entgegen. Vielmehr fördert die effiziente Aufteilung von Humankapitalinvestitionen die lebenslange Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern als Aspekt der europäischen Beschäftigungsstrategie, indem sie Weiterbildungsmaßnahmen ermöglicht.483 dd) Anreizlöhne Ein weiteres betriebliches Bedürfnis, dass mit der Staffelung von Lohnzahlung nach der Betriebszugehörigkeitsdauer gefördert werden kann, ist das Setzen von Leistungsanreizen. Ansteigende Lohnprofile können eine Anreizfunktion haben, um die Produktivität der Arbeitnehmer zu steigern, während sie die monitoring Kosten gering halten.484 Bei solchen Anreizlohnsystemen liegt der Lohn eines Arbeitnehmers in jungen Jahren unterhalb seines Wertgrenzproduktes und bei höherem Dienstalter darüber. Damit kann der Arbeitnehmer von Drückebergerei abgehalten werden. Denn mit der Verzögerung der Belohnung geht ein Anreiz für den Arbeitnehmer einher, nicht zu bummeln, da für ihn die Konsequenz des Bummelns 482 Hinz / Abraham, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 32 ff.; Schwab, 92 Mich. L. Rev. 8, 15. 483 Auch Erwägungsgrund 7 RL 2000 / 78 / EG unterstreicht den Stellenwert der Ausbildung und Qualifikation von Arbeitnehmern im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie. Zur Anpassung der beruflichen Qualifikationen über das gesamte Erwerbsleben: Sproß / Eichhorst, Bundesarbeitsblatt 2005, 11 f. 484 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264 ff.; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 58, 319; Thüsing, RdA 2003, 261 f.

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der Verlust des Arbeitsplatzes sein kann, auf dem er mehr als seinen Reservationslohn verdient und auf dem er weitere Lohnsteigerungen zu erwarten hat. Diese Art des Leistungsanreizes erspart dem Arbeitgeber gleichzeitig die kostenträchtige Überwachung der häufig schwer messbaren Leistung des einzelnen Arbeitnehmers.485 Gegen eine Rechtfertigung von Anreizlöhnen wendet sich Voigt mit dem Einwand, dass durch eine Rechtfertigung von steigenden Lohnprofilen zur Kompensierung von geringerer Bezahlung in den ersten Berufsjahren die strukturelle Ungleichbehandlung Jüngerer gerade aufrechterhalten würde.486 Dass durch eine Rechtfertigung nach § 10 AGG eine Ungleichbehandlung aufrechterhalten wird, ist so richtig wie offensichtlich. Es ist Sinn der Norm, dass unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters zulässig sein sollen, sofern sie ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung eines legitimen Ziels darstellen. Das Setzen von Leistungsanreizen zur Steigerung der Produktivität bei gleichzeitiger Minimierung der Kosten der Leistungsüberprüfung ist ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG.487 Fraglich ist, wann das Mittel des nach Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelten Entgelts zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen ist. (1) Geeignetheit Von der grundsätzlichen Eignung der nach Betriebszugehörigkeit ansteigenden Lohnprofile zur Erreichung von höherer Produktivität eines Arbeitnehmers bei gleichzeitiger Einsparung von Leistungsüberprüfungskosten ist angesichts der wirtschaftswissenschaftlich nachgewiesenen Anreizwirkung derartiger Entgeltsysteme488 auszugehen. Im Gegensatz zur Rechtfertigung der Honorierung von Berufserfahrung ist das legitime Ziel der Setzung von Leistungsanreizen grundsätzlich geeignet, Lohnsteigerungen über die gesamte Karriere eines Arbeitnehmers zu rechtfertigen, und nicht nur solange die Produktivität des Arbeitnehmers tatsächlich ansteigt. Denn Anreizlöhne sind gerade so ausgelegt, dass sich nach einer gewissen Zeit die Bezahlung oberhalb der Produktivität des Arbeitnehmers befindet. Damit wird die Entlohnung unterhalb der Produktivität zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kompensiert. Daher können steigende Anreizlöhne sogar bei einer zum Karriereende hin sinkenden Produktivität noch geeignet sein.

485 Ausführlich zum Modell der senioritätsgebunden Anreizlöhne im 4. Kapitel, unter E. II. 2. 486 Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 30. 487 Fuchs / Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 115; zu Art. 6 Abs. 1 RL: Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1241; ähnlich bereits: Däubler, in: Däubler, Festschrift Gnade, S. 110. 488 Vgl. etwa Bellmann / Buttler, MittAB 1989, 207 f.; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 58, 319; Hellerstein / Neumark, Production Function and Wage Equation Estimation with Heterogeneous Labor, S. 1 ff.

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(2) Erforderlichkeit Fraglich ist aber, ob in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit solche zusätzlichen Leistungsanreize durch gestaffelte Entlohnung erforderlich sind. So stellt auch eine hohe Sockelarbeitslosigkeit einen Anreiz für Arbeitnehmer dar, gute Leistung zu erbringen und dadurch eine Kündigung zu vermeiden.489 Jedoch kann das Vorhandensein von Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft allein keine Aussage darüber treffen, inwieweit davon Anreize für den einzelnen Arbeitnehmer ausgehen. So kann in manchen Tätigkeitsbereichen oder Branchen trotzdem ein Fachkräftemangel herrschen. Gerade für qualifizierte Arbeitskräfte im übertariflichen Bereich, bei den ansteigende Lohnprofile besonders häufig sind, droht die Arbeitslosigkeit nur bedingt, da sie zum einen für ihr Unternehmen wichtig sind und zum anderen regelmäßig schnell neue Arbeit finden werden. In diesen Fällen ist daher eine Entlohnung nach der Betriebszugehörigkeit jedenfalls erforderlich. Schließlich ist die Versagung der Nutzung von Anreizlöhnen zugunsten von einer Anreizsetzung durch Gleichgewichtsarbeitslosigkeit volkswirtschaftlich nicht wünschenswert. Denn nur erstere Löhne setzen die effizienteren Leistungsanreize und kommen dabei ohne zusätzliche Arbeitslosigkeit aus.490 Nach Rieble und Zedler ist eine der individuellen Leistung angepasste Bezahlung ein milderes, gleichwirksames Mittel zu gestaffelten Anreizlöhnen.491 Dagegen spricht aber, dass zwar Löhne, die die individuelle Leistung eines Arbeitnehmers zugrunde legen, Leistungsanreize setzen, ohne wegen des Alters zu benachteiligen. Jedoch ist dieses Mittel wegen der teilweise erheblichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der individuellen Arbeitsleistung in zahlreichen Tätigkeitsfeldern oftmals nicht gleich wirksam. Der Sinn von Anreizlöhnen ergibt sich aber erst aus einer Kombination von Leistungssteigerungen und gleichzeitiger Reduzierung von Überwachungskosten.492 Richtigerweise scheidet aber dort, wo die Arbeitsleistung einfach messbar ist, eine Rechtfertigung von mittelbar an das Alter anknüpfenden Anreizlöhnen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG aus. Als mildere Mittel zu altersbezogenen Entgeltsystemen wären auch nach Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelte Abfindungsansprüche bzw. daran gekoppelte Betriebsrentenansprüche möglich. Richtig daran ist, dass auch mit diesen Instrumenten Leistungsanreize unter Minimierung der Überprüfungskosten gesetzt werden können.493 Jedoch beinhalten auch diese Instrumente mittelbare BenachteiVgl. hierzu Shapiro / Stiglitz, 74 Am. Econ. Rev. 433, 435 f. Dazu Shapiro / Stiglitz, 74 Am. Econ. Rev. 433, 440, 442 (Die Autoren befürworten ansteigende Lohnprofile gerade als effizientere Alternative zu den arbeitslosigkeitsfördernden Anreizsystemen.). 491 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 295. 492 Bellmann / Buttler, MittAB 1989, 207; Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 58. 493 Schrüfer, Ökonomische Analyse individueller Arbeitsverhältnisse, S. 170 ff.; vgl. etwa zu Abfindungszahlungen im österreichischen Recht, Walther, Ökonomische Funktion der 489 490

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ligungen wegen des Alters, indem sie an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen. Sie sind damit kein milderes Mittel, sondern ebenfalls nach § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG rechtfertigungspflichtig. Denkbar ist weiterhin die Erreichung des legitimen Ziels der kosteneffizienten Leistungssteigerung von Mitarbeitern durch Kautionszahlung durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses. Wird dem Arbeitnehmer wegen unzureichender Leistung gekündigt, verfällt die Kaution, und er muss bei einer Neueinstellung bei einem anderen Unternehmen erneut die Kaution leisten.494 Zum einen ist diese Art des Leistungsanreizes wegen der beschränkten Möglichkeit des Arbeitnehmers zur finanziellen Vorleistung kaum praktikabel.495 Zum anderen läge in dieser Verfahrensweise ebenfalls eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 2 AGG, da dadurch jüngere Menschen besonders nachteilig betroffen würden. Somit ist kein generell milderes Mittel zur Erreichung des legitimen Ziels von Anreizlöhnen ersichtlich. (3) Angemessenheit Jedoch wird es regelmäßig an der Angemessenheit von Lohnstaffelungen nach der Betriebszugehörigkeit zur Verstärkung von Leistungsanreizen fehlen. Zwar ist diesen Entlohnungssystemen ebenfalls zugute zu halten, dass auch jüngere Arbeitnehmer zeitlich verzögert in den Genuss der Lohnsteigerungen kommen können.496 Mit der Steigerung der Lebensproduktivität des Einzelnen durch Vermeidung von Drückebergerei geht auch oftmals eine Steigerung des Lebenseinkommens für den Arbeitnehmer einher, so dass er in einer Gesamtbetrachtung sogar von Anreizlöhnen profitieren kann. Weiterhin spricht für die Angemessenheit von senioritätsgebundenen Anreizlöhnen, dass damit eine effiziente Steigerung der Wertschöpfung des Arbeitsverhältnisses erreicht werden kann.497 In der Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall sind aber auch mit senioritätsabhängigen Anreizlöhnen verbundene faktische Nachteile für ältere Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt und finanzielle Belastungen für Unternehmen angesichts der demographischen Arbeitskräfteentwicklung zu berücksichtigen. Diese beiden Punkte wiegen umso schwerer, als dass sie den Zielen der RL 2000 / 78 / EG zur Erhöhung der Beschäftigungsquote und Teilhabe Älterer sowie der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen entgegenlaufen.

österreichischen Abfindungsregelung im Lichte von Theorie und Empirie, S. 20 ff.; zu Leistungsanreizen durch Betriebsrentenpläne, Lazear, Personnel Economics, S. 42. 494 Hierzu Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 319. 495 Franz, Arbeitsmarktökonomik, S. 319; Jolls, 74 Tex. L. Rev. 1813, 1833; Schrüfer, Ökonomische Analyse individueller Arbeitsverhältnisse, S. 170 ff. 496 Vgl. hieru im 7. Kapitel, unter E. II. 2. 497 Vgl. die dahingehende Argumentation von Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264; im 4. Kapitel, unter E. II. 2.

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Die faktische Benachteiligung Älterer und die finanziellen Belastungen von Unternehmen entstehen, wenn Senioritätslöhne mit einer Aufspaltung zwischen Produktivität und Entlohnung von Arbeitnehmern einhergehen. Dieses Problem besteht, wie gezeigt, bei ansteigenden Lohnprofilen zur Honorierung von Berufserfahrung oder Betriebstreue nicht. Denn hier steht den steigenden Lohnzahlungen an ältere Arbeitnehmer ein Gegenwert für das Unternehmen gegenüber, der sich aus der durch Berufserfahrung gesteigerten Produktivität oder durch Betriebstreue gesenkten Mobilitätskosten ergibt. Auch bei ansteigenden Lohnprofilen zur Aufteilung von Humankapitalinvestitionen existiert, wie bereits erörtert, ein Interesse des Arbeitgebers an der Fortsetzung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern, da deren Lohn unterhalb von ihrer durch das spezifische Humankapital gesteigerten Produktivität im Betrieb liegt. Im Gegensatz dazu klaffen Produktivität und Arbeitsentgelt bei gestaffelten Anreizlöhnen mit zunehmendem Alter auseinander. Während die Löhne weiter ansteigen, flacht die Produktivitätskurve zunehmend ab oder sinkt sogar teilweise gegen Ende der Karriere. Von dieser Bezahlung oberhalb der Produktivität geht ja gerade die Anreizwirkung derartiger Lohnprofile aus. Senioritätsbezogene Anreizlöhne benachteiligen älterer Menschen faktisch, indem sie ihre Beschäftigungschancen verringern.498 Einerseits setzt die Diskrepanz zwischen Produktivität und Lohnzahlung Anreize für Unternehmen, Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeitsdauer opportunistisch zu kündigen oder sie frühzeitig zu verrenten, weil diese teurer sind, als ihre Produktivität das rechtfertigt. Da lange Betriebszugehörigkeit mit höherem Alter korreliert, werden davon ältere Arbeitnehmer besonders betroffen sein. Dieses Opportunismusproblem kann zwar durch das Erfordernis der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sowie das Verbot von wegen des Alters benachteiligender Kündigungen gemäß § 7 Abs. 1 AGG reduziert werden.499 Auch wirkt die negative Reputation eines opportunistischen Arbeitgebers den Anreizen zur Entlassung entgegen. Jedoch verbleibt die Möglichkeit von Frühverrentung durch finanzielle Anreize und die bevorzugte Trennung von älteren Arbeitnehmern bei Rationalisierungsmaßnahmen.500 Schwerer wiegt noch die einstellungshemmende Wirkung von senioritätsbedingten Anreizlöhnen. Knüpft der höhere Lohn an das Alter eines Arbeitnehmers an, so wird der Arbeitgeber versuchen, einen jüngeren und damit günstigeren Arbeitnehmer einzustellen. Aber auch bei 498 So auch Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 56; Bräuninger, Deutsche Bank Research Nr. 328, 2005, 12; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 115, 153 Fn. 523; kritisch auch Rebhahn, Inwieweit dürfen Arbeitnehmer wegen des Alters bevorzugt oder benachteiligt werden?, S. 31; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 128. 499 Dazu Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 462. 500 Gerade bei Kündigungen im Rahmen von betrieblichen Rationalisierungsmaßnahmen ist arbeitgeberseitiger Opportunismus von den Arbeitnehmern nur schwierig zu entdecken, weshalb die Reputation oftmals keine wirksame Schranke darstellt. Dazu bereits im 4. Kapitel, unter E. III. 4.

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Anreizlöhnen, die an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen, sorgt der so genannte „Sperrklinken-Effekt“ für ein Einstellungshemmnis. Denn solche Lohnsysteme erhöhen die Anspruchslöhne501 älterer Arbeitnehmer.502 Bei einem Arbeitsplatzwechsel wird sich ein bisher über seiner Produktivität bezahlter Arbeitnehmer oftmals nicht mit einer geringeren Bezahlung am neuen Arbeitsplatz zufrieden geben, selbst wenn dieser seiner Produktivität entspricht.503 Neben den hohen Reservationslöhnen wirkt beschäftigungshemmend für ältere Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber in einem Betrieb mit Senioritätsentlohnung teilweise zur Konfliktvermeidung bei der Einordnung in das betriebliche Lohngefüge einem neu eingestellten älteren Arbeitnehmer einen höheren Lohn bezahlen „muss“, als er einem jüngeren Bewerber bezahlen würde.504 Diese mit senioritätsgebundenen Anreizlöhnen verbundene Verringerung der Beschäftigungschancen älterer Menschen steht im starken Kontrast zu den Zielen der RL 2000 / 78 / EG. Danach soll die Beschäftigungsquote Älterer gerade gesteigert werden und damit die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Teilhabe dieser Menschen gefördert werden. Zweitens sprechen finanzielle Belastungen für Unternehmen im Zusammenhang mit senioritätsgebundenen Anreizlöhnen in Anbetracht des demographischen Wandels gegen die Angemessenheit dieser Entlohnungssysteme. Im Zuge der demographischen Veränderungen altert auch die Arbeitsbevölkerung in Deutschland.505 Senioritätsabhängige Anreizentlohnungssysteme sind aufgrund der Diskrepanz zwischen Produktivität und Lohnzahlung regelmäßig nicht demographiefest. Für die Betriebe bedeutet diese Art der Senioritätsentlohnung ein implizites Umlageverfahren, da für die aufgeschobenen Entgeltbestandteile im Allgemeinen keine vollständige Kapitaldeckung vorgehalten wird. Dieses Umlageverfahren gerät, ähnlich wie die umlagefinanzierten Sozialversicherungen, unter demographischen Druck, wenn sich die Relation von oberhalb ihrer Produktivität entlohnten älteren Beschäftigten zu den unterhalb ihrer Produktivität entlohnten jüngeren Beschäftigten verschlechtert.506 Denn wenn der Anteil der oberhalb ihrer Produktivität ent501 Der Anspruchslohn oder auch Reservationslohn ist der Lohn, zu dem eine Person bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen. Er bestimmt sich vornehmlich durch persönliche Charakteristika, alternativ zur Verfügung stehende Einkommensquellen (z. B. aus anderer Erwerbsarbeit oder aus Lohnersatzleistungen) und die Arbeitsmarktlage. Vgl. Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2. 502 Christensen, Die Lohnansprüche deutscher Arbeitsloser, S. 53. 503 Eichhorst, ZSR 2006, 109; zum Problem der hohen Reservationslöhne Älterer auch Dietz / Gartner / Koch / Walwei, IAB Kurzbericht Nr. 18, 2006, 2 f.; Thüsing, Gutachten, BTDrucks. 16(11)576, S. 2; Walwei, in: Sproß, Beschäftigungsförderung älterer Arbeitnehmer in Europa, S. 24. Nur 19 % der Arbeitslosen würden einen geringeres Einkommen inkauf nehmen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen. 55 % wären ungern und 26% auf keinen Fall einer solchen Konzession bereit. Vgl. Brixy / Christensen, IAB Kurzbericht Nr. 25, 2002, 1, Abbildung 1. 504 Eichhorst, ZSR 2006, 109. 505 Vgl. dazu ausführlich im 3. Kapitel, unter D.

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lohnten älteren Arbeitnehmer in einer Belegschaft im Vergleich zum Anteil der unterhalb ihrer Produktivität entlohnten jüngeren Arbeitnehmer wächst (was angesichts der demographischen Entwicklung immer häufiger vorkommen wird), ergeben sich Finanzierungslücken im Unternehmen, auch wenn sich theoretisch über das Arbeitsleben eines Arbeitnehmers die gesamte Lohnzahlung und Produktivität die Waage halten. Demographie-unsichere Entlohnungssysteme bedeuten aber eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen entgegen der wirtschaftlichen Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG. Diese sollten daher nicht nach § 10 AGG rechtfertigungsfähig sein. Weiterhin setzt der demographische Druck auf die betriebsinterne Entlohnungsumlage den beschäftigungspolitischen Zielen der RL 2000 / 78 / EG entgegenlaufende Anreize. Unternehmen werden auch aus diesem Grund versuchen, zur Ausbalancierung ihrer Anreizentlohnung ihre Personalstruktur zu verjüngen, indem sie sich bevorzugt von älteren Arbeitnehmern durch Entlassung oder Frühverrentung trennen bzw. bei Einstellung eher auf jüngere Arbeitskräfte zurückgreifen. Schließlich macht die Diskrepanz zwischen Lohnzahlung und Produktivität mit zunehmendem (Dienst-)Alter auch andere Ungleichbehandlungen wegen des Alters erst notwendig. So bedarf es bei einer derartigen altersgestaffelten Bezahlung regelmäßig Pensionsgrenzen, um die Bezahlung oberhalb der Produktivität zu beenden.507 Auch wird ein erhöhtes Schutzniveau Älterer bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, durch längere Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB und durch tarifvertraglichen besonderen Kündigungsschutz oftmals mit einem Bedürfnis nach Schutz vor opportunistischen Kündigungen und angesichts schlechterer Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer begründet.508 Somit droht bei der Rechtfertigung von senioritätsgebundenen Anreizlöhnen nach § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG die Förderung eines nach dem Alter diskriminierenden Gleichgewichts, das den Zielen der RL 2000 / 78 / EG widerspricht. Gerade tariflich vereinbarte senioritätsgebundene Anreizlöhne werden daher selten angemessen sein. Zum einen sorgen sie für eine breiter angelegte Verschlechterung der Beschäftigungschancen älterer Menschen. Zum anderen nehmen derartige Regelungen regelmäßig keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Einzelbetriebs angesichts der demographischen Entwicklung seiner Arbeitskräfte. Auch die Europäische Kommission appellierte in ihrer Mitteilung zur Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte an die Sozialpartner, etwaige Koppelungen des Dienstalters an die Entlohnung in Tarifverträgen zu überprüfen, mit dem Ziel den Lohn an die Produktivität anzunähern.509 Aber auch übertarifliche Anreizlöhne, 506 Arnds / Bonin, Arbeitsmarkteffekte und finanzpolitische Folgen der demographischen Alterung in Deutschland, S. 18 f.; Engelhardt / Prskawetz, in: Abraham / Hinz, Arbeitsmarktsoziologie, S. 342 f.; Jackson, The Political Economy of Population Ageing, S. 102 ff. 507 Vgl. dazu im 4. Kapitel, unter E. III. 1. und sogleich im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) ee). 508 Etwa Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 372 f. 509 Mitteilung der Kommission, KOM(2004)146 endg., S. 4. So auch die dringende Empfehlung in Funk / Klös / Seyda / Birk / Waas, Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer,

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die an die Betriebszugehörigkeitsdauer anknüpfen, werden wegen der damit verbundenen negativen Folgen für die Beschäftigungssituation älterer Menschen und die Demographiefestigkeit des betrieblichen Lohngefüges nur selten angemessen sein. Zwar bestehen hinsichtlich der finanziellen Belastungen durch die Anreizlöhne in Verbindung mit der Alterung der Belegschaft auch ökonomische Anreize, von einer derartigen Senioritätsentlohnung abzugehen. Jedoch erscheint eine gesetzgeberische Intervention in Form eines Verbots solcher Löhne als ungerechtfertigte Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters nach § 7 Abs. 1 AGG sinnvoll. Denn jedenfalls die Verschlechterung der Beschäftigungschancen Älterer stellt für die unternehmerische Entscheidung eine Externalität dar. Des Weiteren werden Arbeitgeber auch nicht die vollen Kosten von Anreizlöhnen im demographischen Wandel in ihre Entscheidung mit einbeziehen, solange sich durch Frühverrentung oder Entlassung noch die Möglichkeit zur opportunistischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbleibt und ein verfrühtes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben in Teilen durch die gesetzliche Rentenversicherung finanziert wird. (4) Zusammenfassung Im Ergebnis sind Senioritätslöhne zwar ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Setzung von Leistungsanreizen für Arbeitnehmer. Angesichts ihrer negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation älterer Menschen und der finanziellen Belastung von Unternehmen im demographischen Wandel sind derartige Entgeltsysteme aber nur in Ausnahmefällen angemessen zur Erreichung dieses Ziels. Sowohl Tarifvertragsparteien als auch einzelne Arbeitgeber müssen diese Entlohnungspraxis überdenken, um Sanktionen nach dem AGG zu vermeiden. Diese könnten empfindlich ausfallen, wenn Gerichte infolge der Unwirksamkeit einer Senioritätslohnvereinbarung die Anpassung der Löhne benachteiligter jüngerer Arbeitnehmer an die höheren Löhne älterer Kollegen anordnen sollten.510

S. 24. Ähnlich die Forderung der OECD: OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 117 f.; Enzenhofer / Muralter / Rapa / Simbürger / Steiner, Erwerbsrealität von älteren ArbeitnehmerInnen: Chancen und Barrieren, S. 57 f. 510 Diese „Anpassung nach oben“ ist freilich umstritten. Bejahend: Kamanabrou, RdA 2006, 333; Kamanabrou, ZFA 2006, 333 f.; Löwisch, DB 2006, 1731; Schleusener-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 7 Rn. 51; MüKo-Thüsing, AGG, § 7 Rn. 12, 16; Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2588; vgl. zu Art. 119 EWGV, EuGH v. 27. 6. 1990 – Rs. C-33 / 89 (Kowalska), NZA 1990, 772, Rz. 19 f.; EuGH v. 7. 2. 1991 – Rs. C-184 / 89 (Nimz), NVwZ 1991, 462, Rz. 18; so auch das BAG hinsichtlich eines Verstoßes gegen Gleichbehandlungsgebote durch Kollektivverträge, BAG v. 7. 3. 1995, NZA 1996, 52; BAG v. 24. 9. 2003, NZA 2004, 611; ablehnend: Rieble / Zedler, ZFA 2006, 291 f.; differenzierend: Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 7 Rn. 30 f.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

ee) Exkurs: Altersgrenzen bei der Begründung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen wegen erhöhter Kosten im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern Personalverantwortliche begründen ihre Zurückhaltung hinsichtlich der Beschäftigung älterer Menschen oftmals mit den damit verbundenen höheren Kosten. Insbesondere Lohnkosten, Lohnnebenkosten und Kosten erhöhter Regulierung werden ins Feld geführt.511 Stellt der Arbeitgeber bei der Unterscheidung auf die erhöhten Kosten selbst ab, kann darin nur eine mittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG liegen, wenn diese typischerweise mit zunehmendem Alter ansteigen. Differenziert er jedoch nach dem Lebensalter, weil er damit eine unterschiedliche Kostenintensität verbindet, so liegt eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG vor. Inwieweit das Kostenargument als Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen bei der Begründung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen gemäß § 10 AGG herangezogen werden kann, ist differenziert zu betrachten. Grundsätzlich ist die Einsparung von Personalkosten ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG.512 Der Arbeitgeber muss weiterhin für die Geeignetheit der Ungleichbehandlung nachweisen, dass das Alter als Indikator mit höheren Kosten korreliert. Dies wird ihm oftmals gelingen, wenn er auf Senioritätsentlohnung, höheren krankheitsbedingten Arbeitsausfall oder sonstige kostenintensive gesetzliche oder untergesetzliche Privilegien älterer Menschen im Arbeitsverhältnis verweisen kann. Die Erforderlichkeit und Angemessenheit im Einzelfall ist aber fraglich. (1) Erhöhte Lohnkosten wegen senioritätsgebundener Anreizlöhne Parallel zur Argumentation von Lazear und Issacharoff für die Problematik des Verbots des mandatory retirement unter dem U.S.-amerikanischen ADEA könnten auch deutsche Arbeitgeber Pensionsgrenzen festlegen, um einen Endpunkt der senioritätsgebundenen Anreizentlohnung eines Arbeitnehmers festzusetzen. Denn die Tatsache, dass bei senioritätsgebundenen Anreizlöhnen in der zweiten Hälfte der Karriere eines Arbeitnehmers ein Lohn über dessen Wertgrenzprodukt gezahlt wird, impliziert, dass es einen Zeitpunkt geben wird, ab dem der Arbeitgeber nicht mehr willens ist, diesen Lohn zu bezahlen. Dieser Endpunkt ist auch der Zeitpunkt, an dem die Senioritätslohnvereinbarung ihr Gleichgewicht erreicht: der Wert des Lebenswertgrenzproduktes des Arbeitnehmers ist gleich dem Wert der Lebenslohnzahlung.513 Vgl. dazu die Studien im 3. Kapitel, unter C. IV. 2, E. II. So im österreichischen Recht auch Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 55. A.A. die Vertreter die Kostenargumente im Rahmen der Rechtfertigung von Altersdiskriminierungen insgesamt ablehnen: Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 8 Rn. 4; Hahn, Altersdiskriminierung, S. 94. 513 Lazear, 87 J. Pol. Econ. 1261, 1264 f.; Issacharoff / Harris, 72 N.Y.U. L. Rev. 780, 788; vgl. bereits im 4. Kapitel, unter E. III. 1. 511 512

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Auch in der englischen Diskussion um die Umsetzung der RL 2000 / 78 / EG betont Hepple, dass Pensionsgrenzen die Implementierung von senioritätsgebundenen Anreizlohnsystemen unterstützen können.514 Er argumentiert, dass eine vertraglich vereinbarte Altersgrenze ab dem Zeitpunkt, an dem der Betroffene eine Rente wegen Alters beantragen kann, eine verhältnismäßige Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 6 RL sei. Altersgrenzen, die nicht an den Zeitpunkt des Rentenanspruchs geknüpft seien, müsse der Arbeitgeber hingegen im Einzelfall durch ein legitimes Ziel rechtfertigen, zu dessen Erreichung die Ungleichbehandlung erforderlich und angemessen ist.515 Auch Schlachter befürwortet eine Rechtfertigung von Pensionsgrenzen im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG bei Erreichen des Rentenalters als „Preis für die Kombination aus besonderem Kündigungsschutz und besonderen Einkommenszuschlägen im Alter.“ Dies sei erforderlich zur Erhaltung des „Gleichgewicht[s] im System der industriellen Beziehungen.“ Unternehmen könnten die Kosten von nach Seniorität gestaffelten Anreizlöhnen nur kalkulieren, wenn das Ende der dadurch verursachten Zusatzbelastungen berechenbar sei.516 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Die Beendigung stetig wachsender Lohnzahlungen bei gleich bleibender oder sogar sinkender Produktivität stellt ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG dar. Jedoch ist auch hier im Rahmen der Frage der Angemessenheit einer Pensionierung zur Erreichung der Deckelung der Personalkosten zu beachten, inwieweit die Senioritätsentlohnung selbst wegen ihrer Beschäftigungsfeindlichkeit für ältere Menschen nicht gerechtfertigt ist. Denn eine Pensionsgrenze zur Ermöglichung von Senioritätslöhnen durch die Beendigung der Entlohnung oberhalb der Produktivität kann kein angemessenes Mittel im Sinne von § 10 Satz 2 AGG sein, wenn bereits ein derartiges Lohnprofil eine ungerechtfertigte Benachteiligung nach dem AGG darstellt. Wie gezeigt, ist unter den verschieden begründeten altersgestaffelten Lohnprofilen einzig die senioritätsgebundene Anreizentlohnung wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungschancen Älterer eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters. Grund dafür ist, dass die beschäftigungshemmende Wirkung der Diskrepanz zwischen Lohn und Produktivität infolge derartiger Entgeltstaffelungen sowie das damit verbunden demographische Risiko für Unternehmen den Zielen der RL 2000 / 78 / EG entgegen laufen. In Pensionsgrenzen zur Beendigung der Entlohnung oberhalb der Produktivität verwirklicht sich gerade der beschäftigungshemmende Effekt für ältere Menschen, der in der Anreizentlohnung angelegt ist. Des Weiteren kann durch die Versagung einer Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen erhöhter Lohnkosten ein Anreiz für den Arbeitgeber gesetzt werden, künftig von vertraglich vereinbarten Senioritätslöhnen in Form von Anreizlöhnen abzusehen. Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 91 f. Hepple, in: Fredman / Spencer, Age as an Equality Issue, S. 93. 516 Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 372 f.; zustimmend Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 318 f. 514 515

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Auch Schlachter gibt zu denken, dass das „Gleichgewicht im System der industriellen Beziehungen“ durch das Verbot einer Pensionsgrenze als Endpunkt von Privilegien für ältere Arbeitnehmer nicht zerstört, sondern nur verschoben wird: „Wird die kalkulierbare Altersgrenze aufgegeben, würde dies durch Senkung des Niveaus der Senioritätsrechte kompensiert.“517 Dies ist in der Tat die zu erwartende Folge des Verbots und gleichzeitig auch die durch die RL 2000 / 78 / EG beabsichtigte Folge. Es ist die Verschiebung hin von einem Gleichgewicht aus Privilegien und Benachteiligungen wegen des Alters zu einem nicht diskriminierenden Gleichgewicht. Darüber hinaus wäre dieses neue Gleichgewicht auch weniger anfällig hinsichtlich demographischer Verschiebungen der Altersstruktur von Belegschaften. Das „Gleichgewicht im System der industriellen Beziehungen“ nach Schlachters Verständnis ist eigentlich ein Teufelskreis aus Regulierungen des Arbeitsverhältnisses, in dem eine Ungleichbehandlung wegen des Alters die nächste Ungleichbehandlung erfordert:518 Jüngere Arbeitnehmer werden diskriminierend von Einkommenszuschlägen oder ähnlichen Vergünstigungen ausgenommen. Dies benachteiligt faktisch auch Ältere, da deren Arbeitsmarktchancen verringert werden. Dem wird regulierend durch gesteigerten Kündigungsschutz begegnet, was wiederum Jüngere nachteilig treffen kann und was im Hinblick auf Ältere eine fest kalkulierbare Altersgrenze zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen erforderlich macht. Dieser Teufelskreis der sich gegenseitig bedingenden Benachteiligungen wegen des Alters soll nach der Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG durchbrochen werden. Durch die Verhinderung einer Diskrepanz zwischen Lohn und Arbeitsleistung kann ein Gleichgewicht erreicht werden, in dem Unterscheidungen wegen des Alters eine erheblich geringere Rolle spielen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Pensionsgrenzen zur Ermöglichung von Senioritätslöhnen, die die Aufspaltung von Lohn und Produktivität als Anreizmechanismus für Leistungen des Arbeitnehmers benutzen, nicht gemäß § 10 AGG gerechtfertigt werden können, um Arbeitgeber zur Vermeidung derartiger Lohnprofile anzuhalten. Diese Versagung der Rechtfertigung gilt daher nur für die individualvertraglich vereinbarten senioritätsgebundenen Anreizlöhne. Im Falle der selteneren519 tarifvertraglichen Senioritätslöhne bleibt die Möglichkeit der Rechtfertigung von Altersgrenzen zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber bestehen. Diese tarifvertraglichen Regelungen sind durch den einzelnen Arbeitgeber nicht abänderbar und stellen aus seiner Sicht eine Regulierung des Arbeitsverhältnisses dar.520 Einen Anreiz zu deren Vermeidung durch Versagung der Rechtfertigung von Pensionsgrenzen liefe in diesen Fällen ins Leere. Schlachter, in: Richardi / Reichold, Festschrift Blomeyer, S. 373. Vgl. Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301: „Der Schutz älterer Arbeitnehmer macht den Schutz älterer Arbeitnehmer erst erforderlich.“ Auch Senne spricht sich für eine Durchbrechung des Teufelskreis aus Seniotitätsrechten und Pensionsgrenzen aus. Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 318 f. 519 Ausführlich zur Verbreitung von Senioritätslöhnen in Deutschland im 7. Kapitel, unter E. II. 1. 517 518

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Parallel zur Rechtfertigungsmöglichkeit von Ungleichbehandlungen wegen erhöhter Lohnkosten läuft die Frage der Rechtfertigung aufgrund höherer Lohnnebenkosten in Form von arbeitgeberseitigen Sozialversicherungsbeiträgen für ältere Arbeitnehmer. Da diese Beiträge in ihrer Höhe prozentual an den Bruttolohn gekoppelt sind, führt die Vereinbarung von Senioritätslöhnen mittelbar auch zu einer Steigerung dieser Lohnnebenkosten. Es kann mithin nichts anderes gelten als bei den Lohnkosten selbst. Auch hier wirkt die Versagung der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung als Anreiz, beschäftigungsfeindliche Senioritätslöhne, die zu einer Diskrepanz von Lohn und Produktivität führen, zu vermeiden, soweit sie der Arbeitgeber individualvertraglich abändern kann. Im Bereich tarifvertraglicher Senioritätslöhne, die den einzelnen Arbeitgeber rechtlich binden, kann sich der Arbeitgeber auch auf gesteigerte Lohnnebenkosten zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters berufen. (2) Erhöhte Kosten wegen sonstiger Senioritätsprivilegien Ebenfalls unter Berücksichtigung des Einzelfalls muss beantwortet werden, inwieweit Kosten erhöhter Regulierung zugunsten älterer Menschen als Rechtfertigung gemäß § 10 AGG herangezogen werden können. Hier ist zu beachten, dass gemäß § 8 Abs. 2 AGG eine Differenzierung bei der Vergütung in Reaktion auf wegen des Alters geltender Schutzvorschriften ausgeschlossen ist. Eine Berücksichtigung von Kosten im Zusammenhang mit Schutzvorschriften bei Differenzierungen hinsichtlich anderer Arbeitsbedingungen oder der Entscheidung über die Begründung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bleibt davon unberührt. Hier richtet sich die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung allein nach § 10 AGG. Weiterhin ist § 8 Abs. 2 AGG nur im Falle von „besonderen Schutzvorschriften“ wegen des Alters anwendbar, was für § 622 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 3 KSchG und §§ 9, 10 Abs. 2 KSchG zu bejahen ist, jedoch bei allgemeinen Arbeitnehmerschutzvorschriften nach dem EFZG, BUrlG und ArbZG sowie bei tarifvertraglichen Senioritätsrechten nicht der Fall ist.521 Im Rahmen einer Rechtfertigung von Differenzierungen nach dem Alter gemäß § 10 AGG sind wirtschaftliche Aspekte wie Kosten – auch solche infolge von Schutzbestimmungen – in die Abwägung der betroffenen Interessen einzubeziehen. Hinter der Berücksichtigung regulierungsbedingter Mehrkosten durch den Arbeitgeber steht das legitime Ziel der Reduzierung von Personalkosten.522 520 Ähnlich Thüsing, ZFA 2006, 246; a. A. ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 629: Auch der einzelne Arbeitgeber habe die Kosten infolge tarifliche Senioritätsregelung, die durch seine kollektiven Interessensvertreter beschlossen werden, „selbst verursacht“, weshalb er sich zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nicht darauf berufen könne. 521 Vgl. ausführlich zur Auslegung von § 8 Abs. 2 AGG im 6. Kapitel, unter B. II. 5. 522 So auch im österreichischen Recht, Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 55; a. A.: Windisch-Graetz-Rebhahn, GlBG, § 20 Rn. 26.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

Eine nachteilige Behandlung eines Arbeitnehmers wegen des Alters, beispielsweise die Verweigerung von dessen Einstellung ab einem bestimmten Alter, ist jedoch nur dann geeignet zur Reduzierung von Personalkosten, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, welche regulierungsbedingten Mehrkosten mit der Einstellung eines Arbeitnehmers dieser Altersgruppe verbunden sind. Die pauschale Behauptung von mit dem Alter ansteigenden Kosten ist unzureichend. Vielmehr muss der Arbeitgeber benennen, aus welchem Grund oder aufgrund welcher gesetzlichen oder untergesetzlichen Privilegierung mit derartigen Zusatzkosten zu rechnen ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Kosten im Zusammenhang mit privilegierenden Vorschriften für Ältere auch tatsächlich im Falle des infrage stehenden Arbeitnehmers eintreten werden. Da für einen Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen auch erwartete Kosten von Regulierung bei der Einstellungsentscheidung maßgeblich sind, sind auch diese im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigen. Dann muss der Arbeitgeber nachweisen, mit welcher Wahrscheinlichkeit mit regulierungsbedingten Zusatzkosten zu rechnen ist und wie hoch diese ausfallen werden. Dazu kann er insbesondere Erfahrungswerte aus der bisherigen betrieblichen Praxis als Nachweis heranziehen. Beispielsweise könnte sich ein Arbeitgeber auf einen nachweislich höheren Krankheitsstand älterer Menschen in seinem Betrieb523 und damit verbundenen erhöhten Kosten der Lohnfortzahlung gemäß § 3 EFZG berufen. Weiterhin könnte der Arbeitgeber Zusatzkosten in Bezug auf ältere Arbeitnehmer aufgrund von tariflichen Senioritätsprivilegien, wie verlängertem Urlaub, Verdienstsicherung oder dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit, als Unterscheidungsgrund geltend machen. Dafür muss er zeigen, dass er an derartige tarifliche Regelungen gebunden ist und der infrage stehende Bewerber unter diese Bestimmungen fällt oder zeitnah fallen wird. Darüber hinaus könnte ein Arbeitgeber vorbringen, die nach der Betriebszugehörigkeitsdauer ansteigenden Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB würden die Beschäftigung älterer Menschen verteuern, da er diese Arbeitsverhältnisse weniger flexibel beenden könne. Auch die Berücksichtigung von Alter und Betriebszugehörigkeitsdauer bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG kann Kosten verursachen, weil es den Arbeitgeber mitunter daran hindern kann, sich im Falle von betrieblichen Kündigungen von den am wenigsten profitablen Arbeitnehmern zu trennen. Des Weiteren könnte der Arbeitgeber Mehrkosten im Zusammenhang mit der Beschäftigung älterer Menschen durch altersgestaffelte Abfindungen gemäß §§ 9, 10 Abs. 2 KSchG anführen. In diesen an eine Kündigung anknüpfenden Fällen muss der Arbeitgeber auch darlegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei einem Arbeitnehmer eine Kündigung mit den Folgen des § 622 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 3 KSchG bzw. §§ 9, 10 Abs. 2 KSchG zu erwarten ist und wie hoch die damit verbundenen unternehmerischen Kosten erwartungsgemäß sind. 523 Vgl. zur höheren Anzahl der Krankheitstage bei zunehmendem Alter im 4. Kapitel, unter B. IV. 1. c).

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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Weist der Arbeitgeber die höheren Kosten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung Älterer nach, muss er weiterhin darlegen, dass ihm kein milderes, gleich wirksames Mittel zur Einsparung von Personalkosten zur Verfügung steht. Für den Fall der Mehrkosten in Verbindung mit einem statistisch höheren Krankenstand Älterer im Betrieb, muss er insbesondere darlegen, dass die Krankheitswahrscheinlichkeit nicht oder nur zu erheblichen Kosten durch ärztliche Untersuchung ermittelt werden könnte. Milder als eine verweigerte Einstellung wäre auch die Versagung tariflicher Senioritätsrechte. Die Änderung dieser tariflichen Verpflichtung steht dem einzelnen Arbeitgeber jedoch nicht offen. Schließlich kommt eine Einstellung zu geringerem Lohn als milderes Mittel zu einer Versagung der Einstellung regelmäßig nicht in Betracht, soweit § 8 Abs. 2 AGG die Berücksichtigung von Mehrkosten im Zusammenhang mit Schutzvorschriften zugunsten älterer Menschen bei der Vergütung verbietet. Schwierig ist die Abwägung der betroffenen Interessen im Rahmen der Angemessenheit der Ungleichbehandlung zur Erreichung geringerer Personalkosten. Dabei sind insbesondere die Höhe der Kostenersparnis und die Bedeutung der Personalkosten für das Unternehmen zu berücksichtigen.524 Angesichts des großen Interesses des Arbeitnehmers an einer Gleichbehandlung bei Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen erhebliche Kostenersparnisse vorgetragen werden. Daher ist es kaum denkbar, dass die Mehrkosten eines einzelnen Arbeitnehmers derart groß sind, dass seine Einstellung aufgrund dieser altersbedingten Kosten verweigert oder seine Pensionierung aus diesen Gründen betrieben werden dürfte. Größeres Gewicht kann das Argument höherer Personalkosten im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern aber im Falle der Begründung oder Beendigung einer größeren Anzahl von Arbeitsverhältnissen unter dem Stichwort der ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft haben. Denn verändert sich die Altersstruktur eines Unternehmens bei derartigen Personalmaßnahmen hat dies auch aufgrund altersbedingt höherer Personalkosten einen negativen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters kommt aber auch dann nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber nachweist, inwieweit ein Abweichen von der Altersstruktur mit zusätzlichen Kosten oder anderen wirtschaftlichen Nachteilen einhergeht.525

524 So auch Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 55. 525 Vgl. hierzu auch ArbG Osnabrück v. 5. 2. 2007, NZA 2007, 629. (Im Fall ging es um die betriebsbedingte Entlassung von 619 aus 5.331 Arbeitnehmern. Das Gericht verneinte die Rechtfertigung einer Staffelung der Kündigungen nach Altersgruppen im Sozialplan zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur, weil der Arbeitgeber keine Gründe vorgetragen hatte, nach denen eine „ältere“ Alterstruktur der Belegschaft mit erhöhten Kosten einhergehen würde (vgl. Rz. 53)).

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

ff) Arbeitnehmerpräferenz für über die Zeit ansteigende Löhne Schließlich könnten nach der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Löhne nach § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG gerechtfertigt sein, wenn damit einer Erwartungshaltung innerhalb der Belegschaft nach über die Zeit ansteigender Entlohnung entsprochen werden soll.526 Dieser Ansatz greift auf die bereits beschriebenen Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaften zurück, dass Arbeitnehmer eine psychologische Präferenz für über die Karriere stetig wachsende Lohnzahlungen haben, selbst wenn der Gegenwartswert dieser Lohnzahlungen gleich oder etwas geringer wäre als bei einem statischen Lohnsystem.527 Aus Sicht des Arbeitgebers kann es sinnvoll sein, dieser verbreiteten Vorliebe von Arbeitnehmern durch senioritätsgestaffelte Löhne nachzukommen. So kann er bei gleichem Einsatz von finanziellen Mitteln einen höheren Nutzen bei seinen Arbeitnehmern stiften, was regelmäßig eine höhere Leistung der Arbeitnehmer zur Folge hat. Andererseits können gestaffelte, niedrigere Löhne angesichts der Präferenz den gleichen Arbeitnehmernutzen bringen wie statische, höhere Löhne. Die Umstellung des Entlohnungssystems bedeutet für den Arbeitgeber somit ein Kostenersparnis. Jedoch führen nach der Betriebszugehörigkeitsdauer ansteigenden Lohnprofile auch in diesem Fall zu einer Abkoppelung von Löhnen und Produktivität. Denn derartige Lohnstaffelungen sind nur finanzierbar, wenn damit zunächst eine Entlohnung unterhalb der Produktivität einhergeht, die dann im Verlauf der Karriere den Wert der Produktivität erreicht und schließlich diesen in der zweiten Karrierehälfte überschreitet. Angesichts der negative Folgen dieser Diskrepanz zwischen Lohn und Produktivität für die Beschäftigungschancen Älterer und die Demographiefestigkeit des Lohnsystems und damit die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist auch diese Form der Senioritätsentlohnung nicht angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

4. Zusammenfassung Ungleichbehandlungen wegen des Alters durch nach Betriebszugehörigkeitsdauer gestaffelte Lohnprofile können gemäß § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG zur Honorierung von Berufserfahrung oder Betriebstreue und zur Aufteilung von Humankapitalinvestitionen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerechtfertigt sein, soweit die Lohnsteigerungen in einem angemessenen Verhältnis zum jeweiligen Interesse des Arbeitgebers stehen. Im Gegensatz dazu werden Senioritätslöhne zur Setzung höherer Leistungsanreize oder zur Befriedigung einer Präferenz von 526 Ähnlich erläutert der Gesetzgeber die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nach Sec. 32 Employment Equality (Age) Regulations 2006 in Großbritannien: „responding to employees’ reasonable expectation that their salary should not remain static“, Notes on Regulation 32.113, S. 20. 527 Ausführlich dazu im 4. Kapitel, unter E. II. 3.

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Arbeitnehmern für steigende Löhne regelmäßig nicht angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG sein, weil damit die Beschäftigungschancen älterer Menschen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen entgegen der wirtschaftlichen Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG und des AGG verringert werden. Die Rechtfertigungsfähigkeit von Senioritätslöhnen wird aber im Einzelfall von der jeweiligen Ausgestaltung des Lohnsystems und der Art der entlohnten Tätigkeit abhängen. Mit der Einzelfallabwägung nach § 10 Satz 2 AGG als Maßstab für die Zulässigkeit von senioritätsgebundenen Lohnprofilen geht ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit einher. Die Beweiserleichterung für den Arbeitgeber nach der Cadman-Vermutung des EuGH vermag dieser Unsicherheit nur in Teilen zu begegnen, da sie sich nicht auf die Angemessenheit von Senioritätslöhnen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG erstreckt. Ein Mehr an Rechtssicherheit und Planbarkeit könnte die Normierung eines weiteren Regelbeispiels nach dem Vorbild der britischen Employment Equality (Age) Regulations 2006 bringen. Danach ist gemäß Regulation 32(2) die Verknüpfung von Vorteilen im Arbeitsverhältnis mit der Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers bis zu einer Dauer von fünf Jahren gerechtfertigt.528 Erst bei Privilegien für eine Betriebszugehörigkeitsdauer von über fünf Jahren muss der Arbeitgeber ein legitimes Ziel vorweisen, das in einem angemessenen Verhältnis zur Ungleichbehandlung wegen des Alters steht.529 Fünfjährige Entgeltstaffelungen werden zur Honorierung von Berufserfahrung bzw. Betriebstreue und zur Aufteilung von Humankapitalinvestitionen in den meisten Fällen angemessen sein. Sollte ein wirtschaftliches Interesse des Arbeitgebers an einer Lohnstaffelung über diesen Zeitraum hinaus bestehen, so bleibt ihm unbenommen, seine Gründe darzulegen und die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Einzelfall darzulegen. Auf der anderen Seite werden durch Lohnsteigerungen über fünf Jahre auch die Interessen jüngerer Arbeitnehmer und die Beschäftigungschancen älterer Menschen nicht sehr stark beeinträchtigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein jüngerer Arbeitnehmer auch selbst in den Genuss des Lohnvorteils kommen wird, ist bei einer fünfjährigen Staffelung recht hoch. Auch entstehen durch derartige, kurzfristige Lohnprofile keine beschäftigungsschädlichen Wirkungen zulasten älterer Arbeitnehmer, da hiermit eine Abkoppelung von Lohnzahlung und Produktivität ohne sonstige Gegenleistung nicht einhergeht. Die Ergänzung eines Regelbeispiels nach britischem Vorbild in § 10 Satz 3 AGG für bestimmte Senioritätslöhne könnte damit die Rechtssicherheit in diesem Bereich fördern, ohne die Interessen der Betroffenen unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. 528 Regulation 32(2) Employment Equality (Age) Regulations 2006 lautet: „Where B’s length of service exceeds 5 years, it must reasonably appear to A that the way in which he uses the criterion of length of service, in relation to the award in respect of which B is put at a disadvantage, fulfils a business need of his undertaking (for example, by encouraging the loyalty or motivation, or rewarding the experience, of some or all of his workers).“ 529 Vgl. Regulation 3(1) Employment Equality (Age) Regulations 2006; zur Auslegung der Regulations hinsichtlich von Senioriätslöhnen: Cheetham, Age Discrimination, 66 f.; Malik, in: Rudolf / Mahlmann, Gleichbehandlungsrecht, S. 162.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

III. Jubiläumszuwendungen Häufig sind auch einmalige Zahlungen aus besonderem Anlass an die Seniorität des Arbeitnehmers geknüpft. Dies ist etwa bei einer Jubiläumszuwendung der Fall, die zum Anlass runder Jahrestage der Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers ausgezahlt wird. So erhält beispielsweise ein Beschäftigter nach § 23 Abs. 2 TVöD ein Jubiläumsgeld von 350 Euro nach 25 Jahren und von 500 Euro nach 40 Jahren Beschäftigungszeit.530 Andere Regelungen sehen als Vergünstigung für das Jubiläum die Freistellung für einen Arbeitstag vor.531 Diese mittelbaren Benachteiligungen jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters können als Vorteile im Arbeitsverhältnis im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG zur Erreichung des legitimen Ziels der Honorierung der Betriebstreue von Arbeitnehmern gerechtfertigt sein.532 Die Erwartung der späteren Belohnung soll aus verschiedenen wirtschaftlichen Erwägungen den Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen binden.533 Wie auch bei Entgeltstaffelungen zur Belohnung der Betriebszugehörigkeit bzw. Unternehmenszugehörigkeit, so sind auch Jubiläumszuwendungen zur Erreichung dieses Ziels nur geeignet, wenn sie an die Dauer der Zugehörigkeit im Betrieb bzw. Unternehmen selbst anknüpfen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Schöning-Kougebetopoulou fehlt es auch bei Jubiläumszuwendungen an der Geeignetheit zur Belohnung von Betriebstreue, wenn diese die Mobilität innerhalb einer großen Gruppe rechtlich voneinander unabhängiger Arbeitgeber unter Anrechnung der Beschäftigungszeiten zulassen.534 Somit kann auch das Jubiläumsgeld nach § 23 Abs. 2 TVöD nicht mit der Honorierung von Betriebstreue gerechtfertigt werden, da bei der Bemessung der Beschäftigungsdauer gemäß § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD auch Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber im Geltungsbereich des Tarifvertrages anerkannt werden. Ansonsten ist von der Eignung einer Jubiläumsvergünstigung zur Honorierung von Betriebstreue, die an die Zugehörigkeit zum Betrieb oder Unternehmen anknüpft, auch ohne Nachweis im Einzelfall auszugehen, es sei denn der Arbeitnehmer trägt gegenteilige Anhaltspunkte vor. Auch insoweit ist auf die CadmanVermutung zurückzugreifen.535 Im Rahmen der Angemessenheit ist zu prüfen, ob TVöD vom 13. September 2005. Vgl. § 29 Abs. 1 d) TVöD vom 13. 09. 2005. Zu weiteren Beispielen von Jubiläumsregelungen, Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. XVf., 26. 532 Bertelsmann-Rust / Falke, AGG, § 10 Rn. 177; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 42; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 20; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 272; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 220 f.; Wulfers / Hecht, ZTR 2007, 479 f. 533 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 220 f.; vgl. dazu im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) bb). 534 EuGH v. 15. 1. 1998, Rs. C-15 / 96 (Schöning-Kougebetopoulou), AP Nr. 1 zu Art. 48 EG-V, Rz. 26 f.; zustimmend Kocher, ARBEIT 2005, 318; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 116. 535 Vgl. dazu im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) aa). 530 531

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die Höhe der Zuwendung in Relation zu dem Nutzen des Unternehmens an der Betriebstreue steht. Dabei wird die Freistellung von einem Arbeitstag regelmäßig angemessen sein. Eine Jubiläumszahlung ist aber dann unangemessen, wenn diese im Verhältnis zum sonstigen Lohn des Arbeitnehmers ungewöhnlich hoch ausfällt, so dass sie sich nicht mehr als Gegenleistung für die Betriebstreue darstellt.536 Wie auch bei Entgeltstaffelungen zur Honorierung der Betriebstreue bestehen auch bei Jubiläumszuwendungen mit diesem Zweck keine nachteiligen Auswirkungen für die Beschäftigungschancen älterer Menschen.

IV. Andere tarifliche Privilegien für ältere Arbeitnehmer Eine Fülle von Privilegien in Tarifverträgen knüpft an das fortgeschrittene Alter, die Betriebszugehörigkeitsdauer oder eine Kombination dieser beiden Merkmale an.537 So werden Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter oder Dienstalter oftmals durch Verdienstsicherungsklauseln538 oder eine Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohnanpassung bevorzugt.539 Weitere Privilegien erfahren ältere Arbeitnehmer im Kündigungsschutzrecht540 durch tariflich verlängerte Kündigungsfristen oder den Ausschluss von ordentlichen Kündigungen (so genannte „Unkündbarkeit“).541 Je nach dem, ob eine dieser Bevorzugungen an das Lebensalter selbst oder an das Dienstalter anknüpft, liegt darin eine unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AGG. Die Vorenthaltung der Senioritätsrechte ist eine ungünstigere Behandlung, die der Rechtfertigung bedarf.542 Vgl. Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 221. Auch in gesetzlichen Regelungen finden sich eine Reihe derartiger Senioritätsrechte. Beispiele sind die Bevorzugungen mit Altersbezug bei der Sozialauswahl des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, bei den Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 2 BGB und bei der Abfindung gemäß § 10 Abs. 2 KSchG. Die Zulässigkeit dieser gesetzlichen Ungleichbehandlung ist indes keine Frage der Auslegung der Normen des AGG, sondern ist am Maßstab der RL 2000 / 78 / EG zu beurteilen. Daher fallen gesetzliche Senioritätsrechte nicht in den Untersuchungsbereich dieser Arbeit. Vgl. dazu: Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 193 ff.; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 277 ff., 329 ff., 348 ff. 538 Zu Beispielen in der tarifvertraglichen Praxis: Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. VIII ff., 8 ff.; Bispinck, WSI-Tarifhandbuch 2007, 136 ff.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 37 f. 539 Zu Beispielklauseln für die Verkürzung der Wochenarbeitszeit oder die Verlängerung des Erholungsurlaubs: Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. XIIf., 13 ff.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 39 f. 540 Zur Anwendbarkeit des AGG auf Kündigungen trotz des § 2 Abs. 4 AGG im 5. Kapitel, unter B. 541 Bispinck, Senioritätsregeln in Tarifverträgen, S. IIff.; 1 ff.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 51 ff. 542 Dazu Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 60; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 283 ff.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 40 ff.; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 42. Insbesondere kann 536 537

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1. Legitimes Ziel: Schutz älterer Beschäftigter gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG Legitime Ziele dieser tariflichen Senioritätsrechte stammen grundsätzlich aus dem Bereich des Schutzes älterer Arbeitnehmer gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. So bezwecken Verdienstsicherungsklauseln regelmäßig die Absicherung älterer Arbeitnehmer gegen die Folgen gesundheitsbedingter oder allgemein altersbedingter Leistungsminderungen.543 Arbeitszeitreduzierungen bei gleich bleibendem Lohn sollen einem vermeintlichen gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen.544 Schließlich verfolgen auch der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung sowie altersgestaffelte Kündigungsfristen den Schutz älterer Arbeitnehmer545 angesichts eines teilweise höheren Kündigungsrisikos und geringerer Wiedereingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer fortgeschrittenen Alters.546 Aufgrund dieser Zielsetzungen finden die tariflichen Senioritätsprivilegien ihre Begründung regelmäßig nicht im rationalen Nuzenmaximierungskalkül der Arbeitsvertragsparteien, sondern sind durch die Nutzenkalküle der Tarifparteien bestimmt. Diese Nutzenkalküle der Kollektivparteien hinter tariflichen Privilegien für ältere Arbeitnehmer werden sich selten mit wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers decken. Der Grund für die Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber ist hier nicht eine ökonomische Motivation, sondern die der Tatbestand der Benachteiligung nicht im Wege einer Gesamtbetrachtung der über die Gesamtkarriere eines Arbeitnehmers erhaltenen Vorteile verneint werden. Vgl. dazu bereits im 7. Kapitel, unter E. II. 2. 543 Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 38; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 295 f.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 16; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 222 ff.; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 31; Waas, ZRP 2006, 119 f.; Waltermann, NZA 2005, 1269; vgl. bereits BAG v. 7. 2. 1995, NZA 1995, 894; ähnlich Verdienstsicherungen als positive Maßname nach § 5 AGG, HinrichsDäubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 54; a.A.: Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 61. (Eine Rechtfertigung von Verdienstsicherungsklauseln komme mangels gesetzlicher Rechtfertigungsnorm nicht in Betracht.) 544 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 28; Bertelsmann, ZESAR 2005, 246; DetteDäubler / Bertzbach, AGG, § 7 Rn. 175; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 666; Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 29; Löwisch, Betriebliche Altersversorgung 2006, 533; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 118, 153 ff.; Schmidt-Schiek, AGG, § 10 Rn. 21, Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 225 f.; Voigt-Schleusener / Suckow / Voigt, AGG, § 10 Rn. 28, Waltermann, NZA 2005, 1269 f.; Wolf, AuA 2005, 83; kritisch wegen der pauschalen Vermutung des gesteigerten Erholungsbedürfnisses: Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 50; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 269. 545 Linsenmaier, RdA, Sonderbeil. Heft 5 / 2003, 32; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 51, 53; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 113; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 299; Waltermann, NZA 2005, 1269. 546 Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 58; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 41; Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 220; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 277; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 342; Wiedemann / Thüsing, NZA 2002, 1241.

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Vorgaben des ihn bindenden Tarifvertrags. Die Legitimität und der Stellenwert der Ziele derartiger tariflicher Regelungen können mit dem methodischen Ansatz dieser Arbeit, der die Entscheidungskalküle des einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter den Annahmen des neoklassischen Modells zugrunde legt, nicht beurteilt werden.547 Vielmehr ist anzuerkennen, dass der Gesetzgeber in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG den Schutz älterer Arbeitnehmer als Fallgruppe legitimer Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG festgelegt hat. Gleichwohl können einige Aussagen getroffen werden über die Beeinflussung der Entscheidungen der Arbeitsmarktakteure in Reaktion auf die bevorzugenden Senioritätsrechte. Zwar liegen die Ziele der tariflichen Senioritätsrechte im Bereich des Schutzes älterer Arbeitnehmer und nicht in der Gewinnmaximierung des Unternehmens. Sie stellen sich aber aus Sicht des Arbeitgebers als Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses dar, auf die er gewinnmaximierend reagiert. Denn auch diese Art von Schutznormen verursachen Ausweichreaktionen von Marktakteuren.548 So wird sich ein gewinnmaximierender Arbeitgeber wegen der mit Senioritätsprivilegien verbunden höheren antizipierten Kosten einerseits zurückhalten, ältere Menschen einzustellen, und andererseits versuchen, ältere Arbeitnehmer möglichst kostengünstig auszugliedern.549 Diese Folgen der tariflichen Privilegien sind auch bei der Rechtfertigung von damit verbundenen Ungleichbehandlungen wegen des Alters von Bedeutung, weil ihre Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Teilhabemöglichkeiten älterer Menschen ein Kernanliegen der RL 2000 / 78 / EG und des AGG betreffen.

2. Unangemessenheit von Senioritätsrechten aufgrund verringerter Beschäftigungschancen älterer Menschen Wie schon bei senioritätsgebundenen Anreizlöhnen,550 ist bei Verdienstsicherungsklauseln und Arbeitszeitreduzierung die beschäftigungshemmende Wirkung für ältere Arbeitnehmer wegen der damit verbundenen Entkoppelung von Produktivität und Verdienstprofil problematisch. Die nicht an die Leistung des Arbeitnehmers angepasste Entlohnung bedeutet eine institutionelle Verteuerung älterer Arbeitnehmer gegenüber gleich produktiven Jüngeren, was sich auf die Erwerbstätigkeitschancen Älterer kontraproduktiv auswirkt.551 Arbeitgeber werden einerseits Vgl. dazu bereits in der Einleitung zum 7. Kapitel. Vgl. auch Rebhahn, in: Österreichische-Bundesarbeitskammer, Alternsgerechte Arbeitswelt, S. 44; Thüsing, ZFA 2006, 246. 549 Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 26; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 301. 550 Vgl. im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) dd) (3). 551 So zu Verdienstsicherungsklauseln: Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 29 f.; Bräuninger, Deutsche Bank Research Nr. 328, 2005, 12; IAW, Situation Älterer Arbeitnehmer, S. 16; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 38 f.; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 296; Rieble, in: Rieble / Junker, Folgenabschätzung im Arbeits547 548

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

versuchen, sich bevorzugt von älteren Arbeitnehmern durch Kündigungen oder Auflösungsverträge zu trennen. Andererseits kann die Diskrepanz von Lohn und Leistung ein Einstellungshemmnis für ältere Menschen darstellen. Dies kann nur durch Anknüpfen an lange Betriebszugehörigkeitszeiten verhindert werden. Durch diese faktischen Nachteile sind nicht nur die Arbeitnehmer betroffen, denen gleichzeitig auch das Privileg der Verdienstsicherung oder Arbeitszeitreduzierung zugute kommt. Schon in den Jahren bevor ein Arbeitnehmer die Altersgrenze erreicht, ab der ihm die jeweilige Vergünstigung zuteil würde, bestehen angesichts des nahenden Auseinanderfallens der synallagmatischen Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis Anreize für den Arbeitgeber, eine Einstellung dieses Arbeitnehmers zu vermeiden bzw. ihn nach Möglichkeit kostengünstig auszugliedern. Schließlich unterminieren Verdienstsicherungsklauseln wegen ihrer leistungsunabhängigen Einkommensschutzwirkung die Bereitschaft geschützter Arbeitnehmer zur Erhaltung und Anpassung ihrer Qualifikationen. Die damit eintretende Dequalifizierung älterer Menschen verringert wiederum deren Beschäftigungschancen.552 Daher sind insbesondere Verdienstsicherungsklauseln oder Arbeitszeitreduzierungen, die allein an das Lebensalter anknüpfen,553 aber auch solche mit einem nur kurzen Betriebszugehörigkeitserfordernis,554 wegen der beschäftigungsfeindlichen Wirkung keine angemessenen Mittel zum Schutz älterer Menschen. Aber auch die Angemessenheit von Klauseln, die eine längere Betriebszugehörigkeitsdauer fordern, ist unter diesem Aspekt kritisch zu beurteilen. Altersbezogenen Arbeitszeitverkürzungen und Urlaubsverlängerungen stehen die gleichen Vorbehalte gegenüber, wobei jedoch das Ausmaß der Reduzierung der Arbeitszeit und der Steigerung des Urlaubs berücksichtigt werden muss.555 Die Beschäftigungsanreize, die von einem erhöhten Kündigungsschutz ausgehen, sind grundsätzlich gegenläufig. Auf der einen Seite erhöht der tarifliche Sonderkündigungsschutz die Chancen einer Weiterbeschäftigung Älterer. Andererseits wird dadurch aber auch die Entlassung älterer Arbeitnehmer verteuert, was die Anreize, ältere Arbeitnehmer einzustellen, verringert.556 Einige Punkte sprerecht, S. 57; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 266; Waas, ZRP 2006, 119 f.; auch bereits Boecken, Gutachten B für den 62. Deutschen Juristentag, S. 148 ff.; so zur Kürzung der Wochenarbeitszeit oder Verlängerung des Erholungsurlaubs: Bräuninger, Deutsche Bank Research Nr. 328, 2005, 12; Koller / Gruber, MittAB 2001, 498; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 40 f.; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 27, 155; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 296 f. 552 Boecken, Gutachten B für den 62. Deutschen Juristentag, S. 150. 553 Vgl. etwa die Verdienstsicherungsklausel im Tarifvertrag Metallhandwerk Niedersachsen über 100% des Durchschnittsverdienst ab dem 50. Lebensjahr, Bispinck, WSI-Tarifhandbuch 2007, S. 191. 554 Vgl. etwa im Tarifvertrag für die Metallindustrie Nordwürttemberg / Nordbaden (Verdienstsicherung ab dem 54 Lebensjahr und 1 Jahr Betriebszugehörigkeit), Bispinck, WSITarifhandbuch 2007, S. 195. 555 Kritisch zur Staffelung des Erholungsurlaubs im TVöD auch Wulfers / Hecht, ZTR 2007, 477 f.

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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chen jedoch dafür, dass sich ein Verbot der ordentlichen Kündigung ab einer Altersgrenze (auch in Kombination mit einer kurzen Beschäftigungsdauer) insgesamt negativ auf die Beschäftigungschancen älterer Beschäftigter auswirkt. Denn während das Einstellungshemmnis bestehen bleibt, können Unternehmen das Kündigungshemmnis durch den Rückgriff auf Auflösungsverträge umgehen.557 Darüber hinaus wirken die Anreize zur Ausgliederung Älterer bereits bevor der Kündigungsschutz diesen entgegen wirken kann, da der Arbeitgeber das baldige Eingreifen des Sonderschutzes antizipiert. Schließlich kann auch die altersgebundene Arbeitsplatzsicherheit die Anreize älterer Menschen zur Qualifikationserhaltung und -anpassung reduzieren, was einem verlängerten Verbleib im Arbeitsleben entgegensteht.558 Daher halten Rieble und Zedler die tarifliche Unkündbarkeit regelmäßig für nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt, wenn dadurch die Einstellungschancen Älterer verringert werden559 Verbreitet wird auch zwischen unmittelbarem und mittelbarem Altersbezug differenziert. Der direkte Altersbezug bei tariflichen Unkündbarkeitsklauseln sei wegen der Benachteiligung Jüngerer und der Verschlechterung der Beschäftigungssituation Älterer nicht zu rechtfertigen.560 Gerechtfertigt könne aber ein Sonderkündigungsschutz sein, wenn dieser eine erhebliche Betriebszugehörigkeitsdauer voraussetzt.561 Letzterer Differenzierung ist im Grundsatz zuzustimmen. Jedoch ist bei der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Ausgestaltung der einzelnen Unkündbarkeitsklausel zu untersuchen. Je höher die Altersgrenze ansetzt und je länger die erforderliche Betriebszugehörigkeitsdauer sein muss, desto eher kann eine Unkündbarkeitsklausel trotz der damit verbundenen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer und der faktischen Nachteile für ältere Arbeitnehmer angemessen sein. Weiterhin sprechen 556 Eichhorst, ZSR 2006, 107; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 27; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 52; Weis, Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer, S. 149 ff.; BMFSFJ, Fünfter Bericht zur Lage der Älteren Generation in Deutschland, S., 267; bereits Boecken, Gutachten B für den 62. Deutschen Juristentag, 151 f.; von Klitzing, Ordnungsökonomische Analyse des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes, S. 182 ff.; vgl. auch die Erkenntnisse zur fraglichen Effektivität des ADEA bei der Verbesserung der Beschäftigungssituation Älterer im 5. Kapitel, unter A. Nach einer Erhebung des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung gaben 18 % der tarifgebundenen Personalverantwortlichen an, dass der gesetzliche und tarifliche Kündigungsschutz Älterer als ein Einstellungshemmnis fungiere, während 41 % die Einstellungschancen Älterer dadurch jedenfalls beeinträchtigt sahen. 24% sahen darin eher keine Beeinträchtigung, und 6 % der Befragten zufolge, spielt der Kündigungsschutz Älterer keine Rolle bei der Einstellungsentscheidung. 557 Eichhorst, ZSR 2006, 107 f.; Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 27. 558 Boecken, Gutachten B für den 62. Deutschen Juristentag, S. 152. 559 Rieble / Zedler, ZFA 2006, 299; ebenso Wulfers / Hecht, ZTR 2007, 378 f. 560 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 52; ebenso Scholz, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 221 f.; Roetteken, AGG, § 10 Rn. 76. 561 Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 52; ähnlich Löwisch, Betriebliche Altersversorgung 2006, 534; Löwisch, DB 2006, 1731; Lüderitz, Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen, S. 27, 221 f.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

geregelte Ausnahmen von der Unkündbarkeit, etwa für den Fall einer Betriebsänderung oder von Rationalisierungsmaßnahmen,562 für die Angemessenheit eines tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung. Schließlich ist zu beachten, dass ältere Arbeitnehmer auch ohne tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz nicht schutzlos gestellt sind. Sie erfahren durch die doppelte Berücksichtigung von Alter und Betriebszugehörigkeit in der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG und die gestaffelten Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 2 BGB weiterhin gesteigerten Schutz. Im Ergebnis wird die Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer durch tarifliche Unkündbarkeitsklauseln nur selten durch den damit verbundenen uneindeutigen Schutz Älterer aufgewogen werden. Jedenfalls eine Regelung, wie § 4.4 des Manteltarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg / Nordbaden vom 31. 3. 2004, der einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung ab Vollendung es 53. Lebensjahres und nur drei Jahren Betriebszugehörigkeit vorsieht,563 ist nicht angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.564 Auch tarifvertraglich verlängerte Kündigungsfristen mit zunehmendem Alter bzw. Betriebszugehörigkeitsdauer gehen mit einer Verteuerung der Arbeitskraft älterer Menschen einher, was sich kontraproduktiv auf deren Beschäftigungschancen auswirken kann.565 Aus Sicht des Arbeitgebers ist das Arbeitsverhältnis mit einem älteren Arbeitnehmer durch derartige Regelungen weniger flexibel als das mit einem jüngeren Arbeitnehmer. Im Fall der Notwendigkeit einer Kündigung muss er bei älteren Arbeitnehmern längere Verzögerungen und damit weiterlaufende Lohnkosten in Kauf nehmen.566 Jedoch sind die nachteiligen Wirkungen auf die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer regelmäßig geringer als bei tariflichen Unkündbarkeitsklauseln, da eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verhindert sondern nur verzögert wird. Andererseits wiegen auch die mit der Ungleichbehandlung verknüpften Nachteile für jüngere Arbeitnehmer weniger schwer. Schließlich ist zu beachten, dass dem Ziel der Gewährung eines längeren Zeitraums für ältere Arbeitgeber, um nach einer Kündigung eine neue Stelle zu finden, von einigem Gewicht ist. Denn Ältere begegnen größeren Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.567 Daher werden tarifliche Verlänge562 Vgl. hierzu Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 51. 563 Vgl. Bispinck, WSI-Tarifhandbuch 2007, S. 195; IAW, Situation Älterer Arbeitnehmer, S. 85. 564 A.A. LAG Baden-Württemberg v. 30. 7. 2007 – 15 Sa 29 / 07, BeckRS 2007, 48915 unter II. 4.. In einem obiter dictum verweigert das Gericht die Berücksichtigung der Folgenabschätzung ausdrücklich: „Wenn die Beklagte schließlich meint, noch ausführen zu müssen, ein erhöhter Schutz älterer Arbeitnehmer vor Kündigungen bewirke, dass Firmen häufig vor Eintreten der Schutzvoraussetzungen beginnen, Mitarbeiter vorher loszuwerden, kann schwerlich das Ausweichen vor Schutzvorschriften zum Maßstab genommen werden.“ 565 Funk, Mehr Beschäftigung für Ältere, S. 26 f.; Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 53. 566 Löwisch, NZA 2003, 690.

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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rungen der Kündigungsfrist nach dem Alter oder der Betriebszugehörigkeit oftmals angemessen zum Schutz älterer Arbeitgeber gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sein.568 Jedoch muss dafür gezeigt werden, warum ein Schutz zusätzlich zur gesetzlichen Staffelung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB erforderlich ist.569 Des Weiteren ist bei der Abwägung der obigen Privilegien zu beachten, dass diese regelmäßig nicht demographiefest sind: Waren sie bei einem bestimmten Zahlenverhältnis zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern im Betrieb noch finanzierbar, steigt die finanzielle Belastung für Betriebe sobald sich der Anteil der Älteren in der Belegschaft im Vergleich zu den Jüngeren vergrößert. Angesichts der zu erwartenden demographischen Entwicklung der Arbeitskräfte in Deutschland bedeutet dies eine Belastung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die den wirtschaftlichen Zielen der RL 2000 / 78 / EG widerspricht. Zudem werden durch demographie-unsichere Privilegien weitere Anreize für Arbeitgeber geschaffen, auf eine Verjüngung der Belegschaft hinzuwirken. Dies wiederum schadet den Beschäftigungschancen Älterer und deren Möglichkeiten zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Teilhabe, deren Steigerung gerade durch die RL 2000 / 78 / EG beabsichtigt ist. Schließlich ist im Rahmen der Angemessenheit von senioritätsgebundenen Schutzregelungen zu berücksichtigen, dass durch diese das Image des leistungsschwachen älteren Menschen weiter gepflegt wird. Das Bestehen dieses Altersbildes ist aber oftmals förderlich für Ungleichbehandlungen wegen des Alters.570 Eine Perpetuierung dieser Einstellung gegenüber älteren Menschen am Arbeitsmarkt entspricht nicht der Intention der RL 2000 / 78 / EG.

3. Zusammenfassung Insgesamt zielen tarifvertragliche Senioritätsrechte, wie die Verdienstsicherung, die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnanpassung oder der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit, zwar auf den Schutz älterer Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ab; sie werden aber aufgrund der damit einhergehenden Verschlechterung der Beschäftigungschancen Älterer und der Anfälligkeit gegen567 Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 352; Hinrichs-Däubler / Bertzbach, AGG, § 5 Rn. 58; Löwisch, in: Bauer / Boewer, Festschrift Schwerdtner, S. 771; Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2586; so zu § 622 BGB, ErfK-Müller-Glöge, BGB, § 622 Rn. 1. 568 So auch Löwisch / Caspers / Neumann, Beschäftigung und demographischer Wandel, S. 53; Rieble / Zedler, ZFA 2006, 299; MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 41 f. 569 Zur Angemessenheit einzelner tarifvertraglicher Verlängerungen der Kündigungsfrist, Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 356 ff. 570 Dazu BMFSFJ, Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in Deutschland, S. 322 f.; Eichhorst, ZSR 2006, 119; Buck / Kistler / Mendius, Demographischer Wandel in der Arbeitswelt, S. 88 Fn. 38.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

über demographischen Veränderungen der Belegschaftszusammensetzung nur in Ausnahmefällen angemessen sein. Tariflich verlängerte Kündigungsfristen können hingegen gerechtfertigt sein, wenn dargelegt wird, inwiefern ein Schutz älterer Arbeitnehmer über die Staffelung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB hinaus erforderlich ist. Etwas anderes kann aber gelten, wenn Verdienstsicherung, Arbeitszeitverkürzung oder erhöhter Kündigungsschutz sich im Einzelfall als Belohnung für die Betriebstreue des Arbeitnehmers darstellen. Dann werden sich beschäftigungspolitische Fehlanreize in engen Grenzen halten. Zwar bleibt es bei einer Aufspaltung von Produktivität des Arbeitnehmers und dessen Lohn, jedoch tritt die Betriebstreue samt den damit verbundenen Vorteilen für das Unternehmen neben die Produktivität als Gegenleistung für den Lohn. Es gelten dann die gleichen Grundsätze wie bei der Rechtfertigung von Entgeltsteigerungen zur Honorierung der Betriebstreue.571

V. Gestaffelte Abfindungsregelungen in Sozialplänen gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG Abfindungsregelungen in Sozialplänen, die nach dem Lebensalter oder der Betriebszugehörigkeitsdauer differenzieren, sind in der betrieblichen Praxis des Personalabbaus verbreitet. Regelmäßig steigen Abfindungszahlungen mit höherer Seniorität an, jedoch sind für rentennahe Jahrgänge teilweise auch deutlich reduzierte Sozialplanleistungen vorgesehen, die mit deren wirtschaftlicher Absicherung durch das Rentensystem begründet werden.572 § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG enthält zwei Regelbeispiele, wann derartige unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters bei Leistungen aus Sozialplänen im Sinne von § 112 Abs. 1 BetrVG zulässig sein können. Im Rahmen der Erörterung von Senioritätsprivilegien ist nur § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG von Bedeutung, demzufolge nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gesteigerte Abfindungsregelungen in Sozialplänen zur erkennbaren Berücksichtigung der wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters gerechtfertigt sind.573 Unter diesen Voraussetzungen kann die mit der altersbezogenen Staffelung 571 Im Ergebnis auch Lingemann / Gotham, NZA 2007, 665 f.; Senne, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 266, 269, 277; vgl. zur Honorierung der Betriebstreue im 7. Kapitel, unter E. II. 3. b) bb). 572 Vgl. Lingemann / Gotham, NZA 2007, 664; Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2587. Ein typisches Beispiel altersbezogener Ausgestaltung von Sozialplanleistungen lag auch dem Urteil des BAG v. 19. 10. 1999 (NZA 2000, 732) zugrunde. Die Abfindungszahlungen aus dem Sozialplan waren nach Alter und Betriebszugehörigkeit gestaffelt aber gleichzeitig in ihrer Höhe auf 75.000 DM begrenzt. Dabei bevorzugte die Staffelung der Abfindung ältere Arbeitnehmer, während die Deckelung rentennahe Jahrgänge auch benachteiligte. Das Gericht verneinte eine sachwidrige Benachteiligung älterer Arbeitnehmer, da auch jüngere Arbeitnehmer wegen des Aufbaus einer wirtschaftlichen und familiären Existenz durch den Verlust des Arbeitsplatzes vor erhebliche Probleme gestellt würden.

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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einhergehende unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters574 gerechtfertigt sein. Hingegen stellt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Vereinbarung einer absoluten Obergrenze für Sozialplanabfindungen (Höchstbetragsklausel) in einem Sozialplan schon keine Benachteiligung wegen des Alters dar, da diese gerade nicht nach dem Lebensalter unterscheide.575

1. Legitimes Ziel von altersbezogenen Abfindungsstaffelungen Ziel der Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit bei der Staffelung von Abfindungen aus Sozialplänen ist ausweislich des Wortlauts des § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG der Schutz älterer Arbeitnehmer angesichts ihrer verringerten Chancen auf dem Arbeitsmarkt.576 Dabei fungiert das Lebensalter als Indikator bei der Prognose der Aussichten einer Person bei der Suche nach Arbeit. Grundlage dieser Prognose ist die positive Korrelation zwischen dem Lebensalter eines Menschen und dessen verringerten Beschäftigungschancen.577 Unklar ist hingegen, inwiefern auch die steigende Betriebszugehörigkeitsdauer die zu erwartenden Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt infolge des Arbeitsplatzverlustes anzuzeigen vermag. Eine statistische Korrelation zwischen Dienstalter und Arbeitsmarktchancen ist nicht sehr ausgeprägt. Jedenfalls wird das Lebensalter für die Arbeitsmarktchancen einer Person der genauere Indikator sein. Auch zur Erreichung anderer legitimer Ziele, wie dem Setzen von Anreizen für Betriebstreue oder höhere Arbeitsleistung, ist die Staffelung der Abfindung nach der Betriebszugehörigkeit in einem Sozialplan schon nicht geeignet.578 Denn der Arbeitnehmer kann nicht sicher sein, dass sich die Betriebspar573 § 10 Satz 3 Nr. 6, 2. Fall AGG ermöglicht den Ausschluss von Beschäftigten von Leistungen des Sozialplans, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BAG v. 26. 7. 1988, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 31. 7. 1996, AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972, unter II.2.b)); zum AGG bereits: LAG Köln v. 4. 6. 2007, ZIP 2008, 2572. Der Sinn und Zweck dieser Regelung ähnelt dem des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG. Auch hier ist zunächst ein legitimes Ziel des Ausschlusses von Leistungen aus dem Sozialplan wegen des Alters zu ermitteln. Im Rahmen der Angemessenheit der Ungleichbehandlung kann dann die wirtschaftliche Absicherung des älteren Beschäftigten eine Rechtfertigung der Differenzierung begünstigen. Vgl. auch zu § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG im 7. Kapitel, unter B. V. 2. 574 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 129, 133 f. 575 BAG v. 2. 10. 2007, AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 1972, Rz. 6; kritisch dazu Temming, RdA 2008, 213 ff., der von einer gerechtfertigten mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters ausgeht. 576 Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 10 Rn. 53; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 129; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 380; Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2587. 577 Vgl. zu den Beschäftigungsdaten Älterer in Deutschland im 3. Kapitel, unter C. III.

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

teien im Falle eines Sozialplans der altersbezogenen Abfindungsstaffelungen bedienen werden. Gleichzeitig wirkt auch die verbreitet genutzte Möglichkeit einer Deckelung der Abfindungsbeträge ab einem bestimmten Alter in Sozialplänen etwaigen Anreizen für Loyalität oder Leistung entgegen. Ein langjähriger Mitarbeiter kann nur bedingt vorhersehen, ob sich die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG anspruchssteigernd oder nach § 10 Satz 3 Nr. 6, 2. Fall AGG wegen Rentennähe anspruchsmindernd oder sogar -ausschließend auswirken wird. Darüber hinaus widerspricht die Belohnung von Betriebstreue oder gesteigerter Arbeitsleistung in der Vergangenheit durch Abfindungsregelungen dem Vorsorgecharakter von Sozialplänen.579 Schließlich steht das alleinige Abstellen auf die Betriebszugehörigkeitsdauer auch dem Wortlaut des § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG, nach der „die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt“ werden müssen.580 Die Korrelation der Betriebszugehörigkeit mit dem Lebensalter ist zu gering, als dass darin eine „verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar“ würde. Daher können Differenzierungen allein nach der Betriebszugehörigkeit bei der Bemessung von Sozialplanabfindungen nicht gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG gerechtfertigt werden.

2. Verhältnismäßigkeit der Betonung des Lebensalters Kern der Zulässigkeit einer unmittelbar altersbezogenen Differenzierung nach § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG ist die Frage der Verhältnismäßigkeit der Betonung des Lebensalters bei der Berechnung der Abfindungshöhe. Dies kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden.581 Willemsen und Schweibert bezweifeln, dass die bisher häufig praktizierte Divisorformel bei der Berechnung der Sozialplanabfindungen in Zukunft als verhältnismäßig bewertet werden kann.582 Nach dieser Formel zur Berechnung der Abfindungshöhe wird das Produkt aus Lebensalter, Betriebszugehörigkeitsdauer und Bruttomonatgehalt durch einen im Sozialplan festgelegten Divisor geteilt.583 Der Kumulationseffekt der Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit stehe außer Ver578 Ähnlich Löwisch, DB 2006, 1731, der dies aber allein aus dem Wortlaut des § 10 Satz 3 Nr. 8 AGG a.F. (jetzt Nr. 6) folgert. 579 Vgl. BAG v. 14. 9. 1994, AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG 1972; BAG v. 31. 7. 1996, AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972; Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 Rn. 134. 580 Oelkers, NJW 2008, 614 f. 581 Annuß, BB 2006, 1634. 582 Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2587; zustimmend: Lingemann / Gotham, NZA 2007, 664; im Ergebnis auch: Temming, RdA 2008, 211 ff. 583 (Alter x Betriebszugehörigkeitsdauer x Bruttomonatsgehalt) / Divisor = Abfindung. Vgl. dazu ErfK-Kania, BetrVG, § 112 Rn. 27.

E. Senioritätsprinzip: Privilegien für ältere Arbeitnehmer

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hältnis zu den geringeren Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt.584 Dieser Ansicht ist bereits deshalb zuzustimmen, da die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeitsdauer, wie gezeigt, bei der Staffelung von Abfindungszahlungen in Sozialplänen nach § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG kritisch zu sehen ist. Vielmehr trägt das Merkmal der Betriebszugehörigkeitsdauer in der Divisorformel nichts zur Präzisierung des zu erwartenden Arbeitslosigkeitsrisikos eines Arbeitnehmers bei. Des Weiteren werden durch die Divisorformel Arbeitsmarktprobleme jüngerer Altersgruppen ignoriert. Diese können jedoch gerade im Fall von Jugendlichen und Berufseinsteigern erheblich sein. Schließlich wirken sich nach der formelhaften Berechnung Altersunterschiede auch dann anspruchssteigernd aus, wenn mit diesen keine verschlechterte Arbeitsmarktsituation einhergeht.585 Alternativ sollte künftig bei der Berechnung von Abfindungen aus Sozialplänen nach Altersgruppen unterschieden werden, die anhand ihres spezifischen Arbeitslosigkeitsrisikos gebildet werden.586 Verbreitet werden schlechtere Arbeitsmarktchancen am dem 50. Lebensjahr angenommen, wobei jedoch branchenspezifische Abweichungen möglich sind.587 Ebenfalls kann die Verhältnismäßigkeit durch eine Härtefallklausel gewährleistet werden, nach der auch einem jüngeren Arbeitnehmer mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine vergleichbare Abfindungssumme zugesprochen wird.588 Förderlich für die Annahme einer verhältnismäßigen Differenzierung ist es auch, wenn neben dem Lebensalter auch noch andere Typisierungen des höheren Arbeitslosigkeitsrisikos Berücksichtigung finden.589 Ein derartiger Indikator schlechterer Wiedereingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt kann etwa der Bildungsstand eines Arbeitnehmers sein.590 Auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von altersbezogenen Abfindungsstaffelungen sind die Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation der bevorzugten Altersgruppen zu beachten. Denn nach § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG soll die Ausgestaltung der Abfindungsregelung ja gerade die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen. Damit verträgt sich eine Verschlechterung der Arbeitsmarktperspektiven des geschützten Personenkreises nicht. Aus ökonomischer Sicht sind die Folgen altersgestaffelter AbfindungszahWillemsen / Schweibert, NJW 2006, 2587. So würde ein 35-Jähriger nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit erheblich höher abgefunden, als ein 25-Jähriger mit 5 Jahren im Betrieb, obwohl ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsrisiko des Älteren nicht ersichtlich ist. 586 So auch Annuß, BB 2006, 1632; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 664; Willemsen / Schweibert, NJW 2006, 2587. 587 Vgl. Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 AGG Rn. 133; Sprenger, Verbot der Altersdiskriminierung, S. 380; Lingemann / Gotham, NZA 2007, 664 (sprechen sich für Abfindungssteigerungen ab dem 40. Lebensjahr aus). 588 Brors-Däubler / Bertzbach, AGG, § 10 AGG Rn. 133. 589 MüKo-Thüsing, AGG, § 10 Rn. 37. 590 Vgl. zur Verknüpfung zwischen Bildungsstand und Arbeitslosigkeit, OECD, Alterung und Beschäftigungspolitik – Deutschland, S. 48. 584 585

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7. Kap.: Anwendung ökonomischer Konzepte

lungen für die Beschäftigungslage ambivalent.591 Auf der einen Seite senkt eine erhöhte Abfindung das Kündigungsrisiko älterer Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsänderungen. Denn die Entscheidung über die Anzahl und Zusammensetzung der vorzunehmenden betriebsbedingten Kündigungen, Versetzungen, Umschulungen etc. trifft der Arbeitgeber in Reaktion auf den „Preis“, den ein Sozialplan in Form einer Abfindung für die Kündigung eines Arbeitnehmers festsetzt. Der Arbeitgeber wird die Kündigung eines Arbeitnehmers so lange vermeiden, wie die Kosten der Kündigung nebst Abfindung die Kosten einer Weiterbeschäftigung (inklusive der Kosten etwaiger Umschulungen und verringerter Produktivität) überschreiten.592 Fällt die Abfindung eines älteren Arbeitnehmers aufgrund einer altersbezogen Staffelung im Sozialplan, die seine höheren Wiedereingliederungskosten593 in den Arbeitsmarkt berücksichtigt, hoch aus, während ein jüngerer Arbeitnehmer nur eine geringere Abfindungszahlung bekäme, wird der Arbeitgeber bevorzugt jüngeren Arbeitnehmern kündigen und ältere Arbeitnehmer weiterbeschäftigen. Auf der anderen Seite wirken jedoch gesteigerte Abfindungszahlungen für bestimmte Gruppen gleichzeitig als Marktzutrittsschranke für diesen Personenkreis. So antizipieren Unternehmen die Regelungen in Sozialplänen, indem sie durch eine restriktivere Einstellungspolitik das Risiko einer sozialplanpflichtigen Betriebsänderung zu minimieren trachten.594 Darüber hinaus berücksichtigen Arbeitgeber ebenfalls bereits bei der Einstellungsentscheidung, ob im Falle eines Sozialplans höhere oder niedrigere Kosten mit einem Arbeitnehmer einhergehen werden. Richtet sich nun die Höhe der Abfindungszahlung nach den Wiedereingliederungskosten eines Arbeitnehmers und korrelieren diese positiv mit zunehmendem Alter einer Person, so wird der Arbeitgeber gerade ältere Arbeitnehmer weniger einstellen. Dieser einstellungshemmende Effekt von Altersstaffelungen bei Sozialplanabfindungen kann aber auch dadurch abgemildert werden, dass die Leistungen nach oben „gedeckelt“ oder ab einem bestimmten, rentennahen Alter ausgeschlossen werden. Im Ergebnis lassen sich somit keine eindeutigen Beschäftigungseffekte von altersbezogenen Abfindungsstaffelungen in Sozialplänen feststellen. Derartige Differenzierungen in Sozialplänen sind damit nicht aufgrund der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG als unangemessen zu bewerten.

591 Zur ökonomischen Analyse von Sozialplänen: Schellhaaß, ZfA 1989, 167 ff.; Hemmer, Der Arbeitgeber 1988, S. 790 ff. 592 Schellhaaß, ZfA 1989, 177 f. 593 Diese umfassen beispielsweise Kosten für Bewerbungen, Umschulung, Umzug, Humankapitalverfall und Transferleistungen für Arbeitslose. 594 Eger, Opportunistic Termination of Employment Contracts and Legal Protection against Dismissal in Germany and the USA, S. 16 f.; Schellhaaß, ZfA 1989, 168; allgemein: Walwei, in: Montada, Beschäftigungspolitik zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, S. 159.

8. Kapitel

Zusammenfassung der Thesen 1. Die Allokationseffizienz ist ein legitimes Kriterium bei der Rechtssetzung und Rechtsanwendung. Weiterhin kann sie im Rahmen der Auslegung von Gesetzen berücksichtigt werden, soweit sich der Gesetzgeber nicht erkennbar dagegen entschieden hat. Methodisch ist die ökonomische Analyse dabei im Auslegungskanon insbesondere innerhalb der teleologischen Auslegung von Normen zu verorten. Daher ist der Rechtsanwender zur Beachtung des ökonomischen Arguments verpflichtet, wenn eine Norm eine wirtschaftliche Zwecksetzung hat. Verfolgt eine Rechtsnorm mehrere Ziele, ist auch eine durch den Gesetzgeber festgelegte Rangfolge der verschiedenen Wertungen für den Richter bindend. 2. Für die Normen über die Benachteiligung wegen des Alters im AGG ergibt sowohl eine teleologische als auch europarechtskonforme Auslegung, dass das ökonomische Argument bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln zu berücksichtigen ist. Es tritt nach dem Ziel der RL 2000 / 78 / EG und des AGG neben die soziale und menschenrechtliche Zwecksetzung der Normen zur Altersdiskriminierung. Diese Ziele stehen in keiner Rangfolge, sondern bedingen und fördern sich vielmehr gegenseitig. Systematisch ist der Ausgleich zwischen den verschiedenen Zielsetzungen bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel im Rahmen der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG zu verorten. 3. Sowohl in den USA als auch in Deutschland finden sich empirische Daten, die mit der Existenz von Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt vereinbar sind. Diese Studien ermöglichen jedoch selten Rückschlüsse, ob die nachteilige Situation Älterer am Arbeitsmarkt oder die Ungleichbehandlung bestimmter Altersgruppen auf ungerechtfertigte Diskriminierungen bzw. Benachteiligungen im Sinne des ADEA und des AGG hinweisen. 4. Die schlechte Beschäftigungssituation älterer Menschen in Deutschland beruht überwiegend auf Hemmnissen hinsichtlich von Angebot und Nachfrage nach Arbeit Älterer. Dabei senken vielfach Regelungen im deutschen Sozial-, Arbeits- und Tarifrecht die Anreize älterer Arbeitnehmer ihre Arbeit am Markt anzubieten, während gleichzeitig Arbeitgeber die Arbeit Älterer aufgrund derartiger Regelungen in einem geringeren Maße nachfragen. 5. Wegen der demographischen Veränderungen in Deutschland wird die Erwerbsbevölkerung schrumpfen und altern. Zu der Abmilderung der damit verbunde-

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8. Kap.: Zusammenfassung der Thesen

nen negativen Effekte für den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme kann die Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen einen zentralen Beitrag leisten. Jedoch wird das Verbot von Benachteiligungen wegen des Alters nach dem AGG angesichts der Ursachen der niedrigen Erwerbsbeteiligung Älterer zu keiner spürbaren Verbesserung der Lage führen. 6. Empirische Daten über die Einstellungen von Marktakteuren gegenüber älteren Arbeitnehmern zeichnen ein differenziertes Bild, nach dem verschiedene Eigenschaften eher jüngeren oder eher älteren Arbeitnehmern zugeschrieben werden. Berücksichtigt man die relative Wichtigkeit dieser Eigenschaften aus Sicht von Arbeitgebern, ergibt sich für ältere Arbeitnehmer sogar ein positiveres Bild als bei jüngeren Kollegen. Die bestehende Diskrepanz zwischen diesem Leistungsbild älterer Arbeitnehmer und der vergleichsweise geringen Bereitschaft, ältere Menschen tatsächlich einzustellen, lässt sich in Deutschland aus Sicht der Personalverantwortlichen eher mit höheren Kosten und strengeren Schutzvorschriften im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern begründen. 7. Die Analyse verschiedener ökonomischer Modelle und Konzepte ergibt, dass das Modell der statistischen Diskriminierung das Auftreten von Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt am besten erklären kann. Hierbei wird das Lebensalter eines Menschen als Indikator für dessen Produktivität und andere Eigenschaften genutzt, um die Summe der Informations- und Fehlerkosten bei Arbeitgeberentscheidungen zu minimieren. Des Weiteren können Ungleichbehandlungen wegen des Alters ihre Ursache in unterschiedlichen Humankapitaleigenschaften verschiedener Altersgruppen finden. Hingegen spielen subjektive Präferenzen von Arbeitsmarktakteuren oder unterbewusste, kognitive Verzerrungen zulasten älterer Menschen bei der Verursachung von Altersdiskriminierung eine eher untergeordnete Rolle. Schließlich erklären verschiedene Modelle die Existenz von Senioritätslöhnen, während das Modell senioritätsgebundener Anreizlöhne nach Lazear auch das wirtschaftliche Bedürfnis eines Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis mit einem derart entlohnten Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden, erläutert. 8. Aus dem Blickwinkel der Effizienz stößt der ADEA in der U.S.-amerikanischen Literatur weitläufig auf Kritik. Das Verbot der Altersdiskriminierung führt verbreitet zu ineffizienten Ergebnissen und hat nur wenig Potential für Effizienzsteigerungen. Denn bereits wettbewerbsbeherrschte Märkte verdrängen Diskriminierungen, soweit diese nicht effiziente Ungleichbehandlungen darstellen. Insbesondere das Verbot der Benutzung des Lebensalters als Indikator für Eigenschaften eines Arbeitnehmers würde angesichts hoher Informationskosten zu Effizienzverlusten führen. Nur in Fällen kostengünstiger Beurteilung der Eigenschaften von Arbeitnehmern auf individueller Ebene könnte ein solches Verbot die Effizienz am Arbeitsmarkt steigern. Wenn jedoch die Nutzung des Lebensalters als proxy mit Nettokosten verbunden ist, wird bereits der Wettbewerbsdruck den Arbeitgeber zur Abkehr von die-

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sem Näherungswert bewegen, ohne dass gesetzliche Regelungen hierfür erforderlich wären. 9. Während empirische Studien über die Auswirkung des ADEA auf die Beschäftigungssituation älterer Menschen insgesamt zu uneinheitlichen Ergebnissen kommen, wird verbreitet davon ausgegangen, dass das Gesetz die Einstellungschancen der Menschen in seinem Schutzbereich verschlechtert. Ähnlich ist auch vom Verbot der Benachteiligungen wegen des Alters nach dem AGG zu erwarten, dass es als Markteintrittsbarriere für Jugendliche und ältere Menschen fungiert. Einzelne Unterschiede zwischen den beiden Altersdiskriminierungsverboten und ihren arbeitsrechtlichen Umfeldern sind aber zu beachten. 10. Die Untersuchung der Systematik der Rechtfertigungstatbestände des AGG ergibt, dass § 10 AGG der einzig maßgebliche Rechtfertigungstatbestand für Ungleichbehandlungen wegen des Alters darstellt. Denn die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gemäß § 10 AGG umfasst die Ungleichbehandlung wegen beruflicher Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1 AGG vollständig, weshalb für § 8 Abs. 1 AGG kein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt. Positive Maßnahmen gemäß § 5 AGG werden im Bereich der Altersdiskriminierung durch den spezielleren und weiter gefassten Rechtfertigungstatbestand des § 10 AGG verdrängt. Die Rechtfertigungsanforderungen nach § 10 AGG sind schließlich mit dem Tatbestandsausschluss für mittelbare Benachteiligungen gemäß § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG identisch. Bei mittelbaren Ungleichbehandlungen wegen des Alters formen § 10 AGG und § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG einen Einheitstatbestand, dessen Vorliegen eine mittelbare Benachteiligung bereits tatbestandlich ausschließt. 11. Legitime Ziele im Sinne von § 10 Satz 1 AGG sind jegliche gesetzlich nicht verbotenen Ziele, die auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen. Dabei bedeuten die Begriffe „objektiv und angemessen“ in § 10 Satz 1 AGG keine zusätzliche Einschränkung der möglichen legitimen Ziele. Des Weiteren sind diese auch nicht auf Ziele des Allgemeinwohls beschränkt. Bei der Auslegung des legitimen Ziels im Sinne von § 10 Satz 1 AGG kann auf die Literatur und Rechtsprechung zum sachlichen Grund beim allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgegriffen werden, da der Prüfungsmaßstab hier identisch ist. Schließlich ist bei der Frage der Legitimität eines Ziels das ökonomische Argument der Allokationseffizienz zu berücksichtigen. Insbesondere können auch wirtschaftliche Beweggründe und die Kostenminimierung legitime Ziele des Arbeitgebers oder der Tarifparteien für eine Ungleichbehandlung wegen des Alters sein. Nicht berücksichtigt werden können bei der Rechtfertigung einer geringeren Vergütung nach § 8 Abs. 2 AGG jedoch Kosten, die infolge besonderer Schutzvorschriften wegen des Alters entstehen.

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12. Kern der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 10 Satz 2 AGG. Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Interessen der Betroffenen im Lichte der Zielsetzungen des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters nach der RL 2000 / 78 / EG und dem AGG in Ausgleich zu bringen. Dabei steht die ökonomische Zielsetzung gleichrangig neben den sozialen und menschenrechtlichen Zielen des Gleichbehandlungsgebots und ist auf allen Ebenen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. 13. Ungleichbehandlungen aufgrund von Arbeitgeberpräferenzen zulasten einer Altersgruppe sind gemäß § 7 Abs. 1 AGG verboten. Erfolgt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zur Befriedigung von Kundenpräferenzen kann dies zur Erreichung des legitimen Ziels der profitablen Verfolgung eines Unternehmenskonzeptes nach § 10 AGG gerechtfertigt sein, wenn das Mittel verhältnismäßig ist. Erforderlich sind Ungleichbehandlungen dabei nur im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die von den Kunden auch tatsächlich wahrgenommen werden. Schließlich muss der Arbeitgeber für eine Rechtfertigung nachweisen, dass der Stellenwert seines Unternehmenskonzepts und die sonst drohenden wirtschaftlichen Einbußen das Interesse des Arbeitnehmers an einer Gleichbehandlung überwiegen. Dabei ist zu beachten, dass eine Ungleichbehandlung dann weniger herabwürdigend ist, je sozial adäquater die dahinter stehenden Kundenwünsche sind und dass durch sie die Arbeitsmarktchancen dann weniger beeinträchtigt werden, je eher im Ergebnis eine Markttrennung und keine Marktdiskriminierung anzunehmen ist. Auch Ungleichbehandlungen aufgrund von Vorlieben und Aversionen der Mitarbeiter hinsichtlich des Alters ihrer Kollegen sind grundsätzlich zur Wahrung des Betriebsfriedens, des reibungslosen Arbeitsablaufs im Betrieb oder einer produktiven Belegschaft denkbar. Jedoch werden die damit verbunden wirtschaftlichen Einbußen im Bereich der Altersdiskriminierung nur selten die Interessen an einer Gleichbehandlung überwiegen. 14. Ungleichbehandlungen, die auf das Alter oder altersbezogene Faktoren als statistische Indikatoren für die Leistungsfähigkeit oder Eigenschaften eines Arbeitnehmers gestützt sind, können gemäß § 10 AGG zulässig sein, wenn das damit zu erreichende Hauptziel und die mit der statistischen Diskriminierung einhergehenden Kostenersparnisse (Nebenziel) die Interessen des Arbeitnehmers an einer Gleichbehandlung überwiegen. Legitime Hauptziele für Altersgrenzen können die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur oder einer vorhersehbaren Personal- und Nachwuchsplanung sein. Des Weiteren können gemäß § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG Mindestanforderungen an die Berufserfahrung von Bewerbern und Arbeitnehmern gestellt werden. Eine erhöhte Prüfungsdichte trifft Altersgrenzen aufgrund eines vermuteten Leistungsrückgangs im Alter, da dieser Vermutung oftmals Erkenntnisse der gerontologischen Forschung entgegenstehen. Schließlich können Pensionsgrenzen im Einzelfall die berufliche Eingliederung älterer Arbeitnehmer auf verhältnis-

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mäßige Weise fördern, während sie zur Förderung der Eingliederung Jugendlicher in die Arbeitswelt regelmäßig ungeeignet sind. Insgesamt wird die Angemessenheit einer Pensionsgrenze gemäß § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG gefördert, wenn der betroffene Arbeitnehmer durch einen Anspruch auf Rente wegen Alters wirtschaftlich abgesichert ist. 15. Soweit Ungleichbehandlungen aufgrund von unterbewussten Verzerrungen kognitiver Entscheidungsprozesse von Arbeitsmarktakteuren zulasten älterer Menschen entstehen, stellen diese Benachteiligungen wegen des Alters nach dem AGG dar. Eine Rechtfertigung derartiger Benachteiligungen wird regelmäßig nicht möglich sein, da eine durch systematische kognitive Fehler beeinflusste Entscheidung selten ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG verfolgt oder zu dessen Erreichung geeignet ist. Leistungsbeurteilungen im Arbeitsverhältnis können sich mittelbar benachteiligend für ältere Arbeitnehmer auswirken. Diese sind aber gemäß § 10 AGG i. V. m. § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG gerechtfertigt, soweit die verwendeten Leistungskriterien in einem nachvollziehbaren innerlichen Zusammenhang mit der zu verrichtenden Tätigkeit stehen. Etwaige unterbewusste Verzerrungen im Rahmen von Leistungsbeurteilungen sollten außer Acht bleiben, da deren Wirkungsweisen und die Möglichkeiten rechtlicher Steuerung bisher nicht hinreichend geklärt sind. 16. Humankapitaleigenschaften älterer Menschen können eine wichtige Rolle bei Ungleichbehandlungen wegen des Alters spielen. So können besonders kostenintensive Humankapitalinvestitionen und durch den nahenden Ruhestand verkürzte Amortisierungszeiträume gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG Höchstaltersgrenzen für die Einstellung rechtfertigen. Des Weiteren kann die betriebliche Wissensökonomie es erforderlich machen, Erfahrungswissen betriebsintern zu generieren und aktuelles schulisches, beruffachliches und universitäres Wissen dem Unternehmen durch Einstellung jüngerer Bewerber zur Verfügung zu stellen. Die Verweigerung der Teilnahme an betrieblicher Weiterbildung wegen des Alters kann hingegen nur in rentennahen Jahrgängen mit erhöhten Kosten oder unzureichenden Amortisierungsmöglichkeiten gerechtfertigt werden. 17. Senioritätsprivilegien zugunsten älterer Arbeitnehmer können nicht nur eine Benachteiligung Jüngerer aufgrund ihres Alters darstellen, sondern auch für die privilegierte Altersgruppe faktische Nachteile in Form von niedrigeren Beschäftigungschancen mit sich bringen. Die beschäftigungsschädliche Wirkung tritt dann auf, wenn durch die altersbezogenen Privilegien das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis gestört wird. Die wirtschaftliche Zielsetzung der RL 2000 / 78 / EG als Teil der europäischen Beschäftigungsstrategie gebietet, eine Verringerung der Beschäftigungschancen Älterer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Senioritätsprivilegien zu berücksichtigen. 18. Senioritätslöhne sind in deutschen Tarifverträgen nur mäßig verbreitet, spielen aber bei der übertariflichen Entlohnung eine bedeutende Rolle. Regelmäßig

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knüpfen die Entgeltstaffelungen dabei nur mittelbar an das Lebensalter an, indem sie auf die Dauer der Tätigkeit im Betrieb, im Beruf oder in einer Tarifgruppe abstellen. Knüpft die Entlohnung an das Alter oder altersbezogene Kriterien an, liegt hierin eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters. Eine Rechtfertigung gestaffelter Entgeltsysteme kommt als Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile gemäß § 10 Satz 3 Nr. 2, 2. Fall AGG in Betracht, soweit nicht unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft wird. Legitime Ziele hinter mittelbar altersbezogenen Senioritätslöhnen können die Honorierung von Berufserfahrung oder Betriebstreue, die Aufteilung von Humankapitalinvestitionen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Anreizsetzung zu höherer Arbeitsleistung oder die Befriedigung einer Präferenz von Arbeitnehmern für steigende Löhne sein. Jedoch werden Entgeltstaffelungen als Anreizlohn oder aufgrund einer Arbeitnehmerpräferenz wegen ihrer beschäftigungshemmenden Wirkung für ältere Menschen regelmäßig unangemessen sein. 19. Andere tarifvertragliche Senioritätsrechte, wie die Verdienstsicherung, die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnanpassung oder der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit, zielen zwar auf den Schutz älterer Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ab, werden aber aufgrund der damit einhergehenden Verschlechterung der Beschäftigungschancen Älterer und der Anfälligkeit gegenüber demographischen Veränderungen der Belegschaftszusammensetzung nur in Ausnahmefällen angemessen sein. Tariflich verlängerte Kündigungsfristen können hingegen gerechtfertigt sein, wenn dargelegt wird, inwiefern ein Schutz älterer Arbeitnehmer über die Staffelung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB erforderlich ist. 20. Nach dem Lebensalter gestaffelte Abfindungen in Sozialplänen können gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG zum Schutz älterer Arbeitnehmer angesichts ihrer verringerten Chancen auf dem Arbeitsmarkt gerechtfertigt sein, wobei das spezifische Arbeitslosigkeitsrisiko einer Altersgruppe in einer Branche und Region beachtet werden muss. Hingegen können Differenzierungen allein nach der Betriebszugehörigkeit bei der Bemessung von Sozialplanabfindungen nicht gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6, 1. Fall AGG gerechtfertigt werden, weil dadurch die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt werden.

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Sachwortverzeichnis Absenkungsverbot 328 adverse Selektion 97 Affektheuristik 125 Age Discrimination in Employment Act 24 – Effektivität 169 – Ziele 169 ageism 89, 133 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Effektivität 181 – Ziele 46 Alter 54, 90 Altersdiskriminierung – Definition 56 – empirische Hinweise Deutschland 62 – empirische Hinweise USA 61 Altersgrenzen – Anwendbarkeit der RL 2000 / 78 / EG 274 – relative 272, 290 – und ausgewogene Altersstruktur 286 – und berufliche Eingliederung 295 – und Berufserfahrung 291 – und Beschäftigungszeitraum bis Ruhestand 313 – und erhöhte Kosten Älterer 354 – und Leistungsrückgang 279 – und Personal- und Nachwuchsplanung 289 – und Rentenanspruch 276 – und Schutz Dritter 283 – und spezifische Ausbildungsanforderungen 312 Altersteilzeit 66 Anciennität siehe Senioritätsprivilegien Arbeitgeberpräferenz 243 Arbeitsangebotshemmnisse 65 Arbeitslosigkeit Älterer 63 Arbeitsnachfragehemmnisse 68 Ausbildungsanforderungen, spezifische 312 Auslegung – europarechtskonforme 51

– Kanon 41 – teleologische 41 behavioral law and economics 30, 120 Benachteiligung – mittelbare 27, 204 – unmittelbare 27 beschäftigungspolitische Leitlinien 49 Beschäftigungszeitraum bis Ruhestand 313 Betriebsrentenplan 163, 178 bona fide occupational qualification 25 bounded rationality 30, 121 Bumerang-Effekt 325 Bundesangestelltentarifvertrag 329, 335 business necessity 25 Cadman-Vermutung 293, 336, 343 Civil Rights Act 24 customer preference siehe Kundenpräferenz debiasing 135 Defizitmodell 110 Demographische Entwicklung 72 diskriminierendes Gleichgewicht 352, 356 Diskriminierungskoeffizient 86 disparate impact doctrine 25, 166 disparate treatment doctrine 25, 144, 165 Divisorformel 372 Effizienz – Kaldor-Hicks 33 – Pareto 32 – und Altersdiskriminierungsrecht 49 – und Antidiskriminierungsrecht 45 – und Verhältnismäßigkeit 236 endowment effect 30 Entscheidungen – Cadman 336 – Danfoss 336

Sachwortverzeichnis – General Dynamics Land System, Inc. v. Cline 24, 151 – Hazen Paper Co. v. Biggins 165 – Mangold 187, 297 – McDonnell Douglas Corp. v. Green 144 – Metz v. Transit Mix, Inc 165 – Navas 187 – Nimz 338 – Palacios 275, 276 – Price Waterhouse v. Hopkins 144 – Proud v. Stone 177 – Schöning-Kougebetopoulou 342 – Smith v. City of Jackson 25, 166 Equal Employment Opportunity Commission 171 Erwerbsbevölkerung 73 Erwerbstätigenquote 62 Externalität 100 Fair Employment Agency 172 Fehlerkosten 95 Fluktuation 341 Fragerecht des Arbeitgebers 301 Fürsorgepflichten 300 Geburtenrate 72 Gerontologie 110 Gleichbehandlungsgrundsatz, allgemeiner arbeitsrechtlicher 221 Heuristik 121 Höchstbetragsklausel 371 homo oeconomicus 29 Humankapital 146, 310 Humankapitaltheorie 98 illusorische Korrelation 124 Implicit Association Test 130 implicit bias 120, 305 Informationsdefizit 94 Intelligenz – fluide 112 – kristalline 112 Kleinbetriebsklausel 184 Kohorte 108, 287 Kontrahierungszwang 28 Kundenpräferenz 88, 245

Kündigung – altersbedingte 186 – Anwendbarkeit des AGG 186 – Druckkündigung 258 – Kosten der 296 – Kündigungsschutz 68 – opportunistische 161 – tariflicher Ausschluss 363 Lebenserwartung 73 legitime Ziele – Allgemeinwohlziele 218 – objektiv und angemessen 217 – Schutz älterer Arbeitnehmer 364 – und unternehmerisches Konzept 250 – wirtschaftliche Gründe 225 – zweistufige 264 Leistungsbeurteilung 306 Leistungsüberprüfung, individuelle 267 Lohnnebenkosten 70 lump of labor fallacy 298 mandatory retirement 26, 151 Markttrennung 88, 256 matching 262, 303 Menschenwürde 45 Methodenpluralismus 39 methodologischer Individualismus 29 minimal group Paradigma 122, 126 Mitarbeiterpräferenz 88, 259 Mobilität 109 neoklassisches Verhaltensmodell 29 ökonomische Analyse des Rechts – Grundlagen 29 – Legalität 37 – Legitimität 35 – Ziel der 21 Pensionsgrenzen siehe Altersgrenzen Personalbeurteilung 306 Politik des Gesetzes 37 practice tests 60 Präferenzmodell 85 Produktivität 111 prospect theory 30, 156 proxy 94

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Sachwortverzeichnis

reasonable factor other than age 25 Recht zur Lüge siehe Fragerecht des Arbeitgebers Rechtfertigungen nach dem AGG – berufliche Anforderung 196 – enge Auslegung 210 – legitime Ziele 216 – mittelbare Benachteiligungen 204 – positive Maßnahmen 200 – Systematik 191 – und Beschäftigungschancen 325 – Verhältnismäßigkeit 235 – zulässige unterschiedliche Behandlung 192 Rechtsidee 40 Rechtsunsicherheitskosten 193 Regelanwendungskosten 193 Regelaufstellungskosten 193 Regressionsmethode 59 Repräsentativitätsheuristik 124, 128 Reputation 163 Reservationslöhne 67, 351 reverse age discrimination 24, 151 Richtlinie 2000 / 78 / EG – Erwägungsgrund 14 274 – Erwägungsgrund 17 292 – Erwägungsgrund 25 50 – Ziele 46 Rückzahlung von Fortbildungskosten 316 Ruhestandsentscheidung 66 same actor inference 177 SchwellenlohnSiehe Reservationslöhne 67 Selbstüberschätzung 281 Senioritätsentlohnung – als Benachteiligung Jüngerer 330 – als faktische Benachteiligung Älterer 349 – Anreizentlohnung 154, 346 – Aufteilung der Humankapitalinvestionen 344

– Berufserfahrung 336 – Betriebstreue 340 – in den USA 152 – in Deutschland 329 – life cycle contract 154 – nach dem Lebensalter 333 – nach der Betriebszugehörigkeitsdauer 335 – Selektionsmodell 153 Senioritätsprinzip siehe Senioritätsprivilegien Senioritätsprivilegien 71, 322 – Abfindungen 370 – Arbeitszeitreduzierung 363 – Beschäftigungseffekte 323, 365 – Jubiläumszuwendungen 362 – Kündigungsauschluss 363 – Schutz älterer Arbeitnehmer 364 – Verdienstsicherung 363 signaling 262 Skaleneffekte 255 Sozialpläne 370 Sperrklinken-Effekt 351 statistische Diskriminierung 94, 261 Stellenbeschreibung 263 Suchkosten 262 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst 329, 362 Tarifvertragsparteien 243 taste-based discrimination 85 unterbewusste Verzerrung 120, 305 Vakanzkette 299 Verfügbarkeitsheuristik 123, 128 Weiterbildung, betriebliche 320 widersprüchliches Verhalten 284 Wissensökonomie, betriebliche 318