Das Thema hatte es in sich. Die Reaktion der deutschen und amerikanischen Presse auf Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues: Eine vergleichende Rezeptionsstudie über Fronterlebnis- und Weltkriegserinnerung in der Weimarer Republik und den USA in den Jahren 1929 und 1930 [1 ed.] 9783737010214, 9783847110217

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Das Thema hatte es in sich. Die Reaktion der deutschen und amerikanischen Presse auf Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues: Eine vergleichende Rezeptionsstudie über Fronterlebnis- und Weltkriegserinnerung in der Weimarer Republik und den USA in den Jahren 1929 und 1930 [1 ed.]
 9783737010214, 9783847110217

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Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs

Band 35

Herausgegeben von Thomas F. Schneider im Auftrag des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums Osnabrück

Nikos Späth

Das Thema hatte es in sich. Die Reaktion der deutschen und amerikanischen Presse auf Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues Eine vergleichende Rezeptionsstudie über Fronterlebnis- und Weltkriegserinnerung in der Weimarer Republik und den USA in den Jahren 1929 und 1930

V& R unipress Universitätsverlag Osnabrück

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar. Verçffentlichungen des UniversitÐtsverlags Osnabrþck erscheinen bei V& R unipress. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Axel Springer Stiftung. Zugleich phil. Diss., UniversitÐt Hamburg, 2018  2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Henri Martinie / Roger-Viollet / ullstein bild: Erich Maria Remarque (vermutl. 1929). Bearbeitet von Edward Koch / Fiete Deichgraph. Zeitungsþberschriften entnommen aus: Berliner Illustrierte Zeitung (7. 7. 1929), Die Weltbþhne (5. 2. 1929), New York Times (2. 6. 1929), Schenectady Gazette (25. 8. 1930), Vçlkischer Beobachter (15. 9. 1929). Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-7416 ISBN 978-3-7370-1021-4

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Deutschland und die USA vor und nach 1917: Eine dialektische Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Einführung . . . . . . . . . . . 1.2. Fragestellung und Zielsetzungen 1.3. Forschungsstand . . . . . . . . 1.4. Vorgehensweise und Methoden 1.5. Materiallage . . . . . . . . . . . 1.6. Aufbau der Arbeit . . . . . . . .

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3. Der Erste Weltkrieg: Erlebnis, Deutung und Erinnerung . . . . . . . 3.1. Das soldatische Fronterlebnis 1914–1918: Wesen und Sinngebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Die Mythisierung von Krieg und Fronterlebnis in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der »Great War« und die amerikanische Perspektive . . . . . . . 4.1. Die Vereinigten Staaten im Krieg: Vorbereitung, Verlauf und Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Fronterfahrungen amerikanischer Soldaten: Parallelen und Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Die Bewertung des ›Great War‹ in der US-Nachkriegsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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102

6 5. Im Westen nichts Neues: Genese, Publikation und literarische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Die Entstehung und Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Das Fronterlebnis in Im Westen nichts Neues . . . . . . . . . . . 5.3. Der Erste Weltkrieg in der zeitgenössischen Kriegsliteratur . . . 5.3.1. Fronterlebnis-Konzeptionen deutscher Schriftsteller . . . 5.3.2. Fronterlebnis-Konzeptionen amerikanischer Schriftsteller. 6. All Quiet on The Western Front: Ein Bestseller auf Leinwand . . . . . 6.1. Die Darstellung des Ersten Weltkriegs im aufstrebenden Medium Kino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Die Remarque-Verfilmung in Hollywood und Vermarktung im Kinobetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Reaktion der deutschen und US-Presse auf Im Westen nichts Neues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1. Die Presselandschaft der Weimarer Republik . . . . . . . 7.2.2. Rezeption von Im Westen nichts Neues (Roman) . . . . . . 7.2.2.1. Kommunistische Presse . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.2. Sozialdemokratische Presse . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.3. Liberale und linksliberale Presse . . . . . . . . . . 7.2.2.4. Nationalliberale Presse . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.5. Katholische Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.6. Nationalistische Presse . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.7. Nationalsozialistische Presse . . . . . . . . . . . . 7.2.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4. Ausblick: ›Filmkrieg‹ und der Triumph der Nazis über Remarque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3. Vereinigte Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1. Die Presselandschaft in den USA . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2. Rezeption von All Quiet on the Western Front (Roman) . . 7.3.2.1. Anerkennung als universelles Buch des ›Unbekannten Soldaten‹ . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.2. Wahrheit und Deutung des Fronterlebnisses in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.3. Die pazifistische Wirkung des Wortes: Zwischen Hoffnung und Skepsis . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhalt

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7

Inhalt

7.3.2.4. Die amerikanische Perspektive auf den ›Great‹ War und dessen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.5. Maßstab Literatur : Bewertung und Einordnung als Kriegsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2.6. Remarque und die Zensur : Eine mit scharfer Klinge geführte Debatte . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3. Rezeption von All Quiet on the Western Front (Film) . . . 7.3.3.1. Maßstab cineastischer Wert: Hollywoods Remarque-Interpretation . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3.2. Der Krieg auf Leinwand: Parallelen zwischen Film- und Buchrezeption . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3.3. Die pazifistische Wirkung des Bewegtbildes . . . . 7.3.4. Die deutsche Remarque-Debatte aus Sicht der Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4.1. Buchrezeption von Im Westen nichts Neues im Spiegel der US-Presse . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4.2. Eskalation des Kampfes gegen Remarque im ›Filmkrieg‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4.3. Prognosen zur politischen Entwicklung Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.4.4. Der besondere Blick über den Atlantik . . . . . . . 7.3.4.4.1. Remarque und die jüdisch-amerikanische Presse . . . . . . 7.3.4.4.2. Remarque und die deutsch-amerikanische Presse . . . . . . 7.3.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Remarques Geschichte vom Krieg in der Zwischenkriegszeit 1918–1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1. Die Remarque-Rezeption als Paradigma für das Ende der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1. Im Westen nichts Neues als »politischer Lackmus-Test« . . 8.1.2. Die Dissoziation der Linken am Beispiel des Bestsellers . . 8.1.3. Die Sammlung der Rechtskräfte im Kampf gegen Remarque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.4. Im Westen nichts Neues und der Niedergang der Ära Stresemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2. Die USA in den 1920er Jahren: Ein Land zwischen zwei ungewollten Kriegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1. Remarque und Amerikas spät entdecktes Erbe des ›Great War‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

8.2.2. Das Spannungsfeld zwischen US-Isolationismus und Internationalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3. All Quiet on the Western Front und das amerikanische Deutschland-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Wort, Bild und Wirkung: Vergleichende Thesen zur Remarque-Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10. Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel . . . . . . . .

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Biografie Erich Maria Remarque . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis

ADS AEF Ala AP APL ASEQ AUAM BPRS BRD Bufa BVP DAZ DBE D.C. DDP DDR DLG DNVP DVP EK I / II EPF GG GWU HZ IWnN I.W.W. JCH Komintern KP KPD KV KZ LEP

American Defense Society American Expeditionary Forces Allgemeine Anzeigen GmbH Associated Press American Protective League Army Service Experiences Questionnaire American Union Against Militarism Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Bundesrepublik Deutschland Bild- und Filmamt Bayerische Volkspartei Deutsche Allgemeine Zeitung Deutsche Biographische Enzyklopädie District of Columbia Deutsche Demokratische Partei Deutsche Demokratische Republik Deutsche Lichtbild Gesellschaft Deutschnationale Volkspartei Deutsche Volkspartei Eisernes Kreuz Erster / Zweiter Klasse Emergency Peace Federation Geschichte und Gesellschaft Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historische Zeitschrift Im Westen nichts Neues Industrial Workers of the World Journal of Contemporary History Kommunistische Internationale Kommunistische Partei Kommunistische Partei Deutschlands Kölnische Volkszeitung Konzentrationslager League to Enforce Peace

10 MG MGM MGZ Nazi NEA NS NSDAP NSL OHL RM SA SAP SPD SS TU UFA UP US USA USAMHI USPD Wipro ZfG

Abkürzungsverzeichnis

Maschinengewehr Militärgeschichtliche Mitteilungen Militärgeschichtliche Zeitschrift Nationalsozialist Newspaper Enterprise Association Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei National Security League Oberste Heeresleitung Reichsmark Sturmabteilung Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel Telegraphen-Union Universum Film AG United Press Die Vereinigten Staaten von Amerika betreffend Vereinigte Staaten von Amerika U.S. Army Military History Institute Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Wirtschaftsstelle der Provinzpresse Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

1.

Einleitung

1.1. Einführung »Wer mein Buch gelesen hat und daraus nichts anderes entnimmt als den Wunsch, das darin Geschilderte alles selbst zu erleben, – ja, dem würde auch durch nichts anderes zu helfen sein.« Erich Maria Remarque im Juni 1929

Als Erich Maria Remarque sich im Herbst 1927 Abend für Abend an den Schreibtisch seiner Berliner Wohnung im Kaiserdamm 114 setzte, um ein Buch über das Fronterlebnis im Ersten Weltkrieg zu schreiben, hätte wohl niemand gedacht, nicht einmal er selbst, dass er damit auch ein Stück Geschichte schuf. Nicht viel hatte zuvor darauf hingedeutet, dass der Gesellschaftsjournalist und ehemalige Lehrer, Kaufmann, Buchhalter, Grabsteinhändler und Werbetexter mit gerade einmal 30 Jahren zum Bestsellerautor werden würde. Doch genau dies geschah, nachdem sein Kriegsroman Im Westen nichts Neues ab Januar 1929 in den Buchhandlungen lag. Die Wirkung seines Textes indes sollte weit über die Feuilletons hinausgehen. Schon wenige Wochen nach dessen Erscheinen sprach man in Deutschland und bald auch im Ausland vom ›Fall Remarque‹. Denn nie zuvor hatte ein Schriftsteller den Krieg so deutlich und zugleich öffentlichkeitswirksam »als ein Meer des Grauens, der Schmerzen und des Barbarismus«1 beschrieben. Mit seiner »depressiv-resignativen These von der ›verlorenen Generation‹«2 konterkarierte er zugleich jede glorifizierende Retrospektive auf das Fronterlebnis. Während Im Westen nichts Neues noch heute als ›Bibel des Pazifismus‹ gelesen wird, wurde das Buch seinerzeit zum Politikum. Unbewusst hatte der aus einfachen Verhältnissen stammende Buchbinder-Sohn Remarque an der deut1 Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München 1968, S. 94. 2 Hans-H. Müller: Der Krieg und die Schriftsteller. Der Kriegsroman der Weimarer Republik, Stuttgart 1986, S. 303.

12

Einleitung

schen Historie mitgeschrieben und auch jenseits der Landesgrenzen mannigfaltige Reaktionen hervorgerufen. Wie stark der Roman polarisierte, zeigt dessen Rezeption durch die deutsche und amerikanische Presse exemplarisch auf. Von hasserfüllter Ablehnung bis hin zu euphorischer Vereinnahmung reichte das Meinungsspektrum. Gleichzeitig sagt dies viel über die politische und gesellschaftliche Lage in den beiden hier zu untersuchenden Ländern Deutschland und den USA aus, wie Remarque selbst erfahren musste. Größer hätten die Kontraste nicht sein können: Im amerikanischen Exil ab 1939 war er, der spätere US-Staatsbürger, ein anerkanntes Mitglied des Kulturbetriebs und verkehrte in höchsten Kreisen. Dagegen ging sein in Deutschland umstrittenes Buch im Mai 1933 in Flammen auf. Und weil die Nazis seiner nicht habhaft werden konnten, büßte zehn Jahre später Remarques Schwester Elfriede auf dem Schafott. Erst 1967 wurde der Schriftsteller als einer der »meistgelesenen, meist gepriesenen und meist angegriffenen« seiner Zeit von Bundespräsident Heinrich Lübke mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland nicht nur geehrt, sondern gewissermaßen offiziell rehabilitiert.3 Warum, bleibt die Frage, schieden sich an Im Westen nichts Neues so sehr die Geister? »Das Thema«, versuchte sich der Autor Franz Carl Weiskopf 1956 an einer nachvollziehbaren Erklärung, »hatte es in sich. Das Thema und die Zeit der Publikation.«4 Remarque warf in einer hoch politisierten Epoche Grundfragen auf, die eine Menge Brisanz in sich bargen – vor allem in seiner Heimat: Er fragte nach dem Bild jedes Lesers und Rezensenten vom Fronterlebnis, der Erinnerung an den vergangenen Krieg und damit dem Verhältnis zu einem möglichen neuen Krieg. Und schließlich fragte der Schriftsteller mit seinem Buch – implizit – nach der Stellung jedes Einzelnen zur demokratischen Staatsform der Weimarer Republik, deren tragende Kräfte eine Politik der internationalen Aussöhnung verfolgten. Für die dem Frieden zugeneigten Zeitgenossen war Remarques Fronterzählung daher ein Hoffnungsschimmer in einer zunehmend militarisierten Atmosphäre. Neben dem Gedanken des Pazifismus, den der Autor verkündete, hatte sein Buch aus ihrer Sicht eine heilsame Wirkung auf eine desillusionierte Frontgeneration, die ihre schrecklichen Erlebnisse bislang nicht artikulieren konnte. Die Rechtskräfte hingegen erkannten in dem Roman den »Geist der 3 Vgl. zu den biografischen Angaben u. a. Thomas F. Schneider (Hg.): Unabhängigkeit – Toleranz – Humor. Erich Maria Remarque 1898–1970, Osnabrück 2001 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 15); ders.: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«. Text, Edition, Entstehung, Distribution und Rezeption (1928–1930), Tübingen 2004; Hans Wagener: Remarque in Amerika – zwischen Erfolg und Exilbewußtsein, in: Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 9, Osnabrück 1999, S. 18–38, sowie ders.: Understanding Erich Maria Remarque, Columbia, South Carolina 1991, S. XI–XII und 1–8. 4 Franz Carl Weiskopf: Literarische Streifzüge, Ost-Berlin 1956, S. 55.

Einführung

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Niederlage«5 von 1918. Über Jahre hinweg hatten sie die Kriegserfahrungen der Soldaten ideologisch aufgewertet und erst so zum sogenannten ›Fronterlebnis‹ stilisiert.6 Das erlebte Grauen wurde dabei als altruistische Opferbereitschaft und vaterländisches Heldentum gedeutet und positiv konnotiert. Als Gegenpol zur missliebigen Nachkriegsordnung setzten die republikfeindlichen Kreise die Wertewelt der Front gezielt gegen die Republik ein, weshalb das Kriegserlebnis nach 1918 »zu einem politisch-ideologischen Faktor ersten Ranges« wurde, wie Kurt Sontheimer treffend formuliert.7 Doch nun machte ihnen der Schriftsteller mit seiner gänzlich unheroischen Frontschilderung das Sinngebungsmonopol über den Ersten Weltkrieg streitig. Mit jeder weiteren Rekordmarke, die das Buch mit seiner Auflage erklomm, wuchs für die Remarque-Gegner die Gefahr durch Im Westen nichts Neues. Auch in den USA, Remarques späterem Exil, war die Deutung des Ersten Weltkriegs und der soldatischen Erfahrungen Ende der 1920er Jahre ein zentrales Thema. Für die aufstrebende Weltmacht war es der erste Krieg auf fremden Boden gewesen, dessen Sinn, Wesen und Ausgang mit zeitlichem Abstand immer kritischer gesehen wurde. Der Versailler Vertrag galt als Enttäuschung, da sich in Europa offensichtlich revanchistische Tendenzen durchsetzten. Ein stabiler Frieden auf dem alten Kontinent, den der Einsatz in Übersee zum Ziel gehabt hatte, schien immer unwahrscheinlicher zu werden. Insofern stand das erbrachte Opfer der Vereinigten Staaten im ›Great War‹ für die Mehrheit der Amerikaner in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag. 5 Ernst Jüngers Bruder Friedrich Georg über Im Westen nichts Neues. Vgl. Edmund Schultz (Hg.): Das Gesicht der Demokratie. Ein Bilderwerk zur Geschichte der deutschen Nachkriegszeit. Mit einer Einleitung von Friedrich Georg Jünger, 2. Aufl., Leipzig 1931, S. 133f. 6 Der vor allem von der politischen Rechte genutzte Begriff des ›Fronterlebnisses‹ beinhaltet eine ideologische Subjektivität. Wenn es um diese mythisierte Form geht, wird dies im Folgenden deutlich werden. Andererseits wird sich im Verlauf der Rezeptionsanalyse zeigen, dass der Terminus von den Rezensenten häufig synonym mit den Begriffen »Kriegserlebnis«, »Fronterlebnisse«, »Fronterfahrungen« oder »Kampferlebnis« verwendet wurde. Der Verfasser erlaubt sich daher, auch die authentischen Kriegserfahrungen jedes einzelnen Soldaten – völlig wertneutral – als »Fronterlebnis« zu bezeichnen. Freilich muss hier in Übereinstimmung mit Wolfgang J. Mommsen eingeschränkt werden, dass es »kein auch nur annähernd einheitliches Kriegserlebnis« gab. »Vielmehr hatte jedermann sein eigenes Kriegserlebnis« (Wolfgang J. Mommsen: Der Erste Weltkrieg. Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters, Bonn 2004, S. 146). Es kann also nur darum gehen, allgemeine Grundströmungen in den Fronterlebnissen der Soldaten aufzuzeigen und diese den anschließend fabrizierten Mythen gegenüberzustellen. Im Übrigen wurde der Begriff »Erlebnis« durch Autoren wie Georg Simmel und Wilhelm Dithey bereits um die Jahrhundertwende zunehmend populär und brachte eine Sehnsucht nach Ganzheit zum Ausdruck. Neben dem ›Fronterlebnis‹ erhielt im und nach dem Ersten Weltkrieg auch das ›Augusterlebnis‹ einen populistischen Bedeutungsgehalt. Vgl. Manfred Hettling: Kriegserlebnis, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 638. 7 Sontheimer : Antidemokratisches Denken, S. 110.

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Einleitung

Im Rahmen dieser Aufarbeitung rückte die Frontgeneration in den Mittelpunkt des Diskurses. Immerhin waren über eine Viertelmillion junger Männer auf fremden Boden verletzt oder getötet wurden. Zudem hatten etliche der mehr als zwei Millionen über den Atlantik verschifften Soldaten angesichts ihrer Kriegserlebnisse Wiedereingliederungsprobleme in die Nachkriegsgesellschaft, welche sich viele Mitmenschen nicht erklären konnten. Zwar hatte der von der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein geprägte Begriff der ›Lost Generation‹ schon einige Jahre vor der US-Verlegung von Remarques Erfolgsroman im Juni 1929 die Runde gemacht, doch erst mit All Quiet on the Western Front fühlte sich diese ›verlorene Generation‹ erstmals wirklich repräsentiert. Das Buch aus Deutschland öffnete den Amerikanern die Augen für den wahren Charakter des modernen Abnutzungskriegs und die Folgen für die Soldaten. Unabhängig von der Herkunft des Verfassers erkannten die Leser Remarques Schilderung als Kriegserlebnis des ›Unbekannten Soldaten‹ aller Nationen an. Die zuvor erschienenen kriegskritischen Werke einheimischer Autoren wie Ernest Hemingway, E.E. Cummings oder John Dos Passos waren längst nicht auf eine so große Resonanz gestoßen wie ihr deutsches Pendant mit seiner desillusionierenden Darstellung der Front. Obschon die soziopolitischen Kontexte komplett unterschiedlich waren, bewegte Remarque in Deutschland, den USA und in vielen anderen Ländern die Gemüter. Je höher die Verkaufszahlen seines Kriegsromans schossen, desto mehr Menschen tauschten sich im Alltag darüber aus. Es entstand ein regelrechter Rummel um den Bestseller, der schließlich sogar die Politik im In- und Ausland veranlasste, sich damit zu befassen: Unter anderem in Österreich und der Tschechoslowakei wurde Im Westen nichts Neues aus den Soldaten-Bibliotheken verbannt, der faschistische Führer Benito Mussolini untersagte gleich den gesamten Vertrieb in Italien, während der Thüringer Landtag die Verwendung des Buches im Schulunterricht verbot. Die Presse als wichtigstes Medium der Informationsvermittlung und Meinungsbildung wirkte entscheidend an der großen Öffentlichkeit für die Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden mit. In Deutschland fungierten die Zeitungen dabei nicht nur als Spiegel des Geschehens, sondern ergriffen in dem bald erbitterten publizistischen Streit selbst Partei für oder gegen Im Westen nichts Neues. Es gab kaum ein Blatt, das sich nicht zu dem Buch äußerte – und das, obwohl dessen Verfasser überzeugt war, »jede politische, soziale, religiöse oder sonstige Stellungnahme« vermieden zu haben. »Erst durch seinen Erfolg«, stellte Remarque im Juni 1929 richtig fest, »wurde es in die politische Debatte gezogen.«8 Schnell sprang das Thema von den Literatur8 Axel Eggebrecht: Gespräch mit Remarque, in: Die Literarische Welt, Berlin, Nr. 24 vom 14. 6. 1929 (5. Jg.), S. 1.

Einführung

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spalten auf die Titelseiten und den politischen Teil der Zeitungen über. Damit war es inzwischen kein kulturelles Ereignis mehr, sondern ein politisch-gesellschaftliches, das »tief in die Gefühlswelt und die Gesinnungen des Deutschlands der Nachkriegszeit« eingriff, wie die Kölnische Volkszeitung im Juni 1929 darlegte.9 Zugleich erreichte der »Bürgerkrieg der Erinnerungen«10 mit dem »Kampf um Remarque«11, so die Herausgeber des Romans, seinen vorläufigen Höhepunkt. Im Gegensatz zur deutschen Presse nahmen amerikanische Zeitungen und Zeitschriften keine aktive Rolle im Kampf um die Deutungshoheit über den Ersten Weltkrieg ein. Sie bezogen durchaus klare Positionen, verfolgten aber keine politische Agenda und hielten an ihrer Überparteilichkeit fest. Umso mehr sorgte die hitzige deutsche Debatte für Erstaunen in den USA. Nachdem die junge deutsche Republik während der Ära Stresemann gerade erst deutlich an Ansehen gewonnen hatte, bereitete den amerikanischen Kommentatoren das Aufbegehren der Rechtskräfte gegen Remarque zunehmend Sorgen. Für Deutschlands Zukunft verhieß dies nichts Gutes. Mit der Hollywood-Verfilmung des Buches leisteten dann auch die Vereinigten Staaten ihren Beitrag zur Remarque-Debatte, welche sich im sogenannten Berliner ›Filmkrieg‹ nochmals zuspitzte. Als der Streifen der Universal Pictures Corporation im Dezember 1930 in der deutschen Hauptstadt anlief, war All Quiet on the Western Front in den USA im Frühjahr desselben Jahres bereits ein Kassenschlager gewesen. Im November 1930 hatte der vom deutschstämmigen Carl Laemmle produzierte Streifen sogar die Academy Awards für den besten Film und die beste Regie erhalten. Die politische Rechte in Deutschland fand gar nichts Erbauliches an der Leinwandfassung des Romans und intensivierte ihre Agitation gegen die verhasste Fronterzählung noch einmal. Dabei war ihre Ablehnung von Im Westen nichts Neues stets mit der Vermittlung der eigenen Weltanschauung verknüpft. Und da diese gegen die Republik gerichtet war, entwickelte sich der Kampf gegen Remarques Werk zu einem Stellvertreterkrieg um die demokratische Staatsform, den die republikstützenden Kräfte letztlich verloren.12 So ist die deutsche Remarque-Rezeption gleichsam ein Paradigma für den Untergang der Weimarer Republik.

9 N.N.: Streiflichter, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 396 vom 8. 6. 1929 (70. Jg.). 10 Edgar Wolfrum: Geschichte als Waffe. Vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung, Göttingen 2001, S. 33. 11 Sonderprospekt des Propyläen-Verlags zur 650.000 Auflage von »Im Westen nichts Neues« in Deutschland (»Der Kampf um Remarque«), Berlin 1929. 12 Vgl. Wilhelm von Sternburg: »Als wäre alles das letzte Mal«. Erich Maria Remarque. Eine Biographie, Köln 1998, S. 151.

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Einleitung

Zugleich markiert die Debatte um Im Westen nichts Neues das Ende der vergleichsweise stabilen und prosperierenden »goldenen zwanziger Jahre«13 – in Deutschland wie auch in den USA. Mit der Großen Depression beschleunigte sich die politische Radikalisierung in Remarques Heimatland, während sich in Amerika in Bezug auf Europa Resignation breitmachte und man sich auf die Probleme im eigenen Land fokussierte. Auch ein Jahrhundert, nachdem an der von Remarque beschriebenen Westfront die Waffen niedergelegt wurden, wirkt Im Westen nichts Neues unvermindert fort. In mehr als 50 Sprachen übersetzt, gilt das Buch nicht nur weiterhin als Klassiker der Weltliteratur, sondern wird rund um den Globus als Friedensappell gelesen. Die Jubiläen 2014 und 2018 haben Remarques unbeschönigendem Bild vom Krieg einen zusätzlichen Popularitätsschub gegeben.14 Im Westen nichts Neues ist Unterrichtsgegenstand an Schulen15 und Universitäten, wird häufig in den Medien thematisiert und an Schauspielbühnen im Inund Ausland aufgeführt. Eine gemeinsame Adaption des Stoffes durch das Hamburger Thalia-Theater und das Nationaltheater im belgischen Gent war beispielsweise Bestandteil des Gedenktages »1914–2014. Hundert europäische Jahre«, zu dem der damalige Bundespräsident Joachim Gauck am 27. Juni 2014, dem Vorabend des 100. Jahrestages des Attentats von Sarajewo, ins Berliner Schloss Bellevue eingeladen hatte. »Front«, so der Name des Stückes, wurde vom Bundespräsidialamt zum wichtigsten kulturellen Beitrag im Gedenkjahr an den Ersten Weltkrieg erklärt.16 13 Bärbel Schrader und Jürgen Schebera weisen darauf hin, dass eigentlich nur von fünf »goldenen zwanziger Jahren« gesprochen werden kann – jene Periode von 1924 bis 1929, die allgemein als »Ära Stresemann« bezeichnet wird. Vgl. Bärbel Schrader und Jürgen Schebera: Kunst-Metropole Berlin 1918–1933, Berlin/Weimar 1987, S. 5. 14 Thomas F. Schneider hat bereits 2002 das nahezu ungebrochene Interesse an dem deutschen Schriftsteller nachgewiesen. Anhand von Übersetzungs- und Ausgabenzahlen seit den 1920er Jahren kam er zu dem Ergebnis, dass ab Mitte der 1950er Jahre zunächst eine knapp zwei Jahrzehnte dauernde Remarque-Renaissance einsetzte, bevor es etwas ruhiger um den 1970 verstorbenen Autor wurde. Der Fall des Eisernen Vorhangs und Remarques 100. Geburtstag 1998 brachten seinen Werken dann neue Aufmerksamkeit ein. Vgl. Thomas F. Schneider : Einige Beobachtungen zu den Übersetzungs- und Ausgabenzahlen der Werke Erich Maria Remarques, in: ders. und Roman R. Tschaikowski (Hg.): In 60 Sprachen. Erich Maria Remarque: Übersetzungsgeschichte und -probleme, Osnabrück 2002 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 16), S. 152–156. 15 So zum Beispiel im Kerncurriculum der gymnasialen Oberstube und der Abiturprüfung 2016 in Niedersachsen. Vgl. Thomas F. Schneider: »Dieses Buch gehört in die Schulstuben.« Die internationale Rezeption von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues, in: HansHeino Ewers (Hg.): Erster Weltkrieg. Kindheit, Jugend und Literatur, Frankfurt am Main u. a. 2016 (Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien, Bd. 104), S. 128 und 131. 16 Vgl. Armgard Seegers: Mit »Front« zum Sommerfest im Schloss Bellevue, in: Hamburger Abendblatt, 27. 6.2014 [online], verfügbar unter: https://www.abendblatt.de/kultur-live/arti cle129521113/Mit-Front-zum-Sommerfest-im-Schloss-Bellevue.html [4.7.2018]; sowie Bundespräsidialamt: Abendveranstaltung »1914–2014. Hundert europäische Jahre«, 27. 6. 2014

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Rückblickend ist es nach wie vor ein Phänomen: Warum bewegte der Text gerade dieses nach Orientierung suchenden jungen Mannes Abermillionen Leser in aller Welt? Er, der in einer – wie er selbst fand – katholisch geprägten »kleinbürgerlichen Atmosphäre« in Osnabrück aufgewachsen war?17 Weshalb polarisierten seine Worte stärker als die jedes anderen deutschen Schriftstellers seiner Epoche, obwohl Remarque bis dato nur durchschnittliche literarische Gehversuche unternommen hatte? Warum berührt seine Geschichte heute noch so stark wie damals – trotz oder gerade wegen all der Kriege, die auf die erste Katastrophe des 20. Jahrhunderts folgten?18 Auch dies sind Fragestellungen, denen anhand der Rezeption von Im Westen nichts Neues durch die deutsche und amerikanische Presse nachgegangen werden soll.

1.2. Fragestellung und Zielsetzungen Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag zum Forschungsfeld Kriegserlebnis. Diesem ist im Zuge der Aufwertung der Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs in den vergangenen Dekaden eine wachsende Aufmerksamkeit in der Geschichtswissenschaft zuteilgeworden. Das Hauptziel der Untersuchung besteht darin, einen möglichst umfangreichen Überblick über die Rezeption von Im Westen nichts Neues durch die Presse der Weimarer Republik und vergleichend dazu der US-Presse im selben Zeitraum zu geben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Jahren 1929 und 1930. Den thematischen Rahmen bildet die retrospektive Deutung des Fronterlebnisses und damit zugleich des Weltkriegs im Allgemeinen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum gerade Erich Maria Remarques Erzählung in den Mittelpunkt des Diskurses um das ›Erbe der Front‹ rückte, wo doch der Roman bei Weitem nicht der einzige war, der sich kritisch mit dem Krieg befasste. Was führte dazu, dass Im Westen nichts Neues in Deutschland zu einem derartigen Politikum wurde? Und warum erfuhr in den

[online], verfügbar unter: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/JoachimGauck/Reden/2014/06/140627-Gedenkveranstaltung-1914-2014-abends.html [4.7.2018]. 17 Wilhelm Scherp: Der Gefangene seines Ruhmes. Remarque spricht über sich selbst, in: Kölnische Zeitung, Nr. 648 vom 26. 11. 1929 (84. Jg.), S. 4. 18 Eine persönliche Beobachtung zur anhaltenden Popularität von Erich Maria Remarque machte der Verfasser dieser Arbeit am 26. Juni 2014 in der Universität Hamburg. Im Rahmen einer Vorlesungsreihe zum Ersten Weltkrieg besuchten rund 80 Zuhörer einen Vortrag von Thomas F. Schneider über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte von Im Westen nichts Neues. Der gut gefüllte Hörsaal war insofern überraschend, als dass parallel die deutsche Fußballnationalmannschaft um den Einzug in die nächste Runde der Weltmeisterschaft spielte – angesichts einer TV-Einschaltquote von 84 Prozent eine scheinbar übermächtige publizistische Konkurrenz.

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Vereinigten Staaten ausgerechnet ein Schriftsteller aus dem ehemaligen Feindesland eine solch enorme Publizität und Anerkennung? Zu untersuchen wird im Detail sein, welche Rückschlüsse die Rezensionen in ihrer Gesamtheit auf die soziopolitischen Strömungen in beiden Ländern zulassen. Mit Blick auf die Weimarer Republik bedeutet das, Indizien für die gesamtgesellschaftliche Radikalisierung in der ausgehenden Ära Stresemann zu finden. Welche Ideologien traten in der Auseinandersetzung mit dem Erfolgsroman und der anschließenden Kinoadaption zutage? Kann der ›Fall Remarque‹ als Teil eines größeren Kulturkampfes weitere Erklärungen für den Aufstieg der Nationalsozialisten und das Ende der Demokratie in Deutschland liefern? Steht umgekehrt der Umgang mit All Quiet on the Western Front in den USA für die damalige Friedenssehnsucht im Land? Finden sich in den Rezeptionszeugnissen vielleicht sogar Anhaltspunkte für einen wachsenden amerikanischen Isolationismus, der auf den enttäuschenden Nachkriegsentwicklungen in Europa fußte? Und warum arbeitete die Siegernation erst ein Jahrzehnt nach dem Waffenstillstand die Folgen des ›Great War‹ auf ? Die kriegskritische Geschichte aus Deutschland lieferte hierfür ein regelrechtes Ventil. Ferner wirft die Remarque-Rezeption Schlaglichter auf die wechselhaften deutsch-amerikanischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nachdem sich diese in den 1920er Jahren entscheidend verbessert hatten, hellten sich auch die Perzeptionen von Deutschland in den Vereinigten Staaten auf. In vielen Rezensionen von All Quiet on the Western Front in der US-Presse wird deutlich werden, dass die alten, von Propaganda induzierten Feinbilder der ›Hunnen‹ so nicht mehr existierten. An ihre Stelle trat der Gedanke der Völkerversöhnung. Die Frage ist, ob Remarques Roman davon profitierte – oder ob er selbst einen Teil dazu beitrug. Womöglich trifft auch beides zu. Erörtert werden soll im Verlauf der Arbeit außerdem, welchen Einfluss dieses neue Deutschland-Bild auf die Zukunftsprognosen der politischen Kommentatoren in den USA für die Weimarer Republik hatte. Könnte es sein, dass ihnen die positiven Images im Weg standen, das sich anbahnende Unheil in Remarques Heimatland zu erkennen? Einblicke hierzu kann insbesondere die amerikanische Presseberichterstattung über den ›Filmkrieg‹ um Im Westen nichts Neues liefern, welcher beispielhaft für die transatlantischen Wechselwirkungen in der Rezeption steht. Wie reagierten die amerikanischen Journalisten auf die Angriffe von rechts gegen ein Kulturprodukt aus den Vereinigten Staaten? Veranlasste sie die Agitation der Nationalsozialisten und das darauffolgende Filmverbot im Dezember 1930 dazu, ihr Deutschland-Bild erneut zu revidieren? Ein weiteres Ziel der Quellenanalyse ist es, das unterschiedliche Rollenverständnis der deutschen und amerikanischen Presse aufzuzeigen. Inwieweit gaben die Zeitungen und Zeitschriften vorherrschende Meinungen wieder – und wann ergriffen sie selbst aktiv Partei im Erinnerungskampf um den Ersten

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Weltkrieg? Warum und mit welchen Methoden wurde Remarques Buch bekämpft bzw. verteidigt? Und welche politische Programmatik stand dahinter? Die Antworten auf diese Fragen können Hinweise auf den demokratischen Reifegrad beider Staaten geben. Um ihrer Funktion als vierte Gewalt in der Demokratie gerecht zu werden, ist die Unabhängigkeit der Presse schließlich Voraussetzung. Darüber hinaus soll diskutiert werden, welche Auswirkungen außer-textuelle Faktoren auf die Rezeption hatten. Denn nicht nur die Weltbilder der Rezensenten prägten die Kritiken, sondern auch die Marketingangaben all jener, die an Remarques Geschichte verdienen wollten: allen voran die Buchverlage Ullstein und Little, Brown & Company sowie die Filmproduktionsfirma Universal Pictures und Kinotheater, die den Hollywood-Streifen zeigten. Ohne diese vielfältigen externen Einflüsse lässt sich die Heterogenität der Reaktionen auf ein- und dieselben Wörter und Bilder – von leichten Änderungen und den unterschiedlichen Sprachen einmal abgesehen – nicht erklären. Über allem steht letztlich die Frage, welche Wirkkraft künstlerische Mahnungen vor dem Krieg am Ende gehabt haben. Viele Zeitgenossen knüpften diesbezüglich große Hoffnungen an Remarques gar nicht erbauliche Schilderung von der Front. Die hohen Auflagenzahlen und ausverkauften Kinosäle schienen ihnen recht zu geben. Der Pazifismus, so die mehrheitliche Erwartung der Kriegsgegner, werde sich durch Im Westen nichts Neues quasi von selbst verbreiten. Doch führte eine – unterstellte – Identifikation im Publikum automatisch zu aktiven Handlungen gegen den Krieg? Und selbst wenn dies so war : Welche Grenzen hat dann der pazifistische Einfluss von Kunst angesichts realer politischer und ökonomischer Interessen, Kriegslobbyismus und Propaganda? Noch heute lassen sich diese Fragen schwer beantworten, da es nach wie vor an wissenschaftlichen Methoden zum Rezeptionsverhalten des Publikums fehlt. Der Unterschied zu 1929/30 indes ist: Aufgrund des historischen Wissens werden keine derart großen Erwartungen mehr in die friedensstiftende Wirkung von Kunst und Literatur gesetzt. Die damalige Euphorie und anschließende Ernüchterung vieler Pazifisten bezüglich Im Westen nichts Neues lassen trotzdem tief in den Zeitgeist der Weimarer Republik und der USA in der kurzen Zwischenkriegszeit blicken. Deshalb soll dieser übergeordnete Aspekt in der Rezeptionsanalyse stets mitbetrachtet werden.

1.3. Forschungsstand 100 Jahre Kriegsende, 100 Jahre Weltkriegsforschung. Wie schon zum Jubiläum des Kriegsbeginns 2014 haben Geschichtswissenschaftler in aller Welt den Jahrestag des Waffenstillstands am 11. November 2018 zum Anlass genommen,

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ihre Untersuchungen zu dem weiten und längst noch nicht ausgeforschten Themenfeld zu präsentieren. Nachdem bereits im vergangenen Jahrzehnt durchschnittlich 150 Publikationen per annum über den Ersten Weltkrieg erschienen sind19, ist die Welle an wissenschaftlicher Literatur zuletzt noch einmal angewachsen.20 Begleitet wird sie von regen populärwissenschaftlichen Debatten in den Medien. Auch die vorliegende Arbeit hat den Anspruch, zum kulturgeschichtlichen Diskurs über den Ersten Weltkrieg und dessen Folgen beizutragen. Als länderübergreifende Studie über Fronterlebnis- und Weltkriegserinnerung wird sie zum einen den Blick für die weltanschaulichen Orientierungen sowohl in Deutschland als auch den Vereinigten Staaten Ende der 1920er Jahre schärfen. Zum anderen ermöglicht die vergleichende Analyse der Presserezeption von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues Erkenntnisse über die transatlantischen Beziehungen und Perzeptionen dieser Zeit. Vor dem Hintergrund 19 Vgl. Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 7. 20 Über neue Forschungsliteratur und Trends in der Weltkriegsforschung: Stig Förster : Hundert Jahre danach. Neue Literatur zum Ersten Weltkrieg, in: Neue Politische Literatur (2015), Jg. 60, Nr. 1, S. 5–25; Alan Kramer : Recent Historiography of the First World War, in: Journal of Modern European History (2014), Bd. 12, Nr. 1, S. 5–27 und Bd. 12, Nr. 2, S. 155–174 (Fortsetzung); Das Santanu, Gerhard Hirschfeld, Heather Jones, Jennifer Keene, Boris Kolonitskii und Jay Winter : Global Perspectives on World War I. A Roundtable Discussion, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History (2014), Jg. 11, Nr. 1, S. 92– 119. Neue Forschungsansätze und Debatten zum Kriegsausbruch: Andreas Gestrich und Hartmut Pogge von Strandmann (Hg.): Bid for World Power? New Research on the Outbreak of the First World War, Oxford/New York 2017; Werner Röhr : Hundert Jahre deutsche Kriegsschulddebatte. Vom Weißbuch 1914 zum heutigen Geschichtsrevisionismus, Hamburg 2015; Sean McMeekin: Juli 1914. Der Countdown in den Krieg, Berlin 2014; Gerd Krumeich: Juli 1914. Eine Bilanz. Mit 50 Schlüsseldokumenten zum Kriegsausbruch, Paderborn 2013; Christopher Clark: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013. Neue und überarbeitete Überblicksdarstellungen: Gerd Krumeich: Deutschland, Frankreich und der Krieg. Historische Studien zu Politik, Militär und Kultur, hg. von Susanne Brandt, Thomas Gerhards und Uta Hinz, Essen 2015; St8phane AudoinRouzeau und Jean-Jacques Becker (Hg.): Encyclop8die de la Grande Guerre, 1914–1918. Historie et Culture, erweit. Ausg., Montrouge 2014; Jay Winter (Hg.): The Cambridge History of the First World War, 3 Bde., Cambridge u. a. 2014; Hew Strachan: Der Erste Weltkrieg. Eine neue illustrierte Geschichte, München 2014; Wolfgang Kruse (Hg.): Der Erste Weltkrieg, Darmstadt 2014; Gerd Krumeich: Der Erste Weltkrieg. Vom Krieg der Großmächte zur Katastrophe Europas, Bonn 2014; Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, erneut aktualisierte und erw. Studienausg., 2. Aufl., Paderborn 2014; Niall Ferguson: Krieg der Welt. Was ging schief im 20. Jahrhundert?, Berlin 2014; Herfried Münkler : Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, Berlin 2013. Kulturgeschichtliche Aspekte: Jay Winter : War beyond Words. Languages of Remembrance from the Great War to the Present, Cambridge u. a. 2017; Steffen Bruendel: Jahre ohne Sommer : Europäische Künstler in Kälte und Krieg, München 2016; ders.: Zeitenwende 1914. Künstler, Dichter und Denker im Ersten Weltkrieg, Göppingen 2014; Dietrich Schubert: Künstler im Trommelfeuer des Krieges 1914–1918, Heidelberg 2013; Geert Buelens: Europas Dichter und der Erste Weltkrieg, Berlin 2014.

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der deutsch-amerikanischen Spannungen in den vergangenen Jahren ist eine Vergegenwärtigung des historisch intensiven Verhältnisses zwischen beiden Ländern aktueller und lohnenswerter denn je – gerade weil dieses in den vergangenen hundert Jahren mehrfach von Abstoßung und Nähe, Krieg und Frieden geprägt war. Das im Zentrum dieser Untersuchung stehende Kriegserlebnis 1914–1918 und dessen Deutung in der Nachkriegsgesellschaft hat im Zuge des in den 1980er Jahren erfolgten Paradigmenwechsels von der Strukturgeschichte zur Geschichte als ›Erfahrungswissenschaft‹ ein großes Interesse hervorgerufen.21 Verschiedenste kultur-, mentalitäts- und alltagshistorische Blickwinkel rückten die Kriegserfahrungen und -verarbeitungen der einfachen Leute – Soldaten wie Zivilisten – als »Gegenstand quellenorientierter Forschung«, so Gerd Krumeich und Gerhard Hirschfeld, in den Mittelpunkt.22 Auf Basis von Briefen, Tagebüchern, Familienchroniken, Nachlassprotokollen etc. konnte so im Ansatz eine Geschichte – mit den Worten Wolfram Wettes – vom »Krieg des kleinen Mannes«23 geschrieben werden.24 Für die Rekonstruktion des eigentlichen Fronterlebnisses wurden insbesondere Feldpostsammlungen herangezogen.25 Als relativ gut erschlossene Quellengattung der historischen Mentalitäten-Forschung haben sich die Briefe von Soldaten als wertvoll erwiesen, der »[schweigsamen] Gestalt des feldgrauen Kämpfers und Dulders mit dem vom Stahlhelm überschatteten Antlitz«, wie Karl Dietrich Erdmann noch 1983 konstatierte, eine Stimme zu verleihen.26 Neben Wolfram Wette machten sich seit den 1990er Jahren vor allem Bernd Ulrich und Benjamin Ziemann27 in der deutschen Kriegserlebnisforschung darum verdient, 21 Vgl. u. a. Bruno Thoß: Der Erste Weltkrieg als Erlebnis und Ereignis. Paradigmenwechsel in der westdeutschen Weltkriegsforschung seit der Fischer-Kontroverse, in: Wolfgang Michalka (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994, S. 1012– 1043. 22 Gerd Krumeich und Gerhard Hirschfeld: Die Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg, in: dies. und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 310. 23 Wolfram Wette (Hg.): Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992. 24 Vgl. hierzu grundlegend Bernd Hüppauf: Was ist Krieg? Zur Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs, Bielefeld 2013, sowie Gerd Krumeich: Kriegs-(Un)Kultur? Zur deutschen und französischen Forschung über eine Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs, in: Christoph Cornelißen (Hg.): Geschichtswissenschaft im Geist der Demokratie. Wolfgang J. Mommsen und seine Generation, Berlin 2010, S. 99–114. 25 Vgl. auch Kap. 3.1, S. 70f. 26 Karl Dietrich Erdmann: Der Erste Weltkrieg, 4. Aufl., Stuttgart 1983, S. 233. 27 Bernd Ulrich und Benjamin Ziemann (Hg.): Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente, Frankfurt am Main 1994; dies.: Das soldatische Kriegserlebnis, in: Wolfgang Kruse (Hg.): Eine Welt von Feinden. Der Große Krieg 1914– 1918, Frankfurt am Main 1997, S. 127–159; Bernd Ulrich: Die Augenzeugen. Deutsche

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die »Tragödie des gemeinen Soldaten im Weltkriege«28 zu illustrieren. Gleiches gilt für Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz mit ihrer richtungsweisenden Quellensammlung aus dem Jahr 199329. Erwähnenswert sind ferner Beiträge von Richard Bessel30, Aribert Reimann31, Anne Lipp32, Wolfgang J. Mommsen33 und zuletzt Jens Ebert34. Allerdings sind inzwischen Grenzen sogenannter Egoquellen wie Feldpost und Tagebücher erkennbar geworden. Ohne die Kontextualisierung dieser Zeitdokumente als spezifische Repräsentationsform des Kriegserlebnisses wird die Schreibung einer ›Kriegsgeschichte von unten‹ zu eindimensional geraten, sind sich Forscher heute weitestgehend einig.35 Daher ist es nachvollziehbar, dass in der jüngeren Kriegskulturforschung »Mentalitäten, Erfahrungswelten, Propaganda und Ideologie wieder stärker zusammen [fließen]« als in der reinen Erlebnisforschung, wie Krumeich und Hirschfeld betonen.36 Einen Wandel hat auch die Analyse von Kriegsliteratur durchgemacht. Von der Kriegsschreibung über die ›großen Männer‹ (Heeresführer, Politiker, Diplomaten etc.), die nach 1918 bald auf ein nachlassendes Interesse bei der Le-

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Feldpostbriefe in Kriegs- und Nachkriegszeit 1914–1933, Essen 1997; Benjamin Ziemann: Das »Fronterlebnis« des Ersten Weltkriegs – eine sozialhistorische Zäsur?, in: Hans Mommsen (Hg.): Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln 2000, S. 43–82. Martin Hobohm: Das Fronterlebnis in der Dichtung. »Im Westen nichts Neues« (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A300 vom 16. 12. 1928 (226. Jg.). Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.): »Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch …« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt am Main 1993, S. 175– 198. Richard Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen: Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs auf das politische und soziale Leben der Weimarer Republik, in: Marcel van der Linden und Gottfried Mergner (Hg.): Kriegsbegeisterung und mentale Kriegsvorbereitung. Interdisziplinäre Studien, Berlin 1991, S. 125–140. Aribert Reimann: Die heile Welt im Stahlgewitter. Deutsche und englische Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg, in: Gerhard Hirschfeld et al. (Hg.): Kriegserfahrungen. Studien zur Sozialund Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, Essen 1997, S. 130. Anne Lipp: Friedenssehnsucht und Durchhaltebereitschaft. Wahrnehmungen und Erfahrungen deutscher Soldaten im Ersten Weltkrieg, in: Archiv für Sozialgeschichte (1996), Nr. 36, S. 279–292. Wolfgang J. Mommsen: Kriegsalltag und Kriegserlebnis im Ersten Weltkrieg, in: MGZ (2000), Nr. 59, S. 125. Jens Ebert (Hg.): Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution. Briefe aus dem Weltkrieg 1914–1918, Göttingen 2014. Vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 11f. Siehe u. a. auch Elke Scherstjanoi: Als Quelle nicht überfordern! Zu Besonderheiten und Grenzen der wissenschaftlichen Nutzung von Feldpostbriefen in der (Zeit-)Geschichte, in: Veit Didczuneit, Jens Ebert, Thomas Jander (Hg.): Schreiben im Krieg – Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Essen 2011, S. 117–125. Krumeich und Hirschfeld: Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg, S. 312.

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serschaft stieß,37 hatten sich Geschichts- und Literaturwissenschaftler allmählich der Narration des einfachen Muschkoten zugewandt. Erste Forschungen zur Kriegsliteratur über den Ersten Weltkrieg erschienen noch in den 1930er Jahren. Nachdem es vor und nach dem Zweiten Weltkrieg etwas ruhiger um das Genre wurde, erlebte es seit den späten 1960er Jahren als Untersuchungsgegenstand eine Renaissance.38 Standards setzten dabei für den Kriegsroman der Weimarer Republik Karl Prümm (1974)39, Michael Gollbach (1978)40 sowie Erhard Schütz und Hans-Harald Müller (beide 1986)41. Für die britische Literatur über den Ersten Weltkrieg ist Paul Fussells Studie von 1975 hervorzuheben42, während Amerikas Beitrag bereits 1967 von Stanley Cooperman eindrücklich beschrieben wurde.43 Eine breitere kulturhistorische Perspektive nahm 1989 Modris Eksteins in seiner viel beachteten Abhandlung über die Geburt der Moderne im Ersten Weltkrieg ein, für die er auch internationale Kriegsliteratur betrachtete.44 Während einige der vorgenannten Autoren im Bereich der historischen Forschung Kriegsbücher noch als Primärquelle nutzten, um das Kriegserlebnis zu rekonstruieren, ist der Quellenwert von Kriegsliteratur seit den 1990er Jahren verstärkt infrage gestellt worden. Allein schon die Frage nach der Authentizität eines Textes (Dokumentation, Fiktion oder eine Mischform aus beidem?) stellt große Herausforderungen an die Rezipienten, wie im Übrigen schon die zeitgenössischen Reaktionen auf Im Westen nichts Neues zeigen. Daher konzentrieren sich Historiker inzwischen darauf, »die jeweiligen Kontexte zu untersuchen, in denen bestimmte Formen der Repräsentation des Krieges präferiert wurden«, wie der führende Remarque-Forscher Thomas F. Schneider erläutert. Das beginnt bei den Autoren selbst, schließt die Distributoren ein und endet bei der Leserschaft, die je nach ihrer Milieuzugehörigkeit unterschiedlich auf die Texte reagiert. Insofern kann Kriegsliteratur und der Umgang mit ihr zwangsläufig nur als »kulturelles, soziales und politisches Phänomen« verstanden werden, welches »im Rahmen größerer Kontexte beschrieben werden muss«, stimmt der Verfasser dieser Arbeit mit Schneider überein.45 Eine engere Zu37 Vgl. Kap. 5.3.1, S. 131. 38 Vgl. zum Stand der Kriegsliteraturforschung ausführlich bei Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 7–12. 39 Karl Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus der 20er Jahre, 1918–1933. Gruppenideologie und Epochenproblematik, Bd.1, Kronberg 1974. 40 Michael Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges in der Literatur. Zu den Frontromanen der späten zwanziger Jahre, Kronberg 1978. 41 Erhard Schütz: Romane der Weimarer Republik, München 1986; Müller : Der Krieg und die Schriftsteller. 42 Paul Fussell: The Great War and Modern Memory, Oxford 1975. 43 Stanley Cooperman: World War I and the American Novel, Baltimore 1967. 44 Modris Eksteins: Rites of Spring: The Great War and the Birth of the Modern Age, Boston 1989. 45 Schneider : Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 11f.

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sammenarbeit von Literatur- und Geschichtswissenschaft könnte die Kriegsliteraturforschung entscheidend voranbringen. Trotz erster Ansätze zum Kriegsroman der Weimarer Republik46 haben sich bislang allerdings noch keine interdisziplinären Analysemechanismen etabliert, mittels derer die Wirkungsgeschichte von Kriegsbüchern – geschweige die Presserezeption derselben – ganzheitlich beleuchtet werden könnte.47 Ungeachtet der offenen Fragen und bestehenden Lücken in der Kriegserlebnis- und Kriegsliteraturforschung ist dieses Themenfeld für die Weimarer Republik deutlich tiefer ergründet worden als für die Vereinigten Staaten im selben Zeitraum. Überhaupt hinkt die kultur- und mentalitätsgeschichtliche Forschung zum Ersten Weltkrieg in den USA der deutschen vergleichsweise weit hinterher – und zwar sowohl in Bezug auf das Fronterlebnis der Soldaten als auch dessen Verarbeitung in der Kriegsliteratur inklusive deren Rezeption.48 Dieser Zustand resultiert aus der langjährigen Präferenz der amerikanischen Historiografie für andere Kriege, die in der gesamtgesellschaftlichen Erinnerungskultur des Landes eine größere Bedeutung hatten: etwa der Amerikanische Bürgerkrieg oder der Vietnamkrieg. Zudem wurde der ›Great War‹ im Gegensatz zu Deutschland erst sehr spät in einer engen Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg behandelt, in dessen Schatten er bis zuletzt stand.49 Aus der Makroperspektive ist der Einsatz der USA »over there« dennoch seit geraumer Zeit gut aufgearbeitet. Dies betrifft beispielsweise die Mobilisierung der Soldaten, ihre Verschiffung nach Europa, die Stationierung an bestimmten Frontsektionen, die Teilnahme an den wichtigsten Schlachten sowie die Verlustzahlen der Armee. Das persönliche Kriegserleben und dessen Folgewir46 Vgl. beispielsweise Ann P. Linder : Princes of the Trenches: Narrating the German Experience of the First World War, Columbia, South Carolina 1996. 47 Anregungen und Empfehlungen in dieser Hinsicht haben zuletzt u. a. gegeben: Jörg Lehmann, Imaginäre Schlachtfelder. Kriegsliteratur in der Weimarer Republik, Norderstedt 2014; Florian Brückner : Der Kriegsroman der Weimarer Republik. Methoden, Desiderata, Forschungsperspektiven, in: Sabina Becker (Hg.): Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik, Bd. 17 (2015/2016), München 2016, S. 175–199; ders.: Dichtung und Wahrheit – Authentifizierungsstrategien, Verschleierung von Fiktionalität und politischer Wahrheitsanspruch im Kriegsroman der Weimarer Republik, in: Thomas F. Schneider und Claudia Glunz (Hg.): Dichtung und Wahrheit. Literarische Kriegsverarbeitung vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Osnabrück 2015 (Jahrbuch Krieg und Literatur, Bd. 21), S. 53–66; Nicolas Beaupr8: Schreiben im Krieg: Die »Frontliteratur« – eine hybride literarische Gattung?, in: Wolfram Pyta, Jörg Lehmann (Hg.): Krieg erzählen – Raconter la guerre. Darstellungsverfahren in Literatur und Historiographie nach den Kriegen von 1870/71 und 1914/18, Berlin 2014, S. 129–142. 48 Vgl. Jay Winter und Antoine Prost: The Great War in History. Debates and Controversies, 1914 to the Present, Cambridge u. a. 2005 (Studies in the Social and Cultural History of Modern Warfare, Bd. 21), S. 82–107. 49 Vgl. Steven Trout: On the Battlefield of Memory : The First World War and American Remembrance, 1919–1941, Tuscaloosa 2010, S. 1–41. Siehe auch Kap. 4.3, S. 106–109.

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kungen in der Nachkriegszeit indes ist in der Mehrzahl entsprechender Überblicksstudien jahrzehntelang nur am Rande gestreift worden.50 Erst seit Ende der 1990er Jahre hat sich die historische Forschung in den Vereinigten Staaten der Perspektive der »Doughboys«, wie die amerikanischen Infanteristen auch tituliert wurden, nach und nach angenähert. Zu erwähnen sind hier insbesondere die Arbeiten von Mark Meigs51, Byron Farwell52, Gary Mead53, Robert H. Zieger54, Jennifer D. Keene55 und Peter Krass56. Eine nochmals gestiegene Aufmerksamkeit für den einfachen Frontsoldaten ist in den vergangenen Jahren festzustellen gewesen. So veröffentlichte Edward Guti8rrez 2008 eine auf zeitgenössischen Angaben von Armeeangehörigen basierende Arbeit über das individuelle Kriegserleben, mit der er die bisher übersehene Quellenart der Military Service Records erschloss.57 Richard Rubin rekonstruierte 2013 auf Basis von Zeitzeugeninterviews mit den letzten lebenden amerikanischen Veteranen den, wie er konstatiert, »vergessenen Weltkrieg« aus der Mikroperspektive dieser »vergessenen Generation«.58 Und Richard Shawn Faulkner steuerte zur 100. Jährung des US-Kriegsbeitritts schließlich eine neue, umfangreiche Übersichtsdarstellung über »Pershings Crusaders« bei, welche der lange fehlenden Gesamtstudie, die multiple Quellengattungen umfasst und diese kontextualisiert, am nächsten kommt.59 Somit schließen sich langsam die Lücken in der amerikanischen Kriegserlebnisforschung, wenngleich noch viel zu tun ist, um aus mentalitäts- und kulturhistorischer Sicht auf den gleichen Stand zu gelangen wie in Deutschland, England oder Frankreich. Selbst über deutlich kleinere Kampfverbände an der 50 Vgl. beispielsweise die zum Standardwerk gewordene Gesamtdarstellung des US-Engagements von Edward M. Coffman: The War to End All Wars. The American Military Experience in World War I, New York/Oxford 1968. 51 Mark Meigs: Optimism at Armageddon. Voices of American Participants in the First World War, Basingstoke u. a. 1997 (Studies in Military and Strategic History). 52 Byron Farwell: Over There. The United States in the Great War, 1917–1918, New York u. a. 1999. 53 Gary Mead: The Doughboys. America and the First World War, London 2000. 54 Robert H. Zieger : America’s Great War. World War I and the American Experience, Lanham, Maryland 2000. 55 Jennifer D. Keene: Doughboys, the Great War, and the Remaking of America, Baltimore 2001. 56 Peter Krass: Portrait of War. The U.S. Army’s First Combat Artists and the Doughboy’s Experience in WWI, Hoboken, NJ 2007, S. 293–303. 57 Edward A. Guti8rrez: »Sherman Was Right«. The Experience of AEF Soldiers in the Great War, phil. Diss., Columbus, Ohio 2008. Eine überarbeitete Fassung ist 2014 erschienen: Ders.: Doughboys on the Great War. How American Soldiers Viewed their Military Service, Lawrence, Kansas 2014. Vgl. auch Kap. 4.2, S. 99, Anm. 366. 58 Richard Rubin: The Last of the Doughboys. The Forgotten Generation and Their Forgotten World War, Boston 2013. 59 Richard Shawn Faulkner: Pershing’s Crusaders. The American Soldier in World War I, Lawrence, Kansas 2017.

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Weltkriegsfront, etwa irische, walisische, neuseeländische oder nordafrikanische Soldaten, hatte die Historiografie bis vor 15 Jahren mehr Material produziert als über die »Doughboys«. Das zuletzt neu erwachte Interesse am ›Great War‹ in den Vereinigten Staaten bietet nun die Chance, die Forschungsgrundlage zu verbreitern, indem weitere Quellen aufgetan und vorhandene Sammlungen mit Einzelcharakter in einem übergeordneten Zusammenhang betrachtet werden.60 Zuvor veröffentlichte Feldpostkollektionen mit regionalem Fokus61, tagebuchartige Berichte von Soldaten in bestimmten Divisionen oder Memoiren einzelner Veteranen62 könnten aus ihren subjektiven Blickwinkeln herausgelöst und systematisch wissenschaftlich bearbeitet werden.63 Am Kriegserlebnis anknüpfend, wäre es wünschenswert, wenn sich die Forschung der ›Lost Generation‹ auch in der Nachkriegszeit stärker widmen würden. Soziale Aspekte wie die Wiedereingliederung der Soldaten in Familie und Beruf sind bislang kaum untersucht worden. Daher lässt sich noch kein abschließendes Urteil fällen, wie ›verloren‹ die zurückgekehrten Soldaten wirklich waren. Das Schicksal der physisch Kriegsversehrten, dem sich jüngst John Matthew Kinder ausführlich widmete64, gab sicherlich Anlass zur Desillusionierung. Aber was war mit all jenen Veteranen ohne sichtbare Wunden, die – womöglich ohne es selbst zu wissen – von ihrem Kriegserlebnis traumatisiert waren? Wie viele der ehemaligen Kriegsteilnehmer betraf dies? Und wie adaptierten sie sich im Alltag? Für Kriege der jüngeren Vergangenheit (Irak, Afghanistan) sowie den Vietnam-Krieg und den Zweiten Weltkrieg wurden solche Fragen von amerikanischen Geschichts- und Sozialwissenschaftlern bereits mehrfach beantwortet – für den ›Great War‹ noch nicht abschließend. Des Weiteren besteht historischer Forschungsbedarf bezüglich der Deutung und Rezeption des Kriegserlebnisses in den USA nach 1918 – und zwar über 60 Auf die ausbaufähige Quellenbasis zum Fronterlebnis der amerikanischen Soldaten im Ersten Weltkrieg hat zuletzt u. a. hingewiesen: Aaron Barlow : Doughboys on the Western Front, Santa Barbara 2016, S. XXII. 61 Vgl. zum Beispiel William R. Majors: Letters from the AEF, in: Tennessee Historical Quarterly (1977), Bd. 36, Nr. 3, S. 369–382, sowie Stuart J. Richards (Hg.): Pennsylvanian Voices of the Great War. Letters, Stories and Oral Histories of World War I, Jefferson, NC u. a. 2002. 62 Eine Vielzahl von Briefwechseln, Tagebüchern und Memoiren einzelner Soldaten befindet sich im Bestand des United States Army Heritage and Education Center (USAHEC) in Carlisle, Pennsylvania. Er ist online verfügbar unter https://www.armyheritage.org/images/ USAHECWWIholdings.pdf [11. 7. 2018]. 63 Eine editierte Quellensammlung stellte 2001 Martin Marix Evans zusammen. Er wagte sich allerdings nicht an die Kontextualisierung der Zeitdokumente (überwiegend Feldpost) heran. Martin Marix Evans (Hg.): American Voices of World War I. Primary Source Documents, 1917–1920, London 2001. 64 John Matthew Kinder : Paying with their Bodies. American War and the Problem of the Disabled Veteran, Chicago/London 2015.

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dessen Verarbeitung in Literatur und Film hinaus. Das würde wiederum direkt zur Problematik der ›Lost Generation‹ führen. So wäre etwa eine Analyse der Presseberichterstattung über die Weltkriegsveteranen in den 1920/30er Jahren vielversprechend. Die vorliegende Arbeit liefert hierzu einige Anhaltspunkte, da die Rezipienten von All Quiet on the Western Front regelmäßig von der Fiktion Remarques auf die aktuelle Situation der ›verlorenen‹ Soldaten verwiesen. Eine dezidierte Untersuchung dieses Themas würde an dieser Stelle allerdings den Rahmen sprengen. Längst nicht vollständig erschlossen ist ferner die Kulturgeschichte des deutsch-amerikanischen Verhältnisses in der Zwischenkriegszeit. Zwar stellt diese kein »relativ neues Forschungsfeld« mehr da, wie Elisabeth Glaser-Schmidt 1997 noch konstatiert hatte.65 Denn Aspekte wie die Situation der »BindestrichAmerikaner« im und nach dem Ersten Weltkrieg, die transatlantischen Perzeptionen oder der deutsch-amerikanische Kulturaustausch in der Weimarer Republik sind mittlerweile mehrfach Gegenstand der Forschung gewesen.66 Im Vergleich zur Geschichtsschreibung der politisch-diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA zwischen 1918 und 1933 nimmt sich die Anzahl der kultur-, mentalitäts- und alltagshistorischen Arbeiten indes nach wie vor bescheiden aus. Die vorliegende Untersuchung möchte mit der Analyse der US-Rezeption von All Quiet on the Western Front einen Beitrag zu diesem Themenfeld leisten. Lohnenswert ist dabei auch ein Blick in die deutsch-amerikanische Presse67: So 65 Elisabeth Glaser-Schmidt: Verpaßte Gelegenheiten? (1918–1932), in: Torsten Oppelland und Klaus Larres (Hg.): Deutschland und die USA im 20. Jahrhundert. Geschichte der politischen Beziehungen, Darmstadt 1997, S. 47. 66 Vgl. u. a. Jörg Nagler : Nationale Minoritäten im Krieg: »Feindliche Ausländer« und die amerikanische Heimatfront während des Ersten Weltkrieges, Hamburg 2000; Katja Wüstenbecker : Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg. US-Politik und nationale Identitäten im Mittleren Westen, Stuttgart 2007 (Transatlantische historische Studien, Bd. 29); Frank Becker und Elke Reinhardt-Becker (Hg.): Mythos USA. »Amerikanisierung« in Deutschland seit 1900, Frankfurt am Main 2006; Elliott Shore und Frank Trommler (Hg.): The GermanAmerican Encounter. Conflict and Cooperation between two Cultures 1800–2000, New York u. a. 2001; Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): »Huns« vs. »Corned Beef«. Representations of the Other in American and German Literature and Film on World War I, Göttingen 2007 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 21); Michael Wala: »Gegen eine Vereinzelung Deutschlands.« Deutsche Kulturpolitik und akademischer Austausch mit den Vereinigten Staaten von Amerika in der Zwischenkriegszeit, in: Manfred Berg und Philipp Gassert (Hg.): Deutschland und die USA in der internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Detlef Junker, Stuttgart 2004 (Transatlantische historische Studien, Bd. 18), S. 303–315. 67 Überhaupt schlummert in der deutsch-amerikanischen Presse noch viel Potenzial für unterschiedlichste Untersuchungsansätze. Eine interessante Studie mittels dieser Quellengattung veröffentlicht hat beispielsweise 1992 Barbara Wiedemann-Citera: Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Deutsch-Amerikaner im Spiegel der New Yorker Staatszei-

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macht die Positionierung deutschsprachiger Zeitungen und ihrer Leser zur Remarque-Debatte politische und ideologische Präferenzen im Spannungsfeld beider Kulturen sichtbar, deren detaillierte Erforschung in weiterführenden Studien ertragreich sein dürfte. Zu fragen wäre hierbei, woher bestimmte Denkmuster rührten und wie stark sie von Informationen aus Deutschland beeinflusst waren. Das heißt: Inwieweit bildeten die Deutsch-Amerikaner vorherrschende Weltbilder aus der früheren Heimat ab? Und wie betteten sich diese in den von Amerika geprägten Kulturkontext ein? Was Erich Maria Remarque selbst, seine Werke und deren Rezeption betrifft, haben die vergangenen zwei Jahrzehnte jede Menge literatur- und geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse gebracht. Zuvor traf lange Zeit zu, was der Remarque-Forscher Tilman Westphalen 1988 treffend bemerkt hatte, nämlich dass »die wissenschaftliche Beschäftigung mit Remarque […] keineswegs der Bedeutung des Autors als Vertreter der deutschen Literatur im Ausland« entsprach.68 Zehn Jahre später noch konstatierte Wilhelm von Sternburg, der die bis dahin umfangreichste – und sehr lesenswerte – Biografie des Schriftstellers veröffentlicht hatte: »Die Remarque-Forschung steht […] am Anfang.«69 Auch Thomas F. Schneider bezeichnete die wissenschaftliche Gattung seinerzeit als »junges Pflänzchen«.70 Schneider, der im Jahr 2000 die Leitung des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums in Osnabrück von Tilman Westphalen übernahm, und Forschern wie der ebenfalls im Friedenszentrum tätigen Claudia Junk (geb. Glunz)71, Brian Murdoch72 oder Hans Wagener73 ist es zu verdanken, dass das Leben und Wirken Remarques inzwischen intensiv erforscht ist. Als sehr nützlich erwies sich dabei sein Nachlass an der New York University, der 1991 erstmals öffentlich ver-

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tung, der New Yorker Volkszeitung und der New York Times 1914–1926, Frankfurt am Main u. a. 1992 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 553). Interview mit dem Tagesspiegel am 15. Mai 1988, zitiert nach Brian Murdoch: »We Germans…?« Remarques englischer Roman All Quiet on the Western Front, in: Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 6, Osnabrück 1996, S. 20. Vgl. Sternburg: »Als wäre alles das letzte Mal«, S. 36. Thomas F. Schneider: »Am besten nichts Neues«? Zum Stand der Remarque-Forschung, in: ders. (Hg.): Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung, Osnabrück 1998 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 8), S. 27. Beispielsweise Claudia Glunz und Thomas F. Schneider (Hg.): Remarque-Forschung 1930– 2010. Ein bibliographischer Bericht, Göttingen 2010 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 20). Siehe etwa Brian Murdoch: The Novels of Erich Maria Remarque. Sparks of Life, New York 2006; ders. (Hg.): All Quiet on the Western Front, by Erich Maria Remarque, Pasadena/ Hackensack 2011. Vgl. zuletzt u. a. Hans Wagener : All Quiet on the Western Front, in: Harold Bloom (Hg.): Erich Maria Remarque’s All Quiet on the Western Front, neue Ausg., New York 2009, S. 81– 106.

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zeichnet wurde. Der 100-jährige Geburtstag des Schriftstellers im Jahr 1998 gab der wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihm weiteren Auftrieb.74 Ferner hat sich das wachsende kulturgeschichtliche Interesse am Kriegserlebnis auch auf die Kriegsliteratur im Allgemeinen und Im Westen nichts Neues im Speziellen ausgewirkt. Die disziplinär breitere Forschung führte dazu, dass Remarque aus dem Schatten des vermeintlichen Autors von Trivialliteratur herausgetreten ist, unter dem er in Deutschland lange gestanden hatte. Hier hat sich das Forschungscluster in seiner Geburtsstadt besondere Verdienste erworben. Dazu zählen das zum Friedenszentrum gehörende Erich Maria Remarque-Archiv und die Forschungsstelle Krieg und Literatur samt entsprechenden Schriftenreihen sowie die Erich Maria Remarque-Gesellschaft, die auch ein Jahrbuch mit aktuellen Beiträgen zur internationalen Remarque-Forschung publiziert. Im Westen nichts Neues stellt naturgemäß einen zentralen Gegenstand der Remarque-Forschung dar und stand von Anfang an in deren Fokus. Beleuchtet wurde in diesem Zuge auch die Wirkungsgeschichte des Buches. Die erste monografische Studie zur Rezeption in der Weimarer Republik veröffentlichte bereits 1969 Joachim Brautzsch mit einer an der Universität Potsdam abgelegten Dissertation über die Publikumswirksamkeit von Im Westen nichts Neues und dem Nachfolgewerk Der Weg zurück.75 Zu verdanken ist ihm die umfangreiche Erschließung von Presserezensionen; inhaltlich jedoch ist Brautzsch von der marxistischen Geschichtswissenschaft der DDR indoktriniert gewesen. Außerdem bleibt die von ihm vorgenommene Kategorisierung der politischen Presse ungenau und lückenhaft; auch die übergeordnete Thematik des Fronterlebnisses kommt zu kurz. Dem Literaturwissenschaftler Hubert Rüter ist bei seiner 1980 erschienenen Untersuchung zugute zu halten, dass er stärker die Entstehungsund Vermarktungsumstände von Im Westen nichts Neues berücksichtigt.76 Seine rund 20-seitige Rezeptionsanalyse beschränkt sich indes auf die marxistische Kritik sowie die Stellung der »demokratischen Kreise« und »politischen Rechtskräfte«. Somit ist die Bildung der Kategorien von Rezensenten bei ihm sehr pauschal. Als Rückschritt muss die 1997 publizierte Dissertation von Karl Michael Bordihn im Fachbereich Germanistik der Universität Düsseldorf be-

74 Claudia Glunz und Thomas F. Schneider: Vorwort, in: dies. (Hg.): Remarque-Forschung 1930–2010. Ein bibliographischer Bericht, Göttingen 2010 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 20), S. 32. 75 Johannes Brautzsch: Untersuchungen über die Publikumswirksamkeit der Romane »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück« von Erich Maria Remarque vor 1933, phil. Diss., Potsdam 1969. 76 Hubert Rüter : Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues«. Ein Bestseller der Kriegsliteratur im Kontext. Entstehung – Struktur – Rezeption – Didaktik, Paderborn 1980 (Modellanalysen Literatur, Bd. 4).

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zeichnet werden, da sie weder inhaltlich noch quellentechnisch Neues bietet.77 Bordihns Forschungsziel bleibt unklar ; und bei der Rezeption betrachtet er neben der Weltbühne und der Friedenswarte lediglich die Presse von KPD und SPD sowie den Völkischen Beobachter. Da führt der knappe Artikel von Jens Ebert über die Reaktion der kommunistischen Presse auf Im Westen nichts Neues weiter, weil der an der Schnittstelle von Literatur- und Geschichtswissenschaft arbeitende Autor sich gekonnter mit seinem untersuchten Milieu auseinandersetzt.78 Zu erwähnen sind ferner die zuvor genannten Studien von Gollbach, Schütz und Müller zur Kriegsliteratur der Weimarer Republik. Alle drei behandeln Im Westen nichts Neues und dessen Aufnahme durch die Leserschaft in einem eigenen Kapitel. Allerdings ist auch bei ihnen die Zahl der verwendeten Rezeptionsdokumente begrenzt; ebenso bleibt die Kategorisierung der Presse relativ grob. Zudem wird beim literaturwissenschaftlichen Ansatz der Autoren die Verknüpfung mit geschichtlichen Hintergründen vernachlässigt.79 Einen Meilenstein in der Erforschung der Entstehung, Edition, Vermarktung und Rezeption von Remarques bekanntestem Roman setzte dann Thomas F. Schneider mit seiner 2004 erschienenen Habilitationsschrift. Hierfür untersuchte er mehr als 300 Rezensionen von Im Westen nichts Neues sowie Dutzende Leserbriefe, Gegenschriften, Interviews und Anzeigen im Zeitraum November 1928 bis Dezember 1930. Aspektualisiert nach Angaben zu Biografie, Textgattung, Tendenz oder Authentizität, vermittelt Schneider einen guten Eindruck über die Remarque-Rezeption in Deutschland. Ferner gelingt es dem Literaturwissenschaftler mit seiner quantitativen inhaltsanalytischen Arbeit, Interdependenzen zwischen Textniederschrift, Marketing-Präformationen und Rezeption darzustellen. Auf die »Rückführung der Argumentationsstrukturen in der Rezeption auf politische Positionen von Gruppierungen in der Weimarer Republik oder denen kultureller ›Milieus‹« verzichtet die Studie indes bewusst.80 Vor diesem Hintergrund versteht sich die vorliegende Arbeit als komplementär zu jener Schneiders, da sie die Rezeptionszeugnisse – auf einer deutlich 77 Karl Michael Bordihn: Krieg und Literatur : Publizistisch-literarische Auseinandersetzung um Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues« als Paradigma des Kampfes um die liberal-demokratische Staatsform von Weimar, phil. Diss., Düsseldorf 1997. 78 Jens Ebert: Der Roman »Im Westen nichts Neues« im Spiegel der deutschsprachigen kommunistischen Literaturkritik der 20er und 30er Jahre, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung, Osnabrück 1998 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 8), S. 99–108. 79 Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges; Schütz: Romane der Weimarer Republik; Müller : Der Krieg und die Schriftsteller. Selbiges gilt für die Remarque-Monografie des Literaturwissenschaftlers Richard Arthur Firda: All Quiet on the Western Front. Literary Analysis and Cultural Context, New York u. a. 1993. 80 Schneider : Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 414 (vollständige Angaben in Anm. 3).

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breiteren Basis als etwa bei Brautzsch, Rüter oder Bordihn – in deren historischen Kontext einordnet.81 Hierbei ist eine Auswertung der Reaktionen auf das umstrittene Buch nach politischen Orientierungen innerhalb der deutschen Presse Ende der 1920er Jahre aus Sicht des Verfassers sehr wohl schlüssig, da konkrete Zugehörigkeiten und Präferenzen innerhalb der Zeitungslandschaft zu bestimmten Parteien belegt sind.82 Gleiches gilt für die weltanschauliche Verortung vieler Rezensenten. Nur durch die Berücksichtigung des politischideologischen Umfelds, in dem Rezensionen von Kriegsbüchern verfasst wurden, kann erklärt werden, warum die Reaktionen auf Im Westen nichts Neues zwischen den einzelnen Gruppierungen so unterschiedlich ausfielen. Nur so wird auch deutlich, dass der Wahrheitsgehalt des Kriegserlebnisses, den Rezipienten literarischen Werken beimaßen, nicht primär vom besprochenen Text abhing, sondern vom eigenen Konstrukt von »Wahrheit«, das bereits vorher etabliert war. Diesen Zusammenhang, den die vorliegende Untersuchung mit dem Mittel der historischen Narration beschreibt, hat auch Schneider zuletzt mehrfach erläutert.83 Der Erkenntnisstand zu Remarques berühmtestem Roman hat sich seit Schneiders maßgebender Studie nicht wesentlich weiterentwickelt.84 Das betrifft auch dessen Rezeption.85 Vor allem in ausländischen ›Remarque-Märkten‹ ruht noch viel unerschlossenes Forschungspotenzial, um die zeitgenössischen Reaktionen auf Im Westen nichts Neues aufzuzeigen. Erste Anläufe – überwiegend in Aufsatzform – wurden immerhin gemacht, etwa in England, Spanien, Bul-

81 Diese Forschungslücke hat der Verfasser bereits 2002 erkannt und in seiner unveröffentlichten Magisterarbeit an der Universität Hamburg (siehe Literaturverzeichnis) die deutsche Presserezeption von Im Westen nichts Neues unter politischen Aspekten und mit geschichtswissenschaftlichen Methoden untersucht. Teile dieser Analyse fließen in aktualisierter Form in die vorliegende Studie ein. 82 Vgl. Kap. 1.4 und 1.5 (Vorgehensweise, Methode, Materiallage) sowie 7.2.1 (deutsche Presselandschaft). 83 Vgl. u. a. Thomas F. Schneider : »The Truth about the War Finally«. Critics’ Expectations of War Literature during the Weimar Republic. The Reception of Erich Maria Remarque’s Im Westen nichts Neues [All Quiet on the Western Front], 1928–1930, in: Journalism Studies (2016), Bd. 17, Nr. 4, S. 490–501; ders.: »Endlich die Wahrheit über den Krieg!« Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues als Kulminationspunkt in der Diskussion um den Ersten Weltkrieg in der Weimarer Republik, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes (2015), Bd. 62, Nr. 1, S. 87–102. 84 Siehe etwa Christine R. Barker und R.W. Last: All Quiet on the Western Front, in: Harold Bloom (Hg.): Erich Maria Remarque’s All Quiet on the Western Front, neue Ausg., New York 2009, S. 3–40. 85 Vgl. etwa Mark Ward, der 2011 in seinem Aufsatz zur Rezeption (mit Fokus auf Deutschland) weder neue Quellen nutzte noch neue Erkenntnisse gewann. Mark Ward: The Reception of All Quiet on the Western Front, in: Brian Murdoch (Hg.): All Quiet on the Western Front, by Erich Maria Remarque, Pasadena/Hackensack 2011, S. 38–52.

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garien, Tschechien, Polen, den Niederlanden, Russland, China oder der Türkei.86 Dabei ist deutlich geworden, dass die Remarque-Rezeption »jeweils mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten abhängig von den jeweiligen kulturpolitischen Debatten und Kontexten verlaufen ist«, wie Claudia Glunz und Thomas F. Schneider in ihrem bibliografischen Bericht aus dem Jahr 2010 feststellen.87 Charakteristisch ist ferner, betonte Schneider bereits früher, dass es sich in den Augen der Rezipienten bei dem Autor »nicht vorrangig um ein deutsches Phänomen« handelte, sondern »dass Remarque als deutscher Autor eine jeweils spezifische Rezeption im jeweiligen Land erfahren hat« und aufgrund seiner Popularität und den an ihm entzündeten Debatten »aus dem historischen Kulturkontext […] nicht mehr wegzudenken ist«.88 Genau diesen Mechanismus untersucht die vorliegende Arbeit für die amerikanische Rezeption, die zuvor ebenfalls nur an der Oberfläche erforscht worden ist. So gibt es bisher keine Monografie, die explizit betrachtet, wie All Quiet on the Western Front 1929/30 in den Vereinigten Staaten aufgenommen wurde. Lediglich einige kurze Aufsätze zu dem Thema wurden verfasst – und hier und da Randbemerkungen über die US-Rezeption in weiter gefassten Studien zu den Werken Remarques gemacht.89 Einer der ersten Wissenschaftler, die sich neben der deutschen auch mit der internationalen Rezeption von Im Westen nichts Neues beschäftigten und dabei die amerikanische Presse – knapp – berücksichtigten, war 1980 Modris Eksteins. Der anerkannte Kulturhistoriker schuf auf rund 20 Seiten einen guten Überblick der wichtigsten Reaktionen auf Remarques Buch und die anschließende Verfilmung. Allerdings fehlt die Einbettung der Rezensionen in ihre soziopolitischen Kontexte.90 1992 näherte sich dann der Germanist Hans Wagener von der University of California in Los Angeles dem Thema an. Doch auch seine Analyse 86 Vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 8. Siehe auch verschiedene Aufsätze in: ders. (Hg.): 110 Jahre Remarque. 80 Jahre Im Westen nichts Neues, Osnabrück 2008 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 18). 87 Glunz und Schneider : Vorwort, S. 32. 88 Schneider : »Am besten nichts Neues«?, S. 38. Vgl. auch ders.: »Dieses Buch gehört in die Schulstuben.«, S. 128. 89 Glunz und Schneider (Hg.): Remarque-Forschung 1930–2010, insb. S. 70. Den Forschungsstand bestätigte Thomas F. Schneider in einem persönlichen Gespräch am 26. Juni 2014 am Rande seines Vortrages »›Endlich die Wahrheit über den Krieg!‹ Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues als Kulminationspunkt der Diskussion um den Ersten Weltkrieg in Literatur und Film der Weimarer Republik«. Der Vortrag war Teil der Forschungsreihe »1914–2014. Neue Forschungen zum Ersten Weltkrieg« der Universität Hamburg. 90 Modris Eksteins: All Quiet on the Western Front and the Fate of a War, in: Journal of Contemporary History (1980), Bd. 15, Nr. 2, S. 345–366, sowie ders.: War, Memory, and Politics. The Fate of the Film All Quiet at the Western Front, in: Central European History (1980), Bd. 13, Nr. 1, S. 60–82.

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amerikanischer Kritiken geht nicht auf spezifische Aspekte der Rezeption ein – zumal die Quellenlage nicht sehr elaboriert ist.91 Positiv zu vermerken ist, dass Wagener überhaupt die Aufmerksamkeit auf den Umgang mit Remarques Œuvre in den USA lenkte, wozu er unter anderem 1999 und 2007 weitere Abhandlungen veröffentlichte.92 Die Rezeption des Buches, das den deutschen Schriftsteller so bekannt gemacht hatte, vertiefte der Forscher aber nicht mehr. Stattdessen schrieb er 2009 noch pauschal: »In contrast to the reception in Germany, the American reviews of All Quiet on the Western Front were all positive.«93 Über die vielen Nuancen in der amerikanischen Rezeption geht Wagener damit hinweg; genauso wenig erklärt er im Detail die Gründe für die mehrheitlich positive Vereinnahmung des Romans. Auf die Forschungsergebnisse von Schneider, Eksteins, Wagener und anderen vorgenannten Wissenschaftlern, die sich eingehend mit dem Wirken Remarques befasst haben, bauen diverse akademische Abschlussarbeiten auf, ohne dass sie dabei neue Quellen untersuchen oder vorhandene unter alternativen Blickwinkeln analysieren.94 Daher ist es bislang bei einigen Dutzend Seiten zur amerikanischen Rezeption von Remarques bekanntestem Roman95 und der Leinwandumsetzung durch Hollywood96 geblieben. 91 Hans Wagener: The Novels of Erich Maria Remarque in American Reviews, in: Wolfgang Elfe, James N. Hardin, Günther Holst (Hg.): The Fortunes of German Writers in America. Studies in Literary Reception, Columbia, South Carolina 1992, S. 211–230. 92 Wagener: Remarque in Amerika (vollständige Angaben in Anm. 3); ders.: From Richthofen to Remarque. The Reception in the United States of German Novels about World War I, in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): »Huns« vs. »Corned Beef«. Representations of the Other in American and German Literature and Film on World War I, Göttingen 2007 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 21), S. 131–152. 93 Vgl. Wagener : All Quiet on the Western Front, S. 104. 94 Beispielsweise geht Stephanie Morrissey in ihrer Masterarbeit (2011) auf ca. 20 Seiten auf die Verlags- und Rezeptionsgeschichte von Im Westen nichts Neues in Deutschland und dem Ausland ein und bezieht sich dabei auf die genannten Remarque-Forscher. Stephanie Morrissey : Im Westen nichts Neues and Johnny Got His Gun: The Success of the First World War Anti-War Novel through Controversy and Depictions of Pain, Master’s Thesis, University of Tennessee, Knoxville 2011 [online], verfügbar unter : http://trace.tennessee.edu/ utk_gradthes/1009 [11. 7. 2018]. 95 In einem auf die Zensur des Buches fokussierten Beitrag streifte die Rezeption zuletzt kurz Sarah Eilefson: »Try Simply to Tell«. Translation, Censorship, and Erich Maria Remarque’s All Quiet on the Western Front, in: Scholarly Editing. The Annual of the Association for Documentary Editing (2017), Bd. 38, S. 1–30 (hier S. 6–8) [online], verfügbar unter : http:// www.scholarlyediting.org/2017/essays/essay.eilefson.html [11. 7. 2018]. 96 Einer der jüngsten Beiträge zum Film und dessen Wirkung kommt von Andrew Kelly : The Greatness and Continuing Significance of All Quiet on the Western Front, in: Robert Eberwein (Hg.): The War Film, New Brunswick, NJ u. a. 2005, S. 23–29. Zuvor veröffentlicht und knapp die Rezeption in den USA erwähnt haben ders.: Filming All Quiet on the Western Front. »Brutal Cutting, Stupid Censors, Bigoted Politics«, London 1998 (siehe S. 47f. und 102ff.), sowie John W. Chambers: ›All Quiet on the Western Front‹ (1930). The Antiwar Film

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1.4. Vorgehensweise und Methoden Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit erstreckt sich über etwas mehr als zwei Jahre. Die Rezeptionsanalyse beginnt im November 1928 mit der Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues in Deutschland, als das Buch in der Vossischen Zeitung vorabgedruckt wurde. Am 31. Januar 1929 war es dann käuflich erwerbbar. In den USA erschien der Kriegsroman einige Monate später, nämlich am 1. Juni 1929. Dennoch war er vorher schon Thema in den amerikanischen Zeitungen gewesen, da die deutsche Debatte jenseits des Atlantiks vernommen worden war. Mit der Hollywood-Verfilmung erreichte der Remarque-Diskurs dann seinen Höhepunkt. Während der Film aus dem Hause Universal bereits Ende April 1930 in den Vereinigten Staaten in die Kinos kam, war er in Deutschland erst Anfang Dezember zu sehen. Bei der Betrachtung der deutschen Rezeption von Im Westen nichts Neues konzentriert sich die vorliegende Studie auf den Roman. Die Bandbreite der Reaktionen in der Presse war hierzu schon derart groß, dass der Film keine wesentlichen neuen inhaltlichen Argumente in die Diskussion um Im Westen nichts Neues einbrachte. Frühere Urteile wurden bestätigt, sowohl ablehnender als auch zustimmender Art. Lediglich der Ton wurde noch einmal schroffer. Eine gesonderte Aufarbeitung der Filmrezeption in Deutschland würde zudem den Umfang der Untersuchung sprengen. Dennoch wird der ›Filmkrieg‹ im Dezember 1930 in einem Ausblickskapitel besprochen, weil er paradigmatisch für die politische Situation der Republik steht und dem ›Fall Remarque‹ vorläufig einen Endpunkt setzte. Dagegen ist die Verfilmung im Kontext der US-Rezeption zentral. Buch und Hollywood-Produktion erschienen in einem zeitlich deutlich geringeren Abstand als in Deutschland und bilden damit einen relativ geschlossenen Rezeptionszeitraum. Da All Quiet on the Western Front von einer einheimischen Produktionsfirma mit überwiegend amerikanischer Besetzung gedreht wurde, der Film technisch viele Innovationen aufbot und anschließend Rekorde an den Kinokassen brach, war ihm in den Vereinigten Staaten eine immense Öffentlichkeit garantiert. Hinzu kommt, dass das neue Medium Film dort weltweit am weitesten entwickelt war und seine bildliche Wirkkraft bei der Weltkriegsthematik so stark wie nie zuvor entfalten konnte. Deshalb wird die Leinwandversion in die amerikanische Rezeptionsanalyse miteinbezogen. Zudem werden einige Artikel von Anfang 1931 berücksichtigt, in denen Journalisten vor dem Hintergrund der rechten Hetze gegen Im Westen nichts Neues und dem Filmverbot Zukunftsprognosen für Deutschland entwerfen. Auch Stellungnahmen zum im and the Image of the First World War, in: Historical Journal of Film, Radio, and Television (1994), Bd. 14, Nr. 4, S. 377–412 (hier S. 392).

Vorgehensweise und Methoden

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Mai 1931 veröffentlichten Nachfolgeroman The Road Back fließen ein, da an dem Buch die Diskussion über die ›Lost Generation‹ in den USA weitergeführt wurde. Was die Quellenbasis betrifft, wird bei der deutschen Presse der Versuch unternommen, das parteipolitische Spektrum in seinen wichtigsten Gruppierungen abzubilden. So wird zum einen die große Intensität der Debatte um Im Westen nichts Neues deutlich, zum anderen kommt der politisch-ideologische Zeitgeist in der Endphase der Weimarer Republik zum Vorschein. Schließlich betätigten sich die Zeitungen – ob als Parteiorgane, Parteirichtungs- oder Gesinnungspresse – nicht selten als verlängerte Arme der Politik, weshalb innerhalb der jeweiligen Segmente ein hohes Maß an Übereinstimmung bestand. Im Vergleich zu den bis dato erschienenen Rezeptionsstudien wird diese Arbeit somit detaillierter auf die Interessenlagen der Presseakteure in Deutschland eingehen und ihre Stellung zu Remarque in einen historischen Zusammenhang bringen. Eine differenzierte Kategorisierung der Zeitungen ist hierfür Voraussetzung. Wohingegen in früheren Abhandlungen meist ein schlichtes Linksrechts-Schema den Rahmen vorgab, bei welchem etwa sozialdemokratische und liberale sowie nationalistische und nationalsozialistische Zeitungen jeweils zusammen analysiert wurden, wird die vorliegende Untersuchung stärker die Nuancen zwischen den einzelnen Pressesegmenten (insgesamt sieben) herausarbeiten. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der katholischen und der nationalliberalen Rezeption, die bislang noch nicht separat betrachtet worden sind. Bei der US-Rezeption hingegen ist eine derartige Klassifizierung nicht angebracht. Die Zeitungen hatten keine starren Profile, das heißt heterogene Meinungen innerhalb der Redaktion wurden akzeptiert. Überhaupt war die Remarque-Debatte in den Vereinigten Staaten deutlich unaufgeregter und nicht annähernd so ideologisch aufgeladen wie in Deutschland, weshalb sie einen anderen Auswertungsansatz erfordert. Die Reaktionsmuster auf All Quiet on the Western Front und wesentliche inhaltliche Aspekte werden daher zeitungsübergreifend zusammengefasst und in eigenen Abschnitten ergründet. Zudem werden Parallelen und Unterschiede in der Buch- und der Filmrezeption durch die amerikanische Presse dargestellt. Methodisch verlangt der beschriebene Ansatz einen starken Anteil an narrativen Elementen, weshalb sich nur eine qualitative quelleninterpretatorische Herangehensweise eignet. Eine quantitative Methode nach Art der Inhaltsanalyse würde die historische Komplexität etwa auf das Auszählen von Wörtern, die Messung von Wortlängen oder die Anordnung von Silben reduzieren und ist daher nicht praktikabel.97 Diese Vorgehensweise mag ihre Berechtigung haben, 97 Vgl. Klaus Merten: Inhaltsanalyse. Einführung in Theorie, Methode und Praxis, Opladen 1983, S. 20–23, sowie Heiner Treinen: Formalisierte Inhaltsanalyse, in: Klaus Vondung (Hg.):

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sie wäre jedoch auf die vorliegende, äußerst schwer zu formalisierende Quellenbasis kaum anzuwenden. Zu befürworten wäre daher eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geschichts- und Literaturwissenschaft, um praktikable inhaltsanalytische Verfahren zur empirischen Auswertung von Zeitungsquellen zu entwickeln, »die Interpretationen des Bearbeiters weitgehend ausschließen«, wie Schneider bereits 1992 bemerkte.98 Ferner ist dem Verfasser bewusst, dass die Medienformate Buch und Film nicht die gleichen Erzähltechniken nutzen und zu unterschiedlichen Publikumswahrnehmungen führen.99 Im Verlauf der Quellenanalyse wird immer dann auf die Unterschiede eingegangen, wenn die Rezensenten dezidiert die cineastische Umsetzung des Romans thematisieren. In der Regel stand bei der Rezeption beider Medienformate aber der Inhalt von Remarques Erzählung im Vordergrund, sodass dieser Aspekt hier nicht vertieft werden soll.

1.5. Materiallage Um die unter Punkt 1.2 skizzierten Fragestellungen zu beantworten, werden im Folgenden insgesamt rund 800 Quellen aus mehr als 160 deutschen und amerikanischen Publikationen untersucht. Der Bestand setzt sich mehrheitlich aus Besprechungen von Im Westen nichts Neues bzw. All Quiet on the Western Front zusammen. Eingang in die Analyse finden aber auch Artikel, die das Buch und dessen Verfilmung nur am Rande erwähnen – etwa in einer Rezension eines anderen Werkes über den Ersten Weltkrieg – sowie solche, die sich allgemein mit dem Erbe des Krieges und daran anknüpfenden politischen Themen beschäftigen. Gleiches gilt für Berichte über die Person Remarques, Interviews mit ihm sowie sogenannte »Remarque-Enthüllungen«. Zudem fließen Leserbriefe, Werbebroschüren und Anzeigen in die Untersuchung mit ein, um die Breite der Debatte widerzuspiegeln sowie Präformationen von Distributions- und Marketingseite zu berücksichtigen. Der Anteil des deutschen Materials ist dabei bewusst kleiner gehalten als der aus den USA, da die amerikanischen Pressereaktionen zu All Quiet on the Kriegserlebnis: Der Erste Weltkrieg in der literarischen Gestaltung und symbolischen Deutung der Nationen, Göttingen 1980, S. 162–172. 98 Thomas F. Schneider: Prolegomena zur Darstellung der Entstehung und Rezeption von Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues«, in: Krieg und Literatur (1992), Nr. 8, S. 94f. 99 Vgl. hierzu grundlegend Thomas Fischer und Thomas Schuhbauer: Geschichte in Film und Fernsehen. Theorie – Praxis – Berufsfelder (Public History – Geschichte in der Praxis, Band 4661), insb. S. 4–10 (Forschung), S. 32–40 (Geschichte im Kino), S. 105–108 (Geschichtsfilme als Untersuchungsgegenstand), sowie Frank Bösch: Mediengeschichte – Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen, S. 7–26, insb. S. 17f. (Inhaltsanalyse und Visual History).

Materiallage

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Western Front bisher noch deutlich weniger erforscht worden sind. Um für Deutschland dennoch eine repräsentative Quellenbasis zu gewährleisten, konzentriert sich diese Studie auf die auflagenstarke deutsche Tagespresse. Sie lässt aufgrund ihrer massenhaften Verbreitung eher Schlüsse auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu. Wochen- oder Monatszeitungen werden lediglich dort herangezogen, wo Lücken im Bestand der Tagespresse aufgetreten sind. Dies ist vor allem bei der kommunistischen und sozialdemokratischen Presse der Fall gewesen, deren Regionalzeitungen nur teilweise archiviert sind. Betrachtet werden zudem Die Weltbühne und die Berliner Illustrirte Zeitung: Erstere ist als das linksintellektuelle Forum der Weimarer Republik von großer Bedeutung, letztere allein deshalb, weil sie im Deutschland der Jahre 1929/30 das auflagenstärkste Blatt überhaupt war. Von den knapp 300 in der vorliegenden Arbeit betrachteten Artikeln, Anzeigen und sonstigen Schriften aus 43 deutschen Zeitungen und Zeitschriften stammen 110 aus dem Erich-Maria-Remarque-Archiv in Osnabrück. Die restlichen Quellen hat der Verfasser im Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek zu Berlin, der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, dem Institut für Zeitungsforschung in Dortmund, der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, dem Stadtarchiv Chemnitz sowie der Bayerischen Staatsbibliothek München recherchiert. Nimmt man die literaturwissenschaftliche Studie von Thomas F. Schneider als Richtmaß, welche der deutschen Rezeption rund 120 ihrer mehr als 400 Seiten einräumt, wurden rund 35 Prozent des an dieser Stelle verwendeten Quellenmaterials zu Remarque zuvor noch nicht von der Forschung berücksichtigt. Dies betrifft insbesondere die sozialdemokratische Presse (Hamburger Echo, Leipziger Volkszeitung, Sozialistische Monatshefte), liberale und nationalliberale Titel (8-Uhr-Abendblatt, Mecklenburgische Zeitung), katholische Publikationen (Germania, Essener Volkszeitung) sowie nationalistische und nationalsozialistische Zeitungen (Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, Der Angriff). Auch bei der Untersuchung der US-Rezeption von All Quiet on the Western Front bilden auflagenstarke Tageszeitungen aus dem ganzen Land den Kern des Quellenmaterials. Ergänzt wird die Sichtweise der Leitmedien durch Berichte in Regional- und Lokalblättern, um eine möglichst große geografische Abdeckung sicherzustellen. Analysiert werden ferner Hochschulzeitschriften sowie literarische und kulturelle Zeitungen. Einen wesentlichen Teil des Artikelbestands hat der Verfasser im umfangreichsten Pressearchiv der Vereinigten Staaten, das zur Library of Congress in Washington, D.C., gehört, recherchiert. Es handelt sich um knapp 200 Rezensionen und Berichte über Remarque und seinen Erfolgsroman in meist überregionalen amerikanischen Zeitungen. Viele führende Titel, wie etwa die New York Times, Chicago Daily Tribune oder Washington Post, liegen dank digitaler

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Einleitung

Archivierung inzwischen vollständig vor und werden ausführlich in die Untersuchung miteinbezogen. Etwa 200 weitere Artikel fanden sich in unterschiedlichen Online-Datenbanken regionaler und lokaler Blätter, die mittels Schlagworten durchsucht wurden. Derartige Internet-Archive sind in den vergangenen Jahren beständig gewachsen, wobei die USA im Vergleich zu Deutschland eindeutig eine Vorreiterrolle spielen. Eine weitere Aufstockung des zu untersuchenden Quellenmaterials wäre demzufolge möglich gewesen, hätte aber inhaltlich keinen Mehrwert gebracht. Zudem wurden die New Yorker Staats-Zeitung und andere deutsch-amerikanische Titel per Fernleihe aus Amerika (University of Wisconsin-Madison) und Deutschland (Bayerische Staatsbibliothek in München sowie Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart) beschafft und aus diesem Bestand rund 90 Artikel ausgewertet. Neben dem publizistischen Gewicht spielte bei Zusammenstellung der Quellen die regionale Verteilung eine Rolle. Auch wenn die Ostküste (vor allem New York) als traditionelle Heimat von Medien und Kulturbetrieb überdurchschnittlich stark vertreten ist, decken die ausgewählten Titel immerhin 23 Bundesstaaten ab. Ein Anspruch auf hundertprozentige Repräsentativität wird vom Verfasser freilich nicht erhoben. Es geht vielmehr um eine Indikation des amerikanischen Sentiments zu Remarques Frontgeschichte und den damit verbundenen Positionen zum Ersten Weltkrieg und dessen Folgen. Auf einer Basis von knapp 500 Artikeln, rund 100 Anzeigen und weiteren Rezeptionszeugnissen wie Bestsellerlisten aus insgesamt mehr als 120 Publikationen können entsprechende Ableitungen mit gutem Gewissen gezogen werden. In vielerlei Hinsicht betritt die vorliegende Untersuchung mit der beschriebenen Materiallage wissenschaftliches Neuland. Bei der deutschen Presserezeption von Im Westen nichts Neues werden, wie oben erläutert, kleinere Lücken in der Quellenerforschung geschlossen. Zudem sind die Reaktionen auf Remarques Kriegsroman vorher noch nicht derart feingegliedert nach politischen Milieus betrachtet worden. In Bezug auf die Vereinigten Staaten ist der wissenschaftliche Nachholbedarf ungleich größer : Während bis dato veröffentlichte Aufsätze zur US-Rezeption auf Einzelstimmen fußten, liegt nun erstmals ein auch quantitativ ausreichender Quellenbestand vor. Dieser ist zuvor zu mindestens 90 Prozent noch nicht im Kontext von All Quiet on the Western Front erforscht worden.

1.6. Aufbau der Arbeit Die vorliegende Untersuchung ist in fünf Hauptabschnitte untergliedert, die gebildet werden von Kapitel 2 (deutsch-amerikanisches Verhältnis); 3 und 4 (Kriegserlebnis 1914–1918 und Umgang mit dem ›Erbe der Front‹ in Deutsch-

Aufbau der Arbeit

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land und den USA); 5 und 6 (Hintergründe zu Im Westen nichts Neues und der Romanverfilmung); 7 (Quellenanalyse) sowie 8 und 9 (Einbettung der Ergebnisse in den soziopolitischen Kontext beider Länder und vergleichende Schlussüberlegungen zur Remarque-Rezeption). Während die Kapitel 2 bis 6 dazu beitragen, das Verständnis für die eigentliche Rezeption (Kapitel 7) zu schärfen, fassen die Kapitel 8 und 9 die Analyse noch einmal auf einer Makroebene zusammen. Zunächst werden in Kapitel 2 kurz die wechselhaften deutsch-amerikanische Beziehungen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre beschrieben. Im Zentrum stehen dabei die Deutschland-Bilder der Amerikaner, die in jenem Zeitraum großen Schwankungen unterworfen waren, insbesondere im Licht des Ersten Weltkriegs. Durch die eigenen Kriegshandlungen und die darauf aufsetzende Staatspropaganda der USA wurden die Deutschen von einer durchaus geschätzten Bevölkerungsgruppe plötzlich zu Barbaren, die man bekämpfen musste. Viele eigentlich gut integrierte Deutsch-Amerikaner wurden in dieser Zeit ausgegrenzt. Mit der Realpolitik in der Ära Stresemann hellten sich die Perzeptionen freilich wieder deutlich auf, und genau zum Ende dieses Jahrzehnts der friedlichen Kooperation erschien Remarques kritisches Buch über den Krieg. Für die Einordnung der Presserezensionen von All Quiet on the Western Front ist es wichtig, diese Zusammenhänge zu verstehen. Anschließend wird in Kapitel 3.1 versucht, mithilfe wissenschaftlicher Literatur und der punktuellen Nutzung von Primärquellen das Fronterlebnis im Ersten Weltkrieg nachzuzeichnen. Jedoch kann die Flut von Büchern und Artikeln, die im Zuge der »Restrukturierung der Weltkriegsgeschichte als Mentalitäten-Geschichte«100 seit den 1990er Jahren erschienen ist, nur selektiv betrachtet werden. Der Forschungsschwerpunkt liegt hierbei auf Deutschland, weil die fiktionale, mit einigen wenigen autobiografischen Elementen angereicherte Fronterzählung Remarques sich schließlich in der deutschen Armee abspielt. Allerdings wird das Wesen des industrialisierten Krieges, welches die Soldaten aller Nationen leidvoll erfahren mussten, dabei als universell verstanden. Das darauffolgende Kapitel (3.2) beschreibt knapp die Mythisierung von Krieg und Fronterlebnis in der Weimarer Republik. Nachdem zuerst illustriert wird, wie der Prozess der Kriegsumdeutung bereits mit der Heimkehr der Soldaten begann, soll anhand von Denkmälern, Kriegsliteratur und der Gefallenenehrung durch Soldatenverbände exemplarisch gezeigt werden, wie wenig das in der Weimarer Öffentlichkeit präsente Bild »vom begeisterten, kriegsfreiwilligen Studenten, […] dem braven, feldgrauen Landwehrmann des ersten 100 Gerd Krumeich: Kriegsgeschichte im Wandel, in: ders., Gerhard Hirschfeld und Irina Renz (Hg.): »Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch …« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt am Main 1993, S. 17.

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Einleitung

Kriegsjahres« sowie dem stahlharten Stoßtruppführer der letzten Kriegsjahre von den mehrheitlich desillusionierenden Sinngebungen der Soldaten übrig ließ.101 Analog zur deutschen Perspektive beleuchtet Kapitel 4 den amerikanischen Blickwinkel auf den ›Great War‹. Dabei werden Ausgangslage und Motive für den Kriegsbeitritt, der Verlauf sowie die zahlenmäßige Bilanz aus Sicht der USA beschrieben (4.1). Auf die nackten Zahlen folgen auf Basis von Forschungsliteratur und beispielhaften Stimmen von Zeitzeugen Überlegungen zu den Kriegserfahrungen der »Doughboys«. Zwar gab es auch unter den US-Soldaten nicht das eine Fronterlebnis, aber aufgrund des für die American Expeditionary Forces unterschiedlichen Kriegsverlaufes kristallisieren sich im Vergleich zur deutschen Armee neben Parallelen auch Divergenzen in den Erfahrungen heraus (Kapitel 4.2). Dem schließen sich am Kapitelschluss Erläuterungen zur Aufarbeitung der Jahre 1917/18 in der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft an (4.3). Dies umfasst unter anderem kollektive Felder des Erinnerns, die Rolle der Veteranen sowie allgemein den gesellschaftlichen Diskurs über den Missionarismus der Vereinigten Staaten mit dem Mittel des Krieges. Da jene Debatten 1929/30 intensiv geführt wurden, flossen sie regelmäßig in die Rezeption von All Quiet on the Western Front ein. Ihre Kenntnis ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Quellenanalyse. Die nächsten beiden Oberkapitel, die den dritten Hauptabschnitt dieser Arbeit bilden, führen zum Gegenstand der Rezeption hin. In Kapitel 5 werden zunächst die Entstehungsumstände102 von Im Westen nichts Neues und die Vermarktung des Buches durch den Ullstein-Verlag dargestellt. Beide Aspekte sind grundlegend, um die von den Rezensenten gemachten Bezüge zu verstehen. Daraufhin wird das Fronterlebnis in Remarques Roman skizziert und mit Fronterlebnis-Konzeptionen anderer deutscher sowie amerikanischer Schriftsteller verglichen (Kapitel 5.3.1 und 5.3.2). Dies ist insofern von Bedeutung, als dass Im Westen nichts Neues von der Presse stets in den kriegsliterarischen Kontext sowohl der Weimarer Republik als auch der USA und des erweiterten englischen Sprachraumes eingeordnet wurde. Kapitel 6 widmet sich dem Sujet Kriegsfilm im Allgemeinen und der Verfilmung des Bestsellers durch Hollywood im Speziellen. Weil die Kinoversion von All Quiet on the Western Front in den Vereinigten Staaten für ebenso viel Furore sorgte wie das Buch, ist es wert, die Hintergründe zur Universal-Produktion näher zu betrachten – auch hinsichtlich

101 Ulrich: Die Augenzeugen, S. 227. 102 Aufklärungsbedarf besteht hier allein schon deshalb, da Remarque in Interviews »mindestens sieben signifikant voneinander abweichende Versionen zur Entstehung von ›Im Westen nichts Neues‹« schilderte, wie Schneider herausgefunden hat. Schneider : »Am besten nichts Neues«?, S. 31.

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der US-Rezeptionsanalyse in Kapitel 7.3.3 und den Ausblick auf den ›Filmkrieg‹ in Deutschland (Kapitel 7.2.4). Der Quelleninterpretation geht in den Kapiteln 7.2.1 und 7.3.1 eine Beschreibung der deutschen bzw. amerikanischen Presselandschaft voraus. Dabei ist es in Bezug auf die Weimarer Republik von Relevanz, die publizistische Situation der Parteien zu charakterisieren. Neben der Auflage wird die Typologie der jeweiligen Zeitungssegmente zur Sprache kommen. Dagegen war die Presse in den USA deutlich weniger politisiert. Dafür gab es eine zunehmende Machtkonzentration in den Händen weniger Verleger. Eingegangen wird ferner auf den Professionalisierungsgrad des Berufsstandes. Es wird zu zeigen sein, wie sich diese Aspekte in der Rezeption niederschlagen. Im Anmerkungsapparat des Analyseteils finden sich darüber hinaus Kurzprofile der mehr als 40 untersuchten deutschen Zeitungen sowie der 35 renommiertesten US-Titel. Wie eingangs erläutert, differiert die Vorgehensweise zwischen der deutschen und amerikanischen Quellenanalyse. Denn Unterschiede im Pressewesen und demzufolge auch in der Rezeption selbst bedingen unterschiedliche Untersuchungsansätze.103 Daher werden die Reaktionen auf Im Westen nichts Neues in der deutschen Presse nach politischen Kategorien ausgewertet. Die Zugehörigkeit ist in der Regel relativ klar. Dass die Rote Fahne kommunistisch, der Vorwärts sozialdemokratisch oder der Völkische Beobachter nationalsozialistisch ist, bedarf keiner Begründung. Dehnbar sind lediglich die Kategorien liberal und nationalliberal. Hier hat sich der Verfasser an Einteilungen anderer Studien orientiert.104 Einen Sonderfall stellt Die Weltbühne dar, welche der liberalen Presse zugeordnet wurde, weil sie als unpolitisches, linksintellektuelles Forum am ehesten dieser Kategorie entspricht. Zudem nahmen die Weltbühne-Rezensenten häufig auf Stellungnahmen in der liberal-bürgerlichen Presse Bezug. Gemäß der Polarisierung des politischen Spektrums wird mit der Analyse der kommunistischen Rezeption am linken Rand begonnen (Kapitel 7.2.2.1). Sinngemäß endet der deutsche Quellenteil mit der Presse der NSDAP (Kapitel 7.2.2.7). 103 Vgl. hierzu im Detail das einleitende Kap. 7.1. 104 Vgl. Gerhard Fauth: Die Presse und der Aufstieg der NSDAP, in: ders. und Karl Otmar Freiherr von Aretin (Hg.): Die Machtergreifung. Die Entwicklung Deutschlands zur totalitären Diktatur 1918–1934, München 1959, S. 53–60, sowie Burkhard Asmuss: Republik ohne Chance? Akzeptanz und Legitimation der Weimarer Republik in der deutschen Tagespresse zwischen 1918 und 1923, phil. Diss., Berlin 1994. Die äußerst heterogene nationalliberale Presse stellt quasi die Trennlinie zwischen »links« und »rechts« dar. Die Zeitungen, die mehrheitlich der DVP nahestanden, hätten auch gemäß ihrer eher progressiven bzw. konservativen Ausrichtung der liberalen sowie nationalen Presse zugeordnet werden können. Im Zuge der Quellenanalyse wird die nationalliberale Presse dennoch als eigene Kategorie betrachtet, da die DVP schließlich aus der Nationalliberalen Partei des Kaiserreiches hervorging.

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Anders als in Deutschland fungierten die Zeitungen in den Vereinigten Staaten nicht als politische Akteure in der Remarque-Debatte. Demnach bietet sich an, die insgesamt weniger in Extremen verlaufende amerikanische Rezeption im Ganzen zu betrachten und die wichtigsten Aspekte der Bewertung in einem diskursanalytischen Verfahren zu erarbeiten.105 Dieser Ansatz, dem Thomas F. Schneider in seiner Studie von 2004 in ähnlicher Form unter quantitativen Gesichtspunkten gefolgt ist106, führt zu Unterpunkten (7.3.2.1 bis 7.3.2.6) wie der Universalität und dem Wahrheitsgehalt von All Quiet on the Western Front, der Frage der pazifistischen Strahlkraft, dem Maßstab als literarisches Werk sowie auch der Zensur. Um bei der separat vorgenommenen Analyse der Filmrezeption, die sich jener des Buches fast nahtlos anschloss, Wiederholungen zu vermeiden, konzentriert sich der Verfasser auf inhaltliche Verstärkungen und Unterschiede. Dabei wird es im Besonderen auch um den cineastischen Wert gehen, den Journalisten dem Film beimaßen, sowie um die nochmals gesteigerten Hoffnungen auf eine friedensstiftende Wirkung der Leinwandproduktion. Von zentraler Bedeutung ist im Anschluss daran Kapitel 7.3.4, in dem untersucht wird, wie die deutsche Remarque-Debatte in den Vereinigten Staaten bewertet wurde. Hier schließt sich der Kreis zwischen den Diskursen über die Fronterzählung auf beiden Seiten des Atlantiks. Betrachtet werden vor allem die Wechselwirkungen zwischen beiden Ländern sowie die Zukunftsprognosen für die Weimarer Republik, welche amerikanische Autoren angesichts des deutschen Umgangs mit Im Westen nichts Neues formulierten. Gesonderte Aufmerksamkeit erhalten am Ende dieses Kapitels die jüdische und deutschsprachige Presse in den USA. Ihre Redakteure und Leser schauten mit besonderem Interesse nach Deutschland. Während die Juden in Amerika bemerkten, dass sie im Zuge des nationalsozialistischen Kampfes gegen Remarque ebenfalls zu einem Ziel der Nazi-Agitation geworden waren und entsprechend darauf reagierten, führten die Deutsch-Amerikaner die hitzige Debatte in ihrem früheren Heimatland im Kleinen fort. Kapitel 8 dient der Bündelung der Teilergebnisse auf einer höheren Ebene. Bezüglich der Rezeption in der Weimarer Republik werden zunächst die Mechanismen des Remarque-Diskurses rekapituliert. Dabei soll erörtert werden, warum Im Westen nichts Neues solch eine öffentliche Aufmerksamkeit beschieden war (Kapitel 8.1.1). Anschließend wird gezeigt, dass beim Umgang der Linkskräfte mit Im Westen nichts Neues dissoziative Tendenzen festzustellen sind (Kapitel 8.1.2), während sich die Rechtskräfte – in Übereinstimmung mit der realpolitischen Situation – im Kampf gegen das Buch sammelten (Kapi105 Vgl. Bösch: Mediengeschichte, S. 17. 106 Vgl. S. 30 dieser Einleitung.

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tel 8.1.3). Dies läuft auf die Frage hinaus, ob Im Westen nichts Neues im öffentlichen Bewusstsein vom Krieg eine Änderung bewirken konnte. Dazu soll das Rezeptionsverhalten der Leser vor dem Hintergrund der mit dem Ende der Ära Stresemann einsetzenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen diskutiert werden. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob Im Westen nichts Neues auf diese Weise mehr Ablehnung oder Zustimmung erfuhr, wobei die Auflagenzahlen der Presse berücksichtigt werden (Kapitel 8.1.4). In den USA wiederum war der soziopolitische Kontext der Remarque-Debatte ein anderer. Die Aufarbeitung der Folgen des ›Great War‹ begann erst spät – und All Quiet on the Western Front wurde hierfür ein wichtiges Vehikel, wie das Kapitel 8.2.1 rekapituliert. Des Weiteren wird erläutert, inwieweit sich an der Rezeption des erfolgreichsten Kriegsbuches und -filmes seiner Zeit ablesen lässt, in welch starkem Spannungsfeld zwischen Isolationismus und Internationalismus sich die Vereinigten Staaten damals befanden (Kapitel 8.2.2). Zum Schluss folgen einige Überlegungen zum amerikanischen Deutschland-Bild, welches die Rezensenten durchscheinen ließen (Kapitel 8.2.3). Die derart eingeordneten Ergebnisse der Rezeptionsanalysen werden in Kapitel 9 mittels vergleichender Thesen zusammengefasst. Hier soll aufgezeigt werden, warum die Reaktionen auf Remarques Geschichte über den Krieg in beiden Ländern so unterschiedlich ausfielen, aber auch wo es Überschneidungen und Wechselwirkungen gab. Die politische und gesellschaftliche Gemengelage und das Rollenverständnis der Presse in Deutschland und den USA kommen ebenfalls noch einmal zur Sprache.

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Deutschland und die USA vor und nach 1917: Eine dialektische Beziehung »The Germans were carefully refabricated from the industrious, well-behaved citizens of yesterday into bloodthirsty ogres whose every reported atrocity appeared worse than the one before. One would have no purpose here to rehash war propaganda, much of which was silly […].« George Barr Baker, Publizist und Politikexperte, 1928

Obwohl getrennt durch die Weiten des Atlantiks, hat Deutschland mit wenigen anderen Ländern ein historisch derart intensives Verhältnis wie mit den Vereinigten Staaten. Millionenfache Migration vor 1900, Gegnerschaft im Ersten und Zweiten Weltkrieg, anschließende amerikanische Aufbauhilfe und die im Kalten Krieg geschmiedete transatlantische Freundschaft – die sich zuletzt politisch wieder etwas eingetrübt hat – haben die Geschichte beider Staaten eng miteinander verknüpft. Dabei waren die deutsch-amerikanischen Beziehungen stets geprägt von einer »Dialektik von Nähe und Abstoßung, Ferne und Anziehung«, konstatiert Frank Trommler.107 Dies gilt insbesondere für die Zeit vor und nach dem »Great War«, wie die Amerikaner den Ersten Weltkrieg auch nennen. Die wichtigste Determinante in diesem Verhältnis war von jeher die große Politik. Ihr folgten die verschiedenen Deutschland-Bilder der Amerikaner : Klischees, Stereotypen, Vorurteile und Feindbilder. Mitte des 19. Jahrhunderts herrschten überwiegend positive Images von Deutschland vor. Es war nicht nur das romantische Land der Dichter und Denker ; bewundert wurden auch Erfinder, Naturwissenschaftler und Ingenieure sowie das Bildungssystem von den Kindergärten bis zu den Universitäten108, von dem sich die USA viel abschauten. Die Deutschen seien das »am meisten gelehrte, geduldige, fleißige, kultivierte Volk in der Welt« schrieb die renommierte Zeitschrift The Nation 1866 angesichts der Leistungen in »Kunst, Wissenschaft, Militär, Literatur«.109 Und als der Schriftsteller Mark Twain von einer Reise aus dem Kaiserreich zurückkehrte, zeigte er sich begeistert von Ruhe, Sauberkeit, vermeintlichem Wohlstand und der Zufriedenheit der Menschen: »Was für ein 107 Frank Trommler : Einleitung, in: ders. (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 4. 108 Bemerkenswert ist, dass vor dem Ersten Weltkrieg fast zehntausend Amerikaner in Deutschland studierten. 109 Zitiert nach Konrad Jarausch: Das amerikanische Deutschlandbild in drei Jahrhunderten, in: Klaus Weigelt (Hg.): Das Deutschland- und Amerikabild. Beiträge zum gegenseitigen Verständnis beider Völker, Melle 1986 (Forschungsbericht/Konrad-Adenauer-Stiftung, Bd. 50), S. 12.

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Paradies ist dieses Land!«, schrieb er 1878 und trug dazu bei, zahllose Landsleute als Touristen nach Deutschland zu locken.110 Reserviertere Urteile fällten die Amerikaner im Allgemeinen über die deutsche Politik. Doch trotz Ressentiments gegenüber der preußischen Staatsordnung wurde das Streben nach nationaler Einheit und verfassungsmäßiger Rechtsstaatlichkeit in den Vereinigten Staaten honoriert. Dazu paarte sich freilich auch ein gewisses demokratisches Wunschdenken bezüglich Deutschlands. Insgesamt lässt sich sagen, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen im 19. Jahrhundert »bei aller Distanz und aller in Rechnung zu stellender Spärlichkeit der Kontakte doch problemlos« waren, wie Torsten Oppelland zusammenfasst.111 Eine wichtige Rolle hierbei spielte auch das positive Bild der deutschen Immigranten, die als fleißig und anpassungsfähig galten.112 Namen wie die des Generals Friedrich Wilhelm von Steuben oder des Politikers Carl Schurz standen noch weit über deren Lebzeiten hinweg in hohem Ansehen und spiegelten den Beitrag wider, den die Deutschen beim Aufbau des Landes geleistet hatten.113 Zwischen 1820 und 1920 waren ca. 5,5 Millionen Menschen in die USA ausgewandert – wobei die Zeit von 1850 bis 1890 den Höhepunkt der Bewegung markierte. Seit der Ankunft der ersten Pioniere 1683 traten insgesamt sieben bis acht Millionen die Reise über den Atlantik an.114 Damit bildeten die Deutschen die größte Gruppe unter den Immigranten. Entsprechend stellten sie in vielen Großstädten wie etwa Chicago, Los Angeles, San Francisco oder Pittsburgh die zahlenstärkste ethnische Gruppierung.115 Im Jahr 1930, dem hauptsächlichen 110 Zitiert nach Roger Chickering: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 2002, S. 11. 111 Torsten Oppelland: Der lange Weg in den Krieg (1900–1918), in: ders. und Klaus Larres (Hg.): Deutschland und die USA im 20. Jahrhundert. Geschichte der politischen Beziehungen, Darmstadt 1997, S. 1. 112 Vgl. Jörg Nagler : From Culture to Kultur. Changing American Perceptions of Imperial Germany, 1870–1914, in: David E. Barclay und Elisabeth Glaser-Schmidt (Hg.): Transatlantic Images and Perceptions. Germany and America since 1776, Cambridge u. a. 1997 (Publications of the German Historical Institute), S. 131–134, sowie Christine M. Totten: Affinität auf Widerruf. Amerikas willkommene und unwillkommene Deutsche, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 531–536. 113 Vgl. Jürgen Möckelmann: Deutsch-amerikanische Beziehungen in der Krise. Studien zur amerikanischen Politik im ersten Weltkrieg, Frankfurt am Main 1967 (Hamburger Studien zur neueren Geschichte, Bd. 6), S. 11. 114 Vgl. Hartmut Lehmann: Alte und Neue Welt in wechselseitiger Sicht. Studien zu den transatlantischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995, S. 166–182; Frank Trommler : Einleitung, in: ders. und Elliott Shore (Hg.): Deutsch-amerikanische Begegnungen. Konflikt und Kooperation im 19. und 20. Jahrhundert, München/Stuttgart 2001, S. 11, sowie L.J.R.: Germans, in: Francesco Cordasco (Hg.): Dictionary of American Immigration History, Metuchen, NJ/London 1990, S. 241–247. 115 Vgl. Wiedemann-Citera: Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, S. 17.

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Untersuchungszeitraum dieser Arbeit, waren noch immer knapp sieben Millionen in den USA lebende Menschen in der ersten oder zweiten Generation deutscher Herkunft.116 »The German part of American history is more than apart; it is woven into the fabric of America«, beschreibt Elliot Shore die tiefe Verwebung deutscher Einflüsse.117 Alsbald jedoch verschlechterte sich die amerikanische Einschätzung Deutschlands deutlich. Vor allem in der Post-Bismarck-Ära, und hier insbesondere unter Reichskanzler Leo Graf von Caprivi, setzte eine »Tendenz zur Entfremdung« ein.118 Verantwortlich dafür waren politische Rivalitäten und wirtschaftliche Konkurrenz mit wechselseitigem Protektionismus. Als die noch jungen Nationen, im imperialistischen Wettbewerb beide Nachzügler, ihren bislang regionalen Interessenradius entgrenzten, kam es, so Konrad Jarausch, zum »Zusammenstoß deutscher Flottenweltpolitik mit amerikanischem Dollar-Imperialismus« – etwa in Lateinamerika, dem Pazifik und den Philippinen. Mit seinem angestrebten »Platz an der Sonne« wuchs das Kaiserreich mehr und mehr in die Rolle des größten Widerparts der Vereinigten Staaten hinein und bedrohte zudem deren Monroe-Doktrin. Dabei standen »die Verbalaggressionen und die Unzuverlässigkeit« Kaiser Wilhelms II. aus amerikanischer Sicht in starkem Kontrast zur »diplomatischen Selbstbeherrschung« des früheren Reichskanzlers Otto von Bismarck, der die USA stets mit Augenmaß behandelt hatte.119 116 Fifteenth Census of the United States, 1930, Bd. 4, Washington, D.C., 1933, S. 228–242. Vgl. auch La Vern J. Rippley: Erleichterte Amerikanisierung. Die Wirkung des Ersten Weltkriegs auf die Deutsch-Amerikaner in den zwanziger Jahren, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 569. Bei der Volkszählung im Jahr 2015 gaben 46,4 Millionen Amerikaner (fast 15 Prozent) an, deutsche Wurzeln zu besitzen – das sind weit mehr als von Iren oder Engländern abstammen. Vgl. US Census Bureau: 2011–2015 American Community Survey 5-Year Estimates [online], verfügbar unter : https://factfinder.census.gov/faces/tableservices/jsf/pages/product view.xhtml?pid=ACS_15_5YR_B04006& prodType=table [21. 08. 2018]. 117 Elliott Shore: Introduction. A New Look at the Nineteenth Century, in: ders. und Frank Trommler (Hg.): The German-American Encounter. Conflict and Cooperation between two Cultures 1800–2000, New York u. a. 2001, S. 5. 118 Reiner Pommerin: Das Kaiserreich aus amerikanischer Sicht, in: Henning Köhler (Hg.): Deutschland und der Westen. Vorträge und Diskussionsbeiträge des Symposions zu Ehren von Gordon A. Craig, veranstaltet von der Freien Universität Berlin vom 1.–3. Dezember 1983, Berlin 1984 (Studien zur Europäischen Geschichte, Bd. 15), S. 84. 119 Jarausch: Das amerikanische Deutschlandbild, S. 13. Vgl. zu diesem Themenkomplex auch Reinhard R. Doerries: Kaiserreich und Republik. Deutsch-amerikanische Beziehungen vor 1917, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 355–357; Irmgard Steinisch: Different Path to War : A Comparative Study of Militarism and Imperialism in the United States and Imperial Germany, 1871–1914, in: Manfred F. Boemeke, Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Anticipating Total War. The German and American Experiences, 1871–1914, Cambridge u. a. 1999, S. 33, 37 und 40–46; Raimund Lammersdorf: Amerika und der Kaiser. Zur Perzeption Wilhelms II. in den Vereinigten Staaten, 1888–1909, in: Amerikastudien (1986),

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Deutschland war für die Amerikaner um die Jahrhundertwende aber mehr als ein internationaler Störenfried: Zur Furcht vor seinem Expansionismus gesellte sich das latente Misstrauen gegenüber Preußen und alle damit verbundenen Werte, das sich nun Bann brach. Das Deutsche Reich entsprach ganz einfach nicht den amerikanischen Demokratievorstellungen. Monarchie, Drei-KlassenWahlrecht und straffer Verwaltungsaufbau waren aus US-Sicht ein rückwärtsgewandtes System, eine Autokratie.120 Diese wurde zunehmend als Antithese zum liberalen angelsächsischen Wertesystem propagiert. Darunter litt die frühere Wertschätzung der deutschen Kultur, die man nun mit dem säbelrasselnden Militarismus und Imperialismus Preußens gleichsetzte und die somit als Antipode zu den eigenen freiheitlich-demokratischen Werten erschien.121 »The soldier substituted the philosopher as the national symbol«, beschreibt Melvin Small den rasanten Wandel des Deutschland-Bildes in den USA.122 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs half auch die Schmeichelpolitik des deutschen Kaisers nicht mehr, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu kitten. Die Amerikaner entzogen sich dem – rein strategischen – Freundschaftswerben Wilhelms II. und rückten an die ihnen gefühlsmäßig und ideologisch näher stehenden Engländer heran.123 Als dann die Waffen sprachen, manifestierten sich die Meinungen vom »bösen Deutschen« als arroganter, obrigkeitshöriger, gewalttätiger »Hunne« sehr rasch.124 Die Invasion des neutralen Belgiens

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Nr. 31, S. 296–298; Detlef Junker : Die manichäische Falle. Das Deutsche Reich im Urteil der USA, 1817–1945, in: Klaus Hildebrand (Hg.) unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner : Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte und europäischen Nachbarn (1871–1945), München 1995 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 33), S. 144–148, sowie Oppelland: Der lange Weg in den Krieg, S. 2–9. Zur Monroe-Doktrin und dem Anspruch der USA als Weltmacht siehe etwa Hans R. Guggisberg: Geschichte der USA, fortgeführt von Hermann Wellenreuther, 4., erw. und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2002, S. 159–167. Vgl. Peter Krüger: Germany and the United States, 1914–1933. The Mutual Perception of Their Political Systems, in: David E. Barclay und Elisabeth Glaser-Schmidt (Hg.): Transatlantic Images and Perceptions. Germany and America since 1776, Cambridge u. a. 1997 (Publications of the German Historical Institute), S. 174–176, sowie Pommerin: Das Kaiserreich aus amerikanischer Sicht, S. 84–88. Zunächst bildete sich diese Perzeption vor allem in Führungskreisen aus, weniger in der allgemeinen Öffentlichkeit. Vgl. Nagler : From Culture to Kultur, S. 150–153. Melvin Small: The American Image of Germany 1906–1914, phil. Diss., Ann Arbor, Michigan 1965, S. 455. Vgl. Jürgen Heideking: Geschichte der USA, 3., überarb. und erw. Aufl., Tübingen 2003, S. 243 und 260f. Ausnahmen waren freilich Bürger irischer Abstammung, teilweise auch Einwanderer aus Skandinavien und naturgemäß Menschen mit Wurzeln in Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien und dem Osmanischen Reich. Das Stichwort »Hunne« hatte Kaiser Wilhelm II am 27. Juli 1900 in seiner später sogenannten »Hunnenrede« gegeben, als er in Bremerhaven deutsche Soldaten nach China verabschiedete, die dort den Boxeraufstand niederschlagen sollten – was sie dann auch mit äußerster Brutalität taten: »Wie vor Tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt,

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inklusive der Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung und der Zerstörung der Bibliothek von Löwen, die Beschießung der Kathedrale von Reims, das Versenken der Lusitania (ein Zehntel der rund 1.200 Opfer waren US-Bürger)125 sowie die Bombardierungen von London und Paris fegten in den ersten drei Kriegsjahren die verbliebenen freundlichen Eindrücke von Deutschland hinweg und brachten ein neues, hassverzerrtes Feindbild mit sich.126 Neben der geopolitischen und ökonomischen Komponente war es nun insbesondere eine ideelle Dimension, aufgrund derer die USA ihre Neutralitätspolitik aufgaben und gegen das scheinbar so barbarische Deutsche Reich aufrüsteten.127 Für seinen »Kreuzzug für die Demokratie« mit dem Ziel, »den Weltfrieden dauerhaft zu sichern«, gaben die Kriegsereignisse Präsident Woodrow Wilson jetzt ausreichende moralische Argumente an die Hand.128 Erst die Verwandlung des deutschen Kaiserreiches in das »Reich des Bösen«, so Detlef Junker, habe es dem amerikanischem Volk und insbesondere Präsident Woodrow Wilson ermöglicht, die »zutiefst ambivalente und auf Dauer nicht

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so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.« Abdruck der Rede in: Michael Behnen (Hg.): Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890–1911, Stuttgart 1977, S. 246f. Vgl. Zieger : America’s Great War, S. 22–25. In der wissenschaftlichen Literatur zum Untergang der Lusitania variiert die Zahl der umgekommenen Amerikaner zwischen 124 und 128. Vgl. Nagler : From Culture to Kultur, S. 154, sowie Stewart Halsey Ross: Propaganda for War. How the United States Was Conditioned to Fight the Great War of 1914–1918, Jefferson, NC/ London 1996, S. 20–22. Es lohnt sich an dieser Stelle übereinstimmend mit Jürgen Heideking anzumerken, dass sich die Regierung unter Wilson zunächst neutral und nicht, wie später oft behauptet wurde, von vornherein »antideutsch« verhielt. Denn die USA befürchteten, in den Kampf der imperialistischen Mächte hineingezogen zu werden und womöglich an der Seite des autokratischen Zarenreichs kämpfen zu müssen. Am liebsten sei Wilson in den ersten Kriegsjahren ein Kompromissfrieden gewesen, den die Amerikaner als neutrale Macht vermittelten, konstatiert Heideking. Schließlich gewann der Präsident seinen Wahlkampf noch 1916 mit der Parole »He kept us out of war«. Der Sinneswandel Wilsons brauchte – zum Ärger der Engländer – ganze drei Jahre. Als die Regierung dann intervenierte, tat sie dies ausdrücklich nicht als direkter Verbündeter der Entente, sondern als »assoziierte Macht« – immer »eifersüchtig auf Unabhängigkeit bedacht«, wie David Stevenson herausstellt. Einschränkend muss jedoch festgehalten werden, dass die Neutralitätspolitik Wilsons vor 1917 nicht stellvertretend die Position einflussreicher Kräfte in der Finanzbranche, der Industrie, dem Pressewesen oder dem Klerus widerspiegelte, argumentiert Stewart Halsey Ross: »The dominant powers that drove the nation and molded its public opinion [were] distinctly non-neutral in spirit.« Vgl. Heideking: Geschichte der USA, S. 261; David Stevenson: 1914–1918. Der Erste Weltkrieg, Düsseldorf 2006, S. 381 (Zitat) und 372–374, sowie Ross: Propaganda for War, S. 145. Zu diesem Aspekt siehe auch David M. Kennedy : Over Here. The First World War and American Society, New York/Oxford 1980, sowie Oppelland: Der lange Weg in den Krieg, S. 18. Vgl. David M. Esposito: The Legacy of Woodrow Wilson. American War Aims in World War I, Westport, Conn./London 1996, S. 84f.

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durchzuhaltende Europapolitik der USA von 1914 bis 1916 zu beenden, den Kampf um die keineswegs kriegsbereite Seele des amerikanischen Volkes zu gewinnen […] und Deutschland den Krieg zu erklären.« Somit geriet das Kaiserreich – wie auch die Nazi-Diktatur knapp 25 Jahre später – in die »manichäische Falle« des amerikanischen Sendungsbewusstseins, analysiert Junker.129 Dabei muss man betonen, dass die Deutschen mit ihrer stümperhaften Diplomatie die Amerikaner quasi zwangen, gegen sie in den Krieg zu treten. Die Zimmermann-Depesche130 sowie die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs dürften Wilson den letzten Anstoß für diesen Schritt gegeben haben. Aber auch die Zurückweisung seiner Vermittlungsbemühungen durch die Reichsregierung, die in der Hoffnung auf einen »Siegfrieden« begründet lag, trug dazu bei, dass sich die Amerikaner letztlich der Entente anschlossen.131 Für das Kaiserreich bedeutete dies im April 1917 bereits den Anfang vom Ende des Krieges.132 »Die Führungsclique Deutschlands hatte ohne Not einen potenziell übermächtigen Gegner in den Krieg gezogen«, kommentiert Michael Sontheimer. »Die Amerikaner verfügten zwar noch nicht über eine Armee, die

129 Junker : Die manichäische Falle, S. 147f. und 158. 130 Die Zimmermann-Depesche (oder auch Zimmermann-Telegramm) war eine verschlüsselte Botschaft, die Arthur Zimmermann, der Staatsekretär des Äußeren, am 19. Januar 1917 an die deutsche Botschaft in Mexiko sandte. Darin instruierte er seinen Gesandten, dem mexikanischen Präsidenten ein Bündnis gegen die Vereinigten Staaten vorzuschlagen, an dem auch Japan teilnehmen sollte. Zudem wurde Mexiko mit deutscher Hilfe die Rückeroberung der US-Bundesstaaten Texas, Arizona und New Mexico in Aussicht gestellt. Aus technischen Gründen über die deutsche Botschaft in Washington, D.C., geschickt, wurde das Telegramm vom englischen Geheimdienst abgefangen, entschlüsselt und der US-Regierung weitergeleitet. Vgl. u. a. Stevenson: Der Erste Weltkrieg, S. 374–379. Ein Abdruck der Zimmermann-Depesche sowie der kodierte Text finden sich unter anderem bei Barbara W. Tuchman: The Zimmermann Telegram, New York 1958. 131 Vgl. Klaus Schwabe: Die USA, Deutschland und der Ausgang des Ersten Weltkrieges, in: Manfred Knapp et al.: Die USA und Deutschland 1918–1975. Deutsch-amerikanische Beziehungen zwischen Rivalität und Partnerschaft, München 1978, S. 11; Volker Berghahn: Der Erste Weltkrieg, 3. Aufl., München 2006, S. 49; John Keegan: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Reinbek bei Hamburg 2001, S. 488–493; Wolfgang J. Mommsen: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914–1918, Frankfurt am Main 2004, S. 66–74; Möckelmann: Deutsch-amerikanische Beziehungen, S. 34–38 und 42–45; Esposito: The Legacy of Woodrow Wilson, S. 31–36. 132 Vgl. hierzu auch den prägnanten Aufsatz von Ragnhild Fiebig-von Hase: Der Anfang vom Ende des Krieges. Deutschland, die USA und die Hintergründe des amerikanischen Kriegseintritts am 6. April 1917, in: Wolfgang Michalka (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994, S. 125–158.

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diesen Namen verdiente, aber über ein enormes menschliches und industrielles Potenzial sowie die nach der englischen zweitgrößten Kriegsflotte der Welt.«133 Im Zuge ihrer nun einsetzenden »paradoxen Mobilisierungsstrategie«, so Jörg Nagler, betonte die amerikanische Regierung im Innern Ideale wie Demokratie und Loyalität, schürte aber zugleich Angst und Hass. Es wurden Schreckensszenarien gemalt, die deutschen Barbaren könnten auch in Amerika Amok laufen.134 Teils war die Gräuelpropaganda extrem übersteigert. So hieß es, die Deutschen würden hinter der französischen Front mit Sprengstoff geladene Puppen abwerfen, um kleinen Mädchen die Hände zu verstümmeln.135 Antreiber dieser antideutschen Kampagne, die sich in der Presse verstärkte und die öffentliche Meinung stark beeinflusste, war das Committee on Public Information (CPI) unter seinem Direktor George Creel, der im Auftrag der Regierung arbeitete. Sein wohl erfolgreichstes Propagandamittel waren die sogenannten »Four Minute Men«. Knapp 75.000 patriotische Amerikaner meldeten sich freiwillig, um in Kinos, Theatern und öffentlichen Plätzen vier Minuten lang über einen »Gegenstand nationaler Wichtigkeit« – den Krieg gegen Deutschland und seine Verbündeten – zu sprechen. Insgesamt wurden von dieser »demo133 Michael Sontheimer : »Wir hauen ein Loch hinein«, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, München 2004, S. 230. 134 Nagler : Nationale Minoritäten, S. 352f. Unumstritten war die Regierungspropaganda im Übrigen nicht. Sehr pointiert formulierte beispielsweise der angesehene Publizist und Politikexperte George Barr Baker 1928 seine Kritik: »The Germans were carefully refabricated from the industrious, well-behaved citizens of yesterday into bloodthirsty ogres whose every reported atrocity appeared worse than the one before. One would have no purpose here to rehash war propaganda, much of which was silly […].« George Barr Baker : Preface, S. VIII, in: Sidney Brooks: America and Germany 1918–1925, New York 1928. 135 Vgl. Jarausch: Das amerikanische Deutschlandbild, S. 14. Viele der von der angelsächsischen Propaganda verbreiteten Völkerrechtsverstöße sind mittlerweile widerlegt worden. So konnten fast keine der 1915 im britischen Bryce-Report genannten vermeintlichen deutschen Gräueltaten an belgischen Zivilisten wie das Aufspießen von Kleinkindern mit dem Bajonett oder die Ermordung schwangerer Frauen verifiziert werden. Ein Großteil der damals aufgeführten Zeugenaussagen erscheint aus heutiger Sicht als Fabrikation oder Fiktion. Das quantitative Ausmaß militärischer Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung indes bleibt nicht weniger erschreckend: So sollen bei der Invasion Belgiens und Frankreichs 1914 mehr als 6.000 Menschen getötet worden sein, allein 674 beim Massaker von Dinant. Vgl. John Horne und Alan Kramer : Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit, Hamburg 2004, S. 120–126 (Opferzahlen) und 340–345 (zum Bryce-Report). Siehe zur alliierten Propaganda allgemein Patrick J. Quinn: The Conning of America. The Great War and American Popular Literature, Amsterdam/Atlanta 2001 (Costerus New Series, Bd. 136), S. 24–44; Peter Buitenhuis: The Great War of Words. British, American, and Canadian Propaganda and Fiction 1914–1933, Vancouver 1987, S. 27f., sowie Susan A. Brewer: Crusaders vs. Barbarians. American Propaganda during World War I, in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): »Huns« vs. »Corned Beef«. Representations of the Other in American and German Literature and Film on World War I, Göttingen 2007 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 21), S. 26–57.

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kratischen Armee« innerhalb von 18 Monaten rund 750.000 Ansprachen vor einer Zuhörerschaft von mehr als 310 Millionen Menschen gehalten.136 Die Bereitschaft, zwischen der politischen Führung des Kaiserreichs und dessen Bürgern zu unterscheiden, schwand im Verlauf des Propagandafeldzugs immer mehr : Weil die Amerikaner nicht allen Deutschen trauen könnten, müssten sie demnach alle als verdächtig ansehen, brachte die führende New Yorker Zeitung The World im Dezember 1917 die Stimmung auf den Punkt.137 Die Dämonisierung des äußeren Feindes richtete sich nun in einem Ersatzkrieg an der Heimatfront gegen den »enemy within«, der angeblich die amerikanischen Kriegsanstrengungen mit Sabotage unterminiere – dabei fiel analog zu Deutschland häufig der Begriff des Dolchstoßes. Nicht selten wurden Deutsche beschuldigt, als Spione ihres Heimatlandes zu agieren oder Rädelsführer der Arbeitergewerkschaft Industrial Workers of the World (I.W.W.) zu sein. Nagler beschreibt in seiner ausführlichen Studie, wie weit die staatlichen Repressalien gingen.138 So sollten sich Deutsche ohne US-Pass als »feindliche Ausländer« registrieren; vermeintlich besonders Verdächtige wurden fortan von staatlichen Agenten überwacht.139 In vielen Städten entstanden Sperrzonen, die sogenannte »alien enemies« nicht ohne Berechtigungsschein betreten durften. Zuweilen entzogen die Behörden bereits seit Jahren eingebürgerten deutschstämmigen Amerikanern wegen angeblicher Illoyalität die Staatsbürgerschaft. Neben Enteignungen kam es auch zu Verhaftungen. Mehr als 5.000 DeutschAmerikaner mussten ins Gefängnis oder wurden – angeblich zu ihrem eigenen Wohle – in Schutzhaft genommen. Ein bis heute fast unbekannter Fakt der Geschichte der Vereinigten Staaten sind die Internierungslager auf amerikanischem Boden. 8.500 in Ungnade gefallene Ausländer wurden während des Ersten Weltkriegs dort unter zum Teil menschenunwürdigen Zuständen festgehalten,

136 Vgl. George Creel: How We Advertised America. The First Telling of the Amazing Story of the Committee on Public Information that Carried the Gospel of Americanism to Every Corner of the Globe, New York 1972, S. 85. Zu den »Four Minute Men« vgl. insbesondere Alfred E. Cornebise: War as Advertised. The Four Minute Men and America’s Crusade 1917–1918, Philadelphia 1984. Zur Gründung und den Aufgaben des CPI siehe Jörg Nagler : Pandora’s Box. Propaganda and War Hysteria in the United States during World War I, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914–1918, Cambridge 2000, S. 492–496, sowie Buitenhuis: The Great War of Words, S. 68–78. 137 Vgl. Nagler : Nationale Minoritäten, S. 342. 138 Zu den folgenden Ausführungen siehe ausführlich ebd., S. 227–250 (zu Sperrzonen), S. 261– 283 und 343ff. (zu »feindlichen Ausländern«), S. 351–426 (zur Mobgewalt), S. 384–403 (zum Mord am deutschstämmigen Robert Prager), S. 455–467 (zu Enteignungen), S. 427, 432ff., 539f. und 700f. (zu Verhaftungen und Internierungen), S. 489–496 (zu Ausbürgerungen). 139 Es gab sogar Überlegungen, »feindliche Ausländer« zu kennzeichnen – ähnlich wie später Juden im NS-Regime mit dem gelben Davidstern. Dies wurde jedoch nicht umgesetzt.

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unter ihnen mehrere Tausend Deutsche140 – die Minderheit von ihnen politisch Radikale oder erklärte Sympathisanten des Kaisers. Im Rahmen von Mobgewalt gab es sogar tätliche Angriffe auf Bürger mit deutschen Wurzeln: Teeren und Federn, Auspeitschen oder öffentliches Flaggenküssen unter Zwang waren keine Einzelfälle.141 Mindestens einmal endete diese Art von Selbstjustiz in einem Lynchmord an einem Deutsch-Amerikaner. Zeitweise, erläutert Nagler, sei es in der Hysterie des patriotischen Kreuzzuges gegen alle vermeintlichen Gegner in Teilen der USA zu einem Versagen des Rechtssystems gekommen, wobei staatliche Propaganda und Presse die Gewaltbereitschaft entscheidend nährten.142 Im Grunde waren die Deutsch-Amerikaner, stellt Jürgen Möckelmann fest, »wehrlos den Schikanen ihrer Landsleute ausgesetzt und warteten vergeblich auf Maßnahmen der Regierung, die ihnen Schutz gewährt hätten«.143 Die aufgeheizte Stimmung äußerte sich auch in der Diskriminierung anderer »Bindestrich-Amerikaner«, wie etwa Immigranten aus Österreich-Ungarn. Von allen nationalen Minoritäten litten die vielen Millionen Deutschstämmigen während dieser Zeit jedoch am meisten. Dabei hatten sie sich mehrheitlich längst in die US-Gesellschaft integriert und waren trotz ihrer kulturellen Affinität zu Deutschland politisch loyal zu den Vereinigten Staaten.144 Überwiegend waren die Deutsch-Amerikaner gar nicht begeistert über den Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Heimatland, waren desinteressiert oder lehnten die Kriegsziele des Kaiserreiches ab.145 Zwar gab es unter dieser sehr heterogenen Gruppe auch Patrioten, von denen sich manche sogar als Reservisten zum Dienst in der kaiserlichen Armee meldeten, doch stellten weit mehr in derselben Zeit einen Einbürgerungsantrag in den USA.146 Hysterie und Intoleranz der Kriegsjahre hatten auf soziokultureller Ebene weitreichende Folgen für die Deutsch-Amerikaner.147 Bücher von deutschen Schriftstellern verschwanden aus Bibliotheken, manchmal wurden sie gleich 140 Vgl. Christopher Capozzola: Uncle Sam Wants You. World War I and the Making of the Modern American Citizen, Oxford u. a. 2008, S. 186f. 141 Eine detaillierte Liste der Mobübergriffe findet sich bei Wüstenbecker : Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg, S. 351f. 142 Vgl. Nagler : Nationale Minoritäten, S. 354 und 360. 143 Möckelmann: Deutsch-amerikanische Beziehungen, S. 32. 144 Vgl. Lehmann: Alte und Neue Welt, S. 146f.; Wiedemann-Citera: Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, S. 11; Nagler : Nationale Minoritäten, S. 107; Möckelmann: Deutschamerikanische Beziehungen, S. 27. 145 Vgl. Bruce White: War Preparations and Ethnic and Racial Relations in the United States, in: Manfred F. Boemeke, Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Anticipating Total War. The German and American Experiences, 1871–1914, New York 1999, S. 116. 146 Vgl. Nagler : Nationale Minoritäten, S. 102, sowie Möckelmann: Deutsch-amerikanische Beziehungen, S. 26. 147 Vgl. ausführlich Wüstenbecker : Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg, S. 246–271.

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öffentlich verbrannt. Wagner, Strauß und Beethoven wurden aus den Konzertsälen verbannt, Gleiches galt für die deutsche Sprache im Schulunterricht.148 Vielerorts war es ein Vergehen, deutsche Musik zu hören, deutsche Bücher zu lesen und Deutsch zu sprechen. »Selbst der Gebrauch einzelner Worte wie ›kindergarten‹ und ›sauerkraut‹ war verpönt«, erläutert Christine M. Totten.149 Der Deutschen vermeintlich liebstes Gemüse hieß fortan »victory cabbage« (»Siegeskohl«). Manche Orte änderten sogar ihren Namen. Aus Berlin in Iowa wurde Lincoln, East Germantown hieß plötzlich Pershing. All diese Entwicklungen führten praktisch zum Ende deutscher Kultur. Viele Institutionen, auf denen die Identität der Deutsch-Amerikaner fußte – Zeitungen, Vereine und Schulen –, waren zerstört worden.150 Manche wurden auch freiwillig aufgegeben. Denn aus dem Anklagezustand, in dem sich die Deutschstämmigen befanden, konnten sie sich nur durch die Verleugnung ihrer Wurzeln befreien. Das Ergebnis war, dass sie nach 1918 »in den meisten Teilen der USA als klar definierbare ethnische Gruppe aufhörten zu existieren«, konstatiert HansJürgen Schröder.151 Nie wieder spielte das Deutsch-Amerikanertum im innenpolitischen und kulturellen Leben eine ähnlich bedeutende Rolle wie vor dem Ersten Weltkrieg, der mehr noch als für andere Einwanderer für die Deutschen ein Katalysator ihrer Assimilierung war. In den Nachkriegsjahren wirkten die von der Propaganda hervorgerufenen negativen Deutschland-Bilder in Amerika zunächst fort. Es etablierte sich das Bild vom deutschen Gewaltmenschen.152 Dieser war in Karikaturen »meist beleibt, mit Bierbauch und Pfeife oder aber mit militärischen Accessoires wie Uniform, Pickelhaube und Eisernem Kreuz ausgestattet und im Stechschritt posierend«.153 148 Erhielt 1915 jeder vierte Schüler an einer öffentlichen High School Deutschunterricht, war dieser Anteil 1922 auf unter ein Prozent geschrumpft. In der Folge sank der Gebrauch der deutschen Sprache stark. Vgl. Hans-Jürgen Schröder: Deutschland und Amerika in der Epoche des Ersten Weltkrieges 1900–1924, Stuttgart 1993 (Krefelder Hefte zur deutschamerikanischen Geschichte, Bd. 1), sowie Nagler : From Culture to Kultur, S. 151. 149 Christine M. Totten: Deutschland – Soll und Haben: Amerikas Deutschlandbild, München 1964, S. 83. Das gleiche Schicksal erfuhren »hamburgers« und »frankfurters«, die zu »liberty steaks« und »victory sausages« wurden. 150 Vgl. Horst Dippel: Geschichte der USA, 3. Aufl., München, S. 85. 151 Schröder: Deutschland und Amerika, S. 29. 152 Vgl. Udo Sautter : Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, 3., erw. Aufl., Stuttgart 1986, S. 329. 153 Carmen Müller : Weimar im Blick der USA. Amerikanische Auslandskorrespondenten und Öffentliche Meinung zwischen Perzeption und Realität, Münster 1997 (Studien zu Geschichte, Politik und Gesellschaft Nordamerikas, Bd. 7), S. 219. Welchen Kontrast zu diesem Klischee gab später Erich Maria Remarque ab: ein kultivierter, gutaussehender Mann mit einem gar nicht so deutschen Namen, der obendrein noch pazifistisches Gedankengut vertrat und damit so ziemlich das Gegenmodell zu einem preußischen Junker war.

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Auf der anderen Seite des Atlantiks war ebenso noch nichts von der bald beginnenden partnerschaftlichen Beziehung zwischen der jungen Republik und den Vereinigten Staaten zu spüren. Zum einen hatten viele Deutsche Ressentiments gegenüber amerikanischem Lebensstil, Kultur und Werten.154 Durch alle Schichten hinweg aber waren sie empört über den vermeintlichen Verrat des amerikanischen Präsidenten im Zuge der Versailler Konferenz. Wilson hatte stets von einem Frieden ohne Sieg (»peace without victory«) gesprochen und Deutschland in seinem Kriegszielprogramm der »Fourteen Points« einen gleichberechtigten Platz in einer neuen Weltordnung in Aussicht gestellt.155 Dies war auch die Grundlage für das Einverständnis der Deutschen zum Waffenstillstand gewesen. Wie sich allerdings zeigte, wurden die Solidarität der USA und ihr Gewicht am Konferenztisch in Versailles von deutscher Seite überschätzt. Wilsons Einfluss auf die Alliierten sank im Moment der deutschen Niederlage. Er musste vor allem dem Revanchedenken der Franzosen in vielen Punkten nachgeben und war nicht mehr der unparteiische Vermittler wie Anfang 1917. Zudem war er nach dem Verlust der demokratischen Kongressmehrheit im November 1918 innenpolitisch geschwächt.156 So gestalteten sich die Bedingungen des Vertrages 154 Zwar wurde der »American way of life« einerseits enthusiastisch übernommen – vor allem in der Metropole Berlin –, von vielen Deutschen aber auch als hemmungsloser Materialismus betrachtet. Insbesondere die Rechtskräfte bemühten die Stereotypen einer oberflächlichen, dekadenten Gesellschaft und lehnten die vermeintlich von Juden und Afroamerikanern geprägte Kultur ebenso ab wie etwa die Emanzipation der Frau in den USA. Furcht vor einem Import des seelenlosen »Kultur-Amerikanismus« aus der »Neuen Welt« herrschte aber auch im Bildungsbürgertum, das für die Erhaltung der deutschen Volkskultur eintrat, sowie in linksintellektuellen Kreisen, wo Konsumismus und Uniformiertheit der amerikanischen Massenkultur auf Ablehnung stießen. Vgl. Anton Kaes: Massenkultur und Modernität. Notizen zu einer Sozialgeschichte des frühen amerikanischen und deutschen Films, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 662f., sowie Adelheid von Saldern: Überfremdungsängste. Gegen die Amerikanisierung der deutschen Kultur in den zwanziger Jahren, in: dies., Alf Lüdtke und Inge Marßolek (Hg.): Amerikanisierung. Traum und Alptraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1996 (Transatlantische historische Studien, Bd. 6), S. 213–244. 155 Siehe den Originaltext der von Woodrow Wilson am 8. Januar 1918 im Kongress gehaltenen Rede zu den »Fourteen Points« u. a. bei Henry Steele Commager (Hg.): Documents of American History, Bd. 2, 7. Aufl., New York 1963, S. 137–139. 156 Diese Schwäche zeigte sich deutlich, als der US-Senat die Ratifizierung des Versailler Vertrags und damit auch den Beitritt der Vereinigten Staaten zum – von Wilson initiierten – Völkerbund verweigerte. Vgl. Klaus Schwabe: Die Vereinigten Staaten und die Weimarer Republik. Das Scheitern einer ›besonderen‹ Beziehung, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 373; Michael Salewski: Der Erste Weltkrieg, Paderborn u. a. 2003, S. 335–337; Möckelmann: Deutsch-amerikanische Beziehungen, S. 84–95, sowie ausführlich zur Entwicklung von Wilsons »Vierzehn Punkten« bis zum Versailler Vertrag Glaser-Schmidt: Verpaßte Gelegenheiten?, S. 31–36.

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am Ende härter als ursprünglich vom amerikanischen Präsidenten intendiert. Aus der Absicht, einen Frieden der Versöhnung zu schließen, wurde schließlich ein Vergeltungsfrieden.157 In Deutschland machte die politische Rechte Wilson zum Sündenbock für die aus ihrer Sicht untragbaren Bedingungen des Versailler Kontrakts.158 Aber auch in weiten Teilen der Bevölkerung war die Ernüchterung immens. Dies lag zum einen an den zu großen Hoffnungen, die an Wilsons Vermittlung geknüpft worden waren. Zum anderen hatte man zu lange auf die Aussagen der militärischen Führung vertraut und noch in der Phase des Waffenstillstands in einem Traumland gelebt, was die Verfassung des deutschen Heeres betraf.159 Jedenfalls war die Folge des enttäuschenden Friedensschlusses eine »tiefe Entfremdung zwischen dem Amerika Wilsons und der jungen deutschen Republik«, stellt Klaus Schwabe fest.160 Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich das deutsch-amerikanische Verhältnis deutlich verbesserte. Dies lag vor allem an den Amerikanern, die kein Interesse an 157 Wolfgang J. Mommsen macht für den Ausgang der Vertragsverhandlungen die »überhitzte nationalistische Atmosphäre« verantwortlich, welche »nüchterne machtpolitische Arrangements traditionellen Stils« unmöglich gemacht habe. Wolfgang J. Mommsen: Der Vertrag von Versailles. Eine Bilanz, in: Gerd Krumeich (Hg.) in Zusammenarbeit mit Silke Fehlemann: Versailles 1919. Ziele, Wirkung, Wahrnehmung, Essen 2001 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N. F., Bd. 14), S. 359. Klaus Schwabe weist auf ein persönliches Dilemma Wilsons hin: Um bei seinen europäischen Kollegen nicht als deutschfreundlich dazustehen, zugleich aber auch um seiner eigenen politischen und moralischen Glaubwürdigkeit willen, habe Wilson nichts getan, »um diesem zugegebenermaßen harten Frieden dessen Optik als verdientes Strafgericht über einen Aggressor zu nehmen«. So habe er sich immer mehr von der Vorstellung eines versöhnenden Friedens entfernt. Klaus Schwabe: Eine neue Weltordnung? Der Beitrag Amerikas zur Lösung der Deutschlandfrage durch den Friedensschluss von Versailles, in: Manfred Berg und Philipp Gassert (Hg.): Deutschland und die USA in der internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Detlef Junker, Stuttgart 2004 (Transatlantische historische Studien, Bd. 18), S. 273f. 158 Die deutsche Anklage gegen das »Unrecht« von Versailles floss im Übrigen auch in die Argumentation der Anhänger eines amerikanischen Isolationismus gegenüber Europa ein, wie Klaus Schwabe bemerkt. Vgl. Schwabe: Die USA, Deutschland und der Ausgang des Ersten Weltkrieges, S. 60. 159 Zudem hatte sich die Idee des aufgezwungenen Vorwärtsverteidigungskriegs regelrecht in den Köpfen »eingekrallt«, so Gerd Krumeich. Eine ehrliche Kriegsursachenforschung fand in Deutschland nicht statt – das betraf allerdings alle kriegführenden Staaten. Vgl. Gerd Krumeich: Versailles 1919. Der Krieg in den Köpfen, in: ders. (Hg.) in Zusammenarbeit mit Silke Fehlemann: Versailles 1919. Ziele, Wirkung, Wahrnehmung, Essen 2001 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N. F., Bd. 14), S. 56 und 58, sowie ausführlich bei Peter Krüger : German Disappointment and Anti-Western Resentment, 1918–19, in: Hans-Jürgen Schröder (Hg.): Confrontation and Cooperation. Germany and the United States in the Era of World War I, 1900–1924, Oxford-Providence, Rhode Island 1993 (Germany and the United States of America, Bd. 2), S. 323–350. 160 Schwabe: Die USA, Deutschland und der Ausgang des Ersten Weltkrieges, S. 12.

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einem schwachen, gedemütigten Deutschland hatten. Gemäß ihrem politischen Konzept der »Offenen Tür« nahmen sie bereits kurz nach dem Kriegsende wieder Handel mit den Deutschen auf und betrachteten diesen zugleich als Vehikel des Friedens. Denn für eine dauerhafte gesellschaftliche und politische Stabilisierung in Europa galt ökonomisches Wachstum als Voraussetzung. Dabei wurde die Wirtschaft der Weimarer Republik in den USA als zentral für den Wiederaufbau des alten Kontinents gesehen, da sie relativ intakt war und durch den Krieg kaum Schaden genommen hatte.161 Zu diesem Schluss kamen bereits Historiker der damaligen Zeit: »The efforts of many influential Americans have been made, not because prepossessed in Germany’s favor«, schrieb etwa Sidney Brooks 1928 in seiner Studie über das deutsch-amerikanische Verhältnis nach dem Ersten Weltkrieg, »but in the conception that if there is to be economic peace in the occident Germany must recover. In that belief emotions properly had no part.«162 Auch wenn sich der Idealismus der Amerikaner bei ihrer wirtschaftlichen Aufbauhilfe in Grenzen hielt – schließlich war Deutschland ein aufnahmefähiger Markt für Investitionen und Produkte aus den USA, in den Kredite und Investitionen in hohem Volumen flossen –, so gab es doch eine wachsende Wertschätzung der Weimarer Republik, weil diese ebenfalls eine liberal-demokratische und kapitalistische Ordnung hatte und damit ein Bollwerk gegen den Bolschewismus zu sein schien.163 Den Stimmungsumschwung ermöglichte ferner, dass sich die antideutsche Kriegspropaganda zuvor stark auf den Kaiser und sein Reich konzentriert hatte. Demzufolge war die Weimar Republik nach dem Sturz der Hohenzollern-Monarchie ideologisch relativ unbelastet, weshalb sich die Amerikaner leichter taten, mit ihr neue konstruktive Beziehungen zu knüpfen.164 »Die Weltkriegspsychose trat allmählich hinter einen Geist der Versöhnung zurück«, beschreibt Manfred Berg den Paradigmenwechsel.165 161 Vgl. zur ökonomischen Dimension der Annäherung vor allem das Standardwerk von Werner Link: Die amerikanische Stabilisierungspolitik in Deutschland 1921–32, Düsseldorf 1970, S. 52–63, 76–86 und 324–337. Siehe auch Gerhard L. Weinberg: Deutschland und Amerika 1917 bis 1949, in: Klaus Weigelt (Hg.): Das Deutschland- und Amerikabild. Beiträge zum gegenseitigen Verständnis beider Völker, Melle 1986 (Forschungsbericht/Konrad-Adenauer-Stiftung, Bd. 50), S. 22; Dieter Gessner : Die Weimarer Republik, Darmstadt 2002 (Kontroversen um die Geschichte), S. 48, sowie Guggisberg: Geschichte der USA, S. 167. 162 Brooks: America and Germany 1918–1925, S. 160f. 163 Carmen Müller spricht in diesem Zusammenhang von »sympathischen Ähnlichkeiten«. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 11. Vgl. auch Link: Die amerikanische Stabilisierungspolitik, S. 538, 546f. und 615. 164 Vgl. Werner Link: Die Beziehungen zwischen der Weimarer Republik und den USA, in: Manfred Knapp et al.: Die USA und Deutschland 1918–1975. Deutsch-amerikanische Beziehungen zwischen Rivalität und Partnerschaft, München 1978, S. 62. 165 Manfred Berg: Gustav Stresemann und die Vereinigten Staaten von Amerika. Weltwirtschaftliche Verflechtung und Revisionspolitik 1907–1929, Baden-Baden 1990, S. 261f.

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Aus amerikanischer Sicht war ein nicht zu unterschätzender Faktor, dass Deutschland auf geostrategischer Ebene für lange Zeit, wenn nicht für immer, aus der maritimen Konkurrenz auszuscheiden schien. Dass die neue, demokratische Republik den USA bei ihrem Weltmachtanspruch erneut in die Quere kommen könnte, war kaum denkbar. Im Gegenteil: Für das nun deutlich schwächere Deutschland erwuchsen bald frische Sympathien, etwa unter der französischen Ruhrbesetzung, welche von vielen Amerikanern sehr kritisch gesehen wurde.166 Diplomatisch bahnten sich die freundlicher werdenden Kontakte zwischen den beiden Nationen erstmals 1921 mit einem Separatfrieden an. Zwei Jahre später folgte der deutsch-amerikanische Handelsvertrag. Ebenso vermittelten die Vereinigten Staaten 1923 in der bereits erwähnten Ruhrkrise und erwarben sich neue Anerkennung in Deutschland. Umgekehrt geriet in der Ära Stresemann das alte Deutschland-Bild in Amerika ins Wanken. Der langjährige Außenminister Gustav Stresemann, die wohl »weltweit bekannteste und geachtetste Persönlichkeit der Weimarer Republik«, stand für die Neuorientierung von Deutschlands Außenpolitik weg vom Militarismus hin zu internationaler Verständigung und kollektiver Konfliktregelung, für Kontinuität und Berechenbarkeit und verkörperte, so Berg, »die scheinbare Wandlung der Deutschen zu einem demokratischen und friedliebenden Volk.«167 Die stabile und kooperative Phase unter Stresemann manifestierte sich in den Jahren 1923 bis 1929 im Dawes-Plan, den Verträgen von Locarno, der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund, dem Briand-Kellogg-Pakt, den deutschamerikanischen Schiedsgerichts- und Vergleichsverträgen sowie dem YoungPlan.168 Dabei unterstützten die USA Stresemann in seinem Ziel eines »be166 Vgl. Keene: Doughboys, S. 120–123, sowie Krass: Portrait of War, S. 293–303. Keene und Krass betonen, dass die amerikanischen Soldaten, sofern sie nach Kriegsende mit der deutschen Zivilbevölkerung in Kontakt kamen (bis Januar 1923 waren US-Truppen im Rheinland stationiert, anfangs immerhin 260.000), eine gute Beziehung zu dieser pflegte. Deutlich spannungsreicher freilich war das Verhältnis französischer Soldaten mit deutschen Bürgern, wobei die Amerikaner das zum Teil revanchistische Auftreten der Franzosen häufig mit Argwohn betrachteten. 167 Berg: Gustav Stresemann, S. 1 und 230. Vgl. auch Ursula Büttner : Weimar. Die überforderte Republik 1918–1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008, S. 357ff. 168 Folgt man der heftigen Propaganda der Rechtskonservativen und Nationalsozialisten gegen den Young-Plan, ist man geneigt, in diesem schnell eine große finanzielle Belastung für die Weimarer Republik zu sehen. Aus heutiger Sicht lässt sich ein solches Pauschalurteil allerdings nicht halten, wie sich die meisten Forscher einig sind. Schließlich wurden unter der Vermittlung des amerikanischen Bankiers Owen D. Young die 1924 im Dawes-Plan festgelegten Reparationszahlungen Deutschlands von jährlich bis zu 2,5 Milliarden Reichsmark auf durchschnittlich zwei Milliarden herabgesetzt. Zudem wurde erstmals eine zu zahlende Gesamtsumme mit festem Laufzeitende fixiert. Ökonomisch sei die jährliche Belastung, die 1928/29 3,3 Prozent des Bruttosozialprodukts, 12,4 Prozent der Staatsausgaben und 12,5 Prozent der Zahlungsbilanz ausmachte, »wahrscheinlich tragbar« gewesen,

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grenzten Revisionismus des Status quo«, weil dessen politische Absichten weitgehend mit den Washingtoner Interessen in Europa im Einklang standen, wie beispielsweise die Lösung der schwelenden Reparationsfrage. Aus deutscher Sicht wiederum war nach der Kriegsniederlage ein Arrangement mit dem stärksten Sieger naheliegend. Denn die Vereinigten Staaten boten der Weimarer Republik »jene Art von besonderer Beziehung«, resümiert Peter Krüger, der sie einerseits bedurft hatte, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, und sich andererseits politisch aus der »einseitigen Abhängigkeit von den europäischen Großmächten, vor allem von Frankreich, zu lösen«.169 Dass die amerikanische Schiedsrichterrolle in Europa zuweilen zugunsten Deutschlands ausschlug, darauf war in Berlin bewusst spekuliert worden. Ähnlich wie bei den USA war auch Deutschlands Westpolitik unter dem Realpolitiker Gustav Stresemann vor allem Interessenpolitik – das Element der Völkerverständigung spielte zwar eine Rolle, war aber sekundär. Das Verhältnis zwischen beiden Nationen entsprach dadurch einer »vorsichtigen, allerdings ziemlich genau kalkulierten Gratwanderung«, wie Krüger es prägnant skizziert.170 Dennoch führte die deutsch-amerikanische Parallelität dazu, dass die Weimarer Republik und die Vereinigten Staaten am Ende der 1920er Jahre unter den Großmächten jene mit den besten Beziehungen gewesen sein dürften. »Noch nie in der ganzen Geschichte«, schrieb 1927 der amerikanische Botschafter in Berlin, Jacob Gould Schurman, »[waren] die politischen Einrichtungen und die internationalen Ideale Deutschlands und der Vereinigten Staaten dermaßen im Einklang, wie sie es heute sind.«171 Viele Zeitgenossen erwarteten nun eine erläutert Ursula Büttner. Angesichts der einsetzenden wirtschaftlichen Depression und unterstützt von der Agitation der Republikgegner seien jedoch fast alle Deutschen überzeugt gewesen, »dass die Forderungen unerträglich und ungerecht seien«. Somit seien »die mentalen Auswirkungen der Reparationsverpflichtungen sicherlich gravierender« gewesen als »die – zweifellos schweren – materiellen Folgen«. Büttner : Weimar, S. 356f. Vgl. auch Schwabe: Die Vereinigten Staaten und die Weimarer Republik, S. 370–376; Link: Die amerikanische Stabilisierungspolitik, S. 469–477, sowie ausführlich Berg: Gustav Stresemann, S. 158–222, und Michael Wala: Weimar und Amerika. Botschafter Friedrich von Prittwitz und Gaffron und die deutsch-amerikanischen Beziehungen von 1927 bis 1933, Stuttgart 2001, S. 274–312. 169 Peter Krüger: Die »Westpolitik« in der Weimarer Republik, in: Henning Köhler (Hg.): Deutschland und der Westen. Vorträge und Diskussionsbeiträge des Symposions zu Ehren von Gordon A. Craig, veranstaltet von der Freien Universität Berlin vom 1.–3. Dezember 1983, Berlin 1984 (Studien zur Europäischen Geschichte, Bd. 15), S. 112 und 117. Vgl. u. a. auch Elisabeth Glaser-Schmidt: Between Hope and Skepticism. American Views of Germany, 1918–1933, in: dies. und David E. Barclay (Hg.): Transatlantic Images and Perceptions. Germany and America since 1776, Cambridge u. a. 1997 (Publications of the German Historical Institute), S. 197, sowie Link: Die Beziehungen zwischen der Weimarer Republik und den USA, S. 65f. und 102–104. 170 Krüger : Die »Westpolitik« in der Weimarer Republik, S. 118. 171 Zitiert nach Lehmann: Alte und Neue Welt, S. 120.

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dauerhaft anhaltende Freundschaft172, die sich längst auch in einem regen kulturellen Austausch in bildender Kunst, Literatur, Film sowie auf Hochschulebene widerspiegelte.173 Mit der scheinbaren Stabilisierung der Weimarer Republik manifestierte sich die Anerkennung Deutschlands in Amerika. Neben Außenminister Stresemann wurde sogar Paul von Hindenburg ein positiver Imagepräger. Seine Wahl zum Reichspräsidenten hatte 1925 zunächst noch einen Schock ausgelöst, verkörperte der Feldmarschall doch wie kein zweiter Preußentum und Militarismus. Angesichts seines politischen Wirkens trat diese Sicht aber rasch in den Hintergrund. Bald wurde Hindenburg in den USA als Garant des Fortbestehens der demokratischen Republik betrachtet, der nationalistische und kommunistische Umsturzversuche erfolgreich abwehrte – dies galt umso mehr, als er sich in der Reichspräsidentenwahl 1932 gegen Adolf Hitler durchsetzte.174 »Aus dem das ganze Volk darstellenden Militaristen und immanent Bösen erwuchs der charakterfeste und zuverlässige Vernunftpolitiker«, erläutert Carmen Müller.175 Die Hindenburg-Rezeption zeigt so stellvertretend die Wandlung des amerikanischen Deutschland-Bildes in der Weimarer Zeit. Bemerkenswert ist, dass sich damit retrospektiv auch die Bewertung der Rolle des Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg veränderte. Stand die Alleinschuld Deutschlands am Kriegsausbruch in der amerikanischen Öffentlichkeit in den Jahren 1917/18 außer Frage, vertraten im September 1930 nur zehn Prozent unter 1.200 von der Zeitung World Tomorrow befragten Meinungsführern diese These.176 Selbst der frühe Tod Stresemanns 1929 tat dem Optimismus hinsichtlich der Entwicklung der deutschen Demokratie keinen Abbruch. »Sein Werk, die Reintegration Deutschlands in die Staatengemeinschaft, schien irreversibel«, beschreibt Berg die Stimmung in den Vereinigten Staaten.177 Ernsthafte Sorgen über die Friedensabsichten des einstigen Kriegsgegners kamen bei den Amerikanern nicht auf. Dagegen sprach allein schon der große Erfolg ihrer wirtschaftlichen Diplomatie, welche militärische Mittel künftig überflüssig zu ma172 Siehe etwa den Geschichtswissenschaftler Sidney Brooks, der 1928 von einer »lasting relation of friendship« ausging. Brooks: America and Germany, S. 160. 173 Vgl. u. a. Wala: »Gegen eine Vereinzelung Deutschlands«, S. 303–315. 174 Vgl. Hermann-Josef Rupieper : Das amerikanische Deutschlandbild der Zwischenkriegszeit, in: Henning Köhler (Hg.): Deutschland und der Westen. Vorträge und Diskussionsbeiträge des Symposions zu Ehren von Gordon A. Craig, veranstaltet von der Freien Universität Berlin vom 1.–3. Dezember 1983 (Studien zur Europäischen Geschichte, Bd. 15), Berlin 1984, S. 134–136. 175 Müller : Weimar im Blick der USA, S. 413. US-Botschafter Schurman etwa bewertete Hindenburg bereits 1927 ausdrücklich positiv : »Er ist der Washington von Deutschland – der Erste im Krieg, der Erste im Frieden und der Erste im Herzen seiner Landsleute.« Zitiert nach Lehmann: Alte und Neue Welt, S. 120. 176 Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 342f. 177 Berg: Gustav Stresemann, S. 423.

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chen schien. Wie man heute weiß, entpuppte sich diese Hoffnung – gerade mit Beginn der Weltwirtschaftskrise im Todesjahr Stresemanns – schon bald als illusionär. Letztlich war es die »eigene positive Demokratieerfahrung« der Amerikaner, die sie zu den »realitätsfernen Projektionen« bezüglich der Weimarer Republik veranlasste und somit in die Irre führte.178 Dabei wurden die Signale, die aus Übersee in den USA ankamen, immer eindeutiger: Nach dem Sturz des Reichskanzlers Heinrich Brüning 1932 schwenkte die deutsche Außenpolitik unter Franz von Papen auf einen konfrontativen Kurs um, der nicht mehr nur revisionistische, sondern auch expansionistische Elemente enthielt.179 Der Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung, Militarisierung, bürgerkriegsähnliche Zustände, Massenarbeitslosigkeit und die Notstandsgesetzgebung gaben wenig Anlass für positive Prognosen. Zudem taten die aufstrebenden Rechtskräfte ihren stets latent vorhandenen Antiamerikanismus nun immer lauter öffentlich kund. Trotz zunehmend skeptischer DeutschlandPerzeptionen sah jedoch nur die Minderheit der Beobachter das drohende Unheil in seiner ganzen Dimension kommen.180 Hitlers Ankündigungen eines ›Dritten Reichs‹, der Vernichtung von Juden, Kommunisten und anderen Feinden wurden als rhetorische Bekundungen angesehen. Auf den Nationalsozialismus war die amerikanische Öffentlichkeit kaum vorbereitet. Als Hitler schließlich die Macht übernahm, regte sich in den Vereinigten Staaten zunächst keine einmütige Ablehnung des NS-Regimes – obschon dessen Coup den »Bankrott der amerikanischen Stabilisierungspolitik in Deutschland« bedeutete, wie Klaus Schwabe konstatiert.181 Die Haltung schwankte zwischen 178 Müller : Weimar im Blick der USA, S. 328. Vgl. hierzu auch Krüger, laut dem in den USA die republikfeindlichen Kräfte und die systemimmanenten Schwächen der Weimarer Republik unterschätzt wurden: »The actual state of the Weimar Republic received less attention in the United States. In general, there was no adequate comprehension of Germany’s undetermined, bitterly controversial way into future nor of the precarious balance between antagonistic forces in German politics and society. Hence, American misperceptions derived from the often ignored discrepancy between a fascinating faÅade of modern culture, good will, and temporary success, on the one hand, and, on the other, a deeply shaken, unstable society – a political system without roots and with little popularity.« Krüger : Germany and the United States, S. 181. 179 Allein schon die Personalie Papen stieß in Amerika auf Ablehnung. Der neue Reichskanzler war zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Heeresattach8 in Washington, D.C., tätig gewesen und in dieser Funktion Drahtzieher von Sabotageakten in den USA. Somit galt er als Repräsentant skrupelloser deutscher Machtpolitik. Vgl. Wala: Weimar und Amerika, S. 491, sowie Link: Die amerikanische Stabilisierungspolitik, S. 523f. 180 Zu denen, die sich ernsthaft sorgten, gehörte US-Außenminister Henry L. Stimson. »The Germans are getting heady«, schrieb er im September 1932 in sein Tagebuch. »The old Prussian spirit is coming up, and now we have a new very dangerous sore spot in the world.« The Henry Lewis Stimson Diaries in the Yale University Library, Bd. 23, 7. 9. 1932, New Haven, Conn. 1973. 181 Schwabe: Die Vereinigten Staaten und die Weimarer Republik, S. 375.

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Boykottaufrufen und scharfer öffentlicher Schelte auf der einen Seite sowie vorsichtigem Abwarten auf der anderen Seite. Bei jenen Amerikanern, die sich über die Abschaffung demokratischer Rechte und Institutionen oder die Ausgrenzung der Juden nur mäßig entsetzt zeigten, wirkte das positive DeutschlandBild der vorangegangenen zehn Jahre wohl noch fort: Manche dürften an einen Spuk geglaubt haben, der vorbeigeht; andere hofften, Hitler mache Chaos und Bürgerkrieg ein Ende. Ein Grund für die teilweise recht moderaten amerikanischen Reaktionen auf die neuen Machthaber waren darüber hinaus wirtschaftliche Interessen. So plädierten großindustrielle Kreise in den USA bis weit in die 1930er Jahre hinein für eine Kooperation mit Deutschland. Und schließlich ließ das Gefühl der territorialen Sicherheit viele – insbesondere isolationistisch eingestellte – Amerikaner die ›deutsche Gefahr‹ deutlich gelassener betrachten als ihre ehemaligen europäischen Verbündeten, zumal Hitler seine Revisionspolitik lange als ›Friedenspolitik‹ tarnte.182 Spätestens mit den deutschen Annexionen verflüchtigten sich die letzten Hoffnungen in den USA auf ein Arrangement mit den Nationalsozialisten. Und als Deutschland 1939 mit dem Einmarsch in Polen den Zweiten Weltkrieg auslöste, entpuppte es sich für die Amerikaner endgültig als Reich des Bösen – noch böser als jenes, das man zwei Jahrzehnte zuvor bekämpft hatte. Aus der kurzen Partnerschaft der Zwischenkriegszeit entwickelte sich erneut ein heftiger transatlantischer Antagonismus, der sich erst nach 1945 auflöste. Dann schlug die Dialektik von Nähe und Abstoßung, Ferne und Anziehung wieder in die andere Richtung um.183

182 Vgl. hierzu vor allem Hans-Jürgen Schröder : Das Dritte Reich und die USA, in: Manfred Knapp et al.: Die USA und Deutschland 1918–1975. Deutsch-amerikanische Beziehungen zwischen Rivalität und Partnerschaft, München 1978, S. 108f., sowie Gerhard L. Weinberg: Von der Konfrontation zur Kooperation. Deutschland und die Vereinigten Staaten 1933– 1949, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 393f. 183 Noch nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sagten 60 Prozent der Amerikaner in einer Umfrage, die Deutschen seien eigentlich friedliebend und freundlich, hätten nur das Unglück gehabt, zu oft von skrupellosen und ehrgeizigen Führern irregeführt worden zu sein. Mit Bekanntwerden des ganzen Ausmaßes des Völkermords an den Juden freilich verkehrte sich diese Ansicht ins Gegenteil. Nun glaubte die Mehrheit der Amerikaner, die Deutschen warteten nur auf eine Gelegenheit, so etwas noch einmal zu versuchen. Doch auch dieses negative Deutschland-Bild hielt angesichts der Stabilität der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit nicht lange an. Vgl. Jarausch: Das amerikanische Deutschlandbild, S. 13.

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3.1. Das soldatische Fronterlebnis 1914–1918: Wesen und Sinngebung »Eine Generation, die noch mit der Pferdebahn zur Schule gefahren war, stand unter freiem Himmel in einer Landschaft, in der nichts unverändert geblieben war als die Wolken und unter ihnen, in einem Kraftfeld zerstörender Ströme und Explosionen, der winzige, gebrechliche Menschenkörper.« Walter Benjamin, 1925

Wie Walter Benjamin müssen Millionen Männer auf beiden Seiten der Front empfunden haben, als sie zum ersten Mal der Zerstörungswut des Ersten Weltkriegs184 begegneten. Mit romantischen Vorstellungen von 1870 an die Front gelangt, waren Schock und Enttäuschung groß. Denn was die Soldaten185 vorfanden, war kein nobler, abenteuerlicher Krieg, sondern ein industrialisiertes Abschlachten, dessen Ausgang allein von mathematischen Größen wie Stahl, Maschinen und menschlicher Masse bestimmt war.186 Aus dem »Handwerk des Tötens« war gewissermaßen ein industrialisierter Prozess geworden.187 Für die heldenhafte Entfaltung des Einzelnen gab es hier keinen Platz: »Krieg im alten heroischen Sinn des Wortes hatte aufgehört zu existieren«, schrieb Erich Maria 184 Die Wortschöpfung »Erster Weltkrieg« entstand erst in den 1920er Jahren, als man bereits mit einem weiteren Krieg ähnlichen Ausmaßes rechnen musste. 185 Im Folgenden stehen die Erfahrungswelten und Deutungen deutscher Soldaten im Fokus, wobei davon ausgegangen wird, dass es unter gegnerischen, an der Westfront eingesetzten Soldaten ähnliche Erlebnisse und Bewertungen gab. In Kap. 4.2 werden dann Parallelen und Divergenzen in den Fronterfahrungen amerikanischer Soldaten aufgezeichnet. 186 Vgl. etwa Linder : Princes of the Trenches, S. 46 und 66; Robert Weldon Whalen: Bitter Wounds. German Victims of the Great War, 1914–1939, Ithaca, NY 1984, S. 45–47, sowie Eksteins: Rites of Spring, S. 140–157. Zur »Rationalisierung des Schlachtens« aus kulturgeschichtlicher Perspektive vgl. Daniel Pick: War Machine. The Rationalisation of Slaughter in the Modern Age, New Haven, Conn. 1993, S. 165–188. 187 Werner Biermann: Albtraum Verdun, in: Christine Beil u. a.: Der Erste Weltkrieg, Hamburg 2006, S. 144.

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Remarque Anfang der 1930er Jahre rückblickend: »Dem Mann im Schützengraben [blieb] nichts zu tun, als in passiver Resignation zu warten, ob es ihn treffen wird.«188 Ahnen konnten die Soldaten freilich nicht, dass sie bald Teil der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« (George F. Kennan)189 werden sollten, als sie in der freudigen Erregung der Augusttage gen Front aufbrachen. Inwieweit das ›Augusterlebnis‹ auch Mythos oder Realität war190 – zumindest an vielen Bahnhöfen 188 Erich Maria Remarque: Haben meine Bücher eine Tendenz? (1931/32), in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929– 1966, Köln 1994, S. 63. 189 George F. Kennan: Bismarcks europäisches System in der Auflösung. Die französischrussische Annäherung 1875–1890, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1981, S. 12. 190 An dieser Stelle scheinen einige Bemerkungen zum Forschungsstand über das ›Augusterlebnis‹ angebracht: So spricht Reinhard Rürup 1998 noch von »einer sich geradezu epidemisch ausbreitenden Kriegsbegeisterung« (Reinhard Rürup: »Weltkrieg« – »Volkskrieg« – »Kulturkrieg«. Die Bedeutung des Ersten Weltkrieges für die deutsche Geschichte, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 16). Dies mag für die sichtbare Begeisterung auf der Straße und öffentlichen Plätzen stimmen. Vielmehr aber müsse man die Grenzen dieser vermeintlich allgemeinen Begeisterung betonen, merkt etwa Niall Ferguson an (Niall Ferguson: Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, 2. Aufl., Stuttgart 1999, S. 219). Auch Andreas Gestrich konstatiert, dass von einer »allgemeinen Kriegsbegeisterung […] nicht gesprochen werden [kann]« (Andreas Gestrich: »Leicht trennt sich nur die Jugend vom Leben«. Jugendliche im Ersten Weltkrieg, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 36ff). Ebenso argumentiert Richard Bessel, die Euphorie des August 1914 sei mehr »eine Äußerung eines selektiven Gedächtnisses als eine unbestreitbare historische Tatsache« gewesen und rät dazu, die vermeintliche Kriegsbegeisterung »kritisch zu hinterfragen« (Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 126 und 130). »Erhebliche Zweifel« meldet auch Michael Salewski an (Michael Salewski: Der Erste Weltkrieg, Paderborn u. a. 2003, S. 3.). Wolfgang Kruse kommt nach Auswertung etlicher Quellen sogar zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Menschen bereits nach der Mobilmachung niedergeschlagen war und das ›Augusterlebnis‹ ein vom Bildungsbürgertum – dem »Hauptproduzent der ›Ideen von 1914‹« – propagierter Mythos war (Wolfgang Kruse: Die Kriegsbegeisterung im Deutschen Reich zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Entstehungszusammenhänge, Grenzen und ideologische Strukturen, in: Marcel van der Linden und Gottfried Mergner (Hg.): Kriegsbegeisterung und mentale Kriegsvorbereitung. Interdisziplinäre Studien, Berlin 1991, S. 74 und 82). Anderer Meinung ist Wolfgang J. Mommsen. Er schreibt, »die nationale Euphorie des ›August 1914‹ war kein Mythos«. Mommsen konzediert aber, sie habe »die einzelnen Schichten und Gruppen der deutschen Gesellschaft in unterschiedlichem Maße und unterschiedlicher Intensität« erfasst und sei »zudem durchweg mit tiefer Sorge und Beklommenheit vor dem, was noch kommen werde, verbunden« gewesen (Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 39. Vgl. dort auch S. 138–140, sowie ders.: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914–1918, Frankfurt am Main 2004, S. 16f. und 35–37). Als vorläufiges Fazit lässt sich festhalten, dass die Mehrheit der Historiker heute davon ausgeht, dass die ›Hurrastimmung‹ in rechtskonservativen Kreisen, der bürgerlichen Intelligenzija und unter Studenten stärker verbreitet war als etwa unter Arbeitern und der Landbevölkerung – mithin dem größeren Teil der Gesellschaft – und dass das Spektrum der Reaktionen auf den Kriegsbeginn zwischen Erschütterung und patriotischem Über-

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in Deutschland war im Sommer 1914 die häufig zitierte ›Hurrastimmung‹ sichtbar. Selbst für einen so kritischen Zeitgenossen wie Sebastian Haffner waren dies – als Zuschauer, wohlgemerkt, – »unvergessliche Tage größter Erhebung und gesteigerten Lebens«. Mit Blumen an Helm und Uniform und begleitet von »Winken und brausendem Rufen«, so Haffner, fuhren die Männer von dannen – die Gedanken schon bei der Rückkehr.191 Denn sie erwarteten einen kurzen und siegreichen Krieg. Noch vor Weihnachten, so hieß es, werde man wieder zu Hause sein. Angeheizt von der manipulativen staatlichen Propaganda, wurde diese von Naivität geprägte Stimmung in vielen Gesellschaftsschichten in Europa geteilt – stärker noch als dies 1917 in den USA der Fall war.192 Zwar ist das Ausmaß der Kriegsbegeisterung kaum quantifizierbar, unbestritten aber zog sie sich durch weite Teile des Großbürgertums, der akademischen Jugend und intellektueller Kreise. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. So sahen viele deutsche, englische, französische, italienische oder russische Künstler und Literaten im Krieg eine revolutionäre Kraft, eine reinigende Apokalypse193, welche die kapitalistischen Systemzwänge und die Restriktionen der Gesellschaft zu zertrümmern versprach: »War, in these heady years of the avant-guerre«, schreibt Marjorie Perloff über die pan-europäische Kriegsbegeisterung der Avantgarde, »was conceived as a kind of noisy purge – bang bang bang! […] Its consequences were simply not understood.«194 Ob sie wollten oder nicht, wurden viele Intellektuelle so zu »Flammenwerfern des Nationalismus«195.

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schwang schwankte. Ein abschließendes, übereinstimmendes Urteil hat die Forschung aufgrund mangelnder empirischer Untersuchungen noch nicht getroffen, doch ist der Mythos des ›Augusterlebnisses‹ zumindest relativiert worden. Vgl. u. a. auch Roger Chickering: Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 2002, S. 24–29, sowie Jeffrey Verhey : Augusterlebnis, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 357–360. Sebastian Haffner : Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914–1933, 8. Aufl., München 2001, S. 17. Siehe Kap. 2, S. 51f., sowie Kap. 4.1, S. 88. Vgl. u. a. Wolfgang J. Mommsen: Einleitung: Die deutschen kulturellen Eliten im Ersten Weltkrieg, in: ders. (Hg.) unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner : Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München 1996 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 34), S. 1–15, sowie Klaus Vondung: Apokalyptische Deutungen des Ersten Weltkrieges in Deutschland, in: Franz Karl Stanzel und Martin Löschnigg (Hg.): Intimate Enemies. English and German Literary Reactions to the Great War 1914–1918. Heidelberg 1993 (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, Folge 3, Bd. 126), S. 59–69. Marjorie Perloff: The Great War and the European Avant-Garde, in: Vincent Sherry (Hg.): The Cambridge Companion to the Literature of the First World War, Cambridge 2005, S. 146. Wolfgang J. Mommsen bestätigt diese Ansicht. Er hält fest, dass sich die intellektuellen Eliten in allen kriegführenden Ländern anfänglich hinter ihre Regierungen gestellt hätten, »ja in gewissem Maße aus eigenem Antrieb heraus einen ›Krieg der Geister‹ be-

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Doch die festliche »Raserei«196 schlug an der Front schnell in blankes Entsetzen um. Ein Soldat, der noch am 7. August 1914 vom umjubelten Abschied geschwärmt hatte, schrieb nur sechs Wochen später von einer »Welt des Horrors«.197 Vor allem unter den jungen deutschen Kriegsfreiwilligen muss die Desillusionierung enorm gewesen sein. Viele von ihnen – insbesondere wenn sie der organisierten Jugendbewegung, etwa den Wandervögeln, angehörten198 –

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trieben […]«. Besonders Literaten und Künstler seien von der apokalyptischen Vorstellung des Krieges als Purgatorium »geradezu magisch angezogen [worden], auch dann, wenn sie diesen selbst ablehnten, und halfen damit, einer Mentalität den Weg zu bahnen, die den Krieg nicht mehr als eine Katastrophe, sondern als Chance dafür ansah, eine Wiedergeburt des europäischen Kulturlebens herbeizuführen« (Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 19, 23 und 157). Bezeichnend für diese Ambivalenz ist die Haltung des Malers Max Beckmann, der den Ersten Weltkrieg im Sommer 1914 eine »wunderbare Katastrophe« nannte. Vgl. ebd., S. 35, sowie zur »Selbstmobilisierung der Intellektuellen« (Mommsen) im Allgemeinen S. 139. Rainer Traub: Der Krieg der Geister, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, München 2004, S. 53. Vgl. auch ausführlich das Kapitel »Culture and War« bei Alan Kramer : Dynamic of Destruction. Culture and Mass Killing in the First World War, Oxford 2007, S. 159–210, sowie den Aufsatz von Helmut Fries: Deutsche Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang Michalka (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994, S. 825–848. Haffner : Geschichte eines Deutschen, S. 19. In: Philipp Witkop (Hg.): Kriegsbriefe gefallener Studenten, München 1933 (Volksausgabe), S. 7–9. Anmerkung: Der Verfasser zitiert in dieser Arbeit bewusst nicht nur positive Sinngebungen des Krieges aus der bekannten Feldpostsammlung Philipp Witkops (hier eine Volksausgabe von 1933, erstmals erschienen ist sie 1916 als Kriegsbriefe deutscher Studenten), obwohl diese vom Herausgeber eine nationalistische Färbung erhielt und ab 1929 gar als Gegenentwurf zu Remarques Erfolgsroman propagiert wurde. So schrieb Witkop etwa im Vorwort, die Soldaten – »Blutzeugen eines neuen Deutschlands« – hätten in »todestreuer Kameradschaft« und mit »eiserner Tapferkeit«, »heroischer Ausdauer« und »heiliger Opferbereitschaft« für die »nationale Erneuerung« Deutschlands gekämpft. Trotz der unter diesen ideologischen Prämissen erfolgten Selektion der Briefe (zudem stammen die meisten aus der ersten Hälfte des Krieges) illustrieren sie die Ambivalenz des Kriegserlebnisses. Erst in den Jahren nach 1933 entfernte Witkop, der als national-konservativer Idealist und nicht als Nationalsozialist galt, auf Druck von offizieller Seite kriegskritische Stimmen. Insgesamt wurden die mehrfach veränderten Kriegsbrief-Editionen bis 1942 mehr als 200.000 Mal gedruckt. Vgl. Manfred Hettling und Michael Jeismann: Der Weltkrieg als Epos. Philipp Witkops »Kriegsbriefe gefallener Studenten«, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.): »Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch …« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt am Main 1993, S. 175–198; Manfred Hettling: Arrangierte Authentizität. Philipp Witkop: Kriegsbriefe gefallener Studenten (1916), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 51–69, sowie Bernd Ulrich: Feldpostbriefe des Ersten Weltkriegs: Möglichkeiten und Grenzen einer alltagsgeschichtlichen Quelle, MGM (1994), Bd. 1, Nr. 53, S. 77f. Zwei Drittel der Wandervögel meldeten sich freiwillig zum Krieg. Insgesamt war die Zahl der Freiwilligen so hoch, dass selbst die militärische Führung überrascht und auf ihren Ansturm zunächst nicht vorbereitet war. Dennoch prägten die mehreren Hunderttausend Kriegsfreiwilligen bei über 13 Millionen eingezogenen Soldaten »keineswegs das Bild der

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waren aus Gründen in den Krieg gezogen, die angesichts der Schlachtenrealität absurd erschienen: etwa um aus ihrem Elternhaus und der repressiven Wilhelminischen Gesellschaft auszubrechen, ein Abenteuer zu erleben und die eigene Männlichkeit zu beweisen oder eben dem Vaterland beizustehen und gemäß dem propagierten Kulturkrieg den Überlegenheitsanspruch der deutschen Nation zu bestätigen.199 Die Konfrontation mit dem Granatwerfer überlebte keine dieser Vorstellungen – schon gar nicht »die Idee vom erfüllten Tod im großen Krieg fürs Vaterland«, wie Bernd Hüppauf feststellt.200 Stattdessen wurden die Soldaten zu Rädchen in der »gewaltigen Maschinerie des Krieges« und so gleichsam zu deren Opfer.201 Verantwortlich hierfür war die zuvor nie erlebte »technisch-industriell entfesselte Vernichtungsenergie«202 des ersten »totalen Krieges«, der – wie schon 1912 von Wilhelm Lamszus befürchtet worden war – zu einem regelrechten »Menschenschlachthaus« wurde203. Die kriegführenden Staaten setzten neuartige Waffensysteme ein, deren Tötungspotenzial stets perfektioniert wurde: Jagdflugzeuge, U-Boote, Panzer, Maschinengewehre, Flammenwerfer, Handgranaten, Minen und Mörser.204 Eine besonders perfide Innovation war das Giftgas, dessen unterschiedlichste Form – Chlorgas, Phosgen, Senfgas – allein 90.000 Männer dahinraffte, zahllose erblindete oder bis zum Lebensende zu Lungenkranken machte.205

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gesamten Armee«, konstatiert Andreas Gestrich. Vgl. Gestrich: »Leicht trennt sich nur die Jugend«, S. 36–38. Vgl. u. a. Benjamin Ziemann: »Macht der Maschine« – Mythen des industriellen Krieges, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 177. Bernd Ulrich weist darauf hin, dass für die hohe Zahl der Kriegsfreiwilligen auch Gruppenzwang und die allgemeine gesellschaftliche Erwartungshaltung verantwortlich waren. Vgl. Bernd Ulrich: Die Desillusionierung der Kriegsfreiwilligen von 1914, in: Wolfram Wette (Hg.): Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992, S. 113. Bernd Hüppauf: »Der Tod ist verschlungen in den Sieg«. Todesbilder aus dem Ersten Weltkrieg und der Nachkriegszeit, in: ders. (Hg.): Ansichten vom Krieg: Vergleichende Studien zum Ersten Weltkrieg in Literatur und Gesellschaft, Königstein i. Ts. 1984, S. 71. Vgl. auch Mommsen: Kriegsalltag und Kriegserlebnis, S. 128 und 130, sowie Benjamin Ziemann: Die Eskalation des Tötens in zwei Weltkriegen, in: Richard van Dülmen (Hg.): Die Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500–2000, Wien u. a. 1998, S. 412. Witkop: Kriegsbriefe, S. 202. Klaus Latzel: Die misslungene Flucht vor dem Tod. Töten und Sterben vor und nach 1918, in: Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, München 1999 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 53), S. 183. Vgl. Wilhelm Lamszus: Das Menschenschlachthaus. Bilder vom kommenden Krieg, Hamburg/Berlin 1912. Zu den Waffen im Ersten Weltkrieg vgl. Michael Epkenhans: Kriegswaffen. Strategie, Einsatz, Wirkung, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 68–83. Vgl. Christian Habbe: Der Wettlauf der Ingenieure, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, München

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Nie zuvor hatte sich die hässliche Seite der Technologisierung und industriellen Dynamik des 20. Jahrhunderts so deutlich herausgeschält. Waffen wurden zu Monstren, die »blinde Maschinerie der Menschenzerstörung« schien sich gleichsam selbständig gemacht zu haben.206 Das lange, unpersönliche Massensterben im Takt der Maschinen unterschied sich somit diametral von dem prognostizierten kurzen und frisch-fröhlichen Krieg. Wie auch sollte Begeisterung aufkommen, wenn die Männer etwa bei dem Versuch, gegnerische Gräben zu stürmen, vom »furchtbaren Hagel«207 des Maschinengewehrs, das bis zu 600 Kugeln in der Minute ausspuckte, sprichwörtlich niedergemäht wurden? Somit hatte der Tod im Felde auch mit heroischen Sterbebildern nichts gemein: Er trat anonym auf, selten gingen ihm heldenhafte Taten voraus, und er endete allzu oft in unkenntlicher Verstümmelung des Körpers.208 Natürlich wurde die Kraft der industrialisierten Waffen teilweise auch begrüßt, wenn sie dabei half, den Feind zurückzuwerfen und das eigene Leben zu retten. So begleiteten beispielsweise Franzosen und Engländer die Einsätze der ersten Panzer mit großer Euphorie. Diese schwenkte freilich schnell um, wenn die Kriegstechnik eigenes Leib und Leben bedrohte. Denn die Regel war noch immer die schicksalsergebene Hinnahme der Defensivposition, mithin ein »ohnmächtiges Warten auf den Tod«209. Gerade diese fehlende Kontrolle über das eigene Leben empfanden die meisten Soldaten als unerträglich, wie Wolfgang J. Mommsen ausführt: »Die Erfahrung, dass persönliche Leistung und Tapferkeit unter den Bedingungen des vom Artilleriefeuer immer wieder umgepflügten und sich zeitweilig in Schlammwüsten verwandelnden Kampffeldes nichts auszurichten vermochten, sondern die Solda-

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2004, S. 80. Den Einsatz von Chemiewaffen hat u. a. ausführlich untersucht: Rolf-Dieter Müller : Total War as a Result of New Weapons? The Use of Chemical Agents in World War I, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914–1918, Cambridge 2000, S. 95–111. Eine ausführliche Beschreibung des Gaskriegs am Beispiel Ypern liefert Heinrich Billstein: Gashölle Ypern, in: Christine Beil u. a.: Der Erste Weltkrieg, Hamburg 2006, S. 97–129. Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 47. Feldpostbrief. Zitiert nach Klaus Latzel: Die Soldaten des industrialisierten Krieges – »Fabrikarbeiter der Zerstörung«? Eine Zeugenbefragung zu Gewalt, Arbeit und Gewöhnung, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 130. Vgl. hierzu ausführlich Michael Geyer: Gewalt und Gewalterfahrung im 20. Jahrhundert – Der Erste Weltkrieg, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 240–257, sowie Mary R. Habeck: Die Technik im Ersten Weltkrieg – von unten gesehen, in: dies., Geoffrey Parker und Jay Winter (Hg.): Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, Hamburg 2002, S. 101–132. Klaus Latzel: Vom Sterben im Krieg. Wandlungen in der Einstellung zum Soldatentod vom Siebenjährigen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg, Warendorf 1988, S. 61.

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ten umgekehrt auf weiten Strecken passiv dem anonymen Feuerwirbel des mechanisierten Krieges ausgesetzt waren, hatte eine traumatische Wirkung auf die Truppen.«210

Die »tödliche Arithmetik« des Ersten Weltkriegs führte sich an der Westfront ad absurdum. Orte wie Verdun sind heute Metaphern für den Tod in Massenproduktion schlechthin, der – in den Worten Henri Barbusses – vielmehr ein »gemeinsamer Selbstmord« war.211 Eingegraben im Schlamm der 700 Kilometer langen Frontlinie, bluteten sich die Millionenheere, selbst nicht mehr als Menschenmaterial, in den Abnutzungsschlachten aus. So feuerte die britische Armee während der Schlacht an der Somme, laut Paul Fussell bis dahin »the largest engagement fought since the beginning of civilisation«, in siebentägigem Trommelfeuer anderthalb Millionen Granaten auf die deutschen Schützengräben – und verlor bei der anschließenden Attacke unter deutschem Maschinengewehrfeuer dennoch innerhalb weniger Stunden 57.000 Männer, ein Drittel davon waren tot.212 Der 1. Juli 1916 gilt seither als schwärzester Tag der britischen Militärgeschichte. »It remains a symbol of the futility of the First World War«, konstatiert Alan Kramer. Insgesamt hatten die Deutschen mehr als 400.000 und die Alliierten über 600.000 tote oder verletzte Soldaten zu beklagen.213 Die Verluste der britischen Armee waren in den viereinhalb Monaten dauernden Kampfhandlungen sogar höher als im gesamten Zweiten Weltkrieg.214 Was für die Briten die Somme war, war für Deutsche und Franzosen Verdun.215 Die im selben Jahr ausgetragene Feldschlacht – der mit zehn Monaten längsten der Geschichte – nahm nicht weniger verheerende Ausmaße an: 1,35 Millionen Tonnen Stahl wurden verschossen und 700.000 Soldaten getötet oder verwundet. Zum Vergleich: Während in der Sedan-Schlacht, dem letzten großen Gemetzel vor dem Ersten Weltkrieg, 9.000 deutsche und 15.000 französische Soldaten getötet oder verwundet wurden, waren es in Verdun fast dreißigmal so viele Opfer. Begriffe wie »Blutpumpe« und »Knochenmühle« sind seitdem untrennbar mit der französischen Stadt verbunden.216 An der Pattsi210 Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 47. 211 Vgl. Biermann: Albtraum Verdun, S. 163. 212 Paul Fussell: The Great War and Modern Memory, 2. Aufl., Oxford 1977, S. 12f. Vgl. auch Holger H. Herwig und Neil M. Heyman: Biographical Dictionary of World War I, Westport, Conn./London 1982, S. 18. 213 Kramer: Dynamic of Destruction, S. 212f. 214 Vgl. Peter Graf Kielmansegg: Deutschland und der Erste Weltkrieg, 2. Aufl., Stuttgart 1980, S. 322. 215 Für die Amerikaner im kleineren Maßstab war dies die Maas-Argonnen-Schlacht. Siehe dazu Kap. 4.2. 216 Vgl. u. a. Holger Afflerbach: Planning Total War? Falkenhayn and the Battle of Verdun, 1916, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914–1918, Cambridge 2000, S. 114, sowie George L. Mosse: Fallen Soldiers. Reshaping the Memory of the World Wars, New York 1990, S. 3 und 69.

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tuation der Armeen änderten die Millionenverluste in den beiden Schlachten nichts – der einzige Triumphator war der Krieg selbst. So hausten die »armen Teufel von der Infanterie«217 weiter im Matsch des von Minenkratern und Gräben durchzogenen Niemandslandes und mussten unter dem Trommelfeuer der gegnerischen Artillerie stets fürchten, von der nächsten Granate zerrissen oder von ihrer Druckwelle verschüttet zu werden. Regen, Kälte, Ungeziefer, karge Verpflegung und chronischer Schlafmangel ließen auch den letzten Rest menschlicher Würde verloren gehen, sodass die Soldaten im Dauerterror des Krieges zunehmend eine fatalistische Grundeinstellung entwickelten. Bis zur letzten Minute hielt das Töten an: An der gesamten Westfront starben am 11. November 1918 zwischen fünf Uhr morgens und dem Waffenstillstand sechs Stunden später noch 2.700 Männer.218 Das erschütternde Ergebnis nach vier Jahren, drei Monaten und elf Tagen, in denen der »Weltenbrand« flackerte, lautete: Von den insgesamt 66 Millionen Männern, die in den Krieg geschickt wurden, starben fast neun Millionen – mehr als doppelt so viele wie in allen größeren Kriegen zwischen 1790 und 1914 zusammen. 20 Millionen wurden schwer verwundet, acht Millionen kehrten als Krüppel heim.219 Die deutsche Bilanz des »suicide of nations«, wie Fussel den Weltkrieg genannt hat, war ebenso ernüchternd: Von 13,2 Millionen mobilisierten Soldaten fielen ca. zwei Millionen, 4,2 Millionen wurden verwundet, 1,1 Millionen gerieten in Gefangenschaft oder blieben vermisst.220 Vor dem Hintergrund der späteren Mythisierung des sogenannten ›Fronterlebnisses‹ stellt sich die Frage, wie die Soldaten selbst den Krieg wahrgenommen und geschildert haben. Zwar waren ihre Erfahrungen naturgemäß extrem ambivalent, Tendenzen aber lassen sich ausmachen. So haben Bernd Ulrich, Benjamin Ziemann und Richard Bessel anhand von Feldpostbriefen, Berichten der Postüberwachungsstelle sowie Unterlagen der Obersten Heeresleitung (OHL) und der Kriegsministerien ein relativ verlässliches Stimmungsbild nachge217 Leonard V. Smith: Erzählung und Identität an der Front oder »Die Theorie und die armen Teufel von der Infanterie«, in: Jay Winter, Geoffrey Parker und Mary R. Habeck (Hg.): Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, Hamburg 2002, S. 133–166. 218 Vgl. Krass: Portrait of War, S. 280. 219 Vgl. Rüdiger Overmans: Kriegsverluste, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 664f. (ausführliche Einsatz- und Verlustliste der am Krieg beteiligten Staaten). Siehe auch Jay Murray Winter : The Experience of World War I, London 1988, S. 7; Deborah Cohen: Kriegsopfer, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 217, sowie Volker Berghahn: Der Erste Weltkrieg, 3. Aufl., München 2006, S. 9f. 220 Fussell: The Great War and Modern Memory, S. 71. Zur deutschen Verlustbilanz vgl. auch Overmans: Kriegsverluste, S. 664f., sowie Der Große Ploetz, 35., völlig neu bearb. Aufl., Freiburg 2008, S. 780 mit leicht abweichenden Angaben. So ist die Zahl der deutschen Gefallenen hier mit 1.808.000 angegeben.

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zeichnet221, dem zufolge sich patriotische und nationalistische Einstellungen bei einer Mehrheit der Soldaten im Kriegsverlauf auflösten. Entgegen der späteren Heroisierung wollten immer weniger Männer für die Ehre und aus Pflichtbewusstsein und Tapferkeit einen Helden- oder Opfertod sterben. Somit empfanden sie – um es zuzuspitzen – weniger im Stile eines Ernst Jünger, sondern vielmehr wie die Remarqueschen Soldaten in Im Westen nichts Neues. Es ist im Übrigen bezeichnend, dass selbst in der nationalistisch gefärbten Feldpostsammlung Witkops eine Reihe kritischer Kommentare zu finden ist: »Die ganze Kampfesweise ist es, die abstößt«, bedauerte ein Soldat, während ein anderer schlicht konstatierte: »Sieger ist nur der Tod.«222 Vergeblich suchten die meisten Soldaten nach der Bedeutung des Geschehens (»Warum das alles? Wie ist das möglich?«223), und doch kämpften sie bis auf wenige Ausnahmen weiter – abgestumpft zwar und ohne jedes Pathos, dafür rein um Selbsterhaltung willen und die Loyalität der kameradschaftlichen Gruppe. Mit einer schier unbegrenzten Leidensfähigkeit hielten sie die Kriegsmaschinerie lange am Laufen, obwohl sie sich als deren Opfer betrachteten. Das »Regime der Zerstörung«, wie Michael Geyer dieses Phänomen nennt, erfasste auch »die Widerstrebenden, die Mutlosen und die Träumer«.224 Es darf jedoch nicht 221 Die Betonung liegt auf »relativ«, da sich, was etwa die Feldpostbriefe betrifft, ein für alle Soldaten repräsentatives Kriegserlebnis freilich nicht erschließen lässt. So wurden täglich bis zu 6,8 Millionen Briefe von der Front in die Heimat geschickt, was über die gesamte Kriegszeit die gewaltige Summe von mehr als zehn Milliarden Sendungen ergibt. Davon jedoch wurden gerade einmal rund 500.000 archiviert. Die wenigen hieraus zusammengestellten Feldpostsammlungen wiederum können nur einen Überblick von einigen Hundert Briefen geben (vgl. Ulrich: Die Augenzeugen, S. 40 und 266). Zudem ist durch staatliche Zensur sowie das eigene Aussparen von Erlebnissen durch die Soldaten aus Rücksicht vor den Angehörigen von inhaltlichen Einschränkungen auszugehen. Angesichts der dennoch regen Verwendung von Feldpostbriefen in der Weltkriegsforschung überrascht Wolfgang J. Mommsens Aussage, dass die Soldatenbriefe nicht das hielten, »was man sich von ihnen versprochen hat«. Eine Begründung für dieses Urteil liefert der Historiker nicht. Er konstatiert lediglich, dass sich die »jüngst wieder vielfach genährte Hoffnung, man könne durch eine sorgfältige und umfassende Auswertung über das Kriegserlebnis der Soldaten an der Front gelangen«, sich als »trügerisch« erwiesen habe. So hätten die Soldaten »die tatsächlichen Dimensionen des grauenvollen Geschehens« gar nicht erfassen können, geschweige denn hätten sie »zuverlässige Berichte darüber an ihre Angehörigen« senden können (Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 146f., vgl. auch ders.: Die Urkatastrophe Deutschlands, S. 20). Aus Sicht des Verfassers geht es bei der Auswertung von Feldpost indes nicht um die Zuverlässigkeit von Aussagen über tatsächliche Dimensionen des Krieges, sondern um die individuellen Erfahrungen, Deutungen und Sinngebungen der einzelnen Soldaten. Diese gehen aus Feldpostbriefen – zumindest in Tendenzen – deutlich hervor. Deshalb schreiben viele Historiker der Feldpost als Quelle »hervorragende Ergebnisse« für die Forschung zu, wie etwa Roger Chickering konstatiert. Vgl. Chickering: Das Deutsche Reich, S. 257. 222 Witkop: Kriegsbriefe, S. 15 und 288. 223 Ebd., S. 156. 224 Vgl. Geyer: Gewalt und Gewalterfahrung, S. 248.

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darüber hinwegtäuschen, dass die Motivationen und Sinngebungen der Soldaten anders geartet waren, als es die spätere Mythisierung des Fronterlebnisses glauben machen wollte. Hunderttausende allerdings waren, obwohl physisch unversehrt, des Kämpfens nicht mehr fähig. In tagelangem Trommelfeuer erkrankten sie an Nervenleiden wie Neurasthenie oder dem »shell shock«. Die Angst, »zerrissen, in Stücke gehackt, zu Brei zerstampft zu werden«225, äußerte sich in ständigem Erbrechen, motorischer Unruhe und unkontrollierbaren Spasmen. Bei anderen Soldaten führte die Gefechtspsychosen zu temporärer Taub- und Blindheit, während manchen es buchstäblich die Sprache verschlug: sie verstummten.226 »Die totale physische Zerstörung der Person im Tode«, schreibt Mommsen, sei für die Soldaten eine »traumatische Perspektive« gewesen.227 Von einem gestählten Heer Jüngerscher ›Neuer Menschen‹ kann demnach nicht die Rede sein. Vielmehr war »der in den Materialschlachten vermeintlich gezeugte Mensch«, wie Klaus Latzel treffend formuliert, »durchaus der alte geblieben«.228 Zum später beschworenen soldatischen Heldentum will auch das tatsächliche Verhalten vieler deutschen Soldaten im letzten Kriegsjahr nicht passen, welches »alles andere als ein tapferes Vorbild für den Frontgeist« war, konstatiert Bessel.229 Nachdem die Frühjahrsoffensive 1918 steckengeblieben war, raubten die darauffolgenden Rückzugsgefechte die letzten Hoffnungen auf eine erfolgreiche Beendigung des Krieges.230 Die Kampfmoral brach vielerorts zusammen, die Bereitschaft, sich der Niederlage zu fügen, wuchs: »Das Volk will aus dem Elend«, schrieb ein Soldat im Oktober 1918, »was kommt ist alles egal, nur Friede. Ich weiß nichts mehr weiter als die Flinte ins Korn zu werfen, ich kann

225 Feldpostbrief. Zitiert nach Latzel: Die Soldaten des industrialisierten Krieges, S. 129. 226 Vgl. hierzu etwa Eric J. Leed: No Man’s Land. Combat & Identity in World War I, Cambridge u. a. 1979, S. 163–170; Ulrich: Die Augenzeugen, S. 207–226; Pick: War Machine, S. 249–256, sowie noch ausführlicher bei Georg Hofer: »Nervöse Zitterer«. Psychiatrie und Krieg, in: Helmut Konrad (Hg.): Krieg, Medizin und Politik, Wien 2000, S. 15–134. Schätzungen gehen allein von 200.000 »Kriegsneurotikern« auf deutscher Seite aus. Vgl. Bruno Schrep: Gebrochen an Leib und Seele, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, München 2004, S. 181. Auch Adolf Hitler erlitt nach stundenlangem Artilleriebeschuss eine Kriegsneurose und erblindete vorübergehend. Vgl. Frank Trommler : The Therapeutic Response. Continuities from World War One to National Socialism, in: Bernd Hüppauf (Hg.): War, Violence and the Modern Condition, Berlin/New York 1997, S. 73f. 227 Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 141. 228 Latzel: Die Soldaten des industrialisierten Krieges, S. 130. 229 Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 131. 230 Benjamin Ziemann: Enttäuschte Erwartung und kollektive Erschöpfung. Die deutschen Soldaten an der Westfront 1918 auf dem Weg zur Revolution, in: Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, München 1999 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 53), S. 175.

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einfach nicht mehr.«231 Dies war kein Einzelfall. Ein »stürmisches Verlangen nach Frieden um jeden Preis« notierte die Postüberwachungsstelle der 5. Armee am 17. desselben Monats.232 Die Mehrheit der Soldaten fragte sich, warum mit dem »zwecklosen freventlichen Morden«233 nicht Schluss gemacht wird; und viele teilten das Bild der militärischen Führung als »Kriegsverlängerer«. Aus der weitverbreiteten Friedenssehnsucht234 entstand schließlich, so Wilhelm Deist, in den letzten Kriegsmonaten ein »verdeckter Militärstreik«235 in weiten Teilen des deutschen Heeres, welcher sich in einer allgemeinen Verweigerungshaltung, Drückebergerei und Desertion äußerte. Viele Soldaten stiegen einfach aus dem Zug aus, der sie an die Front bringen sollte. Andere hofften auf den »Heimatschuss« und verstümmelten sich in ihrer Verzweiflung selbst, um dem Inferno zu entkommen.236 Zehntausende Männer entzogen sich so dem Fronteinsatz. Hingegen wurden diejenigen Soldaten, die zur Front marschierten, häufig als Streikbrecher beschimpft.237 Die am Kriegsende in Auflösung begriffene Armee ist ein Indiz dafür, dass die Reichweite der tradierten christlichen, monarchistischen, heroischen und nationalistischen Sinnmuster bei den Soldaten im Verlauf des Krieges unübersehbar zurückgegangen war, argumentiert Klaus Latzel zu Recht.238 Das spiegeln auch die Feldpostbriefe wider. Sie lassen allerdings schon in den ersten 231 Zitiert nach Bernd Ulrich und Benjamin Ziemann (Hg.): Krieg im Frieden: Die umkämpfte Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Quellen und Dokumente, Frankfurt am Main 1997, S. 30. Vgl. auch Witkop: Kriegsbriefe, S. 347f. 232 Bericht der Postüberwachungsstelle vom 17. 10. 1918. Zitiert nach Ziemann: Enttäuschte Erwartung, S. 176. 233 Zitiert nach Latzel: Die Soldaten des industrialisierten Krieges, S. 140. 234 Vgl. Lipp: Friedenssehnsucht und Durchhaltebereitschaft, S. 279–292. 235 Vgl. Wilhelm Deist: Verdeckter Militärstreik im Kriegsjahr 1918?, in: Wolfram Wette (Hg.): Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992, S. 146– 167. 236 Vgl. Richard Bessel: Die Heimkehr der Soldaten. Das Bild der Frontsoldaten in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.): »Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch …« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt am Main 1993, S. 225. Bruno Schrep bemerkt, dass fast 3.000 deutsche Soldaten, die den Kriegsalltag nicht mehr aushielten, Selbstmord begingen. Vgl. Schrep: Gebrochen an Leib und Seele, S. 182. 237 Vgl. Scott Stephenson: The Final Battle. Soldiers of the Western Front and the German Revolution of 1918, Cambridge u. a. 2009 (Studies in the Social and Cultural History of Modern Warfare, Bd. 30), v. a. S. 17–66. Stephenson, der das Verhalten der deutschen Soldaten in den letzten Kriegswochen detailliert untersucht hat, schreibt zwar auch, dass nach dem Scheitern der Frühjahrsoffensive die Moral vielerorts zusammengebrochen sei. Er wendet sich aber gegen Wilhelms Deists These von einem verdeckten Streik in der gesamten Armee. Vgl. auch Christoph Jahr : Gewöhnliche Soldaten. Desertion und Deserteure im deutschen und britischen Heer 1914–1918, Göttingen 1998, insb. S. 155–157 und 161–167. 238 Klaus Latzel: Die misslungene Flucht vor dem Tod, S. 193.

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Kriegsjahren wenig vom heroisierten Fronterlebnis und anderen Kriegsmythen erkennen, welche in der Weimarer Republik schon bald omnipräsent sein sollten. Auch differierte die soldatische Perzeption des Krieges signifikant von der Propaganda in Deutschland. So teilte die Mehrheit der Soldaten nicht die Feindbilder der Heimat. Zum Erstaunen mancher Familienmitglieder schrieben viele Männer von der Front, dass sie jeglichen Hass für die ihnen gegenüberstehenden Soldaten verloren hätten, da diese den Krieg genauso verdammen würden.239 Die Fraternisierung mit Engländern und Franzosen zur Weihnachtsund Neujahrszeit in mehreren Kriegsjahren ist ein Beleg hierfür.240 Freilich sind hier Einschränkungen zu machen. Auch wenn unbestritten »eine große Mehrheit der Frontsoldaten im letzten Kriegsjahr auf der Seite der Kriegsgegner« stand, habe es eine beachtliche Minderheit gegeben, merkt Ziemann an, die unerbittlich bis zur letzten Patrone weiterkämpfte. Diese Soldaten empfanden den Tod als schmerzvoll, aber nie als grotesk.241 Schließlich waren sie – und hier finden sich genügend Stellen in Witkops Feldpostsammlung – in einem vermeintlichen »Heiligen Krieg« für die Kulturhoheit des Volkes. Gemäß einer eher nationalistisch oder religiös begründeten Sinngebung ließ es sich auf dem »Feld der Ehre« einen »Heldentod« oder auf dem »Altar des Vaterlandes« einen christlichen Märtyrertod sterben.242 Nach der Niederlage in »die verhängnisvolle Geborgenheit« von Stahlhelm und den Freikorps geflüchtet243, übertönten ihre Stimmen alsbald die der anderen. So trug diese quantitativ nur kleine Gruppe, »die ihr Soldatsein verinnerlicht hatte und davon nicht mehr loskam«, zur Mythisierung des Fronterlebnisses bei und machte daraus das weithin akzeptierte Erlebnis einer Mehrheit.244 Zwar hatte das Fronterlebnis ähnlich wie andere Mythen des Krieges 239 Vgl. Ulrich und Ziemann: Das soldatische Kriegserlebnis, S. 142–147. 240 Vgl. hierzu etwa Michael Jürgs: Der kleine Frieden im großen Krieg. Westfront 1914: Als Deutsche, Franzosen und Briten gemeinsam Weihnachten feierten, 3. Aufl., München 2003. Siehe auch Stefan Storz: Krieg gegen den Krieg, in: Stephan Burgdorff und Klaus Wiegrefe (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, München 2004, S. 74f.; Andr8 Bach: Die Stimmungslage der an der französischen Front 1917 bis 1918 eingesetzten Soldaten nach den Unterlagen der Briefzensur, in: Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, München 1999 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 53), S. 201–215, sowie Reimann: Die heile Welt im Stahlgewitter, insb. S. 135–139. Feldpostbriefe, in denen deutsche Soldaten die stillschweigend vereinbarten Waffenruhen beschreiben, finden sich bei Ulrich und Ziemann: Frontalltag im Ersten Weltkrieg, S. 154–159 und 166–168. 241 Ziemann: Enttäuschte Erwartung, S. 172. Vgl. auch Whalen: Bitter Wounds, S. 44f. 242 Vgl. Witkop: Kriegsbriefe, S. 12, 16, 18 und 73, sowie Kriegsbriefe gefallener Deutscher Juden, hg. vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, Berlin 1935, S. 68. 243 Hans Joachim Bernhard: Nachwort, in: Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues (1929), Ost-Berlin/Weimar 1975, S. 246. 244 Mommsen: Kriegsalltag und Kriegserlebnis, S. 137. An anderer Stelle erläutert Mommsen prägnant: »Die Vorstellung, dass namentlich in den harten Stellungskämpfen an der

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seine Wurzeln auch an der Front, kultiviert und ideologisch verklärt worden aber ist es erst in der Heimat. Denn die Erinnerung an den Krieg war nicht mehr Sache der Soldaten allein, sondern auch all jener, die nicht dabei waren. Vor allem die rechtsnationalen Gegner der Nachkriegsordnung brauchten Mythen, um die Republik zu bekämpfen und das Volk geistig für einen Revanchekrieg zu rüsten. Wie die »Realität des Sterbens und Leidens«245 an der Front von den ideologischen Fabrikationen der Nachkriegsjahre überdeckt wurde, wird im folgenden Kapitel aufgezeigt.

3.2. Die Mythisierung von Krieg und Fronterlebnis in der Weimarer Republik »Die geistige Militarisierung Deutschlands macht Fortschritte wie nie zuvor.« Kurt Tucholsky, 1927

Mit der Rückkehr der Soldaten in die Heimat war der Krieg nicht zu Ende. Lediglich die Fronten verschoben sich.246 Noch vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrags eröffneten die stark fragmentierten und polarisierten politischen Teilkulturen der Weimarer Republik einen neuen Kriegsschauplatz, auf dem, wie Bernd Weisbrod formuliert, »ein erbitterter Kampf um die Repräsentationen des Krieges ausgetragen wurde«.247 Die Vergangenheit wurde so zu einem »Machtfaktor für die Gegenwart«248, der das Schicksal der jungen Republik entscheidend mitbestimmen sollte. Dabei spielten die Männer, die den Krieg

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Westfront ein neuer, stahlharter Menschentyp hervorgebracht worden sei, der sich von bürgerlichen Lebensidealen verabschiedet und im Krieg seine eigentliche Lebenserfüllung gesucht habe, ist einigermaßen verfehlt […]. Vielmehr wurden die Soldaten durchweg von dem Wunsch beseelt, baldmöglichst wieder nach Hause zu kommen und ihr bisheriges bürgerliches Leben wieder aufzunehmen […].« Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 145. Rürup: »Weltkrieg« – »Volkskrieg« – »Kulturkrieg«, S. 21. Vgl. hierzu zwei sich frappierend ähnelnde Belege von der äußersten Rechten und der äußersten Linken. So heißt es in Franz Schauweckers nationalistischem Kriegsroman Aufbruch der Nation: »Dieser Friede ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Jeder geht an seine eigene Front. Die Front ist jetzt heimlich« (Franz Schauwecker : Aufbruch der Nation, Berlin 1930, S. 396). Auf der anderen Seite des politischen Spektrums schrieb der kommunistische Schriftsteller Johannes R. Becher 1929 in der Linkskurve: »Der Krieg hat uns nicht nach Hause entlassen. Die Heimat, in die wir zurückkehrten, war nicht unsere Heimat. Wir sind Soldaten geblieben und kämpfen weiter an der Front, deren Fahne die rote ist« Johannes R. Becher : Unsere Front, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 1, August 1929 (1. Jg.), S. 2. Bernd Weisbrod: Die Politik der Repräsentation. Das Erbe des Ersten Weltkrieges und der Formwandel der Politik in Europa, in: Hans Mommsen (Hg.): Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung. Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik, Köln 2000, S. 23. Vgl. zum »Krieg in den Köpfen« auch Krumeich: Versailles 1919, S. 53–64. Michael Salewski: Von der Wirklichkeit des Krieges, München 1976, S. 10.

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ausgefochten hatten, in diesem Konkurrenzkampf um Sinnstiftung zunächst nur eine Nebenrolle.249 Während die Veteranen ihre Energie darauf ausrichteten, sich wieder in den Alltag einzugliedern, bastelte die das Monopol über den »Gedächtnisraum«250 Krieg beanspruchende politische Rechte bereits an einem Sammelsurium aus Kriegsmythen und -legenden, welches sich gezielt gegen die demokratische Nachkriegsordnung richtete. Es galt, die Darstellung des Krieges derart zu steuern, dass diese den eigenen politisch-ideologischen Zielsetzungen diente. Das so kreierte Stück Geschichte, in welches das Fronterlebnis instrumentalisiert und als »Ausgangspunkt einer neuen Welt- und Lebensanschauung« eingebunden wurde, machte in weiten Teilen der Bevölkerung Sinn.251 Durch alle politischen Schichten hindurch zog sich die Legende vom ›im Felde unbesiegten‹ Heer, das einen gerechten Verteidigungskrieg geführt habe. Diese Ansicht wurde durch die berühmte Rede Friedrich Eberts bei der Begrüßung der heimkehrenden Soldaten im Dezember 1918 noch manifestiert.252 Wenn aber die Armee unbesiegt war, wer hatte dann die ›Schmach von Versailles‹ zu verantworten, fragten sich viele Menschen. So gewann die von der militärischen Führung propagierte und insbesondere im bildungsbürgerlichen Milieu populäre Dolchstoßlegende an Bedeutung. Allein die Tatsache, dass die deutsche Armee bei Kriegsende tief im Feindesland stand, sprach in den Augen vieler Menschen für den ›Dolchstoß‹ der Sozialdemokraten.253 In Kombination mit der Kriegsunschuld-Legende wurde diese Mär zu einer gefährlichen Waffe gegen die Demokratie, denn im Zusammenhang mit den deutschen Reparationszahlungen, vor allem im Zuge der Young-Konferenz, blieb die Dolchstoßlegende stets virulent. Schließlich waren die ›Novemberverbrecher‹ gleichzeitig ›Erfüllungs249 Vgl. u. a. Bessel: Die Heimkehr der Soldaten, S. 230ff. 250 Vgl. Susanne Brandt: Vom Kriegsschauplatz zum Gedächtnisraum: die Westfront 1914– 1940, Baden-Baden 2000. 251 Sontheimer: Antidemokratisches Denken, S. 93. Vgl. auch Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 151, sowie Bernd Ulrich und Benjamin Ziemann: Einleitung, in: dies. (Hg.): Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente, Frankfurt am Main 1994, S. 16. 252 Ansprache Friedrich Eberts in Berlin am 10. 12. 1918. Abgedruckt u. a. in Peter Longerich (Hg.): Die Erste Republik. Dokumente zur Geschichte des Weimarer Staates, München/ Zürich 1992, S. 65f. 253 Die Soldaten hingegen wussten es besser; sie hatten, so Mommsen, »die gewaltige Überlegenheit der westlichen Gegner am eigenen Leibe erfahren« (Mommsen: Der Erste Weltkrieg, S. 152). Vgl. zur Dolchstoß- und ›Im-Felde-unbesiegt‹-Legende und die Rolle der SPD vor allem Buchner : Um nationale und republikanische Identität, S. 196–202. Detailliert mit der Entstehung und der politischen Dimension der Dolchstoßlegende beschäftigt haben sich Rainer Sammet: »Dolchstoß«. Deutschland und die Auseinandersetzung mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg (1918–1933), Berlin 2003 (Reihe Hochschulschriften, Bd. 2), sowie Boris Barth: Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1914–1933, Düsseldorf 2003.

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politiker‹, die der nationalistischen Propaganda zufolge nichts taten, um die ›Fremdherrschaft‹ über Deutschland zu beenden. Im Volk wiederum, so hieß es, wirke die Mentalität der Unterwerfung derart, dass »müde Resignation, […] der Kampf um materielle Güter und der Rausch des Vergnügens die Seelen« der Menschen beherrschten.254 Parallel zu diesen politischen Legenden etablierten sich die eigentlichen Mythen des Krieges. Zusammen fungierten sie, so Karl Prümm, als »konservative Einigungsparole«255 und bildeten einen Gegenentwurf zum ›Weimarer System‹. Angesichts des von tiefen sozialen und politischen Spaltungen geprägten Nachkriegsdeutschlands wurden die ›Ideen‹ bzw. der ›Geist von 1914‹ als klassenversöhnende Ideale propagiert, die der Krieg hervorgebracht habe.256 In den Schützengräben, so die Lesart der antidemokratischen Rechten, habe der erwachende Nationalismus alle Klassengegensätze nivelliert und durch eine ›Frontgemeinschaft‹ ersetzt, welche – basierend auf Kameradschaft, Männlichkeit und selbstlosem Opferwillen für das Vaterland – die Keimzelle der kommenden ›Volksgemeinschaft‹ sei.257 Am stärksten beanspruchte die NS-Bewegung für sich, das Erbe der Frontsoldaten zu verwalten. Seit 1923 verkündete Adolf Hitler offen, die im Krieg entstandenen Werte zum Wohl des Volkes von Neuem erwecken und einen entsprechenden Staat schaffen zu wollen – im Weg stand lediglich die Republik, deren Repräsentanten der oben skizzierten »deutschen Revolution«258 mit ihrem ›Dolchstoß‹ in den Rücken gefallen seien.259 So zielte der »Kampf um das geistige Erb e des Krieges«260, den Nationalsozialisten, rechtskonservative Parteien, Freikorps und Wehrverbände wie der Stahlhelm (Bund der Frontsoldaten) mit Erbitterung führten, darauf ab, die Weimarer Ordnung zu beseitigen. Die hierfür kultivierten Kriegsmythen fungierten als »gesellschaftliche Sinngeneratoren«. Sie sollten, um mit Ziemann zu sprechen, die »politischen Realitäten und Ziele« der Rechten »mit Plausibilität versehen«.261 Dabei half, dass der Krieg noch Jahre nach dem Friedensschluss in den Köpfen der Menschen spukte. Durch seine Totalität passte er nicht in tra254 Graf Westarp: Herr, mach’ uns frei, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 220 vom 28. 6. 1929 (82. Jg.), S. 1. 255 Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 1, S. V. 256 Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 126. 257 Vgl. Wolfrum: Geschichte als Waffe, S. 31; Mosse: Fallen Soldiers, S. 167. 258 Vgl. Herbert Blank: Der Riese erwacht, in: Die grünen Hefte der »NS-Briefe«, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), Berlin 1930, S. 19–23. 259 Vgl. Henning Pietzsch: Die Fronterfahrungen der deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg und ihre Ideologisierung zum »Fronterlebnis« in den zwanziger Jahren, Stuttgart 2005, S. 34. 260 Vgl. Leo: Kriegsschrifttum, in: Völkischer Beobachter, München, 26. 3. 1930 (43. Jg.), S. 2. 261 Ziemann: »Macht der Maschine«, S. 177.

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ditionelle Erklärungs- und Deutungsmuster, so die These von Sabine Behrenbeck.262 Hinzu kam die Zerrissenheit der Gesellschaft, angesichts derer die Mythisierung des Krieges dem Einzelnen »ein Gefühl von Bedeutung und Eingebundenheit in eine symbolische Ordnung« geben konnte.263 Die »frappierenden Widersprüche zwischen den öffentlichen Erinnerungen«, so Bessel, »und dem, was tatsächlich geschehen war«, taten der Akzeptanz der Mythen keinen Abbruch.264 Stattdessen vergrößerte sich die Kluft zwischen der Darstellung von Krieg und Kriegserlebnis und der individuellen Wahrnehmung durch die Soldaten in den 1920er Jahren weiter. Letztlich trug die »Überlegenheit des Mythos gegenüber der Realität«265 ihren Teil zum Untergang der Republik bei. Anhand von drei unterschiedlichen Feldern des Erinnerns – Denkmälern, der Gefallenenehrung durch Soldatenverbände sowie (in Kapitel 5.3.1) Kriegsliteratur – lässt sich exemplarisch zeigen, wie wenig die dominante Heroisierung des Fronterlebnisses in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik von den ambivalenten, mehrheitlich kriegskritischen Sinngebungen der Soldaten übrig ließ. Weitere Beispiele wären zu nennen, etwa die vielfach geschönte Darstellung des Fronterlebnisses im Schulunterricht266, dies würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Zunächst zur ikonografischen Verarbeitung des Krieges, welche die Desillusionierungen der Soldaten in der Regel ebenso wenig berücksichtigte wie die übrigen Erinnerungsfelder. Vielmehr stellte die Mehrheit der Kriegerdenkmäler, die schon bald in jeder Stadt, jedem Dorf aus dem Boden schossen, der Wirklichkeit des Krieges »die Zeitlosigkeit des Heldentums« gegenüber, konstatiert Meinhold Lurz.267 Sie sollten den Gefallenen Dank und Respekt aussprechen, vor allem aber der Identitäts- und Sinnstiftung der Überlebenden dienen. Zwar hatte 262 Sabine Behrenbeck: Zwischen Trauer und Heroisierung. Vom Umgang mit Kriegstod und Niederlage nach 1918, in: Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, München 1999 (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 53), S. 316. 263 Ziemann: »Macht der Maschine«, S. 177. 264 Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 138. 265 George L. Mosse: Über Kriegserinnerungen und Kriegsbegeisterung, in: Marcel van der Linden und Gottfried Mergner (Hg.): Kriegsbegeisterung und mentale Kriegsvorbereitung. Interdisziplinäre Studien, Berlin 1991, S. 27. 266 Vgl. u. a. Rainer Bendick: Kriegserwartung und Kriegserfahrung. Der Erste Weltkrieg in deutschen und französischen Schulgeschichtsbüchern (1900–1939/45), Pfaffenweiler 1999. 267 Vgl. Meinhold Lurz: Kriegerdenkmäler in Deutschland, Bd. 4: Weimarer Republik, Heidelberg 1985, S. 148. Michael Jeismann und Rolf Westheider stimmen der Einschätzung Lurz’ zu: »Die überwiegende Mehrzahl der Denkmäler ist geprägt durch einen – oft christlich verbrämten – dumpfen Heroismus, in dem die Niederlage verdrängt oder gar in einen Sieg uminterpretiert wird« Vgl. Michael Jeismann und Rolf Westheider : Wofür stirbt der Bürger? Nationaler Totenkult und Staatsbürgertum in Deutschland und Frankreich seit der Französischen Revolution, in: Michael Jeismann und Reinhart Koselleck (Hg.): Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994, S. 29.

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es anfänglich noch eine gewisse ikonografische Vielfalt gegeben – einfach gestaltete Denkmäler in Form von Findlingen oder Obelisken, die eine gewisse Sprach- und Hilflosigkeit widerspiegelten und als Orte der Erinnerung schlicht auf den Krieg hinwiesen, einige wenige pazifistische Erinnerungsmale etwa im Stile von Ernst Barlach sowie politisch wenig aussagekräftige religiöse Trauerzeichen, die beispielsweise den Soldatentod mit der Kreuzigung Christi parallelisierten und in erster Linie Trost spenden sollten –, seit Mitte der 1920er Jahre jedoch setzten sich glorifizierende Darstellungen durch.268 Omnipräsent war der patriotische Märtyrer, der sein Leben auf dem ›Altar des Vaterlandes‹ opfert. Häufig durch einen gefallenen Soldaten mit jungenhaftem Gesicht verkörpert, der mit Stahlhelm und Gewehr auf einem sargähnlichen Sockel liegt, verband eine solche Sakralisierung des Kriegstodes nationale mit christlichen Sinnmustern. Leitmotiv dieses »Heroismus des Leidens, Duldens, Opferns«269 war der romantisch-tragische Langemarck-Mythos.270 Der Nation diente das Opfer der Jugend als ›ver sacrum‹271, zugleich aber war es ein Vermächtnis der Gefallenen an die Überlebenden: Ihrem Tod sollte durch den Wiederaufstieg Deutschlands Sinn verliehen werden.272

268 Vgl. Behrenbeck: Zwischen Trauer und Heroisierung, S. 325–335. Ambivalent war die Haltung der Sozialdemokraten in der Frage des Totengedenkens. Sie lehnten den Heroismus der gängigen Denkmalskultur überwiegend ab, bemühten sich jedoch kaum um alternative Formen der Erinnerung an die Gefallenen. Vgl. hierzu ausführlich Bernd Buchner : Um nationale und republikanische Identität. Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die politischen Symbole der Weimarer Republik, Bonn 2001, S. 220–231. 269 Gedichtzeile von Adolf Donders: Heimkehr, in: Germania, Berlin, Nr. 510 vom 1. 11. 1929 (59. Jg.), S. 7. 270 Am 10. November 1914 wurde nahe dem belgischen Ort Bixschote ein notdürftig ausgebildetes Reserveregiment Kriegsfreiwilliger von einer militärischen Führung geopfert, deren strategisches Konzept vollkommen versagte. Ohne ausreichende Deckung und Kenntnis der gegnerischen Stärke liefen die Soldaten in das Maschinengewehrfeuer englischer Bataillone hinein. Der Mythos besagt, die – vorwiegend jungen – Soldaten seien heroisch ihrem Tod entgegengeeilt, auf den Lippen das »Deutschlandlied«. Zudem wurde das Geschehen nachträglich in die Nähe von Langemarck gelegt, das ›deutscher‹ klang. Im ›Dritten Reich‹, als der Langemarck-Schlacht ein eigener Gedenktag und sogar ein »Langemarck-Studium« gewidmet wurde, sollte der Mythos der Jugend einen weiteren Krieg schmackhaft machen. Adolf Hitler gerierte sich im Übrigen selbst als einer dieser Langemarck-Kämpfer und berichtete darüber ausführlich in Mein Kampf. Vgl. Bernd Hüppauf: Langemarck, Verdun and the Myth of a New Man in Germany after the First World War, in: War & Society (1988), Bd. 2, Nr. 6, S. 72–75; Sabine Behrenbeck: Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945, Vierow 1996, S. 104ff., sowie Mosse: Fallen Soldiers, S. 70–76. 271 Wörtlich übersetzt bedeutet ›ver sacrum‹ »heiliger Frühling«. Im Alten Rom war dies zu Notzeiten ein Brauch, Mars und Jupiter die Erstlinge eines Frühlings – etwa Feldfrüchte, Vieh und Kinder – zu weihen. Vgl. Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden, Bd. 19: TRIF-WAL, 17., völlig neu bearb. Aufl., Wiesbaden 1974, S. 545. 272 Vgl. u. a. Mosse: Fallen Soldiers, S. 70–74.

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In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gewann ein Gefallenenkult an Bedeutung, der von der Niederlage ungebrochene Kämpfergestalten darstellte.273 Es war die von Ernst Jünger geprägte national-revolutionäre Variante des Fronterlebnisses, die hier in Stein gemeißelt wurde: Männer mit markigem Schädel, deren feuriger Blick unter dem Stahlhelm hervorstach. Das ›Stahlbad‹ von Verdun, so der Mythos über einen weiteren »Erinnerungsort«, hatte die begeisterten Freiwilligen von Langemarck zu entschlossenen, todbringenden Kämpfern ohne Nerven gemacht.274 Stahlhelm-Führer Franz Seldte beschrieb 1929 diese Genese: »Wir waren bis Ende 1914 von der großen deutschen Begeisterung getragen. Wir begriffen Anfang 1915, daß die Begeisterung verflogen war und Pflicht an ihre Stelle zu treten hatte. Und dann wurden wir die harten Frontsoldaten, die vollendeten Beherrscher der Kriegsmaterie.«275

Die Handgranate fest umschlossen, den Finger am Abzug, die Muskeln gespannt, verkündeten diese Gestalten »einen unverhohlenen Revanchismus«.276 Zur geistigen Mobilmachung der antidemokratischen Kräfte gehörte auch das öffentliche Gedenken an den Krieg. Freikorps, die Kriegervereine des Kyffhäuserbundes sowie Wehrverbände wie der Stahlhelm, der Jungdeutsche Bund oder der Bund Wiking zeigten einen ausgeprägten Eifer, wenn es um die Auslöschung von unerwünschten Erinnerungen und die Mythisierung der eigentlich desillusionierenden Kriegsrealität ging. Ihre heroische Version des Fronterlebnisses taten sie unablässig in Gedenkfeiern, paramilitärischen Aufmärschen und Fahnenweihen anlässlich des Kriegsausbruches oder der Langemarck-Schlacht kund.277 Dabei wurden Orden und Ehrenzeichen als Insignien des heldenhaften Kampfes demonstrativ zur Schau gestellt, um die Niederlage zu verdrängen278 – und freilich dominierte solche Zeremonien stets »der Gedanke einer nächsten

273 Vgl. Lurz: Kriegerdenkmäler in Deutschland, S. 9f. 274 Vgl. Jürgen Büschenfeld: »Ein Krieg aller gegen alle…«, in: Christine Beil u. a.: Der Erste Weltkrieg, Hamburg 2006, S. 8. 275 Franz Seldte: Fronterlebnis, Leipzig 1929, Vorwort. 276 Jeismann und Westheider: Wofür stirbt der Bürger?, S. 29. Vgl. auch Bernd Hüppauf: Schlachtenmythen und die Konstruktion des »Neuen Menschen«, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.): »Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch …« Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt am Main 1993, S. 62–79. 277 Das Gedenken an Langemarck (10. November 1914) rückte allein durch seinen Termin »in einen gedanklichen Gegensatz zum Ausbruch der Revolution am 9. November 1918 und dem von den Alliierten gefeierten Tag des Waffenstillstands am 11. November«, bemerkt Ziemann. Vgl. Ziemann: »Macht der Maschine«, S. 181. 278 Vgl. Michael Haverkamp: »Zwei Millionen Tote! Umsonst?« Der Erste Weltkrieg in der politischen Propaganda der Zwischenkriegszeit, in: Bernd Ulrich und Rolf Spilker (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918, Osnabrück 1998, S. 235.

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Vergeltung«, wie die sozialdemokratische Leipziger Volkszeitung bedauerte.279 Selbst beim Sonntagsgottesdienst und auf Beerdigungen von Kameraden waren militärische Symbole omnipräsent.280 Am öffentlichkeitswirksamsten tat sich der Stahlhelm hervor. Der im Dezember 1918 gegründete Bund der Frontsoldaten veranstaltete alljährlich einen »Reichsfrontsoldatentag«, auf dem feldgraue Kolonnen unter schwarzweißroten Fahnen marschierten und ihre Bereitschaft bekundeten, gegen die Republik zu kämpfen. Obwohl der Stahlhelm mit seinen rund 400.000 Mitgliedern einen Bruchteil der Mitgliederzahl des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold besaß, prägte er das öffentliche Leben in der Weimarer Republik wesentlich stärker.281 Dagegen blieb der immerhin 3,5 Millionen Mann282 starke republikanische Kriegsteilnehmerbund mit seiner Parole »Nie wieder Krieg« gegenüber den nationalen Mythenschöpfungen »in einer permanenten Defensive«, stellt Ziemann fest.283 Zwar versuchte das Reichsbanner der pauschalen Inbesitznahme des Totenkults durch die rechts stehenden Verbände eine eigene Sinnstiftung entgegenzusetzen, ihm gelang es jedoch nicht, die Grenze zu anderen politischen Lagern zu überspringen und außerhalb der sozialdemokratischen Arbeiterschaft erfolgreich für den Pazifismus und die »kritische Verneinung des Kameradschaftsmythos« zu werben.284 In der krisenhaften Endphase der Weimarer Republik verlor die Entmythisierung des Kriegserlebnisses verglichen mit dem Bild des gestählten Frontkämpfers weiter an Attraktivität.285 So blieb den Sozialdemokraten nur die ohnmächtige Erkenntnis, dass sie der kriegsverherrlichenden Symbolik der Rechten nichts entgegenzusetzen hatten. Anlässlich des Toten279 Anschaulich beschreibt das SPD-Blatt den nationalistischen Heldenkult um ein Grab des Unbekannten Soldaten: »Dauernd finden Zusammenkünfte […] von Kriegervereinen statt, die riesige Kränze mitbringen und damit das Grab ganz bedecken. […] Man hält eine feierliche Messe, fällt in Bitt- und Dankgottesdienst auf die Knie, fleht den Höchsten um Schutz und Hilfe an und bringt ein Hoch auf das Vaterland aus. Dann schmettert die Musik einen flotten Militärmarsch und erhobenen Hauptes zieht der Kriegerverein ab.« (Kurt Bosse: Das Grab des »Unbekannten Soldaten«, in: Leipziger Volkszeitung, Nr. 178 vom 2. 8. 1929 (36. Jg.), S. 12). 280 Vgl. Haverkamp: »Zwei Millionen Tote!«, S. 236. 281 Vgl. Bernhard Mahlke: Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten, in: Dieter Fricke (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 2, Leipzig 1970, S. 655. 282 Laut Ziemann ist die Mitgliederzahl von 3,5 Millionen deutlich überhöht; er schätzt sie auf maximal zwei Millionen. Vgl. Benjamin Ziemann: Republikanische Kriegserinnerung in einer polarisierten Öffentlichkeit. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold als Veteranenverband der sozialistischen Arbeiterschaft, in: HZ (1998), Nr. 267, S. 370. 283 Vgl. Ziemann: »Macht der Maschine«, S. 189. 284 Ziemann: Republikanische Kriegserinnerung, S. 374. 285 Vgl. Behrenbeck: Zwischen Trauer und Heroisierung, S. 322ff.; Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 131–133.

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sonntags 1929 hieß es im Reichsbanner : »Wir gestehen, daß uns die Sache des letzten Krieges und seiner Kämpfer zu vielgestaltig , zu gro ß vorkommt«, um ihr »auf so einfache Art« wie die »gegnerischen Kreise« einen Sinn zu geben.286 Bei allen Bemühungen der republiktragenden Kräfte, das ›Erbe der Front‹ in der Öffentlichkeit zu besetzen – es gelang ihnen zu keiner Zeit.287 Wenn es darum ging, die durch den Krieg hervorgerufenen Sinnstiftungsbedürfnisse zu befriedigen, waren die rechten politischen Gruppierungen ungleich aktiver und erfolgreicher. Ihrer Lesart nach wurde die Niederlage von 1918 negiert, die historische Realität verkehrt und das Fronterlebnis glorifiziert. Diese Mythenbildung spiegelte die vielfach desillusionierenden Kriegserfahrungen der Soldaten bewusst nicht wider, denn sie hatte allein den Zweck, wie George L. Mosse konstatiert, die Schrecken des Krieges zu maskieren: »It was meant to displace the reality of war.«288 Die Akzeptanz dieser »heroisch-erhabenen Deutung«289 in weiten Teilen der Bevölkerung wiederum lässt sich wie folgt erklären: Die Wut und Trauer über Opfer und Zerstörung, dieser »Überschuss an Leid«290 angesichts der Nutzlosigkeit aller Kriegsanstrengungen ließen die Menschen Trost suchen und sich in eine Sinngebung flüchten, die den Krieg nachträglich verklärte.291 Dieses Bedürfnis nach Sinnstiftung wurde in der Niedergangsphase der Republik seit Herbst 1929 noch verstärkt. Auch bei vielen Soldaten selbst, so die plausible These von Behrenbeck, verschwammen die oft unerträglichen Erinnerungen an den Krieg mit dem öffentlich propagierten Frontheldentum, da es sich mit der heroischen Variante des Krieges – psychologisch nachvollziehbar – leichter leben ließ.292 Denn die Soldaten hatten aufgrund ihrer »passiven Opferrolle« im

286 Erwin Frehe: Die Toten Deutschlands. Gedanken zum Totensonntag, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 47 vom 23. 11. 1929 (6. Jg.), S. 381. 287 Vgl. Haverkamp: »Zwei Millionen Tote!«, S. 230. Ein weiterer Beleg hierfür ist das vergebliche Bemühen der Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP), den Volkstrauertag als gesetzlichen Feiertag zu verankern. Vgl. Brandt: Gedächtnisraum, S. 147–152. 288 Mosse: Fallen Soldiers, S. 7. 289 Ulrich und Ziemann: Einleitung, S. 11. 290 Michael Geyer : Das Stigma der Gewalt und das Problem der nationalen Identität in Deutschland, in: Christian Jansen, Lutz Niethammer und Bernd Weisbrod (Hg.): Von der Aufgabe der Freiheit. Politische Verantwortung und bürgerliche Gesellschaft im 19. und 20. Jh. Festschrift für Hans Mommsen zum 5. November 1995, Berlin 1995, S. 679. 291 Vgl. Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 131–133, sowie Wolfrum: Geschichte als Waffe, S. 27. 292 Behrenbeck: Zwischen Trauer und Heroisierung, S. 319. Kurt Tucholsky beschrieb die Psychologie des Vergessens in seinem Buch Das Felderlebnis bereits 1922: »Schmerzen werden vergessen […]. Freundliche Lappalien wachsen über diese Region der Erinnerung, und die Äußerlichkeiten bleiben: ein Teemädchen in Baranowitschi, die Geschichte mit den zwei Schweinen in Flandern […] – das wird behalten.« Kurt Tucholsky : Das Felderlebnis

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Stellungskrieg an der Westfront ebenfalls »ein starkes Kompensationsbedürfnis«, bemerkt Bernd Ulrich.293 Die Anpassung ihrer Erinnerungen an die mythische Version ermöglichte ihnen, von der Glorifizierung der Gefallenen zu profitieren. Und so begann sich bei vielen Soldaten die »Erinnerung an den Krieg von einem Alptraum zum größten Abenteuer ihres Lebens zu wandeln«, schrieb Erich Maria Remarque 1944 rückblickend.294 Im Westen nichts Neues war auch ein Versuch gewesen, daran etwas zu ändern. Freilich waren die Deutschen nicht das einzige kriegsteilnehmende Volk, das »in den Mythen von den heroischen Frontkämpfern eine Zuflucht vor einer unbequemen Wirklichkeit suchte«, so Bessel. Regen Zuspruch fanden sie etwa auch in Frankreich. Im Land des großen Kriegsverlierers indes waren die Mythen am stärksten ausgeprägt und entfalteten – begünstigt von einer schwachen demokratischen Kultur – sodann ihre verheerende Wirkung.295 Letztlich lastete die Vergegenwärtigung des Krieges mit der weithin nicht akzeptierten Niederlage zu schwer über der jungen Republik – Politik und Alltag konnten ihr nie entkommen. Vor allem der Kriegsschuldparagraf 231 wirkte fatal. Als »Trauma einer ganzen Generation« bezeichnet ihn Krumeich. Es war schlimm genug, dass alle Opfer überflüssig waren; nun sollten sie auch noch einem Verbrechen entsprungen sein. Für die Deutschen sei das kollektiv nicht aushaltbar gewesen, erläutert der Historiker.296 Hitler profitierte von dieser Gemütslage dank seines Versprechens, den ›Schandfrieden‹ zu tilgen, enorm.297 Er versprach, die deutsche Niederlage von 1918 sei »lediglich eine verlorene Schlacht in einem fortdauernden großen Kampf um die nationale Wiedergeburt«, konstatiert Martin Baumeister.298 Während der Weimarer Gesellschaft integrative Symbole, welche republikanische Werte repräsentierten, fehlten, entfaltete das auf Kriegswerten fußende Weltbild der Nationalsozialisten mit seiner Klarheit der Verhältnisse an der

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(1922), in: ders.: Gesammelte Werke in 10 Bänden, Bd. 3: 1921–1924, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 260f. Ulrich: Die umkämpfte Erinnerung, S. 375. Erich Maria Remarque: Praktische Erziehungsarbeit in Deutschland nach dem Krieg (1944), in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929–1966, Köln 1994, S. 75. Bessel: Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen, S. 138f. Krumeich: Versailles 1919, S. 63. Vgl. u. a. auch Mommsen: Der Vertrag von Versailles, S. 358. Vgl. Hans-Ulrich Wehler : Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2003, S. 408–414. Martin Baumeister : Kampf ohne Front? Theatralische Kriegsdarstellungen in der Weimarer Republik, in: Wolfgang Hardtwig (Hg.): Ordnungen in der Krise. Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933, München 2007 (Ordnungssysteme – Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 22), S. 359.

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Front (hier Freund, dort Feind) eine große Attraktivität.299 Hinzu kam, dass die liberal-demokratische, kapitalistische Ordnung von einer zunehmend radikalisierten Öffentlichkeit als moralisch immer zersetzter empfunden wurde. Und so führte das Aufrechterhalten von Kriegseinstellungen in Friedenszeiten zunächst zu einer Brutalisierung der Politik und des gesellschaftlichen Diskurses, bevor der geistigen Aufrüstung 1933 die Militarisierung des gesamten Staates folgte.300

299 So schreibt etwa Hans Zöberlein in Der Glaube an Deutschland (1931): »Größe, Wahrheit, Reinheit wollen wir. Klar soll das Leben sein – und einfach. Dann ist es schön.« Hans Zöberlein: Der Glaube an Deutschland. Ein Kriegserleben von Verdun bis zum Umsturz (1931), 32. Aufl., München 1939, S. 126. Vgl. hierzu auch Delabar : »Aufhören, aufhören, he, aufhören – hört doch einmal auf!«, S. 406. 300 Vgl. Ziemann: Die Eskalation des Tötens, S. 418.

4.

Der »Great War« und die amerikanische Perspektive

4.1. Die Vereinigten Staaten im Krieg: Vorbereitung, Verlauf und Bilanz »America tore the gag of neutrality from her lips, and with all the strength of her liberated lungs, claimed her right to a place in the struggle. The pacifists crept into their holes […].« Edith Wharton, The Marne, 1918

Der besondere Bezug der Vereinigten Staaten zum Ersten Weltkrieg lag vor allem in ihrer geografischen Entfernung zum Kriegsschauplatz301: Dadurch waren die Schlachtfelder in Europa auch hinsichtlich der emotionalen Betroffenheit von den Lebensumständen großer Bevölkerungsgruppen weit weg: »Was mag der Farmer im Mittelwesten davon mitbekommen haben?«, fragt Michael Salewski. »Kein Radio, kaum Presse – vielleicht waren ihm die Indianer näher als der Deutsche Kaiser«, so seine berechtigte Überlegung.302 Ohnehin war Weltpolitik vor allem für die ländliche Bevölkerung ein abstrakter Begriff – und Washington, D.C., aus ihrer Sicht ähnlich weit weg wie Europa.303 Die wenigsten Menschen hatten somit eine Ahnung, was »over there«304 vor sich ging. Eine Vorstellung von dort entstand zunächst vor allem durch Propaganda. Auch Presseberichte, 301 »Both because thousands of miles of ocean lay between the US and the battle in Europe, and because American troops did not participate in major action until the last year of hostilities, the First World War remained a virtual phenomenon to many US residents«, erläutert John T. Matthews: American Writing of the Great War, in: Vincent Sherry (Hg.): The Cambridge Companion to the Literature of the First World War, Cambridge 2005, S. 217. 302 Salewski: Der Erste Weltkrieg, S. 9. 303 Vgl. John W. Chambers: The American Debate over Modern War, 1871–1914, in: Manfred F. Boemeke, Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Anticipating Total War. The German and American Experiences, 1871–1914, New York 1999, S. 267, sowie Nagler : Pandora’s Box, S. 489 und 491. 304 »Over there« war ein geflügeltes Wort, das den Titel des wohl bekanntesten amerikanischen Kriegsliedes trug. Vgl. Fussell: The Great War and Modern Memory, S. 221, sowie Kap. 4.2, S. 94, dieser Arbeit.

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Legenden und Kriegsliteratur trugen dazu bei, dieses sicher nicht stets realitätsnahe Bild zu schärfen. Je mehr die Amerikaner anschließend über das wahre Ausmaß und das Wesen des Krieges in Europa lernten, umso geringer war in der Bevölkerungsmehrheit die Begeisterung, sich daran zu beteiligen.305 Vor allem unter den ländlichen Gesellschaftsschichten im Mittleren Westen und Südwesten des Landes herrschte diese Einstellung bis kurz vor Kriegseintritt vor. Hingegen gab es in der äußerst heterogenen Ostküstenelite frühzeitig energische Befürworter eines Kriegseintritts – allerdings aus ganz unterschiedlichen Motiven. Manche Gruppierungen erhofften sich ökonomische Vorteile, andere wiederum ein Ende des Materialismus. Die einen erwarteten ein Abflauen von Klassengegensätzen und mehr Rechte für die afroamerikanische Bevölkerung, die anderen wiederum ein Zurückdrehen emanzipatorischer Tendenzen. Eine Kriegsbeteiligung wurde von diesen Gesellschaftsschichten demnach als Beschleuniger eines intendierten sozioökonomischen Wandels gesehen. Ein weiteres Motiv für den Eintritt in den »Great War«, wie der Konflikt auch genannt wurde, war für eine bürgerliche Minderheit die Betrachtung des Krieges als individuelles Bewährungsfeld. Man beneidete die europäischen Nationen darum, auf dem Schlachtfeld Werte wie Mut, Ehre, Aufrichtigkeit, Opferbereitschaft, Patriotismus und Disziplin wiederzuentdecken – Werte also, die es in der mechanisierten modernen Welt kaum noch zu geben schien. Bezeichnend ist, dass eine beachtliche Zahl der späteren Kriegsfreiwilligen Studenten waren, die der an der Ostküste beheimateten Kulturelite angehörten und meist auf eine der elitären Ivy-League-Universitäten gingen.306 Die Antagonismen für und wider einen Krieg unter Beteiligung der USA traten in den Jahren 1915 und 1916 zunehmend öffentlich zutage. Zum einen entwickelte sich die sogenannte Preparedness-Bewegung zu einer Massengruppierung, die für eine Aufrüstung und somit das »Vorbereitetsein« für einen Kampf gegen das vermeintliche Barbarenreich Deutschland eintrat.307 Zum anderen gab es eine breite, aber sehr heterogene Friedensbewegung, die zahlenmäßig deutlich größer gewesen sein dürfte. In der Preparedness-Bewegung sammelten sich unter anderem Militärführer, Sicherheitsexperten, national gesinnte Publizisten und patriotische Organisa305 Vgl. Zieger: America’s Great War, S. 16: »The more Americans learned of the scope and nature of the warfare in Europe, the more determined they were to stand clear«, konstatiert er. 306 Vgl. Axel Jensen: Individuelle Bewährung im Krieg. Amerikaner in Europa 1914–1917, Frankfurt am Main u. a. 2003 (Nordamerikastudien, Bd. 19), S. 306, sowie Buitenhuis: The Great War of Words, S. 60. Allein in Harvard meldeten sich 325 Studenten freiwillig zum Krieg, in Yale waren es 187, in Princeton 181. Vgl. Charles M. Oliver (Hg.): Ernest Hemingway’s »A Farewell to Arms«. A Documentary Volume (Dictionary of Literary Biography, Bd. 308), Detroit u. a. 2005, S. 22. 307 Vgl. zur Preparedness- und Plattsburg-Bewegung u. a. Jensen: Individuelle Bewährung im Krieg, S. 293–299.

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tionen. Unter letzteren stach die konservativ-reaktionäre National Security League (NSL) hervor, hinter der Großindustrielle um Frick, Vanderbilt und Guggenheim standen, deren Mitgliederzahl aber unter 100.000 blieb, ferner die vom ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt unterstützte American Defense Society (ADS), die mit rund 250.000 Mitgliedern die größte und einflussreichste Organisation ihrer Art war, sowie die American Protective League (APL), welche speziell nach deutschen Spionen Ausschau hielt (und später auch gegen »Drückeberger« vor dem Armeedienst vorging).308 Neben der bereits etablierten Navy League gesellten sich dann nach dem Kriegseintritt weitere Organisationen hinzu, etwa die League of American Patriots oder die Knights of Liberty.309 Erstmals gingen im Jahr 1916 Hunderttausende in New York, Chicago und anderen Großstädten auf die Straße, um für die Aufrüstung einzutreten. Anhänger der Plattsburg-Bewegung nahmen ihr Schicksal sogar selbst in die Hand und errichteten in New York ein militärisches Trainingscamp, in dem sich Tausende Männer für den Ernstfall vorbereiteten. Ähnliche Lager entstanden auch in Kalifornien und Illinois.310 Präsident Woodrow Wilson lehnte die von den genannten interventionistischen Gruppierungen initiierten Kriegsvorbereitungsmaßnahmen in den ersten Kriegsjahren entschieden ab. Hinter ihm stand eine bunte Friedensbewegung, die auch sein späteres Programm der »Vierzehn Punkte« im Übrigen entscheidend prägen sollte. Zu den damaligen Kriegsgegnern zählten Sozialisten, Isolationisten, Anarchisten, Pazifisten, Progressive, Gewerkschafter, die feministische Frauenbewegung (darunter vor allem die Woman’s Peace Party) sowie religiöse und Reformgruppen, die sich in Organisationen wie der American Union Against Militarism (AUAM), der unter anderem vom ehemaligen USPräsidenten William Howard Taft initiierten League to Enforce Peace (LEP) oder der Emergency Peace Federation (EPF) sammelten.311 Auch Immigranten aus Europa, insbesondere Deutsche und Iren, waren gegen eine Beteiligung der USA am Krieg. »Im Wahljahr 1916 überwog noch eindeutig die Friedenssehnsucht in der amerikanischen Bevölkerung«, konstatiert Jürgen Heideking. So gewann Präsident Wilson seinen Wahlkampf denn auch mit der Parole »He kept us out of war«.312

308 Vgl. Zieger : America’s Great War, S. 198–200; Nagler : Nationale Minoritäten, S. 126–135 und 325–333; Capozzola: Uncle Sam Wants You, S. 41ff.; Kennedy : Over Here, S. 31f.; Ross: Propaganda for War, S. 181f. 309 Zur Gründung und den Zielen der superpatriotischen Bewegungen vgl. Wüstenbecker : Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg, S. 168–176. 310 Vgl. Zieger : America’s Great War, S. 33–36. 311 Vgl. ebd., S. 33–37, 139 und 175, sowie Kennedy : Over Here, S. 14. 312 Heideking: Geschichte der USA, S. 262f.

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Als eine Kongressmehrheit nach Zuspitzung der Ereignisse Anfang 1917 (etwa durch die Zimmermann-Depesche313) am 6. April schließlich für den Kriegseintritt stimmte, spiegelte dieses Votum nicht eins zu eins die öffentliche Meinung wider, welche stark geteilt war : zwar meist antideutsch, aber nicht immer gleichbedeutend für eine Kriegsbeteiligung. Auch war die Stimmung in Amerika nicht annähernd so aufgewühlt und emotional wie in Deutschland während der Augusttage 1914 – zumindest gemessen an den sichtbaren Gefühlsbekundungen auf der Straße.314 Eine überwiegend patriotische, aber keinesfalls enthusiastische Aufgeregtheit trat vor allem vor den Tausenden lokalen Rekrutierungsbüros zutage, wo sich am 5. Juni 1917 fast zehn Millionen Männer zwischen 21 und 30 Jahren zur Musterung meldeten.315 Zwar war zuvor die selektive Wehrpflicht eingeführt worden – im August 1918 wurde sie sogar auf 18 bis 45 Jahre ausgedehnt –, aber »Unwillige« sollten nicht eingezogen werden. Sprich: Wer sich nicht registrierte, was rund drei Millionen Männer (oder elf Prozent) aus der entsprechenden Altersgruppe taten, musste mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht dienen. Eine Lotterie entschied dann, wer tatsächlich nach Europa verschifft wurde.316 Die Mehrheit der Auserwählten reagierte mit Wohlwollen auf den Ruf ihres Landes, zumindest noch im Sommer 1917.317 Im Laufe des folgenden Jahres – als die Zweifel ob der zunehmenden Verluste stark zunahmen – verschärfte das Kriegsministerium allerdings sein Vorgehen. Tausende »Drückeberger« wurden in konzertierten Aktionen auf der Straße, im Park oder im Restaurant mit Polizeigewalt eingesammelt und zum Militärdienst gezwungen. Im Krieg selbst wurden dann insgesamt rund 338.000 Wehrdienstdeserteure registriert.318 Dies 313 Siehe Kap. 2, S. 50. 314 Vgl. Nagler : Pandora’s Box, S. 490; Chambers: The American Debate, S. 279, sowie Edward M. Coffman: The War to End All Wars. The American Military Experience in World War I, New York/Oxford 1968, S. 336 und 355f. 315 Robert H. Zieger beschreibt eine typische Szenerie aus Ocala, Florida: »Civic officials organized a parade of almost one thousand citizens. To the strains of ›The Star Spangled Banner‹ and ›Dixie‹, members of fraternal orders, women’s clubs, and service organizations marched down Fort King Avenue, the black contingents following the whites. Particular highlights were ›eighteen lovely young girls and matrons dressed in […] regulation Red Cross costumes‹ and ,the little boys of the primary department of the Ocala High School’ performing complex military tactics to the delight of the crowd.« Zieger : America’s Great War, S. 60. 316 Vgl. John Whiteclay Chambers II: Decision for the Draft, in: OAH Magazine of History (2002), Bd. 17, Nr. 1 (World War I), S. 26–30 und 33. 317 »Americans overwhelmingly embraced compulsory national service as a way for men to fulfill their obligation to defend their country in a time of crisis«, schreibt Jennifer Keene als Resultat ihrer Studie über die Kriegsbeteiligung der USA. Vgl. Keene: Doughboys, S. 3 sowie auch 8–16. 318 Vgl. Kennedy : Over Here, S. 165–167, sowie ausführlich zum Wehrdienst allgemein Capozzola: Uncle Sam Wants You, S. 21–54 und 41ff.

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zeige, argumentiert Manfred Henningsen, dass sich immerhin eine »hartnäckige und nicht unerhebliche Minderheit« gegen das amerikanische Engagement in Europa widersetzte.319 Dass letztlich Millionen Männer nach Frankreich verschifft werden würden, war allgemein nicht erwartet worden. Viele Amerikaner dachten zunächst, dass sich der Einsatz ihres Landes insbesondere auf wirtschaftliche Hilfe zugunsten der Alliierten beschränken würde. Denn schon vor dem Kriegseintritt hatten die Vereinigten Staaten die Entente-Staaten mit Stahl und anderen Rohstoffen versorgt, die mit Beginn der Abnutzungsschlachten 1916 dringlicher denn je benötigt wurden. Im »totalen Krieg« kam den USA somit als führende Wirtschaftsmacht eine immer gewichtigere Rolle zu.320 Beim Kriegseintritt im April 1917 bestand die US-Armee lediglich aus rund 125.000 Soldaten und lag damit zahlenmäßig nicht einmal unter den 15 größten der Welt.321 Sie war eigentlich kaum in der Lage, ins Feld zu rücken, geschweige denn in einem totalen Krieg zu bestehen. Selbst viele erfahrene Offiziere rechneten nicht damit, dass die American Expeditionary Forces (AEF) nach ihrer Landung in Europa bereits größere Schlachten schlagen könnten.322 Erst im Sommer 1919 sollte die Armee nach den Plänen des Oberbefehlshabers der USStreitkräfte, John J. Pershing, mit mehr als drei Millionen Mann ihre volle Stärke erreichen.323 Der neue Gegner Deutschlands plante demnach mit einem längeren Krieg, als er dann schließlich dauerte. Im Übrigen drang Pershing darauf, dass die USA eine eigene Armee bildeten und ihre Soldaten nicht nur als Truppenteile (wie anfänglich geschehen) in die alliierten Armeen eingegliedert werden. Die Forderung, mit der sich der neue Kriegsteilnehmer am Ende durchsetzte – am 10. August 1918 wurde die First United States Army gebildet –, führte zu massiven Verstimmungen mit Frank-

319 Manfred Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis und die Erfahrung des Großen Krieges, in: Klaus Vondung (Hg.): Kriegserlebnis. Der Erste Weltkrieg in der literarischen Gestaltung und symbolischen Deutung der Nationen, Göttingen 1980, S. 369. 320 Im Jahr 1918 produzierten die USA bereits viermal so viel Stahl, Eisen und Kohle wie Deutschland. Vgl. Chickering: Das Deutsche Reich, S. 116. 321 Vgl. Keegan: Der Erste Weltkrieg, S. 490 und 519. 322 Mark E. Grotelueschen konstatiert: »When Congress declared war in April 1917, the entire country, and especially the U.S. Army, was unprepared for war in Europe. […] The Army made few significant changes to its official combat doctrine, despite accurate reports of fighting in Europe that warned of practically revolutionary changes on the battlefield.« Mark E. Grotelueschen: The AEF Way of War. The American Army and Combat in World War I, Cambridge u. a. 2007, S. 10. 323 Vgl. Russell F. Weigley : Strategy and Total War in the United States. Pershing and the American Military Tradition, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914–1918, Cambridge, S. 331f.

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reich und England.324 Aber Pershings Absicht war auch die Wilsons. Der USPräsident erhoffte sich auf diese Weise mehr Gewicht in den nach dem erwarteten Sieg folgenden Friedensverhandlungen.325 Die ersten amerikanischen Soldaten waren indes bereits im Juni 1917 in Frankreich eingetroffen. An Weihnachten 1917 befanden sich rund 130.000 in Frankreich, und bis März 1918 erhöhte sich diese Zahl bereits auf ca. 220.000. Seit Mai 1918 wurden dann jeden Monat mehr als 200.000 Amerikaner über den Atlantik an die europäische Front verschifft; allein im Juli 1918 landeten mehr als 300.000 auf dem vom Krieg gebeutelten Kontinent.326 Bei der alliierten Gegenoffensive ab dem 18. Juli 1918 verfügten die AEF sodann über 600.000 kampfbereite Soldaten – eine Summe, die letztlich durchaus einen Unterschied machen sollte, zumal die alliierten Armeen nach fast vier Jahren Kriegseinsatz regelrecht ausgeblutet waren.327 Als erste Massenarmee in der Geschichte der Vereinigten Staaten waren die AEF-Streitkräfte zu Beginn des Krieges allerdings entsprechend unerfahren, hatten sie doch noch nie in einem Konflikt mit den großen europäischen Kontinentalmächten gekämpft. Die Vorbereitung der Soldaten war nicht anders als notdürftig zu bezeichnen. In Trainingslagern auf amerikanischem Boden wurde ihnen innerhalb von gerade einmal sechs Wochen der Umgang mit Gewehr und Bajonett beigebracht. Als »civilians rushed into khaki« beschrieb der englische Schriftsteller und Kriegsteilnehmer Coningsby Dawson die jungen Männer daher halb mitleidig, halb spöttisch.328 Der anschließende Drill in Frankreich konnte freilich nichts daran ändern, dass die Entsendung solcher Rekruten in die Schlacht »little short of murder« war, wie ein Generalinspekteur der AEF beklagte, und sich die Hoffnung auf den »good fight« im modernen Abnutzungskrieg nicht erfüllte.329 324 Vgl. zum Aufbau der US-Armee unter Pershing u. a. Coffman: The War to End All Wars, S. 121–158 und 263f.; Weigley : Strategy and Total War, S. 333–336, sowie Keegan: Der Erste Weltkrieg, S. 522f. und 570f. 325 Vgl. Esposito: The Legacy of Woodrow Wilson, S. 118f. 326 Vgl. Stevenson: Der Erste Weltkrieg, S. 478 und 523. 327 Anfangs war die noch schwach gerüstete US-Armee auf französische und englische Waffen und Munition angewiesen – im Grunde ein Kontrast zur damals bereits vorhandenen ökonomischen Macht des Landes. Das Rüstungsprogramm der USA kam aber schnell auf Touren und überholte das des Kaiserreichs noch im Jahr 1918. Vgl. Elisabeth Glaser : Better Late than Never. The American Economic War Effort, 1917–1918, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914–1918, Cambridge 2000, insb. S. 389 und 406. 328 Zitiert nach Jack Capps: The Literature of the AEF. A Doughboy Legacy, in: Mark A. Snell (Hg.): Unknown Soldiers. The American Expeditionary Forces in Memory and Remembrance, Kent, Ohio 2008, S. 203. 329 Zitiert nach Jennifer D. Keene: Americans as Warriors. »Doughboys« in Battle during the First World War, in: OAH Magazine of History (2002), Bd. 17, Nr. 1, S. 16.

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Im Januar 1918 an die Front gelangt, erlebten amerikanische Soldaten im April ihre Feuertaufe. Die erste Angriffsschlacht der AEF fand im Mai in Cantigny statt, bei der die »Doughboys« (»Mehlklöße«)330, wie die Landser seit Mitte des 19. Jahrhunderts genannt wurden, hohe Verluste hinnehmen mussten. Das lag vor allem daran, dass anfangs vonseiten der Armeeführung ein offenes Kampfgeschehen – Mann gegen Mann – mit Benutzung von Gewehr und Bajonett erwartet und bevorzugt wurde. Im Zentrum stand dabei ein starker Offensivgedanke, dem man historisch gesehen verhaftet war, hält Mark E. Grotelueschen fest: »AEF leaders viewed trench warfare as a horrific aberration and insisted that open warfare was the natural state of affairs, even though the war, from the beginning to end, showed just the opposite: Stabilized conditions in the trenches proved the more typical situation, and most open conditions were merely transitory events between periods of trench stabilization.«331

Die aus Vorkriegszeiten stammende Favorisierung des offenen Kampfgeschehens verkannte völlig die Realitäten des Stellungskriegs in den Schützengräben und war nur schwer zu überwinden. So befahlen die Offiziere häufig Frontalangriffe in Wellenformation – langsam in Reihe gehend, das Bajonett voran – gegen Maschinengewehrnester, anstatt den Soldaten zu erlauben, in Gruppen von Granattrichter zu Granattrichter zu eilen, um Deckung zu suchen. Zwar gingen die jungen, durchaus enthusiastischen Amerikaner mutig dem Gegner entgegen, oft aber ohne ausreichenden Selbstschutz.332 Neben der unausgereiften Taktik führte ein Mangel an Erfahrung und Training dazu, dass die »Doughboys« zunächst sprichwörtlich Kanonenfutter waren. Winston Churchill, seinerzeit britischer Rüstungsminister, beschrieb seine ersten Eindrücke von den US-Soldaten an der Westfront wie folgt: »Half trained, half organized, with only their courage and their magnificent youth behind their weapons, they were to buy their experience at a bitter price. But this they were quite ready to do.«333 Diese mit hohen Verlusten verbundenen »bloody lessons in ›open warfare‹«, so Mark E. Grotelueschen, führten bei der Armeeführung aber nach und nach zu 330 Zur Entstehung der Bezeichnung vgl. Keene: Doughboys, S. 3, sowie Mead: The Doughboys, S. 66–68. Andere Kosenamen für die amerikanischen Soldaten im Ersten Weltkrieg lauteten »Sammies«, »Yanks« und »Pershing’s Crusaders«. 331 Grotelueschen: The AEF Way of War, S. 34. 332 Robert H. Zieger bemerkt hierzu: »Both German and Allied witnesses remarked at the doughboys’ aggressiveness, bravery, and willingness to take casualties. […] On the tactical side, few contemporary observers […] could find much brilliance or innovation on the part of American commanders. Despite the criticisms by Pershing and his officers of wasteful Allied tactics, U.S. commanders rarely came up with anything more than man-killing straight-ahead assaults on entrenched positions.« Zieger : America’s Great War, S. 101f. 333 Winston Churchill: The World Crisis, Bd. 3: 1916–1918, London 1927, S. 454.

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einem Umdenken.334 Die Offiziere lernten bei ihrem taktischen Verständnis von Engländern und Franzosen dazu und erkannten unter anderem, wie wichtig eine ausreichende Artillerieunterstützung ist. Die Fehleinschätzungen in Bezug auf den Abnutzungskrieg an der Westfront wurden dahingehend teilweise revidiert.335 Als sich mit der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 und den darauffolgenden Gegenangriffen nach Jahren des Stillstands wieder ein Bewegungskrieg entwickelte, kam dies der traditionellen amerikanischen Kriegsführung entgegen. Dabei gaben die Soldaten der AEF den alliierten Streitkräften den entscheidenden Offensivschwung. Denn trotz des hinzugewonnenen taktischen Verständnisses der US-Armee – verheizt wurden die Soldaten freilich weiterhin – war es letztlich die schlichte Masse an Männern, die den Unterschied gegenüber den in jahrelangen Grabenkämpfen zermürbten französischen, englischen und deutschen Truppen machte. Schließlich dienten immerhin 1,2 bis 1,4 Millionen Amerikaner zwischen Januar und November 1918 direkt an der Front. Und je mehr die US-Truppen an Kampfkraft gewannen, desto mehr stärkten sie auch die alliierte Kriegsmoral.336 Dagegen wirkte die Ankunft der Amerikaner auf die Deutschen »zutiefst deprimierend«, wie John Keegan anschaulich beschreibt: »Nachdem [sie] in vier Kriegsjahren das Heer des Zaren vernichtet, die Italiener und Rumänen vernichtend geschlagen, die Franzosen demoralisiert und den Briten zumindest einen klaren Sieg verwehrt hatten, waren sie jetzt mit einem Heer konfrontiert, dessen Soldaten in zahlloser Menge sozusagen aus dem Boden wuchsen, als sei eine Drachensaat aufgegangen.«

Während die Hoffnungen auf einen Sieg zuvor noch auf berechenbaren Kräfteverhältnissen der Armeen beruht hatten, machte das Eingreifen der USA nun jede Gleichung zunichte. »Das daraus resultierende Gefühl der Sinnlosigkeit weiterer Anstrengungen untergrub die Entschlossenheit des einfachen deutschen Soldaten, seine Pflicht zu tun«, so Keegan.337

334 Grotelueschen: The AEF Way of War, S. 200. 335 Die Erfahrungen an der französischen Front hatten auch weitergehende Folgen für die USKriegsdoktrin: »If we are to be economical with our men, we must be prodigal with guns and ammunition«, lautete das Fazit von General Charles Summerall nach Beendigung des Ersten Weltkriegs. Die Feuerkraft von Artillerie und automatischen Waffen stand künftig vor dem massenhaften Einsatz leicht bewaffneter Soldaten mit Gewehr und Bajonett. Vgl. Grotelueschen: The AEF Way of War, S. 358–364. 336 Vgl. Ronald Schaffer : USA, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 112; Mead: The Doughboys, S. 347, sowie Zieger : America’s Great War, S. 97. 337 Keegan: Der Erste Weltkrieg, S. 571f. »The appearance of Americans in battle […] provided a psychological boost für the Allied side and a corresponding fear in Germany that time was

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Am Kriegsende hielten die AEF je nach Angabe immerhin 21 bis 23 Prozent der Westfront. Das ist eine Zahl, die aus heutiger Sicht immer noch erstaunt – insbesondere, wenn man sich veranschaulicht, dass dies sogar etwas mehr Frontabschnitte waren als die Briten kontrollierten.338 Zwar waren viele ruhigere Zonen dabei, aber nach deren Besetzung durch die Amerikaner konnten erfahrene alliierte Truppenteile freigesetzt werden, die die Gegenoffensive abermals verstärkten. Dass die Vereinigten Staaten in den letzten Kriegsmonaten das entscheidende Gewicht auf der Waage darstellten, welches die Kräfteverhältnisse zugunsten der Alliierten kippen ließ, ist in der Forschung Mehrheitsmeinung. »In the end it was America that provided the key to ending the bloody, stalemated conflict and thus helping critically to limit Europe’s seemingly interminable slide into even greater barbarity and chaos«, argumentiert Robert Zieger.339 Und Allan Milett glaubt, es sei recht wahrscheinlich, dass die Alliierten den Krieg ohne Hilfe der AEF verloren hätten.340 Unabhängig davon, wie der Krieg sonst ausgegangen wäre, ist es sicher, dass der Eintritt der Vereinigten Staaten zu einem schnelleren Ende geführt hat – schneller auch, als die USArmeeführung es selbst erwartet hatte.341 Jedenfalls schrieben sich die Amerikaner, allen voran Oberbefehlshaber Pershing, den Erfolg zu, die endgültige Niederlage Deutschlands herbeigeführt zu haben. Denn gegen ihren schier unendlichen Nachschub an frischen Soldaten habe die ermattete deutsche Armee nichts mehr entgegenzusetzen gehabt, hieß es. Zudem gewannen die Alliierten dank der U.S. Navy die Seehoheit zurück und stellten die volle Versorgung ihrer Truppen – vor allem der englischen – wieder her.342 Ferner wurde vonseiten der USA betont, dass das Land neben Unmengen an Kriegsgerät und seinem riesigen Menschenpotenzial auch Geld, Nahrung und Rohstoffe in großem Umfang in die Waagschale geworfen habe. Und, nicht zu unterschätzen, zu den enormen finanziellen, materiellen und menschlichen Ressourcen sei auch eine »moralische Überlegenheit« gekommen, hieß es (siehe hierzu mehr in den Kapiteln 4.2 und 4.3).

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running out«, ergänzt Jennifer D. Keene: World War I. The American Soldier Experience, Lincoln u. a. 2011, S. 17. Vgl. Mead: The Doughboys, S. 349. Zieger : America’s Great War, S. 114. Allan R. Millet: Over Where? The AEF and the American Strategy for Victory, 1917–1918, in: Kenneth J. Hagan and William R. Roberts (Hg.): Against All Enemies. Interpretations of American Military History from Colonial Times to Present, Westport 1986, S. 251. Vgl. auch Keene: World War I, S. 25: »If they did not win the war for the Allies […], the Americans certainly stopped them from losing it.« David M. Kennedy zum Beispiel rechnet vor, das Eingreifen der USA habe den Ersten Weltkrieg um etwa ein Jahr verkürzt. Vgl. Kennedy : Over Here, S. 205. Vgl. Zieger : America’s Great War, S. 113.

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4.2. Fronterfahrungen amerikanischer Soldaten: Parallelen und Divergenzen »Over there, over there, send the word, send the word over there, That the Yanks are coming, the Yanks are coming, The drums rum-tumming everywhere.« Amerikanisches Soldatenlied während des Ersten Weltkriegs

Die nackten Zahlen zum Einsatz amerikanischer Soldaten im Ersten Weltkrieg lesen sich wie folgt: Mehr als 4,7 Millionen Männer wurden in der Zeit zwischen dem US-Kriegseintritt und dem Kriegsende eingezogen – inklusive Seeleuten, Piloten und Marines. 2,1 Millionen von ihnen wurden über den Atlantik verschifft, sodass die amerikanische Truppenpräsenz in Frankreich im November 1918 vergleichbar war mit der französischen (2,5 Millionen Soldaten) und der britischen (1,75 Millionen).343 Etwa zwei Drittel der nach Europa entsandten Amerikaner – 1,2 bis 1,4 Millionen – fanden sich an der Westfront wieder, wobei 204.000 im Kampfeinsatz verwundet und 53.400 getötet wurden. Weitere 63.100 fielen Krankheiten zum Opfer344, vor allem der Spanischen Grippe, an der weltweit zwischen 1918 und 1920 je nach Quellenangaben 25 bis 50 Millionen Menschen starben. Aus amerikanischer Sicht war die totale Opferzahl immens, auch wenn sie im alliierten Vergleich zu den mehr als 1,3 Millionen gefallenen Franzosen und 750.000 Briten relativ gering wirkt. Dieses Bild zeigt sich auch in der Gesamtbilanz zum Ersten Weltkrieg, in dem die Vereinigten Staaten nur rund ein Prozent aller verstorbenen Soldaten zu beklagen hatten.345 Nimmt man aber andere Kriege zum Maßstab, in denen die USA länger und mit mehr Truppen involviert waren, rückt die Opferzahl in dem für die Vereinigten Staaten relativ kurzen Ersten Weltkrieg in ein anderes Licht. So fielen in Korea innerhalb von drei Jahren 36.570 Soldaten (von 5,7 Millionen eingesetzten) und im VietnamKrieg in neun Jahren 58.220 Armeeangehörige (von 8,7 Millionen).346 An der Westfront der Jahre 1917/18 betrug die Opferquote der Amerikaner im Schnitt 251 Soldaten pro Tag, während diese auf deutscher Seite rund viermal so 343 Vgl. zu den Zahlen u. a. Stevenson: Der Erste Weltkrieg, S. 68 und 524; Zieger : America’s Great War, S. 61; Coffman: The War to End All Wars, S. 179–182; Mead: The Doughboys, S. 347. 344 Offizielle Angaben zu den Kriegstoten und -verletzten finden sich bei Nese F. DeBruyne: American War and Military Operations Casualties. Lists and Statistics (Congressional Research Service), [online], verfügbar unter : http://www.fas.org/sgp/crs/natsec/RL32492. pdf, S. 2 [23. 8. 2018]. 345 Vgl. Overmans: Kriegsverluste, S. 664f. 346 Vgl. DeBruyne: American War and Military Operations Casualties, S. 2.

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hoch war.347 Das lag vor allem daran, dass die AEF meist ruhigere Frontabschnitte sicherten. Insgesamt waren nur 29 von 93 Divisionen überhaupt in Kampfhandlungen verwickelt – das heißt nicht einmal jeder dritte Soldat.348 Dabei machten selbst die aktiv an der Front beteiligten US-Soldaten (Freiwillige in alliierten Truppenteilen einmal ausgenommen) von den wesentlichen drei Phasen des Ersten Weltkriegs – dem Bewegungskrieg mit dem »Wettlauf zum Meer« bis Ende 1914, dem Grabenkrieg von Ende 1914 bis Anfang 1918 sowie dem von der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 ausgelösten erneuten Bewegungskrieg – nur die letzte mit. Das zermürbende Verharren in Schützengräben unter tagelangem Trommelfeuer oder ein monatelanges Abschlachten in der Dimension von Verdun und an der Somme blieb den Amerikanern somit erspart.349 »The American soldiers […] experienced a type of fighting that bore little resemblance to the previous three years of trench deadlock«, konstatiert Jennifer Keene.350 Das soll allerdings nicht heißen, dass die »Doughboys« nicht genauso verheizt wurden wie die Soldaten der europäischen Armeen – im Kampf der Ressourcen war auch von ihnen jeder einzelne nur eine zu vernachlässigende Zahl. Dies machen die wenigen großen Schlachten mit AEF-Beteiligung deutlich: In Erinnerung blieb den Vereinigten Staaten hier insbesondere der Begriff Belleau Wood, weil er im Kleinen für die Sinnlosigkeit des Krieges steht und mit ihm die bis zu diesem Zeitpunkt höchste amerikanische Opferzahl in dem Konflikt verbunden war : Im Juni 1918 trafen US-Einheiten in dem nur zweieinhalb Quadratmeter großen Waldstück von Belleau auf versprengte deutsche Truppen, die sich dort nach der versandeten Frühjahrsoffensive verschanzt hatten. Bei den 25-tägigen Kampfhandlungen gegen massive deutsche Defensivpositionen und Maschinengewehrnester verzeichneten die AEF insgesamt mehr als 9.700 Tote, Verletzte und Vermisste, was der halben eingesetzten Truppenstärke entsprach.351 Zwar setzten sich die Amerikaner am Ende durch, aber kriegsentscheidend war der Gefechtsausgang nicht. Signifikant involviert waren die American Expeditionary Forces ferner in die Aisne-Marne-Offensive im Juli und August 1918 mit ca. 270.000 Soldaten (38.500 Verluste) sowie der nur fünftägigen Schlacht um Saint Michel Mitte

347 Vgl. Mead: The Doughboys, S. 349f. 348 Vgl. Mark A. Snell: »The Price Was Made and the Price Was Paid«. Grandpa’s Scar and other Memories of the AEF, in: ders. (Hg.): Unknown Soldiers. The American Expeditionary Forces in Memory and Remembrance, Kent, Ohio 2008, 7f. 349 Vgl. ausführlich Meigs: Optimism at Armageddon, S. 36–68. 350 Keene: World War I, S. 18. 351 Vgl. Mead: The Doughboys, S. 249.

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September mit 550.000 Männern (8.600 Verluste).352 Während der 47 Tage dauernden Maas-Argonnen-Schlacht im Herbst 1918, die schließlich zum Waffenstillstand am 11. November führte, fielen dann sogar rund 26.300 amerikanische Soldaten, fast 96.000 wurden verwundet. Allein die Hälfte der Opferzahl trat innerhalb der ersten vier Tage der Kampfhandlungen auf.353 Insgesamt waren September und Oktober 1918 die »blutigsten« Monate der US-Militärgeschichte. Daher widerspricht Keene zu Recht der lange etablierten Einschätzung, die US-Armee habe nur einen geringen Blutzoll entrichten müssen: »Once Americans began to fight in earnest through the summer and fall of 1918, deaths in the American Army averaged 820 a day, close to the wartime averages within the French Army and nearly twice as many as the British. These comparisons suggest that ›barely bloddied‹ is hardly an accurate description of the American Army’s experience during the war.«354

Die Grausamkeiten des technisierten, »totalen Krieges« blieben somit auch den Amerikanern nicht verborgen. Ein Gefreiter beschrieb, wie die aus vielen unerfahrenen Soldaten bestehende US-Armee im Rahmen der Maas-ArgonnenOffensive einen Frontalangriff gegen starke deutsche Stellungen durchführte und sehr hohe Verluste verzeichnete: »From every direction, German machine-gun fire assaulted them. Many of them crumbled at once. The second wave – which included me – lay waiting to follow them, horrified by their dying screams. […] The next few minutes were among the worst of the war for me as we lay helpless to aid, listening to our friends being torn to pieces by gunfire.«355

Von den Überlebenden des Gemetzels an der Westfront trugen viele schwere Verletzungen davon. Die US-Armeestatistik verzeichnet im gesamten Krieg knapp 3.000 Amputationen und die Behandlung von mehr als 2.000 Gesichtsund Kieferwunden. Auch mit Gas machten die amerikanischen Soldaten ihre leidvollen Erfahrungen: Mehr als jeder Dritte der rund 200.000 im Ersten Weltkrieg Verletzten wurde Opfer der neuen chemischen Waffe, wobei viele 352 Vgl. zu den Einsatz- und Verlustzahlen die Auflistung von George Thompson: American Military Operations and Casualties in 1917–18 (The University of Kansas Medical Center) [online], verfügbar unter : http://www.kumc.edu/wwi/index-of-essays/american-militaryoperations-and-casualties.html [23. 8. 2018]. 353 Vgl. Farwell: Over There, S. 241; Grotelueschen: The AEF Way of War, S. 3, sowie Krass: Portrait of War, S. 263. 354 Keene: World War I, S. 25. Vgl. auch dies.: Americans as Warriors. »Doughboys« in Battle during the First World War, in: OAH Magazine of History (2002), Bd. 17, Nr. 1, S. 15 (»Americans entered the war late, but they did not escape its horrors«). 355 George Browne: An American Soldier in World War I, hg. von David L. Snead, Lincoln, Neb. 2006, S. 128.

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(zumindest zeitweise) erblindeten.356 Kriegsromantik konnte da wohl kaum aufkommen, vergegenwärtigt man sich etwa eine typische Krankenhausszenerie, wie sie ein Sergeant schonungslos wie folgt beschrieb: »[Patients witnessed] the constant flow in and out of the operating room of desperately wounded men, the screaming when dressings were changed on the stump of an arm or leg recently amputated, a head gashed up, part of a face blown away, or a stomach punctured by a dozen pieces of shrapnel; the insane gibbering, mouthing, and scorching profanity of men partially under ether.«357

Neben physischen Verletzungen trugen rund 100.000 US-Soldaten Traumata und andere psychische Schäden davon. Viele von ihnen wurden nach dem Krieg weiterbehandelt. Und etliche, die nicht medizinisch betreut wurden, hatten enorme Schwierigkeiten, sich wieder in den Alltag einzugliedern – ein Problem, das die Vereinigten Staaten mit anderen am Krieg beteiligten Nationen teilten.358 Das Fronterlebnis: Ausgangslage und Kriegserfahrungen Grundsätzlich waren die Amerikaner mit ähnlich großem Idealismus in den Ersten Weltkrieg gegangen wie die meisten Europäer. Die Regierung hatte Bürger und Soldaten vorher indoktriniert, der Einsatz in Europa sei ein nobler Kampf von Gut gegen Böse, für Freiheit und Selbstbestimmung. Es hieß, die »schöne Dame Frankreich« (»La Belle France«) müsse vor den unbarmherzigen Teutonen, die auch vor Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung nicht haltmachten, gerettet werden.359 »They are more like wild beasts than men«, lautete denn auch die schlichte Erwartung manches US-Soldaten in Bezug auf den Feind.360 Im Allgemeinen herrschte das Bild vor, dass amerikanische »crusaders« (Kreuzritter) die Demokratie mit nach Europa bringen und den alten Kontinent für immer befrieden würden.361 William E. Matsen fasst dies wie folgt zusammen: »On one hand, there were the invading armies of vicious ›Huns‹, or ›Boche‹, murdering, raping, mutilating, and plundering […]. Opposed to them were the forces of light,

356 Vgl. Zieger : America’s Great War, S. 110. 357 Zitiert nach Ronald Schaffer : America in the Great War. The Rise of the War Welfare State, New York 1991, S. 171. 358 Vgl. Zieger : America’s Great War, S. 111 und 114. 359 Siehe hierzu auch Kap. 2, S. 51f. 360 Zitiert nach Stuart J. Richards (Hg.): Pennsylvanian Voices of the Great War. Letters, Stories and Oral Histories of World War I, Jefferson, NC u. a. 2002, S. 144. 361 Vgl. Holger Klein: Introduction, in: ders. (Hg.): The First World War in Fiction. A Collection of Critical Essays, London u. a. 1976, S. 5f.

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truth, honor, justice and […] the American Way, engaged in a veritable crusade, fighting for the morally right.«362

Für die Mehrheit der über den Atlantik verschifften Soldaten gab es neben der Teilnahme an dieser christlich-demokratischen Mission gegen ein despotisches Regime weitere Motive, dem Kriegseinsatz positiv entgegenzusehen bzw. sich ihm zumindest nicht zu verwehren. Zum einen ging es schlicht darum, die patriotische Pflicht und die Erwartungen von Familie und Freunden zu erfüllen. Zum anderen gab der Krieg den jungen Männern die Chance, sich fernab von viktorianischen Gesellschaftszwängen und dem zunehmenden ökonomischen Wettbewerb durch heroische Taten auf einem ganz neuen Bewährungsfeld auszuzeichnen. Dabei spielten auch Selbstfindungsdrang und Abenteuerlust eine Rolle sowie ferner die Erwartung eines so noch nicht gekannten – klassenlosen – soldatischen Kameradschaftsgeistes. Vor allem in den gebildeten Schichten herrschte eine solche Motivlage vor.363 Ähnlich wie im August 1914 unter deutschen Soldaten kam der Fronteinsatz nicht wenigen Infanteristen »süßen Worten« (»sweet words to me«) gleich, wie einer von ihnen im Juni 1918 schrieb: »I have waited so long to receive the orders containing these precious words: ›I am on my way to the front‹.«364 Umso größer war angesichts der absurden Welt, die sich den Soldaten in der vordersten Linie bot, hernach bei den meisten die Enttäuschung, argumentiert Peter Aichinger : »The sensation of being trapped by a huge and ruthless machine was particularly horrifying to a generation that went to war as they might have gone to a picnic.«365 Der noble Kreuzritter war auf dem Schlachtfeld nicht mehr als ein Bauernopfer des Kriegsapparates und das postkartengleiche Frankreich eine unkenntlich gemachte Mondlandschaft – zumindest aus Sicht der Soldaten an der vordersten Front. Auf die Ausmaße des Kampfgeschehens kaum vorbereitet, ist davon auszugehen, dass viele »Doughboys« im Kriegsverlauf desillusioniert wurden. Wie weit diese Desillusionierung im Vergleich zu Armeeangehörigen anderer Nationen reichte, ist angesichts der weiterhin unzureichend erforschten Primärquellenbasis zum Kriegserlebnis der amerikanischen Soldaten nicht abschließend zu beurteilen. Zudem haben fast alle Quellenarten Limitationen: So dürften viele Kriegsteilnehmer abgeneigt gewesen sein, in offiziellen Fragebögen

362 William E. Matsen: The Great War and the American Novel. Versions of Reality and the Writer’s Craft in Selected Fiction of the First World War, New York 1993 (American University Studies, Rh. 14: American Literature, Bd. 48). 363 Vgl. Cooperman: World War I, S. 48–55 und 81. 364 Zitiert nach Richards: Pennsylvanian Voices of the Great War, S. 56. 365 Peter Aichinger : The American Soldier in Fiction. A History of Attitudes toward Warfare and the Military Establishment, Ames 1975, S.11. Siehe auch S. 21ff.

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allzu defätistische Äußerungen zu ihrem Einsatz zu tätigen.366 Gleiches gilt für Briefe, die in der US-Armee gemeinhin noch strikter zensiert wurden als in Deutschland. Zudem verzichteten Soldaten auf Rücksicht auf die Befindlichkeiten ihrer Angehörigen häufig auf drastische Schilderungen von Tod und Leid an der Front.367 Und in lokalen Tageszeitungen publizierte Briefe waren oftmals nach moralisch-heroischen Gesichtspunkten ausgewählt worden und stellen damit keine Mehrheitserfahrung dar. Ohnehin bleibt am Ende das Problem der Subjektivität bei jeder Form von Egoquelle bestehen. Dennoch finden sich in auch in amerikanischen Zeitdokumenten all jene kriegsnegierenden Reaktionsmuster wieder, die von deutschen und anderen europäischen Soldaten hinreichend belegt sind. Dazu passt ins Bild, dass Feldpostzensoren immer wieder das Fehlen jeglicher ideologischer Bekundungen der »Doughboys« beklagten.368 »How I wish the whole business was over, and that we could pick up things we did and dropped last Spring […], for the war is like a Winter, chilling and freezing the soul«, schrieb etwa ein Leutnant bereits kurz vor Weihnachten 1917.369 Was die mechanisierte Kriegsführung betrifft, so wurden jene Soldaten, die gehofft hatten, sich individuell bewähren zu können, besonders enttäuscht. Ein Augenzeuge beschrieb eindrücklich das Gefühl des Ausgeliefertseins unter feindlichem Beschuss: »Over there in plan sight were men who by pressing their buttons could blow you into Kingdom. [I experienced] just the stupendousness of the whole thing, your absolute impotence and littleness, and the invincibility 366 Im Gegensatz zu anderen kriegsbeteiligten Nationen wurden in den USA nach 1918 keine systematischen Studien über die Erlebnisse der Soldaten im Ersten Weltkrieg angefertigt. Dies geschah erst 1975 mit den Army Service Experiences Questionnaires (ASEQs). Etwa 7.000 dieser ausgefüllten Fragebögen befinden sich – neben Briefen, Tagebüchern und Memoiren von Kriegsteilnehmern – im U.S. Army Military History Institute (USAMHI) in Carlisle, Pennsylvania. U. a. Gary Mead und Jennifer D. Keene haben ihre Studien über das Kriegserlebnis der amerikanischen Soldaten teilweise darauf gestützt. Die ASEQs haben aber den Nachteil einer zeitlichen Distanz zum Geschehen von fast 60 Jahren. Eine zuvor unerschlossene und vielversprechende Quellengattung tat unlängst Edward Guti8rrez von der Ohio State University auf: Der Geschichtswissenschaftler stieß auf kurze Fragekataloge zum Kriegserlebnis, die – soweit heute bekannt – von den vier US-Bundesstaaten Connecticut, Virginia, Utah und Minnesota als Teil der Military Service Records nach Kriegsende an Armeeangehörige geschickt wurden. Rund 1.200 solcher zwischen 1919 und 1923 vollständig ausgefüllter Dokumente wertete Guti8rrez für seine 2008 veröffentliche Dissertation aus. Die Military Service Records haben geholfen, das Kriegserlebnis der »Doughboys« ein Stück weit besser zu repräsentieren. Allerdings wäre eine regional und quantitativ breitere Quellenbasis gewiss aussagekräftiger gewesen. Vgl. Mead: The Doughboys, S. 431; Meigs: Optimism at Armageddon, S. 9, sowie Guti8rrez: »Sherman Was Right«, S. 1–10. 367 Vgl. Majors: Letters from the AEF, S. 369. 368 Vgl. Keene: World War I, S. 60. 369 Zitiert nach Coffman: The War to End All Wars, S. 84.

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of fate.«370 Das Gefühl, dieses Schicksal mit den gegnerischen Soldaten zu teilen – so wie es Remarque in seinem Roman beschrieben hat371 – und dennoch weiterkämpfen zu müssen, brachte ein Unteroffizier markant zum Ausdruck: »In the heat of the battle men do not realize that the enemy is only a scared frightened boy like we are, killing for self-preservation and because he has to and hating it as bad as we do.«372 Der schlichte Selbsterhaltungsdrang spricht aus diesem Zitat, eine gewisse Empathie für den Feind – und keinerlei Heroisierung. Überhaupt versagten ideelle und mehr noch religiöse Erklärungsmuster angesichts des Grauens an der Front: »My God, how can you allow this?«, fragte sich ein Soldat stellvertretend für viele gläubige Kameraden. Dabei zweifelte mancher bisweilen sogar die Existenz Gottes an: »If there is a god, why doesn’t he put a stop to this?«373 Auch wenn angesichts der Kriegsrealität viel Desillusion die Folge war, sind die individuellen Kriegsrückschauen unter den amerikanischen Soldaten freilich ambivalent: Denn es gab jene »Fronttouristen«, die – überspitzt gesagt – einen abwechslungsreichen Sommer in Frankreich erlebten, weil sie sich nicht inmitten der modernen Kriegsmaschinerie wiederfanden bzw. Zeuge oder Opfer des Massensterbens wurden. Diese Soldaten hatten gar keine oder relativ kurze Kampfeinsätze in vergleichsweise unzerstörten Gebieten. Positiv eingefärbte Fronterlebnis-Erinnerungen des »Great Adventure« in Übersee waren die Folge, mit Reminiszenzen an die Abenteuer des Kinderbuchhelden Huckleberry Finn: »I would not give up this experience for anything else«, betonte ein Soldat aus Pennsylvania. »I have seen a great many things of great interest since I left the States and think I will see many more now before I get back home again. I have been up to the trenches and it sure is one great life in them.«374 Das gute Wetter im Sommer 1918 und die relative Überlegenheit gegenüber dem Gegner begünstigten diese eher touristischen – und zugleich verharmlosenden – Schilderungen.375 Kurz nach seiner Ankunft in Frankreich schrieb ein »Doughboy«: »I am […] enjoying the life ›over here‹ immensely. The weather is fine. We had very little rain since we arrived. […] In the evening we amuse ourselves with boxing matches and playing cards. I am getting to be a good player.«376 Es war im Übrigen sein letzter Brief vor seinem Tod im Juni 1918. 370 371 372 373

Zitiert nach Meigs: Optimism at Armageddon, S. 47. Siehe Kap. 5.2. Zitiert nach Keene: Americans as Warriors, S. 16. Zitiert nach Richard Schweitzer : The Cross and the Trenches. Religious Faith and Doubt among British and American Great War Soldiers, Westport, Conn./London 2003 (Contributions in Military Studies, Bd. 225), S. 195 und 232. 374 Zitiert nach Richards: Pennsylvanian Voices of the Great War, S. 100. 375 Vgl. Kennedy : Over Here, S. 213–217, und Stevenson: Der Erste Weltkrieg, S. 522. 376 Zitiert nach Richards: Pennsylvanian Voices of the Great War, S. 57.

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Neben romantischer Beschönigung und Abenteuerlust spricht ferner pure Anpassungsfähigkeit aus dieser Gruppe der überwiegend positiv konnotierten Kriegsschilderungen: So berichtet ein Soldat, wie er sich gemeinsam mit seinen Kameraden halbwegs wohnlich inmitten der spartanischen Lebensumstände an der Front eingerichtet hat: »We are perfectly satisfied to live in our little hole in the ground and say it is fun to live the life of a chipmunk.«377 Ein weiteres Deutungsschema, das abschließend skizziert werden soll, ist ein stark von Propaganda geprägtes Feindbild, welches ein Teil der »Doughboys« direkt auf die gegnerischen deutschen Soldaten übertrug: »I am going to kill my share of Germans so don’t worry. I won’t stop until I get a couple dozen«, schrieb ein Amerikaner im Juni 1918 kurz nach der Ankunft an der Front.378 Ein anderer prahlte im Sommer desselben Jahres ganz nüchtern mit dem Bestehen seiner Bewährungsprobe: »Here I got my first two Germans. I did not know for sure if I killed them but I thought I did […]. I knew I got them pretty hard because I bayoneted both of them through the stomach and each time the bayonet came out on the other side of them«, berichtete er nachher seinen Angehörigen.379 Diejenigen Soldaten, die vom Kriegsgeschehen nicht desillusioniert wurden, vielleicht den Kampf sogar als erhabenes Erlebnis oder zumindest vaterländische Pflichterfüllung ansahen, und die weiterhin den missionarischen Zielen der Anfangszeit verhaftet waren, machten sich auch Gedanken über die langfristige Deutung des Kriegsausgangs, mithin über das Erbe der Front. »[We] cannot rush the Hun too fast to suit me. The sooner the better, if the ›sooner‹ is a complete victory over the barbarian brutes. Nothing short of that will be worth the price already paid; anything less will make us unworthy of our inheritage«, schrieb ein junger US-Soldat im September 1918.380 Als Fazit kann man dennoch festhalten, dass die Mehrheit der Soldaten letztlich realisierte, dass der Frieden, zu dem sie Europa verholfen hatten, nicht jener war, für welchen sie mit ihren hehren idealistischen Absichten in den Krieg gezogen waren. Revanchegelüste dominierten den Friedensprozess und nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags umso mehr auch die Nachkriegszeit. Die technisierte Kriegsführung und die hohen Opferzahlen trugen ebenso nicht dazu bei, dass sich unter Veteranen wie auch in der amerikanischen Gesellschaft im Allgemeinen ein positiv gefärbtes Bild vom Ersten Weltkrieg durchsetzte.

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Richards: Pennsylvanian Voices of the Great War, S. 28. Ebd., S. 54. Ebd., S. 223. Zitiert nach Majors: Letters from the AEF, S. 376.

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4.3. Die Bewertung des ›Great War‹ in der US-Nachkriegsgesellschaft »The treaty […] is a terrible document: a document of retribution to the verge of revenge, a fearful indictment. […] I can see no real peace in it.« Ray Stannard Baker im Mai 1919 über den Versailler Vertrag

Als die Waffen schwiegen, herrschte in den Vereinigten Staaten zunächst Optimismus. Das vordergründig angeführte Ziel, einen Krieg geführt zu haben, um alle Kriege zu beenden – »a war to end all wars«, so US-Präsident Woodrow Wilson381 –, schien erreicht worden zu sein. Freilich gab es neben dem amerikanischen Sendungsbewusstsein, eine liberal-demokratische Friedensordnung in Europa zu etablieren, auch handfeste Sicherheits- und ökonomische Interessen, aber diese waren nie Teil der Staatspropaganda gewesen. Stattdessen standen stets moralisch-ideelle Motive im Vordergrund. Noch am 16. November 1918 feierte The New Republic den Sieg über die autokratischen, traditionalistischen Systeme und posaunte mit voller Inbrunst: »At this instant of history, democracy is supreme.«382 Doch bereits während der Friedensverhandlungen machte sich angesichts der Revanchegelüste der alliierten Sieger – vor allem Frankreichs in persona von George Clemenceau – Desillusionierung breit.383 Als der Versailler Vertrag dann unterzeichnet war, konnte selbst ein enger Mitarbeiter Wilsons wie Ray Stannard Baker ihm nichts Gutes abgewinnen. Im Mai 1919 schrieb der Direktor des Pressebüros der amerikanischen Delegation mit großer Sorge: »The treaty […] is a terrible document: a document of retribution to the verge of revenge, a fearful indictment. […] I can see no real peace in it.«384 The New Republic, seinerzeit das liberal-progressive Leitmedium des Landes, nannte ihn gar ein 381 Vgl. Heideking: Geschichte der USA, S. 264. Die Gründe für den Kriegseintritt hatte Wilson in seiner Rede vor dem Kongress am 2. April 1917 ferner wie folgt dargelegt: »It is a fearful thing to lead this great peaceful people into war, into the most terrible and disastrous of all wars, civilization itself seeming to be in the balance. But the right is more precious than peace, and we shall fight for the things which we have always carried nearest our hearts, for democracy, for the right of those who submit to authority to have a voice in their own governments, for the rights and liberties of small nations, for a universal dominion of right by such a concert of free peoples as shall bring peace and safety to all nations and make the world itself at last free. […] America is privileged to spend her blood and her might for the principles that gave her birth and happiness and the peace which she has treasured. God helping her, she can do no other.« Woodrow Wilson: War Messages, 65th Cong., 1st Sess. Senate Doc. No. 5, Serial No. 7264, Washington, D.C., 1917, S. 8. 382 N.N.: The Pivot of History, in: The New Republic, New York, Nr. 211 vom 16. 11. 1918 (5. Jg.), Bd. 17, S. 58f. 383 Vgl. John A. Thompson: Reformers and War. American Progressive Publicists and the First World War, Cambridge u. a. 1987, S. 236–247. 384 Ray Stannard Baker Papers, Notebook, Bd. 23, 2. 5. 1919, Wilmington, Del. 1983.

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»inhumanes Monster«. Der Vertrag sei ein Instrument des imperialistischen Nationalismus und sende eine falsche Nachricht an die Deutschen.385 Er habe die im Januar 1918 skizzierten »Fourteen Points« Wilsons korrumpiert, so auch die Meinung vieler Amerikaner, und manifestiere zudem die koloniale Hegemonie der europäischen Alliierten. Dabei war Wilson ursprünglich nicht an einer Demütigung Deutschlands gelegen; insofern stand er auch der Kriegsschuldklausel – zumindest in deren Deutlichkeit – skeptisch gegenüber. Denn die USA wollten nicht Teil eines europäischen Machtkampfs mit Siegern und Verlierern werden.386 Am Ende machte der US-Präsident seinen Verhandlungspartnern jedoch ein Zugeständnis ums andere: »[America had] bartered away her principles in a series of compromises with interest of imperialism and revenge«, fasste ein Delegationsmitglied zusammen. Ein anderer Mitarbeiter Wilsons unkte bereits, der Vertrag aus Versailles mache »ein neues Jahrhundert des Krieges« unvermeidbar, da er Europa auf Dauer destabilisiere.387 Angesichts der aus ihrer Sicht negativen Bilanz von Wilsons Politik distanzierten sich viele prominente Köpfe der progressiven Bewegung vom Präsidenten, etwa die Publizisten Herbert Croly und Walter Lippmann. Sie waren ihres Fortschrittsglaubens – auch innere Angelegenheiten betreffend – beraubt; die Bewegung zersplitterte.388 Aber nicht nur innerhalb dieses elitären intellektuellen Zirkels schaute man »Europe’s descent into barbarism«, so Robert H. Zieger, mit wenig Verständnis zu.389 Durch alle Gesellschaftsschichten hindurch wurde die Sinnfrage nach Kriegsende gestellt. Die Menschen fragten sich: Wofür hatte die Nation Zehntausende Menschenleben geopfert und Unsummen von Geld und Rohstoffen verschwendet, wenn die kriegswütigen Europäer doch nicht wie erhofft in eine Ära des Friedens eintraten? Die Mehrheitsmeinung war bald, dass die Kriegsteilnahme ein Fehler war.390 Viele Amerikaner äußerten 385 N.N.: Peace at Any Price, in: The New Republic, New York, Nr. 238 vom 24. 5. 1919 (6. Jg.), Bd. 19, S. 100f. 386 Vgl. Coffman: The War to End All Wars, S. 364; Salewski: Der Erste Weltkrieg, S. 327, sowie zu Wilsons Strategie in Versailles allgemein Ross A. Kennedy : The Will to Believe. Woodrow Wilson, World War I and America’s Strategy for Peace and Security, Kent, Ohio 2009 (New Studies in U.S. Foreign Relations), S. 182–202. 387 Zitiert nach Zieger : America’s Great War, S. 183. 388 Vgl. Klaus Schwabe: Eine neue Weltordnung? Der Beitrag Amerikas zur Lösung der Deutschlandfrage durch den Friedensschluss von Versailles, in: Manfred Berg und Philipp Gassert (Hg.): Deutschland und die USA in der internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Detlef Junker, Stuttgart 2004 (Transatlantische historische Studien, Bd. 18), S. 263–278. 389 Zieger : America’s Great War, S. 15. 390 Sautter bringt diese Stimmung prägnant auf den Punkt: »Ohne tieferes Verständnis war die amerikanische Bevölkerung in den Krieg hineingeschlittert, in konfuser Verwirrung beendete sie ihn. Die Ideale, für die man zu kämpfen geglaubt hatte, schienen unerreichbar

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denn auch den Wunsch, die USA sollten Europa sich selbst überlassen, da man dem offensichtlich moralisch verrotteten Kontinent ohnehin nicht helfen könne.391 Die allgemeine Kriegs- und Interventionsmüdigkeit führte in den Folgejahren zu einem Wiedererwachen isolationistischer Tendenzen. Diese äußerten sich vordergründig in der Frage, wie man sich aus künftigen Kriegen auf fremden Boden heraushalten könne. Eine solche Sichtweise war besonderes in ländlichen Regionen, vor allem des Mittleren Westens, ausgeprägt; sie zog sich aber durch die gesamte Gesellschaft hindurch, argumentiert David M. Kennedy : »Americans of both sexes, of all ages, religions, and political persuasions, from all ethnic groups and all regions, shared in the post war years a feeling of apathy toward Europe […].«392 In der politischen Praxis indes zogen sich die Vereinigten Staaten nie völlig aus auswärtigen Angelegenheiten zurück, sondern verfolgten einen relativ ausgeglichenen Kurs. Dieser schwankte zwischen »detachment« und »involvement«, das heißt zwischen einer Distanz zu den Entwicklungen in anderen Ländern und einer Teilhabe an der Weltpolitik. Dabei schlummerte der vor dem Ersten Weltkrieg ausgeprägte missionarische Trieb unter der Oberfläche weiter und äußerte sich zuweilen in einem moderaten Internationalismus.393 Der militärische Interventionismus der Vergangenheit war aus Sicht der Außenminister Charles E. Hughes (1921–25), Frank B. Kellogg (1925–29) und Henry L. Stimson (1929–33) allerdings kein geeignetes Mittel mehr. Amerikas Ordnungspolitik sollte mit vertraglicher Rüstungsbegrenzung und friedlicher Konfliktschlichtung durchgesetzt werden. »Der Begriff ›Isolationismus‹«, folgert der Historiker Jürgen Heideking zu Recht, »trifft auf eine solche Politik nicht zu.«394

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fern. Die Europäer hatten sich des doch so selbstlos dargebotenen amerikanischen Opfers kaum würdig erwiesen, und die eigene Führung schien die widersprüchlichsten Konsequenzen aus den Erfahrungen der letzten Jahre zu ziehen. Viele Amerikaner waren […] so enttäuscht, dass sie den gesamten Einsatz von Herzen bereuten.« Sautter : Geschichte der Vereinigten Staaten, S. 344. Vgl. Chambers: The American Debate, S. 278f. Im Übrigen verließen die letzten US-Soldaten Deutschland erst im Jahr 1923. Vgl. Coffman: The War to End All Wars, S. 357. David M. Kennedy : Freedom from Fear. The American People in Depression and War, 1929–1945, New York u. a. 2005 (Oxford History of the United States, Bd. 9), S. 386. Vgl. Gordon A. Craig: Amerikanische Außenpolitik und Deutschland, 1919–1983, in: Henning Köhler (Hg.): Deutschland und der Westen. Vorträge und Diskussionsbeiträge des Symposions zu Ehren von Gordon A. Craig, veranstaltet von der Freien Universität Berlin vom 1.–3. Dezember 1983, Berlin 1984 (Studien zur Europäischen Geschichte, Bd. 15), S. 203. Heideking: Geschichte der USA, S. 290. Hierüber sind sich die Forscher mittlerweile einig. So schreibt u. a. Manfred Berg, dass der Begriff des Isolationismus »nicht zur Charakterisierung der amerikanischen Europapolitik der zwanziger Jahre [taugt]«. Vgl. Berg: Gustav Stresemann, S. 17. Schröder erinnert daran, dass der US-Historiker William Appleman Williams die These von einem stark ausgeprägten amerikanischen Isolationismus schon in

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Zieht man in der Rückschau Bilanz, beschäftigte sich die US-Nachkriegsgesellschaft jedoch vor allem mit sich selbst. Soziale Unruhen, Massenstreiks und die irrationale Bolschewismusfurcht des »Great Red Scare« dominierten den Alltag, nachdem die Kriegsbeteiligung und der Blick nach Europa diese Spannungen in den Jahren zuvor überdeckt hatten. In der von 1918 bis 1920 anhaltenden »Phase konservativer Reaktion«, wie sie Matthias Waechter betitelt,395 wurden insbesondere Sozialisten, organisierte Arbeiter und Pazifisten angefeindet und in ihren politischen Grundrechten beschränkt. Aber auch gegen die sogenannten »Bindestrich-Amerikaner« und andere ethnische Minoritäten gab es Repressionen. Die Fremdenfeindlichkeit nahm zuweilen derart exzessive Ausmaße, dass es sogar zu Lynchmorden an Schwarzen kam.396 »It was an extraordinary mania which seemed to be epidemic all over the country and to affect all classes, just as did the witch-hunting mania of the seventeenth century«, erinnerte sich der damalige US-Außenminister Robert Lansing (1915–1920) in seinen Memoiren.397 Als sich diese totale »Atmosphäre der Erregung und Aufgeregtheit«398, wie sie Manfred Henningsen treffend nennt, wieder legte, sehnten sich die Menschen nach Normalität. Warren G. Harding machte sich diese Grundstimmung zunutze und gewann mit dem Schlagwort »back to normalcy« die Präsidentschaftswahlen des Jahres 1920 gegen den demokratischen Kandidaten James M. Cox mit einem überwältigenden Vorsprung.399 Massenkonsum, urbane Freizeitkultur und ein neuer Liberalismus in vielen gesellschaftlichen Bereichen prägten die nun beginnenden »Roaring Twenties«. Breite Bevölkerungsschichten profitierten von der wirtschaftlichen Prosperität und demonstrierten eine

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den 1950er Jahren als »Legende« bezeichnet habe. Vgl. Schröder : Deutschland und Amerika, S. 54, und ders.: Deutsch-amerikanische Beziehungen im 20. Jahrhundert. Geschichtsschreibung und Forschungsperspektiven, in: Frank Trommler (Hg.): Amerika und die Deutschen. Bestandsaufnahme einer 300jährigen Geschichte, Opladen 1986, S. 495, sowie direkt bei William Appleman Williams: The Legend of Isolationism in the 1920s, in: Science and Society (1954), Nr. 18, S. 1–20. Werner Link stützt in seinem Standardwerk über die amerikanische Außenpolitik in Europa und Deutschland Williams’ Position. Vgl. Link: Die amerikanische Stabilisierungspolitik, S. 36. Den aktuellen Stand zur Isolationismus-Forschung erläutert u. a. Zieger : America’s Great War, S. 228f. Matthias Waechter : Versailles und der amerikanische Liberalismus, in: Gerd Krumeich (Hg.) in Zusammenarbeit mit Silke Fehlemann: Versailles 1919. Ziele, Wirkung, Wahrnehmung, Essen 2001 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N. F., Bd. 14), S. 105. Vgl. Nagler: Pandora’s Box, S. 496; Kennedy : Over Here, S. 24–29 und 283; Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis, S. 378–381, sowie Guggisberg: Geschichte der USA, S. 175–177. Robert Lansing: War Memoirs, London 1935, S. 83. Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis, S. 368. Vgl. Guggisberg: Geschichte der USA, S. 177, sowie das genaue Wahlergebnis von 60,3 Prozent der Stimmen für Harding u. a. bei Rüdiger Horn und Peter Schäfer : Geschichte der USA 1914–1945, Ost-Berlin 1986, S. 275.

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Der »Great War« und die amerikanische Perspektive

neu erweckte Lebensfreude. Der ökonomische Aufschwung in Verbindung mit bescheidenem Wohlstand, neue Angebote der Alltagszerstreuung und die insgesamt verbesserte Stimmungslage wirkten gesellschaftlich integrativ, sodass die sozialen Konflikte der Vergangenheit in den Hintergrund rückten.400 Auch der Erste Weltkrieg blieb in dieser »Ära guter Gefühle«, so Robert S. McElvaine, ein Randthema.401

Öffentliche Felder des Erinnerns Dass der ›Great War‹ nach seiner Beendigung so schnell an Aufmerksamkeit und historischer Bedeutung in der amerikanischen Gesellschaft verlor wie vermutlich kein anderer Krieg402, zeigt sich unter anderem an der öffentlichen Erinnerungskultur. Zwar versuchten die Veteranenverbände gegenüber Staat und Mitbürgern Gehör für die Probleme und Interessen der ehemaligen Soldaten in der Nachkriegsgesellschaft zu finden, aber Organisationen wie die ultrapatriotische American Legion403, die Veterans of Foreign Wars oder die World War Veterans repräsentierten nur eine Minderheit der gedienten Männer, weshalb ihr Einfluss begrenzt war. Ohne eine breite Mobilisierung der Öffentlichkeit konnten die Veteranenverbände nicht verhindern, dass offizielle Kriegsdenkmäler in den USA nach 1918 eine Ausnahmeerscheinung blieben. Beispielsweise wurde der Plan, einen Triumphbogen am New Yorker Madison Square zu bauen, verworfen; eine temporäre Konstruktion, unter der die heimkehrenden Soldaten hindurchmarschiert waren, wurde 1919 wieder abgerissen. Und wenn dann doch von staatlicher Seite Gedenkstätten errichtet wurden, wie etwa das American Expeditionary Force Memorial in Washington, D.C., waren sie weniger aufwendig gestaltet als solche für den darauffolgenden Zweiten Weltkrieg, den Korea- oder den Vietnamkrieg. Auch der weit zurückliegende Amerikanische Bürgerkrieg hatte mit riesigen Soldatenfriedhöfen wie etwa in Gettysburg eine größere Präsenz im öffentlichen Raum als der Erste Weltkrieg. Erinnerung fand, 400 Einen guten Überblick über die gesellschaftlichen Entwicklungen in den Nach- und Zwischenkriegsjahren gibt Michael E. Parrish: Anxious Decades. America in Prosperity and Depression 1920–1941, London/New York 1992. 401 Robert S. McElvaine: The Great Depression. America 1929–1941, New York 1984, S. 4. 402 So lautet beispielsweise die Wertung von David M. Esposito: The Legacy of Woodrow Wilson, S. 1. Ähnlich argumentiert Bernd Greiner : »The Study of the Distant Past Is Futile.« American Reflections on New Military Frontiers, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): The Shadows of Total War. Europe, East Asia and the United States, 1919–1939, Cambridge 2002, S. 240. 403 Das Motto der American Legion lautete »For God and Country«. Der 1919 gegründete Verband forderte die komplette Assimilation von Immigranten und eine uneingeschränkte Loyalität zu den USA. Ferner trat die American Legion für eine bessere Wiedereingliederung der Veteranen in die Arbeitswelt und höhere staatliche Pensionen ein. Vgl. Keene: World War I, S. 79f. und 187f.

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wenn überhaupt, vor allem auf private Initiativen hin im regionalen Raum statt.404 Immerhin wurde drei Jahre nach Kriegsende, am 11. November 1921, ein unbekannter Soldat, welcher stellvertretend für 4.500 junge Amerikaner »missing in action« stehen sollte, auf dem Nationalfriedhof in Arlington bei Washington, D.C., beigesetzt. Der »Doughboy« wurde so in den Rang eines Generals oder Staatsführers gehoben, der das Opfer der ganzen Nation im Kriege darstellen sollte. Allerdings war der symbolische Akt keinesfalls unumstritten. Auf dem das Grab umgebenen klassizistisch gestalteten Amphitheater ist – bis heute – Horaz’ berühmtes Zitat »Dulce et decorum est pro patria mori« (»Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben«) eingraviert, welches vor allem der jüngeren Generation als Sinnbild für Opferbereitschaft und Heldentum obsolet erschien. Kritisiert wurde auch, dass der Totenkult um den ›Unbekannten Soldaten‹ auf protestantische weiße Männer zugeschnitten war.405 Eher still und leise überführten die USA unterdessen mehr als 45.000 ›gewöhnliche‹ Gefallene in die Heimat. Etwa 30.000 blieben auf acht dauerhaft eingerichteten amerikanischen Friedhöfen in Europa begraben – davon allein über 14.000 in der Maas-Argonnen-Schlacht gefallene Soldaten, die auf dem bereits im Oktober 1918 eröffneten Meuse-Argonne American Cemetery ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Weil diese Toten aus logistischen Gründen nicht mehr in die Vereinigten Staaten verschifft wurden, organisierte die US-Regierung 1930 erstmals eine Besuchsreise für Mütter nach Europa, deren Söhne und Töchter dort lagen. Mehrere Tausend sogenannte Gold Star Mothers machten sich auf den Weg zu den Kriegsgräbern.406 Verspätete gesellschaftliche Aufarbeitung des ›Great War‹ Zu dieser Zeit war der Erste Weltkrieg nach einer mehrjährigen Verdrängungsphase wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt – ähnlich wie in Europa. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass der 11. November im Jahr 1926 durch eine Resolution des Kongresses zum Armistice Day ausgerufen wurde.407 Damit einher ging, dass die Motive, das Ergebnis und der Preis der Kriegsbeteiligung wieder intensiver diskutiert wurden. Insbesondere stand die 404 Vgl. Sarah E. Drake: The Postwar Home Front. Memorializing Veterans, in: OAH Magazine of History (2002), Bd. 17, Nr. 1 (World War I), S. 61. 405 Vgl. Kurt G. Piehler : Remembering War the American Way, Washington, D.C., u. a. 1995, S. 116–125, sowie Keene: World War I, S. 192f. 406 Vgl. Meigs: Optimism at Armageddon, S. 179–181; Piehler : Remembering War, S. 95–105, sowie N.N.: Pilgrimages to Soldier’s Graves, in: Black River Democrat, Lowville, Nr. 47 vom 25. 7. 1929 (20. Jg.), Bd. 20, S. 1. 407 1938 wurde der Gedenktag an den Waffenstillstand von 1918 ein offizieller Nationalfeiertag, bevor er 1954 zur Erinnerung an die Veteranen aller US-Kriege in Veterans Day umbenannt wurde. Vgl. Drake: The Postwar Home Front, S. 61.

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Frage im Raum, wer den Kriegseintritt forciert und damit den Idealismus vieler Amerikaner betrogen hatte. War es die alliierte Propaganda gewesen? Die Rüstungsindustrie? Oder etwa Finanzmagnate wie JP Morgan, welche im Krieg Milliardenkredite an Frankreich und England gegeben hatten? Schnell machten Begriffe von den »merchants of death« und dem »mistake of 1917« die Runde.408 Sie waren insbesondere bei Intellektuellen, der akademischen Jugend und in kirchlichen Organisationen populär.409 Die gesellschaftliche Debatte manifestierte die in den Nachkriegsjahren entstandene überwiegend negative Bewertung der Beteiligung am ›Great War‹. Mit den nationalistisch-totalitären Entwicklungen in Italien, Japan und später auch Deutschland trübte sich die Sicht auf den Ersten Weltkrieg weiter ein, denn einen dauerhaften Frieden schien dieser nicht zur Folge zu haben, so die bösen Vorahnungen.410 Angesichts der unsicheren weltpolitischen Lage und des großen Opfers, das 1917/18 erbracht worden war, fehlte am Ende der Sinnkontext für positive und heroisierende Kriegsdeutungen. Sowohl den Krieg als individuelles Bewährungsfeld als auch die moralisch-ethische Komponente der Mission in Europa betrachteten die meisten Amerikaner letztlich als Euphemismen. Daher setzte sich, anders als in Deutschland, eine beschönigende FronterlebnisErinnerung in der Breite erst gar nicht durch. Die Mehrheitsmeinung in den USA war stattdessen, der Nation einen Krieg wie den ›Great War‹ künftig zu ersparen. Verstärkt wurde diese Erkenntnis von den immer stärker ins Bewusstsein rückenden Problemen der ehemaligen »Doughboys«. Nicht wenige von ihnen hatten, unter anderem durch posttraumatische Störungen, Wiedereingliederungsprobleme in die Gesellschaft und fanden sich an deren Rand wieder. Arbeitslosigkeit und individuelle finanzielle Probleme wurden mit dem Beginn der Großen Depression noch größer.411 Zehntausende Veteranen gaben ihrem Frust 1932 im »Bonus March« auf die Hauptstadt Washington, D.C., Ausdruck, wo sie mehr als sechs Wochen lang für die sofortige Auszahlung von Sold, auf den sie sich 1917/18 ein Anrecht erworben zu haben glaubten, demonstrierten. Ihre

408 Von 1934 bis 1936 beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss des Kongresses mit der Rolle der amerikanischen Rüstungsindustrie im Ersten Weltkrieg. Er kam zu dem Ergebnis, die Munitions- und Waffenhersteller hätten die Beteiligung der Vereinigten Staaten an der Seite der Westmächte befürwortet und sogar aktiv auf einen Kriegseintritt hingearbeitet, um daraus Profit zu schlagen. Vgl. Quinn: The Conning of America, S. 203–215. 409 Vgl. Heideking: Geschichte der USA, S. 316f., sowie Kennedy : Over Here, S. 387. 410 Noch 1937 sagten 70 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage, die Beteiligung der USA am Ersten Weltkrieg sei ein Fehler gewesen. Vgl. Guggisberg: Geschichte der USA, S. 188. 411 So befand sich etwa unter den Obdachlosen Chicagos eine große Zahl von Veteranen, wie Eric J. Leed erläutert: »These men ›worked‹ their war experiences to maintain themselves on the peripheries of society.« Leed: No Man’s Land, S. 212.

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Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen; was blieb war der Eindruck einer ›Lost Generation‹.412 An der Bewertung des in den Vereinigten Staaten eher ›unpopulären‹ Ersten Weltkriegs hat sich bis heute nicht viel geändert. Denn anders als der mehr als 150 Jahre zurückliegende Amerikanische Bürgerkrieg (Sicherung der staatlichen Einheit) oder der Zweite Weltkrieg (Manifestierung der Rolle als westliche Supermacht) hatte der ›Great War‹ aus Sicht der Amerikaner kein nachhaltiges positives Ergebnis zur Folge.413 Immerhin erwacht seit Ende der 1990er Jahre das Interesse an ihm langsam neu. Das liegt unter anderem daran, dass der Erste Weltkrieg zunehmend in einem Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg gesehen wird. Damit folgt die amerikanische Historiografie der europäischen, welche die Weltkriege seit Langem als »zwei Episoden des gleichen fundamentalen Konflikts« betrachtet, wie Roland Smelser festhält.414 Zuletzt haben die 100-Jahr-Jubiläen dem ›Great War‹ weitere wissenschaftliche und publizistische Aufmerksamkeit in den USA gebracht.

412 Vgl. Keene: World War I, S. 79f. und 187f., sowie Kap. 5.3.2 (zum Ursprung des Begriffs siehe dort Anm. 618). 413 Jay Winter und Antoine Prost haben dies eindrücklich anhand der quantitativen Analyse von Rezensionen im American Historical Review nachgewiesen. Vgl. Winter und Prost: The Great War in History, S. 16. 414 Ronald Smelser : Die amerikanische Weltkriegsforschung, in: Wolfgang Michalka (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, München 1994, S. 991.

5.

Im Westen nichts Neues: Genese, Publikation und literarische Einordnung

5.1. Die Entstehung und Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues »Mein Thema ist der Mensch dieses Jahrhunderts, die Frage der Humanität.« Erich Maria Remarque

Wie viele der Protagonisten, die Erich Maria Remarque später für seinen Roman Im Westen nichts Neues erschaffen sollte, war er gerade einmal 18 Jahre alt, als er im November 1916 zum Heer eingezogen wurde. Im Sommer des Vorjahres hatte er noch eine Ausbildung am katholischen Schullehrer-Seminar in Osnabrück begonnen, die er nun jäh unterbrechen musste. Statt bald als Lehrkraft im Klassenraum zu stehen, fand er sich Mitte Juni 1917 an der belgischen Westfront nördlich von Ypern wieder. Dort war er überwiegend mit Schanzarbeiten hinter der vordersten Linie beschäftigt. Grabenkämpfe und Sturmangriffe blieben Remarque allein deshalb erspart, weil er nach nur sieben Wochen durch britische Granatsplitter schwer verwundet wurde.415 Mehr als ein Jahr – bis Ende Oktober 1918 – verbrachte Remarque in einem Lazarett in Duisburg, wo er einen Posten in der Schreibstube hatte und von verletzten Soldaten Frontschilderungen sammelte.416 Zudem bat er Kameraden, die noch an der Front weilten, um Berichte. Demzufolge muss er schon damals die Absicht gehabt haben, einen

415 Ungeachtet dieser belegten Fakten halten sich teilweise bis heute ungenaue Angaben zu Remarques Kriegseinsatz, selbst in seinen verlegten Werken. So ist in einer amerikanischen Auflage von All Quiet on the Western Front aus dem Jahr 1990 des Verlags Fawcett Crest die Rede davon, dass Remarque fünfmal verwundet worden sei: »[He] was himself in combat during World War I, and was wounded five times, the last time very severely.« Die Legendenbildung um Remarque vor allem durch den Ullstein-Verlag dürfte zu solcher Fehlinformation beigetragen haben. Vgl. die folgenden Ausführungen auf S. 114–116. 416 Vgl. hierzu auch die Biografie von Remarque auf S. 615–618 im Anhang.

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Roman über den Krieg zu schreiben. Warum er dieses Vorhaben zunächst nicht weiterverfolgte, ist unbekannt.417 Nachdem Remarque seine Lehrerausbildung beendet hatte, den Schuldienst aber bald quittierte, probierte er sich in den Jahren 1920 bis 1922 mehr schlecht als recht in verschiedenen Professionen – stets mit dem Ziel, vom Schreiben leben zu können. Zu dieser Zeit legte er auch seinen Geburtsnamen Erich Paul Remark ab und übernahm die französische Schreibweise des Namens seines Urgroßvaters.418 Im Dezember 1924 gelang ihm schließlich der Sprung von Hannover, wo er zuletzt für das Firmenmagazin Echo Continental des gleichnamigen Reifenherstellers gearbeitet hatte, in die Hauptstadt Berlin. Dort heuerte er bei der Scherl-Illustrierten Sport im Bild an. Bei der zum deutschnationalen Hugenberg-Konzern gehörenden Publikation, die sich als »vornehmste deutsche Zeitschrift« und »Blatt der guten Gesellschaft« verstand419, stieg Remarque bis zum stellvertretenden Chefredakteur auf. Vermutlich ließ in die Beschäftigung mit neuerer Kriegsliteratur – etwa Ernst Jüngers Das Wäldchen 125 oder Georg von der Vrings Soldat Suhren – die Pläne eines eigenen Kriegsromans wieder aufgreifen.420 Im Westen nichts Neues, bereits 417 Dennoch habe sich Remarque, erläutert Schneider, seit 1917 kontinuierlich mit der literarischen Verarbeitung der Kriegsthematik befasst, die Ergebnisse dieser Beschäftigung jedoch nicht veröffentlicht. Vgl. Thomas Schneider: Der unbekannte Remarque. Der ErichMaria-Remarque-Nachlaß in der False-Library, New York – Ergebnisse und Aufgabenstellungen, in: Tilman Westphalen (Hg.): Erich Maria Remarque 1898–1970, Bramsche 1988, S. 39. 418 Die von Remarques Gegnern häufig aufgestellte Behauptung, sein eigentlicher Name laute »Kramer«, hält sich – obwohl vielfach widerlegt – bis heute. Sie kursiert selbst in einigen renommierten Lexika. Vgl. Thomas F. Schneider: Einleitung. Ein militanter Pazifist. Erich Maria Remarques Schriften und Interviews zum Zeitgeschehen, in: ders. (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929–1966, Köln 1994, S. 14. 419 Anzeige des Scherl-Verlags, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 108 vom 8. 3. 1929 (82. Jg.), S. 3. 420 Für Sport im Bild rezensierte Remarque im Juni 1928 – kurz nach Beendigung von Im Westen nichts Neues – verschiedene Kriegsbücher. Auffällig hierbei ist seine völlige Indifferenz gegenüber den unterschiedlichen politisch-ideologischen Färbungen der Romane. Remarque interessierte lediglich die faktische Erarbeitung des Kriegserlebnisses. So würdigte er an Schauweckers Frontbuch, das gleichermaßen von der nationalsozialistischen Zeitung Angriff gefeiert wurde, die positive Darstellung des neuen Menschentyps, »der 1918 im Grabensoldaten fest geprägt war«. Ernst Jünger stand Remarque wie keinem anderen die Berechtigung zu, über das »verbissene Heldentum« der Soldaten zu schreiben, und lobte dessen Bücher In Stahlgewittern und Das Wäldchen 125 als »präzise, ernst, stark und gewaltig«. Die relative politische Tendenzlosigkeit, die aus Im Westen nichts Neues sprechen sollte, kündigte sich hier bereits an. Sie blieb Remarque erhalten. Im November 1929 konstatierte er gegenüber Wilhelm Scherp, dass die Bücher des »prachtvollen Landsknechtstyps« Jünger »pazifistischer wirken als alle übrigen«, weil man in ihnen den nackten Krieg und die Lust am Töten in rücksichtsloser Offenheit sehe. Vgl. Erich Maria Remarque: Soldat Suhren – Ringen an der Somme – Das Wäldchen 125 – In Stahlgewittern – Das Frontbuch, in: Sport im Bild, Berlin, Nr. 12 vom 8. 6. 1928, S. 895–896, sowie Scherp:

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sein vierter Roman nach der Traumbude 1920, Gam 1923/24 (Erstveröffentlichung 1998) und Station am Horizont 1927, entstand vermutlich zwischen 1927 und 1928, wobei die ersten Notizen und Entwürfe zum Thema Krieg und Nachkrieg bis auf das Jahr 1917 rückzudatieren sind.421 Nachdem sein Manuskript mehrfach abgelehnt worden war, unter anderem vom renommierten Verleger Samuel Fischer, der auf die vermeintlich fehlende Nachfrage nach Kriegsliteratur hinwies, entschloss sich nach einigem Zögern der Propyläen-Verlag des bürgerlich-liberalen Ullstein-Konzerns zu einer Veröffentlichung.422 Im August 1928 erwarb dieser die Vertriebsrechte. Remarque erhielt eine Umsatzbeteiligung von zwölf Prozent und zwei Drittel der Erlöse aus der Rechtevergabe – so auch für die spätere Hollywood-Verfilmung.423 Bevor Im Westen nichts Neues jedoch veröffentlicht wurde, forderte der Verlag den Autor auf, allzu kriegskritische Formulierungen im Text zu tilgen.424 Denn Ullstein wollte eine unpolitische Lesart des Romans zulassen, um möglichst breite Leserkreise anzusprechen.425 Deren Reaktion wurde zunächst mit einem Vorabdruck getestet: Vom 10. November bis 9. Dezember 1928 erschien Im Westen nichts Neues als Fort-

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Der Gefangene seines Ruhmes. Siehe auch Helmuth Kiesel: Ernst Jünger. Die Biographie, München 2007, S. 209f. Vgl. zur Entstehung von Im Westen nichts Neues ausführlich Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 223–231, 245–250 und 277–283, sowie ders.: »Es ist ein Buch ohne Tendenz« – Im Westen nichts Neues: Autor- und Textsystem im Rahmen eines Konstitutions- und Wirkungsmodells für Literatur, in: Krieg und Literatur (1989), Nr. 1, S. 23–39. Vgl. zur Verlegung und Distribution des Buches ausführlich Schneider : Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 254–264. Vgl. Angelika Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller. Die Vermarktung von »Im Westen nichts Neues« 1928–1930, in: Tilman Westphalen (Hg.): Erich Maria Remarque 1898–1970, Bramsche 1988, S. 58. Die Vergabe der Filmrechte brachte Remarque schließlich die damals enorme Summe von 100.000 Dollar ein. Vgl. Sternburg: »Als wäre alles das letzte Mal«, S. 184. Vgl. zur Überarbeitung des Textes Schneider : Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 280–283. Dagegen sagte Remarque im Juni 1929 in einem Gespräch mit Axel Eggebrecht, er habe an seinem Manuskript »nie eine Zeile geändert« (Eggebrecht: Gespräch mit Remarque, S. 2). Dies ist nur einer der vielen Widersprüche, die man zur Biografie des Autors und der Entstehung von Im Westen nichts Neues findet. Obwohl die Ullsteinsche Vermarktungsstrategie keine explizit pazifistische Tendenz beinhaltete, wurde diese dem Text vom Großteil der Rezipienten zugeschrieben. Schneider argumentiert somit zu Recht, dass trotz der inhaltlichen Beschneidungen »die ursprüngliche Intention des Autors Erich Maria Remarque« in den ersten Entstehungsphasen von Im Westen Nichts Neues »letztendlich doch noch realisiert« wurde. Schneider : Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 283. Vgl. auch ebd., S. 368: 75 Prozent der von Schneider ausgewerteten Rezensionen ordnen den Text den Kategorien »kriegs-diffamierend«, »pazifistisch« oder »kriegs-kritisch« zu.

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setzungsroman in der verlagseigenen Vossischen Zeitung.426 Der Beginn des Abdrucks war symbolisch gewählt: Am Tag darauf jährte sich zum zehnten Mal der Waffenstillstand von 1918; und zugleich war der 10. November der Jahrestag der Schlacht von Langemarck (1914). Während des Vorabdrucks war die Vossische Zeitung jeden Tag vergriffen – und das defizitäre Blatt nebenbei aus den roten Zahlen heraus.427 Der Überlieferung nach wandten sich zudem Hunderte Leser an den Verlag und erkundigten sich, wann der Text in Buchform erhältlich sei. Am 31. Januar 1929 lag der Roman – der als solcher nicht bezeichnet wurde428 – schließlich in den Buchhandlungen. Begleitet wurde die Erscheinung von einer Marketingkampagne, wie sie die deutsche Literaturwelt bis dahin noch nicht gesehen hatte. Die Ullstein-Blätter veröffentlichten Rezensionen, Kommentare und Leserbriefe, die Im Westen nichts Neues euphorisch feierten. Bis zu 20-seitige Annoncen ließ der Verlag im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel drucken. Flugblätter wurden verteilt; und auf Litfaßsäulen in den Großstädten wechselten wöchentlich Werbeplakate. Zudem erhielt der Buchhandel Material für die Schaufensterwerbung.429 Von allen Seiten sprangen den Menschen so die Worte Walter von Molos entgegen, die sich auch auf dem Umschlag wiederfanden: »Remarques Buch ist das Denkmal unseres unbekannten Soldaten – von allen Toten geschrieben.« Das Zitat des Präsidenten der Preußischen Dichterakademie sollte Remarques Schilderung Allgemeingültigkeit zuschreiben – quasi als Erinnerungsort für den ›Unbekannten Soldaten‹, den es so in Deutschland nicht gab.430 Vor allem aber rief Molos Ritterschlag für Remarque die ersten Kritiker auf den Plan. Denn der weithin bekannte Schriftsteller war insbesondere den »Rechtskräften« wegen

426 Fünf Tage nach Beginn des Vorabdrucks wurde Remarque fristlos bei Sport im Bild gekündigt. 427 Da überrascht es nicht, dass Ullstein-Feuilletonchef Monty Jacobs später »den zur Sitte gewordenen ›Vorabdruck‹ in einer Zeitung […] äußerst positiv« bewertete, wie das Berliner Tageblatt anlässlich des Tags des Buches am 22. März 1929 bemerkte (N.N.: »Tag des Buches.« Buch und Zeitung, in: Berliner Tageblatt, Berlin, Nr. 140 vom 23. 3. 1929 (58. Jg.), S. 3). Auch der nächste Roman Remarques, Der Weg zurück, erschien in der Vossischen Zeitung. Am 7. Dezember 1930, dem Beginn des Vorabdrucks, warb das Blatt auf seiner Titelseite in großen Lettern: »Heute neuer Roman von Remarque« (Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A292 vom 7. 12. 1930 (227. Jg.), S. 1). Vgl. zum Zusammenspiel der UllsteinBuchverlage und der Ullstein-Zeitungen Ute Schneider : Die »Romanabteilung« im UllsteinKonzern der 20er und 30er Jahre, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (2000), Nr. 25, S. 93–114. 428 Erst die Ausgaben nach 1945 tragen die Bezeichnung »Roman«. Vgl. Thomas F. Schneider: Zur deutschen Kriegsliteratur im Ersten Weltkrieg, in: ders. (Hg.): Kriegserlebnis und Legendenbildung. Das Bild des »modernen« Krieges in Literatur, Theater, Photographie und Film, Bd. 1, Osnabrück 1999 (Jahrbuch Krieg und Literatur, Bd. 3–4), S. 112. 429 Vgl. Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller, S. 55. 430 Vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 410.

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seiner »positiven Stellung zur Republik unangenehm«, wie die Vossische Zeitung konstatierte.431 Wenn Molo ein Buch vom Krieg gutheiße, folgerten seine Gegner, könne es sicher nicht das Denkmal des deutschen Weltkriegssoldaten sein. Es ist naheliegend, dass der Ullstein-Verlag mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit der Darstellung des Kriegserlebnisses durchaus in Kauf nahm, Widerspruch zu provozieren. Denn als liberal-demokratischer Medienkonzern ging es Ullstein implizit auch um die Stützung der Weimarer Gesellschaftsordnung432, womit das Unternehmen nationalistischen Kräften ein Dorn im Auge war. Obwohl Im Westen nichts Neues in seiner Gesamtheit definitiv nicht autobiografisch ist und aufgrund seines hohen fiktionalen Anteils eindeutig als Roman eingestuft werden kann, wurde das Buch als Lebens- und Kriegsbericht eines einfachen Muschkoten vermarktet. Dieser Lesart nach suggerierte der Text durchaus eine Deckungsgleichheit zwischen dem Autor und seinem Protagonisten Paul Bäumer. Um die vermeintliche Authentizität des Textes zu legitimieren und so die Absatzchancen zu erhöhen, kreierte Ullstein die ›Kunstfigur‹ Remarque.433 Nach lange unterdrückter Seelennot habe Remarque, so die Version des Verlags, schließlich zur Feder gegriffen und den Text aus einem Guss niedergeschrieben: »Als sich im Herbst 1927 die verschütteten Eindrücke seiner Frontzeit ungestüm meldeten, schrieb sie sich Remarque in wenigen Wochen von der Seele. Nur um sich zu befreien, hatte er seine Kriegserlebnisse gestaltet«, hieß es im Mai 1929 in einem Sonderprospekt des Ullsteinschen PropyläenVerlags.434 Auch wenn Remarque selbst behauptete, das Buch abends nach Büroschluss innerhalb von wenigen Wochen »ohne Korrekturen« geschrieben zu haben435, 431 Vgl. N.N.: Kampf um Molo, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A257 vom 27. 10. 1929 (226. Jg.), S. 2. 432 Insofern deckten sich hier die Sichtweisen Remarques mit denen Ullsteins. 433 Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller, S. 55. Vgl. zur Ullsteinschen Legendenbildung um Remarque auch die Rezeptionsanalyse der liberalen und linksliberalen Presse, Kap. 7.2.2.3, S. 210ff. 434 Sonderprospekt des Propyläen-Verlags: Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues! 500. Tausend ausgeliefert!, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Leipzig, Nr. 114 vom 21. 5. 1929 (96. Jg.), S. 3990. Remarque stützte seinerzeit diese Version. Gegenüber Scherp nannte er als Motivation für die Niederschrift des Romans die Absicht, »mich von etwas in meinem Innern zu befreien, das ich als einen Druck, als eine Fessel empfand. Ich fühlte diese Befreiung, als das Buch fertig war« (Scherp: Der Gefangene seines Ruhmes). Ähnlich äußerte sich Remarque im Gespräch mit Eggebrecht: »Ich litt unter ziemlich heftigen Anfällen von Verzweiflung. Bei dem Versuche, sie zu überwinden, suchte ich allmählich ganz bewußt und systematisch nach der Ursache meiner Depression. Durch diese absichtliche Analyse kam ich auf mein Kriegserleben zurück. […] Am selben Tage, an dem ich diesen Gedanken hatte, begann ich zu schreiben […]« (Eggebrecht: Gespräch mit Remarque, S. 2). 435 Zitiert nach Schneider: »Am besten nichts Neues«?, S. 36.

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kann dies heute ins Reich der Legenden verwiesen werden.436 Inzwischen ist die Existenz mehrerer Arbeitsmanuskripte, Notizblätter und Inhaltsentwürfe belegt, was vielmehr auf eine minutiöse, wohldurchdachte Planung des Textes schließen lässt – bis hin zur genauen Festlegung von Seitenumfängen einzelner Szenen.437 Des Weiteren war Remarque alles andere als ein »aus dem Dunkel hervortretender« Anfänger, wie die Vossische Zeitung anlässlich des Erscheinens des Buches vermuten ließ438, sondern »ein professioneller Schreiber«439 : Er hatte zuvor bereits drei Romane geschrieben und war seit Langem erfolgreich als Journalist tätig.440 Warum Remarque sich auf diese Legendenbildung einließ, darüber gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist nur, dass sie vom UllsteinKonzern initiiert wurde, wie Howind und Schneider nachgewiesen haben.441 Die rechte Presse nahm die Unstimmigkeiten um die Biografie Remarques zum Anlass, über seine Person auch das Buch zu diskreditieren. Remarques Anhänger und Förderer wiederum schrieben dem Buch trotz der »Fülle von Fehlinformationen«442 und der nur rudimentär auf eigenen Erlebnissen beruhenden Beschreibung einen »Nimbus autobiographischer Wahrheit« zu.443 436 Die Angabe zum kurzen Zeitraum der Niederschrift – die Rede ist meist von sechs Wochen – bezieht sich Schneider zufolge, wenn überhaupt, auf die Reinschrift nach mehreren erfolgten korrigierten Niederschriften. Vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 275. 437 Vgl. zum Verzeichnis der Handschriften und Drucke ausführlich Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 155–218. Remarque widersprach sich im Übrigen selbst. Zur Entstehung von Im Westen nichts Neues sagte er : »Was sich am Ende so leicht und – hoffentlich! – mühelos liest, ist das Ergebnis langen Feilens, Vereinfachens und Korrigierens.« Zitiert nach Franz Baumer : E. M. Remarque, Berlin 1976 (Köpfe des 20. Jahrhunderts, Bd. 85), S. 10. 438 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Remarques Buch erscheint, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A26 vom 31. 1. 1929 (226. Jg.). 439 Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller, S. 55. 440 Schneider weist darauf hin, dass Remarque neben der Traumbude, Gam und Station am Horizont in seiner vom Ullstein-Verlag geleugneten »produktiven literarischen Vergangenheit« über 300 Texte geschrieben hat (Thomas F. Schneider: Erwartungen von Rezensenten an Kriegsliteratur. Die Rezeption von Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues«, 1928–1930, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (1998), Nr. 109, S. 125). Um die Legendenbildung abzusichern, versuchte Ullstein sogar, die Restauflage des Erstlingswerks Traumbude aufzukaufen. Dies blieb allerdings ohne Erfolg. Vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 354. 441 Vgl. Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller, insb. S. 62, sowie Schneider: »Es ist ein Buch ohne Tendenz«, S. 29ff. 442 Schneider: Erwartungen von Rezensenten, S. 125. 443 John W. Chambers und Thomas F. Schneider: »Im Westen nichts Neues« und das Bild des ›modernen‹ Krieges, in: Text + Kritik (2001), Nr. 149 (Erich Maria Remarque), S. 10. Laut Schneider fußen die ersten beiden der zwölf Kapitel von Im Westen nichts Neues teilweise auf Remarques eigenen Erlebnissen, während es für die weitere Handlung hierfür keinerlei Hinweise gebe. Als Quelle zieht Schneider das Tagebuch Georg Middendorfs heran, der

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Somit wurde das Buch, wie Schneider konstatiert, entgegen der ursprünglichen Intention Remarques »aus einem literarischen Kontext herausgelöst und einem ›dokumentarischen‹ Kontext zugeordnet«.444 Dem sensationellen Erfolg von Im Westen nichts Neues tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil. Die Erstauflage von 30.000 Exemplaren war bereits vor dem Verkaufsstart bestellt; und schon drei Wochen später, am 23. Februar 1929, schaffte Remarques Buch das, wofür etwa Thomas Manns Zauberberg fünf Jahre (von 1924 bis 1929) benötigte: Es durchbrach die 100.000er-Marke.445 Um »dem Ansturm der Käufer« standzuhalten, beschäftigte Ullstein zeitweise sechs Druckereien und zehn Buchbindereien gleichzeitig.446 Denn bis Mitte des Jahres stieg die Nachfrage weiter an. In lediglich fünfzehn Wochen erreichte die Auflage die halbe Million. »Ein Erfolg, den noch nie ein deutsches Buch zu verzeichnen hatte«, jubilierte der Ullstein-Verlag – und nahm die Meldung zum Anlass, Vorwürfe zu entkräften, nach denen der Verkaufserfolg nur auf die intensive Reklametätigkeit zurückzuführen sei: »Er kann nicht künstlich herbeigeführt worden sein! Nur so ist er erklärbar : Daß die Wahrhaftigkeit des Werkes uns alle unser größtes Erlebnis noch einmal erleben ließ und uns zwang, jederzeit und zu jedem darüber zu sprechen.«447 Nach rund zwölf Monaten überschritt Im Westen nichts Neues in Deutschland die Millionenmarke – ein in der Geschichte des heimischen Literaturmarktes nie zuvor gesehener Erfolg.448 Rasch setzte sich der Siegeszug des Buches jenseits der Landesgrenzen fort. Bis zum Jahresende 1929 lagen Übersetzungen in knapp 20 Sprachen vor; und so kam es, dass »englische, amerikanische, französische und russische Leser sich ausgerechnet mit dem Schicksal

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zusammen mit Remarque als Seminarist eingezogen wurde und dessen Einsatz im Frontbereich dem Remarques vermutlich zu einem großen Teil entspricht (vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 235 und 246). Auch Remarque selbst bestand später nicht mehr auf den autobiografischen Charakter des Textes und nannte Im Westen nichts Neues 1946 gegenüber amerikanischen Journalisten bezeichnenderweise eine Sammlung bester Kriegsgeschichten (»collection of best stories that I told and my friends told as we sat over drinks and relived the war«). Schneider : Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 275. Thomas F. Schneider : »Die Meute hinter Remarque«. Zur Diskussion um »Im Westen nichts Neues« 1928–1930, in: Jahrbuch zur Literatur der Weimarer Republik, Bd. 1, St. Ingbert 1995, S. 146. Vgl. auch ders.: »Es ist ein Buch ohne Tendenz«, S. 28f. Vgl. Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 37. Sonderprospekt des Propyläen-Verlags, S. 3987. Zu den Verkaufszahlen vgl. dort S. 3987– 3989. Sonderprospekt des Propyläen-Verlags, S. 3991. Bis zum 30. Januar 1933 stieg die Auflage von Im Westen nichts Neues in Deutschland auf 1,2 Millionen. Vgl. Thomas F. Schneider und Hans Wagener : Einleitung, in: dies. (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 14.

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einer Handvoll deutscher Soldaten identifizierten«, wie Chambers und Schneider treffend bemerken.449 Wiederholung der Erfolgsgeschichte in den USA In den Vereinigten Staaten stand der literarische Erfolg von Remarques Erzählung anderen Buchmärkten in nichts nach. Am 1. Juni 1929 vom Bostoner Verlagshaus Little, Brown & Company erstveröffentlicht450, sollte All Quiet on the Western Front (291 Seiten, 2,50 Dollar) in Kürze jegliche Bestsellerlisten des Landes erstürmen. Bereits vor dem Erscheinen des Buches gab es ein publizistisches Grundrauschen in den USA, da die Erfolgsgeschichte Remarques in Europa jenseits des Atlantiks ausführlich vernommen worden war. So brachten mehrere Zeitungen vor dem Veröffentlichungstermin Ankündigungen mit prominenten Porträts des Autors in Wort und Bild. Das Buch lag noch nicht einmal eine Woche in den Läden, da war schon die erste Auflage von 100.000 verkauft, die zweite von 20.000 im Vertrieb und 20.000 weitere Exemplare waren bestellt.451 Bis Ende Juli 1929 schnellte die Zahl der verkauften Bücher auf 200.000 hoch, weitere 75.000 kamen in den kommenden drei Monaten hinzu.452 Im Januar 1930 gab Little, Brown & Company bereits die 18. Auflage heraus. Damit schrieb das »greatest of all war books«453 einen der größten Erfolge am amerikanischen Buchmarkt überhaupt – und entwickelte sich zu einem regen Gesprächsthema, wie der Verlag in einer Anzeige rund ein halbes Jahr nach Veröffentlichung herausstellte: »Picture yourself in a gathering of ›up-to-the minute‹ people. Someone mentions ›All Quiet on the Western Front.‹ In a twinkling everybody is discussing this much talked-of book. What do you do? Are you able to join in? Or do you try to swing the conversation back to the bridge?«, zitierte Little, Brown & Company die New York Herald Tribune.454

Wie in Deutschland war der Buchtext auch in den USA in voller Länge als Fortsetzungsroman für Zeitungsleser erhältlich – allerdings erst kurz nach der Romanveröffentlichung. So druckte unter anderem der New York American, eines der führenden und auflagenstärksten Blätter des Zeitungsmoguls William 449 Chambers und Schneider: »Im Westen nichts Neues« und das Bild des ›modernen‹ Kriegs, S. 9 450 Zuvor war das Manuskript, wie in Deutschland, von einer Reihe anderer Verlage abgelehnt worden. Siehe u. a. Deming Seymour: Seen by a New Yorker at Large, in: Rochester Democrat and Chronicle, 10. 11. 1929 (97. Jg.), S. 6C. 451 Anzeige von Little, Brown & Company, in: Chicago Daily Tribune, 15. 6. 1929 (83. Jg.), S. 9. 452 Anzeigen von Little, Brown & Company, in: Chicago Daily Tribune, 27. 7. 1929 (83. Jg.), S. 7, sowie vom 19. 10. 1929 (83. Jg.), S. 16. 453 Anzeige von Little, Brown & Company, in: Chicago Daily Tribune, 14. 9. 1929 (83. Jg.), S. 12. Siehe dort auch genaue Auflagenzahlen verschiedener europäischer Länder. 454 Anzeige von Little, Brown & Company, in: New York Times, 19. 1. 1930 (80. Jg.), S. 73. Das Zitat in der Annonce wird der New York Herald Tribune zugeschrieben.

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Randolph Hearst455, All Quiet on the Western Front seit Ende Juli 1929 in seinen werktäglichen und Sonntagsausgaben ab und rührte hierfür per Anzeigenschaltung in etlichen Zeitungen, auch und gerade in der Provinz456, die Werbetrommel: »The story your soldier son never dared to tell you«, hieß es dort vielversprechend. In markigen Worten wurde Remarques Buch angepriesen und hierbei bewusst der erfolgreichen Vermarktungsstrategie Ullsteins gefolgt, nach welcher der Autor ein Jedermann-Soldat sei und kein geschulter Literat: »This greatest novel of the War, written by a common soldier, the sensation of Europe and America, is now running in the Daily and Sunday edition of the New York American.«457 Weitere Veröffentlichungen gab es vorwiegend in Regionalblättern, wie etwa dem Winona Republican-Herald aus der gleichnamigen Stadt in Minnesota. »Here is a book that should go into every home; that should be read aloud in school; and its message so deeply impressed on the universal mind that it will never be forgotten«, kündigte die Zeitung den Abdruck in ihren Spalten an.458 Auch hier wurde Remarque wieder als Repräsentant aller Soldaten des Weltkriegs anerkannt: »a Soldier of the Universe Who Happened to Wear a German Uniform«, so der Republican-Herald wörtlich.459 Im August 1930 erschien eine zweite gebundene Ausgabe (299 Seiten, 75 Cent) bei Grosset & Dunlap in New York, nachdem Little, Brown & Company bis dato bereits 350.000 Exemplare in den USA verkauft hatte.460 All Quiet on the Western Front übertraf damit auch die Verkaufszahlen vorangegangener Bestseller deutlich: »As we scan the year’s best-selling fiction list and compare it with that of previous years, we find that ›All Quiet on the Western Front‹ has sold far in excess of the books of any previous year«, stellte das Fachorgan The Retail 455 Vgl. Kap. 7.3.1, S. 323–325. 456 Anzeigen, die auf den Abdruck im New York American hinwiesen, wurden unter anderem in folgenden Zeitungen geschaltet: Adirondack Record-Elizabethtown Post (Au Sable Forks), Adirondack News (St. Regis Falls), Black River Democrat (Lowville), Commercial Advertiser (Canton), Chateaugay Record, Millbrook Mirror and Round Table, Livonia Gazette und The Sun (Fort Covington). Dies zeigt, wie weit die Marketingmaßnahmen zu All Quiet on the Western Front auch fernab der Metropolregionen griffen. Dies betraf nicht nur den Abdruck, sondern auch den Buchvertrieb und später die Kinowerbung. 457 Siehe beispielsweise in Adirondack News, St. Regis Falls, 20. 7. 1929 (43. Jg.), S. 3. 458 Ankündigung von All Quiet on the Western Front, in: Winona Republican-Herald, 22. 7. 1929 (75. Jg.), S. 3. 459 Ankündigung von All Quiet on the Western Front, in: Winona Republican-Herald, 20. 7. 1929 (75. Jg.), S. 4. 460 Vgl. Thomas F. Schneider : Erich Maria Remarque. Im Westen Nichts Neues. Bibliographie der Drucke, Bramsche 1992, S. 40f.; Frank Luther Mott: Golden Multitudes. The Story of Best Sellers in the United States, 2. Aufl., New York 1960, S. 241, sowie The Phoenician: The Phoenix Nest, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 2 vom 2. 8. 1930 (7. Jg.), Bd. 7, S. 30.

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Bookseller Anfang 1930 fest.461 Noch einmal eine sechsstellige Zahl kam in den darauffolgenden Jahren hinzu; nur die Bibel verkaufte sich seinerzeit noch öfter.462 Nach Deutschland und Frankreich entwickelten sich die Vereinigten Staaten so knapp vor England zum drittwichtigsten Absatzmarkt für das Buch463, von dem auch als »Germany’s phenomenal product«464 gesprochen wurde – obschon die Nationalität des Autors bei dessen Einordnung kaum eine Rolle spielte. Auffällig ist mit einem Blick auf die Bestsellerlisten, dass All Quiet on the Western Front ausnahmslos in die Kategorie »Fiktion« eingestuft wurde.465 Darin waren sich die Ersteller der Listen mit den Buchclubs und fast allen Rezensenten einig, obwohl die soldatische Vergangenheit Remarques – anders als in Deutschland – kaum hinterfragt wurde: »His book, though in the form of fiction, is based largely upon his own experience«, hieß es beispielsweise in einer Anzeige des New Yorker Book-of-the-Month Club.466 Trotz des ernsten Kriegsthemas stand Remarque letztlich in einer Reihe von »Golden Multitudes« neben Thornton Wilder, Sinclair Lewis, Agatha Christie oder Charles Dickens – und wurde entsprechend vermarktet.467 Das Etikett »Fiktion« führte zuweilen auch dazu, dass das Buch inmitten harmloser Triviallektüre als Weihnachtsgeschenkempfehlung aufgelistet und zur Lektüre für alle Familienmitglieder empfohlen wurde.468 In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass die vom Putnam-Verlag herausgebrachte Erstübersetzung für den britischen Markt durch den ehemaligen australischen Frontsoldaten Arthur Wesley Wheen für amerikanische Leser leicht 461 Anzeige von Little, Brown & Company, in: New York Times, 19. 1. 1930 (80. Jg.). Vgl. auch die Übersichten der Bestseller in den USA nach Jahren, u. a. bei Harry Harkness Flagler : Library Notes, in: Millbrook Mirror and Round Table, 4. 11. 1932 (27. Jg.), S. 6, sowie N.N.: Best selling Books […], in: Potsdam Herald-Recorder, 19. 2. 1932 (55. Jg.), Bd. 55, S. 3. 462 Vgl. N.N.: Bible Best Seller Last Year; 14,000,000 Sold, in: Adirondack News, St. Regis Falls, 8. 10. 1932 (46. Jg.), S. 4. 463 Vgl. Brian A. Rowley : Journalism into Fiction: Im Westen nichts Neues, in: Holger Klein (Hg.): The First World War in Fiction. A Collection of Critical Essays, London u. a. 1976, S. 101. 464 N.N.: Book Buddies, in: Niagara Falls Gazette, 24. 10. 1929 (76. Jg.), S. 7. 465 Vgl. u. a. Brooklyn’s Best Sellers, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 12. 6. 1929 (89. Jg.), S. 12, sowie Best Sellers of the Week, in: Chicago Daily Tribune, 8. 6. 1929 (83. Jg.), S. 10. Im Übrigen stand All Quiet on the Western Front im Brooklyn Daily Eagle bis 11. Dezember 1929 durchgehend auf der Bestsellerliste und in der Chicago Daily Tribune immerhin bis 26. Oktober 1929. Siehe auch N.N.: Fiction Book Popular at Library, in: Columbia Missourian, 16. 10. 1929 (22. Jg.), S. 8. 466 Anzeige des Book-of-the-Month Club, u. a. in: Forum, New York, Nr. 1, Juli 1929 (44. Jg.), Bd. 82, S. XIII. 467 Vgl. Mott: Golden Multitudes, S. 326–328. 468 So etwa in einer Anzeige des Shaul & Potts Drug Store, in: Pulaski Democrat, 3. 12. 1930 (81. Jg.), S. 8.

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entschärft worden war. Ob dies die Popularität des Buches in den USA beeinflusst hat, ist nicht feststellbar, genauso wie die Beweggründe von Little, Brown & Company heute nicht gänzlich nachzuzeichnen sind. Es dürfte wohl eine Mischung aus wirtschaftlichen, moralischen und rechtlichen Erwägungen gewesen sein, wobei der Bostoner Verlag als Hauptargument das scharfe Zensurrecht in Massachusetts nannte.469 Um mögliche Konflikte mit diesem vorzubeugen, habe man den »robusten« Text im Vorfeld minimal geglättet, führte Alfred R. McIntyre, der Präsident des Verlags, wie folgt aus: »When we read the English translation we knew that the book as it stood would offend some people by its frankness, and that under the Massachusetts law, which judges a book not as a whole but by as little as a single phrase, its sale would probably be stopped in Boston, a very serious matter for a Boston publisher who manufactures and distributes from within the state. […] We decided, however, to take this risk, and did no more than delete three words having to do with the bodily functions.«470

Anschließend bot der Verlag den Roman dem Book-of-the-Month Club für dessen Programm an. Der Redaktionsbeirat des Clubs habe All Quiet on the Western Front sehr positiv aufgenommen, aber aus Rücksicht auf die sensibleren Naturen unter seinen mehr als 100.000 Lesern weitere »triviale« Veränderungen im Text angeregt, aber nicht eingefordert, erläuterten sowohl McIntyre als auch der Vizepräsident von Little, Brown & Company, Herbert F. Jenkins. Da es das beste Buch über den Krieg sei, das je geschrieben wurde, und da es zum Wohle der Menschheit die größtmögliche Reichweite erhalten solle, habe der Verlag sich letztlich entschieden, die weniger weltgewandten Teile der Öffentlichkeit nicht verärgern zu wollen.471 Entsprechend folgte Little, Brown & Company der Empfehlung des Buchclubs, welcher All Quiet on the Western Front im Juni 1929 sodann zu seinem »Buch des Monats« küren sollte.472 Das Ergebnis war, dass eine Reihe von anstößigen Ausdrucksweisen sowie die Episode in der Latrine und die Beischlafszene im Krankenhaus entfernt wurden, insgesamt mehrere Seiten – wofür der Verlag später noch heftige Kritik einstecken musste.473 Alfred R. McIntyre rechtfertigte das Vorgehen im Wortlaut so: 469 Vgl. N.N.: Volume Expurgated on Book Club Advice, in: New York Times, 31. 5. 1929 (79. Jg.), S. 21. 470 Alfred R. McIntyre: The Censorship of »All Quiet«, in: The New Republic, New York, Nr. 764 vom 24. 7. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, S. 264. Siehe auch Harry Hansen: The First Reader, in: The World, New York, 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 7M. 471 Vgl. N.N.: Volume Expurgated, sowie McIntyre: The Censorship of »All Quiet«. 472 Siehe Anzeigen des Book-of-the-Month Club, u. a. in: Outlook and Independent, New York, Nr. 5 vom 29. 5. 1929 (82. Jg.), Bd. 152, S. 202; New York Times, 30. 6. 1929 (79. Jg.), S. BR13, sowie Bookman, New York, Nr. 5, Juli 1929 (35. Jg.), Bd. 69, S. III (The Bookman Advertiser). 473 N.N.: Judges Censor »Book of the Month«, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 31. 5. 1929 (89. Jg.), S. 21; N.N.: Feared Boston Ban on German War Book, in: New York Times, 1. 6. 1929

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»In addition to the omission of a few sentences and slight changes in phraseology, two passages of some length were cut out; both were quite strong; they were unimportant to the story but did add color to it; one of them came very early in the book, and might have caused some readers to throw it aside.«474

Neben textlichen Eingriffen vor der Veröffentlichung war die amerikanische Leserschaft mit Unstimmigkeiten konfrontiert, die sich bereits in die ursprüngliche englische – und bis zur Neuübersetzung 1993 durch Brian Murdoch 65 Jahre lang einzige – Übersetzung eingeschlichen hatten.475 Zunächst hatte Wheen den wörtlich übersetzten Titel »In the West Nothing New« durch das literarischere »All Quiet …« ersetzt. Zudem wurden einige Szenen ausgelassen und etliche Passagen nicht originalgetreu wiedergegeben. Auch nahm der Übersetzer den Remarqueschen Soldaten einiges an deren sprachlicher Authentizität. Idiomatische Fehler und buchstäblich ins Englische übertragene Untertöne führten zu missverständlichen Formulierungen, was den Urtext für das englischsprachige Publikum zuweilen hölzern und schwer verständlich machte. Manch amerikanischer Leser stieß sich ferner an Wheens britischem Englisch. Doch weder die »nicht immer genaue und auf jeden Fall nicht besonders gute Übersetzung«, so Brian Murdoch, noch die nachträglichen Anpassungen in der bei Little, Brown & Company erschienenen Fassung476 schmälerten den großen Erfolg von All Quiet on the Western Front.477

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(79. Jg.), S. 19; sowie Eilefson: »Try Simply to Tell«, S. 9f. und 19–23. Vgl. zur Reaktion der amerikanischen Presse zu den Texteingriffen Kap. 7.3.2.6, S. 398–405. McIntyre: The Censorship of »All Quiet«; Hansen: The First Reader. Die englische Originalfassung war in den USA seinerzeit nicht offiziell erhältlich. Die amerikanischen Zollbehörden gewährten ihr keine Einfuhr. Nach Aussage von Little, Brown & Company geschah dies allerdings nicht aus Gründen der Zensur, wie anfangs vermutet worden war, sondern wegen der Verletzung der Verlagsrechte, die Little, Brown & Company vehement durchzusetzen suchte. Vgl. hierzu ausführlich die Berichterstattung in der New York Times: N.N.: Seizes English Copies of Remarque’s Book, in: New York Times, 14. 7. 1929 (79. Jg.), S. 19; N.N.: Assails Exclusion of Remarque’s Book, in: New York Times, 29. 7. 1929 (79. Jg.), S. 26; N.N.: Explains Ban on War Book, in: New York Times, 1. 8. 1929 (79. Jg.), S. 49; N.N.: Books and Authors, in: New York Times, 1. 9. 1929 (79. Jg.), S. BR7. Erst 1975 wurde der komplette Text, wie er ursprünglich in Wheens Übersetzung im Putnam-Verlag erschienen war, durch den New Yorker Verlag Fawcett in den USA verfügbar gemacht. Die mehr als ein Jahr später von Grosset & Dunlap veröffentlichte Ausgabe, die eine deutlich kleinere Auflage hatte, beruhte auf dem englischen Originaltext, welcher somit erstmals ungekürzt in den USA erhältlich wurde. »Here it is – just as the author wrote it«, hieß es in einer Anzeige der Lake Placid Pharmacy. »For the first time in this country – the original, unexpurgated edition of All Quiet on the Western Front (the world’s best seller). […] Even if you have read the American edition, you will now want to own a copy printed from the English text exactly as it was translated from the original German.« Vgl. Lake Placid News, 15. 8. 1930 (26. Jg.), S. 5. Vgl. Murdoch: »We Germans…?«, insb. S. 12–17 (Zitat auf S. 12), sowie Howard M. De Leeuw : Making the Case for a New American Translation, in: Thomas F. Schneider und Roman R. Tschaikowski (Hg.): In 60 Sprachen. Erich Maria Remarque: Übersetzungsge-

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Die ganz eigene Geschichte der amerikanischen Buchverlegung und -vermarktung wiederholte sich auf ähnliche Weise in etlichen anderen Ländern. Bis Ende 1930 wurden rund um den Globus ca. 3,5 Millionen Exemplare des Buches abgesetzt.478 Und selbst 90 Jahre nach der Erstveröffentlichung erzielt Im Westen nichts Neues weltweit sechsstellige Verkaufszahlen.479 Insgesamt wurde der Roman bis heute 20 bis 40 Millionen Mal480 verkauft und in mindestens 55 Sprachen übersetzt – darunter Afrikaans, Birmanisch, Kasachisch und Zulu.481 Damit gilt Remarques Text nicht nur als der Antikriegsroman des vergangenen Jahrhunderts, sondern weiterhin auch als das international erfolgreichste Buch eines deutschen Autors überhaupt.482

5.2. Das Fronterlebnis in Im Westen nichts Neues »Ich bin jung, ich bin zwanzig Jahre alt; aber ich kenne vom Leben nichts anderes als die Verzweiflung, den Tod, die Angst. […] Was soll danach noch geschehen? Und was soll aus uns werden?« Paul Bäumer in Im Westen nichts Neues

»Dieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört

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schichte und -probleme, Osnabrück 2002 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 16), S. 85–96. Vgl. John W. Chambers II: All Quiet on the Western Front/Im Westen nichts Neues (1930). Der Antikriegsfilm und das Bild des modernen Krieges, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Das Auge ist ein starker Verführer. Erich Maria Remarque und der Film, Osnabrück 1998 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 13), S. 35. In Deutschland setzt allein der Verlag Kiepenheuer & Witsch laut eigenen Angaben jährlich noch immer rund 40.000 Exemplare von Im Westen nichts Neues ab (vgl. Schneider : »Dieses Buch gehört in die Schulstuben.«, S. 125). Sogar mehr als 100.000 verkaufte Bücher per annum sollen es in den vergangenen Jahrzehnten in den USA gewesen sein, nachdem dort bis 1975 bereits mehr als drei Millionen Exemplare über den Ladentisch gegangen waren. Vgl. De Leeuw : Making the Case for a New American Translation, S. 86, sowie Eilefson: »Try Simply to Tell«, S. 1. Remarque nannte bereits im Jahr 1966 eine Gesamtauflage von 20 bis 30 Millionen (vgl. Erich Maria Remarque: Größere und kleinere Ironien meines Lebens. Interview mit sich selbst, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929–1966, Köln 1994, S. 141). Schneider spricht von aktuell 20 bis 40 Millionen verkauften Exemplaren des Bestsellers und weist darauf hin, dass eine genaue Zahl nicht ermittelt werden könne. Vgl. Schneider: »Dieses Buch gehört in die Schulstuben.«, S. 125. Vgl. Schneider : Einige Beobachtungen zu den Übersetzungs- und Ausgabenzahlen, S. 146– 150, sowie ders.: »Dieses Buch gehört in die Schulstuben.«, S. 125. Vgl. Thomas F. Schneider: Einleitung, in: ders. (Hg.): Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung, Osnabrück 1998 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 8), S. 9, sowie Sternburg: »Als wäre alles das letzte Mal«, S. 147.

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wurde – auch wenn sie seinen Granaten entkam.« Kaum hat der Leser Im Westen nichts Neues aufgeschlagen, weiß er, was ihn auf den folgenden rund 200 Seiten erwarten wird – und was nicht. Er wird nichts von einem frisch-fröhlichen Krieg lesen, und genauso wenig etwas vom archaischen Heldentum des nationalistischen Fronterlebnisses. Stattdessen – das macht das Geleitwort unmissverständlich deutlich – hat er die unheroische Geschichte des Frontsoldaten vor sich. Er wird ein Buch lesen über »den Schmerz der Kreatur, die furchtbare Schwermut des Lebens und die Erbarmungslosigkeit der Menschen«483, ein Buch, das den »Existenzkampf von Lebewesen« beschreibt, »die der Krieg aufs Schafott gezwungen hat«484, und vor allem ein Buch über die Zerstörung einer Jugend, die, so der Autor Erich Maria Remarque, von der Schulbank in den Krieg geschickt wurde und »plötzlich dem Tod gegenübergestellt war«, wo sie doch »eigentlich dem Leben gegenübergestellt werden sollte«.485 Aus Im Westen nichts Neues spricht die »humanistische Empörung gegen die Barbarei des Krieges«486 ; und gleichsam ist das Buch ein »Hilferuf«487 der jungen Generation, die im modernen Krieg zerstört wurde. Auch der Titel transportiert diese Intention des Verfassers. Er leitet sich ab vom lapidaren, ewig wiederkehrenden Satz der deutschen Heeresberichte, dass es im Westen nichts Neues zu vermelden gebe. Somit ist er eine ironische Anspielung darauf, dass der tägliche Tod von Tausenden Soldaten, so Chambers und Schneider, »den Betreibern des Krieges nicht einmal eine Notiz wert« war.488 Wenn man aufgrund des heutigen Wissens über die Kriegserfahrungen der Soldaten ferner davon ausgeht, dass das Fronterlebnis in Im Westen nichts Neues jenem der soldatischen Mehrheit entsprach, dann schildert Remarque die »wirkliche Erfahrung

483 Im Westen nichts Neues (im Folgenden abgekürzt als IWnN), Geleitwort und S. 133. 484 Heinz Ludwig Arnold: Die Frage nach dem Sinn des Krieges. Erich Maria Remarque und Ernst Jünger, in: Schweizer Monatshefte (1999), Bd. 78/79, Nr. 12/1, S. 40. 485 Friedrich Luft: Das Profil. Gespräch mit Erich Maria Remarque, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929–1966, Köln 1994, S. 118–133. 486 Bernhard: Nachwort, S. 248. 487 So Remarque am 1. Juni 1929 in einem Brief an Sir Ian Hamilton. Vgl. Briefwechsel zwischen Erich Maria Remarque und General Sir Ian Hamilton (1929), in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929–1966, Köln 1994, S. 52–61. 488 Chambers und Schneider: »Im Westen nichts Neues« und das Bild des ›modernen‹ Kriegs, S. 10f. Vgl. auch Bernhard: Nachwort, S. 267: »›Im Westen nichts Neues‹, das hieß viel Neues, unerhört Neues an Entbehrungen, menschlichem Leid, an Zerstörung unerfüllten, erwartungsvollen Lebens.«

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der von der Kriegsfurie erfaßten Menschen«489 – auch wenn er sie selbst nur sieben Wochen am eigenen Leib erleben musste. Im Gegensatz zu Remarque, der 1916 einberufen wurde490, zieht sein Protagonist Paul Bäumer 1914 mit seinen Klassenkameraden freiwillig von der Schulbank in den Krieg. Allerdings bedarf es der Überzeugungsarbeit des »alldeutschen Oberlehrers« Kantorek491, der den Krieg idealisiert und romantisiert, seinen Eleven einen naiven Glauben an die Vaterlandsidee einimpft und sie quasi nötigt, sich freiwillig zu melden. An der Westfront, wo die kriegerische Handlung angesiedelt ist492, treffen Bäumer und seine Mitschüler Müller, Leer und Kropp auf Tjaden, Katczinsky, Haie Westhus und Detering – einfache Leute, die als Schlosser, Schuster, Torfstecher und Bauer arbeiten und die Abiturienten durch den Krieg begleiten, den sie letztlich genauso verabscheuen. Aus seiner subjektiven Perspektive schildert Bäumer seine Erlebnisse. Da er als Mitteilungsform häufig das »Wir« benutzt, beansprucht der Protagonist – und mit ihm inhärent auch Remarque –, stellvertretend für seine Kameraden und zugleich seine ganze Generation zu sprechen. Er begründet dies damit, dass seine Kameraden – als Teil einer Schicksalsgemeinschaft – den Krieg in derselben ablehnenden Weise erleben. Während der vier Jahre an der Front macht Bäumer einen Prozess der Desillusionierung durch. Die in der Schule vermittelten Werte des Wilhelminismus sowie die dort hervorgerufenen heroischen Illusionen über den Krieg halten dem Toben der Materialschlacht nicht stand.493 Stattdessen erleben die jungen Soldaten auf den Schlachtfeldern des ersten totalen Krieges ihr hilfloses Dasein und den Zusammenbruch ihrer jugendlichen Welt. Bäumer muss mitansehen, wie seine Klassenkameraden einer nach dem anderen sterben. Im Oktober 1918 fällt er als letzter seiner Gruppe selbst – »an einem Tage, der so ruhig und so still war an der ganzen Front, daß der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden«494.

489 Tilman Westphalen: »Mein Thema ist der Mensch dieses Jahrhunderts, die Frage der Humanität«. Erich Maria Remarque als Chronist deutscher Geschichte, in: ders. (Hg.): Erich Maria Remarque 1898–1970, Bramsche 1988, S. 13. 490 In Teilen der Fachliteratur und selbst in manchen Lexika hält sich noch immer die Legende, Remarque habe sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Vgl. auch Kap. 5.1. 491 Bernhard: Nachwort, S. 258. 492 Konkrete Angaben zu Ort, Zeit, Schlachten oder Truppenteilen macht Remarque nicht. Daher hätten sich die geschilderten Ereignisse im Prinzip überall an der französischen Westfront abspielen können. 493 Vgl. IWnN, S. 18: »Das erste Trommelfeuer zeigte uns unseren Irrtum, und unter ihm stürzte die Weltanschauung zusammen, die sie [die Lehrer und Erzieher ; der Verf.] uns gelehrt hatten. Während sie noch schrieben und redeten, sahen wir Lazarette und Sterbende.« 494 IWnN, S. 197.

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Vor Bäumers Tod schildert Remarque in Vor- und Rückblenden typische Situationen des Krieges: Zunächst den militärischen Drill in der Ausbildung, das Fronterlebnis mit dem Ausgeliefertsein im Trommelfeuer, ein Liebesabenteuer, Heimaturlaub und Entfremdung, Verwundung und Lazarett, schließlich Resignation und vielfaches Sterben. Dennoch sind alle zwölf lose aneinander gebundenen Kapitel Variationen des Grundthemas495 : die Zerstörung einer Generation durch den Krieg. Zusammen ergeben sie ein eindringliches Bild von der Desillusionierung Bäumers und seiner Kameraden.496 Dafür verantwortlich zeichnet auch der klare, gekonnte Schreibstil des professionellen Journalisten Remarque, der zur Zeit der Niederschrift Redakteur bei Sport im Bild war. Durchmischt mit derbem Soldatenjargon, zieht seine Sprache den Leser in den Text hinein und rückt das Geschehen unmittelbar an ihn heran. Das eigentliche Fronterlebnis in Im Westen nichts Neues, das später ins Zentrum des öffentlichen Diskurses geraten sollte, kennt keine Romantik; zu abstrakt ist der industrialisierte Krieg. Er erscheint den Remarqueschen Soldaten – unabhängig von deren Alter, Bildung und sozialem Status – als Unglück, das aus unverständlichen Gründen über die Menschheit hereingebrochen ist. »Trommelfeuer, Sperrfeuer, Gardinenfeuer, Minen, Gas, Tanks, Maschinengewehre, Handgranaten – Worte, Worte, aber sie umfassen das Grauen der Welt«, beschreibt Bäumer das Geschehen an der vordersten Linie.497 Angesichts des in stereotyper Gleichförmigkeit wiederkehrenden Todes fühlen er und seine Kameraden sich als Schlachtvieh, das sinnlos dahingeopfert wird. Einmal in den Mechanismus des Tötens eingebunden, sehen sie keine Möglichkeit, ihm zu entrinnen. Aus derselben Ohnmacht heraus negieren sie allerdings auch die Verantwortlichkeit für ihre Taten, die sie an diesem Ort der menschlichen Entwürdigung begehen.498 Umgeben von Ratten, Läusen, knietiefem Matsch und dem Gestank von Latrinen und verwesenden Leichen, stumpfen die Soldaten schnell ab. Nicht einmal die Landschaft bleibt ihnen als Trost und Hoffnungsort: »Der Wald ver-

495 Obwohl eigentlich ein geschickt konstruierter Episodenroman, wurde das Buch vom Ullstein-Verlag als Erinnerungsbericht vermarktet. 496 Vgl. Tilman Westphalen: Nachwort: Ein Simplicissimus des 20. Jahrhunderts, in: Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues (1929), Köln 1999, S. 278. 497 IWnN, S. 96. 498 Vgl. Josef Wennemer : Die Gestalt des Kriegers oder »Die verlorene Generation«. Zu den Menschenbildern in der Prosa über den Ersten Weltkrieg bei Ernst Jünger und Erich Maria Remarque, in: Tilman Westphalen (Hg.): Erich Maria Remarque 1898–1970, Bramsche 1988, S. 51, sowie Erhard Schütz und Jochen Vogt: Die »remarquable« Verwässerung des Krieges, in: dies.: Einführung in die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, Bd. 2: Weimarer Republik, Faschismus und Exil, Opladen 1977 (Grundkurs Literaturgeschichte), S. 59.

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schwindet, er wird zerstampft, zerfetzt, zerrissen.«499 Mit der Verformung der Umwelt einher geht die körperliche und seelische Fragmentierung der Menschen. Um trotz allem weiter zu funktionieren, verschließen sie sich emotional vor dem jämmerlichen Krepieren um sie herum. Nüchtern schildert Bäumer das tagtägliche Grauen: »Wir sehen Menschen leben, denen der Schädel fehlt; wir sehen Soldaten laufen, denen beide Füße weggefetzt sind; sie stolpern auf den splitternden Stümpfen bis zum nächsten Loch; ein Gefreiter kriecht zwei Kilometer weit auf den Händen und schleppt die zerschmetterten Knie hinter sich her ; ein anderer geht zur Verbandsstelle, und über seine festhaltenden Hände quellen die Därme; wir sehen Leute ohne Mund, ohne Unterkiefer, ohne Gesicht; wir finden jemand, der mit den Zähnen zwei Stunden die Schlagader seines Armes klemmt, um nicht zu verbluten.«500

Dies ist nur eine von vielen drastischen Darstellungen konkreter Verwundungen und Todesarten, mit denen Remarque, so Heinz Ludwig Arnold, bewusst das Grauen evoziert, um seine These von der Zerstörung einer Generation im Krieg zu stützen.501 Zerstört hat der Krieg die Soldaten auch psychisch. Entwurzelt und innerlich ausgehöhlt, stellt Bäumer fest: »Wir waren plötzlich auf furchtbare Weise allein; – und wir mußten allein damit fertig werden.«502 Viele Textstellen sprechen die Sprache dieser »verlorenen Generation«, deren Vokabular nur Isolation, Verlorenheit, Zukunftsangst und Pessimismus kennt: So hat der Krieg die jungen Soldaten »weggeschwemmt« und »für alles verdorben«. Sie sind »keine Jugend mehr«, sondern »verlassen wie Kinder und erfahren wie alte Leute«. Ohne jeden Ton von Hoffnung konstatiert Bäumer : »Wir sind roh und traurig und oberflächlich – ich glaube, wir sind verloren.«503 Es bleibt den Männern nichts als das Martyrium des Daseins selbst. Mit schmerzhafter Melancholie, im Gedenken an bessere Zeiten, vegetieren sie vor sich hin. Hinter ihre Zukunft setzt Remarque, wie Gollbach treffend formuliert, kaum mehr als ein »resignierendes Fragezeichen«.504 Nur ganz selten durchbrechen die Soldaten den Zustand der Hinnahme durch Auflehnung gegen den Krieg. Diese spielt sich meist im Innern ab; und wenn sie 499 IWnN, S. 53. 500 Ebd., S. 97. 501 Dagegen rücken die nationalistischen Kriegsliteraten, vor allem Ernst Jünger, den Tod häufig in eine ästhetisierende Distanz, damit das Grauen ertragbar wird. Arnold argumentiert, dass so auch der Leser an die Schrecken gewöhnt werden soll. Vgl. Arnold: Die Frage nach dem Sinn des Krieges, S. 41. 502 IWnN, S. 19. 503 IWnN, S. 23, 67 und 90. Zum Begriff und den Literaten der »Lost Generation« siehe ausführlich Kap. 5.3.2. 504 Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 65.

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nach außen hin sichtbar wird, dann erschöpft sie sich in kleinen Revolten, etwa gegen den Kasernenhoftyrannen Himmelstoß oder den Oberlehrer Kantorek, der als Landsturmmann eingezogen wird. Über die Stufe des schwachen Aufbegehrens kommen die jungen Soldaten nicht hinaus. Ihnen fehlt die Distanz zum Geschehen, um darüber nachzudenken, wie dem Krieg Einhalt zu gebieten sei. Zwar erhebt Remarque entgegen seiner vorangestellten Absicht unübersehbar Anklage gegen die vermeintlichen Verursacher – jene »Tausende von Kantoreks« also, deren Selbstbewusstsein sich aus traditioneller Bildung, beruflichem Ansehen und Vaterlandstreue definiert505 –, aber außer der Feststellung, dass es sicher Leute gebe, »die am Krieg verdienen wollen«, bleiben die Erkenntnisse seiner Charaktere über die Kriegsursachen Teileinsichten. Am Ende überwiegt die Ohnmacht: »Wir sind eigentlich alle ratlos«, räumt Bäumer ein. So behält der Krieg etwas Schicksalhaftes: »Ich glaube, es ist […] eine Art Fieber«, sagt Kropp. »Keiner will es […], und mit einem Male ist es da.«506 Neben dem Nichterkennenkönnen ist es auch ein Nichterkennenwollen, das die Soldaten davon abhält, über Ursachen und Sinn des Krieges nachzudenken. In Angst, daran zu zerbrechen, schrecken sie vor jeglicher Reflexion zurück: »Es ist eine Gefahr für mich, wenn ich diese Dinge in Worte bringe, ich habe Scheu, daß sie dann riesenhaft werden und sich nicht mehr bewältigen lassen. Wo blieben wir, wenn uns alles ganz klar würde, was da draußen vorgeht«, beschreibt Bäumer diese Angst.507 Wie jede Lebensäußerung an der Front dient der Verzicht auf Reflexion allein der Selbstbewahrung: »Das Grauen«, erläutert Bäumer, »läßt sich ertragen, solange man sich einfach duckt; aber es tötet, wenn man darüber nachdenkt.«508 So kämpfen die jungen Männer immer weiter – nicht primär für das Vaterland oder irgendeine politische Idee, sondern gegen die drohende eigene Vernichtung: »Wir können zerstören und töten, um uns zu retten«, sagt Bäumer gemäß

505 IWnN, S. 18. Remarque klagt nicht direkt an, sondern persifliert die Repräsentanten des Wilhelminischen Obrigkeitsstaates als kriegslüsterne Stammtischstrategen, die, im heimischen Wirtsgarten sitzend, chauvinistische Phrasen dreschen und illusorische Vorstellungen von Sieg und Heldentum hegen. Die Frontrealität verkennen sie total: »Nun macht mal ein bißchen vorwärts da draußen mit eurem ewigen Stellungskrieg. Schmeißt die Kerle ’raus, dann gibt es auch Frieden«, sagt ein Direktor gegenüber Bäumer, als dieser gerade auf Heimaturlaub ist (IWnN, S. 117f.). 506 Ebd., S. 66 und 141. Vgl. auch Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 63. 507 IWnN, S. 117. 508 Ebd., S. 100. Vgl. auch S. 134. Dort sagt Bäumer : »An irgendeinem Tisch wird ein Schriftstück […] unterzeichnet, […] und jahrelang ist unser höchstes Ziel das, worauf sonst die Verachtung der Welt und ihre höchste Strafe ruht. […] Ich erschrecke; hier darf ich nicht weiterdenken. Dieser Weg geht in den Abgrund.«

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dem Motto »Krieg ist Krieg schließlich«.509 Die Vernichtungsmaschinerie bleibt intakt, und die Soldaten machen einen Prozess der Regression durch, um ihr standzuhalten. Ihr Denken und Handeln reduziert sich auf den Instinkt – sie werden zu »Menschentieren«. Dieser von Bäumer als zwanghaft beschriebene evolutionäre Rückschritt erhöht die Überlebenschancen (»Es ist der Instinkt des Tieres, der in uns erwacht, der uns leitet und beschützt«) und entlädt zugleich die durch das ohnmächtige Ausgeliefertsein aufgestaute Wut: »Geduckt wie Katzen laufen wir, überschwemmt von dieser Welle, […] die uns grausam macht, zu Wegelagerern, zu Mördern, zu Teufeln meinetwegen, dieser Welle, die unsere Kraft vervielfältigt in Angst und Wut und Lebensgier, die uns Rettung sucht und erkämpft.«510

Ausgestattet mit der »Gleichgültigkeit von Wilden« und vorwärts gezogen vom Herdentrieb, gehen die Soldaten immer wieder nach vorn – zwar »willenlos«, aber doch »wahnsinnig […] wütend«. So tun sie das, was man von ihnen erwartet: »Wir wollen töten, denn das dort sind unsere Todfeinde jetzt, ihre Gewehre und Granaten sind gegen uns gerichtet, vernichten wir sie nicht, dann vernichten sie uns!«511 Hass gegen ihre Feinde hegen Bäumer und seine Kameraden allerdings nicht.512 Dass sie sich gegenüberstehen, führen sie allein auf die Machtgier und Befehlsgewalt der Herrschenden zurück: »Ein Befehl hat diese stillen Gestalten [gemeint sind russische Kriegsgefangene; der Verf.] zu unseren Feinden gemacht; ein Befehl könnte sie in unsere Freunde verwandeln«, sagt Bäumer. Im von ihm getöteten Franzosen Duval erkennt er gar einen Kameraden, gegenüber dem er Schuldgefühle hegt: »Vergib mir, Kamerad! Wir sehen es immer zu spät. Warum sagt man uns nicht immer wieder, daß ihr ebenso arme Hunde seid wie wir, daß eure Mütter sich ebenso ängstigen wie unsere und daß wir die gleiche Furcht vor dem Tode haben und das gleiche Sterben und den gleichen Schmerz.«513

509 IWnN, S. 83 und 156. Vgl. dazu auch eine entsprechende Aussage Remarques an Hamilton: »Der einfache Soldat […] verfluchte und beschimpfte den Krieg; aber er kämpfte weiter.« Briefwechsel zwischen Erich Maria Remarque und General Sir Ian Hamilton, S. 55. 510 IWnN, S. 46 und 84. Vgl. auch Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 53. 511 IWnN, S. 184 und 84f. 512 Im Gegensatz zu den nationalistischen Kriegsliteraten stellt Remarque den Feind auch nicht pejorativ dar. Vgl. hierzu ausführlich Holger Klein: Grundhaltungen und Feindbilder in der Darstellung des Ersten Weltkrieges bei Remarque, Hemingway und C8line, in: Krieg und Literatur (1989), Nr. 1, S. 7–22. 513 IWnN, S. 134 und 152.

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Die Duval-Episode ist die mit der stärksten pazifistischen Aussage im Buch.514 Als Feind erkennt Bäumer nicht sein Gegenüber, sondern den Krieg als Ganzes. Aber genauso abstrakt wie diese Erkenntnis sind die Absichtserklärungen Bäumers für die Zukunft: »Wenn ich davonkomme, Kamerad, will ich kämpfen gegen dieses, das uns beide zerschlug […]. Ich verspreche es dir, Kamerad. Es darf nie wieder geschehen.« Im Alltag des Krieges jedoch ist ihm der Tote schon bald »völlig gleichgültig«515. Seine ganze Energie ist auf das nackte Überleben ausgerichtet. So tötet Bäumer weiter, bis der Krieg auch ihn umbringt. Mit dem Tod seines Protagonisten wenige Tage vor dem Waffenstillstand setzt Remarque der Sinnlosigkeit des Krieges ein letztes Fanal. Zudem unterstreicht er die These von der Zerstörung seiner Generation durch den Krieg. Denn Bäumer ist zerstört – so oder so. Wäre er nicht gestorben, hätte ihn das Trauma des Krieges stets durch sein Leben begleitet.516 Angesichts dieser Hoffnungslosigkeit wird der Tod zur Alternative. So ist auch der letzte Satz in Im Westen nichts Neues zu verstehen, der den gefallenen Bäumer beschreibt: »Sein Gesicht hatte einen so gefaßten Ausdruck, als wäre er beinahe zufrieden damit, daß es so gekommen war.«517 Für Bäumer hat das Leiden ein Ende. Remarque illustriert demnach nicht nur die Sinnlosigkeit und die Schrecken des Krieges, sondern er zeigt vor allem, wie der Krieg die Menschen entwürdigt und sie zu Maschinen degradiert. Selbst wenn sie seinen Granaten entkommen, hat der Krieg mit seiner rein destruktiven Kraft etwas in ihnen zerstört, das irreparabel ist. So setzt sich Im Westen nichts Neues trotz der stetigen Beteuerung des Verfassers, sein Roman sei unpolitisch, deutlich von der nationalistischen Kriegsideologie und ihrer Literatur ab, welche dem Krieg ein schöpferisches Potenzial zuschreibt. Ferner fehlt Remarques Buch jegliche Ästhetisierung männlichen Heldentums, welche aus der nationalistischen Fronterlebnis-Konzeption in der Weimarer Republik nicht wegzudenken ist. Damit stellt sich die Frage, ob Im Westen nichts Neues ein pazifistisches Buch ist. Als solches wurde es vom liberalen Bürgertum vereinnahmt; und bis heute ist dieser Stempel geblieben. Er ist berechtigt, wenn man Pazifismus als Kriegsgegnerschaft definiert – und nicht als ein weltanschauliches Konzept. Erich Maria Remarque lehnte den Krieg als Mittel der Politik unbestritten ab. Aber er 514 Sie erinnert zum einen an die Fraternisierungsszenen zwischen deutschen und alliierten Soldaten an Weihnachten 1914 und 1917 und zum anderen an die Kriegsliteratur etwa eines Henri Barbusse, Siegfried Sassoon oder Wilfred Owen, welche – Barbusse als Franzose, die letzteren beiden als Engländer – die gleiche ablehnende Haltung zum Krieg und denselben Gedanken der Völkerverständigung vertraten wie der Deutsche Remarque. 515 IWnN, S. 154. 516 Die Wiedereingliederungsprobleme der Soldaten in die Nachkriegsgesellschaft schildert Remarque im Folgewerk Der Weg zurück (1931). 517 IWnN, S. 197.

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war kein aktiver Pazifist, der eine Lehre oder gar ein parteipolitisches Programm zu verkünden hatte. Dennoch kann man Im Westen nichts Neues mit Fug und Recht als kriegskritisches, humanistisches Buch bezeichnen.518 Und als solches soll es im Folgenden betrachtet werden.

5.3. Der Erste Weltkrieg in der zeitgenössischen Kriegsliteratur 5.3.1. Fronterlebnis-Konzeptionen deutscher Schriftsteller »Hier wurde eine neue, durch die harte Zucht des Krieges selbst gebildete Rasse sichtbar.« Ernst Jünger, Feuer und Blut, 1925 »Sie kämpften und wußten nicht mehr wofür, sie starben ohne Hoffnung, ohne Trost, ihrem Schicksal stumpf ergeben.« Ernst Johannsen, Vier von der Infanterie, 1929

In der deutschen Literatur war das Fronterlebnis nach Kriegsende zunächst wenig präsent, obwohl »kein anderer Stoff […] zwischen 1918 und 1933 literarisch so häufig behandelt worden [ist] wie der Erste Weltkrieg«, wie HansHarald Müller erläutert.519 Zunächst bestimmten in den ersten Nachkriegsjahren Offiziersschriften das Terrain. In ihren Memoiren schlugen Generalstabsoffiziere wie Paul von Hindenburg (Aus meinem Leben, 1920), Erich Ludendorff (Meine Kriegserinnerungen, 1919) und Alfred von Tirpitz (Erinnerungen, 1919) von ihrer erhobenen Perspektive aus nochmals ihre Schlachten und kolportierten dabei unter anderem die Dolchstoßlegende, während rangniedere Offiziere ihre individuellen Verdienste ausschmückten. Zudem wurde der Weltkrieg in zahlreichen Bildbändern und Periodika dargestellt, von denen jedoch die meisten gemäß ihrer romantisierenden Absicht, das »unvergängliche deutsche Heldentum« und das Fronterlebnis als »erhebendste Lebenserinnerung« zu illustrieren, das Leid der Soldaten weitgehend ausblendeten.520 518 Vgl. Scherp: Der Gefangene seines Ruhmes, sowie Murdoch: The Novels of Erich Maria Remarque, S. 47: »As an antiwar novel […] its message could hardly be clearer«, resümiert auch Murdoch. 519 Entgegen der weitverbreiteten Vorstellung von einer »Wiederkehr des Weltkriegs« in der Literatur Ende der 1920er Jahre hat Müller plausibel nachgewiesen, dass der Krieg in der Weimarer Republik nie abwesend war, sondern lediglich in verschiedenen Formen dargestellt wurde. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 1 und 304. 520 So das Geleitwort zur Fotodokumentation Der Weltkrieg im Bild, Berlin/Oldenburg 1927. Andere bekannte Publikationen waren Schlachten des Weltkrieges, Aus großer Zeit, Feinde ringsum!, Der deutsche Krieg oder die Im Felde unbesiegt-Reihe. Vgl. Schneider und Wagener : Einleitung, S. 14f.

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Kriegskritische Literatur wie die frühen Werke von Andreas Latzko (Menschen im Krieg, 1917) oder Fritz von Unruh (Opfergang, 1919) blieb die Ausnahme. Sieht man von den in der Nachkriegszeit weiterwirkenden verklärenden Schriften Walter Flex’ und einem kurzzeitigen Boom trivialer Landserromane ab, war es Ernst Jünger vorbehalten, 1920 mit seinem Tagebuch In Stahlgewittern das Fronterlebnis aus Soldatensicht auf literarische Weise stärker ins Bewusstsein zu rücken. Zwar verhehlte er darin die Schrecken des Krieges nicht, nahm aber positiv darauf Bezug, indem er dem Krieg als Elementarereignis und Schöpfer einer Generation gestählter ›Neuer Menschen‹ huldigte.521 Nachdem Anfang der 1920er Jahre weitere Werke Jüngers erschienen waren, ging das Interesse an Kriegsliteratur mit der relativen Stabilisierung der Weimarer Republik zunächst zurück, bis der Krieg mit dem Aufkommen einer Reihe pazifistischer Bücher zehn Jahre nach dem Waffenstillstand zum bestimmenden Thema in der Literatur und zugleich einem »Medium weltanschaulicher Orientierung« wurde.522 Jedoch blieb die kritische Kriegsschreibung – trotz Im Westen nichts Neues – eine Episode, die, so Kurt Sontheimer, »keine sichtbaren Wirkungen auf das Publikum zeigte«. Denn als Antwort auf Erich Maria Remarque flutete bald eine Welle kriegsverherrlichender Literatur den Buchmarkt, deren Gesamtauflage von 1929 bis 1933 jene der pazifistischen Kriegsliteratur »bei weitem« überstieg und die vor allem in der Jugend, der Arbeiterklasse und im Kleinbürgertum stark rezipiert wurde.523 Mit Erfolg verknüpften Autoren wie Franz Schauwecker, Werner Beumelburg, Josef Magnus Wehner und Hans Zöberlein das Fronterlebnis mit ihrer national-revolutionären Ideologie und stellten, so Hans-Harald 521 Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 302f. 522 Rüter : Erich Maria Remarque, S. 18. Zwischen 1928 und 1932 erschienen in Deutschland mehr als zweihundert Romane über den Weltkrieg; in den vorangegangenen zehn Jahren waren es nur einhundert gewesen. Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 2, sowie Jost Hermand: Arnold Zweig. Der Streit um den Sergeanten Grischa (1927). Eine »systemkritische« Analyse, in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 200. 523 Sontheimer: Antidemokratisches Denken, S. 96. Thomas F. Schneider und Hans Wagener bestätigen diese Ansicht. In der Zwischenkriegszeit sei das Leserinteresse mehrheitlich »auf Repräsentationen des Krieges als Abenteuergeschichte« ausgerichtet gewesen bzw. habe auf jene »Titel politisch rechter Provenienz« abgezielt, »die einer Re-Interpretation und Dienstbarmachung des Krieges für eine aktuelle politische Gestaltung der Gegenwart das Wort redeten […]« (Schneider und Wagener : Einleitung, S. 14.). Vgl. hierzu auch Bruno Schultze: Fiction and Truth. Politics and the War Novel, in: Franz Karl Stanzel und Martin Löschnigg (Hg.): Intimate Enemies. English and German Literary Reactions to the Great War 1914–1918, Heidelberg 1993 (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, Folge 3, Bd. 126), S. 309; Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 40, sowie Henry Cowper et al.: World War I and its Consequences, Buckingham/Bristol, Pennsylvania 1990 (War, Peace, and Social Chance, Bd. 2), S. 129.

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Müller, »das politische Eintreten für einen nationalistischen Militarismus« als Vermächtnis des Krieges dar.524 Dass es dabei einen Grundwiderspruch zwischen »tatsächlich gemachter und ideologisch gewollter Kriegserfahrung« gab, so Matthias Schöning, störte offenbar nicht viele Rezipienten.525 Es erscheint sinnvoll, Remarques Fronterlebnis in diesen kurz umrissenen kriegsliterarischen Kontext einzuordnen, bevor die Rezeption von Im Westen nichts Neues beschrieben wird. Denn zu deren Verständnis ist die Kenntnis der mit Remarque konkurrierenden Kriegsliteratur unerlässlich – das gilt insbesondere für die nationalistische: So erschließt sich zum einen erst in der Gegenüberstellung mit den Büchern eines Zöberlein oder Schauwecker, wie stark Im Westen nichts Neues von deren Fronterlebnis-Konzeption divergierte. Zum anderen nahm die Rechtspresse in Zusammenhang mit Remarque permanent auf die Literaten des sogenannten »Soldatischen Nationalismus«526 Bezug – nicht nur, weil einige ihrer Bücher als Antwort auf Remarque entstanden waren. Auch die zuvor erschienenen Werke von Ernst Jünger wurden regelmäßig als Gegenentwürfe zu Im Westen nichts Neues bemüht.527 Wenngleich es in der literarischen Kriegsdarstellung freilich Grautöne gab, lässt sich die folgende Kategorisierung in »nationalistisch« und »kriegskritisch« auf die meisten bekannten Bücher anwenden. Dies wurde auch von der zeitgenössischen Kritik so gehandhabt. Nationalistische Kriegsliteratur Im Gegensatz zu Remarque, der die Zerstörung einer Generation im Krieg beschreibt, bejahten die Literaten des Soldatischen Nationalismus den Krieg als Schaffer neuer, positiver Werte. Ferner betonten sie stets die »Heldengröße des deutschen Frontsoldaten«.528 Nach ihrem Selbstverständnis, die Frontgeneration zu verkörpern, sahen sie sich als einzige dazu legitimiert, das Erlebnis des Krieges zu illustrieren. So beanspruchte etwa Josef Magnus Wehner529, dass sein 524 Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 297. 525 Matthias Schöning: Versprengte Gemeinschaft. Kriegsroman und intellektuelle Mobilmachung in Deutschland 1914–1933, Göttingen 2009, S. 295. 526 Vgl. Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus. Der von Prümm geprägte Terminus hat sich neben den Begriffen »Neuer Nationalismus« und »Revolutionärer Nationalismus« eingebürgert und wird weitgehend synonym benutzt. 527 Von den Büchern Ernst Jüngers, die hier betrachtet werden, erschien als letztes Feuer und Blut (1925). Sie standen in ihrem Erscheinen freilich in keinem Zusammenhang mit Im Westen nichts Neues, waren aber durch ihre ständige Rezeption immer aktuell und hatten nicht zuletzt großen Einfluss auf die übrigen nationalistischen Schriftsteller. 528 Zöberlein: Der Glaube an Deutschland, S. 573. 529 Als Kriegsfreiwilliger wurde Josef Magnus Wehner vor Verdun schwer verwundet. Seit den 1930er Jahren war er überzeugter Nationalsozialist. Vgl. Walter Olma: Wehner, Josef Magnus, in: Walther Killy (Hg.): Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 12, Gütersloh/München 1992, S. 183.

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1930 erschienenes Buch Sieben vor Verdun »ein Denkmal für die Gefallenen, ein Vermächtnis allen kommenden Generationen« sei.530 Vor allem aber wollte Wehner – wie auch Beumelburg mit der Gruppe Bosemüller531 – die durch Remarque drohende ›Verfälschung‹ des Fronterlebnisses korrigieren: »Jetzt, als ich mein Volk in Gefahr sah, dem kleinlichsten Ressentiment gegen alles Heldische zu verfallen, erhob ich mich«, erläuterte Wehner rückblickend seine Motivation für die Niederschrift des Romans.532 Dementsprechend stellte er Remarques Humanismus ein archaisches Heldentum gegenüber und behielt – wie alle nationalistischen Autoren – die positive Konnotation des Krieges auch angesichts der Schrecken bei. Das erlebte Grauen an der Front allerdings verschwiegen die Literaten des Soldatischen Nationalismus nicht. Es sei keineswegs so, konstatiert Erhard Schütz, dass die rechten Pro-Kriegsromane »Szenen aus Verstümmelung und Tod, Blut und Matsch nicht kannten – sie sind voll davon«.533 Der makabren Detailtreue Remarques stehen sie in nichts nach. So beschreibt Werner Beumelburg in Die Gruppe Bosemüller (1930)534 aufgerissene Köpfe (»das Gehirn bis 530 Josef Magnus Wehner: Sieben vor Verdun (1930), München 1934, Vorwort. 531 Werner Beumelburg beschrieb 1933 in seinem Aufsatz »Dichtung und Nation« rückblickend, wie er sich von den pazifistischen Antikriegsbüchern provoziert gefühlt hatte: »Die Riesenwelle dieser besonderen neudeutschen Literatur, ganz auf das destruktive Element gerichtet und auf die intellektuelle Zergliederung und Verächtlichmachung aller uns heiligen Begriffe, erreichte ihren Höhepunkt in jenem wahnsinnigen Versuch, unser Innerstes in den Staub zu ziehen, das t i e f e Er le b e n d er Nat i on, das uns im Kriege unter Blut und Tod geworden war, zu verwandeln in Ab s ch e u vor uns selbst, in Pa zi f i s mu s und in eine G e si n nu n g , die uns die S c h a mr ö t e vor unseren gefallenen Kameraden in die Stirn trieb. Aber da erwachten wir.« Werner Beumelburg: Das jugendliche Reich. Reden und Aufsätze zur Zeitenwende, Oldenburg 1933, S. 56. 532 Josef Magnus Wehner : Mein Leben, Berlin 1934, S. 71. In Sieben vor Verdun findet sich ein deutlicher und zugleich parodistischer Bezug auf Remarque und Im Westen nichts Neues. Unvermittelt taucht ein betrunkener Berichterstatter eines »Berliner Blattes« an der Front auf. Nackt, nur mit »Lackschuhen« und »seidenen Strümpfen« bekleidet, einen deutschen und einen französischen Namen nennend, erklärt er, er sei dorthin gegangen, »da es im Westen dauernd nichts Neues gebe«. Seine Zeitung habe ihn um kräftigere Berichte gebeten. Im Übrigen habe er als »deutscher Jüngling […] heute sogar einen Franzosen getötet, der in einem Granattrichter auf ihn heruntergefallen sei.« Vgl. Wehner : Sieben vor Verdun, S. 48–51. 533 Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 204. 534 Werner Beumelburg meldete sich 1916 – im Alter von 17 Jahren – als Kriegsfreiwilliger. Er diente zunächst als Fahnenjunker und erlebte dann die Schlachten von Verdun. Bereits zum Offizier ernannt, erhielt er das Eiserne Kreuz Erster und Zweiter Klasse. Die Gruppe Bosemüller (Auflage bis 1933: 65.000; bis 1939: 170.000) war sein zweiter erfolgreicher Kriegsroman nach Sperrfeuer um Deutschland 1929 (Auflage bis 1933: 166.000; bis 1939: 328.000). Beumelburg war nie NSDAP-Mitglied, machte unter den Nazis dennoch Karriere. So wurde er Sekretär der Abteilung für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste und im Zweiten Weltkrieg Major der Luftwaffe, wo er unter Hermann Göring als offizieller Kriegschronist fungierte. Vgl. Ralf Schnell: Beumelburg, Werner, in: Literatur Lexikon,

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hinauf in die Zweige gespritzt«), von Granatsplittern zerschnittene Augen und »frische Leichen«, von denen »nur noch ein Stück des Rumpfes erkennbar« ist.535 Nicht weniger zimperlich ist Franz Schauwecker.536 In seinem »viel beachteten Frontroman« Aufbruch der Nation (1930)537 ist die Rede von »einem Matsch von Armen und Rümpfen und Erde«; an anderer Stelle erwähnt er einen verwundeten Soldaten, der nur noch »ein schreiender Haufen« ist.538 Auch Ernst Jünger schildert die Zersetzung des menschlichen Körpers in drastischer Form, besonders in Der Kampf als inneres Erlebnis (1922). Jedoch sind die Scheußlichkeiten für ihn ein Faszinosum; er erkennt darin sogar eine »Ästhetik des Entsetzlichen«539. Den Verursacher dieses Grauens stellen die nationalistischen Schriftsteller jedoch nicht infrage. Vielmehr sehen sie im Krieg eine Art reinigendes und daher notwendiges »Naturgesetz«, das als höhere Instanz unanzweifelbar wird.540 In Gestalt »einer riesenhaften Faust aus kosmischer Glut« oder einem »nie vernommenen Orkan vom Mars oder vom Mond«541 nehmen die Autoren diese tosende Elementargewalt dankend an – um die Schranken der Vorkriegsgesellschaft zu sprengen und sich der Prüfung des Schicksals zu stellen.542 Derart übersteigern sie den Krieg in eine fast phantastische Dimension, dass sie

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Bd. 1, S. 486; Heidrun Ehrke-Rotermund: »Durch die Erkenntnis des Schrecklichen zu seiner Überwindung«? Werner Beumelburg: Gruppe Bosemüller (1930), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 299–302 und 317; Helmut Müssener (Hg.): Anti-Kriegsliteratur zwischen den Kriegen (1919–1939) in Deutschland und Schweden, Stockholm 1987, S. 18– 19 (Auflistung der Auflagenzahlen). Werner Beumelburg: Die Gruppe Bosemüller, Oldenburg 1930, S. 153, 321 und 103. Zum Krieg meldete sich Franz Schauwecker freiwillig. Er avancierte vom einfachen Soldaten zum Leutnant und trug einige schwere Verwundungen davon. Als einer der Hauptvertreter des Neuen Nationalismus schrieb Schauwecker später wie Ernst Jünger unter anderem für Die Standarte, die zwischenzeitlich als Beilage des Bundesorgans des Stahlhelm mit einer Auflage von 150.000 bis 180.000 Exemplaren erschien. Nach 1933 wurde er wie andere bekannte ›Frontschriftsteller‹ von der NS-Literaturbürokratie vereinnahmt und gefördert. Vgl. Hans Sarkowicz: Schauwecker, Franz, in: Literatur Lexikon, Bd. 10, S. 116; Ulrich Fröschle: »Radikal im Denken, aber schlapp im Handeln«? Franz Schauwecker : Aufbruch der Nation (1929), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 265–275; Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 2, S. 337ff. Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 139. Bis Ende 1930 erreichte das Buch eine Auflage von ca. 30.000 Exemplaren. Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 189 und 61. Latzel: Vom Sterben im Krieg, S. 83. Ernst Jünger : Der Kampf als inneres Erlebnis (1922), in: Ernst Jünger : Sämtliche Werke. Zweite Abteilung. Essays I, Bd. 7: Betrachtungen zur Zeit, Stuttgart 1980, S. 40. Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 193 und 197. Vgl. Leed: No Man’s Land, S. 134.

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die realen Ursachen komplett ausblenden543 : »Der Krieg war ihnen eine Tatsache, über die man nicht verhandeln konnte«, heißt es etwa in Aufbruch der Nation.544 Mit dieser Einstellung gehen die Soldaten durch das ›Stahlbad‹ des Krieges, das bei Schauwecker wie folgt aussieht: »Er [sein Protagonist Albrecht; der Verf.] hörte nur ein eintöniges, furchtbares Brausen, einen grauenvollen Orgelton, der die Welt umschloß, eine gigantische Kugel, berstend angefüllt mit Lärm, Klirren, Schrei, Brand und Donner. Tonnen von Stahl wurden über sie gewälzt. Fässer von Eisen ballerten über ihnen.«545

Im Gegensatz zu den Remarqueschen »Menschentieren«546, die der Krieg auf eine niedrigere Entwicklungsstufe zurückstößt, werden die Soldaten in den nationalistischen Frontromanen durch das ›Stahlbad‹ geadelt. Wo Remarque Desillusion walten lässt, sind sie entschlossen und furchtlos – aus Jugendlichen werden kampferprobte, aggressive Männer, »höhere Menschen in einem ganz besonderen Sinn«.547 Die Angehörigen dieses neuen »Geschlechts«548 haben die ›Nervenprobe‹ bestanden; sie wurden nicht demoralisiert, nicht zerstört wie bei Remarque, sondern sind an der Gefahr gewachsen – als Triumphatoren über den Tod.549 Ihr unbedingter Wille ist der Sieg; dieser erhebt sie aus der Masse des Verlierervolks.550 So bringt die übermenschliche Zerstörungskraft des Krieges als »Hammerschmiede«551 und Männertaufe die verschütteten, ureigenen Qualitäten bei jenen Menschen hervor, die sich in der Extremsituation des Krieges bewähren: Kaltblütig sind sie, zielstrebig, ausdauernd. Und das sieht man ihnen an. So beschreibt Schauwecker Soldaten mit »steilen Stirnen, harten Lippen und eiskalten Augen«.552 Vor allem Ernst Jünger553, wechselnd als »Protagonist des Soldati-

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Vgl. Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 1, S. 126. Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 65. Ebd., S. 194. IWnN, S. 46. Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 202. Vgl. auch Ehrke-Rotermund: »Durch die Erkenntnis des Schrecklichen zu seiner Überwindung«?, S. 303. Jünger : Der Kampf als inneres Erlebnis, S. 11. Vgl. Zöberlein: Der Glaube an Deutschland, S. 357. Dort heißt es: »An der Gefahr erst wird man groß; am gewöhnlichen Leben kommt man um.« Vgl. Delabar : »Aufhören, aufhören, he, aufhören – hört doch einmal auf!«, S. 408. Jünger : Der Kampf als inneres Erlebnis, S. 73. Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 83. Ernst Jünger meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger, kämpfte unter anderem in der Schlacht an der Somme, überlebte insgesamt vierzehn Verwundungen und erhielt – zum Leutnant und Kompanieführer der Infanterie befördert – die höchste preußische Tapferkeitsauszeichnung, den Orden Pour le M8rite. 1920 erschien In Stahlgewittern (bis 1930 ca. 45.000 Mal verkauft, wobei die Auflage im Zweiten Weltkrieg auf über 200.000 kletterte), zwei Jahre darauf Der Kampf als inneres Erlebnis, 1925 Feuer und Blut. Vgl. Gert Mat-

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schen Nationalismus«, »Ideologe des Revolutionären Nationalismus« oder »geistiger Führer des Neuen Nationalismus«554 bezeichnet, hat diese vom Krieg gestählten Kämpfer in seinen Frontromanen zu Genüge illustriert: »Die Gesichter kühn und intelligent, Augen und Mund versteinerte Spannung, von höchstgesteigerten Augenblicken hinter hämmernden Maschinengewehren geprägt«, schreibt er etwa in Der Kampf als inneres Erlebnis – und geht gar so weit, den Krieg als Übervater zu erhöhen: »Der Krieg, aller Dinge Vater, ist auch der unsere; er hat uns gehämmert, gemeißelt und gehärtet zu dem, was wir sind.«555 Zugrunde liegt dieser »bellizistischen Lebensauffassung«556 ein sozialdarwinistisches Konzept: In Form des Krieges nehme das Schicksal die Männer »in eine grausame Lehre«, erläutert Beumelburg: »Wen es aber hindurchkommen läßt, der hat bestanden.«557 Zurück lässt dieser ›Ausleseprozess‹ eine KriegerElite.558 So heißt es etwa in Jüngers Feuer und Blut: »Hier wurde eine neue, durch die harte Zucht des Krieges selbst gebildete Rasse sichtbar.«559 Es ist eine deutsche Rasse, wohlgemerkt, die, obschon neu gebildet, dennoch an »uralte Zeiten« anknüpft, betont Zöberlein.560 Diese »herrlichen Soldaten, die besten der Welt«561, sehen die Destruktion des Krieges als lebensspendende Kraft, den Kampf als »höchste Form des Erlebens«,

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tenklott, Jünger, Ernst, in: Literatur Lexikon, Bd. 6, S. 151–153, sowie ausführlich Kiesel: Ernst Jünger, S. 110–133 und 206f. Vgl. Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 1, S. 84; Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 238, sowie Weisbrod: Kriegerische Gewalt, S. 553. Jünger : Der Kampf als inneres Erlebnis, S. 52 und 11. Kiesel: Ernst Jünger, S. 140. Beumelburg: Die Gruppe Bosemüller, S. 261. Vgl. Wennemer : Die Gestalt des Kriegers, S. 48. Siehe auch Roger Woods: Ernst Jünger, the New Nationalists and the Memory of the First World War, in: Karl Leydecker (Hg.): German Novelists of the Weimar Republic. Intersections of Literature and Politics, Rochester, NY 2006, S. 125–140. Ernst Jünger : Feuer und Blut (1925), in: Ernst Jünger : Sämtliche Werke. Erste Abteilung. Tagebücher, Bd. 1: Der Erste Weltkrieg, Stuttgart 1978, S. 446. Selbiges Buch fanden die Amerikaner 1945 in der Privatbibliothek des Reichskanzlers. Jünger hatte es dem »nationalen Führer Adolf Hitler« 1926 mit Widmung geschenkt. Vgl. Astrid M. Eckert: Was Ernst Jünger dem nationalen Führer kredenzte, in: Die Welt, 29. 5. 2001 [online], verfügbar unter : https://www.welt.de/print-welt/article453751/Was-Ernst-Juenger-dem-nationalen-Fuehrerkredenzte.html [3. 8. 2018]. In Der Glaube an Deutschland schreibt Zöberlein: »Hier marschiert das Heer in seiner höchsten Vollendung, die es je erreicht hat. Aus den Augen blitzt jener furchtbare Geist, der weitab von allem Elan und schäumender Begeisterung nur unsere Rasse beseelt. Erschauernd wie von einem Hauch uralter Zeiten fühlen wir das im Blut. Es ist das Göttliche, Große in uns Deutschen, das wir selber kaum kennen, das aber unser Feinde tödlich lähmt. Sie nannten es einst – und fürchten es heute noch als den ›Furor Teutonicus‹.« Zöberlein: Der Glaube an Deutschland, S. 472. Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 398.

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als Selbstentdeckung und -verwirklichung.562 Augenblicke der Gefahr, etwa den Sturmlauf oder das direkte Duell mit dem Feind, nehmen sie als Abwechslung zur Monotonie des Stellungskriegs ohne Zögern an.563 Einmal in den ekstatischen Zustand der Schlacht gelangt, erfüllt diese ›Neuen Menschen‹ ein »übermächtiger Wunsch zu töten«. So werden sie in der stählernen Maschine des Krieges zu metaphysischen Wesen, die den Gegner »zersplittern und auseinander reißen«.564 Der Beschreibung und Ästhetisierung dieser »Raubtier-Krieger im Blutrausch«, so Bernd Weisbrod, widmen die Literaten des Soldatischen Nationalismus allesamt viel Raum.565 Bei Wehner sind es »Riesen und Jäger, die da stürmten, und sie waren entbunden. […] Sie sprangen an den Feind, wo sie ihn erblickten, und wo er floh, da rauschten sie ihm nach.«566 Jünger beschreibt die Soldaten als »Fürsten des Grabens mit harten, entschlossenen Gesichtern, tollkühn, geschmeidig vor und zurückspringend mit scharfen, blutdürstigen Augen.«567 Und für Schauwecker sind sie »Künstler und Söhne des Krieges, flammend und glühend im Rausch der Schlacht.«568 Während Remarque die Verwandlung der Soldaten im Kampf als zwanghafte Regression bedauert, feiern die nationalistischen Autoren sie als Rückkehr zu solch elementaren Ursprüngen wie »Instinkt« und »Blut«.569 Und wo der Verfasser von Im Westen nichts Neues die Schlacht als puren Überlebenskampf beschreibt, wird er in der rechten Pro-Kriegsliteratur zu einer regelrechten »Lust«.570 Derart genießen die Stoßtruppkämpfer vom Typ Jünger ihre »männliche Omnipotenz«, dass sie im ›Abenteuer‹ Krieg spielerische Jagdgelüste entwickeln571: »Der Kämpfer will nicht gefangen nehmen; er will töten«, heißt es in den Stahlgewittern.572 Eine fast schon sadistische Tötungslust stellt 562 Vgl. Latzel: Vom Sterben im Krieg, S. 84; Stanley Corngold: The Great War and Modern German Memory, in: Vincent Sherry (Hg.): The Cambridge Companion to the Literature of the First World War, Cambridge 2005, S. 201. 563 Vgl. Arnold: Die Frage nach dem Sinn des Krieges, S. 40. 564 Ernst Jünger : In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers (1920), in: Ernst Jünger : Sämtliche Werke. Erste Abteilung. Tagebücher, Bd. 1: Der Erste Weltkrieg, Stuttgart 1978, S. 241f. 565 Bernd Weisbrod: Kriegerische Gewalt und männlicher Fundamentalismus. Ernst Jüngers Beitrag zur konservativen Revolution, in: GWU (1998), Nr. 49, S. 548. 566 Wehner : Sieben vor Verdun, S. 156. 567 Jünger : In Stahlgewittern, S. 226. 568 Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 288. 569 Ebd., S. 399. 570 Wehner : Sieben vor Verdun, S. 115. 571 Vgl. Waltraud Amberger : Männer, Krieger, Abenteurer. Der Entwurf des soldatischen Mannes in Kriegsromanen über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, Frankfurt am Main 1984, S. 55. Vgl. auch Thomas Rohkrämer: Strangelove, or How Ernst Jünger Learned to Love Total War, in: Roger Chickering und Stig Förster (Hg.): The Shadows of Total War. Europe, East Asia and the United States, 1919–1939, Cambridge 2002, insb. S. 181–193. 572 Jünger : In Stahlgewittern, S. 250.

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sich bei Hans Zöberlein573 ein. Bei ihm ist es nicht der ekstatische Stürmer, sondern der kaltblütige MG-Schütze, der den Über-Soldaten verkörpert. In seinem 1931 veröffentlichten Roman Der Glaube an Deutschland 574, den Hitler im Vorwort als das wahre »Erbe der Front« rühmt, beschreibt Zöberlein, wie er mit seiner »feurigen Sense wutlachend […] in die Reihe der Franzosen« fährt: »Nur schießen, schießen, daß sie stürzen, fallen, zerhackt werden, zerrissen!« – »Herrgott, ist das schön.« In einer Feuerpause zieht er Bilanz und ist außerordentlich stolz, dass er mehr als zweihundert Franzosen ›abgeknallt‹ hat: »So zufrieden […] bin ich im ganzen Krieg noch nicht mit mir gewesen. Mehr kann ich wirklich nicht tun […] für Deutschland.«575 Verglichen mit der Duval-Szene in Im Westen nichts Neues kann eine Reflexion über das Töten und den Feind gegensätzlicher nicht sein. Zwei weitere Remarque diametral gegenüberstehende Charakteristika der nationalistischen Kriegsliteratur sind die positive Sinngebung des Todes sowie die Idealisierung der Kameradschaft als nationale ›Frontgemeinschaft‹. Abgesehen von Jünger, bei dem erstere Interpretation zweitrangig ist, messen die übrigen Literaten des Soldatischen Nationalismus dem Tod einen Sinn bei – als »Heldentod«, wohlgemerkt.576 Diejenigen Männer, die aufopferungsvoll gekämpft haben, dem ›Stahlbad‹ des Krieges aber nicht entronnen sind, fahren, so Schauwecker, mit dem »Glanz des Vaterlandes in ihren unsterblichen Augen […] schnurstracks in den Himmel hinein, empor zu den Göttern«.577 Ihr Geist geht dabei auf die Überlebenden über : »Wir sterben für die anderen, die unseres Volkes sind, damit der Geist zu ihnen komme, wenn wir nicht mehr sind. Diesen Geist zu befreien, das ist der Sinn unseres Todes«, schreibt Wehner. Eine solche 573 Hans Zöberlein kam hoch dekoriert aus dem Ersten Weltkrieg zurück, schloss sich einem Freikorps an und trat früh in die NSDAP ein. 1923 war er am Hitlerputsch in München beteiligt. Im Dritten Reich war Zöberlein Mitglied des SA-Kulturkreises, Präsident des Ordens der Bayerischen Tapferkeitsmedaille und wurde mit dem Blutorden und dem Goldenen Ehrenzeichen der Nazi-Partei ausgezeichnet. Als Kommandeur einer WerwolfGruppe ließ Zöberlein im April 1945 neun Bewohner des oberbayerischen Orts Penzberg hinrichten. Zuvor war dort der nationalsozialistische Bürgermeister von Bürgern abgesetzt worden, um den Vormarsch der Alliierten nicht weiter zu behindern. Vgl. Hans Sarkowicz: Zöberlein, Hans, in: Literatur Lexikon, Bd. 12, S. 518, sowie Walter Delabar : »Aufhören, aufhören, he, aufhören – hört doch einmal auf!« Hans Zöberlein: Der Glaube an Deutschland (1931), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 400–402. 574 Aufgrund der Nähe des Autors zum Nationalsozialismus war dem Buch nach 1933 ein großer Erfolg beschieden. Bis 1940 erreichte Der Glaube an Deutschland eine Auflage von 800.000 Exemplaren. 1933/34 wurde Zöberleins Roman unter dem Titel Stoßtrupp 1917 verfilmt. Vgl. Delabar : »Aufhören, aufhören, he, aufhören – hört doch einmal auf!«, S. 401f. 575 Zöberlein: Der Glaube an Deutschland, S. 543, 651 und 627f. 576 Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 186. 577 Ebd., S. 256.

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nachträgliche Sinngebung versöhnt zum einen mit dem vielfachen Tod, zum anderen hinterlässt sie den Überlebenden ein Vermächtnis. Deren Aufgabe ist es, das im Krieg noch »unsichtbare deutsche Reich«, welches seine Wurzeln in den Wunden der Toten habe, zu verwirklichen.578 Der Erste Weltkrieg bildet somit die moralische Basis für die neue nationalsozialistische Bewegung. Die Grundlage für die »Wiedergeburt der Nation aus dem Geiste des Krieges«579 ist diesem ideologischen Konstrukt zufolge die ›Frontgemeinschaft‹ der Soldaten in den Schützengräben. Während die Kameradschaft bei Remarque, so Schütz, von einem »elegischen Fatalismus« bestimmt ist und mit dem Kriegsende ohnehin ihre Existenzgrundlage verliert580, wird sie im nationalistischen Kriegsbuch zu einer heroisch verklärten »Blutsbrüderschaft auf Leben und Tod«.581 Neben dem beschriebenen »neuen Geist« zeichnet sie sich durch rassische Verbundenheit und die Nivellierung aller Klassengegensätze aus.582 So wird die entindividualisierte ›Frontgemeinschaft‹ zur Keimzelle der kommenden ›Volksgemeinschaft‹: »Die Nation war nur noch hier draußen, einzig und allein an der Front«, beschreibt Schauwecker in Aufbruch der Nation diesen Prozess.583 Die Nationalsozialisten übernahmen schließlich Themen und Ansichten der Literatur des Soldatischen Nationalismus, passten diese aber im Sinne ihrer Ideologie an, so Gerd Krumeich. Zum einen tendierten sie dazu, Kriegsgrauen und -leid zu verschweigen, zum anderen brachten sie »Verratstopoi« – etwa die Legende von den ›Novemberverbrechern‹ – ein, »die dem ursprünglichen soldatischen Erlebnisbericht ganz fremd waren«, urteilt Krumeich.584 Kriegskritische Literatur Im Westen nichts Neues war Ende der 1920er Jahre beileibe nicht der einzige kriegskritische Roman auf dem deutschen Buchmarkt. Bereits 1927/28 waren mit Georg von der Vrings Soldat Suhren, Arnold Zweigs Der Streit um den Sergeanten Grischa und Ernst Glaesers Jahrgang 1902 drei ebenfalls publizistisch sehr erfolgreiche Romane erschienen.585 Sie erreichten immerhin fünf- bis 578 579 580 581 582

Wehner : Sieben vor Verdun, S. 114f. und 244. Schütz und Vogt: Die »remarquable« Verwässerung des Krieges, S. 64. Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 205. Jünger : Feuer und Blut, S. 530. Vgl. Zöberlein: Der Glaube an Deutschland, S. 154, sowie Amberger : Männer, Krieger, Abenteurer, S. 66f. 583 Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 225. 584 Gerd Krumeich: Wie die Nazis den Ersten Weltkrieg gewannen. Politische und kulturelle Ansätze, in: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Der Erste Weltkrieg im Film, München 2009 (Edition Text + Kritik), S. 136. 585 Die beiden letzteren Werke sollen hier nicht weiter behandelt werden, da sie nicht das Fronterlebnis selbst thematisierten. Vernachlässigt wird ferner Edlef Köppens Heeresbe-

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sechsstellige Auflagenzahlen. Um die Jahreswende 1928/29 kulminierte diese Entwicklung dann in einem regelrechten Erinnerungsschub, als erst Ludwig Renns Krieg, einige Wochen später Im Westen nichts Neues und bald darauf Ernst Johannsens Vier von der Infanterie. Ihre letzten Tage an der Westfront 1918 veröffentlicht wurden. Gemeinsam war all diesen Büchern, dass sie den Krieg nicht wie in der nationalistischen Literatur als »Prüfstein der Männlichkeit und des Heldentums« darstellten, sondern als »Trümmerfeld der Humanität«, wie Kurt Sontheimer den großen Kontrast treffend benennt.586 Mit Remarque teilen Renn, von der Vring und Johannsen, deren Werke im Folgenden kurz skizziert werden, die allgemeine Desillusionierung und die Bewertung der Fronterfahrung als Katastrophe. Dem Opfer der eigenen physischen Existenz schreiben sie keinen Sinn zu – es bleibt, wie der gesamte Krieg, absurd. Zunächst zu Ludwig Renns Roman Krieg (1928), der mit Im Westen nichts Neues oft in einem Atemzug genannt wurde und nach Remarques Bestseller das seinerzeit erfolgreichste Kriegsbuch war.587 Das Besondere an Krieg ist, dass der Roman zu Beginn von Kritikern jeglicher politischer Couleur gelobt wurde und er vielfach nicht als kriegskritisch rezipiert wurde. Die Leser sahen in dem eigentlich fiktionalen Text einen Tatsachenbericht und rühmten diesen als

richt (1930). Das Buch blieb seinerzeit ohne breite Leserwirkung und stellte auch für die Presse keinen Diskussionsanlass dar. Zudem hatte die kriegskritische Literatur Mitte 1930 ihren Zenit bereits überschritten. Vgl. Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 214ff., sowie Roman Schafnitzel: Die vergessene Collage des Ersten Weltkrieges. Edlef Köppen: Heeresbericht (1930), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S, S. 324f. 586 Sontheimer: Antidemokratisches Denken, S. 95. 587 Ludwig Renn hieß eigentlich Arnold Friedrich Vieth von Golßenau und entstammte dem sächsischen Adel. 1910 begann der 1889 geborene Renn seine Offizierslaufbahn. Den Krieg machte er als Leutnant in einer Infanterieeinheit und später als Hauptmann von Anfang bis Ende mit und meldete sich gar zur Fronttruppe. Ende der 1920er Jahre wurde Renn Anhänger des Kommunismus. So war er etwa von 1928 bis 1932 Sekretär des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller (BPRS) und Herausgeber der Linkskurve. Sein Buch Krieg, für das er erstmals das Pseudonym Ludwig Renn verwendete, um seine Herkunft zu verschleiern, erschien Ende 1928. Innerhalb von zwei Jahren erreichte es eine verkaufte Auflage von 125.000 Exemplaren. Wegen »literarischen Hochverrats« wurde Renn 1932 erstmals verhaftet. Eine zweijährige Haftstrafe folgte 1933. Renn flüchtete 1936 in die Schweiz und ging 1939 ins mexikanische Exil, aus dem er erst 1947 nach Dresden zurückkehrte. Vgl. Thomas F. Schneider : Renn, Ludwig, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 792; PG: Renn, Ludwig, in: Deutsches Literatur-Lexikon, begründet v. Wilhelm Kosch, Bd. 12, 3., völlig neu bearb. Aufl., Bern u. a. 1990, Sp. 1008–1011, sowie Frank Raepke: Renn, Ludwig, in: Literatur Lexikon, Bd. 9, S. 392f.

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schlicht, ehrlich und untendenziös.588 Das lag in erster Linie daran, dass Renns gleichnamiger Protagonist diszipliniert ist, sich bereitwillig unterordnet und stets seine Pflicht erfüllt – sprich: immer versucht, ein ›guter‹ Soldat zu sein. Auch von den Rechten erhielt Renn für diese Tugendhaftigkeit Anerkennung – so lange, bis die kommunistische Presse Krieg nach dem Eintritt Renns in die KPD als ›ihr‹ Buch vereinnahmte.589 Dennoch setzt sich das Buch deutlich von der nationalistischen Kriegsliteratur ab. Schon der Hurrapatriotismus der Kameraden widert Renn an. In den ersten Schlachten plagt ihn eine »furchtbare Angst«; der Krieg ist ihm »unheimlich«. Stets schämt er sich für seine »Feigheit« und fühlt sich »so elend«.590 Renn stellt fest, dass das Festhalten an soldatischen Werten für ihn die einzige Stütze in einem Krieg ist, den er zunehmend als »gräßlich« empfindet. So kämpft er weiter, aus Pflichtgefühl, vor allem aber gegen die innere Desillusionierung und Vereinsamung. Dem Krieg und dessen Opfern gewinnt Renn keinen Sinn ab. Er glaubt »an nichts mehr« und ist sprachlos. Angesichts der »entsetzlichen Leere« fragt er sich: »Was sollte man nur sagen?«591 Außer Hoffnungslosigkeit bleibt ihm am Ende nichts. Zu einer persönlichen Revolte gegen den Krieg indes kann er sich nicht aufraffen. Ähnlich, aber doch leicht anders geartet, ist die Interpretation Georg von der Vrings. In seinem Roman Soldat Suhren (1927), der sowohl von der sozialdemokratischen als auch der liberalen Presse gutgeheißen wurde, schildert er die – erzwungene – Verwandlung vom sensiblen Künstler zum Soldaten. Den dabei hervorgerufenen Identitätsverlust beklagt von der Vring, der wie sein autobio-

588 Vgl. Ulrich Broich: »Hier spricht zum ersten Male der gemeine Mann.« Die Fiktion von Kriegserlebnis des einfachen Soldaten in Ludwig Renn: Krieg (1928), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 208 und 214f. Vgl. zur Rezeption von Krieg auch Klaus Hammer : »Einmal die Wahrheit über den Krieg schreiben«. Ludwig Renns ›Krieg‹ im Urteil der Zeitgenossen, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Kriegserlebnis und Legendenbildung. Das Bild des »modernen« Krieges in Literatur, Theater, Photographie und Film, Bd. 1, Osnabrück 1999 (Jahrbuch Krieg und Literatur, Bd. 3–4), S. 283–290. 589 Krieg, zwischen 1914 und 1924 entstanden, verrät noch nichts von der politischen Tendenz, die Renn später annahm. Der Verfasser beschränkt sich darauf, das Kriegsgeschehen mit größtmöglicher Aufrichtigkeit und Authentizität wiederzugeben. Er deutet nicht, sondern protokolliert. So ist Krieg kein proletarisches, sondern vielmehr ein kriegskritisches, aber unpolitisches Buch. Bedeutung maß ihm die KPD-Presse später bei, weil es die Wandlung Renns vom zaudernden Revolutionär zum überzeugten Kommunisten illustrierte, die er mit seinem Eintritt in die Partei abschloss. Vgl. Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 101ff. und 319ff.; Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 209, sowie Kap. 7.2.2.1, insb. S. 193f. 590 Ludwig Renn: Krieg, Frankfurt am Main 1929, S. 37, 82f., 87 und 110. 591 Ebd., S. 46, 175 und 324.

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grafischer Protagonist Suhren unfreiwillig an die Front kam592, als »Entselbstung«593 : »Was ist denn von Suhren geblieben? – Nichts. […] Er liegt im Stroh in einem Kleide, das er nicht erwählt; trägt ein Gewehr, um Menschen damit totzuschießen, die er nicht kennt; marschiert über Hügel, die nicht seine Heimat sind, und weiß nicht, wozu.«594 Für von der Vring ist der Krieg eine völlige Absurdität, die den Menschen entwürdigt. Zwar versucht er, Menschlichkeit zu bewahren; angesichts der traumatischen Erfahrung des Krieges macht aber auch der Künstler von der Vring eine als äußerst schmerzhaft empfundene Regression durch. So dominiert Melancholie den Roman – das klare Bekenntnis zum Humanismus wird dadurch jedoch nicht geschmälert.595 Der Fronterzählung Erich Maria Remarques am nächsten kommt Ernst Johannsens 1929 veröffentlichtes Kriegsbuch Vier von der Infanterie. Ihre letzten Tage an der Westfront 1918, das von der sozialdemokratischen Presse ausdrücklich als Arbeiterroman rezipiert wurde.596 In Übereinstimmung mit dem Verfasser von Im Westen nichts Neues bedauert Johannsen, dass der Mensch im Krieg »nur noch ein Automat, ein Grabentier, ein armes, stumpfes Wesen« ist.597 Verbittert, desillusioniert und voller Zukunftsangst, hegen seine Charaktere die Sehnsucht nach Frieden, der aber nur in ihren Träumen vorkommt. Dem »verfluchten Krieg« gewinnt Johannsen dementsprechend keinen höheren Wert ab: »Ein Spuk ist dies alles. Man möchte manchmal erwachen und schreien: Kerls, wir sind ja verrückt! […] Wir werfen uns Handgranaten zu, wir liegen in

592 Nach dem Examen wurde Georg von der Vring zum Kriegsdienst eingezogen. Als »guter Soldat wider Willen«, so von der Vring, erlitt er mehrere schwere Verwundungen und geriet in Gefangenschaft. Seine Erlebnisse verarbeitete er im 1927 erschienenen Roman Soldat Suhren, der bis 1930 rund 20.000 Mal verkauft wurde. Vgl. Harro Zimmermann: Vring, Georg von der, in: Literatur Lexikon, Bd. 12, S. 68f., sowie Horst Ohde: Vring, Georg von der, in: Bernd Lutz (Hg.): Metzler Autoren Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 2., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart/ Weimar 1994, S. 808. 593 Georg von der Vring: Soldat Suhren (1927), 6.–8. Aufl., Berlin 1928, S. 15. Vgl. auch Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 95. 594 Vring: Soldat Suhren, S. 236 und 156. 595 Vgl. auch Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 258ff. 596 Im ersten Jahr seiner Verlegung erreichte Vier von der Infanterie eine verkaufte Auflage von 20.000 Exemplaren. 1930 wurde das Buch von Georg Pabst als Westfront 1918 verfilmt. Vgl. Brian Murdoch: Tierische Menschen und menschliche Tiere. Ernst Johannsen: Vier von der Infanterie und Fronterinnerungen eines Pferdes (1929), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 249. 597 Ernst Johannsen: Vier von der Infanterie. Ihre letzten Tage an der Westfront 1918, 2. Aufl., Hamburg 1929, S. 29.

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Drecklöchern, wir schießen, wozu eigentlich? […] Laßt uns aufhören, wahnsinnig zu sein!«598 Das »Wir« umfasst die feindlichen Soldaten, die Johannsen wie Remarque als Leidensgenossen ansieht, da sie derselben Situation ausgeliefert sind: »Auch [der] Gegner ist Kamerad, auch er steht […] unter dem großen Ereignis, nur daß er eben Gegenspieler ist. […] Die sich wirklich mit Waffen bekämpfen, fühlen sich als Kameraden, fühlen sich verbunden.« Wie die Remarqueschen Soldaten machen die »Vier von der Infanterie« jedoch ebenfalls keinen Versuch, sich gegen den Fortgang des Krieges aufzulehnen. Komplett ohnmächtig wie sie sind, bleibt ihnen nur die Feststellung, dass die »Hölle vollkommen [ist]«. Das Fazit Johannsens fällt dann auch sehr resignativ aus: »Sie kämpften und wußten nicht mehr wofür, sie starben ohne Hoffnung, ohne Trost, ihrem Schicksal stumpf ergeben.«599

5.3.2. Fronterlebnis-Konzeptionen amerikanischer Schriftsteller »Here was a new generation […]; grown up to find all Gods dead, all wars fought, all faiths in man shaken.« F. Scott Fitzgerald, This Side of Paradise, 1920 »He commanded wonderful men. […] They were to stay until they were carried out to be buried. They were mortal, but unconquerable.« Willa Cather, One of Ours, 1922

Wie in Deutschland, Frankreich oder England nahm der Erste Weltkrieg auch in der amerikanischen Literatur einen großen Raum ein. Es kamen mehr Bücher über den ›Great War‹ auf den Markt als seinerzeit über den Amerikanischen Bürgerkrieg und später den Zweiten Weltkrieg.600 Und ähnlich wie die Zeitzeugenberichte der Soldaten von der Front (siehe Kapitel 4.2.) war auch die amerikanische Kriegsliteratur ambivalent. Es gab ein breites Spektrum zwischen lyrisch-philosophischer Romantisierung, stiller Kriegsabneigung, oberflächlicher Heroisierung und offener Desillusionierung. Das eigentliche Fronterlebnis stand dabei allerdings nie gleichermaßen im Zentrum wie in der deutschen Literatur. Dies lässt sich damit erklären, dass die soldatischen Kriegserfahrungen in den USA nicht annähernd so stark politisiert und ideologisiert wurden wie in Deutschland. Zudem war die Einsatzzeit der 598 Johannsen: Vier von der Infanterie, S. 77 und 34. 599 Ebd., S. 31, 89 und 108f. 600 Vgl. William E. Matsen: The Great War and the American Novel. Versions of Reality and the Writer’s Craft in Selected Fiction of the First World War, New York 1993 (American University Studies, Rh. 14: American Literature, Bd. 48), S. 2f.

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amerikanischen Soldaten an der Front schlichtweg kürzer und ihre Gesamtzahl deutlich kleiner, sodass sich dies naturgemäß auch in der literarischen Verarbeitung quantitativ niederschlug. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit des individuellen Todes auf dem Schlachtfeld und des gesamten Opfers der Vereinigten Staaten für Europa kam indes immer wieder auf. Solange der Erste Weltkrieg noch im Gange war, dominierte in den USA eine romantisierende, teilweise geradezu propagandistische Literatur. Darin wurden die jungen Soldaten als Retter der europäischen Kultur stilisiert, die auf einer fast schon heiligen Mission gegen das Böse zugleich die amerikanischen Werte wiederbelebten und dem Land seinen verdienten Platz in der Nachkriegsordnung sicherten. Auf die Front bezogen, wurden Werte wie Opferbereitschaft, Pflichterfüllung und Kameradschaftsgeist herausgestellt. Viele Autoren dieser kriegsbeschönigenden Literatur waren indes selbst nicht Zeuge des technisierten Krieges in Europa gewesen; sie griffen vielmehr mit einer Menge Pathos auf die Erinnerungen an den Amerikanischen Bürgerkrieg zurück.601 Anders war dies bei Alan Seeger602, der posthum in den Rang eines Volksdichters erhoben wurde und der einzige amerikanische Lyriker über den Ersten Weltkrieg war, der in eine Reihe mit den englischen Frontpoeten Wilfred Owen, Robert Graves und Siegfried Sassoon gestellt wurde.603 Offensichtlich einen persönlichen Sinn suchend, betrachtete Seeger – wie zunächst viele Intellektuelle – den Krieg als Prüfstein für Männlichkeit und als Quell eines neuen Kameradschaftsgeistes in einem positiven Licht. Klassische vaterländische Werte vereinten sich bei ihm mit Übermenschphantasien ähnlich denen des Soldatischen Nationalismus und seiner ganz eigenen, fatalistischen Erwartung eines frühen, ruhmreichen Todes.604 »If it must be, let it come in the heat of action. Why flinch? It is by far the noblest form in which death can come. It is in a sense 601 Vgl. Matthews: American Writing, S. 222f. 602 Alan Seeger stammte aus einer gut situierten Ostküstenfamilie. In New York geboren, wuchs er auf Staten Island und in Mexiko auf. Später studierte er an der renommierten Harvard-Universität Literatur und traf dort unter anderem auf Walter Lippmann und John Reed, die sich ebenfalls einen Namen als Publizisten machen sollten. Zeitweise war Seeger auch Chefredakteur des Hochschulmagazins The Harvard Monthly. Nach Abschluss seines Studiums einige Jahre als Bohemien im New Yorker Greenwich Village und anschließend dem Pariser Quartier Latin lebend, meldete sich Seeger beim Kriegsausbruch freiwillig zum Dienst in der französischen Fremdenlegion. Im Juli 1916 fiel er mit 28 Jahren in der Schlacht an der Somme. Siehe zu Seegers Biografie die Einführung in seinem Gedichtband Poems (1916), Ann Arbor, Mich. 1996 (University of Michigan Humanities Text Initiative) [online], verfügbar unter: http://name.umdl.umich.edu/BAD7802.0001.001 [26. 8.2018], sowie Jack Salzman (Hg.): The Cambridge Handbook of American Literature, Cambridge u.a. 1986, S. 218. 603 Vgl. Capps: The Literature of the AEF, S. 197. 604 Vgl. Eric Homberger : Alan Seeger 1888–1916, in: Tim Cross (Hg.): Lost Voices of World War I. An International Anthology of Writers, Poets and Playwrights, London 1988, S. 33f.

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almost a privilege […]«, schrieb der Autor im Mai 1915 in einem Brief von der Front.605 Seegers wohl bekannteste Zeilen stammen aus dem 1916 entstandenen Gedicht I Have a Rendezvous with Death, in dem er seine Todesahnung lyrisch thematisierte: »But I’ve a rendezvous with Death / At midnight in some flaming town / When Spring trips north again this year / And I to my pledged word am true / I shall not fail that rendezvous.«606

Andere häufig rezipierte Werke Seegers waren The Aisne (1914–1915) sowie A Message To America (1916), in denen er den Geist in den Gräben glorifizierte (»hearts worthy of the honour«; »that high fellowship was ours«) und die Jugend Amerikas zum freiwilligen Kampf an der Seite Frankreichs anstachelte (»You are virile, combative, stubborn, hard – But your honor ends with your own backyard«).607 In Bezug auf das soldatische Fronterlebnis bezeichnete der Literat die Kriegserfahrung – speziell das Mitlaufen in der ersten Angriffswelle – zwar als erhaben (»supreme experience«)608, er räumte aber ein, das Geschehen an der Front sei für den gewöhnlichen Soldaten alles andere als romantisch.609 Seeger übernahm auch nicht das von Propaganda geprägte deutsche Feindbild. So äußerte er keine Antipathien für die Soldaten auf der anderen Seite der Front, sondern beschrieb sie als humane Wesen – Familienväter, Söhne, Ehemänner –, die keinesfalls Monstren gewesen seien. »The hymns of hate, the rancor and vindictiveness are the expressions of non-combatants whose venom has time to accrue in the quiet of studies far from the noise of the cannon«, wandte sich Seeger im Frühjahr 1915 in einem Brief an die New York Sun gegen die Propaganda von der Heimatfront.610 Die Tatsache, dass der intellektuelle Schriftsteller aus gutem Hause eben kein simpler Nationalist und Chauvinist war, machte ihn schichtenübergreifend populär. Insbesondere in den Monaten vor und nach dem Kriegseintritt der USA wurde Seeger breit rezipiert, vor allem innerhalb seiner Generation. Mit der Vorstellung eines glorreichen Todes für Demokratie und Vaterland nach dem Vorbild des Literaten konnten sich viele junge Amerikaner im Jahr 1917 noch

605 Alan Seeger : Letters and Diary, New York 1917, S. 108. 606 I Have a Rendezvous with Death erschien erstmals im Oktober 1916 in der traditionsreichen Literaturzeitschrift North American Review in New York, Nr. 731, Oktober 1916 (102. Jg.), Bd. 204, S. 594. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden Alan Seegers Gedichte durch den noch zum Ende seines Todesjahres veröffentlichten Sammelband Poems. 607 Seeger : Poems (1916), S. 132–134 und 163–167. 608 Seeger am 28. Juni 1916 in einem Brief an einen Freund, der sein letztes Lebenszeichen sein sollte. Vgl. Seeger : Letters and Diary, S. 211. 609 Seeger am 8. Dezember 1914 in einem Brief an die New York Sun. Ebd., S. 29. 610 Seeger am 28. April 1915 in einem weiteren Brief an die New York Sun. Ebd., S. 100.

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identifizieren – während im zunehmend kriegsmüden England und Frankreich die Stimmung langsam umschlug, auch unter den Lyrikern.611 Kritische, geschweige denn desillusionierende Berichte hatten es während des Krieges freilich schwer : Sie wurden von Verlagen in der Regel abgelehnt oder erst nach 1918 veröffentlicht. Dies geschah auch auf staatlichen Druck hin. So wollte die Propagandaabteilung CPI unbedingt den Mythos eines ritterlichen Krieges aufrechterhalten.612 Aber es gab einige wenige, explizit linksorientiere Publizisten wie John Reed oder Randolph Bourne, die gegen die offizielle Linie anschrieben und Verleger fanden, die ihre pazifistischen Werke druckten. So erschienen in den Zeitschriften Seven Arts und Four Lights in den beiden letzten Kriegsjahren regelmäßig völkerversöhnende Gedichte und Kurzgeschichten, die Empathie für die Feinde ausdrückten, welche nach dieser Lesart selbst Opfer des Krieges geworden waren.613 »[T]he real enemy is War rather than the imperial German«, schrieb beispielsweise Bourne im Juni 1917.614 Mit dem Friedensvertrag von Versailles trat alsbald Ernüchterung in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft ein. Positive Konnotationen des Krieges und Rechtfertigungen für die Teilnahme der USA an diesem traten zunehmend in den Hintergrund. Hehre Ideale wie der Kampf für Freiheit und Demokratie, christliche Moral und patriotische Gefühle machten einer Desillusionierung Platz, die viele Rückkehrer von der Front mit- und anschließend zu Papier brachten: »A generation of writers returned from the war to report that their elders had been mistaken, that the direct experience of war had shaken their confidence in Western faith in progress, reason, technology, and democratic capitalism«, skizziert John T. Matthews die zu dieser Zeit vorherrschende Stimmungslage.615 Vom Kriegserlebnis aus ihren vielfach noch viktorianisch geprägten Jugendträumen gerissen, stellte die Mehrheit der schriftstellerisch tätigen Veteranen fest, dass traditionelle Werte wie Opferbereitschaft und Heldentum in einer Welt des massenhaften unpersönlichen Tods keinen Wert mehr hatten. Genauso wenig habe das Ausmaß menschlichen Leids im Verhältnis zu den aus ihrer Sicht enttäuschenden politischen Veränderungen nach 1918 gestanden, urteilten die meisten. »Here was a new generation […]; grown up to find all Gods 611 Vgl. Mead: The Doughboys, S. 50. 612 Vgl. Quinn: The Conning of America, S. 200f. 613 Vgl. Cynthia Wachtel: Encountering the Enemy. Representations of German Soldiers in American World War I Literature, in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): »Huns« vs. »Corned Beef«. Representations of the Other in American and German Literature and Film on World War I, Göttingen 2007 (Schriften des Erich Maria RemarqueArchivs, Bd. 21), S. 72–76. 614 Randolph Bourne: The War and the Intellectuals, in: Seven Arts, Nr. 2, Juni 1917, S. 133. 615 Matthews: American Writing, S. 229.

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dead, all wars fought, all faiths in man shaken«, schrieb F. Scott Fitzgerald 1920 in seinem Roman This Side of Paradise und lieferte damit ein Leitzitat für die bald auch als ›verloren‹ bezeichnete Generation.616 Ihre literarischen Wortführer wurde eine Gruppe von »desillusionierten Romanciers«, so Manfred Henningsen, die sich nach dem Krieg in Paris trafen.617 Nicht alle waren als Infanteristen aktiv an der Front gewesen, aber alle hatten sich nach der Katastrophe des Krieges von ihrem früheren Leben und Idealen entfremdet und trugen ein Gefühl der Desillusion und leiser Revolution in sich. Zu den Vertretern dieser ›Lost Generation‹618, die größere Bekanntheit erlangten, gehörten neben dem zuvor erwähnten F. Scott Fitzgerald unter anderem John Dos Passos, E. E. Cummings, Ezra Pound, Louis Bromfield, Harry Crosby, Archibald MacLeish und der etwas später zu Ruhm kommende Ernest Hemingway.619 In der französischen Künstlermetropole nahmen diese entwurzelten Männer zum einen den Skeptizismus und Experimentalismus der europäischen Moderne auf, zum anderen distanzierten sie sich vom materialistischen, konformen und – so ihrer Meinung nach – provinziellen Lebensstil in der Heimat.620 Die Nachkriegsnormalität unter dem 1921 ins Präsidentenamt gekommenen Warren G. Harding stand aus ihrer Sicht in einem starken Widerspruch zu der brutalen Realität des Krieges, und der wieder aufkeimende amerikanische Isolationismus konterkarierte die einst hehren Friedensziele Präsident Woodrow Wilsons für den europäischen Kontinent.621 Während sie den Krieg anfangs noch als Sensation gutgeheißen hatten, als Experiment, das die Menschheit nackt in ihrer ganzen Rohheit, Brutalität und Emotionalität zeige – vollkommen befreit von den Schranken der Zivilisation –, empfanden diese jungen, avantgardistischen Schriftsteller das dann am eigenen Leib erfahrene oder zumindest aus nächster Nähe beobachtete moderne

616 Vgl. Parrish: Anxious Decades, S. 183 und 188f. 617 Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis, S. 376. 618 Der Begriff »Lost Generation« geht auf eine Bemerkung der Schriftstellerin Gertrude Stein gegenüber Ernest Hemingway zurück und umfasste aus ihrer Sicht alle Kriegsteilnehmer: »You are all a lost generation.« Hemingway stellte Steins Worte seinem 1926 veröffentlichten Roman The Sun Also Rises voran. Vgl. Aribert Reimann: Lost Generation, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 684. 619 Vgl. Heideking: Geschichte der USA, S. 287. 620 Vgl. Vincent Sherry : The Great War and Literary Modernism in England, in: ders. (Hg.): The Cambridge Companion to the Literature of the First World War, Cambridge 2005, S. 124. 621 Vgl. Reimann: Lost Generation, S. 684.

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Kriegsgeschehen als traumatisches Erlebnis, an dem sie noch in den Folgejahren litten.622 Schreiben wurde für sie so auch zu einem therapeutischen Akt. Einer der ersten, der die an der Heimatfront einst vorherrschenden Ansichten über den Krieg ins totale Gegenteil verkehrte und diesen in seinem ganzen schrecklichen Realismus schilderte, war John Dos Passos.623 In seinem 1921 erschienenen Roman Three Soldiers beschreibt er das Schicksal dreier amerikanischer Soldaten, für die das Frontleben alles andere als ein »Great Crusade« ist. Stattdessen sind die Protagonisten in einer despotischen Militärmaschinerie gefangen, die sie letztlich zerstört – wenn nicht körperlich, dann zumindest seelisch.624 Einer der drei Soldaten, Dan Fuselli, hat ob des Kriegserlebnisses keine Erwartungen ans Leben mehr. Er ist hoffnungs- und illusionslos, kann weder lieben noch an Moral glauben und strebt allein nach profanen Befriedigungen wie gutem Essen, Alkohol und Sex. Sein Kamerad John Andrews, ein gebildeter Freigeist, wird angesichts der Schikanen in der Armee gegen den einfachen Soldaten blind vor Wut, denkt unaufhörlich daran, zu desertieren oder an seinem Vorgesetzten Rache zu nehmen.625 Bereits ein Jahr vor seiner Erzählung über die drei Soldaten hatte Dos Passos One Man’s Initiation: 1917 veröffentlicht, worin sich ebenso autobiografische Rückbezüge auf seine Kriegserfahrungen als Ambulanzfahrer finden. »How stupid we were before the war«, bemerkt sein Protagonist Martin Howe. »I used to think […] that it was my family I must escape free; I mean all the conventional ties, the worship of success and the respectabilities that is drummed into you

622 Vgl. Malcolm Bradbury : The Denuded Place: War and Form in Parade’s End and U.S.A., in: Holger Klein (Hg.): The First World War in Fiction. A Collection of Critical Essays, London u. a. 1976, S. 203, sowie Kennedy : Over Here, S. 223. 623 Im Juli 1917 meldete sich der damals 21-jährige John Dos Passos freiwillig als Sanitätsfahrer bei der privaten Norton-Harjes-Ambulanz in Frankreich. Begleitet wurde er unter anderem von seinem Freund und Schriftstellerkollegen E. E. Cummings. Später war Dos Passos für das Amerikanische Rote Kreuz in Norditalien an der Front. Nach dem Krieg lebte der Autor in Paris und studierte einige Semester Anthropologie an der Sorbonne. 1920 ging er vorrübergehend in die USA zurück. Dort wurden seine ersten beiden Bücher One Man’s Initiation: 1917 und Three Soldiers trotz stellenweiser Zensur sehr kontrovers aufgenommen, da die Schrecken des Krieges nie zuvor derart ungeschönt und ablehnend von einem amerikanischen Schriftsteller beschrieben worden waren. Während Dos Passos’ spätere Romane, insbesondere Manhattan Transfer (1925) und die Trilogie U.S.A. (1930 bis 1936), weitgehend positiv in seiner Heimat rezipiert wurden, gehörte er in Deutschland 1933 zu den Autoren, deren Werke den Bücherverbrennungen der Nazis zum Opfer fielen. Vgl. Cooperman: World War I, S. 238f., sowie Fussell: The Great War and Modern Memory, S. 221. 624 Vgl. Matsen: The Great War, S. 76f. und 104–108. 625 Vgl. Stanley Cooperman: John Dos Passos’ Three Soldiers: Aesthetics and the Doom of Individualism, in: Holger Klein (Hg.): The First World War in Fiction. A Collection of Critical Essays, London u. a. 1976, S. 23–31.

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when you’re young.«626 Doch der Ausbruch aus den Konventionen der Heimat misslingt; er endet in der geradezu absurden Deformation menschlicher Körper auf den Schlachtfeldern. Wie auch in Three Soldiers kommt Dos Passos zu dem Fazit, dass nicht die gegnerischen Armee, sondern die Kriegsmaschinerie selbst der größte Feind der Soldaten ist, in der sie nicht mehr sind als Sklaven: »Of all slaveries, the slavery of war, of armies, is the bitterest, the most hopeless slavery«, lautet ein Kernsatz in One Man’s Initiation: 1917.627 Nur kurz nach Dos Passos veröffentlichte dessen Freund E. E. Cummings sein Erstlingswerk The Enormous Room. In dem 1922 erschienenen Buch verarbeitete der Autor neben der Kriegserfahrung als Sanitätsfahrer vor allem seine Inhaftierung in Frankreich.628 In einem surrealistischen Stil gehalten, spielt The Enormous Room in einem Gefangenensaal eines französischen Provinzgefängnisses, das voller Anti-Helden ist. Dabei ist der »enorme Raum« der Krieg selbst, dessen Gefangene – oder vielmehr Opfer – von jeglicher Bedeutung abgeschnitten sind. Zeit und Raum sind außer Kraft gesetzt, einzig die Vernichtungsmaschinerie tickt unaufhörlich weiter. Der Krieg existiert bei Cummings somit nur im allegorischen Sinne, weshalb Leser, die ein Kriegsbuch erwarteten, zuweilen enttäuscht waren.629 Sowohl Cummings als auch Dos Passos demaskierten die Rhetorik der Kriegspropaganda schonungslos.630 Dies wurde in den frühen 1920er Jahren geteilt aufgenommen. In linksliberalen Kreisen und auch bei der überwiegenden Zahl der Literaturkritiker stießen die ersten Werke der ›Lost Generation‹ auf Zustimmung, wogegen der Antikriegstenor konservativen Kräften missfiel.631 Letztere waren weiterhin empfänglich für traditionelle Sichtweisen auf den Krieg

626 John Dos Passos: One Man’s Initiation: 1917, New York 1920, S. 143f. 627 Ebd., S. 134. 628 E. E. Cummings schloss sich als 20-jähriger Harvard-Absolvent neben seinem Studienkollegen John Dos Passos der Norton-Harjes-Ambulanz in Frankreich an. Wegen kriegskritischer und unpatriotischer Äußerungen und Briefen wurden er und sein Freund William Slater Brown unter dem Verwurf der verschwörerischen Tätigkeit verhaftet und dreieinhalb Monate lang in Gewahrsam genommen. Seine Erfahrungen im Militärgefängnis unter Bedingungen der Massenhaft flossen in den 1922 veröffentlichten Roman The Enormous Room ein. Nach seiner Freilassung 1918 kehrte Cummings in die USA zurück, verbrachte aber zwischen 1920 und 1930 viel Zeit in Paris. Dort verkehrte er intensiv mit anderen bekannten Schriftstellern und Malern. Cummings gilt bis heute als einer der bedeutendsten amerikanischen Dichter und Literaten des 20. Jahrhunderts. Vgl. Christopher Sawyer-LauÅanno: E. E. Cummings. A Biography, Naperville, Ill. 2004, insb. S. 107– 132 und 173–228. 629 Vgl. Cooperman: World War I, S. 172f., sowie Kennedy : Over Here, S. 223. 630 Vgl. Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis, S. 372. 631 Vgl. Patrick Paul Christle: The Beleaguered Individual. A Study of Twentieth-Century American War Novels, phil. Diss., Knoxville 2001, S. 38.

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und rezipierten beispielsweise die Schriftstellerinnen Edith Wharton und Willa Cather positiv.632 Wharton hatte den ›Great War‹ bereits 1915 in der Artikelserie Fighting France und 1918 in der Erzählung The Marne zum Thema gemacht, bevor sie 1923 A Son at the Front veröffentlichte.633 Den Krieg an sich lehnte die 1921 mit dem Pulitzer-Preis634 ausgezeichnete Schriftstellerin einerseits ab, andererseits rechtfertigte sie die amerikanische Beteiligung aus moralischen Gründen.635 »Unlike the Germans, who lust for territory, wealth, and physical gratification, defenders of the idea of France act on behalf of beauty, selflessness, and spiritual fulfillment«, umschreibt John T. Matthews Whartons Weltsicht.636 Zudem sah sie im Krieg einen Quell der Erneuerung, der die besten Eigenschaften einer jeden Nation und eines jeden Individuums hervorbringe – wobei dies natürlich nur für die auf der guten Seite Stehenden galt: »War is the greatest of paradoxes: the most senseless and disheartening of human retrogressions, and yet the stimulant of qualities of soul which, in every race, can seemingly find no other means of renewal«, schrieb Wharton in Fighting France.637 Wie in ihren anderen Büchern auch, kommt im später veröffentlichten Roman A Son at the Front das ganze Leid des Krieges nicht vor – die Schriftstellerin beschreibt weder Schlachtszenen, Verwundung noch Tod. Stattdessen fokussiert sich Wharton auf die Heimatfront und schildert die Auswirkungen des Krieges auf eine Familie, deren Sohn als Soldat kämpft. Die Sorgen der Eltern um ihr Kind stehen dabei im Kontrast zu dessen eigener Opferbereitschaft, welche von der Autorin nie infrage gestellt wird. Obwohl zuweilen als Antikriegsbuch tituliert, stieß A Son at the Front wegen der Ausblendung der Kriegsschrecken und seines patriotischen Untertons auf Kritik, vor allem unter Autoren der ›Lost Generation‹ und deren Anhängern. Noch stärker als Wharton bediente sich Willa Cather in ihrem 1922 erschienenen Roman One of Ours klassischen Wertvorstellungen wie Heroismus 632 Vgl. Kennedy : Over Here, S. 229, sowie Quinn: The Conning of America, S. 211. 633 Edith Wharton, Jahrgang 1862, entstammte einem guten Hause und verkehrte in den höchsten Kreisen der amerikanischen Gesellschaft. Als sie einige Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Frankreich übersiedelte, hatte sie sich als Schriftstellerin – nicht nur in der Heimat – bereits einen Namen gemacht. Während des Krieges blieb sie in Paris und engagierte sich für Kinder, arbeitslose Frauen und Flüchtlinge. Zudem bereiste sie mehrfach die Front und verarbeitete ihre Eindrücke literarisch und journalistisch. Die frankophile Wharton galt als glühende Verfechterin des amerikanischen Kriegseinsatzes und war dem französischen Imperialismus nicht abgeneigt. Vgl. Alan Price: The End of the Age of Innocence. Edith Wharton and the First World War, New York, 1998. 634 Der Pulitzer-Preis wurde Wharton für The Age of Innocence verliehen. In der Pulitzer-Jury und auch unter Literaturkritikern war die Auszeichnung allerdings nicht unumstritten. 635 Vgl. Kennedy : Over Here, S. 221, sowie Buitenhuis: The Great War of Words, S. 153. 636 Matthews: American Writing, S. 226. 637 Edith Wharton: Fighting France. From Dunkerque to Belfort (1915), New York 1917, S. 53.

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und Pflichterfüllung.638 Aus ihrer Sicht war das Opfer für die beiden Kulturnationen Frankreich und England berechtigt, um damit zugleich die Größe der Vereinigten Staaten idealistisch und moralisch zu erneuern. Zudem gab der Krieg ihrer Auffassung nach den jungen amerikanischen Männern die Chance, sich aus den Fesseln der Gesellschaft zu befreien und sich an der Front zu beweisen. So ist ihr Protagonist Claude Wheeler froh, seine unglückliche Ehe und die beruflichen Verpflichtungen im Familienbetrieb hinter sich zu lassen – und findet als Soldat in Frankreich schließlich seine Mission. Der höhere Sinn seines Einsatzes, der Reiz des Abenteuers und vorher nie gekannte Kameradschaft erfüllen Wheeler.639 Zwar stirbt der Protagonist im Kugelhagel der »Hunnen«, doch wie die anderen »wundervollen Männer« geht er heldenhaft und stoisch in den Tod: »The blood dripped down his coat, but he felt no weakness. He felt only one thing; that he commanded wonderful men. […] They were to stay until they were carried out to be buried. They were mortal, but unconquerable.«640 Für One of Ours erhielt Cather 1923 den Pulitzer-Preis, was durchaus umstritten war.641 In einer kriegskritischen Gesellschaft schienen Cathers »stereotypes of war rhetoric, the picture of clean-cut American boys marching to save the world« überkommen, so Stanley Cooperman.642 Andererseits zeigt die überwiegend positive Rezeption des Romans in konservativen Kreisen, dass es auch in den USA eine Art Kulturkampf um die künstlerische Verarbeitung des ›Great War‹ gab. Demnach dominierten die desillusionierenden Kriegserzählungen der Schriftsteller der ›Lost Generation‹ die Öffentlichkeit bis Mitte der 1920er Jahre keineswegs. Erst gegen Ende des Jahrzehnts erreichte die literari-

638 Willa Cather arbeitete in jungen Jahren als Lehrerin und später als Journalistin für Gesellschaftsmagazine. 1905, im Alter von 32 Jahren, wurde ihr erstes Buch veröffentlicht, eine Sammlung von Kurzgeschichten. Kurz darauf verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt von Pittsburgh nach New York und schrieb für McClure’s Magazine. Zwischen 1913 und 1918 erschien die erfolgreiche Great-Plains-Trilogie, in der sie ihr Aufwachsen im ländlichen Nebraska thematisierte. Grundmotive in ihren Werken waren stets eine gewisse Romantik und Nostalgie sowie Heimatliebe. Dem Ersten Weltkrieg widmete sich Cather erstmals 1922 in One of Ours. Da sie während der Kriegsjahre nicht in Europa gewesen war, wurde kritisiert, dass ihre Vorstellung vom Frontgeschehen auf Filmen wie Birth of a Nation und Literatur beruhen würde. Cather blieb trotz immer wieder geäußerten Vorbehalten gegenüber ihrer konservativen Weltsicht eine populäre Schriftstellerin, die mit Werken wie The Professor’s House (1925), Shadows on the Rock (1931) oder Lucy Gayheart (1935) Erfolge feierte. Vgl. ausführlich bei Marilee Lindemann (Hg.): The Cambridge Companion to Willa Cather, Cambridge u. a. 2005, sowie Timothy Parrish: Willa Cather, in: ders. (Hg.): The Cambridge Companion to American Novelists, Cambridge u. a. 2013, S. 82–91. 639 Vgl. Quinn: The Conning of America, S. 133, sowie Cooperman: World War I, S. 129. 640 Willa Cather : One of Ours (1922), Whitefish, Montana 2004, S. 453. 641 Vgl. Matthews: American Writing, S. 227, sowie Kennedy : Over Here, S. 218. 642 Cooperman: World War I, S. 30.

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sche Neubewertung des Krieges ihren Höhepunkt, während konventionelle patriotische Literatur an Bedeutung verlor. Ein wichtiger Wegbereiter dorthin war Ernest Hemingway, der Cathers Bilderbuchpanoramen des Krieges im Übrigen scharf kritisierte und der Schriftstellerin jegliche Kenntnis der Frontrealität absprach.643 Die literarische Verarbeitung seiner eigenen Kriegserfahrung als freiwilliger Rotkreuzfahrer hatte sich 1924 bereits in der Kurzgeschichtensammlung In Our Time niedergeschlagen.644 Das Thema baute Hemingway 1926 in The Sun Also Rises weiter aus. Das Buch trug Gertrude Steins Ausspruch »You are all a lost generation« als Epigraph und machte Hemingway fortan zum Leitautor jener gleichnamigen Gruppe von Schriftstellern. Endgültigen Ruhm brachte ihm dann 1929 A Farewell to Arms ein. In dem in Teilen autobiografischen Roman beschreibt Hemingway den Rückzug der italienischen Armee von der Isonzo-Front im Herbst 1917 und spart vom Leid, Dreck, Chaos und der Obszönität des Krieges nichts aus. Unter anderem schildert er, wie italienische Militärpolizisten reihenweise vermeintliche Deserteure exekutieren und somit immer mehr Menschen – unabhängig von ihrer Nationalität – Teil und Opfer der Kriegsmaschinerie zugleich werden, welche fortdauernd weiter tickt, scheinbar ohne Ziel und Sinn.645 Und während die Soldaten ihrem unvermeidlichen Ende entgegengehen, bietet ihnen der Krieg nicht einmal die Chance zur Bewährung ihrer Männlichkeit und ihres Mutes, denn zum – gesichtslosen – Feind haben sie keine Beziehung.646 643 Vgl. Steven Trout: Antithetical Icons? Willa Cather, Ernest Hemingway, and the First World War, in: Guy Reynolds (Hg.): Willa Cather as Cultural Icon, Lincoln, Nebr./London 2007 (Cather Studies, Bd. 7), S. 269, sowie Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis, S. 370. 644 Der 1899 in Oak Park nahe Chicago in eine angesehene bürgerliche Familie hineingeborene Ernest Hemingway meldete sich kurz nach seinem Highschool-Abschluss 1917 als Freiwilliger bei der US-Armee, wurde wegen einer Sehschwäche aber abgelehnt. 1918 trat er dem Amerikanischen Roten Kreuz bei und diente ab Juni an der italienischen Front als Ambulanzfahrer. Anfang Juli wurde der damals erst 18-Jährige während der zweiten Piaveschlacht von Granatsplittern und Gewehrkugeln schwer verwundet. Trotz seiner Verletzungen half er mehreren italienischen Soldaten aus der Gefahrenzone heraus und wurde hierfür mit der italienischen Tapferkeitsmedaille in Silber ausgezeichnet. Nach einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt kehrte Hemingway Anfang 1919 nach Nordamerika zurück. In Toronto und Chicago arbeitete er als Journalist, bevor er mit seiner ersten Frau Hadley bereits 1921 wieder die Koffer packte und nach Paris umsiedelte. Dort wurde Hemingway ein zentrales Mitglied des internationalen Künstler- und Literatenkreises und verkehrte regelmäßig mit Gertrude Stein, James Joyce, Ezra Pound und Malern wie Pablo Picasso, Joan Mirj und Juan Gris. Vgl. u. a. Matsen: The Great War, S. 62 und 151. 645 Vgl. Parrish: Anxious Decades, S. 187–190. 646 Vgl. Michael Garrety : Love and War : R. H. Mottram, The Spanish Farm Trilogy, and Ernest Hemingway, A Farewell to Arms, in: Holger Klein (Hg.): The First World War in Fiction. A Collection of Critical Essays, London u. a. 1976, S. 18–20, sowie James Dawes: The Language

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So wird der Protagonist in A Farewell to Arms, Frederic Henry, einmal nach seinen heldenhaften Taten gefragt. Er erwidert, es gebe keine, und erwähnt beiläufig eine ganz und gar unheroische Szene, bei der er schwer verwundet wird: »I was blown up while we were eating cheese.«647 Diese Lakonie ist typisch für Hemingways Antihelden, die jegliche Moral, Hoffnung und Romantik verloren haben.648 Damit wirkt sein Buch noch defätistischer als die zuvor erschienenen Werke der Autoren der ›Lost Generation‹ – und auch sinnentleerter als der oft als Vergleich herangezogene Erfolgsroman Remarques, in dem immerhin noch Kameradschaftsgeist und Empathie gegenüber dem Feind existieren. A Farewell to Arms macht deutlich, dass der Krieg – anders als einst vom jungen Kriegsfreiwilligen Hemingway herbeigesehnt – nicht die erhoffte gesellschaftliche und individuelle Erneuerung gebracht hat. Statt als progressives, zeigt er sich an der Front als gänzlich destruktives Element, das den Glauben an den Fortschritt der Menschheit schwer erschüttert hat. Gleichzeitig kritisiert der Schriftsteller die Verlogenheit der Gesellschaft, deren falsche Kriegsideologie an der Heimatfront er mit einfacher Sprache enthüllt.649 Die Desillusionierung führt in der Fiktion dazu, dass Hemingways Protagonist desertiert. Allerdings bleibt ihm nach der Rückkehr von der Front nur die eigene Körperlichkeit, welche auf die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse reduziert ist, während sein Geist dauerhaft leidet: »I was not made to think. I was made to eat. My God, yes. Eat

of War. Literature and Culture in the U.S. from the Civil War Through World War II, Cambridge, Mass./London 2002, S. 98. 647 Ernest Hemingway : A Farewell to Arms, New York 1929, S. 63. Obwohl Hemingway weniger detailliert als beispielsweise John Dos Passos, Thomas Boyd (Through the Wheat, 1923), James Stevens (Mattock, 1927) oder später William March (Company K, 1933) die physische Deformation der Soldaten beschreibt, macht er keinen Hehl aus den Folgen des industriellen Krieges für das Individuum: »He didn’t have a sabre cut. They blew him all to bits«, heißt es über den Tod eines jungen Amerikaners, der zuvor gehofft hatte, »sauber« und heroisch zu sterben. Vgl. Hemingway : A Farewell to Arms, S. 20. 648 Vgl. Matsen: The Great War, S. 128 und 132. 649 Sehr gut zusammengefasst ist Hemingways Sicht im folgenden bekannten Zitat: »I was always embarrassed by the words sacred, glorious, and sacrifice and the expression in vain. We had heard them, sometimes standing in the rain almost out of earshot, so that only the shouted words came through, and had read them, on proclamations that were slapped up by billposters over other proclamations, now for a long time, and I had seen nothing sacred, and the things that were glorious had no glory and the sacrifices were like the stockyards at Chicago if nothing was done with the meat except to bury it. There were many words that you could not stand to hear and finally only the names of places had dignity. Certain numbers were the same way and certain dates and these with the names of the places were all you could say and have them mean anything. Abstract words such as glory, honor, courage, or hallow were obscene beside the concrete names of villages, the numbers of roads, the names of rivers, the numbers of regiments and the dates.« Hemingway : A Farewell to Arms, S. 184f.

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and drink and sleep with Catherine«, stellt Henry fest.650 Sein Leben empfindet er als gänzlich banal, nichts macht mehr einen Unterschied – ein typisches Element der amerikanischen ›Lost Generation‹-Literatur. Wie so viele andere Veteranen hat Henry keinen Antrieb mehr, keine Ziele, keine Ambitionen. Die Verbindung zu seinem früheren Leben, den Plätzen der Jugend ist gekappt; von der Zukunft erhofft er sich nichts. Hierbei ähneln sich Hemingways und Remarques ›verlorene‹ Kriegsgeneration sehr, stellen sie doch inhärent dieselben Fragen: Wofür ist die Jugend gestorben? Welchen Sinn hatte der Krieg? Was bleibt von den Ideen der Aufklärung, wo doch jede Vernunft abhandengekommen ist? Und lässt sich ein neuerlicher Weltkrieg vermeiden, wenn der vorherige erst vergessen ist?651 Diese Fragen paarten sich bei Hemingway und den ihm nahestehenden Literaten mit einem wachsenden Zweifel am Kapitalismus, der für den Krieg mitverantwortlich gemacht wurde, und einer Ablehnung des Konsumismus in der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft.652 Die Kritik am Materialismus der Zeit war unter den Schriftstellern der ›Lost Generation‹ stärker ausgeprägt als bei Remarque; aber zugleich war die – bis zur Großen Depression – relativ prosperierende Wirtschaft auch der Grund dafür, warum amerikanische Autoren ihre desillusionierte Weltsicht früher zu Papier brachten als das Gros ihrer deutschen Pendanten. Die vielfach aus besseren Kreisen stammenden US-Schriftsteller konnten sich das Schreiben einfach leisten, da ihre Existenz gesichert war : »The less shattering exposure to the war in economic terms […] allowed them to turn somewhat sooner to an artistic transmutation of what they had experienced«, fasst Peter Aichinger zusammen.653 Im Zuge der Kriegsliteraturwelle, die aus Europa und insbesondere Deutschland in die USA überschwappte, wurden einige Werke der frühen 1920er Jahre, etwa Dos Passos’ Three Soldiers, wieder aufgelegt. Allerdings kam kein kriegskritisches Buch eines amerikanischen Autors an die Verkaufszahlen von Remarque heran. Insgesamt war den Kriegsromanen der Vertreter der ›Lost Generation‹ – von Hemingways A Farewell to Arms einmal abgesehen – kein sonderlich großer Publikumserfolg beschieden. Zwar stießen sie in der Intellektuellenszene und bei Literaturkritikern auf positive Resonanz; insgesamt verkauften sich aber – über das gesamte Jahrzehnt gesehen – die den Krieg überwiegend trivialisierenden Bücher von Edith Wharton oder Willa Cather

650 Hemingway : A Farewell to Arms, S. 249. 651 Vgl. Matthews: American Writing, S. 234f., sowie Garrety : Love and War, S. 22. 652 Vgl. Charles R. Hearn: The American Dream in the Great Depression, Westport, Conn./ London 1977, S. 52. 653 Aichinger : The American Soldier, S. 17.

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Im Westen nichts Neues: Genese, Publikation und literarische Einordnung

besser.654 Ein Grund dafür war unter anderem, dass die beiden letztgenannten Autorinnen sich bereits zuvor einen Namen mit populäreren Genres gemacht hatten. Festhalten lässt sich also, dass der Erste Weltkrieg in der amerikanischen Literatur – wie in Deutschland auch – zuweilen romantisiert und trivialisiert wurde, eine politisch intendierte Mystifizierung jedoch ausblieb. Genauso wenig traten eindeutig chauvinistische Tendenzen in der Kriegsliteratur zutage – auch nicht als Reaktion auf die vermeintlich desillusionierenden Antikriegsbücher. Denn anders als in Deutschland existierte jenseits des Atlantiks kein derart aggressiver Nationalismus als Triebkraft hinter der kulturellen Aufbereitung von Kriegserinnerungen.655 Zwar gab es durchaus Kritik an der »school of despair«656, wie die Literaten der ›Lost Generation‹ abschätzig genannt wurden, doch diese war nur eine Randerscheinung.

654 Vgl. Henningsen: Das amerikanische Selbstverständnis, S. 371 und 378. 655 Vgl. Mosse: Über Kriegserinnerungen und Kriegsbegeisterung, S. 36. 656 Siehe beispielsweise bei Montgomery Belgion: The Human Parrot and other Essays (1931), Freeport, New York 1967, S. 140–150.

6.

All Quiet on The Western Front: Ein Bestseller auf Leinwand

6.1. Die Darstellung des Ersten Weltkriegs im aufstrebenden Medium Kino »Das Auge ist ein stärkerer Verführer als das Wort.« Erich Maria Remarque, 1958

Seit seinem Entstehen Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Kino rasch zu einer globalen Bildungs- und Unterhaltungsinstitution. Während die Filme anfangs noch stumm und lediglich wenige Minuten lang waren, dauerte es gerade einmal 20 weitere Jahre, bis der erste abendfüllende Tonfilm erschien, The Jazz Singer, uraufgeführt von Warner Brothers am 6. Oktober 1927 in New York. Das Datum gilt in der Filmgeschichtsschreibung seither als Beginn der Tonfilmära.657 Die Einführung der Tonspur führte zu einer »grundlegenden Veränderung der Filmästhetik und der Rezeptionsweisen«, hält Philipp Stiasny fest, und steigerte die Popularität des jungen Mediums noch weiter.658 1930 gingen wöchentlich durchschnittlich 80 Millionen Amerikaner ins Kino – bei einer Gesamtbevölkerung von rund 120 Millionen. Damit liefen die Filmvorführsäle in den Vereinigten Staaten sogar den Kirchen den Rang ab.659 Mit rund zwei Millionen Besuchern pro Tag, davon fast die Hälfte in Berlin, waren auch die Deutschen rege Kinogänger. 1928 gab es fast 5.000 Kinos im ganzen Land, bevor die Weltwirtschaftskrise dem Boom ein jähes Ende setzte.660

657 Vgl. Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 312. 658 Vgl. Philipp Stiasny : Mythen und Melodramen. Der Erste Weltkrieg im deutschen Spielfilm der Stummfilmzeit, in: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Der Erste Weltkrieg im Film, München 2009 (Edition Text + Kritik), S. 49. 659 Vgl. David Thomson: The Big Screen. The Story of the Movies and What They Did to Us, Harmondsworth 2012, S. 107, sowie Robert Beverley Ray : A Certain Tendency of the Hollywood Cinema, 1930–1980, Princeton 1985, S. 25. 660 Vgl. Fischer und Schuhbauer : Geschichte in Film und Fernsehen, S. 32f.

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Aufgrund seines großen Zuspruchs war das Kino für die Formung und Verstärkung von gesellschaftlichem Sentiment nicht zu unterschätzen. Schon vor und während des Erstens Weltkriegs hatten alle Kriegsparteien die Kinoleinwand raumgreifend für ihre Propagandazwecke genutzt. In der Zwischenkriegszeit traten staatlicher Einfluss und Ideologien etwas in den Hintergrund, doch der Kriegsfilm blieb über die meiste Zeit ein wichtiges Genre. Denn das Kino verstand es mit seinen innovativen technischen Mitteln, den Zuschauern die industrialisierte Kriegsführung näher zu bringen als es das geschriebene Wort bislang getan hatte. Die gezeigten Kriegsdarstellungen erhielten so aus Publikumssicht eine ganz neue Authentizität, die durch All Quiet on the Western Front 1929 eindringlicher wurde als je zuvor.661 Vor der Verfilmung von Remarques berühmten Roman durchlief die Darstellung des ›Great War‹ durch die amerikanische Filmindustrie über anderthalb Jahrzehnte recht unterschiedliche Phasen, die stark vom jeweiligen Zeitgeist geprägt waren. Zum Kriegsausbruch 1914 befürworteten die meisten Filme zunächst die Neutralität der USA. Beispiele hierfür sind Titel wie Prince of Peace, A Victim of War oder Civilization. Parallel zur entstehenden Preparedness-Bewegung im Jahr 1915 entstanden Filme wie etwa The Battle Cry of Peace oder I’m Glad my Son Grew Up to Be a Soldier, die dafür eintraten, dass sich das Land auf einen möglichen Krieg vorbereiten solle. Eine ganze Reihe dieser Filme hatte bereits einen unterschwellig antideutschen Duktus.662 Zum tatsächlichen Kriegseintritt 1917 wurden moralische Motive für die Intervention gesucht, so etwa im patriotischen Film Hearts of the World. Klassische Propaganda dominierte zunehmend die Inhalte, wobei der Gegner über Gebühr dämonisiert und der Krieg selbst heroisch überzeichnet wurde.663 Alle am Krieg beteiligten Nationen förderten solche Werke zutage,664 doch die Vereinigten Staaten taten sich als weltweit führende Kinonation bei der Bewegtbildpropaganda besonders hervor. Rund 130 antideutsche Kriegsfilme, die den 661 Vgl. Pierre Sorlin: Cinema and the Memory of the Great War, in: Michael Paris (Hg.): The First World War and Popular Cinema. 1914 to the Present, Edinburgh 1999, S. 12, sowie Leslie Midkiff Debauche: The United States’ Film Industry and World War One, in: Michael Paris (Hg.): The First World War and Popular Cinema. 1914 to the Present, Edinburgh 1999, S. 158. 662 Vgl. Daniel J. Leab: Total War On-Screen. The Hun in U.S. Films 1914–1920, in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): »Huns« vs. »Corned Beef«. Representations of the Other in American and German Literature and Film on World War I, Göttingen 2007 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 21), S. 170. 663 Vgl. Gerhard Paul: Bilder des Krieges, Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004, S. 131. 664 Im Grunde genommen war der Erste Weltkrieg damit auch der »erste umfassende Medienkrieg des 20. Jahrhundert«, wie Gerhard Hirschfeld konstatiert. Gerhard Hirschfeld: Der Erste Weltkrieg als mediales und museales Ereignis, in: Rainer Rother und Karin HerbstMeßlinger (Hg.): Der Erste Weltkrieg im Film, München 2009 (Edition Text + Kritik), S. 13.

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Topos vom »barbarischen Hunnen« wirkungsvoll in Szene setzten, produzierte Hollywood in den Jahren 1917 und 1918. Titel wie To Hell with the Kaiser, The Kaiser – The Beast of Berlin oder Escaping the Hun waren Programm und sollten die Nation geistig für den Kampf mobilisieren. Doch je länger der Krieg dauerte und je mehr Opfer er forderte, umso weniger sprachen die chauvinistisch gefärbten, stereotypen Propagandafilme die Zuschauer an.665 Nach dem Waffenstillstand verlor das amerikanische Publikum erst einmal das Interesse am Genre Kriegsfilm. Der Übergang zur Normalität stand im Vordergrund, verbunden mit dem Wunsch nach Zerstreuung und leicht konsumierbaren Themen im Kino. Mit gebührlichem zeitlichem Abstand erschienen Anfang der 1920er Jahre einige wenige Filme, die den Krieg mit Romantik und Pathos oder in Form von seichten Komödien trivialisierten.666 Eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Geschehen auf den Schlachtfeldern blieb bis Mitte des Jahrzehnts aus, mit Ausnahme des 1921 veröffentlichten Stummfilms Four Horsemen of the Apocalypse, der angesichts des millionenfachen Todes erstmals die Sinnfrage stellte und als Vorläufer des Antikriegsfilm-Genres gilt. Ab 1925 bahnten sich dann zunehmend Filme ihren Weg, die den täglichen Überlebenskampf des einfachen Soldaten so realistisch wie möglich darstellten, den Tod nicht mehr glorifizierten und das Leiden an der Heimatfront thematisierten. Einer der ersten und zugleich erfolgreichsten Produktionen dieser Art war The Big Parade. Regisseur King Vidor erzählte in dem Film – nach der autobiografischen Romanvorlage Plumes von Laurence Stallings – von einer kleinen Gruppe Soldaten, die im Verlauf der Kämpfe immer weiter dezimiert wird, während die Überlebenden vom Krieg gezeichnet bleiben. Sein Leitmotiv war dessen totale Sinnlosigkeit, womit der Regisseur einen inhaltlichen Trend setzte, den andere Filme aufnahmen, beispielsweise Havoc (ebenfalls 1925), Barbed Wire (1927) und Four Sons (1928).667 »It was really Hollywood […] which developed narratives to disseminate the popular view of the war. In marked contrast to the war years with their endorsement and enthusiasm, the Great War in retrospect appeared to be first and foremost senseless«, fasst Rainer Rother treffend zusammen.668 In den kritischen Untertönen vieler Kriegsfilme dieser Jahre spiegelten sich die allgemeine Ent665 Vgl. Laura Marcus: The Great War in Twentieth-Century Cinema, in: Vincent Sherry (Hg.): The Cambridge Companion to the Literature of the First World War, Cambridge 2005, S. 281–283, sowie Leab: Total War On-Screen, S. 173. 666 Vgl. Hans Beller : Der Film All Quiet on the Western Front und die Feindbildproduktion in Hollywood, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung, Osnabrück 1998 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 8), S. 188f. 667 Vgl. Debauche: The United States’ Film Industry, S. 140–143. 668 Rainer Rother : The Experience of the First World War and the German Film, in: Michael Paris (Hg.): The First World War and Popular Cinema. 1914 to the Present, Edinburgh 1999, S. 226.

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täuschung über das Engagement der USA im Weltkrieg sowie die zunehmenden isolationistischen Tendenzen in der amerikanischen Gesellschaft wider.669 Die Feindbildpropaganda der Jahre 1917 und 1918 wurde dabei ebenso hinterfragt wie die Kriegsziele und -ergebnisse. Allerdings war Hollywoods Bild vom Ersten Weltkrieg in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre keineswegs eindimensional und schon gar nicht durchweg defätistisch. Besonders das sehr erfolgreiche Genre des Fliegerfilms kam mit einer ganzen Menge Melodramatik daher und stand für beste Kinounterhaltung. Zwar zeigten Filme wie Wings (1927), Hell’s Angels (1930) und The Dawn Patrol (1930) durchaus die Brutalität des Krieges, aber garnierten diese mit einer gehörigen Dosis Abenteuer, Heroismus und Kameradschaftsgeist.670 Die klare, den Krieg ablehnende Botschaft fehlte, um ihnen das Präfix »Anti« verleihen zu können. Den großen Schub für das Genre brachte dann die Welle entsprechender Antikriegsliteratur. All Quiet on the Western Front, die auf R. C. Sherriffs Theaterstück basierende englisch-amerikanische Produktion Journey’s End (1930) und Hemingways Romanverfilmung A Farewell to Arms (1932) waren die bekanntesten Vertreter eines nun eindeutig pazifistischen Kriegsbildes im Kino.671 Die Unterscheidung zwischen Freund und Feind verschwamm zusehends. Der deutsche Soldat – einst als gewalttätiger »Hunne« überzeichnet – wurde nun genauso wie der amerikanische »Doughboy« oder der englische »Tommy« als Opfer des Krieges dargestellt. »Each [film] told a war story that was individual, violent, and mortal – a story not of battles won, but of lives lost. It was an international story […], one story, in which young men went to war, fought there and died«, konstatiert Samuel Hynes.672 Bis in die Jahre 1933/34 hielt sich diese eindeutig kriegskritische und desillusionierende Stimmungslage in den Filmen aus Hollywood. Das Kino reflektierte damit die Gemütsverfassung der Gesellschaft ziemlich genau: In Umfragen sagten seinerzeit bis zu zwei Drittel der Amerikaner, dass die Beteiligung am Ersten Weltkrieg ein Fehler gewesen sei.673 Mit Blick auf die Entwicklung in Europa, speziell in Deutschland, begann sich das Sentiment indes einige Jahre später langsam zu verändern. Wenn auch widerwillig, machte sich die Nation bereit für einen weiteren großen Krieg, der schneller eintrat als befürchtet.

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Vgl. Leab: Total War On-Screen, S. 154–157. Vgl. Paul: Bilder des Krieges, S. 145. Vgl. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 18–21. Samuel Hynes: A War Imagined. The First World War and English Culture, London 1990, S. 125. 673 Vgl. Leab: Total War On-Screen, S. 155.

Die Darstellung des Ersten Weltkriegs im aufstrebenden Medium Kino

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Kriegsfilmproduktion in Deutschland Auf der anderen Seite des Atlantiks, im Land des Kriegsgegners, wurde das Kino während des Ersten Weltkriegs selbstredend ebenfalls als Instrument zur politischen Beeinflussung der Massen genutzt. Eine staatlich gesteuerte Bewegtbildpropaganda nahm in Deutschland allerdings später als in den USA oder etwa auch in Frankreich Fahrt auf, wo die Filmindustrie bereits weiterentwickelt war. Ihren Durchbruch erzielte die deutsche Kinowirtschaft erst mit Beginn des Krieges, als ausländische Filme mit Einfuhrbeschränkungen versehen wurden. In der Folge entstanden 1916 die Deutsche Lichtbild Gesellschaft (DLG) und 1917 die Universum Film AG (UFA). Beides waren private Unternehmen, die sich aber durchaus in den Dienst staatlicher und militärischer Zwecke stellten. Seit der Gründung des Bild- und Filmamts (Bufa) 1917 wurde die Propaganda weiter professionalisiert und zentralisiert. Neben dokumentarischem Bild- und Filmmaterial für Wochenschauen stellte das Amt auch Spielfilme her und vertrieb diese im Inland und an die mehreren Hundert Frontkinos im Ausland.674 Nach dem Kriegsende liefen weiterhin vornehmlich einheimische Produktionen in den Kinosälen. Mit einer »Mischung aus Mythos und Melodram«, so Philipp Stiasny, zeigten sie einzelne Schlachten wie jene von Tannenberg und der Somme, Ereignisse wie die Kaperfahrten des Kreuzers Emden oder Persönlichkeiten wie den Flieger Manfred von Richthofen.675 Im Zentrum standen dabei Genie und Heldentum; Niederlagen wurden in der Regel ausgeblendet.676 Erst Mitte der 1920er Jahre erschienen in Deutschland Filme, die den Krieg nicht mehr beschönigten. Beispiele sind etwa 1925 Namenlose Helden der KPDnahen Prometheus-Film Gesellschaft oder der UFA-Dokumentarfilm Der Weltkrieg von 1927. Zeitgleich kamen in diesen Jahren die ersten kriegskritischen Filme aus Hollywood nach Deutschland, darunter 1927 unter dem Titel Rivalen die Verfilmung des erfolgreichen Theaterstücks What Price Glory von Maxwell Anderson und Laurence Stallings sowie zwei Jahre nach dem US-Kinostart King Vidors Die Große Parade.677 Mit dem verstärkten Aufkommen kriegskritischer Literatur zum Ende des Jahrzehnts erreichte das Genre seinen Höhepunkt auch auf deutschen Leinwänden. Die herausragenden Vertreter des pazifistischen Films waren 1930 674 Vgl. zu den Anfängen der Bewegtbildpropaganda ausführlich u. a. bei Wolfgang MühlBenninghaus: Vom Augusterlebnis zur UFA-Gründung. Der deutsche Film im 1. Weltkrieg, Berlin 2004, sowie Hans Barkhausen: Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Hildesheim 1982. 675 Stiasny : Mythen und Melodramen, S. 63. 676 Zu den deutschen Filmproduktionen vgl. u. a. Bernadette Kester: Film Front Weimar. Representations of the First World War in German Films of the Weimar Period (1919–1933), Amsterdam 2003. Siehe dort insb. die ausführliche Übersicht auf S. 291–301. 677 Vgl. Stiasny : Mythen und Melodramen, S. 62.

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Georg Wilhelm Pabsts Westfront 1918 sowie 1931 Niemandsland des russischstämmigen Regisseurs Victor Trivas.678 Anhand einer Gruppe versprengter Soldaten verfeindeter Armeen, die sich, gemeinsam in einem Schützengraben eingeschlossen, langsam menschlich annähern, appellierte Niemandsland vor allem an die internationale Versöhnung der Völker.679 Westfront 1918 zeigte wie kein anderer einheimischer Film die – so Rainer Rother – »unbarmherzige Abnutzungslogik im Stellungskrieg«.680 Basierend auf Ernst Johannsens Roman Vier von der Infanterie, hatte Pabsts Verfilmung eine unmissverständliche Antikriegsattitüde und galt bald als deutsches Äquivalent zur Hollywood-Verfilmung von Im Westen nichts Neues. Geschildert wird der monotone Überlebenskampf einer Gruppe von Soldaten, von denen einer nach dem anderen fällt, bis auch den letzten der Tod geholt hat. Pabst war damit der erste Regisseur in Deutschland, der den Krieg als vollkommen sinnlos darstellte und das Grauen an der Front mit einer bis dahin nicht gekannten Realistik in die Kinosäle brachte.681 Eine der wenigen deutschen Adaptionen eines internationalen Titels innerhalb des Genres war Die andere Seite aus dem Jahr 1931. Regisseur Heinz Paul setzte mit seinem Film den zuvor im englischen Sprachraum sehr erfolgreichen Theater- und Kinostoff Journey’s End um. Kaum überraschend, wurde Die andere Seite nur wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalisten von den Leinwänden verbannt – wie so viele weitere kriegskritische Filme auch.682 Schon vor dem Untergang der Weimarer Republik riefen pazifistische Filme freilich Widerspruch aus dem rechten politischen Lager hervor, wie in Kapitel 7.2.4 über den »Filmkrieg« gegen Im Westen nichts Neues beispielhaft gezeigt wird. Für alle kriegsbefürwortenden Parteien bedeutete die Entheroisierung des Fronterlebnisses an der Leinwand eine Bedrohung in ihren Bemühungen, die Zustände vor 1914 in einem neuerlichen Krieg wiederherzustellen. Denn dafür war die geistige Aufrüstung der nachrückenden Generation die wichtigste

678 Vgl. Rother : The Experience of the First World War, S. 226–228 und 233. 679 Vgl. Helmut Korte: Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik. Ein rezeptionshistorischer Versuch, Göttingen 1999, S. 222f. 680 Rainer Rother : Film (nach 1918), in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz (Hg.) in Verbindung mit Markus Pöhlmann: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, aktual. und erweit. Studienausgabe, Paderborn 2009, S. 480. 681 Westfront 1918 feierte seine Premiere am 23. Mai 1930 im Berliner Capitol-Kino. Dort lief der Film aufgrund des hohen Besucherzuspruchs 47 Tage am Stück und war damit einer der erfolgreichsten Produktionen des Jahres. Auch im Ausland stieß der Film (englischer Titel: Comrades of 1918) auf eine starke, fast ausnahmslose positive Resonanz. Vgl. Marcus: The Great War in Twentieth-Century Cinema, S. 291f.; Chambers II: ›All Quiet on the Western Front‹ (1930), S. 393, sowie Korte: Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 193. 682 Vgl. zu den hier genannten deutschen Filmen ausführlich Kester : Film Front Weimar, S. 123–160.

Die Remarque-Verfilmung in Hollywood und Vermarktung im Kinobetrieb

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Voraussetzung.683 Doch wie man heute weiß, waren die Befürchtungen des rechten Lagers unbegründet. Schon zur Jahreswende 1931/32 datiert Helmut Korte aus »filmpolitischer Perspektive« den Umschlagspunkt – deutlich früher als zuvor beschrieben in den USA.684 Pazifistische Filme tauchten in den Erfolgslisten nicht mehr auf, dafür mehrten sich – wie auch in der Literatur – die kriegsbejahenden Darstellungen. Filme wie Berge in Flammen von Luis Trenker, Douaumont (beide von 1931), Tannenberg (1932) oder Morgenrot (1933) gaben dem Krieg wieder einen heroischen Anstrich. Im Schlachtengeschehen legten sie Ritterlichkeit, Opferbereitschaft und Gemeinschaftssinn als höhere Werte frei und wurden entsprechend wohlwollend von den Rechtskräften aufgenommen. Aus deren Sicht hatte der Krieg nun wieder einen Sinn – als persönlicher Test, wenn nicht gar als charakterbildendes Stahlbad.685 Retrospektiv betrachtet, kann man dem Urteil von Korte daher nur zustimmen, dass die aufklärerischen Appelle an die Vernunft und Menschlichkeit »angesichts des forcierten Revisionismus in der politischen Öffentlichkeit, über die unmittelbare Erschütterung und Betroffenheit hinaus«, letztlich keine »tiefergehende oder gar längerfristige Wirkung auf das Denken und Handeln der Kinobesucher hatten«.686

6.2. Die Remarque-Verfilmung in Hollywood und Vermarktung im Kinobetrieb »No picture in recent years has created such a furore as this mighty picturization of the world’s most famous book.« Niagara Falls Gazette vom 24. September 1930

Die amerikanische Verfilmung von Im Westen nichts Neues war bereits vor ihrem Erscheinen im April 1930 eine Sensation. Denn nie zuvor hatte ein dem Kinofilm zugrunde liegender Roman weltweit so viele Leser gehabt. So ging der Trubel um Remarques Buch direkt in die Rezeption des Films über – insbesondere in den USA, wo nur zehn Monate zwischen der Romanveröffentlichung und dem Leinwandstart lagen. Und wie das Buch war die Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden auch im Kino ein Bestseller : Lichtspielhäuser, die eine der begehrten Filmrollen erhalten hatten, waren wochenlang ausverkauft.

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Vgl. Paul: Bilder des Krieges, S. 146f. Korte: Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 423. Vgl. Rother : The Experience of the First World War, S. 234–236. Korte: Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 219.

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Auf filmischem Gebiet wurde All Quiet on the Western Front687 seinerzeit als eine der größten schauspielerischen und technischen Leistungen des immer populärer werdenden Mediums gerühmt – und auf inhaltlicher Ebene international überwiegend als Fanal gegen die Schrecken des Krieges und für die Völkerverständigung begrüßt. Die inhärente pazifistische Tendenz des Buches wurde auf der Leinwand von Regisseur Lewis Milestone noch verstärkt. Dabei zeigte sich der Film jedoch nicht politisch eindimensional, sondern »außerordentlich vielschichtig«, analysiert Thomas F. Schneider : »Er operiert auf der Oberflache mit dem Anspruch, den Ersten Weltkrieg ›realistisch‹ abzubilden, zugleich transportiert er auf der filmischen Ebene eine Vielzahl von Bedeutungen, Verweisen und Zitaten, die zusammengefasst eine eindeutige, hier kritische Meinung zum gezeigten Geschehen formulieren.«688

Die rasche Identifikation im nichtdeutschen Publikum entstand vor allem durch das »Mitleid mit dem guten Deutschen, denen die bösen Deutschen Leid zufügen«, wie Hans Beller richtig bemerkt.689 Der Held Paul Bäumer steht hierbei stellvertretend für die Soldaten aller Nationen in einem sinnlosen Massensterben.690 Dargestellt als Feind wird nur der Krieg selbst. Gemäß dieser inhaltlichen Ausrichtung verzichtet All Quiet on the Western Front bewusst auf nationale Stereotypen und Klischees, wie sie im militaristischen Propagandafilm – auch dem der USA – die Regel gewesen waren. Bereits vor Beginn der Dreharbeiten kündigte die Produktionsfirma Universal Pictures Corporation selbstbewusst an, All Quiet on the Western Front werde Kinogeschichte schreiben. Man plane, so wörtlich, eine »outstanding super-production [that] will go down in screen history as an epic picture of the World War«691 – und zwar als propagandafreies Friedensepos, wie UniversalPräsident Carl Laemmle692, ein deutschstämmiger jüdischer Amerikaner, der 687 Im Folgenden wird einheitlich auf den amerikanischen Originaltitel All Quiet on the Western Front referenziert. 688 Thomas F. Schneider : Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, in: Gerhard Paul (Hg.): Das Jahrhundert der Bilder, Bd. 1: 1900 bis 1949, Göttingen 2009, S. 368. 689 Beller : Der Film All Quiet on the Western Front, S. 203. 690 Vgl. Kaes: Massenkultur und Modernität, S. 658. 691 C. C.: Seeing and Hearing: War Pictures and War Machines – Production News From Various Studios, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 9. 7. 1929 (89. Jg.). 692 Carl Laemmle Sr. gilt als einer der Gründerväter Hollywoods. 1867 im schwäbischen Laupheim geboren und als Sohn eines jüdischen Viehhändlers in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, wanderte er mit 17 Jahren in die USA aus. 1906 machte er sich mit einem Nickelodeon-Filmtheater in Chicago selbstständig und besaß in kurzer Zeit 50 Kinos. 1912 gründete Laemmle die Produktionsfirma Universal und errichtete auf einer ehemaligen Hühnerfarm bei Los Angeles die Universal City Studios. Damit ebnete er dem Mythos Hollywood seinen Weg. Während Laemmle im Ersten Weltkrieg US-Propagandafilme wie The Sinking of Lusitania und The Kaiser – The Beast of Berlin drehte, womit er sich

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den Filmkonzern als Selfmademan aufgebaut hatte, kurz darauf ergänzte.693 Seinen Optimismus begründete Laemmle damit, dass schon das Buch ein großes Gesprächsthema war : »Before I read the book I heard people talking of it. Every one discussed it. So I said to myself, if every one can be so attracted by the book they can be equally attracted to a picture«.694 Dermaßen überzeugt vom Erfolg des Projekts, hatte der Produzent bei einem Deutschland-Aufenthalt im Sommer 1929 von Remarque die Filmrechte erworben. Laemmle bot ihm der Überlieferung nach sogar die Hauptrolle und das Schreiben des Drehbuchs an. Doch der Schriftsteller lehnte mit dem Hinweis, die Schauspielerei sei nichts für ihn, dankend ab.695 Dass Laemmle mit der Verfilmung von Im Westen nichts Neues in seiner alten Heimat nicht nur in offene Arme lief, wurde dem Geschäftsmann bei seinem Besuch unterdessen klar. Eine große deutsche Kinokette habe deutlich gemacht, dass sie mit dem Film nichts zu tun haben wolle, berichtete Laemmle nach seiner Rückkehr in der New York Times.696 Verantwortlich für die Produktion machte Laemmle seinen damals gerade einmal 21 Jahre alten Sohn Carl Laemmle Jr., der von einigen der bekanntesten Namen Hollywoods und des Broadways unterstützt wurde. Regie führte der russischstämmige Filmemacher Lewis Milestone auf Basis des Drehbuchs von Maxwell Anderson, welcher sich als Co-Autor der kriegskritischen Tragikomödie What Price Glory (1924) einen Namen gemacht hatte. Allerdings überarbeitete Milestone, der 1927 bereits mit einem Academy Award – dem heute als Oscar bekannten Filmpreis – für die Kriegskomödie Two Arabian Knights ausgezeichnet worden war, das Drehbuch anschließend mit George Abbott und Del Andrews, um der Erzählung eine chronologische Hand-

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naturgemäß in seinem Heimatland keine Freunde machte, bezeichnete er sich nach dem Krieg als Pazifist und verurteilte jede Form von Chauvinismus. Mit dem politischen Umschwung in Deutschland, für den der Umgang mit der Remarque-Verfilmung so exemplarisch stehen sollte, war dem Hollywood-Magnat eine Rückkehr verwehrt. Laemmles letzter Heimatbesuch war 1929, anschließend blieb er aufgrund zunehmender Anfeindungen Deutschland fern. Ein offizielles Einreiseverbot erfolgte 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Laemmle starb 1939 in Beverly Hills. Vgl. u. a. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 59–63, sowie Eksteins: War, Memory, and Politics, S. 61. Vgl. N.N.: Laemmle Will Film Remarque War Book, in: New York Times, 6. 8. 1929 (79. Jg.), S. 8, sowie N.N.: Gleanings from Many Points, in: New York Times, 1. 9. 1929 (79. Jg.), S. X4. N.N.: Mr. Laemmle Returns, in: New York Times, 6. 10. 1929 (79. Jg.), S. X8. Vgl. N.N.: War Feature By Remarque In Local Bow, in: Washington Post, 28. 9. 1930 (54. Jg.), S. A2, sowie N.N.: Confers on New War Film, in: New York Times, 11. 8. 1929 (79. Jg.), S. 8. Remarque verfügte beim Rechteverkauf unterdessen, dass sich der Film genau an seiner Buchvorlage orientieren solle. Vgl. u. a. N.N.: Through German Eyes, in: New York Times, 27. 4. 1930 (80. Jg.), S. 122. N.N.: Mr. Laemmle Returns.

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lungsstruktur zu geben.697 Die filmische Intention beschrieb Produzent Carl Laemmle Jr. wie folgt: »I am determined that the story shall not be butchered by picture technicians – rebuilt and reconstructed until it loses all of its original merit. I plan to make the picture what the book is, the greatest human narrative of the World War. Yet it must be a complete picture, not merely a series of spotty episodes.«

Die Schwierigkeit dabei sei, dass der Roman einen klassischen Plot vermissen lasse – und auch sonst viele essenzielle Elemente eines erfolgreichen Films. Dies werde aber durch die dem Buch innenliegenden Werte wettgemacht, so Laemmle Jr.: »[…] It has in great quantities that which every picture needs – human appeal, truth and color.«698 Die Umsetzung auf Zelluloid sollte gelingen, was auch an den hervorragenden Hauptdarstellern lag. Protagonist Paul Bäumer wurde gespielt vom aufstrebenden Jungstar Lew Ayres, während Katczinsky von Louis Wolheim dargestellt wurde, der bereits zum Theaterensemble von What Price Glory gehört hatte. Tjaden wurde vom Komiker Slim Summerville verkörpert und Unteroffizier Himmelstoß von John Wray. Kritiker lobten, deren schauspielerische Leistungen überträfen alles bisher im Kino Dagewesene.699 Neben vertrauten Gesichtern des Filmbusiness wirkten rund 2.000 Veteranen bei der Verfilmung mit. Mehrheitlich waren es Amerikaner, aber auch Engländer, Deutsche, Franzosen, Russen und Italiener nahmen an den Dreharbeiten teil.700 Dass Soldaten ehemals verfeindeter Nationen gemeinsam für eine kriegskritische Botschaft eintraten, zeigte aus Sicht der Produzenten einmal mehr den völkerversöhnenden Charakter der Geschichte: »War hatreds and international enmities [were] forgotten and swept aside [as] these two thousand, many of whom had fought on opposite sides, assembled enthusiastically for the greatest war picture for peace ever conceived«, hieß es in der Filmstudiogazette Universal Weekly.701

697 Vgl. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 65, sowie Chambers II: ›All Quiet on the Western Front‹ (1930), S. 381 und 405. 698 Dan Thomas: Story of World War as Told by Soldier Planned for Screen, in: Niagara Falls Gazette, 12. 8. 1929 (76. Jg.), S. 11. Vgl. auch N.N.: »All Quiet« as a Film, in: New York Times, 19. 1. 1930 (80. Jg.), S. 109. 699 Vgl. u. a. Harry Evans: Movies. »All Quiet on the Western Front«, in: Life, New York, Nr. 95 vom 23. 5. 1930 (48. Jg.), S. 18; Martin Dickstein: Slow Motion, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 4. 5. 1930 (90. Jg.), S. E5, sowie Sime: All Quiet on the Western Front, in: Variety, New York, Nr. 4 vom 7. 5. 1930 (26. Jg.), Bd. 99, S. 21. 700 Vgl. N.N.: Feature Picture Here Next Week, in: Amsterdam Evening Recorder, 19. 9. 1930 (98. Jg.), S. 6, sowie Dan Thomas: Hatreds of World War Forgotten by Vet Extras as »All Quiet on the Western Front« Is Filmed, in: Niagara Falls Gazette, 15. 3. 1930 (77. Jg.), S. 26. 701 Universal Weekly, New York, Nr. 18 vom 7. 12. 1929 (18. Jg.), Bd. 30, S. 1. Zitiert nach Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 96.

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Am 11. November 1929, dem elften Jahrestag des Waffenstillstands, um genau 11.00 Uhr, begannen die Dreharbeiten zu All Quiet on the Western Front – ein bewusst symbolisch gewähltes Datum.702 Gefilmt wurde überwiegend in Universal City nahe Los Angeles, wo unter anderem ein vier Hektar großes französisches Dorf inklusive Kirche nachgebaut und später komplett in die Luft gesprengt wurde. Allein dies ließ sich die Produktionsfirma die damals horrende Summe von 250.000 Dollar kosten.703 Die Schlachtsequenzen wurden auf der rund 95 km von Hollywood entfernten und fast 400 Hektar großen Irvine Ranch gedreht. Dort wurden mit Dynamitexplosionen Granattrichter geschaffen, die anschließend mit Regenwasser vollliefen. So entstand nach und nach ein veritables »No Man’s Land«.704 Regisseur Lewis Milestone, der nie ein echtes Schlachtfeld gesehen hatte, legte großen Wert darauf, den Frontkrieg so realistisch wie möglich darzustellen, und ließ sich hierzu von ehemaligen deutschen Offizieren beraten. Die Schauspieler traten folgerichtig in authentischen Weltkriegsuniformen auf und trugen teilweise originale Waffen bei den Dreharbeiten mit sich.705 Vor allem aber war es die von Milestone und seinem Kameramann Arthur Edeson eingesetzte modernste Filmtechnik, die den Zuschauern den Krieg erschreckend realitätsnah vor Augen führte. Nah- und Totalaufnahmen zeigten das individuelle Leid der Soldaten mit Zoomfaktor, während im Wechsel dazu Kamerafahrten auf einem Kilometer Länge das ganze – auch quantitative – Ausmaß des Krieges deutlich machten. In Erinnerung bleibt besonders die sechseinhalb Minuten andauernde Grabenkampfsequenz, die den Charakter und die Sinnlosigkeit des Stellungskriegs so authentisch wie nie zuvor skizzierte und – wie der gesamte Film – bis heute die Vorstellung vom Ersten Weltkrieg entscheidend mitbestimmt.706 Zunächst konnten die Zuschauer die heranstürmenden Soldaten durch die auf einen fahrbaren Kran platzierte Kamera quasi auf Augenhöhe bis zum feindlichen Graben begleiten. Im Rhythmus der Maschinengewehr-Salven werden dann erst die angreifenden Franzosen en masse niedergemäht, bevor nach Kämpfen mit Spaten und Bajonett der deutsche Gegenangriff im MG-Feuer der Franzosen 702 Vgl. N.N.: »All Quiet« Will Start at 11 a.m. Armistice Day, in: Universal Weekly, New York, Nr. 14 vom 9. 11. 1929 (18. Jg.), Bd. 30, S. 8, sowie Thomas F. Schneider: »The Greatest of War Films«. All Quiet on the Western Front (USA 1930), in: Rainer Rother und Karin Herbst-Meßlinger (Hg.): Der Erste Weltkrieg im Film, München 2009 (Edition Text + Kritik), S. 70f. 703 Vgl. N.N.: War Film Here For Solid Week, in: Amsterdam Evening Recorder, 22. 9. 1930 (98. Jg.), S. 6, sowie N.N.: Villages Fall In War Story At Eastman, in: Rochester Democrat and Chronicle, 7. 9. 1930 (98. Jg.), S. 7D. 704 Vgl. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 85f. 705 Vgl. Chambers II: ›All Quiet on the Western Front‹ (1930), S. 385. 706 Vgl. Schneider: »The Greatest of War Films«, S. 73.

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endet. Wie Dominosteine fallen die Soldaten zu Boden, dabei bleibt der jeweilige Feind nahezu gesichtslos – und auch der Tod selbst abstrakt. Erreicht wurde der dramatische Effekt durch die Montage von 169 Kameraeinstellungen. So wiederholt sich das unerbittliche Töten stets auf Neue.707 Einige Rezensenten und nicht wenige Zuschauer nahmen an, dass die gedrehten Kampfhandlungen Originalaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg gewesen seien.708 In jedem Fall trat der von Regisseur Milestone intendierte Schockeffekt ein – so grausam und unheroisch hatte man sich den Krieg nicht dargestellt. Ergriffen und erschrocken verließen viele Menschen die Kinosäle. »The war is being, perhaps, too realistically reshot«, bemerkte die Washington Post bereits vor der ersten Aufführung.709 Und die Lokalzeitung Journal and Republican aus Lowville schrieb zum Vorführungsstart: »The battle scenes of ›All Quiet‹ […] are the most spectacular and yet the most genuine ever pictured. They are the war as it actually was fought, and not as sideline observers imagined it.«710 Als einer der ersten vollständig vertonten Filme – der erste im Übrigen für Lewis Milestone – setzte All Quiet on the Western Front auch bei der Erzeugung der Geräuschkulisse neue Standards. Die mit echtem Sprengstoff hervorgerufenen Detonationen und das Abfeuern teils scharfer Munition bildeten den Schlachtenlärm des Ersten Weltkriegs auf dem Tonband überzeugend nach. »[…] Technically [the film] is a superior piece of cinematic craftsmanship«, urteilten Zeitgenossen unisono.711 Auch aus heutiger Perspektive hat diese Feststellung bestand. Mit seinen vielen Innovationen bei Bild und Ton habe All Quiet on the Western Front das Genre des Kriegsfilms revolutioniert und präge es bis dato, konstatiert Thomas F. Schneider.712 Die Qualität der Universal-Produktion hatte freilich ihren Preis. Insgesamt kosteten die rund vier Monate dauernden Dreharbeiten 1,4 Millionen Dollar und damit deutlich mehr als die von den Laemmles veranschlagten 900.000 Dollar. Doch die Investition sollte sich auszahlen: In nur wenigen Wochen nach dem Kinostart waren die damals

707 Vgl. Beller: Der Film All Quiet on the Western Front, S. 197–200, sowie Paul: Bilder des Krieges, S. 148. 708 Vgl. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 105. 709 N.N.: The War Is Being, Perhaps, Too Realistically Reshot, in: Washington Post, 2. 2. 1930 (54. Jg.), S. F2. 710 N.N.: Lowville Opera House Weekly Programme, in: Journal and Republican, Lowville, Nr. 2 vom 16. 10. 1930 (71. Jg.), Bd. 71, S. 1. 711 Alexander Bakshy : Films. Stark War, in: The Nation, New York, Nr. 3388 vom 11. 6. 1930 (66. Jg.), Bd. 130, S. 688. 712 Schneider: Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, S. 364. Vgl. auch Laura Marcus, die All Quiet on the Western Front als Beispiel einer geglückten Symbiose von Thema und Medium aufführt: »[…] Modern war and film have a complex and profound interconnection, as twin technologies of modernity.« Marcus: The Great War in TwentiethCentury Cinema, S. 280.

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sehr hohen Herstellungskosten in den USA eingespielt. Hinzu kamen internationale Verleiherlöse.713 Vermarktet wurde All Quiet on the Western Front von Universal und den Kinos selbstbewusst als eines der größten Leinwandereignisse aller Zeiten. »The Most Stupendous Undertaking in the History of Talking Pictures«714 oder »The Greatest War Epic of All Time«715 waren nur einige der vielen Superlative in den Ankündigungen. Bei den Zuschauern wurde die – im Nachhinein berechtigte – Erwartungshaltung geweckt, dass der Film immer in Erinnerung bleibe (»The Picture That Will Live In Your Memory Forever«716) und er auch noch Generationen später Gesprächsthema sein werde (»For Many Generations To Come Countless Millions Will Talk About Erich Maria Remarque’s Imperishable Epic of Human Beings«717). Um ein möglichst breites Publikum anzusprechen, insbesondere auch Frauen, wurde betont, dass All Quiet on the Western Front mehr zeige als den Krieg an sich, sondern auch dessen menschliche Seite: »Ask Any Woman who has seen this Story of Youth – she will say it lays bare the Heart and Soul of Humanity«, warb ein Kinobetreiber um weibliche Besucher.718 »War is not all shot and shell«, hieß es an anderer Stelle, und weiter : »You’ll See the Human Side, As Seen Through Eyes of Youth«.719 Vor allem die Mutter-SohnBeziehung, die romantische Episode mit den Französinnen und der humoristische Charakter mancher Szenen wurden herausgestellt.720 Bei der ersten Voraufführung am 21. April 1930 im Carthay Circle Theatre in Los Angeles sahen die Zuschauer eine von den Produzenten zuvor von 155 auf 147 Minuten gekürzte Fassung. Die bei der offiziellen Premiere am 29. April 1930 im Central Theatre am New Yorker Broadway gezeigte Version fiel um weitere acht Minuten kürzer aus. Damit reagierte Universal auf Zuschauerreaktionen in den Voraufführungen und verzichtete auf einige redundante Szenen.721 In manchen US-Bundesstaaten verlangten anschließend noch die Zen713 Vgl. N.N.: »All Quiet On The Western Front« Will Be Reissued, in: Universal Weekly, New York, Nr. 10 vom 17. 2. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, S. 19. Siehe auch Chambers II: All Quiet on the Western Front/Im Westen nichts Neues (1930), S. 43, sowie Schneider: »The Greatest of War Films«, S. 86. 714 Anzeige des Kinos Shea’s Bellevue, in: Niagara Falls Gazette, 25. 9. 1930 (77. Jg.), S. 21. 715 Anzeige des Opera House Adams, in: Pulaski Democrat, 7. 1. 1931 (82. Jg.), S. 4. 716 Anzeige des Strand-Kinos, in: Amsterdam Evening Recorder, 24. 9. 1930 (98. Jg.), S. 6. 717 Anzeige des Kinos R-K-O Proctor’s, in: Schenectady Gazette, 25. 8. 1930 (36. Jg.), S. 14. 718 Anzeige des Binghamton Theatre, in: Binghamton Press, 21. 7. 1930 (27. Jg.), S. 10. 719 Anzeige des Strand-Madison-Kinos, in: Rochester Democrat and Chronicle, 9. 11. 1930 (98. Jg.), S. 9D. 720 Vgl. u. a. Anzeige des Strand-Kinos. 721 Vgl. Schneider: Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, S. 369, sowie: Filmographie. Filme nach Vorlagen und unter Mitarbeit von Erich Maria Remarque, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Das Auge ist ein starker Verführer. Erich Maria Remarque und der Film, Osnabrück 1998 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 13), S. 299.

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soren Eingriffe. So musste zuweilen die Szene herausgeschnitten werden, in der die Soldaten nackt durch den Fluss schwimmen, um bei den jungen Frauen einzukehren. Zum Opfer der Zensur fiel auch teilweise die Episode, in der die Rekruten Unteroffizier Himmelstoß verprügeln.722 Die amerikanischen Zuschauer indes waren unabhängig von den leicht unterschiedlich gezeigten Fassungen von All Quiet on the Western Front begeistert.723 Der Andrang in den Kinos war so groß, dass die Karten rasch vergriffen waren. »Hurry, hurry!«, rieten die Betreiber in Zeitungsannoncen.724 Im Premierenkino in New York musste sogar ein Polizeiaufgebot dafür sorgen, dass nicht noch mehr Menschen in den längst überfüllten Saal des Central Theatre drängten.725 Allein dort hatten laut einer Zwischenbilanz im Juli 1930 in der 13. Woche mehr als 330.000 Besucher die stets ausverkauften Vorführungen gesehen.726 Auch an vielen anderen Orten wurden Sondervorstellungen angesetzt, sodass es bis zu einem halben Dutzend Vorführungen am Tag gab und etliche Theater von Rekordbesucherzahlen für ihre Säle berichteten. Zudem wurde der Vorstellungszeitraum vielfach verlängert – sei es in Metropolen wie New York, wo der Film am Broadway 23 Wochen lang fünfmal täglich bis in den Herbst hinein lief 727, oder in Kleinstädten und auf dem Land. »No picture in recent years has created such a furore as this mighty picturization of the world’s most famous book«, stellte die Niagara Falls Gazette beispielhaft für ihr Einzugsgebiet fest.728 Wie sich zeigte, lagen die Laemmles mit ihrem eingangs beschriebenen Gespür richtig. Der Mut, aus einem schwierigen Stoff wie All Quiet on the Western Front einen Hollywood-Blockbuster zu machen, zahlte sich nicht nur kommerziell aus, sondern stieß auch auf große Anerkennung: »To whom is due the rose for daring 722 Spätere Zensureingriffe waren auch im internationalen Vertrieb keine Ausnahme, sondern eher die Regel. So forderten unter anderem in Frankreich, Polen, Dänemark, Norwegen, Bulgarien und Australien Zensoren die Löschung von Filmszenen. Abgesetzt bzw. verboten wurde All Quiet on the Western Front etwa in Österreich, Italien, Ungarn, Jugoslawien, der Türkei, Neuseeland, China und Japan. Vgl. Schneider: Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, S. 370, sowie Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 108, 115–118 und 125. Zu den Ereignissen in Deutschland nach dem Kinostart im Dezember 1930 siehe detailliert Kap. 7.2.4. 723 Eine etwas längere Stummfilmversion mit Zwischentiteln wurde ebenfalls angefertigt, da noch nicht alle Kinos für das relativ neue Medium Tonfilm technisch ausreichend ausgestattet waren. 724 Vgl. Anzeige des Paramount-Kinos, in: Salt Lake Telegram, Salt Lake City, Nr. 191 vom 8. 8. 1930 (29. Jg.), Bd. 29, S. 8. 725 Vgl. Mordaunt Hall: A Strong War Picture, in: New York Times, 4. 5. 1930 (80. Jg.), S. X5. 726 Vgl. Martin Dickstein: The Cinema Circuit, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 17. 7. 1930 (90. Jg.). 727 Vgl. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 104. 728 N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue, in: Niagara Falls Gazette, 24. 9. 1930 (77. Jg.), S. 19.

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to make such a picture as this, with that commercialism in mind?«, fragte die Illustrierte Variety. »If that person were young Carl Laemmle, who produced this film, then the kid is there with nerve, for he has done on that nerve perhaps something no other producer in the film industry would have cared or dared to chance.«729 Eine gute Wahl trafen die Laemmles auch mit ihrem Regisseur, der mit seiner Arbeit sehr viel Lob erntete. In der seinerzeit erst wenige Jahre alten Tonfilmära habe Lewis Milestone die Faszination des Bildes wieder aufleben lassen, führte die New York Herald Tribune aus: »The person to whom most of the credit must go for the excellence of ›All Quiet‹ […] is the director, Mr. Milestone. In his hands the screen rediscovers many of the qualities that distinguished it while speechless, and were so wantonly discarded with the advent of sound.«730 Vergleiche mit Leinwandepen wie The Birth of a Nation, Ben Hur und The Big Parade wurden gezogen, wobei die Remarque-Verfilmung die genannten Werke in den Augen der meisten Betrachter filmtechnisch noch übertraf: »›All Quiet on the Western Front‹ stands alone as motion-picture achievement. Once seen, it will never be forgotten«, applaudierte der Massena Observer.731 Und die renommierte Washington Post schrieb: »Universal has produced the picture version on the most elaborate scale ever known in the history of the screen.«732 Mit großem Vorsprung wählten amerikanische Kinokritiker All Quiet on the Western Front denn auch zum besten Film des Jahres 1930: 271 von 332 Zeitungs- und Zeitschriftenrezensenten votierten in einer Umfrage des Film Daily für die Universal-Produktion.733 Bei den Kritikern des NEA Service schnitt der Film ebenfalls am besten ab.734 Der Höhepunkt waren fraglos die Academy Awards: Viermal wurde All Quiet on the Western Front nominiert und erhielt bei der Verleihung im November 1930 schließlich zwei der begehrten Trophäen für den besten Film und die beste Regie.735 Lewis Milestone wurde zusätzlich zu dieser Auszeichnung in einer Umfrage unter 300 Filmkritikern auch noch zum

729 Sime: All Quiet on the Western Front. Einschränkend muss hier bemerkt werden, dass Carl Laemmle Sr. Initiator des Projekts war, wobei er die Filmproduktion dann tatsächlich seinem jungen, talentierten Sohn überließ. 730 Howard Barnes in der New York Herald Tribune. Zitiert nach N.N.: War Without Glamour on the Film, in: Literary Digest, New York, 17. 5. 1930 (41. Jg.), S. 19. Vgl. auch N.N.: Here Is Scene From New War Picture, in: Albany Evening News, 9. 5. 1930 (9. Jg.), S. 12. 731 N.N.: Great Film This Week, in: Massena Observer, 9. 10. 1930 (40. Jg.), S. 5. 732 N.N.: War Feature By Remarque In Local Bow. 733 Vgl. Martin Dickstein: The Cinema Circuit, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 22. 1. 1931 (91. Jg.), S. 21. 734 Vgl. Dan Thomas: »All Quiet« Heads NEA Critic’s List of Ten Best Moving Pictures Produced During the Past Year, in: Niagara Falls Gazette, 5. 1. 1931 (78. Jg.), S. 11. 735 Vgl. u. a. N.N.: Some Movie Winners, in: Lake Placid News, 21. 11. 1930 (26. Jg.), S. 4.

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Regisseur der Jahre 1930/31 gekürt.736 Die vielen Ehrungen und die damit verbundene Publizität verlängerten das Interesse an All Quiet on the Western Front in den USA. Der Film, der inzwischen auch in Manila, Buenos Aires und Wellington gezeigt wurde,737 lief durchgehend bis ins Jahr 1931 in den amerikanischen Kinos. Gerade in kleineren Städten kamen die Lichtspielhäuser oft erst ein Jahr nach der Premiere an das heiß ersehnte Filmmaterial.738 1934 wurde der Film dann vielerorts von Universal neu angesetzt. Die Intention der Produktionsfirma war es, davor zu warnen, in einen neuerlichen Krieg hineinzuschlittern: »If people today saw ›All Quiet on the Western Front,‹ they would think less about going to war«, war Carl Laemmle Sr. überzeugt.739 »Mothers! Urge your sons to see it. Let them know what war really means«, predigten Kinoanzeigen.740 Und auch fast alle Filmkritiker versicherten, All Quiet on the Western Front habe nichts von seiner pazifistischen Wirkkraft verloren: »It has lost none of its drive and power. Its courage and purpose are still very much in evidence and it remains now, as it was four years ago, the best war picture that has ever been filmed«, hieß es etwa im Washington Evening Star.741 Nur wenige Stimmen verstanden die Neuansetzung fälschlicherweise als Appell, sich bereit zu machen, wie ein Kommentator im Chateaugay Record schrieb: »Universal put this picture back on the market to wake up the people to prepare. We must never bury our heads in the sands while the rest of the world builds warships and fighting planes.«742 Unabhängig von der Betrachtungsweise hatte der Film an den Kinokassen neuerlichen Erfolg. »We did extremely well with this picture, […] it was one of the best drawing pictures at the Box Office that we have played in some time«, schrieb ein Kinomanager aus einer kalifornischen Kleinstadt an Universal.743 Freilich konnte All Quiet on Western Front, wie man heute weiß, trotz des großen Zuschauerzuspruchs keinen positiven Einfluss auf die folgende unheil736 Vgl. N.N.: Milestone Is Adjudged Best Film Director, in: Schenectady Gazette, 31. 7. 1931 (37. Jg.), S. 25. 737 Vgl. Martin Dickstein: The Cinema Circuit, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 11. 9. 1930 (90. Jg.), S. 23. 738 Vgl. N.N.: ›All Quiet on the Western Front‹, Famous War Talkie, in: Door County Advocate, Sturgeon Bay, Nr. 46 vom 23. 1. 1931 (70. Jg.), Bd. 69, S. 1 und 6; N.N.: »All Quiet on Western Front« Is Great Picture, in: West News, West, Nr. 41 vom 13. 3. 1931 (43. Jg.), Bd. 41, S. 8; Anzeige des Temple Theatre, in: Pulaski Democrat, 1. 7. 1931 (98. Jg.), S. 4. 739 N.N.: »All Quiet On The Western Front« Will Be Reissued. 740 N.N.: Ads That Are Selling Seats!, in: Universal Weekly, New York, Nr. 20 vom 5. 5. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, S. 32. 741 N.N.: »All Quiet« Scores Anew In Washington, D.C. Revival, in: Universal Weekly, New York, Nr. 18 vom 14. 4. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, S. 22. 742 N.N.: Ideal Theatre, July 3–4–5, in: Chateaugay Record, 22. 6. 1934 (57. Jg.), S. 7. 743 N.N.: »All Quiet On The Western Front« One of Best Box Office Pictures, in: Universal Weekly, New York, Nr. 20 vom 5. 5. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, S. 19.

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volle geschichtliche Entwicklung nehmen. Dennoch ist der Film als Mahnmal gegen den Krieg auch heute noch populär und soll seit seiner Erstveröffentlichung von weit mehr als 100 Millionen Menschen gesehen worden sein.744 Die Strahlkraft des Originals von 1930 war dabei unübertroffen. Ein aufwendig gemachtes Remake von 1979 für das amerikanische und englische Fernsehen erreichte – trotz oder gerade wegen seiner noch weitaus moderneren filmischen Mittel – nicht annähernd die Popularität der Universal-Verfilmung fast 50 Jahre zuvor. »Tatsächlich war es jener irrationale Aspekt der lebendigen Farben und der glatte, moderne Stil, der beim Betrachten der Version von Im Westen nichts Neues aus dem Jahre 1979 den Film so deutlich von jenem vergangenen Krieg trennte, den er schildern sollte«, analysiert John W. Chambers. Dementsprechend sei unser Bild zumindest des Ersten Weltkriegs noch immer von jener Schwarz-Weiß-Realität bestimmt, welche die Aufnahmen von 1930 – mit ihrem engen Bezug auf die Originalbilder der Jahre 1914 bis 1918 – suggerierten.745

744 Vgl. Chambers II: ›All Quiet on the Western Front‹ (1930), S. 377 und 402. 745 Das 150 Minuten lange Remake von 1979 wurde von Regisseur Delbert Mann gedreht, die Hauptrollen von Paul Bäumer und Katczinsky besetzten Richard Thomas und Ernest Borgnine. Vgl. Chambers II: All Quiet on the Western Front/Im Westen nichts Neues (1930), S. 47 und S. 49f. (Zitat).

7.

Die Reaktion der deutschen und US-Presse auf Im Westen nichts Neues

7.1. Einführung Die Presselandschaften in Deutschland und den Vereinigten Staaten unterschieden sich Ende der 1920er Jahre ganz erheblich. Anhand der Rezeption von Remarques Bestseller lässt sich dies deutlich feststellen. Während sich deutsche Blätter als Partei- oder Gesinnungspresse aktiv in die Debatte um Im Westen nichts Neues einbrachten, bestanden bei der US-Presse so gut wie gar keine Zusammenhänge zwischen der politischen Heimat des Verlags und der redaktionellen Berichterstattung über die Kriegserzählung des deutschen Schriftstellers. Dementsprechend liegt es nahe, unterschiedliche Schemata bei der Auswertung der Quellen anzuwenden. Die insgesamt 43 untersuchten deutschen Titel sind analog des Parteienspektrums in dessen sieben wichtigste Kategorien unterteilt, und zwar kommunistisch, sozialdemokratisch, liberal und linksliberal, nationalliberal, katholisch, nationalistisch sowie nationalsozialistisch. Diese Feingliederung ermöglicht einen differenzierten Einblick in die politischen Strömungen der Schlussphase der Weimarer Republik. Zwischen den einzelnen Segmenten zeigen sich naturgemäß große Divergenzen, aber auch inhaltliche Überlappungen, sodass anders als bei einem simplen Links-rechts-Schema die Nuancen der jeweiligen Weltbilder hervortreten. Die Reaktionen auf Im Westen nichts Neues sagen dabei viel über die politisch-ideologische Positionierung der Verlage, der dahinterstehenden Partei bzw. ihrer Zielgruppen aus. Den Abschluss der deutschen Quellenanalyse bildet ein Ausblick auf den ›Filmkrieg‹ und den Triumph der Nationalsozialisten über Remarque. Damit erreichte die Debatte um Im Westen nichts Neues ihren Höhepunkt – und zugleich steht das Verbot der Hollywood-Verfilmung symptomatisch für den Verlauf der gesamten Rezeption in Deutschland. In den USA wiederum hielten sich die Zeitungen gemäß ihrem Selbstverständnis als neutrale Medien der Informationsvermittlung mit Parteinahme zurück. Die Diskussion war dadurch deutlich weniger hitzig als in Deutschland.

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Dafür gingen die Journalisten oft mehr in die Tiefe des eigentlichen literarischen bzw. filmischen Stoffes. Eine Einordnung der mehr als 120 untersuchten USPublikationen nach ihrer politischen Standortbestimmung wäre deshalb unangebracht gewesen. Stattdessen sind die Reaktionsmuster auf All Quiet on the Western Front nach inhaltlichen Aspekten sowie der Chronologie des Debattenverlaufs gruppiert. Die Hauptgliederung ergibt sich durch die Rezeption des Romans, der darauffolgenden Hollywood-Verfilmung sowie der Spiegelung der deutschen Debatte in der US-Presse, welche interessante Einblicke in die seinerzeit vorherrschende Weltsicht auf Deutschland ermöglicht. Des Weiteren gibt die Remarque-Rezeption auf der anderen Seite des Atlantiks Aufschlüsse über die rückblickende Bewertung des ›Great War‹, den Umgang mit der ›Lost Generation‹ und die Stellung der Vereinigten Staaten zum Krieg als Mittel der Politik allgemein. In einem abschließenden Kapitel (9.) werden die Rezeptionsanalysen in ihren Unterschiedlichkeiten und Parallelitäten noch einmal miteinander verknüpft.

7.2. Deutschland 7.2.1. Die Presselandschaft der Weimarer Republik »Die Hugenberg-Blätter [geben] den Ton [an].« Gustav Stresemann, 1925

Die deutsche Presselandschaft zeichnete sich Ende der 1920er Jahre auf den ersten Blick durch eine enorme Vielfalt aus. So gab es 1929 neben 7.000 Zeitschriften unterschiedlichster Couleur rund 3.350 Tageszeitungen mit mehr als 16 Millionen Auflage.746 Allein 147 Blätter waren in Berlin beheimatet, einem der am härtesten umkämpften Zeitungsmärkte der Welt.747 Um angesichts dieser 746 Vgl. Winfried B. Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik. Zur kommunikationsgeschichtlichen Ausgangslage, in: ders., Hanno Hardt und Elke Hilscher (Hg.): Presse im Exil. Beiträge zur Kommunikationsgeschichte des deutschen Exils 1933–1945, München u. a. 1979 (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, Bd. 30), S. 23 und 26–40; Rudolf Stöber : Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar, Konstanz 2000, S. 150, sowie Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 259–276 und 345–352. 747 Zieht man von diesen 147 Zeitungen die Regionalblätter der Berliner Bezirke ab, verblieben an wichtigen Blättern immerhin 45 Morgenzeitungen, zwei Mittagsblätter und 14 Abendzeitungen (vgl. Schrader und Schebera: Kunst-Metropole Berlin, Vorwort). Auf der »Hochblüte des Berliner Zeitungswesens« war die Hauptstadt damit »bei weitem die größte und vielfältigste Zeitungsstadt der Welt«, konstatiert Peter de Mendelssohn. (Peter de Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin. Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse, überarb. und erw. Aufl., Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1982, S. 198 und 313).

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Konkurrenz bestehen zu können, erschienen viele Zeitungen zwei- bis dreimal täglich und lieferten sich als Morgen-, Mittags- und Abendblätter einen regelrechten Nachrichtenwettbewerb. Denn der Großteil der Auflage ging in den Straßenverkauf. Wegen des geringen Abonnentenanteils waren die Blätter somit extrem konjunkturempfindlich. Nur 26 Zeitungen der Republik hatten mehr als 100.000 Auflage; und nur wenige waren – abgesehen von den offiziellen Parteizeitungen – überregional erhältlich: etwa die Frankfurter Zeitung, die Vossische Zeitung und das Berliner Tageblatt.748 Sie gehörten, meist von der intellektuellen und wirtschaftlichen Elite gelesen, zum »kleinen Kreis deutscher Prestige- und Weltblätter«.749 80 Prozent der Zeitungen hingegen erschienen mit einer Auflage von weniger als 8.000 Exemplaren.750 Sie wurden von Kleinstädtern und Landbewohnern gelesen, die meist nur zu diesem einen Heimatblatt Zugang hatten.751 Demnach war das »bunte Bild lokalkolorierter Zeitungstitel«, so Winfried Lerg, trügerisch: »Es bedeutete mitnichten publizistische Vielfalt«, urteilt er.752 Denn die Kommerzialisierung seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte längst zu einer Konzentration in der Presselandschaft geführt753 : Die in dieser Zeit entstandenen Verlage der »Zeitungskönige«754 Rudolf Mosse, Leopold Ullstein und August Scherl bestimmten auch in der Weimarer Republik die publizistische Meinung. Nachdem sie den Zeitungsmarkt der Hauptstadt unter sich aufgeteilt hatten, expandierten »die Großen Drei der Berliner Zeitungswelt« in die umliegende Provinz.755

748 749 750 751 752 753 754 755

Dagegen argumentiert Modris Eksteins, dass Berlin, obwohl das publizistische Herz Deutschlands, mit London, New York oder Paris bei der Zeitungsproduktion nicht mithalten konnte. Die einzige Begründung jedoch, die Eksteins nennt, ist, dass keine der Berliner Tageszeitungen je die Millionenmarke durchbrochen habe, wogegen dies in England, der USA oder in Frankreich häufiger der Fall gewesen sei. Modris Eksteins: The Limits of Reason. The German Democratic Press and the Collapse of Weimar Democracy, Oxford 1975, S. 74. Vgl. Harry Pross: Zeitungsreport. Deutsche Presse im 20. Jahrhundert, Weimar 2000, S. 49 und 70. Michael Bosch: Liberale Presse in der Krise. Die Innenpolitik der Jahre 1930 bis 1933 im Spiegel des »Berliner Tageblatts«, der »Frankfurter Zeitung« und der »Vossischen Zeitung«, Frankfurt am Main/München 1976, S. 1. Handbuch der Weltpresse, Bd. 1: Die Pressesysteme der Welt, hg. vom Institut für Publizistik der Universität Münster unter Leitung von Henk Prakke, Winfried B. Lerg und Michael Schmolke, 5. Aufl., Köln/Opladen 1970, S. 107. Vgl. Stöber : Deutsche Pressegeschichte, S. 215. Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 17. Vgl. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 154. Franz Hessel: »Spazieren in Berlin«, Leipzig/Wien 1929, S. 275. Vgl. Günther Schulz: Unternehmer im Medienbereich. Historische Entwicklungen, Kennzeichen, Fragen, in: ders. (Hg.): Geschäft mit Wort und Meinung. Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert, München 1999 (Deutsche Führungsschichten der Neuzeit, Bd. 22), S. 12. Vgl. zur Geschichte der drei Berliner Verlage ferner Heinz-Dietrich Fischer (Hg.):

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Fatal wurde diese Entwicklung, seitdem Alfred Hugenberg, bis dato Generaldirektor der Essener Krupp-Werke, 1916 die Kontrolle über den in finanzielle Schieflage geratenen konservativen Scherl-Verlag übernommen hatte.756 Es sollte nicht lange dauern, bis die Provinzpresse in seiner Hand war. Denn Scherl war nur der Grundstein zu einem deutschnationalen Presseimperium, das, so Peter de Mendelssohn, als »Propaganda-Organisation« bis in »Deutschlands letzten Winkel« für die politischen Rechtskräfte trommelte.757 Rasch baute der geschickte Unternehmer die sogenannte »Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte« zum größten Medienkonzern der Republik aus.758 Neben dem Scherl-Verlag umfasste die Dachgesellschaft die Universum Film AG (UFA), damals Deutschlands größtes Filmunternehmen759, sowie die Wirtschaftsstelle der Provinzpresse (Wipro) und die TelegraphenUnion (TU). Die Wirtschaftsstelle lieferte den Lokalzeitungen preiswert fertige Nachrichten und damit Meinungen, welche fast immer die Interessen der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) widerspiegelten. Bis auf den Lokalteil übernahmen die über Tausend von der Wipro belieferten Zeitungen den gesamten redaktionellen Inhalt und fuhren fortan in Hugenbergs politischem Fahrwasser.760 Die Telegraphen-Union, eine Nachrichtenagentur, die vielmehr eine »Meinungsfabrik« war, wie Mendelssohn konstatiert, war seit 1919 im Besitz von Hugenberg.761 Zwei Drittel aller deutschen Zeitungen bezogen Ende der 1920er Jahre ihre Dienste – und nur wenige konnten sich eine zweite Nachrichtenagentur, etwa Wolffs Telegraphisches Bureau, leisten.762 So stellte Gustav

756

757 758 759 760 761

762

Deutsche Presseverleger des 18. bis 20. Jahrhunderts, München-Pullach 1975, S. 163–171, 204–213 sowie 232–239. Vgl. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 233–252, sowie Friedrich Wilhelm Henning: Hugenberg als politischer Medienunternehmer, in: Günther Schulz (Hg.): Geschäft mit Wort und Meinung. Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert, München 1999 (Deutsche Führungsschichten der Neuzeit, Bd. 22), S. 105–112. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 331. Eine detaillierte Auflistung der Unternehmensanteile der Wirtschaftsvereinigung findet sich bei Otto Groth: Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde, 2. Bd., Mannheim/Berlin/ Leipzig 1929, S. 617. Die UFA hatte Hugenberg 1927 erworben. Er regierte damit nicht nur über die Produktion von Filmen und Wochenschauen, sondern auch über etwa 75 Kinos. Vgl. Henning: Hugenberg, S. 114. Vgl. Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 18, sowie Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 342f. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 348. Vgl. auch Klaus Wernecke: Nachrichtenagenturen und Provinzpresse in der Weimarer Republik, in: ZfG (2000), Nr. 48, S. 332, sowie Groth: Die Zeitung, S. 604. Bereits 1929 konstatierte Groth, dass sich die »rechtsstehende Industrie« mit der Telegraphen-Union »ihr stärkstes Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung geschaffen« habe. Vgl. Wernecke: Nachrichtenagenturen, S. 330.

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Stresemann bereits 1925 fest, dass »die Hugenberg-Blätter den Ton angeben«.763 Einzig die liberal-demokratischen Konzerne Mosse und Ullstein, beide in jüdischem Familienbesitz, bildeten gegenüber Hugenberg eine Front. Diese zwei Lager bestimmten die Publizistik der Weimarer Zeit.764 Grundsätzlich lassen sich drei Typen von Zeitungen unterscheiden: Zum einen reine Parteiorgane, wie KPD, SPD und NSDAP sie besaßen. Weitaus größer war die Zahl der Parteirichtungsblätter, welche sich nicht im Besitz einer Partei befanden, aber treu deren Kurs befolgten. Vor allem das Zentrum und die DNVP konnten auf solche Blätter setzen. Zur dritten Kategorie, der politischen Richtungspresse, zählten die liberalen und nationalliberalen Zeitungen, welche sich zur Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und Deutschen Volkspartei (DVP) bekannten, aber stets ihre Unabhängigkeit betonten.765 Die Kommunistische Partei Deutschlands hatte mit der Roten Fahne ein überregionales Zentralorgan, dessen Auflage in der Spitze 130.000 Exemplare betrug. Daneben umfasste der Parteiapparat im Jahr 1930 rund 40 weitere regional verbreitete Zeitungen, von denen jedoch keine mehr als 50.000 Auflage erreichte.766 Sie alle waren Verlautbarungsorgane der KPD. Insgesamt lag die Auflage ihrer Blätter 1930 bei etwa 550.000.767 Nicht auf Parteilinie bewegte sich 763 Vgl. Kurt Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945, Berlin 1972 (Geschichte der deutschen Presse, Teil III), S. 281. 764 Vgl. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 334. Jene Titel, die in der Rezeptionsanalyse häufig zitiert werden und am bedeutsamsten waren, werden bei der Ersterwähnung im Quellenteil kurz vorgestellt. Die Titelangaben und Auflagenzahlen stammen, soweit nicht anders genannt, aus: Sperlings Zeitschriften- und Zeitungs-Adreßbuch. Handbuch der deutschen Presse, 53. Ausg., Leipzig 1927; Zeitungskatalog 1927, hg. von der Allgemeinen Propaganda-Zentrale GmbH – Annoncen-Expedition, Berlin 1927; Zeitungskatalog 1929, hg. von der Annoncen-Expedition Rudolf Mosse, 55. Aufl., Berlin 1929; Horst Heenemann: Die Auflagenhöhen der deutschen Zeitungen. Ihre Entwicklungen und ihre Probleme, phil. Diss., Berlin 1929; Jacques Albachary (Hg.): Albacharys Markt-Zahlen für Reklame-Verbraucher, Berlin 1929; Jahrbuch der Tagespresse, 3. Jg., Berlin 1930. 765 Diese Kategorisierung findet sich u. a. bei Fauth: Die Presse und der Aufstieg der NSDAP, S. 53. Zu nennen gewesen wären an dieser Stelle auch die ›richtungsfreien‹ Generalanzeiger (Gesamtauflage: 4 bis 5 Millionen), deren politische Neutralität sich meist auf die Verpackung beschränkte. Viele dieser zum Teil auflagenstarken Zeitungen standen – wie die Provinzpresse – unter starkem Einfluss des Hugenberg-Konzerns: redaktionell durch die Telegraphen-Union und wirtschaftlich durch die Allgemeine Anzeigen GmbH (Ala), die bald Mosses Annoncen-Expedition verdrängte. Wegen ihrer finanziellen Abhängigkeit vom Anzeigenteil waren die Generalanzeiger häufig zu politischem Konformismus bereit und vertraten einen indifferenten Nationalismus. Da die meisten dieser Blätter jedoch nur schwer zugänglich sind eine systematische Auswertung der Generalanzeiger zudem den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte, musste darauf verzichtet werden. 766 Vgl. Max Bestler : Das Absinken der parteipolitischen Führungsfähigkeit der deutschen Tageszeitungen, 1919–1932. Ein Vergleich der Auflagenziffern mit den Wahlziffern der Parteien, Diss., Berlin 1941, S. 49ff. 767 Vgl. Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 22.

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der »durchaus kapitalistisch aufgezogene« Konzern von Willi Münzenberg, wie Walter Kaupert ihn 1932 beschrieb.768 Der auch »roter Hugenberg« titulierte Verleger besaß unter anderem die Arbeiter-Illustrierte Zeitung und Die Welt am Abend.769 Wesentlich gewachsener war die Presse der Sozialdemokraten. Aufbauend auf einer mehr als 50-jährigen Geschichte, hatte sie, so Lerg, Ende der 1920er Jahre »eine ansehnliche Verbreitung«, wenngleich überwiegend unter ihren Anhängern.770 Neben dem Hauptorgan Vorwärts, das strikt die Linie der Reichstagsfraktion wiedergab, verfügte die SPD in fast jeder Stadt über ein eigenes Blatt: 1929, dieses Jahr markierte den Höhepunkt ihrer Entwicklung, waren es rund 200 Titel mit einer Gesamtauflage von 1,1 bis 1,3 Millionen Exemplaren.771 Zu nennen wären etwa die Leipziger Volkszeitung oder das Hamburger Echo. Wie der Vorwärts befanden sie sich im Besitz der Partei, wurden aber von deren Vorstand kaum kontrolliert. Jedoch waren viele Mitarbeiter gleichzeitig Parteifunktionäre oder Abgeordnete. Somit entsprachen die sozialdemokratischen Zeitungen einer weltanschaulich ausgerichteten Gesinnungspresse.772 Der Sozialdemokratie nicht abgeneigt waren zudem die großen demokratischen Blätter in Frankfurt und Berlin.773 Bei den liberalen Parteien indes gab es »überhaupt keine Parteipresse«, konstatierte Otto Groth 1929.774 Dafür konnte sich die Deutsche Demokratische Partei auf die Berliner Großverlage Mosse und Ullstein verlassen. Vor allem deren Aushängeschilder, die »demokratischen Gesinnungszeitungen«775 Berliner Tageblatt und Vossische Zeitung, bekannten sich zur Politik der DDP – insbesondere ihres linken Flügels.776 Ferner stand ihr die Frankfurter Zeitung nahe.777 Allerdings betonten diese Blätter stets ihre Selbstständigkeit; sie lehnten

768 769 770 771 772

773 774 775 776

777

Walter Kaupert: Die deutsche Tagespresse als Politicum, Diss., Freudenstadt 1932, S. 117. Pross: Zeitungsreport, S. 65. Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 21. Vgl. Kurt Koszyk: Zwischen Kaiserreich und Diktatur : Die sozialdemokratische Presse von 1914 bis 1933, Heidelberg 1958, S. 188, sowie ders.: Deutsche Presse 1914–1945, S. 314. Vgl. auch Eksteins’ treffende Charakterisierung der SPD- (und KPD)-Blätter : »Their pages consisted almost solely of tedious party news and polemical attacks on opponents, and their regular readership […] believed religiously in the precepts of Social Democracy or Communism.« Eksteins: The Limits of Reason, S. 84. Vgl. Kaupert: Die deutsche Tagespresse, S. 144. Groth: Die Zeitung, S. 454. Bosch: Liberale Presse, S. 300. Vgl. Werner Fritsch und Heinz Herz: Deutsche Demokratische Partei (DDP), in: Dieter Fricke (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 1, Leipzig 1968, S. 309f. Vgl. Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945, S. 216.

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es ab, sich als Parteiorgane behandeln zu lassen. 1929 kamen die etwa 340 DDPnahen Zeitungen auf eine Auflage von 2,5 Millionen.778 Die konservativere Deutsche Volkspartei stützte sich auf die nationalliberalen Zeitungen, welche sich, wie die Kölnische Zeitung und der Hannoversche Kurier, einer eher liberalen und, wie die Berliner Börsen-Zeitung und die Deutsche Allgemeine Zeitung, einer eher konservativen Richtung zuordnen lassen.779 Insgesamt standen rund 300 Zeitungen »auf dem Boden« der Partei. Ihre Auflage betrug 1,5 bis 2 Millionen Exemplare. Ähnlich wie die DDP hatte die DVP aber keinen publizistischen Rückhalt in der Provinz.780 Die Presse des Zentrums war Parteirichtungspresse. Die großen führenden katholischen Blätter, die Germania aus Berlin und die Kölnische Volkszeitung, waren zwar keine Parteiorgane, standen aber in engem Kontakt zur Kirche und zum Zentrum. Gleiches galt für die Bayerische Volkspartei (BVP) und den Bayerischen Kurier aus München. Gut vertreten war die katholische Presse auch in der Provinz. Mit einer Gesamtauflage von rund 2,5 Millionen Exemplaren und einem Marktanteil von etwa 12 bis 15 Prozent stellten die 450 Zentrums- und BVP-nahen Zeitungen Ende der 1920er Jahre einen »Machtfaktor des öffentlichen Lebens« dar, stellte Kaupert fest.781 Gemessen an der Macht des Hugenberg-Konzerns war die »beherrschende Kraft in der deutschen Tagespresse der Weimarer Republik« jedoch die Deutschnationale Volkspartei.782 Zwar besaß sie kein offizielles Parteiorgan, dafür war die Provinzpresse fest in ihrer Hand. Während in der Hauptstadt die Scherl-Zeitungen Der Tag und der Berliner Lokal-Anzeiger mit der Feder Hugenbergs schrieben, vertraten Parteirichtungsblätter wie die Neue Preußische Kreuz-Zeitung und die Deutsche Zeitung verschiedene Interessengruppen innerhalb der DNVP. So galt erstere als Zeitung der ostelbischen Großgrundbesitzer, letztere als Alldeutschenblatt.783 Die 500 Zeitungen, die sich 1929 als »national«, »völkisch« oder »vaterländisch« bezeichneten, waren mit 3 Millionen Exemplaren die auflagenstärkste Gruppe in der deutschen Presselandschaft. 778 Vgl. Bestler : Auflagenziffern, S. 49ff. 779 Wohingegen die erste Gruppe auch Sympathien für die DDP hegte, orientierte sich die rechtsliberale Presse verstärkt in Richtung der DNVP. 780 Vgl. Wolfgang Ruge: Deutsche Volkspartei (DVP), in: Dieter Fricke (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 1, Leipzig 1968, S. 651. 781 Kaupert: Die deutsche Tagespresse, S. 97. Vgl. zur Entwicklung der Zentrumsblätter Groth: Die Zeitung, S. 438, sowie Bestler : Auflagenziffern, S. 49ff. 782 Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 18f. An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass Hugenberg seit Oktober 1928 Vorsitzender der DNVP war – und das mit quasi diktatorischen Vollmachten. 783 Vgl. Heinz-Dietrich Fischer : Handbuch der politischen Presse in Deutschland 1480–1980, Düsseldorf 1981, S. 265.

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Sie alle engagierten sich für die »nationale Sache« und bestellten damit Hitler das Feld, das dieser bald abernten sollte. Die nationalsozialistische Presse selbst war vor 1933 mit etwa 50 Zeitungen und einer Gesamtauflage von rund 250.000 vergleichsweise unbedeutend.784 Abgesehen vom Münchner Zentralorgan Völkischer Beobachter, der 1930 auf eine Auflage von 40.000 bis 80.000 Exemplaren kam, gab es keine weitere bedeutende Zeitung der NSDAP. Erst mit den Wahlerfolgen ab September 1930 stiegen die Auflagenziffern an. Das wiederum ermöglichte, die bis dahin meist nur wöchentlich erscheinenden Blätter – etwa den von Joseph Goebbels herausgegebenen Berliner Angriff – nach und nach in Tageszeitungen umzuwandeln. Unabhängig von der Erscheinungsweise sind alle NSDAP-Blätter als reine »Kampf- und Agitationspresse« zu bezeichnen, die den Weisungen der Parteileitung untertan war.785 Auflagenhöhe und Wählerstimmen nach der Reichstagswahl vom September 1930786 Politische Gruppierung

Auflage (in Mio.)

Wähler (in Mio.)

Verhältnis Wähler/Leser

KPD SPD

0,5 1,3

4,6 8,6

9,2 6,6

DDP Zentrum und BVP

3,6 2,5

1,3 5,2

0,4 2,1

DVP und DNVP NSDAP

3,8 0,25

4,1 6,4

1,1 25,6

Nichtwähler/Generalanzeiger Insgesamt

4–5 16–17

7,0 37,3

ca. 2,2

Die bloße Auflagenhöhe der Partei- und parteinahen Presse lässt freilich noch keine Rückschlüsse auf die tatsächliche politische Reichweite der jeweiligen Partei zu. Das wird deutlich, stellt man die Auflage der Anzahl der Wählerstimmen gegenüber. So kamen rund 25 NSDAP-Wähler auf den Leser einer 784 Fischer : Handbuch der politischen Presse, S. 278. 785 Kaupert: Die deutsche Tagespresse, S. 122. 786 Die Auflistung entstammt Bestler : Auflagenziffern, S. 100ff. Da die von Bestler angegebenen Wählerstimmen von den üblichen Angaben in der Literatur um einige Kommastellen abweichen, wurden sie ersetzt (nach Alfred Milatz: Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, Bonn 1965, S. 151). Die nach links tendierenden nationalliberalen Zeitungen hat Bestler unter die Presse der DDP subsumiert, die rechtsliberalen Blätter der DVP und der DNVP zugeordnet. Tatsächlich verläuft im nationalliberalen Pressespektrum die Trennlinie zwischen »liberal« und »konservativ« bzw. »links« und »rechts«. Im Zuge der Quellenanalyse wird die nationalliberale Presse dennoch als eigene Kategorie betrachtet, da sie sich mehrheitlich an der DVP orientierte, welche wiederum Nachfolgerin der Nationalliberalen Partei des Kaiserreiches war.

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nationalsozialistischen Zeitung, während von den Lesern der demokratischen Presse nicht einmal jeder zweite die DDP wählte. Bei keiner politischen Strömung wie dem demokratischen Liberalismus klaffte eine derart große Lücke zwischen der Bedeutung ›ihrer‹ Presse und der tatsächlichen parlamentarischen Repräsentation. Diese Tatsache, die auch für die Remarque-Rezeption im Blick zu behalten ist, sollte für die Stabilität der Republik nicht ganz unbedeutend sein. Sie lässt sich darauf zurückführen, dass die überwiegend städtischen Leser die liberalen Zeitungen vor allem aufgrund ihrer Qualität lasen, weniger wegen ihrer politischen Färbung, welche – von Blättern wie der Vossischen Zeitung, dem Berliner Tageblatt und der Frankfurter Zeitung einmal abgesehen – ohnehin relativ blass war. So gehörten etwa der Leserschaft der Berliner Morgenpost (Ullstein) und der Berliner Volks-Zeitung (Mosse) viele Arbeiter an.787 Von ihnen votierten sicher nicht viele für die DDP. Da der Schwerpunkt der liberalen Presse auf einer ausgewogenen Berichterstattung lag, tat sie sich in einem polarisierten Klima schwer, mit politischen Argumenten zu überzeugen und ihre Leser nachhaltig an die Demokratie zu binden.

7.2.2. Rezeption von Im Westen nichts Neues (Roman) »›Im Westen nichts Neues‹ ist […] ein Stein des Anstoßes, an dem sich die Geister scheiden müssen.« Richard Euringer am 17. Mai 1929 in der Münchener Zeitung

Als Im Westen nichts Neues 1929 den deutschen Buchmarkt eroberte, entbrannte angesichts der Breitenwirkung des Romans ein »Meinungskampf von selten erlebter Schärfe«, wie der Ullsteinsche Propyläen-Verlag im Juli in der Anzeige »Der Kampf um Remarque« konstatierte. In der Tat gab es wohl »keine Zeitung, die nicht Stellung nahm«. Denn Remarques unheroische Geschichte von der Front erschien zu einer Zeit, in der Krieg wieder in aller Munde war. Ob im Zusammenhang mit dem Streit um den Panzerkreuzerbau oder der Neuordnung der Reparationszahlungen – die politischen Debatten drehten sich auch immer um die Fragen: Welche Bedeutung hatte der vergangene Krieg? Und soll das Land einen neuen führen? Der Diskurs um das Buch war ungewöhnlich breit und wurde bald ein gesellschaftliches Ereignis. Neben Literaturkritikern meldeten sich Offiziere, Ärzte, Pfarrer, prominente Schriftsteller und gewöhnliche Leser zu Wort. Dabei lasen die Rezensenten, so die Ullstein-Annonce, »je nach den politischen Be787 Vgl. Eksteins: The Limits of Reason, S. 136f.

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Die Reaktion der deutschen und US-Presse auf Im Westen nichts Neues

strebungen des Blattes« die verschiedensten Tendenzen aus dem Roman.788 Zum Maßstab machten sie ihre eigene Auffassung von historischer Realität. Sie gingen mit Erwartungen an den Text, die entweder bestätigt oder enttäuscht wurden. Dies führte unmittelbar zu einer positiven oder negativen Bewertung des Buches, wobei der literarische Wert vollkommen in den Hintergrund rückte. Stattdessen wurde zuweilen so getan, als hätte der Schriftsteller »zu einem Staatsstreich aufgerufen«, wie Bärbel Schrader den ›Fall Remarque‹ rekapituliert.789 Der plötzlich im Mittelpunkt stehende Autor vermied, zu alldem Stellung zu beziehen. Er beteiligte sich nicht an politischen Debatten, hielt keine Vorträge und gab sehr selten Interviews.790 Das hinderte die sich befehdenden Parteien jedoch nicht daran, ihre Version des Fronterlebnisses gegen oder mit Remarque zu verteidigen.

788 »Der Kampf um Remarque«, Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 27 vom 7. 7. 1929 (38. Jg.), S. 1192. In einem Überblick über die Reaktionen der Presse in derselben Anzeige bildete der Verlag folgende Bewertungskategorien: »Wahrheit oder nicht?«, »Wie war wahres Heldentum?«, »Religion und Ethik bedroht?«, »Pazifistisch?«, »Beleidigend und tendenziös?«, »Anstößig?«, »Gefahr für die Jugend?«. 789 Bärbel Schrader : Vorbemerkung, in: dies. (Hg.): Der Fall Remarque. Im Westen nichts Neues. Eine Dokumentation, Leipzig 1992, S. 5. 790 Im Gespräch mit Eggebrecht sagte Remarque: »Wenn eine Arbeit fertig ist, hat der Autor zu ihr nichts mehr zu bemerken. […] Das Reden darüber hätte auch keinen Zweck« (Eggebrecht: Gespräch mit Remarque, S. 2). Sein Schweigen lässt sich auch darauf zurückführen, dass der Wirbel um Im Westen nichts Neues für Remarque völlig unvorbereitet kam – und ihm zudem sehr unangenehm gewesen sein muss. So sagte der Schriftsteller im Gespräch mit Friedrich Luft: »Ich war außerordentlich überrascht über die politische Wirkung. Ich habe etwas derartiges gar nicht erwartet« (Luft : Das Profil, S. 121). Als der Erfolg und damit die öffentliche Aufmerksamkeit gekommen sei, habe das bei ihm »zu einer fast vernichtenden Krise« geführt, beschrieb Remarque im November 1929 gegenüber Wilhelm Scherp seinen Seelenzustand: »Ich fühlte mich erledigt, für immer fertig.« Insbesondere das Interesse an seiner Person und seinem Privatleben habe einen äußerst »verwirrenden Eindruck« auf ihn gemacht. Dabei sei er doch »ein normaler Mensch wie jeder andre«, dem die »Atmosphäre von politischer Gehässigkeit, die in Deutschland jetzt herrscht«, zutiefst zuwider sei. Resultierend daraus war der Wunsch nach Rückzug: »Am liebsten möchte ich verschwinden, ganz und gar, meinen Namen ändern, den Bart wachsen lassen, eine neue Existenz anfangen, niemals mehr schreiben.« Vgl. Scherp: Der Gefangene seines Ruhmes.

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7.2.2.1. Kommunistische Presse »Wer so den Stoff des Krieges gestalten will, bereitet – bewußt oder unbewußt – den nächsten Krieg mit vor.« Hubert Herenius im August 1929 in der Linkskurve

Überwiegend kompromisslose Aburteilung erfuhr Im Westen nichts Neues durch die kommunistische Presse – und dies von Beginn an. Insbesondere die dogmatischen Organe Die Rote Fahne791 und Die Linkskurve, die Zeitschrift des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS)792, lehnten Remarques Buch ab. Maßgebend dabei war nicht die literarische Qualität des Romans, sondern allein dessen vermeintliche politische Tendenz. Zwar bescheinigte K.N., vermutlich der marxistische Schriftsteller Klaus Neukrantz793, Remarque in einer ersten Rezension in der Roten Fahne im März 1929, dass das Buch »glänzend und hinreißend geschrieben« sei.794 Und K.A. Wittfogel795, einer der führenden marxistischen Literaturtheoretiker, konsta791 1918 von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründet, war Die Rote Fahne Hauptorgan des Zentralkomitees der KPD (Auflage etwa 130.000). Sie selbst verstand sich schlicht als »Arbeiterzeitung« (Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 63), wobei ihre Hauptaufgabe in politischer Agitation und – so ein Parteitagsbeschluss von 1925 – in der »Erziehungsarbeit des Proletariats in marxistisch-leninistischem Sinne« bestand (zitiert nach Kurt Koszyk: Die Rote Fahne (1918–1933), in: Heinz-Dietrich Fischer (Hg.): Deutsche Zeitungen des 17. bis 20. Jahrhunderts, München-Pullach 1972, S. 395). Insofern war die Rote Fahne vor allem ein doktrinäres Kampfblatt, das nur in der kommunistisch organisierten Arbeiterschaft gelesen wurde. Die Zeitung polemisierte gerne und häufig gegen ihren Hauptfeind SPD und die sozialdemokratische Presse, wobei dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Mehrfach verboten, konnte die Rote Fahne zwischen 1919 und Oktober 1932 stolze 779 Tage verbuchen, an denen sie nicht erscheinen durfte. Vgl. Pross: Zeitungsreport, S. 64, sowie Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945, S. 328. 792 Die Linkskurve war eine dogmatische, »ausdrücklich marxistische Literaturzeitschrift«, so Winfried Lerg, die sowohl der KPD als auch der sowjetischen KP nahestand. Mitherausgeber und verantwortlich für die Redaktion war Ludwig Renn, der Verfasser des Buches Krieg. Die erste Ausgabe der Linkskurve erschien im August 1929 und fortan jeden Monat. Ihre Auflage lag eigenen Angaben zufolge bei 15.000 Exemplaren. Vgl. hierzu Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 29, sowie das Impressum der Zeitschrift. 793 Nach seiner Teilnahme am Weltkrieg wandte sich Klaus Neukrantz 1919 dem Sozialismus zu. Seit seinem Eintritt in die KPD 1923 war er u. a. Redakteur der Roten Fahne. Neukrantz’ 1929 erschienener Roman Barrikaden am Wedding wurde sofort nach der Veröffentlichung verboten. Im März 1933 verhaftet, wurde Neukrantz schwer misshandelt und in eine Nervenheilanstalt eingeliefert, wo sich seine Spur verliert. Er starb vermutlich 1941. Vgl. Walther Killy und Rudolf Vierhaus (Hg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), München u. a. 1995–2000, Bd. 7, S. 380. 794 K.N.: Remarque: »Im Westen nichts Neues«, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 53 vom 3. 3. 1929 (12. Jg.), S. 16. 795 Karl August Wittfogel wurde 1918 Mitglied der USPD und 1920 der KPD. Er arbeitete für das Proletarische Theater Erwin Piscators in Berlin, bevor er als Literaturtheoretiker für verschiedene kommunistische Zeitungen schrieb, u. a. Die Rote Fahne und Die Linkskurve.

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tierte, der Verfasser habe »die technischen Schrecken der Materialschlacht […] ungemein eindringlich nachgezeichnet«.796 Was sowohl Neukrantz als auch Wittfogel jedoch vermissten, war die historische Konsequenz, das Aufzeigen der Schuldigen dieser Schrecken und konkrete Handlungsanweisungen vor allem an die junge Generation, um das nächste »imperialistische Völkergemetzel« zu verhindern.797 Wittfogel unterstellte Remarque ein bewusstes »Schweigen, das in seinem Buche über alle klassenmäßigen Tatsachen des Krieges […] wie ein künstlicher Nebel ausgebreitet ist«.798 Die kommunistische Kritik zielte somit auf die vermeintliche Neutralität von Im Westen nichts Neues ab, die Remarque selbst immer wieder unterstrichen hatte. »Indem er sein Buch unter der Devise segeln läßt: Es soll weder ein Bekenntnis, noch eine Anklage sein!«, habe Remarque, so Hubert Herenius in der Linkskurve, »sich aller Konsequenzen entzogen«.799 Das sei die »tiefe Schuld« des Buches, argumentierte auch K.N.800 Gemäß ihrem Selbstverständnis, dass ein Schriftsteller auch immer politisch in der Öffentlichkeit zu wirken habe, kritisierten die marxistischen Rezensenten, dass Remarque die kapitalistischen und imperialistischen Interessen nicht als Kriegsursachen offenlege: »Wer ist schuld?«, fragte K.N.: »Unsere Väter, Klassenlehrer und wer sonst noch staatlich erziehungsberechtigt war. So ›antwortet‹ der Autor und schließt müde sein Buch vom guten Kameraden.« Der vollkommen unrevolutionäre Charakter des Romans zeige sich auch daran, dass die Remarqueschen Soldaten nicht über kleine Revolten gegen die Repräsentanten der Kriegsgesellschaft hinauskommen: »Himmelstoß war ein Leuteschinder? Nun, seine Opfer triezen ihn eben wieder, bis er Ruhe gibt. Der Oberlehrer Kantorek hat die Jugend in die Schützengräben vorgelockt? Er muß auch hinaus. Draußen aber gibt man ihm alles zurück«, so Wittfogel.801 Gerade die Sprachlosigkeit von Remarques Protagonisten, ihre Desillusionierung und die unterlassene Auflehnung gegen den Krieg und dessen Verursacher riefen bei den klassenkämpferischen Ideologen Empörung hervor. Das pazifistische Versprechen Bäumers jedenfalls, das er dem von ihm getöteten französischen Soldaten Duval gab, nahmen sie ihm nicht ab: »,… Ich verspreche es dir, Kamerad. Es darf nie wieder geschehen.‹ – ›Was tust du, Kamerad von 1914, um dein

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1933 mehrere Monate im Konzentrationslager, gelang ihm nach der Entlassung 1934 die Ausreise in die USA, deren Staatsbürger er später wurde. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 546f. K.A. Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. Der Klassenkampf in der Kriegsliteratur – Von 1914 bis 1930, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 172 vom 26. 7. 1930 (13. Jg.), Literatur-Rundschau. N.N.: Geheimrüstungen des Imperialismus, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 292 vom 12. 12. 1928 (11. Jg.), S. 13. Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. Hubert Herenius: »Der Krieg«, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 1, August 1929 (1. Jg.), S. 32. K.N.: Remarque: »Im Westen nichts Neues«. Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg.

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Versprechen zu halten …??‹ – ›Antworte –!!‹.«802 Eine Antwort gibt Remarque in dem von K.N. konstruierten Dialog, der sich an die Duval-Szene anlehnt, nicht. In dieser fehlenden »Verantwor tlichkeit«, die der »Feig heit« gleichkomme803, sahen die marxistischen Literaturkritiker Gründe für den Erfolg von Im Westen nichts Neues. Er beruhe nämlich auf dem, »was nicht darin steht, oder was als L ü ge und Karikatur in ihm steckt«.804 Da Im Westen nichts Neues die klassenbedingten Ursachen des Krieges ausblende und Remarque keine Antwort darauf gebe, wie der »drohenden Gefahr eines neuen imperialistischen Krieges«805 Einhalt zu gebieten sei, wurde ihm eine schicksalhafte Auffassung vom Krieg bescheinigt: »Krieg ist Schicksal, das schauderhafte Züge zeigen mag, dem sich jedoch der Kleinbürger zu f ü gen hat.«806 Diese, in den Augen von K.N. ignorante Haltung, die in eine geduldige Hinnahme des Krieges münde, identifizierte er als »Pazifismus«, wobei er den Begriff negativ konnotierte: »Pazifismus ist die furchtbarste Kriegsschuldlüge, weil er die wahren Ursachen des Krieges, die in den politisch-ökonomischen Voraus setzu ng en der bürgerlichen und kapitalistischen Ordnung liegen, leugnet und sich weigert, ihre einzig mögliche Beseitigung durch den gewaltsamen Sturz dieser Gesellschaftsordnung zu fordern.«807

Aufgrund dieser Prämisse gingen die kommunistischen Dogmatiker808 gar so weit, den Pazifismus Remarques als Militarismus zu entlarven: So bezichtigte Wittfogel den »Aufrüstungskriegsdichter« der »Bahnbereitung f ü r neue Kriegsabenteuer«.809 Zu dem gleichen Fazit kam Herenius: »Wer so den Stoff des Krieges gestalten will, bereitet – bewußt oder unbewußt – den nächsten Krieg mit vor.«810 Warum seine Kritiker in der Haltung des Schriftstellers nichts als »kleinbürgerlich-pazfistische Duselei«811, ja, sogar eine militaristische Gesinnung sahen, erklärt sich aus ihrer Haltung zum Pazifismus. Dieser erschien manchem als bewusster »Massenbetrug« – an dem der Völkerbund sowie Po802 K.N.: Remarque: »Im Westen nichts Neues«. 803 Klaus Neukrantz: Schriftsteller ziehen in den Krieg, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 8, August 1930 (2. Jg.), S. 2. 804 Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. 805 N.N.: Geheimrüstungen des Imperialismus. 806 Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. 807 K.N.: Remarque: »Im Westen nichts Neues«. 808 Die Bezeichnung der Publizisten der Roten Fahne und der Linkskurve als »Dogmatiker« soll sich hier vereinfachend auf die Vertreter einer streng klassenkämpferischen Richtung im kommunistischen Spektrum beziehen, die sich an der offiziellen Parteilinie orientierte. Demgegenüber stand eine pluralistischere Auffassung, welche in der Minderheit war. 809 Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. 810 Herenius: »Der Krieg«, S. 32. 811 Saul Friedländer : Pazifistische Duselei, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 8 vom 10. 1. 1929 (12. Jg.), S. 12.

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litiker wie Stresemann und Briand teilnehmen würden. Er diene ausschließlich »der Vorbereitung des reaktionären Krieges gegen den proletarischen Staat«, schrieb etwa Josef Lenz in der Linkskurve.812 Auch wenn Lenz mit seiner Aburteilung des Pazifismus als Aufrüstungsideologie die Ausnahme bildete: Die Mehrheit der kommunistischen Publizisten bewertete den Pazifismus schon dadurch negativ, weil sie ihn als zu schwach einschätzte, um dem Militarismus Einhalt zu gebieten. Im »Rüstungsfieber der großen und kleinen imperialistischen Räuber«, im »maßlosen Anschwellen der Militärbudgets« und der »Panzerkreuzerei«813 sahen sie Indizien, dass der deutsche Imperialismus in seiner verbrecherischen Manier bereits »das nächste Völkermorden« plante814 : »Sichtbar ballen sich die dunklen Kriegswolken zusammen«, schrieb Saul Friedländer im Januar 1929 in der Roten Fahne. Zwar würden die Pazifisten manches sehen, doch wollten sie nicht erkennen, »daß der Krieg überhaupt ein wesentlicher Teil der kapitalistischen Ordnung ist«. Daher sei der »kleinbürgerliche Pazifismus in seiner ganzen kläglichen Beschränktheit« ein Verbündeter des Imperialismus – ob er wolle oder nicht.815 Aufgrund dieser Erkenntnisse waren sich die kommunistischen Kritiker einig, dass die »Niederwerfung der kapitalistisch-imperialistischen Klassenherrschaft« nur mit »revolutionären Methoden« gelingen könne, »nicht mit illusionären, pazifistischen Losungen«816 : »Den Krieg radikal aus der Welt schaffen, das kann man nur, wenn man seine Ursachen erkennt und diese Ursachen aus der Welt schafft«, argumentierte Lenz. Einfach »Pazifist, Anhänger des Friedens im Allgemeinen, zu sein«, sei zu wenig.817 Remarque war in den Augen der KPD-Kritiker letztlich Teil des zu bekämpfenden »imperialistischen Mordsystems«818 – ob »bewußt oder unbewußt« machte keinen Unterschied.819 Genauso wenig, ob sie in ihm einen verkappten Militaristen oder lediglich einen kleinbürgerlichen Pazifisten sahen. In jedem Fall war Remarque »mit allem Recht Lieblingsdichter der imperialistischen Bourgeoisie« geworden, wie Wittfogel konstatierte. Dass der Autor somit gleichsam ein Gegner des Marxismus sein müsse, glaubte der Rezensent allein dadurch beweisen zu können, dass sich Remarque geweigert habe, »offen zu erklären, wie er zu einem Krieg der imperialistischen Staaten gegen die Sow812 Josef Lenz: Warum sind wir keine Pazifisten, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 1, August 1929 (1. Jg.), S. 5. 813 Friedländer : Pazifistische Duselei. 814 N.N.: Geheimrüstungen des Imperialismus. 815 Friedländer : Pazifistische Duselei. 816 N.N.: Geheimrüstungen des Imperialismus. 817 Lenz: Warum sind wir keine Pazifisten, S. 4. 818 Ebd. 819 Herenius: »Der Krieg«, S. 32.

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jetunion steht«.820 Wittfogel berief sich damit auf eine Umfrage des Internationalen Büros für revolutionäre Literatur in Moskau, welches »sich der verdienstvollen Aufgabe« unterzog, so Neukrantz in der Linkskurve, »eine Enquete an die bekanntesten Schriftsteller der ganzen Welt zu richten mit der Frage: Wie w ü rden Sie sich im Falle eines Krieges gegen die UdSSR verhalten ?« Remarque, erläuterte Neukrantz, habe »trotz zweimaligen Telegramms« auf diese Frage geschwiegen. Dieses Schweigen verkünde »laut und offen« seine Motivation, die da heiße: »Ich habe 10 Millionen Tote umgem ü nzt in die h ö chste Tantiemenziffer, die in dieser Zeit eine Auflage erlebt hat.« 821 Hiermit griff Neukrantz einen Punkt auf, der – wie noch zu zeigen sein wird – bereits vonseiten nationalistischer Kritiker laut geworden war : den des Egoismus und der persönlichen Bereicherung. Dem »Geschäftsmann Remarque aus der Literaturbranche«, schrieb im Dezember 1929 wiederum die Linkskurve, sei mit seinem Buch »eine Spekulation glänzend gelungen«. Mit dem Hinweis auf weitere Buchvorhaben Remarques hieß es mit unverhohlenem Sarkasmus weiter : »Nun will er neue, noch bessere Geschäfte machen. Wird er auch diesmal die Konjunktur richtig analysieren?«822 Es waren diese »Spesenmacher des Pazifismus«823, welche die KPD-Dogmatiker verurteilten und zu denen sie Remarque rechneten: bürgerliche Literaten, die Kunst zu einem »harmlosen Gesellschaftsspiel« degradiert hätten, die »faul und verspielt an der großen Heerstraße« lägen und darauf verzichteten, »Geschichte mitzuschaffen«, wie Johannes R. Becher prägnant formulierte.824 Ihre Romane stießen – wie alle, die den Krieg nicht gemäß dem marxistischen Klassenverständnis darstellten – auf komplette Ablehnung durch die kommunistische Kritik. So stellte Wittfogel Remarques Buch in einem ideologischen Rundumschlag, sinngemäß betitelt mit »Der Klassenkampf in der Kriegsliteratur«, neben den »Edelkitsch« der »Wandervogelromantik« eines Walter Flex825, die maskierte Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. Neukrantz: Schriftsteller ziehen in den Krieg, S. 2. P. Br.: Vater und Kind, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 5, Dezember 1929 (1. Jg.), S. 27. Herenius: »Der Krieg«, S. 32. Johannes R. Becher : Unsere Front, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 1, August 1929 (1. Jg.), S. 1. Johannes R. Becher war KPD-Mitglied und Mitbegründer der Linkskurve. 1933 emigrierte er nach Moskau. Vor seiner Berufung zum Minister für Kultur der DDR 1954 hatte Becher den Text der Nationalhymne geschrieben. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 366. 825 Walter Flex, der sich 1914 als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte und im Oktober 1917 als Offizier fiel, wurde mit seinem Ende 1916 erschienenen Kriegserlebnis Der Wanderer zwischen beiden Welten zum Idealtyp des vaterländischen Weltkriegsdichters. Bis Ende der 1930er Jahre stieg die Auflage des aus dem Geist der Jugendbewegung und patriotischer Gesinnung entstandenen Buches auf knapp 700.000. Nur Im Westen nichts Neues und Manfred von Richthofens Der rote Kampfflieger (1917 erschienen, mehr als eine Million Auflage bis 1933 inklusive der Ausgaben in Kurzschrift) übertrafen unter den Kriegsbü820 821 822 823 824

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»Kriegsbegeisterung« Thomas Manns und die im Zeichen eines »kleinbürgerlichen Sozialdemokratismus« stehenden Autoren Ernst Toller, Bernhard Kellermann und Fritz von Unruh.826 Ebenso verurteilte er die Jüngerschen Stahlgewitter, in denen er das »repräsentative Kriegsbuch des jungen deutschen Faschismus« sah, den »verlogen süßlichen ›Soldat Suhren‹« Georg von der Vrings sowie die Schriftsteller des »›liberalen‹ Bürgertums«, zu denen er etwa Arnold Zweig mit dessen Sergeanten Grischa zählte.827 Als prominentesten Vertreter der letzten Gattung betrachtete Wittfogel Im Westen nichts Neues.828 Eines hatten all diese Bücher aus seiner Sicht gemein: Sie schadeten als ›Waffen des Feindes‹ der Arbeiterbewegung. Zusammen mit Remarque und seinem Buch rückte auch der Ullstein-Konzern ins Zentrum der Kritik. Nicht nur, dass er Im Westen nichts Neues herausgebracht hatte und in seinen Zeitungen tatkräftig dafür warb – überhaupt waren die »Ullstein-Kapitalisten« für die kommunistischen Dogmatiker Klassenfeinde ersten Rangs: »Der Verlag Ullstein ist zu einem gewaltigen Propagandaapparat der herrschenden bürgerlichen Klasse angewachsen«, schrieb die Rote Fahne in Sorge um ihren Einfluss auf das Proletariat: »Die riesengroßen Auflagen der Tageszeitungen, Zeitschriften, Magazine und Bücher benebeln die Gehirne von Millionen Arbeitern […].«829 Da Im Westen nichts Neues aus dieser

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chern diesen Verkaufserfolg. Flex’ sittlich verklärte Gemeinschaftsideologie, die auch chauvinistische Züge trug, stand für Kameradschaft, gesunde Moral und soldatische Tugenden wie »Pflicht, Gehorsam und Treue«. Ein weiteres Merkmal war die fast religiöse Verbundenheit der »neuen deutschen Jugend« mit der noch intakten Natur: So schilderte Flex »junge Herzen«, die »mit den hellen Stunden der blühenden […] Frühlingstage […] ineinanderwachsen«. Die Schrecken des Krieges verschwieg Flex zwischen all seinen Ästhetisierungen jedoch; der Tod war friedlich und hatte einen höheren Sinn. Vgl. Walter Flex: Der Wanderer zwischen beiden Welten (1916), 7. Aufl., München 1918, S. 29–33, 40 und 104; Hans Wagener : Wandervogel und Flammenengel. Walter Flex: Der Wanderer zwischen beiden Welten. Ein Kriegserlebnis (1916), in: ders. und Thomas F. Schneider (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 17–30; Schneider und Wagener : Einleitung, S. 14; Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 18; Br./Sch.: Flex, Walter, in: Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 5, Sp. 220–223; Hans Peter Bleuel: Flex, Walter, in: Literatur Lexikon, Bd. 3, S. 419. Alle drei Schriftsteller fällten als Rezensenten in bürgerlichen Zeitungen positive Urteile zu Im Westen nichts Neues. Es passt ins Bild, dass sie von der KPD-Presse gemäß deren Weltbild als Klassenfeinde eingestuft wurden. In der DDR wurde Zweigs Roman dennoch zum Lesestoff für alle Schüler gemacht. Grund dafür war die harsche Ablehnung des Kapitalismus und des Faschismus durch den Autor. Vgl. Corngold: The Great War and Modern German Memory, S. 206, sowie S. 226, Anm. 1052, dieser Arbeit. Vgl. zum vorangegangenen Absatz Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. N.N.: Gehirngiftgas Massenfabrikation Ullstein, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 34 vom 9. 2. 1929 (12. Jg.), S. 5.

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»Ullstein-Sumpfkloake«830, jener »Cloaqua Maxima der Journalistik«, entstammte und es vom »Meister der kleinbürgerlichen Pressetendenz«831 protegiert wurde, musste es schon deshalb ein arbeiterfeindliches Buch sein. Die einheitliche Ablehnung sowohl des Remarqueschen Buches als auch der Presse, die es bejahte, ist auffällig. Neben den bürgerlich-liberalen waren es vor allem die sozialdemokratischen Zeitungen, welche von den kommunistischen Organen angegriffen wurden. So hieß es etwa in der Linkskurve über den Vorwärts, dass er, »der doch auch einmal eine sozialistische Zeitung gewesen« sei, sich inzwischen »feingemacht« habe und sich kaum noch von den Vorbildern »seiner Mitbürger im bürgerlichen Pressebetrieb« unterscheide. Mit derselben Häme begegneten die kommunistischen Dogmatiker einzelnen Autoren, wie etwa Axel Eggebrecht und Max Barthel, die für ›gegnerische‹ Zeitungen schrieben und Im Westen nichts Neues guthießen. Eggebrecht, der Remarque kannte, ein viel zitiertes Gespräch mit ihm führte und Im Westen nichts Neues positiv rezensiert hatte832, wurde von der Linkskurve als »Literaturagent kleinbürgerlicher Schmocks« diffamiert.833 Den Schriftsteller Barthel, der früher ebenfalls dem »kommunistischen Lager« angehört hatte und nun für verschiedene sozialdemokratische Zeitungen schrieb834, bezichtigte die Zeitschrift des »politischen Renegatentums«. Was er, der »Feierabendlyriker«, heute produziere, sei »billigste Unterhaltungsliteratur«, die sich durch »die Schwäche der Form, die Leere des Inhalts, das Versinken in banale Nichtigkeiten« auszeichne. Konsequenterweise degradierte der Autor Klaus Neukrantz Barthels letzten Roman zu einem »üblen kitschig geschriebenen Schmarren«, der zeige, dass der politisch Abtrünnige Barthel heute »nichts mehr zu sagen« habe.835 Die Angriffe der kommunistischen Dogmatiker illustrieren, wie tief das eigene Weltbild Maßstab für jegliche Form der Beurteilung war – seien es nun Bücher, Zeitungen, Konzerne oder Personen, die einer Bewertung unterzogen wurden. Die uneingeschränkte Ablehnung von Im Westen nichts Neues erschließt sich nur, wenn man sie im Kontext dieser starren Bewertungsmaßstäbe 830 Kasimir Sublimer : Die Ullstein-Sozialisten, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 87 vom 10. 4. 1929 (12. Jg.). 831 F.M. Reifferscheidt: Die Sonntagsnummern, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 3, Oktober 1929 (1. Jg.), S. 15. 832 Axel Eggebrecht: Paul Bäumer, der deutsche Unbekannte Soldat, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 6 vom 5. 2. 1929 (25. Jg.), S. 211–213. Die Analyse des Artikels erfolgt in Kap. 7.2.2.3. 833 N.N.: Zwei Entwicklungswege, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 5, Dezember 1929 (1. Jg.), S. 26. 834 Vgl. u. a. Max Barthel: »Im Westen nichts Neues«, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 78 vom 15. 2. 1929 (46. Jg.), S. 5. Als KPD-Mitglied machte sich Max Barthel nach dem Krieg mit klassenkämpferischer Arbeiterlyrik einen Namen. 1923 trat er aus der KPD aus und wandte sich der Sozialdemokratie zu. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 307. 835 Klaus Neukrantz: Über die Feierabendlyriker, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 12, Dezember 1930 (2. Jg.), S. 17f.

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betrachtet. Dabei hängte sich die kommunistische Kritik nicht so sehr an der Schilderung des eigentlichen Fronterlebnisses auf – diese war für die nationalistischen Rezensenten von weitaus größerem Interesse –, sondern an der in ihren Augen vernachlässigenden Betrachtung der Kriegsursachen, welche sie auf die politisch-ökonomische Klassenstruktur zurückführten. So urteilte denn auch K.N. im März 1929 in seiner Rezension: »Das Buch über die Kriegsschuld von 1914 ist noch nicht geschrieben.«836 Die kommunistischen Kritiker waren überzeugt, dass nur einer aus ihren Reihen ein solches Werk hervorbringen könne. So rüsteten sie zum Klassenkampf »an der literarischen Front: Die Kriegsliteratur und die Stellung der verschiedenen Parteien und Klassen zu ihr sind Teilkämpfe im Rahmen des allgemeinen Kampfes für oder gegen den kapitalistischen Krieg«, betonte Wittfogel in der Roten Fahne.837 Voraussetzung dafür war die »Entstehung einer proletarisch-revolutionären Literatur«, welche die kommunistischen Schriftsteller durch die Gründung der Linkskurve im August 1929 vorantreiben wollten. »Im Trommelfeuer geboren«, marschiere diese Literatur fortan »unter der Parole ›Krieg dem Krieg!‹«, schrieb Becher.838 Ihr Ziel müsse es sein, in die »Gehirne und Herzen« der Massen einzudringen.839 Im Gegensatz zu Remarque, der ein unpolitisches Buch schreiben und danach nichts mehr dazu bemerken wollte, betrachteten die kommunistischen Schriftsteller Literatur als eine »höchst verantwortliche Sache«, »politische Arbeit« oder sogar als »Kriegsgebiet«840. »Der Schriftsteller muß eine Weltanschauung besitzen«841, machte Hermann Duncker klar, und Klaus Neukrantz ergänzte: »Wer schreibt – agitiert!«842 So sahen sich die Literaten als »Stoßtrupp«843 und ihre Bücher als »Waffen im Klassenkampf«844 : »Jeder Vers, jede Zeile, jeder Satz muß Aufruhr, Agitation, Protest sein. Jede hinausgeschleuderte Forderung Kampf, Kampf und wieder Kampf«, erläuterte Kurt Kläber, der wie Johannes R. Becher und Ludwig Renn Herausgeber der Linkskurve war.845 Zwar 836 837 838 839 840 841 842 843 844 845

K.N.: Remarque: »Im Westen nichts Neues«. Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. Becher : Unsere Front, S. 1. Johannes R. Becher : Einen Schritt weiter!, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 1, Januar 1930 (2. Jg.), S. 5. Becher : Unsere Front, S. 2, sowie ders.: Einen Schritt weiter!, S. 2. Hermann Duncker : Schriftsteller und Weltanschauung, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 4, April 1930 (2. Jg.), S. 11. Neukrantz: Schriftsteller ziehen in den Krieg, S. 1. Kurt Kläber : Zwei Jahre, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 5, Dezember 1929 (1. Jg.), S. 3. Becher : Einen Schritt weiter!, S. 1. Kläber : Zwei Jahre, S. 3. Mitglied der Wandervögel und Kriegsteilnehmer, schloss sich Kurt Kläber nach dem Krieg dem Spartakusbund an und nahm an der Novemberrevolution teil. Später trat er der KPD bei und galt als einer der führenden Vertreter der kommunistischen Literaturbewegung. 1928 war Kläber Mitbegründer des BPRS und 1929 bis 1933 Mitherausgeber der Linkskurve. 1933 emigrierte er in die Schweiz. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 563.

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war die »proletarische Kampf- und Agitationsliteratur«846 vor allem hinsichtlich der Kriegsthematik noch in ihren Anfängen, doch gab es einige Bücher, die dem klassenkämpferischen Verständnis der kommunistischen Presse in Ansätzen entsprachen. Dazu gehörten Das Feuer (Le Feu) von Henri Barbusse, mit Abstrichen Renns Krieg, vor allem aber Adam Scharrers Vaterlandslose Gesellen. Alle drei wurden in einer »Aufstellung der wichtigsten proletarischen Antikriegsliteratur« in der Linkskurve genannt.847 Im Westen nichts Neues, freilich, war dort nicht vertreten. Ihm fehlte, was die oben erwähnten Bücher der kommunistischen Kritik zufolge hatten: das Gespür für die im kapitalistischen System liegenden Kriegsursachen sowie klassenkämpferischer Elan. Das Feuer, 1916 geschrieben und damit der erste bedeutende Frontroman überhaupt, galt vielen kommunistischen Rezensenten noch immer als »bisher größtes Kriegsbuch«.848 Seine Stärke, so Wittfogel, lag darin, dass »hier ein Frontsoldat [sprach], der zugleich revolutionärer Sozialist war«: Barbusse habe »mit den Mitteln der Kunst […] den gleichen Kampf« geführt, »den auf der unmittelbar politischen Ebene Liebknecht und Lenin ausfochten«.849 Hinzu kam, dass der »Genosse Barbusse«850, jener »tapfere und mutige Vorkämpfer des französischen Proletariats, der schon im Kriege sich flammend gegen den Kriegswahnsinn wandte«851, nicht nur literarisch für die kommunistische Sache tätig war, sondern auch verschiedene Funktionärsposten innehatte. So war er unter anderem Präsident der Internationale der Kriegsopfer, die sich für die sozialistische Verbrüderung der Weltkriegsveteranen einsetzte.852 Nicht von Beginn an als proletarisches Kriegsbuch galt Krieg. In der ersten Rezension im Februar 1929 stellte die Rote Fahne zwar fest, dass es bisher »keine andere Schilderung des Frontkrieges« gebe, »die so nackt und hart, so ungeschminkt und echt« sei wie diejenige Renns, sie konstatierte aber auch, dass die von ihm beschriebenen Soldaten »keinen Funken Klassenbewußtsein« besäßen. In den Augen des Kritikers war Krieg »nur ein halbes Werk« und der Verfasser kein Marxist – »vielleicht noch nicht«.853 Erst als Renn in die KPD eingetreten 846 Kurt Kläber : Der proletarische Massenroman, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 5, Mai 1930 (2. Jg.), S. 23. 847 Vgl. Die Linkskurve, Berlin, Nr. 8, August 1930 (2. Jg.), S. 19. 848 Herenius: »Der Krieg«, S. 32. 849 Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. 850 So die Rote Fahne anlässlich einer Rede von Barbusse auf dem Internationalen Antifaschistenkongress in Berlin 1929. Vgl. N.N.: Die Tagung des Antifaschistenkongresses, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 59 vom 10. 3. 1929 (12. Jg.), S. 19. 851 N.N.: Berlins Arbeiter begrüßen die Kämpfer gegen den Faschismus, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 60 vom 11. 3. 1929 (12. Jg.), S. 14. 852 Vgl. N.N.: Das Parlament der Kriegsopfer tagt, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 76 vom 29. 3. 1929 (12. Jg.), S. 4. 853 N.N.: Ludwig Renn: »Krieg«, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 40, 16. 2. 1929 (12. Jg.), S. 5.

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war, mithin »einen Durchbruch zur klassenkämpferischen Wahrheit« unternommen hatte854, galt Krieg plötzlich als vorzeigbares Werk.855 In den Augen der Kritiker hatte es zwei Vorzüge: Zum einen schilderte es »die grauenhafte Monotonie des Schlachthausbetriebs an der Front mit eindringlicher Intensität«856, zum anderen stand es für die Wandlung des Verfassers vom – so Renn selbst – »unentschlossenen Halbrevolutionär« zum überzeugten Kommunisten, welche mit seinem Eintritt in die KPD abgeschlossen war.857 Der Umgang mit Krieg illustriert, wie stark die Kriegsbücher der 1920er Jahre nach den ideologischen Prämissen der jeweiligen Akteure beurteilt wurden. Wäre Renn nicht in die KPD eingetreten, hätte gar der verhasste Ullstein-Verlag sein Buch herausgebracht – die Kritik der kommunistischen Dogmatiker wäre möglicherweise ebenso vernichtend ausgefallen wie jene an Im Westen nichts Neues. Schließlich reflektiert Renn die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Hintergründe des Krieges ebenfalls nicht.858 Die Bedeutung von außertextuellen Faktoren wird in dieser Arbeit noch an vielen Stellen deutlich werden. Über jeden Zweifel erhaben war hingegen Scharrers Vaterlandslose Gesellen.859 Der Autor galt als »Betriebsprolet«860, sein im März 1930 erschienener Roman als »das erste Kriegsbuch eines Arbeiters«861. In einfachen Worten beschreibe Scharrer, so jubelte die KPD-Presse, den »Ausbruch des revolutionären 854 Herenius: »Der Krieg«, S. 32. 855 »Renn ist inzwischen zu uns gekommen. Er steht und arbeitet […] in unseren Reihen, er ist Mitglied der KPD«, begrüßte die Rote Fahne im Juli 1929 die Wandlung Renns. Vorwort zu Ludwig Renn: Renn gegen Renn, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 117 vom 6. 7. 1929 (12. Jg.), S. 7. Ab August 1929 war Renn zudem Mitherausgeber und Redaktionsleiter der Linkskurve. 856 Herenius: »Der Krieg«, S. 32. 857 Renn nahm selbst zu seiner Wandlung Stellung. Zu Krieg, einem »Übergangswerk«, schrieb er in der Linkskurve: »Mein Held gehorcht, weil er nicht weiß, um welches Zieles willen er nicht gehorchen sollte.« Erst als sich die »bürgerlich-sozialdemokratische gegen die rote Front« immer deutlicher herausbildete, habe er den Kommunismus entdeckt: »Ich bin Kommunist. […] Ich bin dorthin gegangen, wo die Zukunft ist.« Ludwig Renn: Über die Voraussetzungen zu meinem Buch »Krieg«, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 4, November 1929 (1. Jg.), S. 5f.; ders.: Renn gegen Renn. 858 Vgl. Broich: »Hier spricht zum ersten Male der gemeine Mann«, S. 212f. 859 Zu Scharrer, der das Fronterlebnis aus der Sicht eines klassenbewussten und zugleich heimatlosen Proletariers schilderte, vgl. Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 126– 138, sowie Ulrich Dittmann: Das erste Kriegsbuch eines Arbeiters. Adam Scharrer : Vaterlandslose Gesellen (1930), in: Thomas F. Schneider und Hans Wagener (Hg.): Von Richthofen bis Remarque. Deutschsprachige Prosa zum I. Weltkrieg, Amsterdam/New York 2003 (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Bd. 53), S. 375–386. 860 N.N.: Unser neuer Roman. »Vaterlandslose Gesellen«, von Adam Scharrer, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 56 vom 7. 3. 1930 (13. Jg.), S. 13. 861 Anzeige des Agis-Verlags, in dem Vaterlandslose Gesellen erschien, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 4, April 1930 (2. Jg.), S. 33.

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Handelns« sowie die »proletarischen Massen und ihren Klassenkampf«.862 »Wo steht denn das bei Remarque?« fragte Neukrantz in der Linkskurve. Mit neuerlichem Bezug auf Im Westen nichts Neues konstatierte er : »Ganz still und ohne Sensationsreklame hat uns ein Arbeiter ein Buch auf den Tisch gelegt: So, Genosse, so war es, genau so – und das andere ist alles gelogen.«863 In diesem »polit isch reifsten revolut ion ä ren Roman über den letzten Krieg«864 sahen die Kritiker die lang erwartete proletarische Antwort an Remarque. In scharfer Abgrenzung zu Im Westen nichts Neues begegneten auch andere kommunistische Zeitungen dem neuen Kriegsbuch mit Enthusiasmus: Vaterlandslose Gesellen sei »unendlich wertvoller«, so der Volksfreund aus Karlsruhe, »als jeder andere der Kriegsromane, die in einem kleinbürgerlichen Pazifismus stecken bleiben«. Noch deutlicher urteilte die Hamburger Volkszeitung: »Die Bourgeoisie hat ihren Remarque. Die Arbeiterschaft setzt diesem Bekenntnis zum imperialistischen Kriege ›Vaterlandslose Gesellen‹ entgegen.«865 Wie aus den Rezensionen deutlich geworden ist, kritisierte die kommunistische Presse nicht die Schilderung des eigentlichen Fronterlebnisses. So wurde Remarque zugestanden, dass er die Schrecken des Krieges eindringlich dargestellt habe. Hingegen stieß die Ausblendung der Kriegsursachen und die fehlende Auflehnung gegen diese auf Empörung. Es ging demnach um die revolutionären Konsequenzen, die Remarque gerade nicht zog. Anstatt den Krieg nach den Prämissen der marxistischen Gesellschaftskritik zu beurteilen, wertete er ihn in den Augen seiner Kritiker als Schicksal. Dementsprechend »nötigte [der Roman] den Leser nicht zu eindeutiger politischer Stellungnahme und Aktion«866, sondern zog, so Wittfogel, die »Wiedergewöhnung an die Tatsache imperialistischer Krieg« nach sich.867 Die Kritik der kommunistischen Dogmatiker ist daher auch als Versuch zu verstehen, ihre Anhänger von der Lektüre des Buches abzuhalten. Dessen enormer Verkaufserfolg und das unpolitische Selbstverständnis machten Remarque zu einem kalkulierenden Geschäftsmann und damit Klassenfeind. Dass Im Westen nichts Neues im bürgerlichen Ullstein-

862 N.N.: Unser neuer Roman. 863 Klaus Neukrantz: »Vaterlandslose Gesellen«, in: Die Linkskurve, Berlin, Nr. 2, Februar 1930 (2. Jg.), S. 28. 864 Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. 865 Die Pressestimmen finden sich in der Agis-Verlagsanzeige in der Linkskurve vom April 1930. 866 Diese Kritik klang von marxistischer Seite noch Jahrzehnte später mit – wenn auch, wie im Fall Hans Joachim Bernhards (DDR, 1975) – eher mit Bedauern denn als Vorwurf. Vgl. Bernhard: Nachwort, S. 253. 867 Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg.

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Verlag erschien und von der liberalen ›Mitte‹ als pazifistisches Kriegsbuch vereinnahmt wurde, tat ein Übriges, damit es auf Ablehnung stieß.868 Gewiss war nicht das komplette kommunistische Meinungsspektrum von dieser radikalen Antihaltung geprägt. Zwei der sehr wenigen Artikel, die Im Westen nichts Neues als kriegskritisches Buch begrüßten, erschienen in der Internationalen Presse-Korrespondenz und dem Klassenkampf – bezeichnenderweise zwei von der KPD unabhängige Zeitschriften. Zwar bedauerten die Autoren den unrevolutionären Charakter des Romans, räumten aber ein, dass man einen Aufruf zur Revolution vom bürgerlichen Schriftsteller Remarque nicht erwarten könne. So war der Rezensent Mersus der Meinung, dass Im Westen nichts Neues nicht übersehen werden dürfe, »wenn es auch nicht eigentlich zur revolutionären Literatur gehört«. Das »Kriegstagebuch« Remarques, schrieb er in der Internationalen Presse-Korrespondenz869 im April 1929, sei unter »der Flut von ›Kriegsromanen‹ […] zweifellos das stärkste und erschütterndste Werk«. Der Verfasser schildere die Menschen so, wie sie der Krieg gemacht habe: »müde, resigniert, ohne Zukunftshoffnung, ohne neues Wollen, ohne revolutionären Elan«. Trotzdem werde das Buch »aus sich selbst zur furchtbarsten Anklage!« Denn sein Wert, so Mersus, liege gerade darin, dass es »die Sackgasse der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Hilflosigkeit und ihr tiefes Versagen« aufzeige.870 Ähnlich verlief der Gedankengang von Anna Siemsen, die dem linken SPDFlügel angehörte und gewissermaßen zwischen beiden roten Fronten stand.871 »Es ist ein durchaus wahrhaftiges Bild des Krieges«, schrieb Siemsen im Klassenkampf 872, welches der Nachwelt zeigen werde, »wie wir heutigen Deutschen

868 Angesichts der starken Opposition der kommunistischen Dogmatiker in Deutschland gegenüber Im Westen nichts Neues überrascht es nicht, dass Remarques Buch noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in der stalinistischen Sowjetunion wegen seiner vermeintlich volksschädlichen Wirkung verboten wurde – gerade weil der Roman zuvor großen Anklang in der Bevölkerung gefunden hatte. Vgl. Rowley : Journalism into Fiction, S. 101. 869 Die dreimal wöchentlich erscheinende Internationale Presse-Korrespondenz war weniger dogmatisch als die Zentralorgane der kommunistischen Parteien und stärker einem internationalen Marxismus verpflichtet. 870 Mersus: Erich Maria Remarque: »Im Westen nichts Neues«, in: Internationale PresseKorrespondenz, Berlin, Nr. 37 vom 30. 4. 1929 (9. Jg.), S. 899. 871 Die sozialdemokratische Kulturfunktionärin und Reichstagsabgeordnete Anna Siemsen war früher USPD-Mitglied und gehörte danach dem linken Flügel der SPD an. 1931 trat sie der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) bei, eine durch Abspaltung von der SPD entstandene sozialistische Gruppierung, in der sich die ›Neuen Linken‹ aus Enttäuschung ob des nichtrevolutionären Kurses der SPD sammelten. Die SAP grenzte sich jedoch auch von der KPD ab. Vgl. DBE, Bd. 9, S. 319. 872 Der Klassenkampf (»Marxistische Blätter«) vertrat einen gemäßigten Marxismus, der zwischen dem Dogmatismus der KPD und dem Sozialismus des linken Flügels der Sozialdemokratie verortet war.

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den Krieg erlebten«. Ohne Remarque anzugreifen, bedauerte sie jedoch, dass der Schriftsteller seine »hingeopferte Jugend« sprachlos lasse: »Ihr fehlt die revolutionäre Empörung. […] Sie kennt nur Enge und Ungerechtigkeit, […] darum hat sie der Gewalt nichts entgegenzusetzen als Verbitterung und die unbestimmte Sehnsucht, die […] nur Traum, nie Tat wird. […] Das Buch ist […] absolut unrevolutionär.«

Doch gerade deshalb sei es ein Spiegel für die breite Masse der Soldaten, »die aus einer gleichen Lage und gleicher Geistesverfassung heraus den Krieg […] hilflos und dumpf erlebten«. An ihrem Fazit zeigt sich Siemsens pluralistische und gleichsam realitätsnahe Einstellung: »Gibt es überhaupt ein solches Bild des Krieges, wie er wirklich war?«, fragte sie. »Mir scheint das unmöglich.«873 Die Mehrheit der Kritiker, sowohl links wie rechts, sah das freilich anders. Sie hielt an ihrer einzig ›wahren‹ Version vom Erlebnis des Krieges, seinen Ursachen und Folgen fest und machte diese zum Maßstab für die Beurteilung von Kriegsliteratur. 7.2.2.2. Sozialdemokratische Presse »Remarque schildert die Wirklichkeit, und das ist die Hölle des Krieges.« Max Barthel am 15. Februar 1929 im Vorwärts

Im Gegensatz zu den polemischen Angriffen marxistischer Rezensenten bemühte sich die sozialdemokratische Kritik um eine sachliche Auseinandersetzung mit Im Westen nichts Neues. Dies lag in der Hauptsache daran, dass das Buch hier auf viel Zustimmung traf. Der Roman lag erst zwei Tage in den Schaufenstern der Buchhandlungen, da setzte das Reichsbanner ihm bereits ein Denkmal: »An diesem Buche kann niemand vorbei. Es steht, ein Monument, solange in Deutschland noch vom Weltkrieg eine Kunde geht«874, schrieb die Zeitschrift des Kriegsteilnehmerbundes Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold875 am 2. Februar 1929. Aus der »Reihe sehr starker ›Kriegsbücher‹ […], die den Mut 873 Anna Siemsen: Kriegsbücher, in: Der Klassenkampf, Berlin, Nr. 23, 1929 (3. Jg.), S. 725. 874 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Ueber ein neues Kriegsbuch, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 5 vom 2. 2. 1929 (6. Jg.), S. 34. 875 Das Reichsbanner, eine Sonntagszeitschrift mit einer Auflage von 170.000 Exemplaren, vertrat die Maximen des Kriegsteilnehmerbundes. Darunter fielen unter anderem die »Erhaltung und der soziale Ausbau des demokratischen Volksstaates« sowie die »Wahrung der Interessen und Rechte der Kriegsteilnehmer und Kriegsopfer«. Vor allem aber wollte das Reichsbanner »den Geist der Verfassung von Weimar und damit den Geiste der Völkerund Menschenliebe« vertiefen und ihn »immer weiteren Köpfen und Herzen« der Bevölkerung zugänglich machen. Vgl. eine gleichnamige Anzeige sowie eine Stellungnahme anlässlich des fünften Jahrestages der Kriegsteilnehmervereinigung, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 1 vom 5. 1. 1929 (6. Jg.), S. 3, sowie Nr. 8 vom 23. 2. 1929, S. 59.

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hatten, den Krieg so zu zeigen, wie er wirklich war«, sei Im Westen nichts Neues das erschütterndste, bekundeten auch die Jungsozialistischen Blätter876 ihre Zustimmung.877 Die Affirmation ist darauf zurückzuführen, dass die sozialdemokratischen Kritiker in dem Kriegsbuch das ›wahre Fronterlebnis‹ erkannten: »Remarque schildert die Wirklichkeit, und das ist die Hölle des Krieges«, konstatierte das SPD-Zentralorgan Vorwärts878 in seiner ersten Reaktion auf den Roman.879 »So war der Krieg«880, schrieb erneut das Reichsbanner und attestierte Im Westen nichts Neues damit »dokumentarischen Wert«881. Diesen unterstrich VorwärtsKritiker Max Barthel882 mit der Feststellung, die Gespräche der Remarqueschen Soldaten seien derart realitätsnah dargestellt, als habe der Autor »damals mitstenographiert«.883 Unisono lobten die Rezensenten, dass sich der »realistische Schilderer«884 Remarque »mit der Feststellung des Tatsächlichen begnügt«.885 Das Fehlen alles Mythischen machte das Buch in ihren Augen zu einer »wahrhaften Schilderung des seelischen Zustands einer Generation« und des Front- und Etappenlebens überhaupt.886 Jeder Frontsoldat werde darin seine eigenen Gedanken, Gefühle

876 Die Jungsozialistischen Blätter waren das Reichsorgan der Jungsozialisten (Jusos) innerhalb der SPD. Sie erschienen von 1922 bis 1931. 877 D.F.: Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues«, in: Jungsozialistische Blätter, Berlin, Nr. 2, Februar 1929 (8. Jg.), S. 64. 878 Der 1876 gegründete Vorwärts vertrat auch 1930 als »Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands« entschlossen die Ziele der SPD. Wie die Rote Fahne verbreitete die Zeitung Nachrichten und Meinungen in Übereinstimmung mit der Parteiprogrammatik, wenn auch das SPD-Blatt nicht so doktrinär war wie sein kommunistisches Pendant. Die Auflage lag 1930 bei etwa 82.000 Exemplaren. Vgl. Volker Schulze: Vorwärts (1876– 1933), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 329–347. 879 Max Barthel: »Im Westen nichts Neues«, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 78 vom 15. 2. 1929 (46. Jg.), S. 5. 880 Karl Bröger : Der Krieg im Buche, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 32 vom 10. 8. 1929 (6. Jg.), S. 263. 881 eu: Neue Kriegsbücher, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 23 vom 8. 6. 1929 (6. Jg.), S. 182. 882 Vgl. zu Barthel S. 191, Anm. 834. 883 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. 884 Max Hochdorf: Kriegsbücher, in: Sozialistische Monatshefte, Berlin, 21. 5. 1929 (35. Jg.), Bd. 68, S. 455. 885 Br.: »Im Westen nichts Neues«. Das Denkmal des unbekannten Soldaten, in: Hamburger Echo, Nr. 39 vom 8. 2. 1929 (55. Jg.), S. 2. 886 H.W.: Das Kriegserlebnis in der Literatur, in: Leipziger Volkszeitung, Nr. 181 vom 6. 8. 1929 (36. Jg.), S. 6. Vgl. auch D.F.: Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues«.

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und Erlebnisse wiedererkennen, war sich das Hamburger Echo887 sicher und nannte folgende Beispiele: »[…] die grauenvolle Zwecklosigkeit des Daseins, die boshafte Herabwürdigung des Menschen zum Instinkttier, das sich mit fiebernder Herabwürdigung furchtsam in die Erde duckt, das mit Fäusten und Zähnen den Feind anspringt, mordet, schießt und Granaten schleudert, und wieder eng sich aneinander schmiegt, Wärme und Schutz suchend, dieser teuflische Hexentanz des Schicksals […]«.

So kam die Zeitung denn auch zu dem Urteil, dass Remarque »mit der einfachen Deutlichkeit der Sprache des Feldsoldaten […] die gesamte Gestalt des Krieges, wie er vom einzelnen erlebt wurde, aufgezeichnet« habe.888 Mit dem Hinweis auf die »entsetzliche Klarheit«889 seiner Sprache lobten die sozialdemokratischen Kritiker auch die »literarischen Qualitäten«890 des Verfassers. Obwohl sie Remarque gemäß der Ullsteinschen Reklame als einfachen Soldaten betrachteten, identifizierten sie ihn, so etwa der Literat Barthel, gleichzeitig als »großartigen Schriftsteller«.891 Diese Feststellung barg allerdings den inhärenten Widerspruch, dass der gewöhnliche Frontsoldat Remarque, der sein Kriegserlebnis auf schlichte Weise dokumentierte, nicht unbedingt mit dem Schriftsteller Remarque vereinbart werden konnte, welcher Fiktion und Dichtung produzierte. Dieser Konfliktpunkt gewann im weiteren Verlauf der Diskussion um Im Westen nichts Neues an Gewicht und sollte bald in eine Debatte um eine originär proletarische Kriegsliteratur münden. Das vorläufige Fazit der sozialdemokratischen Presse zu Remarques Roman jedenfalls lautete wie folgt: »Es ist gewiß nicht das erste und einzige Kriegsbuch, das geschrieben wurde. Aber es ist doch das erste und einzige, das uns tatsächlich etwas angeht«, konstatierte das Hamburger Echo.892 Als »wichtiges Buch«893 betrachteten es die SPD-Blätter vor allem, weil es den Krieg als »ungeheures Verbrechen« entlarvte.894 In den Rang einer »wahrhaften Kriegsliteratur«895 gehoben, wurde Im Westen nichts Neues zum unheroischen Gegenentwurf zu den »Schilderungen eines frisch-fr ö hlichen Krieges, eines Krie-

887 Das 1887 gegründete Hamburger Echo war eines der ältesten sozialdemokratischen Organe und mit einer Auflage von rund 60.000 Exemplaren die zweitgrößte Tageszeitung des SPDnahen politischen Spektrums nach dem Vorwärts. 888 Br.: »Im Westen nichts Neues«. 889 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. 890 Hochdorf: Kriegsbücher, S. 455. 891 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. 892 Br.: »Im Westen nichts Neues«. 893 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. 894 H.W.: Das Kriegserlebnis in der Literatur. 895 Hochdorf: Kriegsbücher, S. 455.

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ges, der in seiner Wirkung eben dem viel gerühmten ›Stahlbad‹ entspricht«.896 Gerade die Anhänger solcher Bücher würden Remarques Worte hoffentlich aufrütteln, erläuterte Max Hochdorf 897 in den Sozialistischen Monatsheften898, jene »Leeren« eben, die das »abschreckende Exempel des Krieges gar nicht empfinden«, sondern sagten: »In diesem Weltkrieg, von dem die Rede ist, wurde ja ein buntes und wildes und abwechslungsreiches Leben aufgerollt, bei dem man zwar krepieren, bei dem man aber doch aus der kulturellen Langeweile zur bewunderungswürdigen Größe hinaufgezerrt werden konnte«.899

Dass Im Westen nichts Neues auch für die eigenen Leser als geeignete Lektüre galt, zeigen die vielen Teilabdrucke in sozialdemokratischen Zeitungen. Die Auswahl der veröffentlichten Textpassagen illustriert zudem die Interessenschwerpunkte der SPD-Publizistik an Remarques Buch. So schildert die im Hamburger Echo abgedruckte Passage »Zum Schanzen« die Regression der Soldaten zu »Menschentieren«, sobald sie an die Front gelangen. Der Verlust alles Humanen, die Verwandlung des Menschen in ein Mordinstrument waren gemäß dem sozialdemokratischen Pazifismus beklagenswerte Auswüchse des Krieges, welche Remarque überzeugend dargestellt habe. Die in derselben Zeitung veröffentlichte Episode »Die jungen Rekruten« wiederum beschreibt das sinnlose und grausame Massensterben der letzten ausgehobenen Jahrgänge – meist noch Kinder, die, so Remarque, von einer fahrlässigen militärischen Führung in den sicheren Tod geschickt wurden. Im Gegensatz zum LangemarckMythos, der den Tod der jungen Soldaten als heroisches Opfer auf dem ›Altar des Vaterlandes‹ erhöhte, verliert ihr Sterben in Im Westen nichts Neues jedes Heldentum. In der vom Hamburger Echo ausgewählten Passage heißt es: »Dieser junge Ersatz […] wird aufgerieben, weil er kaum ein Schrapnell von einer Granate unterscheiden kann; die Leute werden weggemäht […]. Wie die Schafe drängen sie sich zusammen, […] und selbst die Verwundeten werden noch wie Hasen von den Fliegern abgeknallt.«900

896 Fritz Schwahn: Der Weltkrieg in der Dichtung, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 4 vom 26. 1. 1929 (6. Jg.), S. 26. 897 Max Hochdorf war von 1918 bis 1933 Theaterkritiker des Vorwärts, zwischenzeitlich Korrespondent des Berliner Tageblattes in Brüssel und Paris sowie außenpolitischer Redakteur u. a. des 8-Uhr-Abendblattes (beide Mosse). Er schrieb auch für andere sozialdemokratische Blätter. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 80. 898 Die Sozialistischen Monatshefte, eine der SPD nahestehende, monatlich erscheinende Zeitschrift, waren auf dem linken Flügel der Sozialdemokratie verortet. Herausgeben wurden sie von Joseph Bloch, der dort seit 1897 tätig war. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 574. 899 Hochdorf: Kriegsbücher, S. 455. 900 Beide Episoden erschienen im Hamburger Echo, Nr. 39 vom 8. 2. 1929 (55. Jg.), S. 2f.

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Remarques realistische Kriegsschilderung trug der SPD-Presse zufolge somit zur Entheroisierung des »sinnlosen Mordens«901 bei, auf welche diese selbst hinarbeitete. Ähnliche Motive verfolgte die Leipziger Volkszeitung902 mit dem Abdruck der Duval-Szene. Sie zeige, so die Einleitung der Zeitung, »den Mord zwischen Mensch und Mensch, die doch gar nicht morden wollten«.903 Ferner korrespondierte diese Kernpassage aus Im Westen nichts Neues mit dem Gedanken der Völkerverständigung, welchen die SPD im Gegensatz zum Revanchismus der Rechtskräfte vertrat.904 Die politische Zusammenarbeit mit den ehemaligen Feinden im Völkerbund, der Abschluss supranationaler Verträge – man denke nur an den Pakt von Locarno sowie den Dawes- und Young-Plan – setzte die Erkenntnis voraus, zu der Remarques Protagonist Bäumer nach der Tötung des französischen Soldaten Duval gelangte: »Wie konntest du nur mein Feind sein? Wenn wir die Waffen und die Uniformen fortwerfen, könntest du ebenso mein Bruder sein […].«905 Die von der Leipziger Volkszeitung abgedruckte Szene zwischen Bäumer und Duval deutet gleichzeitig auf die Verursacher des Krieges hin. Einigen dieser vermeintlich am Massenmord Schuldigen begegnet Bäumer auf seinem Heimaturlaub. Unter dem vielsagenden Titel »Mörder am Stammtisch« veröffentlichte das SPD-Blatt auch diese Passage aus Im Westen nichts Neues. Die »unentwegten Heimkrieger«906, so die Ankündigung der Leipziger Volkszeitung, Offiziere, Lehrer und Direktoren, hegten illusorische Kriegsziele und verkündeten, was die deutschen Soldaten als Nächstes annektieren sollten: »Der Direktor mit der eisernen Uhrkette will am meisten haben: ganz Belgien, die Kohlegebiete Frankreichs und große Stücke von Russland«, zitierte die Zeitung 901 Bosse: Das Grab des »Unbekannten Soldaten«. 902 Die Leipziger Volkszeitung, ein Parteiblatt, das von 1916 bis 1922 Sprachrohr der USPD gewesen war, erschien mit einer Auflage von 40.000 und sah sich als »Organ für die Interessen des gesamten werktätigen Volkes«. Vgl. Stöber : Deutsche Pressegeschichte, S. 221, sowie Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 299. 903 Mörder wider Willen. Abdruck aus Im Westen nichts Neues, in: Leipziger Volkszeitung, Nr. 21 vom 25. 1. 1929 (36. Jg.), S. 15. 904 Völkerverständigung und Versöhnung mit den Kriegsgegnern sprachen aus vielen Artikeln in der sozialdemokratischen Presse. Nur ein Beispiel ist ein im Vorwärts erschienener Erlebnisbericht Johannes Schönherrs, der 1929 die Region um Verdun bereiste und mit den Einwohnern sprach. Sein Text, vielsagend betitelt mit »Im Westen doch Neues«, schließt mit den versöhnlichen Worten: »Über den Gräbern unserer Toten haben sich unsere Hände gefunden.« Vgl. Johannes Schönherr : Im Westen doch Neues, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 383 vom 17. 8. 1929 (46. Jg.), S. 9. 905 Mörder wider Willen. 906 Der zweite Abdruck aus Im Westen nichts Neues wurde einen Tag vor dessen Veröffentlichung im Feuilleton angekündigt. Vgl. Leipziger Volkszeitung, Nr. 21 vom 25. 1. 1929 (36. Jg.), S. 15.

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aus Im Westen nichts Neues.907 Die Identifikation der sozialdemokratischen Presse mit Remarques Anklage gegen die Vertreter des kriegführenden Systems zeigt sich an einer weiteren Passage, die das Reichsbanner seiner Rezension anschloss. In ihr rächen sich die Soldaten an Kantorek – der Inkarnation des wilhelminischen Oberlehrers –, welcher so lange »patriotische Vorträge« gehalten hatte, bis sich Bäumers Schulklasse freiwillig zum Kriegsdienst meldete. Die Redaktion sah in ihm einen »hohlen, verantwortungslosen Phraseur« und teilte in ihrem Begleitwort zum Abdruck damit Remarques Feindbild.908 Mit der Veröffentlichung der genannten Episoden aus Im Westen nichts Neues hofften die sozialdemokratischen Blätter, »viele Leser zur Lektüre des ausgezeichnet geschriebenen, ehrlichen und kühl objektiven Buches anzuregen«, beschrieb die Leipziger Volkszeitung ihre Motivation.909 Diese Absicht belegen auch zahlreiche Werbeanzeigen für Remarques Roman in der SPD-Presse. So druckte das Hamburger Echo kurz nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues Reklame der Auer-Buchvertriebe ab, die für »das Buch des unbekannten Soldaten« warb. Es sei »das beste bisher erschienene Buch gegen den Krieg und gegen Völkerhaß«, hieß es dort.910 Zu 200.000 verkauften Exemplaren Mitte März 1929 erschienen in derselben Zeitung fast täglich Anzeigen, die den sozialdemokratischen Reichstagspräsidenten Paul Löbe und den Abgeordneten Wilhelm Sollmann zitierten. Ersterer etwa urteilte dort wie folgt: »Dies Buch des Frontsoldaten ist groß durch seine Schlichtheit und aufwühlend durch seine Wahrheit. Ein unvergängliches Denkmal Millionen Unbekannter!«911 Nur wenig später, anlässlich der verkauften Viertelmillion, warb auch der ReichsbannerBuchversand in seinem Bundesorgan für Im Westen nichts Neues.912 Allein die Tatsache, dass der Roman einer Leserschaft von immerhin 3,5 Millionen Kriegsteilnehmern ausdrücklich zum Kauf empfohlen wurde913, zeigt, dass er dem eigenen Bild vom Fronterlebnis im Wesentlichen entsprach. Warum die sozialdemokratischen Kritiker Im Westen nichts Neues begrüßten, ja, dem Buch sogar einen »propagandistischen Bekenntniswert«914 zusprachen, wird auch ersichtlich, wenn man die Übereinstimmungen zwischen Remarques Roman und ihrer eigenen Ideologie im Einzelnen betrachtet. Wie durch die 907 Mörder am Stammtisch. Abdruck aus Im Westen nichts Neues, in: Leipziger Volkszeitung, Nr. 22 vom 26. 1. 1929 (36. Jg.), S. 17. 908 Rache an Kantorek. Abdruck aus Im Westen nichts Neues, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 5 vom 2. 2. 1929 (6. Jg.), S. 34f. 909 Vgl. Leipziger Volkszeitung, Nr. 21 vom 25. 1. 1929 (36. Jg.), S. 15. 910 Vgl. Hamburger Echo, Nr. 54 vom 23. 2. 1929 (55. Jg.), S. 12. 911 Vgl. Hamburger Echo, Nr. 77 vom 18. 3. 1929 (55. Jg.), S. 3. 912 Vgl. Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 13 vom 30. 3. 1929 (6. Jg.), S. 100. 913 Vgl. Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, in: Hellmuth Rössler und Günther Franz (Hg.): Sachwörterbuch zur deutschen Geschichte, München 1958, S. 977. 914 Hochdorf: Kriegsbücher.

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Abdrucke bereits angedeutet, war Im Westen nichts Neues für die SPD-Publizistik vor allem eine »Anklage gegen die Kriegsmacher« und ein »Bekenntnis zum Krieg gegen den Krieg«.915 Beides entsprach genau dem sozialdemokratischen Weltbild, welches sich in Maximen äußerte wie: »Nie wieder Krieg, nie wieder solch ein Völkermorden, solchen aller Menschlichkeit blutigsten Hohn sprechenden Wahnsinn im Interesse einer herrschenden, machtgierigen Klasse.«916 Remarques Buch betrachteten die Rezensenten als Antwort an diese Klasse, welche die Jugend »mit jener geschickten Phrase von Dienst und Heldentum«917 in den Krieg getrieben habe. So schrieb das Reichsbanner : »Wenn das Wunder geschähe und ein Kriegsgewinnler plötzlich Gewissensbisse bekäme, so daß ihn die Frage peinigte, was er tun solle um gutzumachen, so wäre wahrscheinlich die beste, die richtige Antwort: Kaufen Sie für sämtliches Geld, das Sie am Krieg verdient haben, Exemplare des soeben erschienenen Buches ›Im Wes ten nicht s Neues ‹ von Erich Maria Remarque und schicken Sie die Bücher jungen, vom Nationalismus angesteckten Leuten ins Haus.«918

Mit dieser – hypothetischen – Forderung verwies das Reichsbanner auf einen weiteren Aspekt, den es an dem Roman zu loben galt: seine erwartete pazifistische Wirkung. »Remarque ist ein grausamer Wachrüttler«919, hieß es mehrfach in der SPD-Presse, denn es sei ihm gelungen, »ungeheuerliche Geschehnisse […] so lebendig zu machen, daß sie sich in jede menschliche Seele unvergeßlich einbrennen«.920 Verbunden mit dieser Feststellung war die Hoffnung, dass das Buch auch auf jene wirke, die so »wenig […] aus dem Weltkrieg gelernt haben«, erläuterte der sozialdemokratische Schriftsteller Karl Bröger.921 Überhaupt sollte Im Westen nichts Neues das »eingeschlafene AntikriegsGewissen weiter Bevölkerungskreise wieder wecken«922, um einen neuerlichen »millionenfachen Mord«923 zu verhindern. Denn vielen sozialdemokratischen 915 916 917 918 919 920 921

Barthel: »Im Westen nichts Neues«. Bosse: Das Grab des »Unbekannten Soldaten«. Br.: »Im Westen nichts Neues«. N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Ueber ein neues Kriegsbuch. Barthel: »Im Westen nichts Neues«. N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Ueber ein neues Kriegsbuch. Karl Bröger: Das Stahlbad. Bemerkungen zum Kriegsbuch Franz Seldtes, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 50 vom 14. 12. 1929 (6. Jg.), S. 406. Karl Bröger, überzeugter Sozialdemokrat, hatte einen seiner größten literarischen Erfolge 1929 mit dem Roman Bunker 17. Geschichte einer Kameradschaft. Als Redner und Publizist engagierte sich der »Arbeiterdichter« energisch im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Bereits 1915 war er mit dem Gedicht Bekenntnis über Nacht berühmt geworden. Bröger konnte nicht verhindern, dass einige seiner Lieder und Gedichte von den Nationalsozialisten in ihre Propaganda übernommen wurden. Wegen seiner Weigerung, in die NSDAP einzutreten, wurde er 1933 ein halbes Jahr im KZ Dachau interniert. Vgl. DBE, Bd. 2, S. 143. 922 N.N.: Krieg und Frieden. 923 Bosse: Das Grab des »Unbekannten Soldaten«.

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Publizisten erschien es so, als seien die Schrecken des Krieges bereits »völlig vergessen«924 : »Kaum zehn Jahre liegt das Völkermorden hinter uns, und doch sind […] das grenzenlose Elend, das der Krieg mit sich brachte, das Heer der Toten und Verstümmelten, der Krüppel und der Siechen […] zumeist aus der Erinnerung verschwunden«, hieß es etwa in der Leipziger Volkszeitung.925 Stattdessen würden die Menschen »die schlimmen Tage der Vergangenheit in einem freundlicheren Lichte« sehen, konstatierte Fritz Schwahn im Reichsbanner.926 Vor allem die Jugend war nach Meinung vieler sozialdemokratischer Publizisten anfällig für eine Heroisierung des Krieges. Verheerend sei etwa, dass sie in der Schule häufig mit »bösartigem Kriegskitsch« und der Devise »Es war gar nicht so schlimm!« konfrontiert werde: »Und so wird die heroische Lüge wieder durch tausend Kanäle in die jungen Seelen einfiltriert, bis die Vergiftung wieder vollkommen sein wird, und die Menschheit reif zu neuem Massenmord«, befürchtete Peter Polter im Vorwärts.927 Um zu verhindern, dass die heranwachsende Generation »Opfer einer neuen Kriegspsychose« wird, mussten ihr schleunigst die Augen vor den Schrecken des Krieges geöffnet werden.928 Im Westen nichts Neues schien ein geeignetes Mittel hierfür zu sein. Denn durch Remarque würde jeder Leser »wachgerüttelt und grausam [daran] erinnert«, konstatierten die Jungsozialistischen Blätter.929 So könne die wahre Schilderung des Krieges in der Literatur »von hohem erzieherischen Wert« sein, hieß es im Reichsbanner.930 Dass das Buch eine »Lockung zum Abenteuer« sei, wie von der kommunistischen Presse behauptet wurde, stritten die sozialdemokratischen Kritiker unterdessen mehrheitlich ab. So argumentierte H.W. in der Leipziger Volkszeitung: »Wer nach Remarques furchtbarem und furchtlosem Buch noch Lust zu Schlachten hat, wer Indianerromantik mit Grabentrommelfeuer und Militarismus verwechselt, dem hilft auch […] keine dialektische Verfluchung des Krieges und erst recht nicht eine Lektion der Pädagogen.«931

Max Hochdorf sah in Remarque gar einen »Volkserzieher« und hoffte, dass er, der »Spezialist des Krieges«, nun zum »Spezialisten des Friedens« werde.932 924 Dr. Wolfgang Seifert: Die aussterbenden Kriegsteilnehmer. Kriegserlebnis und politische Willensbildung, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 47 vom 23. 11. 1929 (6. Jg.), S. 385. 925 N.N.: Krieg und Frieden. 926 Schwahn: Der Weltkrieg in der Dichtung. 927 Peter Polter : Der harmlose Schützengraben oder : Kriegskitsch in der Schule, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 334 vom 19. 7. 1929 (46. Jg.), S. 5. 928 Schwahn: Der Weltkrieg in der Dichtung. 929 D.F.: Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues«. 930 eu: Neue Kriegsbücher. 931 H.W.: Das Kriegserlebnis in der Literatur. 932 Hochdorf: Kriegsbücher. Falls er sich damit von Remarque weitergehende – womöglich gar politisch motivierte – Friedensarbeit wünschte, erwartete Hochdorf zu viel. Denn das hätte

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Zu den bis hierher aufgezeigten Gründen, welche die SPD-Presse veranlassten, Im Westen nichts Neues zu protegieren, kam ein weiterer hinzu: Der Roman schien geeignet, die Dolchstoßlegende zu widerlegen. Remarque zeige nämlich deutlich, so Barthel im Vorwärts, dass die materielle Übermacht der Alliierten sowie die physische und psychische Überforderung der deutschen Soldaten zur Niederlage geführt hätten und nicht der ›Dolchstoß‹ aus der Heimat: Der Schriftsteller schildere »die todsichere Zertrümmerung der deutschen Front durch den Hunger und die technische Überlegenheit von der anderen Seite«, erläuterte Barthel.933 Dass Remarque dies ohne parteipolitische Motivation tat, spielte in den Augen der SPD-Kritiker keine Rolle. Angesichts der zunehmenden Angriffe von rechts, welche – vor allem anlässlich der zehnjährigen Wiederkehr der Vertragsunterzeichnung von Versailles sowie der Young-Konferenz – die Sozialdemokraten als ›Novemberverbrecher‹ und ›Erfüllungspolitiker‹ diffamierten, brauchten sie Mittel, um sich zu wehren. Kein Wunder also, dass Im Westen nichts Neues – als hunderttausendfach verbreitetes, ›wahres‹ Dokument – willkommen geheißen wurde. Auf dem Buch ruhte die Hoffnung, dass es die Dolchstoßlegende vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit als politische Demagogie entzauberte.934 Wie deutlich geworden ist, war die Wertschätzung des Romans aus dem Hause Ullstein bei den Sozialdemokraten durchaus echt, doch beruhte sie zudem unpolitischen Selbstverständnis des Schriftstellers widersprochen. Für pazifistische Appelle nach Art des Vorwärts – »Merzt den Krieg aus! Vernichtet das Scheusal. Du und ich, wir Arbeiter müssen es vernichten« – ließ sich der Verfasser von Im Westen nichts Neues nicht mobilisieren. Vgl. Max Mackens: Der Krieg hat schuld, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 350 vom 29. 7. 1929 (46. Jg.), S. 3. 933 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. In der Tat stellte Remarque die Überlegenheit der Gegner während der letzten Kriegsmonate ausführlich dar. So schrieb er u. a.: »Unsere Artillerie ist ausgeschossen – sie hat zuwenig Munition […]. Wir haben zuwenig Pferde. Unsere frischen Truppen sind blutarme, erholungsbedürftige Knaben […]. Auf ein deutsches Flugzeug kommen mindestens fünf englische und amerikanische. Auf einen hungrigen, müden deutschen Soldaten im Graben kommen fünf kräftige, frische andere im gegnerischen. Auf ein deutsches Kommißbrot kommen fünfzig Büchsen Fleischkonserven drüben.« Zwar bekräftigte Remarque, dass die deutschen Soldaten »nicht geschlagen« worden seien – »denn wir sind als Soldaten besser und erfahrener« –, aber letztlich dennoch »von der vielfachen Übermacht zerdrückt und zurückgeschoben« wurden. Vgl. IWnN, S. 188 und 192. 934 Dies versuchte die SPD-Presse auch durch andere – vermeintlich authentische – Dokumente zu erreichen. So veröffentlichte etwa das Reichsbanner die Tagebuchaufzeichnungen des Frontsoldaten W. Laubwald. Darin führte der Verfasser den Zusammenbruch des Heeres auf die katastrophalen Bedingungen an der Front zurück, während die Verursacher des Krieges ein angenehmes Leben geführt hätten. Im Gegensatz zum Hunger und der schlechten medizinischen Versorgung der »dreckigen Frontschweine« seien die »Herren Offiziere und Ärzte« in den Genuss etlicher Privilegien gekommen. Laubwalds Fazit lautete denn auch wie folgt: »O ihr armen Frontschweine, wie hat man euch betrogen«. Vgl. W. Laubwald: Dolchstoß-Erinnerungen, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 37 vom 14. 9. 1929 (6. Jg.), S. 306.

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gleich auf parteipolitischen Überlegungen. Denn Remarque entsprach als bürgerlicher Schriftsteller, der zudem im Begriff war, ein Vermögen anzuhäufen, nicht gerade dem Ideal des Milieus. Auch sein Buch war kein Arbeiterroman per se. Deshalb sprach trotz aller Zustimmung aus einigen Rezensionen Kritik, welche die Vernachlässigung der Klassenfrage bemängelte. Im Vergleich zur kommunistischen Presse war diese Feststellung allerdings nicht mit Angriffen gegen Remarque verbunden, sondern lediglich mit Bedauern. Zwar lobten einige Rezensenten die Darstellung der »proletarischen Kameraden«935 Bäumers, insbesondere »die glänzend beschriebene proletarische Hauptfigur« Katczinsky936, andere aber bedauerten, dass der Kriegsroman »ohne Beziehung zum Arbeiter, allein aus der Sphäre jugendlich intellektueller Bürgerlichkeit« gestaltet sei, wie Karl Schröder937 in der Zeitschrift Sozialistische Bildung konstatierte.938 Seine Stellung zu Remarques Fronterzählung repräsentierte die sozialdemokratische Linke, von welcher nur wenige Reaktionen in der Presse überliefert sind. Deutlich allerdings weist Schröders Argumentation Parallelen zur pluralistischen Kritik innerhalb des kommunistischen Spektrums auf, wie sie anhand der Rezensionen in der Internationalen Presse-Korrespondenz und dem Klassenkampf zum Vorschein getreten ist. Beide Richtungen trafen sich somit zwischen dem klassenkämpferischen Pathos der kommunistischen Dogmatiker und den bürgerlichen Tendenzen der sozialdemokratischen Parteispitze. Schröder war jedoch nicht der einzige Rezensent, der bei Remarque eine sozialistische »Gesinnung«939 vermisste. Auch Kritiker wie H.W. oder Barthel, die Im Westen nichts Neues enthusiastisch begrüßten, waren der Ansicht, dass es ein proletarisches Kriegsbuch nicht ersetzen könne: »Es fehlt an Kriegsbüchern«, stellte H.W. in der Leipziger Volkszeitung fest, »bei denen am Ende nicht […] Resignation, Tod und Verzweiflung steht, sondern der Defaitismus und die Auflehnung positiv ausgehen.«940 Gleicher Meinung war Barthel, der selbst als 935 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Ueber ein neues Kriegsbuch. 936 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. 937 Karl Schröder trat 1913 der SPD bei, zu der er 1924 nach einem Ausflug zum Kommunismus wieder zurückkehrte. 1928 bis 1932 übernahm Schröder das Lektorat der Buchgemeinschaft »Der Bücherkreis«, die Editionen von Werken der Arbeiterliteratur förderte. 1936 wurde der Journalist und Schriftsteller verhaftet und mehrere Jahre im KZ Börgermoor inhaftiert. Vgl. DBE, Bd. 9, S. 148. 938 Karl Schröder : Erzählende Literatur. Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues, in: Sozialistische Bildung, Berlin, Nr. 2, Februar 1929 (1. Jg.), Beilage Die Bücherwarte. Die Sozialistische Bildung, gleichzeitig »Monatsschrift des Reichsausschusses für Sozialistische Bildungsarbeit«, vertrat eine dogmatischere Auslegung der sozialdemokratischen Prinzipien als die übrigen hier ausgewerteten SPD-Publikationen. 939 Max Hochdorf: Das Kriegsschauspiel »Rivalen«, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 136 vom 21. 3. 1929 (46. Jg.), S. 3. 940 H.W.: Das Kriegserlebnis in der Literatur.

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»Arbeiterdichter« galt.941 Er hoffte, »daß endlich ein proletarischer Soldat unter den Schriftstellern ist, der über die Massengräber und Trommelfeuer hinaus ein Ziel sieht: die befreite und sozialistische Menschheit«.942 Dementsprechend war gerade bei linken Literaturkritikern wie Schröder auch die Wirkung von Remarques ›bürgerlichem Pazifismus‹ umstritten. Zwar sei Im Westen nichts Neues eine »pazifistische Anklage gegen [die] grausame Sinnlosigkeit des Mordens«, aber das Buch entlarve nicht dessen Verursacher, den Kapitalismus, »so daß er getroffen aufbrüllt«, fand er. Schröder konstruierte daraus keinen Vorwurf, geschweige denn, dass er das Buch angreifen wollte. Doch da der Verfasser seine Erzählung dort enden lasse, wo »das Problem erst beginnt« – nämlich mit dem »überflüssigen« Tod Bäumers –, da dem Buch also das fehle, »worauf alles für uns ankommt«, und es »mehr oder weniger melancholisch« resigniere, habe es seine Wirkung verfehlt und scheide »aus der Reihe zukunftsgestaltender Kunstwerke« aus. Schröder glaubte nicht, dass Kriegsdarstellungen nach Art von Im Westen nichts Neues zur Aufklärung der »bürgerlichen Welt« geeignet seien. Indem sie darauf verzichteten, die Wurzeln des Krieges und die Möglichkeiten zu seiner Überwindung aufzuzeigen, könnten sie dem »kapitalistischen Inhalt der Wehrhaftigkeit« nichts entgegensetzen – selbst wenn ihre Verfasser den Krieg innerlich ablehnten: »Für die an sich zwangsläufig kriegerisch-kapitalistische Gesinnung genügt es […], dass überhaupt vom Kriege gesprochen wird.«943 Gerade das machte einigen sozialdemokratischen Kritikern zunehmend Sorge. Ganz gleich wie sie Im Westen nichts Neues gegenüberstanden – sie waren der Meinung, dass die Welle der Kriegsliteratur, die auf Remarque folgte, zu sehr den Publikumsneigungen entgegenkomme und die Schrecken des Krieges zum Unterhaltungsobjekt degradiere: »Kriegsliteratur steht augenblicklich auf dem Büchermarkt hoch im Kurs«, konstatierte das Reichsbanner im Juni 1929. »Vor einer Gefahr aber muß, um der Wirkung willen, gewarnt werden: Vor einem ›Zuviel‹ an Kriegsbüchern. Sie dürfen nicht Mode, ihr Verlag nicht zu gewinnbringendem Konjunkturgeschäft ausgenutzt werden.«944 Ähnlich äußerte sich Karl Bröger : »Wir stehen mitten in einer Sintflut von Kriegsbüchern und können in jeder Buchauslage lesen, daß soeben das Buch des Krieges erschienen ist«, stellte er zwei Monate darauf fest.945 Diese Kritik galt freilich nicht den proletarischen Kriegsdarstellungen, die im Laufe des Jahres erschienen und vielfach in der SPD-Presse abgedruckt wurden. 941 So die Charakterisierung durch Fritz Schwahn. Vgl. Schwahn: Der Weltkrieg in der Dichtung. 942 Barthel: »Im Westen nichts Neues«. 943 Schröder: Erzählende Literatur. 944 eu: Neue Kriegsbücher. 945 Bröger : Der Krieg im Buche.

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Im Gegensatz zu Remarque, der trotz seines meist wohlwollend aufgenommenen Antikriegsbuches ein bürgerlicher Dichter blieb946, hatten ihre Verfasser das Fronterlebnis mit den »Augen des Arbeiters« und der »mitunter mühsamen Sprache des Proletariats« geschildert, hieß es im Vorwärts.947 Zwar stuften die sozialdemokratischen Kritiker, wie zu Beginn deutlich gemacht worden ist, Remarques Kriegsschilderung mehrheitlich als ›wahr‹ ein, doch wenn es darum ging, Im Westen nichts Neues mit Werken ›echter Proletarier‹ zu vergleichen, wurde es zur »Dichtung«. Somit erschien Remarques Buch weniger authentisch zu sein als das »Rohmaterial« der proletarischen Berichterstatter.948 Dem sozialdemokratischen Ideal ziemlich nah kamen dagegen die »Aufzeichnungen des Tischlergesellen« Willibald Seemann, die der Vorwärts ab April 1929 unter dem Titel Pioniere im Westen abdruckte. Bei Seemann, schrieb die Redaktion, verliere der Krieg »den letzten Schimmer der Romantik, jenen heimlichen Glanz des Abenteuerlichen, der Remarques Werk noch durchleuchtet«.949 Auch die Leipziger Volkszeitung hatte ihren »proletarischen Kriegsroman«, dessen Abdruck sie Mitte August begann. Das Vorwort zu Die Front im Wanken durfte der Verfasser Artur Heimburger selbst schreiben. Dort 946 Das Bild der SPD-Presse vom Menschen und Dichter Remarque zeigt sich eindringlich im Artikel »Die Tragödie Remarque«, den Martin Stoß in der Tat geschrieben hatte und den der Vorwärts kurz darauf, am 16. März 1929, veröffentlichte. Erstaunlich ist der Abdruck insofern, als dass Die Tat eine nationalkonservative Kulturzeitschrift war, die der sogenannten »Konservativen Revolution« nahestand. Als »Organ der intellektuellen Rechten«, so Winfried Lerg, war sie das Pendant zur linken Weltbühne (vgl. Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 36). Stoß’ Artikel hatte jedoch nicht den Zweck der Agitation. Er schildert das Dilemma Remarques, der sich, als völlig unpolitischer Mensch, ein Kriegsbuch von der Seele geschrieben habe, weil die schweren Eindrücke des Krieges auf seiner »Frische und Leichtigkeit« gelastet hätten. Jetzt, wo das Buch zu einem derartigen Erfolg geworden sei und es die Frage der Kriegsgeneration aufgeworfen habe, verlange man von ihm, dass er deren Wortführer werde. Dabei sei er eigentlich nur »ein Mensch, und ein netter Kerl dazu!«, so Stoß. Mit dem Frontsoldaten von früher habe er nichts mehr gemeinsam, stattdessen sei er jetzt »Weltmann, Sportsmann, Draufgänger«. Und weil das so sei, müsse er heute »in irgendeinem Winkel sitzen und ratlos über die Frage grübeln: Was nun? Die Walze des Erfolges ist über ihn hinweggerollt, sie läßt ihn am Boden zurück, zermahlen und zertreten.« Der Artikel, den der Vorwärts unter dem Titel »Wie Remarque wurde. Bittere Betrachtungen« abdruckte, skizziert in überspitzter Form die Haltung der SPD-Presse zum Verfasser von Im Westen nichts Neues. Remarque galt ihr als bürgerlicher Weltmann, der ohne politische Motivation, sondern allein zur Verarbeitung seines Fronterlebnisses, ein aus Sicht der Sozialdemokraten wertvolles Antikriegsbuch geschrieben hatte. Obwohl der von seinem Erfolg überrumpelte Schriftsteller seinem Dilemma nicht durch politische Parteinahme entging, hatte er die Sympathie der sozialdemokratischen Kritiker auf seiner Seite, weil diese seine pazifistische Grundhaltung anerkannten. 947 Ankündigung von Willibald Seemanns Pioniere im Westen, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 165 vom 8. 4. 1929 (46. Jg.), S. 3. 948 Ebd. sowie M.B: Klärung und Verklärung. Bemerkungen zu zwei Kriegsromanen, in: Vorwärts, Berlin, Nr. 140 vom 23. 3. 1929 (46. Jg.), S. 5. 949 Ankündigung von Pioniere im Westen.

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erläuterte er, dass seine Darstellung zeige, »wie die Revolution kam […] und was in der Masse der Soldaten vor sich gehen musste«, ehe diese den »Willen zur Revolution« entwickelten. Damit wolle er den »alten Knochen« unter den Soldaten, die bei der Lektüre von Im Westen nichts Neues »in diese verdammte, ganz behutsame, aber um so gefährliche Kriegervereinsstimmung geraten«, die Augen öffnen.950 Nicht zuletzt galt der SPD-Presse Ernst Johannsens Vier von der Infanterie als »eines der stärksten Kriegsbücher«.951»Mit bedeutender dichterischer Kraft und ungefärbter Realistik« schildere der »Arbeiterdichter« das Leben und Sterben an der Front, lobte das Reichsbanner.952 Auch die Leipziger Volkszeitung sah in dem Roman, der unter anderem im Hamburger Echo abgedruckt wurde, ein »in der Antikriegstendenz sauberes […], lesenswertes Buch«.953 Im Westen nichts Neues tat demnach trotz der überwiegenden Zustimmung, die es erfuhr, den Bestrebungen der SPD-Presse, Krieg und Fronterlebnis aus der Sicht des Arbeiters darzustellen, keinen Abbruch.954 Denn den sozialdemokratischen Kritikern war klar, dass Remarque keiner von ihnen war, sondern ein bürgerlicher Literat, der ein nützliches und wichtiges Buch geschrieben hatte: Es entsprach in vielen Bereichen der eigenen Ideologie – so war es ein Plädoyer gegen den Krieg, das womöglich der pazifistischen Aufklärung diente. Darüber hinaus entzauberte es die Dolchstoßlegende, ein Kernstück nationalistischer Agitation. Für die sozialdemokratischen Zeitungen waren dies Gründe genug, Im Westen nichts Neues zu protegieren. Abgesehen von einigen wenigen Kritikern, die, wie Karl Schröder, Remarques Roman zwar nicht verurteilten, ihm aber keinen weiteren Wert für die sozialdemokratischen Interessen zusprachen, wurde er nur dann etwas kritischer behandelt, wenn es darum ging, Vorzüge der eigenen – proletarischen – Literatur herauszuarbeiten. Angesichts der Angriffe von rechts sahen sich die sozialdemokratischen Rezensenten – gemäß dem Verständnis der SPD als Schöpferin und Behüterin der republikanischen Staatsform – schließlich dazu genötigt, Remarque zu verteidigen.955 950 Beginn des Abdrucks von Artur Heimburgers Die Front im Wanken, in: Leipziger Volkszeitung, Nr. 189 vom 15. 8. 1929 (36. Jg.), S. 12. 951 ed.: Frontsoldaten, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 44 vom 2. 11. 1929 (6. Jg.), S. 360. 952 rr : Vier von der Infanterie, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 30 vom 27. 7. 1929 (6. Jg.), S. 236. 953 H.W.: Das Kriegserlebnis in der Literatur. 954 Die Leipziger Volkszeitung forderte etwa ihre Leser auf, Briefe für die geplante Dokumentation »Kriegsbriefe gefallener Proleten« beizusteuern, welche »die Wahrheit über den Krieg verbreiten helfen und seiner romantischen Verklärung entgegenwirken« sollte. Vgl. N.N.: Kriegsbriefe gefallener Proleten, in: Leipziger Volkszeitung, Nr. 190 vom 16. 8. 1929 (36. Jg.), S. 6. 955 So begegnete das Reichsbanner der nationalistischen Remarque-Polemik Vor Troja nichts Neues mit deutlicher Ablehnung: Der Verfasser, Emil Marius Requark, habe sich krampf-

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7.2.2.3. Liberale und linksliberale Presse »Einer hat für uns alle gesprochen, für uns Muschkoten, die im Schützengraben lagen, die verlaust und verdreckt waren, die schossen und erschossen wurden.« Ernst Toller am 23. Februar 1929 im 8-Uhr-Abendblatt

Die überwiegend positive Rezeption von Im Westen nichts Neues durch die sozialdemokratische Presse wurde von den liberalen Zeitungen noch einmal weit übertroffen. Diese begegneten Remarques Buch vor allem anfangs mit begeisternden, ja, bewundernden Stellungnahmen. Insbesondere die Ullstein-Blätter reagierten mit überschwänglicher Euphorie – sofern man überhaupt von einer Reaktion sprechen kann. Schließlich war es der Ullstein-Konzern, der Im Westen nichts Neues ›entdeckt‹ und herausgebracht hatte. Entsprechend offensiv nutzte der Verlag die eigene publizistische Plattform, bestehend aus Vossischer Zeitung, Berliner Morgenpost, B.Z. am Mittag und Berliner Illustrirte Zeitung, um die Werbetrommel für das Buch über das Fronterlebnis im Weltkrieg zu rühren. Das erste Mal, dass in der deutschen Presse überhaupt über Im Westen nichts Neues geschrieben wurde, war am 8. November 1928 in der Vossischen Zeitung.956 An prominentester Stelle, auf der Titelseite, kündigte der Kritiker J.E. den zwei Tage darauf beginnenden Vorabdruck an. Mit seiner schwärmerischen Rezension des merkwürdigerweise unter dem Titel Nichts Neues im Westen957 vorgestellten Buches gab er die Vermarktungsprämissen des Verlags wieder und haft vorgenommen, »mit der altertümlichen Gänsefeder, mit der er wohl auch heute noch seine eigne Schriftstellerei erledigt, Remarque aufzuspießen«. Dabei sei nichts weiter herausgekommen als »der gequälte Witz eines bebrillten Mittelschullehrers«. Vgl. N.N.: Vor Troja nichts Neues, in: Das Reichsbanner, Magdeburg, Nr. 52 vom 28. 12. 1929 (6. Jg.), S. 424. Offen Partei für Remarque nahm die SPD-Presse dann während der Auseinandersetzung um die Verfilmung von Im Westen nichts Neues im Dezember 1930. 956 J.E.: Nichts Neues im Westen, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A267 vom 8. 11. 1928 (225. Jg.), S. 1. Als älteste Berliner Tageszeitung – laut Zeitungskopf führte sie ihre Wurzeln auf das Jahr 1704 zurück – entwickelte sich die Vossische Zeitung im Kaiserreich zu einem der renommiertesten deutschen Blätter. 1914 vom Ullstein-Verlag übernommen, behielt die liberale Zeitung in der Weimarer Republik ihre exponierte Stellung bei. Unter der Führung des Chefredakteurs Georg Bernhard, Reichstagsabgeordneter der DDP, engagierte sie sich für den demokratischen Ausbau Deutschlands zu einer »freiheitlichen Republik« sowie die »Versöhnung der Völker« und den »Frieden Europas«. Vgl. »Die Vossische Zeitung«, Anzeige in der B.Z. am Mittag, Berlin, Nr. 260 vom 23. 9. 1929 (53. Jg.), S. 8. Ebenso wie die Frankfurter Zeitung war die »Tante Voss« (Berliner Jargon) auch »im exklusiven Club der Weltpresse« anerkannt (Bosch: Liberale Presse, S. 3). Trotz überregionaler Verbreitung hatte die vor allem im Bildungsbürgertum gelesene Zeitung nur eine Auflage von 75.000 Exemplaren. Vgl. auch Klaus Bender : Vossische Zeitung (1617–1934), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 25–39. 957 Ob der Wortdreher im Titel ein Versehen war, ist nicht bekannt. Abgedruckt wurde der Roman schließlich unter dem Namen, mit dem er berühmt geworden ist: Im Westen nichts Neues. Vgl. den Beginn des Vorabdrucks, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A269 vom 10. 11. 1928 (225. Jg.), S. 10.

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steckte damit den Rahmen der bald darauf beginnenden Pressedebatte ab. Remarque, so schrieb J.E., sei »einer aus der grauen Masse, einer von den Hundertausenden, die als halbe Kinder dem Ruf zu den Fahnen freiwillig folgten, […] ein Soldat, der bis zum letzten Tag seine Pflicht tat«. Die Biografie Remarques insoweit verfälschend, als dass dieser sich nämlich nicht freiwillig zum Militärdienst gemeldet hatte, charakterisierte J.E. den Verfasser von Im Westen nichts Neues als »schlichten« Menschen, der »kein Schriftsteller von Beruf« sei. Somit blendete der Rezensent auch die langjährige, wenn auch nur mäßig erfolgreiche literarische Karriere Remarques aus. Die Ullsteinsche Vermarktungsthese, nach der die Niederschrift von Im Westen nichts Neues für Remarque eine Art Katharsis war, machte nun Sinn: Er habe plötzlich den Drang empfunden, »das in Worte zu fassen […] und innerlich zu überwinden, was ihm und seinen Schulkameraden […] geschehen war«. Entstanden sei dabei »das erste wirkliche Denkmal des ›Unbekannten Soldaten‹«. Dem Buch maximale Authentizität zusprechend, glaubte J.E. gleichsam an dessen aufrüttelnde Wirkung: »Ein Werk, das Blatt für Blatt den Eindruck ergreifender Wahrheitstreue erweckt […], daß niemand […] ohne stärkste Erschütterung bleiben kann.« Es sei ein Buch ohne Tendenz, untermauerte der Rezensent, und gerade deshalb »ein Mahnmal stärker als Stein, dauernder als Erz, ein Mahnmal, das die Herzen ergreift, die Köpfe erfüllt, das kommenden Generationen das wahre Bild des furchtbarsten Krieges lebendig erhält.« Die Vossische Zeitung halte es für »ihre Pflicht«, resümierte J.E., »der Öffentlichkeit dieses starke und wahre Werk […] vorzulegen«.958 Wie erhofft, fand das Buch sogleich die Resonanz der Leser. Sie hätten Remarques Erzählung regelrecht »verschlungen«, schrieb das Ullstein-Blatt am 23. Dezember 1928, nachdem es während des vierwöchigen Abdrucks ständig vergriffen war. An der Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues als Roman gab es nun keine Zweifel mehr. Denn die enorme Wirkung schien absehbar. So konstatierte Lotte Zavrel, dass die Zurufe der Leser »schon jetzt das lang nachhallende Echo« ankündigten, »das die Buchausgabe, ungeduldig erwartet, finden wird«.959 Am ersten Verkaufstag, dem 31. Januar 1929, äußerte sich die Vossische Zeitung – neben allen Ullstein-Blättern – erneut zur Erscheinung des Romans: Die »Bekenntnisse« des »Frontsoldaten« Erich Maria Remarque hätten die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sie seien in einer »unerhörten Weise von der Wirklichkeit übertroffen« worden: »Noch niemals ist der Widerhall einer Romanpublikation mit einer solchen ungestümen Wucht zu uns gedrungen«. Veteranen, Frauen und Mütter, überhaupt alle Leser seien von Remarques 958 J.E.: Nichts Neues im Westen. 959 Lotte Zavrel: Ludwig Renn: »Krieg«, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A306 vom 23. 12. 1928 (225. Jg.), S. 5.

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Erinnerungen erschüttert worden. Daher hätten sie sich, von einem »Gefühl der Dankbarkeit getrieben«, mit demselben Wunsch an die Zeitung gewandt: »Sie wollten Remarques Erzählung in einer Form besitzen, die beständiger ist als ein Zeitungsblatt. Sie verlangten nach einer Buchausgabe.«960 Dem von Ullstein vorgegebenen Allgemeingültigkeitsanspruch, nach dem das Buch, so die Worte Molos, »von allen Toten geschrieben« sei961, schlossen sich die Rezensenten der liberalen und linksliberalen Presse mehrheitlich an. Voraussetzung dafür war, dass sie die Frage nach der ›Wahrheit‹, dem zentralen Kriterium für die Beurteilung des Buches, bejahten: »Ja, so war es, genau so«, urteilte Axel Eggebrecht962 in der linksintellektuellen Weltbühne.963 Und die Frankfurter Zeitung964 schrieb: »Das sind Sätze, die sagen, was war.«965 Die authentische Schilderung des Fronterlebnisses attestierten Remarque auch eine Reihe bekannter Schriftsteller, die den Krieg am eigenen Leib erfahren hatten. Mit Fritz von Unruh, Bernhard Kellermann und Carl Zuckmayer mobilisierten vor allem die Ullstein-Blätter literarische Prominenz.966 Unruh etwa 960 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Remarques Buch erscheint, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A26 vom 31. 1. 1929 (226. Jg.). 961 Vgl. hierzu Kap. 5.1, S. 114f. 962 Als Kriegsteilnehmer schloss sich Axel Eggebrecht 1920 den Putschisten Wolfgang Kapp und Walther von Lüttwitz an, nachdem er zuvor dem rechtskonservativen Kreis um Ernst von Salomon angehört hatte. Der Antisemitismus der Rechtsradikalen ließ ihn jedoch umdenken und führte 1920 zu seinem Eintritt in die KPD, aus der er 1925 wieder austrat. Neben seiner Tätigkeit für Die Weltbühne arbeitete Eggebrecht für Die Literarische Welt und das liberale Berliner Tageblatt. Nachdem er 1933 mehrere Monate im Gefängnis und im KZ verbracht hatte, erhielt er anschließend Schreibverbot. Vgl. DBE, Bd. 3, S. 26. 963 Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 213. 964 Noch vor dem Berliner Tageblatt und der Vossischen Zeitung galt die Frankfurter Zeitung (Auflage: 70.000) als renommiertestes Blatt der Weimarer Republik. Sie repräsentierte einen unabhängigen Liberalismus, unterstützte aber unverhohlen die Politik der DDP, welcher viele Redakteure als Mitglieder angehörten. Die Zeitung war überregional verbreitet, wobei der Großteil der Leserschaft aus hochrangigen Wirtschaftskreisen und dem liberalen Bildungsbürgertum kam (eine detaillierte Zusammensetzung der Leserschaft findet sich bei Eksteins: The Limits of Reason, S. 129. Vgl. auch Heenemann: Auflagenhöhen, S. 104f.). Im Ausland war das 1856 von Ludwig Sonnemann gegründete Blatt als »prominentestes Sprachrohr deutscher Demokratie« angesehen (Bosch: Liberale Presse, S. 9). Die Rechten hingegen diffamierten die Frankfurter Zeitung als »Judenblatt« und »Börsenpresse« (vgl. etwa N.N.: Das deutsche Volksbegehren und die Börsenpresse, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 166 vom 20. 7. 1929 (42. Jg.), S. 1). Nach 1933 galt das Blatt lange als Hort eines getarnten Widerstandes, blieb aber bis 1943 wegen seiner Auslandsbedeutung zugelassen. Vgl. auch Kurt Paupi8: Frankfurter Zeitung (1856–1943), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 241–256. 965 N.N.: Was war im Krieg? Zu dem Bericht von Erich Maria Remarque, in: Frankfurter Zeitung, Nr. 51 vom 29. 1. 1929 (74. Jg.), S. 1 966 Der aus dem Adel stammende Schriftsteller Fritz von Unruh war im Krieg Kavallerieoffizier und wandelte sich danach zum engagierten Pazifisten. In der Weimarer Republik gehörte er zu den bedeutendsten expressionistischen Schriftstellern. Von den Nazis bedroht, verließ er Deutschland 1932. Ein Jahr darauf fielen seine Werke der Bücherverbrennung zum Opfer

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sah in Im Westen nichts Neues ein »Protokoll der Wahrheit«, das, so schrieb er fünf Tage nach dessen Erscheinen in der Vossischen Zeitung, bereits ein »weltliterarisches Ereignis« geworden sei.967 Zuckmayer bezeichnete es in der Berliner Illustrirten Zeitung 968, die anlässlich des Verkaufsstarts von Im Westen nichts Neues offensichtlich extra an diesem 31. Januar, einem Donnerstag, erschien und nicht wie gewöhnlich sonntags, als das »erste Kriegsbuch, das Wahrheit gibt, […] reine gültige Wahrheit«.969 Und Kellermann betrachtete Remarques Buch in der Berliner Morgenpost 970 als ein »unvergängliches Zeitdokument«, welches »unbestechlich« und »erschreckend in seiner entsetzlichen Wahrheit […] Erlebnis und Qual von Millionen unbekannte[n] Soldaten […] mit der Schärfe eines geschliffenen Spiegels wiedergibt«. Ergriffen und erinnert fuhr er fort: »Front! Ja, in der Tat, das ist sie, die polternde, gespenstische Front! Hinund herpendeln zwischen Tod und Quartier. Entwurzelung, Verrohung, Vertierung, isoliert von der zivilisierten Welt.«971

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(vgl. Sigrid Schneider: Unruh, Fritz von, in: Wolfgang Benz und Hermann Graml (Hg.): Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, München 1988, S. 349f.). Bernhard Kellermann war ebenfalls Kriegsteilnehmer und Schriftsteller. Im Krieg hatte er als Berichterstatter für das Berliner Tageblatt geschrieben. 1920 erschien sein erfolgreicher kriegskritischer Roman Der neunte November, der 1933 verboten und verbrannt wurde. 1949 erhielt Kellermann den Nationalpreis der DDR (vgl. DBE, Bd. 5, S. 499). Carl Zuckmayer hatte sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet und kam als hochdekorierter Leutnant zurück. Kurzzeitig Mitglied eines Arbeiter- und Soldatenrates, widmete er sich fortan seiner Tätigkeit als sozialkritischer, liberaler Dramatiker und Autor. 1933 emigrierte er nach Österreich, 1938 in die USA. Vgl. Wolfgang Benz: Zuckmayer, Carl, in: ders. und Hermann Graml (Hg.): Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, München 1988, S. 378f. Fritz von Unruh: »Im Westen nichts Neues«. Erich Maria Remarques Roman, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A30 vom 5. 2. 1929 (226. Jg.). Die im Ullstein-Verlag herausgegebene Berliner Illustrirte Zeitung erreichte 1929 eine Auflage von mehr als 1,8 Millionen und war damit die meistverkaufte aller periodisch erscheinenden Publikationen in Deutschland. Eher unpolitisch, legte das sonntägliche Unterhaltungsblatt seine Schwerpunkte auf Sport, Mode, Kultur, Technik und Tierwelt sowie Belletristik und Reisereportagen aus aller Welt. Vgl. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 368, sowie Wilhelm Marckwardt: Die Illustrierten der Weimarer Zeit. Publizistische Funktion, ökonomische Entwicklung und inhaltliche Tendenzen. Unter Einschluss einer Bibliographie dieses Pressetypus 1918–1932, München 1982 (zugl. Diss., Bremen 1981), S. 70. Carl Zuckmayer: Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues«, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 31. 1. 1929 (38. Jg.), S. 174f. Mit knapp über 600.000 verkauften Exemplaren (am Sonntag nahezu 680.000) war die Berliner Morgenpost des Ullstein-Verlags die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung. Sie war weitaus unpolitischer als die Vossische Zeitung oder das Berliner Tageblatt und sprach mit ihren leichten, oft etwas boulevardesk aufbereiteten Themen vor allem Leser aus dem Kleinbürgertum an. Vgl. Heenemann: Auflagenhöhen, S. 105. Bernhard Kellermann: »Im Westen nichts Neues«, in: Berliner Morgenpost, Nr. 27 vom 31. 1. 1929 (32. Jg.).

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Genau wie sie selbst, glaubten die Rezensenten, würden Millionen anderer Frontsoldaten in dieser »entsetzlich realen«972 Schilderung ihr »eigenstes, unausgesprochenes Erleben […] im Spiegelbild sehen«.973 Die Leserreaktionen in der Vossischen Zeitung jedenfalls erweckten diesen Eindruck. So schrieb der Kriegsteilnehmer Heinz Grasmann: »So war es. So kamen wir von der Penne zum Kommiß, so litten und wüteten wir durch den seltsam schnell gewohnten Schrecken, taten wir, was man von uns verlangte, und mehr, als wir je jemand zugetraut hätten.«974 Martin Hobohm, Mitglied im Reichsbanner-Bund, Kanonier a.D. und als Sachverständiger des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses für die Ursachen des militärischen Zusammenbruchs kein Unbekannter975, erläuterte in einem Leserbrief, die Erzählung Remarques sei »hinreißend, echt und groß« und so »naturgetreu wie ein photographisches Dokument«.976 Deshalb war er wie Fr. Emrich überzeugt, »daß jeder Kamerad […] nach dem Lesen sagen wird: ›Ja, genau so ist es gewesen!‹«.977 Obwohl die Auswahl der veröffentlichten Leserbriefe von der Ullstein-Verlagsleitung bewusst gesteuert wurde, wie Günter Hartung bemerkt978, zeigen diese doch die starke emotionale Ergriffenheit ehemaliger Frontsoldaten: »Noch niemals ist es […] gelungen«, stellte Emrich fest, »den Krieg mit all seinen 972 Unruh: »Im Westen nichts Neues«. 973 Sven von Müller: Der entzauberte Krieg, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A201 vom 23. 8. 1929 (226. Jg.), S. 11. 974 Heinz Grasmann: Das Fronterlebnis in der Dichtung. »Im Westen nichts Neues« (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A300 vom 16. 12. 1928 (226. Jg.). 975 Hobohms Affirmation barg insofern politische Brisanz, als dass er in dem Gutachten über die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs von 1918, das er 1929 dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Reichstages vorlegte, herausstellte, dass die Erbitterung der Frontsoldaten über die Missstände und die Offiziersprivilegien im wilhelminischen »Klassenheer« für die deutsche Niederlage mitverantwortlich waren. Somit stützte Hobohm die These vom Militärstreik im Herbst 1918 und unterstrich – entgegen der Legende vom Dolchstoß aus der Heimat – die inneren Zerfallserscheinungen der Armee. Durch Im Westen nichts Neues sah er diese Annahme bestätigt. Er glaubte gar, dass Remarques Buch »möglicherweise überwältigender zur geschichtlichen Klärung beitragen« könne als die »verdienstvolle Riesenarbeit« des Untersuchungsausschusses. Vgl. Hobohm: Das Fronterlebnis in der Dichtung, sowie: Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichtages 1919– 1930. Verhandlungen, Gutachten, Urkunden. Unter Mitwirkung von Eugen Fischer, Walther Blich, Berthold Widmann im Auftrag des Reichstages, hg. von Walter Schücking et al., Bd. 11.1.: Gutachten des Sachverständigen Dr. Hobohm: Soziale Heeresmissstände als Teilursache des deutschen Zusammenbruchs von 1918, Berlin 1929, S. 264ff. Siehe ferner Ziemann: Enttäuschte Erwartung und kollektive Erschöpfung, S. 167. 976 Hobohm: Das Fronterlebnis in der Dichtung. 977 Fr. Emrich: Erzbergers Werk (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A311 vom 30. 12. 1928 (225. Jg.), S. 11. 978 Günter Hartung: Gegenschriften zu »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück«, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung, Osnabrück 1998 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 8), S. 113.

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Schrecknissen […] in einer solchen, jedem zu Herzen gehenden Weise darzustellen. […] Kein Buch über den Krieg hat mich so ergriffen und ließ das Geschehen so plastisch vor meinen Augen wiedererleben«.979 Ähnlich gerührt zeigten sich die prominenten Schriftsteller, die sich alle noch am Tag des Erscheinens oder den darauffolgenden Wochen äußerten. So schrieb Ernst Toller980 in Mosses 8-Uhr-Abendblatt981, dass Remarques Roman »auf unseren Herzen trommelt«982 ; Fritz von Unruh sah darin einen »seelenangreifenden Bericht«983 ; und Fedor von Zobeltitz984, der sich eigentlich vorgenommen hatte, »keinen Kriegsroman mehr zu lesen«, weil die meisten eine ihm nicht genehme politische Tendenz hätten, gestand in der B.Z. am Mittag985, dass ihn »lange kein Buch so außerordentlich gefesselt und so auf das tiefste erschüttert« habe.986 Woran die liberalen Rezensenten ihre emotionale Identifikation mit Im Westen nichts Neues

979 Emrich: Erzbergers Werk. 980 Ernst Toller meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger, erlebte nach dreizehn Monaten vor Verdun einen totalen Kollaps und wurde 1917 aus dem Heer entlassen. Begegnungen u. a. mit Max Weber und Kurt Eisner leiteten einen Gesinnungswandel zum Sozialisten und Pazifisten ein. Toller trat der USPD bei und wurde im April 1919 Zentralratsvorsitzender der Räterepublik Bayern. Nach deren Zusammenbruch verbrachte er fünf Jahre in Festungshaft. Als einer der bekanntesten expressionistischen Lyriker, Schriftsteller und Dramatiker war Toller bei den Rechten verhasst. 1933 emigrierte er in die USA, wo er im Mai 1939 Selbstmord beging. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 60f. 981 Das 8-Uhr-Abendblatt erschien mit einer Auflage von knapp 100.000 Exemplaren im MosseVerlag. 1847 war es als National-Zeitung gegründet worden, deren Namen es noch 1929 als Untertitel trug. Die illustrierte Tageszeitung lag auf der demokratischen Linie des Berliner Tageblatts, war aber unpolitischer und weitaus weniger intellektuell. Vgl. Jürgen Kahl: National-Zeitung (1848–1938), in: Fischer: Deutsche Zeitungen, S. 177–189. 982 Ernst Toller: »Im Westen nichts Neues«, in: 8-Uhr-Tageblatt, Berlin, Nr. 46 vom 23. 2. 1929 (83. Jg.), S. 18. Tollers Artikel war einen Tag zuvor bereits in der linksliberalen Literarischen Welt erschienen. 983 Unruh: »Im Westen nichts Neues«. 984 Fedor von Zobeltitz, Jahrgang 1857, trat 1874 in den Militärdienst ein und wurde Offizier. Vor dem Krieg war er Redakteur mehrerer Zeitschriften, u. a. der Militärischen Blätter, des Deutschen Familienblattes und 1888 bis 1891 Chefredakteur der Illustrierten Frauenzeitung. Er schrieb zahlreiche Romane aus der preußischen Adelsgesellschaft und dem Offiziersleben. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 682. 985 Die B.Z. am Mittag, 1904 aus der Berliner Zeitung hervorgegangen, war das erste Boulevardblatt in Deutschland und galt zugleich als »schnellste Zeitung der Welt«: So waren nur acht Minuten nach Parketteröffnung der Börse die ersten Kurse auf der Titelseite zu lesen (vgl. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 200f.). Die B.Z., die 1929 in einer Auflage von 200.000 Exemplaren erschien, bot knappe, zeitnahe Informationen, keine politischen Analysen. Sie gehörte nicht zur Gesinnungspresse, vertrat jedoch die liberalen Grundauffassungen des Ullstein-Verlags. Überregional erhältlich, hatte die Zeitung aufgrund ihres Straßenverkaufs eine sehr heterogene Leserschaft. Vgl. Heenemann: Auflagenhöhen, S. 105. 986 Fedor von Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«. Erich Maria Remarques Kriegsroman, in: B.Z. am Mittag, Berlin, Nr. 30 vom 31. 1. 1929 (53. Jg.), S. 5.

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festmachten, führten sie nicht explizit aus.987 Für sie alle galt wohl, was Eggebrecht betonte: »Einzelheiten herauszuheben, erscheint zwecklos.«988 Denn durch Remarque, erläuterte Zuckmayer lapidar, sei das ganze Schicksal der Frontgeneration »zum erstenmal […] selber Gestalt geworden«.989 So vereinnahmten sie Im Westen nichts Neues denn als ›ihr‹ Buch. Die ersten euphorischen Stellungnahmen zu Remarques Buch begleitete der Ullstein-Konzern mit einer ständigen Reklametätigkeit. Vor allem die Berliner Illustrirte Zeitung, in der als einziger redaktioneller Beitrag zu Im Westen nichts Neues die Rezension Zuckmayers erschien, wurde als Werbeforum genutzt. Mit einer Auflage von fast zwei Millionen Exemplaren versprach das Blatt eine große, für das Buch aufnahmebereite Leserschaft. Ob 30.000 verkaufte Bücher, 150.000, 300.000, 500.000 oder 750.000 – jedes Mal, wenn Im Westen nichts Neues eine neue Verkaufshürde nahm, schaltete der hauseigene Propyläen-Verlag eine Anzeige in der Berliner Illustrirten. Darin hieß es dann etwa, zahllose Kriegsteilnehmer hätten sich in Remarques Buch wie in einem »Spiegelbild« erkannt, »das ein unbekannter Soldat, namenlos wie sie selbst, gegeben hat«.990 Ferner ließ der Verlag »Frontkämpfer« bekunden, es sei »das größte Kriegsbuch, welches bisher geschrieben wurde«991; oder er zitierte Schriftstellergrößen wie Stefan Zweig (»Jeder Deutsche sollte dieses beispiellos wahrhafte Buch lesen«)992 und Politiker wie den Reichsjustizminister und DDP-Vorsitzenden Erich Koch-Weser. Letzterer urteilte über Im Westen nichts Neues wie folgt: »Von allen Kriegsbildern, die ich kenne, ist es das gewaltigste. Ich habe es immer wieder aus der Hand gelegt, weil es mich über die Maßen erschüttert [hat], und immer wieder in die Hand genommen, weil es mich unwiderstehlich in seinen Bann zog.«993 987 Die Erschütterung durch Remarques Buch schien im Übrigen auch bei wiederholter Lektüre aufzutreten. So konstatierte Fritz Gaupp im Mai 1930, dass er erneut unter einem »unheimlichen Bann« gestanden habe, als er Im Westen nichts Neues mit einigem Abstand zum zweiten Mal las: »Es ist alles wieder da, diese ganzen vier Jahre Front, […] das Erlebnis selbst, […] das physisch und psychisch Erlittene, das wirklich Gewesene, der Krieg. Dieses ganz bestimmte Körpergefühl, dieser Frontkontakt, dieser andere Mensch, der man einmal war.« Vgl. Fritz Gaupp: Das Buch der Millionen, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A123 vom 28. 5. 1930 (227. Jg.). 988 Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 212. 989 Zuckmayer : Erich Maria Remarque, S. 175. 990 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 10. 2. 1929 (38. Jg.), S. 209. 991 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 7 vom 17. 2. 1929 (38. Jg.), S. 249. 992 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 10 vom 10. 3. 1929 (38. Jg.), S. 377. 993 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 15 vom 14. 4. 1929 (38. Jg.), S. 617.

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Schließlich gab Ullstein begeisterte Pressestimmen aus dem Ausland wieder. So wurden in der Anzeige »Zeugnisse des Weltrekords« unter anderem der Manchester Guardian (»Das größte aller Kriegsbücher…«), Le Monde aus Paris (»Ein solches Buch müßte in Millionen Exemplaren verteilt, übersetzt, in den Schulen gelesen, gekauft und verschenkt werden«) sowie das Stockholmer Svenska Dagbladet (»Er predigt und deklamiert nicht. Er ist ganz einfach ein Bruder, der zu uns spricht«) zitiert.994 Annoncen schaltete Ullstein auch in Mosses Berliner Tageblatt995, was im Übrigen die ähnliche politische Ausrichtung der beiden liberalen Verlagshäuser demonstriert. Denn in der kommunistischen, katholischen und der rechten Presse erschienen keine Anzeigen für Im Westen nichts Neues. Zum 150. Tausend am 24. Februar 1929 fanden die Leser des Berliner Tageblatts Reklame des Propyläen-Verlags vor, welche erneut Walter von Molo, den Präsidenten der Preußischen Dichterakademie, zitierte. Wie schon auf dem Umschlag der Buchausgabe hieß es dort, Im Westen nichts Neues sei »das Denkmal unseres unbekannten Soldaten, das Testament aller Gefallenen an alle Lebenden«.996 Nur zehn Tage später, am 3. März, druckte das Berliner Tageblatt zum mittlerweile 200. Tausend eine weitere Anzeige. Ein dort veröffentlichter Auszug aus »einem von Hunderten von Frontkämpfer-Briefen« sollte die Authentizität von Remarques Bericht unterstreichen. So schrieb R. Stöhr, er »kenne alle die Soldaten, von denen Remarque spricht, jeden einzelnen«, und einer davon sei er selbst.997 Dass sowohl prominente Schriftsteller als auch gewöhnliche Leser Im Westen nichts Neues als ›ihr‹ Buch vereinnahmten, dürfte die Ullstein-Verlagsleitung in ihrer Werbestrategie bestätigt haben. Die vielfach begeisterten Leserbriefe und Rezensionen münzte der Verlag dann in neuerliche Werbung um, welche die ›Echtheit‹ von Remarques Bericht untermauern sollte. 994 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 37 vom 15. 9. 1929 (38. Jg.), S. 1624. 995 Das Berliner Tageblatt (Auflage: ca. 300.000) des liberalen Mosse-Verlags war ebenso wie die Frankfurter Zeitung und die Vossische Zeitung ein »altdemokratisches Intelligenzblatt« (Haffner : Geschichte eines Deutschen, S. 183). Dadurch, dass es stark im Berliner Mittelstand gelesen wurde, war das Tageblatt allerdings weiter verbreitet. Das Selbstbewusstsein als »das deutsche Weltblatt« (Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 3) verdankte die Zeitung auch Theodor Wolff – einem der renommiertesten Journalisten der Weimarer Republik –, der von 1906 bis zu seiner Emigration 1933 Chefredakteur war. Mit dem Cousin Rudolf Mosses am Ruder stand das Berliner Tageblatt für einen hochkarätigen linksliberalen Journalismus. Politisch gesehen vertrat die Zeitung den linken Flügel der DDP, an deren Gründung Wolff beteiligt war. Sie bekannte sich zur Republik, Paneuropa-Idee und zum Pazifismus. Vgl. Bosch: Liberale Presse, S. 10; Gotthart Schwarz: Berliner Tageblatt (1872–1939), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 315–327, sowie Norbert Frei: Wolff, Theodor, in: Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, S. 372f. 996 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Tageblatt, Nr. 94 vom 24. 2. 1929 (58. Jg.), S. 24. 997 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Tageblatt, Nr. 106 vom 3. 3. 1929 (58. Jg.), S. 23.

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Welche Hoffnungen aber verband Ullstein mit Im Westen nichts Neues über den finanziellen Erfolg hinaus?998 Völlig gleichgültig konnte dem Pressekonzern der gesellschaftliche Effekt des Buches nämlich nicht sein – immerhin bekannte er sich offen zur Politik der DDP. Zum einen war es die Erwartung, dass von Im Westen nichts Neues eine allgemeine pazifistische Wirkung ausgehe – dazu später mehr. Zum anderen schien man mit dem Buch die zersplitterte Frontgeneration für sich gewinnen zu können. Die Logik dabei: Je mehr ehemalige Soldaten sich hinter Remarques Version des Fronterlebnisses stellten, umso empfänglicher würden die Kriegsjahrgänge für Frieden, Völkerverständigung und Demokratie werden. Voraussetzung für die Identifikation mit Werk und Verfasser war aber, dass die Veteranen Remarque als einen von ihnen betrachteten. Die Rezensenten der liberalen Zeitungen jedenfalls taten dies. Sie schenkten der vom Ullstein-Konzern verbreiteten Auffassung Glauben, wonach die Niederschrift von Im Westen nichts Neues auf den von seinen Kriegserfahrungen geplagten Remarque eine kathartische Wirkung gehabt hatte. So mutierte der bürgerliche Schriftsteller, der in leitender Position bei einer ScherlIllustrierten gearbeitet und bereits zwei Romane veröffentlicht hatte, in ihren Augen zu einem »aus dem Dunkel hervortretenden Autor«999, der mit den »drastischen Worten des Grabensoldaten«1000 gerade sein »Erstlingswerk«1001 geschrieben habe. Dass die Kritiker im Verfasser von Im Westen nichts Neues keinen Literaten sahen, sondern einen einfachen Muschkoten, der endlich das formulierte, was für Millionen Kameraden ein Jahrzehnt lang unaussprechbar geblieben war, zeigt sich auch in ihrer Beurteilung von Remarques Sprache. Sie sei von »eindrucksvoller Schlichtheit«1002, da ihr jede Pose fern liege1003, lobten Zobeltitz und Gaupp. Remarque schreibe »ganz wahrhaftig, ohne rhetorische Zutat, ohne dialektische Spitzfindigkeit«, fand Toller.1004 Auch Eggebrecht konnte wie Unruh »keine Spur von Sensationsprahlerei«1005 erkennen: »Nirgends überklebt Phrase das Tatsächliche, nirgends überdröhnt Pathos den Schrei armer, vergewaltigter Kreatur.«1006 Über die semantische Ebene Remarques Bericht ›Wahrheit‹ attestierend, identifizierten sowohl Leser als auch Rezensenten dessen Verfasser als einen der 998 999 1000 1001 1002 1003 1004 1005 1006

Vgl. Fritsch und Herz: Deutsche Demokratische Partei, S. 309. N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Remarques Buch erscheint. Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 213. Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«, S. 6. Ebd., S. 5. Gaupp: Das Buch der Millionen. Toller : »Im Westen nichts Neues«. Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 212. Unruh: »Im Westen nichts Neues«.

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ihrigen. So bezweifelte die liberale Kritik im Gegensatz zu seinen nationalistischen Kritikern nie, dass Remarque wirklich an der Front gewesen war1007: »Remarque hat aus unseren Reihen gesprochen«, schrieb etwa Karlwalter Hillger in einem Leserbrief an die Vossische Zeitung.1008 Noch weiter in der Bewertung Remarques für die Frontgeneration ging Ernst Toller. In seinen Augen hatte der Autor von Im Westen nichts Neues nicht nur aus den Reihen der Kriegsteilnehmer gesprochen, sondern für sie. Somit machte er Remarque zum Sprachrohr einer ganzen Generation: »Einer hat für uns alle gesprochen, für uns Muschkoten, die im Schützengraben lagen, die verlaust und verdreckt waren, die schossen und erschossen wurden, die den Krieg nicht aus der Perspektive der Generalstäbe, nicht aus den Schreibstuben sahen, die ihn erlebten als Alltag, als furchtbaren und monotonen Alltag.«1009

Da die Frontsoldaten im Krieg über ihre schrecklichen Erlebnisse nicht reden konnten, wie J.E. konstatierte, da sie, als er zu Ende war, »müde, mürbe, ausgelöscht« waren und »nur den […] Wunsch [hatten] zu vergessen«1010, erschien ihnen Remarques Buch wie eine wundersame Artikulationshilfe. Nun habe das Kriegserlebnis »seine schlimmste Qual verloren«, schrieb Fritz Gaupp: »die der Stummheit«.1011 Ähnlich schilderte Zuckmayer die plötzliche Befreiung: »Wir haben immer wieder erlebt, daß man über den Krieg nichts sagen kann. Es gibt nichts Kläglicheres, als wenn einer seine Kriegserlebnisse erzählt. Deshalb schweigen wir, und warten. […] Und es ist kaum glaublich und grenzt an Wunder, daß dieses Buch jetzt schon geschrieben wurde: man dachte immer, es müssen noch zwei Jahrzehnte vergehen, bis einer das kann.«1012

Remarques Erzählung von der Front war für die liberalen Kritiker besonders deshalb von Bedeutung, da die politische und literarische Gestaltung des Krieges bislang als Domäne der nationalistischen Rechten galt. Nachdem ein Jahrzehnt lang »Memoirenwerke von Diplomaten, Politikern, Staatsmännern, Strategen zu Wasser und zu Land« erschienen seien1013, »in denen Schlachten geschildert und 1007 Dass Remarque in der liberalen Presse der Status eines ›wahren‹ Frontkämpfers zugestanden wurde, wird in etlichen Artikeln deutlich. So schrieb etwa der Theaterkritiker Moritz Loeb in einer Besprechung des Bühnenstücks Douaumont, dass dessen Protagonist »kein Mitkämpfer wie Remarque« sei. Damit erweckte Loeb den Eindruck, Remarque sei durch die Hölle von Verdun gegangen, obwohl dies gar nicht der Fall gewesen war (Remarque war sieben Wochen an der belgischen Front). Moritz Loeb: »Douaumont«, in: Berliner Morgenpost, Nr. 108 vom 7. 5. 1929 (32. Jg.), S. 3. 1008 Karlwalter Hillger : Wir Grenzgeborenen (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A6 vom 6. 1. 1929 (226. Jg.). 1009 Toller : »Im Westen nichts Neues«. 1010 J.E.: Nichts Neues im Westen. 1011 Gaupp: Das Buch der Millionen. 1012 Zuckmayer: Erich Maria Remarque, S. 175. 1013 Kellermann: »Im Westen nichts Neues«.

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Lorbeeren verteilt wurden«, habe die Frontgeneration, deren Stimme bis dato vom »lärmenden Tusch der Fanfaren« und dem »leeren Gerede von Heldentum und Dank des Vaterlandes« übertönt worden war, nun endlich einen Sprecher. Remarque, so J.E., werde all das wegwischen, »was da mit Wortgepränge und billigen Phrasen die alten Legenden erneuerte, die Lügen von der Macht und Herrlichkeit des Soldatenlebens, […] von der Notwendigkeit, immer neue Massengräber zu füllen«.1014 Es seien jetzt »die ganz gewöhnlichen Muschkoten aus den Granattrichtern«, welche ihre Stimme erheben: »Es sind die Mitternachtsglocken, die läuten: vergeßt nicht! Komm heran Mitternachtsglocke Erich Maria Remarque und erhebe dein furchtbares Gebrüll über die Welt!«1015 Die erhoffte Zustimmung der Frontgeneration zum kriegskritischen Bericht Remarques war aus Sicht der liberalen Kritiker ein zentraler Punkt. Denn von der Positionierung der Veteranen hing das Schicksal der Republik ganz entscheidend ab, wie etwa Hans Zehrer in der Vossischen Zeitung erläuterte. In einem Essay zum Thema »Wo blieb die Kriegsgeneration?« schrieb er : »Noch läßt sich nicht sagen, ob sich diese zehn Jahrgänge reibungslos in den Staat einordnen und wie sie ihn ausbauen werden. Nur eines ist sicher : der Staat wird nicht eher zur Ruhe kommen, bevor sie sich nicht eingeordnet haben werden.« Sorge machte Zehrer indes, dass sich die Frontgeneration bislang stark um die »radikalen Flügelparteien« – Kommunisten und Nationalsozialisten – schare: »Wie steht sie zu Deutschland? Abseits!«1016 Zwei ehemalige Soldaten, die mit Briefen auf Zehrers Artikel antworteten, bestätigten dessen Eindruck: »Ich hab’ schon jahrelang das Gefühl, abseits zu stehen. Verbittert! Unfertig«, schrieb Anton Heußner.1017 Und Karlwalter Hillger kommentierte das von Zehrer angefügte Bäumer-Zitat aus Im Westen nichts Neues (»Wir sind überflüssig, überflüssig für uns selbst, wie werden wachsen, 1014 J.E.: Nichts Neues im Westen. 1015 Kellermann: »Im Westen nichts Neues«. 1016 Hans Zehrer: Wo blieb die Kriegsgeneration? Zehn Jahrgänge, die warten, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A1 vom 1. 1. 1929 (226. Jg.), S. 4. Die liberalen, pro-republikanischen Vorstellungen Hans Zehrers sind insofern erstaunlich, als dass der Redakteur der Vossischen Zeitung noch im selben Jahr zur rechtsnationalen Zeitschrift Die Tat wechselte und diese als Chefredakteur zum Forum der Konservativen Revolution ausbaute. Als Alternative zu Demokratie und Kapitalismus sahen die jungen Intellektuellen der Tat einen nationalen Sozialismus, wie er vom linken Flügel der NSDAP vertreten wurde. 1932 stand Zehrer in engem Kontakt mit Kurt von Schleicher. Als sich beider politische Hoffnungen mit Hitlers Kanzlerschaft zerschlugen, stellte Zehrer seine publizistische Tätigkeit ein und tauchte für einige Jahre unter. Nach dem Krieg war er Chefredakteur der Zeitung Die Welt und Kolumnist der Bild-Zeitung. Vgl. Norbert Frei: Zehrer, Hans, in: Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, S. 375f. 1017 Anton Heußner : Wo blieb die Kriegsgeneration? (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A6 vom 6. 1. 1929 (226. Jg.).

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einige werden sich einpassen, andere sich fügen, viele werden ratlos sein«) mit den Worten: »Das ist so grauenhaft wahr.«1018 Zehrer hoffte, dass sich die Situation der Frontgeneration bessern werde, jetzt, wo der Gesellschaft durch Remarque erst die wahre Gestalt des Krieges bewusst geworden sei. Gewissheit hatte er allerdings genauso wenig wie Veteran Heußner. Letzterer ahnte nur, was passieren würde, wenn sich die Kriegsteilnehmer nicht für den Erhalt der Demokratie und die Verständigung unter den Völkern zusammenfänden: »So steht der Untergang des Abendlandes in bedrohlicher Nähe.«1019 Die Bedeutung von Im Westen nichts Neues für die Frontgeneration war ein Schlüsselelement der liberalen Remarque-Rezeption, aber nicht das alleinige. Über die Hoffnung hinaus, dass man mit dem Buch die Kriegsteilnehmer für die eigenen politischen Ziele mobilisieren könne, vertraten die liberalen Zeitungen mehrheitlich die Überzeugung, dass Im Westen nichts Neues auf die gesamte Gesellschaft eine aufklärerische und kriegsablehnende Wirkung haben werde. So begrüßten die Rezensenten unisono, dass der Verfasser »Jammer, Ekel und Vernichtung«1020 wieder in das Bewusstsein der Menschen rücke, die den Krieg angesichts des Alltags schon fast wieder vergessen hätten. Nun aber würden Hunderttausende durch Im Westen nichts Neues aufgewühlt, »wenn sie klopfenden Herzens auf dem Hin und Her ihrer Arbeitswege darin lesen«, konstatierte Unruh und beschrieb die folgende fiktive Szenerie: »[…] Manch einer zieht vielleicht nach dieser Lektüre den Domino1021 wieder aus, weil ihn die Jazzmusik des Fastnachtstrubels plötzlich schmerzt im Ohr, oder er kommt sich grotesk vor im Lackschuh, wenn er die Treppe zu den faden Festen der Saison emporsteigt.«1022 Da aber viele Menschen noch immer »nichts ahnen […] und die Illusionen von gestern hegen« würden, wie die Frankfurter Zeitung feststellte1023, plädierten die Rezensenten für eine uneingeschränkte Verbreitung des Romans. Diese Forderung bezog sich vor allem auf die Schulen, wo »falsche Heldengefühle in den jungen Herzen« erstickt werden müssten.1024 Beinahe gleich lauteten daher die Appelle in den liberalen Blättern. So hieß es in der Frankfurter Zeitung, dass 1018 1019 1020 1021

Hillger : Wir Grenzgeborenen. Heußner : Wo blieb die Kriegsgeneration? Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 211. Ein »Domino«, ein langer, schwarzseidener Maskenmantel mit Kapuze und weiten Ärmeln, wurde vor allem zu Kostümbällen an Fastnacht getragen. Die Tradition entwickelte sich im 18. Jahrhundert im Karneval von Venedig. Vgl. Brockhaus – die Enzyklopädie, Bd. 5: CRO–DUC, 20., überarb. und aktual. Aufl., Leipzig/Mannheim 1996, S. 615. 1022 Unruh: »Im Westen nichts Neues«. 1023 N.N.: Was war im Krieg? 1024 Kellermann: »Im Westen nichts Neues«. Kellermann ergänzte, dass Remarques Buch all denen in die Hand gedrückt werden müsse, »die Aufklärung wünschen über das ›Stahlbad‹ des Krieges«.

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Im Westen nichts Neues – wie die Bücher von Renn, Unruh und Barbusse – »in allen Schulen Europas gelesen werden« müsse: »Jeder verantwortlich Handelnde soll das wissen. Es muß unmöglich sein, in diesem Erdteil etwas Entscheidendes zu tun, ohne diese Bücher zu kennen.«1025 Genauso sah dies Ernst Toller. Mit unüberhörbarer Euphorie schrieb er : »Dieses Buch sollte in Millionen von Exemplaren verbreitet, übersetzt, in den Schulen gelesen, von allen den Krieg bekämpfenden Parteien gekauft und verschenkt werden.«1026 Und auch Carl Zuckmayer forderte, dass Im Westen nichts Neues »in die Schulstuben, die Lesehallen, die Universitäten, in alle Zeitungen, in alle Funksender« gehöre. Sicher war er bereits, dass Millionen es lesen würden, »jetzt und zu allen Zeiten«.1027 Für die liberalen und linksliberalen Rezensenten war Im Westen nichts Neues eine Bestätigung ihrer eigenen pazifistischen Ideale; es nährte die Hoffnung, dass sich die Massen in Zukunft stärker für den Frieden und die Völkerverständigung einsetzten. So war es kein Wunder, dass Remarques Buch mit allerlei Pathos überschüttet wurde. Es sei ein »Aufschrei wider die Sinnlosigkeit des Mordens und die denkbar beste und reinste Propaganda für die Abrüstung der Völker«, schrieb Zobeltitz begeistert. An anderer Stelle bezeichnete er Im Westen nichts Neues als »eine dichterische Paraphrase des auch von Deutschland freudig begrüßten Pakts auf Verzicht des Krieges«.1028 Ähnlich weitreichende Hoffnungen und Erwartungen sprechen aus den Zuschriften an die Vossische Zeitung. So glaubte etwa Else Rosenberg, dass die bloße Beschreibung des Grauens an der Front ausreiche, damit den Lesern der Krieg verdammenswert erscheine: Indem Remarque »alle Schrecken und Scheußlichkeiten des Krieges und seiner Menschen in aller Realistik« aufzeige, sei Im Westen nichts Neues die »wunderbarste Antikriegspropaganda, die es geben kann«, schrieb sie bereits Mitte Dezember 1928.1029 Im Mittelpunkt der sich bald darauf entwickelnden intensiven Leserdiskussion stand die Frage nach der pazifistischen Wirkung des Buches auf die Jugend und seine Verwendung in den Schulen. Ohne Ausnahme waren alle Zuschriften in dieser Hinsicht zustimmend. Eine Leserin namens Grete Eichel etwa erwartete, dass die Jugend 1025 N.N.: Was war im Krieg? 1026 Toller : »Im Westen nichts Neues«. 1027 Zuckmayer: Erich Maria Remarque, S. 174. Auch als Remarques Buch tatsächlich Einzug in die Bibliotheken und den Unterricht vieler Schulen erhalten hatte, wurde die linksliberale Kritik nicht müde, dessen weitere Verbreitung zu fordern. So beschrieb ein Redakteur des Berliner Tageblatts im Oktober 1929 seine Hoffnung, dass »die erfreuliche Magistratsspende von Remarques Buch […] an sämtliche Schulen Berlins« an anderen Orten Nachahmung finden werde. W.B.: Moderne Literatur in der Schule. Eine Aufgabe für die Dichterakademie, in: Berliner Tageblatt, Nr. 492 vom 18. 10. 1929 (58. Jg.), S. 5. 1028 Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«, S. 5f. 1029 Else Rosenberg: Das Fronterlebnis in der Dichtung. »Im Westen nichts Neues« (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A300 vom 16. 12. 1928 (226. Jg.).

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durch die Schullektüre »solcher auf krasser Wahrheit basierender Schilderungen ohne jede ausschmückende Kriegsromantik« für den »Friedensgedanken und striktes Ablehnen des Krieges« gewonnen werde.1030 Eichels Ansichten teilend, appellierte Studienassessor Ludwig Collm an die Politik, die Verbreitung von Im Westen nichts Neues in den Schulen durchzusetzen: »Remarques Buch sollte sich in jeder Bibliothek der höheren Klassen finden, […] in einem Erlaß sollte der Minister alle Erzieher auf die Notwendigkeit hinweisen, ja, sie zwingen, dieses Buch zu lesen.« Wenn man der Jugend sodann immer wieder vor Augen führe: »so war es, so gräßlich, so erschütternd, so grausig«, dann werde sie sich, erläuterte Collm, »endlich einmal wie früher für den Krieg, so jetzt für den Frieden begeistern« und erkennen, dass »alle die, die noch von Kampf und Sieg schwärmen, Anekdoten von der Poesie des Feldes erzählen, lügen und die größten Verbrecher [sind]«.1031 Gleicher Meinung war ein Mittelschullehrer aus Thüringen, der im Januar 1929 mit einem Brief an Martin Hobohm auf dessen eingangs zitierte Stellungnahme antwortete. Er und seine Kollegen seien der Meinung, dass der Jugend die »ungeschminkte Wahrheit« gezeigt werden solle, »indem man ihr die Erzählung ›Im Westen nichts Neues‹ in die Hand gibt«. Dann lerne sie den Krieg kennen, wie er war, und würde keine »gefälschte Kriegsromantik in sich aufnehmen«.1032 Erste Erfahrungen im Unterricht schienen die Erwartungen der Pädagogen zu bestätigen. Erich Blauert, Studienrat am Oberlyzeum Brandenburg, berichtete am 31. Mai 1929 in der Vossischen Zeitung, dass seine Schülerinnen ihn gebeten hätten, immer weiter aus Im Westen nichts Neues vorzulesen: »Ich wünschte alle Freunde und erst recht die Feinde des Buches hätten die Augen meiner Mädel dabei gesehen. […] Stets das gleiche Wort: So haben wir vom Krieg noch nichts gehört; so muß es wirklich gewesen sein.«1033 Um die Reaktionen von Rezensenten und Lesern in den liberalen Zeitungen bis hierhin zusammenzufassen, lässt sich folgender Argumentationsgang skizzieren: Als ›wahrer‹ Bericht von der Front zeige Im Westen nichts Neues den Krieg als »völlig sinnloses Gemetzel«1034 und reiße ihm endlich die »Maske des Heroismus« herab.1035 Im Gegensatz zu den vielen Darstellungen eines frisch1030 Grete Eichel: Schullektüre (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A36 vom 10. 2. 1929 (226. Jg.), S. 24. 1031 Ludwig Collm: Die Lesebücher sind schon besser (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A42 vom 17. 2. 1929 (226. Jg.), S. 23. 1032 Martin Hobohm: Remarques Zauberstab (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A12 vom 13. 1. 1929 (226. Jg.). 1033 Erich Blauert: Noch einmal »Märchen um Remarque« (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A129 vom 31. 5. 1929 (226. Jg.). 1034 N.N.: Was war im Krieg? 1035 Or.: Von Barbusse bis Remarque, in: B.Z. am Mittag, Berlin, Nr. 257 vom 20. 9. 1929 (53. Jg.), S. 3.

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fröhlichen Krieges erinnere Remarque an den einzigen Sinn, der aus dem »unsinnigsten aller Leben, das wir 1914–1918 führten«, entstanden sei: den »Gedanken des Pazifismus«.1036 Ferner stelle er der Ideologie des Revanchismus die Idee der Völkerverständigung entgegen. Durch die Lektüre von Im Westen nichts Neues erwache sodann das »Gewissen der Menschheit«1037, welche sich, so die kühnen Erwartungen in der liberalen Presse, für den Frieden einsetzen werde. Dass Remarque nicht eindeutig politisch, sondern lediglich moralisch Stellung nahm, war für die liberalen Rezensenten kein Anlass zu Kritik. Im Gegenteil: Sie lobten gerade die politische Neutralität des Buches.1038 So konstatierte Zobeltitz, dass der Verfasser »in den Aufzeichnungen seines Fronterlebens keineswegs die Absicht hatte, den Friedensgedanken nach der politischen Schablone einseitig nutznießerisch auszubeuten«.1039 Eggebrecht (»Es hat nicht einmal eine Tendenz«)1040 und Unruh (»tendenzlos«)1041 folgten mit ihren Urteilen ebenso der Vorgabe des Ullstein-Konzerns (»Es ist ein Buch ohne Tendenz«, hieß es in der Ankündigung des Vorabdrucks)1042 wie Zuckmayer, der in Remarques Roman weder eine »Anklage« noch ein »Bekenntnis« sah: »Das Buch erfüllt diesen Vorspruch voll und ganz.«1043 Gleicher Meinung war Gaupp. Für ihn war Im Westen nichts Neues »in weit höherem Maße ein Buch der Klage, als der Anklage«.1044 Wie aus den vorangegangenen Ausführungen deutlich geworden ist, waren die ersten Reaktionen auf Im Westen nichts Neues in der liberalen Presse aus1036 Hans J. Salomon: Das Fronterlebnis in der Dichtung. »Im Westen nichts Neues« (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A300 vom 16. 12. 1928 (226. Jg.). 1037 Hobohm: Das Fronterlebnis in der Dichtung. 1038 Die einzige Ausnahme bildete die Frankfurter Zeitung: Da Remarques Buch künstlerisch gestaltet sei, wirke es nicht so schlicht und »so völlig untendenziös wie das von Renn«, hieß es in der Rezension vom 29. Januar 1929. Dies sollte jedoch kein Vorwurf gegenüber Remarque sein, denn schließlich sprach der Kritiker dem Buch an anderer Stelle Objektivität (»Das sind Sätze, die sagen, was war«) und eine große Wirkkraft zu (vgl. N.N.: Was war im Krieg?). Dass der direkte Vergleich mit Renn auch kritische Töne zu Im Westen nichts Neues hervorrief, lässt sich u. a. darauf zurückführen, dass Krieg – ab dem 16. September 1928 – in der Frankfurter Zeitung vorabgedruckt worden war, weshalb sie das Buch quasi als ihre ›Entdeckung‹ betrachtete. Zudem erschien Krieg im SocietätsVerlag, zu dem auch die Frankfurter Zeitung gehörte. Im Vorwort zum Abdruck hatte das Blatt konstatiert: »Hier aber ist vo r jeder Tendenz geschrieben worden, und hier spricht zum ersten Mal […] d er g em e i ne Ma nn .« Zitiert nach Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 187. 1039 Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«, S. 5. 1040 Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 212. 1041 Unruh: »Im Westen nichts Neues«. 1042 J.E.: Nichts Neues im Westen. 1043 Zuckmayer: Erich Maria Remarque, S. 175. 1044 Gaupp: Das Buch der Millionen.

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nahmslos vereinnahmend. Kritische Stimmen gab es kaum, in den UllsteinZeitungen so gut wie gar nicht. Der einzige Ullstein-Kritiker, der hinsichtlich der erwarteten pazifistischen Wirkung des Buches Skepsis an den Tag legte, war Unruh. Trotz seiner begeisterten Stellungnahme zu Remarques Roman fragte er düster : »Wie viele Soldaten werden auch dieses Buch wieder lesen und ihre Gewehre doch nicht zur Seite stellen? Wie viele Generäle und noch höhere Chargen im Volk werden trotzdem ihre Kriegsorden und ›Ehren‹zeichen unbeschämt weiter zur Schau tragen?«

Denn die »sogenannte ›Erschütterung‹« durch die Lektüre kriegskritischer Bücher halte meistens nur bis zum nächsten Tag an. Als einen Grund für seine Bedenken nannte Unruh, dass Remarque kein »Deuter« sei, der Konsequenzen aus dem Kriegserlebnis aufzeige: »Remarque teilt […] nur mit, fertig. Punkt!« Den Leser lasse er »ohne Kommentar«. So blieb Unruh hinsichtlich der aufklärerischen Kraft des Romans nur die Hoffnung: »Wir hoffen, hoffen, daß […] sich jetzt eine allgemeine Atmosphäre für den Frieden vorbereitet […]. Remarque ist ein neuer Pfeiler dieser Hoffnung.«1045 Der kritische Blick der Weltbühne Deutlichere Zweifel an der pazifistischen Wirkung von Im Westen nichts Neues meldeten die Rezensenten der Weltbühne1046 an. Was Unruh noch vorsichtig als Schwächen andeutete, kritisierten sie offen. Überraschend ist dies insofern nicht, als dass sich die Zeitschrift stets durch einen »freiheitlichen Nonkonformismus« und eine Vielfalt an Meinungen ausgezeichnet hatte.1047 Obwohl Die Weltbühne mit den Blättern der bürgerlichen Presse nur wenig gemein hatte, soll ihre Reaktion auf Remarques Buch innerhalb des liberalen Spektrums untersucht werden, da sie als unpolitisches, linksintellektuelles Forum noch am ehesten hierunter zu subsumieren ist. Zudem bezogen sich die WeltbühneKritiker häufig auf Ansichten bürgerlicher Pazifisten, welche vor allem in den Ullstein-Blättern zu Wort gekommen waren. Eggebrechts Rezension von Anfang Februar 1929 sollte jedenfalls die einzige durchweg positive in der Weltbühne bleiben. Während dieser noch erwartet 1045 Unruh: »Im Westen nichts Neues«. 1046 1918 aus der Theaterzeitschrift Die Schaubühne hervorgegangen, entwickelte sich Die Weltbühne zur »publizistischen Stimme der Linken der Weimarer Republik« (Lerg: Die Publizistik der Weimarer Republik, S. 36.) bzw. für alle »unabhängige[n] Geister links von der Mitte« (Pross: Zeitungsreport, S. 74.). Die »Wochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft« (Auflage: 15.000) ordnete sich keiner politischen Richtung unter, sondern vertrat gleichsam linksliberale, marxistische und revolutionär-pazifistische Tendenzen. Chefredakteur war von 1927 bis zu ihrem Verbot 1933 Carl von Ossietzky. Zu den ständigen Mitarbeitern gehörte Kurt Tucholsky. 1047 Pross: Zeitungsreport, S. 74.

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hatte, Im Westen nichts Neues werde »unzählige abgestumpfte und spöttische Herzen packen«1048, schrieb Weltbühne-Herausgeber Carl von Ossietzky1049 nur vier Wochen später, er wolle nicht die Frage aufwerfen, welche Wandlungen »die in den letzten Monaten erschienenen Kriegsromane […] im Bewußtsein ihrer Leser […] erzielt haben und ob ihnen eine Zukunft beschieden ist. Das wäre sehr reizvoll, aber auch sehr schwierig und führte vielleicht zu einigen ketzerischen Folgerungen«.1050 Ähnlich argumentierte Hermann Kesser in der Ausgabe der Wochenzeitschrift vom 21. Mai 1929. Er glaubte, dass die kriegskritischen Romane lediglich eine Gefühlserschütterung bewirkten, aber im Bewusstsein der Leser ohne politische Folgen blieben: »Keine Frage, die Wahrheit über den Krieg, über das Verbrechen der unsinnigen Massenschlächterei hat eine Stoßkraft ins Herz von Hunderttausenden. Aber doch nur ins Herz und nicht immer ins deutsche Gehirn.« Da man durch »unverbindliches Mitleid« keinen Krieg verhindere, forderte Kesser »eine breite zweite Stufe von Kriegsliteratur«, welche die sozioökonomischen Hintergründe des Krieges »erbarmungslos« beleuchte. Von »berechnenden literarischen Schweigern« wie Remarque erwartete er eine solche Leistung offenkundig nicht.1051 Weiter als Kesser war im April 1929 bereits Arnold Zweig gegangen, den sein Roman Der Streit um den Sergeanten Grischa selbst zu einem bekannten Kriegsbuchautor gemacht hatte.1052 Deutliche marxistische Tendenzen zu Tage 1048 Eggebrecht: Paul Bäumer, S. 212. 1049 Durch die Erfahrung des Krieges radikaler Pazifist geworden, arbeitete Carl von Ossietzky 1919 zunächst für die Deutsche Friedensgesellschaft, bevor er seine publizistische Karriere begann. 1927 löste er Kurt Tucholsky als Herausgeber der Weltbühne ab und wurde zugleich deren Chefredakteur. Vom Nazi-Regime inhaftiert, erhielt er 1936 den Friedensnobelpreis. Zwei Jahre später starb er an den Folgen der Haft. Vgl. Norbert Frei: Ossietzky, Carl von, in: Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, S. 244. 1050 Genauso wenig wie er von der pazifistischen Wirkung von Im Westen nichts Neues überzeugt war, folgte Ossietzky im Übrigen den von Ullstein geförderten biografischen Legenden um den Bestsellerautor : »Erich Maria Remarque hat schon früher geschrieben und veröffentlicht. […] Er ist werktätiger Großstädter, kennt die Literatur, die Zeitungen.« Vgl. Carl von Ossietzky : Ludwig Renn, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 10 vom 5. 3. 1929 (25. Jg.), S. 381–383. 1051 Hermann Kesser : Die deutsche Literatur zeigt ihr Gesicht, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 21 vom 21. 5. 1929 (25. Jg.), S. 789–791. 1052 Im Krieg machte Arnold Zweig die Kämpfe vor Verdun mit, die ihn vom begeisterten Patrioten zum Pazifisten werden ließen. Nachdem er eine Nervenkrise überwunden hatte, arbeitete er als Journalist und Schriftsteller. Seinen größten Erfolg hatte er 1927 mit dem kriegskritischen Buch Der Streit um den Sergeanten Grischa, das in alle wichtigen europäischen Sprachen übersetzt wurde und eine sechsstellige Auflagenzahl erreichte. Als linksorientierter jüdischer Schriftsteller musste Zweig 1933 emigrieren. Er lebte anderthalb Jahrzehnte in Palästina und kehrte 1948 in den Ostteil Berlins zurück. In der DDR wurde er als Nationalpreisträger, Präsident der Akademie der Künste, Professor und Ehrendoktor hoch geehrt. Sein Sergeant Grischa gehörte zum Lektürekanon der

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legend, argumentierte Zweig, Literatur müsse enthüllen, dass hinter den Scheußlichkeiten des Krieges »der Profit der Großgrundbesitzer, des Industriekapitals [und] der Banken steht«. Da er darüber hinaus die These vertrat, »daß Kriege in einer hochkapitalisierten Welt keine Aussicht haben, sich nach irgend einer Seite bezahlt zu machen«, hätten zukünftige Verfasser die Aufgabe, den Krieg als eine »vollkommen erledigte und sinnlos gewordene Lebensform« darzustellen: »Daher sind nur diejenigen Bücher einer wirklichen Bekämpfung des Krieges verdächtig, die völlig klar machen, wie sinnlos, von ganz oben gesehen, diese Ermordung von zehn Millionen Europäern selbst für diejenigen kriegstreiberischen Schichten ist, die sich im Augenblick noch als Besitzer von Sachwerten, Devisen und politischen Machtpositionen für reich halten«.1053

Im Gegensatz zu den Rezensenten der bürgerlichen Zeitungen identifizierten die Weltbühne-Kritiker demnach gerade die Neutralität von Im Westen nichts Neues als Schwäche. So konstatierte A. Habaru, dass »der völlige Mangel an politischer Tendenz« jeden das Buch auslegen lasse, wie es ihm gefalle – auch »zugunsten des Krieges«.1054 Die Remarque-Rezeption in der Weltbühne ähnelte somit jener in der kommunistischen Presse, was sich auch dadurch erklären lässt, dass Die Weltbühne Ende der 1920er Jahre Sprachrohr der Gruppe sogenannter »Revolutionärer Pazifisten« um Kurt Hiller war. Ihre Mitglieder näherten sich zunehmend marxistischen Positionen an.1055 Ferner veranschaulicht die Disparität innerhalb der liberalen Rezeption von Im Westen nichts Neues die Spaltung der deutschen Friedensbewegung: Die Revolutionären Pazifisten der intellektuellen Weltbühne und die bürgerlichen Antimilitaristen, deren Forum die Ullstein-Zeitungen waren, fanden in der Frage, wie man die Friedensbereitschaft der Massen fördern solle, einfach keinen gemeinsamen Nenner. Einen weiteren Aspekt, warum Im Westen nichts Neues vermeintlich keine pazifistische Einstellung bei den Lesern auslöse, sprach im April 1929 Peter Suhrkamp1056 an – nicht in der Weltbühne, sondern überraschenderweise im

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ostdeutschen Oberschulen. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 704, sowie Hermand: Arnold Zweig, S. 201–203. Arnold Zweig: Kriegsromane, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 16 vom 16. 4. 1929 (25. Jg.), Nr. 16, S. 597–599. A. Habaru: Kriegsbücher in Frankreich, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 40 vom 1. 10. 1929 (25. Jg.), S. 530–531. Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 83–85. Johann Heinrich Suhrkamp (genannt Peter) meldete sich 1914 freiwillig zum Militär, wurde Führer einer Sturmkompanie und brach gegen Ende des Krieges unter dem Eindruck von dessen Sinnlosigkeit psychisch zusammen. Zunächst als Lehrer, Dramaturg und Journalist arbeitend, trat Suhrkamp 1933 in den Fischer-Verlag ein, den er während des ›Dritten Reiches‹ treuhänderisch führte. Nach seiner Verhaftung 1944 überlebte er

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Berliner Tageblatt, in dem kurz zuvor noch Werbung für den Roman abgedruckt worden war.1057 In seiner äußerst kritischen Rezension, der ersten Stellungnahme der Zeitung zu Im Westen nichts Neues überhaupt, verurteilte Suhrkamp Anflüge von Romantik, Abenteuer und Vagabondage, die »trotz Klage und stellenweiser Anklage, trotz der unerbittlichen, knappen Härte in der Darstellung, den Klang von Remarques Buch« bestimmen würden. Daher war Im Westen nichts Neues seiner Meinung nach weder pazifistisch noch das Denkmal des ›Unbekannten Soldaten‹, sondern ein »gefährliches, verführerisches Buch«.1058 Auf diesem Argumentationsgang aufbauend, ging Karl Hugo Sclutius ganz im Stile eines Revolutionären Pazifisten so weit, das pazifistisch intendierte, aber aus seiner Sicht wirkungslose Buch als militaristischen Abenteuerroman zu entlarven. Es erfülle den Leser »mit nichts als Heiterkeit«, schrieb Sclutius in der Weltbühne – wobei seine Polemik den vielsagenden Titel »Pazifistische Kriegspropaganda« trug. Zwar konzedierte er, Im Westen nichts Neues sei ein »gutes« und »erschütterndes« Buch, aber er maß der kameradschaftlichen Romantik und den geschilderten ›Abenteuern‹ eine größere Anziehungskraft bei als der Abschreckung durch das Kriegsgrauen: »Nehmt […] das pantagruelische Fressen in dem verlassenen Proviantamt, den warmherzigen Alleskönner Katczinsky, das Bad nach den Wochen des Ungewaschenseins und nun gar die französischen Weiber dort, jenseits des Kanals, den die Wundergruppe mit dem Kommißbrot in hochgehaltener Hand nachts durchschwimmt – nichts als erfüllte Wunschträume. Kriegspropaganda. Kriegspropaganda.«1059

So preise Remarque den Krieg als »feinen Sport« an, und seine »braven Soldaten« würden denn auch mit freudiger Pflicht daran teilnehmen, fand Sclutius: »Vier Jahre Müßiggang, gepfeffert […] mit Zynismus, Verwilderung, Huren, Plünderung, Schlemmerei, Hunger und Durst, mit Schmutz und Schwelgen, mit Gefahr und Erschöpfung, mit dem Reiz des Todes und des Tötens.« Deshalb war Im Westen nichts Neues in den Augen des Kritikers alles Mögliche, »aber nur kein Anti-Kriegsbuch, wie es aus den tausend Schlünden pazifistischer Propaganda herausbrüllt«, schrieb er in Richtung des Ullstein-Verlags. Noch einmal auf den Irrglauben der bürgerlichen Pazifisten hinweisend, dass die bloße Wiedergabe der Kriegsgräuel ausreiche, um die Friedensbereitschaft zu stärken, fragte er : »Wälzt Euch in Blut, Eiter, Knochensplittern und frischen Gräbern. Ihr meint, Folter und Krankheit und machte sich 1950 mit dem Suhrkamp Verlag selbstständig. Vgl. DBE, Bd. 9, S. 629. 1057 Vgl. hierzu S. 217 dieser Arbeit. 1058 Peter Suhrkamp: Der unbekannte Soldat. Ein Kriegsbuch, das noch nicht geschrieben ist, in: Berliner Tageblatt, Nr. 184 vom 19. 4. 1929 (58. Jg.), S. 5. 1059 Karl Hugo Sclutius: Pazifistische Kriegspropaganda, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 14 vom 2. 4. 1929 (25. Jg.), S. 520.

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Ihr […] könntet künftig Generationen vom Krieg abhalten?« Sclutius glaubte sogar an die gegenteilige Wirkung. Indem man – wie die Pazifisten – die Schrecken des Schützengrabens sprechen lasse, wecke man in der Jugend erst die latente Lust am Krieg: »Was war mit Lederstrumpf ? Was mit Winnetou und Old Shatterhand? Was mit Robinson? Gefahr schreckt nicht, Gefahr reizt.« Diese Erkenntnis führte den Autor der Weltbühne zu einem niederschmetternden Urteil über Im Westen nichts Neues: »Wollt Ihr wieder eineinhalb Millionen Kriegsfreiwillige? Reiht den Remarque den Schulbibliotheken ein, und Ihr werdet sie haben.«1060 Sclutius’ kompromisslose Aburteilung von Remarques Roman rief dem Rezensent zufolge zwar jede Menge »Verachtung« der Leser gegen ihn hervor1061 – von anderen Weltbühne-Kritikern aber erntete Sclutius viel Anerkennung. So konstatierte Charles Movie in der darauffolgenden Ausgabe der Zeitschrift, Sclutius sei wirksam dem verbreiteten Irrtum entgegengetreten, »daß ein Buch, in dem der Krieg schonungslos geschildert wird, schon ein Anti-Kriegsbuch sei«. Damit der Leser – »dies halbzahme«, nach Blut lechzende »Wesen« – den Krieg nicht als »Versuchung« sehe, forderte Movie für die Aufbereitung des Kriegsthemas den »pazifistisch propagierenden Künstler […] und keinen Reporter«.1062 Auch Zweig zollte Sclutius in seiner zuvor erwähnten Rezension Beifall. Er begrüßte, dass dieser auf die »frisch-fröhliche Konjunktur« hinweise, die den Krieg »als unbürgerliche Lebensform, als Gelegenheit zum großen Abenteuer« verkläre.1063 Einzig Kurt Tucholsky1064, der ebenfalls der Gruppe Revolutionärer Pazifisten angehörte, verteidigte Remarque.1065 Zwar fand er Sclutius’ Bemerkungen 1060 Sclutius: Pazifistische Kriegspropaganda. Einige Wochen später lieferte Sclutius im Übrigen ›Beweise‹ für seine These. Nachdem sein Artikel große Resonanz hervorgerufen hatte – die Redaktion habe ihm »ein Fünfpfundpaket« an Zuschriften geschickt – äußerte sich Sclutius nochmals zum Thema »Pazifistische Kriegspropaganda«. So habe inzwischen ein Herr Studienrat Wildangel erläutert, »wie es ist, wenn er beim Unterricht Frontepisoden erzählt: ›Die Augen glänzen, die Knabenkörper hocken in den Bänken wie die zum Absprung bereiten Raubtiere‹«. Ähnliches berichtete Sclutius zufolge eine Leserin über ihren dreizehnjährigen Sohn. Nach seiner Meinung zu Im Westen nichts Neues befragt, habe dieser ihr geantwortet: »So etwas will man doch erleben. Und je schlimmer und gefährlicher es ist, desto interessanter ist es auch.« Vgl. Karl Hugo Sclutius: Nochmals: Pazifistische Kriegspropaganda, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 22 vom 28. 5. 1929 (25. Jg.), S. 826f. 1061 Ebd., S. 826. 1062 Charles Movie: Der Dichter und der Führer, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 15 vom 9. 4. 1929 (25. Jg.), S. 576. 1063 Zweig: Kriegsromane, S. 597. 1064 Neben seiner langjährigen Tätigkeit für Die Weltbühne arbeitete Kurt Tucholsky u. a. für Mosse und Ullstein. Von 1918 bis 1920 war er Chefredakteur der Witzbeilage des Berliner Tageblatts, dem Ulk. 1924 ging er für die Vossische Zeitung als Korrespondent nach Paris. Nach Ausbürgerung und Verbrennung seiner Bücher nahm er sich 1935 im schwedischen

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»höchst beachtenswert« – beispielsweise sei »die aktive pazifistische Wirkung des Buches […] sehr fraglich« –, aber er kritisierte nicht die neutrale Haltung Remarques: »Man darf den Kampf nicht verschieben und sich die bürgerliche Person des Autors vornehmen, dessen Haltung nach einem in der Geschichte des deutschen Buchhandels beispiellosen Erfolg mustergültig ist. Der Mann erzählt uns keine dicken Töne, er hält sich zurück; er spielt nicht den Ehrenvorsitzenden und nicht den Edelsten der Nation – er läßt sich nicht mehr fotografieren als nötig ist, und man könnte manchem engeren Berufsgenossen soviel Takt und Reserve wünschen, wie jener Remarque sie zeigt.«1066

Tucholskys offene Sympathien gegenüber der Person Remarques sind insofern erstaunlich, als dass dessen Buch in der Weltbühne doch gerade als »hervorragender Reißer« und »glänzende Kriegspropaganda« demontiert worden war.1067 Insbesondere nahm der »Starjournalist«1068, der abwechselnd unter den Pseudonymen »Ignaz Wrobel«, »Kaspar Hauser«, »Peter Panter« und »Theobald Tiger« schrieb, Remarque gegenüber Mynonas beißender Satire Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt? in Schutz.1069 So sei es eine »Unanständigkeit, einem Schriftsteller, der sich sein Leben mit der Schreibmaschine verdient, vorzuwerfen, er habe einmal Reklameverse für die Pneumatikfirma Continental gemacht«. Die Schrift Mynonas, »dieser wild gewordene Philosoph«, bezeichnete

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Exil das Leben. Vgl. Mendelssohn: Zeitungsstadt Berlin, S. 330; Norbert Frei: Tucholsky, Kurt, in: Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, S. 348; Hans Prescher : Kurt Tucholsky (1890–1935), in: Heinz-Dietrich Fischer (Hg.): Deutsche Publizisten des 15. bis 20. Jahrhunderts, München-Pullach 1971, S. 379–387. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 89. Ignaz Wrobel (d.i. Kurt Tucholsky): Hat Mynona wirklich gelebt?, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 1 vom 31. 12. 1929 (26. Jg.), S. 283. Vgl. eine ähnliche Verteidigungsschrift Tucholskys: Kaspar Hauser (d.i. Kurt Tucholsky): Endlich die Wahrheit über Remarque!, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 24 vom 11. 6. 1929 (25. Jg.), S. 902–904. Sclutius: Pazifistische Kriegspropaganda, S. 520. Pross: Zeitungsreport, S. 58. Tucholsky nahm Bezug auf Salomo Friedlaender, der sich im Herbst 1929 unter dem Pseudonym »Mynona« (von »anonym«) mit der polemischen Schrift Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt? gegen den Verfasser von Im Westen nichts Neues gewendet hatte (vgl. Mynona (d.i. Salomo Friedlaender): Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt? Der Mann. Das Werk. Der Genius. 1000 Worte Remarque, Berlin 1929). Auf 260 Seiten trug Friedlaender, ein Linksliberaler, der die Neutralität des Romans kritisierte, »all das zusammen, was über die Person und das bisherige Schaffen Remarques auffindbar war, und leistete damit der deutschen Reaktion, die diese ›Enthüllungen‹ willig aufnahm, wichtige Handlangerdienste«, beschreibt Brautzsch die Wirkung von Mynonas Gegenschrift (vgl. Brautzsch: Untersuchungen über die Publikumswirksamkeit, S. 145, sowie ausführlich bei Hartung: Gegenschriften, S. 134–150). Zur Verteidigung Mynonas muss allerdings gesagt werden, dass viele Details aus Remarques Vergangenheit bereits vor dem Erscheinen von dessen Anti-Remarque ausgegraben worden waren. Nichtsdestotrotz intensivierte seine Schrift die nationalistische Diffamierungskampagne gegen den Verfasser von Im Westen nichts Neues. Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 88.

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der Weltbühne-Autor denn auch als »eine aufgeschwollene Literaturpolemik aus dem Jahre 1905«, die der Verfasser in »einem Anfall von Neid und Niederträchtigkeit« geschrieben habe.1070 Trotz der Verteidigung Remarques durch Tucholsky sowie der ersten begeisterten Rezension Eggebrechts stieß Im Westen nichts Neues in der Weltbühne insgesamt auf Ablehnung. Die sich in der Mehrheit befindenden Revolutionären Pazifisten waren sich einig, dass das Buch ihre normativen Ansprüche an den Problemlösungsgehalt von Kriegsliteratur nicht erfüllte.1071 Wenn auch die Zweifel an der pazifistischen Wirkkraft des Buches stellenweise übertrieben polemisch formuliert waren, hatten sie doch ihre Berechtigung. Denn dass Remarques Roman kein Allheilmittel für die Bekämpfung von Revanchismus und Militarismus war, zeichnete sich im Laufe des Jahres 1929 ab. Die Welle nationalistischer Kriegsliteratur, die nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues über die Republik rollte, war ebenso ein Indiz hierfür wie die weitere Polarisierung der Gesellschaft im Zuge der Weltwirtschaftskrise.1072 Es erstarkten und sammelten sich jene rechten Kreise, die Erich Maria Remarques Buch erbittert bekämpften.1073 Das Ende der Euphorie um Im Westen nichts Neues Die bürgerlich-liberale Presse wollte diese sich früh abzeichnenden Tendenzen nur ungern wahrhaben. Sieht man einmal von der vorsichtigen Skepsis Unruhs und der offenen Ablehnung Suhrkamps ab, verlauteten 1929 in den großen demokratischen Blättern keine weiteren in irgendeiner Form kritischen Töne gegenüber Remarques Buch. Erst 1930 äußerten liberale Zeitungen zunehmend Bedenken an der pazifistischen Wirkung des Romans – zunächst jedoch nur im Zusammenhang mit der »Kriegsbücherhausse«.1074 Ohne Remarque für diese 1070 1071 1072 1073 1074

Wrobel: Hat Mynona wirklich gelebt?, S. 283–286. Vgl. hierzu auch Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 71–75. Vgl. ausführlich Kap. 8.1.4. Vgl. insbesondere die Kap. 7.2.2.6 und 7.2.2.7. N.N.: Diskussion um den Kriegsroman, in: Berliner Tageblatt, Nr. 184 vom 19. 4. 1929 (58. Jg.), S. 5. Die gewaltige Flut von Romanen jeglicher Couleur, die auf Im Westen nichts Neues folgte, illustriert ein Artikel im Berliner Tageblatt, der bereits im Oktober 1929 erschien. Darin rezensierte Fred Hildenbrandt einige der jüngst erschienenen Kriegsbücher. Hildenbrandt, der konstatierte, dass die Verleger nach dem Sensationserfolg von Im Westen nichts Neues »unverzüglich […] beide Arme« für weitere Kriegsautoren geöffnet hätten, nannte u. a.: Paul Alverdes: Die Pfeiferstube (Verlag Rütten und Loening); Georg von der Vring: Camp Lafayette (Carl Schünemann Verlag); Karl Wilke: Prisonnier Halm (Verlag Koehler und Amelang); Karl Federn: Hauptmann Latour (Adolf Sponholz Verlag); Wilhelm Michael: Infanterist Perhobstler (Rembrandt-Verlag); Gerhart Siegert: Kriegstagebuch eines Richtkanoniers (Verlag K.F. Koehler); A.M. Frey : Die Pflasterkästen (Gustav Kiepenheuer Verlag); Richard Hoffmann: Frontsoldaten (Fackelreiterverlag); Graf Alexander Stenbock-Fermor : Freiwilliger Stenbock (J. Engelhorns Verlag); Kurt

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Entwicklung verantwortlich zu machen, schrieb der DDP-Abgeordnete Ernst Lemmer1075 am 26. Juni 1930 im Berliner Tageblatt: »Nun ist es genug. Kriegsliteratur überschwemmt geradezu den Büchermarkt.« Nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues, das er zur »wirklich guten Kriegsliteratur« zählte, sei »das Schreiben von Kriegsbüchern ein Geschäft geworden«, konstatierte Lemmer. Die »unwahrhaftigen« und »schmierigen Heldenstücke«, die dabei entstanden seien, zerstörten nun die Wirkung der nützlichen Bücher.1076 Mit ähnlichen Argumenten hatte bereits zwei Monate zuvor Bernard von Brentano1077 in der Frankfurter Zeitung die Wirkkraft von Im Westen nichts Neues und anderen kriegskritischen Werken bezweifelt. Jedoch sorgte ihn nicht primär, sie könnten in der allgemeinen Kriegsbüchermode untergehen, sondern dass sie die Kriegsthematik überhaupt wieder salonfähig gemacht und damit der militaristischen Literatur der sogenannten »Neuen Nationalisten« den Weg gebahnt hätten: »Ich glaube, daß die Kriegsromane, welche bei uns eine so gewaltige Wirkung gehabt haben, zwar gut, und das ist kriegsfeindlich, gemeint waren, ihre Wirkung aber eine gegenteilige gewesen ist.« Denn, so Brentano, sie seien in einer Phase gekommen, in der Deutschland wieder »kräftig zu neuen Taten« sei, sprich: »die Eroberung des Platzes an der Sonne der alten Völker und vieler neuer dazu«. Damit hätten die Kriegsbücher den Neuen Nationalisten – »Soldaten schlechthin« – in die Hände gespielt. Diese propagierten nun mit aller literarischen Kraft den Krieg als »Vater aller Dinge«.1078 Wie Lemmer kritisierte auch Brentano nicht Remarques Buch als solches, sondern lediglich Entwicklungen, die es nach sich zog. Es dauerte bis zum 6. Dezember 1930, dass mit Siegfried Kracauer1079 erstmals ein Kritiker einer

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Gerlach: Zwischen den Fronten (Hellenhausverlag); Ernst Johannsen: Vier von der Infanterie (Fackelreiterverlag). Vgl. Fred Hildenbrandt: Bücher vom Kriege. Eine Übersicht, in: Berliner Tageblatt, Nr. 504 vom 25. 10. 1929 (58. Jg.), S. 5. Ernst Lemmer, im Krieg Freiwilliger, gehörte seit 1924 dem Vorstand der DDP an und saß als deren Abgeordneter im Reichstag. Ferner beteiligte er sich an der Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, dessen stellvertretender Vorsitzender er zeitweilig war. Vgl. DBE, Bd. 6, S. 316. Ernst Lemmer : Schluss mit den Kriegsbüchern!, in: Berliner Tageblatt, Nr. 298 vom 27. 6. 1930 (59. Jg.), S. 5. Bernard von Brentano blieb die Teilnahme am Ersten Weltkrieg erspart. Nach seiner langjährigen Tätigkeit als Literaturkritiker der Frankfurter Zeitung und des Berliner Tageblatts bereiste der Bruder des späteren BRD-Außenministers Heinrich von Brentano 1930 bis 1932 die Sowjetunion. Durch die Erfahrungen mit dem Stalinismus ernüchtert, kehrte er nach Deutschland zurück, bevor er 1933 in die Schweiz emigrierte. Vgl. DBE, Bd. 2, S. 115. Bernard von Brentano: Die fascistische Mobilmachung, in: Frankfurter Zeitung, 25. 4. 1930 (74. Jg.), S. 1. Seine Kriegserfahrungen (Einberufung 1917) verarbeitete Siegfried Kracauer im 1928 veröffentlichten Roman Ginster. Seit 1921 arbeitete er für die Frankfurter Zeitung. Bereits in der Weimarer Republik galt er als einer der namhaftesten Filmkritiker. Im Zuge seiner

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liberalen Zeitung in aller Deutlichkeit Schwächen von Im Westen nichts Neues ansprach, wie sie bisher nur in der kommunistischen und von Teilen der sozialdemokratischen Presse sowie in der Weltbühne genannt worden waren. Anlässlich des Streits um die Verfilmung von Remarques Roman erläuterte er, warum »die Kriegslüsternen unter den Jungen« seiner Meinung nach durch Im Westen nichts Neues »nicht davon zurückgehalten werden, neue Heldentaten zu begehen«. Anstatt nämlich die Frage nach der Herkunft des Krieges zu stellen »oder ihm mit politischen und sozialen Argumenten auf den Leib zu rücken«, blieben, so Kracauer, »Film und Buch in kleinbürgerlichen Ausbrüchen des Mißbehagens stecken«. Remarque verliere sich in »unverbindlichen Floskeln wider die Tatsache des Krieges« und steigere diesen durch die sonstige Stummheit seiner Protagonisten »zum mythischen Schicksal empor«, das er nicht sei.1080 Diese kritischen Stimmen aus dem Jahr 1930 illustrieren eine Wandlung in der liberalen Rezeption von Im Westen nichts Neues. Während anfangs nahezu alle Blätter euphorisch auf das Erscheinen von Remarques Buch reagierten, häuften sich danach enttäuschte und desillusionierte oder – wie im Fall der Weltbühne – gar ablehnende Reaktionen: So folgten in der Wochenzeitschrift auf die begeisterte Rezension Eggebrechts kritische Stellungnahmen von Ossietzky, Sclutius, Zweig, Movie und Kesser. Das heißt die Linie der Revolutionären Pazifisten setzte sich dort klar durch. Völlig konträr stehen auch in der Frankfurter Zeitung die erste, äußerst zustimmende Besprechung vom Januar 1929 und der fast zwei Jahre später verfasste Artikel Kracauers zueinander. In den Zeitungen des liberalen Mosse-Verlags hingegen ist kein derart klarer Verlauf erkennbar. Kurz nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues zeigte sich Ernst Toller im 8-Uhr-Abendblatt begeistert von Remarques Buch, während Peter Suhrkamp es im Berliner Tageblatt als »gefährlich« ablehnte. Neben einigen weiteren unterschwellig kritischen Stellungnahmen waren die Reaktionen im Berliner Tageblatt aber überwiegend von Zustimmung geprägt. Auch gegen Angriffe der nationalistischen Presse wurde Remarque dort verteidigt. Generell hatten sich die Mosse-Zeitungen jedoch von vornherein mit Jubelstürmen zurückgehalten. Ein Grund mag darin gelegen haben, dass der Verlag den Verkaufserfolg des direkten Konkurrenten Ullstein nicht noch weiter fördern wollte, obwohl Im Westen nichts Neues als kriegskritisches Buch doch dem eigenen liberal-demokratischen Verständnis entsprach. Marx-Lektüre nahmen Kracauers Artikel verschärft ideologiekritischen und politischen Charakter an, was 1930 zu seiner Versetzung nach Berlin, zu Gehaltskürzungen und nach der Machtübernahme der Nazis zu seiner Entlassung bei der Frankfurter Zeitung führte. Über Paris, Marseille und Lissabon gelang Kracauer 1941 die Flucht nach New York, wo er bis zu seinem Tod 1966 lebte. Vgl. DBE, Bd. 6, S. 59. 1080 Siegfried Kracauer : Im Westen nichts Neues, in: Frankfurter Zeitung, 6. 12. 1930 (75. Jg.).

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Nimmt man die verlagseigenen Zeitungen als Indikator, fand auch im Ullstein-Konzern ein Stimmungsumschwung statt. Die anfangs an den Tag gelegte hoffnungsfrohe Begeisterung vieler Redakteure wich zunehmender Ernüchterung, da immer seltener Artikel über Remarques Buch erschienen – und wenn, dann vor allem in Reaktion auf die heftigen Angriffe der nationalistischen Presse. Aus dieser defensiven Haltung heraus priesen die liberalen Rezensenten nicht mehr den Roman selbst an, sondern sie versuchten, einzelne Vorwürfe gegen das Buch argumentativ zu widerlegen. Zudem verteidigten sie die Person Remarques mit aller Vehemenz, als der Schriftsteller von der Rechtspresse desavouiert wurde. Eine dieser Auseinandersetzungen führte Monty Jacobs1081, Feuilleton-Chef der Vossischen Zeitung, die quasi Remarques Hauszeitung war1082, im Mai 1929 mit einem gewissen Professor Pflug. Der Oberstudiendirektor eines Berliner Gymnasiums hatte Im Westen nichts Neues in der national gesinnten Berliner Börsen-Zeitung als »Dolchstoß« beschimpft, mit dem »die Seele unserer Jugend vergifte[t]« werden solle.1083 Jacobs griff die Rezension Pflugs auf und nannte ihn wenige Tage später in der Vossischen Zeitung einen »Gesinnungsgenossen« von Remarques Unteroffizier Himmelstoß und einen »Wortführer der kasernenhö-

1081 Monty Jacobs, seit 1921 Feuilleton-Chef der Vossischen Zeitung, hatte sich stark für die Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues eingesetzt. 1933 wurde er seiner Position enthoben und 1934 vom ›gleichgeschalteten‹ Ullstein-Verlag entlassen. 1937 mit Schreibverbot belegt, emigrierte Jacobs 1938 nach London. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 276. 1082 Die Vossische Zeitung veröffentlichte neben Im Westen nichts Neues auch Remarques Folgeroman Der Weg zurück. Das Buch, das sich mit der Situation der Frontgeneration in der Nachkriegszeit befasste, wurde ab dem 7. Dezember 1930 vorabgedruckt (vgl. Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A292 vom 7. 12. 1930 (227. Jg.), Unterhaltungsblatt). Zudem warb die Zeitung für die Filmpremiere von Im Westen nichts Neues – und verteidigte den Film, wie sie auch sonst Remarque und dessen Werke immer in Schutz nahm, anschließend mit Nachdruck (vgl. Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A289 vom 4. 12. 1930 (227. Jg.), Nr. 289, S. 8). Denn als ›Entdeckerin‹ von Remarque betrachtete die Vossische Zeitung den Schriftsteller auch als eine Art Aushängeschild. In einer Anzeige für das Ullstein-Blatt vom September 1929 hieß es: »So erschien hier zuerst das Werk des damals noch unbekannten Erich Maria Remarque ›Im Westen nichts Neues‹. Inzwischen ist es mit über 770.000 in Deutschland verkauften Exemplaren – die Übersetzungen in etwa 20 fremde Sprachen nicht gerechnet – das bisher erfolgreichste deutsche Buch geworden« (vgl. B.Z. am Mittag, Berlin, Nr. 260 vom 23. 9. 1929 (53. Jg.), S. 8). Nicht zuletzt tauchte der Schriftsteller auch als Autor in der Vossischen Zeitung auf. So rezensierte Remarque am 13. Oktober 1929 Hans Sochaczewers neuen Roman Menschen nach dem Kriege. Vgl. Erich Maria Remarque: Menschen nach dem Kriege. Hans Sochaczewers neuer Roman, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A245 vom 13. 10. 1929 (226. Jg.), S. 5. 1083 Pflugs Stellungnahme wird im folgenden Kapitel eingehender betrachtet. Vgl. Professor Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 223 vom 16. 5. 1929 (74. Jg.), S. 2.

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fischen Herzensbildung«.1084 Auf die Antwort Pflugs, dass Jacobs’ Artikel ein »Beweis für die Existenz […] vergiftender Waffen« sei und er eine Entschuldigung wünsche1085, entgegnete dieser : »Ich lasse mich gern von Leuten schelten, denen Remarque ein Dorn im Auge ist.« Im Übrigen verscherze Pflug sich das Recht, ernst genommen zu werden, wenn er einen Dichter der »Leichenschändung« bezichtige, dessen Werk »vielen Tausenden deutscher Frontsoldaten als das stärkste Soldatenbekenntnis heilig geworden ist«.1086 Eine vergleichbare Identifikation mit Remarques Roman spiegeln zwei Stellungnahmen in der Vossischen Zeitung vom August 1929 wider, welche die Entscheidung des österreichischen Bundesheers kommentieren, Im Westen nichts Neues die Aufnahme in die Soldatenbibliotheken zu verweigern. Die Redaktion der Vossischen Zeitung sah darin eine Maßnahme, die kennzeichnend sei »für den Geist, der in Österreich in dieser Zeit des Heimwehr-Regiments sich auszubreiten droht«.1087 Zum selben Vorgang äußerte sich drei Tage später – ebenfalls in der Vossischen Zeitung – der ehemalige Hauptmann Sven von Müller. Mit deutlichem Sarkasmus schrieb er : »So sorgt eine weltanschauliche Generalität dafür, daß die frische Fröhlichkeit des Krieges für die hierzu bestimmte Berufsgruppe amtlich gewahrt bleibt.« Sein Unmut richtete sich zudem gegen die Hugenberg-Presse, die gefordert hatte, dass das Verbot in Deutschland Nachahmung finde.1088 Ähnlich fiel die Reaktion Müllers aus, nachdem sich der Deutsche Offizierbund mit einem Protestschreiben an das Komitee zur Vergabe des Friedensnobelpreises gerichtet hatte. Darin hieß es: »[Da der] Herr Remarque für sein Machwerk ›Im Westen nichts Neues‹ vorgeschlagen sein soll [was im Jahr 1929 nicht der Fall war ; der Verf.], hat die Bundesleitung des Deutschen Offizierbundes […] gegen eine derartige, nur als eine Beleidigung der alten Wehrmacht aufzufassende Anregung entrüsteten Protest erhoben.«

Denn durch die »maßlos verzerrte und tendenziöse Darstellung« Remarques werde »das heldenhafte Ringen aller deutschen Stämme in den vier Weltkriegsjahren« herabgewürdigt. Müller, der sich zudem darüber mokierte, dass 1084 Monty Jacobs: Märchen um Remarque, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A124 vom 25. 5. 1929 (226. Jg.), S. 1. 1085 Pflug: Noch einmal »Märchen um Remarque« (Leserbrief), in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A129 vom 31. 5. 1929 (226. Jg.). 1086 Monty Jacobs: Noch einmal »Märchen um Remarque«, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A129 vom 31. 5. 1929 (226. Jg.). 1087 N.N.: Das österreichische Heer ohne Remarque, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A198 vom 20. 8. 1929 (226. Jg.). 1088 Sven von Müller: Der entzauberte Krieg, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A201 vom 23. 8. 1929 (226. Jg.), S. 11. Müller bezog sich auf eine Stellungnahme des Tags, der die Entscheidung des österreichischen Heeresministeriums »aufs lebhafteste« begrüßt hatte. Vgl. sy.: Österreichs Heeresminister gegen Pazifistenpropaganda, in: Der Tag, Berlin, Nr. 198 vom 20. 8.1929 (29. Jg.), S. 2. Eine nähere Betrachtung des Tag-Artikels folgt in Kap. 7.2.2.6.

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Hugenbergs Telegraphen-Union – »der politische Ratgeber des Deutschen Offizierbundes« – das Schreiben verbreitet hatte, entgegnete am 15. September 1929 in der Vossischen Zeitung: »Haben denn die Herren das Buch überhaupt gelesen? Oder meiden sie bewußt eine Lektüre, die ihnen endlich die Augen öffnen müßte? Die Sachverständigen des Krieges als Berater des Friedens!«1089 Deutlich spricht aus diesen Rezensionen, dass sich ihre Verfasser selbst angegriffen fühlten. Bei der Verteidigung Remarques versuchten die Rezensenten dann zu beweisen, dass das Buch weder die deutschen Frontsoldaten verhöhne noch dem Ansehen Deutschlands im Ausland schade. Den letzteren Vorwurf nationalistischer Kreise sah ein namentlich nicht genannter Redakteur der Vossischen Zeitung schon dadurch widerlegt, dass ein vermeintliches »Buch des Abscheus« niemals einen derart großen Zuspruch in aller Welt erfahren hätte: »Das Ausland findet, wie sie meinen, das Bild unausstehlich, das Remarque von der deutschen Armee entwirft? Seltsam, daß der Roman dann in 28 Sprachen der Erde übersetzt werden musste«, argumentierte der Journalist am 4. Dezember 1930. Und weiter hieß es: »Hat jemals ein Pamphlet die Herzen der Fremden gewonnen? Bedeutet es nicht den Gipfel des Hochmuts, zu glauben, daß sich Millionen, unter allen Gestirnen des Himmels, für die Schandschrift eines Deutschen gegen seine Landsleute begeistern könnten?«1090 Dass Remarque nicht die Verunglimpfung des deutschen Heers im Sinn gehabt habe, unterstrich auch Fedor von Zobeltitz. So sei der Großteil der von Remarque geschilderten Offiziere doch in Ordnung, konstatierte er in der B.Z. am Mittag: »Ein einziger Unteroffizier ist ein Schinderknecht, die anständigen Vorgesetzten sind in der Überzahl, unter den Offizieren trifft Remarque nur einen, der ihn wegen schlechten Grüßens anschnauzt, aber der ist nicht an der Front.«1091 Die Vossische Zeitung fragte all jene, die glaubten, Remarque habe das Andenken der deutschen Soldaten beschmutzt, was »den jungen, an Leib und Seele vom Kriegserlebnis verletzten Heimkehrer« veranlasst haben solle, Zeugnis gegen sich und seine Schicksalsgenossen abzulegen: »Denn Kameradschaf t, das ist ja gerade der Geist, der diese ins Trichterfeld […] verschlagene Jugend in Remarques Buch aufrecht erhält.«1092 Während die nationalistische Presse die Kameradschaft in Im Westen nichts Neues negierte, wiesen die liberalen Rezensenten – in der Mehrheit selbst Kriegsteilnehmer – darauf hin, dass Remarque doch gerade deren »Verkünder« sei: »Diesem Geist der Kriegskameradschaft […] hat Remarque das schönste Denkmal gesetzt«, argumentierte 1089 Sven von Müller : Krieg ohne Remarque, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A221 vom 15. 9. 1929 (226. Jg.). 1090 N.N.: Remarques »Tendenz«. Das Geheimnis des Erfolgs, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A289 vom 4. 12. 1930 (227. Jg.), S. 11. 1091 Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«. 1092 N.N.: Remarques »Tendenz«.

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Sven von Müller.1093 Allerdings setzten sich die Autoren der liberalen Zeitungen insofern von der mystischen Kameradschaftsideologie nationalistischer Kreise ab, als dass sie die Kameradschaft nicht völkisch definierten, sondern sie schlichtweg als »das festeste Band unter Männern in Not«1094, als »gegenseitige Hilfe in der Natur« und als Mittel zur »Überbrückung der menschlichen Einsamkeit« betrachteten.1095 Nichtsdestotrotz diente ihnen die Kameradschaftlichkeit als Beweis, dass Im Westen nichts Neues kein ›undeutsches‹ Buch war. Eine weitere Tugend, die einige Kritiker positiv hervorhoben, war die des »heroischen Duldens«.1096 Obwohl sie froh waren, dass Remarque dem Krieg alles Heldenhafte genommen hatte, wollten sie den Soldaten ein heroisches Verhalten nicht ganz absprechen. Daher erkannte Zobeltitz in Im Westen nichts Neues ein »anders gear tetes Heldentum«. Entgegen der nationalistischen Auffassung von Heroismus verstand er darunter die Leidensfähigkeit der geschundenen Soldaten, welche von Militärs und Kriegsgewinnlern an die Front getrieben worden waren. Sie seien eine »Generation von Helden«, die eine »tapfere Niederlage« erlitten hätten.1097 Zobeltitz’ Heroismus-Definition verdeutlicht das Dilemma der republiktragenden Kräfte, einerseits den Krieg gemäß ihrem pazifistischen Verständnis zu verdammen, aber andererseits die Leistung der Soldaten anzuerkennen und zu ehren. Während der gesamten Weimarer Zeit beschäftigte dieses Problem die liberale Mitte – und es gelang ihr nicht, das ›Erbe der Front‹ in der Öffentlichkeit adäquat zu besetzen. Den vermeintlichen Widerspruch, in dem Buch »einen Aufschrei wider die Sinnlosigkeit des Krieges« zu sehen, es aber gleichzeitig zu loben, dass es soldatische Tugenden wie Kameradschaftlichkeit und jenes ›heroische Dulden‹ hervorhebe1098, muss man vor dem Hintergrund dieses Dilemmas betrachten. Es kam besonders dann zum Vorschein, wenn es darum ging, Im Westen nichts Neues gegen Angriffe von rechts zu verteidigen. Der ›Fall Remarque‹: Die Liberalen verteidigen ›ihren‹ Schriftsteller In Schutz genommen wurde Remarque auch dann, wenn er persönlich diffamiert wurde. Wie noch zu zeigen sein wird, entfesselten vor allem die von Hugenberg kontrollierten Zeitungen und die NSDAP-Blätter eine regelrechte Schmutzkampagne gegen den Verfasser von Im Westen nichts Neues. In deren Verlauf ›enthüllten‹ sie jede Menge Details aus Remarques Vorleben, um die 1093 1094 1095 1096 1097 1098

Müller : Der entzauberte Krieg. Ebd. Carl Zuckmayer: Kameraden, in: Berliner Tageblatt, Nr. 128 vom 16. 3. 1929 (58. Jg.), S. 7. Or.: Von Barbusse bis Remarque. Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«. Ebd.

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Glaubwürdigkeit des Schriftstellers und seines Buches zu unterminieren.1099 Da »es im neuen Deutschland üblich geworden« sei, »Männer zu beschimpfen und mit Steinen zu bewerfen, die sich Verdienste um die internationale Geltung unseres Landes erworben haben«1100, sah sich abermals die Vossische Zeitung gezwungen, Remarque zu verteidigen und die Legenden der Rechtspresse zu widerlegen. Erstmals geschah dies am 25. April 1929. Am Rande eines Artikels über eine Diskussionsveranstaltung um Remarque bemerkte die Zeitung zu dem »Märchen« der nationalistischen Presse, der Verfasser von Im Westen nichts Neues heiße eigentlich Kramer und habe seinen Namen bewusst französisiert: »Diese Behauptung, die zu durchsichtigen Zwecken erfunden ist, wird systematisch weiterverbreitet, obgleich ihre Unwahrheit wiederholt festgestellt worden ist.«1101 Einen Monat darauf widmete der bereits zuvor zitierte Monty Jacobs der Thematik noch größeren Raum.1102 In einer zweiseitigen Polemik, die auf der Titelseite der Vossischen Zeitung begann, nahm er sich allen »Märchen um Remarque« an, die in »Berliner Zentralen« entstanden und durch die »willfährige Provinzpresse« verbreitet worden seien.1103 Jacobs belegte dabei, dass Remarque keine »sagenhafte Gestalt« sei, »die eigentlich gar nicht existiert«, und bewies, dass dieser nicht Kramer heiße, was »seit Wochen ohne Schüchternheit ins Gehirn der Zeitungsleser gerammt« werde. Remarques Schrift »Über das Mixen kostbarer Schnäpse« von 19241104, wegen der seine Kritiker ihn als dekadenten Lebemann diffamiert hatten, relativierte Jacobs als »Zeitschriftenaufsatz von anderthalb Druckseiten, den der junge Remarque in seinen hannoverschen Lehrjahren, vielleicht in einer Faschingslaune, geschrieben hat«. Im Übrigen sei das »Mixen guter Liköre eine anständigere Lebensaufgabe« als das »Mischen giftiger Tränke zur Verleumdung eines Volksgenossen«. Schließlich erläuterte Jacobs, warum Remarque – wie behauptet worden war – im Krieg nicht »im Alter von etwa 40 Jahren« zu einem Armierungsbataillon hätte eingezogen werden 1099 Mit ironischem Unterton fasste Müller im August 1929 in der Vossischen Zeitung zusammen, was Remarques »Feinde« alles aus ihm gemacht hätten: »Eine Art von Fabelwesen, bald Armierungssoldat mit grauen Schläfen, bald Knäblein in kurzer Hose, zum Offizier befördert von einem Soldatenrat, der anderen die Achselstücke nahm, ›Kramer‹ sollen Sie heißen […] und Ihr Buch ist auch gar nicht Ihr Buch, sondern aus Rezensionen anderer Kriegsbücher entstanden.« Vgl. Müller: Der entzauberte Krieg. 1100 Monty Jacobs: Die der Krieg verwandelte, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A274 vom 16. 11. 1930 (227. Jg.). 1101 Redaktionshinweis zu Hartmann Freiherr von Richthofen: Streit um Remarque, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A99 vom 25. 4. 1929 (226. Jg.), S. 5. 1102 Vgl. Jacobs: Märchen um Remarque, S. 1f. 1103 Damit spielte Jacobs auf Hugenbergs Telegraphen-Union sowie die ebenfalls in dessen Besitz befindliche Wipro an, die einen Großteil der deutschen Lokalzeitungen versorgten. 1104 Erich Maria Remarque: Über das Mixen kostbarer Schnäpse, in: Störtebeker, Hannover, Heft 2, 1924, S. 37–39. Teilzitat siehe S. 272, Anm. 1277, dieser Arbeit.

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können. Seine Verteidigungsschrift schloss Jacobs mit einer regelrechten Lobrede auf den Schriftsteller : »Verehrter, schnapsmixender, graubärtiger Kramer vom Armierungsbataillon 35 – wir, die wir das Vergnügen haben, Ihre frische, schlanke Jugend zu kennen, […] wissen ja, daß Sie die Tobsucht des Krieges in seiner schlimmsten Feuerprobe studiert haben, so wahr Sie nicht anno 1874, sondern im Jahre 1898 geboren sind, so wahr Sie niemals der verdrehte Kramer waren, so wahr der Ernst Ihrer Kunst sich nicht an frivole Aufgaben verschwendet, so wahr Sie sich von keinem Verleger der Welt eine Religion vorschreiben lassen! Mit einer vorbildlichen Scheu verbergen Sie sich vor der Meute, die in den Salons der Großstadt auf neue Berühmtheiten lauert.«1105

Auf die erneuten Unterstellungen von rechts, Remarque habe die Front nie gesehen, antwortete die Redaktion der Vossischen Zeitung im Dezember 1930, dann müsse sich der Schriftsteller offenbar in einer »seltsamen Etappe«1106 aufgehalten haben, »aus der man Kopfschüsse heimbringen konnte«. Und auf den Vorwurf, »Remarque hat kein Vaterland und keinen Gott«, entgegnete das Blatt, dann sei es »wunderlich, wie dieser gottlose Landesfeind so vielen Patrioten, so vielen frommen Müttern aus dem Herzen sprechen konnte«.1107 Dass die Ullstein-Zeitungen – und mit Abstrichen auch die übrigen liberalen Blätter – Remarque derart energisch verteidigten, lässt sich darauf zurückführen, dass sie sich von Beginn an mit Im Westen nichts Neues identifiziert hatten. In dem Buch sahen sie einen authentischen Bericht von der Front, der die Sinnlosigkeit des Krieges enthüllte und diesem sein romantisches Gewand entriss. Da Hunderttausende Soldaten darin ihr Fronterlebnis wiedererkannt hätten, hofften sie, das Buch werde die Frontgeneration dazu veranlassen, sich für Frieden, Völkerverständigung und Demokratie einzusetzen. Mehr noch: Die liberalen Rezensenten erwarteten, dass die millionenfache Lektüre die Friedensbereitschaft der Gesellschaft insgesamt stärken werde. So besetzten sie den Massenerfolg des Buches als den ihrigen. Hinter den Angriffen nationalistischer Kreise erkannten sie deren Befürchtung, das Buch könne die Menschen gegen den Chauvinismus immunisieren: »Niemand hätte ›Im Westen nichts Neues‹ beschimpft, wenn es ein Werk mit normaler Auflage geblieben wäre«, lautete das Fazit der Vossischen Zeitung im Dezember 1930. »Weil es aber Millionen Lesern das Herz gestärkt hat, so muß der Knüppel darauf lossausen. ›Propter invidiam‹1108 heißt es schon bei Tacitus.«1109 1105 Jacobs: Märchen um Remarque, S. 1f. 1106 Als »Etappe« wird ein Versorgungsabschnitt hinter der Front bezeichnet. Vgl. Brockhaus – die Enzyklopädie, Bd. 6: DUD–EV, 20., überarb. und aktual. Aufl., Leipzig/Mannheim 1996, S. 621. 1107 N.N.: Remarques »Tendenz«. 1108 »Propter invidiam« lässt sich hier sinngemäß übersetzen mit »aus Hass« bzw. »aus Missgunst«.

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Diese Stellungnahme steht exemplarisch für die bis zum Ende des untersuchten Zeitraums anhaltende Verteidigung Remarques. Im Zuge der Filmdebatte erreichte sie noch einmal einen Höhepunkt. Das legt den Schluss nahe, dass die liberalen Kritiker trotz aller Zweifel, die hinsichtlich der pazifistischen Wirkung von Im Westen nichts Neues mit der Zeit aufgekommen waren, doch daran glaubten, dass »ein so begehrtes Buch nicht [ganz ohne Einfluss] bleiben« könne.1110 7.2.2.4. Nationalliberale Presse »Seine Freuden und Leiden, Sorgen und Verzweiflungen, seine Angst, Verdrossenheit und Abstumpfung: sie spiegeln sich wider im Schicksal vieler Millionen.« Hermann Lobbes am 2. März 1929 im Hamburger Fremdenblatt »Mir ist das Buch nicht Denkmal, sondern Leichenschändung.« Professor Pflug am 16. Mai 1929 in der Berliner Börsen-Zeitung

So heterogen das Spektrum der nationalliberalen Zeitungen war, so uneinheitlich waren ihre Reaktionen auf Im Westen nichts Neues. Die Stellungnahmen zu dem Buch reichten von Sympathie und Anerkennung über sachliche Kritik bis hin zu schroffer Ablehnung. Betrachtet wird im Folgenden die Rezeption all jener Zeitungen, die politisch zwischen den liberalen Großverlagen Ullstein und Mosse sowie dem deutschnationalen Presseimperium Hugenbergs verortet waren.1111 Die Zeitungen am linken Rand des nationalliberalen Spektrums bekannten sich entweder zur Politik des rechten Flügels der DDP oder zur progressiven Strömung innerhalb der DVP, welche Stresemann vertrat. Dabei waren die Übergänge fließend – so spalteten sich mehrmals Teile des rechten Flügels der DDP ab und traten zur DVP über.1112 Die Zeitungen am rechten Rand des nationalliberalen Spektrums orientierten sich am schwerindustriellen Flügel der DVP, welcher – gegen den heftigen Widerstand Stresemanns – eine Annäherung an die DNVP anstrebte und sich mit chauvinistischen und revanchistischen Parolen hervortat.1113 Entsprechend ablehnend war ihre Reaktion auf Im Westen nichts Neues.

1109 N.N.: Remarques »Tendenz«. 1110 Hans Rothe: Kriegsliteratur, in: Berliner Tageblatt, Nr. 310 vom 4. 7. 1930 (59. Jg.), S. 5. 1111 Damit folgt der Verfasser der Kategorisierung von Fauth: Die Presse und der Aufstieg der NSDAP, S. 54. 1112 Vgl. Fritsch und Herz: Deutsche Demokratische Partei, S. 310, sowie Peter Lösche: Kleine Geschichte der deutschen Parteien, Stuttgart 1993, S. 86f. 1113 Vgl. Ruge: Deutsche Volkspartei, S. 653.

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Links-nationalliberale Zeitungen1114 Zunächst soll die Rezeption durch die erstgenannte Gruppe analysiert werden, zu der unter anderem das Hamburger Fremdenblatt, der Berliner Börsen-Courier, die Kölnische Zeitung sowie der Hannoversche Kurier gehören. Sie begegneten Remarques Kriegsbuch neutral bis zustimmend. Von der Euphorie der meisten liberalen Blätter setzten sich die links-nationalliberalen Zeitungen jedoch ab – gelegentlich kritisierten sie auch die »allzu volltönige Empfehlung« des Buches in den Ullstein-Blättern als Geschäftemacherei.1115 Insgesamt aber begrüßten sie Remarques Darstellung vom Krieg. Wie alle dem Buch positiv gegenüberstehenden Blätter – man vergleiche die Reaktion der sozialdemokratischen und liberalen Presse – taten sie ihre Affirmation frühzeitig kund: So besprachen die hier untersuchten Zeitungen Im Westen nichts Neues allesamt noch in den ersten fünf Wochen nach dessen Erscheinen. Dabei lobten die Rezensenten, dass das Buch – ganz anders als die Offiziersmemoiren der Nachkriegszeit – das Kriegserlebnis endlich »aus der Perspektive des schlichten Frontsoldaten« schildere.1116 Im gleichen Atemzug attestierten sie Remarques Bericht ›Echtheit‹, womit das wichtigste Bewertungskriterium erfüllt war : »Die zahlreichen Veröffentlichungen kurz nach dem Kriege, die weitgehend Verteidigungsschriften führender Persönlichkeiten waren, wollten und konnten wohl auch keine Schilderung des Lebens und der Empfindungen des einfachen Mannes an der Front geben«, schrieb ein gewisser Dr. Schäfer am 3. März 1929 in der Kölnischen Zeitung1117. Eines der »eindrucksvollsten und erschütterndesten Bücher der letzten Zeit«, fuhr Schäfer fort, »die dem Leser einen tiefen Blick in die körperlichen und seelischen Leiden eines Frontsoldaten tun lassen und von denen der Frontkämpfer sagen muß: ›So war es!‹«, seien die jetzt in Buchform vorgelegten Aufzeichnungen Remarques.1118 Als wahres und damit repräsentatives Fronterlebnis betrachtete auch Hermann Lobbes die Schilderung. »Was Remarque erlebte«, konstatierte er am 1114 Da die Polarisierung im nationalliberalen Spektrum derart stark war, sollen die Zeitungen gemäß der oben erläuterten Abgrenzung unter den Termini »links-nationalliberal« und »rechts-nationalliberal« untersucht werden. 1115 Dr. V.: Gelächter um Remarque. Zwei satirische Bücher, in: Hannoverscher Kurier, 3. 11. 1929 (80. Jg.). 1116 Hermann Lobbes: Im Westen nichts Neues. Der Frontroman von Erich Maria Remarque, in: Hamburger Fremdenblatt, Nr. 61 vom 2. 3. 1929 (101. Jg.), S. 23. 1117 Die Kölnische Zeitung (Auflage: 60.000) war ein anspruchsvolles, nationalliberales Blatt für das gehobene Bürgertum. Zum bürgerlich-liberalen M. DuMont Schauberg Verlag gehörend, war die Zeitung politisch zurückhaltend; sie hegte jedoch sowohl Sympathien für die DDP als auch für Stresemanns Politik des Ausgleichs. Vgl. Georg Potschka: Kölnische Zeitung (1802–1945), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 145–158. 1118 Dr. Schäfer : Ein neues Kriegsbuch, in: Kölnische Zeitung, Nr. 122 vom 3. 3. 1929 (84. Jg.), Beilage Die Literatur.

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Die Reaktion der deutschen und US-Presse auf Im Westen nichts Neues

2. März 1929 im Hamburger Fremdenblatt1119, »das haben Tausende und aber Tausende erlebt, und gerade so.« Nicht nur für die deutschen Frontsoldaten, sondern für alle Teilnehmer des Krieges sei Im Westen nichts Neues ein Spiegelbild ihres Erlebens, glaubte Lobbes: Was Remarque gedacht, gefühlt und ersehnt habe, hätten viele seiner Kameraden geteilt: »[…] Seine Freuden und Leiden, Sorgen und Verzweiflungen, seine Angst, Verdrossenheit und Abstumpfung: sie spiegeln sich wider im Schicksal vieler Millionen, bei Freund und Feind, auf beiden Seiten der Front.« Deshalb war Im Westen nichts Neues in Lobbes’ Augen »zweifellos das stärkste« aller bisher erschienenen Kriegsbücher. Auch er selbst sah sich »in den Alltag des Kriegserlebens versetzt, in den Alltag, dessen ganze Schwere nur ermessen kann, wer aus eigener Erfahrung die Ungeheuerlichkeit des Wortes ›Im Westen nichts Neues‹ zu deuten weiß«.1120 Ihr eigenes Fronterlebnis in Remarques Kriegsbuch wiedererkennend, verhehlten viele Rezensenten der links-nationalliberalen Zeitungen die Erschütterung durch die Lektüre nicht. So stellte Schäfer fest, dass die Schilderungen des Quartierlebens, des tagelangen Trommelfeuers und überhaupt aller schauerlichen Erlebnisse »so wahr« seien, »daß alles noch einmal miterlebt wird und einem in den gefährlichsten Lagen die Schläfen wieder hämmern«.1121 Emil Faktor, Chefredakteur des renommierten Berliner Börsen-Couriers1122, gab ebenfalls zu, das Buch habe ihn »fortgerissen« und »oftmals erschüttert«, ohne dass er dies nur einen Augenblick bereut habe.1123 »Zutiefst ergreifend« fand auch Hermann Lobbes die Darstellung.1124

1119 Das 1828 als »Liste der angekommenen Fremden in Hamburg« gegründete Hamburger Fremdenblatt war mit einer Auflage von 150.000 Exemplaren eigenen Angaben zufolge die »größte politische Tageszeitung Nordwestdeutschlands«. Das republikanische Blatt stützte die DDP sowie die Politik Stresemanns. Vgl. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 225, sowie Jürgen Fromme: Hamburger Fremdenblatt (1828–1945), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 159–176. 1120 Lobbes: Im Westen nichts Neues. 1121 Schäfer : Ein neues Kriegsbuch. 1122 Der gemäßigt liberale Berliner Börsen-Courier (Auflage: 40.000) galt als eine der modernsten Zeitungen der 1920er Jahre. Das Blatt selbst sah sich als »die führende Wirtschafts- und Finanzzeitung« Deutschlands. Sein »kaufkräftiger Leserkreis« bestand eigenen Angaben zufolge aus »Industriellen, Großkaufleuten, Bankiers, leitenden Angestellten, Ärzten, Juristen, Künstlern und deren Frauen«. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 56. Zur Geschichte und Auflage der Zeitung vgl. Ulla C. Lerg-Kill: Berliner Börsen-Courier (1868–1933), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 283–298. 1123 Emil Faktor : Im Westen nichts Neues. Ein ungewöhnliches Kriegsbuch, in: Berliner Börsen-Courier, Nr. 51 vom 31. 1. 1929 (62. Jg.), 1. Beilage, S. 5. Emil Faktor war seit 1915 Chefredakteur des Börsen-Couriers. 1933 emigrierte er nach Prag. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen wollte er in die USA übersiedeln, diese erlaubten ihm die Einreise jedoch nicht. Faktor starb 1942 im jüdischen Ghetto von Lodz. Vgl. DBE, Bd. 3, S. 222. 1124 Lobbes: Im Westen nichts Neues.

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Die durch die Identifizierung mit dem Buch ausgelöste Erschütterung setzte voraus, dass die Rezensenten – als ehemalige Kriegsteilnehmer – Remarque als Vertreter ihrer Generation anerkannten. Sie sahen in ihm einen einfachen Frontsoldaten, der, so Lobbes, »vier [sic!] lange, schwere Jahre« tapfer gedient und nun »blutenden Herzens« seine Erlebnisse aufgezeichnet habe. Demnach schenkten die Rezensenten sowohl der von Ullstein propagierten militärischen Biografie Remarques Glauben als auch der These, dass die Niederschrift des Romans für den Verfasser eine Art Katharsis war. Entsprechend sah Lobbes in Remarque einen »gemarterten Mensch«, der »die Not seiner Seele« in das Buch »ausströmen ließ«.1125 Obwohl die links-nationalliberalen Kritiker die dichterischen Qualitäten Remarques in höchsten Tönen lobten1126, war er für sie doch zuallererst ein Muschkote wie jeder andere, der »schlicht die Tatsachen sprechen läßt«.1127 Wer den Kampf im Graben erlebt habe, so Lobbes, wisse, dass Remarque nichts hinzufüge, nichts auffärbe, nichts entstelle, um seiner Sache zu dienen. Von dieser Warte aus attestierten die Rezensenten der Schilderung Tendenzlosigkeit: Im Westen nichts Neues sei »aufrecht, ehrlich […] und von einer Sauberkeit der Gesinnung, die jeden sachlichen Gegner zur Achtung zwingen muß«, konstatierte Lobbes. Zwar seien Remarques Eindrücke »von Entsetzen, Abscheu und flammendem Protest gekennzeichnet«1128 ; er rücke diese »kritische«, bereits im »anklagend symbolhaften Titel« liegende Einstellung aber nicht aufdringlich in den Vordergrund. Dass das Buch »weder ironisch wie sein Titel, noch propagandistisch« sei, stellte auch Faktor fest. Der Versicherung des Autors, seine Schilderung solle weder Anklage noch Bekenntnis sein, hätte es dem »Hauptschriftleiter« des Berliner Börsen-Couriers zufolge nicht bedurft: »Die Gedanken, die man sich macht, sind unvermeidlich. Sie entspringen der Wahrhaftigkeit der Darstellung.«1129 Entscheidend sei, dass Remarque keine Anklagen deklamiere. Im Westen nichts Neues als wahr und tendenzlos anerkennend, wiesen die Rezensenten gleichsam auf das aufklärerische Potenzial des Buches hin, welches der Erschütterung durch die Lektüre entspringe. So wie sie selbst durch das Buch bewegt wurden, würden auch allen anderen, »denen die tägliche Konfrontation 1125 Lobbes: Im Westen nichts Neues. Dass Remarque nur sieben Wochen an der Front war, schien Lobbes nicht zu wissen. Er identifizierte den Verfasser somit mit dessen Protagonisten Bäumer, der im Roman 1914 in den Krieg zog und im Oktober 1918 fiel. 1126 Faktor schrieb etwa, dass Remarque die Leser »durch die Freiheit seines Wortes, durch klarste Fähigkeiten des Ausdrucks, durch die Sprache eines Dichters« fessele: »Das Auge sieht Vorgänge des Krieges, wie es sie vorher nur bei großen Meistern sah.« Vgl. Faktor : Im Westen nichts Neues. 1127 Lobbes: Im Westen nichts Neues. 1128 Ebd. 1129 Faktor : Im Westen nichts Neues.

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mit den gespenstischen Formen des Todes erspart blieb«, die »erschütternden Bilder der Front, ihr tückisches Zufallswesen, ihre unentrinnbare Schreckensphysiognomie, […] ihr infernalischer Zusammenklang aller Betäubungs- und Vernichtungsmittel« ins Bewusstsein dringen: »Das Martyrium Zahlloser wird durch dieses Buch das Erlebnis aller«, glaubte Faktor.1130 Die Rezensenten waren sich einig, dass die schonungslose Offenlegung des Weltkriegs als »Katastrophe«1131 notwendig sei, da »die Zahl derer, die den Krieg an der Front kennengelernt haben«, immer kleiner werde.1132 Im Westen nichts Neues betrachteten sie als geeignetes Mittel hierfür. Indem Remarque »das furchtbare Angesicht des Krieges« unbeschönigt zeige1133, gebiete er sowohl dem Vergessen als auch der Heroisierung des Krieges Einhalt: »Der sich schon wieder breitmachenden Kriegsverherrlichung […] wird zum Nutzen der Menschheit durch solche Bücher entgegengewirkt«, war Schäfer überzeugt.1134 Insbesondere der Jugend müsse das »furchtbare Wissen« über die Schrecken des Krieges erhalten werden.1135 Deshalb wünschte sich Lobbes Remarques Buch »vor allem in die Hand der Eltern und Lehrer und Seelsorger«.1136 Der Roman sei aber nicht nur aufgrund seines aufklärerischen Potenzials für die Verwendung im Schulunterricht geeignet, sondern auch, weil er den deutschen Frontsoldaten ihre Ehre belasse, so die Meinung der links-nationalliberalen Rezensenten. Zwei Aspekte hoben sie besonders hervor : Zum einen zeichneten sich Remarques »einfache, aber prächtige Gestalten«1137 durch einen bescheidenen Heroismus des Duldens, der steten Pflichterfüllung aus, zum anderen durch ihre vorbildliche Kameradschaft: »Dieses Buch ist bei aller Kritik […] ein Dokument stillen Heldentums und kameradschaftlicher Treue«, konstatierte Lobbes.1138 Was die Wirkung des Buches anging, nannten die Rezensenten neben dessen aufklärerischem Potenzial einen weiteren positiven Effekt: Sie erwarteten, dass Remarques Schilderung den Veteranen bei der Verarbeitung ihres Kriegserlebnisses helfen werde. Wenn die Frontgeneration sodann ihre Stellung in der Gesellschaft festige, werde sie sich verstärkt für die Republik und den Frieden einsetzen. Ausgangspunkt dieser Überlegung war die Übereinstimmung mit Remarques These von der Zerstörung der jungen Generation durch den Krieg: 1130 1131 1132 1133 1134 1135

Faktor : Im Westen nichts Neues. Ebd. Schäfer : Ein neues Kriegsbuch. Lobbes: Im Westen nichts Neues. Schäfer : Ein neues Kriegsbuch. Dr. H. Henel: Englische Literatur 1928, in: Kölnische Zeitung, Nr. 203a vom 14. 4. 1929 (84. Jg.), Beilage Die Literatur. 1136 Lobbes: Im Westen nichts Neues. 1137 Schäfer : Ein neues Kriegsbuch. 1138 Lobbes: Im Westen nichts Neues.

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An der Front, erläuterte Kurt Voss im Hannoverschen Kurier1139, seien die jugendlichen Soldaten Verlorene gewesen, »die kein Gestern haben und vor dem Morgen zittern, weil ihre erste Begegnung mit dem Leben die Schrecknis des Todes ist. Sie stehen entwurzelt, heimatlos, um ihre Sehnsucht betrogen in dieser Welt.« Aus dieser Feststellung, die im Übrigen zeigt, dass Voss jede positive Sinngebung des Krieges fernlag, ergab sich für ihn die Frage: »Wo blieb die Generation, die im Kriege jung war und unter seinen Erlebnissen geformt wurde?« Selbst die Antwort gebend, konstatierte Voss, Remarques Generation schlage sich noch immer mit dem »Alb des Krieges« herum. Nun aber, da der Schriftsteller die »zwangvolle Wirklichkeit des Krieges« erschütternd nachgeschafft habe, löse sich die Starre, die seit ihrer Heimkehr auf den Soldaten gelegen habe. Denn der Verfasser von Im Westen nichts Neues tauche mitten hinein in das kollektive Erleiden seiner Generation und formuliere das bislang Unaussprechliche. Darum habe sein Buch, so Voss, »Genesungskraft«.1140 Ähnlich argumentierte Emil Faktor : Indem Remarque die Wirklichkeit an der Front erstmalig so dargestellt habe wie sie war, meistere er einen Stoff, »von dem sich die menschliche Psyche befreien mußte«. Dies sei »seit der Katastrophe des Weltkrieges noch niemals so überzeugend gelungen«, fand Faktor. »Reinigende Kraft« habe das Buch, weil es die Soldaten über die Verarbeitung des Kriegserlebnisses »aus dem Labyrinth fassungsloser Empfindungen in ein gekräftigtes Verhältnis zu den Realitäten der Welt« zurückführe.1141 Die Konfrontation mit den Schrecken des Krieges sei der einzige Weg, das Fronterlebnis zu verarbeiten, ergänzte Voss: »Durch Glorifizierung ins Heldische räumen wir den Krieg nicht weg.« Die Kriegsthematik müsse »aus den Händen derer heraus, die mit [ihr] nichts als Propaganda treiben«.1142 Somit lässt sich festhalten, dass die links-nationalliberalen Zeitungen ähnlich auf das Erscheinen von Im Westen nichts Neues reagierten wie die Mehrheit der liberalen Blätter : Die Rezensenten bescheinigten Remarques Frontbericht, er sei wahr, allgemeingültig, tendenzlos und ergreifend. Ohne dies ausdrücklich auszusprechen, konnte er in ihren Augen als das Denkmal des ›Unbekannten Soldaten‹ gelten. Die umstrittenen Worte Molos jedenfalls fochten sie im Gegensatz zur nationalistischen Presse nicht an. Vielmehr druckten die Zeitungen mehr1139 Der Hannoversche Kurier hatte 1929 eine Auflage von rund 60.000 Exemplaren und bezeichnete sich damit als die »führende Zeitung in Niedersachsen«. Politisch auf der progressiven Strömung innerhalb der DVP liegend, kamen seine Leser vor allem aus dem kaufmännischen Mittelstand und dem Beamtentum. Vgl. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 235. 1140 Kurt Voss: Im Westen nichts Neues. Ein neues Buch vom Kriege, in: Hannoverscher Kurier, Nr. 56 vom 3. 2. 1929 (80. Jg.). 1141 Faktor : Im Westen nichts Neues. 1142 Voss: Im Westen nichts Neues.

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fach Ullstein-Anzeigen ab, in denen der Präsident der Dichterakademie zitiert wurde.1143 Hinsichtlich der Wirkkraft von Im Westen nichts Neues hofften die links-nationalliberalen Kritiker, der Roman könne zur Entheroisierung des Krieges und damit zur Aufklärung der Gesellschaft beitragen. Allerdings schienen sie im Gegensatz zu manchem Liberalen nicht zu erwarten, dass die bloße Darstellung der Kriegsschrecken ausreiche, um die Bereitschaft zum Frieden in Deutschland zu stärken. Dementsprechend verfielen sie nie in die Euphorie der Ullstein-Blätter. Schon eher glaubten die Rezensenten, Remarque könne der Frontgeneration bei der Verarbeitung des Krieges helfen. Diese freilich nur in Nuancen auftretenden Unterschiede zur liberalen Remarque-Rezeption lassen sich dadurch erklären, dass die links-nationalliberale Presse Werk und Autor trotz aller Sympathien nicht vereinnahmte. Das hatten mit dem Erscheinen der Buchausgabe die Ullstein-Zeitungen getan – mit der Folge, dass ihre positive Berichterstattung in Verbindung mit der intensiven Werbetätigkeit des Verlags auch bei manchem Nationalliberalen des linken Flügels als geschäftige Marktschreierei aufgefasst wurde. So schrieb ein gewisser Dr. V. im November 1929 im Hannoverschen Kurier, dass sich die Eile, mit der man Remarque »sowohl verurteilt wie hymnisch preist«, selbst verdächtig mache: »Laßt die Zeit Richter sein«, lautete sein Fazit, mit dem er sich weder auf die Seite der nationalistischen noch der liberalen Kritik stellte.1144 Um eine derart neutrale Haltung waren die links-nationalliberalen Zeitungen oft bemüht – wenn sie ihre Sympathien gegenüber Remarque auch nicht verhehlten. In jedem Fall beurteilten sie das Buch weniger streng nach politischen Kategorien, als dies etwa in der kommunistischen, sozialdemokratischen oder der UllsteinPresse geschah. Das zeigt sich etwa daran, dass in der relativ liberalen Kölnischen Zeitung mit Philipp Witkop ein dezidiert nationalistisch eingestellter Literaturkritiker Im Westen nichts Neues besprach.1145 1143 So erschien etwa am 17. März 1929 in der Kölnischen Zeitung eine Ullstein-Annonce, die neben Leonhard Frank, Carl Zuckmayer, Bertolt Brecht und anderen »jungen Autoren im Propyläen-Verlag« auch für Erich Maria Remarque warb. Zu 275.000 verkauften Exemplaren von Im Westen nichts Neues bemühte der Verlag erneut die Worte Walter von Molos (»Das Denkmal unseres unbekannten Soldaten«). Vgl. Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Kölnische Zeitung, Nr. 151a vom 17. 3. 1929 (84. Jg.), Beilage Die Literatur. 1144 Dr. V.: Gelächter um Remarque. Zwei satirische Bücher, in: Hannoverscher Kurier, 3. 11. 1929 (80. Jg.). 1145 Witkop, Herausgeber der bekannten – und nationalistisch gefärbten – Feldpostsammlung Kriegsbriefe gefallener Studenten, stand Im Westen nichts Neues relativ kritisch gegenüber. Er sah in Remarques Roman denselben – pazifistischen – Typus Kriegsliteratur wie in Barbusses Feuer. An dem 1916 veröffentlichten Antikriegsbuch des Franzosen bemängelte er in seiner Überblicksrezension »Romane des Weltkriegs« die brüchige religiöse Weltanschauung, die »ungeheure Resignation« und überhaupt die »graue Grundstimmung«. Besonders missfiel ihm, dass hinter dem von Barbusse beschriebenen »Kriege und Kriegsvolk […] kein Sinn mehr [steht], der das Geschehen rechtfertigt«. Ohne es aus-

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Die Rezeptionszeugnisse, die sich nur sekundär mit Remarques Text, sondern primär mit seiner Biografie beschäftigen, machen die Haltung der links-nationalliberalen Presse zu Remarque noch einmal deutlich. Sie geben auch einen guten Eindruck von der Spaltung innerhalb des bürgerlichen Spektrums, welche gleichbedeutend mit der Trennlinie war, die sich – wendet man das Links-rechtsSchema an und sieht vom kommunistischen Milieu ab – durch die gesamte deutsche Nachkriegsgesellschaft zog. Denn die rechts stehenden nationalliberalen Zeitungen positionierten sich vollkommen konträr zum ›Fall Remarque‹ als die Presse auf dem linken Rand des nationalen Liberalismus, welche dem Schriftsteller ein Forum bereitstellte, um sich zu den Entstehungsumständen von Im Westen nichts Neues und den Angriffen auf seine Person zu äußern. So veröffentlichte die Kölnische Zeitung im November 1929 das sehr beachtenswerte, offene Gespräch Remarques mit Wilhelm Scherp (»Der Gefangene seines Ruhmes. Remarque spricht über sich selbst«), aus dem bereits mehrfach zitiert worden ist.1146 »Remarque über sich selbst« lautete auch die Überschrift, unter der das häufig abgedruckte Remarque-Interview Eggebrechts im Juni 1929 im Hannoverschen Kurier erschien. In ihrem Vorwort kündigte die Redaktion »wichtige Aufschlüsse« über den Verfasser an, die man den Lesern nicht vorenthalten wollte. In der Tat nahm Remarque zu einer ganzen Reihe vermeintlicher ›Enthüllungen‹ Stellung, die von der Rechtspresse verbreitet worden waren: »Man habe behauptet, ich hieße Kramer und hat das als Verbrechen gegeißelt – als ob Pseudonyme in der deutschen Literatur nie vorgekommen wären. Ich hieß nie Kramer, – andere, denen der Name Remarque besser paßte, erklärten ohne weiteres, ich sei französischer Jude. Manchmal waren es Irrtümer […], aber meistens doch glatte Erfindungen zu durchsichtigem Zwecke. […] Vor allem aber hat man mich als Armierungssoldaten bezeichnet, der heute 55 Jahre alt und nie an der Front gewesen sei […]. Dagegen hätte ich das Tagebuch eines gefallenen Kameraden bearbeitet und soll übrigens auch irgend einen Bordellroman geschrieben haben. Das stimmt alles nicht.«1147 zusprechen, war ihm auch der defätistische Unterton Remarques unsympathisch. Vor allem aber warf er dem Verfasser von Im Westen nichts Neues Unwahrhaftigkeit vor. Er kritisierte, dass Remarque »sein Erlebnis gleichzeitig als jugendliche Beichte des gefallenen Zwanzigjährigen und als spätere, zeitgeschichtliche Deutung des Dreißigjährigen« schildere: »Das ist unmöglich, ist unwahrhaftig.« Ferner nahm Witkop Anstoß an der Biografie des Verfassers. Zwar nehme man am Schicksal des jungen Remarque durchaus Anteil, dem älteren gegenüber stellten sich aber Misstrauen und Bedenken ein: »Denn der ist inzwischen Sportredakteur geworden, Journalist und Literat und geht bei der Niederschrift seiner Jugenderlebnisse […] berufsmäßig auf ihre Wirkung aus. Geschickt weiß er sie zu verdichten und zu steigern.« Der wirkliche »Lebensgehalt« des Buches sei »dünn«. Vgl. Professor Dr. Philipp Witkop: Romane des Weltkriegs, in: Kölnische Zeitung, Nr. 635a vom 19. 11. 1929 (84. Jg.), S. 4. 1146 Scherp: Der Gefangene seines Ruhmes. 1147 N.N.: Remarque über sich selbst, in: Hannoverscher Kurier, Nr. 274/275 vom 15. 6. 1929 (80. Jg.).

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Dass der Hannoversche Kurier diese Stellen aus dem Remarque-Gespräch veröffentlichte, kann man nur als Sympathiebekundung verstehen. Jene Zeitungen, gegen deren Diffamierungen sich Remarque wehrte, taten das naturgemäß nicht. Im Gegensatz zu den Ullstein-Blättern – vor allem der Vossischen Zeitung –, die den Schriftsteller leidenschaftlich verteidigten, hielt sich der Hannoversche Kurier mit eigenen Kommentaren zum Sachverhalt indes zurück. Wenn, dann geschah dies – stets um die Wahrung der Neutralität bemüht – äußerst behutsam: So war es im April 1929 dem Hannoverschen Kurier ein Anliegen, all jenen, die am Namen »unseres früheren Mitbürgers«1148 herumdokterten, mitzuteilen, »daß Remarque mit bürgerlichem Namen Erich Paul Remark heißt und am 22. 6. 1898 in Osnabr ü ck geboren ist«.1149 Deutlich missbilligte auch der bereits zitierte Dr. V. die Verunglimpfungen des Bestsellerautors: »Es ist ein beliebtes Mittel, jemanden, der Erfolg hatte, in seinem Menschlichen zu verdächtigen und den Erfolg selbst mit unlauteren Machenschaften zu begründen«, schrieb er in Richtung der Satiriker Mynona (Hat Erich Remarque wirklich gelebt?) und Emil Marius Requark (Vor Troja nichts Neues). Es sei an der Zeit, »Remarque endlich ruhen zu lassen«. Das bedeutete aber nicht, dass sich V. auf die Seite Ullsteins stellte: Die »Schnüffelei« im Vorleben des Schriftstellers verurteilte er genauso wie die »allzu volltönige« Reklame für ihn.1150 Rechts-nationalliberale Zeitungen Mit der Suche nach Kompromittierendem in Remarques Vergangenheit hielten sich die am rechten Rand des nationalliberalen Spektrums stehenden Zeitungen zurück. Dies überrascht insofern, als dass sie Im Westen nichts Neues uneingeschränkt ablehnten. Ihre Reaktion verlief damit diametral zu der des linken Flügels des Nationalliberalismus. Die Ursache hierfür ist darin zu suchen, dass die rechtsorientierten Blätter politische Positionen vertraten, die sich immer stärker an der DNVP orientierten. Die Ablehnung von Remarques Kriegsbuch jedenfalls war nicht allein textimmanent bedingt. Nachdem Im Westen nichts Neues erschienen war, sah die Mehrheit der im Folgenden analysierten Zeitungen zunächst keinen Anlass, sich dazu zu äußern. Erst als das Buch von der liberalen Presse vereinnahmt wurde und seine Auflage Rekordhöhen erreichte, erkannten sie darin eine Gefahr. Dann jedoch begegneten die meisten Rezensenten dem Roman schon nicht mehr unvoreingenommen, sondern versuchten ihn als tendenziös und unwahr abzustempeln. Zwar konzedierten manche ge1148 Gemeint ist hier Remarques Episode als Redakteur beim Firmenmagazin Echo-Continental in Hannover. 1149 N.N.: Remarque – Remark, in: Hannoverscher Kurier, Nr. 180 vom 18. 4. 1929 (80. Jg.). 1150 Dr. V.: Gelächter um Remarque.

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mäßigten Kritiker, Remarque sei ein »mit allem Rüstzeug glänzender Begabung« ausgestatteter Schriftsteller, der ein »gekonntes«1151, »gut gedichtetes«1152 Buch geschrieben habe; aber auch sie waren sich einig, dass die Fronterzählung »als Ganzes […] kalt« lasse, wie Fritz Büchner1153, Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, im April 1929 festhielt.1154 Anstoß nahmen die rechts-nationalliberalen Kritiker an zweierlei Dingen: Zum einen betrachteten sie Im Westen nichts Neues als geschäftige »Konjunkturschreiberei«1155, die von »betriebsamer Reklame«1156 des liberalen UllsteinVerlags begleitet werde. Zum anderen – und das war ihrer Meinung nach viel schlimmer – sahen sie darin eine Tendenz, die »dem politischen Weltanschauungsbild der gegenwärtigen Republik verwandt« sei, konstatierte Eberhard Heffe im Mai 1929 in der Berliner Börsen-Zeitung.1157 An letzterer Feststellung bissen sich die Kommentatoren fest. Denn hinter Remarques Roman identifizierten sie die Befürworter des von ihnen ungeliebten ›Weimarer Systems‹, das 1151 Richard Euringer: »Im Westen nichts Neues«, in: Münchener Zeitung, Nr. 33 vom 17. 5. 1929 (38. Jg.), S. 258, Beilage Die Propyläen. 1152 Maxim Ziese: Im Westen nichts Neues. Erich Maria Remarques Kriegsroman, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Berlin, 6. 2. 1929 (69. Jg.), Literaturbeilage. Vgl. selbigen Artikel am 15. 2. 1929 in der Königsberger Allgemeinen Zeitung. 1153 Im Krieg Freiwilliger, war Fritz Büchner von 1928 bis 1933 Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten. Mit Erwein von Aretin bemühte er sich um die Wiederherstellung der bayerischen Monarchie, durch die er sich eine Bekämpfung des als gefährlich erkannten Nationalsozialismus erhoffte. 1933 verhaftet, musste er nach seiner Entlassung Bayern verlassen. Vgl. DBE, Bd. 2, S. 196. 1154 Fritz Büchner: Im Westen nichts Neues!, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 91 vom 4. 4. 1929 (82. Jg.), S. 1. Nach dem Krieg zunächst liberal-demokratisch eingestellt, rückten die Münchner Neuesten Nachrichten (Auflage: 140.000) immer stärker nach rechts und vertraten altkonservative, monarchistische Ansichten. Nach 1922 nannte sich die Zeitung »freiheitlich-national«, ab 1927 schlicht »national« (vgl. Fauth: Die Presse und der Aufstieg der NSDAP, S. 56). Demnach zählte sie sich ausdrücklich nicht zur demokratischen Presse (F.B.: Wehrmacht und Politik, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 75 vom 17. 3. 1929 (82. Jg.), S. 1), was schon daran deutlich wird, dass sie offen Sympathien für die »verehrungswürdige Person des Reichspräsidenten Hindenburg« hegte (N.N.: Empfänge des Reichspräsidenten, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 1 vom 2. 1. 1929 (82. Jg.), S. 1). Im Unterschied zur Hugenberg-Presse hielten sich die Münchner Neuesten Nachrichten aber mit politischer Hetze zurück und legten Wert auf einen gemäßigten Ton. Den Nationalsozialismus lehnten sie ab. Vgl. Kurt A. Holz: Münchner Neueste Nachrichten (1848–1945), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 191–207. 1155 Eberhard Heffe: Im Westen nichts Neues. Eine Zeitbetrachtung, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 223 vom 16. 5. 1929 (74. Jg.), S. 1f. 1156 G. v. Donop: Ein Frontsoldat zu Remarques Buch »Im Westen nichts Neues«, in: Königsberger Allgemeine Zeitung, Nr. 208 vom 4. 5. 1929 (54. Jg.), Unterhaltungsbeilage. 1157 Heffe: Im Westen nichts Neues, S. 2. Die Berliner Börsen-Zeitung (Auflage: 42.500) vertrat als rechtsliberales Blatt »die Interessen des Vaterlandes und des nationalen Bürgertums« sowie jene von Industrie und Handel. Politisch gesehen galten ihre Sympathien sowohl der DVP als auch der DNVP. Nach eigener Darstellung hatte die Berliner Börsen-Zeitung »kaufkräftige Leser«. Vgl. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 54.

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»dem geschichtlichen Werden beziehungslos« gegenüberstehe: »Das Buch war kaum dem Namen nach bekannt«, so Heffe, »da erhoben sich die Stimmen der Männer, die nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches und des deutschen Volkes zur Geltung gekommen sind.« Mit dieser Bemerkung zielte er auf eine Reihe von Politikern ab, die sich in der Vossischen Zeitung zu Wort gemeldet hatten und in Ullstein-Annoncen zitiert wurden: Unter anderem nannte Heffe Reichstagspräsident Löbe, den SPD-Abgeordneten Sollmann, den liberalen Reichsminister Koch sowie Martin Hobohm, der bei den nationalen Kräften als Sachverständiger des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses für die Ursachen des militärischen Zusammenbruches ohnehin wenig Sympathien besaß. Laut dem Rezensenten hatten sie nur »eine Meinung: das ist unser Buch«.1158 Dass Im Westen nichts Neues – eines jener Bücher, »die heute das ›J’accuse‹ in die Nation schleudern«, wie Ernst Jünger in den Münchner Neuesten Nachrichten sinngemäß schrieb1159 – alle Pazifisten veranlasse, Remarque »wild zu loben«1160, wunderte die Kritiker der rechts-nationalliberalen Zeitungen nicht. Denn die Vertreter des ›Weimarer Systems‹ versuchten durch allerlei »geistige und politische Machtmittel[,] die Frontbildung der Jungen« zu behindern, unterstellte Heffe: »›Im Westen nichts Neues‹ mu ß te zum Volksbuch erhoben werden, weil es gilt, die gesunden nationalen Lebensäußerungen der neuen deutschen Jugend durch abschreckende Darstellungen des Krieges im Keime zu ersticken«, ätzte er.1161 Diesem Vorhaben wollte insbesondere die Berliner Börsen-Zeitung, die wie die Deutsche Allgemeine Zeitung mit den Ideen der sogenannten »Konservativen Revolution« sympathisierte1162, entgegensteuern. Sie sah ihre Pflicht darin, der »Tendenz« des durch »laute Propaganda« bekannt gewordenen Buches die »gesunde Abwehr des nationalen Gefühls« gegenüberzustellen.1163 So veröffentlichte sie am 16. Mai 1929 parallel zu Heffes Artikel ein weiteres Pamphlet. In diesem kommentierte der bereits zuvor erwähnte Professor Pflug1164 die Entscheidung des Berliner Magistrats, jeder städtischen Schulbibliothek ein Exemplar von Im Westen nichts Neues zu stiften. Damit habe die Behörde eindeutig 1158 Heffe: Im Westen nichts Neues, S. 2. 1159 Ernst Jünger : Arnolt Bronnens »O.S.«, in: Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 161 vom 16. 6. 1929 (82. Jg.), S. 1. Vgl. zu Jüngers Schreibtätigkeit in der Presse Bruno W. Reimann: »… die Feder durch das Schwert ersetzen …« Ernst Jüngers politische Publizistik 1923– 1933, erw. Neuaufl., Marburg 2001 (Forum Wissenschaft, Bd. 48). 1160 Büchner: Im Westen nichts Neues! 1161 Heffe: Im Westen nichts Neues, S. 2. 1162 Vgl. Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 1, S. 72. 1163 Redaktionsvorwort zu Heffes und Pflugs Artikeln, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 223 vom 16. 5. 1929 (74. Jg.), S. 1. 1164 Vgl. Kap. 7.2.2.3, S. 234f.

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»Partei ergriffen« – denn die Spende sei nicht wegen der »unzweifelhaften schriftstellerischen Qualität des Buches« geschehen, sondern allein »um der Tendenz willen, die man als pazifistisch empfindet«. Das Gefährliche an Remarques Roman sei, argumentierte der Oberstudiendirektor weiter, dass sich die Tendenz hinter »der zum Teil erstaunlichen Echtheit der Darstellung« und der »scheinbaren Objektivität« des Verfassers verberge. Gerade die Jugend könnte, ohne es zu merken, »in eine bestimmte Richtung gedrängt werden«. Daher betonte Pflug noch einmal: »Das Buch ist nicht objekt iv, sondern tendenzi ö s.« Es sei nur nicht ehrlich genug, dies einzugestehen. Den Höhepunkt von Pflugs Tirade bildete jene Bemerkung, die Monty Jacobs zum Anlass genommen hatte, dem Pädagogen in der Vossischen Zeitung zu entgegnen. Im Gleichschritt mit Heffe erhob auch Pflug Im Westen nichts Neues zur geistigen Waffe der Demokraten: »Wie trotz aller Ableugnungen der Dolchstoß von hinten […] zum bitteren Ende des Krieges« mitgewirkt habe, solle jetzt »der Dolchstoß eines scheinbar objektiven, in Wahrheit tief unwahrhaftigen und unwahren Buches die Seele unserer Jugend vergiften«.1165 Im nächsten Schritt gingen die Rezensenten daran, den Vorwurf der Tendenz am Text zu belegen. Maßstab war dabei die ›Wahrheit‹ über den Krieg. Deren Bewertung fand auf zwei Ebenen statt: auf einer faktischen und einer ideologischen Ebene der Authentizität.1166 Die faktische Ebene war gerade zu Beginn der Remarque-Debatte ein wichtiges Beurteilungskriterium. Das lag daran, dass fast alle Kritiker Im Westen nichts Neues nicht als fiktionalen Text, sondern Tatsachenbericht lasen. Demzufolge beurteilten sie das Buch nicht primär aus der Sicht eines Literaturkritikers, sondern mit den Augen eines militärischen Fachmanns.1167 Diese Lesehaltung führte dazu, dass die Rezensenten in vielen Szenen vermeintliche Fehler identifizierten (oder identifizieren wollten) und zu dem Urteil kamen, Remarque habe etliche Angaben schlichtweg erdichtet. Da aber in ihren Augen nur selbst Erlebtes berichtet werden durfte, lehnten sie das Buch als unwahrhaftig ab. Besonders deutlich wird dieser Beurteilungsmechanismus in einer Rezension der Königsberger Allgemeinen Zeitung1168, die im Folgenden eingehender be-

1165 Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung. 1166 Vgl. zur Kategorisierung des Wahrheitsbegriffs Schneider: Erwartungen von Rezensenten, S. 121. 1167 Die maskuline Geschlechtsform wird hier bewusst verwendet, da Frauen in den rechtsnationalliberalen Zeitungen und anderen Blättern des rechten Spektrums – außer zuweilen in Leserbriefen – zum Thema Remarque schlichtweg nicht zu Wort kamen. 1168 Trotz ihrer relativ niedrigen Auflage von 52.000 Exemplaren war die Königsberger Allgemeine Zeitung ein aufwendig produziertes Blatt. Den Angaben der Zeitung zufolge hatte sie »eigene Korrespondenten in allen Hauptstädten der Welt«. Ihre Leser zeichneten sich demnach durch eine »starke Kaufkraft« aus (Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929,

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trachtet werden soll. Indem der Verfasser, der »Frontsoldat« G. von Donop, »die sachliche Richtigkeit der zahlreichen Tatsachenschilderungen« bezweifelte, stellte er die Glaubwürdigkeit des gesamten Textes infrage. Zunächst wies Donop auf den Stellenwert der militärischen Details hin: Sie seien »entscheidend« für die Beurteilung des Romans, denn Remarque selbst wolle diesen gemäß seinem Geleitwort als reine Sachschilderung angesehen wissen. Zudem werde gerade vonseiten seiner Anhänger betont, so Donop, »daß es sich [bei Remarque; der Verf.] um einen Frontsoldaten im eigentlichsten Sinne handele, der hier wirklich den Krieg so schildere, wie er gewesen sei«.1169 Sodann gab Donop Beispiele für die »Fremdheit des Autors mit den Kampfverhältnissen« und militärischen Fragen im Allgemeinen. Zunächst fragte er, wie es überhaupt möglich gewesen sein könne, dass ein Kriegsfreiwilliger von 1914 »bei dem bekannten ungeheuren Bedarf an Führerersatz für die Infanterie an der Westfront« nach mehreren Kriegsjahren noch immer ein einfacher Soldat war.1170 Was den Frontkampf selbst betraf, führte Donop sieben Punkte an, die Remarques fehlende militärische Sachkompetenz beweisen sollten. So konstatierte er, dass glimmende Zigarettenköpfe entgegen der Schilderung des Autors in der Nacht kein Ziel abgeben würden. Dies sei »barer Unsinn« – dessen sei er sich als »alter Jäger, Sport- und Wettkampfschütze« gewiss. »Mich erinnern solche Dinge peinlich an zahlreiche Reporterfeuilletons aus der Kriegszeit«, lautete Donops Urteil zur entsprechenden Szene in Im Westen nichts Neues. »Überraschend« sei auch die Buchsequenz, in der die Truppe durch ein Waldstück marschiert und auf sterbliche Überreste von Soldaten trifft, die regelrecht in den Baumwipfeln zerstreut sind: »Das Ganze wird kurz und sachlich auf Minenwerfer zurückgeführt, obschon selbst der Unerfahrenste wissen müßte«, zeigte Donop die faktische Unmöglichkeit der Passage auf, »daß die minimale Tragweite dieser kurzen Steilfeuerwaffe ein Schießen ins Hintergelände vollkommen ausschließt.« Mit großer Variation seines pejorativen Wortschatzes (»unwahrscheinlich«, »fehlerhaft«, »fast scherzhaft«, »unglaubwürdig«) bezweifelte der Kritiker ferner, dass Männer Handgranaten aus dem Graben bis zu 60 Meter weit werfen könnten, dass eine herankommende Granate von einem Schrapnell zu unterscheiden sei und dass sich die Soldaten täglich Bajonettkämpfe lieferten. Er S. 282). Politisch war die Königsberger Allgemeine Zeitung auf dem rechten Flügel der DVP verortet. 1169 Donop: Ein Frontsoldat zu Remarques Buch. 1170 Selbigen Einwand nahm einen Monat später Franz von Lilienthal in der Berliner BörsenZeitung auf. Er konstatierte, dass es einen Soldaten wie Paul Bäumer eigentlich gar nicht gegeben haben könne, da »ein junger Mann mit Primareife, gesund und von längerer Kriegserfahrung«, der ideale Offiziersanwärter gewesen sei: »Schon nach dem ersten Drittel des Kriegs«, so Lilienthal, »wurden sämtliche irgendwie geeignete [sic!] Kriegsfreiwilligen der Offiziersausbildung zugeführt.« Franz von Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 263 vom 9. 6. 1929 (74. Jg.), S. 3.

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glaube »ganz bestimmt«, resümierte Donop, »daß jeder Frontinfanterist mir zustimmen wird, wenn ich sage, da ß einem w irklichen Praktiker solche technischen Schnitzer gar nicht aus der Feder gehen«. Jedenfalls stehe für ihn fest, dass »Remarque in keiner Weise der ü b erragende und ü b er jeden Zweifel erhab ene Sachschilderer« sei, als den die Ullstein-Reklame ihn hinzustellen suche.1171 Mehrheitlich kamen die Rezensenten somit zu dem Ergebnis, dass Remarque, wie Büchner erläuterte, »nie ein Soldat dieses Krieges war, sondern nur ein durch zufällige Umstände in Uniform gekleideter Zivilist«. Demzufolge sprachen sie ihm das Recht ab, überhaupt vom ›großen Ringen‹ an der Front berichten zu dürfen. Den Krieg, der auch Läuterung und Kraftquell gewesen sei, habe Remarque schlichtweg »als Störung seines Privatlebens« empfunden. Den Autor als Vertreter des Schützengrabensoldaten ablehnend, stellten die Kritiker ihn als Egoisten dar, der an der Front »nur an sich selbst und sein kümmerliches Dasein« gedacht habe, anstatt »sein Leben gering zu achten«. Dieses Verhalten sei nicht verwunderlich, fuhr Büchner fort, denn mit »bourgeoisen Gefühlen« werde man dem Krieg nicht Herr.1172 Mit der Herabwürdigung seines Charakters untermauerten die Autoren der rechts-nationalliberalen Zeitungen, dass Remarque keiner von ihnen sei, sondern ein Vertreter des ›Weimarer Systems‹. So behauptete Heffe, dass sich der »einem guten Bürgerhause« stammende Autor nach dem Krieg zunächst Studieninteressen zugewandt habe, dann in fremde Länder gereist sei und heute den »Typ des bürgerlichen Literaten« verkörpere, der sich dem Materialismus der Zeit anpasse. Zugleich sah er in Remarque einen »Schüler Scheidemanns«, der bekanntlich am 9. November 1918 die Republik ausgerufen hatte und damit das Kaiserreich endgültig Geschichte werden ließ. Gemäß dieser Weltanschauung gebe der Schriftsteller mit Im Westen nichts Neues nun »das Deutschland der Vorkriegszeit« mit all seinen »Einrichtungen staatlicher und organisatorischer Art der Lächerlichkeit« preis. Die Gleichsetzung von Remarque mit der verhassten Weimarer Staatsform machte Heffe so noch einmal deutlich.1173 Oberstudiendirektor Pflug mokierte sich besonders über die Schilderung der Erzieher und Autoritätspersonen: Bäumers Lehrer Kantorek sei ein »bramarbasierender Drückeberger«, der, »von unechtem Idealismus geschwollen«, seine Schüler in den Krieg treibe – in Wirklichkeit sei die Jugend aber freiwillig gegangen. »Alle Ärzte«, fuhr die Lehrkraft fort, »sind rohe und sadistische Menschenschinder«. Und um den Sadismus des Unteroffiziers Himmelstoß darzustellen, der laut Remarque typisch für alle Ausbildungsmannschaften ge1171 Donop: Ein Frontsoldat zu Remarques Buch. 1172 Büchner: Im Westen nichts Neues! 1173 Heffe: Im Westen nichts Neues, S. 2.

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wesen sei, lasse sich der Autor »keine noch so uralte Anekdote vom Soldatenschinden entgehen«.1174 So tendenziös die genannten Rezensenten die Beschreibung von Professoren, Ärzten und Offizieren fanden, so falsch war aus ihrer Sicht die Darstellung der Soldaten in Im Westen nichts Neues. Die Remarqueschen Charaktere, besonders Protagonist Paul Bäumer, in dem der Verfasser selbst erkannt wurde, riefen in den rechts-nationalliberalen Zeitungen beispiellose Empörung hervor. Denn die Männer der Schützengräben, so die verkürzt dargestellte Ideologie vieler Kritiker, seien doch die Keimzelle der kommenden deutschen ›Volksgemeinschaft‹ und die einzigen, die der Jugend ein moralisches Vorbild sein könnten. Als solches aber dienten Bäumer und seine Kameraden den Rezensenten zufolge gerade nicht. Nie hätten Studenten so »unterwertig« gedacht und gefühlt, wie Remarque sie schildere, entrüstete sich der Kriegsteilnehmer Franz von Lilienthal am 9. Juni 1929 in der Berliner Börsen-Zeitung: »Wo Paul handelnd auftritt, versagt er im Menschlichen gänzlich. Körperlich schmutzig, ohne jeden Sinn für das Allgemeine des Geschehens, im Grunde feige, mit der Brutalität eines Schwächlings, verbrüdert er sich mit ein paar Gleichgesinnten, die ebenso rasch im Kriege viehisch werden wie der unreife, schlechtveranlagte Primaner.«1175

1174 Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung. Die vermeintlich von Remarque übernommenen uralten Anekdoten vom Soldatenschinden nahm die Berliner Börsen-Zeitung drei Wochen nach Pflugs Artikel zum Anlass, eine Satire über Im Westen nichts Neues zu veröffentlichen. Darin konstatierte der Autor Timotheus Timm zunächst, dass sowohl die »bejahrte Geschichte von der Zahnbürste […], mit der Unteroffiziersbosheit einst Kasernenstuben reinigen ließ«, als auch die »ein halbes Kapitel füllende Mär vom Umsteigebahnhof in Löhne […] zu altbacken« schmeckten: Sie hätten schon zu viele Generationen erlebt und langweilten »nachgerade auch die, die vom Krieg zerstört wurde, selbst wenn sie seinen Granaten entkam«. Um Remarques Schilderung als bewusst tendenziös zu entwerten, warf Timm dem Schriftsteller sodann nicht nur den Gebrauch uralter, vermeintlich nie erlebter Geschichten vor, sondern er implizierte auch, Remarque habe Szenen komplett erfunden. Zu diesem Zweck schlüpfte Timm in die Rolle des Verfassers von Im Westen nichts Neues und dachte sich eine überspitzte Episode für den Roman aus: »Heute morgen kam mir […] ein neuer, wirklich noch nie dagewesener Einfall. Ein richtiges, echtes Erlebnis, es füllt sicherlich zwei Kapitel«, schrieb Timm. Er schilderte, wie Unteroffizier Himmelstoß im Frontquartier den »Viechskerl« Kaczmarek antreten lässt, damit dieser zur Belustigung des kommandierenden Generals vorführt, wie er acht Kommißbrote vertilgt. Während alle Soldaten elendig hungern, sind sofort Kommißbrote da, »wenn es sich um einen Spaß für die Herren handelt«, berichtet der Erzähler Timms. Die Vorstellung beginnt, jedoch muss Kaczmarek beim siebten Brot aufgeben: »Sensation des Schreckens. Exzellenz grinst höhnisch: ›Ich sagte ja gleich, acht Kommißbrote – unmöglich. Die Leute werden zweifellos im Feld alle sehr gut genährt, entwickeln einen Löwenappetit – aber acht Kommißbrote, das ist menschenunmöglich!‹« Timotheus Timm: Der Methusalem der Kasernenhofblüte, oder Remarque: Im Westen nichts Neues, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 263 vom 9. 6. 1929 (74. Jg.), S. 3. 1175 Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque.

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Während Pflug mit der »viehischen Begier des Essens, des Trinkens, des Beischlafs«1176 in erster Linie die Animalität der Soldaten missbilligt hatte, verurteilte Lilienthal vor allem ihre moralischen Verfehlungen gegenüber Autoritäten: so etwa die Racheakte der Soldaten an ihren Ausbildern und das rüde Verhalten gegenüber betenden Schwestern im Lazarett. Konsequenterweise beendete der Kritiker seinen Artikel mit einer neuerlichen Aufzählung der sittlichen Defizite von Remarques Soldaten: Sie seien »roh, von ekelhafter Gesinnung der Frau gegenüber, […] sentimental und gewalttätig zugleich, grausam gegen die Wehrlosen und kriechend vor der Macht«. Dementsprechend lautete Lilienthals Fazit: »Es ist Herrn Remarque vorbehalten geblieben, den deutschen Frontkämpfer derart zu schildern, wie er den Entente-Völkern als Abscheu der Welt hingemalt worden ist. Paul der ›Boche‹!« Einige Szenen aus Im Westen nichts Neues überträfen sogar alles, was jemals von »ü belwollenden Ausl ä ndern« gegen die deutschen Soldaten gesagt worden sei.1177 Neben dem vermeintlich unmoralischen Verhalten von Remarques Charakteren nahmen die Rezensenten vor allem an deren weltanschaulichen Interpretationen Anstoß. Ihnen fehlten Begeisterung, »Opfermut«1178, ja, die »Bereitschaf t zu sterben«. Der Krieg sei für sie »eine sinnlose, überflüssige Quälerei«, konstatierte Büchner.1179 Seelisch bereits tot, so Professor Pflug, seien Bäumer und dessen Kameraden nur bedacht auf die körperliche »Selbsterhaltung um jeden Preis«. Dabei würden sie den Sinn »des großen Kampfes« nicht im Entferntesten erfassen.1180 Sie seien in den Krieg gezogen, stellte Maxim Ziese1181 in der Deutschen Allgemeinen Zeitung1182 fest, und hätten vergessen warum.1183

1176 1177 1178 1179 1180

Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung. Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque. Ziese: Im Westen nichts Neues. Büchner: Im Westen nichts Neues! Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung. Vgl. auch Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque. 1181 Maxim Ziese widmete sich auf seine Art der literarischen Verarbeitung des Krieges. Mit seinem Bruder Hermann Ziese-Beringer gab er mehrere nationalistisch gefärbte Erinnerungsbände zum Krieg heraus, u. a. Das unsichtbare Denkmal. Zehn Jahre später an der Westfront (1928) und Der Soldat von gegenüber (1930). 1182 Die DVP-nahe Deutsche Allgemeine Zeitung (Auflage: 60.000) galt lange als Sprachrohr Bismarcks. Von 1920 bis 1925 war sie im Besitz des Schwerindustriellen Hugo Stinnes. Nach dessen Tod wurde das Blatt über eine Treuhandgesellschaft von der preußischen Regierung übernommen, bevor das Reich die Kontrolle übernahm. Nach weiteren Eigentümerwechseln ging die DAZ, so die häufig genutzte Kurzform, wieder in den Besitz des Stinnes-Konzerns über. Ihren rechtskonservativen, teilweise antirepublikanischen Kurs behielt die Zeitung stets bei. Vgl. Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945, S. 139–159, sowie Heinz-Dietrich Fischer : Deutsche Allgemeine Zeitung (1861–1945), in: ders.: Deutsche Zeitungen, S. 269–281. 1183 Ziese: Im Westen nichts Neues.

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In diesem Zusammenhang wurde auch die Gottlosigkeit der Remarqueschen Soldaten kritisiert. Wo die deutschen ›Frontkämpfer‹ in Wirklichkeit »tiefe Religiosität«1184 entwickelt hätten, entziehe sich der Verfasser von Im Westen nichts Neues der Verantwortung vor Gott – jenem Gott, so Richard Euringer1185 in der Münchener Zeitung1186, »den dieses Buch […] nur einmal beim Namen nennt: ›Gott, was ist uns schon heilig; – so was wechselt ja schnell bei uns.‹« Damit marschiere der Geist Remarques gegen das, was ihm, dem offenkundig überzeugten Katholiken Euringer, heilig sei: »Der Geist dieses Buches leugnet den Geist, der lebendig macht: er schaltet ihn aus. Er kennt nur den Geist, der tötet.« Die einzigen Schlussfolgerungen seien »Anarchie und Selbstvernichtung«.1187 Der von Euringer angeprangerte Defätismus Remarques war ein wesentlicher Bestandteil der rechts-nationalliberalen Kritik. Denn die Rezensenten vertraten die Ansicht, dass die Frontgeneration nicht im Krieg zerstört, sondern durch diesen gerade in ihrem ›Geist‹ gestärkt worden sei. Schließlich hatten die Kriegsteilnehmer das vermeintliche Vermächtnis der Verstorbenen zu erfüllen – nämlich deren Opfertod durch ein Wiedererstarken Deutschlands Sinn zu verleihen. Zudem sollte die Frontgeneration der heranwachsenden Jugend als vitales Vorbild dienen, damit diese sich in den Dienst derselben – revanchistischen – Aufgabe stelle. Da war das »ewige Klagen«1188 Remarques über die verlorene Jugend, Entbehrung, Kriegsleid und den Tod seiner Kameraden nicht gerade förderlich, befürchteten die rechten nationalliberalen Kreise. Selbiges galt, so Franz von Lilienthal, für »die immer vorhandene Sentimentalität«1189 des Buches, dessen Grundton überhaupt von einer ausnahmslosen Hoffnungslosigkeit geprägt sei. Gegen die entsprechende These von der »verlorenen Generation« wehrten sich Remarques Kritiker mit Vehemenz. Die deutschen Soldaten seien an ihren Fronterfahrungen nicht zerbrochen, betonte Fritz Büchner, obwohl »mancher

1184 Büchner: Im Westen nichts Neues! 1185 Richard Euringer nahm am Weltkrieg teil, wandte sich der Schriftstellerei zu und schloss sich in den späten 1920er Jahren dem Nationalsozialismus an. 1931 gründete er den Nationalverband Deutscher Schriftsteller. Vier Jahre später wurde Euringer zum Reichskultursenator in der Reichskulturkammer ernannt. Vgl. DBE, Bd. 3, S. 194. 1186 Die Münchener Zeitung gehörte zum Generalanzeiger-Konzern der Familie Huck und galt als »unabhängig national« (vgl. Zeitungskatalog 1929, Ortsregister, S. 13). Ihre Sympathien lagen jedoch deutlich bei der DVP. 1929 hatte sie eine Auflage von 110.000 Exemplaren. Vgl. Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945, S. 259. 1187 Euringer: »Im Westen nichts Neues«, S. 259. 1188 Heffe: Im Westen nichts Neues, S. 2. 1189 Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque.

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[…] noch schrecklichere Dinge erlebt« habe, noch »grausigere, über menschliche Vorstellung hinaus furchtbarere, als sie bei Remarque verzeichnet sind«.1190 Mit Nachdruck unterstrichen die Rezensenten von Im Westen nichts Neues, dass der Defätismus und die Unmoral von Remarques Soldaten für das deutsche Heer nicht repräsentativ gewesen seien: Zwar konzedierten sie, dass es Soldaten wie Paul Bäumer gegeben habe; diese seien aber nur eine Minderheit gewesen, die mit der Gesamtheit der ›Frontkämpfer‹ nichts gemein gehabt hätte, wie Lilienthal erläuterte: »Wir alle, die wir den Krieg mitgemacht haben, kennen diese Paule, Tjadens und Kats. […] Es waren jene Leute, die immer noch Läuse hatten, wenn die andern schon längst wieder propper waren, […] die ständig mit Unteroffizieren im Unfrieden lagen und überhaupt eine Qual der Tr uppe waren. Den meisten Kameraden waren sie mit ihrer Unreinlichkeit ein Ekel, verdarben durch ihre ewigen Schweinigeleien den anderen Appetit und Stimmung.«1191

Im gleichen Atemzug wiesen die rechts-nationalliberalen Autoren auf entsprechende heroische Dokumente vom Krieg hin, anhand derer sie den vorbildlichen Charakter der deutschen Frontsoldaten belegt sahen. Besonders häufig genannt wurde Philipp Witkops Feldpostsammlung, die dem »heldischen Geist des deutschen Volkstums« ein Denkmal setze.1192 Hinsichtlich der literarischen Verarbeitung des Krieges wurden – neben dem 1917 gefallenen Dichterhelden Walter Flex – vor allem die Schriftsteller des Soldatischen Nationalismus empfohlen: für das »kollektive Schlachtengeschehen« Werner Beumelburgs Douaumont – das Vorgängerwerk von Sperrfeuer um Deutschland –, für die »Einzelpersönlichkeit« Ernst Jüngers In Stahlgewittern und für das Gesamterlebnis Franz Schauweckers So war der Krieg.1193 Insgesamt war den Remarque-Gegnern nicht bange, dass die mit einem »gesunden und unverfälschten Instinkt« ausgestattete Jugend zwischen Wahrhaftigkeit und Phrasentum unterscheiden und die Entwürdigung der deutschen Frontsoldaten durch Remarque erkennen werde. Die Kritiker von Im Westen nichts Neues halfen der jungen Leserschaft mit ihren scharfen Urteilen dabei noch einmal auf die Sprünge. So schrieb Pflug in Richtung von Walter von Molo, das Buch sei »nicht Denkmal, sondern Leichenschändung«.1194

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Büchner: Im Westen nichts Neues! Vgl. auch Euringer : »Im Westen nichts Neues«, S. 259. Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque. Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung. Ziese: Im Westen nichts Neues. Vgl. auch Donop: Ein Frontsoldat zu Remarques Buch. Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung. Auch Lilienthal stieß sich an den Worten Molos, das Buch sei das Denkmal des ›Unbekannten Soldaten‹: »Alle Toten würden es bezeugen! Ni cht w a h r, Her r von Mol o ? ! Diese zwei Millionen Gefallener, die heute gerade gut genug sind, dafür zu dienen, dass der Präsident der deutschen Dichterakademie

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Im Jahresverlauf wuchs rechts der Mitte bald der Optimismus, dass sich die nachfolgenden Generationen nicht von Remarque auf Abwege bringen ließen. Angesichts der Welle nationalistischer Bücher, die als Antwort auf Im Westen nichts Neues über Deutschland rollte, stellte ein Autor namens F.B. am 9. Dezember 1929 in der Mecklenburgischen Zeitung1195 denn auch einen »pazifistische[n] Kursverlust« fest. Es habe sich eine gewaltige Front von Kriegsliteraten gegen Remarque gebildet, »die mit wesentlich tiefergehendem Eindruck, als dieser für den Pazifismus eintrat, Prediger werden für das bewu ß t Heldenhaf te als Erziehungsideal des deutschen Menschen !« Somit habe Im Westen nichts Neues trotz Rekordverkäufen »seine zersetzende Wirkung« nicht erreicht. Eher das Gegenteil sei der Fall, frohlockte der Autor. Denn der »Wehleidigkeit« Remarques stelle die Jugend den Willen zu »h ä r testem Drill des Geistes im Interesse unserer vaterl ä ndischen Zukunf t« gegenüber ; statt »nutzloser Sentimentalität« gebe sie der »Seelengröße« den Vorzug; und auch in der Frage »Pazifismus o der Kampfcharakter« werde sie sich für letzteren entscheiden, erwartete F.B.: »Im Gemüt […] dieser mannhaften Jugend«, war er sich sicher, »gibt es nur einen Impuls: Was man uns raubte – wir holen es uns wieder«.1196 Gleiches gelte für die Frontgeneration selbst: »Denn Soldaten sind und bleiben wir«, konstatierte F.B. und fuhr fort: »Und darum verschwören wir uns immer wieder aufs neue gegen den Pazifismus, der uns nicht im Blut steckt !« Er sei gegenüber dem Gegner, »der das Schwert jederzeit zum Zuschlagen bereit hält«, ein »Sinnbild potenzierter Unterwürfigkeit«. Und Im Westen nichts Neues, so schließt sich der Argumentationsgang des Rezensenten, symbolisiere »den Fuß des Gegners im Nacken der deutschen Nation«.1197 In diesem Sinne wurde dem Buch sogar ausdrücklich Nutzen beigemessen. Denn Remarque habe sowohl der Jugend als auch der Kriegsgeneration die Fronten in Deutschland wieder klargelegt, argumentierte Eberhard Heffe hämisch: »Insofern gebührt ihm Dank. Das Schicksal seines Buches hat sich [damit] bereits erfüllt.«1198 Tatsächlich sollte er recht behalten.

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ein zweifelhaftes bon mot machen kann!« Vgl. Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque. Die Mecklenburgische Zeitung, ein traditionsreiches rechtsliberales Blatt aus Schwerin, vertrat den konservativen Flügel der DVP. Sie erschien 1929 mit einer Auflage von 16.500 Exemplaren. F.B.: Strömungen in Politik und Kultur (Teil 1), in: Mecklenburgische Zeitung, Schwerin, Nr. 287 vom 9. 12. 1929 (172. Jg.), S. 1. F.B.: Strömungen in Politik und Kultur (Teil 2), in: Mecklenburgische Zeitung, Schwerin, Nr. 288 vom 10. 12. 1929 (172. Jg.), S. 1. Heffe: Im Westen nichts Neues, S. 2.

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7.2.2.5. Katholische Presse »Man müßte das Buch Remarques in sämtliche Sprachen übersetzen und an die Jugend in Freiexemplaren verteilen.« »An drei Abenden habe ich es durchgelesen und dann in Abscheu zu Boden geschleudert. Das Buch muß vernichtet werden.« Leserbriefe in der Kölnischen Volkszeitung vom 5. Mai 1929

Die Remarque-Rezeption durch die nationalliberale Presse hat gezeigt, wie polarisierend Im Westen nichts Neues auf die Geisteshaltungen jener Zeit wirkte. In der Bewertung des Kriegsbuches kannten die meisten Rezensenten gemäß ihrer politischen Weltanschauung nur Schwarz oder Weiß. Die Trennlinie bildete in der Regel die Frage, ob man den Erhalt der Republik befürwortete und zu einer Politik der internationalen Verständigung tendierte – oder eben Revanchegedanken vertrat. Auch im »katholischen Lager« brachte Im Westen nichts Neues »lebhafte Auseinandersetzungen in Bewegung«, konstatierte die Redaktion der Kölnischen Volkszeitung am 28. April 1929 zu Beginn einer Leseraussprache über Remarque.1199 Verantwortlich für die Kontroverse war auch hier die Heterogenität des eigenen Spektrums. So gab es vor allem im Zentrum, mehr noch als in der BVP, heftige Richtungskämpfe. Der demokratische Parteiflügel um den ehemaligen Reichskanzler Joseph Wirth setzte sich für die Republik ein und unterstützte die Verständigungspolitik Gustav Stresemanns. Im Gegensatz dazu drängte das mit dem Finanz- und Agrarkapital eng verbundene rechte Spektrum des Zentrums auf den Abbau der parlamentarischen Demokratie und betrieb eine aggressive Außenpolitik, welche die Revision des Versailler Vertrags zum Ziel hatte. Letztere Strömung gewann nach 1928 allmählich die Oberhand.1200 Für Remarques Kriegsbuch wurden diese Geisteshaltungen zum Bewertungsmaßstab – mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Übereinstimmungen gab 1199 Vorwort der Redaktion zur Leseraussprache »Die beiden Kriegsbücher«, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 297 vom 28. 4. 1929 (70. Jg.), S. 9. 1200 Vgl. Herbert Gottwald und Günter Wirth: Zentrum, in: Dieter Fricke (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 2, Leipzig 1970, S. 920–924, sowie Robert Hofmann: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart, München 1993, S. 157–165. Siehe zum heterogenen katholischen Sozialniveau auch Ursula Büttner : Weimar. Die überforderte Republik 1918– 1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Stuttgart 2008, insb. S. 276–282. Büttner konstatiert, dass eine »vielschichtige Friedensbewegung« für die Aussöhnung in Europa, für Abrüstung und die Zusammenarbeit im Völkerbund eingetreten sei, »während für die Mehrheit der Katholiken wie für die meisten Deutschen die Empörung über den Versailler Vertrag die außenpolitischen Wünsche bestimmte« (S. 280).

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es lediglich in den folgenden Aspekten: So kritisierten viele Rezensenten und Leser den sittlichen Verfall von Remarques Soldaten und vermissten deren Gottesgläubigkeit.1201 Ferner mokierten sie sich über die allzu volltönige Reklame für Im Westen nichts Neues. Grob kristallisieren sich im katholischen Spektrum drei unterschiedliche Positionen zu Remarques Frontschilderung heraus: Zum einen gab es jene progressiven Katholiken, die Im Westen nichts Neues begrüßten, weil das Buch ein Appell gegen den Krieg sei und zur Aufklärung beitrage. Aus ihm spreche die christliche Forderung »Du sollst nicht töten« – und diese stellten die Leser in der Bewertung weit über die moralischen Schwächen von Remarques Charakteren, wie an vielen Briefen in der Kölnischen Volkszeitung1202 deutlich werden wird. Zu einer neutralen, aber kritischen Position zu dem Roman aus dem Hause Ullstein gelangte, wer zwar den Friedensgedanken vertrat, die ethisch-religiöse Seite der Frontschilderung aber ablehnte. Hinzu gesellte sich hier zuweilen der Verdacht der Tendenz. Nichtsdestotrotz hofften die Rezensenten dieser moderaten Geisteshaltung, dass Im Westen nichts Neues die aufkeimende Kriegslust eindämmen werde. Vor allem die Redaktion der Kölnischen Volkszeitung zeichnete sich durch diese Position der Mitte aus, während sich unter ihrer Leserschaft das gesamte Meinungsspektrum wiederfand.1203 Anders reagierte die Berliner Germania1204 – noch vor der Kölnischen Volkszeitung das eigentliche Hauptorgan des Zentrums – auf Im Westen nichts 1201 Dass die Katholiken in Remarques Buch vergeblich nach Gott suchten, war kein Wunder, denn auf diesen hatte der Autor bei der Niederschrift von Im Westen nichts Neues keinen Wert gelegt: »Vielleicht muß ich später einmal als Katholik schreiben. In meinem Buch war dafür kein Raum«, sagte er im April 1929 gegenüber dem katholischen Deutschen Volksblatt. Ähnlich äußerte sich Remarque im Gespräch mit Eggebrecht: Neben politischen und sozialen Stellungnahmen habe er auch »jede […] religiöse« vermeiden wollen. Vgl. Karl Vogler : Begegnung mit Erich Maria Remarque, in: Deutsches Volksblatt, Stuttgart, 9. 4. 1929, sowie Eggebrecht: Gespräch mit Remarque, S. 1. 1202 Gemessen an der Auflage von 70.000 Exemplaren war die Kölnische Volkszeitung die bedeutendste überregionale katholische Tageszeitung. Sie galt als »Exponent des linken rheinisch-westfälischen« Zentrumsflügels und war gemäß ihrem Selbstverständnis als »Zeitung der Mitte, des Maßes und des Ausgleichs«, so Rolf Kramer, »bewusst staatserhaltend und staatstragend«. Ihre Leserschaft setzte sich vor allem aus Industriellen und Kaufleuten, Akademikern, Beamten und Selbstständigen zusammen. Vgl. Rolf Kramer: Kölnische Volkszeitung (1860–1941), in: Fischer : Deutsche Zeitungen, S. 257–267, sowie Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 278. 1203 Die moderate Haltung der Kölnischen Volkszeitung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es seit dem Parteitag von 1928 verstärkte Bestrebungen im Zentrum gab, mit einer »Politik der Mitte« die innerparteilichen Spannungen zu überwinden. Vgl. Gottwald und Wirth: Zentrum, S. 924. 1204 Als Berliner Zentralorgan des Zentrums pflegte die Germania eine konsequent katholische Berichterstattung. Die Hauptaufgabe des überregional erscheinenden Blattes (Auflage: 40.000) war es, Parteipolitik zu betreiben. Nachdem der rechte Parteiflügel um Franz von Papen 1927 die Aktienmehrheit an der Germania erworben hatte, wurde das einstmals

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Neues. Das Blatt, das seit 1927 verstärkt unter dem »rechtsgerichteten Einfluß« seines Hauptaktionärs Franz von Papen stand, wie Walter Kaupert 1932 festhielt1205, lehnte Remarques Kriegsbuch als gottlos und unmoralisch ab. Pazifistische Wirkkraft maß es ihm nicht bei. Zwar verurteilte die Zeitung in ihren Stellungnahmen den Krieg als solchen, schrieb ihm aber als Läuterung und religiös-sittliche Erneuerung einen Sinn zu.1206 Dementsprechend wurden die Toten des Weltkriegs als Märtyrer dargestellt, deren »ergebener Duldersinn« geehrt werden müsse.1207 In einigen Leserkommentaren in der Kölnischen Volkszeitung gesellte sich ein exzessiver Nationalismus militaristischer Prägung zu dieser Geisteshaltung, der den Krieg als Schicksal bejahte und das Vermächtnis der Gefallenen an die »Nachgeborenen« betonte.1208 Entscheidend für die Bewertung von Im Westen nichts Neues war also, in welchem Verhältnis die katholischen Rezensenten und Leser das von ihnen hineininterpretierte politische ›Weltbild‹ des Buches und dessen moralische Werte gegeneinander abwogen. Werteten sie die kriegskritische Einstellung Remarques höher als die vermeintlich fehlende Sittlichkeit und Religiosität, führte dies fast immer zu einer zustimmenden Haltung. Maßen sie jedoch der angeblichen Unmoral einen höheren Stellenwert bei, hatte dies eine neutrale oder ablehnende Reaktion zur Folge. Diejenigen Rezensenten und Leser, die dem Krieg einen Sinn zusprachen, verurteilten das Buch ausnahmslos. »Bleibt Remarque. Hier scheiden sich die Geister, hier stehen sich zwei Lager in unbedingter Ablehnung und in unbedingtem Lobe gegenüber«, sollte die Kölnische Volkszeitung zum Abschluss ihrer Leserdebatte im Juni 1929 feststellen. Das betreffe »auch die deutschen Katholiken, die an dem Remarqueschen Buche ein ganz merkwürdiges Interesse nehmen«. Eine Möglichkeit zur Einigung gebe es dabei nicht.1209

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fortschrittlich-republikanische Blatt zunehmend konservativ, ohne sich jedoch den Rechtskräften anzubiedern. So lehnte die Germania (Untertitel: »Zeitung für das deutsche Volk«) die NS-Bewegung und den Stahlhelm ab und kritisierte in deutlicher Form den Rechtsruck der DNVP unter Hugenberg. Vgl. u. a. Klaus Martin Stiegler : Germania (1871– 1938), in: Fischer: Deutsche Zeitungen, S. 299–313. Kaupert: Die deutsche Tagespresse, S. 98. Vgl. auch Fauth: Die Presse und der Aufstieg der NSDAP, S. 53. Vgl. hierzu auch Wolfgang J. Mommsen: Die nationalgeschichtliche Umdeutung der christlichen Botschaft im Ersten Weltkrieg, in: Gerd Krumeich (Hg.): »Gott mit uns«. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 2000, S. 249– 261, insb. S. 251. E.L.: Heldentum und Duldersinn. Zum Allerheiligengeist und Allerseelengedächtnis, in: Germania, Berlin, Nr. 510 vom 1. 11. 1929 (59. Jg.), S. 1. Vgl. K. Burkhausen (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 330 vom 12. 5. 1929 (70. Jg.), S. 7. N.N.: Streiflichter (8. 6. 1929).

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Remarque-Befürworter Welche Motive viele Leser von Im Westen nichts Neues dazu veranlassten, offen Partei für das Buch zu ergreifen, illustrieren etliche Zuschriften an die Kölnische Volkszeitung. Allerdings herrschte diese affirmative Haltung tatsächlich nur aufseiten der Zeitungsleser vor; die Redaktionen der katholischen Blätter hielten sich mit derart zustimmenden Äußerungen zurück. So blieb die Kölnische Volkszeitung in eigenen Beiträgen zu Im Westen nichts Neues stets neutral und sachlich. Dass sie um Ausgleich bemüht war, zeigt auch die Auswahl der Leserbriefe: Von 33 abgedruckten Zuschriften waren 16 positiv gegenüber Remarques Roman und 14 ablehnend. Drei weitere Verfasser vertraten eine unparteiische Haltung. Im Übrigen nahmen nur zwei Leser zu Ludwig Renns Krieg Stellung – obwohl die Kölnische Volkszeitung zur Diskussion beider Bücher eingeladen hatte. Dies wiederum verdeutlicht, wie stark Im Westen nichts Neues im Deutschland des Jahres 1929 polarisierte und welch große Öffentlichkeitswirkung der Roman erlangt hatte. Die Befürworter unter den Lesern jedenfalls waren sich einig, dass Im Westen nichts Neues ein »Bild der Wirklichkeit« abgebe1210 : »Remarques Buch ist ein Kriegsbild, das sich durch die Kraft und Wucht seiner Darstellung als echt ausweist«, schrieb der Architekturstudent Jos Wolff am 19. Mai 1929.1211 Es schildere »die Wahrheit, die nackte Wahrheit über das Kriegserleben«, hieß es in einer anderen Zuschrift.1212 Zum Kriterium für die ›Echtheit‹ machten die Leser die schonungslose Darstellung der Kriegsschrecken: So stellte der Kriegsteilnehmer Albert Frese fest, Remarque habe das »leben- und geisttötende Kriegswüten« richtig gezeichnet.1213 Nun verewige er »endlich ein Stück Wahrheit«1214 über den »unseligen Krieg«1215, freuten sich auch andere Leser. Und sei diese Wahrheit noch so schrecklich – sie offen zu legen sei das einzig wirkliche »Vermächtnis der Kriegstoten an die Lebenden«, führte Therese Geuer aus.1216 Entsprechend enthusiastisch wurde Remarques Buch dafür gelobt, dass es »den Krieg zeigt, wie er war, daß es die Sinnlosigkeit dieses Tötens aufweist, daß es den Krieg anprangert als den Vernichter alles Ethischen und Menschlichen, den Zerstörer von Familie und Staat, den Zerstörer der Moral«.1217 So schrieb Johann

Max Schnaas (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 363 vom 26. 5. 1929 (70. Jg.), S. 5. Jos Wolff (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 348 vom 19. 5. 1929 (70. Jg.), S. 2. N.N. (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. Albert Frese (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 379 vom 2. 6. 1929 (70. Jg.), S. 10. Therese Geuer (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 330 vom 12. 5. 1929 (70. Jg.), S. 7. 1215 Norbert Köstner (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 348 vom 19. 5. 1929 (70. Jg.), S. 2. 1216 Geuer. 1217 N.N. (9. 6. 1929).

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Güttes am 9. Juni 1929 voller Begeisterung: »Das Buch ist gut; wäre die Wirklichkeit nicht so entsetzlich gewesen, müßte ich sagen, das Buch ist herrlich.«1218 Zum Vorwurf der Tendenz äußerten sich die Remarque-Befürworter unter den Katholiken kaum. Für sie stand offenbar fest, dass die einzige Tendenz von Im Westen nichts Neues die des »Nie wieder Krieg« war. Und dieses christliche Friedensmotto, dessen Anhänger sie selbst waren, ergebe sich bei Remarque allein »aus der Wahrheit der Schilderungen«, erläuterte der Student Werner Stelly.1219 Den Kriegsroman als wahr und tendenzlos anerkennend, hofften die Leser ferner, dass er dazu beitrage, einen neuerlichen Weltkrieg zu verhüten. Und damit allen Menschen das Grauen des Krieges bewusst werde, müsse Im Westen nichts Neues eine möglichst weite Verbreitung finden, argumentierte Dr. W. M. Esser als Vertreter der Frontgeneration: »Aug en zu vor der Wa hrheit ? Warum nicht sehen wollen? Damit kurz oder lang wieder eine derartige Menschenschlächterei vonstatten geht? Kriegsteilnehmer wünschen das Buch in die Hände al ler natürlich denkenden Menschen, damit der Krieg auch l ange na ch dem Krieg noch […] verstanden werde als das Brutale, was er wirklich war : eine offenbare Schande für eine Menschheit, die sich zivilisiert und christlich nennt!«1220

Die Kriegsteilnehmer nahmen sich davon nicht aus: Das Schlimmste, was ihre Generation erleben könne, sei nämlich, so Max Schnaas, dass sie ihr eigenes Kriegserlebnis vergesse: »Vielleicht erschrecken wir ehemaligen Frontsoldaten des Westens selbst, da wir uns in so Vielem was Remarque sagt, wiedererkennen müssen. Dies Erschrecken kann nur heilsam sein.«1221 Am wichtigsten freilich erschien den meisten Lesern die Aufklärung der Jugend. Heinz Schmitz, eigenen Angaben zufolge im selben Alter wie Remarques Protagonist Bäumer bei Kriegsbeginn, plädierte dafür, Im Westen nichts Neues in sämtliche Sprachen zu übersetzen und an die Jugend in Freiexemplaren zu verteilen. Dann würde sie »alle romantischen Sehnsüchte nach dem Kriege verlieren«, erwartete er.1222 Ähnlich argumentierte der gleichaltrige Student Stelly. Ebenfalls in Sorge um die heranwachsende Generation, forderte er, dass man der Jugend Remarques Kriegsbericht in die Hand gebe und ihr sage: 1218 Johann Güttes (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. 1219 Werner Stelly (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 330 vom 12. 5. 1929 (70. Jg.), S. 7. 1220 Dr. W. M. Esser (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 348 vom 19. 5. 1929 (70. Jg.), S. 2. 1221 Schnaas. Vgl. auch Fritz Erb (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 379 vom 2. 6. 1929 (70. Jg.), S. 10. 1222 Heinz Schmitz (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 315 vom 5. 5. 1929 (70. Jg.), S. 8.

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»›Jawohl, so war der Krieg, und nun urteile selbst, ob du weiterleben willst, vielleicht in einen neuen Krieg hinein, oder ob du genug Verantwortung und sittliches Gewissen hast, gegen einen Krieg zu kämpfen, der jeder Kultur und der Lehre Christi ins Gesicht schlägt‹«

Im Übrigen ehre man nur so und nicht anders die Toten, ergänzte Stelly.1223 Die Sorgen vieler pazifistischer Katholiken um die Jugend waren berechtigt, betrachtet man die Verführbarkeit vieler junger Menschen durch die Nationalsozialisten in den Folgejahren. Dass noch »in einem großen Teil unsrer Jugend, nicht zuletzt unsrer akademischen Jugend, jener Geist lebendig zu sein scheint, der den Wahnsinn und die Scheußlichkeit des Krieges nicht nur nicht kennt, sondern auch nicht kennenlernen möchte«, dafür sah Jos. Vallet in den Zuschriften einiger junger – nationalbewusster – Leser ein Indiz.1224 Er habe den Eindruck, die Jugend lese zu sehr Jüngers In Stahlgewittern und ähnliche Traktate: »Kommt dann einmal ein Werk wie ›Im Westen nichts Neues‹, dann findet solch ein Buch vor den Augen der jungen Leute keine Gnade.« Auf eine Zuschrift von K. Burkhausen eingehend, der konstatiert hatte, dass er bei Remarque keine Werte gefunden habe, die ihn erbaut hätten, sondern nur »Gemeinheiten, herabziehendes, verneinendes«1225, schrieb Vallet: »[Er] mag uns, die ›das richtunggebende Ereignis‹ miterleben ›durften‹, glauben, daß wir im ganzen Krieg keine einzige Sekunde gehabt haben, von der wir erbaut gewesen wären.« Die Bestrebungen dürften nicht ruhen, den Krieg gegenüber der jungen Generation als das zu bezeichnen, was er in Wirklichkeit sei: »Der schrecklichste der Schrecken, vom Menschen in seinem Wahn, nein, in seinem schlimmsten Wahn gemacht.« Dazu könne Im Westen nichts Neues seinen Teil beisteuern: »Remarques Buch gehört so, wie es ist, in die Hand jeder Mutter, jeder Braut, jedes jungen Mannes! Sein Erfolg müßte der sein«, so Vallet etwas illusorisch, »daß jedes Volk, falls es zu einem neuen Kriege käme, den Kriegsdienst verweigerte!«1226 Mit ihrer Forderung nach einer »Verständigung der Völker«1227 und der »Pflicht jedes einzelnen, den Krieg zu verhindern«1228, setzten sich die Remarque zugeneigten Leser der Kölnischen Volkszeitung deutlich vom Chauvinismus der nationalistisch gesinnten Katholiken ab. So betrachteten die Befürworter Im Westen nichts Neues denn auch als Gegenstück zu deren »unmöglicher Ideologie vom Krieg als dem ›Ritterdienst an Recht, Sitte und Heimat‹, vom Krieg als dem 1223 1224 1225 1226 1227 1228

Stelly. Jos. Vallet (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 379 vom 2. 6. 1929 (70. Jg.), S. 10. Vgl. Burkhausen (12. 5. 1929). Vallet. Frese. Schmitz.

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Beweis männlichen ›Heldenmuts‹«.1229 Sie hofften, schrieb Therese Geuer stellvertretend, dass Remarques Fronterlebnis viele Menschen aufrüttele und ein Gegengewicht bilde zur »Hochflut von Kommersreden, Tagungsprogrammen ›vaterländischer‹ Verbände, Umzügen von ›Frontkämpfern‹ und Stahlhelmern, Regimentstreffen und Kriegsdenkmalseinweihungstoasten«.1230 Dann würde vielleicht auch »jenes gewisse romantische und heldische Bild des deutschen Infanteristen der Westfront, wie es leider, leider aus tausend Berichten unserer Kriegsberichterstatter und aus tausend sogenannten ›Bildern von der Westfront‹ vertraut ist, zerstört«, ergänzte Schnaas.1231 Dass der Krieg alles andere war als ein Geburtsort von Helden, das betonten ehemalige katholische Soldaten immer wieder. So schrieb Fritz Erb am 2. Juni 1929: »Jedenfalls weiß ich, daß im Trommelfeuer des Grabenkrieges niemand das Deutschlandlied auf den Lippen hatte. Das überließen wir Frontsoldaten lieber den Schaufensterpatrioten hinterm Biertisch. Gerade den katholischen Frontsoldaten lag es sicherlich viel näher, im Trommelfeuer den Rosenkranz zu beten, als das Deutschlandlied zu singen.«1232

Genauso möge man »das Märchen von Langemark« vergessen und vom »frischfröhlichen Krieg«, »Stahlbad des Krieges« oder dem »›Kampf als inneres Erlebnis‹« schweigen, pflichteten ihm Güttes und ein namentlich nicht genannter Leser bei.1233 Gleiches empfahl Erb für die Vorstellung »von der religiös-sittlichen Erneuerung durch den Krieg«.1234 Die Kriegsmythen der Rechten als ideologische Konstrukte entlarvend, verbaten sich die pazifistisch gesinnten Katholiken insbesondere den Missbrauch von Gott für die Sinngebung des Krieges: »Das ist die größte Gemeinheit, Gott mit diesem Krieg in Zusammenhang zu bringen. Gott hat den Krieg nicht gewollt«, schrieb Stelly entrüstet.1235 Überhaupt solle man das Christentum im Ganzen aus dem Spiel lassen, meinte ein anderer Leser : »Oder will man mit dem Christentum den Krieg verteidigen?«1236 Lediglich als Trost- und Hoffnungsspender sowie als das in der Kameradschaft verwirklichte Ideal der Nächstenliebe sei der christliche Glaube an der Front aufgetreten. Die Vorstellung vom Krieg als gottgewolltes Schicksal oder religiöse Läuterung verbaten sich die Leser jedoch aufs Schärfste. Ebenso wenig hielten sie von der Sakralisierung des 1229 1230 1231 1232 1233 1234 1235 1236

Geuer. Ebd. Schnaas. Erb. Güttes sowie N.N. (9. 6. 1929). Erb. Stelly. N.N. (9. 6. 1929).

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Kriegstodes in Form des soldatischen Märtyrers, wie er häufig in nationalistischen Mythen vorkam. Was Im Westen nichts Neues anging, lehnten die Remarque-Befürworter »vom katholischen Standpunkt«1237 aus zwar einige, in ihren Augen unsittliche oder defätistische Stellen ab, an der positiven Bewertung jedoch änderte dies nichts: »Wir danken es jedem«, so Norbert Köstner, »der mithilft, die Erinnerung an den Krieg wachzuhalten, und wir verzeihen manches, was uns an solchen Darstellungen nicht gefällt.«1238 Entsprechend vehement verteidigten Leser wie er das Buch gegenüber der »billigen Entrüstung« von Remarques Kritikern.1239 Remarque-Gegner Die Remarque-Gegner unter den Katholiken sahen indes gar keinen Grund dazu, von ihrer Kritik an Im Westen nichts Neues abzurücken. Denn für sie war das Buch gottlos, unmoralisch und resignativ. Obendrein beschimpfte es alle lebenden Soldaten, schändete das Andenken an die Gefallenen und schadete überhaupt dem Ansehen Deutschlands. Entsprechend breit gefächert war die Empörung: Viele Kriegsteilnehmer, Geistliche, Schüler und Studenten waren sich einig, dass Im Westen nichts Neues ein »Schandbuch« sei.1240 So schrieb der Abiturient Joseph Dolhofer am 26. Mai 1929 entrüstet an die Kölnische Volkszeitung: »Nein, so kann und darf der deutsche Soldat nicht gewesen sein, und so ist er auch nicht gewesen! Deutsch sein, heißt treu sein! Treu gegen Gott, treu gegen das Vaterland, gegen den Treuschwur, treu gegen die Autorität und den Nächsten! Deutsch sein, heißt religiös und sittlich denken und handeln, ja, deutsch sein, heißt groß sein. Das andere ist nicht echt, ist Degeneration.«1241

Sich an sein heroisches Bild vom deutschen Weltkriegssoldaten klammernd, gestand Dolhofer ein, dass Remarque daran Schrammen hinterlassen habe: »Herr Remarque, Sie haben uns Jugendlichen mit Ihrem Buch keinen Gefallen erwiesen. Sie haben uns das Bild, das wir uns vom deutschen Frontsoldaten gebildet, zerstört, vernichtet, zu Boden getreten mit rücksichtsloser Grausamkeit und harter Brutalität.«1242

Auch bei ehemaligen Kriegsteilnehmern stieß Im Westen nichts Neues auf Ablehnung: »An drei Abenden habe ich es durchgelesen und dann in Abscheu zu Güttes. Köstner. Schnaas. A. Schüttken (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 363 vom 26. 5. 1929 (70. Jg.), S. 5. Joseph Dolhofer (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 363 vom 26. 5. 1929 (70. Jg.), S. 5. 1242 Ebd.

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Boden geschleudert«, beschrieb M. Toussaint in der Kölnischen Volkszeitung seine harsche Reaktion auf die Lektüre. Entsprechend lautete sein Fazit: »Das Buch muß vernichtet werden. [Es] ist scheußlicher als der Krieg selber.«1243 Ähnlich sah dies der Leser Jansen Cron, der stellvertretend für die Frontgeneration zu sprechen glaubte: »Kriegsteilnehmer sehen nur mit Entsetzen dieses Buch in der Hand von Frauen und der Jugend.«1244 Als einer der vielen Geistlichen, die sich im Namen der Kirche zu Im Westen nichts Neues äußerten, urteilte ein Pfarrer namens Gersbach wie folgt: »Paul Bäumer und seine Kameraden wissen von […] sittlichem Pflichtgefühl nichts. Sie kämpfen nur um ihr eigenes Leben. Sie waren von Anfang an Soldaten wider Willen. Walter von Molo sagt: Remarques Buch sei von allen Toten geschrieben. Das ist nicht wahr. Bei Langemark gingen unsere jungen Kriegsfreiwilligen singend in die Schlacht. Hat man das schon vergessen?«1245

In moderaterer Form fanden sich derart emotionale ablehnende Stellungnahmen auch unter katholischen Journalisten. Insbesondere die Germania, die als offiziöses Organ der Deutschen Zentrumspartei am nächsten stand, machte aus ihrer negierenden Haltung zu Im Westen nichts Neues keinen Hehl. So schrieb der Chefredakteur Dr. Ernst Buhla1246 am 26. Mai 1929 in einem Leitartikel, dass die deutschen Katholiken es entschieden ablehnen müssten, »in diesem Remarque-Ty p den deutschen Soldaten und in diesem Remarque-Buch das deutsche Kriegsbuch zu sehen«.1247 Buhla nannte zwei Einschränkungen, denen zufolge das Buch keine Allgemeingültigkeit haben könne: Erstens schildere Remarque lediglich das Erlebnis der jungen Generation, und zwar nur »einen Teil dieser, der geistig mit Remarque verwandt wäre«, wie er ergänzte. Und zweitens lasse die »bewu ß t dichterisch-dramat ische Ausschm ü ckung« des Stoffes »Zweifel an der durchgehenden Echtheit des Geschilderten« aufkommen. Das Kriegsbuch aber müsse sich durch eine ganz klare, sachliche, absolut tendenzlose Nüchternheit auszeichnen.1248 1243 M. Toussaint (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 315 vom 5. 5. 1929 (70. Jg.), S. 8. 1244 Jansen Cron (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 297 vom 28. 4. 1929 (70. Jg.), S. 9. 1245 Pfarrer Gersbach (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 297 vom 28. 4. 1929 (70. Jg.), S. 9. 1246 Vgl. Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945, S. 299. 1247 Dr. Ernst Buhla: Kriegsbücher. Remarque und Renn, in: Germania, Berlin, Nr. 241 vom 26. 5. 1929 (59. Jg.), S. 2. 1248 Ebd., S. 1. Dieser Meinung war auch der Literaturkritiker Heinrich Bachmann: »Man komme nicht mit der Behauptung«, schrieb er im Februar 1930 in der Germania, »als ob das Erlebnis des Krieges so sehr jenseits des eindeutig Erfaßbaren liege, daß die Zwischenlösung der dichterischen Darstellung die einzig gegebene sei.« Nicht fiktional müsse man den Krieg verarbeiten, sondern nach streng historischen Maßstäben. Vgl. Heinrich Bachmann: Krisis des Gegenwartsromans, in: Germania, Berlin, 8. 2. 1930 (60. Jg.), S. 7.

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Für Buhla hatte Remarques Buch somit eindeutig eine Tendenz. Er unterstellte dem Schriftsteller, dieser habe bewusst Wertungen vorgenommen, indem er sich Episoden ausgedacht oder zumindest derart dramatisch ausgeschmückt habe, dass sie nicht nur den Sensationsgeschmack der Leser treffen, sondern auch seine Weltanschauung transportieren. So seien einige Episoden in Im Westen nichts Neues zu finden, »die den höchsten Grad der Unwahrscheinlichkeit besitzen«, wie etwa die schlechte Behandlung der Soldaten durch ihre Vorgesetzten: »Es sind jene geschmacklosen Ü ber treibungen militärischen Über-Drills, die wir aus Anekdoten kennen, und die so alt sind, wie die Einrichtung selbst – und zum großen Teil unwahr.«1249 Mehr noch als die vermeintliche Verunglimpfung von militärischen Autoritäten durch Remarque empörte dessen Gegner die Darstellung der Soldaten. Sie sahen darin eine Bedrohung von Religion und Ethik. Vor allem der angeblich schwache Geist der Charaktere in Im Westen nichts Neues rief Ablehnung hervor : »Alles ist bei Remarque von einem niederen Menschentum aus gesehen«, konstatierte K. Burkhausen am 9. Juni 1929 in seiner zweiten Zuschrift an die Kölnische Volkszeitung.1250 Remarque, so empfanden auch andere Leser, stelle die Soldaten als »sinn- und seelenlose Tiermenschen«1251 dar : »Seine ›Helden‹ sind Menschen ohne Glauben, die nichts Höheres kennen, […] die nur an Essen und Trinken denken, die – und das ist schlimmer – auch das Gemeine und die Ausschweifung als selbstverständlich hinnehmen und mitmachen.«1252 Ebenso missbilligte Buhla die »geistige Grundlage« des Buches: Zwar sei der Soldat »Bäumer-Remarque« kameradschaftlich und helfe Verwundeten, »aber was tut er noch?«, fragte der Germania-Chefredakteur : »Er verprügelt – nein mißhandelt in rohester Weise einen Unteroffizier […]. Er schlägt im Felde den Ton des sogenannten Von-Sich-Überzogenen an, der sein Verhältnis zu dem ihm Übergeordneten nach eigenem Ermessen bestimmt. Er freut sich, wenn sein ehemaliger Lehrer tüchtig geschunden wird, […] und schließlich wirft er – nicht im Fieberwahn – auf betende Schwestern im Lazarett einen gläsernen Gegenstand, weil sie […] ihn angeblich im Schlafe stören […].«

Derartig dargestellt würde die »Charakteristik des deutschen Soldaten […] in das Animalische herabgezogen und verzerrt«, kritisierte Buhla die Unmoral der Remarqueschen Charaktere mit ähnlichem Vokabular wie einige Leser der 1249 Buhla: Kriegsbücher, S. 1f. »So war der deutsche Offizier nicht«, konstatierte auch Pfarrer Gersbach. 1250 K. Burkhausen (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. 1251 Hanns-Erich Haack (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 315 vom 5. 5. 1929 (70. Jg.), S. 8. 1252 Schüttken.

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Kölnischen Volkszeitung.1253 Neben dem Absinken der Soldaten »ins moralische Elend« verurteilten die Remarque-Gegner unter den Katholiken insbesondere deren Defätismus und »religiöse Gleichgültigkeit«.1254 Wo in Wahrheit menschliche Stärke und Gottvertrauen vorgeherrscht habe, verbreite der Verfasser von Im Westen nichts Neues nur Resignation, so Buhla: »Remarque weiß nichts von den Hunderten und Tausenden, die im Gebrüll der Schlacht ihren Glauben wiederfanden.«1255 »Metaphysische Tiefe«1256 vermissten viele Leser und Rezensenten auch auf der Ebene der Sinngebung. Sie waren der festen Überzeugung, dass die Soldaten, die 1914 »in edler Kampfbegeisterung« hinauszogen seien, gewusst hätten, warum sie dies taten: »Sie waren nicht Mußsoldaten; vielleicht nur wenige«, betonte Dolhofer und fuhr pathetisch fort: »Die große Mehrzahl aber hat gekämpft für deutsche Ehre, für deutsche Erde, für den deutschen Herd, das deutsche Volk. Sie hat gekämpft mit der Hilfe und dem Vertrauen auf Gott, aus echter Vaterlandsliebe und Nächstenliebe, aus vollem Pflichtgefühl für das Leben und die Erhaltung unserer Nation.«1257

Die bei Dolhofer auftretende Kombination religiöser und nationalistischer Werte zeigt sich in der Definition des soldatischen Heroismus durch viele Katholiken immer wieder. Zwar habe der »Krieg von Chemie und Technik für erhabenes Heldentum im alten Sinne«1258 keinen Platz mehr gelassen, dafür aber hätten die Soldaten einen übermenschlichen »Heroismus des Leidens, Duldens und Opferns« entwickelt, schrieb Adolf Donders an Allerheiligen 1929 in der Germania.1259 Dieser passive Heroismusbegriff barg die Vorstellung, der Krieg habe die Überlebenden geläutert und die Gefallenen zu Märtyrern gemacht. Letzteren sei dabei die »Hilfe der göttlichen Gnade« zuteil geworden, mit der sie in Frieden ruhen könnten1260 : »So wurden sie auf Erden Helden und bleiben im Buhla: Kriegsbücher, S. 2. A. Thomas (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. Buhla: Kriegsbücher, S. 2. Cron. Dolhofer. Grebe (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 379 vom 2. 6. 1929 (70. Jg.), S. 10. Donders: Heimkehr. Mit ähnlichen Worten wie Donders beschrieben etliche andere katholische Rezensenten und Leser den passiven Heroismus der deutschen Frontsoldaten. So erläuterte etwa Otto Steinbrinck im Bayerischen Kurier, dass das Heldentum des Weltkriegs jenes »des Leidens, des tapferen, todesmutigen Aushaltens und Ertragens« gewesen sei. Otto Steinbrinck: Kriegsdichtung und Kriegsheldentum, in: Bayerischer Kurier & Münchner Fremdenblatt, 25. 11. 1929 (84. Jg.). Der in München erscheinende BVP-nahe Bayerische Kurier war mit einer Auflage von 35.000 Exemplaren »das führende Blatt der größten politischen Partei Bayerns«, so die Eigendarstellung der Zeitung. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 331. 1260 E.L.: Heldentum und Duldersinn. 1253 1254 1255 1256 1257 1258 1259

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Himmel Sieger. Uns gingen sie voran. Wir schauen zu ihnen auf«, gab Donders dem Soldatentod einen trostspendenden Sinn. Im Westen nichts Neues freilich hatte in den Augen der nationalistisch gesinnten Katholiken mit jener »Heldenwelt der tapferen deutschen Kriegsopfer« nichts gemein. Remarques Soldaten fehle der entsprechende »Geist des Opfers«, stellte Buhla fest: »Entgegen den ganz Jungen von Flandern« – gemeint ist Langemarck – sei ihnen davon nichts bekannt.1261 Denn anstatt dankbar den Heldentod für das Vaterland zu empfangen, »verteidigen« sich Paul Bäumer und seine Kameraden mit allen Mitteln »vor der Vernichtung«, wie Remarque in Im Westen nichts Neues schrieb.1262 Uneins waren die Gegner des Buches einzig in der Frage nach der Existenzberechtigung des Krieges. Die Rezensenten der Germania betrachteten ihn trotz aller nachträglich positiven Sinngebung als »die furchtbarste Gei ß el, […] mit der sich Völker zu schlagen vermögen«.1263 So war Buhla der Meinung, dass man den Krieg bekämpfen müsse, – allerdings nicht wie Remarque, sondern »in anständiger Weise«.1264 Einige der Leser, die an die Kölnische Volkszeitung geschrieben hatten, maßen dem Krieg indes einen Sinn bei. So sah ein gewisser Kaplan Breuer darin ein »furchtbares, vielleicht rächendes Geschick Gottes«: Letzterer habe Europa heimgesucht, »wie er andere Länder heimgesucht hat mit Erdbeben, Sturmfluten, Seuchen«. Remarques (Anti-)Kriegsbuch werde die Allmacht Gottes nicht bannen können, wenn sie die Menschheit mit einem weiteren Krieg heimsuchen wolle, war Breuer überzeugt.1265 Als »notwendiges Schicksal« bejahte auch Burkhausen den Krieg. Allerdings vertrat er nicht dieselbe – pervertierte – Gottesfürchtigkeit wie Breuer, sondern war offenkundig Anhänger der chauvinistischen Ideologie des Soldatischen Nationalismus. Demzufolge betrachtete Burkhausen den Krieg als ein ebensolches Naturgesetz »wie die Beziehungen der Geschlechter, der Kreislauf des Blutes und die Bewegungen der Gestirne«. Jeder Friedenswunsch hingegen sei aus Schwäche geboren; und noch nie habe er nachhaltig die Geschichte beeinflusst.1266 Rezipienten wie Breuer und Burkhausen mussten Im Westen nichts Neues demnach allein aufgrund ihrer Weltanschauung ablehnen, während etwa Buhla dies trotz seiner vermeintlich christlich-pazifistischen Einstellung tat. Die 1261 Buhla: Kriegsbücher, S. 2. 1262 IWnN, S. 83. 1263 Buhla: Kriegsbücher, S. 2. Eine vergleichbare Ansicht vertrat Steinbrinck. Der Krieg sei »keine Romantik, kein frisch-fröhlicher Spaß, kein Abenteuer [und] kein Taumel« gewesen, konstatierte er, »sondern unsagbar schwer und schrecklich«. Steinbrinck: Kriegsdichtung und Kriegsheldentum. 1264 Buhla: Kriegsbücher, S. 2. 1265 Kpl. Breuer (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. 1266 Burkhausen (9. 6. 1929).

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unterschiedlichen Einstellungen zum Krieg änderten jedoch nichts an der übereinstimmenden Bewertung des Buches: »[Es] ist von keinem Toten geschrieben«, konstatierte Toussaint stellvertretend für alle katholischen Remarque-Gegner.1267 Denn Im Westen nichts Neues verkörperte das Gegenteil von dem, worauf es ihnen ankam: gottesfürchtig, opferwillig, pflichtbewusst, sittlich, patriotisch – all das waren die Remarqueschen Soldaten in den Augen nationalistisch gesinnter Katholiken nicht. Demzufolge hatte der Roman keinen »bildenden Wert, […] am allerwenigsten für die Jugend«, wie der im Dienst der Kirche stehende Breuer erläuterte.1268 Schließlich sollte die heranwachsende Generation die soldatischen Werte des Weltkriegs verinnerlichen – und dafür erschien Im Westen nichts Neues nicht gerade förderlich. Denn Remarques Kriegsbuch, so hieß es, beschmutze das Bild vom aufopferungsvoll kämpfenden Weltkriegssoldaten, es sei schädlich für die sittliche Erziehung der Jugend und führe überhaupt zu einer falschen Welt- und Lebensauffassung: »Das Buch […] ist ein Vorschub für den Materialismus, Fatalismus und damit auch zum Atheismus«, umschrieb Breuer die mögliche Wirkung von Im Westen nichts Neues auf die Jugend.1269 Damit ein solcher Effekt erst gar nicht eintrete, müsse der »Ungeist dieses Buches« bekämpft werden, forderte Burkhausen.1270 Wie die Antagonisten in anderen soziopolitischen Milieus unternahmen auch die katholischen Gegner von Im Westen nichts Neues dreierlei: Zunächst stempelten sie die Frontschilderung Remarques als nicht authentisch, unwahr oder tendenziös ab, wie eingangs illustriert worden ist. In einem zweiten Schritt stellten sie Im Westen nichts Neues Kriegsliteratur gegenüber, die ihrem eigenen Weltbild entsprach. Empfohlen wurden Bücher mit »gemäßigtem Idealismus und heiligem Optimismus«1271, wozu etwa die Werke von Walter Flex und Ernst Jünger oder Philipp Witkops Kriegsbriefe gefallener Studenten gehörten.1272 Schließlich griffen die Remarque-Gegner den Autor selbst an, um mit ihm auch das Buch zu desavouieren. Der Ullstein-Verlag geriet dabei mit unter Beschuss, da er, so hieß es, im Schein seiner pazifistischen Propaganda ein großes Geschäft machen wolle. Manchem katholischen Remarque-Kritiker waren alle Mittel recht, um den Verfasser von Im Westen nichts Neues zu diffamieren. Wo sich Buhla noch bemühte, Remarque »ernst und sachlich« zu begegnen, griff ein gewisser Paul

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Toussaint. Breuer. Ebd. Burkhausen (9. 6. 1929). Vgl. auch Schüttken. Breuer. Vgl. u. a. Burkhausen (12. 5. 1929).

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Oskar Heyse am 3. Mai 1929 in der Essener Volkszeitung1273 zum Mittel der Polemik. Anlass dazu gab ihm die ›Entdeckung‹ zweier Essays, die Remarque 1924 für den Störtebeker, eine wenig bedeutende Avantgarde-Zeitschrift aus Hannover, geschrieben hatte1274 : »Da spielt uns der Zufall die Hefte einer verschollenen Zeitschrift in die Hände, in denen dieser angebliche Homer des Weltkrieges einige Aufsätze publizierte«, schrieb Heyse hämisch. Einer dieser Artikel, genannt der »Leitfaden der D8cadence«, zeige bereits deutlich, wie Remarques Denkweise beschaffen sei: »Wenn man Derartiges, das er ein Jahrzehnt nach Kriegsbeginn veröffentlichen ließ, mit der Tendenz seines jetzigen Ullsteinbuches vergleicht, wundert man sich nicht über sein ›Rezept‹«, fand Heyse.1275 Freilich muss man konzedieren, dass jener Aufsatz ein gefundenes Fressen war, denn Remarques pseudopsychologische Abhandlungen wirken in der Tat etwas befremdlich.1276 Gleiches galt für den bereits erwähnten Essay »Über das Mixen kostbarer Schnäpse«, den Heyse ebenfalls mit Genuss ausschlachtete.1277 Allein der Titel veranlasste den Kritiker der Essener Volkszeitung dazu, Remarque zu attackieren: »Natürlich muß es gleich Schnaps sein; Wein genügt ihm nicht, und vom Bier, unserm edlen Gerstensaft, hält er überhaupt nichts.«1278 Indem Heyse im1273 Die Essener Volkszeitung (Auflage: 48.000) war offen »parteipolitisch« und mehr noch als die Germania konservativ-katholisch eingestellt. In Kreisen von Industrie und Handel fand sie nach eigenen Angaben »größte Beachtung«. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 182. 1274 Remarque: Über das Mixen kostbarer Schnäpse, sowie ders.: Leitfaden der D8cadence, in: Störtebeker, Hannover, Heft 5, 1924, S. 110–116. 1275 Paul Oskar Heyse: Die Cocktails des Herrn E. M. Remarque, in: Essener Volkszeitung, Nr. 122 vom 3. 5. 1929 (62. Jg.), S. 7. 1276 So schreibt Remarque beispielsweise: »Erkunde dein Seelenterrain, ob es saftige, hochstämmige Triebe oder pastorales Unterholz hat. Pflege das eine, opfere das andere. Aber versuche nie, mit Prinzipien zu okulieren. Nur gänzliche Verantwortungslosigkeit läßt hohen Wuchs zu. […] Du durchläufst Opium, Haschisch und Kokain. Zum Morphium rate ich dir nicht; es ist für Dilettanten. […] Du bist am Ende; die mythische Volte naht. Am Horizont dämmert die letzte Station. […] Profanes mit gläubiger Gebärde tun; Heiliges mit profaner Geste agieren. Raffinement durch Primitives beleuchten; Primitives raffiniert erfinden. Du unterminierst das Ehrwürdige und fühlst es ursprünglicher, indem du es durch das Gegenteil hebst.« Remarque: Leitfaden der D8cadence, S. 110ff. 1277 In dem Aufsatz im Störtebeker heißt es u. a.: »Es ist nicht gleich, mit welchem Grundakkord man ein Schnapskonzert beginnt. Wer Sext-Akkorde liebt, wird ein Mokka-KakaoSahne-Trio mit dem Mokka beginnen. Der Quartsext-Akkord fordert gebieterisch die Sahne zuerst. Gewärmter Prunelle, mit Eisstückchen im letzten Augenblick dazu, wird mit geschwenktem Ingwer, klarer Pomeranze, einem Tropfen Zitrone und Silberstäbchen vorbereitet, die Sahne hinzugegeben und nochmals mit Kakao versetzt. Die Kristallisation im Milchkelch beginnt, wenn man aus fünfzehn Zentimeter Höhe noch zwei Tropfen Curacao triple sec einfallen läßt. Etwa drei Minuten lang wird von innen heraus ein Strömen zu den Rändern stattfinden, wie bei dem römischen Brunnen Konrad Ferdinand Meyers.« Remarque: Über das Mixen kostbarer Schnäpse, S. 37ff. 1278 Heyse: Die Cocktails des Herrn E. M. Remarque.

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plizierte, der ›dekadente Lebejüngling‹ Remarque sei nicht Manns genug, Bier zu trinken, stellte er das vermeintlich undeutsche Wesen des Schriftstellers heraus.1279 Sodann aber ging Heyse in medias res: Nachdem er ausführlich aus Remarques Anleitung zum Mixen verschiedener Alkoholika zitiert hatte, unterstellte er dem Autor von Im Westen nichts Neues, dass dieser schriftstellerisch genauso vorgehe. So habe Remarque aus »Gelesenem und Gelebtem, aus Dichtung und Wahrheit einen anderen Kriegsroman, einen literarischen UllsteinCocktail« zusammengemixt.1280 Heyse stützte seine Behauptung auf eine Besprechung verschiedener Kriegsbücher, die Remarque im Juni 1928 für Sport im Bild geschrieben hatte1281: »Mit begabter Zunge spürt man leicht die Ingredienzen«, schrieb der Rezensent der Essener Volkszeitung und erläuterte Remarques angebliches Rezept: »Hier einen Spritzer Barbusse, dort ein Zitronenscheibchen Latzko, einen kräftigen Schuß alten kornhaltigen Volkshumors, zwei Tropfen Schauwecker und Jünger aus fünfzehn Zentimeter Höhe, garniert mit denaturierten Wirtinnen-Versen und einigen exquisiten Früchten aus Nachbars Garten.«1282

Somit brandmarkte Heyse Remarque als Schwindler, der, so ergänzten andere katholische Kritiker, nach finanzieller Bereicherung strebe: »Macht hier nicht jemand Profit an der organisierten Leichenmacherei?« fragte im Juli 1930 ein Redakteur der Osnabrücker Volkszeitung1283, als Im Westen nichts Neues in Deutschland längst die Millionengrenze durchbrochen hatte und die Verfilmung in den US-amerikanischen Kinos lief. Damit sei der Autor nicht nur wohlhabend, sondern reich geworden – »wie ein Kriegslieferant«.1284 1279 Dass Remarque eine Aversion gegen alles Deutsche habe, war im Übrigen eine häufig vorgebrachte Behauptung seiner Gegner. Der Kramer-Legende Glauben schenkend, nahmen viele Leser und Rezensenten allein am undeutsch klingenden Namen des Autors Anstoß. So fragte Dolhofer : »Erich Maria Remarque, ich frage Sie, warum haben Sie Ihren Namen französisiert, warum treten Sie nicht mit Ihrem schlichten, einfachen, deutschen Namen an die Öffentlichkeit und bekennen sich nicht als Erich Kramer?« Vgl. Dolhofer. 1280 Heyse: Die Cocktails des Herrn E. M. Remarque. 1281 Vgl. S. 112, Anm. 420. 1282 Heyse: Die Cocktails des Herrn E. M. Remarque. 1283 Mit einer Auflage von 21.500 Exemplaren war die Osnabrücker Volkszeitung ein typisches regional verbreitetes Zentrumsblatt. Als »politische Zeitung« bekannte sie sich offen zum Katholizismus. Ferner bezeichnete sie sich als »bodenständiges Heimatblatt«. Vgl. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 362. 1284 N.N.: Riesenverdienste von Erich Maria Remarque, in: Osnabrücker Volkszeitung, 5. 7. 1930 (61. Jg.). Auch wenn Remarque in die Hollywood-Verfilmung nicht involviert war, ließ der Kritiker der Osnabrücker Zeitung seine Phantasie spielen, wie dieser geschäftsfördernd eingegriffen haben könnte: »Er äußert vielleicht einige originelle Ideen für diesen neuen Sprechfilm: ›Ich möchte zum Beispiel, daß die sich entfernenden Schritte der todgeweihten Soldaten von den Tränen der Mütter begleitet würden … Zum Untermalen … Das ist ein sehr guter Effekt!‹ Das macht möglicherweise 2000 Dollar extra.«

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Den Verkaufserfolg von Im Westen nichts Neues konnten auch die katholischen Remarque-Gegner nicht verhindern. So versuchten sie zumindest, ihn zu zerreden und die Wirkung des Buches einzudämmen. Die Leser sollten erkennen, dass sie auf die »geschickte Reklame«1285 des Ullstein-Verlags hereingefallen seien, welche den Krieg – »geschäftlich glänzend«1286 – zum »Ausbeuteobjekt lesesüchtiger Gier«1287 gemacht habe, warnte Buhla insbesondere die Jugend: »Wer den Krieg aus eigener Erfahrung nicht kennt, läuft Gefahr, daß er dieses oder jenes Buch a ls das t y pis che Kr ieg sbuch ansieht, zumal dann, wenn eine gerissene Geschäftspropaganda und einige prominente ›Heim‹-Krieger (wie das für Remarque geschieht) […] mit allen Mitteln Stimmung machen.«1288

Die »dumm-dreiste Behauptung« der »Ullsteinpropaganda« jedenfalls, der zufolge Im Westen nichts Neues »für die Menschheit und die zukünftige Generation das wichtigste Buch dieses Jahrhunderts« sei1289, wollten die katholischen Gegner von Remarque nicht auf sich sitzen lassen. Der Kampf ging weiter. Einen Tag nach der Filmpremiere von Im Westen nichts Neues am 4. Dezember 1930 hatte die Germania ihre publizistischen Geschütze schon wieder auf Remarque gerichtet: Das Bild, so hieß es, welches der Film vom deutschen Soldaten an der Front zeichne, sei »eine B eleidigung nicht nur der Millionen Toten, die ihre Treue und selbstlose Hingabe an das Vaterland mit dem Tode besiegelt« hätten, sondern überhaupt all derer, die aus einer »tief ethischen Grundhaltung heraus den schweren, tragischen Dienst mit der Waffe auf sich genommen haben«. Denn Remarques Figuren seien »keine Menschen mehr mit Leib und Seele, sondern seelenlose Schemen, einzig und allein auf ihres Leibes Notdurft, auf Fraß und Suff bedachte Wüstlinge, die an allen Gliedern schlottern, sobald sie im Graben liegen oder das Granatfeuer über sich ergehen lassen müssen«.1290 Wenige Tage nach dem Erscheinen des Artikels brauchte sich die Germania um das Ansehen der deutschen Soldaten keine Sorgen mehr zu machen. Seit dem 11. Dezember 1930 war der Film verboten.1291 Die Kölnische Volkszeitung – ein neutrales Forum Im Gegensatz zur Germania vertrat die Zentrumszeitung aus dem Rheinland eine neutrale Haltung zu Im Westen nichts Neues. Diese entsprach ihrem Selbstverständnis, das sich in einer Verlagsanzeige folgendermaßen las: »Sie 1285 1286 1287 1288 1289 1290 1291

Schüttken. J. Boesch (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. Cron. Buhla: Kriegsbücher, S. 1. Heyse: Die Cocktails des Herrn E. M. Remarque. Do.: Remarque im Film, in: Germania, Berlin, Nr. 566 vom 5. 12. 1930 (60. Jg.), S. 3. Vgl. zur Debatte um den Film sowie dessen Verbot Kap. 7.2.4.

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verfolgt den Weg des Ausgleichs und der Verständigung.«1292 Remarques Roman zunächst auf einer rein literarischen Ebene bewertend, äußerten die Rezensenten der Kölnischen Volkszeitung sowohl Lob als auch Kritik. So sei vieles in dem Buch »wahrhaft großartig gezeichnet«, stellte ein namentlich nicht genannter Redakteur in den »Streiflichtern« vom 9. Februar 1929 fest.1293 Immer da, wo Remarque die Front geschildert habe, liege er richtig. Demzufolge werde seine schriftstellerische Leistung »nicht alltäglichen Ausmaßes« auch »ohne jeden Zweifel« von den Frontkämpfern anerkannt werden, glaubte der Rezensent. Andererseits konstatierte er, dass die Kriegsschilderung »zuviel Schatten und immer nur Schatten« beinhalte. Dies betraf dem Kritiker zufolge insbesondere die Darstellung der militärischen Ausbildung: Hier liege der Verfasser »oft schief«: So sei es beispielsweise schade, dass »solch ein Künstler nicht auf die reichlich abgegriffene Schrubberei mit der Zahnbürste« verzichtet habe. Auch Unteroffizier Himmelstoß war »nicht der Typ, sondern nur ein Typ«, glaubte der Rezensent der Kölnischen Volkszeitung. Ferner kritisierte er die »abstoßend« wirkende Unsittlichkeit der Soldaten in manchen Szenen. Nichtsdestotrotz nützten Kriegserzählungen wie jene Remarques »dem Volke und dem Menschheitsgedanken«. Denn anders als die vielen »Führermemoiren« von Generälen und Politikern würden sie »am Ende immer wie Beschwörungen gegen den Krieg wirken« und die Kriegslust niederhalten, erwartete der Rezensent gemäß seiner christlich-pazifistischen Weltanschauung. Dennoch warnte er die sozialdemokratischen und bürgerlich-liberalen Kräfte davor, Im Westen nichts Neues für politische Zwecke zu missbrauchen. Dies wäre »falsch und recht erbärmlich«; das Buch sei nur literarisch zu werten.1294 Diese erste Reaktion der Kölnischen Volkszeitung war exemplarisch für die Haltung, die das neben der Germania bedeutendste Zentrumsblatt gegenüber Im Westen nichts Neues vertrat. Sie vereinnahmte das Buch nicht, lehnte es aber auch nicht ab. Auch als Ullstein weiter kräftig die Werbetrommel für Im Westen nichts Neues rührte, stellte sich die Zeitung nicht gegen Remarque. Die kritischen Töne aber mehrten sich. So war in der nächsten Stellungnahme vom 30. März 1929 erstmals der Vorwurf der Tendenz hörbar. In einer äußerst lobenden Besprechung von Ludwig Renns Krieg schrieb der Rezensent, dass bei Remarque durch »einiges verallgemeinerndes Beiwerk« die »Vorstellung von Tendenz« erweckt werde, während Renn »wunderbar klare Holzschnitte« mache.1295 Einleitend zur Leseraussprache in der Kölnischen Volkszeitung erschien eine weitere Rezension beider Bücher. Auch hier konstatierte der Ver1292 1293 1294 1295

Verlagsanzeige, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 193 vom 17. 3. 1929 (70. Jg.), S. 10. N.N.: Streiflichter, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 102 vom 9. 2. 1929 (70. Jg.), S. 1. Vgl. zum gesamten Absatz ebd. N.N.: Streiflichter, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 227 vom 30. 3. 1929 (70. Jg.), S. 1.

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fasser K. Heinrichs, dass Renn sein Fronterlebnis »jenseits aller Tendenz« schildere, wohingegen Remarque »nicht bloßer Chronist« sei, sondern das Geschehen werte. Zudem habe er den Eindruck, Remarque spekuliere durch die übertriebene Ausmalung »jener niederen Instinkte« der Soldaten »in bekannter Manier auf sensationelle Publikumswirkung«.1296 Die vermeintliche soldatische Sittenlosigkeit und die in den Augen der Rezensenten tendenziöse Darstellung militärischer Autoritäten blieben jedoch die einzigen Kritikpunkte an Remarques Kriegsbuch, die von redaktioneller Seite in der Kölnischen Volkszeitung geäußert wurden. Religiös oder nationalistisch motivierte Vorwürfe gab es nicht. So warfen die Rezensenten Remarque etwa nicht vor, dass seine Soldaten gottlos seien, den Krieg nicht als Läuterung bejahten oder dass das Buch insgesamt die Wehrhaftigkeit der Jugend untergrabe. Die moderate Haltung der Kölnischen Volkszeitung, die sich im Übrigen auch in ihrem zurückhaltenden Ton widerspiegelt, lässt sich damit erklären, dass ihr zufolge die moralischen Schwächen des Buches durch dessen kriegskritische Einstellung ausgeglichen wurden. Denn gemäß ihrem christlichen Friedensgedanken hofften die Rezensenten des Blattes, Im Westen nichts Neues werde helfen, die aufkeimende Kriegslust in Deutschland einzudämmen. Und was auch immer dazu beitrug, den »Krieg als gigantischer Vernichter des Menschlichen« zu verhindern, hatte seinen Wert.1297 Zu den »für Remarque Begeisterten« gehörte die Zeitung damit aber nicht. Jene hätten den Fehler gemacht, betonte die Redaktion zum Abschluss der Leseraussprache am 8. Juni 1929, Im Westen nichts Neues »als das Frontbuch« zu bezeichnen: »Es ist ein Frontbuch. Das Frontbuch wird es niemals geben. Bei der Beurteilung einer literarischen Leistung muß man immer ganz leidenschaftslos vorgehen«, konstatierte das Blatt in Richtung der bürgerlich-liberalen Remarque-Befürworter. Dem Autor hielt die Kölnische Volkszeitung immerhin zugute, dass er sich »aus der lärmenden Öffentlichkeit« zurückhalte. Überhaupt könne Remarque wenig dafür, dass sein Buch stets verallgemeinernd betrachtet werde. Zur Verteidigung des Schriftstellers schrieb das Blatt ferner, dass es »unendlich billig und töricht« sei, diesen mit Glossen über seine frühen Aufsätze zu diffamieren – genau das also, was unter anderem in der ebenfalls katholischen Essener Volkszeitung geschehen war. Peinlich seien auch die »hämischen Be1296 K. Heinrichs: Zwei Kriegsbücher, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 288 vom 25. 4. 1929 (70. Jg.), Beilage Literarische Blätter. 1297 Ebd. Folgende Äußerungen bestätigen die kriegskritische Haltung der Kölnischen Volkszeitung: »Wer in friedlichen Zeiten Kriegsbegeisterung predigt, versündigt sich an der Jugend und der Zukunft des Volkes. […] Der Krieg an sich ist ein Wahnsinn, ein vollendetes Grauen; hier gibt’s keine Diskussion. Soll in gewissen Zeitabständen die europäische Jugend auf den Schlachtfeldern hingemäht werden wie reifes Korn?« N.N.: Streiflichter (8. 6. 1929).

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merkungen« über Remarques Kriegsbuch »in so manchen deutschen rechtsgerichteten Zeitungen«. Diese würden einen »unglaublichen Neid über den Erfolg verraten«.1298 Grundsätzlich wandte sich die Kölnische Volkszeitung gegen jegliche Politisierung des Fronterlebnisses. Ebenso bedauerte sie die heftigen Auseinandersetzungen um die Deutung des Krieges, wie die Redaktion in den »Streiflichtern« vom 2. November 1929 ausführte: »Wir müssen uns wundern, daß das Fronterlebnis in eine einzige Form zu gießen versucht wird und daß eine Unduldsamkeit Platz zu greifen beginnt, die dem peinlichen Fehler so sehr vieler Deutscher entspringt, den anderen, der nicht der gleichen Auffassung ist, […] zu diffamieren, zu bekämpfen.«

Obwohl die individuellen Kriegserfahrungen der Soldaten doch vollkommen unterschiedlich gewesen seien, würden »einige […] nur das Häßliche, einige nur das Erhabene« sehen wollen. Zwei grundlegende Fronten machte die Zeitung dabei aus – mit keiner identifizierte sie sich. Da seien zum einen die linksbürgerlichen Pazifisten, »welche den Krieg immer und unter allen Umständen ablehnen […] und auch das Mittel der Kriegsdienstverweigerung als erlaubt und als aus christlichen Gesetzen kommend geboten ansehen«. Genauso wenig hielt das katholische Blatt indes von all den säbelrasselnden Nationalisten, »welche die Greuel des Krieges vergessen oder übersehen« hätten: »[Sie sind] dem Militärischen und dem Kriegerischen aus ihrer Grundveranlagung so stark zugeneigt, daß sie im bürgerlichen Leben davon nicht loskommen, beim Klang von Trommeln, dem Anblick von Fahnen und einer gleichmäßig marschierenden Männermenge sich entflammen, Kampf, Schießerei und Lärm um jeden Preis lieben und in ihrer eigentlich rührenden Knabenhaftigkeit die ganze Welt, die Völker und die deutsche Zukunft nur durch die Mündung der Kanonenrohre sehen«.1299

Erstaunlich offen kritisierte die Kölnische Volkszeitung damit den Umgang des rechten Lagers mit dem Kriegserlebnis. Dies lässt sich vor dem Hintergrund erklären, dass die Agitation der nationalistischen Kreise gegen den Young-Plan sowie der unter Hugenberg erfolgte Rechtsrutsch der DNVP auf scharfe Ablehnung bei den progressiv gesinnten Katholiken stieß. So befürchteten diese durch die Art, »mit der im rechtsradikalen Lager von Fronterlebnis und Frontgeschlecht gesprochen wird«, ein Fortschreiten der gesellschaftlichen Polarisierung und eine anwachsende revanchistische Kriegsstimmung.1300 Angesichts der Vielschichtigkeit der katholischen Remarque-Rezeption lässt sich kein einheitliches Fazit ziehen. Zwar hat die Analyse der zeitgenössischen 1298 N.N.: Streiflichter (8. 6. 1929). 1299 N.N.: Streiflichter, in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 772 vom 2. 11. 1929 (70. Jg.), S. 1. 1300 Ebd.

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Kommentare gezeigt, dass die Prägungen des katholischen Milieus bei der Bewertung von Im Westen nichts Neues eine entscheidende Rolle spielten – aber zu völlig unterschiedlichen Urteilen führten. Dies lag in erster Linie an der Heterogenität des soziopolitischen Spektrums: So schwankte das Zentrum als »christliche Volkspartei« stets zwischen einem pro-republikanischen und einem nationalen Kurs, was sich in der Presserezeption von Remarques berühmtem Kriegsroman klar widerspiegelt.1301 Deutlich geworden ist hierbei, dass der von rechts stark angegriffene Schriftsteller auch unter Katholiken viele Gegner hatte. Bei ihnen war nationalistisches Gedankengut ebenfalls weit verbreitet – und es wurde in der Endphase der Republik, vor allem unter Reichskanzler Brüning, nicht weniger. In dieser Hinsicht ist die Remarque-Rezeption durch die katholische Presse ein Indiz dafür, dass sich die antidemokratischen Kräfte innerhalb des deutschen Katholizismus seit den ausgehenden 1920er Jahren zunehmend durchzusetzen vermochten.1302 Eine wirklich pazifistische, auf die Versöhnung der Völker abzielende Religiosität sprach nur aus der Feder von Lesern, die Im Westen nichts Neues in Briefen ihre Sympathien bekundeten. Dagegen standen die Zeitungsredaktionen, von der neutralen Kölnischen Volkszeitung einmal abgesehen, dem Buch ablehnend gegenüber.

7.2.2.6. Nationalistische Presse »Das Vermächtnis unserer toten Kameraden ist uns zu heilig, als daß wir schweigend eine solche Entwertung und Entwürdigung ihres Opfers tragen könnten.« Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger vom 2. Juli 1929

Die Reaktion der nationalistischen Presse auf Im Westen nichts Neues war vollkommen einheitlich – nämlich ablehnend. So findet sich in den vorliegenden Rezeptionsdokumenten nicht eine einzige zustimmende Stellungnahme. »In völligem Gegensatz zu dem Remarqueschen Buche«1303 standen die Zeitungen Alfred Hugenbergs sowie die übrigen »nationalen«, »vaterländischen« und »völkischen« Blätter deshalb, weil Im Westen nichts Neues ihre heroische Version vom Kriegserlebnis und damit einen zentralen Bestandteil ihrer Weltanschauung zu untergraben drohte. Dabei hängte sich ihre Kritik nicht so sehr an der schonungslosen Beschreibung des Kriegsgrauens auf – dieses wurde als Faktum akzeptiert. Angriffsfläche boten vielmehr Remarques fehlende Sinngebung und 1301 Vgl. Gottwald und Wirth: Zentrum, S. 916. 1302 Vgl. Lösche: Kleine Geschichte der deutschen Parteien, S. 78. 1303 N.N.: Nochmals Remarque?, in: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, Nr. 180 vom 2. 7. 1929 (82. Jg.).

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nicht zuletzt der ungeheure Erfolg des Werkes, den die liberalen, republiktragenden Kräfte für sich beansprucht hatten. Maßgebend bei der Beurteilung von Im Westen nichts Neues war die politische Programmatik der Deutschnationalen und der ihr nahestehenden Gruppierungen (etwa Stahlhelm und Alldeutscher Verband). Als »Sammelbecken der konsequent antirepublikanischen Kräfte und der erklärten Gegner der bürgerlichen Demokratie«1304 kämpfte etwa die DNVP für die Wiederherstellung der ›Großmachtstellung Deutschlands‹ und die Revision des Versailler ›Schmachfriedens‹.1305 Da ihren Anhängern bewusst war, dass diese Ziele auf friedlichem Wege nur schwerlich erreicht werden konnten, musste die Wehrhaftigkeit des Volkes und insbesondere der Jugend gestärkt werden. Und dafür wiederum war eine positive Sinngebung des Krieges Voraussetzung. Die Zeitungen der DNVP halfen dabei, dies zu gewährleisten. Zwar waren sie formell von der Partei unabhängig, wurden aber dennoch zielstrebig für deren Politik eingesetzt. So illustrierten etwa der Berliner Lokal-Anzeiger, Der Tag und die Deutsche Zeitung stets das »heroische Ringen« der deutschen Frontsoldaten »gegen Menschen und Material der ganzen Welt«1306, um damit zum einen den Lesern soldatische Tugenden wie Mut, Pflichtbewusstsein und Opferbereitschaft einzuimpfen und zum anderen mit der Vergangenheit zu versöhnen: »Das Blut im großen Krieg kann nicht ›umsonst‹ geflossen sein. Taten des Herzens können nie vergebens sein«1307, schrieb Ernst Jünger im Hugenbergschen Tag1308 besonders in Richtung der nachrückenden Generationen, welche das Vermächtnis der Gefallenen erfüllen sollten: die Verwirklichung der deutschen ›Volksgemeinschaft‹, deren Keimzelle wiederum der in der »Gluthölle der Schlachten« geborene Nationalismus sei.1309 1304 Wolfgang Ruge: Deutschnationale Volkspartei (DNVP), in: Dieter Fricke (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 1, Leipzig 1968, S. 715. 1305 Vgl. Hofmann: Geschichte der deutschen Parteien, S. 171ff. 1306 H.W.F.: Flandern, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 58 vom 3. 2. 1929 (47. Jg.), S. 22. 1307 Ernst Jünger : Tote, die nicht sterben dürfen, in: Der Tag, Berlin, Nr. 281 vom 24. 11. 1929 (29. Jg.), S. 27. 1308 Der Tag (Auflage: 70.000) gehörte ebenso wie der Berliner Lokal-Anzeiger zum deutschnationalen Scherl-Verlag Hugenbergs. Beide Blätter kooperierten, so hatten sie etwa dieselbe Sonntagsbeilage Die Weite Welt. Allerdings legte Der Tag mehr Wert auf das Feuilleton und kam elitärer daher als der Lokal-Anzeiger. Mit seiner völkischen Ausrichtung (vgl. die regelmäßige Beilage Wege zur Volksgemeinschaft) kann Der Tag als das eigentliche Sprachrohr von Alfred Hugenberg angesehen werden. Vgl. Fischer : Handbuch der politischen Presse, S. 266. 1309 Goetz Otto Stoffregen: Die Kriegsgeneration spricht, in: Der Tag, Berlin, Nr. 294 vom 10. 12. 1929 (29. Jg.), S. 11. Vgl. hierzu auch Schauweckers viel zitierten Satz in Aufbruch der Nation: »Wir mußten den Krieg verlieren, um die Nation zu gewinnen« (Schauwecker : Aufbruch der Nation, S. 403).

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Im Westen nichts Neues konterkarierte dieses militaristische Weltbild total. Insbesondere machte das Buch den Krieg nicht schmackhaft. Das erkannte auch die nationalistische Presse, die sogleich daran ging, Remarques Schilderung als Verunglimpfung der Weltkriegstoten zu brandmarken und ihr jegliche Allgemeingültigkeit abzusprechen: »Unter keinen Umständen ist dies Buch ›von allen Toten geschrieben‹«1310, hallte es unisono durch den nationalistischen Blätterwald – womit die DNVP-Presse nahtlos an die Reaktion der rechts-nationalliberalen Zeitungen und der katholischen Remarque-Gegner anknüpfte. Folgender Artikel im Tag, der das Verbot von Im Westen nichts Neues im österreichischen Heer ausdrücklich begrüßte, illustriert in geraffter Form wesentliche Aspekte der nationalistischen Kritik an Remarque: »Mit soldatischem Geist hat dieses Buch in der Tat nicht das mindeste zu schaffen; es wäre vollends grotesk, Berufssoldaten auf Staatskosten die Kenntnis eines Tendenzwerks zu vermitteln, das im kämpferischen Geist nur eine verkrampfte Haltung sieht und den Krieg nicht vom Standpunkt des Soldaten wertet, sondern über Leid und Gefahr den Sinn des großen Geschehens nicht zu fassen vermag. Ein solches Buch gehört nicht in Soldatenbibliotheken, mögen auch die Nutznießer der Paneuropaoffensive, die auch das Heer pazifistisch aufweichen wollen, sich über diese Selbstverständlichkeit aufregen.«1311

Besonders deutlich spricht aus diesen Ausführungen die Gleichsetzung von Im Westen nichts Neues mit den republiktragenden Kräften, die sich über genau diesen Artikel in ihren Gazetten empörten.1312 Zu ihnen zählte die nationalistische Kritik sowohl jene liberalen Pazifisten, die Remarques »undeutsches«1313 Buch »in den Himmel gehoben« hätten1314 – gemeint waren offenbar die in der Ullstein-Presse vielfach zu Wort gekommenen prominenten Literaten wie Zuckmayer, Kellermann und Unruh –, als auch ›Verständigungspolitiker‹ wie Außenminister Stresemann, der mit seinem französischen Kollegen Briand an einer europäischen Einigungspolitik (»Paneuropaoffensive«) schmiedete. Genau wie Remarque waren sie für die Rechtskräfte »Feinde des nationalen Gedankens«1315 und »Pazifisten im erbärmlichsten Sinne des Wortes«, wie der Berliner Lokal-Anzeiger ergänzte.1316 1310 1311 1312 1313

N.N.: Nochmals Remarque? sy.: Österreichs Heeresminister gegen Pazifistenpropaganda. Vgl. S. 235, Anm. 1087 und 1088. Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? in: Niederdeutsche Zeitung, Hannover, 7. 7. 1929 (8. Jg.). 1314 N.N.: Was die Franzosen über Remarque sagen, in: Der Tag, Berlin, Nr. 213 vom 5. 9. 1929 (29. Jg.). Vgl. auch N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques, in: Niederdeutsche Zeitung, Hannover, 21. 9. 1929 (8. Jg.). Letzterer Artikel war zuvor in den Münchner Neuesten Nachrichten erschienen und wurde auch im Völkischen Beobachter abgedruckt. 1315 Lothar Mayer-Lindgens: Deutsche Belletristik im Dienste des nationalen Gedankens, in: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, Nr. 48 vom 17. 2. 1929 (82. Jg.), S. 26.

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Hinter all dem stand freilich das ›Weimarer System‹, welches »nicht auf dem nationalen Gedanken gegründet« sei, »sondern auf seiner Negation«.1317 Die Republik begegne den überlebenden »Blutzeugen« des Krieges nur mit »Abneigung und Haß«, gerierten sich die nationalistischen Rezensenten als Anwälte der Frontgeneration.1318 So hätten sich die Konstrukteure des Weimarer Staates – Männer, die »zu Hause geblieben waren« – seit Kriegsende weder um das Erlebnis noch um den »unter großen Erschütterungen nach Neuland suchenden Willen« der Soldaten gekümmert. »Zehn Jahre hat man ohne sie, dafür um so mehr durch sie gelebt«, kritisierte ein gewisser Dr. Eugen Schmahl am 27. März 1929 in der Neuen Preußischen Kreuz-Zeitung1319. Und nun würden die Stellvertreter dieses ›Systems‹ obendrein den Stolz der Mütter auf ihre gefallenen Söhne mit Füßen treten, fuhr Schmahl fort, indem sie ein Buch wie Im Westen nichts Neues protegierten.1320 Dabei seien doch die Toten ein »frisches Blutquell«. Die Verbindung zu ihnen zu zerreißen, hieße, sich einer starken Stütze zu 1316 Arthur Riebe: Drei neue Kriegsbücher, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 268 vom 9. 6. 1929 (47. Jg.), S. 35. Der zum Scherl-Verlag gehörende Berliner Lokal-Anzeiger (Auflage: 250.000) war Meinungsführer der etlichen von der Wipro und der Telegraphen-Union belieferten Lokal- und Heimatblätter. Zwar weniger militaristisch eingestellt als die Neue Preußische Kreuz-Zeitung, hofierte das Hugenberg-Blatt dennoch den Stahlhelm. Mit seiner vaterländischen Gesinnung einerseits und seinem hohen Anteil an seichter Unterhaltung andererseits sprach der Berliner Lokal-Anzeiger ein breites Publikum an, insbesondere städtische Kleinbürger. Knapp jede fünfte Berliner Familie hatte das Blatt abonniert. Vgl. Ruge: Deutschnationale Volkspartei, S. 720. 1317 N.N.: Was wir aus Versailles machten, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 220 vom 28. 6. 1929 (82. Jg.), S. 2. 1318 Hans Zappe: Das Recht an unseren Toten, in: Der Tag, Berlin, Nr. 281 vom 24. 11. 1929 (29. Jg.), S. 1. 1319 Die DNVP-nahe Neue Preußische Kreuz-Zeitung (Auflage: 60.000) galt als »Sammelpunkt altpreußischer konservativer Kräfte« (Fischer : Handbuch der politischen Presse, S. 265). Nach Verlagsangaben kamen die Leser aus »der deutschen Aristokratie, auserlesenen Gesellschaftskreisen in Stadt und Land, Großgrundbesitzern, führenden Köpfen der Wissenschaften, Industrie und Wirtschaft« (vgl. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 56). Wo die Kreuz-Zeitung politisch verortet war, machte schon ihr Zeitungskopf deutlich: das Eiserne Kreuz, umrandet mit dem Schriftzug »Vorwärts mit Gott für König und Vaterland«. Über der regelmäßigen Beilage Wehr und Waffen, in der Artikel wie »Stellungskrieg in Theorie und Praxis« oder »Die Kreuzer der Reichsmarine« erschienen, prangten zudem die Daten 1813 (Sieg der Koalition gegen Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig), 1870 (deutsch-französischer Krieg mit dem preußischen Sieg in Sedan und der anschließenden Reichsgründung) und 1914 (Beginn des Ersten Weltkriegs). Neben ihrer militaristischen Grundeinstellung und der Befürwortung der Monarchie stand die Zeitung für die Ablehnung von Republik, Demokratie und Liberalismus. Mit aller Härte agitierte sie gegen Kommunisten und Sozialdemokraten und hofierte zugleich den Stahlhelm. Vgl. auch Meinolf Rohleder und Burkhard Treude: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung (1848–1939), in: Fischer: Deutsche Zeitungen, S. 209–224. 1320 Dr. Eugen Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration. Erlebnis und Bekenntnis. Remarques Buch: »Im Westen nichts Neues«, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 127 vom 27. 3. 1929 (82. Jg.), S. 9.

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berauben. Man müsse für sie kämpfen und sie ehren; das sei die Grundlage für das Wachstum einer »Volks- und Wesensgemeinschaft«, schrieb Hans Zappe im Tag.1321 Gemäß der Zielsetzung der DNVP, die republikanische Staatsform zu beseitigen – woran es keine Zweifel mehr gab, nachdem Hugenberg im Oktober 1928 den Parteivorsitz übernommen und damit den gouvernementalen Flügel entmachtet hatte1322 –, bekämpfte die deutschnationale Presse auch Remarques Kriegsbuch. Dieser Kampf richtete sich gleichermaßen gegen die »demokratische Linkspresse«1323, womit insbesondere die »Ullstein- und Mosse-Blätter«1324 gemeint waren. Jene richteten »Schaden für die nationale Sache«1325 an, indem sie Remarques »Machwerk«1326 zu einer »pazifistischen Propaganda großen Stils«1327 ausschlachteten und Autoren wie Schauwecker und Jünger verschwiegen, hieß es vonseiten der nationalistischen Kritik. So zeige Remarques Erfolg bereits die »Entfremdung weiter deutscher Volkskreise in der Kriegsfrage« und sei demnach »kein günstiges Zeichen für die seelische Kraft der Nation«.1328 »Unser Volk ist krank bis in die tiefsten Wurzeln seines Wesens«, stellte Graf Westarp fest.1329 Damit Remarque und all die anderen »Kriegsverneiner«1330 ihren schädlichen Einfluss nicht weiter entfalten konnten, initiierte die politische Rechte einen Propagandafeldzug ohnegleichen. Allerdings begann dieser recht spät. Erst als die Verkaufszahlen von Im Westen nichts Neues Rekordhöhen erreichten, wit1321 Zappe: Das Recht an unseren Toten. 1322 Während sich der gemäßigte Westarp-Flügel 1930 von der DNVP abspaltete, begann Hugenberg nach seiner Machtübernahme eine Koalitionspolitik mit der NSDAP. Vgl. Ruge: Deutschnationale Volkspartei, S. 736–743. 1323 N.N.: Um Trotzkis Einreise, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 130 vom 17. 3. 1929 (47. Jg.), S. 2. 1324 N.N.: Das ›desertierte‹ Zentrum, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 66 vom 2. 2. 1929 (47. Jg.), S. 1. 1325 N.N.: Das Märchen vom zweiten deutschen Heere, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 10 vom 6. 1. 1929 (82. Jg.), S. 10. 1326 Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? 1327 Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration, S. 9. 1328 G.M.: Kriegstagebuch eines Richtkanoniers, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 137 vom 6. 4. 1929 (82. Jg.), S. 6; Hermann Möller : Der Weltkrieg im Spiegel der Gegenwartsliteratur, in: Der Tag, Berlin, Nr. 85 vom 9. 4. 1929 (29. Jg.). 1329 Graf Westarp: Herr, mach’ uns frei, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 220 vom 28. 6. 1929 (82. Jg.), S. 1. Kuno Graf von Westarp war von 1912 bis 1918 und 1925 bis 1929 Vorsitzender der DNVP-Reichstagsfraktion. Zudem hatte er von 1926 bis 1928 den Parteivorsitz inne. Während des Weltkriegs hatte er die Minderheit gegen den von der Reichstagsmehrheit geforderten Verständigungsfrieden angeführt. Aus Protest gegen Hugenbergs Rechtskurs verließ er 1930 die DNVP und gründete die Konservative Volkspartei. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 458. 1330 N.N.: »Krieg«, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 137 vom 6. 4. 1929 (82. Jg.), S. 6.

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terte die nationalistische Presse ernstlich Gefahr und begann das Buch – und bald darauf auch dessen Verfasser – zu diffamieren. Eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit dem Text fand nicht mehr statt. Von Anfang legten die Rezensenten Wert darauf, dass Im Westen nichts Neues kein »sachlicher Bericht von Kampf, Mühsal und männlichem Wehr- und Ehrwillen«1331 sei, sondern »ein rein persönliches Erlebnisdokument«1332, welches obendrein eine antideutsche, ›volksfremde‹ Tendenz habe, die sich gegen die Wehrmacht, das alte deutsche Heer und all seine Vertreter richte. Ferner sei der Verfasser einer jener Literaten, die vom »Wesen und Zwang des Krieges n i c h t s begriffen« hätten oder dessen Größe bewusst negierten.1333 So lehnten die nationalistischen Kritiker Im Westen nichts Neues aus den gleichen »weltanschaulichen Gegensätzen« ab wie schon zuvor Arnold Zweigs Sergeanten Grischa (»ein von A bis Z verlogenes Buch«; »triefende Sentimentalität«) oder Ernst Glaesers Jahrgang 1902 (»ohne jede Wahrheit und ohne jeden Erlebnisgrund«; »ein schematisches Machwerk«).1334 In ihrer Tendenz seien dies allesamt Bücher, die vom Deutschtum ablenkten, erläuterte Lothar Mayer-Lindgens am 17. Februar 1929 im Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger.1335 Zu den größten weltanschaulichen Differenzen gehörte die Darstellung der Soldaten bei Remarque, ihrer Interpretationen und Sinngebungen, die dem heroischen Kriegsbild der nationalistischen Kritiker widersprachen. Die in Im Westen nichts Neues geschilderten Charaktere wüssten nichts vom »Opfergedanken für Nation und Vaterland«, von Edelmut, Begeisterung, Willensgröße und Heldentum, hieß es.1336 Mit jenen jungen Soldaten, die einst bei Langemarck ihr Blut und Leben für die Sache des Vaterlandes opferten, hätten die »jämmerlichen Waschlappen« Remarques nichts gemein.1337 Gleichermaßen missbilligten die Rezensenten, dass Bäumer und seine Kameraden die »Daseinsberechtigung« des Krieges als »Vater aller Dinge« nicht 1331 Re.: Kleine Kriegsbücher-Nachlese, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 340 vom 21. 7. 1929 (47. Jg.), S. 28. 1332 Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration, S. 9. 1333 Riebe: Drei neue Kriegsbücher. 1334 Glinski: Literarische Bilanz 1928, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 57 vom 2. 2. 1929 (82. Jg.), Beiblatt »Zeitenspiegel«, S. 10, sowie ders.: Literarische Randbemerkungen, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 56 vom 2. 2. 1929 (82. Jg.), S. 2. 1335 Mayer-Lindgens: Deutsche Belletristik im Dienste des nationalen Gedankens. Das Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger war eine unabhängige national ausgerichtete Zeitung, die jedoch den politischen Ansichten der DNVP nahestand. Sie erschien 1929 mit einer Auflage von rund 15.000 Exemplaren. 1336 Dr. Jul. Paul Köhler : Literarische Kulturgefahren, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 306 vom 31. 10. 1930 (83. Jg.), S. 2. 1337 Entsprechendes Vokabular wurde im Übrigen auch benutzt, als im Dezember die Verfilmung von Im Westen nichts Neues in die Kinos kam. Klaus-Ulrich Henning: Film der Erbärmlichkeit, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, 6. 12. 1930 (83. Jg.), 2. Beiblatt.

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anerkannten.1338 Während etwa Jünger »von der Schicksalhaftigkeit des Krieges ganz und gar durchdrungen« sei, begreife Remarque – der mit seinem Protagonisten Bäumer gleichgesetzt wurde – nicht, »daß der Krieg ein Ringen um Gestaltung ist und daß vor diesem Aspekt von planetarischem Ausmaß die Sicherheit und das Glück des einzelnen wenig bedeutet«, konstatierte Hermann Möller am 9. April 1929 im Tag. Anstatt die Schicksalsprüfung anzunehmen und im »noblen Schauspiel« Krieg ein »höheres Wollen« zu entwickeln, sei Remarque daran zerbrochen. Daraus schloss Möller, der Schriftsteller müsse ein »geb orener Nichtsoldat« ohne »zwingendes Verhältnis« zum Krieg sein.1339 Ähnlich sah dies Schmahl. Für ihn war der Verfasser von Im Westen nichts Neues »kein aktiver Mensch […], sondern eine passive Natur, auf die jedes schwere Erlebnis um so niederdrückender wirkte«.1340 Somit grenzten die nationalistischen Kritiker den Remarqueschen Soldatentyp deutlich vom Idealbild jenes »eisernen Soldaten«1341 ab, der den Krieg »als gewaltiges […] inneres Erlebnis« stets beherrscht habe.1342 Anstatt ebenso seinen ›inneren Schweinehund‹ zu überwinden und im Schützengraben zu reifen, habe Remarque den Krieg als unerhörten Eingriff »in die so sorgsam gehütete Sphäre des Privaten« gesehen, echauffierte sich Möller.1343 Bei einem »jeder Verantwortung baren Individuum«1344 wie dem Schriftsteller führe dieser Umstand schließlich zum Zusammenbruch und äußere sich in Feigheit, Egoismus, Schwächlichkeit und überhaupt »einer stumpfen, verstört schwankenden, innerlich widerstrebenden Seelenbeschaffenheit«, stimmten die Rezensenten der deutschnationalen Zeitungen überein.1345 Gemäß dieser Lesart betrachteten sie – im Übrigen in erstaunlicher Parallelität zur kommunistischen Literaturkritik – Remarque als Vertreter des Bürgertums, der mit Im Westen nichts Neues ein »liberalistisches Klagelied von der gestörten Glückseligkeit jedes Einzelnen« anstimme.1346 Der Vorwurf des Defätismus war eine der häufigsten Anschuldigungen, die gegen Remarque erhoben wurden. Dies ist verständlich, bedenkt man, dass dem Krieg in der Weltanschauung der Rechten in vielfältiger Weise gerade eine positive Sinnstiftung zugeschrieben wurde. Vor allem sollte das heroische An1338 1339 1340 1341 1342 1343 1344 1345 1346

Stoffregen: Die Kriegsgeneration spricht. Möller : Der Weltkrieg im Spiegel der Gegenwartsliteratur. Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration, S. 9. Job Zimmermann: Wo wir einst für Deutschland kämpften. Gedanken am »Toten Mann«, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 402 vom 27. 8. 1929 (47. Jg.), S. 5. Re.: Kleine Kriegsbücher-Nachlese. Möller : Der Weltkrieg im Spiegel der Gegenwartsliteratur. Ebd. Zimmermann: Wo wir einst für Deutschland kämpften. N.N.: Was Rußland sagt, in: Deutsche Zeitung, Berlin, Nr. 157 vom 7. 7. 1929 (34 Jg.), Kulturbeilage.

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denken die Jugend dazu bewegen, eines Tages das Vermächtnis der Gefallenen einzulösen. Die »trostlose Öde«1347 von Remarques Frontbericht und die »vollkommene Resignation« all jener zermürbten, zerstörten Gemüter war dem Wiedererstarken Deutschlands hingegen nicht dienlich, befürchtete die nationalistische Kritik. »Was uns nötig ist, sind athletische Seelen, wahre Ringer, Leute, die härtesten Wiederstand leisten«, skizzierte Möller im Tag das Gegenbild zu Remarques Soldaten. »Von ihnen hängt nicht nur alle Vergangenheit ab und damit auch das Vaterland, das wir blühend und mächtig, nicht aber arm und niedergeworfen sehen wollen.«1348 Entsprechend vehement verteidigten die Kommentatoren der nationalistischen Zeitungen ihr Ideal vom »moralisch hochstehenden Vaterlandsverteidiger«1349 gegen die vermeintlich »weichlichweibische Gesinnung«1350 von Remarque, die jede heroische und männliche Seite des Krieges verleugne: »Das Vermächtnis unserer toten Kameraden ist uns zu heilig, als daß wir schweigend eine solche Entwertung und Entwürdigung ihres Opfers tragen könnten«, hieß es am 2. Juli 1929 stellvertretend im Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger.1351 Im Westen nichts Neues, da waren sich alle rechts stehenden Rezensenten einig, sei eine »grobe Beleidigung des […] deutschen Frontsoldaten«1352 und lasse jeden Respekt vor dessen »hohen, unvergleichlichen Leistungen« vermissen.1353 Neben der ideologischen Ebene versuchte die nationalistische Presse die »scharfe Tendenz«1354 des von einem »volksfremden Pazifismus«1355 durchdrungenen Buches auch auf einer faktischen Ebene der Wahrheit zu beweisen. Dafür mobilisierten die Zeitungen Offiziere, Pfarrer, Ärzte und Pädagogen, deren Urteil aufgrund ihres Expertentums objektiv erscheinen sollte. Das Ziel war dabei stets, über das Herumstochern in allerlei Details die Glaubwürdigkeit des gesamten Textes zu hinterfragen. Die Methode erfreute sich in vielen Redaktionen großer Beliebtheit; sie soll hier aber nur knapp erörtert werden, da dieser Aspekt bereits bei der Analyse der rechts-nationalliberalen Rezeption ausführlich zur Sprache kam.

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N.N.: Nochmals Remarque? Möller : Der Weltkrieg im Spiegel der Gegenwartsliteratur. Brautzsch: Untersuchungen über die Publikumswirksamkeit, S. 195. Henning: Film der Erbärmlichkeit. N.N.: Nochmals Remarque? Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? Zimmermann: Wo wir einst für Deutschland kämpften. Rl.: Remarque-Enthüllungen, in: Der Tag, Berlin, Nr. 279 vom 22. 11. 1929 (29. Jg.). Mayer-Lindgens: Deutsche Belletristik im Dienste des nationalen Gedankens. Zum Teil wurde »Pazifismus« vonseiten der nationalistischen Kritik derart negativ konnotiert, dass mit ihm gar etwas Pathologisches verbunden wurde. So schrieb ein Rezensent etwa von »pazifistisch erkrankt«. Vgl. N.N.: Was wir aus Versailles machten.

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Vielsagend ist insbesondere ein Aufsatz eines gewissen Dr. Karl Kroner, den die Neue Preußische Kreuz-Zeitung am 27. Juni 1929 in Auszügen wiedergab. Der Beitrag war kurz zuvor in der Münchener Medizinischen Wochenschrift erschienen. Da Remarque auch bei der Schilderung der Lazarette und der medizinischen Behandlung an der Front die Tatsachen »auf das Gröbste« entstellt habe, wie die Redaktion der Kreuz-Zeitung anmerkte, sah sie es als ihre Pflicht an, »diese Verfälschungen der Wahrheit ins richtige Licht zu rücken« und sie »einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen«.1356 Kroner, ein offenbar in seiner Berufsehre angegriffener Arzt, warf Remarque neben der tendenziösen Darstellung der Mediziner1357 fehlende Kenntnis des Frontgeschehens vor. So müsse man nach Remarques Schilderung etwa annehmen, dass sich die verwundeten deutschen Soldaten allein oder mithilfe von Kameraden kilometerweit aus der Feuerzone schleppen mussten. »Sollte jemand, der mehrere Jahre an der Front gewesen ist, nicht wissen«, fragte Kroner, »daß sich bei jeder Kompagnie Krankenträger befunden haben […]? Sollte er nie davon gehört haben, daß jeder Truppenteil, meist nur wenige hundert Meter hinter der vordersten Linie, mit Ärzten besetzte Sanitätsunterstände und Truppenverbandsplätze gehabt hat?« Diese und andere »verzerrte Darstellungen«1358 ließen dem Arzt »nach eigener mehrjähriger Tätigkeit in der Feuerzone […] erhebliche Zweifel daran [kommen], daß alles Geschilderte wirklich erlebt worden ist«, zitierte ihn das Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger weiter, wo ebenfalls Auszüge aus Kroners Artikel abgedruckt wurden.1359 Der Mediziner implizierte somit, dass Remarque sich seine Darstellungen ausgedacht habe, weil er möglicherweise gar nicht an der Front gewesen sei. Dies wollten andere Kritiker genauer wissen und wühlten in Remarques militärischer Vergangenheit. Besonders hervor tat sich dabei der Deutsche Offizierbund. Ein in dessen Bundeszeitschrift veröffentlichter Artikel, der über die Ergebnisse dieser ›Erkundungen‹ berichtete, wurde in vielen nationalistischen Blättern abgedruckt – unter anderem im Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger sowie der Niederdeutschen Zeitung aus Hannover.1360 Es sei »nicht nur selt1356 Anmerkung der Redaktion zu Dr. Karl Kroner : Ein Arzt über »Im Westen nichts Neues«, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 219 vom 27. 6. 1929 (82. Jg.), Unterhaltungsbeilage, S. 7. 1357 »Es gibt auch nicht eine einzige Stelle«, konstatierte Kroner, »in der ein Arzt menschlich oder sympathisch geschildert wird. Wir haben es ausschließlich mit rohen, brutalen, bestenfalls mit halbverrückten oder streberischen Ärzten zu tun.« Kroner : Ein Arzt über »Im Westen nichts Neues«. 1358 Ebd. 1359 N.N.: Neue Wahrheiten über Remarque. Remarque und die Aerzte, in: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, Nr. 199 vom 21. 7. 1929 (82. Jg.), S. 2. 1360 N.N.: Neue Wahrheiten über Remarque. Ein netter Frontsoldat, in: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, Nr. 199 vom 21. 7. 1929 (82. Jg.), S. 2; Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque

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sam«, sondern »verd ä chtig«, hieß es darin einleitend, dass Remarque nie erklärt habe, mit welchem Truppenteil und an welchen Gefechtsorten er im Krieg gewesen sei: »Wenn jemand ein mehrere hundert Seiten dickes Buch schauerlicher Räuberpistolen schreibt und ängstlich die Quellen diese Eigenerlebens verschweigt«, wurde das Offiziersorgan zitiert, »muß er sich öffentlich verdächtigen lassen, entweder überhaupt nie im Krieg gewesen zu sein oder ihn nach kaum erhaltener Feuertaufe in der nahrhaften Hochetappe verbracht zu haben.«1361 Der Offizierbund fand schließlich heraus, dass Remarque »nur ganz kurze Zeit bei einem Front-Rekrutendepot an der Westfront war«. Nach einer Verletzung habe er die Eindrücke für sein Buch im Lazarett aus den Berichten von Verwundeten gewonnen – beides war korrekt, wobei der autobiografische und der aus Erzählungen generierte Anteil in Im Westen nichts Neues quantitativ nicht abschließend zu ermitteln ist.1362 ›Enthüllungen‹ dieser Art jedenfalls führten dazu, dass die nationalistische Kritik dem Schriftsteller das Recht aberkannte, über den Krieg zu berichten: Remarque sei kein wahrer Soldat, hieß es, da er erst 1917 an die Front kam – und dies auch noch unfreiwillig. Sein siebenwöchiger Fronteinsatz gab ihm in den Augen der Kritiker keine Legitimation, als Kriegsberichterstatter aufzutreten. Im Gegensatz zu Ernst Jünger, der 1914 freiwillig in den Krieg gezogen war und trotz etlicher Verletzungen bis zum Ende ›seinen Mann stand‹1363, sahen sie in Remarque ein ›Etappenschwein‹. Ferner machte die Freiheit der Fiktion, die er sich als Schriftsteller nahm, Remarque für seine nationalistischen Gegner zum Schwindler : Nur als Dokument des eigenen Erlebens, nicht als Dichtung, könne seine Kriegsschilderung ›wahr‹ sein, hieß es. So habe er zum einen »drauflos phantasiert«1364 und zum anderen »alte, zum Teil recht abgeschmackte Soldatenanekdoten als Selbsterlebtes zu neuem Leben erweckt«1365, empörten sich die Rezensenten. Anlass zur Kritik gaben auch die literarischen Mittel von Im Westen nichts Neues und anderen »vom Geiste der Internationale und des volksfremden Pazifismus durchwehten Bücher[n]«: Zwar beherrschten ihre Autoren einen »glänzende[n] Stil« und eine »brillante Technik«, räumte Mayer-Lindgens ein. Er verstand dies

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im Kriege? in: Niederdeutsche Zeitung, Hannover, 7. 7. 1929 (8. Jg.). Die in Hannover erscheinende Niederdeutsche Zeitung gehörte zum Scherl-Verlag Hugenbergs und stand demnach unter direktem Einfluss der DNVP (vgl. Fauth: Die Presse und der Aufstieg der NSDAP, S. 55). Trotz einer Auflage von nur 15.000 Exemplaren war sie eigenen Angaben zufolge vermeintlich »von maßgebendem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluß« (Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 233). Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? Da derselbe Artikel im Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger nur auszugsweise erschien, wird im Folgenden allein aus der Niederdeutschen Zeitung zitiert. Vgl. S. 116f., Anm. 443. Vgl. S. 136f., Anm. 553. Rl.: Remarque-Enthüllungen. Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege?

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aber nicht als Kompliment, sondern missbilligte, dass die »Stilgewandtheit« die Wahrheit retuschiere, an die Sensationsgier der Leser appelliere und obendrein eine Tendenz transportiere, die »meilenweit fort von Deutschtum, Heimat und Vaterland« führe.1366 Indem die Kritiker Im Westen nichts Neues als – tendenziöses – literarisches Produkt identifizierten, sprachen sie dem Buch jegliche Authentizität ab. Remarque wiederum titulierten sie, deutlich negativ konnotiert, als ›Dichter‹. Von dieser Beurteilungsebene war es nicht weit, den Schriftsteller auch als Person zu diffamieren. Dabei gingen die Rezensenten rasch von der literarischen Bewertung von Im Westen nichts Neues zu ›Enthüllungen‹ aus Remarques Vorleben über. Insbesondere ab Mitte 1929 artete dies in eine regelrechte Hetze gegen den Autor aus. Die von den Kritikern aufgebotene Fülle der Verleumdungen war ein Mittel, nicht nur die Person des Schriftstellers, sondern mit ihr den gesamten Text zu diskreditieren. Typisch war hier das bereits genannte Pamphlet des Deutschen Offizierbundes. Sich der Biografie Remarques widmend, schrieben die Offiziere mit aufklärerischem Eifer, es sei bei einem Buch über den Krieg, das nach Walter von Molo das Denkmal des ›Unbekannten Soldaten‹ sein solle, wesentlich, »über die Persönlichkeit des Verfassers unterrichtet zu sein«. So habe Remarque schon als kaufmännischer Angestellter in Hannover posiert, wie ehemalige Kollegen bekundet hätten. »Gelegentlich ließ er durchblicken, er entstamme einer alten vornehmen französischen Emigrantenfamilie und sei Marquis«, behauptete der Offizierbund gar – und stimmte dem Urteil über Remarque zu, das angeblich alle Menschen, die ihn in Hannover gekannt hätten, teilten: »Ein geschickter Poseur, hinter dessen manierierter Fassade weder Charakter noch positives Können steckt.«1367 In die gleiche Kerbe schlug der Der Tag. Bezug nehmend auf Mynonas Polemik Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt?, die das Hugenberg-Blatt ausdrücklich begrüßte (»Die Freude an der Verwertung seiner eingehenden Studien über Person, familiäre Verhältnisse und literarische Betätigung seines Opfers ist sehr groß«), schrieb die Zeitung am 22. November 1929, es sei erwiesen, dass sich Remarque »mit falschen Federn geschmückt hat«.1368 So habe er nach dem Krieg unrechtsmäßig Offiziersuniform sowie das Eiserne Kreuz Erster Klasse getragen und sich obendrein einen Freiherrentitel zugelegt – was teilweise stimmte.1369 Dementsprechend lautete das Fazit des Tag-Redakteurs: 1366 1367 1368 1369

Mayer-Lindgens: Deutsche Belletristik im Dienste des nationalen Gedankens. Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? Rl.: Remarque-Enthüllungen. In der Tat trug Remarque nach Kriegsende gelegentlich unberechtigt Offiziersuniform; dies ist durch Fotos belegt. Dagegen erhielt er das Eiserne Kreuz im November 1918 rechtmäßig – allerdings ›nur‹ von einem Arbeiter- und Soldatenrat in Osnabrück. Angesichts von insgesamt 5,9 Millionen verliehenen Eisernen Kreuzen relativiert sich der Wert

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»Offenbar leidet Remarque an einer nicht gebändigten, irgendwie krankhaften Phantasie, die ihn zu diesen durch nichts gerechtfertigten Aufschneidereien verleitete.«1370 Weitere Diffamierungsversuche betrafen den Namen des Schriftstellers. Neben der häufig kolportierten Kramer-Legende hielt sich die Titulierung »Remark« hartnäckig. Sie sollte den Schriftsteller als Hochstapler bloßstellen, der – womöglich »aus einem persönlichkeitsschwachen Wesen heraus«1371 – »seinem deutschen Namen einen französischen Anstrich« gegeben und damit ausgerechnet auf die Sprache des ›Erbfeindes‹ zurückgegriffen habe.1372 Wie dargestellt, wurde die Hetzkampagne gegen den Verfasser von Im Westen nichts Neues ein stückweit auch von dessen ambivalenter Vergangenheit genährt. Remarques Auftreten mit Uniform und Kriegsorden in jungen Jahren, die Änderung der Schreibweise seines Namens und seine frühen Schriften – man denke vor allem an den »Leitfaden der D8cadence« und die Abhandlung »Über das Mixen kostbarer Schnäpse« – schlachtete die Rechtspresse mit Vergnügen aus. Zusätzliche Angriffsfläche bildete die Schönung der Remarque-Biografie durch den Ullstein-Verlag. Denn schnell kamen die Gegner des Autors dahinter, dass Remarque nur sieben Wochen an der Front verbracht hatte und kein literarischer Anfänger war – dies alles hatte die Ullstein-Reklame ›verschwiegen‹. Die »unrichtigen Angaben« des Verlags über die »problematische Erscheinung« Remarques rückten die nationalistischen Kritiker in der Folgezeit gerne zurecht.1373 Dabei traten sie als Anwälte der vermeintlich betrogenen Leser auf. Es hieß, diese seien durch eine raffinierte Propaganda getäuscht worden, indem der Verlag aus Remarque »die Papier und Druckerschwärze gewordene Inkarnation des deutschen unbekannten Soldaten« gemacht habe.1374 So wurde der UllsteinKonzern selbst Objekt der Angriffe von rechts. Hintergrund der Hetzkampagne gegen Im Westen nichts Neues war, wie bereits zuvor erläutert, die Sorge um den Bestand des durch langjährige Propaganda geformten heroischen Kriegsbildes. Letzteres nahm eine Schlüsselfunk-

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dieser Auszeichnung ohnehin ein wenig. Bei seiner offiziellen Entlassung aus der Armee im Januar 1919 verzichtete Remarque auf Orden und Ehrenzeichen. Die Behauptung, der Schriftsteller habe sich einen Adelstitel zugelegt, stimmte wiederum. 1926 ›kaufte‹ er sich laut Überlieferung für 500 Reichsmark mittels Adoption durch den verarmten Adeligen Hugo von Buchwald den Titel »Freiherr von Buchwald«. Jedoch trat Remarque damit niemals öffentlich auf. Vgl. Schneider: Unabhängigkeit – Toleranz – Humor, S. 10, 44 und 50. Rl.: Remarque-Enthüllungen. Ebd. Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? Ebd. Horst Uhlenbrauk: Literarische Bilanz 1929, in: Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, Nr. 1 vom 1. 1. 1930 (83. Jg.), S. 7. Vgl. auch F. Hüls: Walter Flex und – Remarque. Ein Gedenkblatt zum Geburtstag des »Wanderers zwischen zwei Welten«, in: Deutsche Zeitung, Berlin, Nr. 157 vom 7. 7. 1929 (34 Jg.), Kulturbeilage.

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tion in der politischen Programmatik der nationalistisch gesinnten Kräfte ein. Denn in einer versöhnlichen Haltung zum verlorenen Weltkrieg sahen diese eine Voraussetzung für die Bejahung eines neuerlichen Krieges. Somit drohte Remarques Roman nicht nur das Ansehen des deutschen Frontsoldaten im In- und Ausland zu beschädigen1375, sondern vor allem die Wehrhaftigkeit des Volkes zu unterminieren. Daher musste insbesondere die Jugend vor Im Westen nichts Neues geschützt werden. Denn in der jungen Generation lebe das deutsche Volk noch, welches sich eines Tages »machtvoll zur Reife entfalten« werde, hieß es: »Ver sacrum!«, huldigte der Berliner Lokal-Anzeiger der Jugend1376, die zum Opfer bereit sein sollte, »wenn einst wieder der Ruf zum Kampf erklingt«.1377 Zu diesem Zweck protegierte die deutschnationale Presse im Zusammenhang mit Im Westen nichts Neues Literatur und Dokumente über den Krieg, die der »Erziehung zum nat ionalen, deutschen Gedanken« dienten.1378 Neben den Kriegsbriefen gefallener Studenten, die, so Zimmermann, beweisen würden, »daß der aus der klassischen Welt überkommene Begriff von der Notwendig keit der Aufopferung des einzelnen f ü r die Gemeinschaft in den Herzen deutscher Soldaten sehr lebendig gewesen ist«1379, gehörten zur idealtypischen Kriegsliteratur der Rechten vor allem Walter Flex und die Literaten des Soldatischen Nationalismus.1380 Während der auf die »marktschreierische An-

1375 Dass Remarques Kriegsbuch aus vielerlei Gründen angeblich auch jenseits der deutschen Grenzen abgelehnt werden würde, war ein weiteres Argument, das regelmäßig gegen Im Westen nichts Neues vorgebracht wurde. Interessant dabei ist, dass sich die nationalistischen Blätter häufig auf vermeintlich objektive Stimmen aus dem Ausland beriefen, um ihre These zu stützen. So stellte etwa Der Tag fest, die französische Literaturkritik würde den defätistischen Grundton des Buches missbilligen (N.N.: Was die Franzosen über Remarque sagen, in: Der Tag, Berlin, Nr. 213 vom 5. 9. 1929 (29. Jg.)). Die Niederdeutsche Zeitung wiederum zitierte ein englisches Wochenblatt, welches den Egoismus Remarques kritisierte (N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques). Und die Deutsche Zeitung berichtete unter Berufung auf die national-revolutionäre Tat, dass Im Westen nichts Neues in Russland als kleinbürgerlich-pazifistisches Machwerk abgelehnt werde (N.N.: Was Rußland sagt). Remarques Buch werde »alte, in der Kriegspsychose entstandene […] Greuelmärchen über die Deutschen« wieder aufleben lassen, befürchtete ferner der für die Mediziner sprechende Kroner: »Man wird im Ausland folgende Schlüsse ziehen: Wenn deutsche Ärzte so mit ihren eigenen Landsleuten umgegangen sind, welche Unmenschlichkeiten werden sie dann erst an den ihnen wehrlos ausgelieferten Gefangenen und an der Bevölkerung der besetzten Gebiete verübt haben!« Vgl. Kroner : Ein Arzt über »Im Westen nichts Neues«. 1376 h. schr.: Heldengedenken bündischer Jugend, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 96 vom 26. 2. 1929 (47. Jg.), S. 6. Vgl. hierzu S. 79, Anm. 271. 1377 K.: Opfergang. Geschichten aus dem großen Kriege von Wilhelm Steinbrecher, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 58 vom 3. 2. 1929 (47. Jg.), S. 22. 1378 Mayer-Lindgens: Deutsche Belletristik im Dienste des nationalen Gedankens. 1379 Zimmermann: Wo wir einst für Deutschland kämpften. 1380 Vgl. u. a. Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration, S. 9.

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preisung«1381 des Ullstein-Verlags zurückzuführende Erfolg von Im Westen nichts Neues bloß eine Modeerscheinung sei, so die Hoffnungen von F. Hüls, die er am 7. Juli 1929 in der Deutschen Zeitung1382 kundtat, habe Flex’ Wanderer zwischen beiden Welten im Volksleben Wurzeln geschlagen und sei zum »Führer der Jugend« geworden.1383 Die gleiche Funktion sollten auch die apologetischen Kriegsbücher nationalrevolutionärer Autoren wie Jünger, Schauwecker und Beumelburg einnehmen.1384 Man müsse sie der heranwachsenden Generation an die Hand geben, denn sie seien wahr, erhebend1385 und im Gegensatz zu Remarques Schilderung »keine Dichtung, sondern Erlebnis«, konstatierte Goetz Otto Stoffregen am 10. Dezember 1929 im Tag.1386 Aus ihnen spreche die Front, wie sie »w irklich war«, hieß es auch im Berliner Lokal-Anzeiger, »ohne Pathos, ohne Verzerrung, wie eben ein Mann erzählt«. Geschrieben »von Kämpfern, denen schwächliches Geschwätz um das eigene kleine Ich fremd ist«1387, die selbstverständlich »in die Schlacht des rasenden Eisens« gezogen seien1388, vermittelten diese Frontberichte den »Geist echter Vaterlandsliebe und mannhaften Kriegertums«1389, waren sich die Rezensenten einig. So seien etwa die Landsknechtstypen in den Werken Ernst Jüngers1390 pflichtbewusst, opferwillig, entschlossen und wie der Autor selbst ›Männer der Tat‹. Anders als Remarque würden sie über Not und Elend stehen und am Kriegserleben wachsen, erläuterte Rudolf Körner am 18. Mai 1929 im Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger – und stellte dabei exem-

1381 Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? 1382 Die Deutsche Zeitung aus Berlin (Auflage: 40.000) betrachtete sich als »Organ der aktiven Nationalen«. 1917 vom Alldeutschen Verband erworben (vgl. Handbuch der Weltpresse, Bd. 1, S. 113), waren die ihr nahestehenden Gruppierungen neben dem völkischen Flügel der DNVP vor allem die Wehrverbände Stahlhelm und Wehrwolf. Die Leser kamen eigenen Angaben zufolge aus Landwirtschaft und Industrie, dem »nationalen Mittelstand«, dem Offiziers- und Beamtentum sowie »Kreisen des Hochadels«. Vgl. Verlagsmitteilung, in: Zeitungskatalog 1929, S. 58. 1383 Hüls: Walter Flex und – Remarque. Vgl. auch N.N.: Deutsches Schicksalsland. Am Volkstrauertag zum Gedenken unserer Gefallenen, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 94 vom 24. 2. 1929 (47. Jg.), Beilage Die Weite Welt, S. 4. 1384 Genannt wurden u. a. auch Otto Riebickes Ringen an der Somme, Westfront von Franz Xaver Raucheisen und Eduard Lachmanns Vier Jahre. Frontbericht eines Reiters. 1385 Dr. Rudolf Körner: Jünger oder Remarque. Zerstörte Generation?, in: Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger, Nr. 136 vom 18. 5. 1929 (82. Jg.), S. 1. 1386 Stoffregen: Die Kriegsgeneration spricht. 1387 Re.: Kleine Kriegsbücher-Nachlese. 1388 A. Ka.: Ringen an der Somme. Von Otto Riebicke, in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 58 vom 3. 2. 1929 (47. Jg.), S. 22. 1389 Körner : Jünger oder Remarque, S. 1. 1390 Jüngers Kriegserlebnisse wurden ausnahmslos in allen untersuchten nationalistischen Zeitungen empfohlen. Genannt wurden insbesondere In Stahlgewittern (1920), Der Kampf als inneres Erlebnis (1922), Das Wäldchen 125 sowie Feuer und Blut (beide 1925).

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plarisch die Frage »Jünger oder Remarque?«.1391 Seine Sympathien lagen freilich bei Ersterem. Neben Ernst Jünger und Werner Beumelburg, aus dessen Erzählung Flandern 1917 sich in »leuchtender Hoheit das Heldentum des schlichten deutschen Soldaten« erhebe, weshalb der Berliner Lokal-Anzeiger darin ein »Volksbuch im edelsten Sinne« sah1392, wurde vor allem Franz Schauwecker hofiert. Sein »nationaler Frontroman« Aufbruch der Nation verbinde, fand Der Tag1393, »die nüchterne Wirklichkeitserfassung des Krieges mit dem Alarm der Gesinnung«. Ähnlich urteilte der bereits mehrfach zitierte Schmahl über den national-revolutionären Autor. Um die Gesinnung von Schauwecker herauszustellen, bemühte er – wie Körner bei Jünger – den Verfasser von Im Westen nichts Neues, da dieser »ein typisches Gegenbeispiel zu Schauwecker« abgebe. Während bei Remarque am Ende nichts als Hoffnungslosigkeit bleibe, vertrete Schauwecker die Überzeugung, so der Kritiker in der Neuen Preußischen Kreuz-Zeitung, dass sich die Frontgeneration etwas Neues schaffen werde, das ihrer »Gedanken und Erlebniswelt entspricht«.1394 Denn zerstört habe der Krieg die heimkehrenden Soldaten nicht, widersprachen die Remarque-Gegner unisono dessen Geleitwort.1395 Wie aus den vorherigen Ausführungen deutlich geworden ist, gehörte das Protegieren der kriegsbejahenden, sinnstiftenden Literatur durch die Rechtspresse mit zum Kampf gegen Remarque. Rezensenten, Blattmacher und die hinter den Zeitungen stehenden politischen Kräfte – allen voran Hugenberg – verknüpften damit die Hoffnung, dass die Werke Jüngers, Schauweckers und anderer national-revolutionärer Autoren auf die Jugend nachhaltiger wirken würden als Im Westen nichts Neues. Daher rührten die der DNVP nahestehenden Blätter kräftig die Werbetrommel für die mit ihrer Ideologie übereinstimmenden literarischen Frontschilderungen. Letztlich, so waren die nationalistischen Kritiker überzeugt, werde die junge Generation das aus Büchern wie Aufbruch

1391 Vgl. Körner : Jünger oder Remarque, S. 1. 1392 H.W.F.: Flandern. 1393 Anmerkung der Redaktion zu einem Auszug aus Franz Schauweckers Roman Aufbruch der Nation, in: Der Tag, Berlin, Nr. 265 vom 6. 11. 1929 (29. Jg.), S. 15. 1394 Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration, S. 10. 1395 Vgl. hierzu insb. Körner : Der Rezensent des Chemnitzer Tageblatts und Anzeigers war der Meinung, dass nur jene Soldaten durch ihr Fronterlebnis innerlich zerstört worden waren, die den tiefen Sinn des Krieges nicht erfasst hätten und der zersetzenden Waffenstillstandspropaganda erlegen seien. In Abgrenzung zu Remarque konstatierte er im Namen seiner »unzerstörten Generation« mit den Worten Jüngers: »Wir haben mit den Füßen in Blut und Schlamm gestanden, doch unser Gesicht war großen und erhabenen Werten zugewandt . . . Uns war es noch vergönnt, in den unsichtbaren Strahlen großer Gefühle zu leben, das bleibt uns unschätzbarer Gewinn.« Körner : Jünger oder Remarque, S. 2. Das Zitat stammt aus Jünger : In Stahlgewittern, S. 282.

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der Nation und In Stahlgewittern sprechende »Landsknechts-Wesen«1396 dem Defätismus Remarques vorziehen und darüber hinaus erkennen, dass die »erwachende Nation«1397 eben nur in den genannten Gegenentwürfen zu Im Westen nichts Neues ruhe. Die »verstandesmäßige Klügelei pazifistischer Maximen« nach Art von Remarque werde so weggewischt werden.1398

7.2.2.7. Nationalsozialistische Presse »Es ist eine jauchzende Entschuldigung der Deserteure, Überläufer, Meuterer und Drückeberger und somit ein zweiter Dolchstoß an der Front, an den Gefallenen aber eine Leichenschändung.« Hans Zöberlein am 14. August 1929 im Völkischen Beobachter

Wie die nationalistischen Zeitungen unternahm auch die Presse der NSDAP ihr Möglichstes, um Im Westen nichts Neues zu bekämpfen. Die Methoden dieses Kampfes ähnelten sich, jedoch führten ihn die Nazis so intensiv wie keine andere politische Gruppierung. Insbesondere nutzten sie die Remarque-Debatte als ideologische Plattform, um darauf ihren Kampf gegen die Weimarer Republik auszutragen. Die Intensität der Agitation zeigt sich auch daran, dass sich nach der Vossischen Zeitung kein deutsches Blatt so häufig zu Im Westen nichts Neues äußerte wie der Völkische Beobachter1399. Zudem begann das Zentralorgan der 1396 1397 1398 1399

Körner : Jünger oder Remarque, S. 1. Köhler : Literarische Kulturgefahren. Stoffregen: Die Kriegsgeneration spricht. Der Völkische Beobachter aus München war 1920 von der NSDAP übernommen und ab 1925 sukzessive zum »Kampfblatt der national-sozialistischen Bewegung Großdeutschlands« (so der Zeitungskopf) ausgebaut worden. Unter Chefredakteur Alfred Rosenberg (1923–1937) und Herausgeber Adolf Hitler erreichte das NSDAP-Zentralorgan bis 1930 zunächst nur eine Auflage von 40.000 bis 80.000 (die Angaben hierzu variieren stark), bis diese 1934 bereits auf 310.000 und 1940 auf knapp eine Million Exemplare stieg. In der Weimarer Republik lebte das Blatt (Motto: »Freiheit und Brot«), so Margarete Plewnia, »von der Polemik gegen Juden und Demokratie«. Seine alleinige Aufgabe war es, Versammlungen und Sprechabende anzukündigen, das Parteileben widerzuspiegeln, politische Richtlinien zu vermitteln und die Bindung an den ›Führer‹ zu festigen. Die Leser des Völkischen Beobachters gehörten, so Wilhelm Carl8, mehrheitlich zum »depossedierten (d. h. verarmten; der Verf.) Klein- und Mittelbürgertum«. Zwischen 1921 und 1933 war das Nazi-Blatt insgesamt 22 Monate lang verboten. Vgl. Margarete Plewnia: Völkischer Beobachter (1887–1945), in: Fischer: Deutsche Zeitungen, S. 381–390, sowie Wilhelm Carl8: Weltanschauung und Presse. Eine Untersuchung an zehn Tages-Zeitungen. Als Beitrag zu einer Soziologie der Presse, Diss., Frankfurt am Main 1931, S. 180. Zur Auflage vgl. u. a. Manfred Weißbecker : Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), in: Dieter Fricke (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 2, Leipzig 1970, S. 385; Eksteins: The Limits of Reason, S. 85, sowie Stöber : Deutsche Pressegeschichte, S. 228.

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NSDAP seine Hetzkampagne früher als jede andere Publikation im Anti-Remarque-Lager. Nur zwei Wochen nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues brachte die von Hitler herausgegebene Zeitung in der Beilage Der Deutsche Frontsoldat gleich zwei Artikel, die in schärfster Form mit dem Kriegsbuch aus dem Hause Ullstein abrechneten. »Für alle wahren Frontsoldaten, die die Erinnerung an den großen Krieg wie ein heiliges Vermächtnis in sich tragen«, sei es ein »Faustschlag ins Gesicht«, schrieb Erich Limpach am 16. Februar 1929 in einem der Artikel.1400 In der Folge wurden die Angriffe auf Remarques »übles Machwerk«1401 nicht moderater : »Es ist eine jauchzende Entschuldigung der Deserteure, Überläufer, Meuterer und Drückeberger und somit ein zweiter Dolchstoß an der Front, an den Gefallenen aber eine Leichenschändung«, empörte sich am 14. August 1929 der »Frontsoldat« und Schriftsteller Hans Zöberlein, mit dem der Völkische Beobachter einen der prominentesten Vertreter des Soldatischen Nationalismus zu Wort kommen ließ.1402 Und während der Anti-Young-Propaganda im Herbst desselben Jahres, als auch der Kampf gegen Erich Maria Remarque einen vorläufigen Höhepunkt erreichte,1403 untermauerte das NS-Blatt erneut, Im Westen nichts Neues sei mit der nationalsozialistischen Fronterlebnis-Version unvereinbar war : »Von der beispiellosen Aufopferung, mit der das deutsche Volksheer viereinhalb Jahre lang im Eisenhagel gekämpft und das Vaterland verteidigt hat, wird in diesem Schmöker nichts gesprochen, wohl aber jede schmierige und latrinenhafte Episode des Schützengrabenlebens mit zynischem Behagen breitgetreten.«1404

Diese Stellungnahmen geben einen ersten Eindruck von der kompromisslosen Ablehnung von Im Westen nichts Neues durch die nationalsozialistische Presse. Sie lassen ferner erkennen, dass der Kampf gegen Remarque zugleich in großem Maße politische Propaganda war, um neue Anhänger zu werben. Daneben aber führte das von Remarque vermittelte Fronterlebnis in der Tat wesentliche Bestandteile der NS-Ideologie ad absurdum. Nimmt man ihre heftige Agitation als

1400 Erich Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur, in: Völkischer Beobachter, München, 16. 2. 1929 (42. Jg.), Beilage Der Deutsche Frontsoldat, Nr. 1, S. 1. 1401 N.N.: Novemberliteraten, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 244 vom 20. 10. 1929 (42. Jg.), S. 2. 1402 Hans Zöberlein: Im Westen nichts Neues. Die Antworten eines Frontsoldaten auf das Buch Remarques, in: Völkischer Beobachter, München, 14. 8. 1929 (42. Jg.), Beilage Der Deutsche Frontsoldat, Nr. 7, S. 1. Zu Zöberlein vgl. S. 139, Anm. 573. 1403 Von Mitte September 1929, als NSDAP und DNVP mit ihrer Kampagne für das Volksbegehren gegen den Young-Plan begannen, bis Ende Oktober erschienen im Völkischen Beobachter allein fünf Artikel, die sich mit Remarque beschäftigten. 1404 N.N.: Novemberliteraten.

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Maßstab, bereitete den Nationalsozialisten »Remarques Riesenauflage«1405 also einige Sorgen. Von vornherein wurde Im Westen nichts Neues allein vor dem Hintergrund der von den Nazis definierten Bedeutung des Krieges und allen mit der Front in Verbindung stehenden Mythen, Legenden und Sinngebungen beurteilt. So war der Ausgang des Weltkriegs zum einen ein Argument gegen die Republik. Denn deren Vertreter – allen voran Sozialdemokraten, Liberale und Juden – hätten mit ihrem ›Dolchstoß‹ in den Rücken des militärisch unbesiegten Heeres die Niederlage von 1918 herbeigeführt, lautete der wiederkehrende Vorwurf. Zum anderen kamen dem Krieg in vielfältiger Form positive Konnotationen zu, denen Im Westen nichts Neues genauso widersprach wie der negativ integrierenden Dolchstoßlegende. Wie keine andere politische Bewegung sahen die Nationalsozialisten den Krieg als »Vater aller Dinge«. Ihrer Ideologie zufolge war in den Schützengräben eine standesübergreifende ›Volksgemeinschaft‹ entstanden, welche die Keimzelle des künftigen nationalsozialistischen Staates sei.1406 So beschrieb der Völkische Beobachter den »vierjährigen Bluteinsatz des ganzen deutschen Volkes« als die »größte Demonstration der völkischen Idee schlechthin«.1407 Um diese Idee mit der Errichtung des »Dritten Reichs« endgültig umzusetzen und damit den eigentlichen Sinn des Krieges zu erfüllen1408, rüstete sich die NS-Bewegung für das nächste ›Völkerringen‹. Ohnehin betrachtete sie den Krieg als darwinistischen Naturzustand, in dem jeder Frieden nur ein Waffenstillstand sei1409 : »Der kriegerischste, weil opferwilligste Teil der ehemaligen Front bejaht […] den Krieg […] als Völkerschicksal und als Waffe der Nationen zur Lösung uner-

1405 Wilhelm Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat, in: Völkischer Beobachter, München, 15. 9. 1929 (42. Jg.), Beilage Die Neue Front, Nr. 4, S. 5. 1406 Herbert Blank: Der Riese erwacht, in: Die grünen Hefte der »NS-Briefe«, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), Berlin 1930, S. 19–23. Die grünen Hefte, herausgegeben von Otto Strasser, dessen revolutionär-nationalsozialistischer Kurs 1930 endgültig mit Hitler kollidierte, knüpften in annexionistischer Weise an Im Westen nichts Neues an und füllten die identifizierten gedanklichen Hohlräume mit nationalsozialistischem Gehalt. Auch wenn sich diese relativ moderate Herangehensweise von den Polemiken des Völkischen Beobachters und des Angriffs unterschied, änderte dies nichts an der gemeinsamen Ablehnung des Buches. Vgl. hierzu ausführlich Hartung: Gegenschriften, S. 128–131. 1407 N.N.: Reichskriegertag in München, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 167 vom 21. 7. 1929, S. 1. 1408 Vgl. N.N.: Die Deutsche Revolution, in: Die grünen Hefte der »NS-Briefe«, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), Berlin 1930, S. 22–24. 1409 Eduard A. Mayr : »Im Westen nichts Neues«. Eine Bemerkung (franz. remarque) über das berühmtgemachte Buch von Remarque, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 137 vom 16. 6. 1929 (42. Jg.), S. 5.

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träglicher Spannungen«, hieß es im Völkischen Beobachter.1410 Dementsprechend kam das Soldatsein in den Augen der Nationalsozialisten einer »völkischen Selbstverständlichkeit«1411 gleich, die historisch bedingt sei. Schon seit Urzeiten sei der deutsche Mensch ein Held und Kämpfer gewesen, befand das Nazi-Blatt. Dabei stelle das Ringen an der Westfront eines der »schönsten historischen Denkmäler deutschen Heldenmutes« dar, reihte der Völkische Beobachter den Weltkrieg in die heroische Geschichte des Volkes ein und zog eine Linie von der Eroberung Italiens durch die Langobarden und Ostgoten, der Schlacht im Teutoburger Wald bis hin zu den Befreiungskriegen gegen Napoleon und 1914 bis 1918.1412 Diese Mythisierung der ›deutschen‹ Geschichte sollte insbesondere die Jugend und die Frontgeneration (»der Soldat muß politisch sein«, hieß es) für die eigenen Ziele mobilisieren. Sich ihrer historischen Aufgabe bewusst werdend, sollten sie in »das Ringen um das Dritte Reich« eintreten und bereit sein, für »Volk, Blut, Heimat und Vaterland« ihr Leben zu opfern.1413 Zunächst aber musste »der Kampf um die Zukunft und das Schicksal des deutschen Volkes« auf die innenpolitische Bühne verschoben werden. Mit dem Streit um Im Westen nichts Neues trat er in ein erstes entscheidendes Stadium ein. Die NS-Presse rief ihre Anhänger dazu auf, in vorderster Front gegen Remarque und alle anderen Kriegsverneiner zu kämpfen, »die im Innern den Selbstbehauptungswillen des deutschen Volkes zerstören« wollten.1414 Zugleich richteten sich die Angriffe auf den Schriftsteller gegen die Republik, als deren Vertreter der Verfasser von Im Westen nichts Neues angesehen wurde. Und so avancierte Remarque als Symbol des ›Weimarer Systems‹ zu einer Projektionsfläche für all das, was die Nazis hassten: ob »bolschewistisch«, »marxistisch«, »pazifistisch«, »jüdisch«, »demokratisch« oder »materialistisch« – kaum ein Adjektiv zu seiner Diffamierung ließen sie aus. Mit der Bemerkung, »Remark« sei ein »republikanischer Hofdichter«, machte der Völkische Beobachter im Januar 1930 die Identifizierung des Schriftstellers mit dem Staat zum wiederholten Male deutlich. Für das Agitationsorgan war Im Westen nichts Neues der »klassische Roman der Novemberrepublik«.1415 Bereits drei Monate zuvor hatte ein ebenfalls namentlich nicht genannter Redakteur des Münchner Nazi-Organs Remarque als »Novemberliterat« diffamiert und ihn 1410 Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum«, in: Völkischer Beobachter, München, 19. 1. 1930 (43. Jg.), Beilage Der Deutsche Frontsoldat, Nr. 1, S. 1. 1411 Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. 1412 N.N.: Novemberliteraten. 1413 M. v. Killinger: Soldat und Politik, in: Völkischer Beobachter, München, 15. 9. 1929 (42. Jg.), Beilage Die Neue Front, Nr. 4, S. 5. 1414 N.N.: Reichskriegertag in München. 1415 N.N.: Remark, der republikanische Hofdichter, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 6 vom 9. 1. 1930 (43. Jg.), S. 2.

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ideologisch in die Reihen derer eingeordnet, »die in den Klubsesseln der Rathenauschen ›Kriegsgesellschaften‹ dicke Zigarren rauchten«, sich »mit besonderer Vorliebe in der Etappe aufhielten« und aus »holländischen und Schweizer Deserteurexilen […] massenhaft Dolchsto ß flugbl ä tter für die Entente schrieben«.1416 Diese ›Novemberverbrecher‹, mutmaßten die Nationalsozialisten, würden mehr als zehn Jahre nach Kriegsende weiter ihr Handwerk treiben. Heute gehörten sie zu den »Trabanten« Remarques, die dem deutschen Soldaten »Kot als Denkmal« gesetzt hätten – dabei zittere noch die ganze Welt »von der Wucht seiner Erscheinung«. Nur in der Heimat wolle man ihn nicht kennen, schrieb der nationalbewusste Schriftsteller Hans Zöberlein.1417 Neben sozialdemokratischen und liberalen Politikern sowie linksintellektuellen Literaten1418 stand von den Befürwortern von Im Westen nichts Neues insbesondere die »Regierungspresse der Republik«1419 unter Beschuss. In der Reklame wetteifere sie »um dieses ihr Kriegsbuch«1420 und schütte damit »Schmutz und Schund kübelweise über das deutsche Volk«1421, agitierten die Rezensenten des Völkischen Beobachters unisono. Während sie sich an der Fronterzählung des »in Uniform gesteckt gewesenen Zivilisten« Remarque berausche1422, hieß es weiter, verschweige die demokratische Presse die Werke von Jünger, Schauwecker, Beumelburg und Flex, die das »wahre Kriegserlebnis schildern«1423. Um die Im Westen nichts Neues protegierenden Zeitungen und damit auch Remarques Buch selbst zu desavouieren, entfesselte die Nazi-Publizistik eine breit angelegte Hetzkampagne. Hierbei setzte sie vor allem auf die Karte des Antisemitismus. So wurden die liberalen Ullstein- und Mosse-Blätter, die Frankfurter Zeitung und der sozialdemokratische Vorwärts im Zusammenhang mit Remarque wahlweise als »jüdisch demokratische, pazifistische Journaille«1424, »jüdische Linkspresse«1425 oder »jüdisch-marxistische Journaille«1426 1416 N.N.: Novemberliteraten. 1417 Zöberlein: Im Westen nichts Neues. 1418 Die nationalsozialistischen Kritiker mokierten sich insbesondere über die Vereinnahmung Remarques durch Walter von Molo, dessen »Liebling« der Verfasser von Im Westen nichts Neues sei, sowie Carl Zuckmayer. Allein, dass der »berüchtigte« Schriftsteller und Dramatiker Zuckmayer die Verbreitung von Im Westen nichts Neues in Schulstuben, Lesehallen und Universitäten gefordert hatte (vgl. S. 222, dort auch Anm. 1027), genügte den Nationalsozialisten, so Limpach, um zu wissen, was sie von dem Buch zu halten hätten. Vgl. Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur ; N.N.: Remark, der republikanische Hofdichter, sowie N.N.: »Im Westen nichts Neues«. 1419 Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur. 1420 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. 1421 Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. 1422 Mayr : »Im Westen nichts Neues«. 1423 Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur. 1424 Ebd.

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verunglimpft.1427 Besonders im Fokus stand der Ullstein-Konzern. Schließlich hatte dieser Im Westen nichts Neues erst herausgebracht, um das Buch dann »mit dem Volldampf« seiner »Reklamemaschinerie« als »Sensation« durch die Welt zu peitschen.1428 Wie weit der Hass gegen den Verlag ging, zeigt schon ein einziger Artikel in Goebbels’ Agitationsblatt Der Angriff 1429 : Dort war unter anderem von der »Ullstein-Sau«, dem »Ullstein-Hebräer« und »Ullstein-Juden« die Rede.1430 Ob republikanische Politiker, Weimarer Intelligenz oder demokratische Presse – gemeinsam sei allen »jüdischen Kulturzerstörern und Bolschewisten«, dass sie das »Heldenideal« der Weltkriegssoldaten zugrunde richten wollten.1431 Und da Im Westen nichts Neues genau jene »pazifistische Volksentmannung«1432 verfolge, so der Tenor der NS-Publizistik, werbe »Juda« für Remarques Buch.1433 Dabei übertrafen sich die nationalsozialistischen Journalisten regel1425 N.N.: Novemberliteraten. 1426 Mayr : »Im Westen nichts Neues«. 1427 Vgl. ein ähnliches Vokabular im Angriff: N.N.: Deutsche Erlösung erst, wenn die Journaille krepiert, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 35 vom 2. 9. 1929 (3. Jg.), S. 1, sowie N.N.: Giftmischer entlarven sich selbst, ebd. Tatsächlich gehörten die häufig als »Judenblätter« diffamierten Mosse- und Ullstein-Zeitungen sowie die renommierte Frankfurter Zeitung (Sonnemann) zu Verlagen, die jüdische Wurzeln besaßen. Auch beschäftigten die drei Verlage einen weitaus höheren Anteil an jüdischen Mitarbeitern als alle anderen deutschen Zeitungskonzerne, bemerkt Eksteins. Das, freilich, rechtfertigte die antisemitischen Anfeindungen in keiner Weise. Vgl. Bosch: Liberale Presse, S. 9, sowie Eksteins: The Limits of Reason, S. 133f. 1428 N.N.: Remarque als »Erzieher«, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 268 vom 19. 11. 1929 (42. Jg.), S. 2. Vgl. auch Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. Mit entsprechender Polemik betitelte der Kritiker des Völkischen Beobachters Remarque als »Reklamefrontkämpfer des Hauses Ullstein«. 1429 1927 vom Berliner ›Gauleiter‹ Joseph Goebbels als Montagszeitung gegründet und herausgegeben, erschien das nationalsozialistische Hauptstadtblatt Der Angriff seit Ende 1929 jeden Donnerstag und Sonntag, ab September 1930 täglich (vgl. Kaupert: Die deutsche Tagespresse, S. 124). Stark vom Vokabular Goebbels’ geprägt, hatte das politische Hetz- und Agitationsblatt (Motto: »Für die Unterdrückten« / »Gegen die Ausbeuter«) den alleinigen Zweck, Anhänger zu rekrutieren und die Parteiideologie zu verbreiten. Die Funktion des Angriffs machte der Propaganda-Experte 1932 unmissverständlich klar : »Unsere Zeitung entstand aus der Tendenz heraus und sollte auch in der Tendenz und für die Tendenz geschrieben werden. Unser Ziel war nicht zu informieren, sondern anzuspornen, anzufeuern, anzutreiben. Das Organ, das wir gründeten, sollte gewissermaßen wie eine Peitsche wirken, die die säumigen Schläfer aus ihrem Schlummer aufweckt und zu rastlosem Handeln vorwärts hetzt« (Joseph Goebbels: Kampf um Berlin, München 1932, S. 190ff.). Die Auflage des Angriffs vor 1933 ist nicht bekannt. Sie lag jedoch mit Sicherheit unter den 60.000 Exemplaren, mit denen das Blatt im Jahr der Machtübernahme erschien. Vgl. Weißbecker : Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, S. 385. 1430 Ba.: Die Ullstein-Sau, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 11 vom 18. 3. 1929 (3. Jg.), S. 10. 1431 N.N.: Novemberliteraten. 1432 Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum«. 1433 Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur.

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recht, den Pazifismus als Wurzel allen Übels zu brandmarken. Mal war er eine »Bettfedern-Weltanschauung […] moralischer Brüllaffen und egoistischer Aussauger«1434, dann schlichtweg »potenzierte Feigheit«1435, um ein anderes Mal als »verbrecherische Lehre« und »Moral des Untermenschen« bezeichnet zu werden, die den Eigennutz vor den Gemeinnutz stelle und zu Bequemlichkeit und Genusssucht erziehe.1436 Neben der Republik und dem Judentum verband die Nazi-Presse mit Im Westen nichts Neues die ebenfalls verhasste liberale Bourgeoisie. Und wie schon zuvor beobachtet, wurde auch hier die Buchbesprechung dazu genutzt, um das Bürgertum anzufeinden und das eigene Weltbild zu demonstrieren: in diesem Fall den revolutionär-sozialistischen, antibürgerlichen Charakter der NSDAP. »Der Liberalismus überstürzt sich förmlich vor Freude« über Remarques Buch, schrieb der Völkische Beobachter im Februar 1929, um sogleich anzufügen, dass Im Westen nichts Neues das Produkt einer Gesellschaftsschicht sei, die geistig bereits »in den Stahlgewittern des Weltkrieges« untergegangen sei: »So wie er hineingezogen: müde, alt, krank, so ist der deutsche liberale Bürger auch aus dem Kriege heimgekommen, innerlich erstorben, zerdrückt von der Last des unverständlichen Kriegserlebnisses. Diese Menschen haben nur noch ein Organ: das Gehirn. Und nun versuchen sie den Krieg zu denken, und sind noch stolz darauf, wenn so ein Buch wie das von Remarque dabei herauskommt.«

Eine bewährte Methode, die vermeintliche Tendenz von Remarques pazifistisch »verseuchtem« Buch zu belegen1437, war, den Wahrheitsgehalt von Im Westen nichts Neues auf einer faktischen Ebene der Authentizität infrage zu stellen. Auch der bereits zitierte Hans Zöberlein griff in seiner Rezension vom August 1929 darauf zurück: »Mit Ausnahme der Latrine, die er ausgezeichnet kennt«, seien Remarque nicht einmal die gewöhnlichsten Dinge der Front geläufig, bezweifelte der nationalsozialistische Schriftsteller die militärische Sachkenntnis des Verfassers von Im Westen nichts Neues. So fahre dieser immer mit dem Auto an die Front, was nur sehr selten vorgekommen sei, betonte Zöberlein und unterstellte Remarque damit zugleich Schwächlichkeit. Ferner schiebe er ganze Regimenter mit Nummern als Ersatz in sein Regiment und lasse sie darin aufgehen: »ein unmöglicher Vorgang«. Entsprechend lautete Zöberleins Urteil: »Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder war Remarque gar nicht an der Front, was dem plumpen Blödsinn nach wahrscheinlich ist, oder er lügt mit frecher Stirne.« Fest stehe auf jeden Fall, dass Remarque »die Geschichte des Krieges fälscht, fälscht 1434 1435 1436 1437

Mayr : »Im Westen nichts Neues«. Ebd. N.N.: Novemberliteraten. Mayr : »Im Westen nichts Neues«.

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und noch einmal fälscht.«1438 Im November 1929, als mehr über die militärische Vergangenheit Remarques bekannt geworden war, rückte der Völkische Beobachter zwar von der Behauptung ab, der Verfasser von Im Westen nichts Neues sei nie an der Front gewesen, untermauerte aber, dass ihn die paar Monate, die er dort verbracht habe, nicht berechtigten, »›im Namen aller Toten des Weltkriegs‹ ein Buch zu schreiben und sich als Frontsoldat von echtem Schrot und Korn auszugeben«.1439 Diese Feststellung war Voraussetzung, um glaubhaft zu machen, dass Remarques Kriegsschilderungen tendenziös-pazifistische »Sudeleien« seien.1440 Der Dichter wolle das »Blutopfer« Deutschlands »bester Söhne« verächtlich machen und den Ruf ihrer Tapferkeit und Heldenhaftigkeit zerstören, um nachfolgenden Generationen die Bereitschaft zum Krieg zu nehmen, hieß es im Angriff.1441 Daher beabsichtige Remarque, das Fronterlebnis zu einer »einzigen Latrinenangelegenheit zu stempeln«, erläuterte ein Kritiker namens Leo Ende März 1930 im Völkischen Beobachter.1442 Eine Schimpfkanonade ähnlichen Stils hatte bereits ein halbes Jahr zuvor Zöberlein losgelassen: »Das ganze Buch ist eine krampf haf te Bet rachtung des Krieges durch eine Abor tbrille«, schrieb er in seiner Rezension von Im Westen nichts Neues. »Es ist aus der Latrinenperspektive geschrieben. Und so wird schließlich das ›Denkmal des Unbekannten Soldaten‹ ein einziger großer Kothaufen.«1443 Deutlich spricht aus den obigen Reaktionen, dass das von allen Pazifisten »verherrlichte« Buch1444 für die Fronterlebnis-Version der Nationalsozialisten eine Gefahr darstellte. Dabei war es weniger der von national-konservativen Kräften propagierte romantische Opfergeist – nach dem es schön und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben1445 –, welchen Remarque zu unterminieren drohte, sondern vielmehr der Mythos von der Herausbildung des nationalsoZöberlein: Im Westen nichts Neues. N.N.: Novemberliteraten. Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum«. Vgl. auch Leo.: Kriegsschrifttum. M.W.: Unsere Kriegsliteratur, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 35 vom 2. 9. 1929 (3. Jg.), S. 2. Leo.: Kriegsschrifttum. Zöberlein: Im Westen nichts Neues. Von »Latrinenschilderungen ohne Ende« war in derselben Zeitung erneut im Januar 1930 die Rede. Vgl. N.N.: Remark, der republikanische Hofdichter. 1444 N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques, in: Völkischer Beobachter, München, 15. 9. 1929 (42. Jg.), Beilage Die Neue Front, Nr. 4, S. 5. 1445 In vielen Stellungnahmen setzten sich die Nationalsozialisten von der Kriegsideologie der wilhelminischen Kreise ab. Damit wollten sie ihren revolutionären Charakter demonstrieren. So hieß es etwa am 19. Januar 1930 im Völkischen Beobachter : »[Der] ›Hurrapatriotismus‹ der e i ne n Ofensitzer ist echten Frontkämpfern nicht weniger verhaßt und der Gesamtwehrkraft des Volkes nicht weniger schädlich als der zersetzende und verbrecherische Pazifismus der a n d e re n Ofensitzer!« Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum«.

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zialistischen Menschen in den Schlachten des Weltkriegs.1446 Während Remarque eine Generation beschreibt, die verloren ist, war der Krieg in den Augen der Nazis »ein unversiegbarer Kraftquell«. Er habe die Soldaten nicht zerstört, sondern sie »gel ä uter t«1447 – eine diametral entgegengesetzte Schlussfolgerung. Gemäß der sozialdarwinistischen Ideologie der NS-Bewegung entstand der wahre »Adel des Volkes«: »Krieger«, die im Feuer »im Graben geboren wurden«, beschrieb der Völkische Beobachter die Fronterfahrung als das verbindende Element des Nationalsozialismus.1448 Diesen unvergänglichen ›Neuen Menschen‹ sahen die Kommentatoren vor allem bei Ernst Jünger verwirklicht.1449 Voraussetzung der besonderen Menschwerdung im Krieg sei aber die »innere Ü b er w indung des pers ö nlichen Egoismus« und die »Niederk ä mpfung des moralischen Schweinehundes« jedes Einzelnen gewesen, meinte Wilhelm Weiß, Chef vom Dienst des Parteiorgans.1450 Remarque hingegen schilderte laut der nationalsozialistischen Kritik genau das Gegenteil hiervon: Er zeige nur »das kleine, nichtsbedeutende Ich, welches den großen Aderlaß nicht als ewiges Naturgesetz verstand«, echauffierte sich Eduard A. Mayr.1451 Stattdessen sei der Krieg, so ein weiterer Rezensent, eine »große ungeheure Sinnlosigkeit« für den Verfasser von Im Westen nichts Neues gewesen: »Remarque fand keinen Sinn darin, in den Krieg zu ziehen und keinen, aus ihm zurückzukehren.«1452 Mehr noch: Weiß zufolge war Remarque gar einer jener Menschen, die den Kriegsdienst als eine »gegen ihre Person gerichtete Beleidigung empfanden«, spielte der Kritiker wiederum auf das angeblich schwache Wesen des Literaten an.1453 Dementsprechend wurde Remarque als Nichtsoldat abgestempelt: Mal bezeichneten ihn die Rezensenten als »Pseudokrieger«1454, dann wieder als »ein pazifistisches Seelchen«.1455 Die doppelte

1446 Vgl. Franz Schauwecker : Generation des Krieges, in: Die grünen Hefte der »NS-Briefe«, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), Berlin 1930, S. 14–16. 1447 Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur. 1448 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. 1449 Vgl. Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat 1450 Ebd. Wilhelm Weiß, NSDAP-Mitglied seit 1922, beteiligte sich 1923 am Marsch auf die Feldherrenhalle in München. Seit 1927 war er Chef vom Dienst beim wieder zugelassenen Völkischen Beobachter, dessen Chefredakteur er 1938 wurde. Von 1933 bis 1945 war Weiß zudem Leiter des Reichsverbands der Deutschen Presse und Mitglied des Reichstags. Ferner wurde er 1934 Mitglied des Volksgerichtshofs, 1935 des Reichskultursenats und 1936 Hauptamtsleiter in der Reichsleitung der NSDAP. Vgl. DBE, Bd. 10, S. 411. 1451 Mayr : »Im Westen nichts Neues«. 1452 N.N.: »Im Westen nichts Neues«. 1453 Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. 1454 Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum«. 1455 N.N.: »Im Westen nichts Neues«.

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Kritik, Remarque sei »kein Krieger von Geblüt«1456 und zudem ein »Egoist in höchstem Grade«1457, der den Krieg »ohne auch nur einen Hauch menschlicher Größe« durchlebt habe1458, diente dazu, dem Autor die Legitimation als Kriegsberichterstatter zu nehmen. Gleichzeitig zeigten die Nazis in Abgrenzung zu ihm ihr idealtypisches Kriegerbild auf. Indem die Nationalsozialisten darlegten, wie ›falsch‹ Remarques Fronterlebnis sei, hofften sie, die Wirkkraft seines Buches einzudämmen. Aus diesem Verhalten spricht die ernste Sorge, Im Westen nichts Neues und andere kriegskritische Bücher1459 könnten mit ihrer »raffinier ten Zersetzungsarbeit« die eigene Anhängerschaft von der heroischen Fronterlebnis-Version entfremden.1460 So glaubte etwa Erich Limpach, dass die wenigsten Soldaten, die Remarques Roman gelesen hätten, sich darüber klar geworden seien, »daß hier Maulwürfe am Werke sind, die in geschickt getarnter Weise das wahre Kriegserlebnis fälschen und ins Negative zerren wollen«.1461 Dies galt insbesondere in einer Zeit, in der die liberale Presse Presse – so das Weltbild der NS-Anhänger – mit ihrer vom Deutschtum ablenkenden Publizistik schon seit Langem die Wehrmoral des gesamten Volkes untergrabe. Während etwa die deutsche Frau früher »aus gesundem Blutinstinkt heraus« den Helden geliebt und verehrt, dagegen aber den Feigling und Drückeberger im Kampfe verachtet habe, vergöttere sie heute die Erzeugnisse des jüdisch-bolschewistischen Kulturbetriebs, hieß es im Völkischen Beobachter.1462 Vor allem um die junge Generation machten sich die Nationalsozialisten Sorgen. So konstatierte Leo im Völkischen Beobachter, dass Remarque und Renn mit ihren Büchern »in unserer heut igen Jugend unter den seelisch leicht B eeinflussbaren [bereits] ein gro ß es Unheil angerichtet« hätten, welches kaum wieder gutzumachen sei.1463 Ähnliche Bedenken äußerten viele andere Rezensenten: Im Westen nichts Neues sei geeignet, »Landesverräter heranzuziehen, die in einem zukünftigen Krieg schon am ersten Tag die Waffen wegwerfen und desertieren werden«.1464 Folgerichtig wandte sich die NS-Presse aufs Schärfste gegen die Nutzung des Romans im Schulunterricht. Die Kritiker griffen Behörden an, die das Buch als Lehrstoff empfohlen – darunter den Berliner Magistrat, der im Mai 1929 alle 1456 1457 1458 1459 1460 1461 1462 1463 1464

N.N.: »Im Westen nichts Neues«. N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques (Völkischer Beobachter). Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. Erich Limpach etwa nannte auch Krieg von Ludwig Renn, Georg von der Vrings Soldat Suhren und Jahrgang 1902 von Ernst Gläser. Vgl. Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur. Leo.: Kriegsschrifttum. Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur. N.N.: Novemberliteraten. Leo.: Kriegsschrifttum. N.N.: Novemberliteraten.

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Schulbüchereien der Stadt mit einem Exemplar von Im Westen nichts Neues ausgestattet hatte. Sie forderten, das Buch müsse umgehend wieder aus den Bibliotheken und Lehrplänen entfernt werden. Interessanterweise stand als Argument hierfür dessen vermeintlich wehrkraftzersetzende Wirkung nicht im Vordergrund. Vielmehr wiesen die Nationalsozialisten auf die Unsittlichkeit von Remarques Schilderungen hin. Diese seien lüstern und entartet; allein schon wegen seiner »pornographisch gefärbten« Stellen gehöre Remarques »ausgesprochener Schundroman« nicht in die Klassenzimmer. Besonders gefährde er die Sittlichkeit junger Mädchen, hieß es im Völkischen Beobachter. So würden Lehrer, die mit dem Buch »bahnbrechend auf dem […] Gebiete der freien Liebe unter halbwüchsigen Mädchen« wirken wollten, »nette Früchtchen, Bordellkandidatinnen« heranziehen.1465 Dies, freilich, war ein Alibi-Argument, das die rein politisch-ideologisch begründete Anti-Remarque-Propaganda stützen sollte. In jedem Fall aber meinten es die Nazis ernst mit ihren Forderungen, wie sich bald zeigen sollte. Als die NSDAP Ende Januar 1930 mit Wilhelm Frick erstmals einen Minister im Deutschen Reich stellte, wartete dieser nicht lange, bis er Maßnahmen gegen Im Westen nichts Neues einleitete1466 : Nur zwei Wochen nach seinem Amtsantritt als Kultusminister in Thüringen ließ Frick den Roman »für sämtliche Lehrer- und Schülerbüchereien« verbieten. Er begründete dies damit, dass »ein Buch, das den Krieg vom Latrinenstandpunkt aus behandelt, […] für die Erziehung und Bildung ungeeignet« sei.1467 Noch aber war Thüringen ein Einzelfall; in anderen Ländern hatte die NSDAP bis Mitte 1930 keinen vergleichbaren Einfluss. Somit blieb der Partei zunächst nur die Agitation über ihre Presse. Dabei ging die nationalsozialistische Kritik noch heftiger vor als die Remarque-Gegner anderer politischer Milieus, insbesondere was die direkte Diffamierung des Schriftstellers betraf. Sie stellten ihn als undeutschen, dekadenten Bürgerdichter dar, dessen einzige Absicht es gewesen sei, sich an seinem Buch finanziell zu bereichern. Um seine Person zu demontieren, wurde er wahlweise als Jude und Möchtegern-Franzose dargestellt, dessen Autorenname eine französische Umkehrung seines eigentlichen Namens Kramer sei. Deutlich wird dies beispielsweise bei Eduard A. Mayr, der ihn im Juni 1929 ganz unverblümt »RemarqueKramer« nannte.1468 Als bald darauf mehr über Remarques Biografie bekannt 1465 N.N.: Remarque als »Erzieher«. 1466 Vgl. Weißbecker : Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, S. 404. 1467 Vgl. Müller: Der Krieg und die Schriftsteller, S. 326, sowie Rainer Bendick: »Im Westen nichts Neues« und die pädagogisch-didaktischen Diskussionen in Deutschland und Frankreich Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre, in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung, Osnabrück 1998 (Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 8), S. 151–185. 1468 Mayr : »Im Westen nichts Neues«.

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wurde, rückte der Völkische Beobachter von der Kramer-Legende ab und klärte seine Leser auf, der Literat heiße eigentlich »ganz prosaisch Erich Remark, möchte aber lieber Franzose als Deutscher sein«.1469 Ein Rezensent des Angriffs versuchte gar nachzuweisen, dass »Remark« ein »urdeutscher« Name sei, der aus den Silben »Reh« und »Mark« bestehe (»Reh-Mark«).1470 Dann aber, fuhr er fort, habe der »Franzmann Remarque« sich durch Adoption wiederum den »urdeutschen Namen von Buchwald« zugelegt1471, was der Kritiker gleichermaßen als »Größenwahn« und »Gesinnungslumperei« betrachtete: »Es ist eine rein jüdische Handlungsweise, die sich jeder Jude gerne leistet, der das Geld dazu hat. […] Deutschen Menschen sind solche Mätzchen zuwider«, konstatierte er rabulistisch. »Wie Remarks Buch ›Im Westen nichts Neues‹ etwas völlig Undeutsches ist«, lautete sein entsprechendes Fazit, »so ist auch sein wiederholter Namenswechsel undeutsch bis auf die Knochen. Mit beidem hat er sich selbst gerichtet.«1472 Das Privatleben von Remarque gab auch deshalb Anlass zu solcher Häme, weil es nach Meinung der Kritiker so gar nicht zum Credo der für immer zerstörten Frontgeneration passte. Sie warfen dem Schriftsteller vor, er habe auf Kosten Millionen Gefallener mit seinem »üblen« Buch »Hunderttausende von Mark verdient« und fahre nun mit einem von dem Geld erworbenen Rolls-Royce fidel durch die Gegend.1473 Dieser vermeintliche ›Dandy‹ Remarque verkörperte für seine nationalsozialistischen Gegner den »typischen Vertreter der liberalen Bourgeoisie«, wenn auch – und damit spielten sie auf das Bestreben Remarques an, seine kleinbürgerliche Herkunft zu verbergen – nur der »kleinen Bourgeoisie«.1474 Ein Musterbeispiel für diese Art von methodischer Diffamierung lieferte im September 1929 Heinz Erich Platte mit einer äußerst polemischen Satire im Völkischen Beobachter. Unter dem Titel »Im Westen ganz was Neues« griff er auf alle um Remarque kreisenden Märchen und Verleumdungen zurück und stellte den Verfasser von Im Westen nichts Neues als niedriggeistigen Ge1469 N.N.: Novemberliteraten. Vgl. auch N.N.: Remark, der republikanische Hofdichter. 1470 B.: Wer ist Remarque?, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 57 vom 17. 7. 1930 (4. Jg.), S. 7. Dies, freilich, war eine falsche Behauptung. In der Tat war Remarque französischer Abstammung; die ursprüngliche Schreibweise seines Familiennamens lautete bei der Auswanderung seiner Vorfahren »Remacle«. Erst in Deutschland wurde der Nachname später zu »Remarque« und dann »Remark«.Vgl. Kap. 5.1, S. 112. 1471 Wie bereits zuvor angemerkt, hat Remarque seinen ›gekauften‹ Adelstitel nie öffentlich getragen. 1472 B.: Wer ist Remarque? Die Unterstellung, Remarque sei ›undeutsch‹, erfolgte häufig auch auf einer weitaus subtileren Ebene. Nur ein Beispiel sei genannt. So konstatierte Hans Zöberlein, dass Remarque »blond […] nicht recht leiden« könne. Vgl. Zöberlein: Im Westen nichts Neues. 1473 Vgl. B.: Wer ist Remarque?, sowie Heinz Erich Platte: Im Westen ganz was Neues, in: Völkischer Beobachter, München, 12. 9. 1929 (42. Jg.), Beilage Der Deutsche Frontsoldat. 1474 N.N.: »Im Westen nichts Neues«.

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legenheitsdichter und snobistischen Hochstapler dar, der sich – nachdem er die Absatzchancen von Kriegsliteratur erkannt hatte – einen verkaufsfördernden Namen zulegte und aus Gelesenem und Gehörtem ein Kriegsbuch zusammenpanschte.1475 Im Anschluss an derartige Diskreditierungen warben die Journalisten der nationalsozialistischen Publikationen regelmäßig für das »wirkliche Kriegsschrifttum« von Autoren wie Jünger, Schauwecker oder Beumelburg.1476 »Man versucht an euer Heiligstes zu tasten. Gebt den Feinden unseres Volkes, den Verächtern alles Heldischen die rechte Antwort: Kauft die Kriegsbücher deutscher Nationalisten!«, appellierte Erich Limpach am Ende seiner Hasstirade auf Remarque an alle Leser, mit der Lektüre nationalbewusster Literatur ein Bekenntnis gegen Im Westen nichts Neues abzulegen.1477 Als der Gegenentwurf zu Remarque wurde Ernst Jünger protegiert. So wie die liberalen Kreise Remarque für sich beanspruchten, taten dies die Nationalsozialisten mit dem Träger des Ordens Pour le M8rite und »zwanzigmal verwundeten Frontoffizier«.1478 In beinahe jedem Artikel, der sich mit dem Fronterlebnis im Weltkrieg befasste, nahmen die Verfasser auf Jünger Bezug. Häufig wurden auch seine Schriften in der NS-Presse abgedruckt: In der Ausgabe des 1475 Um die Methodik einer solchen Polemik darzustellen, soll etwas ausführlicher daraus zitiert werden: »Mit Hilfe einiger Cocktails, die er sich nach einem Rezept aus seinem Erstlingswerk ›Wie mixe ich salonfähige Schnäpse?‹ zubereitete«, habe sich der Dichter »Heinrich Emanuel Quark«, so Platte, zunächst »die nötige Intuition für die Erfindung eines zugkräftigen Schriftstellernamens« besorgt. »Quark erschien ihm nicht länger opportun, nachdem erst kürzlich bei Besprechung seines letzten Buches der betreffende Rezensent diesen Namen als charakteristisch für den gesamten Inhalt des Werkes bezeichnet hatte.« Nachdem sich Quark »drei Gläschen der raffiniert ausgeknobelten Mischung hinter die Binde gegossen« habe, sei ihm der entscheidende Einfall gekommen: »Er schrieb seinen bis dahin in weitesten Kreisen unbekannten Namen auf einen Zettel, amputierte das ›k‹ und verpflasterte die wunde Stelle mit einem ›que‹. Emanuel mußte […] weichen, und Quark wurde ganz hugenottentottisch zumute, als er mit vibrierenden Stimmbändern zum ersten Male den neuen Namen zärtlich aussprach: Heinrich Elisabeth Quarque.« Schließlich an seiner Schreibmaschine sitzend, sei ihm die Niederschrift des Kriegsbuches nicht schwer gefallen: »Quarque war hinreichend über alle damaligen Begebenheiten orientiert; denn er war sehr belesen. Außerdem hatte er sich in der fraglichen Zeit ja selber einige Tage besuchsweise [sic!] an der westlichen Kampffront aufgehalten.« Der Ullstein-Verlag geriet ebenfalls in Plattes Schusslinie: »Der Verleger«, schrieb der Autor im Völkischen Beobachter, »nickte nach Kenntnisnahme des Manuskriptes befriedigt, rief seine Kompagnons zusammen und sprach: ,[…] Der Mai ist gekommen! Wenn das kein Geschäft wird.‹ Dann ließ er seine bestens durchtrainierte Propagandamannschaft antreten, teilte sie zum Reklameexerzieren ein und ließ die Rotationsmaschinen brausen.« Vgl. Platte: Im Westen ganz was Neues. 1476 Leo.: Kriegsschrifttum. Vgl. auch Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum«. 1477 Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur. 1478 Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. Angaben der biografischen Fachliteratur zufolge wurde Jünger ›lediglich‹ vierzehnmal verwundet. Vgl. S. 136f., Anm. 553.

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Völkischen Beobachters vom 15. September 1929 erschien neben zwei Artikeln, die ausdrücklich gegen Im Westen nichts Neues gerichtet waren1479, ein Auszug aus Jüngers Kampf als inneres Erlebnis. Betitelt wurde der Abdruck mit »Die Todesangst des Frontkämpfers und ihre Überwindung. Der Sieg der Idee über die Materie«.1480 Mit jener Idee war selbstverständlich die nationalsozialistische gemeint, was die Vereinnahmung Jüngers durch die Nazis belegt.1481 Ihre ausnahmslos positive Stellung zu dem Literaten begründeten die Rezensenten nicht nur damit, dass Jünger das Fronterlebnis schildere, »wie es wirklich war«; vielmehr schätzten sie seine Werke, weil aus ihnen der »Idealismus des wahrhaften Kriegers« und der »tiefere Sinn des Krieges« sprächen.1482 Jünger habe das Erlebnis regelrecht in sich »eingesogen«, hieß es; wie kein anderer sei er legitimiert, davon zu berichten – schließlich habe er den »ganzen Krieg als Stoßtruppführer in vorderster Kampffront mitgemacht«.1483 Somit erhielt Jünger den Status eines »Frontsoldaten« par excellence, während Remarque lediglich »Eingezogener« gewesen sei, bemerkte der Völkische Beobachter.1484 Ernst Jünger im Ansehen ebenbürtig war Franz Schauwecker. Sein 1930 erschienenes Buch Aufbruch der Nation adelte Joseph Goebbels im November desselben Jahres als den »großen und imponierenden deutschen Kriegsroman !«, welcher eine »Antwort des deutschen Frontsoldaten an Remarque« sei: »Ohne falsche Sentimentalität, nichts verschleiernd, nichts vertuschend, ein aufrechtes Bekenntnis zum Krieg und zu seinen ewigen Erlebniswerten; fernab

1479 Vgl. folgende, bereits mehrfach zitierte Artikel: Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat, sowie N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques (Völkischer Beobachter). 1480 Ernst Jünger : Die Todesangst des Frontkämpfers und ihre Überwindung. Der Sieg der Idee über die Materie, in: Völkischer Beobachter, München, 15. 9. 1929 (42. Jg.), Beilage Die Neue Front, Nr. 4, S. 5. 1481 Es soll hier der Eindruck vermieden werden, Ernst Jünger mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Dem Autor muss wohl ein schizophrenes Verhältnis zur NSDAP unterstellt werden. Einerseits hatten seine Werke einen nicht unerheblichen Einfluss auf die NSIdeologie – etwa die national-revolutionäre Version des Fronterlebnisses mit der Konstruktion des ›Neuen Menschen‹ und der ›Frontgemeinschaft‹. Andererseits versuchte Jünger, möglicherweise nicht vehement genug, die Inanspruchnahme seiner Schriften durch die Nazis zu verhindern. Ihm jedoch eine Mitschuld an den Verbrechen der Nationalsozialisten zu geben, ginge zu weit, argumentieren Forscher wie Andreas Huyssen und Nikolaus Wachsmann übereinstimmend. Vgl. Nikolaus Wachsmann: Marching under the Swastika? Ernst Jünger and the National Socialism, 1918–33, in: JCH (1998), Bd. 4, Nr. 33, S. 573; Andreas Huyssen: Fortifying the Heart – totally : Ernst Jünger’s armoured Texts, in: New German Critique (1993), Nr. 59, S. 7f. Vgl. auch Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 2, S. 385–400. 1482 Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat. 1483 N.N.: Novemberliteraten. 1484 N.N.: »Im Westen nichts Neues«.

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von jeder Effekthascherei, […] erhaben über jede feige Pazifistenmache. So war der Krieg«, schrieb Goebbels im Angriff.1485 Ob Jünger, Schauwecker oder Beumelburg – die nationalsozialistischen Rezensenten waren sich einig, dass die Bücher dieser Frontliteraten »eine Quelle neuen Glaubens« werden müssten, da sie »das Kriegserlebnis des geborenen Soldaten erschlossen« hätten. Und trotz aller vermeintlichen pazifistischen Propaganda durch Im Westen nichts Neues waren sie sich sicher, dass das Volk letztlich die richtige Wahl treffen werde, »welche Sage von dem gro ß en Kriege […] weiterleben wird«: nicht »die Greuelgeschichte von Läusen, Dreck, Dulden und Verwesung«, sondern »das Heldengedicht von jenen eisernen Männern, die an diesen Greueln und an diesem Grauen wuchsen, sich emporzuringen vermochten zu neuem Glauben, zu immer neuem kühnen Wagen, immer neuen Opfern«. Nur diese eine Sage werde das Volk annehmen und späteren Geschlechtern vermachen – weder die liberale Literaturkritik noch »der Verleger mit seinen Riesenauflagen« könne es davon abhalten. So werde Im Westen nichts Neues am Ende keine Pazifisten züchten, hieß es weiter, sondern jene Sorte Mensch richten, die den Krieg erlebte, wie Remarque es getan habe.1486 Mit dieser Überzeugung führten die Nazis den »Kampf um das geistige Erb e des Krieges«1487 weiter. Es dauerte nur noch knapp drei Jahre, bis sie einen totalen Sieg errungen hatten.

7.2.3. Zusammenfassung »Es ist immer noch nicht still geworden um Remarques Buch ›Im Westen nichts Neues‹. Gelobt, übersetzt, verschrien, abgelehnt – ganz nach der politischen Einstellung des einzelnen wurde es beurteilt.«1488 Das schrieb die Osnabrücker Zeitung, ein neutrales Blatt aus Remarques Heimatstadt, bereits am 6. Juni 1929. Wie gezeigt worden ist, wurde es danach noch lange nicht still um Im Westen nichts Neues. Mit seiner Schilderung des Fronterlebens in einem inzwischen mehr als zehn Jahre zurückliegenden Krieg hatte Remarque ein brisantes Thema in einer Art und Weise aufbereitet, dass sich daran die Geister schieden und jede Äußerung hierzu einem »politischen Lackmus-Test« gleichkam, wie Jens Ebert treffend formuliert.1489 1485 Dr. G. (d.i. Joseph Goebbels): Franz Schauwecker : »Aufbruch der Nation«, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 55 vom 24. 11. 1929 (3. Jg.), S. 5. 1486 M.W.: Unsere Kriegsliteratur. 1487 Leo.: Kriegsschrifttum. 1488 N.N.: Remarquismus und Aktivismus, in: Osnabrücker Zeitung, 6. 6. 1929 (164. Jg.). 1489 Ebert: »Im Westen nichts Neues« im Spiegel, S. 99.

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Die Reaktionen der unterschiedlichen Pressesegmente werden im Folgenden noch einmal zusammengefasst. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Schlagabtausch zwischen der liberalen und der rechtskonservativen Presse, welche die auflagenstärksten Titel stellten, die sich mit absolut konträren Positionen zu Im Westen nichts Neues gegenüberstanden. Nicht zuletzt prägten die liberalen Befürworter Remarques und seine nationalistischen Gegner den Verlauf der Debatte am nachhaltigsten – allein schon deshalb, weil sie sich stets aufeinander bezogen. Berücksichtigt wird in groben Zügen auch die Chronologie des Streits, wobei hier freilich nur Tendenzen veranschaulicht werden können. Wie im Detail dargestellt worden ist, wurde Im Westen nichts Neues zunächst von den Zeitungen des bürgerlich-demokratischen Ullstein-Verlags eine Bühne geschaffen. Die Vossische Zeitung berichtete im Zuge des Vorabdrucks schon Wochen vor dem Erscheinen über Remarques Kriegserzählung. Als der Roman dann am 31. Januar 1929 in den Schaufenstern der Buchläden lag, erschienen in nahezu allen Ullstein-Blättern ausführliche Besprechungen von meist prominenten Schriftstellern und Journalisten. Neben den hintergründigen geschäftlichen Absichten wurde Im Westen nichts Neues von den Sprachrohren des Verlags gefeiert, weil das Buch den Krieg erstmals in aller Deutlichkeit als Ort des Grauens und der Inhumanität zeigte. Remarque, so hieß es, schildere endlich das authentische Fronterlebnis, dem zufolge die Soldaten Opfer eines sinnlosen Massenmordens waren und jeder Heroismus fehl am Platze gewesen sei. Insofern habe das Buch insbesondere auf die desillusionierte Frontgeneration eine heilsame Wirkung, da diese ihre schrecklichen Erlebnisse bislang nicht hatte artikulieren können. Indem Hunderttausende Soldaten aber nun in Remarques Bericht ihr eigenes Fronterlebnis wiedererkannt hätten, werde sich, so die Hoffnungen der liberalen, republikfreundlichen Kommentatoren, die entwurzelte Frontgeneration wieder verstärkt für den Gedanken des Pazifismus und damit letztlich den internationalen Ausgleich und demokratische Werte einsetzen. Mehr noch: In den Ullstein-Zeitungen – und mit Abstrichen auch in den Blättern des Mosse-Verlags sowie der Frankfurter Zeitung – wurde die Erwartung laut, dass die massenhafte Lektüre des Buches den Friedenswunsch in der Gesellschaft insgesamt stärken werde. So besetzte die liberale Mitte Im Westen nichts Neues von Anfang an als ›ihr‹ Buch. Die sozialdemokratische Presse schloss sich dieser positiven Bewertung überwiegend an. Schon wenige Tage nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues hatte sich fast jedes SPD-Blatt zu dem Buch geäußert; in vielen Zeitungen erschienen zudem Anzeigen und Auszüge aus dem Text. Auch wenn sich die sozialdemokratischen Rezensenten bewusst waren, dass Remarque als bürgerlicher Schriftsteller nicht den Idealtypus des Arbeiterliteraten darstellte, protegierten sie sein Buch, da es ihnen wichtig und nützlich erschien. Aus ihrer Sicht

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war es ein deutliches Bekenntnis gegen den Krieg; es entlarvte dessen Verursacher und klärte die Gesellschaft im Sinne des Pazifismus auf. Ferner widerlegte Remarque, indem er die erdrückende Übermacht der gegnerischen Armeen beschreibt, mit der Dolchstoßlegende einen zentralen Bestandteil der gegen die Sozialdemokraten gerichteten nationalistischen Kriegsmythologie. Zwar vereinnahmte die SPD-Presse Im Westen nichts Neues nicht im gleichen Maße wie die liberale Publizistik, aber sie erkannte darin ein ›republikanisches‹ Buch, das sie – gemäß dem Verständnis der Sozialdemokratie als Schöpferin und Behüterin der Weimarer Republik – förderte und später auch verteidigte. Auch die progressiv ausgerichteten nationalliberalen Zeitungen, mithin jene, die auf der Linie Stresemanns schrieben, reagierten bereits in den ersten Februarwochen mit Wohlwollen auf Im Westen nichts Neues. Entsprechend ihrer pro-demokratischen Grundhaltung begrüßten Zeitungen wie das Hamburger Fremdenblatt und der Berliner Börsen-Courier Remarques Buch als wahren Bericht von der Front, der den Kriegsheroismus für immer demaskiere. Aufgrund der stetig wachsenden Verbreitung des Romans erhofften sich die Rezensenten des linken nationalliberalen Spektrums zum einen eine breite gesellschaftliche Ächtung des Krieges als Mittel der Politik, zum anderen eine wichtige Hilfe für die Frontgeneration bei der Verarbeitung ihres unbewältigten Kriegserlebnisses. Wenn den Veteranen des Weltkriegs dies gelinge, lautete der Umkehrschluss, würden sie ihre Stellung in der Gesellschaft festigen und somit der Republik loyal gegenüberstehen. Diese Feststellungen waren für die linksnationalliberalen Zeitungen jedoch kein Grund, in die Euphorie der UllsteinBlätter zu verfallen. Ähnlich wie die SPD-Presse betrachteten sie Im Westen nichts Neues als nützliches Buch, vereinnahmten es aber nicht unkritisch als das ihrige. Offenkundig waren die republikanisch gesinnten DVP-nahen Blätter darauf bedacht, einen gewissen ideologischen Abstand zu den liberalen Zeitungen Ullsteins und Mosses zu bewahren, welche die Politik des linken DDPFlügels stützten. Mit der Vereinnahmung durch die liberale Presse und der anschließenden Affirmation der sozialdemokratischen und links-nationalliberalen Publizistik erhielt Im Westen nichts Neues früh die Etikettierung als ›pazifistisches‹ Kriegsbuch. Dieser Stempel, der eine politische Wertung implizierte, trug dazu bei, dass der sich in der Folge entwickelnde Streit auf einer fast ausschließlich weltanschaulichen Ebene ausgetragen wurde. Wenn überhaupt, wurden nur ganz zu Beginn literarische Bewertungsmaßstäbe an Remarques Erzählung angelegt. Als die nationalistischen Remarque-Gegner das Feld betraten, wurde der Roman endgültig zum politischen Zankapfel. Waren die ersten Reaktionen kurz nach dem Verkaufsstart von Im Westen nichts Neues noch relativ moderat gewesen, ging die politische Rechte zum offenen Kampf über, als die Absatzzahlen

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stets neue Rekordhöhen erklommen und dieser Erfolg von der republikanischen Presse als der eigene besetzt wurde. Die mit jeder weiteren Auflage steigende Breitenwirkung von Im Westen nichts Neues und die zunehmenden Interdependenzen zwischen den Diskutanten trieben die Debatte an. Differenzierte Beurteilungen des Buches durch seine rechts stehenden Kritiker unterblieben nun völlig. Denn zum einen schien Remarques Roman ihren politischen Antagonisten Auftrieb zu geben, die für das ›Weimarer System‹ standen, zum anderen bedrohte das Buch die eigene Weltanschauung. Monty Jacobs, Feuilletonchef der Vossischen Zeitung, kommentierte die Angriffswelle der nationalistischen Remarque-Gegner am 25. Mai 1929 wie folgt: »Kein Wunder, daß sie sich wehrten, als sie die Wirkung eines Buches spürten, das täglich aufs neue zehntausend Köpfe gewann. […] Denn plötzlich entdeckten beim unheimlichen Steigen des Erfolges seine Rivalen das Fehlen jener Vokabeln, die Remarque so peinlich vermieden hatte.«1490

Von jenen Vokabeln gab es eine Menge. Im Grunde konterkarierte Im Westen nichts Neues das gesamte militaristische Weltbild der nationalistischen Rechten. Vor allem machte das Buch der heranwachsenden Generation den Krieg nicht schmackhaft – diese aber sollte sich doch in den Dienst des Revanchismus stellen und damit dem Tod der gefallenen Soldaten Sinn verleihen. Dementsprechend wiesen sowohl die Rezensenten der rechts-nationalliberalen Zeitungen, die sich verstärkt der DNVP annäherten, als auch jene der deutschnationalen Presse Im Westen nichts Neues aufs Schärfste zurück. Remarque schreibe nichts von der Pflichterfüllung, Opferbereitschaft, Willensgröße und dem Heldentum, das die deutschen Weltkriegssoldaten ausgezeichnet habe. Er negiere die Frontkameradschaft als Keimzelle der kommenden ›Volksgemeinschaft‹ und gebe dem Krieg im Ganzen keinen Sinn. Stattdessen stelle er die Soldaten als Schwächlinge dar, die im Krieg zerstört wurden, anstatt an ihm zu wachsen. Hinter all dem stand die Sorge um den Bestand des durch langjährige Propaganda geformten Mythos vom heroischen ›Fronterlebnis‹. Dieser war, wie illustriert worden ist, Kernstück eines Komplexes verschiedener Kriegsmythen, die Basis und Ausgangspunkt des gesamten nationalistischen Weltbildes waren. Die von Remarque eröffnete »profane publizistische Diskussion über ein zentrales identitätsstiftendes Thema des politischen Selbstbewusstseins der nationalistischen Rechten« gefährdete nun eine Erfahrung, »auf die sie nicht nur einen ideologischen, sondern auch einen literarischen Monopolanspruch zu besitzen glaubte«, lautet das prägnante Resümee von Hans-Harald Müller.1491 Remarque musste dieser Logik zufolge also bekämpft werden. 1490 Jacobs: Märchen um Remarque, S. 1. 1491 Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 71.

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Hierbei tat sich vor allem die nationalsozialistische Presse hervor. Sie hatte noch nicht die publizistische Kraft der deutschnationalen Kreise, aber dafür agitierte sie umso lauter gegen die Kriegserzählung aus dem Hause Ullstein. Im Unterschied zu den bürgerlichen Rechten fackelten die Nazis auch nicht lange und trommelten im Völkischen Beobachter bereits Mitte Februar 1929 zum Angriff gegen Remarque. Die Argumente, mit denen sie Im Westen nichts Neues ablehnten, ähnelten jenen der deutschnationalen Presse, weshalb sie hier nicht nochmals wiedergegeben werden sollen. Abgesehen von der erhöhten Aggressivität führten die Nazis den Kampf gegen Remarque noch offenkundiger als einen Kampf gegen die Republik. Im Westen nichts Neues, so hieß es, sei ein Produkt der ›Novemberrepublik‹ und zugleich ein Erzeugnis der absterbenden kapitalistischen Bourgeoisie, betonten die Nazis ferner ihre antibürgerliche Ausrichtung. Zudem glorifizierten sie wie keine andere politische Bewegung in Abgrenzung zu Remarque das ›Stahlbad‹ des Krieges als Geburtsstätte des Nationalismus und einer standesübergreifenden ›Volksgemeinschaft‹ – mithin also des Nationalsozialismus. Hinzu gesellte sich ein offener Antisemitismus gegen alle Gegner, ob nun Remarque selbst, andere kriegskritische Schriftsteller oder die ganze liberale Presse. Die heftige Kritik von rechts provozierte aufseiten der Remarque-Befürworter naturgemäß Widerspruch. Noch immer von dessen pazifistischer Wirkung überzeugt, verteidigten insbesondere die Ullstein-Zeitungen Im Westen nichts Neues mit Optimismus und Vehemenz. Dabei versäumten sie nicht, stets den sensationellen Erfolg des Buches hervorzuheben. Vom öffentlichen Meinungsstreit angetrieben, kletterten die Absatzzahlen weiter in die Höhe. Das wiederum veranlasste die Rechtspresse, ihre Agitation gegen Remarques Buch noch zu verschärfen. Parallel dazu lief das Ullsteinsche Marketing auf Hochtouren. Doch damit goss der Verlag neues Öl ins Feuer. Denn die RemarqueGegner kamen schnell dahinter, dass viele biografische Informationen, die im Zuge der Werbekampagne über den Bestsellerautor verbreitet wurden, zumindest geschönt worden waren. Das Buch war nun angreifbar, was die Rechtspresse durch eine Vielzahl von ›Enthüllungen‹ ausnutzte. So wurde die Debatte um Im Westen nichts Neues bald maßgeblich von außertextuellen Faktoren bestimmt.1492 Auf Ablehnung stieß Remarques Buch jedoch nicht nur auf der äußersten Rechten, wie die Rezeptionsanalyse deutlich gemacht hat: »Die Radikalen von links lehnen sein Buch ab, weil es nicht revolutionär genug sei«, hieß es im eingangs zitierten Artikel der neutralen Osnabrücker Zeitung, »[…] und selbst die Pazifisten – man sollte es kaum glauben! – lehnen ihn ab, weil er nicht pazifistisch genug sei.«1493 Die Kommunisten, hier als »Radikale von links« be1492 Vgl. hierzu Schneider: »Am besten nichts Neues«?, S. 37. 1493 N.N.: Remarquismus und Aktivismus.

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zeichnet, nahmen im Gegensatz zu den Nationalisten nicht an der Schilderung des eigentlichen Fronterlebnisses Anstoß. Hingegen kritisierten sie, wie gezeigt worden ist, dass Remarque die in der kapitalistischen Gesellschaft liegenden Ursachen des Krieges nicht benenne. Anstatt den Krieg vor dem Hintergrund der marxistischen Gesellschaftskritik zu beurteilen, beschreibe er ihn als eine Art Schicksal, lautete der in der kommunistischen Presse gängige Vorwurf. Auf diese Weise, so der Umkehrschluss, leiste Remarque einen Beitrag zur geistigen Aufrüstung für den nächsten imperialistischen Krieg. Dass die KPD-Blätter den Schriftsteller als Vertreter der kapitalistischen Bourgeoisie identifizierten, war ein weiterer Grund für sie, Im Westen nichts Neues abzulehnen. Auch bei vielen – radikalen – Pazifisten rief das Buch Missfallen hervor, weil es, wie die Osnabrücker Zeitung treffend geschrieben hatte, ihnen »nicht pazifistisch genug« war.1494 Vor allem die Autoren der Weltbühne hatten erhebliche Zweifel an der aufklärerischen Wirkung von Im Westen nichts Neues. Sie glaubten, dass Remarques Erzählung die Leser nur gefühlsmäßig berühre, aber auf der politischen Bewusstseinsebene folgenlos bleibe. Im Gegenteil: Einige Weltbühne-Kritiker vermuteten sogar, das Buch könne wie eine Abenteuergeschichte gelesen werden, die den Krieg reizvoll erscheinen lasse. Abschließend ist die katholische Presse zu nennen. Zwar war ihre Reaktion auf das Kriegsbuch durchaus ambivalent; im Gegensatz zu vielen Lesern der Kölnischen Volkszeitung jedoch, die in Remarque den Verkünder eines christlichen »Nie wieder Krieg« sahen, wagte keine Redaktion eines katholischen Blattes eine klar positive Stellungnahme zu Im Westen nichts Neues. Mehrheitlich bemängelten die Rezensenten der BVP- und Zentrumszeitungen die Unmoral und Gottlosigkeit von Remarques Soldaten, ihren fehlenden Opferwillen und ihre mangelnde patriotische Begeisterung. Ferner könne der aus dem Buch sprechende Defätismus, so hieß es weiter, der Jugend nicht förderlich sein. Betrachtet man die Gesamtzahl der bis Ende 1929 vorliegenden Rezensionen, war die Beurteilung von Im Westen nichts Neues durch die Presse der Weimarer Republik zu diesem Zeitpunkt bereits mehrheitlich negativ. Das betraf vor allem die Urteile jener Rezensenten, die dem Buch – aus den verschiedensten Gründen – eine Tendenz zuschrieben.1495 Die Remarque protegierende liberale und linksliberale Presse wurde durch die heftigen Attacken vor allem von rechts zunehmend in eine defensive Position hineingedrängt. Merklich schwand bei ihr die Hoffnung auf eine pazifistische Wirkung von Im Westen nichts Neues. Im Laufe des darauffolgenden Jahres setzte sich dann die resignative Einsicht durch, dass der Bestseller keinen spürbaren Einfluss auf die Denkstrukturen der Leser gehabt hatte. Zwar verteidigten insbesondere die Ullstein-Zeitungen ›ihr‹ Buch 1494 N.N.: Remarquismus und Aktivismus. 1495 Vgl. auch Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 368.

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weiterhin vehement; zum Vorschein kam hierbei jedoch immer deutlicher der Widerspruch, ein pazifistisches Buch gegenüber Anschuldigen, es sei undeutsch, in Schutz zu nehmen, indem man den Kameradschaftsgeist und die heldenhafte Leidensfähigkeit der Remarqueschen Soldaten herausstellte. Bei der Rechtspresse dagegen wuchs 1930 der Optimismus, dass Im Westen nichts Neues das heroische Antlitz des Fronterlebnisses nicht beschädigt habe. Es wurden gar Stimmen laut, die konstatierten, der Defätismus und die vermeintliche Wehleidigkeit Remarques hätten gerade der Jugend erst bewusst gemacht, dass das ›Heldengedicht der eisernen deutschen Soldaten‹ die wahre Geschichte vom Krieg sei. So werde die heranwachsende Generation letztlich nicht dem Pazifismus, sondern der ›Seelengröße‹ und dem ›Kampfcharakter‹ den Vorzug geben, waren die Kommentatoren der nationalistischen und nationalsozialistischen Presse etwa ein Jahr nach dem Erscheinen von Remarques Buch überzeugt. Dabei half auch die Welle schönfärberischer Kriegsliteratur, die als Antwort auf Im Westen nichts Neues nun über Deutschland rollte. Der weitere Verlauf der Geschichte sollte den staatsfeindlichen Kräften recht geben: In der Tat verlor der Pazifismus Remarques gegenüber den nationalistischen Kriegsmythen in der krisenhaften Endphase der Weimarer Republik rapide an Attraktivität. Bald waren alle unheroischen Erinnerungen an den Krieg und das Fronterlebnis in der Öffentlichkeit getilgt.

7.2.4. Ausblick: ›Filmkrieg‹ und der Triumph der Nazis über Remarque »Wir werden einst Deutschland ausräuchern, wie wir neulich das Kino ausgeräuchert haben. Dann werden wir ganz legal die Köpfe rollen lassen, die für die heutige Schande verantwortlich sind.« Joseph Goebbels am 9. Dezember 1930 im Angriff

Symptomatisch für den bevorstehenden Untergang der Weimarer Republik war die Auseinandersetzung um die Verfilmung von Im Westen nichts Neues. Gerade als die Debatte um Remarques Buch im Herbst 1930 etwas abgeklungen war, setzte der Kampf der Rechtskräfte gegen die Verfilmung ein. Er war eine konsequente Fortführung und weitere Steigerung der fast zweijährigen Hetze gegen den Schriftsteller und seine Version des Fronterlebnisses. Seine Gegner reaktivierten in diesem Zuge ihre schon gegen den Roman vorgebrachten Argumente und trugen diese mit noch mehr Verve vor.1496 Eine kurze Darstellung des ›Filmkriegs‹ lohnt sich, weil dieser exemplarisch zeigt, wie sehr sich die politische Lage in der Weimarer Republik in den zwei 1496 Vgl. Ann P. Linder : Great War Narrative into Film. Transformation, Reception, and Reaction, in: International Fiction Review (2001), Bd. 28, Nr. 1–2, S. 1–12.

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Jahren seit der Erscheinung von Im Westen nichts Neues verschärft hatte.1497 Er verdeutlicht ferner die bereits zum Ende der Buchdebatte festzustellende Überzeugung der Rechtskräfte, dass das Volk sich letztlich gegen die pazifistische Weltsicht Remarques stellen werde und stattdessen einzig das Heldenepos vom Krieg annehme. Dies voraussetzend, waren insbesondere die Nationalsozialisten überzeugt, mit Im Westen nichts Neues – einem Symbol der Republik – auch das ›Weimarer System‹ niederringen zu können. Gleichzeitig illustriert der ›Filmkrieg‹ die Ohnmacht der republiktragenden Kräfte. Zwar verteidigte die liberale Presse den Film ausnahmslos und empörte sich über dessen Verbot; die demokratischen Institutionen jedoch versagten völlig und ebneten den Rechtskräften den Sieg. Ihnen war nicht bewusst, dass die Auseinandersetzung um Im Westen nichts Neues ein Symptom für den bevorstehenden Kollaps der Staatsordnung war, welcher bereits 1929/30 eingeleitet wurde. Die deutsche Version durchlief am 21. November 1930 relativ problemlos das Zensurverfahren der Filmprüfstelle Berlin. Grundsätzlich errege der Film »keinerlei Bedenken«, hieß es seitens der Behörde. Vielmehr lasse er »die Vorzüge des alten Heeres, Tapferkeit, Zähigkeit und Kameradschaftlichkeit durchaus erkennen«, stellte sie fest.1498 Zuvor hatte die Produktionsgesellschaft Universal den deutschen Generalkonsul in San Francisco, Werner Otto von Hentig, um eine Stellungnahme gebeten, der, abgesehen von der Darstellung mancher »undeutscher Charaktere« und der Beanstandung einiger militärischer Aspekte, keine elementaren Einwände gegen eine Veröffentlichung in Deutschland hatte.1499 Universal nahm infolgedessen einige Szenen heraus, offenbar auch um das von Anfang an ablehnende Reichswehrministerium zu besänftigen. Hierzu gehörten die Drill-Episoden auf dem Kasernenhof, das Verprügeln von Unteroffizier Himmelstoß, die Diskussion um die Kriegsursachen und die Rolle des Kaisers sowie Teile der Lazarettszene des beinamputierten Kemmerichs, in der seine Kameraden nach dessen intakten Stiefeln begehren. Die deutsche Verleihfassung war danach noch 136 Minuten lang.1500 1497 Vgl. Peter Dörp: Goebbels’ Kampf gegen Remarque (2). Eine Untersuchung über die Hintergründe des Hasses und der Agitation Goebbels’ gegen den amerikanischen Spielfilm »Im Westen nichts Neues« nach dem gleichnamigen Bestsellerroman von Erich Maria Remarque, in: Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 3, Osnabrück 1993, S. 45–72, sowie Schrader und Schebera: Die »goldenen« zwanziger Jahre, S. 218–224 (»Die große Schlacht des Dr. Goebbels«). 1498 Zitiert nach Wolfgang Petzet: Verbotene Filme. Eine Streitschrift, Frankfurt am Main 1931, S. 97. Siehe dort zum »Fall Remarque« ausführlich S. 93–107. 1499 Vgl. Urteile über Verbot und Wiederzulassung des Films »Im Westen nichts Neues«, aufbereitet und kommentiert von Petra Oerke, in: Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 10, Osnabrück 2000, S. 130. 1500 Vgl. Eksteins: War, Memory, and Politics, S. 63; Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 120f., sowie Schneider: Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, S. 369.

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Einigen rechtsgerichteten Landesregierungen reichten diese Maßnahmen nicht – sie betrachteten den gesamten Film als Affront gegen das heroische deutsche Kriegserbe: Braunschweig, Sachsen, Thüringen, Württemberg und Bayern legten kurz nach dem Aufführungsstart Widerspruch gegen die Zulassung ein, obwohl der Film in keinem der Länder überhaupt angelaufen war. Schnell wurden im gesamten nationalistischen Lager Stimmen laut, die sich für ein Verbot aussprachen – viele, ohne den Film gesehen zu haben. Das Reichswehrministerium bekräftigte seine Ablehnung, und auch aus dem Innenministerium ergingen zunehmend entsprechende Empfehlungen.1501 Parallel zur Kritik aus dem politischen Spektrum rief der im Mozartsaal am Berliner Nollendorfplatz ausgestrahlte Film auch öffentliche Proteste aus dem rechten Spektrum hervor : Nachdem die erste Vorführung für geladene Gäste am 4. Dezember 1930 und die Nachmittagsvorstellung am nächsten Tag noch ruhig über die Bühne gegangen waren, musste die Abendvorführung am 5. Dezember wegen Nazi-Randalen mehrfach unter- und schließlich abgebrochen werden.1502 Die Vossische Zeitung berichtete von »andauerndem Lärmen, […] schrillen Pfiffen, Stinkbomben« und der »körperlichen Bedrohung« des Publikums durch SA-Schlägertrupps. Selbst weiße Mäuse seien im Kinosaal zum Einsatz gekommen.1503 Fortan konnten weitere Vorführungen nur noch unter massivem Schutz der Polizei stattfinden.1504 Hinter den Störaktionen steckte ein gewisser Joseph Goebbels, seit September 1926 nationalsozialistischer ›Gauleiter‹ von Berlin. Wie Peter Dörp anhand von Goebbels’ Tagebuchaufzeichnungen anschaulich dargestellt hat, hatte der Chefpropagandist der NSDAP die ›Sprengung‹ der Vorführung minutiös geplant – dies galt für den gesamten ›Filmkrieg‹, den er daraufhin entfachte.1505 Zunächst jedoch hielt er mit seiner Taktik hinter dem Berg. Goebbels wollte vermeiden, dass man ihn als Drahtzieher der Randale bei der besagten Vorführung von Im Westen nichts Neues identifizierte.1506 Vielmehr sollte der Eindruck entstehen,

1501 Vgl. Klaus Petersen: Zensur in der Weimarer Republik, Stuttgart/Weimar 1995, S. 263. 1502 Vgl. Urteile über Verbot und Wiederzulassung des Films »Im Westen nichts Neues«, S. 130. 1503 W.K.: Stinkbomben gegen den Remarque-Film, in: Vossische Zeitung, Berlin, Nr. A292 vom 7. 12. 1930 (227. Jg.). 1504 Vgl. auch die zeitgenössische Rekapitulation der Proteste durch den damaligen Leiter des Mozartsaals, Hanns Brodnitz. 1933 erinnerte dieser sich in seiner Biografie Kino intim an den ›Filmkrieg‹ am Nollendorfplatz. Während die Aufzeichnungen des 1944 im Konzentrationslager Ausschwitz ermordeten Brodnitz erst 2005 in voller Länge erschienen, wurde 2003 im Erich Maria Remarque Jahrbuch bereits ein Auszug über die Nazi-Randale gegen Im Westen nichts Neues veröffentlicht. Vgl. Hanns Brodnitz: Der Krieg der weißen Mäuse, in: Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 13, Göttingen/Osnabrück 2003, S. 95–106. 1505 Dörp: Goebbels’ Kampf, S. 15. 1506 Vgl. H. M.: Deutsche Frontsoldaten gegen perverse Juden. Im Westen etwas Neues, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 112 vom 6. 12. 1930 (4. Jg.), S. 3. Dort hieß es: »Den jüdischen Sensa-

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die Zuschauer seien über den »amerikanischen Hetzfilm« derart empört gewesen, dass sie die Tumulte von sich aus verursacht hätten. So berichtete der von Goebbels herausgegebene Angriff, es habe sich ein »Proteststurm des Publikums« erhoben, als »die Feigheit von Kriegsfreiwilligen gezeigt wurde«. Sodann hätten sich – und hier verfiel die Nazi-Zeitung in ihren typischen antisemitischen Jargon – »von Juden provozierte schwere Schlägereien« entwickelt, in deren Verlauf die Polizei eingegriffen habe. Der Vorfall beweise, dass sich »der gesundempfindende Teil« der Berliner Bevölkerung dagegen energisch verwahre, wenn »der amerikanische Jude Laemmle« glaube, deutsche Weltkriegssoldaten als »ewig fressende, halbvertierte Monstren« darstellen zu können: »Die Tendenz der Ver ä chtlichmachung deutschen Wesens« sei in der Produktion aus Hollywood so offensichtlich, dass man sich nicht zu wundern brauche, »wenn das Volk angesichts des bewußten Versagens der amtlichen Stellen, zur Selbsthilfe greift«, hieß es im Angriff.1507 Das Ziel von Goebbels war die Absetzung des Films. Mehr noch aber kam es ihm auf eine Kraftprobe mit der Republik an. Durch den sensationellen Wahlerfolg vom September 1930 bekräftigt, wähnten sich die Nationalsozialisten bereits stark genug, um es darauf ankommen zu lassen. Sie instrumentalisierten den Film, um die Straße zu mobilisieren und einen Propagandafeldzug gegen die verhasste Republik zu starten. So rief Goebbels in seinem Kampfblatt täglich zu Protesten auf und verwandelte den Berliner Westen in einen regelrechten Remarque-Kriegsschauplatz.1508 Am 8. Dezember, drei Tage vor dem von Länderseite beantragten Widerspruchsverfahren bei der Film-Oberprüfstelle, hielt er eine Rede auf dem Berliner Nollendorfplatz. Er erklärte, es sei eine »Kulturschande«, dass ein Film, »der den besten Soldaten aller Zeiten, den deutschen Frontsoldaten« beleidige, überhaupt aufgeführt werde.1509 Anschließend marschierte Goebbels mit seinen Gefolgsleuten über den Wittenbergplatz zum Kurfürstendamm. »Jubelnd brausten die Kampflieder aus jungen Kehlen. Der Gleichschritt klang fremd in dieser Gegend. Kein Jude war weit und breit zu sehen«, beschrieb der Angriff die gespenstische Szenerie.1510 Am folgenden Tag fand auf dem Wittenbergplatz eine »zweite große nationalsozialistische Massenkundgebung gegen den Schandfilm statt«, berichtete der Völkische Beob-

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tionsberichten gegenüber sei betont, daß Dr. Goebbels nicht im mindesten daran gedacht hat, diesen Entrüstungssturm zu organisieren.« N.N.: Proteststurm im Mozartsaal. Gegen die Remarque-Sudelei, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 112 vom 6. 12. 1930 (4. Jg.), S. 1. Vgl. u. a. N.N.: Heraus zum Massenprotest!, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 114 vom 9. 12. 1930 (4. Jg.), S. 1. N.N.: Schluß mit dem Remarque-Film, in: Völkischer Beobachter, München, 10. 12. 1930 (43. Jg.). C.K.: Der Riesenaufmarsch des deutschbewußten Berlins im Westen. Die feldgraue Front marschiert, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 114 vom 9. 12. 1929 (4. Jg.), S. 3.

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achter.1511 Den Angaben zufolge nahmen 60.000 Menschen daran teil – wobei die Zahl offenbar deutlich zu hoch gegriffen war. Begleitet wurden die Nazi-Proteste auf der Straße von entsprechenden Aktivitäten hochrangiger politischer Kreise: So forderte Reichswehrminister Wilhelm Groener Innenminister Joseph Wirth auf, den Film zu verbieten, und Hugenberg bat gar den Reichspräsidenten per Telegramm um sein persönliches Eingreifen in der Sache.1512 Zudem nutzte Hugenberg die Macht seiner Medien: Bereits vor dem US-Kinostart hatte die zu seinem Konzern gehörende UFA – kaum überraschend – auf eine Anfrage der Laemmles hin die Ausstrahlung von Im Westen nichts Neues in ihren Kinosälen kategorisch abgelehnt; und nun begannen Hugenbergs Zeitungen, immer aggressiver gegen den als feindliche Propaganda betrachteten Film zu agitieren, allen voran der Berliner Lokal-Anzeiger.1513 Die Anstrengungen fruchteten. Nachdem der Film bei der Verhandlung des Widerspruchsverfahrens am 11. Dezember 1930 Sachverständigen des Reichswehrministeriums, des Auswärtigen Amtes, des Innenministeriums sowie Vertretern der fünf antragstellenden Länder vorgeführt worden war, sprachen sich diese geschlossen für ein Verbot aus.1514 Die Film-Oberprüfstelle widerrief daraufhin die Zulassung von Im Westen nichts Neues und untersagte wegen der »Gefährdung des deutschen Ansehens und der öffentlichen Ordnung« sowie der angeblichen »entsittlichenden« und »verrohenden« Wirkung weitere Aufführungen dieses »einseitigen« amerikanischen Filmwerks. »Mit der Würde eines Volkes wäre es nicht vereinbar«, hieß es in der Urteilsbegründung, »wenn es seine eigene Niederlage, noch dazu verfilmt durch eine ausländische Herstellungsfirma, sich vorspielen ließe.« Ferner würde es im Ausland als »Billigung der bösartigen Originalfassung« angesehen werden, »wenn dieser Bildstreifen, für den deutschen Gebrauch zurechtgestutzt, über die Leinwand deutscher Lichtspielhäuser laufen würde«, erläuterte die Film-Oberprüfstelle. Dies könne auch 1511 N.N.: Neue Riesenkundgebung gegen die Deserteur-Moral, in: Völkischer Beobachter, München, 11. 12. 1930 (43. Jg.). Dass es sich bei den Demonstranten zumeist um junge, von der Nazi-Propaganda infiltrierte Männer handelte, darüber gibt eine Bemerkung Remarques von 1958 Aufschluss, der die Aufmärsche betrachtet hatte: »Ich sah mir die Demonstranten an. Niemand von ihnen war älter als zwanzig; niemand von ihnen konnte deshalb im Krieg 1914–1918 gewesen sein, – und niemand wußte, daß sie zehn Jahre später in einem Krieg sein würden und daß die meisten von ihnen tot sein würden, bevor sie die dreißig erreichten.« Erich Maria Remarque: Das Auge ist ein starker Verführer (1958), in: Thomas F. Schneider (Hg.): Erich Maria Remarque. Ein militanter Pazifist. Texte und Interviews 1929–1966, Köln 1994, S. 104. 1512 Petersen bemerkt hierzu, dass die Film-Oberprüfstelle seit der Regierung Brüning in eine »auffallend stärkere politische Abhängigkeit vom Reichsinnenministerium« geraten sei. Petersen: Zensur, S. 263. 1513 Vgl. Eksteins: War, Memory, and Politics, S. 64. 1514 Vgl. Petersen: Zensur, S. 264.

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dazu führen, »die ständigen Bemühungen des Auswärtigen Amtes in seinem Kampf gegen die Hetzfilme einer internationalen Weltproduktion zur Erfolglosigkeit zu verurteilen.1515 Aus den Bemerkungen der Behörde wird deutlich, dass die amerikanische Urheberschaft des Films in einer Zeit wiedererwachender nationaler Ressentiments nach dem Ende der Ära Stresemann die Ablehnung von offizieller Seite noch verstärkte. Denn G. W. Pabsts Westfront 1918 wurde zwar aufgrund seiner pazifistischen Färbung ebenfalls öffentlich von den Rechtskräften kritisiert, doch die deutsche Produktion lief – zumindest bis ins Jahr 1933 – uneingeschränkt weiter. Die Maßnahme der Film-Oberprüfstelle gegen Im Westen nichts Neues kam demnach einem »Akt politischer Zensur« gleich, stellt Hans-Harald Müller richtig fest.1516 Und die an sich kuriose Tatsache, dass eine »republikanische Behörde einen republikanischen Film zugunsten der Feinde der Republik« verbot, wie Wolfgang Petzet 1931 kritisierte1517, war ein publikumswirksamer Triumph für Goebbels, auf den er unüberhörbar stolz war.1518 Schon am nächsten Tag, dem 12. Dezember 1930, druckte der Angriff folgenden Briefwechsel ab: »Sehr geehrter Herr Doktor! [gemeint ist Goebbels; der Verf.] Wenn Sie es nicht fertig bringen, den Schmachfilm ›Im Wes ten nichts Neues‹ abzusetzen, imponiert mir der ganze Nationalsozialismus nicht mehr. Hochachtungsvoll! I.H., eine Frontschwester.« – »Sehr verehrte Frau H.! Wir haben es fertig gebracht. Dr. G.«.

Mit dem Verbot des »jüdischen Sudelwerks«, jubilierte Goebbels, habe die nationalsozialistische Bewegung die Republik erstmals »in die Knie gezwungen« und damit einen »ungeheuren Prestigegewinn« erfahren.1519 Dies bedeute nicht nur »einen Sieg der nationalsozialistischen Idee, sondern darüber hinaus einen Markstein in der innenpolitischen Entwicklung Deutschlands«. Die Zeiten 1515 Film-Oberprüfstelle, Berlin, Nr. 1254, 11. 12. 1930 (SächsHSta, Ministerium des Innern, Nr. 11339, Bl. 33–45) [online], verfügbar unter: http://www.difarchiv.deutsches-filminstitut. de/zengut/dt2tb154z.pdf [17. 8. 2018]. Siehe auch: Urteile über Verbot und Wiederzulassung des Films »Im Westen nichts Neues«, S. 121–125 (Entscheidungsgründe). Im Übrigen wurde die Hollywood-Produktion nach rechtsradikalen Protesten auf der Straße, die sich insbesondere gegen Juden richteten, sowie unter dem Eindruck des deutschen Filmaufführungsverbots im Januar 1931 auch in Österreich abgesetzt. 1516 Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 80. 1517 Petzet: Verbotene Filme, S. 105. 1518 So schrieb Goebbels am 13. Dezember 1930 in sein Tagebuch: »Der Film ist über Nacht zu einer Weltsensation geworden. Das Gespräch des Kontinents. Große Aufregung in der Weltpresse. Wir wieder mal im Brennpunkt des öffentlichen Interesses.« Vgl. Elke Fröhlich (Hg.): Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, Teil 1: Aufzeichnungen 1924–1941, Bd. 1, München u. a. 1987, S. 645. 1519 Dr. G.: In die Knie gezwungen, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 117 vom 12. 12. 1930 (4. Jg.), S. 1, sowie Dr. Goebbels: Achtung!, ebd., S. 2.

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seien vorbei, »in denen volksfremde Elemente ohne auf Widerstand zu stoßen, ihre zersetzenden und zerstörenden ›Aktionen‹ durchführen konnten«.1520 Merklich stieg in der NS-Bewegung nun die Überzeugung, dass sie diesen »labilen Staat« umzustürzen vermochte.1521 Die linken und linksliberalen Kreise der Weimarer Republik erkannten die Bedrohung des Staates durch den erstarkenden Nationalsozialismus, mussten aber einräumen, dass ihre sporadisch aufflammende Gegenpropaganda erfolglos geblieben war.1522 So stellte der Vorwärts am Tag nach dem Filmverbot weitblickend fest, dass mit dem »Sieg der nationalistischen Straße« ein »Entscheidungskampf« begonnen habe, »dessen Ausgang das Schicksal des deutschen Volkes für lange Zeit, vielleicht für Jahrzehnte bestimmen wird«.1523 Wie aber dieser Kampf erfolgreich bestritten werden könnte, darauf gab es keine Antworten. Entsprechend ohnmächtig muteten die Vorahnungen Carl von Ossietzkys an, die er am 16. Dezember 1930 in der von ihm geleiteten Weltbühne äußerte: »Heute hat [der Faschismus] einen Film erledigt, morgen wird’s etwas andres sein.«1524 Genauso sollte es eintreten. Der öffentlichkeitswirksame Sieg im ›Filmkrieg‹ wurde, formuliert Thomas F. Schneider treffend, »ein die nationalsozialistische ›Machtergreifung‹ vorbereitendes Ereignis«.1525 Freilich wurden beide Ereignisse nicht von den Nazis allein herbeigeführt. So hatte beim Filmverbot die gleiche Koalition von Republikgegnern – Heeresvertreter etwa und die rechtskonservativen Kreise um Hugenberg – ihre Hände im Spiel, deren Klüngelei zur Katastrophe des 30. Januar 1933 führen sollte. Bevor die Demokratie von den Nazis gänzlich ausradiert wurde, gab sie Anfang 1931 allerdings noch die letzten Zuckungen von sich. Die Absetzung des Remarque-Films hatte im Reichstag zu Debatten geführt. Dabei forderte die verbliebene knappe Mehrheit der prorepublikanischen Parlamentarier die Minderheitsregierung in einer Resolution auf, die Entscheidung der FilmOberprüfstelle rückgängig zu machen. Tatsächlich führte die Ende März in Kraft getretene Novellierung des Lichtspielgesetzes (auch »Lex Remarque« genannt) 1520 N.N.: Grzesinski geschlagen! Unser der Sieg!, in: Der Angriff, Berlin, Nr. 117 vom 12. 12. 1930 (4. Jg.), S. 1. 1521 Vgl. Wilhelm Stapel: Was ein Remark in einem labilen Staat anrichten kann, in: Deutsches Volkstum. Monatsschrift für das deutsche Geistesleben, Hamburg, Heft 1, 1931, S. 75–78. 1522 Vgl. Eksteins: War, Memory, and Politics, S. 77f. 1523 Vgl. N.N.: Pressestimmen über das Filmverbot. Die Kapitulation vor der Straße – Ein großer Sieg Hitlers, in: Die Welt am Abend, Berlin, 12. 12. 1930. Zitiert nach Schrader : Der Fall Remarque, S. 168. 1524 Carl von Ossietzky : Remarque-Film, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 51 vom 16. 12. 1930 (26. Jg.), S. 890. 1525 Schneider: »Die Meute hinter Remarque«, S. 143. Dieselbe plausible These vertritt Dörp: Goebbels’ Kampf, S. 25.

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dann dazu, dass Im Westen nichts Neues am 8. Juni 1931 von der Filmprüfstelle Berlin »für bestimmte Personenkreise und in geschlossenen Veranstaltungen« wieder zugelassen wurde. So konnten beispielsweise Vereinigungen ehemaliger Kriegsteilnehmer oder Berufsverbände den Film in ihren Räumlichkeiten zeigen.1526 Zuvor mussten allerdings weitere Szenen entfallen, darunter das wiederholte Durchkriechen der Rekruten zwischen den Tischbeinen während ihrer militärischen Ausbildung (»Alles in Löhne umsteigen«), der Besuch der Soldaten im Haus der Französinnen sowie die kriegskritische Ansprache Bäumers an Kantoreks Schüler bei seinem Heimatbesuch.1527 Am 2. September 1931 wurde der Film dann in einer nochmals stark gekürzten Fassung wieder für die allgemeine Öffentlichkeit freigegeben. Herausgeschnitten worden waren nun auch das feige Verhalten von Unteroffizier Himmelstoß an der Front, Bäumers Panikattacke beim Granatangriff auf dem Friedhof und seine Schuldgefühle nach dem Tod des französischen Soldaten Duval.1528 Diese jetzt nur noch 85 Minuten lange Version bildete gemäß den Auflagen der Filmprüfstelle die alleinige Basis für den internationalen Filmvertrieb – ausgenommen war lediglich der amerikanische Heimatmarkt der Produktionsfirma.1529 Die Aussagekraft von Im Westen nichts Neues wurde somit aufgrund der Konzessionen gegenüber den deutschen Zensoren auch im Ausland enorm verringert. Da Deutschland für Hollywood aber der zweitgrößte europäische Markt war, nahm Universal die inhaltlichen Einschnitte aus offensichtlich kommerziellen Gründen in Kauf. Den prestigeträchtigen Erfolg der Nazis schmälerte die eingeschränkte Wiederzulassung indes nicht. Den Kampf auf der Straße hatten sie eindeutig gewonnen und diesen Sieg gegen die Republik propagandistisch ausgeschlachtet. »Yet, the damage had been done. The ›Remarque incident‹ was to be remembered for the ban in December 1930 and not for the rerelease in September 1931«, stellt Modris Eksteins richtig fest.1530 Nur anderthalb Jahre später verschwand Im Westen nichts Neues dann endgültig von der Bildfläche. Mit einer ihrer ersten Amtshandlungen verboten die Nationalsozialisten im Februar 1933 jegliche Vorführungen des amerikanischen Films.1531 Und wenige Wochen später, am 10. Mai 1933, brannten vor einer johlenden Menge in Berlin auch Re1526 Vgl. Petzet: Verbotene Filme, S. 105–107 und 158. 1527 Vgl. Urteile über Verbot und Wiederzulassung des Films »Im Westen nichts Neues«, S. 126–129. 1528 Vgl. Chambers II: All Quiet on the Western Front, S. 45, sowie Petersen: Zensur, S. 265. 1529 Vgl. Schneider: Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, S. 370. 1530 Eksteins: War, Memory, and Politics, S. 82. 1531 Nach dem Kriegsende wurde Im Westen nichts Neues erstmals 1952 wieder in deutschen Kinos aufgeführt. Vgl. Korte: Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 218, sowie Schneider : Im Westen nichts Neues. Ein Film als visuelle Provokation, S. 370.

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marques Bücher. Während SS-Kapellen vaterländische Weisen und Marschlieder spielten, erklangen die Worte eines Vertreters der NS-Studentenschaft: »Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges; für Erziehung des Volkes im Geiste der Wehrhaftigkeit! Ich übergebe dem Feuer die Schriften des Erich Maria Remarque.«1532 Der geächtete Schriftsteller verfolgte die Szene am Radio in seiner Tessiner Villa in Porto Ronco, wohin er sich rechtzeitig hatte zurückziehen können. Dagegen musste seine Schwester Elfriede zehn Jahre später für Im Westen nichts Neues büßen. Am 16. Dezember 1943 wurde sie wegen angeblicher »Wehrkraftzersetzung« vom ›Volksgerichtshof‹ zum Tode verurteilt und mit dem Fallbeil hingerichtet. Der Präsident des Gerichts, Roland Freisler, soll in der Verhandlung gesagt haben: »Ihr Bruder ist uns entwischt, Sie aber werden uns nicht entwischen.«1533

7.3. Vereinigte Staaten 7.3.1. Die Presselandschaft in den USA »Während man in Deutschland das politische Programm kennen will, nach dem ein Blatt geleitet wird, will der Amerikaner den Eigentümer des Blattes kennen.« Emil Dovifat, 1927

Trotz des Aufkommens von Radio1534 und Fernsehen in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts waren Zeitungen Ende der 1920er Jahre noch immer das mit Abstand wichtigste Informationsmedium in der US-amerikanischen Gesell1532 Zitiert nach Erhard Schütz: »Was ein Remark in einem labilen Staat anrichten kann«. Die rechte Wut gegen »Im Westen nichts Neues« – Gründe und Konsequenzen, in: Diskussion Deutsch (1986), Nr. 89, S. 300. Neben Remarques Büchern verbrannten die Nazis Werke zahlreicher prominenter Schriftsteller und Publizisten, die als Remarque-Rezensenten oder Kriegsliteraten in der vorliegenden Untersuchung erwähnt worden sind. Dazu gehörten: Bernard von Brentano, Ernst Gläser, Max Hochdorf, Kurt Kläber, Ludwig Renn, Karl Schröder, Anna Siemsen, Hans Sochaczewer, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Fritz von Unruh, Theodor Wolff, Karl August Wittfogel, Carl Zuckmayer und Arnold Zweig. Entnommen aus einem Plakat der Staatsbibliothek zu Berlin (Hg.): Tatort Berlin Opernplatz. Bücherverbrennung 10. Mai 1933, Berlin 2001. 1533 Zitiert nach Schneider : Einleitung. Ein militanter Pazifist, S. 26. Eine Abschrift des Urteils findet sich bei Schwindt und Westphalen: Zur Biographie und zum Werk von Erich Maria Remarque, S. 111f. 1534 1930 gab es in den USA ca. 14 Millionen Empfangsgeräte. Vgl. Frank Luther Mott: American Journalism. A History of Newspapers in the United States through 260 Years: 1690 to 1950, überarb. Aufl., New York 1950, S. 551–554.

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schaft.1535 Im Schnitt hatte jede Familie mindestens eine Zeitung im Haus, womit die Durchdringung der Printerzeugnisse seinerzeit einen historischen Höchststand erreichte. Insgesamt rund 2.250 Tageszeitungen waren 1929 im Angebot, mit einer Gesamtauflage von ca. 40 Millionen an Wochentagen und 27 Millionen sonntags. Hinzu kamen fast 13.000 Wochenzeitungen.1536 Meinungsführer waren die auflagenstarken Zeitungen des Nordostens, insbesondere der Finanz- und Kulturmetropole New York. Eine wirklich landesweit operierende Tagespresse gab es noch nicht.1537 Dafür hatten Lokalzeitungen eine große Bedeutung. Die sogenannten »smalltown papers« waren familienorientiert, konservativ und versuchten – anders als die lauten Großstadt- und Boulevardblätter – ihren Lesern praktische Lebenshilfen zu geben und ein Stück heile Welt in die Haushalte zu bringen. Somit fungierten sie als eine Art »morale booster«.1538 Für die meisten kleinen Blätter galt ferner, dass den Themenfeldern Sport, Finanzen, Unterhaltung und Lokales viel Platz eingeräumt wurde, während Politik am Rande lief – vor allem auswärtige Angelegenheiten. Diese Lücke füllten politische Wochen- und Monatszeitschriften aus, gerade in der Berichterstattung über Außenpolitik, fremde Länder und Kulturen. Zu den profiliertesten Titeln gehörten Ende der 1920er Jahre Life, Time, Outlook and Independent, Forum, New Republic, The Nation, und Literary Digest. Bereits 1905 hatte es 20 Magazine gegeben, die jeweils mehr als 100.000 Exemplare

1535 Vgl. Ursula Lehmkuhl: Introduction, in: dies. und Norbert Finzsch (Hg.): Atlantic Communications. The Media in American and German History from the Seventeenth to the Twentieth Century, Oxford/New York 2004 (Germany and the United States of America. The Krefeld Historical Symposia), S. 4f. 1536 Vgl. Alfred McClung Lee: The Daily Newspaper in America, Bd. 2: The Evolution of a Social Instrument, New York 1937 (American Journalism: 1690–1940, Bd. 4), S. 723 und 726f. Die Zahlen beruhen auf Statistiken von N.W. Ayer & Son sowie Editor & Publisher. Andere von McClung Lee aufgeführte Quellen weisen aufgrund unterschiedlicher Erfassungsmethoden marginale Abweichungen auf. Während die Auflagenzahl um 1930 einen Höhepunkt erreichte, ist die größte Anzahl von Zeitungstiteln 20 Jahre zuvor festzustellen. Dies ist ein Zeichen der einsetzenden Konsolidierung. Für die individuellen Auflagenzahlen der in der Quellenauswertung porträtierten Publikationen wurde, soweit nicht anders angegeben, im Folgenden zurückgegriffen auf N.W. Ayer & Son’s American Newspaper Annual and Directory 1929, Philadelphia 1929, sowie N.W. Ayer & Son’s Directory of Newspapers and Periodicals 1931, Philadelphia 1931. 1537 Erst seit den 1980er Jahren waren renommierte Titel wie New York Times, Washington Post und Wall Street Journal aufgrund der damals neuartigen Satellitenübermittlungstechnik – und dadurch der Möglichkeit, vor Ort zu drucken – im ganzen Land erhältlich. Vgl. Aurora Wallace: Newspapers and the Making of Modern America. A History, Westport, Conn./London 2005, S. 178. 1538 Ebd., S. 11. und 31f.

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verkauften – mit einer Gesamtverbreitung von 5,5 Millionen.1539 Ihre Blütezeit erlebten die Journale kurz vor dem Einsetzen der Großen Depression. Im Vergleich zu Deutschland war der amerikanische Journalismus damals schon weiter entwickelt. Das traf für die Bereiche Technik, Organisation und Berufsausbildung zu. Beispielsweise existierten 1926 bereits 27 – häufig mit Universitäten verbundene – Journalistenschulen.1540 Auch das Nachrichtenagenturwesen war stark ausgeprägt und spielte für die Berichterstattung der Zeitungen eine große Rolle – insbesondere bei überregionalen und internationalen Themen. Denn nur wenige renommierte Großstadtblätter verfügten über ein eigenes Korrespondentennetz. Die führenden Agenturen waren Associated Press (AP)1541, United Press (UP) Associations1542 sowie International News Service (für Morgenblätter) und Universal Service (für Abendblätter)1543. Mit der Professionalisierung der Presse und immer besserer technischer Ausstattung stiegen allerdings auch die Kosten. Der damit einhergehende wirtschaftliche Druck löste eine Konsolidierung der Zeitungslandschaft aus. Mehr und mehr Familienunternehmen verkauften ihre Blätter an die Inhaber großer Zeitungsketten.1544 So brachte William Randolph Hearst kleinere Verleger oft dazu, an ihn zu verkaufen, indem er drohte, ein Konkurrenzblatt vor Ort zu eröffnen. In ländlichen Gebieten gab es bald in mehr als 85 Prozent der Städte nur noch eine Tageszeitung (Stand 1933). Zwar war die Vielfalt in Metropolen naturgemäß größer, aber dennoch war bereits in 40 US-Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern lediglich eine Tageszeitung am Markt.1545 Rund 300 Zei1539 Vgl. Frank Luther Mott: A History of American Magazines, Bd. 4: 1885–1905, Cambridge, Mass. 1957, S. 8. 1540 Vgl. Emil Dovifat: Der amerikanische Journalismus (1927), hg. von Stephan Ruß-Mohl. Mit einer Einführung »Zeitungsjournalismus in den USA – Ein Rückblick auf Dovifats Frühwerk« von Stephan Ruß-Mohl und Bernd Sösemann, Berlin 1990, insb. S. 217–236. 1541 Da die AP mehr als 1.200 Zeitungen unterschiedlichster politischer und soziokultureller Couleur bediente, musste sie großen Wert auf Objektivität und Unparteilichkeit legen. Das 1848 in New York gegründete Unternehmen arbeitete genossenschaftlich und hatte Nachrichtentauschverträge mit ausländischen Agenturen wie Reuter (Großbritannien), Havas (Frankreich) und Wolffs Telegraphisches Bureau (Deutschland). Vgl. Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 103–105, sowie zu den Nachrichtenagenturen allgemein ausführlich McClung Lee: The Daily Newspaper in America, S. 520–573. 1542 1907 vom Zeitungskettenbesitzer Edward W. Scripps gegründet, belieferte United Press im Jahr 1930 rund 1.000 Zeitungen im In- und Ausland. Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 54f. 1543 Der 1909 gegründete Universal Service belieferte im Jahr 1930 mehr als 600 Zeitungen und gehörte wie der International News Service zum Verlagsimperium von William Randolph Hearst. 1937 wurden beide Agenturen zusammengelegt. Vgl. ebd., S. 55f. 1544 Vgl. Frank Luther Mott: The News in America, Cambridge, Mass. 1954, S. 189, sowie zum Entstehen der führenden Verlagskonglomerate ausführlich bei McClung Lee: The Daily Newspaper in America, S. 576–602. 1545 Vgl. John Tebbel: The Compact History of the American Newspaper, New York 1963, S. 222 und 258.

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tungen – das entsprach etwa 15 Prozent – befanden sich seinerzeit im Konzerneigentum, der Rest war (noch) unabhängig. Die Konzentration sollte sich in den folgenden Jahrzehnten jedoch beschleunigen und die Meinungsvielfalt weiter schrumpfen.1546 Nicht selten nahmen die Verleger Einfluss auf die Berichterstattung. Daher galt für den Zeitungsleser in den USA, so Emil Dovifat: »Während man in Deutschland das politische Programm kennen will, nach dem ein Blatt geleitet wird, will der Amerikaner den Eigentümer des Blattes kennen.«1547 So waren etwa die Zeitungen von Hearst zwischen 1914 und 1918 häufig antibritisch eingestellt und von allen Verlagen dem deutschen Standpunkt noch am ehesten zugeneigt.1548 In der Anfangszeit der NS-Regierung unterhielt Hearst weiterhin gute Kontakte zu einflussreichen Nationalsozialisten und berief sogar in mindestens einem Fall einen gegenüber dem neuen Regime kritischen Korrespondenten – den Pulitzer-Preisträger H. R. Knickerbocker – ab.1549 Allgemein unterstützten Hearsts Blätter republikanische und isolationistische Positionen und zeigten somit wenig Sympathien für den Völkerbund. Anfang der 1930er Jahre umfasste Hearsts Imperium neun Morgen-, elf Abend- und 13 Sonntagsblätter. Dazu kamen sieben Zeitschriften, der Nachrichtendienst International News Service und eine Radiostation.1550 Den Grundstock seines Konzerns hatte der Sohn eines vermögenden Anwalts bereits mit 24 Jahren als Herausgeber des San Francisco Examiner gelegt.1551 Mit dem New York Evening Journal (später New York Journal-American) begründete Hearst einen der Hauptvertreter der Yellow Press. Die knallige Seitenaufma1546 Mittlerweile gibt es in 98 Prozent aller amerikanischen Städte nur eine Zeitung im Angebot – und in manchen bereits keine einzige mehr. Vgl. Wallace: Newspapers and the Making of Modern America, S. 3f. und 190, sowie C. K. McClatchy : How Newspapers Are Owned – And Does it Matter?, in: Nieman Reports (1988), Bd. XLII, Nr. 2, S. 19–24. 1547 Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 203. 1548 Der überwiegende Teil der Weltkriegsberichterstattung amerikanischer Blätter war durch die englische Perspektive geprägt, da die Informationsströme in der Regel durch die Londoner Büros liefen. Neben den Hearst-Blättern wertete die deutsche Botschaft in Washington, D.C., während des Ersten Weltkriegs von den großen Zeitungen lediglich die New York Evening Mail, die Chicago Tribune sowie die Washington Post als neutral. Dass Hearst sich wagte, eine Art Gegenpropaganda zu eröffnen, lag allerdings weniger an einer vermeintlichen Deutschfreundlichkeit als vielmehr an einer England-Feindschaft, die, so mutmaßt Dovifat, »irgendwelche persönlichen Gründe hatte«. Vgl. Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 190; Chalmers M. Roberts: The Washington Post. The First 100 Years, Boston 1977, S. 128f., sowie McClung Lee: The Daily Newspaper in America, S. 451. 1549 Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 399f. 1550 Vgl. Wallace: Newspapers, S. 18f. und 23. Der Hearst-Konzern existiert bis heute und umfasst unter anderem rund 50 Tages- und Wochenzeitungen, Hunderte von Zeitschriften weltweit und mehr als 30 TV-Sender. Angaben laut Hearst Communications [online], verfügbar unter : http://www.hearst.com/about [29. 7. 2018]. 1551 Vgl. Tebbel: The Compact History, S. 166–169.

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chung und Geschichten, die das »human interest« bedienten, kamen bei den Lesern gut an und schraubten die Auflagen nach oben. Zwar waren Hearsts Zeitungen stets umstritten – so kritisierte Dovifat deren »taktlose Gesellschaftsberichterstattung« und »grandiose Abgeschmacktheit«1552 –, doch die sensationsbetonte Verlagspolitik war sehr erfolgreich. Ein Grund hierfür war auch, dass der Verleger stets neue Trends in der Zeitungsbranche setzte, unter anderem den Einsatz großformatiger Fotos in Farbe oder Cartoons, die in Serien erschienen.1553 Ein weiterer Zeitungstycoon war Edward W. Scripps, der 1878 in Cleveland mit der Gründung der Penny Press seine Verlegerkarriere gestartet hatte. Seine Wachstumsstrategie beruhte anschließend darauf, jungen Verlegern Geld zu leihen und sich an den erfolgreichen Blättern zu beteiligen – bis er deren Anteilsmehrheit übernahm. So schufen der (1926 verstorbene) Selfmademan und sein Sohn Robert bis Mitte der 1920er Jahre die Scripps-Howard-Zeitungsgruppe mit mehr als 30 Publikationen und rund 1,8 Millionen Auflage. Bereits um die Jahrhundertwende hatte Scripps zudem mit dem Aufbau von Nachrichtenagenturen begonnen und 1907 als Konkurrent zur AP die United Press Associations geformt, die sich einen großen Marktanteil bei der Zulieferung von Zeitungen im ganzen Land erarbeitete. Zudem besaß Scripps die Newspaper Enterprise Association, die mit ihrem NEA Service fast 700 Zeitungen im Land mit Cartoons, Bildern und Features belieferte. Insgesamt war der ScrippsKonzern seinerzeit die klare Nummer zwei unter den US-Verlagen hinter Hearst.1554 Seine Zeitungen standen der Demokratischen Partei nahe und hatten sich im Ersten Weltkrieg analog der Linie Wilsons lange gegen einen Kriegseintritt ausgesprochen. In die Riege der großen Verlegerpersönlichkeiten reihte sich Joseph Pulitzer ein. In einer Auktion hatte der aufstrebende Journalist und Geschäftsmann 1878 den bankrotten St. Louis Evening Dispatch erworben und ihn mit der Evening Post zum St. Louis Post-Dispatch zusammengeführt. Fünf Jahre darauf kaufte Pulitzer die in eine finanzielle Schieflage geratene New Yorker World und baute sie zu einem der einflussreichsten Blätter des Landes aus – stets in scharfer Konkurrenz zu Hearsts New York Evening Journal. Nachdem The World anfangs 1552 Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 189. 1553 Vgl. Tebbel: The Compact History, S. 201. 1554 Vgl. Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 196; Tebbel: The Compact History, S. 238, sowie Mott: American Journalism, S. 551–554. Der Scripps-Konzern war bis in die 2000er Jahre im Zeitungswesen aktiv, fokussierte sich aber zunehmend auf das TV-Geschäft und spaltete sich dann in zwei unabhängige Unternehmen auf. Vgl. Angaben der E.W. Scripps Company [online], verfügbar unter: http://scripps.com/company/history [29. 7.2018], und Discovery Communications [online], verfügbar unter: https://corporate. discovery.com/discovery-newsroom/discovery-communications-completes-acquisition-ofscripps-networks-interactive-changes-company-name-to-discovery-inc/ [29. 7.2018].

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im Kampf um Auflagenanteile die Sensationsberichterstattung der HearstBlätter mitmachte, schwenkte sie später zu einem investigativen Journalismus um. Pulitzer scheute auch nicht davor, das Politik- und Wirtschaftsestablishment zu kritisieren, woran heute noch der seit 1917 jährlich vergebene PulitzerPreis erinnert. Der liberal-demokratische Verleger und sein Sohn Ralph, der die Verlagsgeschäfte nach Joseph Pulitzers Tod 1911 weiterführte, waren damit jedoch eher die Ausnahme.1555 Die meisten Wettbewerber ordneten ihre Unabhängigkeit wirtschaftlichen Zwängen unter und waren nicht frei von Lobbyismus. Um ihre hohen Kosten zu decken, war die Mehrheit der Zeitungen kommerziell ausgerichtet. Dass dabei programmatische Stellungnahmen vermieden wurden, war kein Widerspruch. Denn zur Erzielung einer größtmöglichen Reichweite legten fast alle Publikationen zumindest scheinbar Wert auf Unabhängigkeit. Es wäre freilich ein Fehler, wie Emil Dovifat 1926 festhielt, diese Strategie mit einer völligen parteipolitischen Neutralität gleichzusetzen.1556 Zwischen den Zeilen waren durchaus Tendenzen in der Berichterstattung herauszulesen.

7.3.2. Rezeption von All Quiet on the Western Front (Roman) »I regard any mature reader who has a chance to read this book and does not, and who, having read it, does not pass it on among a dozen others, as a traitor to humanity.« Christopher Morley am 20. April 1929 im Saturday Review of Literature

Im Jahr 1929 war die Welt auch ohne Internet, Smartphone und Satelliten-TV schon eng vernetzt. Eine Nachricht mit internationaler Relevanz wurde über die weltumspannenden Telegrafennetze in wenigen Augenblicken global verbreitet. Korrespondenten in aller Herren Länder sorgten dafür, dass die Leser in ihrer Heimat stets über die wichtigsten Vorkommnisse im Ausland informiert waren. Da verwundert es nicht, dass Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues in den Vereinigten Staaten als Sensation galt, bevor er dort überhaupt auf den Markt kam. Sowohl die schwindelerregenden Auflagenzahlen in Deutschland als auch die begleitenden Streitigkeiten wurden genau registriert und führten zu einer großen Erwartungshaltung gegenüber dem Buch aus dem Land 1555 Vgl. McClung Lee: The Daily Newspaper in America, insb. S. 66–68, 264–284, 630–638, 646–661 und 682. Inzwischen ist der Pulitzer-Konzern nicht mehr existent. Die Eigner verkauften 1999 erst die TV- und Radiosparte und 2005 dann auch das Zeitungsgeschäft. Zur Biografie Joseph Pulitzers siehe u. a. Ronald T. Farrar: Joseph Pulitzer, Jr., in: Perry J. Ashley (Hg.): American Newspaper Journalists, 1926–1950, Detroit 1984 (Dictionary of Literary Biography, Bd. 29), S. 284–289. 1556 Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 202.

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des ehemaligen Feindes. Auf Basis der im März bei Putnam erschienenen englischen Version druckten führende US-Publikationen wie der Saturday Review of Literature bereits Wochen vor dem Verkaufsstart am 1. Juni erste überschwängliche Rezensionen. Als der sehnsüchtig erwartete Roman dann in den Buchhandlungen lag, trugen Scharen von Käufern dazu bei, dessen Erfolgsgeschichte in Amerika weiterzuschreiben.1557 »›All Quiet on the Western Front‹ is creating a literary sensation on two continents«, resümierte die Los Angeles Times Anfang Juli 1929.1558 An kaum einer Zeitung und Zeitschrift ging das Thema in der Folge vorbei. Wenn All Quiet on the Western Front beispielsweise dem örtlichen Büchereibestand hinzugefügt wurde, war dies Lokalblättern oft eine eigene Meldung wert.1559 Mehrmonatige Wartelisten führten dazu, dass in Bibliotheken ein regelrechtes Gerangel um das Buch entstand, wie vielerorts berichtet wurde.1560 Denn fast überall war Remarques Erzählung vom Krieg »most popular«1561. Entsprechend nahm All Quiet on the Western Front in einer vom Fachorgan Bookman veröffentlichten landesweiten Übersicht der in Büchereien am häufigsten ausgeliehenen Romane von Oktober 1929 bis Juni 1930 den ersten Platz ein. Bis Januar 1931 fand sich das Buch immerhin unter den ersten zehn Rängen wieder.1562 Rasch wurde All Quiet on the Western Front allgegenwärtiger Gesprächsstoff. Zeitungen, die Remarques Geschichte als Fortsetzungsroman veröffentlichten, munterten ihre Klientel auf, diesen schnell zu lesen, um mitreden zu können. »NOW! While it is still fresh, acclaimed, discussed on every hand, you can read it – you can’t help reading every line of it«, warb etwa der Winona RepublicanHerald aus Minnesota am 23. Juli 1929.1563 Wie in Deutschland war die Leserrezeption in den USA sehr breit. Menschen aus allen Schichten konsumierten den Roman. Christopher Morley, Co-Gründer und Chefredakteur des Saturday Review of Literature, der All Quiet on the Western Front sehr positiv rezensierte, 1557 Vgl. zur Verlagsgeschichte und den Auflagenzahlen Kap. 5.1, S. 111–123. 1558 N.N.: Four Authors of Recent Books, in: Los Angeles Times, Nr. 14 vom 7. 7. 1929 (49. Jg.), S. 26 (Part III). 1559 Vgl. u. a. N.N.: City Library Gets 7 Books, in: Columbia Missourian, Nr. 251 vom 25. 6. 1929 (21. Jg.), S. 2, sowie N.N.: Many New Volumes Offered to Public at Your Home Library, in: Binghamton Press, 22. 8. 1929 (26. Jg.), S. 23. 1560 A. J. Meyer: To the Library Column – Greetings, in: Hawarden Independent, 13. 2. 1930 (53. Jg.), S. 2. 1561 N.N.: Fiction Book Popular at Library, in: Columbia Missourian, Nr. 38 vom 16. 10. 1929 (22. Jg.), S. 8. 1562 Die monatliche Liste stellte die Zeitschrift in Kooperation mit den öffentlichen Büchereien des Landes zusammen. Vgl. F. P. S.: The Bookman’s Monthly Score, in: Bookman, New York, Nr. 2, Oktober 1929 (35. Jg.), Bd. 70, S. 224. 1563 Ankündigung von All Quiet on the Western Front, in: Winona Republican-Herald, 23. 7. 1929 (75. Jg.), S. 5.

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machte dies an einer Szene fest, die er in einer Feuerwehrwache in New Jersey beobachtet hatte: »I found two firemen in the engine-house of the Hoboken Fire Department taking turns with a library copy of ›All Quiet.‹ When a book, within a few weeks of publication, gets into circulation so far from professedly ›literary‹ circles, it is no longer just print but an engine of public health.«1564

Sogar auf der Atlantiküberfahrt führte offenbar kein Weg an Remarques Buch vorbei, wie England-Korrespondent Charles Ody im Brooklyn Daily Eagle berichtete: »[…] Remarque’s ›All Quiet on the Western Front,‹ the only book now read, they say, on the transatlantic liners (and from what I have seen I can well believe it).«1565 Neben der privaten Lektüre wurde der Roman in Klassenräumen, Universitätshörsälen, Literaturkreisen und Kirchengemeinden gelesen – sowohl in Großstädten als auch der Provinz. So setzte etwa die Missionary Society of the Federated Church in Corning, Iowa, All Quiet on the Western Front als »World Peace lesson« auf ihr Programm.1566 Dies mache Sinn, wie eine Zeitung später bemerkte, denn keine Predigt könne so wirkungsvoll sein wie die Geschichte von Remarque.1567 Vor allem am Tag des Waffenstillstands kam Remarques Buch in Lesungen zum Einsatz, zum Beispiel am 11. November 1930 in der Kleinstadt Bland in Missouri. Die dortige Zion Evangelical Church rief alle Friedensgesinnten auf, an dem Gottesdienst teilzunehmen: »This message from the heart of the soldier invites in its peculiar way, those who would strive for world peace to join hands for that cause.«1568 Wie tief All Quiet on the Western Front seinerzeit die amerikanische Gesellschaft durchdrang, zeigt sich auch daran, dass der Buchtitel Eingang in die Alltagssprache fand. Selbst Zeitungsredakteure spielten gern mit dem geflügelten Wort »All Quiet« und verwendeten es in ganz anderen Themenzusam-

1564 Christopher Morley : The Bowling Green, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 1 vom 27. 7. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, S. 6. 1565 Charles Ody : England Goes Gluttonous for Books on War, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 17. 12. 1929 (89. Jg.), S. 21. 1566 N.N.: The Missionary Society of the Federated church met Friday afternoon […], in: Adams County Free Press, Corning, 16. 1. 1930 (48. Jg.), S. 5. 1567 N.N.: In Canton Theatres, in: The Sun, North Canton, Nr. 43 vom 10. 9. 1930 (9. Jg.), Bd. 8, S. 5. 1568 N.N.: Armistice Day Service, in: Bland Courier, Nr. 39 vom 6. 11. 1930 (26. Jg.), Bd. 5, S. 1. Vgl. auch N.N.: Pastor to Review Late War Novel, in: Tribune-Press, Gouverneur, Nr. 12 vom 6. 11. 1929 (44. Jg.), Bd. 43, S. 1.

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menhängen, etwa als Überschrift zu einem Boxsportbericht1569, in einem Artikel über streikende Arbeiter1570 oder einem bekannten Zeitungscartoon.1571 7.3.2.1. Anerkennung als universelles Buch des ›Unbekannten Soldaten‹ Als einer der größten Verkaufsschlager seiner Zeit wurde All Quiet on the Western Front von der professionellen Literaturkritik in den USA erwartungsgemäß intensiv besprochen. Viele Zeitungen und Zeitschriften beschäftigten sich über einen längeren Zeitraum mehrmals mit dem Buch. Zunächst erschienen Vorberichte, dann ausführliche Rezensionen zum Verkaufsstart, bevor in nachfolgenden Artikeln spezielle Aspekte beleuchtet wurden wie etwa Zensur, die Remarque-Debatte in Deutschland, Persönliches über den Autor oder der Vergleich anderer Kriegsliteratur mit dem Bestseller. Die eigentliche Bewertung des Buches fand auf verschiedenen Ebenen statt, die von Zeitung zu Zeitung und Rezensent zu Rezensent variierten. Wichtige Aspekte hierbei waren Authentizität (das Buch als Dokument), literarische Qualität (das Buch als Kunst), Emotionalität (löst es persönliche Ergriffenheit aus bzw. unterhält es?) und Erkenntnis (übermittelt es Wissen und trägt zur Reflexion bei?). Unabhängig davon, worauf sie am meisten Wert legten, vereinnahmten die Zeitungsjournalisten All Quiet on the Western Front mehrheitlich: Über 60 Prozent der knapp 500 in dieser Arbeit untersuchten amerikanischen Presseartikel hatten eine positive Tonalität. Ein Drittel war Remarque gegenüber neutral eingestellt (meist rein nachrichtliche Artikel), während weniger als zwei Dutzend (vier Prozent) das Buch negativ bewerteten. Die breite Quellenbasis spiegelt somit ein klar positives Sentiment wider. Immer wieder wurde der Literaturimport aus Deutschland als das perfekte Antikriegsbuch bezeichnet, wobei sich die Rezensenten mit Superlativen überboten.1572 So war für den renommierten Kritiker Christopher Morley1573 bereits 1569 Konkret ging es um die bevorstehende Schwergewichtsweltmeisterschaft zwischen Jack Sharkey und Max Schmeling. Vgl. John Kieran: Sports of the Times, in: New York Times, 24. 10. 1929 (79. Jg.), S. 40. 1570 Zunächst hatten die wochenlang streikenden Arbeiter einer Textilfabrik in Danville, Virginia, ein Schild mit der Aufschrift »All Quiet on the Western Front« an ihrer Streikwache aufgestellt. Das fiel dem Reporter der Gewerkschaftszeitung Minneapolis Labor Review auf, welche in der kommenden Ausgabe ein Foto der Arbeiter veröffentlichte, überschrieben mit Remarques Buchtitel. Vgl. Chester M. Wright: Fifth Week Finds Danville Strikers Strong And Confident, in: Minneapolis Labor Review, Nr. 226X vom 7. 11. 1930 (23. Jg.), S. 3, sowie N.N.: »All Quiet on the Western Front«, in: Minneapolis Labor Review, Nr. 227X vom 14. 11. 1930 (23. Jg.), S. 6. 1571 N.N.: The Featherheads – All Quiet on the Western Front, in: Boyden Reporter, 8. 1. 1931 (40. Jg.), S. 3. 1572 Margaret Wallace schrieb etwa im Bookman, Remarques Roman sei »certainly a book nearly perfect of its kind«. Und die Lokalzeitung Tribune-Press aus Gouverneur im Bun-

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vor dessen Erscheinung in den USA klar, dass All Quiet on the Western Front das »Buch des Jahrzehnts« werde, prognostizierte er am 20. April 1929 im gleichermaßen angesehenen Saturday Review of Literature1574. Die stille Ehrlichkeit der Erzählung, ihre vollkommene menschliche Aufrichtigkeit und die feine, in der nackten Wahrheit begründete Vulgarität machten es zu etwas ganz Besonderem. Für jeden Leser sei damit eine besondere Verantwortung verbunden, so Morley : »I regard any mature reader who has a chance to read this book and does not, and who, having read it, does not pass it on among a dozen others, as a traitor to humanity.«1575 Sein Bruder Frank V. Morley1576 kam in derselben Publikation sogar zu der Conclusio, das Buch sei so gut, dass die Leser ihm eigentlich nicht würdig seien. Ferner verglich er All Quiet on the Western Front mit der Bibel.1577 Während eine kleine Minderheit der Literaturkritiker fand, Remarques Roman sei zwar lesenswert, werde aber über Gebühr gelobt1578, war einigen Rezensenten, die das Buch positiv bewerteten, der Rummel rundherum zu groß. Es sei nicht nötig, All Quiet on the Western Front mit der Bibel zu vergleichen, argumentierte E. M. Benson im angesehenen Wochenmagazin Outlook and In-

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desstaat New York resümierte: »The greatest literary work that has come out of the war.« Vgl. Margaret Wallace: All Quiet on the Western Front by Erich Maria Remarque, in: Bookman, New York, Nr. 5, Juli 1929 (35. Jg.), Bd. 69, S. 553 (A Varied Shelf); N.N.: Outstanding New Book, in: Tribune-Press, Gouverneur, 24. 7. 1929 (44. Jg.), Bd. 42, S. 4. Christopher Morley gehörte zu den bekanntesten amerikanischen Autoren seiner Zeit. 1920 begann er, in der New York Evening Post die berühmte Kolumne »The Bowling Green« zu schreiben. Ab 1924 führte er diese im Saturday Review of Literature fort. Morley war Autor Dutzender Romane, Gedichtbänder und Essaykollektionen und zugleich eines der ersten Mitglieder im Redaktionsbeirat des Book-of-the-Month Club. Vgl. Who Was Who in American History. A Component of Who’s Who in American History, Bd. 1: Arts and Letters, Chicago 1975, S. 347. Der Saturday Review of Literature entstand aus dem Literary Review, dem Buchteil der New York Evening Post. 1924 wurde das Blatt unter der Leitung der Gründer und Chefredakteure Henry Seidel Canby und Christopher Morley eigenständig. Von namhaften Literaturkritikern als Plattform genutzt, war der Review mit damals rund 10.000 Auflage allerdings unprofitabel. In den 1970er Jahren erreichte die Zeitschrift mehr als 600.000 verkaufte Exemplare, aber nach mehreren Eigentümerwechseln und einem wirtschaftlichen Niedergang wurde sie 1986 eingestellt. Vgl. John Tebbel und Mary Ellen Zuckerman: The Magazine in America 1741–1990, New York u. a. 1991, S. 164 und 215. Christopher Morley : The Bowling Green, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 39 vom 20. 4. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, S. 909. Frank V. Morley war wie sein Vater Mathematiker, mit dem er mehrere Standardwerke herausgab, und arbeitete wie seine Brüder als Autor. Vgl. Verweise bei Susanna Wand: IBN Index Bio-Bibliographicus Notorum Hominum, Pars C, Corpus Alphabeticum, I. Sectio Generalis, Bd. 180: Morel usque ad Moses, Horace, Mettingen, 2006. F. V. Morley : A Poet at War, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 42 vom 11. 5. 1929 (6. Jg.), Bd 5, Nr. 42, S. 993. Vgl. u. a. William Lyon Phelps: Recent Books, in: Rochester Democrat and Chronicle, 18. 5. 1930 (98. Jg.), S. 2C.

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dependent1579. Das Buch stehe für sich allein: »It is a superlatively sensitive creation, but it need not be compared to the Book of Job. It can stand on its own merits.«1580 Andernfalls drohe die lautstarke Euphorie des Literaturbetriebs den eigentlichen Buchinhalt in den Hintergrund zu drängen und erlaube den Lesern nicht mehr, unvoreingenommen an den Stoff heranzugehen, schlug Frank Ernest Hill in der New York Herald Tribune1581 in die gleiche Kerbe. Um sich seine eigene Meinung von All Quiet on the Western Front zu bilden, solle man für einen Moment die vielfach geäußerten Lobeshymnen wie »This is the greatest book about the war that I have yet seen« vergessen.1582 Gleichermaßen äußerte sich die Literatur- und Kunstredakteurin Edith Weigle in der auflagenstarken konservativen Tageszeitung Chicago Daily Tribune1583 : »The much heralded book is published in America today. […] It is hailed as THE book about the war, the great and only, etc. Too much ballyhooing is a bad thing, I think. It gets between you and the story«, so Weigle mit einer gewissen Distanziertheit. Im Falle von All Quiet on the Western Front sei die Sorge indes unbegründet, denn die Qualität des Buches sei zweifelsohne überdurchschnittlich: »In this case none is needed, for the book will sell itself. It will sell itself because America still is interested in war books and because this is head and shoulders above the average.«1584

1579 Der den Republikanern zugeneigte, 1870 als Christian Union gegründete Outlook war eines der angesehensten US-Magazine. Nachdem die Auflage zeitweise über 100.000 lag, fusionierte der New Yorker Wochentitel 1928 aus ökonomischem Druck mit dem presbyterianisch angehauchten Independentent zum Outlook and Independent. Dennoch wurde das Blatt 1932 eingestellt; ein Neustart als New Outlook scheiterte 1935. Vgl. Frank Luther Mott: A History of American Magazines, Cambridge, Mass. 1957, Bd. 2: 1850–1865, S. 367–379, und Bd. 3: 1865–1885, S. 422–435. 1580 E. M. Benson: New Novels, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 6 vom 5. 6. 1929 (82. Jg.), Bd. 152, S. 229. 1581 Der New York Herald und New York Tribune (1835 bzw. 1841 gegründet) zählten im 19. Jahrhundert zu den führenden liberalen Zeitungen. Tribune-Verleger Ogden M. Reid fusionierte beide Blätter 1924. Die New York Herald Tribune (Auflage: 310.000) wurde kommerzieller und vertrat fortan einen moderaten Republikanismus. Vgl. Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 71f., 110 und 197, sowie Tebbel: The Compact History, S. 109, 183 und 218f. 1582 Frank Ernest Hill: Destroyed by the War, in: New York Herald Tribune, Nr. 30149 vom 2. 6. 1929 (95. Jg.), Nr. 30149, S. 1 (XI). 1583 Die moderat konservativ-isolationistische, den Republikanern nahestehende Chicago Daily Tribune war eines der größten US-Blätter (Auflage: 810.000) und bezeichnete sich selbst als »World’s Greatest Newspaper«. Verleger Robert R. McCormick diente als Colonel im Ersten Weltkrieg. Vgl. Dovifat: Der amerikanische Journalismus, S. 106. 1584 Edith Weigle: New War Book Is Story of Any Young Soldier, in: Chicago Daily Tribune, 1. 6. 1929 (83. Jg.), S. 13.

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Emotionale Ergriffenheit der Rezensenten Die Mehrheit der Journalisten und Literaturexperten ließ sich vom Hype um Remarque nicht beeinflussen und beschäftigte sich intensiv mit dem Buchinhalt. So spricht aus vielen Rezensionen eine große emotionale Ergriffenheit. »Deeply moved by this book, the reviewer finds it a hard task to write with the detachment which the book deserves. Superlatives crowd one after another in his mind, and yet he feels that the book deserves something more than mere ecstatic praise«, ließ sich der renommierte Kulturredakteur des traditionsreichen Boston Evening Transcript1585, Karl Schriftgiesser1586, in die Seele blicken. Obschon es eine beinahe unmögliche Aufgabe sei, das Buch in geeigneter Art und Weise zu besprechen, kam er zu dem Urteil, dass All Quiet on the Western Front den Geist von Locarno in Prosa fasse, dem Krieg für immer jeglichen Glanz genommen und den falschen Patriotismus demaskiert habe.1587 Zuweilen ging selbst berufsmäßigen Lesern das geschilderte Grauen derart nahe, dass sie das Buch am liebsten zur Seite legen wollten. Eine morbide Faszination habe sie aber immer weiterlesen lassen, berichteten John M. Outler Jr. in der Tageszeitung Atlanta Journal und Margaret H. Irish im Monatsmagazin The Living Age übereinstimmend.1588 »We couldn’t put it down. […] We read on and on. It’s the realest, most terrifying, most gripping novel of the war we’ve ever read«, konstatierte auch Richard Henry Little (Kürzel R. H. L.) in der Chicago Daily Tribune. So sehr habe ihn die Geschichte von Paul Bäumer in den Bann gezogen, dass er sie im Krankenbett mit bleichen, zitternden Händen in einem Rutsch durchgelesen habe.1589 »Remarques writes brutally. His description of an attack and counterattack leaves you shocked and unnerved«, ergänzte der Rezensent A. W. S. im Mo1585 Der Boston Evening Transcript war eine tendenziell konservative, alteingesessene Tageszeitung (Gründungsjahr 1830) mit hohem Qualitätsanspruch. Die kleine Auflage (ca. 35.000 im Jahr 1929) und die Konkurrenzsituation in Boston führten zu finanziellen Problemen. 1941 wurde das Blatt eingestellt. Vgl. Mott: American Journalism, S. 662. 1586 Karl Schriftgiesser war ein deutschstämmiger Journalist und Buchautor aus Boston, der seine Karriere Anfang der 1920er Jahre beim Boston Evening Transcript begann. Später arbeitete er für die Washington Post, New York Post und New York Times, bevor er 1945 als leitender Literaturredakteur zu Newsweek ging. Vgl. N.N.: Karl Schriftgiesser, 84, a Former Journalist, in: New York Times, 20. 8. 1988 (138. Jg.), S. 10 (Obituaries). 1587 Karl Schriftgiesser: All Quiet on the Western Front, in: Boston Evening Transcript, 1. 6. 1929 (100. Jg.), S. 2 (Book Section). 1588 John M. Outler Jr.: »All Quiet on the Western Front«, in: Atlanta Journal, 16. 6. 1929 (47. Jg.), S. 24 (Magazine); Margaret H. Irish: Views and Reviews. All Quiet on the Western Front, in: The Living Age, New York, 1. 7. 1929 (86. Jg.), S. 392. 1589 R. H. L.: A Line O’ Type or Two. All Quiet on the Western Front, in: Chicago Daily Tribune, 23. 5. 1929 (83. Jg.), S. 12. Andere Rezensenten derselben Zeitung, Frank Swinnerton und Edith Weigle, äußerten sich weniger enthusiastisch. Die Heterogenität der Kritiken zeigt die Pluralität innerhalb der Redaktion. Die verlegerische Linie ließ den Journalisten des Blattes offensichtlich ausreichend Spielraum.

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natsmagazin New Yorker1590. Es müsse den Autor sehr viel Überwindung gekostet haben, die Erinnerungen an seine schrecklichen Erlebnisse aufzuschreiben. Genauso sei der Mut der Verlage, das Buch zu veröffentlichen, zu loben. Immerhin habe All Quiet on the Western Front mit allen noch so sorgsam aufgebauten Illusionen von Glamour und heroischem Abenteuer im Krieg aufgeräumt.1591 Authentizität und Repräsentativität des Buches Ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Kriegsliteratur in den USA war wie in anderen Ländern auch die Frage der Allgemeingültigkeit: War das beschriebene Kriegserlebnis authentisch bzw. realistisch und damit repräsentativ für die Soldaten der eigenen Armee – und vielleicht sogar aller anderer Nationen? Bei Remarque einigte sich die Literaturkritik schnell: Unisono hieß es in der amerikanischen Presse, das von ihm ungeschönt dargestellte Frontleben und -sterben stehe beispielhaft für alle Kriegsteilnehmer, gleich auf welcher Seite des Schützengrabens. »This simple, homely tale of a common soldier in the German army who struggled through the entire catastrophe might be the story of any one of millions of privates in any one of the belligerent hosts that made battle«, lautete das exemplarische Urteil von Jennie Franklin Purvin in der jüdischen Wochenzeitung The Sentinel aus Chicago.1592 Positiv hervorgehoben wurde vor allem das Fehlen jeglicher nationaler Färbung im Buch des deutschen Schriftstellers.1593 Daher spiele dessen Herkunft für den Inhalt keine Rolle, befand etwa Thomas Russell Ybarra im Outlook and Independent: »The most striking thing about the book is its entire lack of partisanship. That its author is a German is simply an accident.«1594 Jeder Russe, 1590 Der 1925 vom Kriegsveteranen Harold Ross, seiner Frau Jane Grant und Raoul Fleischmann gegründete New Yorker richtete sich an eine moderne urbane Leserschaft. Das bis heute erscheinende Wochenmagazin hatte Ende der 1920er Jahre knapp 100.000 Auflage. Vgl. u. a. Tebbel und Zuckerman: The Magazine in America, S. 219–221. 1591 A. W. S.: Recent Books. Man, Woman and War, in: The New Yorker, Nr. 16 vom 8. 6. 1929 (5. Jg.), Bd. 5, S. 104. 1592 Jennie Franklin Purvin: AVery Modern Uncle Tom’s Cabin, in: The Sentinel, Chicago, Nr. 5 vom 2. 8. 1929 (19. Jg.), Bd. 75, S. 7. In ähnlicher Form wurde diese Feststellung dutzendfach getroffen, etwa vom San Francisco Chronicle: »That the soldiers in this story are Germans does not make any difference. Herr Remarque speaks for his generation in the armies of all the combatant nations.« N.N.: Lost Generation Shown Among Horrors of War, in: San Francisco Chronicle, 9. 6. 1929 (64. Jg.), S. 4D. 1593 Vgl. Hill: Destroyed by the War, S. 2. Hill stellte fest: »The book is surprisingly unnational.« 1594 T. R. Ybarra: »War Is Hell« – Even Ten Years After, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 14 vom 31. 7. 1929 (82. Jg.), Bd. 152, S. 545. Vgl. auch M. L. Parler : Monthly Book News, in: Georgetown Times, Nr. 26 vom 30. 8. 1929 (133. Jg.), Bd. 132, S. 3: »That the story happens to be that of a German youth is a mere incident – English, French, German, American – they were brothers ›under the skin.‹«

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Franzose, Italiener, Engländer oder Amerikaner, der durch die Hölle des Weltkriegs ging, hätte Remarques Geschichte so aufschreiben können, betonte auch Edith Weigle in der Chicago Daily Tribune.1595 Entsprechend diesen positiven Attributen – allgemeingültig, unparteiisch, nicht national – wurde Remarques Roman rasch das Prädikat »Bibel des einfachen Soldaten« verliehen.1596 Andere Autoren bezeichneten All Quiet on the Western Front wahlweise als »das Tagebuch des Unbekannten Soldaten«1597 oder »die Geschichte der im Krieg verlorenen Generation«1598. Voraussetzung war freilich, dass die Betrachter die Schilderung als echt oder zumindest realistisch einschätzten. Auch wenn die Remarque-Debatte in den Vereinigten Staaten längst nicht so politisiert und ideologisch aufgeladen war wie in Deutschland, lag ein starker Fokus auf diesem Aspekt. Und erneut stimmte die Majorität der Kritiker, die in der amerikanischen Presse zu dem Bestseller Stellung nahm, miteinander überein: Im gesamten Buch bleibe der Autor seinem Leitspruch treu, die absolute Wahrheit zu berichten, lobte Karl Schriftgiesser im Boston Evening Transcript.1599 Schonungslos realistisch sei Remarques Schilderung, bestätigte das Fachblatt Booklist.1600 Veteranen unter den Rezensenten verifizierten die Darstellung des Frontkriegs in All Quiet on the Western Front ebenfalls. Im Clinton Courier, einer lokalen Wochenzeitung aus dem Bundesstaat New York, schrieb ein ehemaliger Kriegsteilnehmer, wie sehr ihn die Erlebnisse von Paul Bäumer und dessen Kameraden an seine eigenen erinnerten: »[The book] tells the truth about war and about human nature in time of war. And those of us who were overseas know it is the truth! Following incident after incident, we can say, ›That’s just what happened to me! That’s exactly how I felt!‹ Or ›There was a fellow in my own squad just like that man Kat!‹ English veterans can say the same, and so can the French.«1601

1595 Weigle: New War Book. Vgl. auch Outler : »All Quiet on the Western Front«, sowie Schriftgiesser : All Quiet on the Western Front. 1596 Vgl. Thalia Daley : The Book Corner, in: The Optimist, Abilene, Nr. 10 vom 28. 11. 1929 (17. Jg.), Bd. 17, S. 2. 1597 Vgl. Outler: »All Quiet on the Western Front«, sowie Louis Kronenberger : War’s Horror as a German Private Saw It, in: New York Times, 2. 6. 1929 (79. Jg.), S. BR5. 1598 Vgl. Richard Massock (AP): The Literary Guidepost, in: Daily Illini, Champaign-Urbana, Nr. 240 vom 19. 6. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, S. 4. 1599 Schriftgiesser : All Quiet on the Western Front. 1600 N.N.: Remarque, Erich Maria. All Quiet on the Western Front, in: Booklist, Chicago, Nr. 10, Juli 1929 (25. Jg.), Bd. 25, S. 396. 1601 N.N.: Library Notes, in: Clinton Courier, 7. 8. 1929 (84. Jg.), S. 5.

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Neben der Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit von Remarques Erzählung wurde herausgestellt, dass ein tiefgreifender Humanismus aus ihr spreche.1602 Ferner gewann Remarque Sympathien, weil er nicht moralisiere und sich nicht selbst für die erfahrenen Schrecken bemitleide, wie etwa der San Francisco Chronicle erklärte. Zudem sei sein Buch insofern unpolitisch, als dass es gemäß dem Geleitwort niemanden für die Misere des Krieges anklage: »Herr Remarque does not accuse anyone of perpetrating the late war. Neither does he confess that he, personally, was intensely annoyed when the war didn’t turn out to be a romantic costume piece«, schrieb die Tageszeitung aus Kalifornien. Das Buch repräsentiere schlichtweg die Wahrheit über den Krieg, und die sei eben grausam. In diesem Sinne war All Quiet on the Western Front der Redaktion zufolge doch eine einzige große Anklage gegen die Zerstörung einer ganzen Generation und gegen den Krieg an sich.1603 Marketing-Präformationen zur Entstehungsgeschichte Ursächlich für die Akzeptanz von All Quiet on the Western Front als das Buch des ›Unbekannten Soldaten‹ durch weite Teile der US-Presse war neben dem Inhalt die starke Orientierung der Rezipienten an den Präformationen des Marketings von Little, Brown & Company. Anders als in Deutschland stellten die amerikanischen Journalisten die Verlagsangaben zum Autor und zur Entstehungsgeschichte seines Textes kaum infrage. So suggerierte das Bostoner Unternehmen eine größere autobiografische Übereinstimmung zwischen dem Schriftsteller und seinem Protagonisten, als dies in Wirklichkeit der Fall gewesen war. In einer Anzeige von Little, Brown & Company am 1. Juni 1929 im Saturday Review of Literature entstand beispielsweise der Eindruck, Remarque habe sich aktiv zum Militärdienst gemeldet und den gesamten Krieg miterlebt, anstatt einberufen worden zu sein und bis zu seiner schweren Verletzung nur sieben Wochen an der Front gedient zu haben: »[The] author, a young German of French extraction, enlisted in the infantry as a boy of eighteen and served on the Western Front throughout the War.«1604 Des Weiteren erschien Remarque der Verlagsleseart nach als gewöhnlicher Soldat, der sich mit der Niederschrift seines erdrückenden Kriegserlebnisses von seinen Seelenqualen befreien wollte. Viele Zeitungen, vor allem lokale Blätter, über-

1602 Vgl. N.N.: »All Quiet on the Western Front«, in: Kentucky Kernel, Lexington, Nr. 5 vom 18. 10. 1929 (16. Jg.), Bd. 10, S. 4. 1603 N.N.: Lost Generation Shown Among Horrors of War. Vgl. auch N.N.: Youth Faces of War, in: San Francisco Chronicle, 2. 6. 1929 (64. Jg.), S. 4D. 1604 Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front«, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 45 vom 1. 6. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, S. 1075.

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nahmen diese schon von Ullstein verbreitete, leicht verkürzte Version1605 eins zu eins, wie das folgende Beispiel aus der Binghamton Press zeigt: »In his own words, Remarque wrote ›All Quiet on the Western Front‹ to free himself from the memory of the war. It was only after he had completed the novel that he tried to sell It. He wrote simply, setting down the story of his own experiences without glamor or heroics.«1606

Das Ziel der Vermarktungsstrategie war, das Bild vom einfachen Muschkoten, der sich nach dem Krieg rein zufällig zu einem erfolgreichen Schriftsteller entwickelt hatte, solange wie möglich aufrechtzuerhalten. Dazu gehörte auch, den durchaus komplexen Schreibprozess des Buches zu verschweigen – so wie dies zuvor bereits Ullstein getan hatte. Remarque trug mit Äußerungen in der US-Presse selbst zu dieser Legendenbildung bei. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur United Press (UP) sagte er im September 1929: »I wrote ›All Quiet on the Western Front‹ within two months, in my spare time.«1607 Und gegenüber der New York Times führte er kurz darauf aus: »In six weeks the book was finished – it had written itself.«1608 Für einen deutlich langwierigeren Schreibprozess gibt es heute etliche Belege, sodass die Aussagen des Schriftstellers irreführend waren.1609 Ansonsten blieb Little, Brown & Company recht eng an der Wahrheit in Bezug auf Remarques Biografie und seinen weiteren Lebensweg nach Kriegsende – auch wenn sein Werdegang, unter anderem als Journalist, weniger erfolgreich dargestellt wurde als er tatsächlich war.1610 So fanden die früheren, zugegebenermaßen nicht wirklich erfolgreichen Publikationen des Schriftstellers kaum Erwähnung; Gleiches gilt für seine gute Anstellung im Scherl Verlag. In summa entstand so ein Bild von Remarque als beruflichem Anfänger, der mit Im Westen nichts Neues sein erstes ernst zu nehmendes Werk herausgebracht hatte.1611 1605 Vgl. zur Ullsteinschen Legendenbildung Kap. 5.1, S. 114–117. 1606 N.N.: Amusements – Binghamton, in: Binghamton Press, 19. 7. 1930 (27. Jg.), S. 8. Vgl. auch Ybarra: »War Is Hell«. 1607 Eric Keyser (UP): Sustained Peace Is Cry of World, Says Remarque, in: Salt Lake Telegram, Salt Lake City, Nr. 229 vom 15. 9. 1929 (28. Jg.), Bd. 28, S. 4. 1608 Cyrus Brooks: Herr Remarque Shuns Literary Honors, in: New York Times, 22. 10. 1929 (79. Jg.), S. SM4 (New York Times Magazine). 1609 Details zur Niederschrift von Im Westen nichts Neues finden sich auf S. 116f., insb. Anm. 436, 437 und 443. 1610 Vgl. u. a. The Phoenician: The Phoenix Nest, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 45 vom 1. 6. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, S. 1084. 1611 Vgl. u. a. Ybarra: »War Is Hell«, sowie N.N.: The Horror of the World, in: Time, New York, 17. 6. 1929 (7. Jg.). Häufig wurden Remarques zuvor veröffentlichte Romane Die Traumbude (1920) und Station am Horizont (1927/28 in Sport im Bild erschienen) unterschlagen bzw. die Rezensenten hatten keine Kenntnis davon. Daher galt Im Westen nichts Neues meist als sein erster Roman überhaupt. Siehe etwa N.N.: »The Fate of his First Novel is of

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Eine weitere Marketing-Präformation, die Eingang in die Presse fand, war der pazifistische, aber dezidiert unpolitische Standpunkt des Autors. Mit dieser neutralen Positionierung sollte eine möglichst breite Leserschaft angesprochen werden. Remarque stützte das vom Verlag lancierte Image erneut mit eigenen Stellungnahmen. So sagte er im Gespräch mit dem Korrespondenten von UP: »I am not of a political turn of mind. I know little about politics. But my yearning for peace is so great that it makes me follow with interest the efforts to safeguard peace […].«1612 In späteren Interviews unterstrich er dies immer wieder. Einordnung zwischen Fiktion und Dokumentation Die Auseinandersetzung mit dem Autor sowie dessen Glaubwürdigkeit war zwangsläufig mit der Frage verbunden, ob All Quiet on the Western Front als Fiktion oder autobiografischer Bericht anzusiedeln sei. Nun wäre es angesichts der Marketing-Präformationen und der raschen Anerkennung des Buches als repräsentative Schilderung des Fronterlebnisses nicht überraschend gewesen, wenn das Gros der US-Rezipienten es als historisches Dokument eines Augenzeugen eingestuft hätte. Doch dem war nicht so. Remarques Erzählung vom Krieg wurde fast ausnahmslos der Sparte Fiktion zugeordnet.1613 Das bedeutete indes nicht, dass die Kritiker glaubten, der Verfasser habe sich den Stoff frei ausgedacht. Autobiografische und dokumentarische Züge wurden dem Buch stets zugestanden. »It is a chronicle, the fruit of the author’s personal experience«, konstatierte etwa The Living Age1614. »Paul […] is to a large extent a mouthpiece for Remarque himself.«1615 Vor allem als noch wenig über den Autor bekannt war, wurde der autobiografische Anteil stärker betont als im späteren Verlauf der Rezeption – zumal das Wissen über Remarque im Frühsommer 1929 fast ausschließlich auf Verlagsangaben fußte. Aber allein das Faktum, dass der Protagonist im Buch stirbt und sich sein Schöpfer bester Gesundheit erfreute, setzte dem Echtheitsgehalt logischerweise Grenzen auf. »To the extent at least that the hero dies in October, 1918, and Herr Remarque still lives to write publicity and draw royalties, the book is fiction. Yet it is obviously founded on

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Vital Importance to the Author.«, in: Publisher’s Weekly, New York, Nr. 116 vom 21. 9. 1929 (58. Jg.), S. 1331. Keyser : Sustained Peace Is Cry of World. Dagegen wurde etwa Sherriffs Drama Journey’s End als »Nonfiction« betrachtet. Vgl. u. a. Best Sellers of the Week, in: Chicago Daily Tribune, 7. 9. 1929 (83. Jg.), S. 11. The Living Age wurde 1844 von E. Littell in Boston gegründet. 1897 zog das Monatsmagazin nach New York um. Unter dem Motto »Brings the World to America« lag der Fokus auf auswärtigen Angelegenheiten. Vgl. Frank Luther Mott: A History of American Magazines, Bd. 1: 1741–1850, 3. Aufl., Cambridge, Mass. 1957, S. 747–749. Irish: Views and Reviews, S. 392 und 394. Vgl. auch N.N.: Lost Generation Shown Among Horrors of War.

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indelible fact and might be an authentic autobiographical account«, analysierte Frank Ernest Hill in der New York Herald Tribune.1616 Hills Kommentar zeigt, dass Fiktion und Dokumentation in der US-Rezeption nicht als widersprüchliche Pole gesehen wurden – anders als von vielen deutschen Kritikern. Sein Statement veranschaulicht zudem, dass die RemarqueDebatte in den Vereinigten Staaten unterschiedlichste Schattierungen hatte, während sie im Heimatland des Schriftstellers von einem Schwarz-Weiß-Denken geprägt war. Und so kam es, dass viele amerikanische Publikationen All Quiet on the Western Front als fiktiven Roman besprachen und ihm dennoch Merkmale wie »nüchterne Objektivität« (»sober objectivity«)1617, »ungeschminkte Wahrheit« (»unvarnished truth«) oder »quälenden Realismus« (»torturing realism«)1618 zuschrieben. Jene Rezensenten, die in Remarque einen professionellen Schriftsteller sahen, hatten eine größere Erwartungshaltung an Stil und Komposition des Textes als solche, die den Roman mehr als authentischen Kriegsbericht eines schreibenden Novizen lasen.1619 Letztere attestierten, der »infantery artist« Remarque habe All Quiet on the Western Front nicht zur Unterhaltung oder aus einem Sendungsbedürfnis heraus zu Papier gebracht, sondern in erster Linie, um die erlebten Schrecken zu verarbeiten, illustrierte der Springfield Sunday Union and Republican1620 ähnlich wie zuvor Frank Ernest Hill in der New York Herald Tribune die Grauzone zwischen Fiktion und Dokumentation: »Remarque has written the book not so much because he wanted the world to hear the story of a man of war, but perhaps because in his utter lonesomeness he wanted to unburden himself. That no doubt was the artist in him. [… The book] is not fiction. Remarque did not write it to entertain.«1621

Nur eine kleine Minderheit der Kommentatoren vertrat die Auffassung, Remarque könne nicht für andere Soldaten sprechen, weil er ein Schriftsteller sei. Zum einen habe er mit seinen intellektuellen Fähigkeiten nicht viel mit dem

1616 Hill: Destroyed by the War, S. 2. 1617 Ernst Feise: Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues, in: Books Abroad, Norman, Oktober 1929 (3. Jg.), Bd. 3, S. 353. 1618 Weigle: New War Book. 1619 Siehe zur Bewertung der literarischen Qualität des Buches ausführlich Kap. 7.3.2.5. 1620 Der Springfield Union and Republican aus Massachusetts galt als eine der besten Lokalzeitungen des Landes. Das 1824 gegründete Blatt war liberal eingestellt und kritisch gegenüber staatlichen Autoritäten. Die Auflage der Sonntagsausgabe Springfield Sunday Union and Republican lag bei knapp 68.000 Exemplaren. Vgl. Mott: American Journalism, S. 665. 1621 Vgl. N.N.: War Experiences of One of the Defeated, in: Springfield Sunday Union and Republican, 30. 6. 1929 (106. Jg.), S. 7E.

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gewöhnlichen Infanteristen gemein, zum anderen vermische er Erlebtes mit Erdichtetem, hieß es dann.1622 Dieser Darstellung widersprachen die meisten Rezensenten. Auch jene, denen bewusst war, dass Remarques Geschichte nur zu einem geringen Teil auf eigenen Erfahrungen beruhte, machten darum kein großes Aufheben. Über das aufgeregte Geflüster (»excited whispers«), dass der Autor keine der beschriebenen Schlachten mitgemacht habe, schrieb etwa Jerome Coignard im Brooklyn Daily Eagle1623, Remarque habe jeden Grund, dieser Kritik selbstbewusst zu entgegnen. All Quiet on the Western Front sei – Fiktion hin oder her – immer noch ein großartiges Kriegsbuch: »He is entitled to snap back: ›Meaning what?‹ For the story is prominently labelled fiction and it certainly is a swell war book, even if its author fought the battle of Berlin or Stuttgart or Baden-Baden«, so Coignard.1624 Die Stellungnahme im Brooklyn Daily Eagle macht wie viele andere den großen Zuspruch zu Remarque und All Quiet on the Western Front in der USPresse deutlich. Wurde der Schriftsteller kritisiert, was selten vorkam, ließ eine Verteidigung nicht lange auf sich warten. Und auch sonst traf der Autor auf viel Sympathie und wurde für sein Buch ausgiebig gewürdigt. Die Darstellung Remarques in der amerikanischen Presse Angesichts seines einzigartigen literarischen Erfolgs beschäftigten sich amerikanische Zeitungen und Zeitschriften auch intensiv mit der Person Erich Maria Remarques. Nachdem die Auflagen in Europa immer neue Höhen erklommen hatten und das Buch jenseits des Atlantiks ein ebenso großer Bestseller wurde, wuchs die Aufmerksamkeit für den Schriftsteller stetig. Dabei war der Umgang mit dem Autor in der US-Presse genauso wohlwollend wie die Buchrezeption. So beteiligten sich die Journalisten nicht aktiv an Spekulationen zu Remarques Herkunft und seinem Vorleben. Ganz im Gegensatz zu seiner deutschen Heimat wurde im Land seines späteren Exils auch nie der Versuch unternommen, den Schriftsteller persönlich zu diskreditieren. Zunächst besaß die Presse indes nur rudimentäre Informationen über den Verfasser, welche überwiegend auf Verlagsmitteilungen basierten. In den ersten Berichten über »Herrn Remarque« wurden vor allem seine französischen Wurzeln hervorgehoben – offenbar, um den für einen Deutschen untypischen 1622 Vgl. u. a. Belgion: The Human Parrot, S. 138. 1623 Mit zeitweise 100.000 Auflage war der 1841 gegründete Brooklyn Daily Eagle das reichweitenstärkste Nachmittagsblatt der USA und überregional relevant. Vgl. Brooklyn Public Library : History of the Brooklyn Daily Eagle [online], verfügbar unter : https://www. bklynlibrary.org/brooklyncollection/history-brooklyn-daily-eagle [2. 7. 2018]. 1624 Jerome Coignard: Very Small Talk, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 22. 1. 1930 (90. Jg.), S. 22.

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Namen einzuordnen und ihn als Person interessanter erscheinen zu lassen.1625 Hin und wieder schlichen sich auch fehlerhafte Angaben in die Artikel ein, was allerdings nie mit böswilligem Hintergrund geschah. So wurden die Vornamen Erich Maria versehentlich zu »Ernst« oder »Mario«.1626 An anderer Stelle hieß es, Remarque sei als Invalide aus dem Krieg zurückgekehrt.1627 Im Verlauf der Rezeption und parallel zu den steigenden Buchverkäufen sah man Remarques Konterfei immer häufiger auf den Seiten amerikanischer Zeitungen. Die Korrespondenten in Deutschland bemühten sich eifrig um Treffen mit dem berühmt gewordenen Autor, die dieser allerdings nur sehr selten gewährte. Deshalb griffen US-Printmedien auch auf Interviews in der europäischen Presse zurück. So zitierten die New York Times und der Literary Digest1628 aus dem Manchester Guardian, und der Boston Evening Transcript gab Inhalte aus dem ausführlichen Gespräch Remarques mit Axel Eggebrecht in der Literarischen Welt wieder.1629 Im Fokus standen hierbei vor allem seine Kriegserfahrungen und die Motivation, die zum Schreiben von Im Westen nichts Neues führte. Im Herbst 1929 veröffentlichte die New York Times kurz hintereinander dann tatsächlich zwei auf Basis von persönlichen Treffen in Berlin entstandene Porträts. Sie brachten den Lesern den Mensch Remarque deutlich näher. Gegenüber dem renommierten Reporter Wythe Williams1630 bekannte der Schriftsteller in dem am 13. Oktober erschienenen Artikel »Remarque to Flee Spotlight’s Glare«, er sei kurz davor, die deutsche Hauptstadt zu verlassen. Seine Privatsphäre habe sich dort vollkommen aufgelöst. So hätten Souvenirjäger sogar sein Namensschild von der Haustür entfernt. »I cannot work here. I am not left alone for a single minute. I really want to disappear altogether – change my name, let my beard grow, start a new life and possibly never write again.« 1625 Siehe u. a. N.N.: Two Brilliant Newcomers to America’s Literary Scene, in: The World, New York, 2. 6. 1929 (70. Jg.), S. 7M. 1626 Vgl. Ankündigung von All Quiet on the Western Front im New York American, u. a. in: Black River Democrat, Lowville, Nr. 47 vom 25. 7. 1929 (21. Jg.), Bd. 20, S. 1. 1627 Vgl. N.N.: Volume Expurgated. 1628 Der seit 1890 in New York herausgegebene Literary Digest war nach der Saturday Evening Post mit über 1,5 Millionen Auflage die zweitgrößte wöchentliche Publikation im Land. Das politisch ausgewogene Blatt war zugleich Hauptkonkurrent der Time. Trotz Fusion mit dem Review of Reviews wurde der Literary Digest 1938 eingestellt. Vgl. Frank Luther Mott: A History of American Magazines, Bd. 3: 1865–1885, 2. Aufl., Cambridge, Mass. 1957, S. 569–579. 1629 Vgl. N.N.: Books and Authors, in: New York Times, 7. 7. 1929 (79. Jg.), S. 57, sowie N.N.: Not All Quiet for Remarque, in: Literary Digest, New York, Nr. 2 vom 12. 10. 1929 (40. Jg.), Bd. 103, S. 19f. 1630 Wythe Williams war Chefkorrespondent der New York Times in Berlin, nachdem er zuvor aus London und Paris, u. a. als Kriegsreporter, berichtet hatte. Er galt als weniger deutschfreundlich als manche Kollegen und traf viele richtige Prognosen zu Deutschlands Entwicklung nach 1933. Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 307f. und 320ff.

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Nachdem Remarque zuvor mehrfach die Legende kultiviert hatte, dass er womöglich nie wieder ein Buch schreiben werde1631, widerlegte er diese Aussage im Gespräch mit Williams dann aber selbst. Er arbeite bereits am Nachfolgeroman von Im Westen nichts Neues (Der Weg zurück / The Road Back), sagte er dem Reporter. Demnach konnte der Eindruck entstehen, dass der Schriftsteller ein wenig mit seinem vom Ruhm verursachten neuerlichen Seelenschmerz kokettierte und in der Presse ein dankbares Forum dafür fand. »I do not feel like a writer. At present I have only one thought, and that is to get away from everything. […] I have been appointed, it seems, as administrator of my first book for life. At present I am a prisoner, but soon I shall find a way out«, schilderte Remarque weiter seine Gemütslage. Auch vergaß er in dem Interview erneut nicht zu betonen, dass er Im Westen nichts Neues in erster Linie zur persönlichen Katharsis niedergeschrieben habe und er ferner von Politik überhaupt nichts verstehe.1632 Beide Statements unterstrichen das sorgsam aufgebaute Image vom bodenständigen Veteranen, den der Wink des Schicksals zum Bestsellerautor gemacht hatte. Der Verfasser des Porträts hinterfragte es wie die meisten seiner Journalistenkollegen nicht mal im Ansatz. In einem ähnlich gefälligen Duktus kam ein von Cyrus Brooks geschriebenes Porträt daher, das die New York Times nur wenige Tage später, am 22. Oktober 1929, veröffentlichte. Der mehr als eine ganze Zeitungsseite umfassende Bericht mit dem Titel »Herr Remarque Shuns Literary Honors« enthielt ein dreispaltiges Aufmacherfoto von Remarque, das ihn – in Hemd, Krawatte und Pullunder gekleidet – als gut aussehenden Gentleman zeigte. Entsprechend stellte Brooks den deutschen Shootingstar vor : »[He is …] a fair, bronzed young man, strongly built, with a handsome smiling face, who looked at least six years younger than his thirty-two years. In appearance, he might have been an American, an English rowing-man, or a member of any one of the blond races of Northern Germany.«

Abgesehen von der Beschreibung einer rasanten Fahrt mit Remarque über die Berliner Stadtautobahn Avus brachte das Porträt nicht viel Neues. Der Schriftsteller bekam aber die Gelegenheit, seine Biografie vor und nach dem Krieg analog der gegenüber Axel Eggebrecht geschilderten Version noch einmal für die amerikanischen Leser darzulegen. Thematisch umfasste das Gespräch die Heimkehr aus dem Hospital und den Tod der Mutter, seine Ruhelosigkeit und unstete Berufstätigkeit, das Nachwirken der Kriegsschrecken, die ihn zum Schreiben von Im Westen nichts Neues veranlassten, und schließlich der unerwartete Erfolg, der ihn über Nacht zur öffentlichen Person gemacht hatte. 1631 Vgl. N.N.: Volume Expurgated, sowie N.N.: Books and Authors (7. 7. 1929). 1632 Wythe Williams: Remarque to Flee Spotlight’s Glare, in: New York Times, 13. 10. 1929 (79. Jg.), S. E8.

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In dem sehr wohlmeinenden Zeitungsartikel erscheint Remarque als feinsinniger, bescheidener Mensch, dem der Rummel um ihn unangenehm ist. Er wolle mit den einfachen Menschen in Kontakt bleiben, sagte der Schriftsteller, denn für deren Herzen und Köpfe schreibe er. Am meisten hätten ihn deshalb die Briefe von Veteranen gefreut, denen Im Westen nichts Neues bei der Verarbeitung ihrer Kriegserlebnisse geholfen habe. Jegliche politischen Statements vermied Remarque im Übrigen erneut. Auf die Frage, welche Rolle England und die USA in der Welt spielten, ließ er sich immerhin die Bemerkung entlocken, dass beide Nationen progressive Mächte seien, die nach Frieden strebten.1633 Weitere Interviews gab Remarque der US-Presse in den Folgemonaten nicht. Interessante Hintergründe zu seiner Person verriet erst wieder ein von Fr8d8ric LefHvre, dem Chefredakteur der Pariser Nouvelles Litt8raires, aufgezeichnetes Gespräch mit Remarque und dessen Freund Friedrich Hirth, welches The Living Age im Dezember 1930 exklusiv abdruckte. Darin haderte der Bestsellerautor erneut mit seinem plötzlichen Ruhm und wünschte sich, wieder wie ein normaler Mensch behandelt zu werden.1634 Neben den Schattenseiten seines Erfolgs thematisierten amerikanische Zeitungen auch die für den Schriftsteller erfreulichere wirtschaftliche Komponente. Dies geschah aber immer wertfrei.1635 Nie wurde dem Schriftsteller vorgeworfen, er bereichere sich an der Darstellung der Kriegsgräuel. Im Gegenteil, wenn über seine üppigen Tantiemen aus der Buchverlegung und der Verfilmung geschrieben wurde, schwang immer Anerkennung mit. Den Lohn für seine, so Remarque selbst, »mühselige« und zuweilen »selbstzerstörerische« Tätigkeit habe er sich

1633 Brooks: Herr Remarque Shuns Literary Honors. Das Gespräch wurde auch von anderen Zeitungen aufgegriffen. Vgl. etwa N.N.: Remarque Tells His Reasons for Writing Story, in: Salt Lake Telegram, Salt Lake City, Nr. 191 vom 8. 8. 1930 (29. Jg.), Bd. 29, S. 8. 1634 Fr8d8ric LefHvre: An Hour with Erich Remarque, in: The Living Age, New York, 1. 12. 1930 (87. Jg.), S. 344–349. Da von dem Gespräch in der Remarque-Forschung bislang kaum Notiz genommen wurde, sollen im Folgenden einige Kernaussagen des Schriftstellers etwas ausführlicher zitiert werden: »I never occupy myself with political questions« (S. 345). »If, from time to time, certain people in Germany accuse me of treason, it is because it is difficult to admit that one can love one’s country and at the same time believe that war is not an excellent means of assuring human progress« (S. 347). »I am unable to understand why people keep wanting to get statements from me, since the best revelation of my soul is in my book which, as far as I am concerned, has but one advantage – that it made me independent. For the rest it does me nothing but harm and by no means the least damage was that it deprived me of friendships that I cherished, especially youthful friendships« (ebd.). »Here is the whole thing in a nutshell. Success, which has no importance and proves nothing, upset my life from top to bottom. I must now bring back order into my life. I thought I should have a slow, progressive success and made my plans accordingly. But look!« (S. 349). 1635 Vgl. u. a. AP: »All Quiet« Pays Author, in: Niagara Falls Gazette, 27. 1. 1930 (77. Jg.), S. 3.

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redlich verdient, hieß es übereinstimmend.1636 Und falls es im Rahmen der Berichterstattung zu Gossip über den Schriftsteller kam, blieb es bei harmlosem Klatsch auf den Gesellschaftsseiten. Zu den Themen gehörten etwa Remarques Urlaubsorte1637, sein attraktives Äußeres, der gute Kleidungsstil1638 oder die Vorliebe, mit seinem Bugatti über die Avus zu donnern.1639 Während er in Deutschland in diesem Kontext eher als dekadenter Dandy erschien, nahm man ihm in den USA die viel beschworene Bodenständigkeit und Bescheidenheit ab. Insgesamt konnte sich Remarque über eine ihm dort sehr zugeneigte Presse erfreuen, die unkritisch und mit einer gewissen Bewunderung berichtete und die Präformationen des Marketings bereitwillig übernahm. 7.3.2.2. Wahrheit und Deutung des Fronterlebnisses in der Literatur So tief wie kaum ein Buch zuvor blickte All Quiet on the Western Front in die Seele der gewöhnlichen Soldaten, die im Krieg brutalisiert und zerstört wurden. Und so schonungslos wie kein anderer Schriftsteller schilderte Remarque das Sterben der jungen Männer auf den Schlachtfeldern und in den Schützengräben. In den Vereinigten Staaten fiel seine offene Darstellung auf besonders fruchtbaren Boden, galt doch die Beteiligung am Ersten Weltkrieg in den Augen der meisten Amerikaner als Fehler. Da es folglich keinen Anlass mehr gab, den Tod Zehntausender Söhne des Landes ideologisch zu überhöhen, konnte man dem Grauen – mit etwas zeitlichem Abstand – ins Gesicht sehen. Die Hoffnungen ruhten darauf, die von Remarque und anderen Schriftstellern enthüllte Wahrheit von der Front werde dazu beitragen, was der Friedensvertrag von Versailles offensichtlich nicht schaffte: Europa zu befrieden und einen neuerlichen Krieg zwischen den Großmächten zu verhindern. Die Mehrheit der Rezipienten verständigte sich im Zuge der Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front und seinem Autor darauf, dass der Krieg genauso gewesen sein müsse, wie Remarque ihn beschrieb, nämlich schrecklich, inhuman, sinnlos und gänzlich unromantisch.1640 Lange sei versucht worden, 1636 N.N.: The Rigors of Writing, in: Pampa Morning Post, Nr. 174 vom 30. 6. 1931 (5. Jg.), Bd. 1, S. 6. 1637 Siehe etwa N.N.: Remarque in Switzerland, in: New York Times, 26. 1. 1930 (80. Jg.), S. 5. 1638 So befand der Brooklyn Daily Eagle unter einem mit »All Quiet on the 16th Tee« überschriebenen Foto von Remarque in Golfkleidung: »[…] This is Erich Maria Remarque […], who while he thus threatens Johnnie Farrell’s title as the best dressed golfer of 1929 [Farrell war ein erfolgreicher amerikanischer Profigolfer ; der Verf.] also moves F. M. Clouter, of his American publishers, to name him most attractive author.« N.N.: All Quiet on the 16th Tee, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 4. 12. 1929 (89. Jg.), S. 29. 1639 N.N.: Home, Boys, Home, in: Time, New York, 11. 5. 1931 (9. Jg.). 1640 Vgl. u. a. Jennie Franklin Purvin im Sentinel, die das Buch als regelrechten Augenöffner bezeichnete: »Our eyes are opened upon the true page of the horrors of war – war without

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unter dem Deckel zu halten, was den Männern an der Front tatsächlich widerfahren war, schrieb T. S. Matthews in der linksliberalen Zeitschrift The New Republic1641. Nun spreche das Buch aus Deutschland endlich Klartext: »This is a book about something that nobody likes to talk of too much. It is about what happens to men in war. It has nothing whatever to do with the politeness, the nobilities, or any of the sometimes pretty and sometimes ridiculous notions to which the world has once again settled down.«1642

Im Vergleich zu All Quiet on the Western Front seien alle zuvor erschienenen, angeblich ›wahren‹ Bücher über den Krieg »rosarote Romanzen« (»rosy romances«), befand auch The New Yorker in seiner positiven Erstrezension vom 8. Juni 1929. Der nächste Autor, der über seine »Four Happy Years with Me and My Buddies in Flanders« schreiben wolle, werde es schwer haben, gegen die unerbittliche Wahrheit in Remarques Buch anzukommen, prognostizierte die angesehene Wochenzeitschrift.1643 Die konkrete Benennung des Kriegshorrors bedeutete zugleich, dass das Buch keine besonders wohltuende Lektüre war, wie mehrere Rezensenten betonten. So sei All Quiet on the Western Front für unentwickelte Geister oder junge Mütter mit einem Säugling an der Brust nicht wirklich geeignet, urteilte John M. Outler Jr. im Atlanta Journal.1644 Selbst für erfahrene Literaturkritiker war die Lektüre regelrecht schmerzvoll, räumte Karl Schriftgiesser ein: »There are scenes in a hospital that will make the reader writhe with pain. There are sketches of a heavy fight at the front that deafens the reader with the roar of imaginary guns, that blinds him with the flashes and glares of rockets and bombs, and sickens him with the screams and the screeches of dying […].«

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any glamor or glitter of any kind; war in all its senselessness and inhumanity and feelinglessness.« Purvin: A Very Modern Uncle Tom’s Cabin, S. 7. The New Republic (Untertitel: »A Journal of Opinion«) hatte trotz später Gründung (1914) und geringer Auflage (25.000 im Jahr 1930) großen publizistischen Einfluss. Das vom vermögenden Willard Straight gegründete und von Herbert Croly und Walter Lippmann geleitete New Yorker Wochenmagazin vertrat eine sozialreformerische Linie und repräsentierte wie die Konkurrentin The Nation eine Art »uptown radicalism«. Als Leitorgan des Progressivismus unterstützte The New Republic Präsident Woodrow Wilson (bis zum Versailler Vertrag) und später Franklin D. Roosevelts Politik des New Deal. Vgl. Frank Luther Mott: A History of American Magazines, Bd. 5: Sketches of 21 Magazines 1905– 1930. With a Cumulative Index to the Five Volumes, Cambridge, Mass. 1968, S. 191–224. T. S. Matthews: Bad News, in: The New Republic, New York, Nr. 759 vom 19. 6. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, S. 130. A. W. S.: Recent Books, S. 104. In der Ausgabe vom 27. Juli 1929 bekräftigte The New Yorker sein positives Urteil durch den bekannten Autor Alexander Woollcott. Dieser schrieb: »The novel which is, glory be, the best selling book in the world to-day, and which constitutes, I think, as noble a service to mankind as any pen has rendered in our time.« Zitiert aus einer Anzeige von Little, Brown & Company, in: Chicago Daily Tribune, 17. 8. 1929 (83. Jg.), S. 9. Outler : »All Quiet on the Western Front«.

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Angesichts des im Detail dargestellten Sterbens auf dem Schlachtfeld habe er mehrfach innehalten müssen, so Schriftgiesser. Wie er im Folgenden deutlich machte, ersparte Remarque seinen Lesern in der Tat nichts: »Few people will be able to read this book through at one sitting. This reviewer was forced to stop more than once astounded at the frankness and the cruelty of parts of it. Scenes on the battlefield, with men walking with feet shot away, with the torso and head of a soldier propped against a trench, the cigarette still burning in his mouth, with wounded men pressing their bulging intestines as they search the stretchers – all that horror is there in good measure.«1645

Der Ausschnitt illustriert ferner, dass die amerikanischen Rezensenten bei der Wiedergabe der Grausamkeiten, denen die Menschen im Krieg ausgesetzt waren, ebenfalls nicht zimperlich waren. Das lag zum einen daran, dass sie Remarque die Authentizität seiner Darstellungen abnahmen. Zum anderen unterstrichen sie, der Autor lege bei der Beschreibung von Hunger, Angst, Dreck, Verwundung, Tod und nochmals Tod eine große Ernsthaftigkeit an den Tag, die von Herzen komme.1646 So wurde ihm der Vorwurf der Effekthascherei erst gar nicht gemacht. Es sei auszuschließen, dass viele Szenen nur deshalb so drastisch ausfielen, um die Verkaufszahlen des Buches anzukurbeln, schrieb etwa Harry Hansen in der New Yorker Tageszeitung The World1647: »No one can argue that this work was written purely to shock readers, or to sell on the strength of the sensational«, bürgte er für Remarque. »Its very character refutes any such suspicions. The book is able, solid work, it comes from the heart of a man who suffered, and it is free from trickery.«1648 Auch das ganz individuelle, von Remarque wie unter einer Lupe gezeigte Leid kam zur Sprache. Besonders die Duval-Episode hoben die Rezensenten hervor, welche das langsame Sterben des französischen Soldaten durch die Hände Paul Bäumers beschreibt. Sie stehe wie keine andere für den erbarmungslosen Charakter des Krieges, so Frank Ernest Hill in der New York Herald Tribune: »In the eighteen pages which comprise this [most remarkable] incident a great deal is told about war. The ›murder‹ is almost inevitable, certainly natural, and there1645 Schriftgiesser : All Quiet on the Western Front. 1646 Vgl. Leon Whipple: Outlaw, in: The Survey, New York, Nr. 11 vom 1. 9. 1929 (33. Jg.), Bd. 62, S. 574. 1647 Joseph Pulitzer machte die von ihm 1883 gekaufte New Yorker Tageszeitung The World neben Hearsts marktschreierischem New York Evening Journal im ausgehenden 19. Jahrhundert zum größten Blatt im Land mit mehr als einer Million Auflage und bis zu 1.300 Mitarbeitern. Das liberale Organ unterstützte die Demokraten, trat für soziale Reformen und höhere Vermögensbesteuerung ein. 1931 wurde es nach langem Niedergang von Scripps-Howard gekauft und mit dem New York Evening Telegram zusammengelegt. Vgl. Tebbel: The Compact History, S. 195–221. 1648 Vgl. Hansen: The First Reader.

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fore the more appalling.«1649 Das stille Sterben des beinamputierten Franz Kemmerich, an dessen Krankenhausbett Bäumer wacht, erhielt ebenfalls viel Zustimmung. Es repräsentiere den sinnlosen Tod Millionen junger Männer, gleich welcher Nation, hieß es.1650 Entmenschlichung im modernen Krieg Das Wesen des modernen Krieges und seine Auswirkung auf das Individuum gehörten zu den zentralen Elementen der Rezeption von All Quiet on the Western Front in den USA. Die technisierte Gewalt durch Giftgas, Maschinengewehre und Granaten wurde dabei durchgängig verdammt. Das von Remarque aufgezeigte Abschlachten nach mathematischen Kalkulationen sei bestialisch gewesen und habe zur Auflösung der bislang gültigen Wertvorstellungen geführt, hieß es in nahezu allen Presseartikeln. In der Relation Material gegen Mensch verliere der einzelne Soldat die Möglichkeit, sich in der Extremsituation des Krieges individuell bewähren zu können. Der Chefredakteur des Saturday Review of Literature, Henry Seidel Canby, konstatierte in seinem Aufmacherartikel unter dem Titel »Modern War« im Juni 1929: »[The modern soldier …] has lost the capacity to enjoy a fight which chemistry and the machine tool has spoiled as a sport. War has become a business, and he does not like the business.«1651 Statt heroischem Kampf erlebten die jungen Männer aller Nationen ein kollektives Trauma, das die Abgründe menschlicher Existenz offenbarte. Kurzum: Remarque habe das wirkliche Gesicht des industrialisierten Krieges demaskiert und zeige ihn frei von Glanz und Gloria, lobten die Rezensenten unisono. »›All Quiet on the Western Front‹ is […] the end of all war’s glamor in one volume«, brachte es Karl Schriftgiesser auf den Punkt.1652 Und Leora Williams ergänzte in der Hochschulzeitung Dickinson Union: »War is painted in a very undesirable manner, and is stripped of all its supposed glory.«1653 1649 Hill: Destroyed by the War, S. 2. Auch Herschel Brickell erinnerte sich noch Monate nach der Erstlektüre an jene »unforgettable passage in A l l Qu i e t when the two enemies are lying together in a shell-hole, one of them slowly and horribly dying before the eyes of his slayer«. Herschel Brickell: Schlump: The Story of a German Soldier, in: Bookman, New York, Nr. 3, November 1929 (35. Jg.), Bd. 70, S. 333. 1650 Vgl. u. a. Bignall Jones: Gleanings, in: Warren Record, Warrenton, Nr. 37 vom 13. 9. 1929 (38. Jg.), Bd. 29, S. 3. 1651 Henry Seidel Canby : Modern War, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 46 vom 8. 6. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, S. 1089. Henry Seidel Canby, Chefredakteur und Mitbegründer des Saturday Review, saß auch dem Redaktionsbeirat des Book-of-the-Month Club vor. Vgl. Ralph Engelman: Henry Seidel Canby, in: Sam G. Riley (Hg.): American Magazine Journalists, 1900–1960, First Series (Dictionary of Literary Biography, Bd. 91), Detroit 1990, S. 39–46. 1652 Schriftgiesser : All Quiet on the Western Front. Vgl. auch N.N.: Outstanding New Book. 1653 Leora Williams: Book Reviews, in: Dickinson Union, Williamsport, 1. 6. 1930 (54. Jg.), S. 33.

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Ruhm und Heldentum Ehre seien Motive, an denen man sich an der Heimatfront begeistern könne, warf der bekannte Feuilletonist und Schriftsteller Joseph Wood Krutch1654 in der linksorientierten Wochenzeitschrift The Nation1655 ein. Für die Soldaten dagegen zählten sie nichts. Wichtig seien allein rein elementare Dinge: schlafen, essen – und im Trommelfeuer die nächsten Minuten überleben, so Krutch: »Glory is something talked about by those back home; exaltation an[d] emotion reserved for those far enough away to think that they know what it is all about. In the midst of an attack one tries to preserve one’s life for five minutes longer and between times one wonders what one is going to eat. Completely – perhaps blessedly – absorbed in elemental and immediate things, one is far too hungry to think about glory or the fatherland and almost too tired to think about death.«1656

Insofern werde der Mensch an der Front zu einem tierischen Wesen degradiert, das nur noch nach Instinkten handele, hielt auch der Springfield Sunday Union and Republican fest: »Man, naturally, becomes little more than an animal with one thought uppermost in his mind – self-preservation. When he is in action his first thought is to get out of it alive. When he is behind the lines he devotes his mind chiefly to his physical comforts.« Zur Fokussierung auf die eigene Körperlichkeit gehörten neben Schlaf, Nahrung, Schutz vor Kälte und Ungeziefer eben auch Verdauung und Toilettengang sowie Sexualität, führte die Zeitung weiter aus1657 – ebenjene natürlichen Dinge, deren detaillierte Beschreibung durch Remarque nicht nur auf Gegenliebe stieß.1658

1654 Joseph Wood Krutch war Literaturkritiker, Mitherausgeber von The Nation und Professor für dramatische Literatur. Er schrieb Dutzende Bücher (u. a. The Modern Temper) und Biografien. Vgl. Orvis Burmaster : Joseph Wood Krutch, in: Richard Holton Cracroft (Hg.): Twentieth-Century American Western Writers, Detroit 1999, S. 191–199. 1655 Gegründet im Jahr 1865 vom Landschaftsarchitekten Frederick Law Olmsted, der durch die Gestaltung des New Yorker Central Parks Berühmtheit erlangt hatte, war The Nation eine der wichtigsten US-Wochenzeitschriften und galt als Flaggschiff der Linken. Zu den frühen Chefredakteuren zählte Carl Schurz. Wie The New Republic trat das intellektuelle, unabhängige Blatt für soziale Reformen ein. Außenpolitisch stellte sich die in New York sitzende Redaktion gegen den Versailler Vertrag und befürwortete die Aussöhnung mit Deutschland. Redaktionell verantwortlich war von 1918 bis 1933 Oswald Garrison Villard, Sohn des deutschstämmigen Eisenbahnmagnaten und Verlegers Henry Villard. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 3, S. 330–356, sowie Tebbel: The Compact History, S. 188–192. 1656 Joseph Wood Krutch: Glorious War, in: The Nation, New York, Nr. 3340 vom 10. 7. 1929 (65. Jg.), Bd. 129, S. 43. 1657 N.N.: War Experiences of One of the Defeated. 1658 Vgl. zur Debatte, was den Lesern zugemutet werden könne, und der Rolle des Zensors ausführlich Kap. 7.3.2.6.

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Das Ende der Romantik Die Presse war sich einig: All Quiet on the Western Front beendete das Zeitalter der Romantik in der Kriegsdarstellung endgültig. Auf nicht einer Buchseite fänden sich traditionelle Abziehbilder von Fanfarenzügen oder Flaggenaufmärschen, hielt John M. Outler Jr. fest: »There are no bands playing, no flags flying, no bugles blowing in the whole 300 pages.«1659 Und wenn auch manche Episode als Abenteuer gelesen werden könne, komme dies nie klassischen Heldenepen nahe, erläuterte Ernst Feise1660 in seiner positiven Kritik im Fachjournal Books Abroad1661: »There is adventure in this book, but it has nothing to do with glittering military exploits.«1662 Die Beschäftigung mit Remarques Beststeller führte unter Feuilletonisten zu einer umfassenden Diskussion über die Geschichtsschreibung und literarische Verarbeitung des Krieges. Historisch betrachtet sahen sie die neue Gattung des Kriegsbuches, deren herausragendes Beispiel All Quiet on the Western Front war, als signifikanten Einschnitt. Denn jahrhundertelang sei der Jugend ein nobles Bild vom Krieg vorgegaukelt worden, mit dem sich junge Männer in Massen mobilisieren ließen. Von den Rosenkriegen über Napoleon, dem italienischen Risorgimento bis hin zum Amerikanischen Bürgerkrieg sei dieser Mythos immer wieder befeuert worden – auch und vor allem in der Literatur. »In the old days it was so easy to trick youth into uniform, when generation after generation was nourished upon the ancient legend, inspired by the deeds of heroes portrayed by artistry of literary genius«, schrieb der Journalist und Buchautor Frank H. Simonds1663 am 3. August 1929 im Saturday Review of Literature. Noch vor 1659 Vgl. Outler: »All Quiet on the Western Front«. 1660 Ernst Feise war Germanistikprofessor an der Johns Hopkins University in Baltimore und leitete später deren Department of Germanic Languages. 1917 hatte Feise im Zuge des USKriegseintritts seine Anstellung an der University of Wisconsin verloren und sieben Jahre in Mexiko gelehrt, bevor er in die USA zurückkehrte. In den 1930er Jahren war er ein früher Mahner vor den Nazis. Vgl. Friedrich Bertkau und Gerhard Oestreich: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, 7. Ausg., Berlin 1950, S. 452, sowie Johns Hopkins University, Department of German Romance Languages and Literatures: History [online], verfügbar unter : http://grll.jhu.edu/about/history/ [2. 7. 2018]. 1661 Für die zweimonatlich erscheinende Literaturzeitschrift Books Abroad schrieben renommierte Autoren wie Upton Sinclair, H. L. Mencken oder Sinclair Lewis. Das 1927 von Roy Temple House in Norman (Oklahoma) gegründete Blatt genoss ein hohes Renommee in Fachkreisen. Vgl. World Literature Today : History [online], verfügbar unter : https:// www.worldliteraturetoday.org/history [2. 7. 2018]. 1662 Feise: Erich Maria Remarque. 1663 Frank H. Simonds war ein hervorragender Kenner amerikanischer Außenpolitik. Für ein antideutsches Editorial in der New York Tribune über die Versenkung der Lusitania erhielt er 1917 den Pulitzer-Preis. Im selben Jahr veröffentlichte er das Buch History of the World War. Weitere Titel wie How Europe Made Peace without America (1927) oder Can Europe Keep the Peace? (1931) folgten. Vgl. Heinz-Dietrich Fischer (Hg.): The Pulitzer Prize Archive. A History and Anthology of Award-Winning Materials in Journalism, Letters, and

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genau 15 Jahren sei die Jugend unter diesen tradierten Wertvorstellungen an die Front marschiert, darunter auch der bekannteste amerikanische Frontpoet: »›I have a rendezvous with death,‹ Alan Seeger sung, and in tragic unison his contemporaries echoed the same note, the ultimate expression of that interpretation which the literature of a century had given to the fact of war.« Dann aber habe die neuartige Nachkriegsliteratur den romantisierenden Kriegsmythos in wenigen Jahren komplett pulverisiert, führte der Historiker und Journalist aus, der im Ersten Weltkrieg von den Schlachtfeldern, unter anderem in Verdun, berichtet hatte. »From Barbusse to Remarque the tale runs straight. Nothing survives of the legend, of the faith in which the youth of 1914 went to battle«, so Simonds.1664 Der Unterschied zu allen früheren Kriegen sei gewesen, dass im ›Great War‹ erstmals Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten daran teilgenommen hatten, analysierte Elmer Adler in der New York Times richtig. Und unter den Zivilisten in Uniform habe es eben auch jene gegeben, die qua ihrer Bildung das Erlebte aus einer individuellen Perspektive heraus ansprechend artikulieren konnten: »No war previous to 1914–1918 so greatly involved the people of what we like to call the civilized world. None before had brought educated, observant men into every line of service: men trained not only to see clearly but also to write ably, with honesty and courage, of what they saw.«

Die einst so zahlreichen mit Zuckerguss überzogenen Kriegserinnerungen, welche sich an die nächste Generation von Möchtegern-Helden wandten, gehörten mit den realistischen Schilderungen dieser ›Unbekannten Soldaten‹ nun der Vergangenheit an, so Adler.1665 Verantwortung der Wissenschaft Im Kontext der obigen Diskussion kam die Sprache auch auf die Rolle der Wissenschaft. Hervor tat sich hier vor allem Christian Gauss1666, deutschstäm-

Art, Bd. 4: Political Editorial 1916–1988. From War-Related Conflicts to Metropolitan Disputes, München u. a. 1990, S. 3–8. 1664 Frank H. Simonds: The Anniversary, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 2 vom 3. 8. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, S. 26. Vgl. in derselben Ausgabe auch N.N.: In Memoriam, 1914, ebd., S. 17. 1665 Elmer Adler : An Artilleryman’s Account of the War’s Last Phase, in: New York Times, 21. 9. 1930 (80. Jg.), S. BR2. 1666 Christian Gauss wurde 1878 als Sohn eines deutschen Einwanderers in Ann Arbor, Michigan, geboren. Er arbeitete u. a. als Zeitungskorrespondent in Paris, bevor er 1905 einer der jüngsten Lehrkräfte in Princeton wurde, wo er bis zu seiner Pensionierung 1946 wirkte. Zu seinen Literaturstudenten gehörten F. Scott Fitzgerald und John Peale Bishop, deren Prosa Gauss maßgeblich prägte. Vgl. Edmund Wilson: Christian Gauss as a Teacher

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miger Dekan des Princeton College. Das namhafte Scribner’s Magazine1667 druckte im Mai 1930 ein bemerkenswertes Essay von ihm über die zerstörerische Kraft des technischen Fortschritts, die in Form der industrialisierten Kriegsführung am deutlichsten hervortrete. Anknüpfend an seine Vorredner, kritisierte Gauss, dass der Soldat im modernen Krieg nicht mehr sei als Humanmaterial in einer gewaltigen Maschinerie – eine pure Ressource auf dem Rechenbrett, deren Tod oder Überleben vom Zufall abhänge. Tapferkeit, Heldenmut, die Selbstaufopferung für einen höheren Zweck: All dies spiele im technisierten Krieg keine Rolle mehr. Die letzten – moralisch tolerierbaren – Duelle Mann gegen Mann hätten sich die Fliegerasse im Ersten Weltkrieg geliefert, glaubte Gauss. Aber auch deren individuelle Klasse werde im nächsten Krieg der Ressourcen nicht mehr von Belang sein. Genau diese Nichtigkeit des Einzelnen im totalen Krieg und die Ohnmacht des vollkommenen Ausgeliefertseins hätten die Frontliteraten um Remarque eindrücklich beschrieben: »At the front […] men will not die contending with their human antagonists in prowess and daring. They must die at night when no enemy is stirring, in trenches and dugouts, like rats in a trap. This is the lesson, if scientists will but listen, that the artists are trying to teach us. […] Science has dehumanized wars and in making them scientific has from the artist’s and the moralist’s standpoint made all of them ugly and meaningless.«

Nun könnte man argumentieren, dass Kriege schon immer hässlich und inhuman gewesen sind. Aber die Botschaft, die Gauss herüberbringen wollte, war nachvollziehbar : Dass die technisierte Kriegsführung schwerlich noch eine Sinngebung zulasse – zumal die entfesselte Waffengewalt auch die Zahl der zivilen Opfer stetig erhöhe: »A chivalrous soldier of the crude, old-fashioned struggles could distinguish between a civilian woman and an enemy combatant. A poison gas and long-range gun cannot.« So steigere der wissenschaftliche Fortschritt die Vernichtungskraft des menschengeschaffenen Monsters Krieg immer weiter, was die Sicherheit der Existenz jedes einzelnen Erdenbürgers mitnichten vergrößere. Daher forderte Gauss einen verantwortungsvolleren Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Einbettung in humanistische Werte und politische Philosophie. Denn es sei nicht die Wissenschaft selbst, die sündige. Erst in der Hand unverantwortlicher Menschen werde sie zur Gefahr : »Any man’s strength may be as the strength of ten thousand […] of Literature (1952), in: Hiram Haydn and Betsy Saunders (Hg.): The American Scholar Reader, New York 1960, S. 239–256. 1667 1887 als Konkurrenz zu Atlantic Monthly und Harper’s Magazine gestartet, erlebte das Scribner’s Magazine Anfang des 20. Jahrhunderts mit mehr als 200.000 Auflage seine Blütezeit. Für die von Charles Scribner’s Sons herausgegebene Monatsillustrierte schrieben namhafte Autoren wie Ernest Hemingway und John Galsworthy. Nach einem Auflagenschwund wurde das Blatt 1939 eingestellt. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 4, S. 717–732.

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because science which knows not good nor evil has given it to any who may wish to use it.« Gauss nannte einen weiteren Grund, warum er nicht glaubte, dass die Wissenschaft zur Befriedung der Welt beitrage: Sie habe die Produktivität der Wirtschaft derart erhöht, dass das Wachstumsmantra über allem stehe. Die Ausdehnung auf immer neue Absatzmärkte befeuere das Entstehen von Handelskriegen, welche leichterdings mit Waffengewalt fortgeführt würden. »Science does not lessen, it increases [the] competition. That overproduction which it has made possible and the consequent need for markets helped create that tension which resulted in the last war and it may conceivably result in the next«, befürchtete Gauss. Er schloss mit dem frommen Wunsch, die Nutznießer der Wissenschaft wie Industrie und Handel sollten einen Teil ihrer Profite zur Förderung von Kunst, Humanismus, Religion und politischer Philosophie aufwenden. Anders könne ein Kollabieren der Zivilisation in Zeiten des schnellen Wandels nicht verhindert werden. Mit dem heutigen Wissen um die nur drei Jahre entfernte Machtübernahme der Nazis und den darauffolgenden Holocaust als ultimative Steigerung des industrialisierten Tötens wirken Gauss’ Mahnungen prophetisch düster.1668 Berechtigung unterschiedlicher Fronterlebnisse Obschon All Quiet on the Western Front fast durchgehend als das universelle Buch des ›Unbekannten Soldaten‹ anerkannt wurde, wiesen einige Rezensenten darauf hin, dass auch Fronterlebnisse, die sich von denen der Remarqueschen Soldaten unterschieden, ihre Berechtigung hatten. Einsatzort, Dienstzeit sowie der individuelle Charakter der Soldaten hätten deren Erfahrungen entscheidend mitgeprägt, hieß es. Der bekannte Literaturkritiker Herschel Brickell, der 1916 mit der Mexikanischen Expedition einen bewaffneten Konflikt am eigenen Leib erlebt hatte1669, zeigte im Juli 1929 in der New York Herald Tribune einige Reaktionsmuster auf. So habe es Männer gegeben, die den Krieg als abwechslungsreiches Abenteuer sahen, genauso wie solche, die eine Kriegspsychose erlitten: »The individual’s response to the physical and mental stresses of modern warfare, to the smells, the filth, the insects, the noises and the shocking sights, is as varied as the 1668 Christian Gauss: The Threat of Science, in: Scribner’s Magazine, New York, Nr. 5, Mai 1930 (44. Jg.), Bd. 87, S. 467–478. 1669 Herschel Brickell war einer der profiliertesten Literaturkritiker der Vereinigten Staaten. Nachdem er von 1923 bis 1928 bei der New York Evening Post die Kolumne »Books on our table« betreut hatte, arbeitete er danach als Redakteur eines Buchverlags und publizierte nebenbei. 1934 kehrte er zur Evening Post zurück. Brickell war ein herausragender Kenner Lateinamerikas. Vgl. James B. Lloyd (Hg.): Lives of Mississippi Authors, 1817–1967, Jackson, Miss. 1981, S. 53.

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temperamental make-up of human beings. Under the crushing impact of a nightmare of horrors, a large number of soldiers in the World War ›retreated from reality‹ and were carried off to hospitals for the mentally sick […]. Sensitive, but slightly tougher types, managed to carry on […]; others enjoyed the war, either as a release from the problems of ordinary living, or as the opportunity for the sloughing off certain restrictions of civilization; still others […] simply went through hell as calmly as they could, looking upon the journey as a peculiarly dirty job that has to be done […].«1670

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine positive Remarque-Rezeption von George Currie im Brooklyn Daily Eagle. Der in Kanada geborene Journalist hatte im Ersten Weltkrieg als Leutnant bei der US-Infanterie gedient und unter anderem an der Maas-Argonnen-Schlacht teilgenommen.1671 Dennoch konzedierte er in seinem Artikel vom Juni 1929, sein Fronteinsatz sei im Vergleich zu jenem Remarques kaum mehr als ein Spaziergang gewesen: »To us who went to France and came back again, particularly those like myself who got not even a scratch, albeit one did collect a few gray hairs rather ahead of his time, the war was and still is a pretty good little war, after all. But to Erich Maria Remarque it was a ghastly war.«

Jedoch verniedlichte Currie den Krieg keineswegs, da er nicht von seinem Fronterlebnis auf alle anderen schloss. Im Gegenteil: Bis auf wenige Ausnahmen seien die Erfahrungen der Soldaten auf beiden Seiten der Front durchweg schrecklich gewesen: »The war, it seems, was about as horrible on one side as it was on the other.«1672 Die unterschiedlichen Erfahrungen spiegelten sich naturgemäß in der schriftstellerischen Verarbeitung des Krieges wider, nahm sich Herschel Brickell im April 1930 im North American Review erneut des Themas an. Deshalb führten Debatten um die einzige, alleinige Wahrheit in der Kriegsliteratur seiner Meinung nach in die Irre: »It is obvious that no book has told the whole truth about the War, and none ever will. […] The War had as many angles as there were personalities in it.« Obwohl Brickell Remarques Darstellung als Mehrheitserfahrung der im Ersten Weltkrieg kämpfenden Soldaten akzeptierte, konnte er nachvollziehen, dass unversehrt gebliebene Kriegsteilnehmer ihrem – dann

1670 Herschel Brickell: War at the Front, in: New York Herald Tribune, Nr. 30198 vom 21. 7. 1929 (95. Jg.), S. 4 (XI). 1671 George Currie begann seine Karriere 1915 beim Brooklyn Daily Eagle. Unterbrochen vom Kriegseinsatz in Europa, arbeitete er dort bis 1948 als Buchkritiker, Sportreporter und Leiter der Sonntagsausgabe. Bekannt war er vor allem für seine Kolumnen. Vgl. N.N.: George Currie, 58, is Dead, in: Brooklyn Eagle, New York, 9. 1. 1953 (113. Jg.), S. 11. 1672 George Currie: »Im Westen nichts Neues« – A German Soldier Speaks, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 2. 6. 1929 (89. Jg.), S. 15 (The Weekly Book Review).

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meist ruhigen – Frontleben positive Seiten abgewinnen konnten und Bücher wie All Quiet on the Western Front als zu defätistisch ablehnten1673 : »[They] are irritated and horrified by the defeatism that runs through so many war books, by the perfectly frank admission of many survivors that they were very tired and afraid most of the time and that it all seemed a silly and futile business to them as individuals, which indeed it was to most of the individuals concerned.«1674

Einen weiteren interessanten, nämlich nationalen Aspekt brachte Sidney Williams im Philadelphia Inquirer1675 in die Diskussion ein. Er unterstrich, Remarques Buch sei eine edle und akkurate Nacherzählung des Innenlebens des gewöhnlichen Frontsoldaten. Er schränkte aber ein, die Geschichte sei »teutonisch« in ihrem Gefühl. Gemeint war damit der sensible, zur Reflexion neigende Charakter des Protagonisten Paul Bäumer und einiger seiner Kameraden. Dieser auch in manch anderen Rezensionen als »weich« oder »künstlerisch« ausgelegte Wesenszug wurde als typisch deutsch dargestellt, während die »Doughboys« gern als kernige Jungs gesehen wurden, die weder zum Philosophieren neigten noch mit ihrer Situation haderten. Offenbar war es Williams trotz aller Sympathie für Remarques ungeschöntes Kriegsbild wichtig, diese Unterscheidung zu treffen und das Bild vom mannhaften amerikanischen Kämpfer zu bewahren. »Erich Maria Remarque’s soldier is a young German of artistic temperament […]. This is the type that suffers most in the press of military discipline«, hielt er mit Blick auf Bäumer fest und fügte an: »The mental and emotional experience so vividly set forth are not those of the common man.« Trotz dieser Vorbehalte zog der Literaturkritiker des Philadelphia Inquirer ein positives Resümee und relativierte damit seine vorherigen Äußerungen etwas. Wie kein anderes Buch schildere All Quiet on the Western Front, wie der Krieg die Soldaten seelisch verletzt und dieser jungen Generation ihren Lebensfunken genommen habe, so Williams: »The great quality of this story is its poignant voicing of a spiritual injury more lasting than any bodily hurt short of death. […] As an illustration of life in death, youth bereft of its essential spark, it stands alone.«1676 1673 So entging die Mehrheit der »Doughboys« dem zermürbenden Grabenkrieg, Verwundung und Tod. Vgl. Kap. 4.2, S. 94–97. 1674 Herschel Brickell: The Literary Landscape, in: North American Review, Boston, Nr. 4, April 1930 (116. Jg.), Bd. 229, S. 5f. (North American Review Advertiser). 1675 Der bis 1933 zum Curtis-Martin-Zeitungskonzern gehörende Philadelphia Inquirer wurde 1829 gegründet. Mit fast 300.000 Auflage gehörte das Blatt zu den größeren im Land. Die politische Berichterstattung war konservativ, aber ausgewogen. Gegenüber Deutschland zeigte die angesehene Publikation in der Weimarer Zeit eine moderat-freundliche Einstellung. Vgl. Mott: American Journalism, S. 656–658; Müller : Weimar im Blick der USA, S. 283 und 293. 1676 Sidney Williams: Erich Remarque’s Noble Story of the World’s War Common Soldier, in: Philadelphia Inquirer, 1. 6. 1929 (101. Jg.), S. 16.

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Wie an den Artikeln von Brickell, Currie und Williams deutlich geworden ist, konnten Rezensenten Remarques Buch gutheißen und doch manche Elemente hinterfragen. Dies spricht für ein großes Differenzierungsvermögen und unterstreicht, dass die amerikanische Debatte nicht annähernd so ideologisch aufgeladen war wie die deutsche. Fast alle US-Kommentatoren schrieben ohne politische Scheuklappen, und keiner hatte Interesse, einen Erinnerungskampf um das eine ›wahre‹ Fronterlebnis vom Zaun zu brechen. Kritik am Remarqueschen Defätismus Bei weit überwiegender Zustimmung zu All Quiet on the Western Front gab es auch im Rahmen der amerikanischen Rezeption vereinzelte Kritik. Diese lässt sich an wenigen Fingern abzählen, aber gerade deshalb soll ihr im Folgenden gebührend Raum gewidmet werden. Festzuhalten ist hierbei, dass es stets Einzelstimmen waren, die sich gegen Remarques Buch wandten. Nie trug die Debatte kampagnenhafte Züge. Entsprechend zeigt sich unter den mehr als 400 in dieser Arbeit untersuchten amerikanischen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln keine Ballung negativer Rezensionen in einem bestimmten Titel oder Verlag. Vielmehr illustriert die sehr verstreut auftretende Kritik die Pluralität der USPresse. Selbst innerhalb eines Blattes waren divergierende Meinungen an der Tagesordnung. Wenn an dem Roman etwas zu bemängeln war, dann betraf dies meist die wenig erbauliche Tonalität von All Quiet on the Western Front. Anders als in Deutschland trat Kritik am vermeintlichen Defätismus des Schriftstellers aber nie in einem aggressiv-nationalistischen oder religiös-moralisierenden Gewand auf, sondern entsprang einer schlicht konservativen und traditionellen Denkweise. Der britische Generalmajor Sir Ernest Swinton etwa bewertete das Buch im September 1929 in der Chicago Daily Tribune – der insgesamt vierten Rezension in der Zeitung – aus der klassischen Sicht eines hochrangigen Militärs. Zwar fand er, der Roman sei eine einzige schreckliche Anklage gegen den Krieg und die geschilderte Desillusionierung der jungen Generation sei nur allzu wahr. Er habe aber den Eindruck, so Swinton, dass Remarque die dunklen Seiten des Krieges, das Brutale, das Abstoßende, besonders betone. Das trage nicht zu einer höheren Authentizität bei, sondern nur zum Schockieren des arglosen Lesers: »[The] accentuation of details which normally disgust does not give realism. Even in order to show up ultra clearly the brutalising influence of war on those taking part in it and the speedy deterioration of their standards it is unnecessary, though it may attract attention by the shock given to the unsuspecting reader.«

Positiv schätzte Swinton indes ein, dass das Buch das inhumane preußische Militärsystem demaskierte, welches offenbar nicht mit den Werten der USArmee in Einklang zu bringen war. Auf der anderen Seite werde Remarques

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Erzählung durch die Abwesenheit eines höheren Frontgeistes geschmälert. Der deutsche Autor erkläre nicht, was die Soldaten so lange habe durchhalten lassen, bedauerte der Rezensent: »Yet there is no reference to the spiritual force of influence which did keep the men in the hell going to the end. On the whole, it is a blot on a moving work of great literary merit that it contains no recognition of the something higher which made many millions of men face the horrors so well described, and risk and give their lives, whether it was for the ideal of patriotism or merely a conception of duty.«

Als Fazit seiner letztlich noch leicht positiven Buchkritik hielt Swinton fest, dass der Krieg neben seiner schrecklichen, bestialischen Seite auch höhere Werte im Menschen hervorbringe: »War, in spite of its squalid, dreadful side, which brings out all that is bestial in human nature, does prove that man can rise to a height little below the angels.«1677 Noch deutlich distanzierter als Swinton betrachtete Frederic F. Van de Water1678 in der New York Evening Post1679 das Buch Remarques. Er bezeichnete den Schriftsteller als herausragendes »Mitglied der Literaturschule des Katzenjammers«, welche in Remarques Heimatland besonders en vogue sei. Einst mit heroischen Erinnerungen an siegreiche Schlachten des 19. Jahrhunderts und somit falschen Illusionen von Romantik ins Feld gezogen, habe die junge deutsche Kriegsgeneration die Realität nicht verkraftet und versinke nun in Weltschmerz. Die angelsächsische Literatur hebe sich wohltuend davon ab. Sie habe den Krieg nie glorifiziert und schildere ihn als grausames, aber zuweilen notwendiges Mittel: »German books about the war which we have encountered are filled with katzenjammering. English and American volumes born of the conflict are not. This is true, we think, to the fact that the Anglo-Saxon has regarded war, for at least the last half century, as a bloody, hideous business, perhaps unavoidable but most extremely unpleasant. Germans, on the other hand, with memories of Sadowa and Sedan, believed not only in 1677 Maj. Gen. Sir Ernest Swinton: Allied General Gives View of Remarque Book, in: Chicago Daily Tribune, 14. 9. 1929 (83. Jg.), S. 12. 1678 Der Autor und Buchkritiker Frederic Franklyn Van de Water startete seine Karriere bei Hearsts New York American, bevor er über die New York Tribune und das Ladies’ Home Journal zur New York Evening Post wechselte. Er schrieb später auch für Scribner’s, Harper’s und die Saturday Evening Post. Vgl. Who Was Who Among North American Authors 1921–1939, Bd. 2: K-Z, Detroit 1976 (Gale Composite Biographical Dictionary Series, Nr. 1), S. 1444. 1679 Als eine der ältesten durchgängig erscheinenden US-Tageszeitungen (seit 1801) unterstützte die New York Evening Post bis zur Übernahme 1924 durch den konservativen Verleger Cyrus H. K. Curtis demokratische Positionen. Der liberale Kurs wurde gestoppt, die Auflage sank gen 100.000, weitere Besitzerwechsel folgten. Zur Redaktion gehörte auch der bekannte Deutschland-Reporter H. R. Knickerbocker. Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 124ff.

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the righteousness but in the glory and splendor of battle. Their post-bellum writings ring with disillusion and lamentations.«1680

Der deutsche Katzenjammerer mache – anders als der Satiriker oder Pessimist – die Dinge bewusst schlechter als sie sind, führte Van de Water weiter aus. Remarque gebe hier das beste Beispiel ab1681: »There is fierce, personal resentment in ›All Quiet on the Western Front,‹ an eagerness to stress all the ghastly and loathsome aspects of war«, kritisierte der Rezensent. Angesichts von so viel Weinerlichkeit wunderte er sich, wie die Soldaten das Frontleben vier Jahre lang ertragen konnten, wenn es nicht Momente der Fröhlichkeit und des Glücks gegeben habe. Deshalb negierte Van de Water die Mehrheitsmeinung, dass Remarque den modernen Krieg wahrhaftig beschreibe: »›All Quiet on the Western Front‹ is in its way magnificent, but it is not war. […] If war were as hideous as that, there would not be any«, offenbarte der Autor, der den Krieg selbst nicht miterlebt hatte, seine Weltsicht. Van de Water vertrat eindeutig eine Einzelmeinung, auch was die grundsätzliche Unterscheidung zwischen deutscher und angelsächsischer Literatur betrifft. Britische und amerikanische Autoren romantisierten den Krieg vor 1914 bzw. 1917 genauso wie deutsche Literaten und waren anschließend ebenso desillusioniert. Davon abgesehen beschrieb Remarque durchaus wenige Momente des Glücks, insbesondere im Kreis der Kameraden. Allerdings fiel in der US-Ausgabe mit der Latrinenszene eine entscheidende Episode der Zensur zum Opfer, die genau solche Augenblicke beinhaltet, wie sie Van de Water vermisst hatte.1682 Suche nach Sinngebung Die zwei exemplarisch zu Wort gekommenen kritischen Stimmen zu Remarques Bestseller verdeutlichen, dass Sinnsuche und Sinngebung in der amerikanischen Debatte über den ›Great War‹ zumindest ein Randthema waren. An der weit überwiegenden Meinung, die besagte, der Krieg an sich sei rein destruktiv, änderte das freilich nichts. Es gab jedoch einige Rezensenten, die angesichts der physischen und psychischen Zerstörung der jungen Männer auf dem Schlachtfeld nach 1680 Frederic F. Van de Water : War, It Seems, Has Gay Moments, in: New York Evening Post, 8. 6. 1929 (129. Jg.), S. 4S. 1681 Auch Ludwig Renns War rief bei Van de Water nicht mehr Begeisterung hervor. Das Buch sei zwar nicht so »shrilly terrible« wie All Quiet on the Western Front, aber es zeichne ebenfalls kein repräsentatives Kriegsbild und sei dazu literarisch stümperhaft: »[…] All it is to us is a clumsy, occasionally powerful, frequently stupid volume.« Vgl. Frederic F. Van de Water : Probably One of Our Bad Days, in: New York Evening Post, 20. 7. 1929 (129. Jg.), S. 6M. 1682 Van de Water : War, It Seems, Has Gay Moments. Siehe zur Zensur des Buches Kap. 5.1, S. 120–122, sowie Kap. 7.3.2.6.

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einem höheren Sinn suchten und im Meer der Desillusion positive Aspekte des Fronterlebnisses betonen wollten. Dazu gehörten die heldenhafte Pflichterfüllung der Soldaten, ihre persönliche Reifung durch das Erlebte sowie die besondere Qualität der Frontkameradschaft. Solche Motive wurden auch an All Quiet on the Western Front diskutiert. Den Heroismus betreffend, wurde das Fehlen von nationalistischer Mythenbildung in Remarques Buch sehr begrüßt. Wenn die Soldaten Helden seien, dann allein aufgrund ihres Durchhaltevermögens, ihres Muts und ihrer Tapferkeit, hieß es. Sie hätten selbstlos ihre Pflicht erfüllt, ohne besondere Kampfeslust an den Tag gelegt zu haben. Dabei seien die jungen Männer an ihrem Fronterlebnis gewachsen und – im Falle des Überlebens – persönlich gereift aus dem Krieg hervorgegangen, lautete die weiterführende Argumentation von H. L. Mencken1683, einem der prominentesten Journalisten und Literaturkritikern des Landes. All Quiet on the Western Front sei daher mehr als ein Traktat gegen den Krieg, das die Zerstörung einer ganzen Generation beschreibe, stellte Mencken im von ihm mitgegründeten Monatsmagazin American Mercury fest: »[It] is rather a gorgeous and epical paean to the indomitable spirit of youth – an overwhelmingly eloquent celebration of the high courage and resolution that make war possible, and are evoked to the same extent by no other demand upon Homo s apiens . The German boy of this story wonders what it is all about, but he is no less heroic for wondering. There is in him and his comrades a fortitude that shows in the end an almost majestic character ; they cease to be youngsters wallowing in the mud and become personages out of a tragedy in the grand manner.«

Selbst der Tod der jungen Männer, für den sie den Heldenstatus verdient hätten, sei kein Argument gegen den Krieg an sich, erläuterte Mencken: »It is surely no discredit to the human race that it can produce such men, and it is surely no argument against war that they die in vain. All heroes, at bottom, die in vain, whether in war or in peace. The rewards of life go to those prudent enough to live on.«1684 1683 Henry Louis Mencken galt zu seiner Zeit als einer der herausragenden, aber auch umstrittensten Publizisten in den Vereinigten Staaten. 1924 hatte er gemeinsam mit George Jean Nathan in New York den American Mercury gegründet, die vielen Intellektuellen eine Plattform bot. Die Monatszeitschrift (Auflage: 62.000) war elitär, skeptizistisch, kontrovers und ordnete sich politisch weder links noch rechts ein. Mencken war häufig auch in anderen Publikationen als Gastautor aktiv und vertrat dort seine dezidiert nonkonforme Weltanschauung, die sozialdarwinistische Elemente enthielt und die Demokratie belächelte, ohne aber ein totalitäres System zu befürworten. Als deutschstämmiger Amerikaner hatte Mencken sich 1917 klar gegen den Kriegseintritt der USA positioniert und hielt an seiner isolationistischen Linie auch im Zweiten Weltkrieg fest. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 5, S. 3–26. 1684 H. L. Mencken: Im Westen nichts Neues, in: American Mercury, New York, Nr. 68, August 1929 (6. Jg.), Bd. 17, S. 510.

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Der Autor offenbarte damit latent sozialdarwinistische Ansichten, die allerdings nicht mit ähnlich lautenden Positionen des Soldatischen Nationalismus zu verwechseln sind. Während Mencken mit seiner Anschauung zu Selbstbewährung und Charakterbildung an der Front ziemlich allein auf weiter Flur stand, konnten sich viele Rezensenten mit dem von Remarque skizzierten Kameradschaftssinn der Soldaten als eines der wenigen positiven Elemente des modernen Kriegserlebnisses anfreunden. Verstanden wurde die Kameradschaft dabei im Sinne einer menschlichen Schicksalsgemeinschaft, die sich im Überlebenskampf bewährt, indem sich die Männer praktisch, körperlich und seelisch unterstützen. »Men cannot endure the horrors of killing other men alone: they share together the horrors and the suffering. The army phrase, ›He’s my buddy,‹ takes on a kind of transcendental meaning«, konstatierte Leon Whipple1685 im reformorientieren New Yorker Gesellschaftsmagazin The Survey1686. Ob nun als Leidensgenosse, Trinkkumpan oder Überbringer der letzten Worte – jeder Soldat brauche seine Kameraden um sich herum. Familie und Freunde weit weg und die tradierten Werte in Auflösung begriffen, sei die soldatische Gemeinschaft die einzig gebliebene Stütze an der Front, so Whipple.1687 »Something human they must cling to«, versetzte sich auch The New Republic in die Lage von Paul Bäumer und seinen Kameraden hinein. »They cling to their friends – not literally, and not even in words: when their friends are killed, there is nothing to be said. But what keeps them going in man’s machine-made hell is the bodily presence of the friends around them.«1688 Ganz ähnlich beschrieb Margaret Wallace im Bookman das Geschenk der Kameradschaft. Sie betonte aber zugleich den Schmerz, den jeder Tod eines Kameraden der Seele der Überlebenden zugefügt habe: »The war gave only one good gift to these men, and that was the gift of comradeship – a treacherous gift, to be sure, since […] a comrade’s death was to each man a little death 1685 Leon Whipple war Professor für Journalismus an der New York University und verantwortete die »Letters and Life«-Sektion im Survey. In seiner langen Karriere arbeitete der Journalist u. a. auch für die St. Louis Republic und die Washington Times. Bekanntheit verschaffte ihm ferner das Buch Our Ancient Liberties: The Story of the Origin and Meaning of Civil and Religious Liberty in the United States (1927). Vgl. N.N.: Leon R. Whipple, Ex-Journalist, 82, in: New York Times, 3. 10. 1964, S. 29. 1686 Die Wurzeln des zweimal im Monat erhältlichen reformorientierten Magazins The Survey (Auflage: 25.500) lagen in der New York Charity Organization Society. Industrielle Reformen, Einwanderung, Armutsfragen, Arbeiterrechte oder Kindergesundheit wurden kritisch thematisiert. Wie The Nation und The New Republic stieß das Qualitätsblatt auf Sympathien in der progressiven Bewegung. Im Ersten Weltkrieg hatte sich The Survey pazifistisch gezeigt, den US-Kriegseintritt dennoch unterstützt. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 4, S. 741–750. 1687 Whipple: Outlaw, S. 575. Vgl. auch N.N.: Lost Generation Shown Among Horrors of War : »The one saving thing is comradeship«, hielt der San Francisco Chronicle fest. 1688 Matthews: Bad News.

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of himself. Nevertheless, these men found as they crouched together in danger an intimacy which transcended the need of speech.«1689

Wie aus den Ausführungen deutlich hervorgeht, wurde Kameradschaft in der amerikanischen Rezeption allein unter dem Aspekt der humanistischen Nächstenliebe betrachtet. In Deutschland dagegen werteten die Rechtskräfte die ›Frontgemeinschaft‹ ideologisch auf und machten sie zum Ursprung der propagierten ›Volksgemeinschaft‹. Weil Remarques Buch dieser Ideengebung – wie so vielen anderen – so gar nicht entsprechen wollte, wurde es zur Zielscheibe von Nationalisten und der NS-Bewegung. Komplett konträr wurde die Debatte in den USA geführt: Jegliche Politisierung des Fronterlebnisses im ›Great War‹ blieb aus, wie der Umgang mit All Quiet on the Western Front beispielhaft zeigt. 7.3.2.3. Die pazifistische Wirkung des Wortes: Zwischen Hoffnung und Skepsis Eine der meistdiskutierten Fragestellungen bei der Auseinandersetzung mit All Quiet on the Western Front war die der pazifistischen Wirkung des Romans und vergleichbarer Antikriegsliteratur. Nachdem die neuartigen Kriegsbücher das ›wahre‹, gänzlich unromantische und inhumane Fronterlebnis offenbart hatten, sprach aus der Mehrheit der amerikanischen Presseartikel eine große Hoffnung auf eine Verfestigung des Friedens. »They are more effective propaganda for peace than a thousand tracts or arguments«, war sich etwa der namhafte Saturday Review of Literature sicher.1690 All Quiet on the Western Front stand als populärstes Kriegsbuch der Zeit dabei im Mittelpunkt und wurde als »stärkste Anklageschrift gegen den sinnlosen Frevel des Krieges« betrachtet, die je verfasst wurde, wie Daniel Rose im August 1929 im New Yorker Monatsmagazin Forum formulierte.1691 Es lehre die Welt, Buße zu tun und einen neuerlichen Krieg zu verhüten: »[It] is the most powerful indictment of the wasteful wickedness of war that has yet been written. Those who read it must remember it, and it will do much to teach the world repentance.«1692 Insofern sei All Quiet on the Western Front für alle Chauvinisten der 1689 Wallace: All Quiet on the Western, S. 552f. 1690 N.N.: In Memoriam. 1691 Das vom deutschstämmigen Industriellen Isaac Leopold Rice 1886 gegründete New Yorker Monatsmagazin Forum (Auflage: 92.000) war ein Meinungsmarktplatz für Politik, Religion, Wissenschaft, Philosophie, Literatur und Kunst. Es zeichnete sich durch seine Neutralität aus, war aber reformorientiert. Prominente wie Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson oder John Dewey schrieben regelmäßig Gastbeiträge. 1930 übernahm das Forum das renommierte Century Magazine und hieß fortan Forum and Century. Nach weiteren Fusionen und Eigentümerwechseln wurde das Oberschichtenblatt 1950 eingestellt. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 4, S. 511–523. 1692 Donald F. Rose: August Reading. The Lost Generation, in: Forum, New York, Nr. 2, August 1929 (44. Jg.), Bd. 82, S. VI.

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perfekte Katechismus, um sie von ihrem Irrglauben der Kriegsverherrlichung abzubringen, fügte das zweimonatlich erscheinende Journal of Sociology and Social Research an.1693 Dutzende, auf einen dauerhaften Frieden hoffende Rezensenten dankten sowohl dem Autor als auch dem Verlag für ihren Mut, All Quiet on the Western Front veröffentlicht zu haben.1694 Es könne nicht anders sein, glaubten sie, als dass Remarques Erzählung eine tiefe Abneigung gegen den Krieg hervorrufe. »[…] That document […] will probably do more to rid the world of war than anything else we know to have happened in the last 10 years«, freute sich etwa Jennie Franklin Purvin in der jüdischen Wochenzeitung The Sentinel über das Erfolgsbuch aus Deutschland. Remarque habe die Brutalität des Krieges derart schonungslos präsentiert, dass er das Herz, die Seele und den Bauch jedes Lesers berühre – und diese Wirkung müsse einfach von Dauer sein, erwartete die Rezensentin: »For what man can read ›All Quiet on the Western Front‹ and still admit that he will ever be willing to bear arms again – draft or no draft? What woman can scan these pages without making the firm resolve never to allow a son of hers to endure the frightful hardships they picture?«1695

An mangelndem Wissen um die Kriegsschrecken jedenfalls werde es nicht liegen, falls die Menschheit zukünftig erneut die Waffen sprechen lasse, waren sich die Rezensenten einig. Das Grauen an den Fronten des Ersten Weltkriegs hätten Remarque und Co. ausführlich genug geschildert, machte der renommierte Literaturkritiker des North American Review1696 Herschel Brickell stellvertretend 1693 M. J. V.: Social Fiction and Drama Notes. All Quiet on the Western Front, in: Journal of Sociology and Social Research, Los Angeles, Nr. 1, September/Oktober 1929 (14. Jg.), Bd. 14, S. 98. 1694 Vgl. u. a. Charles B. Driscoll: The World And All, in: Winona Republican-Herald, 24. 10. 1929 (75. Jg.), S. 18, sowie Thomas F. Ford: Grim War Picture Painted, in: Los Angeles Times, Nr. 14 vom 7. 7. 1929 (49. Jg.), S. 26 (Part III). 1695 Purvin: AVery Modern Uncle Tom’s Cabin, S. 7. Wer nach der Lektüre noch für den Krieg eintrete, könne einfach kein Mensch sein, folgerte auch die Studentenzeitung des North Texas State Teachers College aus Denton, Campus Chat: »If you can read the book and still be in favor of the absolutely merciless and wholesale slaughter of your fellow man, you are not human.« N.N.: War, in: Campus Chat, Denton, Nr. 39 vom 10. 8. 1929 (14. Jg.), Bd. 13, S. 2. 1696 Der North American Review wurde 1815 als erste Literaturzeitschrift der USA in Boston gegründet. Mit Wurzeln an der Universität von Harvard, war das später nach New York umgesiedelte elitäre Ostküstenmagazin in seinen Anfängen recht konservativ, zeigte sich später aber als intellektuelles Forum für Meinungen aller Art mit meist neutraler eigener Positionierung. Das Blatt unterstützte die Präsidentschaft Woodrow Wilsons zunächst vehement, doch im Ersten Weltkrieg war Wilson dem North American Review zu zögerlich und friedfertig gegenüber Deutschland. So lehnte die Zeitschrift die »Fourteen Points« des Präsidenten zur europäischen Nachkriegsordnung inklusive der Pläne für den Völkerbund ab. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 2, S. 219f. und 250–260.

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klar. Im Dezember 1929 schrieb er in seiner Kolumne »The Literary Landscape« im Rückblick auf das zu Ende gehende ereignisreiche Buchjahr : »The Landscapers wonders if there has ever been a war so thoroughly exposed as the last one; one may say that what happened in France on both sides is now quite well known to every person who can read […]. And if we get ourselves into another War or let the world get into one, it will not be for lack of information about the last one.«1697

Wissen, freilich, ist das eine, Wirkung das andere. Aus heutiger Perspektive weiß man, dass die »Kraft des Stiftes gegenüber dem Schwert«, so eine seinerzeit oftmals bemühte Allegorie, begrenzt ist. Ende der 1920er Jahre indes war der Optimismus bezüglich der pazifistischen Wirkung von Antikriegsliteratur noch sehr groß – vor allem in den kriegsablehnenden USA. Massenverbreitung und Aufklärung der Jugend Viele Rezensenten äußerten nach der eigenen Lektüre den Wunsch, dass All Quiet on the Western Front reißenden Absatz finden werde. »I should like to see it sell a million copies«, schrieb Christopher Morley in seiner überschwänglichen Buchbesprechung von Ende April 1929.1698 Es sei absolut wünschenswert, wenn ein unbeschönigender Bericht von der Front wie jener Remarques auf große Resonanz stoße, fand auch Margaret H. Irish. Elf Jahre nach Kriegsende würden noch immer zu viele Menschen den Krieg glorifizieren oder verharmlosen – gerade solche, die das Grauen nicht selbst erlebt hatten. Daher befürwortete sie All Quiet on the Western Front als Fanal gegen den Krieg ausnahmslos: »One hopes that it will eventually be read and discussed by millions of people. It is probable that those millions will think more soberly and more humanely than before about all war, but especially about modern war«, so Irish im Juli 1929 in The Living Age.1699 Diese Hoffnung wurde im Übrigen auch außerhalb der USA, etwa in England, vielfach geteilt.1700 Mit den weltweit steigenden Auflagenzahlen wuchs auch bei immer mehr Rezensenten der Optimismus, dass Remarques Schilderung vom Krieg tat1697 Herschel Brickell: The Literary Landscape, in: North American Review, Boston, Nr. 6, Dezember 1929 (115. Jg.), Bd. 228, S. 4 (North American Review Advertiser). 1698 Morley : The Bowling Green (20. 4. 1929). 1699 Irish: Views and Reviews, S. 392. 1700 Beispielsweise berichtete der englische Literaturkritiker Frank Swinnerton in der Chicago Daily Tribune von einem prominenten Landsmann, der den Krieg an der Westfront mitgemacht hatte, und – wäre er Millionär – für alle jungen Männer ein Exemplar von All Quiet on the Western Front kaufen würde, um ihnen die Augen über das Verbrechen des Krieges zu öffnen. Auch viele englische Zeitungen schrieben, der Roman aus Deutschland solle mit seinem völkerversöhnenden Gedanken des Pazifismus die ganze Welt erobern. Auf der britischen Insel stieß Remarques Buch insgesamt auf eine außerordentlich positive Resonanz und erzielte sehr gute Verkaufszahlen. Vgl. Frank Swinnerton: Britain Awaits Best of Novels on World War, in: Chicago Daily Tribune, 8. 6. 1929 (83. Jg.), S. 8.

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sächlich eine friedensstiftende Breitenwirkung entfalten werde: »›All Quiet,‹ which acts forth the case for pacifism better than any other book of the century, is moving forward powerfully and relentlessly«, hieß es im Dezember 1929 im DeKalb Daily Chronicle. Selbst wer nicht mit dem Inhalt einverstanden sei, müsse einräumen, dass die Romanveröffentlichung ein zentrales Ereignis im ausgehenden Jahrzehnt darstelle.1701 Als entscheidend für die weitere Ausbreitung des Pazifismus wurde die Aufklärung der Jugend gesehen. Immerhin sei die Nachkriegsgeneration durch die Lektüre der neuen Art von Frontliteratur die erste, die nach Jahrhunderten euphemistischer Kriegsschreibung das wahre Gesicht des Krieges kennengelernt habe, befand Frank H. Simonds im August 1929 im Saturday Review of Literature. Werde es genauso einfach sein, Jahrgänge, die mit Remarque und Barbusse aufgewachsen seien, für den Krieg zwangszuverpflichten? Das könne bezweifelt werden, meinte Simonds, was er als die ermutigendste Feststellung zum 15. Jahrestag des Kriegsbeginns bezeichnete.1702 Die Hoffnung auf eine international orientierte Generation, die eine Wiederholung des Weltkriegs unmöglich machen werde, teilten viele Debattenteilnehmer, darunter auch John Dos Passos. Im Dezember 1929 konstatierte der pazifistische Schriftsteller in der marxistischen Zeitschrift New Masses1703, dass die Bereitschaft, sich für einen Krieg einspannen zu lassen, unter den jüngeren Menschen dank der Literatur von Schriftstellerkollegen wie Hemingway und Remarque schrumpfe: »[If] they read things like A Farewell to Arms and All Quiet on the Western Front, they are certainly getting the dope straight and it’s hard to see how the militarist could profit much«, so Dos Passos.1704 In der Tat war Remarques Buch bei jüngeren Menschen sehr beliebt. In Umfragen an Universitäten zur besten Literatur der Jahre 1929/30 belegte All Quiet on the Western Front regelmäßig Spitzenplätze.1705 Dabei lasen die Studierenden den 1701 Bruce Catton: The Power of a Book, u. a. in: DeKalb Daily Chronicle, 11. 12. 1929 (40. Jg.) S. 4. 1702 Simonds: The Anniversary. 1703 Das 1926 gegründete Monatsmagazin New Masses war mit der Communist Party assoziiert und vertrat dezidiert marxistische Positionen. Es hatte großen Einfluss in intellektuellen Zirkeln, auch dank Autoren wie Theodore Dreiser, Ernest Hemingway oder Upton Sinclair. Einer der führenden Köpfe der Zeitschrift, die während der Großen Depression einen starken Aufschwung erlebte, war der Schriftsteller Mike Gold. Vgl. Barbara Foley : Radical Presentations. Politics and Form in U.S. Proletarian Fiction, 1929–1941, Durham, NC 1993, insb. S. 44–85. 1704 Dabei war Dos Passos weit entfernt davon, das häufig von deutschen Kommunisten verwendete Totschlagargument gegen Remarque aufzubringen, dass dieser nicht die kapitalistischen und chauvinistischen Wurzeln des Krieges enthülle. John Dos Passos: Books – A Farewell to Arms, in: New Masses, New York, Nr. 7, Dezember 1929 (4. Jg.), Bd. 5, S. 16. 1705 Vgl. u. a. N.N.: Seniors at Rutgers Rank Studies First, in: New York Times, 19. 5. 1930 (80. Jg.), S. 27; N.N.: Studies Put First in Princeton Vote, in: New York Times, 21. 5. 1930

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Roman des deutschen Autors gemeinhin als »beeindruckenden Friedensappell«, wie beispielsweise die College-Zeitung Rollins Sandspur aus Florida berichtete.1706 »The lesson of this story is that war must forever be done away with, and that opinion is shared by many«, unterstrich ein Student der Chatham School in der gleichnamigen Stadt aus Massachussetts in seiner persönlichen Rezension von All Quiet on the Western Front.1707 In die gleiche Richtung argumentierte die Studentin Leora Williams in der Hochschulzeitung Dickinson Union aus Williamsport in Pennsylvania: »Remarque speaks the absolute truth concerning the experiences of that time, and with almost shocking frankness has portrayed the life of the common soldier. […] It is indeed a gripping tale; one which also should strengthen this rising generation against the destructive ruling of Mars.«1708

Gerade vor dem Hintergrund sich anbahnender neuer Konflikte war jüngeren Semestern die eigene Verantwortung für Krieg oder Frieden bewusst. So mahnte die texanische Studentenzeitschrift Campus Chat in Anbetracht des damaligen Weltgeschehens zur Wachsamkeit: »Many concerted efforts are being made at the present time to outlaw war, to do away with it as an instrument of adjustment of difficulties between nations. […] The impending conflict between Russia and China has brought to our minds again the realization that war is not impossible. Until it is impossible, we of the younger generation have not done our duty to ourselves and to our world.«1709

Aus der Diskussion über die pazifistische Wirkkraft von Remarques Erfolgsroman spricht eine starke Friedenssehnsucht, die sich durch weite Teile der amerikanischen Gesellschaft zog. Die Zuversicht, dass sich die internationale Verständigung ihren Weg bahnen werde, war bis in den Herbst 1929 hinein groß. Doch im Verlauf des Jahres 1930 sollte die Skepsis auf breiter Front wachsen, wie die Debatte zum ›Filmkrieg‹ um All Quiet on the Western Front illustriert.1710 Friedensstimmung – Friedensstifter Remarque Zunächst jedoch herrschte sehr viel Optimismus vor. Der Briand-Kellogg-Pakt und die Haager Regierungskonferenzen zum Young-Plan in den Jahren 1928/29 gaben den Amerikanern berechtigten Anlass zur Hoffnung auf eine friedlichere

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(80. Jg.), S. 24, sowie N.N.: Girl Students Like War Stories Best, in: New York Times, 25. 5. 1930 (80. Jg.), S. 35. N.N.: Local Literati Enjoy Evening of Readings, in: Rollins Sandspur, Winter Park, Nr. 13 vom 24. 1. 1930 (37. Jg.), Bd. 32, S. 1. Sumner Bassett: »All Quiet on the Western Front«, in: Chatham Monitor, Nr. 16 vom 5. 12. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, S. 3 (The Caldron). Leora Williams: Book Reviews. N.N.: War. Vgl. dazu ausführlich Kap. 7.3.4.2.

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Zukunft. »We are thinking of those bitter years. Yet we celebrated this day with a renewed hope: this has been a great year of progress in the realization of world peace«, zitierte etwa die Lokalzeitung Tribune-Press aus der Kleinstadt Gouverneur im Bundesstaat New York einen Pastor am Armistice Day 1929. Die verschiedenen völkerrechtlichen Verträge seien große Schritte in Richtung einer dauerhaften Etablierung des Friedens. Aber es müsse immer wieder vor den Schrecken des Krieges gewarnt werden, mahnte der Geistliche. Daher seien Gedenktage wie der 11. November und ›wahre‹ Frontschilderungen wie jene von Remarque so wichtig, weshalb Reverend Hutchinson in seinem Gottesdienst aus ihr las.1711 Das zeigt, wie gut All Quiet on the Western Front in die Zeit passte und wie sehr das Buch von allen Friedensbefürwortern vereinnahmt wurde. Remarque, seines Zeichens erklärter – wenn auch unpolitischer – Pazifist, war ebenfalls vorsichtig optimistisch: Im Gespräch mit Cyrus Brooks in der New York Times sagte er im Oktober 1929, das einzig positive Ergebnis des Ersten Weltkriegs sei eine deutliche Stärkung des Friedenswillens rund um den Globus.1712 Und gegenüber Eric Keyser, Berliner Korrespondent der Nachrichtenagentur UP, hatte Remarque bereits wenige Wochen zuvor betont, dass der stetige Fortschritt der Friedensdiplomatie ihm Mut mache: »It is true that, viewed with the eyes of my generation, slow progress seems to have been made through the Kellogg anti war pact, The Hague and other instruments. […] Ten years comprise a very infinitesimal period in the world’s history and the strides made are indicated by the fact that the representatives of nations, which, ten years ago, were the bitterest enemies, now are meeting around a table, trying jointly not only to liquidate the war, but to secure future peace.«1713

Die massenhafte Lektüre seines Buches und die Bekanntheit seiner Person rückten Remarque selbst als vermeintlichen Friedensstifter in den Mittelpunkt. So galt er als ernsthafter Kandidat für den Nobelpreis – in der Kategorie Literatur sowie auf dem Gebiet der Friedensbemühungen. Der ehemalige britische General Sir Ian Hamilton hatte sogar gefordert, der Friedensnobelpreis solle die kommenden zehn Jahre an Remarque gehen. Auch in sozialdemokratischen schwedischen Kreisen wurde der deutsche Schriftsteller als würdiger Träger des Preises gesehen.1714 Die amerikanische Presse berichtete im Sommer 1929 ausführlich über den Sachverhalt und erwartete förmlich eine Auszeichnung für den 1711 N.N.: Pastor Reviews Story of the War, in: Tribune-Press, Gouverneur, Nr. 13 vom 13. 11. 1929 (44. Jg.), Bd. 43, S. 1. 1712 Brooks: Herr Remarque Shuns Literary Honors. 1713 Keyser : Sustained Peace Is Cry of World. 1714 Vgl. N.N.: Asks Nobel Peace Award for Erich Maria Remarque, in: Chicago Daily Tribune, 29. 6. 1929 (83. Jg.), S. 9, sowie N.N.: Books and Authors, in: New York Times, 30. 6. 1929 (79. Jg.), S. BR7.

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Verfasser von All Quiet on the Western Front.1715 Als die Wahl in der Kategorie Literatur dann auf seinen Landsmann Thomas Mann fiel – Remarque war gar nicht offiziell nominiert worden –, reagierten einige Kommentatoren enttäuscht. Ihre Hoffnungen richteten sich auf den später verliehenen Friedensnobelpreis, den Remarque trotz des starken Friedensappells seines Buches (»great plea for peace«) allerdings auch nicht erhalten sollte, weil er ebenfalls nicht förmlich vorgeschlagen worden war.1716 Dieser ging stattdessen an den früheren US-Außenminister Frank B. Kellogg für den nach ihm und seinem französischen Counterpart Aristide Briand benannten Briand-Kellogg-Pakt. Erst 1931 war Remarque für beide Auszeichnungen nominiert. Er erhielt aber weder den Literatur- noch den Friedensnobelpreis.1717 Der Einfluss von Kunst und deren Grenzen In die Euphorie über die erhoffte pazifistische Wirkung von Antikriegsliteratur mischte sich zuweilen auch Skepsis. Dabei ging es vor allem um den Einfluss von Kunst und deren Grenzen. Diskutiert wurden in diesem Zusammenhang die Psychologie der Spezies Mensch, ihre inhärente Gewalttätigkeit und damit verbunden die Frage, warum sie trotz Wissen und Aufklärung immer wieder gegen die eigene Ratio handele und zu den Waffen greife. Die Rolle ökonomischer Interessen und die der Politik wurden ebenso hinterfragt. So könne letztere mit dem Einsatz von Propaganda und Friedensdiplomatie Kriege entfesseln oder eindämmen. Bei aller berechtigten Hoffnung hinsichtlich des Abschreckungseffekts von Antikriegsliteratur solle dieser stets im Gesamtkontext gesehen und nicht überschätzt werden, hieß es vonseiten der – zahlenmäßig kleineren – Gruppe von Mahnern. Das fange schon damit an, dass die Mehrheit der Leser, die den Krieg nie am eigenen Leib erlebt habe, dessen volle Tragweite auch durch die Lektüre von Büchern wie All Quiet on the Western Front nicht erfassen könne, argumentierte der Springfield Sunday Union and Republican in seiner dennoch außerordentlich positiven Rezension von Remarques Roman. Deshalb seien Freudenbekundungen über den millionenfachen Buchverkauf verfrüht, schrieb die Zeitung aus Massachusetts am 30. Juni 1929 und nannte als Beispiel Christopher Morley, der sich sehr euphorisch im Saturday Review of Literature geäußert hatte:

1715 Vgl. etwa AP: Mann Mentioned for Prize, in: New York Times, 18. 9. 1929 (79. Jg.), S. 16. 1716 N.N.: Another German Nobel Prize Man, in: Literary Digest, New York, Nr. 10 vom 7. 12. 1929 (40. Jg.), Bd. 103, S. 21. Vgl. auch AP: Kellogg a Candidate For Nobel Peace Prize, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 25. 11. 1929 (89. Jg.). 1717 Vgl. dazu auch die Biografie im Anhang.

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»There has been a good deal of hysterical shouting about this book, all of which no doubt is well meant. […] Let us hope rather that a very small part of those who read the book will understand the picture that Remarque has drawn – understand it and take it to heart.«1718

Mancher Rezensent wärme sich regelrecht am Lagerfeuer pazifistischer Bücher, pflichteten andere Skeptiker bei. An einem Mangel entsprechender Literatur werde es also nicht liegen, sollte ein neuerlicher Weltkrieg ausbrechen. Hinter der Kritik verbargen sich Zweifel, ob die künstlerische Demaskierung des Kriegsgrauens nach dem Gusto Remarques überhaupt Menschen davor bewahren könne, auf das Schlachtfeld zu ziehen. Deshalb seien jene Rezipienten, die All Quiet on the Western Front als ergreifendes Dokument über den Krieg betrachteten, auf der sichereren Seite als solche, die darin ein effektives Argument gegen den Krieg sähen, warf die New York Times1719 wenige Wochen nach dem Erscheinen des Buches ein. Sich auf einen Artikel von Professor Charles Seymour im Yale Review beziehend, erinnerte das Leitmedium daran, dass der Horror des Krieges bereits vor dem Ausbruch des ›Great War‹ hinreichend bekannt gewesen sei – unter anderem durch dessen Verarbeitung in der Malerei. Das Wissen um Verwundung und Tod und die Angst davor hätten sich 1914 aber als zu schwach gezeigt, den sich anbahnenden Krieg zu verhindern. Daran werde sich nichts ändern: »In post-war fiction the outstanding impression is no doubt one of ›stark horror.‹ But we may as well admit that the agonies of trench and hospital can never be fashioned into a major deterrent of war.«1720 Diesen Pessimismus wollte das monatlich erscheinende Literatur- und Gesellschaftsmagazin Catholic World 1721 im November 1929 nicht teilen. Es sei ein düsterer Gedanke, wenn man glaube, nachrückende männliche Generationen könnten Remarques Buch nicht als Warnung vor dem Krieg verstehen, sondern vielleicht sogar als romantisch-abenteuerliche Darstellung missinterpretieren. Und wenn es so komme, sei das nicht die Schuld des Schriftstellers. Denn laut der katholischen Publikation war sein Roman über jede Kritik erhaben: 1718 N.N.: War Experiences of One of the Defeated. 1719 Mit dem Kauf der New York Times legte der deutschstämmige Verleger Adolph S. Ochs 1896 den Grundstein für das bis heute anhaltende Renommee der 1851 gegründeten Zeitung. Unabhängig von Parteiinteressen, hatte sie stets eine Tendenz zum demokratischen Spektrum, sympathisierte aber auch mit republikanischen Politikern. Im Ersten Weltkrieg hatte die New York Times den Beitritt der USA befürwortet, während sie später großer Fürsprecher des Völkerbunds war. Ihre umfangreiche Auslandsberichterstattung war bereits in den 1920er Jahren ein Unterscheidungsmerkmal der Zeitung. Vgl. Mott: American Journalism, S. 549f.; Müller: Weimar im Blick der USA, S. 48ff. 1720 N.N.: »Anti-War« Novels, in: New York Times, 7. 7. 1929 (79. Jg.), S. 46. 1721 Die monatlich in New York herausgegebene Catholic World diskutierte Fragen des Katholizismus, der Erziehung, Gesellschaft, Literatur und andere allgemeine Themen. Ihre kirchliche Doktrin gab die 1865 von Pater Isaac T. Hecker gegründete Zeitschrift dabei nie auf. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 3, S. 329f.

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»It is dismal to think that not so many years hence the ten-year-old boys of to-day, if they read Herr Remarque’s book at all, will perhaps admire it not as a soul-piercing warning against the futility of war but as a vivid account of a dangerous and therefore romantically attractive experience. If so, a generation of men and not the author of Al l Qui et on t he Wester n Front will be at fault.«1722

Die monatelange Debatte um die pazifistische Wirkung von Antikriegsliteratur wogte zwischen Optimismus und Skepsis hin und her, wobei sich die pessimistischen Stimmen im Zeitverlauf mehrten. Mit Vorbehalten beteiligte sich im Februar 1930 unter anderem auch der Plattsburgh Sentinel an der Diskussion. Alle Friedensbefürworter würden sich in Anbetracht der großen Zahl kriegskritischer Bücher sagen, die schreckliche Realität, die aus dieser so weitverbreiteten Literatur spreche, werde die Menschen davon abhalten, in einen neuen Krieg zu ziehen. »That sounds quite logical. Such books as ›All Quiet on the Western Front‹ […] can hardly leave any non-combatant with the idea that war is anything but a ghastly business […]«, schrieb die Zeitung unter der Überschrift »War Novels and Peace«. Sie fügte aber sogleich an: »But when did those things really act as barriers in the path of restless human being. When, in other words, did plain, physical fear bulk very large among the forces that make men do the things they do?« Die Geschichte der Menschheit sei eine von Dummheit, Gewalt, Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit. Feigheit indes gehöre nicht dazu: »The human race is a great many things that it ought not to be. […] But it is not very cowardly. You can’t influence it very much by telling it that it is apt to get hurt«, unkte der Plattsburgh Sentinel. Je mehr Zeit seit dem letzten Weltenbrand vergangen sei, desto mehr Glamour würde die aktuelle Kriegsliteratur verbreiten – auch wenn die Autoren dies nie intendiert hätten: »This literature of disillusionment will be read by people in search of thrills.« Daher folgerte die Zeitung, dass es für einen dauerhaften Frieden mehr brauche als Bücher. Sonst drohe ein böses Erwachen.1723 In die Diskussion, ob Bücher von der Front überhaupt erst jene menschlichen Gefühle aufrühren, die zum Krieg führen, schaltete sich am 22. April 1930 der Auburn Citizen ein. Das Blatt bezog sich auf einen kurz zuvor erschienenen Artikel des Leiters der Abrüstungsabteilung des Völkerbundsekretariates, Salvador de Madariaga. Dieser hatte in der renommierten Tageszeitung New York Herald Tribune unter der Überschrift »Do War Books Help Peace?« geschrieben, dass alle entsprechenden Bücher Kriegspropaganda seien, wie schrecklich auch immer sie den Krieg darstellten. Der Auburn Citizen räumte ein, dass man der menschlichen Natur eine gewisse Freude am Kampf nicht abstreiten könne: 1722 C.M.: New Books, in: Catholic World, New York, Nr. 776, November 1929 (65. Jg.), Bd. 130, S. 246. 1723 N.N: War Novels and Peace, in: Plattsburgh Sentinel, 7. 2. 1930 (93. Jg.), S. 4.

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»People read war books and go to see war plays, not that they may be disgusted and revolted by the ugliness of war, but because they enjoy such books and plays, and because a love of fighting is a quality of all normal humanity. Up to this point we agree with Senor Madariaga.«

Aber dies heiße beileibe nicht, dass keinerlei Bücher über den Krieg, nicht einmal solche über Abrüstung und Friedensschließung, geschrieben werden sollten. Letztlich mache das Genre für die Frage von Krieg oder Frieden keinen Unterschied, lautete die nüchterne Analyse der Zeitung: »War books may not help peace, but they can do little to harm it. Certainly if we banish them we shall lose far more for literature than we shall gain for peace.«1724 Bemerkenswerterweise widersprach dem ausgerechnet die Schriftstellerin Mary Lee, die 1929 mit It’s a Great War! selbst ein kriegskritisches Buch veröffentlicht hatte. Übereinstimmend mit den Ausführungen des Plattsburgh Sentinel schrieb sie im Dezember 1930 im Saturday Review of Literature, dass noch so blutige und desillusionierende Schilderungen die Jugend nicht vor den vermeintlichen Abenteuern des Krieges zurückschrecken lasse: »And here lies the irony of the whole thing: that tin hat books, no matter how disagreeable, no matter how bloody, no matter how disillusioned, only make youth more anxious for a chance to go and fight. For youth is so constituted that it enjoys the proximity of danger, and ignores the possibility of Pain, till pain gets them, too.«1725

Wie die vorigen Stellungnahmen verdeutlichen, hielt eine ganze Reihe von Kritikern den Einfluss von Kunst und Literatur für begrenzt. Hierzu gehörte auch der bereits mehrfach zu Wort gekommene Herschel Brickell. Obwohl ein großer Befürworter von Remarques Buch, hatte er schon im August 1929 im North American Review konstatiert, dass politische Propaganda eine stärkere Wirkung auf die Volksseele habe als pazifistische Literatur : »The horror of such a picture of modern war as is drawn by Remarque strikes deep into the emotions, but it can be wiped out by a few well-directed pieces of propaganda; let ›national honor‹ be mentioned a few times and we’ll be making bonfires of the pacifist volumes that are so popular […].«1726 1724 N.N.: War Books and War, in: Auburn Citizen, 22. 4. 1930 (61. Jg.). 1725 Mary Lee: Life at the Front, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 22 vom 20. 12. 1930 (7. Jg.), Bd. 7, S. 470. Mary Lees Buch, das auf ihren Erfahrungen als Krankenschwester in Europa von 1917 bis 1919 beruhte, stieß auf positive Kritik. Die American Legion und der Verlag Houghton Mifflin kürten It’s a Great War! 1929 neben William T. Scanlons God Have Mercy on Us! zum besten Kriegsbuch des Jahres. Ferner war es in der engeren Auswahl für den Pulitzer-Preis 1930. Der große Auflagenerfolg blieb indes aus. Vgl. N.N.: Few Noteworthy Fictions Tell Soldiers’ Story, in: San Francisco Chronicle, 9. 6. 1929 (64. Jg.), S. 5D, sowie Brickell: The Literary Landscape (Dezember 1929), S. 4. 1726 Herschel Brickell: The Literary Landscape, in: North American Review, Boston, Nr. 2, August 1929 (115. Jg.), Bd. 228, S. 5f. (North American Review Advertiser).

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Der bekannte Kolumnist Charles B. Driscoll1727 knüpfte hier an und prognostizierte, Kriege blieben populär, solange sie nur weit genug weg von der Heimatfront ausgefochten würden und sich in Form von Wirtschaftswachstum, steigenden Unternehmensgewinnen, höheren Löhnen und der Beschlagnahmung von Feindvermögen auszahlten. Erst wenn sich jeder Mensch klarmache, dass im modernen Krieg die Front überall sei, auch vor der eigenen Haustür, werde Vernunft einkehren, so seine weitsichtige Vorhersage: »The next world war, if any, will not, and should not, be confined to any front. If the world wants a big war, it can jolly well have it next time. […] Every civilian, no matter how big his house or how sound his financial standing, will be within range of the guns next time. Every legislator and governmental executive, no matter how taut his political fences, will be wearing a gas mask and wishing it would fit a little tighter, next time.«

Anders als der zuvor zitierte Brickell hoffte Driscoll indes, dass Antikriegsliteratur / la Remarque zu dieser nötigen Erkenntnis beitragen werde: »Let the world realize that we’re all at the front next time the bugle blows for a general massacre, and let the world read books like ›All Quiet.‹ Then you’ll have peace, profound and perpetual.«1728 Der Wunsch erfüllte sich nicht. Auf die »Urkatastrophe« des Ersten Weltkriegs folgte bald schon eine weitere, noch größere. 7.3.2.4. Die amerikanische Perspektive auf den ›Great‹ War und dessen Folgen All Quiet on the Western Front veranlasste viele US-Journalisten dazu, erneut eine Bilanz der Teilnahme ihres Landes am Ersten Weltkrieg zu ziehen. Ähnlich wie in Deutschland kam dies für die Berichterstatter einer politischen Standortbestimmung gleich, wenn auch in einem deutlich weniger politisch aufgeheizten Umfeld als in der Weimarer Republik. In jedem Fall wurde anhand der Bewertung von Remarques Roman schnell klar, wie sie sich zum Krieg im Allgemeinen und zum Ausgang für die USA im Speziellen stellten. Dabei kann als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung festgehalten werden, dass kein einziger Artikel im Kontext der Kriegsliteraturdebatte und Remarque-Rezeption von einem positiven Resultat für die Vereinigten Staaten aus dem Einsatz »over there« sprach. Im Zentrum der Diskussion standen neben dem Verfehlen der Kriegsziele mitsamt den Folgen vor allem die Kriegsursachen und die Suche nach Schuldigen bzw. Profiteuren. Zudem beschäftigten sich die Rezensenten 1727 Charles Benedict Driscoll war langjähriger Redakteur des McNaught Syndicate, ein landesweiter Pressedienst, der mehr als 400 Zeitungen mit Comics und Kolumnen versorgte. Dazu gehörten auch Driscolls wiederkehrende Meinungsbeiträge »The World And All« und »New York Day by Day«. Vgl. Who Was Who Among North American Authors 1921– 1939, Bd. 1: A-J, Detroit 1976 (Gale Composite Biographical Dictionary Series, Nr. 1), S. 451. 1728 Driscoll: The World And All (24. 10. 1929).

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intensiv mit den Verlierern des Krieges: der ›verlorenen Generation‹ junger Männer. Exemplarisch für die vorherrschende Desillusionierung über den Kriegsausgang ist ein Beitrag von T. S. Matthews in The New Republic. Am 19. Juni 1929 schrieb Matthews in dem Leitmedium der linksliberalen Ostküstenelite unter der Headline »Bad News« über die besorgniserregende Entwicklung in Europa, die er auf den Friedensvertrag von Versailles zurückführte. Man wisse inzwischen, dass der Krieg selbst für die Siegernationen nur negative Folgen gehabt habe – was solle man dann von den Deutschen erwarten, fragte er mit Blick auf die von Remarque beschriebene zerstörte Generation: »Another country has been heard from. We know by now that the victor nations got nothing but evil from the War ; had we expected, then, that the Germans had derived some virtue from the defeat? No, the War did no good to anybody. Those of its generation whom it did not kill, it crippled, wasted, or used up. We hear hopes expressed that another generation may be wiser. Let us pray, rather that it will not have to learn such costly wisdom.«1729

1917 hatte The New Republic den Kriegseintritt noch mit der Hoffnung befürwortet, ein Sieg der USA an der Seite der Alliierten könne die Demokratie nach amerikanischer Tradition in andere Länder tragen. Für eine Aussöhnung mit Deutschland und die »Vierzehn Punkte« Woodrow Wilsons einstehend, zeigte sich das einflussreiche Magazin vom Friedensvertrag dann sehr enttäuscht.1730 Dieser sei ein »Punischer Friede« und ein »zynisches imperialistisches Dokument«, stellte es am 17. Mai 1919 fest.1731 In der Folge distanzierte sich The New Republic auch von der Politik des Präsidenten, die sie lange vehement unterstützt hatte, und sah sich zehn Jahre später in ihrer pessimistischen Prognose bestätigt, wie Matthews’ Artikel illustriert. Mit großer Ernüchterung rekapitulierte auch Charles B. Driscoll im Mai 1931 im Zuge seiner wohlmeinenden Besprechung von The Road Back das Resultat des Krieges aus US-Sicht. Der Journalist, der im Oktober 1929 bereits All Quiet on the Western Front sehr positiv rezensiert hatte, schrieb in der landesweit 1729 Matthews: Bad News. 1730 Vgl. Tebbel und Zuckerman: The Magazine in America, S. 122–125, sowie Müller : Weimar im Blick der USA, S. 49 und 60f. 1731 Wörtlich schrieb The New Republic kurz vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrags: »Now, if the nations associated against Germany mean to rest matters with the peace treaty and to pursue their several interests ruthlessly under it, the peace is nothing but a Punic peace. But what makes the peace treaty appear to be so cynically Imperialistic a document does not lie in what it takes away from Germany or in what it imposes upon her, but it lies in the complete absence of reciprocity. Germany is required to give most favoured nation treatment, but receives no assurances that she will receive such treatment.« N.N.: A Punic Peace, in: The New Republic, New York, Nr. 237 vom 17. 5. 1919 (6. Jg.), Bd. 19, S. 71–73. Vgl. auch Mott: A History of American Magazines, Bd. 5. S. 208.

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verbreiteten Kolumne »The World and All«, die zur Befriedung Europas gedachte Mission des »Kriegspräsidenten« Wilson habe eben dieses Ziel vollkommen verfehlt. Viele Rechnungen seien immer noch offen, und kleinere Nationen lebten mitnichten in Sicherheit. Die ganze »Show«, so Driscolls niederschmetterndes Fazit, sei vollkommen sinnlos gewesen. Und alle hehren Ideale, für die man die »Doughboys« über den Atlantik geschickt habe, seien für immer verloren: »We […] get a good laugh out of the old wartime slogan, ›Freedom for all forever!‹«, ätzte er.1732 Gerade aus der Sicht der Soldaten sei jedweder Sinngebungsversuch vergebens, waren sich die Kritiker einig. Und diese Feststellung traf in ihren Augen nicht erst aus der Nachkriegsperspektive zu, sondern schon aus der des Jahres 1917. Selbst wenn Wilsons Kriegsziele erreicht worden wären – was hätte dies jedem einzelnen auf dem Schlachtfeld zerstückelten Soldaten genutzt, fragte Herschel Brickell im North American Review : »What shall it profit a common soldier that the world be made safe for democracy (was it?) if he be blown to bloody bits by a high-explosive shell?«1733 Bei der Suche nach Schuldigen für das Leiden und Sterben zahlloser junger Amerikaner im Felde wurden zumeist die »Kaufleute des Todes« (»merchants of deaths«) ausgemacht: Banken, Rüstungsbetriebe und Großindustrielle. Verborgen hinter der Marionette Wilsons seien sie die wahren Strippenzieher gewesen, die sich am Kriegseintritt der USA bereichert hätten, lautete die Kritik.1734 So beizeichnete Driscoll Fabrikbesitzer mit eindeutiger Wortwahl, ja fast schon kommunistischem Jargon, als »old and fat men [who] speed up their factories in patriotic endeavor to supply the boys in the trenches with all needful things at great expense«.1735 Die vorangegangenen Aussagen zeigen, dass bei der Rezeption von Kriegsliteratur neben dem Fronterlebnis auch die Heimatfront thematisiert wurde – gleich welcher Nation. Zwar ging Remarque selbst nicht näher auf die Rolle wirtschaftlicher Interessengruppen und anderer kriegsschürender Kräfte ein, aber er deutete die Verlogenheit der Gesellschaft mehrfach an. Am sichtbarsten wird dies bei Paul Bäumers Heimatbesuch. Wohl auch deshalb gehörte die Episode zu den meist gepriesenen im gesamten Buch. Erst im Fronturlaub merke Bäumer, wie sehr ihn der Krieg von den Plätzen und Menschen seiner Jugend entfernt hatte, schrieb Margaret Wallace im Bookman.1736 Weil die Daheimgebliebenen die schrecklichen Erlebnisse der jungen Männer nicht mal ansatz1732 Charles B. Driscoll: The World And All, in: Winona Republican-Herald, 11. 5. 1931 (77. Jg.), S. 12. 1733 Brickell: The Literary Landscape (April 1930). 1734 Vgl. hierzu Kap. 4.3, S. 107f. 1735 Driscoll: The World And All (11. 5. 1931). 1736 Wallace: All Quiet on the Western Front, S. 552.

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weise hätten nachempfinden können, war es aus Sicht von Wallace und anderen Rezensenten verständlich, wenn einige Soldaten – wie Paul – sogar freiwillig an die Front zurückkehrten. Dort wartete immerhin die tröstliche Gemeinschaft der Kameraden auf sie. Henry Seidel Canby fasste im Saturday Review of Literature die Desillusionierung der jungen Soldaten über die Zustände zu Hause prägnant zusammen: »They are a wasted generation, but because they are outcasts from civilization, they see its cracks and tensions at home. They can be happy there no longer. Home is the ultimate cause of their miseries. Its blindness, its greed, its moral ruthlessness they escape in action […].«1737

Zu der unüberbrückbaren Distanz zwischen den Soldaten, die an der Front verheizt wurden, und all jenen, die den Krieg aus der Ferne dirigierten, ihn verwalteten oder von ihm profitierten, äußerte sich auch John M. Outler Jr. Der Journalist des Atlanta Journal ergriff hierbei klar Partei für den gewöhnlichen Muschkoten. Diesem habe Remarque ein Denkmal in Worten errichtet, welches seine Gegner nun am liebsten einreißen würden: »Professional soldiers, recruiting officers, bureaucrats and junkers will openly laugh at it as being the outcropping of dementia. Those who wore the khaki or forest green and who did no stretch of duty ›up front‹ will discount it as overdrawn. But the boys in the Veterans’ Hospitals will tell you (if they can talk at all) that it is a comprehensive picture – a picture never seen by those who declare and direct the machines of Armageddon or those who wax fat through the profits of conflict.«1738

Dass Remarque den Kriegsursachen nicht weiter auf den Grund ging, rief in der US-Presse keine Kritik hervor. Dagegen war das Fehlen dieser Analyse und entsprechender Handlungsanweisungen in Deutschland zumindest von kommunistischer Seite stets bemängelt worden. Amerikanische Journalisten indes gingen erst gar nicht mit einer derartigen Erwartungshaltung an All Quiet on the Western Front heran. Sie begnügten sich mit Remarques Schlussfolgerung, dass am Krieg – außer der Kameradschaft – nichts Gutes gewesen sei. So konstatierte Bookman-Autorin Wallace: »It might be claimed as a fault that this book is sharply and bitterly concentrated, that the action is single and exclusive and that there is room in it for neither synthesis nor conclusion. But what it sacrifices in scope, it gains a thousandfold in strength and direction.«1739

Nichtsdestotrotz wurden die wenigen Szenen, in denen Remarque die Soldaten über politische Machtspiele als Wurzel des Übels reflektieren lässt, positiv 1737 Canby : Modern War, S. 1088. 1738 Outler : »All Quiet on the Western Front«. 1739 Wallace: All Quiet on the Western Front, S. 553.

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hervorgehoben. Gerade mit ihrer Inartikuliertheit, ihren naiven Ahnungen erschienen seine Figuren als bodenständig und authentisch. So hob das in Los Angeles herausgegebene Journal of Sociology and Social Research das sogenannte »Kaisergespräch« hervor, in dem Albert Kropp bemerkt, der Krieg komme so unvermittelt über die Menschen wie ein Fieber. Besonders den Vorschlag zum künftigen Appeasement fand der Rezensent lobenswert und zitierte Kropp ausführlich: »[…] A declaration of war should be a kind of popular festival with entrance-tickets, and bands, like a bull fight. Then in the arena the ministers and generals of the two countries, dressed in bathing-drawers and armed with clubs, can have it out among themselves. Whoever survives, his country wins. That would be much simpler and more just than this arrangement, where the wrong people do the fighting.«1740

Die ›Lost Generation‹ findet Gehör Auf dem Höhepunkt der Welle kriegskritischer Literatur bestand in den Vereinigten Staaten weitgehende Einigkeit darin, dass der ›Great War‹ eine ›verlorene Generation‹ junger Männer hervorgebracht hatte – nicht nur in Deutschland, wie Remarque sie beschrieb, sondern auch in den USA selbst. Aus ihrem ursprünglichen Umfeld entwurzelt, existenzielle Not leidend und sich komplett unverstanden fühlend, waren die Wiedereingliederungsprobleme vieler Veteranen lange übersehen worden. Die neue Gattung des Kriegsbuches verschaffte diesen desillusionierten Männern immerhin eine Stimme, obgleich praktische Hilfen noch auf sich warten ließen.1741 Neben ihrer in der Großen Depression weiter verschlechterten wirtschaftlichen Situation ist das in den 1930er Jahren zunehmend lautstarke Auftreten der einstigen Frontkämpfer – etwa 1932 durch den »Bonus March« auf die Hauptstadt Washington, D.C.1742 – unter anderem damit zu erklären, dass sie durch die Antikriegsliteratur stärker in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Diskurses gerückt waren. Den Anfang hatten Dos Passos, Hemingway und andere überwiegend englische und amerikanische Autoren der ›Lost Generation‹ gemacht, doch die größte Aufmerksamkeit verschaffte ihnen All Quiet on the Western Front. Wie kein anderes Buch machte es das Schicksal einer Generation publik, die vom Erlebnis des Krieges ihrer Hoffnung und Bestimmung beraubt worden war. »Herr Remarque speaks for a whole generation – that generation of all the combatant nations whose life was destroyed in its springtime – even if it escaped

1740 M. J. V.: Social Fiction and Drama Notes, S. 97–98. 1741 Vgl. zur Situation der Veteranen in der Nachkriegsgesellschaft Kap. 4.3, S. 108f. 1742 Ebd.

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actual death«, unterstrich die Tageszeitung Winona Republican-Herald den repräsentativen Charakter der Darstellung.1743 Dass der deutsche Schriftsteller die mindestens ebenso destruktive Einwirkung des Krieges auf die Psyche so detailliert beschrieb, stieß in den Rezensionen auf viel Zustimmung. Allein die ständige Angst vor dem Verlust des Körpers durch die niemals ruhende Kriegsmaschinerie müsse die Seele für immer schädigen, fühlte sich das Nachrichtenmagazin Time in die Soldaten ein: »To be permeated by horror is to be destroyed spiritually.«1744 Angesichts des Kriegserlebnisses glaubten die jungen Männer an nichts mehr ; nur noch Leere und Bitterkeit hätten in ihnen geherrscht, schloss auch die monatlich erscheinende Catholic World und bezeichnete die geistige Transformation der Soldaten als merkwürdig gottlos: »[They] suffer not only terror, ineffable torture and (many of them) physical destruction, but also a strange, ungodly transformation of spirit: an all too sudden, too complete maturity of soul that makes them tragically old at twenty. They are more than regretfully or even bitterly old: they are aged without faith, aged without hope, lonely indifferent, immovable because of the overwhelming immensity of the forces that have crushed them, irreclaimable because so little is left.«1745

Die negativen psychologischen Effekte auf kaum der Jugend entwachsene Soldaten betrachteten die Rezensenten als besonders tragisch, weil die jungen Männer weder in religiösen und idealistischen Sinngebungen noch in ihren schwachen Wurzeln als unausgereifte Persönlichkeiten Halt hätten finden können. Genau dies mache die vollkommene Verlorenheit der in den Krieg hineinkatapultierten Generation aus, hielt der Literaturkritiker Louis Kronenberger1746 im Rahmen seiner positiven Rezeption von All Quiet on the Western Front in der New York Times fest: »Here are boys bewildered not only by war, but also by lacking standards to which they can revert in a psychological escape from 1743 N.N.: Story of »Youth Destroyed« Told in Remarque Book, in: Winona Republican-Herald, 27. 7. 1929 (75. Jg.), S. 6. 1744 N.N.: The Horror of the World. 1745 C.M.: New Books. Die Rezension der Catholic World passt insofern ins Bild für eine katholische Publikation, als dass sie den Krieg ablehnte und sich um den Seelenfrieden der jungen Männer sorgte. Solche Reaktionen gab es, wie gezeigt worden ist, auch in der deutschen Rezeption. Andererseits wehrten sich nicht wenige katholische Stimmen in Deutschland gegen den vermeintlichen Defätismus Remarques und hielten weiter an Sinngebungen wie dem Heldentod auf dem ›Altar des Vaterlandes‹ fest. Vergleichbare Sichtweisen fanden sich im Rahmen dieser Untersuchung in der amerikanischen Presse nicht. 1746 Louis Kronenberger, Novellist und Kritiker, begann seine Karriere in jungen Jahren bei der New York Times und schrieb später lange für Time. Vgl. Verweise bei Susanna Wand: IBN Index Bio-Bibliographicus Notorum Hominum, Pars C, Corpus Alphabeticum, I. Sectio Generalis, Bd. 141: Krizbai usque ad Kuerble, Eugen, Mettingen 2006.

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war. Here are those whom Gertrude Stein indicated as a ›lost generation‹.«1747 Dieser Einschätzung stimmte Margaret Wallace im Bookman1748 uneingeschränkt zu: »His [Bäumers; der Verf.] tragedy, as well as his comrades’, does not lie in having been uprooted, but rather in never having had any roots.«1749 Das Einzige, was den Überlebenden blieb, war ihr – nicht selten verkrüppelter – Körper. Doch was sie damit in der fremd gewordenen Nachkriegsgesellschaft anfangen sollten, wussten viele nicht, wie Edith Weigle in der Chicago Daily Tribune zusammenfasste: »They were on the threshold of the world. They had ideals, beliefs, faith. When the war was over they had lost everything but their bodies, and these they dragged back to a world they were unfitted to cope with. […] They had lived too close to death: they could never get away from their memories.«1750

Während die meisten älteren Soldaten eine eigene Familie hatten, die sie erwartete, einen Beruf, in den sie zurückkehren konnten, oder einen Bauernhof, der bewirtschaftet werden wollte, habe die junge Kriegsgeneration keine derartigen Anknüpfungspunkte gehabt, analysierte Karl Schriftgiesser im Boston Evening Transcript ihr Dilemma: »[…] What is there in the future for them? There are no farms, no wives, no desks, no machines, no homes. Hardly more than children, they have been tossed into an inferno almost upon the day that their schooling was at an end.« Die Konsequenzen seien bedenklich, ahnte der Journalist. Denn von den in einer gänzlich gewalttätigen und kulturlosen Welt erwachsen gewordenen Männern könne man wirklich nicht erwarten, dass sie Stabilität und Friedfertigkeit in die Gesellschaft einbringen. »[…] That after all is the greatest tragedy of war and the reason why following all wars, the world, or the nation involved, is topsy turvy and half insane. The very lads who should have been ready to carry on the work of the world have been brought into maturity in a world of dugouts, hospitals, and soldiers’ brothels where there is no sanity, no culture, no love. The world of the soldier is not the world of peace.«1751

Wenngleich die fehlenden Zukunftsperspektiven der heimkehrenden Soldaten für die junge deutsche Republik sicherlich wesentlich schwerwiegendere Folgen 1747 Kronenberger : War’s Horror. Vgl. auch Rose: August Reading. The Lost Generation. 1748 Der Bookman galt trotz einer bis 1930 auf 15.000 Exemplare geschrumpften Auflage als eine der wichtigsten Literaturzeitschriften in den USA. Anerkannt war das Blatt für Autoren wie Aldous Huxley, T. S. Eliot oder Edmund Blunden sowie seine Bestsellerliste und Bibliotheksstatistik (»Bookman’s Monthly Score«). Chefredakteur Seward Collins stellte den Bookman 1933 ein, um mit dem American Review eine Plattform für seine vom Neohumanismus inspirierte profaschistische Ideologie zu gründen. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 4, S. 432–441. 1749 Wallace: All Quiet on the Western Front, S. 552. 1750 Edith Weigle: New War Book. 1751 Schriftgiesser : All Quiet on the Western Front. Vgl. auch Feise: Erich Maria Remarque.

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hatten als für die USA, setzte man sich mehr als zehn Jahre nach dem Waffenstillstand auch in Amerika ernsthaft mit dem Thema auseinander – vor allem dank der neuartigen Kriegsliteratur. So führe Remarque den unwissenden Zivilisten vor Augen, woher Ruhelosigkeit und Ungeduld der Veteranen kämen, ihr Mangel an Lebensfreude, und warum sie sich nicht über Nacht in die Gesellschaft wiedereingliedern ließen, schrieb Charles B. Driscoll im Mai 1931. In seiner Rezension von The Road Back, dem gerade erschienenen Nachfolgewerk von All Quiet on the Western Front, sparte er dabei nicht an Selbstkritik: »We expected them to come out of the mud and blood of the slaughter that we had sent them into, and settle down like nice youngsters to the finishing of their college courses and the keeping of neat sets of books. We didn’t know much«, räumte der Kolumnist ein. Wer nun Remarques Schilderung von der Rückkehr der Soldaten lese, müsse sich schämen, die »Doughboys« jemals für ihr Verhalten getadelt zu haben.1752 Eine weitere Erkenntnis war, dass in der Tristesse des Nachhausekommens die Lektion des Krieges mitunter am deutlichsten sichtbar wurde. Was könne stärker abschrecken als all die verstümmelten, mental kranken oder schlichtweg mut- und antriebslosen »Patrioten«, fragte ein Student in der Lokalzeitung Chatham Monitor mit Blick auf die Remarqueschen Soldaten: »Here is where the lesson can be taught best, in the home-coming.«1753 Mehr noch als die konkrete physische Gewalt an der Front müsse daher das traurige Schicksal dieser ›verlorenen‹ jungen Männer und der damit verbundene Verlust für die Gemeinschaft zur Sprache gebracht werden, lautete auch die Meinung der New York Times: »There were destroyed in Europe the accumulated results of centuries of culture, and there died of starvation or were reduced to impotence entire classes of men who had rendered service and were capable of rendering service to civilization. The memory of this class of casualties can be much more effectively employed in education against war than scenes from the trench and dressing station.«1754

Die Feststellung der renommierten Tageszeitung und die zuvor skizzierte Debatte über die ›Lost Generation‹ spiegeln eine universelle Sicht auf die Nachkriegsprobleme wider, die für die gesamte US-Rezeption von All Quiet on the Western Front typisch war. Weil die aus dem Ende des Ersten Weltkriegs resultierenden Herausforderungen nicht länderspezifisch seien, könnten sie nur völkerübergreifend gelöst werden, glaubte die Mehrheit der Rezensenten.

1752 Driscoll: The World And All (11. 5. 1931). 1753 Bassett: »All Quiet on the Western Front«. 1754 N.N.: »Anti-War« Novels.

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Völkerverständigung am Beispiel von All Quiet on the Western Front Die Ende der 1920er Jahre in Amerika weitverbreitete völkerversöhnende Gesinnung entsprang einer tiefen Desillusionierung über den Ausgang des ›Great War‹ und einer großen Kriegsabneigung im gesamten Land. Einher ging sie mit dem Abbau alter Feindbilder, insbesondere vom früheren Kriegsgegner Deutschland, wie die Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front in weiten Teilen der US-Presse zeigt. Gleichzeitig wurde ausnahmslos begrüßt, dass Remarque mit seinem Buch seinerseits für Völkerverständigung eintrat. So bewertete etwa der AP-Korrespondent Richard Massock in seinem literarischen Jahresrückblick 1929 die Vielzahl kriegskritischer Bücher – vorneweg All Quiet on the Western Front und Hemingways A Farewell to Arms – als sehr positiv, weil sie jegliche Nationalismen überwänden: »[These books are] rising above the mists of patriotic fervor and national jealousies.«1755 Mit großer Verve unterstrich auch Nation-Kritiker Joseph Wood Krutch, wie bedeutend es sei, dass Soldaten verfeindeter Armeen ihrem universellen Gefühl von der vollkommenen Sinnlosigkeit des Krieges nun in der Literatur Ausdruck verliehen. Gemeinsam verkündeten sie ein neues, nicht vor Ländergrenzen haltmachendes Bild von der Front, das Bestand haben werde, sagte der Journalist in seiner Rezension voraus: »›All Quiet on the Western Front‹ is the German equivalent of Latzko, Barbusse, and Dos Passos. […] Four men of different race, education, and temperament are thrown into the same great catastrophe. Each, victor and vanquished alike, [reports] so precisely similar that if a few words obliterated it would be impossible to tell which was French and which was German, or Hungarian, or American. All agree in what they leave out – glory and patriotism; all agree in what they put in – suffering, and fear, and disgust. […] In literature at least it can never be the same again. […] Too many literature persons survived to tell their tale with a unanimity which leaves no room for doubt.«1756

In Remarques Roman äußert sich diese von Krutch beschriebene und den anderen genannten Autoren geteilte unpatriotische Gesinnung in der Abwesenheit jeglichen Hasses auf den Feind. Mehr noch sprechen die Verbrüderungsszenen an Weihnachten, Bäumers Empathie gegenüber den russischen Kriegsgefangenen und seine Reue nach der Tötung des Franzosen Duval für Humanität, Respekt und den Wunsch eines friedlichen Zusammenlebens der Völker. »There is 1755 Richard Massock (AP): War Books Outstanding Features of America’s 1929 Literary Fare, in: Niagara Falls Gazette, 2. 1. 1930 (77. Jg.), S. 36. 1756 Krutch: Glorious War. Vgl. auch Jones: Gleanings, sowie Simonds: The Anniversary. Letzterer stellte analog zu Krutch fest: »›Le Feu,‹ ›The Spanish Farm,‹ ›Disenchantment,‹ ›Three Soldiers,‹ ›No More Parades,‹ ›What Price Glory,‹ ›Sergeant Grischa,‹ ›All Quiet on the Western Front‹ repeat the same story. Frenchman, Englishman, German, and American, all arrive at the same conclusion.«

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scarcely any mention of the ›enemy‹«, hob Thomas Russell Ybarra im Outlook and Independent hervor. »The narrator and his friends simply talk of the chaps ›across the way‹ – men, just like themselves, bewildered, covered with lice, eager to eat, drink, sleep and forget.«1757 Zu Gegnern wurden die Männer auf der anderen Seite der Front dieser Lesart nach erst durch ihre Befehlshaber. Somit war der eigentliche Feind die von Menschenhand geschaffene und von oben dirigierte Tötungsmaschinerie. Allerdings formulierten die Soldaten nur in seltenen Momenten der Reflexion vage Protestnoten gegen den Krieg im Allgemeinen und den Militärapparat im Besonderen, etwa im Aufbegehren gegen höhere Dienstgrade. Zu sehr waren sie im System der Zerstörung gefangen und zu sehr mit dem eigenen Überleben beschäftigt, dass sie letztlich weiter töteten, wie Margaret H. Irish in ihrer Besprechung von All Quiet on the Western Front in The Living Age feststellte. Dabei begegnete die Journalistin Remarques Protagonisten durchaus mit Verständnis für deren ausweglose Lage: »[…] They kill opposing fighters not because they, as Germans, are motivated by hate of a French baker or a British printer, but because they are all trapped in a system which makes bestial forms of destruction the first necessity for self-preservation.«1758

Ganz anders noch als zu Zeiten der Kriegspropaganda erschienen die deutschen Soldaten in der Remarque-Rezeption nicht mehr als blutrünstige Barbaren, sondern als menschliche Wesen, die genau wie ihre Gegenüber schlichtweg ihr Leben bewahren wollten. Mit dem vom deutschen Schriftsteller kreierten soldatischen Image konnten sich fast alle Literaturkritiker, die sich mit All Quiet on the Western Front befassten, identifizieren. Und gerade diese Leseridentifikation galt als eines der Erfolgsgeheimnisse des Buches. »How can we explain a phenomenon of this kind – an American bestseller by a foreigner about foreigners?«, fragte der Clinton Courier. Die Begründung suchte die Zeitung darin, dass sich der Autor auf die Menschen im Krieg fokussiere, die Mitgefühl verdient hätten, gleich welcher Armee sie angehörten: »We [Americans] react like all other peoples in matters that touch the heartstrings of humanity. In ›All Quiet on the Western Front‹ humanity stands out far above nationality. The characters are nominally Germans. They might be Frenchmen; they might be Englishmen; they might be Americans. More than else, they are human beings worthy our pity.«1759

Nur wenige Einzelstimmen machten im Verhalten der Remarqueschen Soldaten Eigenarten aus. Dazu gehörte Frank Ernest Hill, der das Buch in der New York 1757 Ybarra: »War Is Hell«. 1758 Irish: Views and Reviews, S. 392. Vgl. auch Krutch: Glorious War. 1759 N.N.: Library Notes.

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Herald Tribune trotzdem positiv besprach. Unter solch aussichtslosen Umständen an der Front immer weitergekämpft zu haben, gleichgültig gegenüber den Feinden – außer in seltenen Situationen wie der von Remarque beschriebenen Szene im Gefangenenlager –, bezeichnete er als typisch deutsch. Was Hill offenbar als eine Mischung von blindem Gehorsam und Pflichtbewusstsein auslegte, nötigte manch anderem Rezensent unterdessen als Beharrungsvermögen Respekt ab.1760 Die deutschen Soldaten hätten eine große Kampfmoral an den Tag gelegt und ihrem Vaterland aufopferungsvoll gedient, urteilte etwa H. L. Mencken. Dass sich der Chefredakteur des American Mercury mit seiner Meinung hier besonders hervortat, verwundert ob seiner deutschen Abstammung nicht wirklich – überraschend ist aber seine damit verbundene Infragestellung der Leistung der American Expeditionary Forces. Er empfahl dem ultrapatriotischen Veteranenverband American Legion mit harschen Worten, die Historie neu einzuordnen und ihr »unverfrorenes Gebrüll« zu bändigen: »I trust that ›All Quiet on the Western Front‹ will be given diligent study by […] the American Legion. It may perhaps serve to subdue their more blatant bellowings. If they have, under their badges, the normal human sagacity, it will teach them the difference between falling safely upon a starved and exhausted foe and fighting against great odds for four long years.«1761

Respekt, Empathie und Verständnis waren die wesentlichen Reaktionsmuster amerikanischer Journalisten auf Remarques Beschreibung der deutschen Soldaten. Die Rezeption bildet damit ein deutlich aufgehelltes Deutschland-Bild in den Vereinigten Staaten Ende der 1920er Jahre ab. »The welcome which this book has received in England and the United States indicates that our bitter produced illogical hatred for the German people, as a people, has faded«, fasste Ruth Korteling in der Hochschulzeitung Coe College Cosmos treffend zusammen.1762 Dass der von Propaganda getriebene Hass der Kriegszeit einer versöhnlichen Stimmung gewichen war, lag gewiss auch an der deutsch-amerikanischen Annäherung in der Ära Stresemann. Als einer der ersten Staaten trat Deutschland dem von den USA mitinitiierten Briand-Kellogg-Kriegsächtungspakt bei, während US-Diplomaten bei der Aushandlung von Dawes- und YoungPlan entscheidend daran beteiligt waren, die deutschen Reparationszahlungen 1760 Vgl. Hill: Destroyed by the War, S. 2. 1761 Abschließend zitierte Mencken Remarques Protagonist Paul Bäumer, der die Übermacht der gegnerischen Armeen sehr bildlich beschreibt: »›For one hungry, wretched soldier,‹ says the chronicler Paul of the last days, ›come five of the enemy, fresh and fit. For one German army loaf there are fifty tins of canned beef over there. We are not beaten, for as soldiers we are better and more experienced; we are simply crushed and driven back by overwhelmingly superior forces.‹« H. L. Mencken: Im Westen nichts Neues. 1762 Ruth Korteling: Book Review, in: Coe College Cosmos, Cedar Rapids, Nr. 1 vom 12. 9. 1929 (40. Jg.), Bd. 40, S. 2.

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auf ein realistisches Maß zu begrenzen. Die politischen Erfolge erleichterten es, sich wieder an Verschütt gegangene positive Attribute des Landes der Dichter und Denker zu erinnern.1763 Krieg als Mittel der Politik Wie die Auseinandersetzung der amerikanischen Presse mit All Quiet on the Western Front und anderer Kriegsliteratur zum Ausdruck gebracht hat, herrschte ein Jahrzehnt nach dem Verstummen der Waffen eine starke pazifistische Grundstimmung im Land. In der Rückschau auf den ›Great War‹ kam man zu dem ernüchternden Fazit, dass Europa durch den Krieg nicht befriedet wurde. Der Blick der Amerikaner richtete sich daher mehrheitlich nach innen. Zwar wurden die Spannungen auf dem alten Kontinent registriert, eine erneute militärische Intervention war aber keine Option, sollte Europa wieder im Chaos versinken. Denn Krieg als Mittel der Politik hatte aus der Perspektive der Vereinigten Staaten 1917 versagt, bilanzierten nahezu alle Kommentatoren. Diese Thematik kam im Kontext der Rezeption von All Quiet on the Western Front immer wieder zur Sprache. Dabei wurde gefragt: Taugt der industrialisierte Krieg mit seinem gewaltigen Waffenpotenzial überhaupt noch zur Beilegung von Konflikten? Kann er als Drohkulisse zumindest zur Abschreckung dienen? Oder sollte nicht sofort weltweit abgerüstet werden, damit die entfesselte Zerstörungskraft nicht eine noch größere Katastrophe hervorrufen wird als 1914–1918? Fast einhellig mündeten die Antworten in eine Generalabrechnung mit dem Krieg und dessen Verursachern. Eindeutig nahm beispielsweise Thomas F. Ford in seiner Rezension von Remarques Buch in der Los Angeles Times Stellung: »Damn war. Double damn the stupidity of the elder statesmen, be they Emperors, Kings, Kaisers, Presidents or Parliaments, who because of some fancied affront to their assumed dignity permit the youth of their nations to engage in such a nightmare activity as war – with its shells, gas clouds, tanks, suffering, starvation and death; with its […] murder, burning and hate and terror, on the land, on the sea, beneath the seas and in the air […].«1764

In der Debatte griffen Zeitungen auch Ereignisse der Tagespolitik auf, etwa die im Januar 1930 beginnende Londoner Flottenkonferenz, in der die USA und andere Seemächte über die Abrüstung ihrer Marinen verhandelten. Präsident Herbert Hoover, der die Zahl der Schlachtschiffe weiter verringern wollte, wurde im Vorfeld von seinem republikanischen Parteikollegen Senator George H. Moses aus New Hampshire für seine Abrüstungspolitik angegriffen. Von Moses’ 1763 Vgl. Kap. 2, insb. S. 58–61. 1764 Ford: Grim War Picture Painted.

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Haltung wiederum distanzierte sich vehement das Milwaukee Journal in einem Kommentar, der in anderen Zeitungen als Wiederabdruck erschien: »A President of the United States cannot try to do something for peace and for saving the lives of youth without being attacked by men who don’t care much about the lives of 10.000.000 of the world’s young men destroyed on the altar of war. […] Shall we listen to Moses and decide it is better to devote our grandsons to the shambles of war than to follow Hoover’s leadership toward peace and security?«

Die rhetorische Frage beantwortete das Blatt freilich im Sinne von Hoover und stellte auf den aufklärerischen Effekt von Kriegsliteratur ab. Die Welt wisse heute mehr über die Wahrheit des Krieges als jemals zuvor, insbesondere dank All Quiet on the Western Front. Erfahren habe sie auch, was der Krieg mit den Seelen der Menschen mache, die er nicht töte. Nichtsdestotrotz starte nun eine Kampagne, um den Friedenskurs des Präsidenten zu unterminieren, kritisierte das Milwaukee Journal. Sie beginne auf den Lippen eines Senators, der den Krieg im Gegensatz zu Hoover nicht einmal mit eigenen Augen gesehen habe, weshalb ihm die Zeitung jegliches Urteilsvermögen absprach und ihn einen opportunistischen Mitläufer nannte. »Are Americans to follow Hoover? Or Moses, a time-serving political hack, stabbing Hoover in the back and fighting the hope of peace?«1765 Drei Aspekte der Remarque-Rezeption macht der Kommentar deutlich: Erstens zeigt er, wie präsent All Quiet on the Western Front seinerzeit nicht nur im kulturellen, sondern auch im politischen Diskurs der USA war. Zweitens unterstreicht er die von vielen Kommentatoren geteilte Hoffnung, dass die Lektüre von Antikriegsliteratur eine pazifistische Wirkung nach sich zieht. Und drittens illustriert der Meinungsbeitrag die Friedenssehnsucht in der amerikanischen Gesellschaft und die Ablehnung des Krieges zur Konfliktlösung, weshalb Abrüstung stark befürwortet wurde. Der weitere Verlauf der Diskussion gibt zudem Hinweise auf das Spannungsfeld zwischen Isolationismus und Internationalismus, in dem sich die USA damals befanden. Dabei gab es in der Außenpolitik beide Elemente – Distanz zum und Teilhabe am internationalen Geschehen. Die Distanz äußerte sich in einer Abneigung gegen starre multilaterale Mechanismen, wie sie etwa ein Beitritt zum Völkerbund nach sich gezogen hätte. Die Teilhabe an der Weltpolitik war aber auf diplomatischer Ebene im Rahmen vertraglicher Rüstungsbegrenzung und völkerrechtlicher Abmachungen wie dem Dawes- und Young-Plan oder dem Briand-Kellogg-Pakt jederzeit gegeben. So versuchten die Vereinigten Staaten stets, den Ausgleich in Europa zu fördern, was der These 1765 From the Milwaukee Journal: Moses, Heir to Lodge, in: Binghamton Press, 4. 12. 1929 (26. Jg.), S. 6. Siehe u. a. auch N.N.: World Looks with Hope Toward Coming Arms Conference, in: Rochester Democrat and Chronicle, 5. 1. 1930 (98. Jg.), Section III.

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vom uneingeschränkten amerikanischen Isolationismus widerspricht. Genauso wenig war Ende der 1920er Jahre eine Form des Internationalismus en vogue, die ein aktives, vielleicht sogar militärisches Intervenieren in auswärtige Angelegenheiten zum Ziel gehabt hätte. Vielmehr war die oberste Intention der USA, sich nicht mehr an Kriegen auf fremden Boden zu beteiligen, selbst wenn deren Entstehung unvermeidbar werden würde.1766 In der Presseberichterstattung zu All Quiet on the Western Front findet sich dieses Spektrum in allen Nuancen wieder, wobei isolationistische Positionen leicht überwogen. Die Motivation hinter solchen Stimmen war, davor zu warnen, den Fehler von 1917 zu wiederholen. Zuweilen rief die damit verbundene Tendenz zur Selbstbezogenheit aber Kritik hervor. Die Lokalzeitung Clinton Courier etwa thematisierte im Zuge ihrer Rezension von Remarques Roman den politischen Sonderweg, den die Vereinigten Staaten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eingeschlagen hätten. Nicht einmal dem Völkerbund, der einzigen Organisation weltweit, die den Weltfrieden zum Ziel habe, habe man sich anschließen wollen. Die Ursache suchte die Zeitung im amerikanischen Provinzialismus, der zu einer Isolation geführt habe, in der sich die USA prächtig eingerichtet hätten: »We Americans are provincial. […] We do very well without foreign ideas and foreign goods. We can have no part in the only existing organization for maintaining world peace, because that organization is essentially foreign. We, as a nation, live in isolation – fortunate, splendid isolation!«1767

In diesem Zusammenhang wurden immer wieder Warnungen ausgesprochen, man solle sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Am 15. Jahrestag des Beginns des »desaströsesten Krieges der Geschichte« schrieb der Saturday Review of Literature unter der Überschrift »In Memoriam, 1914«, mit jeder neuen Generation, die den Krieg nicht aus eigener Erfahrung kenne, und mit jedem weiteren Jahr in dieser – mit Shakespeares Richard III. gesprochen – vermeintlich »schlaffen Friedenszeit«, wachse die Gefahr. Es könne nie zu früh damit begonnen werden, jegliche kriegerischen Tendenzen im Keim zu ersticken, meinte die Literaturzeitschrift.1768 Wie die Remarque-Rezeption sichtbar macht, versäumten es viele Journalisten in der Tat, weiter in die Zukunft zu schauen: Was, wenn sich ihr optimistischer Friedenswunsch nicht erfüllte? Was, wenn die USA vor einem erneuten Ausbrechen der europäischen Konflikte nicht mehr die Augen verschließen konnten? Zumindest für alle Fälle bereithalten sollte sich das Land, glaubte unter anderem George Currie. Der Journalist, der im Ersten Weltkrieg 1766 Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4.3, S. 104, sowie Kap. 8.2.2, S. 511–513. 1767 N.N.: Library Notes. 1768 N.N.: In Memoriam.

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für die AEF in Europa im Einsatz war, ließ sich mitnichten als Interventionist bezeichnen. Aber er gehörte zu einer kleinen Gruppe von Verfechtern einer neuen »Preparedness«, da er die Nachkriegsordnung als labil empfand. So sei es töricht zu glauben, dass sich Deutschland mit dem Ergebnis von 1918 abfinden werde – das würden Völker nach einer Niederlage nie tun: » […] Nations never learn a single thing from defeat except new methods for a later shot at victory […].«1769 Und solange Kriege wider besseres Wissen in der Kultur des Menschen verankert seien, gingen Forderungen, einfach an keinem Krieg mehr teilzunehmen, an der Realität vorbei. Dann sei es schon besser, Soldaten zu haben, die sich verteidigen könnten. »So long as man is what he is and fools rush in where angels fear to tread, a man in the field may just as well be as good a soldier as he can«, schrieb Currie unter Verwendung des bekannten Zitats von Alexander Pope aus dessen Gedicht An Essay on Criticism.1770 Wie sich zeigen sollte, lag Currie mit dieser Einschätzung richtig. Mit seinem Skeptizismus war er jedoch in der Minderheit. Die meisten amerikanischen Beobachter unterschätzten den erwachenden Bellizismus insbesondere in Italien und Deutschland in seiner letzten Konsequenz.

7.3.2.5. Maßstab Literatur: Bewertung und Einordnung als Kriegsbuch Typisch für die Rezeption von Remarques Erfolgsroman war, dass sie sich immer wieder vom Text selbst entfernte. Im zeitlichen Verlauf der Debatte war dies zunehmend der Fall, und in Deutschland noch weitaus stärker als in den Vereinigten Staaten. Während im Heimatland des Schriftstellers die literarische Qualität des Buches komplett hinter die hitzig diskutierten politisch-ideologischen Aspekte zurücktrat, war sie in der US-Presse immerhin ein Randthema. Das lag vor allem daran, dass die Zeitungen und Zeitschriften in Amerika All Quiet on the Western Front mehrheitlich als Fiktion einstuften. Und immer dann, wenn Remarque als professioneller Autor betrachtet wurde – und sein Buch entsprechend als Roman und nicht als Dokument –, stieg die Erwartungshaltung an seine schriftstellerischen Fähigkeiten. Diese verglich die Literaturkritik anschließend mit denen anderer in- und ausländischer Autoren des Genres. Hierbei fiel das Fazit meistens positiv aus, aber durchweg bejubelt wurde der Bestseller nicht. Insgesamt war die literarische Qualität jedoch auch in den USA nicht der zentrale Maßstab innerhalb der Remarque-Rezeption. Die Rezensenten bewer1769 George Currie: Passed in Review, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 24. 7. 1929 (89. Jg.), S. 10. 1770 George Currie: Passed in Review, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 3. 7. 1929 (89. Jg.), S. 6.

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teten All Quiet on the Western Front zunächst nach Aspekten wie Authentizität und Repräsentativität, befassten sich dann mit der Wirkung von Remarques Schilderung und bezogen sie in die Debatte über die Folgen des Ersten Weltkriegs mit ein. Anerkennung des Schriftstellers Remarque Überwiegend begegneten die amerikanischen Literaturkritiker dem Schriftsteller mit Wohlwollen. Dies geschah indes nicht immer aus demselben Blickwinkel heraus: Einige Rezensenten würdigten die außerordentliche Kraft und Klarheit seiner Erzählung, die der simplen Sprache zu verdanken sei, während andere dem Schriftsteller ein großes poetisches Talent zuschrieben. Für beiderlei Ansichten finden sich in All Quiet on the Western Front Belege, was unterstreicht, dass es bei der literarischen Bewertung kein Richtig oder Falsch gibt. Zu jenen Journalisten, die einen künstlerischen Touch erst gar nicht erwarteten, gehörte T. S. Matthews. In The New Republic resümierte er : »There is nothing mawkish about it, and nothing ›literary‹ – it is not the artful construction of fancy, but the sincere record of a man’s suffering.« Demnach hätte ein Mehr an literarischer Ausschmückung laut Matthews dem inhärent dokumentarischen Charakter der Erzählung die Authentizität genommen.1771 »Here is a book about the war of […] extraordinary purity and force«, konstatierte auch Margaret Wallace im Bookman. Dabei versuche der Autor weder mit der puren Schilderung des Horrors den Leser zu schocken, noch verfolge er einen rein literarischen, akademischen Ansatz. Gegenüber Remarques Erzählung, fand Wallace daher, würden alle zuvor erschienenen Bücher über den Krieg verblassen – entweder als schlechte Schuljungen-Essays oder als vage, unechte Literatur.1772 Diesem Urteil schloss sich die Redaktion der Catholic World ausnahmslos an. Remarque schreibe unpoliert, unemotional und zeige mit seiner Direktheit alle schrecklichen Facetten des Krieges meisterhaft auf, lobte das katholische Monatsmagazin aus New York: »The author’s style is unfurbished, unapologetic, unemotional. In its masterful directness, it transmits with almost equal force the whole range of the war’s reverberating hell-tones of agony and horror.«1773 Dass Remarque sich als Verfasser nicht in den Vordergrund dränge, hob auch Edith Weigle in der Chicago Daily Tribune hervor: »The author does not impress you with the way he says things but with the things he has to say. The style is unimportant: the subject matter is everything«, betonte die Rezensentin die höhere Relevanz des Inhalts.1774 1771 Matthews: Bad News. Vgl. auch Coley Taylor: All Quiet on the Western Front, in: World Tomorrow, New York, September 1929 (12. Jg.), Bd. 12, S. 377. 1772 Wallace: All Quiet on the Western Front, S. 552. 1773 C.M.: New Books. 1774 Weigle: New War Book.

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Etwas elaborierter als seine Vorredner ordnete Karl Schriftgiesser den Stil des Schriftstellers ein. Das Buch sei eine kraftvolle Prosa voller Grauen, Schönheit und echter Emotion. Es habe selbst Monate nach der ersten Lektüre nichts an seiner Wirkung auf ihn verloren, ließ der Journalist bei seinem Jahresrückblick auf die Buchwelt 1929 im Boston Evening Transcript wissen: »I have put it through a severe test. I have reread it. The thrill of the first reading, the awe and the sense of horror at war – in fact all the sensation which came upon me when it was a new book came back again. That is usually a good test of a book’s merit.«

Das, so Schriftgiesser, liege auch am literarischen Wert von Remarques Roman: »From a purely literary point of view, [the book] deserved all the praise that was heaped upon it.«1775 Die Lokalzeitung Winona Republican-Herald, die das Buch als Fortsetzungsroman abdruckte, erkannte in Remarque als »neuem Literaturgenie der Welt« ebenfalls dichterische Größe: »As a novel this book is a masterpiece. The story is told with utmost frankness and with flashes of poetic grandeur.«1776 Ein Satz wie »He is entirely alone now with his little life of nineteen years, and cries because it leaves him« sei bei allem Horror voller Poesie, lobte das Nachrichtenmagazin Time.1777 Und laut Frank Ernest Hill, Autor und Literaturkritiker der New York Herald Tribune, war All Quiet on the Western Front sogar auf dem Niveau einer Ibsen-Tragödie, wozu vor allem die Schärfe des Ausdrucks und der Detailreichtum beitrügen: »It is a book that strikes a succession of hard, inescapable blows. In this sense it is a work of art. For only because of its economy of design, its compactness of episode and its trenchancy of utterance has it managed to fuse the almost unmanageable minutiae of war material into a narrative that has the lean savagery of an Ibsen tragedy.«1778

Dagegen bezeichnete Joseph Wood Krutch den Stil des Schriftstellers in der intellektuellen Wochenzeitschrift The Nation wohlwollend als leicht naiv. Dies liege aber nicht an zu wenig, sondern an zu viel Erfahrung – gemeint war damit Remarques Kriegserlebnis. »He has given up rhetoric because it is inadequate and given up analysis because he has gone through more than can ever be analyzed.« Diese Simplizität sei das einzige Mittel, das eigentlich Unaussprechliche zu Papier zu bringen.1779

1775 Karl Schriftgiesser : Through the Year in the Book World, in: Boston Evening Transcript, 4. 1. 1930 (101. Jg.), S. 1f. (Book Section). Vgl. auch ders.: All Quiet on the Western Front. 1776 Ankündigung von All Quiet on the Western Front (22. 7. 1929 und 23. 7. 1929). 1777 N.N.: The Horror of the World. 1778 Hill: Destroyed by the War, S. 2. 1779 Krutch: Glorious War.

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Begutachtet wurde im Kontext der literarischen Qualität auch die Übersetzung Arthur Wesley Wheens, die nie ganz unumstritten war.1780 In der amerikanischen Presse schieden sich gleichermaßen die Geister daran, wobei eine knappe Mehrheit der Journalisten die Arbeit des früheren Frontsoldaten aus Australien anerkannte. Für die Gesamtbewertung des Romans war die Übersetzung indes kein entscheidender Faktor.1781 Infragestellung der literarischen Qualität Auch kritische Stimmen meldeten sich zur schriftstellerischen Leistung Remarques zu Wort; unter dem Strich mehr als zum Inhalt selbst. Vermisst wurde unter anderem ein klassischer Plot. Ferner fehle dem Buch die kompositorische Note, um es zur großen Literatur zu zählen, hieß es. Folglich wünschten sich jene Rezensenten, die so argumentierten, gerade mehr künstlerische Ausschmückung und weniger Dokumentation. Zum Beispiel fand Thomas F. Ford in der Los Angeles Times, dass Remarque mit seinem schlichten Stil zwar bis auf den Grund des schrecklichen Themas durchdringe, ihm aber die Passion und Ausdrucksstärke eines Henri Barbusse fehle. »I am not […] ready to give this work the final palm as the greatest of the war stories«, urteilte Ford über All Quiet on the Western Front.1782 Ähnlich äußerte sich Margaret H. Irish in The Living Age, ungeachtet ihrer weithin positiven Rezension des Romans. Die Tonalität Remarques war ihr – abgesehen von einigen Passagen mit hoher lyrischer Qualität – schlicht zu nüchtern: »I am not sure that this will prove to be the greatest human document of the War. There is another book, Le Feu, by Henri Barbusse, which is a powerful denunciation of war, written in the heat of the tumult. It is a more intellectual work, and more strongly partisan than All Quiet on the Western Front. The Frenchman is passionate and denunciatory, whereas Remarque is calm.«1783

Noch deutlicher stellte Alexander Bakshy in The Nation den literarischen Wert von All Quiet on the Western Front infrage. Der Stil des Schriftstellers sei ihm 1780 Vgl. hierzu Kap. 5.1, S. 122. 1781 Margaret H. Irish etwa lobte Wheens Übersetzung in The Living Age: »The translation is picturesque because it is faithful, almost literal.« Dagegen stellte E. M. Benson im Outlook and Independent fest: »What is lost in translation is that brooding quality, that lyric pensiveness which our language cannot capture, and which the German has as his heritage.« Vgl. Irish: Views and Reviews, S. 394, sowie Benson: New Novels. Weitere Kommentare zur Übersetzungsqualität finden sich bei Matthews: Bad News; Hill: Destroyed by the War, S. 2; N.N.: Lost Generation Shown Among Horrors of War ; James B. Wharton: More from the Front, in: The Nation, New York, Nr. 3345 vom 14. 8. 1929 (65. Jg.), Bd. 129, S. 173, sowie N.N.: War Novel for German Class is Received Friday, in: Coe College Cosmos, Cedar Rapids, Nr. 20 vom 30. 1. 1930 (41. Jg.), Bd. 40, S. 1. 1782 Ford: Grim War Picture Painted. 1783 Irish: Views and Reviews, S. 394.

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insgesamt zu inartikuliert und arglos, schrieb er in einem Artikel zur Romanverfilmung im Juni 1930 rückblickend. Nahezu jede Seite verlange ein besonderes Vorstellungsvermögen, um die einzelnen Episoden und Fakten in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Daher sei das Buch mit Sicherheit kein Meisterwerk der Literatur : »There can be little doubt that Remarque’s ›All Quiet‹ is not a great literary masterpiece«, so Bakshy. Dennoch räumte er ein, der deutsche Schriftsteller habe ein menschliches Dokument geschaffen, das den Horror des Krieges so mutig darstelle wie kein anderes zuvor.1784 Louis Kronenberger ging in der New York Times stärker auf den Inhalt des Buches ein und machte dessen spirituelle Tiefe zum Maßstab literarischer Qualität. Wie die meisten seiner Journalistenkollegen bezeichnete er All Quiet on the Western Front zwar als außerordentlich lebhafte Erzählung vom Krieg, welche die physischen Torturen der Soldaten beeindruckend wiedergebe. Auf der geistigen Ebene fand der Rezensent Remarques Roman aber zu begrenzt. So sei es kaum zu glauben, dass die Soldaten maschinengleich immer weiter funktioniert hätten, ohne die Kriegsursachen – oder zumindest ihre eigene Verantwortung – zu reflektieren. Deshalb sei das Buch kein großes Stück Literatur, lautete das Fazit Kronenbergers in seiner trotz allem freundlichen Rezension: »It has not the depth, the spiritual insight, the magnitude which make up a great book. But as a picture, a document, an autobiography of a bewildered young mind, its reality cannot be questioned.«1785 Von der literaturwissenschaftlichen Warte aus beurteilte William Lyon Phelps, Professor für Englische Literatur an der renommierten Yale University, den Bestseller Remarques. Er konstatierte, das Buch rufe beim Leser kaum Emotionen hervor (womit er eine Einzelmeinung vertrat)1786, obschon es gut geschrieben sei und den modernen Krieg wahrheitsgemäß schildere. Insgesamt stelle die aktuelle Kriegsliteratur aber kein überragendes Schrifttum dar, weil sie die damals herrschenden Zustände nur dokumentiere, zitierte der Brooklyn Daily Eagle den Professor weiter : »Dr. Phelps is not of the opinion that war novels of the present time are particularly outstanding, as they are merely recitations of a state of affairs that existed in the recent war.«1787 Mit weiterer Kritik aus dem akademischen Spektrum wartete der am Williams College in Williamstown lehrende französische Professor Jean Norton Cru auf. Selbst als Unteroffizier an der Front gewesen, warf Cru Remarque und anderen Schriftstellern wie Barbusse vor, das Makabre überzubetonen und militärische Gegebenheiten fehlerhaft beschrieben zu haben. Die Bücher hätten damit keinen 1784 1785 1786 1787

Bakshy : Films. Siehe auch Kap. 7.3.3.1, S. 413. Kronenberger : War’s Horror. Vgl. zur emotionalen Ergriffenheit sehr vieler Rezensenten Kap. 7.3.2.1, insb. S. 332f. N.N.: MacDonald Visit Is Seen Greatest Event of Year by Dr. Phelps in Academy Talk, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 14. 10. 1929 (89. Jg.), S. 11.

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historischen Wert, zitierte die New York Times den Professor im Dezember 1929 und noch einmal mit den gleichen Argumenten im November 1930. Dabei relativierte die Zeitung Crus Aussagen und meinte, dass Kriegserlebnisse so individuell gewesen seien wie jeder Mensch, der sie durchlebt habe. Es gebe daher nicht die eine – einzig richtige – Wahrheit.1788 Die Ausführungen zur literarischen Qualität von All Quiet on the Western Front verdeutlichen, dass es hier vonseiten der Rezensenten durchaus Einwände gab. Entscheidend beim Ansetzen ihrer Bewertungsmaßstäbe war, ob die Betrachter das Buch eher als Kunst oder als Dokument rezipierten. Die daraus abgeleitete Kritik bezog sich allerdings fast ausschließlich auf den Stil und so gut wie nie auf den Inhalt. Es wurde auch nicht versucht, den Inhalt über Stilfragen zu diskreditieren. Denn anders als in der politisierten deutschen Debatte hatten die amerikanischen Journalisten keine Motivation, das Buch schlechtzumachen. The Road Back und die Geschichte der ›verlorenen Generation‹ In der Rezeption von All Quiet on the Western Front wurde vereinzelt bedauert, dass Remarque den Zusammenbruch der deutschen Armee und die Rückkehr der desillusionierten Soldaten nicht gesondert thematisiert hatte: »The weakness of his book is that he refused to face the breakup of his army, something that millions of Germans had to face«, stellte George Currie im Juli 1929 im Brooklyn Daily Eagle im Zuge seiner Rezension von Ludwig Renns War fest, nachdem er All Quiet on the Western Front sechs Wochen vorher prinzipiell gutgeheißen hatte. Während es Remarques Verdienst bleibe, den modernen Krieg so realistisch wie nie zuvor beschrieben zu haben, sei Renn der Psychologie der Niederlage und deren Folgen näher gekommen.1789 Genau das Thema der gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des Krieges sollte Remarque in seinen beiden Nachfolgewerken aufnehmen. Doch dies war im Sommer 1929 nicht absehbar. Für Außenstehende schien es fraglich, ob der deutsche Schriftsteller nach seinem weltweiten Bestseller überhaupt noch einmal ein Buch schreiben würde, zumal er sich selbst skeptisch dahingehend geäußert hatte.1790 Als Remarque mit The Road Back die Geschichte von Paul Bäumers Generation dann konsequent weitererzählte, stieß dies in der amerikanischen Presse auf viel Zuspruch – sowohl von der inhaltlichen als auch der literarischen Perspektive aus. Der Autor habe damit sein Können als Schriftsteller bestätigt und bewiesen, dass All Quiet on the Western Front keinesfalls 1788 N.N.: A Critic of War Literature, in: New York Times, 22. 12. 1929 (79. Jg.), S. E4. Vgl. auch die Erneuerung der Kritik durch Cru in N.N.: Attacks War Books, in: New York Times, 19. 11. 1930 (80. Jg.), S. 14. 1789 Currie: Passed in Review (24. 7. 1929). Siehe auch T. S. Matthews: Notes on Novels, in: The New Republic, New York, Nr. 767 vom 14. 8. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, S. 349. 1790 Vgl. Kap. 7.3.2.1, S. 341.

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eine Eintagsfliege gewesen sei, hieß es. »The character of Remarque’s achievement is no longer in doubt. He has created another book worthy to set beside his first«, urteilte beispielsweise Margaret Wallace in der Literaturfachzeitschrift Bookman: »The Road B ack lacks something of the force and direction, even something of the cruelty, of Al l Qui et on the Wester n Front. […] But the view of life which it contains is broader and mellower, and more inclusive. Remarque has encompassed in this volume, not the problem of a single man, but the problem of a generation. His prose, suitable as it was before, has become infinitely stronger […].«1791

Die Kriegsliteraturwelle und ihre Ursachen Der sensationelle Erfolg von Erich Maria Remarque veranlasste die Journalisten, sich mit dem Phänomen der neuen Kriegsliteratur im Allgemeinen zu beschäftigen. Sie fragten sich: Warum erheben die »Doughboys«, »Poilus«, »Tommies« oder »Feldgrauen« gerade jetzt, zehn Jahre nach Kriegsende, ihre Stimme? Und warum werden diese Männer auf einmal mit so viel Interesse erhört? Es sei nachvollziehbar, dass die individuelle Verarbeitung der traumatischen Erfahrungen an der Front Zeit gebraucht habe, versuchte sich Frank H. Simonds im Saturday Review of Literature an einer Erklärung. Die Erlebnisse seien zu gravierend gewesen, um sie gleich in Worte zu fassen. Und da die Soldaten schon im Krieg gemerkt hätten, dass an der Heimatfront niemand ihre Gefühlswelt nachvollziehen konnte, seien sie – voller Desillusion und Verdruss – schlichtweg verstummt: »The soldier passed from initial irritation to consuming anger and at last to sullen hopelessness. He abandoned the last faint hope that the rest of the world could understand the truth about his war and succumbed to a weariness beyond all expression.«1792 In der Folge habe bei den Veteranen ein Verdrängungsprozess eingesetzt, verbunden mit dem ausgeprägten Wunsch, das Grauen zu vergessen, glaubte AP-Korrespondent Massock.1793 Mindestens ebenso stark sei der zivile Teil der Gesellschaft darauf aus gewesen, die Kriegsjahre hinter sich zu lassen – in den Vereinigten Staaten noch mehr als im direkt betroffenen Europa, hieß es weiter. »Everywhere in America, people, and particularly those people who had not suffered directly by the war, or who had even profited materially from it, seemed anxious to be allowed to forget the appalling phenomen as speedily as possible«, blickte Margaret Wallace 1791 Margaret Wallace: The Road Back by Erich Maria Remarque, in: Bookman, New York, Nr. 6, August 1931 (37. Jg.), Bd. 73, S. 637 und 639. Vgl. auch Driscoll: The World And All (11. 5. 1931). 1792 Simonds: The Anniversary. 1793 Richard Massock (AP): Scanning New Books, in: Winona Republican-Herald, 20. 7. 1929 (75. Jg.), S. 4.

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in der New York Times zurück.1794 Daher habe es lange keinen Markt für die Niederschrift des wahren Fronterlebnisses gegeben. Denn entweder hätte die Öffentlichkeit mit Desinteresse reagiert oder die Wahrhaftigkeit der Darstellungen infrage gestellt, führte Jennie Franklin Purvin im Sentinel aus. »There was little encouragement for outspoken revelation in the years close following upon the conflict […]«, analysierte auch der San Francisco Chronicle. »And few publishers risked the uncertainties of thrusting war stories into an apparently hostile market.«1795 Von wenigen Ausnahmen wie Henri Barbusses Under Fire, Andreas Latzkos Men in War oder John Dos Passos’ Three Soldiers abgesehen, erschien bis Mitte der 1920er Jahre kaum ein realistischer, kriegskritischer Text in den USA, der es auf eine nennenswerte Auflage brachte. Stattdessen beschrieben Staatsmänner, Diplomaten, Heeresführer und gebildete Schreiber den Krieg, seine Ursachen und Folgen weiterhin auf ihre abstrakte Art und Weise – also jene, die stets im Bett stürben, höhnte Charles B. Driscoll im Winona Republican-Herald.1796 Das Fehlen von Authentizität in diesen Werken habe das letzte verbliebene Interesse an dem Sujet vernichtet, erläuterte Frank Parker Stockbridge im Fachblatt Bookman.1797 Nun aber, nach vielen Jahren des Schweigens und der Verdrängung, machten die einfachen Soldaten mit ihren ungeschönten Schilderungen von der Front das ganze Leid konkret und menschlich, würdigte Purvin: »[…] The struggle became ever and ever more graphic until it assumed an importance greater by far than a mere disputation over national rights and territories. For it was becoming human. It was drawing nearer to our understanding.« Dies komme einem Wunder gleich und liege allein am neuen Charakter der Darstellungen vom Krieg, an deren Spitze All Quiet on the Western Front stehe, betonte die Journalistin: »Remarque, the author, spares neither himself nor the public in his writing. He has chosen to tear the veil of secrecy from the life of a common man in the army and to tell us in petty detail what it means to give up every particle of human comfort, human thought and feeling and to become instead nothing more than a piece of unfeeling machinery […].«1798 1794 Margaret Wallace: Sarajevo to Versailles in a War Anthology, in: New York Times, 13. 7. 1930 (80. Jg.), S. 59. 1795 Purvin: A Very Modern Uncle Tom’s Cabin, S. 7; N.N.: Few Noteworthy Fictions Tell Soldiers’ Story. Vgl. auch Kap. 5.3.2, S. 147. 1796 Driscoll: The World And All (11. 5. 1931). 1797 F. P. S.: The Bookman’s Monthly Score, in: Bookman, New York, Nr. 4, Dezember 1929 (35. Jg.), Bd. 70, S. 464. 1798 Purvin: AVery Modern Uncle Tom’s Cabin, S. 7. Vgl. auch N.N.: In Memoriam. Dort hieß es: »Fortunately the soldiers at least seem to have determined that if they have anything to say about it war shall be known as what it is.«

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All Quiet on the Western Front als Messlatte für ein ganzes Genre Erwartungsgemäß wurden alle nach Remarques Roman verlegten Bücher über den Ersten Weltkrieg am Werk des deutschen Schriftstellers gemessen – in ganz Europa, aber selbstverständlich auch in den USA. »Books in the war continue to be as popular as ever«, beobachtete das monatlich erscheinende Overland Monthly and Out West Magazine1799 im April 1930. »The critics are reviewing ravenously ; night after night they sit up to scribble blurbs which intimate that the newest book is not alone greater than All Quiet on the Western Front, but by far the most gripping yet produced«, schrieb die Zeitschrift mit unverkennbarer Ironie.1800 Entgegen einzelner Behauptungen aus dem geschäftigen Literaturbetrieb, dass es wieder ein neues ›bestes Buch‹ über den Krieg gebe, hielt die Mehrheit der amerikanischen Rezensenten Remarques Schilderung innerhalb des Genres für unerreicht. »The output of war-novels […] continues steadily, although none has as yet appeared that threatens the supremacy of Erich Maria Remarque’s All Quiet on the Western Front«, machte der einflussreiche Kritiker Herschel Brickell im September 1929 stellvertretend für viele seiner Kollegen klar.1801 Nicht jeder allerdings gönnte Remarque den Erfolg. So gab die Schriftstellerin Mary Lee zu, dass sie bewusst einen Bogen um das Buch gemacht habe. Ferner bezweifelte sie, dass All Quiet on the Western Front Rekordverkäufe erzielt hätte, wenn der Roman erst Ende 1929, das heißt inmitten der einsetzenden Rezession, veröffentlicht worden wäre. Zudem seien die Leser inzwischen ein wenig mit Kriegsliteratur übersättigt. Dass andere, ebenso gute Titel wie The Cross Bearers von Alexander Moritz Frey1802 oder die von einem anonymen Autor verfasste Geschichte von Schlump: The Story of a German Soldier1803 nicht annähernd die 1799 1868 in San Francisco ins Leben gerufen und 1883 neu gegründet, widmete sich das Magazin Overland Monthly Kunst, Dichtung und lokalen Themen in Kalifornien. Zu den frühen Autoren zählten die noch relativ unbekannten Jack London, Willa Cather und Gertrude Atherton. 1923 fusionierte das Blatt mit Out West zum Overland Monthly and Out West Magazine. 1935 wurde es eingestellt. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 3, S. 402–409. 1800 D. J. H.: Good-Bye to All That, in: Overland Monthly and Out West Magazine, San Francisco, Nr. 4, April 1930 (63. Jg.), Bd. 88, S. 120. Vgl. auch Eugene Lohrke: War in Perspective, in Forum, New York, Nr. 6, Dezember 1930 (45. Jg.), Bd. 84, S. XX. 1801 Herschel Brickell: The Literary Landscape, in: North American Review, Boston, Nr. 3, September 1929 (115. Jg.), Bd. 228, S. 5 (North American Review Advertiser). 1802 Der Originaltitel lautete Die Pflasterkästen. Ein Feldsanitätsroman. Das Buch erschien in Deutschland im Frühjahr 1929 nach Im Westen nichts Neues und die englische Übersetzung 1930. 1803 Unter dem Titel Schlump. Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des unbekannten Musketiers Emil Schulz, genannt »Schlump«, von ihm selbst erzählt wurde das kriegskritische Buch fast zeitgleich mit Remarques Roman in Deutschland veröffentlicht. Die englische Übersetzung kam jedoch erst im Oktober 1929 auf den Markt.

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Auflagenzahlen von All Quiet of the Western Front erreichten, erklärten Zeitgenossen wie Lee damit, dass sie schlichtweg später erschienen als Remarques Roman.1804 Im Übrigen reiche es, fand Lee, ein Buch der Gattung zu lesen, denn im Wesen unterschieden sie sich nur marginal. Ihr persönliches »›tin hat‹ book« sei Dos Passos’ Three Soldiers gewesen – zu einer Zeit, als es am ungeschönten Fronterlebnis noch kein großes Interesse gegeben habe. Deutsche Kriegsliteratur im Vergleich mit Remarque Infolge der Remarque-Sensation wurden viele andere deutsche Kriegsbücher in Amerika genau betrachtet und überwiegend positiv aufgenommen. Das betraf neben der nicht uneingeschränkt gelobten Geschichte über Schlump1805 unter anderem Emil Ludwigs historische Reportage July 14, Ernst Glaesers Roman Class of 1902 und Ernst Johannsens Four Infantrymen on the Western Front.1806 Zu letzterem meinte die New York Times im Mai 1930, es sei eine der wenigen Neuerscheinungen im Bereich der Kriegsliteratur, die den Vergleich mit All Quiet on the Western Front nicht scheuen müssten: »The western front has been getting louder and louder for the last year. It is a poor month which does not bring out a book which is advertised as ›another ›All Quiet‹,’ and the public has learned to taste these successive baths of mud, blood and misery with philosophic self-control. Here, however, is a war book that is worthy of Remarque.«

Johannsens Buch, schrieb die New York Times weiter, sei eine eindringliche philosophische Diskussion über die menschliche Dummheit, die zur Katastrophe des Weltkriegs geführt habe. Aus Four Infantrymen on the Western Front spreche ein tief verwurzelter Pazifismus, der ohne jegliche Sentimentalität 1804 Vgl. Lee: Life at the Front; Brickell: Schlump, S. 334, sowie E. M. Benson: Germany at War, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 21 vom 14. 12. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, S. 556. Ähnlich wie Lee über Frey schrieb E. M. Benson über Schlump: »If [it] had had the good fortune to be published in this country before ›All Quiet on the Western Front,‹ it would […] have gratified our increasingly voracious war inquisitiveness to an even greater degree than Mr. Remarque’s world-famous chronicle. Coming at a time, however, when the common reader is being recommended to take a larger dose of war fiction than he can comfortably swallow, it is unlikely that ›Schlump‹ will be widely read.« 1805 Louis Kronenberger äußerte sich in der New York Times nur bedingt begeistert: »›Schlump‹ is not well done. It is not badly done; it is articulate, sometimes vigorous, occasionally rich with life; but as writing it is purposeless, pushing on toward no recognised goal, guided only by the chronology of four years of fighting […].« Louis Kronenberger: Two More War Stories From Germany, in: New York Times, 17. 11. 1929 (79. Jg.), S. BR5. 1806 Vgl. u. a. Gabriele Reuter : Germany Still Ponders on the War, in: New York Times, 18. 8. 1929 (79. Jg.), S. 7. Ludwigs und Glaesers Bücher erschienen 1929 in englischer Sprache, während Johannsens Roman ein Jahr später in der Übersetzung verfügbar war. Für Details zu den Titeln siehe Kap. 5.3.1, S. 140f. und 143, sowie S. 437, Anm. 1972.

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präsentiert werde.1807 Auf Augenhöhe mit Remarque wurde sonst noch Arnold Zweig mit The Case of Sergeant Grischa gesehen. Das in Deutschland breit rezipierte und sehr umstrittene Buch erschien bereits 1928 in Englisch und gehörte zur kleinen Zahl von Genrevorgängern, an denen sich All Quiet on the Western Front messen lassen musste.1808 Lobende Rezensionen bekam auch Ludwig Renns Buch War, das im In- und Ausland stets in einem Atemzug mit Remarque genannt wurde. Renn beschreibe in seiner mutigen Geschichte des einfachen Fußsoldaten in simpler, aber sehr präziser Sprache das physische und emotionale Chaos, in das die Männer hineinkatapultiert wurden, konstatierte die Mehrheit der amerikanischen Literaturkritiker. Es hätte wie All Quiet on the Western Front von jedem Infanteristen des Weltkriegs, gleich welcher Nationalität, stammen können.1809 War wurde zunächst überwiegend als dokumentarisch eingestuft. »Renn’s story is less of a novel than a concentrated diary of a solider’s daily experiences«, fand APJournalist Massock.1810 Erst als mehr Details zu Renns Hintergrund bekannt wurden, insbesondere seine adelige Abstammung und hochrangige militärische Laufbahn, sah man seine Schilderung – wie zuvor auch bei Remarque – nicht mehr als komplett autobiografisch an. Das schmälere aber nicht ihren Wahrheitsgehalt, hieß es.1811 Die Weltkriegsveteranen Leonard H. Nason und George Currie etwa merkten anerkennend an, dass Renn nichts beschönige, nicht interpretiere, sondern schlicht den grausamen Dienst beschreibe, den er und seine Kameraden im Krieg tun mussten. »There are no trimmings in this book […], no trick lighting effects, no attempt at philosophizing«, so Nason. Genau die unverzierte Darstellung entspreche dem widerwärtigen Wesen des Krieges, schrieb der Autor von Frontbüchern wie Chevrons und Sergeant Eadie.1812 Ge1807 N.N.: »Winds of Gobi« and Other Recent Works of Fiction, in: New York Times, 25. 5. 1930 (80. Jg.), S. 67. 1808 Vgl. Ford: Grim War Picture Painted; Brickell: The Literary Landscape (August 1929), S. 5; Lohrke: War in Perspective, S. XX; Rose: August Reading. The Case of Sergeant Grischa wurde im Dezember 1928 vom Book-of-the-Month Club auch zum »Buch des Monats« gekürt. Vgl. Anzeige des Book-of-the-Month Club, in: Forum, New York, Nr. 6, Juni 1929 (44. Jg.), Bd. 81, S. XIII. Zu Arnold Zweig und seinem Erfolgsroman siehe u.a. S. 226, Anm. 1052. 1809 Vgl. N.N.: Renn, Ludwig. War, in: Booklist, Chicago, Nr. 2, November 1929 (25. Jg.), Bd. 26, S. 72; Leonard H. Nason: War As It Is, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 6 vom 31. 8. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, S. 88, sowie N.N.: All Quiet on the Western Front, in: Review of Reviews, New York, Nr. 2, August 1929 (40. Jg.), Bd. 80, S. 90. 1810 Richard Massock (AP): The Literary Guidepost, in: Daily Illini, Champaign-Urbana, Nr. 269 vom 24. 7. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, S. 4. Vgl. auch Geoffrey Fraser: War Unmasks as Death Amid Dirt in German Books, in: Chicago Daily Tribune, 8. 6. 1929 (83. Jg.), S. 9, sowie Brickell: War at the Front. 1811 Vgl. u. a. Wharton: More from the Front, sowie Frank Swinnerton: Renn War Book, Shown Fiction, Still Is Good, in: Chicago Daily Tribune, 22. 6. 1929 (83. Jg.), S. 10. 1812 Nason: War As It Is.

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fangen in diesem Raum der Gewalt, hätten die Soldaten gar keine Möglichkeit zum Philosophieren, fügte Currie an: »Soldiers in the field have no time to speculate upon the wastefulness and grandeur and insanity of war. To do so leads only to raving madness.«1813 Obwohl in War wirkliche Reflexion fehle, führte Herschel Brickell aus, wirke Renns distanzierte Kriegsbeschreibung abschreckend, weshalb sie inhärent pazifistisch sei. Demnach betrachtete er den Text als wichtigen Beitrag zur wahren Geschichte des Weltkriegs.1814 Jene Rezensenten, die Renns schlichten Stil schätzten, fanden, gerade die Reduktion lasse das Buch authentischer wirken als das schriftstellerisch ausgefeiltere All Quiet on the Western Front.1815 Andere wiederum bezeichneten die Sprache in War als statisch und unemotional. Sie urteilten, Renn habe als Autor nicht die subjektive Tiefe von Remarque – entsprechend sei sein Buch psychologisch seichter.1816 So kam T. S. Matthews in The New Republic zu dem Fazit, dass War, obwohl genauso »wahrheitsgetreu« wie All Quiet on the Western Front, den Leser nicht so stark berühre: »Herr Renn has not, as his predecessor has done, pierced through our minds and shaken our hearts.«1817 Die geringere emotionale Fesselung war wohl auch ein Grund, warum War bzw. Krieg nicht annähernd so hohe Auflagen erzielte wie Remarques Roman. Philipp Witkops ins Englische übersetzte Feldpostsammlung wurde ebenso in den USA besprochen. Die Briefe der deutschen Studenten hätten sie sehr berührt, schrieb Elisabeth E. Poe in der Washington Post1818. Zum einen illustrierten sie die fürchterliche Sinnlosigkeit des Krieges. Zum anderen zeigten sie, dass der von Propaganda getriebene Hass auf den Feind im Kriegsverlauf dem Gedanken der Völkerversöhnung gewichen sei. Als Beleg führte Poe eine Neujahrsszene an, in der deutsche und britische Soldaten gemeinsam musizieren, 1813 George Currie: Passed in Review, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 24. 7. 1929 (89. Jg.), S. 10. 1814 Brickell: War at the Front. Siehe auch N.N.: War by Ludwig Renn (Notes on New Books), in: Bookman, New York, Nr. 2, Oktober 1929 (35. Jg.), Bd. 70, S. XXIX (The Bookman Advertiser). 1815 Vgl. u. a. Wharton: More from the Front, sowie N.N.: All Quiet on the Western Front (Review of Reviews), S. 90. 1816 Vgl. Brickell: The Literary Landscape (September 1929), S. 5, sowie ders.: The Literary Landscape (April 1930), S. 4. Siehe auch N.N.: Remarquable, in: Time, New York, 5. 8. 1929 (7. Jg.), und Louis Kronenberger : Four Years in the Front Line Trenches, in: New York Times, 4. 8. 1929 (79. Jg.), S. BR4. 1817 Matthews: Notes on Novels. 1818 Unter der Leitung Edward B. McLeans (seit 1916) war die 1877 gegründete Washington Post im Ersten Weltkrieg eine der wenigen antibritisch eingestellten Zeitungen. Den Republikanern nahe stehend, lehnte das tendenziell isolationistische Blatt den Völkerbund ab. Auflage (73.000 Exemplare) und Ansehen waren seinerzeit nicht annähernd so groß wie heute. Vgl. Roberts: The Washington Post, S. 125f. und 147–149; Müller : Weimar im Blick der USA, S. 52f.

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getrennt nur von wenigen Metern Niemandsland. Dieser Geist werde auch in der Edition der German Students’ War Letters sichtbar : »The book was published by an American firm and printed in London, showing how completely peace now abides between erstwhile enemies.«1819 Dass Witkops Briefsammlung eine geschönte Auswahl war, das heißt mehr patriotische als dezidiert kriegskritische Äußerungen enthielt, arbeitete Poe nicht hinaus. Sonst wäre sie wohl zu einem anderen Fazit gekommen. Etwas differenzierter besprach Gabriele Reuter1820 in der New York Times die erstmals 1916 veröffentlichte Sammlung. Sie sei immer noch relevant und bewegend, da aus ihr die Seele der deutschen Jugend mit all ihrer naiven Begeisterungsfähigkeit spreche. »As we read these records we realize that it was the flower of our nation which was cut off – our youths of 17 to 22, taken out of school, out of the lecture hall and their own world, still enveloped in the perfumed warmth of their homes.« Die Berliner Korrespondentin räumte aber ein, Witkop hätte mehr Stimmen der vollkommenen Verzweiflung zu Wort kommen lassen sollen, die es angesichts des Kriegshorrors zuhauf gegeben haben müsste.1821 Aus der Literaturecke des Soldatischen Nationalismus fanden Franz Schauwecker mit The Fiery Way und Ernst Jünger mit Storm of Steel ihren Weg in die USA. Beide Werke waren bereits Jahre zuvor in Deutschland erschienen, doch erst im Zuge der Kriegsliteraturwelle ins Englische übersetzt worden.1822 Vor allem Jünger stieß auf durchaus positive Kritik, wobei die Rezensenten seinen ideologischen Standpunkt nicht immer auf Anhieb identifizierten. Manche sahen Jünger sogar als Mitglied eines Trios mit Remarque und Renn an, das den Krieg in einer bislang nicht gekannten Offenheit beschrieben habe. Storm of Steel sei ein authentischer Bericht, der das systematische Abschlachten an der Front ohne jegliche Romantik beschreibe, würdigte beispielsweise E. M. Benson im Saturday Review of Literature. Sein Verfasser mache erst gar nicht den Versuch, die Ethik des Krieges zu diskutieren: »His aim, as he states it, ›is to deal with the experience of war purely.‹ This he does to our complete satisfaction.« Dass Jünger und seine Kameraden mit voller Leidenschaft fürs Vaterland

1819 Elisabeth E. Poe: Books, in: Washington Post, 19. 1. 1930 (54. Jg.), S. 78. 1820 Gabriele Reuter hatte im Deutschen Kaiserreich mit Büchern wie Aus guter Familie und Ellen von der Weiden Bekanntheit erreicht. In Berlin und später in Weimar lebend, schrieb Reuter in den 1920er Jahren als Literaturkritikerin u. a. für die New York Times. Vgl. IB: Reuter, Gabriele, in: Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 12, Sp. 1073–1075. 1821 Reuter : Germany Still Ponders on the War, S. 7. Vgl. zur Edition von Witkops Briefsammlung S. 66, Anm. 197. 1822 Jüngers In Stahlgewittern wurde erstmals 1920 veröffentlicht. Übersetzt wurde das Buch auf Basis der 1924er Fassung 1929 als Storm of Steel. Schauweckers Der feurige Weg kam 1926 heraus, während die englische Übersetzung The Fiery Way ebenfalls erst 1929 erschien. Vgl. zur nationalistischen Kriegsliteratur Kap. 5.3.1, S. 133–140.

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kämpften und in der Schlacht sogar eine makabre Genugtuung fanden, konnte Benson ein Stück weit nachvollziehen.1823 Weniger gut bewertet wurde unterdessen Georg Grabenhorsts aus Offizierssicht erzählte Geschichte Zero Hour.1824 Das Buch beschreibe kaum etwas, das noch nicht von anderen Autoren gesagt wurde, urteilte Louis Kronenberger in der New York Times. Mit All Quiet on the Western Front könne Zero Hour bei Weitem nicht mithalten: Es sei weniger anschaulich und wahrhaftig und habe einen deutlich geringeren literarischen Wert. »It is neither a very powerful novel nor a really direct and compulsive document […]«, so der Rezensent.1825 Keines der knapp ein Dutzend vorgenannten deutschen Kriegsbücher war in den USA auflagenmäßig auch nur annähernd so erfolgreich wie Remarques Bestseller. Hinsichtlich der literarischen Qualität konnte ebenso kaum ein Buch aus Deutschland die Messlatte All Quiet on the Western Front übertreffen, waren sich die Rezensenten einig. Dennoch nahm die amerikanische Presse die meisten Beiträge aus Remarques Heimatland mit Wohlwollen auf. Dies galt erstaunlicherweise unabhängig von der inhaltlichen Heterogenität der Bücher, die von Renn und Zweig über Witkop bis hin zu Jünger ein weites Spektrum abdeckten. Die Erklärung ist darin zu suchen, dass das in der Ära Stresemann gerade erst entstandene freundliche Bild vom friedliebenden Deutschen auf die Literaturkritik abfärbte. Über ideologische Nuancen in den Texten, vor allem nationalistische, wurde so nicht selten hinweggesehen.

Englischsprachige Kriegsliteratur im Vergleich mit Remarque Die hohe Wertschätzung von All Quiet on the Western Front in der amerikanischen Presse bestätigt sich in der internationalen Betrachtung. Dabei war der Literaturimport aus Deutschland für die meisten vor- und nachher erschienenen englischsprachigen Kriegsbücher kein wirklicher Qualitätsmaßstab, zumal viele im Zuge der Kriegsliteraturwelle herausgekommene Titel schnell wieder in der Versenkung verschwanden. Lediglich eine Handvoll Frontschilderungen, die es zu größerer Aufmerksamkeit gebracht hatten, konnten aus Sicht der Journalisten mit der Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden mithalten. Dazu zählten aus England R. C. Sherriffs Drama Journey’s End (1928) sowie die Memoiren von Edmund Blunden (Undertones of War, 1928) und Robert Graves (Good-Bye to All That, 1929). In den USA wurde häufig auf John Dos Passos’ Three Soldiers (1921) sowie Laurence Stallings’ autobiografischen Roman Plumes (1924) 1823 Benson: Germany at War. 1824 Unter dem Originaltitel Fahnenjunker Volkenborn war Grabenhorsts Buch 1928 in Deutschland verfügbar, bevor es ein Jahr später auch auf den englischsprachigen Literaturmarkt kam. 1825 Kronenberger : Two More War Stories.

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zurückgeblickt. Unter der neueren amerikanischen Literatur galt allenfalls Ernest Hemingways A Farewell to Arms (1929) als Messlatte für Erich Maria Remarque. Die genannten Werke aus England wurden von vielen Rezensenten wegen ihrer künstlerischen Vielschichtigkeit als ebenbürtig zu All Quiet on the Western Front betrachtet.1826 Wenn sie über Remarques Roman gestellt wurden, dann war der Grund nicht der Inhalt, sondern die Form. So würdigten einige Kritiker das Bühnenstück Journey’s End wegen dessen vorzüglicher Dramaturgie als bis dato beste Kriegsdarstellung. »›Journey’s End,‹ by common consent of the critics of both London and New York, is the greatest human document that has ever come out of the war«, verlautbarte beispielsweise die Washington Post im März 1930.1827 Einschränkend darf nicht unerwähnt bleiben, dass dieselbe Zeitung sechs Monate später über die Vorlage der Leinwandversion von All Quiet on the Western Front schreiben sollte: »The book that has been hailed as the greatest human document of the war.«1828 Robert Graves’ autobiografische Abrechnung mit dem Militärapparat stieß vor allem wegen ihres dokumentarischen Charakters auf positive Resonanz. Zudem spiegele Good-Bye to All That die englische Gemütslage wider, weshalb das Buch für Graves’ Landsleute relevanter sei als das Remarques, fand Charles Ody im Brooklyn Daily Eagle: »[It] is unparalleled in all post-war literature [and] is likely to rock all England, enrage the military authorities to the point of a tempted suppression of its more revolting facts and to offend the Puritan susceptibilities of the British people.«1829 In den in Sachen Kriegsliteratur quantitativ weniger entwickelten USA richtete sich der Fokus 1929 auf Hemingways im September erschienenen Weltkriegsroman A Farewell to Arms. Im Vergleich zur fast einmütigen Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front polarisierte das Buch des Amerikaners enorm. Während Remarques Schilderung von Herzen komme und den Leser berühre1830, kratze Hemingway nur an der Oberfläche des Themas, 1826 Vgl. N.N.: War Books and War ; Hill: Destroyed by the War, S. 2, sowie Taylor: All Quiet on the Western Front. 1827 N.N.: Celebrated War Drama Is On Way Here, in: Washington Post, 16. 3. 1930 (54. Jg.), S. A3. 1828 N.N.: War Feature By Remarque In Local Bow. 1829 Charles Ody : Daring War Story Shocks England by Stark Realism, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, Nr. 320 vom 18. 11. 1929 (89. Jg.), S. 1. Vgl. auch D. J. H.: Good-Bye to All That. 1830 Eine interessante und durchaus plausible Erklärung lieferte in diesem Zusammenhang der Weltkriegsveteran George Currie. Er argumentierte, ein so wahres, tiefgehendes und bewegendes Buch wie All Quiet on the Western Front hätte kaum von einem Soldaten der siegreichen Armeen niedergeschrieben werden können: »[…] I doubt that any among the so-called winners will turn out a book to compare with Erich Maria Remarque’s ›All Quiet on the Western Front.‹« Denn den zurückkehrenden alliierten Soldaten sei die Depression der Niederlage und der Kollaps der alten Ordnung erspart geblieben. »Only a German or an Austrian could have written it. Only the defeated truly learn the dreadful lesson that war is mankind’s most ghastly failure.« Currie: »Im Westen nichts Neues«. Vgl. auch ders.: A

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hieß es oft. »It lacks penetration; it does not get down in where it belongs and it fails to divulge much of anything inside of the people it is about. I personally cannot see what the great appeal of Hemingway is, except from a stylistic point of view«, schrieb Karl Schriftgiesser im Boston Evening Transcript.1831 Noch stärker verriss Robert Herrick im Bookman A Farewell to Arms. Während All Quiet on the Western Front hochwertige Literatur sei, handele es sich bei Hemingways Roman um »reinen Müll« (»mere garbage«), schrieb er im November 1929.1832 In der Februar-Ausgabe 1930 relativierte die Redaktion Herricks Urteil nach heftiger Kritik indes. Die Wortwahl »garbage« sei unfair gewesen. Und während beide Bücher wertvolle Beschreibungen des Kriegsgrauens seien, könne vom rein literarischen Standpunkt in der Zukunft vom Schriftsteller Hemingway deutlich mehr erwartet werden als von Remarque, argumentierte der ungenannte Rezensent, hinter dem sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Bookman-Chefredakteur Seward Collins verbarg: »It is difficult to imagine ever finding interest in another book by Remarque; it is difficult to imagine finding any book by Hemingway not interesting.«1833 Auch Hemingways Wegbegleiter John Dos Passos bezeichnete dessen neuen Roman in der Zeitschrift New Masses als bestes amerikanisches Buch seit Langem: »The stuff will match up as narrative prose with anything that’s been written since there was any English language.«1834 Trotz allem war und blieb Remarque der bestimmende Maßstab in der zeitgenössischen Kriegsliteratur – sowohl für amerikanische als auch englische Schriftsteller. Manch anderslautende Pressestimmen waren subjektiver Art, meist auf die Form und nicht den Inhalt gemünzt und schmälerten die allgemeine Anerkennung von All Quiet on the Western Front nicht.

7.3.2.6. Remarque und die Zensur: Eine mit scharfer Klinge geführte Debatte Das positive Presseecho, das Remarque in den Vereinigten Staaten erhielt, manifestierte sich auch in der scharfen Ablehnung der textlichen Eingriffe in sein

1831 1832 1833

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First Glance At New Books, in : Brooklyn Daily Eagle, New York, 15. 6. 1929 (89. Jg.), S. 12. Karl Schriftgiesser : Through the Year in the Book World. Robert Herrick: What is Dirt?, in: Bookman, New York, Nr. 3, November 1929 (35. Jg.), Bd. 70, S. 259–262. N.N. : Chronicle and Comment, in : Bookman, New York, Nr. 6, Februar 1930 (36. Jg.), Bd. 70, S. 641. Seward Collins schrieb die Rubrik »Chronicle and Comment« in der Regel selbst und wird in Bezug auf die Februar-Ausgabe 1930 in der Sekundärliteratur auch als deren Autor angegeben. Remarques Nachfolgeroman The Road Back wurde unterdessen vollumfänglich positiv im Bookman rezensiert. Vgl. S. 388f. , Anm. 1791, dieser Arbeit. Dos Passos: Books.

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Buch. Gegen jegliche Zensurmaßnahmen von All Quiet on the Western Front in den USA, ob nun in vorauseilendem Gehorsam oder vom Zensor verlangt, schrieben amerikanische Journalisten auf breiter Front und mit großer Leidenschaft an. Selbst ein Lokalblatt wie der Winona Republican-Herald, der den Roman aus Deutschland in der von Little, Brown & Company herausgegebenen Version ab Ende Juli 1929 abdruckte, äußerte öffentlich seinen Unmut. Der Verlag wurde dabei ebenfalls kritisiert: »[…] Europe snickers up her sleeve about the fact that before a New York company dared to publish it in America, they felt it necessary to delete what Sinclair Lewis once called ›the unprintable words.‹«1835 Bereits vor der Bucherscheinung in den USA war in der Presse befürchtet worden, dass die amerikanische Fassung nicht unangetastet bleiben werde. So schrieb Richard Henry Little, angesehener Kolumnist der Chicago Daily Tribune, am 23. Mai nach der Lektüre der englischen Version über mögliche textliche Entschärfungen: »[We] can only hope they won’t expurgate it […]. Those good, kind souls who regulate our habits and tell us what we shall eat and drink and read will go over the book and decide what parts are good for us and what parts will hurt our immortal souls. But you ought to be given one chance at it first. We hope you are. It’s all honest soldier talk, and for all its humor and its pathos, its terror and brutality and stark, heart-breaking tragedy, it could not possibly be so great if the language were reduced to what used to be called a boarding school level.«1836

Als die Streichungen einiger Passagen und Sätze durch den Verlag dann bekannt wurden, war die Aufregung groß. »One can only regret the stupid necessity which resulted in the suppressing or deleting of material which was included in the English edition«, echauffierte sich Margaret Wallace im Bookman.1837 Robert Herrick schrieb in derselben Publikation, jeder noch so tumbe Leser lerne anhand von Remarques Schilderungen, wie der Krieg wirklich war, und welche abscheulichen Konsequenzen er für die menschlichen Seelen und Körper gehabt habe. Umso größer sei der Schaden durch die Zensur der amerikanischen Ausgabe: »The censor, by intimidating the prudent publishers of the American edition of ›All Quiet on the Western Front‹ into deleting certain passages and glossing certain coarse terms in others, has done a great harm. Americans more than Europeans need to have their consciousness of the realities of war pricked, and should have received this

1835 N.N.: Story of »Youth Destroyed«. 1836 R. H. L.: A Line O’ Type or Two. 1837 Wallace: All Quiet on the Western Front, S. 553.

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important story unblemished by prudery, in its full import, literally rendered out of the German.«1838

Wenn der Krieg obszön sei, müsse er auch so dargestellt werden – angelsächsische Prüderie hin oder her, fanden auch Harry Hansen in The World und Margaret H. Irish in The Living Age. Zwar seien die gestrichenen Szenen in der Latrine und im Hospital freizügig und durchaus vulgär, aber keinesfalls unsittlich1839, argumentierte Irish: »Anglo-Saxon prudishness in the guise of the censor must be held accountable for the omission in the American edition of eight pages of the original German. These pages comprise two passages which are plain-spoken and crude but certainly not in any sense immoral.«1840

Robert Herrick hielt die beanstandeten Textabschnitte in All Quiet on the Western Front für das Begreifen des Kriegsrealismus sogar für absolut relevant. »I take it that the young German novelist had a very definite purpose in not sparing the reader all the details of this daily function«, so Herrick in Bezug auf die Latrinenepisode, »[…] the desire to reveal to the sensitive reader the most debasing and spiritually disintegrating aspect of our great factory of war – its complete lack of privacy for the individual.« Gerade die fehlende Privatsphäre selbst beim Toilettengang zeige sehr anschaulich, wie der Krieg den einfachen Soldaten entwürdige und zu einer reinen Kampfmaschine degradiere, die auf Befehl zu funktionieren habe: »The scene over the sanitary buckets tells me far more of war than all the vivid pictures of mangled flesh. [… It] contributes richly to the whole picture of what war does to the human being, which the novelist is painting. Also the goodness and good sense of the ordinary man, his homely sound humanity and honest morality, are all finely revealed.«

Dementsprechend irre der Verlag, wenn er behaupte, die beiden aus der amerikanischen Buchfassung herausgenommenen Szenen seien für die Erzählung nicht relevant: »I believe that the Boston publisher has defended the suppression of these two passages, both of which are printed in the translation published in England, on the ground that they are of no significance to the story as a whole. In that I think he errs. The story can stand the lopping off of these two rich episodes because it is so much of a piece, so firmly woven, but the omission of them is a loss to the American reader, who, after all, is accustomed to much worse stuff!«1841 1838 1839 1840 1841

Herrick: What is Dirt?, S. 261f. Vgl. zu den Streichungen in der amerikanischen Fassung Kap. 5.1, S. 120–122. Irish: Views and Reviews, S. 394. Vgl. auch Hansen: The First Reader. Herrick: What is Dirt?, S. 258–260.

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The New Republic, in der das Buch zuvor sehr positiv rezensiert worden war, lehnte die Änderungen am Originaltext ebenso vehement ab. Zunächst klärte sie ihre Leser über das – so wörtlich – »dumme« Zensurrecht in Massachusetts auf, in dessen Einflussgebiet der Bostoner Verlag Little, Brown & Company fiel. Danach könne ein Buch komplett vom Verkauf gesperrt werden, wenn es lediglich ein anstößiges Wort enthalte. Gegen diese Vorschrift würde im Übrigen jeder Gerichtssaal im Bundesstaat selbst verstoßen, indem er eine Bibel in seine jungfräulichen Hallen lasse, ätzte die Zeitschrift. Sodann führte sie weiter aus, wie absurd es sei, dass die Amerikaner sich über die viktorianische Prüderie der Engländer lächerlich machten, aber ihre Schriftsprache selbst mit blumigen Umschreibungen durchsetzten. »Yet the English language contains native, short, well understood and commonly used words […] which most men use every day of their lives. […] Let us, by all means, return to a ›primitive purity and shortness‹ of language!«, appellierte The New Republic. Gerne würde sie den Zensor in genau jener Sprache kritisieren, die er verbiete, schrieb das Wochenmagazin. Aber da dies zu Problemen führen könne, beließ sie es bei einem provokanten Aufruf an die Öffentlichkeit: »If anything can be done about the present conditions of censorship, it will have to be done by a mounting public opinion against the censor. And we should like to encourage and urge on this movement […] by going on record, here and now, to the effect that in our opinion the censor and all his works are not worth a ****.«1842

Auch der Book-of-the-Month Club, der Little, Brown & Company die Texteingriffe angeraten hatte, wurde kritisiert. Der Brooklyn Daily Eagle bezeichnete das Verhalten als »Zensur auf Empfehlung«.1843 Die New York Times berichtete ebenfalls ausführlich über den Sachverhalt und ließ mehrere Stimmen aus dem Buchclub und dem Verlag zu Wort kommen, enthielt sich aber gemäß ihrem Credo, Nachricht und Kommentar strikt zu trennen, einer eigenen Meinung. In der Überschrift »Volume Expurgated On Book Club Advice« und zwischen den Zeilen schwang indes Missbilligung mit.1844 Dagegen tat der Daily Illini seinen Unmut über den Einfluss des Buchclubs und die Zensurmaßnahmen mit dem Mittel der Ironie eindeutig kund: »[The publishers] acted on the advice of a group of men who have gone into the business of selecting the literature for the nation to read, claiming that such literature is the best for the nation. […] The people in this country have been shielded from vice by such men for many years, and it would be disastrous to have all the good work dis1842 N.N.: Nice Nellie, the Censor, in: The New Republic, New York, Nr. 760 vom 26. 6. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, S. 141. Vgl. auch Whipple: Outlaw, S. 574f. 1843 N.N.: Judges Censor »Book of the Month«. Vgl. hierzu auch Kap. 5.1, S. 121f. 1844 N.N.: Volume Expurgated.

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sipated by the entrance of some novel which used words which were ›distinctly Elizabethan‹.«1845

Noch weiter überspitzend, schrieb die Tageszeitung der University of Illinois, dass die in den USA nicht offiziell erhältliche englische Ausgabe von All Quiet on the Western Front offenbar von Amerikanern mit moralischen Defiziten nachgefragt werde. Solche Menschen könnten keine guten Bürger sein; ihnen fehle schlichtweg das Wertegerüst. Daher solle die amerikanische Öffentlichkeit dankbar sein, dass es Institutionen wie den Book-of-the-Month Club gebe: »Those gentlemen knew that the English edition was not fit for an American public. The American public should not presume to question their decision. It should accept what they have to offer, and be thankful. And persons who attempt to evade those decisions should be treated as disobedient children. Publishers, too, who try to get around the decisions of upright judges, should also suffer for their misdemeanors. […] America is a luck nation.«

Falls ein Leser des Artikels die Kritik zwischen den Zeilen bis hierhin nicht herausgehört haben sollte, dem sprang die Ironie spätestens beim letzten Satz ins Auge: »Where can we get a copy of the London edition of this much talked of novel?«1846 Ausgewogener war aus naheliegenden Gründen die Stellungnahme von Christopher Morley im Saturday Review of Literature. Der bekannte Schriftsteller und Literaturkritiker, der auch im Redaktionsbeirat des Book-of-theMonth Club war, zeigte sich in seiner Kolumne »The Bowling Green« allgemein als Gegner von Zensurmaßnahmen. Mit Blick auf die Kriegserfahrung der Soldaten machte er klar : »The War was not expurgated for those who went through it.«1847 Morley räumte aber ein, Remarques Buch sei viel zu relevant, als dass der Verlag durch die zu erwartende Beanstandung einzelner Szenen des Zensors ein komplettes Verbot von All Quiet on the Western Front hätte riskieren sollen: »The urgent thing is that the book should be read, and the omission of certain phrases in order to allow the book to be published in a prurient commonwealth, and to circulate in a red-taped nation, was perhaps a political precaution. The merit of the book is far too stunning to rely merely on the jargon of the latrine.«1848

Damit verteidigte Morley die Empfehlung des Buchclubs, einige anstößige Ausdrucksweisen zu tilgen. Die verlagsseitige Streichung der Beischlafszene 1845 Mit »elisabethanisch« ist hier die im gleichnamigen Zeitalter herrschende relative Freizügigkeit gemeint. 1846 N.N.: Is All Quiet?, in: Daily Illini, Champaign-Urbana, Nr. 262 vom 16. 7. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, S. 4. 1847 Morley : The Bowling Green (20. 4. 1929). 1848 Ders.: The Bowling Green (27. 7. 1929).

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zwischen dem Soldaten Lewandowski und dessen Frau im Krankenhaus missbilligte er indes: »The omission of an episode of great human beauty, tenderness, and comedy, is another affair altogether. It came to me as a complete surprise, for I had had a letter from the publisher specifically stating ›We may decide to avoid the use of two particular words; beyond this there will be no expurgating‹.«

Dass gerade die wenigen Momente im modernen Krieg mit ein bisschen Menschlichkeit dem Rotstrich zum Opfer fielen, hielt Morley für paradox. Deswegen sei die Zensurdebatte eine wichtige, denn sie mache das kindische Verhalten von Gesetzgebern und Behörden in allen Anstandsthemen deutlich. Von der Kritik nahm Morley auch den Verlag nicht aus, der wie andere Institutionen in seiner Urteilsfähigkeit versagt habe: »Individuals are frequently intelligent and compassionate; but any form of organization, from a publishing house to a federal government, is handicapped by the human frailty of having to be stupid and literal.«1849 Lediglich in einem der vielen untersuchten Artikel, die sich mit der Zensur von All Quiet on the Western Front beschäftigten, klang Verständnis durch. Die damals relativ konservative Time1850 schrieb: »Necessarily there are hideous words and phrases, of which the Book-of-the-Month Club expurgated seven of the worst from this U. S. edition.«1851 Diese Einschätzung blieb jedoch eine Einzelstimme. Trotz der Zensur des Originaltextes war All Quiet on the Western Front nicht im ganzen Land verfügbar. So untersagte die Stadt Detroit im September 1929 die Verbreitung des angeblich vulgären Buches, was erneut Gegenstimmen auf den Plan rief: »Of course there are things in the book that aren’t nice, but as the war was reported to us, it wasn’t all nice, either«, schrieb der Commercial Advertiser aus Canton im Bundesstaat New York als Antwort auf die Maßnahme.1852 Kritik wurde auch an der inländischen Zensur anderer Bücher geäußert. So bezeichnete Karl Schriftgiesser im Boston Evening Transcript den Bann des Scribner’s Magazine aufgrund des Abdrucks von Hemingways A Farewell to Arms in seiner Heimatstadt als absolut abwegig: »Its banning in Boston in magazine form is beside the point; as is generally the case, its clash with the 1849 Morley : The Bowling Green (27. 7. 1929). 1850 Mit seinem konservativen Republikanismus war das 1923 gestartete New Yorker Nachrichtenmagazin Time parteiischer als andere Titel und gewann schnell viele gut gebildete Leser. Co-Gründer Henry Luce rief später auch Fortune ins Leben und verlegte Life als Fotoillustrierte neu. Vgl. Tebbel und Zuckerman: The Magazine, S. 158–174. 1851 N.N.: The Horror of the World. 1852 N.N.: Detroit Has Barred »All Quiet on the Western Front«, in: Commercial Advertiser, Canton, Nr. 27 vom 3. 9. 1929 (57. Jg.), Bd. 57, S. 3.

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censor has absolutely no bearing in normal minds upon its worth as a piece of literature.«1853 Insgesamt war die Mehrheitsmeinung in der US-Presse eindeutig, dass dem Leser deutlich mehr zugemutet werden könne, als die Zensurbehörden und auch die Verlage selbst glaubten. »Just what the American reader wants or will stand cannot be estimated in advance. […] He has gradually been widening the limits of his tolerance, and there is nothing to show that it has hurt him«, fasste Harry Hansen in der Tageszeitung The World zusammen.1854 Ausländische Repressalien im Blick der Presse Die Zensur von All Quiet on the Western Front im Ausland war ebenfalls Bestandteil der US-Presseberichterstattung. Während der spätere ›Filmkrieg‹ in Deutschland es häufig bis auf die Titelseiten schaffte1855, nahm das Thema allerdings nur wenig Raum in den Zeitungsspalten ein. Meist wurden die Leser mittels Agenturmeldungen lediglich informiert – zum Beispiel über das Verbot des Buches in der österreichischen Armee oder die Beschneidung einer TheaterUmsetzung des Remarque-Stoffes in Japan.1856 Es gab aber auch dezidiert hinterfragende Stellungnahmen zur Zensur, wie etwa in einem Artikel im DeKalb Daily Chronicle aus Illinois deutlich wird, der mit »The Power of a Book« überschrieben war : »Apparently a number of the rulers of this world are desperately afraid of this novel – so afraid of it that they do not want anybody to read it if they can possibly help it«, schrieb der Autor im Dezember 1929 und erwähnte weitere Sanktionen in Italien, der Tschechoslowakei, Neuseeland und einigen südamerikanischen Staaten: »Why should this be so? Why should Mussolini, for instance, who holds all of Italy in a grip of iron, make it illegal to publish or import this book in his nation? Why should other rulers put as many restrictions as they can in its path? Why? Simply because a book, once it catches the imagination of mankind, can be as powerful as an army with banners.«1857 1853 Schriftgiesser : Through the Year in the Book World. 1854 Vgl. Hansen: The First Reader. 1855 Zur Berichterstattung über Repressalien gegen Im Westen nichts Neues in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Verfilmung, siehe ausführlich Kap. 7.3.4.2. 1856 Vgl. N.N.: Bars Book From Soldiers, in: New York Times, 18. 8. 1929 (79. Jg.), S. 6; N.N.: Foreign Literature, in: Saturday Review of Literature, New York, Nr. 6 vom 31. 8. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, S. 93, sowie UP: Remarque Drama Gets Tokyo Censor’s Knife, in: Macon Chronicle-Herald, Nr. 147 vom 7. 1. 1930 (21. Jg.), Bd. 20, S. 5. 1857 Catton: The Power of a Book. Vgl. u. a. auch N.N.: Czechs Ban »All Quiet.«, in: New York Times, 17. 11. 1929 (79. Jg.), S. E3. Dort kam der bekannte tschechische Dichter Josef Svatopluk Machar zu Wort, der als ehemaliger Generalinspekteur der Armee die Entscheidung des Kriegsministeriums in Prag, Im Westen nichts Neues in den Militärbibliotheken zu verbieten, vehement kritisierte.

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Im Juli 1929, noch bevor Italien die Einfuhr des Buches verbot, hatte Thomas F. Ford in der Los Angeles Times1858 vorsichtige Hoffnungen geäußert, dass das dortige Regime Remarques Roman nicht bannen werde – die Leserschaft und die Zeit seien einfach reif dafür : »Will Mussolini suppress it, or is it just barely possible that he, too, has seen at least a faint glimmering of ›the light that was never seen on sea or land,‹ and that his swordrattling and bombastic fever are gradually subsiding so that like most of the other heads of the great powers, he is ready to assist in developing the ›will to peace.‹«1859

Auch das kalifornische Monatsmagazin Overland Monthly and Out West Magazine berichtete im September 1930 über die Ächtung und Verbote von Kriegsliteratur in mehreren Ländern. Der Grund sei wohl, dass diese Bücher ein bisschen zu viel über die Wahrheit des Krieges erzählten. Bestimmte Kreise und Regierungen wollten den Bürgern weiterhin weismachen, der Krieg sei ein prächtiger Zeitvertreib, erläuterte D. Maitland Bushby. Dabei sei es töricht und kriminell, die Öffentlichkeit blenden und ihr die wahren Seiten des Krieges vorenthalten zu wollen. Daher sollten ruhig noch mehr entsprechende Bücher veröffentlicht werden, fand er.1860 Fazit Die mit großer Verve vorgetragene Verteidigung von All Quiet on the Western Front gegen Zensurmaßnahmen illustriert abermals, wie viel Sympathie dem Buch in der US-Presse entgegenschlug. Insgesamt erhielt Remarque von den Journalisten viel Anerkennung für den Tabubruch, die tradierte Vorstellung vom Heldentod der Soldaten ins Gegenteil verkehrt zu haben. Dabei hoben die Berichterstatter die Simplizität und Authentizität der Darstellung vom Leid an der Front hervor. Weitere positive Attribute waren, dass Remarque weder sentimentalisiere, moralisiere noch politisiere. Dennoch sprach in ihren Augen eine starke Friedensbotschaft aus der Geschichte von Paul Bäumer und seinen Ka1858 Die Los Angeles Times war mit über 150.000 Auflage eines der größten Westküstenblätter. Das 1881 gegründete und seit 1917 vom Selfmademan und späteren Immobilienmogul Harry Chandler geführte Blatt war stark republikanisch geprägt. Ferner war die Times sehr eng mit Hollywood verbandelt. Vgl. Wallace: Newspapers, S. 5 und 81f. 1859 Ford: Grim War Picture Painted. 1860 Bemerkenswert ist, dass die an sich renommierte Publikation in offenbar völliger Unkenntnis der Verlagsgeschichte von Im Westen nichts Neues davon ausging, Remarques Bestseller sei nie in Deutschland erschienen. In der Literaturkolumne schrieb D. Maitland Bushby : »Germany is getting fed up on war books; in fact, it never did have an appetite in that line … ›All Quiet on the Western Front,‹ though written by a German and in Germany, has never been, nor is it likely that it ever will be, published in German or in Germany.« D. Maitland Bushby : The Round Up – Literary News of the World, in: Overland Monthly and Out West Magazine, San Francisco, Nr. 9, September 1930 (63. Jg.), Bd. 88, S. 282f. und 288.

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meraden, ohne dass diese im politischen Gewand des Pazifismus daherkam. Die ungeschönte Schilderung des modernen Krieges wirke abschreckend genug, meinten die Rezensenten mehrheitlich. Des Weiteren würdigten sie den völkerversöhnenden, internationalen Gedanken des Buches, das von jedem Soldaten des Weltkriegs hätte geschrieben werden können, unabhängig von dessen Herkunft. Wie die Rezeption zeigt, traf All Quiet on the Western Front den amerikanischen Zeitgeist, dem nach allem stand, nur nicht einem neuerlichen Krieg. Denn vom ›Great War‹ waren keinerlei befriedigende Sinngebungen geblieben. Stattdessen hatte die gesellschaftliche Aufarbeitung der negativen Folgen der Beteiligung am Ersten Weltkrieg gerade erst begonnen. Die daraus resultierende tiefgehende Friedenssehnsucht in allen Bevölkerungsschichten war mit großen Hoffnungen verbunden, dass die neue Gattung der Antikriegsliteratur dem Pazifismus weltweit den Weg bahnen werde. Retrospektiv betrachtet, wurde die Wirkung dieser ›Kulturwaffe‹ freilich überschätzt. Kritische Ablehnung erfuhr der Bestseller aus Deutschland kaum. Und wenn, dann ging es meist um Stilfragen und weniger den Inhalt. Wurde das Buch doch als Ganzes abgelehnt, waren dies Einzelstimmen. Die nahezu einmütige Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front führte auch dazu, dass der Autor und sein Werdegang nie hinterfragt wurden. Persönliche Diffamierungen Remarques, wie sie in seiner Heimat an der Tagesordnung waren, blieben aus. Der Grund: Die amerikanischen Journalisten schrieben ohne politische Agenda; ideologische Grabenkämpfe unter den Publikationen gab es nicht. Vielmehr ist eine hohe Übereinstimmung in den Rezensionen festzustellen. Überregionale Zeitungen, Kulturmagazine und Provinzblätter sahen in All Quiet on the Western Front unisono ein Symbol für konsequente Kriegsgegnerschaft. Einig war sich die Presse auch in ihrer Auflehnung gegen die vermeintliche Prüderie der Zensoren. So waren die verkrusteten Strukturen in der Bürokratie und der politischen Sphäre, die sich hinter solchen Eingriffen verbargen, ein gemeinsames Angriffsziel der insgesamt recht liberal argumentierenden Journalisten. In der Rezeption der Verfilmung von All Quiet on the Western Front sollten sich diese Sichtweisen bestätigen, wobei der Zuspruch ebenso groß war und sich die pazifistischen Hoffnungen noch steigerten.

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7.3.3. Rezeption von All Quiet on the Western Front (Film) »›All Quiet on the Western Front,‹ by Remarque, is a talking picture for today, a sensation for tomorrow, and history for all time.« International Film Reporter, April 1930

Gerade als der Remarque-Hype etwas abflaute und die Leserschaft erste Anzeichen der Übersättigung mit Literatur über den Weltkrieg zeigte1861, befeuerte die im Frühjahr 1930 fertiggestellte Verfilmung von All Quiet on the Western Front das Interesse am Thema neu. In den knapp elf Monaten zwischen der Bucherscheinung und dem Kinostart in den USA war die Fronterzählung des deutschen Schriftstellers gewiss nie aus der Öffentlichkeit verschwunden; lediglich die große Anfangseuphorie war um die Jahreswende 1929/30 etwas abgeflacht. Über die Entstehung des Films wurde schon früh in der Presse berichtet. Die ersten Artikel über den Erwerb der Filmrechte durch Carl Laemmle Sr. datieren auf Anfang August 1929 zurück. Viele Berichte zur Rollenbesetzung, dem Fortschreiten der Filmarbeiten sowie Interviews mit den Produzenten schlossen sich an.1862 Vergleichbar mit dem Trubel um die Romanveröffentlichung, war der Hollywood-Streifen somit bereits vor dem Leinwandstart ein in der Öffentlichkeit präsentes Thema – und die Fallhöhe für Universal Pictures angesichts der hohen Erwartungshaltung enorm. Dan Thomas, ständiger HollywoodKorrespondent des zum Scripps-Howard-Konzern gehörenden NEA Service, prognostizierte beispielsweise, der Stoff habe das Potenzial, Erfolgsfilme wie The Big Parade und What Price Glory zu übertreffen: »›All Quiet On the Western Front‹, if made right, will stand for years as the greatest of war films. If it isn’t, it will be just another picture«, so Thomas. Aber wenn sich die Macher des Films auf die menschliche Tragödie der Soldaten auf dem Schlachtfeld konzentrierten, könnten sie eigentlich nichts falsch machen, meinte der Kinoexperte mehr als acht Monate vor der Premiere: »As a picturization of conditions as they actually existed at the front, uncolored by any scenario writer’s imagination, it will help make motion picture history.«1863 Allein die Tatsache, dass kein Film vor All

1861 Vgl. u. a. Brickell: The Literary Landscape (Dezember 1929), S. 4: »How much longer the public will continue to read books about the War is problematical to be sure, and there are at this moment signs of a falling off in interest. [… T]he tide has probably turned, although Erich Maria Remarque’s All Quiet on the Western Front will still be read by thousands […].« Ab Herbst 1929 wurde dem Buchmarkt nicht zuletzt vom Börsenkrach und der bald darauf einsetzenden Weltwirtschaftskrise der Schwung genommen. Darunter litt vor allem jene Kriegsliteratur, die nach Remarques Bestseller erschien. 1862 Vgl. u. a. N.N.: Laemmle Will Film Remarque War Book. Zur Filmproduktion siehe ausführlich Kap. 6.2. 1863 Dan Thomas: Story of World War as Told by Soldier.

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Quiet on the Western Front auf einer derart häufig gelesenen Vorlage beruhte, schien die Verfilmung für viele Außenstehende zum Selbstgänger zu machen. Die Erwartungen der Produktionsfirma, Rezensenten, Zuschauer und damit auch der Kinos wurden erfüllt. Im ganzen Land nahmen die Betreiber Sondervorstellungen ins Programm, da sie, wie zuvor in den Premierenstädten New York und Los Angeles beobachtet, ein deutliches Übersteigen ihrer gewöhnlichen Zuschauerkapazitäten erwarteten. Das Pittsburgher Wochenmagazin Jewish Criterion, zum Beispiel, meldete Anfang Juni 1930: »A schedule of two performances daily, matinee and night, has been announced for Pittsburgh. Owing to the unprecedented local popularity of Remarque’s book, unusual interest centers in the picture production, and the management is preparing for conditions paralleling those encountered in the Central Theatre, New York.«1864

Tatsächlich war der Andrang an den Kassen vieler Lichtspieltheater so groß wie nie. So berichtete die Gazette aus Niagara Falls Ende September 1930 über die Vorführung von All Quiet Western on the Front im örtlichen Shea’s BellevueFilmpalast: »Never before have such crowds attended a picture in the Bellevue and according to the management, all records for the house will undoubtedly go to smash.«1865 Über die Gesamtzahl der Kinozuschauer in den USA gibt es keine verlässlichen Angaben. Da aber belegt ist, dass der Film die Produktionskosten von 1,4 Millionen Dollar schon in wenigen Wochen wieder hereingeholt hatte, müssen es bei Eintrittspreisen zwischen 25 Cent und einem Dollar mehrere Millionen Besucher gewesen sein. Im New Yorker Premierenkino Central Theatre allein schauten innerhalb von drei Monaten mehr als 300.000 Menschen die Verfilmung des Remarque-Buches. Etliche weitere Säle berichteten von Einspielrekorden.1866 Den Erfolg des Films thematisierte die amerikanische Presse ausführlich – regional und überregional –, womit sie zur steigenden Popularität von All Quiet on the Western Front beitrug. Denn das Attribut als »much talked picture«1867 lockte neue Zuschauer an, schließlich wollte man mitreden. Wie schon der Roman, wurde der Film so ein häufiges Gesprächsthema.

1864 N.N.: Plays and Photo Plays – Pitt Theatre, in: Jewish Criterion, Pittsburgh, Nr. 4 vom 6. 6. 1930 (36. Jg.), Bd. 76, S. 30. 1865 N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue, in: Niagara Falls Gazette, 25. 9. 1930 (77. Jg.), S. 21. 1866 Vgl. Kap. 6.2, S. 170–172. 1867 Vgl. zum Beispiel N.N.: At the Rialto, in: Courier and Freeman, Potsdam, 15. 10. 1930 (79. Jg.), S. 5.

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Enthusiastisches Echo in der US-Presse Die Verfilmung von All Quiet on the Western Front durch Universal Pictures stieß bei den amerikanischen Journalisten auf ein mindestens so breites und positives Echo wie wenige Monate zuvor Remarques Roman. Die Urteile der Buchrezeption wurden fast ausnahmslos bestärkt und oft mit noch mehr Enthusiasmus versehen als zuvor. Hierzu trugen die neuen technischen Mittel des aufstrebenden Massenmediums Kino bei: Damit war es dem Regisseur Lewis Milestone gelungen, die Kämpfe und das Sterben an der Front derart realistisch darzustellen, dass er die großen Erwartungen der professionellen Filmkritiker sogar noch übertraf. »›All Quiet on the Western Front,‹ by Remarque, is a talking picture for today, a sensation for tomorrow, and history for all time«, jubilierte der International Film Reporter nach der Voraufführung in Los Angeles Ende April 1930. »The epic picture of the war. A celluloid record for the ages«, schloss sich eine Woche später der New York American in seinem Bericht über die Premiere in New York an.1868 Und Creighton Peet, Kinoredakteur des Outlook and Independent, urteilte, der Film sei nicht nur der vorzüglichste, der jemals über den Krieg gedreht wurde, sondern auch das so ziemlich beste Hollywood-Erzeugnis aller Zeiten. Regisseur Lewis Milestone und Universal könnten mächtig stolz auf ihre Leistung sein. Denn selbst englische Kritiker, die gemeinhin amerikanischen Produktionen nicht besonders zugeneigt seien, bestätigten, dass der Kriegsfilm weltweit unübertroffen sei, so Peet. »Even if you ›never go to the movies,‹ you must see this honest and devastating picturization of Remarque’s book«, rief er seine Leser auf. Entsprechend führte der Journalist der renommierten Kulturund Politikzeitschrift All Quiet on the Western Front von Mai bis Ende Dezember 1930 in der von ihm betreuten Liste der sehenswertesten Filme auf.1869 Derart überschwänglich begrüßte die Mehrheit der Rezensenten die Verfilmung, wobei sich die Begeisterung durch die gesamte Presselandschaft der Vereinigten Staaten zog, von den Metropolen bis in die Kleinstädte.1870 Letztlich 1868 Anzeigen von Universal Pictures mit Zeitungsrezensionen, in: Variety, New York, Nr. 3 vom 30. 4. 1930 (26. Jg.), Bd. 99, S. 22f., sowie Nr. 4 vom 7. 5. 1930 (26. Jg.), Bd. 99, S. 36f. 1869 Vgl. Creighton Peet: The Movies. All Quiet on the Western Front, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 2 vom 14. 5. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, S. 72. Vgl auch Peets Rubrik »The Movies. Worth Seeing«, u. a. in den Ausgaben vom 4. 6. 1930 (S. 192), 9. 7. 1930 (S. 390), 16. 7. 1930 (S. 431), 27. 8. 1930 (S. 672) und 3. 9. 1930 (S. 32). 1870 Folgende weitere Kritiken illustrieren die fast schon euphorische Tonalität und die Einmütigkeit der Urteile unabhängig von der Zeitungsgattung. Das überregionale Wall Street Journal etwa schrieb über den Film: »Aunique moving picture has been made out of a unique novel.« Als »the biggest and strongest drama ever screened« adelte ihn die Fachzeitschrift Variety, während das lokale Wochenblatt Rigby Star verlautbarte: »[…] Nothing was spared to make this the greatest of all pictures of the war, exactly as the book was the greatest book of the war.« Noch nie sei ein Film so enthusiastisch aufgenommen worden, berichtete die regionale Tageszeitung Albany Evening News über die Reaktion in ihrem Bundesstaat: »[It]

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schien es, als lieferten sich die Kritiker einen regelrechten Wettbewerb, um sich mit Huldigungen von All Quiet on the Western Front zu überbieten, wie auch das folgende Beispiel aus der Lokalzeitung Casa Grande Dispatch zeigt: »Once in the proverbial blue moon there comes to the screen a picture before which all critics of motion pictures must stand silent; a picture which proclaims that the screen possesses powers inherent in no other medium of artistic expression; a picture which appeals with equal strength to the intelligence and to the emotions. Such a picture is ›All Quiet On the Western Front,‹ Universal’s super-production of Erich Maria Remarque’s famous novel […].«1871

Alle Lobeshymnen, die im Zuge der Buchbesprechung angeführt worden waren, wurden nun noch einmal wiederholt. Genau wie Remarques Roman sei der Film wahrhaftig, repräsentativ, ergreifend, friedliebend, völkerversöhnend etc., hieß es. »I would like to marshal all the superlatives that have been heaped on the book and apply them to the film, for everything said about the novel goes – and then more so – for the picture«, fasste Oliver Claxton im New York Telegraph zusammen.1872 Hinzu kam, dass die Produktion der Laemmles neue Standards in der Filmtechnik setzte, wofür sie zusätzlich gewürdigt wurde. Die Umsetzung des Buchinhalts auf die Leinwand sei rundum gelungen, gab auch der Amsterdam Evening Recorder zu Protokoll: »›All Quiet on the Western Front‹ is beyond the power of words to describe. It is technically, artistically, and, above all, spiritually – flawless. Universal has kept faith with Remarque. There are no concessions to what is known as ›movie.‹« Doch bei allem technischen Feuerwerk vergesse der Film die menschliche Seite nicht, ergänzte die Zeitung: »It is tremendous as a spectacle, but its greatness does not lie in that. Its surpassing power lies in its deep human appeal.«1873 7.3.3.1. Maßstab cineastischer Wert: Hollywoods Remarque-Interpretation Der Kinofilm hatte als Massenmedium in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einen kometenhaften Aufstieg erfahren.1874 Gleichermaßen rasant vorangeschritten war der technische Fortschritt auf der Leinwand, welcher in

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wins the most enthusiastic praise in New York of any picture since the talkies came.« R. G.: A Colossal War Film, in: Wall Street Journal, New York, 2.5.1930 (42. Jg.), S. 4; Sime: All Quiet on the Western Front; N.N.: All Quiet On the Western Front, in: Rigby Star, 25. 12. 1930 (28. Jg.), S. 3; N.N.: Here Is Scene From New War Picture, in: Albany Evening News, 9.5.1930 (9. Jg.), S. 12. N.N.: »All Quiet on Western Front« Coming to Casa Grande Soon, in: Casa Grande Dispatch, Nr. 45 vom 14. 11. 1930 (19. Jg.), Bd. 21, S. 1. Anzeige von Universal Pictures (7. 5. 1930). N.N.: Huge Outdoor Set Built, Destroyed, in: Amsterdam Evening Recorder, 24. 9. 1930 (98. Jg.), S. 6. Vgl. Kap. 6.1, S. 157.

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der Verfilmung von Remarques Kriegsroman so sichtbar wurde wie nie zuvor. Für die Kritiker in den Redaktionen waren dies interessante Entwicklungen, und so nahm die Kinoberichterstattung einen großen Raum auf den Zeitungsseiten ein. Jeder neue Streifen wurde im Detail besprochen, wobei Innovationen bei Bild und Ton genauso im Blick waren wie die Komposition der Filme und die schauspielerischen Leistungen. Die cineastische Qualität war neben der eigentlichen Handlung ein wichtiger Maßstab in der Gesamtbewertung jeder Produktion, was auch in der Filmrezeption von All Quiet on the Western Front deutlich wird. Insgesamt stand der eigentliche filmische Wert dabei noch mehr im Zentrum als die literarische Qualität in der Buchrezeption. Schon im Vorfeld wurde das neueste Werk aus dem Hause Universal mit viel Neugier erwartet. Aus filmtechnischer Sicht waren sich die Kritiker uneins darüber, ob mit den damaligen Mitteln des Tonfilms eine realistische Darstellung des Krieges zu erreichen sei. So gab der Brooklyn Daily Eagle im Juli 1929 zu bedenken: »Sound and dialogue will have to be used with craft and cunning if they are to enhance as tremendous a spectacle as the last great war. If voices are to register louder than the rumbling of cannons the impressiveness will be diminished rather than exaggerated.« Zwar würde der Tonfilm große Fortschritte machen, aber um die Geräuschkulisse des Krieges wirklichkeitsnah nachzubilden, müssten wohl weitere fünf Jahre vergehen, mutmaßte die Zeitung.1875 Kompositorisch galt die Umsetzung von Remarques Stoff ebenfalls als Herausforderung, weil ein klassischer Handlungsstrang fehle, unkten Beobachter. Zudem kannte die Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden weder eine dramaturgische Zuspitzung noch die in Hollywood fast schon obligatorische Liebesromanze. Die Zeitschrift Time kam denn auch zu dem Ergebnis, dass der Film ohne den vorherigen millionenfachen Verkauf des Buches niemals entstanden wäre: »This picture would never have flashed and chattered from a screen if, as a book, it had not sold so plentifully. It is sprawly narrative, lacking a great climactic situation, lacking a love story.«1876 Neue Standards in der Filmtechnik Als die Kritikerzunft All Quiet on the Western Front dann endlich mit eigenen Augen sehen konnte, waren alle Zweifel zumindest bezüglich der filmtechnischen Aspekte wie weggewischt. Ob Toneffekte, Kameraführung oder Schnitt – die Rezensenten waren voll des Lobes. Der Film zeige mit den neuen Mitteln seiner Zeit realistische Szenen von der Front und vermittele den Zuschauern erstmals eine konkrete Vorstellung davon, was der industrialisierte Krieg für den 1875 C. C.: Seeing and Hearing. 1876 N.N.: Cinema: The New Pictures, in: Time, New York, 5. 5. 1930 (8. Jg.).

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einzelnen Soldaten tatsächlich bedeute, fand etwa der angesehene Kinoexperte der New York Times, Mordaunt Hall1877: »When shells demolish [the] underground quarters, the shrieks of fear, coupled with the rat-tat-tat of machine guns, the bang-ziz of the trench mortars and the whining of shells, it tells the story of the terrors of fighting better than anything so far has done in animated photography coupled with the microphone.«1878

Während in altmodischen Kriegsstreifen der fortwährende Kanonendonner geradezu nervenaufreibend gewesen sei, wurde an All Quiet on the Western Front gewürdigt, dass der Film nicht von plumpen Audio-Effekten dominiert werde.1879 Entweder hätten die Filmemacher den Ton wie in den Kampfsequenzen dezent im Hintergrund eingesetzt oder ihn in bestimmten Momenten bewusst in den Vordergrund gestellt, um die Handlung zu verstärken. Als gelungenes Beispiel hierfür wurde die Szene während Bäumers Heimatbesuch genannt, in der dieser das mahlende Schienengeräusch einer Straßenbahn mit einer heransausenden Granate verwechselt und sich panisch zu Boden wirft. Die texanische Zeitung Lipscomb Lime Light and Follett bezeichnete dies als einen der stärksten Toneffekte der Kinogeschichte. Denn gerade die scheinbar alltägliche Situation fernab der Front bringe dem Zuschauer die Dramatik des Krieges nahe.1880 Auf der visuellen Seite erhielten Arthur Edesons Kameraführung und Lewis Milestones Filmschnitt viel Anerkennung. Sie hätten Bilder von wunderbarer Symbolkraft geschaffen, hieß es immer wieder in der Presse.1881 Das betraf ebenso die ruhigeren Momente, aber wie zu erwarten wurden insbesondere die Kampfsequenzen in und zwischen den Schützengräben hervorgehoben. Sie wirkten so überzeugend echt, als seien sie mitten im Krieg entstanden, waren sich die Filmkritiker einig.1882 Einige unter ihnen wagten sogar die Vorhersage, dass diese Aufnahmen im Kino nicht mehr übertroffen werden würden – eine

1877 Der 1878 in England geborene Mordaunt Hall war der erste Kritiker der New York Times für das junge Medium Kino. Von 1924 bis 1934 hatte er diese Rolle inne. Im Ersten Weltkrieg war Hall als Leutnant im Militärnachrichtendienst für die englische Marine tätig gewesen und schrieb über die Kriegserfahrungen der Soldaten das Buch Some Naval Yarns. Vgl. N.N.: Mordaunt Hall, Wrote of Screen, in: New York Times, 4. 7. 1973 (123. Jg.), S. 18. 1878 Mordaunt Hall: The Screen. Young Germany in the War, in: New York Times, 30. 4. 1930 (80. Jg.), S. 34. 1879 Vgl. u. a. N.N.: At the Theater, in: Winona Republican-Herald, 23. 8. 1930 (76. Jg.), S. 6. 1880 N.N.: What to See and Hear at the Criterion, in: Lipscomb Lime Light and Follett Times, Follett, Nr. 45 vom 25. 9. 1930 (19. Jg.), Bd. 18, S. 6. 1881 Vgl. R. G.: A Colossal War Film, sowie Peet: The Movies. All Quiet on the Western Front. 1882 Vgl. u. a. Mordaunt Hall: A Strong War Picture, sowie Mae Tin8e: War’s Call for Youths Echoes in This Talkie, in: Chicago Daily Tribune, 22. 5. 1930 (84. Jg.), S. 33. Siehe zur Entstehung der Schlachtszenen auch Kap. 6.2, S. 167f.

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Feststellung, die heute noch oft geteilt wird. So schrieb George L. David im Rochester Democrat and Chronicle1883 : »Too much cannot be said about the remarkable vividness and tremendous sweep of the battle scenes. They are the best fighting views the screen has ever held. […] One is not likely to see again, we imagine, such an accurate representation of the fighting in the great world catastrophe.«1884

Auch für Alexander Bakshy von The Nation war All Quiet on the Western Front aufgrund seiner realistischen Schlachtszenen ein »erschreckendes Dokument«, welches das »Gemetzel des Krieges mit erschütternder Kraft« offenbare. »Battle scenes have been represented in many of a picture, but ›All Quiet‹ surpasses them all in the stark horror and madness of the business of fighting«, lautete sein begeistertes Urteil.1885 Demzufolge führte die einflussreiche Wochenzeitschrift die Filmproduzenten auf der Ehrenliste des Jahres 1930 und stellte ihren Mut heraus, die von Remarque geschilderte Bestialität des Krieges derart originaltreu wiedergegeben zu haben.1886 Debatte um Filmadaption und Komposition Nicht uneingeschränkt gutgeheißen wurde indes die kompositorische und dramaturgische Gestaltung von All Quiet on the Western Front. Aufgrund der technisch ausgereiften, wirklichkeitsnahen Abbildung des Krieges sei die Wirkung des Films auf den Betrachter zwar sehr direkt, allerdings bleibe die emotionale Ergriffenheit aus, die ein gutes Drama hervorrufen sollte, konstatierte Alexander Bakshy : »One is staggered, and shaken, and almost ready to sob, but one is not really thrilled. It is probably because of the elemental quality of its material that ›All Quiet‹ is not so good a drama as ›Journey’s End‹; but its appeal is more immediate […]«, so der Eindruck des Redakteurs, der dem Romanstoff zuvor das Prädikat »masterpiece« abgesprochen hatte.1887 Was das Storytelling anging, machte sich die Kritik vor allem daran fest, dass die Regie gemäß Remarques Vorgabe versucht habe, nahezu alle Szenen und Details des Buches auf die Leinwand zu zwängen. Dadurch entstehe eine gewisse 1883 Trotz ihres anderslautenden Namens war der 1833 als The Balance gegründete Rochester Democrat and Chronicle eindeutig republikanisch orientiert. 1928 übernahm Verleger Frank B. Gannett, ein moderat-konservativer Republikaner, die regionale Tageszeitung, die bis heute zur Gannett-Gruppe gehört. Vgl. Martin Naparsteck: Rochester Democrat and Chronicle, in: Peter R. Eisenstadt: The Encyclopedia of New York State, Syracuse 2005, S. 1321f. 1884 George L. David: On the Screen – Eastman Theater, in: Rochester Democrat and Chronicle, 6. 9. 1930 (98. Jg.). 1885 Bakshy : Films. 1886 Zitiert nach N.N.: Year’s Honor Roll Offered by Periodical, in: Rochester Democrat and Chronicle, 1. 1. 1931 (99. Jg.). 1887 Bakshy : Films.

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Monotonie, zudem habe der Film Längen. »Down to the last rat in the last dugout they have tried to do something very faithful in transferring Erich Remarque’s ›All Quiet on the Western Front‹ to the screen, but the results go to show how wide a gap there can be between an original work and its recreated self«, lautete das unmissverständliche Urteil von Thornton Delehanty in der New York Evening Post. Die an den Tag gelegte Beharrlichkeit der Filmemacher, so nah wie möglich an der Vorlage zu bleiben, mache aus vielen im Buch beschriebenen, an sich ergreifenden Szenen nicht mehr als leblose Nachahmungen: »All these things have been doggedly incorporated – the screaming shells, the stabbing bayonets, the waste of life and youth, the ribaldries behind the front lines – and yet they emerge on the screen as lifeless copies, pale shadows which fail to catch, except in only occasional moments, the vitality and emotional sincerity which leapt out from the pages of the book.«1888

Martin Dickstein setzte sich im Brooklyn Daily Eagle ebenfalls kritisch mit dem Universal-Film auseinander. Wie Bakshy und Delehanty missfiel auch ihm die seiner Meinung nach zu gewissenhafte Reproduktion des Romans. Das führe zu dem Ergebnis, dass die Remarque-Verfilmung nach dramaturgischen Gesichtspunkten nicht mit den auf klassischen Bühnenstücken beruhenden Kriegsfilmen mithalten könne, die ihr vorangegangen waren: »If you go to see it, however, in the hope of discovering another ›Journey’s End,‹ or even another ›What Price Glory,‹ you will probably be disappointed«, dämpfte Dickstein nach der offiziellen Premiere im Central Theatre in New York die Erwartungen. Nichtsdestotrotz sei All Quiet on the Western Front aber immer noch »ein ziemlicher guter Kriegsfilm«.1889 Wenige Tage später meldete sich Dickstein mit einigen »second thoughts« erneut zu Wort und prognostizierte, das Werk der Laemmles werde langfristig sicherlich seinen Platz unter den namhaften Titeln des Genres einnehmen.1890 Am Ende schieden sich an der Filmkomposition und der Originaltreue zum Roman die Geister. Oft genug wurde es gerade als besonderer Verdienst des Films herausgestellt, dass er eben nicht vom Buchinhalt abwich, wie etwa die Washington County News aus Utah bemerkte: »When [Remarque] entrusted its 1888 Thornton Delehanty in der New York Evening Post. Zitiert nach N.N.: War Without Glamour, S. 20. 1889 Trotz der genannten Abstriche überwogen in Dicksteins Rezension die positiven Aspekte. Wie viele seiner Vorredner hob er insbesondere die Kampfsequenzen lobend hervor: »Pictorially, the production […] is at its best when it portrays graphically and in remarkable detail the advance of German and French troops across No Man’s Land and the subsequent hand-to-hand fighting in the trenches. These scenes easily rank with the finest of their kind and they are certain to hold you spellbound.« Martin Dickstein: The Cinema Circuit, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 30. 4. 1930 (90. Jg.), S. 21. 1890 Dickstein: Slow Motion (4. 5. 1930).

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screen transcription to Universal, Carl Laemmle agreed that his book would be picturized in the same spirit. Universal has kept faith with him. There is nothing in the picture that is not in the book.«1891 Auch der Rochester Democrat and Chronicle stellte fest, dass die Kinobesucher alle wichtigen Episoden des Buches wiedererkennen würden und es keine einzige Szene gebe, die nicht Bestandteil von Remarques Text gewesen sei.1892 An anderer Stelle unterstrich dieselbe Zeitung, das Fehlen einer klassischen Dramaturgie schmälere die Wirkung des Films keineswegs. Es sei vielmehr seine Stärke, urteilte Rezensent George L. David: »The story has no plot: it needs none. It is extraordinarily gripping and profoundly moving as it depicts simply what the conflict does to these boys and their friends.«1893 Mordaunt Hall von der New York Times zeigte sich ebenfalls sehr ergriffen von der Geschichte Paul Bäumers und seinen Kameraden und lobte die detailgetreue Umsetzung von Remarques Buch in seiner Kolumne »The Screen«: »The producers adhere with remarkable fidelity to the spirit and events of the original stirring novel. […] One is just as gripped by witnessing the picture as one was by reading the printed pages, and in most instances it seems as though the very impressions written in ink by Herr Remarque had become animated on the screen.«1894

Das Wall Street Journal ergänzte noch, der Film biete trotz der engen Orientierung am Originaltext eine breitere Perspektive als das Buch. Die Innenansichten des Protagonisten würden so zu einer Gesamtansicht des Krieges erweitert: »The emphasis has been shifted from the personal introspection of Mr. Remarque’s book to the social significance of the story. We see Paul Bäumer from the panorama of war, rather than seeing the larger whole through individual eyes. […] The film employs the methods most befitting its medium, without attempting to catch all of the subtleties of psychology to be found in the book.«1895

Konzession an den Unterhaltungswert Die kompositorischen Aspekte des Films waren am Ende Geschmackssache. Insofern gab es hier kein klares Meinungsbild. Gleiches galt für das Ausbalancieren des in sich wenig erbaulichen Themas mit typischen Zutaten des Kinos. 1891 N.N.: The Picture Tells the Story. 1892 N.N.: ›All Quiet‹ Is at Regent Yet, in: Rochester Democrat and Chronicle, 21. 9. 1930 (98. Jg.). Im Übrigen war diese Behauptung nicht ganz richtig. Die wütende Rede Bäumers vor Kantoreks Klasse bei seinem Heimaturlaub kommt im Buch nicht vor. Sie wurde als einzige von den Drehbuchschreibern und dem Regisseur hinzugefügt. Siehe auch Kap. 7.3.3.2, S. 428f. 1893 David: On the Screen. 1894 Hall: The Screen. Vgl auch N.N.: War Without Glamour. 1895 R. G.: A Colossal War Film.

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So waren einige Kommentatoren der Meinung, es sei gut, wenn etwas Romantik und Humor dem Film die Schwere nehme. Schließlich solle All Quiet on the Western Front wie jeder Hollywood-Streifen zur Unterhaltung beitragen. Andere Kritiker meinten dagegen, jegliche Elemente der Erheiterung würden von der ernsten, kriegskritischen Aussage Remarques ablenken. Tatsächlich zeigten sich, wie zuvor bei der Lektüre des Buches, etliche Rezensenten von der Verfilmung emotional sehr ergriffen. Viele Szenen, insbesondere die von Kampf und Agonie, würden für immer im Gedächtnis des Betrachters haften bleiben. So schrieb die Lokalzeitung Macon ChronicleHerald: »All the way through are things that grip you. You can’t forget, you will never forget!«1896 Mit drastischen Worten schilderte auch Mae Tin8e in der Chicago Daily Tribune, wie der Film sie aufgewühlt habe: »I have just seen ›All Quiet on the Western Front‹ and I feel as I imagine I would had I spent a couple of hours in an orphanage watching the babies being murdered. [… Y]ou witness the slaughter of the innocents. For when the men have been crunched by the iron jaws of war, ah, there is firm young flesh; fresh young blood in the schoolrooms. […] Hard to watch? Terrible.«1897

Tin8e rezensierte All Quiet on the Western Front außerordentlich positiv. Die Journalistin der großen Chicagoer Tageszeitung fand die Direktheit der Darstellung dem Horror des industrialisierten Krieges absolut angemessen. Es gab aber Kritiker, denen bei aller Anerkennung für den Realismus der Schilderung manche Szenen, die das Leid der Männer in Nahaufnahme zeigen, zu detailliert waren: etwa die Krankenhaus-Episode mit Kemmerich oder das langsame Sterben des französischen Soldaten Duval. Weil die Produzenten und Kinobetreiber wohl ahnten, dass auch viele Zuschauer von All Quiet on the Western Front regelrecht geschockt werden würden, stellten sie in der Vermarktung die erhebenderen Seiten der Erzählung heraus. Anzeigen von Filmtheatern, die häufig auf Werbematerial von Universal zurückgriffen, beinhalteten dann Botschaften wie »Hearts Hungry for Love«, »Girls who craved the companionship of boys … and boy-soldiers who yearned for the soft touch of a girlish hand, the exciting glance of a sparkling eye« oder »Smile with them in their fleeting moments of relaxation and fun!«.1898 So sollte 1896 N.N.: Picture You Can’t Forget, in: Macon Chronicle-Herald, Nr. 68 vom 7. 10. 1930 (21. Jg.), Bd. 21, S. 6. Vgl. auch N.N.: Amusements – Binghamton, in: Binghamton Press, 18. 7. 1930 (27. Jg.), S. 21. Dort hieß es in der Rezension von All Quiet on the Western Front: »There are many scenes which will remain permanently etched upon the memory of the beholder.« 1897 Tin8e: War’s Call for Youths. 1898 Vgl. Anzeige des Pearl-Kinos, in: Schenectady Gazette, 8. 12. 1930 (36. Jg.), S. 16; Anzeige des State-Kinos, in: Winona Republican-Herald, 23. 8. 1930 (76. Jg.), S. 6.; Anzeige des Romina Theatre, in: Forest City Courier, Nr. 45 vom 14. 8. 1930, Bd. 12, S. 5.

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die breite Masse der Kinogänger angesprochen werden, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, dass der Film das Kriegserlebnis selbst romantisiere. Denn Glamour und Heroismus an der Front habe es nicht gegeben, machten die Kinoanzeigen klar.1899 Eine ähnliche Tonalität fand sich in Artikeln wieder, die in Verbindung mit Annoncen erschienen. Sie fielen klar in die Kategorie des Ankündigungsjournalismus, wie ihn Lokal- und Regionalzeitungen häufig praktizierten. Offenbar sollten die redaktionellen Beiträge, die vermutlich auf Pressematerial basierten, die Besucherzahlen des Films ankurbeln.1900 Die ausnahmslos positive Berichterstattung zog sich meist über den gesamten Ausstrahlungszeitraum der örtlichen Kinos hin, welcher in Kleinstädten in der Regel fünf bis sieben Tagen dauerte. Wohldosiert wurden den Lesern und potenziellen Zuschauern stets ein paar neue Informationen zu All Quiet on the Western Front präsentiert, um deren Neugier wachzuhalten. Dabei betonten die Blätter immer wieder die vermeintliche Romantik im Film. Obgleich die einzige ›Lovestory‹ die nur wenige Minuten umfassende Szene mit den Französinnen war (die Lewandowski-Episode fehlte infolge der Buchzensur auch im Film), wurden entsprechende Erwartungen beim Publikum geweckt: »[The] Universal picturization of Erich Maria Remarque’s masterpiece is primarily the story of youth – the youth of all nations – in war. Even in the midst of war, youth does not forget romance«, schrieb der Auburn Citizen und unterstrich noch einmal: »So in the masterpiece of Remarque, there is romance. It is one of the great passages of the book, and Universal has put the book on the screen exactly as the author wrote it.«1901 Auch der Rigby Star aus Idaho hob das Mitternachtsrendezvous der Soldaten am Fluss »als mitreißende Sequenz der romantischen Anziehungskraft« hervor. Die Erwähnung dieses »wunderschönen Intermezzos junger Liebe mitten im Krieg«, so die Zeitung weiter, sollte unverkennbar Frauen ansprechen, denen der Film mit all seinem Tod und Leid sonst zu harter Tobak gewesen wäre, wie die Vermarktungsstrategen Universals und der Kinos offenbar befürchteten. Aus wirtschaftlichen Erwägungen spielte die Regionalpresse bei dieser Strategie mit. So fehlte selten der Hinweis, dass die Handlung gleichermaßen von Abenteuerelementen und komödiantischen Ein-

1899 Vgl. u. a. Anzeige des Regent-Kinos, in: Rochester Democrat and Chronicle, 19. 9. 1930 (98. Jg.), S. 17. 1900 Die in einem typischen Sprachduktus gehaltenen Artikel finden sich fast wortgleich in einer Vielzahl von Lokalzeitungen wieder. Daher liegt es nahe, dass der Inhalt auf vorgefertigtem Pressematerial von Universal Pictures beruhte. Nachrichtenagenturen wie AP, UP oder der spezialisierte NEA Service wurden in der Regel von den Zeitungen ausgewiesen, daher können sie als Quelle ausgeschlossen werden. 1901 N.N.: At the Jefferson, in: Auburn Citizen, 19. 9. 1930 (61. Jg.), S. 12.

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lagen aufgelockert werde.1902 »The picture […] is relieved by scores of little touches of humor«, stellte die Binghamton Press fest.1903 Ein anderes Lokalblatt aus New York, die Albany Evening News, kündigte die Aufführung des Films wie folgt an: »[The movie] depicts the adventures of a group of young Germans in war service and is noted for impressive battle scenes, tense dramatic moments and plenty of comedy.«1904 Die meisten Rezensenten überregionaler Zeitungen und Zeitschriften nahmen keinen Anstoß an den etwas leichtgängigeren Filminhalten, zumal die Szenen im Text Remarques nahezu den gleichen Platz einnahmen wie auf der Leinwand. Die Illustrierte Variety etwa vertrat die Meinung, dass bei der Darstellung des Krieges in All Quiet on the Western Front keine Zugeständnisse an die Sensibilität und den Geschmack der Zuschauer gemacht wurden: »Nothing passed up for the niceties; nothing glossed over for the women. Here exhibited is a war as it is, butchery.«1905 Ebenso freute sich der Outlook and Independent, dass der Film ohne »billiges Pathos« und die übliche »Rührseligkeit Hollywoods« auskomme. Bereits bei seiner Erstrezension von All Quiet on the Western Front hatte der Kinokritiker der Zeitschrift, Creighton Peet, Regisseur Lewis Milestone explizit dafür gelobt, bei der Umsetzung des Stoffes nichts beschönigt zu haben: »Nothing of the book has been lost, nothing softened, nothing hidden or sentimentalized. Milestone’s film brings to life in terribly incisive and articulate photography Herr Remarque’s simple and dispassionate account precisely as it is related in his book.«1906

Dennoch waren die auflockernden Einlagen einigen Journalisten zu dominant. Der Film habe seine stärksten Momente, wenn er die Erbitterung der Soldaten gegen den Krieg reproduziere, argumentierte Martin Dickstein im Brooklyn Daily Eagle. Diese Ernsthaftigkeit werde durch das Einstreuen von Humor durchbrochen, was die dramatische Grundstimmung störe. »The producers have striven a little too earnestly to show also the lighter side of war. The result is that humor of a not particularly appropriate kind is sometimes permitted to creep in and upset the drama’s fundamental mood«, so Dickstein. Harry Alan Potamkin1907, Kritiker des kommunistischen Monatsmagazins New Masses, fand 1902 N.N.: All Quiet on the Western Front (Rigby Star). 1903 N.N.: Amusements – Binghamton, in: Binghamton Press, 16. 7. 1930 (27. Jg.), S. 10. 1904 N.N.: »All Quiet On Western Front.« Strand, in: Albany Evening News, 17. 9. 1930 (9. Jg.), S. 14. 1905 Sime: All Quiet on the Western Front. 1906 Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 5 vom 1. 10. 1930 (83. Jg.), Bd. 156, S. 192, sowie ders.: The Movies. All Quiet on the Western Front. 1907 Harry Alan Potamkin war zu Lebzeiten einer der führenden marxistischen Kritiker in den USA. Er beschäftigte sich eingehend mit dem Medium Film als Kunst und in der Gesell-

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ebenfalls, dass die Filmemacher mit ihrer Konzession an einen massenkompatiblen Unterhaltungswert eine stärkere Wirkkraft vertan hätten: »The successions of episodes defeat any possibility of a pervasive experience. A sequence of agony is followed by a sequence of comedy trying to be sardonic – the Maxwell Anderson What Price Glory! influence«, bemängelte Potamkin und teilte einen Seitenhieb gegen den Drehbuchautor von All Quiet on the Western Front und dessen frühere Tragikomödie aus.1908 Insgesamt konnte Hollywoods Remarque-Interpretation die hohen cineastischen Erwartungen der Filmkritik mehrheitlich erfüllen. Die technische Gestaltung wurde in der amerikanischen Presse durchweg beklatscht, da der Film mit seinen innovativen audiovisuellen Mitteln das Gemetzel an der Front so realistisch und ungeschönt wie noch nie nachgestellt habe. Großen Applaus bekamen auch die schauspielerischen Leistungen. Der gesamte Cast sei sehr harmonisch besetzt und spiele überzeugend.1909 Abstriche machten einige Rezensenten an der kompositorischen Umsetzung des Romans. Ihnen war die Adaption zu nah am Original, worunter die Dramaturgie leide. Andere Journalisten hätten gern auf klassische Elemente des Unterhaltungskinos verzichtet. Festzuhalten bleibt indes: Die Kritik betraf, wenn überhaupt, nur die Form des Films, so gut wie nie seinen Inhalt und kriegskritischen Grundtenor.

7.3.3.2. Der Krieg auf Leinwand: Parallelen zwischen Film- und Buchrezeption Bei der Bewertung des von Universal auf die Leinwand gebrachten Kriegsbildes war die Reaktion in der US-Presse wieder sehr einmütig. Wie schon im Rahmen der Buchrezeption erkannten die Journalisten die Darstellung des Fronterlebnisses als absolut authentisch an. All Quiet on the Western Front zeige die grauenvolle Wirklichkeit ungeschminkt, erklang es unisono: »The greatest and truest picture of the World War ever made! […] It is safe to say that it will be a long, long time before a clearer, more vivid portrayal of men’s lives is ever unfolded on the living screen«, schrieb beispielsweise The Sentinel aus Chicaschaft. Potamkin, der bereits 1933 im Alter von nur 31 Jahren starb, schrieb für linke Publikationen wie New Masses und Workers’ Theatre. Vgl. Frank Manchel: Film Study. An Analytical Bibliography, Bd. 2, Rutherford u. a. 1990, S. 155. 1908 Harry Alan Potamkin: Movies – The Film and the War, in: New Masses, New York, Nr. 1, Juni 1930 (5. Jg.), Bd. 6, S. 14. 1909 Die Kritiker betonten, kein Star rage heraus. Oft hervorgehoben wurden dennoch Louis Wolheim (Katczinsky), Lewis Ayres (Bäumer), Slim Summerville (Tjaden), John Wray (Himmelstoß) und Raymond Griffith (Duval). Vgl. N.N.: War Picture is Attraction at Goodwill, in: Binghamton Press, 18. 12. 1930 (27. Jg.), S. 22; R. G.: A Colossal War Film; Peet: The Movies. All Quiet on the Western Front; Hall: A Strong War Picture, sowie ders.: The Screen.

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go.1910 Wenige Wochen später ergänzte die Wochenzeitung, dass in genau dieser Wahrhaftigkeit und Realistik der Erfolg von Remarques Roman begründet liege: »Critics have proclaimed the grim realness of the book the secret of its recordbreaking success and it is this powerful appeal that Universal has brought to the screen.«1911 Viele Redaktionen wiederholten ihre vorherigen, positiven Statements zur Authentizität des Buches. Und die wenigen, die es noch nicht detailliert rezensiert hatten, brachten sich nun spätestens mit der Besprechung des Films ein. Typische Aussagen dabei waren: »[a] graphic and truthful presentation«; »compelling in its realism« oder »[it shows] the war as it actually was fought«.1912 Eine Grundlage für solche Urteile war, dass den Rezensenten der Urheber der Geschichte glaubwürdig erschien. Dies war durchgängig der Fall, wobei auch bei der Verfilmung das Marketing eine Rolle spielte. Mehr noch als beim Buch durch Little, Brown & Company betonte Universal die autobiografischen Anteile von Remarques Geschichte. Die amerikanische Presse übernahm die Angaben unhinterfragt und spann somit die Legende um den deutschen Schriftsteller im Kontext des Films weiter. »The story is based on the experiences and observations of Remarque, who went to the front as a schoolboy. Every character is authentic and every incident«, konstatierte etwa die Binghamton Press.1913 Auch die renommierte Washington Post war wie viele andere Publikationen der Auffassung, All Quiet on the Western Front sei größtenteils autobiografisch: »The leading character, Paul, was Remarque himself, who went at 18 from school to the front. He experienced it all.«1914 Die Mühe, Remarques tatsächliche Kriegserfahrung zu recherchieren, machten sich die Zeitungen nicht. So entstand fälschlicherweise der Eindruck, der Schriftsteller habe den gesamten Krieg mitgemacht und berichte durch den Protagonisten Paul Bäumer von seinen eigenen Erlebnissen. Selbst die New York Times, die sich im Zuge der Bucherscheinung sehr intensiv mit seiner Person auseinandergesetzt hatte, verbreitete im Mai 1930 dahingehende Fehlinformationen. Vom damaligen Alter Remarques von 32 Jahren ausgehend, folgerte sie, dieser müsse 1914 als 16-Jähriger in den Krieg eingetreten sein: 1910 N.N.: »All Quiet on the Western Front« at McVickers Theater, in: The Sentinel, Chicago, Nr. 9 vom 30. 5. 1930 (20. Jg.), Bd. 78, S. 17. 1911 N.N.: »All Quiet on the Western Front« Now at Marbro and Granada, in: The Sentinel, Chicago, Nr. 3 vom 18. 7. 1930 (20. Jg.), Bd. 79, S. 26. 1912 N.N.: Mighty Drama Comes Rivoli Theatre Soon, in: Springville Herald, 4. 12. 1930 (40. Jg.), S. 1; Sime: All Quiet on the Western Front; N.N.: All Quiet on the Western Front (Rigby Star). 1913 N.N.: Amusements – Binghamton (19. 7. 1930). 1914 N.N.: War Feature By Remarque In Local Bow. Vgl. auch N.N.: Remarque Turned Down Part in Film, in: Schenectady Gazette, 21. 8. 1930 (36. Jg.), S. 13: »[…] He [Remarque; der Verf.] lived the life of ›Paul‹ at the front.«

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»Sixteen years ago a German schoolboy of that age was carried away by the patriotic exhortations of his teacher and cast aside his textbooks to become a soldier. […] Four years of horror, hunger and despair caused him to feel that the world was slipping from under his feet, and a bitter and unutterable sense of injustice filled his heart.«1915

Der Produktionsfirma Universal kam die Presseberichterstattung bei der Vermarktung von All Quiet on the Western Front zupass. Nicht von ungefähr hatte sie zum Beispiel schon vor dem Filmstart in ihrer hauseigenen Zeitschrift Universal Weekly einen Artikel aus dem Rochester Sunday American übernommen, der die Echtheit vieler Passagen aus Remarques Erzählung bestätigte. Ausführlich wurde dort ein in Rochester lebender ehemaliger deutscher Feldkoch zitiert, der mit Remarque an der Front war und diesen als seinen Freund bezeichnete: »Man Who Cooked Potato Pancakes in Backline Trenches Tells Interesting Behind the Scenes Facts Which Prove ›All Quiet on the Western Front‹ Was Founded on Actual Experiences«, hieß es im Vorspann zu dem Bericht.1916 Neben der besagten Kartoffelpufferepisode verbürgte sich Erich Scheffler auch für die Authentizität anderer im Buch geschilderter Szenen und war der Reporterin zufolge in der Lage, die Namen hinter Figuren wie Himmelstoß, Leutnant Bertink und Tjaden zu nennen. Paul Gulick kommentierte im März 1930 in der New York Times dazu, dass solche Belege die letzten Zweifel an der Wahrhaftigkeit von Remarques Erzählung im Kontext der Verfilmung ausgeräumt hätten: »Many who have read the book have doubted that the scenes described in it actually happened. Since the moving picture production started, much confirmation has been given to the details described by Remarque.«1917 Von der Authentizität der Filmsequenzen schlossen die Kritiker auf deren Repräsentativität. Während nur ganz wenige Rezensenten in All Quiet on the Western Front einen dezidiert deutschen Erfahrungsbericht sahen1918, erhielt der Film – wie zuvor schon das Buch – von allen anderen das Prädikat als universelle Erzählung des internationalen ›Unbekannten Soldaten‹: »›All Quiet on the Western Front‹ – the book and the picture – is not the story of one war, but of all wars. Not the story of one army, but of all armies. Not the story of the youth of one nation, but of all nations«, lautete die Zusammenfassung der Washington 1915 N.N.: Through German Eyes. 1916 Bertha Kannewisher : War Comrade of Remarque Discovered in Rochester, in: Universal Weekly, New York, Nr. 14 vom 9. 11. 1929 (18. Jg.), Bd. 30, S. 9 (Abdruck aus dem Rochester Sunday American). Vgl. auch N.N.: Book Buddies, in: Winona Republican-Herald, 22. 10. 1929 (75. Jg.), S. 14. 1917 Paul Gulick: »All Quiet« as a Screen Drama, in: New York Times, 2. 3. 1930 (80. Jg.), S. 124. 1918 Siehe etwa George L. David: Theaters – Promising Pictures for New Week, in: Rochester Democrat and Chronicle, 3. 9. 1930 (98. Jg.): »›All Quiet on the Western Front‹ is the talkie transcription of Erich Maria Remarque’s world noted novel treating the war according to the common German soldier’s viewpoint and experience.«

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County News aus Utah.1919 Drei zentrale Themen der Geschichte seien unabhängig von der Front auf gleiche Art und Weise von den Soldaten erfahren worden: Das abscheuliche Wesen des modernen Krieges selbst, das Schicksal einer zerstörten Generation und wahre Kameradschaft. Vor allem mache die Hollywood-Produktion deutlich, dass der Krieg von den damaligen deutschen Feinden als Individuen genauso gehasst wurde wie von den Männern, die sie bekämpfen mussten. Nationalität bedeute in diesem Kontext nichts, unterstrichen etliche Zeitungen.1920 So hielt der Utica Observer-Dispatch fest: »The fact that the characters were German was merely incidental. […] The German boys who went through paroxysms of terror when under gun fire for the first time, were no different from the boys of any other nation. The transition through which they passed from eager, youthful enthusiasm to disillusioned, bitter despair was the common experience of all the soldiers who served as they served.«1921

Das Fronterlebnis im modernen Krieg Als Anklage gegen den Krieg wurde die Universal-Produktion wie zuvor das Buch fast ohne Ausnahme anerkannt. Keine große Parade, sondern eine Orgie aus Gewalt, Schmutz und Terror – genau so müsse es an der Front gewesen sein, versicherten auch jene Rezensenten, die sie nicht selbst erlebt hatten. »›All Quiet‹ Shows War As It Was«, titelte etwa die Schenectady Gazette und ergänzte: »War is not pretty, it is not romantic.«1922 In allen vorangegangenen Geschichten über den Krieg, die auf die Leinwand gebracht wurden, von The Big Parade bis Journey’s End, habe es bei der Abbildung der Kämpfe immer einen unvermeidlichen Glamour-Faktor gegeben – egal wie sorgfältig die Produzenten diesen zu vermeiden versucht hätten. Anders verhalte sich das bei der Remarque-Verfilmung, schrieb Howard Barnes in der New York Herald Tribune: »In ›All Quiet‹ there is no glamour. It is courageously bitter from the first disillusionment of a bunch of German kids in a training-camp to the snuffing out of the last of them at the front.«1923 Die universelle Botschaft gegen den modernen Krieg komme in der Hollywood-Adaption sogar noch stärker rüber als im Buch selbst, fand Barnes. Zumindest aus einem amerikanischen Blickwinkel 1919 N.N.: The Picture Tells the Story, in: Washington County News, St. George, Nr. 39 vom 2. 10. 1930 (23. Jg.), Bd. 23, S. 1. 1920 Vgl. u. a. Gulick: »All Quiet« as a Screen Drama; N.N.: Here Is Scene From New War Picture, sowie N.N.: »All Quiet on Western Front« Coming to Casa Grande. 1921 Siehe Presseschau in: N.N.: Daily Editorial Digest – Film Under Ban in Germany Viewed Here as Inoffensive, in: Schenectady Gazette, 24. 12. 1930 (36. Jg.), S. 10. 1922 N.N.: ›All Quiet‹ Shows War As It Was, in: Schenectady Gazette, 25. 8. 1930 (36. Jg.), S. 14. Vgl. auch N.N.: All Quiet on the Western Front, in: Minneapolis Labor Review, Nr. 216X vom 29. 8. 1930 (23. Jg.), S. 8. 1923 Howard Barnes in der New York Herald Tribune. Zitiert nach N.N.: War Without Glamour, S. 19f.

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heraus sei dies der Fall, was an der US-Besetzung und bestimmten einheimischen Redensarten liege. Dass der Film die Entmenschlichung ohne Scheuklappen zeigte, stieß in der Presse auf große Anerkennung. Zwar erspare Regisseur Lewis Milestone den Zuschauern nichts. Aber die Drastik sei alternativlos, denn der Krieg müsse als das »grässliche Monster« demaskiert werden, das er nun einmal sei.1924 Sehr prägnant fasste beispielsweise George L. David das abgebildete Leid der Soldaten in seiner eingangs zitierten positiven Rezension von All Quiet on the Western Front im Rochester Democrat and Chronicle zusammen: »[…] This picture presents the war as a horrible, monstrous thing that goes on week after week, month after month and year after year crushing and devouring the ablebodied men and youth. It depicts with relentless fidelity the dirty, starving and nervewrecking life in the trenches, the crazed state of terrified, hysterical boys, the wary animal kill-or-get-killed attitude to which the hell of conflict reduces the soldiers, the frightful, heart-wrenching tragedies in the war hospitals, the tragic emptiness of the return to the suffering home on furlough.«1925

Neben dem elendigen Leben der Männer im Morast, zwischen Ratten, unter ständigem Hunger und permanenter Angst sahen die Kinobesucher vor allem die physische Gewalt im Detail, wie das führende Branchenblatt der Unterhaltungsindustrie, Variety, freimütig aufzählte: mehrfaches Sterben in Nahaufnahme; die so lebensecht angedeutete Amputation von Beinen, dass der Betrachter sich die Szene fast vor Augen führen könne; Tod durch Erstechen im Grabenkampf; industrialisiertes Abschlachten im Feld, inklusive der grausamen Ansicht eines abgesprengten Händepaars, das sich immer noch an den Stacheldraht klammert. Und all dies sich immerfort wiederholend, ohne Ende, ohne Hoffnung: »And the shells come hurling over, the incessant noise, louder and hotter now and again, but always there; always war, and that running explosion of a ground set of torpedoes that blew everybody and everything to bits as it progressed. It’s all here and it’s all war«, so die poetische Zusammenfassung von Sime Silverman, dem Gründer und Chefredakteur von Variety.1926 1924 Vgl. N.N.: Editorials – Picture banned, in: Newtown Register, Elmhurst, 20. 12. 1930 (58. Jg.), S. 4, sowie Hall: A Strong War Picture. 1925 David: On the Screen. 1926 Sime: All Quiet on the Western Front. Als junger Journalist gründete Sime Silverman die Wochenzeitschrift Variety 1905 in New York, um über klassisches Theater, die florierende Vaudeville-Bühnenszene und andere Unterhaltungsformen zu berichten. Mit dem Boom des Kinos wurde Variety in den 1920er Jahren wichtigstes Fachblatt der US-Filmindustrie. Silverman (Kürzel: »Sime«) war bis zu seinem Tod 1933 Chefredakteur. Zuvor rief er noch die täglich in Hollywood erscheinende Zeitung Daily Variety ins Leben. Vgl. James Fisher und Felicia Hardison Londr8: Historical Dictionary of American Theater. Modernism, 2. Aufl., Lanham, Maryland 2018, S. 611 und 683.

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Harry Evans, Journalist der Illustrierten Life, räumte wie vieler seiner Kollegen ein, dass das Anschauen des Films wirklich nicht vergnüglich sei: »›All Quiet On The Western Front‹ makes no concessions for those of us who do not enjoy watching men kill each other. Neither does war.« Die Universal-Produktion zeichne ein grausames Bild des Grabenkampfes an der Westfront, bei dem jede Humanität verloren gehe, um dann abseits des »Feldes der Ehre«, so der Autor polemisch, in das Elend der Lazarette einzutauchen: »[It] leads you into the quiet misery of the hospital and thoroughly shatters the once popular belief that men enjoy suffering for the sake of patriotism.« Damit mache der Film klar, dass es etwas ganz anderes sei, ob man als Zivilist mit einem Hut in der Hand in einem schönen Park stehe und beim Lauschen nationaler Töne eine Gänsehaut bekomme – oder ob einem als Soldat an der Front ein Bein amputiert werde.1927 Mit extremer Wortwahl schilderte auch der Commercial Advertiser aus Canton, wie All Quiet on the Western Front auf Tausende von Kinobesuchern wirke: nämlich »ekelerregend« und »abstoßend«. Noch Wochen nach dem Betrachten wirke der Horror nach. Ihre drastische Feststellung erklärte die Zeitung damit, dass derartige Schreckensdarstellungen nötig seien. Denn das Verdrängen von Missständen führe nicht dazu, dass diese behoben würden. Stattdessen hätten Filme über schwierige Themen – genannt wurden in dem Zusammenhang auch der Kriegsfilm The Dawn Patrol und das Gefängnisdrama The Big House – einen aufklärerischen Wert, so die Zeitung weiter : »The war films are […] educational – they sound a warning. There is no glamour about real war. It’s a horrible thing.«1928 Die Wochenzeitung Newtown Register stimmte dieser Ansicht, die klar die Mehrheitsmeinung in der Presse war, zu: »It is desirable that war be pictured not as a glorified spectacle but revealing fully all of the misery, pain, and sadness which it brings.« Allein die schonungslose Offenheit der Bilder könne die Menschen Frieden lehren. Das sei bitter nötig, um langfristig in Sicherheit zu leben.1929 Neben dem Fehlen von jeglicher Romantik und Glorifzierung wurde gutgeheißen, dass der Film den unmenschlichen Militärdrill anprangerte. »[Paul Bäumer] is tortured by brutal discipline«, schrieb etwa die Lokalzeitung Amsterdam Evening Recorder.1930 Als das einzige uneingeschränkt positive Element des Krieges wurde unterdessen die Kameradschaft der Soldaten festgehalten. Wie zuvor in der Rezeption des Buches, betrachteten die amerikanischen Journalisten diese nicht im Sinne einer nationalen ›Frontgemeinschaft‹, die im Kriege entstanden sei, wie es die Lesart der deutschen Rechten war, sondern als 1927 Harry Evans: Movies. 1928 N.N.: »The Big House«, in: Commercial Advertiser, Canton, Nr. 31 vom 28. 10. 1930 (58. Jg.), Bd. 58, S. 4. 1929 N.N.: Editorials – Picture banned. 1930 N.N.: Huge Outdoor Set Built.

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rein menschliches Miteinander. So hielt die Binghamton Press fest: »Through all the stark realism of war and the shattering of the lives and illusions of Remarque’s schoolboys, runs the golden thread of human understanding and true comradeship.«1931 Zweifel am nihilistisch-destruktiven Charakter des Krieges bei Remarque waren auch im Rahmen der Filmbesprechung in den USA so gut wie nicht sichtbar. Wenn, dann waren dies Einzelmeinungen, die aus der Rezeption herausstachen, wie bereits die Reaktionen auf das Buch gezeigt haben. Eine solche Stimme äußerte sich mit dem Washington Evening Star zur Verfilmung des Romans zu Wort. Der Zeitung zufolge war Remarques Fronterlebnis trügerisch und entsprach nicht der Wirklichkeit. Weder werde es dem durchschnittlichen deutschen Soldaten gerecht, noch repräsentiere es die universelle soldatische Erfahrung im ›Great War‹. Vielmehr habe der Autor seine eigene, einseitige Kriegserfahrung geteilt, die von individueller Schwäche geprägt gewesen sei, urteilte das Blatt mit einem chauvinistischen, wenn nicht gar sozialdarwinistischen Unterton: »Of course Remarque’s picture is essentially false. […] He showed only one side of war life, a side that was by no means visible to the majority. He saw the war from the point of view of a highly subjective individual. Such individuals are almost useless material for the military machine. They have none of the virtues of soldiers. They do not win battles. They do not look well on parade. […] No nation could long exist [if] the majority of whose citizens were of this type. Yet they existed. No picture of the war is complete without taking account of them. They existed, it is likely, in very great numbers. Every nation has them to contend with. They provide the poets and prophets whose nation is humanity.«1932

Die Einschätzung des Washington Evening Star ist völlig atypisch für die Gesamtbewertung von All Quiet on the Western Front in der US-Presse. Sie demonstriert aber – wie schon zuvor einige sehr wenige Stimmen zum Buch –, dass es auch in Amerika eine kleine Minderheit von Kommentatoren gab, die ein durchweg defätistisches Bild vom Krieg negierten und es als Katzenjammer hypersensibler Künstler herabwürdigten. In summa, indes, verdeutlichen die Besprechungen der Verfilmung nochmals das kriegskritische Sentiment in den Vereinigten Staaten Ende der 1920er Jahre und die fast schon verzweifelte Hoffnung hinsichtlich der pazifistischen Wirkung der neuen realistischen Kriegsbilder in Literatur und Film.

1931 N.N.: Amusements – Binghamton, in: Binghamton Press, 22. 7. 1930 (27. Jg.), S. 10. 1932 Siehe Presseschau in: N.N.: Daily Editorial Digest.

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Amerikas Rückschau auf den Ersten Weltkrieg Die Auseinandersetzung mit dem vergangenen Krieg machte, wie eingangs beschrieben, kaum einem Amerikaner Lust auf einen erneuten Waffengang in der Zukunft. Die sich durch alle Bevölkerungsschichten ziehende Ablehnung von Gewalt als Mittel zur internationalen Konfliktlösung spiegelt sich in den Reaktionen der Zeitungen und Zeitschriften auf All Quiet on the Western Front klar wider. Mit mannigfachen Metaphern prangerten die Journalisten die sinnlose Grausamkeit des modernen Krieges am Beispiel der Remarque-Verfilmung an. Ob nun als »ceaseless hell of body and soul«1933, »fury of the manmade holocaust«1934, »greedy grasping of the youths of all nations«1935, »senseless carnival of death«1936, »slaughter of the innocents«1937 oder »most terrible of all human experiences«1938 – stets wurde das Fronterlebnis der jungen Männer im ›Great War‹ als absolut barbarisch und monströs dargestellt. Solch eine menschengemachte Katastrophe dürfe sich auf keinen Fall wiederholen, hieß es immer wieder, und die Vereinigten Staaten sollten schon gar keine aktive Rolle dabei spielen. Entsprechend diesem neuen Zeitgeist stand die Völkerverständigung ganz oben auf der amerikanischen Agenda in den ausgehenden 1920er Jahren. Die Pressevertreter registrierten denn auch mit Wohlwollen, dass keinerlei nationalistische Töne in Remarques Geschichte vorhanden waren. Im Gegenteil: Der Film spreche eine durch und durch internationale Sprache, notierten sie auf der Habenseite.1939 Dazu passte die Tatsache, dass mehr als 2.000 ehemalige Kriegsteilnehmer aus verschiedenen Ländern gemeinsam an der UniversalProduktion mitgewirkt hatten, wie der Amsterdam Evening Recorder berichtete: »Sometimes they wore the uniform of France and other times the gray of Germany. For a month and more they lived together at the huge camp established by Universal […], sharing the same quarters and food while the battle scenes were being made. There was a perfect spirit of comradeship, the hate of the war forgotten.«1940

NEA-Kinoreporter Dan Thomas verfolgte die Dreharbeiten mit eigenen Augen und schilderte im März 1930 seine ebenfalls ermutigenden Eindrücke der Völkerversöhnung unter den auf engstem Raum zusammenlebenden Männern: »Men who, 13 and 14 years ago, were doing everything possible to destroy one another, now may be seen walking arm in arm down Hollywood boulevard 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940

N.N.: At the Jefferson, in: Auburn Citizen, 20. 9. 1930 (61. Jg.). N.N.: Through German Eyes. N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue, in: Niagara Falls Gazette, 24. 9. 1930. Rose: August Reading. Tin8e: War’s Call for Youths. N.N.: At the Eastman, in: Herald-Mail, Fairport, 4. 9. 1930 (6. Jg.), S. 7. N.N.: ›All Quiet‹ Shows War As It Was. N.N.: Feature Picture Here Next Week.

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almost any time«, beobachtete er. Eine Szene zwischen zwei Veteranen habe ihn besonders überzeugt, dass das Kriegsbeil für immer begraben worden sei, schrieb Thomas in seinem Artikel, den unter anderem die Niagara Falls Gazette abdruckte: »I happened to witness a scene that convinced me the hatchet really has been buried by these men. Two men met just before the shooting of a scene and solemnly shook hands. One of them was Fred Coppins, who was awarded the Victora Cross, England’s highest award for valour. The other was Hans Ferberg, who still has his Iron Cross of the highest order.«1941

Sich einst als Feinde an der echten Frontlinie gegenüberstehend, tauschten die Filmsoldaten nun also Freundschaftsgesten miteinander aus. Dem friedlichen Zusammenleben dieser bunten Truppe zuzusehen, hätte auch Remarque gefreut, mutmaßte die Washington Post.1942 Am fertigen Film wurde ferner gelobt, dass er gemäß der Vorlage des Schriftstellers den Kampf auf beiden Seiten der Schützengräben ohne Hass darstellte – ganz anders, als dies die Feinbildpropaganda seinerzeit heraufbeschwören wollte. Das gegenseitige Töten sei aus reinem Überlebenswillen erfolgt und habe keine ideologische oder politische Motivation gehabt. Exemplarisch beschrieb die Schenectady Gazette die Perspektive der Männer im Krieg: »[…] They learn that war is not a matter of fighting to save one’s country. Men kill to postpone their own death, kill men they do not know and so cannot hate, because they are ordered to kill. Not a veteran soldier is interested in the ›great cause‹ or the outcome of the conflict. Whether he eats is of far greater importance to him than whether his country is victorious.«1943

Die Remarque-Rezeption illustriert mit dem an vielen Stellen geäußerten Verständnis für die deutschen Soldaten, dass sich das einstige Feindbild der Amerikaner von den gewalttätigen »Hunnen« ein Jahrzehnt nach Kriegsende aufgelöst hatte. Die von Paul Bäumer und seinen Kameraden verkörperten Millionen »Feldgrauen« wurden sogar mit Empathie bedacht. Schließlich hätten sie mindestens so viel durchgemacht wie die »Doughboys«, befand unter anderem Leon Whipple im halbmonatlich erscheinenden Magazin The Survey: »It has taken us over ten years to get ready to admit the Germans went through the same Hell … or worse.«1944 Als weitere Parallele zur Besprechung des Buches the1941 Dan Thomas: Hatreds of World War Forgotten. Vgl. auch Kap. 6.2, S. 166. 1942 Vgl. N.N.: The War Is Being, Perhaps, Too Realistically Reshot. Allerdings zog der Schriftsteller es vor, sich in keinster Weise in die Verfilmung zu involvieren und sah den Streifen erst Monate nach dem amerikanischen Filmstart in einer Sondervorstellung in Deutschland. 1943 N.N.: ›All Quiet‹ Shows War As It Was. 1944 Whipple: Outlaw, S. 574.

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matisierten die Rezensenten des Films im obigen Kontext die Kräfteverhältnisse der Armeen, sodass der Sieg der AEF als kein besonderer militärischer Triumph herausgestellt wurde, wie folgende Bemerkung im Auburn Citizen exemplifiziert: »Long before the end, especially when the presence of the sturdy and well fed American forces loomed up in contrast with the half starved and heartsick band of schoolboys of which he (Remarque; der Verf.) was a member, he knew Germany was defeated and that their sufferings were a feeble gesture spelling futility and nothing more.«1945

Verantwortlich für das Leid der Soldaten machten die amerikanischen Journalisten ganz allgemein den »Hass der Menschheit« (»the hate of man«)1946 und – konkret auf Deutschland bezogen – die alte preußische Elite um Kaiser Wilhelm II. Diese Clique von Kriegstreibern habe die Jugend ihres Landes gnadenlos auf dem Schlachtfeld verheizt und ihr eigenes Leben gleichzeitig nie in Gefahr gebracht, kritisierte etwa die Lokalzeitung The Sun aus North Canton in Ohio: »While the former German kaiser was dining in state miles behind the lines the best young men in Germany were starving and dying in rodent-infested trenches with hell roaring all around them.«1947 Der Kommentar unterstreicht, dass weder die Soldaten noch die deutsche Bevölkerung als Ganzes von der USPresse in ein schlechtes Licht gestellt wurden, sondern lediglich die kleine Gruppe von Staats- und Militärlenkern, die für ihre fehlgeleiteten Interessen den millionenfachen Tod ihrer Landsleute in Kauf genommen hätten. Während die Filmkritiker die Frage nach den Kriegsursachen anhand von All Quiet on the Western Front nicht weiter vertieften, setzten sie sich intensiv mit der ›Lost Generation‹ auf beiden Seiten der Front auseinander. Nachdem deren Schicksal lange ignoriert worden war, auch in den USA, machte die Verfilmung von Remarques Stoff die gesellschaftliche Entfremdung unzähliger Kriegsteilnehmer mehr als deutlich. Gewürdigt wurde dabei insbesondere die Heimatfrontepisode – inklusive der einzigen Szene im Film, die sich nicht im Buch wiederfindet: Sie zeigt, wie Paul Bäumer in seine alte Klasse zurückkehrt, in der sein ehemaliger Lehrer Kantorek gerade einen neuen Jahrgang der »eisernen Jugend« zum Krieg aufhetzt. Heroisches kann Bäumer den Schülern nicht berichten; im Gegenteil: Es sei nicht süß, sondern schmutzig und schmerzhaft, für sein Vaterland zu sterben. Als daraufhin die Worte »Verräter« und »Feigling« von den Schulbänken auf ihn einprasseln, macht Bäumer verärgert kehrt und sagt, er werde seinen Heimaturlaub abbrechen, weil er es zu Hause nicht mehr 1945 N.N.: At the Jefferson, in: Auburn Citizen, 24. 9. 1930 (61. Jg.). 1946 N.N.: World War Vets Used in Picture, in: Amsterdam Evening Recorder, 25. 9. 1930 (98. Jg.), S. 6. 1947 N.N.: In Canton Theatres.

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aushalte. Dagegen seien die Prinzipien an der Front klar : tot oder lebendig – mehr zähle dort nicht.1948 Das Dreschen der immer gleichen überkommenen patriotischen Phrasen und die völlige Negation der tatsächlichen Zustände im Krieg führen dem Protagonisten vor Augen, wie weit er sich von der zivilen Welt entfernt hat. Ein Zurück ins normale Leben gibt es nicht mehr. »[Bäumer …] finds that even his home and his loved ones have changed, in his eyes. He is a stranger in the bosom of his family, seeing himself at last as a member of a lost generation … of youth that has never been allowed to live«, konstatierte der Amsterdam Evening Recorder.1949 Mit ähnlichen Worten verdeutlichte die Schenectady Gazette das Dilemma der Generation Bäumer : »These men wonder ›What will become of us when the war is done?‹ They begin to realize how hopelessly they are divorced from the rest of the world. They are lost souls.«1950 Unter den vielen Stimmen, die Remarque für die Benennung der Probleme der ›Lost Generation‹ lobten, gab es nur ganz wenige, die den Film in dieser Hinsicht weniger stark bewerteten als die Buchvorlage. In seiner sonst sehr positiven Rezension von All Quiet on the Western Front begründete George L. David dies im Rochester Democrat and Chronicle mit der nicht tief genug gehenden psychologischen Analyse der Verfilmung: »Although he [Bäumer ; der Verf.] still lives, the terrible experiences have really destroyed him, have made it impossible for him to become again the normal being he once was, he is certain. It is this psychological, and perhaps psychic, analysis and revaluation that does not register as clearly and poignantly as they did in the book.«1951

Insgesamt waren die Journalisten Remarque dankbar, das Trauma dieser ›verlorenen Generation‹ aufs Tableau gebracht zu haben. Nach Jahren der Verdrängung half seine Geschichte im amerikanischen Diskurs dabei, die gesellschaftlichen Folgen des Krieges aufzuarbeiten. 7.3.3.3. Die pazifistische Wirkung des Bewegtbildes Vielen Amerikanern öffnete der Universal-Film die Augen über die wahre Gestalt des Krieges – zumindest jenen, die das Buch noch nicht gelesen hatten.1952 Die Presse spielte bei dieser Aufklärung per Leinwand eine nicht zu unterschätzende Rolle. Oftmals animierten die Publikationen ihre Leser aktiv zum Kinobesuch. So könnten sie sich endlich ein Bild davon machen, was die 1948 1949 1950 1951 1952

Vgl. u. a. Peet: The Movies. All Quiet on the Western Front, sowie Hall: The Screen. N.N.: Huge Outdoor Set Built. N.N.: ›All Quiet‹ Shows War As It Was. David: On the Screen. Vgl. Kelly : Filming All Quiet on the Western Front, S. 39.

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»Doughboys« seinerzeit in Europa Schreckliches durchgemacht hatten, adressierte etwa die Lokalzeitung The Sun die Bürger in ihrem Einzugsgebiet: »This picture paints war exactly as it is today ; not as it was 100 years ago. […] If you want to know what many of the boys in The Sun’s district went through ›over there‹ go and see ›All Quiet.‹«1953 Ungeachtet der teilweise schwer zu ertragenden Szenen warben einige Rezensenten dafür, sogar Kinder in Antikriegsfilme wie All Quiet on the Western Front mitzunehmen. »[There] is no better way to start than to present the unreasonable consequences of warfare to children in a manner they will remember«, konstatierte Harry Evans im Gesellschaftsmagazin Life1954. Neben der Verfilmung von Remarques Roman empfahl er auch Journey’s End und The Case of Sergeant Grischa. Das Anschauen dieser Filme könne zwar durchaus schockierend sein, aber die Konsequenzen seien allemal besser, als wenn die aufwachsende Generation im Krieg ein großes Abenteuer sähe.1955 Deshalb sollte die humanistische Friedensbotschaft der Kinoproduktionen so früh wie möglich an die Jugend vermittelt werden, fanden viele Rezensenten. Während Sime Silverman in der Variety von Jungen ab 14 Jahren sprach, meinte der Chefredakteur der La Crosse Tribune, F. H. Burgess, All Quiet on the Western Front könne bereits »jedem Kind über acht Jahren« zugemutet werden.1956 Im Vergleich zur Buchrezeption brandete die Diskussion um die pazifistische Wirkung von Antikriegsdarstellungen mit dem Kinostart von All Quiet on the Western Front mit noch mehr Verve wieder auf. Die meisten Kritiker legten einen beinahe blinden Optimismus an den Tag und glaubten, dass die Leinwand diesbezüglich einen noch stärkeren Effekt auf die Betrachter ausüben werde als das geschriebene Wort auf die Leser. Entsprechend äußerte sich Mae Tin8e am 22. Mai 1930 in der Chicago Daily Tribune: »If that Utopian day ever arrives when There Is No More War, surely the world will have to lift up its face and give thanks to the Movies that have brought home, as no other medium could have done, the truth about the trenches.« In Bezug auf All Quiet on the Western Front wiederholte Tin8e, was sie zuvor bereits über Journey’s End geschrieben hatte:

1953 N.N.: In Canton Theatres. 1954 Das Magazin Life wurde 1883 in New York gegründet. Es berichtete wöchentlich über kulturelle Themen, setzte auf Humor und Cartoons. Die Auflage bewegte sich Ende der 1920er Jahre nach einem dauerhaften Rückgang bei rund 100.000 Exemplaren. 1936 erwarb Henry Luce, Gründer u. a. von Time und Fortune, die Namensrechte und stellte Life als Fotoillustrierte erfolgreich neu auf. Vgl. Tebbel und Zuckerman: The Magazine, S. 152 und 245–247. 1955 Harry Evans: Movies. 1956 N.N.: At the Theater, in: Winona Republican-Herald, 23. 8. 1930 (76. Jg.), S. 6. Der Winona Republican-Herald zitierte aus einem Editorial von Burgess in der La Crosse Tribune.

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»If all the world were to witness it, it just seems to me there couldn’t be another war.«1957 Die herausragende Wirkung des Mediums Film betonte auch Creighton Peet im Outlook and Independent: »[…] On the screen these pictures are so shockingly vivid and unforgettable that they make the earlier printed words seem cold and motionless.« Deshalb sei Hollywoods Version von Remarques Geschichte das stärkste Argument gegen den Krieg, das jemals – medienübergreifend – artikuliert worden sei, so Peet: »It is all very well to hold peace meetings and disarmament conferences and write books – but if every human being in the world – and each succeeding generation – could see this film of ›All Quiet‹, I believe that the next war could actually be postponed indefinitely.«1958 Gleichermaßen argumentierte der Winona Republican-Herald. Zwar waren der Zeitung zufolge Friedensverträge und Abrüstungskonferenzen aller Ehren wert, gegenüber einem Film wie All Quiet on the Western Front jedoch nicht mehr als eine schwache Geste. Das Lokalblatt regte daher an, die Vorführung der Remarque-Verfilmung in Klassenräumen verpflichtend zu machen – mit dem Ergebnis, dass eine Generation von Kindern Holzschwerter, Spielzeugsoldaten und Kriegstrommeln sinnentleert und töricht finden werde.1959 Am besten wäre es, wenn der Völkerbund zum Zweck der Friedensstiftung den weltweiten Vertrieb des Films übernehme, riet Variety-Chefredakteur Silverman: »The League of Nations could make no better investment than to buy up the master print, reproduce it in every language, to be shown to every nation every year until the word war is taken out of the dictionaries.«1960 Dieser Forderung gegenüber der Politik schloss sich der Minneapolis Labor Review an. Amerikanische Regierungsvertreter deklarierten stets, dass ihnen etwas am Frieden liege, schrieb die Gewerkschaftszeitung im August 1930. All Quiet on the Western Front gebe den Politikern nun die Gelegenheit, die Aufrichtigkeit ihres Friedenswunsches zu beweisen. Bevor die Verfilmung von Remarques Buch demnächst im Archiv verstaube, sollten die Friedensbefürworter im In- und Ausland zur Prävention eines neuerlichen Krieges folgende Vereinbarung schließen: »[…] when the war clouds next are lowering that ›All Quiet On The Western Front‹ will be shown in all the theatres of the world, without admission charge, and at the expense of the governments«. Große Hoffnung auf eine Realisierung ihrer Idee machte sich die Redaktion indes nicht. Dennoch befand sie, Remarques Geschichte habe ihren Beitrag zum Frieden geleistet – mehr in 1957 Tin8e: War’s Call for Youths. 1958 Peet: The Movies. All Quiet on the Western Front. Vgl. auch N.N.: ›All Quiet‹ Shows War As It Was. 1959 N.N.: At the Theater. 1960 Sime: All Quiet on the Western Front. Vgl. auch N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue (24. 9. 1930).

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jedem Fall als die Politik, urteilte das Blatt mit Blick auf die Londoner Flottenkonferenz Anfang 1930, von deren Ergebnis sie offenbar enttäuscht war : »We don’t believe any government is going to act on the suggestion made here, but advocates of world peace have at least the satisfaction of knowing that a picture like ›All Quiet On The Western Front‹ has accomplished more than the London conference in preventing future wars.«1961

Die Kommentare der Journalisten wurden von den meisten gewöhnlichen Zuschauern geteilt. Diese stimmten nicht nur mit dem Kauf von Tickets an der Kasse ab, sondern meldeten sich auch in Zeitungen zu Wort. Ein ausführliches Meinungsbild druckte das Lokalblatt Macon Chronicle-Herald aus der gleichnamigen Stadt in Missouri ab. Die zitierten Gäste der örtlichen Premierenvorführung im Oktober 1930 waren durch die Bank vom Film begeistert, emotional berührt und unterstützten dessen kriegsächtende Aussage – unabhängig von ihrem persönlichen Hintergrund. Claud Inman, Vizekommandeur des Veteranenverbands American Legion, sagte zum Beispiel, All Quiet on the Western Front sei der beste Kriegsfilm, den er je gesehen habe. »Every man, woman and child should by all means see this picture«, fügte er an. Der Pfarrer Victor H. Grimm stimmte dem nachdrücklich zu und hoffte auf einen bleibenden Effekt bei den Betrachtern: »The picture shows war in all its hellish fierceness. It is terrible. And yet I would urge everyone to see it; for I am sure that they will come away with the resolve to work and strive and labor and pray for peace, peach [sic!] in each human heart and peace among the nations of the world.«

Denn der Film sende folgende klare Nachricht, lautete das Fazit Grimms: Jeder Einzelne solle alles in seiner Macht Stehende tun, damit solch eine schreckliche Katastrophe wie der vergangene Weltkrieg nie mehr wiederkehre.1962 Dass die fast schon verzweifelten Friedensappelle mit utopischen Hoffnungen einhergingen, sollte der Verlauf der Geschichte bald zeigen. Wie die Buchrezeption gezeigt hat, gab es eine kleine Minderheit von Zeitgenossen, die bereits frühzeitig warnte, dass der Krieg nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sein werde. Davon meldeten sich auch einige im Rahmen der Filmbesprechung zu Wort. Sie argumentierten entweder, dass die pazifistische Wirkung von Kunst Grenzen habe – oder sogar den gegenteiligen Effekt von dem, was ihre Schöpfer intendiert hätten. Den Argumentationssträngen vieler deutschen Kommunisten folgend, teilte etwa Harry Alan Potamkin im mit der Communist Party assoziierten marxistischen Monatsmagazin New Masses die Skepsis am friedensstiftenden Einfluss 1961 N.N.: All Quiet on the Western Front (Minneapolis Labor Review). 1962 N.N.: Picture You Can’t Forget.

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der vermeintlichen Antikriegsgeschichten. Ganz gleich ob All Quiet on the Western Front, The Case of Sergeant Grischa oder Journey’s End, ob als Film oder im Original als Buch oder Theaterstück – allen gemein sei die nicht weit genug gehende Verdammung des Krieges als gesellschaftliche Erscheinung. Hierzu fehle es den Darstellungen an Charakter und Aufklärungsgeist. Zudem milderten die Filme die Kriegsschrecken immer wieder mit Sentimentalitäten, Humor und anderen seichten Unterhaltungselementen. Das führe zur Neutralisierung der Gefühle, sodass beim Betrachter schlussendlich nichts hängen bleibe: »The agony and the ›relief‹ are discharged with equal force and reach the same pitch, so that the experience is neutralized. The final experience is one of no experience.« Aus der Sicht Potamkins sprach daraus der Mangel kritischen Verstands und jeglicher Ernsthaftigkeit gegenüber dem Material. Die Filmproduzenten und Studiochefs seien schlichtweg opportunistisch: Ihnen gehe es allein darum, aus der sentimentalen Aufbereitung des Stoffes Kapital zu schlagen. Und genau dies sei gefährlich, argumentierte er. Denn letztlich würden Kriegsfilme wieder Helden schaffen, mit denen sich die Zuschauer identifizieren könnten: »[All] war-films are sympathy-films, and become, especially among unsuspecting intelligences, partisan-films. The audience of A l l Q u i e t accepts the German soldiers as its protagonists. Its heroes are in the war. Amid the ominous, the suspensive, the fascinating! Men are marshalled and mangled and murdered, but the carnage is not offensive, it is attractive, it stirs participation.«

Bislang habe nur der russische Film den wahren Horror des Krieges an die Leinwand gebracht, resümierte Potamkin gemäß seinem ideologischen Weltbild.1963 Auch der bekannte Schriftsteller und Kolumnist Frank Parker Stockbridge stellte die pazifistische Wirkung von Kriegsfilmen infrage. Wenn die Produzenten glaubten, die Jugend damit vor einem neuerlichen Krieg abzuschrecken, lägen sie falsch. Krieg sei schon immer das größte Abenteuer der Menschheit gewesen – und werde es immer bleiben. Kämpfen liege einfach im Naturell von Jungen, genauso wie Liebe und Schwärmerei zum weiblichen Geschlecht gehöre, lautete sein konventionelles Rollenbild. Daher führe das Wissen um die grausamen Seiten des Krieges nicht automatisch dazu, dass dieser sich nicht mehr wiederhole. »Youth doesn’t mind dirt and blood and danger and horrors, if there is the thrill of action attached to them«, so die pessimistische Einschätzung Stockbridges. Und je mehr Kriegsfilme gezeigt würden, desto begieriger werde die Generation, die seinerzeit zu jung zum Kämpfen war, den Zustand der Erregung im Kampf selbst zu erfahren.1964 1963 Potamkin: Movies – The Film and the War. 1964 Frank Parker Stockbridge: Today and Tomorrow – War, in: Ticonderoga Sentinel, 18. 12. 1930 (57. Jg.), S. 10.

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Fazit Remarques Geschichte seiner vom Krieg zerstörten Generation erhielt durch das Massenmedium Kino noch einmal einen deutlichen Aufmerksamkeitsschub in den Vereinigten Staaten. Die Presse hatte daran einen gehörigen Anteil: Sie schrieb ausführlich und sehr positiv über die Hollywood-Verfilmung, rief ihre Leser aktiv zum Kinobesuch auf und trug mit weiteren Berichten zum Autor und der Entstehung von All Quiet on the Western Front dazu bei, dass das Thema lange ein Gesprächsstoff blieb.1965 Die breite Anerkennung des Buches setzte sich somit in der Rezeption des Universal-Films fort, wobei hier sogar ein wenig mehr Euphorie im Spiel war. Denn die Wucht der Bilder ließ Remarques Schilderungen noch authentischer wirken als auf Papier. Damit, urteilten die Rezensenten, werde auch die kriegskritische Aussage des Schriftstellers weiter verstärkt. Wie das Buch erhielt ebenso der Film auf der handwerklichen Ebene viel Zuspruch. Insgesamt war der cineastische Wert für die Kinoredakteure ein noch wichtigerer Aspekt als die schriftstellerische Qualität für die Literaturkritiker, was sich auf das große Interesse an den rasanten technischen Entwicklungen des Mediums zurückführen lässt. Dabei gab es viel Beifall für Regisseur Lewis Milestone, der neue Standards im Tonfilm gesetzt habe, hieß es unisono. Lediglich zur Dramaturgie und Komposition des Films meldeten einige wenige Stimmen Kritik an. Diese richtete sich vor allem gegen die aus ihrer Sicht teilweise zu gewissenhafte Adaption des Buches auf Leinwand. Allerdings hatte Remarque genau dies verlangt und sich beim Verkauf der Filmrechte als Bedingung festschreiben lassen. Von der inhaltlichen Perspektive gesehen war All Quiet on the Western Front indes über jeden Zweifel erhaben. Das ungefiltert nachgestellte Fronterlebnis im Ersten Weltkrieg, der völkerversöhnende Gedanke des Films und das Thema der desillusionierten ›Lost Generation‹ stießen allesamt auf große Zustimmung. Noch mehr als beim Roman trugen hier die Präformationen des Marketings bei, indem die Legende von Remarque als einfacher Muschkote weitergesponnen wurde. Zudem fand relativ viel vorgefertigtes Pressematerial den Weg in die Gazetten, was die ohnehin weitgreifende Vereinnahmung des Films zusätzlich steigerte. In diesem Zusammenhang bezogen die Journalisten auch neue Quellenbelege mit ein, welche die Authentizität von Remarques Beschreibungen bestätigen sollten.

1965 So waren der Schriftsteller und seine Erfolgsgeschichte derart populär, dass Zeitungen noch Anfang 1931 in Wissensrätseln danach fragten. Vgl. u. a. N.N.: Questions and Answers from Washington, in: Sunday Herald, Provo, Nr. 30 vom 15. 3. 1931 (53. Jg.), Bd. 8, S. 2 (Section 2).

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Die schon im Rahmen der Buchbesprechung vielfach geäußerten Hoffnungen hinsichtlich der pazifistischen Wirkkraft der Geschichte Paul Bäumers und seiner Kameraden wurden im Kontext der Verfilmung noch lauter artikuliert. Zuweilen klangen sie regelrecht resigniert, wozu die deutlich unfriedlichere Weltlage im Jahr 1930 sicherlich ihren Teil beitrug. Die Grenzen des Einflusses von Kunst kamen zwar bei der Rezeption des Films erneut zur Sprache, aber nur wenige Journalisten glaubten, dass die Antikriegsdarstellungen gar keine oder sogar eine negative Wirkung hätten. Eine weitere Parallele zur Buchrezeption war die Ablehnung jeglicher Zensur. Deutlich wurde sie insbesondere bei der Kommentierung des deutschen ›Filmkriegs‹, der im nachfolgenden Kapitel zur Sprache kommen wird. Aber bereits vor dem Verbot der Universal-Produktion in der Weimarer Republik berichteten US-Journalisten über Maßnahmen gegen All Quiet on the Western Front im Ausland und verurteilten diese scharf. Mit Unverständnis schrieb etwa der Brooklyn Daily Eagle über das Vorführungsverbot in Japan, hinter dem reaktionäre Militärkreise steckten. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten sei die japanische Armeekultur deutlich rigider und ziele darauf ab, jeglichen Freiheitswillen der jungen Generation zu unterdrücken, erläuterte der Tokioter Korrespondent Alfred Pieres.1966 Die partielle Zensur des Hollywood-Exports in Frankreich und das Verbot anderer Antikriegsfilme in England nahm der Rochester Democrat and Chronicle zum Anlass, die verbreitete Ansicht vom freisinnigen Europa infrage zu stellen. Angesichts solcher Eingriffe beginne man zu zweifeln, ob der alte Kontinent wirklich liberaler sei, führte Kinoredakteur George L. David aus. Jedenfalls zeigte er für das staatliche Einknicken vor den Sensibilitäten der französischen Nationalisten im Falle des »großartigen, in Amerika gemachten Films« absolut kein Verständnis.1967 Derartige Kommentare unterstreichen die hohe Identifikation mit All Quiet on the Western Front in den USA, die auch bei der Presseberichterstattung zur deutschen Remarque-Debatte deutlich wird.

1966 Alfred Pieres: Japanese Lords of War Put Ban on Pacifist Film, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 28. 9. 1930 (90. Jg.), S. 20. 1967 George L. David: Current Theaters Coming – By the Way, in: Rochester Democrat and Chronicle, 5. 11. 1930 (98. Jg.).

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7.3.4. Die deutsche Remarque-Debatte aus Sicht der Vereinigten Staaten »There is no middle ground between approval and disapproval, and it will be judged more upon the force of the arguments about it than upon its merits as a piece of realistic biography.« Edwin Francis Edgett am 15. Juni 1929 im Boston Evening Transcript

Die große Kontroverse, die Im Westen nichts Neues im deutschen Nachkriegsdiskurs verursachte, wurde in Amerika sehr genau registriert. US-Korrespondenten in Deutschland und Literaturkritiker, die das Land bereisten, berichteten intensiv über den Rummel um Remarques Roman und die deutsche Kriegsliteraturwelle im Allgemeinen. Dies zeigt, wie eingangs erwähnt, dass sowohl das Nachrichtenwesen als auch der Literaturbetrieb damals schon sehr globalisiert waren. Entsprechend kam der sensationelle Erfolg des Buches und der anschließenden Verfilmung in den USA nicht unerwartet. Vom Film gingen zugleich neue Impulse für die deutsche Remarque-Debatte aus, deren weiterer Verlauf bis hin zum Verbot der Hollywood-Produktion in der Weimarer Republik wiederum von der US-Presse thematisiert wurde. Über die eigentliche Rezeption von Im Westen nichts Neues in Remarques Heimatland hinaus stand für die Amerikaner zunächst die Frage im Raum, warum ausgerechnet die vermeintlich so kriegerischen Deutschen die stärksten Bücher gegen den Krieg produzieren. »Are the Germans, the hated Huns of 1914–1918, to produce the most significant literature of the World War?«, fragte beispielsweise der Philadelphia Inquirer.1968 Mehrheitlich stellten diese Werke die Hässlichkeit des Krieges dar und vermittelten einen deutlichen Friedenswunsch, hielt Thomas Russell Ybarra im Outlook and Independent fest: »A bombardment of books has burst over Germany all of which depict, with uncompromising lavishness, the ugliness of war and, by inference, the beauty of peace«, schrieb er im Oktober 1929.1969 Dabei war den Kommentatoren nicht ganz klar, ob schlichtweg der große Erfolg von Remarque und anderen Autoren wie Arnold Zweig jeden auch nur Halbartikulierten auf den Plan rief, oder ob es zuvorderst ein psychologisches Phänomen war, das plötzlich so viele Ex-Soldaten ihre Kriegstraumata in Schriftform verarbeiten ließ. Unabhängig davon sahen die meisten amerikanischen Beobachter eine bedeutende Transformation der deutschen Kriegsliteratur, in der die realistische, ganz und gar unheroische Kriegserzählung die

1968 Williams: Erich Remarque’s Noble Story. 1969 T. R. Ybarra: All’s Not Quiet on the Junker Front, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 7 vom 16. 10. 1929 (82. Jg.), Bd. 153, S. 251. Vgl. auch Massock: The Literary Guidepost (24. 7. 1929); N.N.: Behind the Front, in: Time, New York, 14. 10. 1929 (7. Jg.), sowie N.N.: All Quiet on the Western Front (Review of Reviews), S. 90.

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schönfärberischen militaristischen Berichte der Vergangenheit endgültig abgelöst habe, wie etwa Geoffrey Fraser, Berlin-Korrespondent der Chicago Daily Tribune, ausführte: »To scores of memoirs by military leaders and floods of rather cheap glorifications of German military prowess, issued by publishers connected with the Nationalist groups, there have succeeded works that strike an entirely different note: Grim realism, war stripped of its tinsel, war revealed in hunger and cold, frozen limbs, louse ridden clothes, ugly passions, the deadening of all human refinement and feeling.«1970

Frederic F. Van de Water warnte in der New York Evening Post unterdessen davor, die Begeisterung über jedes noch realistischere und brutalere Kriegsbuch überzubewerten. Ob die Deutschen in Zukunft zurechnungsfähiger würden, nur weil sie den Krieg nicht mehr romantisierten, bleibe abzuwarten. Genauso gut könne die neue Realistik in der Kriegsliteratur der allgemeinen Katzenjammerstimmung im Land zugeschrieben werden. Das Ende der gefährlichen deutschen Sentimentalität und des Illusionismus bedeute dies noch nicht.1971 Etwas optimistischer schätzte der bekannte deutsche Biograf, Journalist und bekennende Kriegsgegner Emil Ludwig1972 die Lage ein. In einem ausführlichen Artikel für die New York Times am 29. Dezember 1929 schrieb der Verfasser von Juli 14, die pazifistischen Kriegsbücher in seiner Heimat seien Anzeichen der Friedfertigkeit der Deutschen. Historische und philosophische Hintergründe zum Thema analysierend, erläuterte Ludwig, dass seine Landsleute nie besonders kriegerisch gewesen seien. Es sei schlichtweg ihre im preußischen Obrigkeitsstaat kultivierte Unterwürfigkeit gewesen, die sie ihren Führern blind ins Verderben habe folgen lassen. Als Beleg führte er an, dass die zum Nationalismus und Heroismus neigende Offiziers- und Generalitätsliteratur / la Ludendorff nach dem Krieg zu keiner Zeit auf großes Interesse gestoßen sei. Stattdessen hätten die Deutschen den erwachenden Stimmen der ›Unbekannten Soldaten‹ zugehört, die erstmals eine universelle und wahrhaftige Sicht auf den Krieg geboten hätten: »Are not the books which a nation write the indication of its peaceful culture?«, fragte Ludwig und argumentierte wie folgt weiter : »The extraordinary success of popular pacifist books is a clear manifestation of this German characteristic […]. A preponderantly warlike people a few years after a de1970 Fraser : War Unmasks as Death. Vgl. auch N.N.: Behind the Front. 1971 Van de Water : Probably One of Our Bad Days. 1972 Emil Ludwig, 1881 mit jüdischen Wurzeln als Ludwig Cohn in Breslau geboren, war u. a. Korrespondent des liberalen Berliner Tageblatts in London und während des Ersten Weltkriegs als Berichterstatter in Wien und Konstantinopel. Unter seinen etlichen Novellen, Biografien und Dokumentationen gehörte Juli 14, eine 1929 veröffentlichte Studie über den Kriegsausbruch, zu den größten Erfolgen. Als Autor für renommierte US-Publikationen schrieb Ludwig häufig über die Entwicklung in Deutschland. Vgl. HK/IB: Ludwig, Emil, in: Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 10, Sp. 33–36.

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cisive defeat would have turned instinctively to the cultivation of the war spirit to vindicate its honor and to win back the territory it had lost.«

Selbstverständlich war Ludwig sich der Angriffe auf Remarque sowie seine eigene Person bewusst. Genauso erwähnte er die Gegenwelle nationalistischer Literatur um Ernst Jünger, die ebenfalls sechsstellige Verkaufszahlen erreichte. Diese neue Bewegung von durch den Krieg geprägten Männern zwischen 30 und 45 Jahren habe nichts mit der untergegangenen Welt der Junker und preußischen Militärführer zu tun; sie sei talentierter und ernst zu nehmender, räumte Ludwig ein. Wie gefährlich sie wirklich war, sah er aber offenbar nicht voraus. Sonst wäre der bekannte Autor nicht zu dem Fazit gekommen, dass die »triumphale Prozession von Friedensbüchern« den deutschen Zeitgeist widerspiegele.1973 Dabei nahm die neue nationale Bewegung gerade erst Fahrt auf, und der Lauf der Geschichte sollte zeigen, wie sehr sich Emil Ludwig irrte. Ernst Jünger, einer der Protagonisten des Soldatischen Nationalismus und zugleich literarischer Gegenpol zu Remarque, machte im Zuge der amerikanischen Berichterstattung über die deutsche Kriegsliteratur im Februar 1930 selbst deutlich, dass in seiner Heimat kein einheitliches Bild vorherrschte. In einem exklusiven Interview mit der Nachrichtenagentur United Press, die Teil der Scripps-Howard-Zeitungsgruppe war, sagte Jünger, Krieg sei als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln eine Notwendigkeit. Gemäß seiner bellizistischen Weltsicht betonte er, das Opfer des Einzelnen sei im Ringen der Gesamtheit um Macht und Stärke zu vernachlässigen: »I am of [the] opinion that war is necessary. I am a disciple of Nietzsche and take the greatest delight in a struggle for power, wherever it occurs and whoever wins. […] A man is of little value and should be sacrificed for great ends. A man might attain supreme value if he sacrificed himself voluntarily.«

Auf Im Westen nichts Neues angesprochen, sagte Jünger, das Buch erzeuge einen irreführenden Eindruck von Deutschland. Mitnichten dominierten in seiner Heimat Internationalismus und Pazifismus. Und es gebe viele Veteranen wie ihn, die statt eines nihilistisch-destruktiven Bildes ein heroisches vom Krieg hätten. Dies habe er in seinen Büchern, allen voran In Stahlgewittern (Storm of Steel), klar machen wollen – und dafür habe er auch aus dem Ausland Zustimmung erhalten: »My book […] was written to make it clear that we combatants are not so awfully unhappy. My feeling that wartime life is heroic is not restricted to Germany but is shared by many former enemies from whom I have frequently received letters.«1974 Der Bericht von UP über Jünger zeigt, dass die Antipoden zu 1973 Emil Ludwig: Germans Listen to the Common Soldier, in: New York Times, 29. 12. 1929 (79. Jg.), S. SM3 (New York Times Magazine). 1974 UP: War Is Viewed as ›Necessary‹, in: Ireton Ledger, 13. 2. 1930 (20. Jg.), S. 7.

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Remarque und Co. in den Vereinigten Staaten durchaus bekannt waren – und ihre Positionen zumindest in geringem Ausmaß in der US-Presse wiedergegeben wurden. 7.3.4.1. Buchrezeption von Im Westen nichts Neues im Spiegel der US-Presse Ausgangspunkt und Zentrum der deutschen Kriegsliteraturdebatte war freilich der Bestseller Remarques. Sehr eindrücklich schilderte der Journalist und Schriftsteller Thomas Russell Ybarra im Outlook and Independent rückblickend seine Beobachtungen in Berlin kurz nach der Buchveröffentlichung. Im Hotel habe ihn der Aufzugoperateur gefragt, ob er schon Im Westen nichts Neues gelesen habe, was der Autor verneinte. Die gleiche Unterredung habe der Ober in seinem favorisierten Restaurant mit ihm begonnen und seine Antwort missbilligt. Bei einem Empfang und im Theater wiederholte sich die Szenerie Ybarra zufolge. »So insistent were the inquiries, so apologetic did I become that, when about to enter a Berlin taxicab, I felt like saying: ›No, I have not read it, but please drive me, nevertheless, to the Anhalt Railroad Station«, erinnerte er sich. Schließlich habe er das Buch gelesen und verstanden, warum es in Deutschland – und später über die Landesgrenzen hinaus – zu einer Sensation wurde. »To the best of my knowledge, nothing written about the War while it was still being fought or since the armistice, in any one of the countries that were engaged in it or in any neutral land, has done to readers what this book has done«, resümierte Ybarra.1975 Gleichzeitig führte kein anderes Buch zu derart kontroversen Reaktionen im Land des ehemaligen Kriegsgegners, wie viele amerikanische Blätter mit Erstaunen zur Kenntnis nahmen. »It is a phenomenon characteristic […] that a mere bundle of printed pages has power to arouse lively popular excitement and spirited controversy«, gab etwa The Living Age unter der Überschrift »Small Quiet on the German Front« im August 1929 zu Protokoll.1976 Nahezu jeder in Deutschland sei mit dem Buch vertraut, kenne dessen Inhalt, Tonalität und Relevanz, ergänzte die Studentenzeitung The Heights und berichtete von der großen Bandbreite der Reaktionen: »Some have called its message propaganda.

1975 Ybarra: »War Is Hell«. Thomas Russell Ybarra, amerikanischer Autor mit venezolanischen Wurzeln, war Mitte der 1920er Jahre Chef des Berliner Büros der New York Times und anschließend in gleicher Position in London tätig. Daneben schrieb er u. a. für Outlook and Independent und Harper’s. Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 155ff. 1976 N.N.: Letters and the Arts – Small Quiet on the German Front, in: The Living Age, New York, 1. 8. 1929 (86. Jg.), S. 447.

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Others, placing it among the score of the best books ever written, have seen in it a mighty case against the asininity of warring.«1977 Auch Edwin Francis Edgett, Literaturkritiker des Boston Evening Transcript, beobachtete, dass Remarques Roman meist auf starken Zuspruch oder drastische Ablehnung stieß – und zwar nicht aufgrund des eigentlichen Buchinhalts: »There is no middle ground between approval and disapproval, and it will be judged more upon the force of the arguments about it than upon its merits as a piece of realistic biography.« Insofern war jede Positionierung zu dem Bestseller eine Art politischer Lackmus-Test, erkannte Edgett richtig, obschon das Farbspektrum letztlich etwas vielfältiger war, als er es darstellte: »[The book] arouses an ecstasy of approval in those to whom the war is nothing but a relic of barbarism, while on the other hand those who see in war the inevitable result of human disagreements and passions are more reserved in their praise. By the former it has been highly acclaimed as a great tract for the advancement of peace; by the latter it has been called yet another example of pacifist propaganda.«1978

Die amerikanische Presse entwickelte in der Folge großes Interesse an Neuigkeiten aus Deutschland über Remarque. Auch scheinbar marginale Nachrichten fanden Niederschlag in den Zeitungspalten, solange sie als Indizien dienten, wie es um die soziopolitische Lage in der Weimarer Republik stand. So berichteten mehrere Zeitungen über eine Umfrage unter Düsseldorfer Studenten, die Remarque noch vor Goethe und Schiller zum beliebtesten Schriftsteller auserkoren.1979 Dabei schwangen stets Fragen mit wie: Was sagt die enthusiastische Lektüre von Antikriegsliteratur über die deutsche Mentalität aus? Welche Rückschlüsse können aus der immer aufgeregter werdenden Debatte über die Bücher der ehemaligen Frontsoldaten gezogen werden? Und was bedeutet all das für die Zukunftsprognosen der Republik?

1977 N.N.: Let’s Write a War-Novel, in: The Heights, Chestnut Hill, Nr. 9 vom 26. 11. 1929 (11. Jg.), Bd. 11, S. 2. 1978 Edwin Francis Edgett: Books and Authors (Radio Talk) in: Boston Evening Transcript, 15. 6. 1929 (100. Jg.), S. 6 (Book Section). Der Artikel fasste eine Radiosendung auf dem Bostoner Kanal WNAC zusammen, die der Redakteur des Boston Evening Transcript leitete. Im Übrigen zählte sich Edgett zu der in den USA sehr kleinen Gruppe von Journalisten, die Remarques Buch kritisch sahen. »I am perfectly willing to confess that I began its reading, and did not finish it«, räumte er ein. Sein Kollege Karl Schriftgiesser indes hatte All Quiet on the Western Front zuvor sehr positiv besprochen und sollte dieses Urteil später noch einmal bestätigen. An den unterschiedlichen Meinungen der beiden Redakteure wird die pluralistische Einstellung der Zeitung deutlich, die für viele amerikanische Publikationen typisch war. 1979 Vgl. N.N.: Remarque Tops List in German College, in: New York Times, 18. 1. 1930 (80. Jg.), S. 5, sowie N.N.: In Duesseldorf University’s popularity contest […], in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 24. 1. 1930 (90. Jg.), S. 20.

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Im Sommer 1929 waren die meisten US-Journalisten in Bezug auf die Entwicklung Deutschlands noch halbwegs optimistisch. Beispielsweise kam Thomas Russell Ybarra Ende Juli in einer Momentaufnahme aus Berlin zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung zu Remarques Buch überwiege: »The praise greatly overweighs the censure.« Quantitativ belegte er dies allerdings nicht; sein subjektives Urteil fußte offenbar auf der Rezeption der meinungsführenden linksliberalen deutschen Presse, die den Diskurs – damals noch – dominierte.1980 Im Oktober 1929 meldete sich Ybarra dann aus dem Rheinland und beschäftigte sich erneut mit der Gesinnung der Deutschen. Die Mehrheit der Bevölkerung sei friedliebend, so sein Eindruck. Allerdings seien die Militaristen der Hohenzollern-Ära nach der Niederlage von 1918 mitnichten verstummt und würden kriegskritische Literatur wie Im Westen nichts Neues aufs Schärfste ablehnen, schrieb er unter der Überschrift »All’s Not Quiet on the Junker Front« im Outlook and Independent: »The thought of war and armies and uniforms and big guns and slaughter is not a welcome one to the majority of Germans. But, in Germany as well as elsewhere in the world, there are people who froth at the mouth when war is depicted shorn of its glories, with its horrors standing forth in stark outline and glaring colors.«

Jegliche erdenkliche Beleidigung hätten diese Kreise in ihrer Wut auf die pazifistische Schule der Literatur gegen Erich Maria Remarque und andere Schriftsteller wie Arnold Zweig ausgesprochen, um ihr überkommenes Weltbild zu verteidigen, beobachtete Ybarra richtig. Und es sei nicht zu erwarten, dass die Junker und Angehörigen der alten Armeeclique Ruhe gäben, bis sie ihr Ziel – die Abschaffung der Republik – erreicht hätten, sagte er voraus. Der Fortbestand der deutschen Demokratie sei daher keineswegs in Stein gemeißelt: »The old order is by no means dead in the land. […] The fact that the German Republic has weathered the storms of its first ten years does not at all mean that the next ten years are necessarily to be plain sailing for it.«1981 Angesichts der vehementen Ablehnung von rechts fiel einigen besonders aufmerksamen US-Rezensenten mit Verwunderung auf, dass auch Kommunisten und radikale Linksintellektuelle Im Westen nichts Neues kritisierten. »Surprisingly enough, protests have come from the ranks of the pacifists«, bemerkte der Review of Reviews1982 im August 1929 und beschäftigte sich intensiv mit Karl 1980 Ybarra: »War Is Hell«. 1981 Ders.: All’s Not Quiet on the Junker Front. 1982 Gegründet 1890 als US-Ableger eines Londoner Titels, widmete sich der Review of Reviews (Auflage: 160.000) Politik, Wirtschaft, Sozialem, Religion, Kunst und Literatur. Chefredakteur Albert Shaw war Anhänger der Republikaner, gab aber auch Ansichten der Demokraten Raum. Nach anhaltenden Auflagen- und Anzeigenrückgängen verschmolz das Blatt 1937 mit dem Literary Digest. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 4, S. 657–664.

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Hugo Sclutius’ negativer Rezension in der Weltbühne. Darin hatte sich Sclutius von Remarques Buch und anderer vermeintlicher Antikriegsliteratur distanziert. Ob Kriegsheld oder Kriegsmärtyrer – dies mache keinen Unterschied, argumentierte er. Die Jugend lese die geschilderten Schrecken als Abenteuergeschichte; und auch noch so viel Blut halte sie nicht davon ab, sich bei der nächsten Gelegenheit freiwillig für den Fronteinsatz zu melden, zitierte das USMagazin den deutschen Autor. Auch die Zustimmung, die Sclutius von anderen Revolutionären Pazifisten erhielt, etwa Arnold Zweig, entging dem Review of Reviews nicht. »Narrating the horrors of war will never stop war. Man is a brave animal. This he has proved in the course of thousands of years. No sacrifice is too great when fighting for an ideal«, paraphrasierte die Kulturzeitschrift Zweigs Kritik. Dessen und Sclutius’ Ansichten machte sie sich indes nicht zu eigen. Obschon der Mensch aus heroischen Idealen bereit sei, sein Leben zu opfern, sei er gleichermaßen ein vernunftgetriebenes Wesen, das nach Ordnung strebe. Und da der letzte große Krieg gezeigt habe, dass es an der Front nur Verluste gebe, wachse der Friedenswille, hoffte das Literaturfachblatt seinerzeit noch.1983 Die weiter um sich greifenden Attacken der Rechtskräfte gegen Im Westen nichts Neues und vergleichbare Antikriegsliteratur in Deutschland sprachen indes eine andere Sprache. Neben den von Thomas Russell Ybarra benannten Altkonservativen waren es Vertreter des Soldatischen Nationalismus und die aufstrebenden Nationalsozialisten, die offen Stimmung gegen Remarque machten. Das blieb auch Universal-Präsident Carl Laemmle Sr. nicht verborgen, der zum Kauf der Filmrechte von Sommer bis Herbst 1929 drei Monate in seiner alten Heimat verbracht hatte. In der New York Times teilte er seine Eindrücke aus erster Hand: »The sentiment of the nationalist is so strongly against this book […]. And some of the newspapers are opposed to the work. They print editorials and long harangues against Remarque and declare his book to be a misstatement of facts. ›It is untrue,‹ they cry. ›Such things never existed!‹«

Laemmle distanzierte sich freilich von solchen Behauptungen und fragte, offensichtlich verärgert, zurück: »What never existed? The war? We suffered that, too. Filth? We also went through that. Objections to fighting? An affliction common to both sides.«1984 Ein Beispiel, auf das Laemmle Bezug genommen haben dürfte, ist die Debatte um einen möglichen Nobelpreis für Remarque. Vorsorglich hatte sich der Deutsche Offizierbund im September 1929 mit einem Protestschreiben an das Komitee zur Vergabe des Preises gewandt, um dahingehende Überlegungen im 1983 N.N.: All Quiet on the Western Front (Review of Reviews), S. 90f. Zu Sclutius’ Rezension und den Reaktionen darauf siehe auch Kap. 7.2.2.3, S. 228–230. 1984 N.N.: Mr. Laemmle Returns.

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Keim zu ersticken. »In their protest the former officers declared that Remarque’s work was an insult because of its treatment of the German side of the late World War«, berichtete die Nachrichtenagentur UP. Sie kommentierte die Kritik der Offiziere in ihrem neutralen Artikel nicht, fügte aber an: »›All Quiet on the Western Front,‹ a fictional work which has become a ›best seller‹ throughout the world, has been regarded by critics as a powerful influence toward peace because of its effective portrayal of the sufferings of a German youth in the trenches.«1985

Auch die New York Times nahm den Sachverhalt zumindest knapp in ihre Spalten auf. Remarques Buch werte mit seiner These von einer im Krieg zerstörten Generation den vier Jahre währenden heldenhaften Kampf deutscher Soldaten auf das Übelste ab, zitierte die Zeitung aus der »bitteren« Protestnote des Offizierbundes. Gewisse Sympathien für den Bestsellerautor erkennen lassend, bezeichnete die New York Times die Armeevertreter als »reactionary« und »monarchistic war lords«. Nachdem sie das Buch zuvor mehrmals positiv kommentiert hatte, überrascht die leichte semantische Tendenz in diesem nachrichtlichen Artikel nicht.1986 Grotesk fanden amerikanische Journalisten ferner die Versuche der Offiziersvereinigung, Remarque als Poseur darzustellen, der es – zum Zweck des eigenen Erfolgs – mit der Wahrheit nicht so genau nehme. Behauptet wurde von den Militärs unter anderem, der Schriftsteller sei zur Zeit seines Kriegseinsatzes deutlich älter gewesen als angegeben und daher nur für minderwertige Arbeiten hinter der Frontlinie eingesetzt worden – den richtigen Krieg habe er nie gesehen. Für Bruce Catton, Korrespondent des NEA Service, illustrierten die Vorwürfe der Offiziere die starke Wirkkraft, die Im Westen nichts Neues zu jener Zeit gerade entwickelte. Bestimmte Gruppierungen bekämen vor dieser Botschaft zunehmend Angst, analysierte der Autor in seinem Meinungsbeitrag, der im Dezember 1929 unter anderem im DeKalb Daily Chronicle erschien: »His idea, summed up, was simply this: that modern warfare is so horrible, so soulkilling, so inherently senseless and insane, that it is the most dreadful calamity that can possibly come upon any people. Now it begins to be apparent that his presentation of this idea is having so much effect that certain people are becoming afraid of it.«1987

Etliche weitere Denunziationen des Schriftstellers in Deutschland wurden in der US-Presse beleuchtet. The Living Age etwa beschäftigte sich im August 1929 1985 UP: Germans Protect Award of Nobel Prize to Author of Fictional War Story, in: Binghamton Press, 7. 9. 1929 (26. Jg.), S. 10. 1986 N.N.: German War Lords Fight Plan To Give Remarque Nobel Prize, in: New York Times, 7. 9. 1929 (79. Jg.), S. 1. Vgl. auch N.N.: German Officers Protest Nobel Prize for Remarque, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 7. 9. 1929 (89. Jg.), S. 22. 1987 Catton: The Power of a Book.

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ausführlich mit einem Artikel der Vossischen Zeitung, in welchem diese die diversen Legenden um den Autor widerlegte.1988 Dazu gehörte die Behauptung, dass Remarque gar nicht existiere und vom Ullstein-Verlag zum Zwecke dessen jüdischer Antikriegspropaganda frei erfunden worden sei. Davon erfuhren die amerikanischen Leser genauso wie von den Versuchen der deutschen Rechtskräfte, Remarques Glaubwürdigkeit als »Herr Kramer« zu schmälern – dazu später mehr. Die Absicht von Remarques Feinden, den vermeintlichen Dandy mit einem seiner Frühwerke, nämlich dem Essay über das Mixen salonfähiger Cocktails, ins Lächerliche zu ziehen, war auf der anderen Seite des Atlantiks ebenfalls bekannt.1989 Ihre großen Sympathien für den Schriftsteller nicht verbergend, schrieb The Living Age, Remarque habe sich klugerweise aus der schmutzigen Debatte herausgehalten: »Remarque’s natural reserve and restraint have led him to ignore, wisely and quietly, the shrill accusations of his critics.« Sein Verdienst sei aber schon jetzt eine klare Akzentuierung der öffentlichen Meinung in Deutschland zwischen friedensbefürwortenden Kräften und ewiggestrigen Kriegstreibern.1990 Auch in vielen anderen US-Medien trat eine Grundsympathie für den angefeindeten Bestsellerautor zutage, wenn sie über die Kampagne gegen Remarque in Deutschland berichteten. So schrieb die Regionalzeitung Breckenridge American aus der gleichnamigen Kleinstadt in Texas wortgewandt: »Erich Remarque, noted author, blames German militarists for circulating the story that his name was once Kramer. He warns them to watch their Remarques.«1991 Der Boston Transcript ließ den Schriftsteller selbst zu Wort kommen und druckte Teile des Interviews mit Axel Eggebrecht in der Literarischen Welt ab, in dem sich Remarque gegen die Falschangaben zur Wehr setzte: »They asserted that my name was Kramer, and this was condemned as a crime, just as if no pseudonyms had ever occurred in German literature. Others, who for their purposes found the name Remarque more convenient, declared without further ado that I was a French Jew. […] Sometimes the errors involved were due to honest misconceptions, but in the majority of cases the assertions made were nothing but direct inventions for purposes only too easily understood.«1992

Zwar kommentierte die Bostoner Tageszeitung das Gespräch nicht weiter ; die Wiedergabe von Remarques Position in voller Länge liest sich indes so, als ob sie 1988 Jacobs: Märchen um Remarque. Vgl. auch Kap. 7.2.2.3, S. 238f. 1989 Zuweilen wurde diese schriftstellerische Episode Remarques ohne weiteren biografischen Kontext, aber immerhin wertfrei, auch in der amerikanischen Presse erwähnt. Vgl. u. a. N.N.: Memory Test Answers, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 9. 10. 1929 (89. Jg.). 1990 N.N.: Letters and the Arts, S. 448. 1991 N.N.: Erich Remarque, Noted Author, blames German Militarists […], in: Breckenridge American, Nr. 149 vom 25. 5. 1931 (12. Jg.), Bd. 11, S. 5. 1992 N.N.: Not All Quiet for Remarque.

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indirekt für den deutschen Autor Partei ergreife. Diese freundliche Haltung seitens der amerikanischen Presse zieht sich mit wenigen Ausnahmen durch die gesamte Remarque-Rezeption in den USA. Noch im Mai 1931 bekräftigten einige Zeitungen aus Anlass der Veröffentlichung des Nachfolgeromans The Road Back, dass der Name Kramer ins Reich der Legenden gehöre. So reagierte das Nachrichtenmagazin Time angesäuert, nachdem der Kolumnist des New York Daily Mirror, Walter Winchell, die Kramer-Legende wieder aufgewärmt hatte. Damit habe der Kollege seine Reputation in Sachen Glaubwürdigkeit nicht gerade aufgebessert, stellte sich Time auf die Seite Remarques.1993 Die Niagara Falls Gazette gab dem Schriftsteller selbst eine Plattform und zitierte ihn unter der Überschrift »His Name is ›Remarque‹« wie folgt: »My name is not ›Kramer‹; that is a fairy tale invented by some German militarists and disseminated in the press. My name is Remarque; that has been the name of my family for hundreds of years. No one in our family was ever called ›Kramer‹; that is pure invention.« Damit könne das Thema, befand die Regionalzeitung, endgültig zu den Akten gelegt werden.1994 Nichtsdestotrotz hatte es den meisten Beobachtern spätestens um die Jahreswende 1929/30 gedämmert, dass in der Weimarer Republik ein Stimmungswandel stattfand. In regelmäßigen Abständen sendeten die gut informierten Korrespondenten neue Belege für einen Rechtsruck in Deutschland über den Atlantik. Und so waren die zunehmenden Repressalien gegen Im Westen nichts Neues auch mit dem lange vorherrschenden amerikanischen Optimismus nicht mehr wegzuleugnen. Wie instabil die innenpolitische Lage inzwischen geworden war, zeigte sich, als die NSDAP Ende Januar 1930 in Thüringen in eine rechtskonservative Regierung eintrat und erstmals einen Minister stellte. Nur wenige Tage darauf, am 9. Februar, berichtete die New York Times aus Weimar bereits über die erste Maßnahme des neuen Kultusministers Wilhelm Frick: das Verbot von Remarques Buch in allen thüringischen Schulen. »It is time to stop the infection of the schools with pacifist Marxian propaganda«, zitierte die Zeitung aus einer Verlautbarung der NSDAP.1995

1993 N.N.: Home, Boys, Home. Nur ganz selten wurde die Kramer-Legende unhinterfragt übernommen. Vgl. u. a. Rian James: Reverting to Type, in: Brooklyn Daily Eagle, New York, 17. 5. 1930 (90. Jg.), S. 11. 1994 N.N.: His Name is »Remarque«, in: Niagara Falls Gazette, 15. 5. 1931 (78. Jg.), S. 8. 1995 N.N.: Weimar Bans »All Quiet.«, in: New York Times, 9. 2. 1930 (80. Jg.), S. 15. Siehe auch Kap. 7.2.2.7, S. 303.

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7.3.4.2. Eskalation des Kampfes gegen Remarque im ›Filmkrieg‹ Was sich vorher immer deutlicher abgezeichnet hatte, wurde in den Angriffen auf die Hollywood-Verfilmung von Im Westen nichts Neues nun unmissverständlich klar : Remarques Fronterzählung wurde für alle Feinde der bestehenden Staatsordnung zu einem Symbol im Kampf gegen die Weimarer Republik. Die ersten Ansätze wurden schon weit vor dem eigentlichen ›Filmkrieg‹ im Dezember 1930 sichtbar. Bereits im März desselben Jahres hatten mehrere amerikanische Zeitungen über Diskussionen im Reichstag zu einer möglichen Änderung des Filmzensurgesetzes berichtet. Den Anstoß dazu hatte – noch vor ihrer Veröffentlichung – die Universal-Produktion gegeben. Der Film habe eine antideutsche Tendenz und betone den Militärdrill über Gebühr, gab die Chicago Daily Tribune die Kritik eines Vertreters des Auswärtigen Amts wieder. Dieser forderte, ausländische Filme sollten den deutschen Filmprüfinstanzen künftig in einer ungeschnittenen Originalversion vorgelegt werden. So könne verhindert werden, dass Produktionsfirmen mit Filmen für den »alliierten Konsum« auch noch Geld in Deutschland verdienten, indem sie Passagen, die das deutsche Publikum beleidigten, herausschneiden würden.1996 Im Zuge des Ringens um Im Westen nichts Neues beschäftigte sich dann auch die Reichsregierung konkret mit diesem Vorschlag.1997 Zunächst aber begann die Aufführung des Films in Berlin verhältnismäßig unspektakulär, wie die US-Korrespondenten an ihre Redaktionen in der Heimat berichteten. Am Rande der Vorführung für geladene Gäste am Abend des 4. Dezember gab es sichtbare, aber noch gewaltfreie Demonstrationen des rechts stehenden Deutschen Reichskriegerbundes Kyffhäuser. Obwohl der amerikanische Film in der deutschen Fassung beträchtlich geschnitten worden sei, hätten sich die Veteranen vehement gegen die Darstellung der deutschen Soldaten aufgelehnt, berichtete die Chicago Daily Tribune: »We, as the members of the old German army deny the foreigners’ right to produce mangled and distorted pictures of fights and deaths of German soldiers in the world war«, zitierte die Zeitung den Reichskriegerbund.1998 Die Premierenvorstellung am Nachmittag des 5. Dezember ging ebenfalls glimpflich über die Bühne. Die Publikumsreaktion beschrieb die Filmgazette Variety wie folgt: »The audience was too stirred and moved to either disapprove

1996 Vgl. N.N.: Reichstag Hears an Attack on Filming of Remarque’s Novel, in: Chicago Daily Tribune, 28. 3. 1930 (84. Jg.), S. 31, sowie N.N.: Asks New Reich Film Law, in: New York Times, 28. 3. 1930 (80. Jg.), S. 3. 1997 N.N.: Berlin Riot Over ›All Quiet‹ as Much-Antisemitic as Anything Else – Forcing New Censor Law, in: Variety, New York, Nr. 22 vom 10. 12. 1930 (26. Jg.), Bd. 100, S. 7. 1998 N.N.: German Veterans Protest Movie on Remarque Story, in: Chicago Daily Tribune, 5. 12. 1930 (84. Jg.), S. 25.

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or applaud.« Proteste auf der Straße habe die vorgewarnte Polizei im Keim erstickt. Und bis auf nationalistische Organe sei der Film von der Berliner Presse sehr positiv aufgenommen worden, berichtete die Zeitung weiter.1999 Die New York Times gab ebenfalls das Meinungsbild in den deutschen Gazetten wieder, gewichtete die Resonanz aber in die gegenteilige Richtung: »The American film version of Remarque’s war story, ›All Quiet on the Western Front,‹ […] let loose a storm of controversy and criticism such as has seldom if ever been aroused by any film here.« Sie stellte fest, dass alle nationalistischen Titel, auch die moderaten, den Film mit einer gemeinsamen Stimme ablehnten. Dabei gehe es ihnen nicht um den filmischen Wert an sich, sondern rein um ihre politische Positionierung gegenüber dem kriegskritischen Duktus von Im Westen nichts Neues: »Their charges are that the film is anti-German in that it portrays German soldiers as being frightened the first time they faced gunfire as youngsters of 18 years, as questioning what is the sense of war, anyhow, and as hungry, cold and unhappy.« Die Kritik von rechts, resümierte die New York Times, werde von den positiven Stimmen von links nicht aufgewogen: »Only here and there are faint voices of tribute to the American producers for having stuck so faithfully to the book. But as patriotic Germans hated the book anyway, this is not much help. The Socialist and other Left papers alone are outspoken in praise of the film as art and truth.«2000

Das war freilich nur der Auftakt der Proteste gegen Im Westen nichts Neues. Der mit der Abendvorstellung am 5. Dezember beginnenden offenen Filmsabotage der Nationalsozialisten widmete sich nahezu jede amerikanische Zeitung mit Auslandsberichterstattung ausführlich. Während größere Blätter eigene Korrespondenten in Deutschland beschäftigten, griffen Lokalzeitungen auf Artikel der Nachrichtenagenturen zurück. So berichtete AP am 6. Dezember 1930 über die Tumulte im Mozartsaal am Nollendorfplatz: »White mice, odor bombs, catcalls and shouts of denunciation were used by German Fascists to provide a tumultuous reception for the American-made movie of Erich Maria Remarque’s novel, ›All Quiet on the Western Front‹. So successful was the demonstration that the theatre lights last night were turned off, while police emptied the house.«2001

1999 N.N.: Berlin Riot Over ›All Quiet‹. 2000 N.N.: ›All Quiet‹ Arouses German Critic’s Ire, in: New York Times, 6. 12. 1930 (80. Jg.), S. 10. 2001 AP: Fascists Use White Mice to Empty Theatre Showing Remarque’s Movie, in: Amsterdam Evening Recorder, Nr. 92 vom 6. 12. 1930 (98. Jg.), Bd. 52, S. 1. Vgl. auch AP: German Fascists Release Bombs, Mice, Stench to Stop Showing of ›All Quiet‹, in: Winona Republican-Herald, 6. 12. 1930 (76. Jg.), S. 1.

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Zuvor seien Besucher, die von Nazis als Juden identifiziert wurden, sogar tätlich angegriffen und übelst beleidigt worden, fügten New York Times und Variety hinzu – wobei sich die Mehrheit der Zuschauer lautstark von den Nazi-Protesten distanziert habe.2002 Der Drahtzieher der gewalttätigen Krawalle von rund 200 SA-Leuten und NSDAP-Anhängern wurde unterdessen schnell ausgemacht: »Joseph Goebbels, Reichstag Deputy, Berlin Fascist chief and right hand man of Adolf Hitler, led in the demonstration against the film. […] Surrounded by a bodyguard of brown shirts, he awaited that part of the film where German volunteers are shown in hysterics during a bombardment. […] ›Out Jews,‹ ›a dirty film, made in America,‹ and other like denunciations were mingled with ›down with the government‹ […].«2003

In den folgenden Tagen ging die Berichterstattung weiter. Korrespondenten tickerten mehrmals täglich aus Berlin, wie sich die Lage im damals schon so identifizierten ›Filmkrieg‹ entwickelte. Wie relevant das Thema für die Redaktionen war, zeigt die häufig prominente Platzierung der Artikel auf den Titelseiten. Am 9. Dezember meldete AP, dass sich erneut große Menschenmengen vor dem Kino versammelt hatten, die dann – lautstark »Deutschland erwache!« skandierend – vom Nollendorfplatz zum nahegelegenen Wittenbergplatz zogen. Einige Protestler seien von der Polizei verhaftet worden, die meisten so jung, dass sie 1914 noch Babys gewesen sein müssten, notierte die Nachrichtenagentur. Die eindeutig republikfeindlichen und antisemitischen Botschaften ihres Anführers Dr. Goebbels jedenfalls seien bei den jungen Faschisten auf großen Anklang gestoßen: »In hot terms he denounced this ›Jewish‹ version of the German soldier’s life in the trenches, and the young Fascists cheered wildly.«2004 Auch am nächsten Tag setzten sich die Auseinandersetzungen zwischen Tausenden Anhängern der Nationalsozialisten und der Polizei im vornehmen Westen der Stadt fort, immerhin ohne größere Gewalteskalation.2005 Dabei machten die Demonstranten klar, dass sie ihren Kampf gegen den RemarqueFilm nicht eher einstellen würden, bis dieser verboten werde, kabelte der Berliner Büroleiter der New York Times, Guido Enderis2006, in die Heimatredaktion. 2002 2003 2004 2005

N.N.: Berlin Riot Over ›All Quiet‹, sowie N.N.: ›All Quiet‹ Arouses German Critic’s Ire. AP: Fascists Use White Mice. AP: Fascist Youth Riot as ›All Quiet‹ Runs, in: New York Times, 9. 12. 1930 (80. Jg.), S. 17. Guido Enderis: Nazi Renew Fight on Remarque Film, in: New York Times, 10. 12. 1930 (80. Jg.), S. 10. Vgl. auch AP: Tonight’s Showing of the Film […], in: Plattsburgh Sentinel, 12. 12. 1930 (93. Jg.), S. 5. 2006 Guido Enderis war langjähriger AP-Korrespondent in Berlin und berichtete bereits während des Ersten Weltkriegs aus Deutschland, bevor er sich 1928 der New York Times anschloss. Zwei Jahre darauf übernahm der 1872 in der Schweiz geborene Enderis die Leitung des Berliner Büros der Tageszeitung. Später wurde ihm vorgeworfen, sich mit dem Nazi-Regime zu arrangieren und zu unkritisch aus Deutschland zu berichten – was zumindest in den 1930 während des ›Filmkriegs‹ entstandenen Artikeln nicht erkennbar war. 1941 ging Enderis zurück in seine Heimat, wo er 1945 in Bern an einem Schlaganfall

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Solange verschafften die Proteste den Nazis eine willkommene Plattform für ihre Demagogie und manövrierten die rechtsstaatlichen Gewalten in eine Zwickmühle, kommentierte er : »The appearance of Herr Remarque’s film in the present disturbed political situation has proved to be welcome grist for the Nazis’ demagogic mill, but the Federal and Prussian Governments and the Berlin police are confronted with a predicament they had not bargained for. Herr Hitler’s Fascists, who are demanding its withdrawal in conformity with their anti-American, anti-Semitic and anti-pacifist slogans, announced today they would keep up their present barrage until their purpose is achieved.«2007

Die amerikanischen Journalisten versuchten, die Krawalle auf der Straße und im Kino in den gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Auf den ersten Blick spiegelten sie sicherlich eine zunehmend unfriedliche Stimmung in Deutschland wider. Aber wie repräsentativ war die Ablehnung des Remarque-Films durch die NS-Bewegung, Armeekreise und diverse nationalistische Organisationen wirklich? Schließlich hatte sich nur eine verschwindende Minderheit der Berliner an den Protesten beteiligt. Und war von der politisch aufgeheizten Lage in der Hauptstadt überhaupt auf das ganze Land zu schließen? In der Bewertung tat sich die US-Presse schwer. Im Outlook and Independent klang es beispielsweise zunächst so, als ob Im Westen nichts Neues auf allgemeine Ablehnung in der deutschen Nachkriegsgesellschaft stoße: […] It is evidently not what post-war Germany wishes to see«, generalisierte das Magazin, um dann wiederum die Gegenkräfte auf verständnislose Hurrapatrioten verschiedensten Alters einzugrenzen: »What jingoistic, uncomprehending members of Germany’s older and younger generations evidently expect of ex-soldiers now that the War is over – what some forgetful ex-soldiers even expect of themselves – is that they should polish up their medals, idealize the last war and stand ready to cheer their sons into the next.«2008

Der Utica Observer-Dispatch mutmaßte, die Majorität der Deutschen habe den Film nicht als Verunglimpfung des deutschen Heeres aufgefasst, sondern darin das Kriegserlebnis der Soldaten aller Armeen gesehen. »The protests have come mainly from the groups of veterans and other patriotic organizations which are naturally especially sensitive on the subject of the war«, relativierte die Zeitung die öffentlichkeitswirksamen Attacken. Der St. Louis Post-Dispatch war derselben Ansicht. Kein normal denkender Deutscher würde sich von Im Westen nichts Neues angegriffen fühlen. Lediglich Nazis müssten sich aufgrund ihrer chauvistarb. Vgl. u. a. Laurel Leff: Buried by The Times: The Holocaust and America’s Most Important Newspaper, Cambridge u. a. 2005, S. 55 und 65. 2007 Enderis: Nazi Renew Fight. 2008 N.N.: The Trend of Events, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 16 vom 17. 12. 1930 (83. Jg.), Bd. 156, S. 608.

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nistischen Prinzipien über den Film entrüsten: »No thinking German will take offense, for the picture’s application is not to Germany alone but to the world«, führte die traditionsreiche Tageszeitung aus Missouri aus. »It is only Hitler’s frenzied followers that grow indignant. And they should, for it is at their chauvinistic principles that the picture is aimed.«2009 Nicht nur auf wenige soziale Gruppierungen beschränkt war das Wiederaufflackern des deutschen Kriegsgeistes nach Ansicht der New York Times. Sie konstatierte, die Ablehnung des Antikriegsfilms sei nahezu einhellig erfolgt. Für die Zukunft der Republik bedeute dies nichts Gutes, glaubte die Zeitung: »Those who have been comforting themselves for the past decade with the thought that republican Germany wanted nothing to do with the horrors of war received a rude awakening when they faced the almost unanimous exhibition of rage which greeted the opening of this, if anything, anti-military film.«2010

Richtig erkannt wurde, dass der Jugend eine entscheidende Rolle bei der Bewahrung des Friedens zukam. Denn gerade auf die jüngeren Jahrgänge, die das Grauen an der Front nicht aus erster Hand kannten, zielte die Nazi-Bewegung mit ihrer Propaganda ab. Und dabei war sie durchaus erfolgreich, wie die Bronxville Press anhand der Proteste gegen den Hollywood-Film beobachtete: »[…] Only boys, students and young clerks took part in it. None old enough to remember the war at first hand participated.«2011 Zu einem einheitlichen Urteil kamen die US-Korrespondenten nicht. Die Attacken gegen die Remarque-Verfilmung waren beunruhigend und verhießen für die weitere soziopolitische Entwicklung Deutschlands nichts Gutes. Aber die Tragweite war noch schwer abzuschätzen. Manche Beobachter sahen bereits tektonische Verschiebungen im gesellschaftlichen Gefüge des Landes, während andere die schweigende Mehrheit der Bevölkerung als Stabilitätsgarant für die Republik betrachteten. Einig waren sich die amerikanischen Journalisten unterdessen darin, dass die politische Aufladung der Debatte um Im Westen nichts Neues ein speziell deutsches Phänomen war. Mit Überraschung und Unverständnis reagierten sie auf die Vorgänge um den Kinofilm und unterstrichen, etwas Derartiges sei in den Vereinigten Staaten gänzlich unvorstellbar, wie beispielsweise der Indianapolis Star ausführte: »The situation seems almost incomprehensible to movie fans in the United States, who seldom become aroused over the political angles of screen presentations. Some films 2009 Siehe Presseschau in: N.N.: Daily Editorial Digest. 2010 N.N.: See New War Spirit in German Film Row, in: New York Times, 7. 12. 1930 (80. Jg.), S. 10. 2011 N.N.: »If This Be Treason –«, in: Bronxville Press, Nr. 98 vom 16. 12. 1930 (40. Jg.), Bd. 6, S. 4.

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have produced caustic criticism on moral or social grounds, but few have felt like starting a riot because of a screen play.«2012

In späteren Berichten über die neue politische Arena des Kinos erwähnten amerikanische Zeitungen auch linke Proteste gegen kriegsfreundliche Filme. Diese nahmen zwar nicht das Ausmaß der rechten Attacken gegen pazifistische Produktionen an, doch sie trugen zum Eindruck bei, dass die Deutschen die Filmsäle immer weniger als Orte des Freizeitvergnügens nutzten, sondern sie zunehmend zur Bühne politischer Auseinandersetzungen machten. Seine Eindrücke von einer Demonstration gegen die historische UFA-Produktion Das Flötenkonzert von Sanssouci, die Friedrich dem Großen huldigte, beschrieb C. Hooper Trask in der New York Times vom 18. Januar 1931 wie folgt: »Encouraged by the rumpuses started by National Socialists against ›All Quiet,‹ the more liberal elements took the occasion of the production of […] ›The Flute Concert at Sans Souci‹ to relieve their feelings. On the opening night at the Ufa Palast they started one of those things which they call a ›skandal‹ over here. This consisted of shouting such comments as ›It’s a regular Wild-West show‹ and booing and whistling at the end when Frederick the Great reviews his troops.«

Wie wenig er von solchen Aktionen hielt, schob der Korrespondent direkt hinterher : »As an Anglo-Saxon, I cannot, of course, sympathize with this kind of behaviour in a theatre, as we feel that the people who have paid their money have a right to see the performance for which they have bought tickets, and those who do not like it can quietly leave the house. Oddly enough, even intelligent Germans hold that a minority has a right to express its opinion out loud […].«2013

Bewertung des Filmaufführungsverbots Mit dem von der Film-Oberprüfstelle am 11. Dezember 1930 ausgesprochenen Aufführungsverbot von Im Westen nichts Neues bekam der ›Filmkrieg‹ eine neue Qualität. Dies nahm auch die amerikanische Presse wahr. Zwar war schon zu Beginn der Berliner Krawalle gegen den Universal-Film in einigen US-Zeitungen durchgeklungen, dass es nicht überraschend wäre, wenn die staatlichen Autoritäten die öffentliche Ordnung durch ein Verbot der Vorführung wiederherstellen wollten. Aber dass es tatsächlich dazu kommen sollte, war nicht erwartet worden. »›All Quiet‹ Is Quiet In Germany«, brachte die Binghamton Press die Situation mit einigem Erstaunen auf den Punkt.2014 2012 Siehe Presseschau in: N.N.: Daily Editorial Digest. 2013 C. Hooper Trask: German Cinema Notes, in: New York Times, 18. 1. 1931 (81. Jg.), S. 112. Vgl. hierzu auch AP: German Theaters New Public Forum, in: Washington Post, 18. 1. 1931 (55. Jg.), S. 10. 2014 N.N.: »All Quiet« Is Quiet In Germany, in: Binghamton Press, 13. 12. 1930 (27. Jg.), S. 18.

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Der Berichterstattung über die Entscheidung des deutschen Zensors widmeten die Redaktionen viel Platz. Denn sie gab Anlass zur Sorge über den künftigen politischen Kurs des einst verfeindeten Landes, zu dem die USA in den Jahren zuvor gerade erst wieder ein gutes Verhältnis aufgebaut hatten. »Supression [sic!] in Germany of the war film, ›All Quiet on the Western Front,‹ is a source of much speculation on this side of the water«, ordnete die Schenectady Gazette die hohe Bedeutung des Vorgangs aus der Perspektive Amerikas ein.2015 Während die Nachrichtenagenturen in ihren Artikeln aus Deutschland die reinen Fakten in den Vordergrund stellten2016, sprach aus den Kommentarspalten der Zeitungen eine fast einmütige Ablehnung des Verbotsurteils. Unisono wurden dabei die tumultartigen Proteste der Nazis mit der Entscheidung der Film-Oberprüfstelle in Verbindung gebracht, weshalb die Republikfeinde zu Recht ihren »großen faschistischen Sieg« feierten, wie Sigrid Schultz in der Chicago Daily Tribune bemerkte.2017 Kein Verständnis für die Kehrtwende der Reichsregierung, den Film erst zuzulassen und ihn dann auf Basis angeblich inhaltlicher Argumente wieder abzusetzen, zeigte auch Guido Enderis in der New York Times. Der Eindruck, mit diesem Verhalten vor den Nazis eingeknickt zu sein, wiege schwer, schrieb er am 12. Dezember 1930: »The […] obvious desire to avoid unnecessary political controversy plainly left [the government headquarters] indifferent to criticism on the ground of having surrendered to rampant nationalism and Adolf Hitler’s young storm divisions.« Die New York Times stellte sich damit auf die Seite liberaler und sozialdemokratischer Zeitungen in Deutschland, die durch die Verbotsentscheidung eine Verschlimmerung der innenpolitischen Verhältnisse befürchteten. Nach dem einfach errungenen Triumph gegen den Remarque-Film würde die Hitler-Bewegung ihren Kampf gegen die Republik erst recht verstärken, zitierte die New York Times die Vossische Zeitung. Das SPD-Organ Vorwärts sah dem Bericht zufolge Deutschland bereits inmitten eines Entscheidungskampfes, dessen Ausgang das Schicksal des Volkes jahrzehntelang bestimmen werde. Nationalistische Pressestimmen ließ Enderis nicht zu Wort kommen, sodass der Eindruck entstand, er mache sich die Statements der republiktragenden Kräfte zu eigen.2018

2015 N.N.: Daily Editorial Digest. 2016 Vgl. etwa AP: Germany Bans Exhibition of Movie on War, in: Schenectady Gazette, 12. 12. 1930 (36. Jg.), S. 28. 2017 Sigrid Schultz: Germany Bans War Talkie of Remarque Book, in: Chicago Daily Tribune, 12. 12. 1930 (84. Jg.), S. 12. 2018 Guido Enderis: ›All Quiet‹ Banned by Reich Censors, in: New York Times, 12. 12. 1930 (80. Jg.), S. 12.

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Der hoch angesehene Berliner Korrespondent der Chicago Daily News2019, Edgar Ansel Mowrer2020, kritisierte die Entscheidung der Film-Oberprüfstelle ebenfalls. Sie hätte sich niemals dem Druck der Straße beugen dürfen. Mowrer, der 1933 den Pulitzer-Preis für seine Berichterstattung über den Aufstieg der Nationalsozialisten erhalten sollte, fürchtete mit Recht, in naher Zukunft könnte nicht nur Kritik am deutschen Militarismus, sondern am Krieg überhaupt untersagt sein. Die Jugend werde so ein gänzlich verklärtes Bild vom Fronterlebnis bekommen, warnte er.2021 Führende US-Blätter analysierten die Folgen des Filmaufführungsverbots in den Tagen nach dessen Inkrafttreten weiter ausführlich. Auf Unverständnis stießen vor allem die Aussagen von Regierungsvertretern, die Absetzung von Im Westen nichts Neues habe in keinem Zusammenhang mit den Nazi-Krawallen gestanden. »A large number of leading government supporters are unable to see why the world concludes there is some connection between the Nazi uproar and the belated suppression. It is officially insisted they are merely coincidental«, äußerte sich die New York Times erneut kritisch. Sie zitierte eine anonyme Quelle aus dem Kabinett, welche die Vermutung, dass die Filmzensur Deutschlands Ansehen im Ausland viel stärker schade, als es die vermeintlich herabwürdigende Hollywood-Produktion jemals hätte tun können, vehement abstritt. Der Trubel um Im Westen nichts Neues werde innerhalb einer Woche vergessen sein und die Hitler-Bewegung gehe keinesfalls gestärkt aus der Auseinandersetzung hervor, lautete die realitätsferne Einschätzung des Regierungsmitglieds.2022 In 2019 Mit ihrer parteipolitischen Unabhängigkeit und internationalistischen Tendenz war die 1876 gegründete Chicago Daily News ein Korrektiv zur konservativen Chicago Daily Tribune. Das renommierte Blatt (Auflage: ca. 420.000) hatte ein großes Korrespondentennetz, das mehr als 100 Zeitungen nutzten. 1929 gewann die Daily News den Pulitzer-Preis für Berichte über deutsche Bestrebungen zur Revision des Dawes-Plans. Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 48ff.; Mott: American Journalism, S. 662. 2020 Bevor Edgar Ansel Mowrer 1924 Korrespondent der Chicago Daily News in Berlin wurde, hatte er in gleicher Funktion in Italien gewirkt und über das Kriegsende sowie das Aufkommen der faschistischen Bewegung unter Mussolini berichtet. Auch in Deutschland entwickelte Mowrer schnell ein Gespür für die politische Gemengelage. 1933 schrieb er seine Ahnungen über den Irrweg des Landes im Buch Deutschland stellt die Uhr zurück (Germany Puts the Clock Back) auf und erhielt für seine Berichte im selben Jahr den Pulitzer-Preis für Korrespondenz. Das Buch wurde ein Bestseller, führte aber dazu, dass Mowrers Sicherheit nicht mehr gewährleistet war. Er musste Deutschland verlassen und arbeitete anschließend in Japan und Frankreich. Sein Bruder Paul Scott Mowrer war ebenfalls Pulitzer-Preisträger und politischer Redakteur der Chicago Daily News. Vgl. Müller : Weimar im Blick der USA, S. 136–143, 363–366 und 394f, sowie Maurice R. Cullen Jr.: Edgar Ansel Mowrer, in: Perry J. Ashley (Hg.): American Newspaper Journalists, 1926– 1950, Detroit 1984 (Dictionary of Literary Biography, Bd. 29), S. 250–256. 2021 Vgl. Edgar Ansel Mowrer : Reich Cabinet Bans Showing of »All Quiet«, in: Chicago Daily News, Nr. 294 vom 11. 12. 1930 (55. Jg.), S. 2, sowie ders.: Germany Puts Ban on Another War Talkie, in: Chicago Daily News, Nr. 309 vom 30. 12. 1930 (55. Jg.), S. 2. 2022 N.N.: German War Film Still Grave Issue, in: New York Times, 13. 12. 1930 (80. Jg.), S. 13.

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einem weiteren Artikel in derselben Ausgabe vom 13. Dezember 1930 mutmaßte die Zeitung, auch Remarques Buch wäre seinerzeit die Verbreitung verwehrt worden, wenn die Umstände in der Weimarer Republik Anfang 1929 genauso krisenhaft gewesen wären wie Ende 1930. Überhaupt sei die zunehmende Zensur beunruhigend, nicht nur in Deutschland, sondern in weiten Teilen Europas, wo sie – wie etwa in Italien oder Russland – noch deutlich effektiver sei als in den USA. Als Exporteur von Kulturprodukten, die verstärkt unter ebenjener Zensur litten, sollten die Vereinigten Staaten wachsam sein, mahnte die New York Times.2023 Unterdessen äußerten nur einige wenige Kommentatoren etwas Verständnis für die Entscheidung der regierungsnahen Film-Oberprüfstelle. Die umstrittene Verfilmung von Remarques Fronterzählung habe der nationalsozialistischen Bewegung eine Bühne für ihre hurrapatriotischen Proteste gegen das Weimarer System gegeben, welche ihnen durch das Aufführungsverbot wieder entzogen worden sei, kommentierte die Schenectady Gazette: »Explanations offered in the United States center around the fact that the menace of the Hitler element of opposition to the government made it necessary to remove an excuse for jingoistic violence.«2024 Zwar sei die Kritik, der Film zeige die deutsche Niederlage im Krieg, unverständlich, erläuterte auch das von derselben Zeitung zitierte Milwaukee Journal. Nichtsdestotrotz sei das Handeln der Behörde aus pragmatischen Gründen nachzuvollziehen: »We can sympathize with German objections, however. The German government is having a difficult time with hopeless, destructive demagoguery of Hitler. Anything that gives the Hitler following something to shout about is bad for the stability of a new government. Plainly ›All Quiet‹ was giving the Hitler crowd an occasion of making trouble.«2025

Mit genau dieser Begründung wurden später weitere kriegskritische Filme verboten, während kriegsverherrlichende Produktionen, die aufgrund von linken Protesten ebenfalls die öffentliche Ordnung zu gefährden drohten, weiterlaufen durften – so etwa der zuvor erwähnte UFA-Streifen Das Flötenkonzert von Sanssouci, welcher nur wenige Tage nach der Absetzung von Im Westen nichts Neues Premiere feierte. Auch einem Dokumentarfilm über die Aktivitäten des Stahlhelm-Bundes gab die Film-Oberprüfstelle grünes Licht, was den Redakteur der New York Times, C. Hooper Trask, zu dem Resümee führte, dass in Deutschland mit zweierlei ideologischem Maß gemessen werde: »Pacifist pictures are taboo, but those furthering the militaristic spirit have free field.«2026 2023 2024 2025 2026

N.N.: Commercialism and Censorship, in: New York Times, 13. 12. 1930 (80. Jg.), S. 17. N.N.: Daily Editorial Digest. Siehe Presseschau, ebd. Vgl. Trask: German Cinema Notes.

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Eine interessante Bemerkung mit Blick auf das eigene Land machte in diesem Kontext der Newtown Register. Sehr wahrscheinlich hätten die »hitzköpfigen« Landsleute nicht anders reagiert, wenn eine deutsche Produktion das amerikanische Kriegserleben auf gleiche Weise dargestellt hätte, vermutete das Blatt: »We should not criticize the German action, because were American theatres attempting to exhibit a German film of the same general nature dealing with the Americans our hot-headed country men would insist that it be prohibited too. Such are the requirements of a professional patriotism as it has been developed in every country during the past centuries.«2027

In Deutschland, freilich, hatte der vom Newtown Register skizzierte »professionelle Patriotismus« eine ganz besondere Qualität. Die Aggressionen der Nationalsozialisten gegen Im Westen nichts Neues und die Kapitulation der Staatsgewalt davor waren ernste Anzeichen, dass die Existenz der deutschen Republik auf tönernen Füßen stand: »The battle which has been waged about the film has been one in which the disruptive forces of Fascism were pitted against the elements which stand for law and order«, analysierte die New York Evening Post korrekt.2028 Wie dieser Kampf ausgehen sollte, war damals noch nicht absehbar, aber die Kräfteverhältnisse hatten sich in den Augen der meisten amerikanischen Journalisten schon merklich verändert. Während die deutsche Filmzensur das Interesse an All Quiet on the Western Front in den Vereinigten Staaten sowohl auf der Leinwand als auch in Schriftform noch einmal antrieb, beobachtete die US-Presse die weitere Entwicklung in Remarques Heimatland genau. So berichteten mehrere Zeitungen Anfang März 1931 über die auf Betreiben der sozialdemokratischen Fraktion zustande gekommene Reichstagspetition an die Regierung, das Verbot des Films aufzuheben.2029 Als diesem Gesuch im Juni mit Wirkung zum September 1931 stattgegeben wurde und Im Westen nichts Neues – nochmals stark gekürzt – in geschlossenen Veranstaltungen wieder gezeigt werden durfte2030, nahm man das in den USA gleichermaßen zur Kenntnis. Eine flächendeckende Berichterstattung fand aber nicht mehr statt. Offenbar galt der ›Filmkrieg‹ auch aus amerikani2027 N.N.: Editorials – Picture banned. 2028 Siehe Presseschau in: N.N.: Daily Editorial Digest. 2029 Erwähnenswert ist in diesem Kontext auch ein Artikel der New York Times, dem zufolge die Deutschen trotz des Filmverbots in ihrer Heimat Mittel und Wege gefunden hatten, den Streifen zu sehen – und zwar im grenznahen Ausland: »Ever since the film was prohibited in Germany, theatre owners in towns just across the border on all sides of the Reich have been doing excellent business with it, even running special bus services from Germany nightly.« N.N.: Disapproves Film Ban, in: New York Times, 7. 3. 1931 (81. Jg.), S. 7. Vgl. auch AP: Declare Banning Papers Unjust, in: Plattsburgh Daily Press, Nr. 169 vom 7. 3. 1931 (36. Jg.), Bd. 36, S. 1. 2030 Vgl. Kap. 7.2.4, S. 320.

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scher Sicht zugunsten der Nazis entschieden, und das Verhalten der deutschen Regierung wurde als reine Konzessionsentscheidung eingeordnet, die zu spät gekommen sei.2031

7.3.4.3. Prognosen zur politischen Entwicklung Deutschlands Den Umgang mit dem Remarque-Film nahmen einige Journalisten zum Anlass, den Zustand der Weimarer Republik genauer unter die Lupe zu nehmen und Rückschlüsse auf die politische Entwicklung das Landes zu ziehen. Kendall Foss etwa, Korrespondent der New York Times, schrieb im Januar 1931, dass im vergangenen halben Jahr das Pendel ganz klar nach rechts geschwungen sei. Er spannte dabei einen Bogen vom Ende der Aussöhnungsdiplomatie unter Stresemann über den Kampf gegen die Reparationszahlungen und den Young-Plan, die neuen Aufrüstungsbestrebungen Deutschlands und den Erdrutschsieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen im September 1930 bis hin zur Infragestellung der Ostgrenzen. Das Verbot eines pazifistischen Films wie Im Westen nichts Neues war in Foss’ Augen ein weiterer Beleg für die Labilität der Republik, deren Existenz nur noch von den Sozialdemokraten vollumfänglich gestützt werde. Die Wirtschaftsschwäche und die allgemeine Desillusionierung der Bevölkerung seien ein idealer Nährboden für den weiteren Aufstieg der Hitler-Bewegung, ahnte er richtig. Foss’ treffende Analyse zeigt erneut, wie kenntnisreich viele US-Zeitungen ihre Leser über die deutschen Verhältnisse informierten. Die Debatte um Im Westen nichts Neues kam hierbei einem Brennglas gleich, das die Positionierung der jeweiligen politischen Akteure und die insgesamt sehr hitzige Stimmung in der Weimarer Republik sichtbar machte. Das Wissen um die prekäre Situation hütete indes nicht davor, die Folgen einer möglichen Machtübernahme der Nationalsozialisten zu unterschätzen. So prognostizierte der offensichtlich gut informierte Kendall Foss, Hitler werde entgegen seiner Propagandarufe den Versailler Vertrag niemals offen brechen, weil er damit die Franzosen zur Wiederbesetzung des Ruhrgebiets einladen würde. Zu erwarten seien von ihm aber, so der New York Times-Redakteur verniedlichend, »viele interessante Innovationen« – was auch immer damit gemeint war.2032 Beachtung schenkte die amerikanische Presse in diesem Zusammenhang auch den wenigen Prognosen Remarques zur Zukunft Deutschlands. Sich auf das Gespräch des Schriftstellers mit dem französischen Journal Nouvelles 2031 Vgl. u. a. N.N.: Reich Admits »All Quiet.«, in: New York Times, 9. 6. 1931 (81. Jg.), S. 36. 2032 Wörtlich schrieb Foss: »If Herr Hitler should come to power he would no doubt introduce many interesting innovations […].« Kendall Foss: Pendulum Swings to Right in Reich, in: New York Times, 4. 1. 1931 (81. Jg.), S. E4.

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Litt8raires beziehend, das The Living Age zuvor ins Englische übersetzt hatte, schrieb die Bronxville Press am 16. Dezember 1930: »When the editor of the Nouvelles Litteraires referred to the anxiety felt in France over the rise of the Hitlerites, the author replied that he was convincd [sic!] in the very depths of his being that no one in Germany wants war, and then, pausing a moment, he repeated emphatically, ›No desire for war really exists in the soul of the German people.‹«2033

Das war indes nicht die erste und einzige sehr optimistische Aussage des Erfolgsschriftstellers in der Schlussphase der Weimarer Republik. Bereits im Oktober 1929 hatte er eine allzu positive Prognose zu den Nachkriegsgenerationen abgegeben: »They love work and orderly progress, and therefore they love peace, for without peace progress is impossible. Only the coming generations will show the true face of Germany, but my hopes for the moral and cultural future of my country are very high«, so Remarque gegenüber der New York Times.2034 Zudem hatte er mehrfach die Fortschritte bei der internationalen Versöhnung der Völker unterstrichen, was er in dem Interview mit Cyrus Brooks erneut tat. Die Chancen auf ein dauerhaftes Appeasement schätzte er hoch ein, denn die Welt habe erkannt, dass Krieg ein Anachronismus sei, erklärte Remarque hoffnungsfroh.2035 Mit Blick auf die prominenten Vertragswerke, die in den 1920er Jahren unterzeichnet worden waren, sind seine Aussagen nachvollziehbar. Andererseits blieb auch Remarque die starke Ablehnung seiner kriegskritischen Geschichte in reaktionären Kreisen in Deutschland, Italien, Japan und anderen Ländern nicht verborgen. Die Mehrheit der amerikanischen Journalisten hatte lange an ihrem Optimismus festgehalten, dass Bücher und Filme wie Im Westen nichts Neues eine abschreckende Wirkung entfalten; doch mehr noch als offenbar bei Remarque selbst wuchs gegen Jahresende 1930 die Skepsis in den Redaktionen. An Heiligabend, zwei Tage, nachdem Mitglieder des Wehrverbands Stahlhelm Ausgaben von Remarques Roman öffentlich verbrannt hatten2036, erschien ein sehr nachdenkliches Essay in der Chicago Daily Tribune, das wie kaum ein anderer Artikel das amerikanische Gemüt und die Sicht der Vereinigten Staaten auf Deutschland und ganz Europa auf den Punkt brachte. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Angriffe auf Im Westen nichts Neues schrieb die Zeitung, es sei in diesen Zeiten nahezu unmöglich, den Krieg darzustellen, ohne damit hypersensible nationale Gefühle zu verletzen. Dabei sei die ungeschönte, realistische 2033 2034 2035 2036

N.N.: »If This Be Treason –«. Brooks: Herr Remarque Shuns Literary Honors. Ebd. Vgl. auch Kap. 7.3.2.3, S. 364. AP: Germany Fearing Holiday Trouble from the Reds Will Keep Heavy Guard, in: Binghamton Press, Nr. 216 vom 23. 12. 1930 (27. Jg.), Bd. 52, S. 1.

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Schilderung des Krieges / la Remarque so wichtig, um die junge, von neuerlicher Propaganda infiltrierte Generation aufzuklären: »As Americans, we think Europe needs the lesson, especially the youth who had no war experience and which in Russia, Italy, and under the Hitler propaganda in Germany are being systematically inflamed with belligerency.«2037 Die Chicago Daily Tribune fand es paradox, dass in den USA, die von allen am Weltkrieg beteiligten Staaten am wenigsten gelitten hätten, der Friedenswunsch am größten ausgeprägt sei, während die Europäer ihre Armeen von Neuem aufrüsteten: »We who suffered least, though more than we like, seem most anxious to be rid of war, while in Europe new armies are marshaled and new war prepared though the deep shadows of the late tragedy still hang heavy over men’s lives.« Zur Ursachenforschung blickte die Zeitung in die Geschichte des alten Kontinents zurück und kam zu dem Schluss, dass der Krieg fest in der europäischen Kultur verankert sei, während Amerika stets den Frieden anstrebe: »This is a paradox less mysterious than it seems, for both the American disposition to peace and the European assumption that war is a normal affliction of mankind, as well as an alternative to be made use of, were many generations in the making. Habitually America thinks in terms of peace. Habitually Europe accepts war as a normal factor of international relations.«

Umso notwendiger sei es, der europäischen Jugend die dunklen Realitäten des Krieges mithilfe von Filmen wie Im Westen nichts Neues nahezubringen, hieß es weiter. Nur so könne der glorifizierten nationalen Selbsterhöhung entgegengewirkt werden – zumal der schwach ausgeprägte Pazifismus einer starken Opposition gegenüberstehe: »In Europe pacifism is feeble and pacific statesmanship is opposed by powerful organizations which approve warfare as a necessary, not to say desirable, instrument of policy. The consequence of this situation cannot be fortunate for mankind«, schwante der Zeitung Böses.2038 Der Beitrag der Chicago Daily Tribune steht exemplarisch für den immer wieder in der US-Presse betonten Friedenswillen der Amerikaner. Dabei war Krieg nach der Erfahrung des ›Great War‹ kein probates Mittel zur internationalen Konfliktlösung mehr. Entsprechend sah man der Aufrüstung auf der anderen Seite des Atlantiks mit großer Sorge zu. Die Desillusionierung in Bezug auf die europäische Entwicklung wuchs, und die Hoffnung in die friedensstiftende Wirkung von Antikriegsnarrativen schwand Anfang der 1930er Jahre zusehends. Sehr pessimistisch – und zugleich sehr treffend – äußerte sich im Dezember 1930 auch der Arkansas Democrat aus Little Rock. Interessanterweise unterschied er hierbei nicht zwischen der Gesinnung der Amerikaner und Europäer, 2037 N.N.: War and Peace in the Old War, in: Chicago Daily Tribune, 24. 12. 1930 (84. Jg.), S. 8. 2038 Ebd.

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sondern zweifelte am friedliebenden Wesen der Menschheit an sich. Solange Krieg ein fester Bestandteil der menschlichen Kultur sei, würden Zustände, wie sie während des ›Filmkriegs‹ gegen Remarque zutage getreten seien, immer wiederkehren, befürchtete die Regionalzeitung aus dem Südosten der USA: »Just how old the human race is on this day, and how long it has waged war we do not know, […] but we suspect that it has been at it since the first tribe envied the possessions of the second tribe. We might add that for all we know, men may fight until the last survivor sits down to pray for other worlds to conquer. As conditions exist today, so long as we have Mussolinis, and Stalins, and militant French leaders we will have youthful mobs like the ones that have been cavorting nationalism, and so long as we have that we will have in Berlin.«2039

Wie diese skeptische Bemerkung illustriert, war die soziopolitische Gemengelage in Europa aus amerikanischem Blickwinkel dennoch eine besondere. Die trotz des Waffenstillstands 1918 weithin unbereinigten Konflikte zwischen den eng nebeneinander existierenden Nationen drohten früher oder später wieder aufzubrechen, was den Outlook and Independent angesichts des europäischen Säbelrasselns bereits im Mai 1931 zu der finalen Voraussage führte, dass ein neuerlicher Krieg unvermeidlich sei: »It is not yet generally understood that Europe is marching straight and fast toward another war, though many students of continental politics have reported the fact«, schrieb die Zeitung und zitierte im Folgenden aus Remarques Nachfolgeroman The Road Back: »Thirteen years ago we all thought we had learned something. We thought we had learned, as one man [Remarque; der Verf.] in particular had learned, that ›all learning, all culture, all science is nothing but hideous mockery, so long as mankind makes war in the name of God and humanity with gas, iron, explosive and fire.‹ Yet men follow their behavior pattern still and, like fools, daily draw nearer the shell-holes.«

Die Menschheit würde heute wieder so leben, schloss die Publikation in Übereinstimmung mit Remarque, als hätte es die monströsen Jahre, in denen es nur um Leben und Tod ging, nicht gegeben.2040 7.3.4.4. Der besondere Blick über den Atlantik Lohnenswert ist bei der Analyse der Berichterstattung über die deutsche Remarque-Debatte und den Umgang mit Im Westen nichts Neues ein Blick sowohl in die jüdische als auch – etwas ausführlicher – die deutschsprachige Presse der Vereinigten Staaten. Beide adressierten eine klar umrissene Zielgruppe, was in den jüdisch-amerikanischen Zeitungen zu einer stärkeren redaktionellen Mei2039 Siehe Presseschau in: N.N.: Daily Editorial Digest. 2040 N.N.: Trend of the Week, in: Outlook and Independent, New York, Nr. 3 vom 20. 5. 1931 (84. Jg.), Bd. 158, S. 69.

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nung und Gesinnung führte als im restlichen Teil der US-Presselandschaft. Dagegen spiegelt sich in den deutsch-amerikanischen Titeln die Heterogenität der Rezeption in Remarques Heimatland wider, insbesondere in den Leserbriefspalten. 7.3.4.4.1. Remarque und die jüdisch-amerikanische Presse Von jüdischen Titeln in den USA wurde All Quiet on the Western Front als Roman und Film ausnahmslos vereinnahmt. Exemplarisch hierfür ist ein Artikel in der Wochenzeitung The Sentinel aus Chicago vom August 1929, in dem das Blatt, das den Untertitel »The American Jewish Weekly« trug2041, zur Unterstützung des Schriftstellers aufrief. Die Autorin Jennie Franklin Purvin2042 richtete sich mit viel Pathos direkt an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde: »[Remarque] has performed a mission which should be that of the Jewish people. We talk of peace, but we have done little as a people to promote universal peace among men. Here is an opportunity for us. Let us see that this book is so widely circulated that every Jew becomes familiar with its contents. Remarque has already been mentioned as worthy of the Nobel Prize. Let us use what influence we have to promote this happy thought.«2043

Weiter führte Purvin aus, es wäre großartig, wenn herauskäme, dass Remarque Jude sei. Dem war freilich nicht so – dennoch fand die Journalistin Gefallen an dem Gedanken, den Schriftsteller als einen der ihrigen bezeichnen zu können: »It would be splendid if one could discover that Remarque is a Jew. One would eagerly become chauvinist in the desire to claim him.« Sie begründete das damit, dass All Quiet on the Western Front mit seiner Friedensliebe und Lebensbejahung wichtige Werte des Judentums repräsentiere. »Israel believes in constructive progress, in moral growth. War stifles both, as Remarque most plainly demonstrates«, erläuterte Purvin und schloss den überaus positiven Artikel mit folgendem Fazit: »The Jew loves life; he believes in making the most of all of it. He should be the first to see the silent plea in the pages of this book, that life should be too sacred and too grand 2041 The Sentinel, 1911 von Louis S. Berlin und Abraham L. Weber gegründet, richtete sich an die mehr als 300.000 in der Millionenmetropole Chicago lebenden Juden – die zweitgrößte Gemeinde in den USA nach New York. Vgl. Norah L. Schneider: The Sentinel. AmericanJewish Weekly Coverage in Chicago of Nazi Persecution of European Jewry and the Holocaust, 1930–1947, phil. Diss., Newport, Rhode Island 2018. 2042 Jennie Franklin Purvin war eine jüdische Frauenaktivistin, die u. a. als Präsidentin der Sektion Chicago des National Council Of Jewish Women sowie der Sinai-Gemeinde der Schwesternschaft von Chicago wirkte. 1933 wurde sie Mitglied des Board of Directors der Public Library. Vgl. Karla Goldman: Jennie Franklin Purvin, 1873–1958 (Jewish Women’s Archive) [online], verfügbar unter https://jwa.org/encyclopedia/article/purvin-jenniefranklin [24. 8. 2018]. 2043 Purvin: A Very Modern Uncle Tom’s Cabin, S. 40.

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to be lightly thrown away. Remarque’s pleading should meet with a most sympathetic hearing on our part.«

In den Kommentaren zur Leinwandumsetzung von Remarques Fronterzählung und den anschließenden Protesten gegen den Film in Deutschland wird diese vereinnahmende Haltung noch deutlicher. So hielt Grace Jaffe in einem schwärmerischen Porträt über Carl Laemmle Jr. fest, erst »Jewish ability« habe der amerikanischen Filmindustrie aus den Kinderschuhen geholfen und Hollywood zur Traumfabrik gemacht: »The Loews, Foxes, Zukors, Laemmles, have made motion picture history. They have developed the screen from its nickelodeon stage to a top-price entertainment«, betonte Jaffe im Sentinel. Auch den Erfolg von All Quiet on the Western Front schrieb die Autorin dem formidablen Gespür der Produzenten zu, die damit Kinogeschichte geschrieben hätten. Vor allem den jungen Laemmle überhäufte sie mit Lorbeeren: Entgegen der Unkenrufe der gesamten Filmbranche, dass eine originalgetreue Umsetzung des Stoffes gemäß Remarques Vorgabe zum Scheitern verurteilt sei, habe sich der talentierte Produzent an die Arbeit gemacht und schließlich triumphiert: »Junior, however, said nothing and set to work, investing millions in his venture. The rest is history. […] The film became the biggest success of the year.« Seine Erfolgsformel sei gewesen, das Kriegserlebnis gänzlich ungeschönt und ohne klassische Hollywood-Zutaten auf die Leinwand gebracht zu haben.2044 Die großen Sympathien für All Quiet on the Western Front schlugen allerdings in Entsetzen um, als sich im Zuge des ›Filmkriegs‹ die Protestaktionen der Nazis konkret gegen Juden richteten. Das anschließende Aufführungsverbot trug dazu bei, dass die jüdisch-amerikanische Presse noch sorgenvoller nach Deutschland blickte. Dies wird in einem exklusiven Interview der Pittsburgher Wochenzeitschrift Jewish Criterion2045 mit Carl Laemmle Sr. am 2. Januar 1931 klar erkennbar. Sich offenbar mit angegriffen fühlend, fragte der das Gespräch führende jüdische Schauspieler Gustave Schacht Laemmle gleich eingangs nach den Ursachen der Proteste: »Why did the Hitlerites shout ›Down with Jews!‹ [w]hen they protested against the showing of your film ›All Quiet on the Western Front?‹« Laemmle sagte dem Magazin, das sich als »Leading National Jewish Weekly« bezeichnete, da weder Remarque noch irgendein Protagonist in dessen Geschichte ein Jude sei, müsse seine Person gemeint sein. »When it pleases the Hitlerites I am a German or a Jew, according to the direction in which the 2044 Grace Jaffe: Believe It or Not, in: The Sentinel, Chicago, Nr. 13 vom 27. 6. 1930 (20. Jg.), Bd. 78, S. 9. Vgl. auch dies.: The Phenomal Rise of Carl Laemmle, Jr., Southern Israelite, Atlanta, 19. 9. 1930 (26. Jg.), S. 11. 2045 Der Jewish Criterion wurde 1895 in Pittsburgh, der zweitgrößten Stadt des Bundesstaates Pennsylvania, gegründet und richtete sich an die rasant wachsende jüdische Gemeinde. Laut Angaben der Herausgeber lasen 21.000 Haushalte das Wochenblatt regelmäßig. Vgl. Mott: A History of American Magazines, Bd. 5, S. 300.

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political wind is blowing.« Aber die Opposition der Hitler-Anhänger gehe deutlich tiefer und über seine Person hinaus. Sie richte sich gegen den Film selbst und dessen politische Wirkung, die einer neuerlichen geistigen Aufrüstung abträglich sei, analysierte Laemmle scharfsinnig: »The younger generation does not feel the ravages, psychological and physiological, which the World War has brought upon us. The echo of the war as is usually the case dims the horrors and magnifies the heroic aspects. This is what always makes war so attractive for a younger generation and so horrible to their elders. There are people in Germany who harbor the illusion that a new war is needed to make good for them what was lost in the World war. These people are opposed to my film.«2046

Kein normal denkendes Individuum könne All Quiet on the Western Front ansehen, ohne von dem Film bewegt und sich der unmenschlichen, barbarischen Aspekte jedes Krieges bewusst zu werden, führte der Produzent weiter aus. Genau davor hätten die Rechtskräfte Angst. Dabei habe er mit der Verfilmung nur allerbeste Intentionen für sein geliebtes Vaterland gehabt, sagte der Universal-Chef: »When I read Erich Maria Remarque’s magnificent book and when I saw the wonderful feeling of understanding and kindliness toward Germany which it aroused in the hearts of Americans and in the hearts of other nations outside of Germany I determined to extend the good influence of his book by making a motion picture of it.«

Remarque habe der Welt gezeigt, so Laemmle, dass die Deutschen demselben Kriegshorror ausgesetzt waren wie alle anderen Nationen. Hass und Misstrauen seien Verständnis und Sympathie gewichen. Damit habe All Quiet on the Western Front Deutschlands Bild im Ausland komplett verändert – kaum jemand in seiner alten Heimat könne sich diesen enormen positiven Einfluss, der alles andere als antideutsch sei, vorstellen. Der Film habe diese Wirkkraft noch verstärken sollen, beschrieb der Kinounternehmer seine Motivation: »As an American of German birth who cherishes his fatherland I decided that a film of ›All Quiet‹ would be a valuable contribution to international good will and tolerance among the nations.« Bei dieser Ansicht bleibe er, und daher sei er stolz, den Film produziert zu haben, bekräftigte Laemmle. Der Interviewer Gustave Schacht bemerkte am Ende des Gesprächs, der Universal-Chef habe niemals gewollt, dass sein Film ein Spielball der Politik werde. Das erkläre auch, warum sich der Produzent nicht vehementer gegen die Angriffe der Nationalsozialisten zur Wehr gesetzt habe – obschon deren politische Ziele klar seien, schrieb Schacht weitsichtig: »[…] The Hitlerites […] are 2046 Gustave Schacht: Attacks on the Western Front, in: Jewish Criterion, Pittsburgh, Nr. 8 vom 2. 1. 1931 (37. Jg.), Bd. 77, S. 5. Das Interview erschien wortgleich in: The Sentinel, Chicago, Nr. 3 vom 16. 1. 1931 (21. Jg.), Bd. 81, S. 8.

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visualizing – for the not-too-distant future – a new war, with a new political constellation, that is to win back the military prestige of Germany.« Was das für die Juden bedeuten würde, wollte oder konnte Laemmle damals noch nicht absehen. Auf die Eingangsfrage von Schacht zurückkommend, sagte er zwar trotzig: »If pacifism is the trademark of the Jewish race I accept the anti-Semitic outburst of the Hitlerites.« Eine Begründung für deren hasserfüllte Rufe gegen Juden sei aber auch das nicht, so Laemmle: »No answer is possible, for I cannot for the world of me understand the mentality of people who refuse to think straight. They might just as well have shouted: ›Down with all bicycle riders!‹ It would have had just as much sense as their ›Down with the Jews!‹«.2047

Die Berichterstattung über die Laemmles und die zitierten Stellungnahmen zu Remarque veranschaulichen die starke Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front durch die jüdische Presse in den Vereinigten Staaten. Begründet wurde die ausnahmslos positive Rezeption vor allem mit der völkerversöhnenden und friedensstiftenden Botschaft des deutschen Schriftstellers. Inhaltlich übernahmen die Rezensenten viele Positionen, die sich auch sonst in der USPresse fanden, wobei jegliche Form der Kritik ausblieb. Umso stärker war dann der Verteidigungsreflex, als Remarque persönlich, die Produzenten sowie der gesamte Film in Deutschland angegriffen wurden. Dass sich die Attacken der Nazis direkt gegen die Juden richteten, gab zugleich einen Vorgeschmack auf das, was in Remarques Heimatland wenige Jahre später passieren sollte. Die volle Tragweite des Hasses und die Dynamik des Rechtsrucks wurden in jüdischen Kreisen in Amerika aber nur sehr selten erkannt. 7.3.4.4.2. Remarque und die deutsch-amerikanische Presse Mit Im Westen nichts Neues und der deutschen Debatte um das Buch und den Film beschäftigte sich naturgemäß auch die große Bevölkerungsgruppe der Deutsch-Amerikaner. Nicht wenige unter ihnen, die sich in der führenden deutschsprachigen Publikation im Land, der New Yorker Staats-Zeitung 2048, zu 2047 Schacht: Attacks on the Western Front. 2048 Die 1834 gegründete New Yorker Staats-Zeitung war die älteste deutschsprachige Publikation und mit zeitweise mehr als 100.000 Auflage drittgrößtes Morgenblatt in den USA. Sie hatte freiheitlich-demokratische Wurzeln, wurde aber seit Ende des 19. Jahrhunderts etwas konservativer, ohne sich von einer Partei in den Vereinigten Staaten oder Deutschland vereinnahmen zu lassen. Die Assimilation der deutschstämmigen Amerikaner schmälerte nach und nach den Einfluss der Zeitung. 1934 fusionierte sie mit dem abends erscheinenden Schwesterblatt New Yorker Herold. Vgl. Karl J. R. Arndt und May E. Olson: Die deutschsprachige Presse der Amerikas 1732–1968. Geschichte und Bibliographie, Bd. 1: Vereinigte Staaten von Amerika, 3., verb. Aufl., mit e. Anh. vers., München 1976, S. 349, 369f. und 399f.

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Wort meldeten, waren laut eigenen Angaben vor nicht allzu langer Zeit über den Atlantik gekommen und zeigten sich offenbar von den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs und den schwierigen Verhältnissen in der alten Heimat stark geprägt. Ihre Reaktionen auf Remarque spiegelten nahezu eins zu eins das extreme Meinungsspektrum in Deutschland wider, während die Redaktion der New Yorker Staats-Zeitung und ihrer Schwesterblätter zwischen der im angelsächsischen Journalismus gelernten Neutralität im Nachrichtenwesen und klaren politischen Standpunkten, die denen der liberalen deutschen Presse ähnelten, hin- und hergerissen war. Insofern war Im Westen nichts Neues auch für die Deutsch-Amerikaner ein politischer Lackmus-Test. Zudem illustrieren die Redaktionsbeiträge und Leserbriefe die engen transatlantischen Wechselwirkungen sowohl in der Remarque-Rezeption als auch im politischen Diskurs allgemein. Dabei können die Blätter der von der deutschstämmigen RidderFamilie geführten Staats-Herold Corp. als repräsentativ für das seit dem Weltkrieg stark geschrumpfte Pressesegment betrachtet werden: Die New Yorker Staats-Zeitung, der New Yorker Herold und die Wochenendbeilage Illustrated Weekly Deutsch-Amerika gehörten Ende der 1920er Jahre zu den auflagenstärksten deutschsprachigen Titeln und wurden weit über die Ostküstenmetropole hinaus gelesen.2049 Während Im Westen nichts Neues bereits seit Jahresanfang 1929 in Deutschland für Furore sorgte, spielte das Buch im ersten Halbjahr in den Spalten der deutsch-amerikanischen Presse kaum eine Rolle. Der Grund hierfür dürfte darin gelegen haben, dass der Verkauf der englischen Übersetzung bei Little, Brown & Company erst am 1. Juni 1929 begann und auch die deutsche Ausgabe vorher nicht in den USA verfügbar war.2050 Dennoch blieben die Auflagenrekorde von Remarques Buch in Deutschland der New Yorker Redaktion nicht verborgen. So widmete sich der erste Artikel, der Im Westen nichts Neues nannte, am 16. April

2049 Durch innenpolitischen Druck und erzwungene Assimilation wurde der Niedergang der deutschsprachigen Presse in den USA spätestens mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten 1917 stark beschleunigt. Neben den Zeitungen der New Yorker Staats-Herold Corp. existierten 1929/30 nur noch in wenigen Großstädten Blätter mit kleiner und mittlerer fünfstelliger Auflage, beispielsweise die Detroiter Abend-Post oder die Abendpost/Sonntagspost aus Chicago. Die meisten Titel sind heute allerdings nur noch lückenhaft vorhanden und schwer zugänglich, sodass das verfügbare Quellenrepertoire deutsch-amerikanischer Zeitungen sehr überschaubar ist. Mit knapp 90 ausgewerteten Artikeln ist für die vorliegende Arbeit indes eine ausreichende Quellenbasis vorhanden. Vgl. zur Assimilation der Deutsch-Amerikaner und dem Niedergang der deutschen Sprache in den USA Kap. 2, S. 52–54, sowie zur deutsch-amerikanischen Presse u. a. Ulrich Ammon: Die internationale Stellung der deutschen Sprache, Berlin u. a. 1991, S. 387. 2050 Vgl. Anzeige der Deutschen Buchhandlung, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 175 vom 23. 7. 1929 (95. Jg.), S. 3. Dort hieß es, das »allseits besprochene Buch« sei nun vorrätig. Bestellungen sollten rasch getätigt werden.

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1929 im New Yorker Herold der »Arithmetik des Bucherfolgs«.2051 Zur Verlegung in den USA sechs Wochen später berichtete die Zeitung dann etwas ausführlicher über den Bestseller. Seit Langem habe kein Schriftsteller in Europa mehr so viel literarisches Aufsehen erregt, hieß es. Nun sei das »sensationelle deutsche Kriegsbuch« auch in englischer Sprache erhältlich – allerdings gekürzt um »manche Kraftworte« und verschiedene Episoden, die für amerikanische Verhältnisse »allzu realistisch« gewesen seien. In diesem Kontext erwähnte der New Yorker Herold auch den Einfluss des Book-of-the-Month Club, ohne die Umstände der Zensur näher zu kommentieren. Ferner schrieb die Zeitung, die »Phraseologie« Remarques sei »vollkommen wahrheitsgetreu«. Der Autor habe jede Phase des Soldatenlebens im Weltkrieg »in überaus charakteristischen Bildern wiedergegeben«.2052

Bemühen um politische Neutralität – Hoffen auf Völkerverständigung In der Folge beleuchteten die Journalisten den »Sensationserfolg«2053 des Romans durchgängig bis zum ›Filmkrieg‹. Sie widmeten sich indes lange Zeit nicht der Politisierung von Im Westen nichts Neues in Deutschland und vermieden es, selbst Stellung zu beziehen. Stattdessen erschienen zunächst Artikel zur Rezeption im europäischen Ausland, zur Vergabe des Literaturnobelpreises, bei der Remarque nicht bedacht wurde, und zu Hintergründen zum Verfasser. Die Tonalität war dabei stets ohne Wertung. Deutlich wird dies etwa in einem Artikel des Kolumnisten »Der kühle Beobachter« in der New Yorker Staats-Zeitung vom 25. Juni 1929. Dort erwähnt dieser, dass es irreführende Äußerungen »gehässiger Art« gegen den Schriftsteller gegeben habe. Gleichzeitig seien aber auch zu wohlwollende Berichte erschienen, die nicht immer den Tatsachen entsprochen hätten – zum Beispiel, dass Remarque den Rang eines Leutnants innegehabt habe.2054 Einige Wochen später berichtete die Zeitung über die »bittere Feindschaft« früherer Offiziere gegen »die neuerdings erscheinenden Kriegsbücher des Typs ›Im Westen nichts Neues‹«, welche nach Ansicht der Armeeangehörigen von »pazifistischen Tendenzen durchdrungen« seien. Doch wieder enthielt sie sich einer Kommentierung.2055 2051 Fritz Eckardt: Zur Arithmetik des Bucherfolgs, in: New Yorker Herold, Nr. 172 vom 16. 4. 1929 (49. Jg.), S. 2. 2052 N.N.: Remarques »Im Westen nichts Neues«, in: New Yorker Herold, Nr. 211 vom 1. 6. 1929 (49. Jg.), S. 2. 2053 N.N.: Der kühle Beobachter, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 163 vom 9. 7. 1929 (95. Jg.), S. 5. 2054 N.N.: Der kühle Beobachter, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 151 vom 25. 6. 1929 (95. Jg.), S. 5. 2055 AP: »Fall des Sergeanten Grischa« vor Gericht, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 225 vom 19. 9. 1929 (95. Jg.), S. 1.

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Da die Zeitungen des Verlags, anders als die führenden Blätter in der Weimarer Republik, keiner politischen Gruppierung nahestanden und ein breites Publikum ansprachen, ist das Festhalten an einer möglichst neutralen Positionierung nachvollziehbar. Entsprechend gab die New Yorker Staats-Zeitung den äußerst heterogenen Meinungen ihrer Leser ein tägliches Forum. Und schließlich spielten wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Denn zum Buchvertrieb2056, dem Abdruck als Fortsetzungsroman2057 und später zum Kinostart schalteten Werbepartner Anzeigen, die sich dezidiert an die deutsch-amerikanische Leserschaft richteten. Anhand der Beschäftigung mit anderen künstlerischen Werken zum Krieg ließen die Ridder-Publikationen indes schon vor der Zuspitzung der RemarqueDebatte in die Weltsicht des Verlagshauses blicken. Diese zielte eindeutig gegen den Krieg und auf die Versöhnung der Völker ab. So begrüßte die New Yorker Staats-Zeitung R. C. Sherriffs erfolgreiches Theaterstück Journey’s End im März 1929 als »Propagandamittel gegen den sinnlosen Massenmord«. Ein Krieg, der so nüchtern und realistisch beschrieben werde, verliere selbst für die »enthusiastisch vorwärtsstürmende Jugend seinen Reiz«, glaubte der Rezensent.2058 Auch Philipp Witkops Sammlung von Feldbriefen deutscher Studenten las die Zeitung im Dezember 1929 als »erschütternden Friedensappell« – anders als zuvor rechtskonservative Publikationen in Deutschland, die im Opfer der Soldaten einen Grund mehr für einen Revanchekrieg sahen. »Die Feldbriefe [lassen] mehr als alles andere ersehen […], welch’ schwere Wunden der Krieg Deutschland im Besonderen und der Welt im Allgemeinen geschlagen hat. Sie sind ein starker Appell für den dauernden Frieden«, befand der Verfasser der Rezension, Jacob Grammer.2059 In diesem Sinne traten alle Verlagsblätter in ihrer politischen Berichterstattung durchweg für die weitere Verständigung zwischen Deutschland und den USA auf. »Vergessen ist Zorn und Haß, begraben jene Zeit, da sich die beiden 2056 So warb die New Yorker Buchhandlung Abraham & Straus am 25. Juli 1929 in der New Yorker Staats-Zeitung, die Leser sollten sich »das bedeutendste aller Kriegsbücher« jetzt rasch anzuschaffen: »Wohin Sie auch immer diesen Sommer gehen, Sie können versichert sein, dass man überall dieses Buch bespricht. Wenn Sie es nicht gelesen haben, können Sie darüber nicht mitsprechen«, hieß es dort. Anzeige der Buchhandlung Abraham & Straus, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 177 vom 25. 7. 1929 (95. Jg.), S. 3. Vgl. ebenso in: New Yorker Herold, Nr. 228 vom 21. 6. 1929 (49. Jg.), S. 6. Über die Bestellmöglichkeiten des Romans informierte später auch eine Anzeige der German-American Import Co., in: The Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 41 vom 12. 10. 1929 (8. Jg.), Bd. 16, S. 2. 2057 Vgl. Anzeige des New York American zum Abdruck von »All Quiet on the Western Front«, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 167 vom 13. 7. 1929 (95. Jg.), S. 8. 2058 A.: Theater und Kino. »Journey’s End.«, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 74 vom 27. 3. 1929 (95. Jg.), S. 7. 2059 Jacob Grammer : Feldbriefe deutscher Studenten, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 303 vom 19. 12. 1929 (95. Jg.), S. 6.

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Völker im blutigen Waffentanz gegenüberstanden«, konstatierte die New Yorker Staats-Zeitung im August 1929. Stattdessen sei eine gegenseitige Achtung entstanden, »die sich mehr und mehr zur tatsächlichen Freundschaft ausreift«. In ihrem Leitartikel schloss die Zeitung mit der Hoffnung, dass der Geist der Versöhnung weiter gedeihe, »damit einmal Friede, wirklicher Friede auf Erden werde!«2060 Diese Haltung manifestierte sich zwei Monate später beim Tod des Verständigungspolitikers Gustav Stresemann, dem die Redaktion als herausragendstem Staatsmann der Weimarer Republik huldigte. Stresemann sei einer der »treuesten Söhne« des deutschen Volkes gewesen, der sein Leben stets dem Vaterland geweiht habe. Sein Ableben sei ein »unersetzlicher Verlust für Deutschland und die ganze Welt«, da all sein Streben immer darauf gerichtet gewesen sei, die Völker der Erde zu versöhnen und ihnen »den wahren und heiß ersehnten Frieden zu sichern«. An Stresemanns Bahre trauere auch das gesamte »Amerikanertum deutschen Stammes«, kondolierte der Verlag der Witwe des Verstorbenen.2061 Bei allem Unmut über die Reparationsbürden hatte die New Yorker StaatsZeitung stets auf Stresemanns Standpunkt beharrt, dass das deutsche Volk nur mit diplomatischen Mitteln die Reduzierung seiner Lasten erreichen könne. Der Tag werde kommen, an dem der letzte fremde Soldat das Land verlassen habe und die Alleinschuld Deutschlands am Krieg ausgeräumt sein werde. Dann werde »die Sonne wieder freundlicher scheinen«, prognostizierte die Zeitung aus Anlass des zehnten Jahrestages der Unterzeichnung des Versailler Vertrags, wobei sie betonte: »Nicht in Folge neuen blutigen Waffengangs, nein auf friedlichem Wege wird das Ziel erreicht werden.«2062 Ihre die Weimarer Republik stützende Haltung zeigte die Redaktion auch im innenpolitischen Diskurs. Jegliche Form des Extremismus, ob von Kommunisten oder Nationalisten, lehnte sie ab. »Die deutsche Regierung muß das Reich vor der Mobherrschaft schützen und was den ›Roten Frontkämpfern‹ recht, ist den ›Stahlhelmern‹ billig; man muß die Ruhe vor Störungen von links und rechts schützen«, forderte sie.2063 Demgemäß sprach sich die New Yorker Staats-Zeitung im Herbst 1929 für den Young-Plan und gegen die Kampagne Hugenbergs und seiner rechtsradikalen Verbündeten aus. In diesem Zuge konstatierte sie im Übrigen, dass die »Kampfansage« der Nazis an die Republik in Regierungs2060 N.N.: Wahre Völkerversöhnung., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 189 vom 8. 8. 1929 (95. Jg.), S. 6. 2061 N.N.: Stresemanns Wirken in Kondolenzen voll gewürdigt, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 238 vom 4. 10. 1929 (95. Jg.), S. 1f. Vgl. auch N.N.: Ein Apostel des Friedens, ebd., S. 4. 2062 N.N.: Zehn Jahre Versailles., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 154 vom 28. 6. 1929 (95. Jg.), S. 6. 2063 N.N.: Der kühle Beobachter, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 110 vom 8. 5. 1929 (95. Jg.), S. 7.

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kreisen nicht allzu ernst genommen werde und man in Berlin glaube, ihre Bewegung werde im Sande verlaufen.2064 Debatte in der »Plauderecke« über Krieg und Frieden In der Leserbriefrubrik der New Yorker Staats-Zeitung indes gerierten sich die Sympathisanten der Rechtskräfte im Jahresverlauf 1929 zunehmend vorlauter. Unter ihnen befand sich eine wachsende Zahl bekennender Nationalsozialisten, die nach den Reichstagswahlen 1930 und im ›Filmkrieg‹ gegen Remarque noch vehementer gegen die Republik agitieren sollten. Wer ihren Worten Glauben schenkte, bekam eine Ahnung von der bevorstehenden unheilvollen Entwicklung in Deutschland. Insgesamt war das Spektrum der Lesermeinungen in der »Plauderecke« sehr breit und reichte von kommunistischen Beiträgen über neutral-pazifistische Stimmen bis hin zu eindeutig völkischer Gesinnung, wobei im Erscheinungsjahr von Im Westen nichts Neues die friedliebenden Leser der politischen Mitte noch in der Mehrheit waren. Die Diskussionen drehten sich viele Monate lang um die Folgen der Niederlage von 1918, den Versailler Vertrag und einen neuen Waffengang mit all seinen Auswirkungen. »In der Plauderecke ist ein widerlicher Kampf zwischen den sog. Nationalisten, die die Rettung Deutschlands nur durch einen neuen Krieg erblicken, und zwischen Pazifisten, die den Krieg verabscheuen, entbrannt«, kommentierte ein aus Stuttgart stammender Leser im April 1929 die Debatte. Dabei denke und handele ein Pazifist genauso national, wenn er zum Wohle des Volkes einen neuen Krieg mit seinen »schauerlichsten Begleiterscheinungen« verhüten wolle. Und warum solle sich die Mehrzahl friedlich gesinnter Menschen der kriegerischen Minderheit der Bevölkerung unterwerfen »und sich zum Krüppel schießen lassen, wo erstere doch die Aussichtslosigkeit eines Krieges klar erkennen«, fragte er. Beinahe prophetisch fuhr der sich als »Willi« ausgebende Leser fort, dass im Kriegsfall alle größeren deutschen Städte durch Bomben der gegnerischen Flugzeuggeschwader »rauchende, gasgeschwängerte Trümmerhaufen« werden würden. »Wie viele Männer, Frauen und Kinder wären tot und verstümmelt und welch’ ungeheurer, unvergeßlicher Materialschaden würde entstehen?«2065 In gleicher Voraussicht pflichtete ein Leser aus Meiningen bei, ein neuerlicher Krieg werde zu einem Horrorszenario in Deutschland führen: »[…] Eine Handvoll Flieger mit wenigen Gasbomben genügen, um 2064 Vgl. u. a. N.N.: Kampf um Volksbegehren im Reich heftig entbrannt, in: New Yorker StaatsZeitung, Nr. 241 vom 8. 10. 1929 (95. Jg.), S. 1; N.N.: Hugenberg und sein »Freiheitsgesetz« erledigt, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 291 vom 5. 12. 1929 (95. Jg.), S. 6, sowie N.N.: Hugenbergs gepfefferte Niederlage, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 309 vom 26. 12. 1929 (95. Jg.), S. 6. 2065 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 86 vom 10. 4. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion).

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Millionenstädte mit all ihrem Leben in wenigen Minuten zu vernichten.« Für Heldentum und Kriegsbegeisterung werde es angesichts des wahren Gesichts des Krieges keine Gelegenheit mehr geben. Zu erwarten seien stattdessen »Todesszenen verstümmelter und sterbender Krieger […], Millionen hungernder Kinder und Waisen, vergrämte Frauen und Witwen.«2066 Zuvor hatten sich mehrere Leser für den Einsatz kriegerischer Mittel ausgesprochen, um den auch von der Redaktion der New Yorker Staats-Zeitung so bezeichneten »Schandfrieden«2067 von Versailles zu revidieren. Sie machten Stimmung gegen die vermeintliche Schreckensbesatzung im Rheinland, wo die Franzosen hausen würden wie die Barbaren, und riefen offen dazu auf, sich die »geraubten« Landesteile »wiederzuholen«.2068 Auch die »amerikanische Hochfinanz« wurde als Wurzel des Übels ausgemacht, da sie Deutschland auspresse und das Volk um den Ertrag seines »Arbeitsschweißes« bringe, führte ein anonymer »Ruhr-Nazi« aus: »Einem rechten Deutschen wird es am Herzen liegen, daß […] dieser Auspressung ein Ende gesetzt wird, diesem Nagen der Holzwürmer am Mark der deutschen Eiche.«2069 Früher oder später werde sich das Volk vereint gegen diese »Knechtung« auflehnen, versicherte ein 18-jähriger Wormser, der ankündigte, dann in die Heimat zurückzukehren, um dabei zu sein.2070 Und ein Stahlhelm-Angehöriger unterstrich, an Verbrüderung sei trotz aller diplomatischer Pakte nicht zu denken, solange das Unrecht der Nachkriegsordnung nicht revidiert werde. »Wir werden einmal zu unserem Rechte kommen, und wenn es sein muß – mit dem Schwert!«2071 Denn Millionen deutscher Soldaten seien nicht für die »sogenannte ›Weltverbrüderung‹« gestorben, die in den Köpfen einiger Utopisten spuke, sondern für »Deutschlands Freiheit«, assistierte »Siegfried«. Ihr Samen sei der Nationalismus, welcher das deutsche Volk veranlassen werde, sich eines Tages als »völkische Schicksalsgenossenschaft« zu erheben und die »sich selbst zerfleischende Parteienwirtschaft« zu überwinden.2072 Ein solcher Kampf sei gleichbedeutend mit dem Leben, während die Verneinung des Kampfes Verneinung des Lebens sei, 2066 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 93 vom 18. 4. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2067 N.N.: Zehn Jahre Versailles. 2068 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 40 vom 15. 2. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2069 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 241 vom 8. 10. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2070 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 87 vom 11. 4. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2071 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 219 vom 12. 9. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2072 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 253 vom 22. 10. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion).

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stimmte ein sich als »Nationalsozialist« titulierender Leser zu. Deshalb sei der Pazifismus auch die »Politik der Feiglinge«, weil er Kampf und Heldentum negiere.2073 Die friedliebenden Leser wiederum mokierten sich über das »Kriegsgeheul und Fanfarenblasen« vieler deutscher Auswanderer. Einer unter ihnen namens »Hans vom Rhein« empfahl allen unverbesserlichen Kriegstreibern die Lektüre von Remarques Roman: »Wer dieses Buch aufmerksam liest, der ist für ewig geheilt von allem falschen Patriotismus.«2074 Damit griff die Remarque-Debatte auf die »Plauderecke« über. »H. W.« aus Brooklyn entgegnete direkt auf »Hans vom Rhein«, Im Westen nichts Neues sei nur eine nichtssagende »Gemütsschilderung von einem Schuljungen, der von der Schulbank ins Kriegslager gelaufen ist«. Viele seiner Angaben seien zu bezweifeln, beispielsweise die Darstellung des Militärdrills durch die Offiziere oder die missliche Lage der russischen Kriegsgefangenen. »Das ganze Buch kommt mir vor, wie eine große Hetz-Propaganda«, schloss »H. W.«.2075 Auch Adolf Gundlach bezeichnete den Roman als einseitig, gefällig und »mit großem Geschick für die Bedürfnisse der Zeit zusammengetüftelt«. Ihm fehlten Herz und Geist, und »Beispiele eines starken, erhebenden Menschentums« gebe Remarque gar nicht. In diesen Tagen, »in der in Paris darüber beraten wird, wieviel Blut dem blutarmen Deutschen noch abgezapft werden soll«, könne das Buch den Franzosen »so lieb sein wie 100 Milliarden«, glaubte Gundlach.2076 Kritik und Zustimmung hielten sich indes die Waage. Vor allem ehemalige Frontsoldaten ergriffen für Remarque Partei. An all jene gerichtet, »welche immer noch von neuem nach Krieg schreien«, schrieb ein Leser aus Schwaben, sie hätten das Elend wohl nicht am eigenen Leib erfahren. Er selbst sei mehr als vier Jahre an der Front und ein Jahr in Gefangenschaft gewesen, dreimal verwundet worden und wünsche sich nie wieder Krieg. Insofern habe ihm Im Westen nichts Neues aus der Seele gesprochen und ihn emotional sehr bewegt, wie er in der »Plauderecke« schilderte: »Schrecken überkam mich, alte und doch kurze Erinnerungen wurden in meinem Innern erweckt und meine Frau sah meine Aufregung an mir, so daß ich zu meinen beiden Jungen mit tränenden Augen sagen mußte: ›Möge Euch das in eurem Leben erspart bleiben, was eurem Vater von seinem 17. bis zum 23. Lebensjahr, der Jugend Blüte, zerstört hat: Der Krieg!‹«2077 2073 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 72 vom 25. 3. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2074 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 188 vom 7. 8. 1929 (95. Jg.), S. 5 (Leserbriefdiskussion). 2075 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 228 vom 23. 9. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2076 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (8. 10. 1929). 2077 Ebd.

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Der Leser »Rauhschnabel« bestätigte, Remarque schildere das, »was wir Frontsoldaten alle erlebten«. Für manche, die sich in der New Yorker StaatsZeitung nun empört zu Wort meldeten, seien dies »bittere Pillen«. Aber Wahrheit bleibe nun einmal Wahrheit.2078 Auch »Hermann« untermauerte in seiner Replik auf »H. W.«, es könnten nicht genug solch vermeintlicher »Hetzpropaganda-Bücher« geschrieben werden: »Denn jedem einzelnen Menschen müßte es unablässig ins Gehirn eingehämmert werden: Krieg ist Verbrechen, ist Wahnsinn, ist Mord, ist gleichzustellen mit jedem Mord, der im Zivilleben begangen wird, das wissen alle die Hunderttausende Tjadens, Müllers, Kemmerichs, Katczynskis [sic!] und Westhuses am besten, denn sie haben die letzten Flüche und die fürchterlichen Todesschreie der Gefallenen gehört.«

Jedes einzelne Wort in Im Westen nichts Neues sei eine solch erschütternde Wahrheit, dass viele, die das »verrückte Massenmorden« mitgemacht hätten, das Buch nur sehr langsam, in Zeitabständen lesen könnten, weil sonst die Erinnerung an die »wahnsinnigste aller Zeiten« zu stark werde, schloss »Hermann«.2079 Gerade weil Remarque nichts beschönigte und umkleidete, wirkte seine schlichte Schilderung von der Front auf diese Lesergruppe so gewaltig. »Dem Buch fehlt das Künstlerische? Mag sein; jedenfalls fehlt ihm das Künstliche, das verlogene Schema«, stellte ein weiterer Fürsprecher namens »G. R. Einer« fest: »Es schildert die Wahrheit. Eine freilich entsetzliche, vielen unbequeme Wahrheit.« Und diese sei so universell, dass Im Westen nichts Neues als Denkmal den ›Unbekannten Soldaten‹ aller Nationen repräsentiere, stimmte »Satira« in derselben Ausgabe der Zeitung zu.2080 Repliken hierzu ließen nicht lange auf sich warten, auch wenn die Gegner des Romans im Herbst 1929 noch in der Minderzahl waren. So bezeichnete »Volkwart« das Buch als »literarischen Schandfleck in Deutschlands ohnehin seit Kriegsende stark kompromittierter Kulturgeschichte«. Jeder Soldat, der über vier Jahre an der Front gestanden habe, müsse sich entrüstet von Im Westen nichts Neues abwenden. Frieden werde es erst geben, drohte der Leser den Remarque-Anhängern, »wenn alle Lauen und Schwachen, also auch Pazifisten, gestorben sind, damit sie nicht mehr dem Starken, Schöpferischen im Wege herumlaufen«. Denn wer sich Pazifist nenne, so seine Logik, der leugne den »Lebenskampf« und sei »wert, darin umzukommen«.2081 2078 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 248 vom 16. 10. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2079 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 254 vom 23. 10. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2080 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 260 vom 30. 10. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2081 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke in: New Yorker Staats-Zeitung Nr. 265 vom 5. 11. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion).

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Eines der Schlussworte in der Leserdebatte hatte »Ed. Zieler«, der es »ungeheuerlich« fand, »was manche Menschen sich in ihrem Spatzengehirn ausdenken«. Die Verleugnung der Kriegsschrecken und die Kritik an Remarque seien maßlos, vor allem wenn sie aus dem Mund von Zeitgenossen kämen, »die kein Pulver gerochen haben«. Er selbst habe im Weltkrieg aus Nationalgefühl und mit voller Überzeugung gemordet, und bereue dies heute sehr. Damit nicht wieder junge, unschuldige Männer unter dem Deckmantel des Patriotismus zum Massenmord verführt werden, wünschte er sich, »daß Remarque’s Buch in allen Schulen auswendig gelernt werden müßte«. Zugleich sollte allen unverbesserlichen Kriegsenthusiasten ein großer Zirkus gebaut werden, in dem sich dieselben dort »endlich einmal abmurksen«.2082 Ähnliche Stellungnahmen vonseiten pazifistischer Leser gab es, als die Verfilmung von Im Westen nichts Neues in die amerikanischen Kinos kam. Wer den Remarque-Film sehe und dann immer noch die alten Kriegslieder anstimme, dem sei wirklich nicht mehr zu helfen, meinte im Juli 1930 zum Beispiel ein »Dessauer Junge«, der nach drei Jahren an der Front die Devise »Nie wieder Krieg« vertrat.2083 Die Redaktion bezieht Stellung pro Remarque Zwar schlug der Film in den Leserbriefspalten nicht mehr so hohe Wellen wie zuvor das Buch, weil dort fast alle Argumente bereits ausgetauscht worden waren. Doch dafür bezogen nun die Journalisten der Staats-Herold Corp. ausnahmslos Stellung pro Remarque. Offenbar weil sie erkannten, dass Im Westen nichts Neues in der immer labiler werdenden Weimarer Republik ein Politikum geworden war, legten sie ihre neutrale Position ab und protegierten die ab dem Frühjahr in den USA gezeigte Leinwandfassung ohne Abstriche. Zunächst erschien am 28. April 1930 im New Yorker Herold unter der Überschrift »Morgen Premiere des großen Remarque-Films« ein Bericht aus einer Privatvorführung, dem zufolge das Tonbild ein »Meisterwerk« war. Für das Kino bedeute es so viel »wie das Auftauchen Richard Wagners und seiner musikalischen Schöpfungen für die Welt der Oper«. Der Film müsse in seiner ganzen Monumentalität beurteilt werden, nicht anhand haarspalterischer Details: »Nur ein kleinlicher Geist kann die Größe, Feierlichkeit und Würde übersehen, die jede Phase des Films durchzieht«, so das Fazit des Betrachters.2084 Am 30. April brachte die Zeitung dann eine ausführliche Besprechung von der offiziellen Premiere im 2082 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 273 vom 14. 11. 1929 (95. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2083 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 174 vom 22. 7. 1930 (96. Jg.), S. 5 (Leserbriefdiskussion). 2084 N.N.: Morgen Premiere des großen Remarque-Films in: New Yorker Herold, Nr. 182 vom 28. 4. 1930 (50. Jg.), S. 9.

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New Yorker Central Theatre. Seine Erwartungshaltung sei bei Weitem übertroffen worden, schrieb der Rezensent »Dr. R.« voll des Lobes. Als er von der Verfilmungsabsicht gehört hatte, habe er zunächst mit Kopfschütteln reagiert, denn wie sollte Universal aus einem Werk, das keine eigentliche Handlung habe, einen Filmstoff machen? Doch das Ergebnis habe alle Zweifel weggewischt: »[…] Erstaunt und überrascht, ja verblüfft muß man zugestehen, daß es den amerikanischen Bearbeitern […] gelungen ist, aus dem ergreifenden und starken Buch ein nicht weniger starkes Filmwerk zu schaffen – zweifellos einen der mächtigsten Eindrücke, die einem von der Leinwand herab bisher zu teil geworden sind.«

Teilweise wirke der Film so mächtig, dass man glaube, aufspringen und vor dem Furchtbaren davonlaufen zu müssen, führte der Kritiker des New Yorker Herold weiter aus. Denn Regisseur Lewis Milestone habe sich nicht davor gescheut, dem Film dieselbe »schauerliche Realistik« zu geben, die schon die Leser des Buches gepackt habe: »jene kalte Nüchternheit des Berichts, jene Selbstverständlichkeit des Grauenhaften, die größere Wirkung gehabt hat, als die Schilderung der gleichen Dinge in Superlativen«. Insgesamt lasse Im Westen nichts Neues die Atmosphäre des Krieges in einer derartigen Echtheit wiederauferstehen, dass jeder ehemalige Frontsoldat zugeben müsse: »Das ist kein Theater mehr, das ist die furchtbare Wirklichkeit mit allen ihren Schrecken.« Es komme einem Wunder gleich, dass es gelungen sei, »diese Hölle neuzugebären und sie, gebändigt bei aller tobenden und brüllenden Wildheit, im Rahmen des Objektives einzufangen«.2085 Auch die Verlagsschwester New Yorker Staats-Zeitung konstatierte am 2. Mai, der Remarque-Film könne nicht mit irgendeiner anderen Produktion verglichen werden, denn er befinde sich in seiner eigenen Klasse. Die Produzenten hätten ein »Meisterstück ersten Ranges« geschaffen, ein »Wunder in der Kunst der Direktion«.2086 Zwei Wochen später brachte die Samstagsbeilage Illustrated Weekly Deutsch-Amerika das Thema sogar auf ihrer Titelseite, auf der eine Zeichnung des Hauptdarstellers Lewis Ayres zu sehen war. Dazu gesellte sich im redaktionellen Teil eine ausgesprochen euphorische Besprechung der Hollywood-Verfilmung. Für den Rezensenten H. R. H. stellte Im Westen nichts Neues alle bisherigen Großtaten der Filmkunst in den Schatten und erfüllte zudem »die höchste Aufgabe des Films: […] belehrend, aufklärend, erzieherisch zu wirken«. Universal habe somit ein Kunstwerk geschaffen, das über den Tag hinaus als

2085 Dr. R.: All Quiet on the Western Front, in: New Yorker Herold, Nr. 184 vom 30. 4. 1930 (50. Jg.), S. 5. 2086 Zitat aus einer Anzeige des Central Theatre, in: New Yorker Herold, Nr. 186 vom 2. 5. 1930 (50. Jg.), S. 11. Anmerkung: Die Originalquelle stand aufgrund von Lücken im Archivbestand der New Yorker Staats-Zeitung nicht zur Verfügung.

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Zeitdokument bleibenden Wert behalte – auch wenn die Wahrheit, die es verkünde, schmerze.2087 Begleitet wurden die ausführlichen Filmbesprechungen von Hintergründigem zur Entstehung von Im Westen nichts Neues, etwa durch Auszüge aus dem viel zitierten Interview Remarques mit Axel Eggebrecht vom Juni 1929.2088 Bildergalerien und großflächige Porträtzeichnungen der Schauspieler und des Regisseurs brachten der Hollywood-Produktion zusätzliche Aufmerksamkeit. Und neben deutschsprachigen Anzeigen für »die grösste Sensation der Filmwelt«, die gezielt die deutsch-amerikanischen Leser adressierten2089, informierten die Zeitungen im redaktionellen Teil über Ansetzungen des Erfolgsfilms in New Yorker Kinos. Die offenen Sympathien der Redaktion für Remarques Geschichte bestätigten sich in der Gutheißung anderer Antikriegsdarstellungen, darunter die Verfilmung des bereits zuvor gelobten Dramas Journey’s End. »Das bisher wohl ergreifendste und tiefgefühlteste literarische Produkt des Weltkrieges« wirke auf der Leinwand noch eindringlicher als auf der Bühne, erläuterte der New Yorker Herold Mitte April 1930, das heißt kurz vor der Premiere von Im Westen nichts Neues. Der Film führe dem Zuschauer die Hölle des Krieges anschaulich vor Augen – auch wenn die Wirklichkeit für die, die sie selbst miterlebt hatten, furchtbarer gewesen sei »als es irgend ein Versuch der Nachgestaltung wiedergeben könnte«.2090 In der Beilage Deutsch-Amerika hieß es ergänzend, die Adaption von Sherriffs Stoff auf Leinwand komme ohne all die »verlogene Sentimentalität« und »lächerliche Selbstverherrlichung« aus, die das Publikum bis zum Überdruss in Dutzenden vorangegangenen Filmen über sich habe ergehen lassen müssen. Somit sei Journey’s End ein wahrheitsgetreues Bild des Krieges, das weder beschönige noch verschärfe, das dem Heroenkult seine Helden genommen habe und Menschen in ihrer tiefsten Not und herzzerreißenden Verzweiflung zeige. Sein vereinnahmendes und zugleich empathisches Urteil verband der Rezensent mit der abschließenden Fragestellung: »Und diese Not und Verzweiflung der Menschen, die uns zu Tränen zwingt und fast zur Hysterie treibt, krampft uns das Herz zusammen; sie erfüllt unsere Seele mit der grossen, anklagenden Frage: Hat die Menschheit in Jahrtausenden ihrer Bildungsarbeit 2087 H. R. H.: Der Höhepunkt in der Entwicklung des Films, in: Illustrated Weekly DeutschAmerika, New York, Nr. 20 vom 17. 5. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 14f. Siehe auch N.N.: Im Westen nichts Neues. Bilder aus dem Universal Film, ebd., S. 16f. 2088 Axel Eggebrecht: »Im Westen nichts Neues«. Ein Gespräch mit Remarque, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 20 vom 17. 5. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 3 und 15. 2089 Vgl. Anzeige des Central Theatre, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 23 vom 7. 6. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 2. Siehe auch in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 133 vom 4. 6. 1930 (96. Jg.), S. 12. 2090 N.N.: »Journey’s End.«, in: New Yorker Herold, Nr. 170 vom 14. 4. 1930 (50. Jg.), S. 2.

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und Kulturförderung nichts Höheres erreichen können als diesen Weltkrieg, dessen Brutalität und Schrecklichkeit, dessen Grausen und Sinnlosigkeit von den Kriegen des Mittelalters und der grauen Vorzeit nicht erreicht, geschweige denn übertroffen wurde? War aller Fortschritt nichts als Rückschritt – eine Vollkommnung nur der primitiven Mit tel des Barbarismus […]?«2091

Interessanterweise druckte dieselbe Publikation zur gleichen Zeit das nationalrevolutionäre Buch Sieben vor Verdun von Josef Magnus Wehner ab. Eine Folge des Fortsetzungsromans wurde sogar mit einem Foto aus dem RemarqueFilm bebildert, das eine »genau nach militärischen Berichten rekonstruierte« deutsche Attacke an der Westfront zeigte.2092 Der Redaktion zufolge stellte Wehner den Krieg in seinem »gewaltigen Heroismus«, aber gleichsam in seiner »furchtbaren Nacktheit« und »brutalen Wahrheit« dar.2093 Entsprechend wurde Sieben vor Verdun im Illustrated Weekly Deutsch-Amerika in einem Atemzug mit Im Westen nichts Neues, Le Feu, Three Soldiers und What Price Glory genannt, wenn es um die Abschreckung vor dem Krieg ging. All jene Werke dienten dazu, dem Volk das Wesen des Krieges nahezubringen und ihm zu helfen, künftig die »Fallstricke der Hetzer und Propagandisten« rechtzeitig erkennen und zerreißen zu können, fand die Zeitschrift.2094 Wie das vorangegangene Beispiel veranschaulicht, gab es die im deutschen Diskurs so prägnant hervortretenden Nuancen in der ideologischen Einordnung des Fronterlebnisses in der Berichterstattung des deutsch-amerikanischen Verlags nicht. Zuvor war dies schon im Umgang mit Witkops Feldpostsammlung angeklungen. Für die Journalisten sprach das beschriebene Kriegsgrauen offenbar für sich – was im Sinne ihrer pazifistischen Einstellung wichtiger war als alle politischen Interpretationen dieser Werke. Trotz des Überdrusses mancher Menschen komme man nicht umhin, »den Schilderungen des Krieges weiteste 2091 H. R. H.: Kriegsfilm – Kriegswirklichkeit, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 18 vom 3. 5. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 14. 2092 Sechste Fortsetzung des Abdrucks von Sieben vor Verdun, in: Illustrated Weekly DeutschAmerika, New York, Nr. 24 vom 14. 6. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 5ff. Zuvor hatte die Beilage der New Yorker Staats-Zeitung bei der Bewerbung von Sieben vor Verdun sogar vollmundig angekündigt, das »sensationelle Werk« Wehners sei »BESSER als ›Im Westen nichts Neues‹«. Solch ein Urteil lässt sich aber stärker mit wirtschaftlichen als mit inhaltlichen Erwägungen erklären. Da die Publikation für Remarques Buch keine Abdruckrechte erhalten bzw. erworben hatte, nutzte sie den Vergleich mit dem Weltbestseller, um das Interesse an ihrem Fortsetzungsroman anzukurbeln. Vgl. Ankündigung von Sieben vor Verdun, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 16 vom 19. 4. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 29. 2093 N.N.: Ein neuer Kriegsroman. Die Einleitung zu: »Sieben vor Verdun« von Joseph Magnus Wehner, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 16 vom 19. 4. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 3. 2094 N.N.: Völker, Regierungen – und der Krieg, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 18 vom 3. 5. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 4.

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Kreise zu erschliessen, damit das Licht der Liebe, der Versöhnung, der Vernunft, des Friedens alle Welt erleuchte«, wurde die Redaktion nicht müde zu betonen. Das sei man den Millionen, »die in ihrer Jugend Maienblüte geopfert wurden«, schuldig, damit sie nicht nutzlos gestorben seien: »Wir m ü ss en wieder und immer wieder vom Kriege reden, um eine Wiederholung des Kriegs zu verhüten … müssen die Schrecken des Krieges aufleben lassen, um jeden Begehr nach neuem Kriege zu ertöten … müssen Jenen die Brutalität des Krieges durch Wort und Bild veranschaulichen, die den Krieg in seiner Furchtbarkeit nicht kennen gelernt haben […].«2095

Die grundsätzliche Ablehnung des Krieges als Mittel zur Durchsetzung nationaler Interessen zog sich durch alle Zeitungsspalten, ohne Ausnahme.2096 Und je größer die Gefahr eines neuen Weltkriegs zu werden drohte, umso engagierter schrieben die deutsch-amerikanischen Journalisten dagegen an, wie auch anhand der Remarque-Rezeption in den drei Titeln der Staats-Herold-Gruppe deutlich wurde. »Kein Volk will den Krieg. Krieg ist die Ausgeburt des Hasses. Völker sind Menschen – und des Menschen natürliches Gefühl ist Liebe; der Hass ist künstlich gezüchtet, ist Unnatur«, hieß es exemplarisch im Mai 1930 in der Wochenendbeilage Deutsch-Amerika unter der Überschrift »Völker, Regierungen – und der Krieg«. Auf die Ursachen des Ersten Weltkriegs zurückblickend, konstatierte das Blatt, erst die »Interessen« hätten mit »gemeinsten Mitteln, bewussten Lügen und niederträchtigsten Verhetzungen« den Kriegsgeist geschürt. So sei die Seele des amerikanischen Volkes vergiftet worden, und erst dann habe es die Regierung wagen können, eine Kriegserklärung zu forcieren. Dabei hätten die Amerikaner »weder Grund, noch Absicht, noch Neigung« gehabt, sich aktiv am Weltkrieg zu beteiligen. Selbst die Regierung habe den Krieg ursprünglich nicht gewollt. Einzig und allein die Kriegsprofiteure hätten Amerika für »ihren eigenen materiellen Vorteil gewissenlos« zu einer Teilnahme am ›Great War‹ getrieben und den Tod und die Verstümmelung Zehntausender junger Männer in Kauf genommen. Mehr als zehn Jahre später, indes, werde sich kein aufgeklärtes Volk mehr so leicht für die Geschäfte Dritter abschlachten lassen, hoffte die Redaktion.2097 Die im Zuge der Weltwirtschaftskrise nochmals beschleunigte Radikalisierung der Gesellschaft sprach in Deutschland allerdings eine andere Sprache. Gleichzeitig führte die Verschiebung der politischen Tektonik dazu, dass die Weimarer Republik ein immer fragileres Konstrukt wurde, wie man in den 2095 N.N.: Das Licht des Friedens, in: Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York, Nr. 20 vom 17. 5. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, S. 4. 2096 Vgl. u. a. auch N.N.: Kultur der Zeit, in: New Yorker Herold, Nr. 113 vom 5. 2. 1929 (49. Jg.), S. 2. 2097 N.N.: Völker, Regierungen – und der Krieg.

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Zeitungsredaktionen auf der anderen Seite des Atlantiks erkennen musste. Die Ära Stresemann war für jeden sichtbar zu Ende gegangen; unruhige Zeiten zogen auf. Als Bestätigung konnte den deutsch-amerikanischen Journalisten ein Blick in ihre eigene Leserbriefrubrik dienen. Dort hatte sich der politische Schlagabtausch seit Herbst 1929 analog zur Heimat merklich aufgeheizt. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten die Wortgefechte der Briefeschreiber mit dem überraschenden Erfolg der NSDAP bei den Reichstagswahlen im September 1930. Im Zentrum der Diskussionen standen das angekündigte ›Erwachen‹ Deutschlands, das Wesen Hitlers und seiner Partei, ein möglicher neuer Krieg sowie die Positionierung der deutschen Jugend zwischen Kampfes- und Friedenswille. Dabei frohlockten die reaktionären Kräfte mit zunehmendem Selbstbewusstsein, eines Tages die Herrschaft im Staat zu übernehmen. Auch quantitativ, das heißt anhand der puren Zahl der Beiträge in der »Plauderecke« der New Yorker Staats-Zeitung, zeigte sich der Rechtsrutsch. Den »unerhörten Sieg der Hitlerleute«, aber auch das weitere Erstarken der Kommunisten und der Niedergang der Mittelparteien, bezeichnete die Redaktion als »katastrophal«. Dass insgesamt dreizehneinhalb Millionen Stimmen gegen die demokratische Weimarer Staatsform gerichtet worden waren, sei extrem besorgniserregend.2098 Vor diesem Hintergrund konnte die Redaktion die republikfeindliche Klientel unter ihren Leserbriefschreibern sicher nicht gutheißen, räumte ihr aber gemäß dem Verständnis der Tageszeitung als offenes Forum Raum ein wie allen anderen. Bei inhaltlichem Widerspruch indes gab der sogenannte »Plauder-Onkel« den Zusendungen häufig wertende Überschriften, die eine feine semantische Distanz aufwiesen: »Immer noch kampfeslustig« hieß es beispielsweise zu einem Brief eines offensichtlich nationalistisch eingestellten Remarque-Kritikers.2099 Über eine Zuschrift eines »Treudeutschen«, der den »Befreiungskampf von den für unser Volk unwürdigen Sklavenketten« herbeisehnte, setzte die Redaktion die für sich sprechende, kommentierende Zeile »Einer, der noch nicht genug vom Kriege hat.«2100 Bewertung des ›Filmkriegs‹ in der deutsch-amerikanischen Presse Sichtbarer denn je wurde die zugespitzte politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland in den Angriffen gegen den Remarque-Film, welche die Journalisten ausnahmslos verurteilten. Bereits am 6. Dezember 1930 erschien im New Yorker Herold ein Artikel über den »Sturm in Berlin« am Abend zuvor, 2098 N.N.: Das Resultat der Reichstagswahlen., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 222 vom 16. 9. 1930 (96. Jg.), S. 6. 2099 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 196 vom 16. 8. 1930 (96. Jg.), S. 5 (Leserbriefdiskussion). 2100 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 149 vom 23. 6. 1930 (96. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion).

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den Joseph Goebbels, »Hitlers rechte Hand«, und seine »Angriffskolonnen« entfacht hatten: »Er und seine Leute warteten geduldig, bis in dem Film die bekannte Stelle kam, wo die jungen deutschen Freiwilligen während einer Beschießung hysterisch werden. Dann brach das Pandämonium aus«, schrieb die Zeitung mit erkennbarer Missbilligung. »Ein schmutziger Film, in Amerika angefertigt« und ähnliche Verwünschungen seien sodann von den Nationalsozialisten ausgestoßen worden. Die Kundgebung zur »Abwehr vermeintlicher Beleidigung deutscher Frontsoldaten« war offenbar sorgfältig vorbereitet worden, stellte die Redaktion fest. Während die nationalistischen Zeitungen in Im Westen nichts Neues ebenfalls eine »Karikatur des deutschen Soldaten und eine Pazifisten-Propaganda« gesehen hätten, habe die liberale Presse den Hollywood-Streifen als besten Tonfilm aller Zeiten gelobt.2101 Die auf den Nachrichtenseiten publizierten Artikel über den »Radau gegen den Remarque-Film« basierten vornehmlich auf Mitteilungen der Agentur AP, weshalb sie relativ neutral gehalten waren. Doch selbst hier war zuweilen ein leicht distanzierter Unterton zu erkennen, beispielsweise bei der Titulierung der Protestierenden als »junge Hitzköpfe«. Mit »Gebrüll« wie »Deutschland erwache!« hätten diese Halbwüchsigen, die beim Ausbruch des Weltkriegs noch kleine Kinder gewesen seien, ihren Unmut gegen die unterstellte pazifistische Propaganda durch die »jüdische« Universal-Produktion kundgetan, hieß es in den Zeitungsausgaben vom 9. Dezember 1930.2102 In den Folgetagen war das »Geschrei« der Nazis weiterhin ein großes Thema. Die neuerlichen Störaktionen im Kino, insbesondere das Aussetzen von Ringelnattern, wurden dabei aufs Schärfste verurteilt. Insgesamt entstand für die deutsch-amerikanische Presse der Eindruck, dass Deutschland wegen des Films demnächst sogar der Bürgerkrieg drohen könnte. Selbst im Reichstag machten die von der New YorkerStaatszeitung als »Unentwegte« bezeichneten deutschnationalen und nationalsozialistischen Remarque-Gegner Stimmung gegen Im Westen nichts Neues – allerdings noch ohne Erfolg.2103 In der Ausgabe vom 11. Dezember druckte die Zeitung dann einen »Aufruf an das deutsche Volk« von Carl Laemmle Sr. ab, den dieser in allen großen Berliner Zeitungen als Anzeige veröffentlicht hatte. Darin verteidigte sich der Universal2101 N.N.: Sturm in Berlin über Nichts Neues im Westen, in: New Yorker Herold, Nr. 62 vom 6. 12. 1930 (51. Jg.), S. 1. 2102 AP: Neuer Radau gegen den Remarque-Film., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 294 vom 9. 12. 1930 (96. Jg.), S. 1f. Vgl. auch AP: 27 verhaftet in Radau gegen Remarque-Film, in: New Yorker Herold, Nr. 64 vom 9. 12. 1930 (51. Jg.), S. 3. 2103 Vgl. AP: Filmtheater gegen amerikan. Film., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 295 vom 10. 12. 1930 (96. Jg.), S. 1 und 12; AP: Polizei verbietet in Berlin Ansammlungen., in: New Yorker Herold, Nr. 65 vom 10. 12. 1930 (51. Jg.), S. 1 und 3; AP: Unentwegte im Reichstag erneut niedergestimmt., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 296 vom 11. 12. 1930 (96. Jg.), S. 1f., sowie AP: Ringelnattern in Berlin Kino losgelassen, ebd.

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Präsident gegen Angriffe von rechts, denen zufolge er von deutschfeindlichem Geist sei. In seiner Replik hieß es unter anderem, niemand übertreffe ihn in seiner Liebe zum Vaterland. Remarques Buch habe die Herzen der Amerikaner und anderer Nationen berührt – diesen guten Einfluss habe er mit der Verfilmung vervielfältigen wollen, führte Laemmle aus. So seien die Völker anderer Nationen zu der Einsicht gebracht worden, dass »die Deutschen vielleicht doch nicht die Alleinschuld am Kriege tragen«. Zudem mache der Film klar, dass seine Landsleute den Krieg als genauso schrecklich erfahren hätten wie andere Völker. »Das wahre Herz, die wahre Seele Deutschlands ist der Welt noch nie so in aller ihrer Schönheit und Ehre gezeigt worden«, schloss Laemmle.2104 Die Vervielfältigung des Briefes im redaktionellen Teil der New Yorker Staats-Zeitung ist ein weiterer Beleg für die Sympathien, die Im Westen nichts Neues aus dem Verlag entgegengebracht wurden. In der Berichterstattung über das Aufführungsverbot der Remarque-Verfilmung, das insbesondere mit der Gefährdung des internationalen Ansehens Deutschlands begründet worden war, manifestierte sich die Vereinnahmung durch die Journalisten. Während die ersten Meldungen über das Urteil der FilmOberprüfstelle unter Verwendung von AP-Korrespondenzen noch recht nüchtern waren2105, machte ein ausführlicher Kommentar in der New Yorker StaatsZeitung wenige Tage später die Positionierung des Pressehauses dann aber deutlich. Die Entscheidung des Zensors sei eine der Minderheit über die Mehrheit, kritisierte die Redaktion in ihrem Leitartikel: »[…] Die gewalttätige Parteipolitik [hat] über den gesunden Menschenverstand gesiegt; die Kriegshetzer haben über die Friedensfreunde, die drei Millionen Hitleristen über die neunzehn Millionen Vernunftsstimmen triumphiert.« Millionen Amerikanern und Hunderttausenden Deutsch-Amerikanern, die den Film in den USA gesehen und bewundert hätten, seien das Verbot und noch mehr dessen Begründung vollkommen unverständlich. Im Westen nichts Neues sei alles andere als eine Herabwürdigung des deutschen Heeres, wie seine Gegner behaupteten. Im Gegenteil, der Film zeige, wie »ein einziges Volk in vier Jahren schwerster Kämpfe, unsagbarster Entbehrungen, übermenschlichster Leiden einer ganzen Welt von Feinden standhielt, ehe es sich der erdrückenden Uebermacht beugte«. Offenbar seien all die »hundertprozentigen Chauvinisten« absichtlich blind für die Vorzüge von Remarques Schilderung, weil ihnen dessen Aussage, nämlich die Abschaffung des Krieges, nicht zupasskomme. Dagegen hätten die Deutsch-Amerikaner, unter ihnen auch Veteranen, die sich auf dem Schlachtfeld einst das 2104 N.N.: Carl Lämmle verteidigt Im Westen nichts Neues, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 296 vom 11. 12. 1930 (96. Jg.), S. 2. 2105 Vgl. AP: »Im Westen nichts Neues« wurde im Reich verboten., in: New Yorker Herold, Nr. 66 vom 11. 12. 1930 (51. Jg.), S. 1, sowie AP: Remarque-Film in Deutschland verboten., in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 297 vom 12. 12. 1930 (96. Jg.), S. 1f.

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Eiserne Kreuz erkämpften, den Film als »menschliches Dokument« geschätzt, »das Kind und Kindeskind belehren und lehrend vor dem Wahnsinn des Krieges bewahren soll«, kommentierte die Redaktion weiter. Anders als in Deutschland sei der Blick der Deutsch-Amerikaner nicht von Parteipolitik und Voreingenommenheit getrübt: »Denn Parteipolitik war das eigentliche, tiefere Motiv hinter der Hetze gegen diesen Film … jämmerliche Politik der Nationalsozialisten gegen die Republik, zielbewußte Politik der Militaristen, die gewissenlos selbst vor einem neuen Krieg nicht zurückschrecken, der Deutschland auf immer vernichten würde … und alles unter dem Deckmantel des ›Patriotismus‹!«

Die »unverzeihliche Ungerechtigkeit« der Film-Oberprüfstelle sei umso beschämender, als dass sich die deutsche Regierung vor einer Partei gebeugt habe, »die mit Phrasen und Straßenradau, mit Nattern, wilden Mäusen und Stinkbomben arbeitet«. Die New Yorker Staats-Zeitung schloss in ihrem ungewöhnlichen Klartext redenden Leitartikel mit folgendem Fazit: »Wäre der Film ›Im Westen nichts Neues‹ so deutschfeindlich, wie er es tatsächlich nicht ist, er hätte dem Ansehen des Deutschen Reiches nicht annähernd so schlimmen Schaden zufügen können, wie das Gebahren der Nationalsozialisten, die sein Verbot der Schwäche der Regierung abgepreßt haben.«2106

In der »Plauderecke« wurden die Folgen des Filmverbots ebenfalls diskutiert. Während sich die Anhänger der Nationalsozialisten dabei immer selbstbewusster zeigten, verstummten die friedliebenden Leser zusehends. So stellte »Deebs« am 20. Dezember 1930 fest, dass es »ziemlich stark nach einem neuen Krieg riecht«. Er frage sich, wo all die Pazifisten seien, die ihn verhindern könnten. Obschon ein neuer Weltkrieg die Vernichtung Deutschlands zur Folge haben werde, führe der Größenwahn Hitlers und seiner fanatischen Anhänger geradewegs dorthin. Denn jeder einzelne von ihnen sei bereit, »für sein Ideal zu sterben, sich in Stücke zerreißen zu lassen«.2107 Ein bekennender Nationalsozialist bestätigte dies zwei Tage darauf nur zu gerne. Er rief dazu auf, den Helm fester zu schnallen und in jedem Winkel des Vaterlandes erklingen zu lassen: »Deutschland ist erwacht.« Das Volk erkenne, wer es ins Elend geführt habe, und werde mit den Sozialdemokraten abrechnen. Dann würden »blutige Köpfe in den Sand rollen«, lautete seine düstere Vorhersage, die er mit einem standesgemäßen »Heil Hitler« abschloss.2108 Ein an2106 N.N.: »Im Westen nichts Neues.«, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 299 vom 15. 12. 1930 (96. Jg.), S. 6. 2107 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 304 vom 20. 12. 1930 (96. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion). 2108 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 305 vom 22. 12. 1930 (96. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion).

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derer »wahrer Deutscher«, wie sich der anonyme Leser nannte, kündigte an, die Nazis würden »die Sekt saufenden und Kaviar fressenden Schwindler« nach der nächsten Wahl aus der Regierung jagen. Alle, die keine Ahnung hätten von dem, was Hitler wolle, und trotzdem über ihn schimpften, wollte er am liebsten schon jetzt erhängt sehen. Obwohl sie sich das Recht zur Zensur vorbehielt, ließ die Redaktion derart radikale Aussagen stehen, drückte mit der Überschrift »Ein ganz Rabiater« aber ihre Distanzierung von dem Leserkommentar aus.2109 In jedem Fall ließ die Zukunft in Deutschland aus Sicht aller Kriegsgegner nichts Gutes erahnen. Man brauche kein Prophet sein, »um nicht mit Bestimmtheit den künftigen Weltbrand vorauszusehen«, stellte ein »Pazifist von ganzer Seele« pessimistisch fest. Der zum täglichen Gebet gewordene Gesang vom Frieden könne daran wohl nichts mehr ändern, da der »dumpfe Tritt marschierender Soldaten« schon wieder zu hören sei.2110 Fazit Letztlich war die Remarque-Debatte unter den Deutsch-Amerikanern ein Abbild der deutschen Rezeption in Kleinformat. Von links bis extrem rechts waren alle zuvor eingebrachten Argumente pro und contra Im Westen nichts Neues vertreten. Zunächst dominierten pazifistische, demokratische Stimmen, die jedoch im Zuge eines Desillusionierungsprozesses immer stiller wurden. Stattdessen übernahmen die republikfeindlichen Kräfte die Meinungshoheit. Dabei kam die Reaktion auf Remarques Fronterzählung für jeden Leser einer politischen Standortbestimmung gleich – wie bereits im Heimatland des Schriftstellers. Zugleich war die hitzige Diskussion unter den »Bindestrich-Amerikanern« ein Indiz für deren Integration bzw. Nicht-Integration. So standen die RemarqueGegner mit ihrer Kriegstreiberei der amerikanischen Friedenssehnsucht diametral gegenüber. Auffallend ist darüber hinaus, wie vertraut die sich in der New Yorker Staats-Zeitung äußernden Leser mit den Argumenten des politischen Betriebs in Deutschland waren, darunter auch mit der Agitation der Rechtskräfte gegen die Republik der vermeintlichen ›Novemberverbrecher‹. Während die Redaktion des größten deutsch-amerikanischen Pressehauses anfangs noch auf Wahrung einer möglichst neutralen Position bedacht war, bezog sie im Verlauf der Remarque-Debatte aus Sorge um die Zukunft der Weimarer Republik klar Stellung: gegen das Aufbegehren der radikalen Rechten, gegen einen Revanchekrieg und für Völkerverständigung. Damit vertraten die Journalisten der Staats-Herold Corp. eine Position, wie sie mehrheitlich in den 2109 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 3 vom 3. 1. 1931 (97. Jg.), S. 5 (Leserbriefdiskussion). 2110 Wie und was die Leser denken in der Plauderecke, in: New Yorker Staats-Zeitung, Nr. 2 vom 2. 1. 1931 (97. Jg.), S. 7 (Leserbriefdiskussion).

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englischsprachigen Zeitungen der Vereinigten Staaten zu finden war und vom Gros der amerikanischen Bürger geteilt worden sein dürfte.

7.3.5. Zusammenfassung Wie zuvor schon in Deutschland wurde Remarques Erzählung von der Front in den USA ein integraler Bestandteil des kulturpolitischen Diskurses um das ›Erbe des Ersten Weltkriegs‹. Diskutiert wurden anhand von All Quiet on the Western Front zugleich die Rolle des Krieges in der Gesellschaft und als Mittel der Politik sowie die Möglichkeiten und Grenzen von Kunst und Literatur, künftige Kriege zu verhindern. In diesem Kontext vereinnahmte die amerikanische Presse Remarques Roman fast ausnahmslos als kriegskritisches Gedankengut, aus dem eine internationale Friedensbotschaft und der Wunsch zur Völkerversöhnung sprächen. Das Buch sei glaubwürdig, aufrichtig und stehe, so die Rezensenten unisono, für das schreckliche Kriegserlebnis des ›Unbekannten Soldaten‹ aller Nationen. Es hätte genauso aus der Feder eines Amerikaners, Engländers, Russen oder Franzosen stammen können und habe eine universelle Gültigkeit. Gerade weil Remarque nie belehrend oder moralisierend wirkte und sich selbst als unpolitisch darstellte, fand er in den Vereinigten Staaten einen solchen Anklang. Denn grundsätzlich wurde sowohl Literatur mit patriotischer und chauvinistischer als auch dezidiert pazifistischer Gesinnung abgelehnt. Statt an der Interpretation durch den Autor waren die Rezipienten an dessen der Realität möglichst nahekommender Darstellung des Krieges interessiert. Die Schlüsse könnten die Leser schon selbst ziehen, war oft zwischen den Zeilen zu lesen. Dabei half Remarque, dass seine mediale Erscheinung als einfacher Soldat und literarischer Novize massiv vom Verlags- und später dem Kinomarketing befördert wurde. Anders als in Deutschland wurde diese offizielle Lesart in der amerikanischen Presse nie hinterfragt. Es gab einfach keinen Grund, einen Autor, der offenbar von ganzem Herzen für Frieden und Menschenliebe über alle Grenzen hinaus eintrat, anzuzweifeln. Jegliche Form der Denunziation und Parodie, wie sie Remarque in seinem Heimatland erfuhr, blieb ebenso aus. Stattdessen beschäftigten sich die Journalisten in den USA intensiv mit dem Text selbst, zitierten ausführlich aus All Quiet on the Western Front und bereicherten ihre Rezensionen mit Bezügen zu anderer Literatur und der amerikanischen Perspektive auf den Krieg. Ideologische Bewertungsmaßstäbe rückten hierbei komplett in den Hintergrund, während in Deutschland die politische Wirkkraft des Buches die Debatte dominierte und außertextuelle Faktoren immer wichtiger wurden.

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Dass die Rezeption in den Vereinigten Staaten sehr unaufgeregt war, lag vor allem an der überparteilichen Stellung fast aller Zeitungen. Es gab selten eine vom Verleger vorgegebene redaktionelle Leitlinie. Dies spiegelte sich in subjektiven, teilweise divergierenden Urteilen zu All Quiet on the Western Front innerhalb eines Blattes wider. Hinzu kam die im angelsächsischen Journalismus streng befolgte Trennung von Nachricht und Kommentar, die genau das Gegenteil der tendenziösen Berichterstattung deutscher Pressehäuser bewirkte. Zum Pluralismus der US-Presse trug ferner das ausgeprägte Nachrichtenagenturwesen bei. Zeitungen konnten aus mehreren neutralen Anbietern – allein vier landesweiten News-Services – wählen. Dagegen hatte in der Weimarer Republik der deutschnationale Hugenberg-Konzern mit seiner Telegraphen-Union klar die Deutungshoheit über die Nachrichten. Insofern zeigt sich an der RemarqueRezeption auch die größere Professionalisierung des journalistischen Berufsstands in den Vereinigten Staaten. Noch entscheidender für die Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front durch die US-Presse war freilich, dass Buch und Film thematisch genau in den Zeitgeist der Gesellschaft Ende der 1920er Jahre passten. Der ›Great War‹ wurde rückblickend von der Majorität der Amerikaner als Fehlschlag gesehen: Angesichts des großen Opfers, das die »Doughboys« erbracht hatten, führte die Kriegsteilnahme weder zu dauerhafter Stabilität in Europa noch zu wirtschaftlicher Prosperität. Im Gegenteil: Die Ursachen für die Große Depression wurden unter anderem in der Finanz- und Schuldenpolitik nach 1918 gesucht.2111 Die auf diesem ernüchternden Fazit fußende Friedenssehnsucht ging einher mit einem Schrumpfen des interventionistischen Lagers, sodass ein neuerliches kriegerisches Engagement für kaum einen US-Bürger noch eine Option war. Mit seiner pazifistischen Botschaft traf Remarque diese vorherrschende Stimmung exakt. All Quiet on the Western Front wurde so auch ein wichtiges Vehikel im lange verdrängten amerikanischen Diskurs über die Entscheidung von 1917 und ihre Folgen. Unterstützend wirkte dabei das in der Ära Stresemann deutlich aufgehellte Deutschland-Bild. Viele von der Feindpropaganda verbreiteten negativen Attribute hatten sich in der Zeit des politischen Ausgleichs beider Staaten aufgelöst. Sie machten Platz für frühere, positive Images der 2111 Eine Diskussion über den Zusammenhang der 1929 beginnenden Großen Depression mit dem Ersten Weltkrieg würde an dieser Stelle zu weit führen. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass eine derartige Debatte bereits Anfang der 1930er Jahre stattfand. So bemerkte beispielsweise der damalige US-Finanzminister Andrew William Mellon: »I have lived through several crises […], and the conclusion I have come to is that they have been caused, either directly or remotely, by serious dislocations which were due, as a rule, to wars and their aftermath.« Die Mellon zitierende Niagara Falls Gazette kommentierte hierzu, das Erkennen dieses Faktums sollte dazu führen, Kriege zwischen zivilisierten Nationen unmöglich zu machen. N.N.: The Cost of War, in: Niagara Falls Gazette, 15. 5. 1931 (78. Jg.), S. 8.

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Deutschen, an die sich die Amerikaner wieder erinnerten. Im Umgang mit All Quiet on the Western Front wird dies insbesondere an der Empathie für die Remarqueschen Soldaten sichtbar, die als Menschen und nicht als Barbaren betrachtet wurden. Für die Rezensenten waren sie genauso Opfer wie alle anderen Soldaten des Krieges. Des Weiteren berührte Remarque viele Leser, Kinozuschauer und Kritiker mit seiner Geschichte emotional, was dem Verlangen des Publikums nach einem gewissen Tiefsinn entsprach. Der Beginn der Wirtschaftskrise rückte existenzielle Fragen in den Mittelpunkt, während die »Roaring Twenties« mit ihrer Dekadenz und oberflächlichen Zerstreuung zu Ende gingen. Entsprechend wurde die Verfilmung von All Quiet on the Western Front zuweilen in Kinoanzeigen genauso beworben. Beispielsweise kündigte ein Filmtheater aus Casa Grande in Arizona an: »In a world of froth and frippery, at last you find a motion picture that reaches far within you and shakes your soul. No skin-deep hokum, no trivial cocktail parties, no cheap attempt at tinsely effects – but honest-to-goodness HUMAN DRAMA. A GREAT picture that will leave you PROFOUNDLY TOUCHED!«2112

Analysiert man die Remarque-Rezeption im Zeitverlauf, werden verschiedene Phasen sichtbar, die wiederum Rückschlüsse auf die soziopolitische Situation in den Vereinigten Staaten und Deutschland zulassen. Zunächst wurde All Quiet on the Western Front als literarische Sensation angesehen, deren Erfolgswelle aus Europa noch vor dem Verkaufsstart über den Atlantik schwappte. Die damit verbundene Vorberichterstattung ging einher mit einer großen Erwartungshaltung, die der Roman voll erfüllte, als er in den USA verfügbar war. Rasch wurde er als universelles Buch des ›Unbekannten Soldaten‹ vereinnahmt. Zugleich legten die Rezensenten große Hoffnungen in dessen pazifistische Wirkkraft. Anschließend entwickelte sich der Diskurs über All Quiet on the Western Front fort und nahm einen spezifischen amerikanischen Blick auf den ›Great War‹ und dessen Folgen ein. Vieles, was ein Jahrzehnt lang nicht aufgearbeitet worden war, kam nun zur Sprache: das ganz und gar nicht heroische Kriegserlebnis der »Doughboys«, die Desillusionierung der Soldaten unter dem Schlagwort der ›Lost Generation‹, die Kriegsursachen und die Stellung der amerikanischen Gesellschaft zum Krieg an sich. Parallel zu dieser Grundsatzdiskussion, aber inhaltlich davon losgelöst, wurde Remarques Buch unter literarischen Gesichtspunkten besprochen – und überwiegend für gut befunden. Dies nahm mehr Raum ein als in der deutschen Rezeption, welche komplett von politischen und ideologischen Maßstäben dominiert war. Auch andere Kriegs2112 Anzeige des Paramount-Kinos, in: Casa Grande Dispatch, Nr. 45 vom 14. 11. 1930 (19. Jg.), Bd. 21, S. 3.

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literatur und die Gründe für das plötzliche Aufleben dieses Genres bekamen viel Aufmerksamkeit. Just zu dem Zeitpunkt, als alle Argumente ausgetauscht schienen und bei der Leserschaft eine gewisse Übersättigung mit Kriegsbüchern erkennbar wurde, brachte die Verfilmung von All Quiet on the Western Front das Thema wieder mit voller Wucht aufs Tableau. Mit noch mehr Euphorie wurde die HollywoodProduktion vereinnahmt, was auch an der Begeisterung für das neue Medium des Tonfilms lag. Unter dem Aspekt des filmischen Werts triumphierte der Universal-Streifen in der Presse auf ganzer Linie. Auch die vorher debattierten gesellschaftlichen Fragen wurden in der Filmrezeption erneut aufgegriffen, ohne dass man zu neuen Schlüssen kam. Auffällig waren indes die nochmals gesteigerten Friedenshoffnungen: Stets aufs Neue unterstrichen die Journalisten, welch weitreichende pazifistische Wirkung das Zelluloid entfalten müsse. In Anbetracht der krisenhaften internationalen Entwicklungen seit Herbst 1929 war dabei fast schon Verzweiflung im Unterton zu vernehmen. Nachdem die Mehrheit der Rezensenten jegliche Zensur im In- und Ausland, beim Buch wie bei dessen Verfilmung, kategorisch abgelehnt hatte, wurde die Empörung umso größer, als der Film in Deutschland verboten wurde. Die USZeitungen reagierten mit einem regelrechten Verteidigungsreflex auf die Attacken der Rechtskräfte gegen Im Westen nichts Neues. Am deutlichsten wurde dies bei der jüdisch-amerikanischen Presse, die sich von den Nazis mit angegriffen fühlte. Doch nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern und autoritären Staaten wie Japan war Remarque zum politischen Lackmus-Test geworden, dessen Ergebnis für die Zukunft nichts Gutes verhieß. Die von amerikanischen Journalisten geäußerten Prognosen in der Frage Krieg oder Frieden trübten sich daher ab Ende 1930 nochmals ein. Bemerkenswert ist, wie detailliert die große Zahl der Auslandsberichterstatter ihre Leser über die Vorgänge jenseits der Landesgrenzen informierte. So sprechen aus vielen Artikeln hervorragende Kenntnisse der politischen und sozioökonomischen Verhältnisse in Deutschland. Rasch entlarvten die meisten amerikanischen Korrespondenten die ideologischen Filter, mit denen fast alle deutschen Rezensenten Im Westen nichts Neues besprachen. Sie verstanden die weltanschauliche Agenda hinter den Debattenbeiträgen genau. Insofern kann man von einer gut informierten amerikanischen Öffentlichkeit in Bezug auf das Ausland ausgehen, zumal die Reichweite des Hauptinformationsmediums Zeitung auch jenseits der US-Metropolen sehr groß war. Meinungsführend im publizistischen Diskurs war, nicht nur wenn es um Erich Maria Remarque ging, die liberal geprägte Ostküstenpresse. Sie verkörperte den Pluralismus und die lange demokratische Tradition in den Vereinigten Staaten am stärksten, wie die äußerst positive Rezeption von All Quiet on the Western Front verdeutlicht. Aber auch bei den meisten tendenziell konservativen

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Blättern stieß Remarques Buch auf Anerkennung. Signifikante Unterschiede in der Bewertung der Kriegsgeschichte aus Deutschland, die aus einem politischen Standpunkt herrührten – das heißt eher den Demokraten oder den Republikanern zugeneigt –, gab es nicht. Insofern traten auch keine regionalen Eigenheiten in der Rezeption zutage: Ob nun in New York, Los Angeles, im Mittleren Westen oder in den Südstaaten verortet; ob landesweite Tageszeitung, Hochglanzillustrierte oder Lokalblatt – die Vereinnahmung von Remarque zog sich durch das ganze Land. Kritik trat, anders als in Deutschland, lediglich in homöopathischen Dosen auf, war nie gänzlich schwarz-weiß geprägt und kam ohne Aggression gegen den Autor daher. Einigen Rezensenten konservativer Blätter, etwa der New York Evening Post, war das Buch zu defätistisch. Sie negierten nicht die Kriegsschrecken, fanden Remarques Beschreibung des Fronterlebnisses aber zu einseitig. Nicht alles, was die Soldaten erfahren hätten, sei schlecht gewesen, betonten sie. Journalisten aus dem sehr überschaubaren marxistischen Spektrum machten ebenfalls Abstriche an All Quiet on the Western Front. So wurde beispielsweise in der Zeitschrift New Masses das schon in der deutschen Rezeption vielfach vorgebrachte Argument aufgeführt, dass selbst gegen den Krieg intendierte Schilderungen die Abenteuersehnsucht der jungen Generation nähren könnten. Insbesondere die Umsetzung von Remarques Geschichte auf Leinwand sei – aus kommerziellen Gründen – zu effekthascherisch geraten und werde der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht. Auch manche nichtkommunistische Kommentatoren schlossen sich der Kritik an. Sie argumentierten, die menschliche Unvernunft müsse mit konkreten politischen Friedensmaßnahmen eingedämmt werden. Kriegskritische Bücher und Filme allein reichten nicht aus, um neue Kriege zu verhindern. Im Gegenteil, sie könnten trotz aller geschilderter Grausamkeit sogar kontraproduktiv wirken, lautete ihre Meinung. Gedämpft war die Euphorie ferner unter einigen Feuilletonisten linksintellektueller Zeitschriften wie The Nation. Wohl schon deshalb, weil All Quiet on the Western Front als Bestseller dem Mainstream angehörte, favorisierten sie weniger umjubelte künstlerische Werke über den Krieg. Dies geschah aber meist aus textimmanenten Beweggründen und so gut wie nie aus einer ideologischen Perspektive heraus. Insgesamt, freilich, war die Kritik in der US-Presse an Remarques Buch im Vergleich zur deutschen Rezeption, in der einige der oben genannten Bewertungsschemata ebenfalls anzutreffen waren, verschwindend gering. Attacken chauvinistischen Stils, denen zufolge der Schriftsteller das Ansehen des Militärs besudele, gab es überhaupt nicht. Stattdessen erhielt All Quiet on the Western Front viel Lob von Veteranen, darunter sogar Mitglieder der ultrapatriotischen American Legion. Auch der in Deutschland von katholischer Seite häufig geäußerte Vorwurf, Remarque habe das heroische Opfer der Soldaten herabge-

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würdigt, wurde in klerikalen Kreisen in den Vereinigten Staaten nicht geäußert. Stattdessen lobte das Leitmedium Catholic World den Kriegsroman aus Deutschland als realistisches Abbild der Kriegsschrecken. Dazu passt, dass das Buch zum Gedenken an den ›Great War‹ und als Warnung vor einem neuen Krieg häufig in Gottesdiensten und kirchlichen Lesekreisen verwendet wurde. Stark ausgeprägt war der Friedenswunsch auch in der jungen Generation, wie die lückenlose Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front in der amerikanischen Hochschulpresse gezeigt hat. Die Studenten betonten hierbei immer wieder ihre eigene Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben der Völker. Große Fürsprecher hatte Remarque in weiteren Untergruppen der US-Zeitungslandschaft, wie etwa der jüdischen und deutschsprachigen Presse. Zwar hielt letztere lange an ihrem neutralen Selbstverständnis fest, sprach sich aber dann, als die Republikfeinde immer lauter gegen Im Westen nichts Neues agitierten, klar für die Antikriegsgeschichte des Schriftstellers aus. In diesem Zuge übernahm sie viele Positionen der staatstragenden liberalen Presse in Deutschland und der Mehrheit der Remarque vereinnahmenden amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften. Die deutsch-amerikanische Leserschaft wiederum spiegelte das gesamte heterogene Meinungsspektrum in der Heimat wider, das sich im Verlauf der Debatte um das Buch und den Universal-Film zunehmend an den extrem rechten Rand verlagerte.

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8.1. Die Remarque-Rezeption als Paradigma für das Ende der Weimarer Republik Nachdem in Kapitel 7.2 die deutsche Remarque-Rezeption nach den einzelnen politischen Pressesegmenten analysiert worden ist, sollen die Mechanismen des Meinungsstreits um Im Westen nichts Neues im Folgenden auf einer allgemeineren Basis dargestellt werden. Dies geschieht unter der Fragestellung, warum gerade über Remarques Version des Fronterlebnisses derart kontrovers debattiert wurde. In den Kapiteln 8.1.2 und 8.1.3 wird noch einmal der Umgang der Links- und Rechtskräfte mit Im Westen nichts Neues rekapituliert, bevor abschließend die Auswirkungen der mit dem Ende der Ära Stresemann einsetzenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf den Umgang mit Remarques Kriegsgeschichte diskutiert werden.

8.1.1. Im Westen nichts Neues als »politischer Lackmus-Test« »Warum diesem Buch unter vielen anderen vorher und gleichzeitig erschienenen gerade ein solcher Erfolg beschieden ist und warum gerade Remarque solche heftigen Reaktionen hervorruft«, schreibt Erhard Schütz in seiner Darstellung über die Literatur der Weimarer Republik, »ist auf Anhieb nicht auszumachen.«2113 Diese Aussage ist insofern überraschend, als dass die Analyse der Presserezeption eine ganze Reihe von Gründen für die enorme Publizität und das Konfliktpotenzial von Im Westen nichts Neues aufgezeigt hat. Allerdings muss man mit Blick auf Schütz konzedieren, dass die Remarque-Forschung bei der Niederschrift seiner Abhandlung 1986 noch längst nicht so weit war wie heute. 2113 Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 191.

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Es sind vier Faktoren, die hauptsächlich dazu beigetragen haben, dass Im Westen nichts Neues zu einem Politikum wurde. Zwei, indirekt drei, steuerte Remarque selbst bei. So lieferte der Schriftsteller mit Im Westen nichts Neues »das richtige Thema in der ansprechendsten Form zum optimalen Zeitpunkt«, wie Angelika Howind bereits kurz nach Schütz treffend festgehalten hat.2114 Über die Brisanz der Fronterlebnis-Erinnerung sowie die Art und Weise, wie Remarque die Kriegserfahrungen der Soldaten aufbereitete, ist in dieser Untersuchung ausführlich gesprochen worden. Allerdings hätten diese beiden Faktoren drei oder fünf Jahre zuvor mit großer Wahrscheinlichkeit keine derartige Debatte ausgelöst. Um die Jahreswende 1928/29 jedoch traf der Verfasser von Im Westen nichts Neues, mehr unbewusst als bewusst, mit seinem Roman den »Nerv der Zeit«, konstatierte Fritz von Unruh im Februar 1929.2115 Denn seit im Herbst 1928 ein erbitterter Streit im Reichstag um den Bau des »Panzerkreuzers A« tobte – und damit die Frage nach einer Wiederbewaffnung Deutschlands stellte –, war das Thema Krieg wieder in aller Munde.2116 Ferner rückte die Neuordnung der Reparationszahlungen den vergangenen Krieg in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. So war durch die Anfang 1929 begonnenen Verhandlungen um den YoungPlan, der am 21. August desselben Jahres unterzeichnet wurde2117, auch der Versailler Vertrag wieder allgegenwärtig. Dieser ›feierte‹ zudem am 28. Juni 1929 sein zehnjähriges Jubiläum, was die Rechtspresse zu einer beispiellosen Hetzkampagne gegen die Republik und die sie tragenden Kräfte veranlasste: Jene seien, so hieß es, dem Heer 1918 in den Rücken gefallen und unternähmen nun nichts gegen die vermeintliche ›Kriegsschuldlüge‹ der Sieger. Mit dem Kolportieren dieser Kriegsmythen flammte auch der Kampf um das ›Erbe der Front‹ wieder auf, in welchem die Darstellung des Fronterlebnisses eine zentrale Rolle spielte. Parallel dazu erreichte die Remarque-Debatte einen ersten Höhepunkt. Mit seiner Vermarktungsstrategie – dem vierten Faktor für die enorme Publizität von Im Westen nichts Neues – goss der Ullstein-Konzern zusätzlich Öl ins Feuer. Dies begann schon mit der prominenten Ankündigung des Vorabdrucks. So schrieb die Vossische Zeitung, wie ausführlich dargestellt worden ist, am 8. November 1928 auf ihrer Titelseite, dass sie es für ihre »Pflicht« halte, dieses »wahre Bild des furchtbaren Krieges« der Öffentlichkeit vorzulegen.2118 Mit 2114 Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller, S. 63. 2115 Unruh: »Im Westen nichts Neues«. 2116 Vgl. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik, 4., durchges. und erg. Aufl., München 1998 (Oldenbourg-Grundriss der Geschichte, Bd. 16), S. 86. 2117 Vgl. u. a. Heinrich August Winkler : Der lange Weg nach Westen, Bd. 1: Deutsche Geschichte vom Ende das Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000, S. 477f. 2118 Vgl. den bereits in Kap. 7.2.2.3 analysierten Artikel von J.E.: Nichts Neues im Westen.

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Bedacht gewählt war auch der Beginn des Abdrucks am 10. November, dem Jahrestag der Schlacht von Langemarck. Zudem jährte sich am Tag darauf zum zehnten Mal der Waffenstillstand von 1918. Diese Vermarktungsprämissen enthielten jede Menge Sprengkraft, weshalb der Ullstein-Konzern »ein richtungsweisender Faktor« in der sich bald entzündenden politischen Debatte um Im Westen nichts Neues wurde, wie Howind zu Recht konstatiert.2119 Ferner war Remarques Roman durch die großangelegte Werbekampagne des Verlags von Beginn an ein Maß an Bekanntheit beschieden, wie es bei einem Buch vorher noch nie der Fall gewesen war. So ließen die in Ullstein-Zeitungen erschienenen begeisterten Rezensionen prominenter Schriftsteller wie Fritz von Unruh und Carl Zuckmayer die Erwartungshaltung der Leser entsprechend steigen. Schon nach wenigen Monaten gehörte die Kenntnis des Buches »zum ›guten Ton‹«, wie Eberhard Heffe im Mai 1929 in der Berliner Börsen-Zeitung feststellte: »In Familien, Werkstätten und Bureaus wandert das Buch von Hand zu Hand, ist der Inhalt täglicher Gesprächsstoff.« Schnell berührte die Debatte um Im Westen nichts Neues »alle Schichten des Volkes« und ging »weit über den Rahmen einer rein literarischen Auseinandersetzung hinaus […]«. Heffe glaubte gar, dass »die deutsche Öffentlichkeit […] im letzten Jahrzehnt geistig wohl niemals so stark bewegt worden« sei wie durch Remarques Roman.2120 Denn längst war Im Westen nichts Neues kein gewöhnliches Buch mehr, sondern ein zentrales Streitobjekt bei der Bewertung des Weltkriegs geworden. Dazu war es gekommen, als die Rechtspresse, von der Vereinnahmung des Buches durch die republikanische Publizistik, den sensationellen Verkaufszahlen sowie der nicht nachlassenden Werbekampagne Ullsteins quasi zu einer Reaktion herausgefordert, in die Debatte um Im Westen nichts Neues eintrat. Bedingt ferner durch die traditionelle Konfrontation der Zeitungsimperien Ullstein und Hugenberg, spaltete der Roman die deutsche Presse in zwei große, sich erbittert bekämpfende Lager – wobei Die Weltbühne sowie die kommunistische und die katholische Presse aus diesem Links-rechts-Schema herausfielen und das linke Lager weniger geschlossen war als das rechte. Im Westen nichts Neues gab Anlass zu grundsätzlichen politischen Bekenntnissen. Denn Bejahung oder Ablehnung, Verteidigung oder Bekämpfung des Buches hieß, seine politische Haltung zum Krieg und damit in der Regel auch zur demokratischen Staatsordnung kundzutun. Wer sich zur Mitte zählte, der bejahte Im Westen nichts Neues in den meisten Fällen, während die Republikgegner das Buch ausnahmslos ablehnten. Die Rezeptionsanalyse hat deutlich gemacht, wie die Kritiken durch die weltanschaulichen Positionen der Rezensenten ge2119 Howind: Ein Antikriegsroman als Bestseller, S. 55. Vgl. auch Schneider : »Die Meute hinter Remarque«, S. 145. 2120 Heffe: Im Westen nichts Neues.

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prägt wurden. Zunächst legten sie das Buch auf eine politische Tendenz fest, bevor sie es zur Unterstützung der eigenen Ideologie zitierten oder bekämpften.2121 Die Haltung der politischen Gegner wurde dabei stets berücksichtigt. In einer derart polarisierten Debatte gab es schließlich nur noch Urteile wie »wahr« oder »unwahr«. Ein Leser der Kölnischen Volkszeitung wies bereits im Juni 1929 in einer bemerkenswert prägnanten Weise auf diese Mechanismen hin: »Selten wird man so schroffe Gegensätze in der Beurteilung eines Buches so dicht nebeneinander gefunden haben. Der eine schleudert es ins Feuer, der andere will es in der Hand eines jeden Deutschen sehen. Der Grund für diese verschiedenartige Beurteilung dürfte darin liegen, daß jeder das Buch durch die Brille seines politischen Standpunktes und seiner eigenen Stellung zum Kriege liest und danach sein Urteil in positivem oder negativem Sinn fällt.«2122

Der erbitterte Streit um Im Westen nichts Neues trieb die Verkaufszahlen des Buches in die Höhe. Insofern ist Hans-Harald Müllers Feststellung richtig, der zufolge die Presserezeption den Erfolg des Romans nicht nur spiegelte, sondern ihn auch mit konstituierte.2123 Und die dramatisch steigende Auflage wiederum gab den Zeitungen Anlass, sich auch nach der Erstrezension immer wieder mit Im Westen nichts Neues zu beschäftigen. Denn die Masse der Leser stellte ein gesellschaftliches Potenzial dar, dessen sich die Zeitungen bzw. die dahinterstehenden politischen Kräfte unbedingt bedienen wollten. Sowohl Kriegsgegner als auch Kriegstreiber versuchten, eine sensibilisierte Öffentlichkeit von ihrer jeweiligen Version vom Krieg und dem Fronterlebnis zu überzeugen. Auf diese Weise wurde Im Westen nichts Neues, wie die literarische Gattung des Kriegsromans überhaupt, in der »Endphase der Weimarer Republik zeitweise ein vorrangiges gesellschaftliches Medium allgemeiner weltanschaulicher und politischer Fragen und Orientierungen«, stimmt der Verfasser dieser Arbeit mit Müller überein.2124 Entsprechend interpretiert, konnte das Buch dazu dienen, politische Gesinnungsgenossen zu versammeln und Widersacher zu bekämpfen. Warum das den Rechten besser gelang als den Linken, soll im Folgenden erörtert werden.

8.1.2. Die Dissoziation der Linken am Beispiel des Bestsellers Es wird oft das Wort »Tragik« bemüht, wenn über die ›Linke‹ in der Weimarer Republik gesprochen wird. Wie angebracht dies auch sein mag – die Tragik lag 2121 2122 2123 2124

Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 64. Dr. G. Runte (Leserbrief), in: Kölnische Volkszeitung, Nr. 397 vom 9. 6. 1929 (70. Jg.), S. 9. Vgl. Müller : Der Krieg und die Schriftsteller, S. 61. Ebd., S. 2.

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vor allem darin, dass es eben die ›Linke‹ nicht gab. Die Rezeption von Im Westen nichts Neues ist ein Paradigma hierfür. Trotz der mehrheitlichen Zustimmung, die Remarques Buch links von der Mitte erhielt, ist die Dissoziation dieses Spektrums deutlich geworden. In ihrer übereinstimmenden Absicht, dem aufkommenden Militarismus Einhalt zu gebieten, konnten sich Sozialisten, radikale Pazifisten, Sozialdemokraten und Linksliberale nicht darüber einigen, wie die Maxime »Nie wieder Krieg!« verwirklicht werden sollte.2125 Die Kommunisten, freilich, verdammten den Pazifismus genauso wie die Rechtskräfte dies taten. Ferner exemplifiziert die Tatsache, dass es den Linken aufgrund ihrer unterschiedlichen Lesart von Remarques Buch nicht gelang, daraus politisch Kapital zu schlagen, die während der gesamten Weimarer Zeit erfahrene Ohnmacht, das Erbe des Weltkriegs nicht öffentlichkeitswirksam besetzen zu können. Folgende Einstellungen zu Remarques Kriegsroman im linken Spektrum haben sich herauskristallisiert: Die kommunistischen Dogmatiker, um am äußeren Rand zu beginnen, verurteilten Im Westen nichts Neues aufs Schärfste, da das Buch die kapitalistischen Wurzeln des Krieges negiere. Remarques Neutralismus, seine politische Abstinenz werteten sie als moralisches Versagen. Insgesamt erfuhr der Roman in der kommunistischen Parteipresse so mehr Ablehnung als alle seit 1929 erschienenen nationalistischen Kriegsromane zusammen. In Verkennung der nationalsozialistischen Bedrohung sah die kommunistische Literaturkritik kaum einen Anlass, sich hierzu zu äußern. Eine pluralistischere Auffassung vertraten die Sozialisten, wenn man unter diesem Terminus die gemäßigten, dem Kurs Stalins kritisch gegenüberstehenden Kommunisten sowie die nach links orientierten Sozialdemokraten subsumiert. Zwar bedauerten sie ebenfalls den unrevolutionären Charakter von Remarques Roman, machten dem bürgerlichen Schriftsteller daraus jedoch keinen Vorwurf. Im Prinzip begrüßten sie Im Westen nichts Neues als kriegskritisches Buch, wenn sie auch dessen pazifistische Wirkkraft bezweifelten. Optimistischer waren in dieser Hinsicht die Sozialdemokraten: Sie protegierten Remarques Buch als Bekenntnis gegen den Krieg, ohne es allerdings als das ihrige zu beanspruchen. So nützlich ihnen Im Westen nichts Neues auch erschien – eine proletarische Kriegsliteratur ersetze das Werk nicht, argumentierten die der SPD nahestehenden Kommentatoren. Dagegen vereinnahmte die bürgerlich-liberale Presse Remarques Buch von Anfang an. Im Westen nichts Neues schien der geistigen Aufrüstung der Rechten das Wasser abgraben zu können, lauteten die Erwartungen vieler liberaler Rezensenten. Hoffnungen auf eine aufklärerische Wir2125 Vgl. Reinhold Lütgemeier-Davin: Basismobilisierung gegen den Krieg: Die Nie-wiederKrieg-Bewegung in der Weimarer Republik, in: Karl Holl und Wolfram Wette (Hg.): Pazifismus in der Weimarer Republik. Beiträge zur historischen Friedensforschung, Paderborn 1981, S. 11.

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kung des Romans äußerte auch die links-nationalliberale Presse, wobei sie sich aufgrund ihrer Nähe zur DVP nicht deutlicher auf die Seite des liberaleren Lagers schlug. Viele Linksintellektuelle wiederum lehnten Im Westen nichts Neues ab, weil das Buch, wie die Rezeption in der Weltbühne gezeigt hat, die Ursachen des Krieges nicht offenlege und damit beim Leser keine Bewusstseinsänderung auslöse. Zu den Revolutionären Pazifisten gehörend, war Im Westen nichts Neues fast allen Weltbühne-Kritikern schlichtweg nicht politisch genug. Die knappe Rekapitulation der Remarque-Rezeption im nicht-nationalistischen und somit im weitesten Sinne linken politischen Lager der Weimarer Republik verdeutlicht, dass es diesem nur schwerlich gelingen konnte, den Sensationserfolg des Ullstein-Romans für ihre Zwecke zu nutzen. Im Gegensatz zu den Rechten nämlich, bei denen der Kampf gegen Im Westen nichts Neues als Einigungsparole fungierte, sprachen die linken Kreise bei der Bewertung des Buches mit verschiedenen Stimmen. Wenn sie oft auch nur marginal waren, sollten diese in der jeweiligen Weltanschauung liegenden Differenzen auf politischer Ebene bald deutlich zum Tragen kommen. Zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten, freilich, lagen weit mehr als nur Differenzen. Stets in Konkurrenz um die Stimmen der Arbeiterschaft buhlend, bekämpften sie sich so erbittert wie keine anderen politischen Kräfte in der Weimarer Republik.2126 Der gegenseitige Hass verstärkte sich noch, als die von Ernst Thälmann geführte KPD unter dem Einfluss der Komintern 1928 einen »ultralinken« Kurs einschlug.2127 Der »Blutmai« von 1929, als der sozialdemokratische Polizeipräsident Berlins, Karl Friedrich Zörgiebel, kommunistische Massendemonstrationen gewaltsam niederschlagen ließ (was mehr als 30 Tote zur Folge hatte), bot der KPD schließlich den Anlass, zum offenen Kampf gegen die als »Sozialfaschisten« diskreditierten Sozialdemokraten überzugehen. Das taten die Kommunisten in einer Radikalität, die, so Detlev Peukert, »hinter den Republikfeinden von rechts nicht zurückstand«.2128 2126 Der linke Klassenkampf war bereits 1914 mit der »Burgfrieden«-Politik der SPD entflammt und erreichte mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags einen ersten Höhepunkt. Sozialdemokraten wurden von Kommunisten etwa als »Henkersknechte der deutschen Bourgeoisie« oder »freiwillige Agenten des französischen und polnischen Imperialismus« beschimpft. Vgl. Fritz Klein: Versailles und die deutsche Linke, in: Gerd Krumeich (Hg.) in Zusammenarbeit mit Silke Fehlemann: Versailles 1919. Ziele, Wirkung, Wahrnehmung, Essen 2001 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N. F., Bd. 14), S. 320. 2127 Vgl. Heinrich August Winkler : Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1993, S. 349, sowie Lösche: Kleine Geschichte der deutschen Parteien, S. 101. 2128 Detlev J. K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt am Main 1987, S. 262. Vgl. u. a. auch Peter Longerich: Deutschland 1918–1933. Die Weimarer Republik. Handbuch zur Geschichte, Hannover 1995, S. 250; Horst Möller :

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Aufgrund ihrer Frontstellung gegen die Republik machten die KPD-Anhänger sogar mehrfach mit den Nazis gemeinsame Sache, um durch negative Sperrmehrheiten das parlamentarische System lahm zu legen.2129 Auch als die NSDAP bei den Wahlen im September 1930 zur zweitstärksten parlamentarischen Macht avancierte, zog die KPD daraus »nicht die einzig zwingende Schlussfolgerung, alles zu tun, um eine Front gegen den Hitlerfaschismus zu schmieden«, argumentiert Klaus Kinner.2130 Die Gefahr von rechts erkannten die Kommunisten erst, als es zu spät war. Doch scheiterten die Versuche, 1932 eine Einheitsfront zu bilden, an der vorher praktizierten »hasserfüllten Spaltungspolitik«.2131 Letztlich schloss auch das Festhalten an der Sozialfaschismus-These ein antifaschistisches Bündnis mit der SPD aus.2132 Dissoziative Tendenzen gab es auch innerhalb der Sozialdemokratie. Aus Enttäuschung über die nichtrevolutionäre Politik der SPD spalteten sich 1931 Teile des linken Parteiflügels ab und gründeten die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP).2133 Hier sammelten sich all jene, die zwischen den beiden roten Fronten standen. Schließlich zerbrach auch das pazifistische Bündnis von Sozialdemokraten, Liberalen und radikalen Kriegsgegnern Ende der 1920er Jahre – und das »ausgerechnet zu dem Zeitpunkt«, so Wolfram Wette, »als die Nationalisten zum Sturm auf die Republik ansetzten«.2134 Ausgelöst vor allem durch rüstungs- und militärpolitische Fragen wie den Bau des »Panzerkreuzers A«, herrschte etwa in der Deutschen Friedensgesellschaft ein »innerpazifistischer Grabenkrieg«, während das Deutsche Friedenskartell 1929 wegen unüberbrückbarer Spannungen gar aufgelöst wurde.2135 Den pro-republikanischen Kräften gelang es nicht mehr, sich in der Frage nach der Umsetzung der Parole »Nie wieder Krieg« auf einen Minimalkonsens zu einigen – mit der Folge,

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Die Weimarer Republik – Eine unvollendete Demokratie, 7., erw. und aktual. Neuaufl., München 2004, S. 248 und 252, sowie Büttner : Weimar, S. 385f. Vgl. Milatz: Wähler und Wahlen, S. 110, sowie Lösche: Kleine Geschichte der deutschen Parteien, S. 101. Klaus Kinner: Der deutsche Kommunismus. Selbstverständnis und Realität, Bd. 1: Die Weimarer Zeit, Berlin 1999 (Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus), S. 169. Hofmann: Geschichte der deutschen Parteien, S. 154. Vgl. auch Andreas Wirsching: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft, München 2000 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 58), S. 115f. Vgl. Wirsching: Die Weimarer Republik, S. 116. Vgl. Lösche: Kleine Geschichte der deutschen Parteien, S. 73. Wolfram Wette: Militarismus und Pazifismus. Auseinandersetzung mit den deutschen Kriegen. Mit einem Vorwort von Fritz Fischer, Bremen 1991, S. 113. Vgl. auch Christl Wickert: »Zu den Waffen des Geistes … Durchgreifen Republik!« Die Linksintellektuellen, in: Detlef Lehnert und Klaus Megerle (Hg.): Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik, Opladen 1989, S. 134f. Wolfram Wette: Einleitung: Probleme des Pazifismus in der Zwischenkriegszeit, in: ders. und Karl Holl (Hg.): Pazifismus in der Weimarer Republik. Beiträge zur historischen Friedensforschung, Paderborn 1981, S. 12 und 14.

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dass die Friedensbewegung in der Schlussphase der Weimarer Republik zu schwach war, der geistigen Militarisierung etwas entgegenzusetzen.2136 Vorbei war zudem das »historische Bündnis« zwischen Sozialdemokratie und Linksliberalismus.2137 Nach ihrer Fusion mit dem Jungdeutschen Orden im Juli 1930 driftete die DDP weit nach rechts ab und gab sich damit im Grunde selbst auf. Eine Regierungszusammenarbeit mit der SPD war nun ausgeschlossen; und ohnehin war die inzwischen als Deutsche Staatspartei firmierende DDP bald der Bedeutungslosigkeit nahe. In jedem Fall gab es in ihr »für Pazifisten keinen Platz mehr«, konstatiert Dieter Langewiesche.2138 So erklärte die Partei eine Mitgliedschaft in der Deutschen Friedensgesellschaft mit ihrer Programmatik für unvereinbar. Vor diesem Hintergrund lässt sich erahnen, wie schwierig es war, das Thema Krieg über Im Westen nichts Neues nachhaltig mit einer pro-republikanischen Sinngebung zu besetzen. Trotz Remarques Buch wurden die Pazifisten zu einer »angefeindeten Minorität«, der offenbar immer weniger Menschen angehören wollten.2139 Am engagiertesten versuchte noch die liberale Presse, allen voran die Vossische Zeitung, die »öffentliche Macht«2140 von Im Westen nichts Neues in politisches Kapital umzumünzen. Doch nachdem sie ihr Pulver früh verschossen hatte, gelangte sie in eine defensive Position, als die Agitation der Rechtspresse gegen Remarque Fahrt aufnahm. Mit der kurz darauf einsetzenden Gegenwelle nationalistischer Frontliteratur setzte auch bei der liberalen Presse Desillusionierung ein. Sie verteidigte Remarques Buch zwar, erwiderte die Hetze der Rechten aber nicht mit denselben vehementen Mitteln. Die vorherrschende Rationalität verlieh ihrer Argumentation wenig Suggestivkraft und beschränkte deren Breitenwirkung.2141 Ohnehin war die liberale Presse mit dem Rechtsrutsch der DDP und – nach dem Tod Stresemanns – auch der DVP ihrer politischen Repräsentanz beraubt, weshalb die Wirkung ihrer Berichterstattung auf die Wahlurnen sukzessive geringer wurde. So blieb der beispiellose Erfolg von Im Westen nichts Neues ungenutzt. 1931 war er bereits vergessen. Nun gab es Platz für neue, nationalbewusste Sinngebungen.

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Vgl. Lütgemeier-Davin: Basismobilisierung gegen den Krieg, S. 76. Dieter Langewiesche: Liberalismus in Deutschland, Frankfurt am Main 1988, S. 280. Ebd., S. 267. Wette: Probleme des Pazifismus, S. 11. Ossietzky : Remarque-Film. Vgl. hierzu Elfi Bendikat: »Wir müssen Demokraten sein.« Der Gesinnungsliberalismus, in: Detlef Lehnert und Klaus Megerle (Hg.): Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik, Opladen 1989, S. 157.

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8.1.3. Die Sammlung der Rechtskräfte im Kampf gegen Remarque Es war kein Wunder, dass die Rechtskräfte in Deutschland geschlossen aufschrien, als die Auflage von Im Westen nichts Neues in schwindelerregende Höhen stieg. Schließlich hatte Remarque, so Alfred Antkowiak treffend, »einen ›heroischen‹ Stoff kurzerhand in einen elenden Gegenstand verwandelt«.2142 Wo die nationalistische Rechte den Krieg als Kraftquell und Kraftprobe darstellte, gestaltete der Verfasser von Im Westen nichts Neues diesen als demoralisierende, lebensfeindliche Macht. Dabei spießte Remarque, um mit Ian Hamilton zu sprechen, auch das Pathos der Vaterlandsliebe und alle sorgsam aufgerichteten Heldenbilder auf und stellte der nationalistischen Mythisierung eine antimilitaristische, humanistische Grundtendenz gegenüber.2143 So war aufseiten der Rechten zumindest zu Beginn die Befürchtung groß, dass der Roman imstande sei, den Mythos vom Fronterlebnis zu unterminieren. Aus ihrer Sicht war dies fatal, denn sie rüsteten, zunächst geistig, bereits für den nächsten Krieg. Das Weltbild der Nationalisten bedrohte Im Westen nichts Neues auch, indem das Buch – wie gezeigt worden ist – die Dolchstoß- und ,Im-Felde-unbesiegt‹-Legende konterkarierte. Die daraus resultierende »hysterische Wut«2144 der Rechtskräfte mündete schon bald in einen beispiellosen Kampf gegen Remarque und seinen Antikriegsroman. Und im Gegensatz zum linken politischen Spektrum, in dem trotz mehrheitlicher Zustimmung deutliche Divergenzen in der Bewertung von Im Westen nichts Neues auftraten, wirkte die negative Integration bei der nationalistischen Rechten derart, dass sie laut und vor allem einstimmig gegen das Buch und die hinter diesem stehenden vermeintlichen ›Novemberverbrecher‹ agitierte.2145 Das geschlossene Vorgehen kam fast schon einer konzertierten Aktion gleich. Vertreter des alten Nationalismus, wie etwa Deutschnationale und Alldeutsche, Kriegervereine und Offizierbünde, zogen mit Nationalsozialisten, Stahlhelmern und jungen Nationalisten an einem Strang, wenn es darum ging, Remarque zu bekämpfen. Es waren all jene, die auf die Ablösung der Weimarer Demokratie durch einen autoritären Staat hinarbeiteten. Und wenn Peter Longerich bemerkt, dass »die Kräfte, die zwei Jahre später die Harzburger Front und im Januar 1933 die Regierung Hitler bilden sollten«, sich erstmalig im Juli 1929 zum Reichsausschuss für das deutsche Volksbegehren gegen den Young-Plan 2142 Alfred Antkowiak: Erich Maria Remarque. Leben und Werk, 2., bearb. Aufl., Ost-Berlin 1977 (Schriftsteller der Gegenwart, Bd. 14), S. 22. 2143 Vgl. Hamiltons Antwortbrief an Remarque am 19. Juni 1929, in: Briefwechsel zwischen Erich Maria Remarque und General Sir Ian Hamilton, S. 61. Siehe auch Brautzsch: Untersuchungen über die Publikumswirksamkeit, S. 148. 2144 Schütz: Romane der Weimarer Republik, S. 207. 2145 Vgl. Barth: Dolchstoßlegenden, S. 560.

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zusammenfanden2146, kann man festhalten, dass eine ähnliche Koalition bereits im Frühjahr desselben Jahres zum Kampf gegen Remarque bereitstand – wenn sich die Zusammenarbeit zunächst auch nur auf eine geistige, vor allem publizistisch-literarische Ebene beschränkte.2147 Neben der gemeinsamen Ablehnung von Im Westen nichts Neues und der Weimarer Republik verband all diese Kräfte die Ideen der jungnationalen Rechten, welche verstärkt auch in bürgerlichen und aristokratischen Kreisen Anklang fanden – obwohl der Soldatische Nationalismus (der auch als »Revolutionärer Nationalismus« oder »Neuer Nationalismus« bezeichnet wird) und die Bewegung der Konservativen Revolution ja gerade die Bourgeoisie und alles Wilhelminische verdammten.2148 Beide Ideenkonglomerate waren antidemokratisch, autoritär und stimmten in der Kennzeichnung ihrer Gegner (insbesondere Sozialdemokraten und Liberale) überein. Während die Protagonisten der Konservativen Revolution – Edgar Jung, Oswald Spengler und Arthur Moeller van den Bruck – als Deuter einer neuen Zeit Visionen vom Führerstaat, der ›Volksgemeinschaft‹ und dem ›Dritten Reich‹ salonfähig machten, verklärten die Literaten des Soldatischen Nationalismus den Krieg als mythisches Naturereignis, das einen neuen Nationalismus und auf den künftigen Staat zu übertragende soldatische Werte hervorgebracht habe.2149 Die harte, blutvolle Erfahrung des Stellungskriegs war Ausgangspunkt ihrer Weltanschauung und führte als »autoritärer und nationalistischer Gegenentwurf zum demokratischen System von Weimar« zur Konzeption eines Frontsoldatenstaates, welcher, so Wolfram Wette, »die radikalste Ausformung antipazifistischen und kriegsverherrlichenden Denkens« war.2150 Mit seiner steten Forderung, »daß der deutsche Staat von Männern seines Schlage regiert wird«2151, übertrug dann vor allem der Stahlhelm die literarischen Konstrukte Ernst Jüngers oder Franz Schauweckers auf eine realpolitische Ebene. Die Ideen der Konservativen Revolution und des Soldatischen Nationalismus – die Übergänge waren fließend – dienten der nationalistischen Rechten als Einigungsparole. Auch in der Gesellschaft gewann die ideologische Verknüp2146 Longerich: Deutschland 1918–1933, S. 257. Vgl. auch Dieter Gessner : Die Weimarer Republik, S. 18f. 2147 Im Übrigen hatten Hitler und Hugenberg ihre Zusammenarbeit auf geistiger Ebene bereits im Januar 1929 begonnen. Gemeinsam gründeten sie den Deutschen Volksverlag, eine »Arbeitsgemeinschaft zur praktischen Volksaufklärung und Volksgesundung«. Vgl. N.N.: Hitler schließt sich Hugenberg an, in: Die Rote Fahne, Berlin, Nr. 16 vom 19. 1. 1929 (12. Jg.), S. 2. 2148 Vgl. Raimund von dem Bussche: Konservatismus in der Weimarer Republik. Die Politisierung des Unpolitischen, Heidelberg 1998, S. 366 und 377. 2149 Vgl. Sontheimer: Antidemokratisches Denken, S. 120–125. 2150 Wette: Militarismus und Pazifismus, S. 138 und 132. 2151 Wilhelm Kleinau: Stahlhelm und Staat, Berlin 1929, S. 7.

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fung von glorifiziertem Kriegserlebnis und der mythischen Vision vom völkischen Staat mit der Ende 1929 einsetzenden »militaristischen Trendwende« an Attraktivität.2152 Neben darwinistischem, rassistischem und antikapitalistischem Geistesgut wurden die Ideen der jungnationalen Rechten schließlich in den Nationalsozialismus »aufgesogen«2153, wo sie erst ihre fatale Wirkkraft entfalteten. Doch bis es soweit war, standen den Nazis noch etliche Kämpfe bevor. Einer davon war der Kampf gegen Remarque, den sie – weltanschaulich relativ geschlossen – Seite an Seite mit den übrigen Rechtskräften antraten. Auffällig ist, wie sehr sich die Argumente und Methoden in der publizistischen Abwehrschlacht gegen Im Westen nichts Neues ähnelten – sei es in der rechtsliberalen, deutschnationalen oder nationalsozialistischen Presse. Es fand sogar insofern eine Zusammenarbeit statt, als dass Anti-Remarque-Artikel in den Blättern dieser Milieus ausgetauscht wurden. So erschien der Aufsatz »Der Egoismus als Leitgedanke Remarques« zuerst in den rechtsliberalen Münchner Neuesten Nachrichten, dann im Völkischen Beobachter und schließlich in Hugenbergs Niederdeutscher Zeitung. In ähnlicher Weise kursierte ein Pamphlet des Deutschen Offizierbundes in der Rechtspresse. Und im Gleichschritt agitierten die Blätter auch – etwa die DVP-nahe Berliner Börsen-Zeitung und der Völkische Beobachter –, als der Berliner Magistrat im Mai 1929 allen städtischen Schulbüchereien ein Exemplar von Im Westen nichts Neues stiftete.2154 Neben diesen publizistischen Feldzügen, welche, so Peter Gay über die Hugenberg-Presse, die Zeitungen geradezu »wie disziplinierte Truppen« führten2155, fand der Kampf gegen Remarque schon bald auch auf einer politischen Ebene statt. Dies wurde erstmals sichtbar, als im Januar 1930 der thüringische NSDAP-Kultusminister Wilhelm Frick, der in einer Koalition mit der DVP, der Wirtschaftspartei sowie der Landvolkpartei regierte2156, Remarques Buch für sämtliche Lehrer- und Schülerbibliotheken verbieten ließ.2157 Politische Interventionen großen Ausmaßes starteten die Rechtskräfte dann, als im Dezember desselben Jahres die Verfilmung von Im Westen nichts Neues in die Kinos kam. Zur Koalition, die sich hierfür fand, gehörten – wie dargestellt – unter anderem mehrere rechtsregierte Länder, Vertreter der Reichswehr, die Deutschnationalen

2152 Wette: Militarismus und Pazifismus, S. 131. 2153 Golo Mann: Deutsche Geschichte des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1964, S. 718. 2154 Vgl. hierzu S. 280, Anm. 1314, S. 286 sowie S. 250f. und 302f. 2155 Peter Gay : Die Republik der Außenseiter : Geist und Kultur in der Weimarer Zeit 1918– 1933, Frankfurt am Main 1970, S. 175f. 2156 Vgl. Axel Schildt: Die Republik von Weimar. Deutschland zwischen Kaiserreich und »Drittem Reich« (1918–1933), Erfurt 1997 (Landeszentrale für politische Bildung Thüringen), S. 161. 2157 Vgl. hierzu Kap. 7.2.2.7, S. 303.

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um Hugenberg sowie die von Joseph Goebbels mobilisierte ›nationalsozialistische Straße‹. Die Literatur stellte ein weiteres Feld der Anti-Remarque-Kampagne dar. Freilich war die Produktion nationalistischer Kriegsbücher von den politischen Rechtskräften nicht generalstabsmäßig geplant; jedoch rührte ihre Presse intensiv die Werbetrommel für Romane dieser Art, druckte sie ab und vereinnahmte deren Erfolg für sich. Als direkte Antwort auf Remarque erschienen Gegenschriften, die polemisch auf Im Westen nichts Neues Bezug nahmen, wie etwa Vor Troja nichts Neues oder Im Westen wohl was Neues.2158 Voller Hass parodierte der Verfasser der letzteren Abhandlung, Franz Arthur Klietmann, Remarques Geleitwort wie folgt: »Dieses Buch soll eine Anklage sein gegen einen Degenerierten, welcher versucht, deutschen Heldengeist zu besudeln, nur, weil sein ausgemergeltes Mark und sein mutwillig entnervter Leib […] nicht fassen konnte, was das große Ringen dem deutschen Frontsoldaten gab.«2159

Knapp ein Dutzend solcher Publikationen gelangten in den ersten vier Jahren nach dem Erscheinen von Im Westen nichts Neues auf den Buchmarkt. Und teilweise fanden sie großen Absatz, wurden in fünf oder zehn Auflagen gedruckt. »Seit dem ›Wertherfieber‹ der Jahre 1774/75«, bemerkt Günter Hartung, »hatte die deutsche Literatur so viele Gegenschriften zu einem Dichtwerk nicht mehr erlebt.«2160 Noch fataler jedoch war der Effekt neuer nationalistischer Literatur. Viele ehemalige Kriegsteilnehmer, längst nicht nur Jünger, Schauwecker oder Beumelburg, fühlten sich nun berufen, ihre heroische Geschichte vom Krieg aufzuschreiben – oftmals nur deshalb, um das Remarquesche Fronterlebnis zu widerlegen.2161 Nimmt man die Verkaufszahlen als Indikator, die zusammengenommen rasch in die Hunderttausende gingen, muss ihr Vorhaben »hinsichtlich der politisch-ideologischen Wirkung als gelungen bezeichnet werden«, konstatiert Gollbach.2162 Spätestens zu Beginn der 1930er Jahre hatte die nationalistische Rechte ihre »hegemoniale Position« auf den Diskursfeldern zum Ersten Weltkrieg zurückerlangt.2163 Remarques Roman konnte trotz seiner massenhaften Rezeption nicht nachhaltig daran rütteln. Die Trugbilder vom 2158 Emil Marius Requark (d.i. Max Joseph Wolff): Vor Troja nichts Neues, Berlin 1930; Franz Arthur Klietmann: Im Westen wohl was Neues. Contra Remarque, Berlin 1931. 2159 Klietmann: Im Westen wohl was Neues, Widmung S. 5. 2160 Hartung: Gegenschriften, S. 109. 2161 Insofern hat Sontheimer recht mit seiner These, das nationalistische Kriegsbuch sei an Remarque erst groß geworden. Vgl. Sontheimer: Antidemokratisches Denken, S. 94–96. 2162 Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 357. 2163 Baumeister : Kampf ohne Front?, S. 376.

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heroischen Tod auf der Walstatt dienten dann im ›Dritten Reich‹ dazu, einer weiteren Generation den Krieg schmackhaft zu machen.

8.1.4. Im Westen nichts Neues und der Niedergang der Ära Stresemann Knapp 13 Jahre, bevor sich der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig aus Verzweiflung über die politische Situation in Deutschland und der Welt am 23. Februar 1942 im brasilianischen Exil das Leben nahm, hatte er mit Begeisterung über Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues geschrieben: »Jeder Deutsche sollte dieses beispiellos wahrhafte Buch lesen.«2164 Deutlich spricht aus diesem Satz die Hoffnung, dass Remarques Roman der geistigen Militarisierung entgegenwirken könne. Und anfänglich schien dies tatsächlich der Fall zu sein. Ende Juni 1929 äußerte sich Zweig erneut. Seinen Briefpartner, den französischen Autor und Pazifisten Romain Rolland, ließ er euphorisch wissen: »In Deutschland sind die Nationalisten am Verzweifeln. Das Buch von Remarque […] hat sie umgeworfen [und] mehr angerichtet als alle pazifistische Propaganda in zehn Jahren«2165 Wie Zweig bald schmerzhaft feststellen musste, war seine Einschätzung falsch. Schon innerhalb eines Jahres hatte sich das Klima derart verändert, dass Weltbühne-Herausgeber Carl von Ossietzky im Oktober 1930 ernüchtert resümierte: »Ist es nicht ein Jahrhundert her, daß uns der Triumph des Kriegsbuches von Remarque als eine spontane Wandlung zum Friedensgeist gedeutet wurde? […] Die Friedensgesinnung ist dahin wie der Schnee vom vorigen Jahr.«2166 Seitdem im verhängnisvollen Herbst 1929 die Weltwirtschaftskrise ausbrach und mit dem Tod Stresemanns ein politischer Rechtsrutsch einsetzte, waren in Deutschland schrillere Töne gefragt. Das Zusammentreffen von ökonomischer und politischer Krise »bildete einen geeigneten Nährboden für die nationalistische Kriegsverherrlichung«2167, wogegen pazifistisches Gedankengut nicht mehr hoch im Kurs stand. Mit der Politik glitten auch weite Teile der Gesellschaft nach rechts ab. Trotz seines spektakulären Verkaufserfolgs konnte Im Westen nichts Neues an dieser Entwicklung nichts ändern.

2164 Anzeige des Propyläen-Verlags, in: Berliner Illustrirte Zeitung, Nr. 10 vom 10. 3. 1929 (38. Jg.), S. 377. 2165 Romain Rolland und Stefan Zweig: Briefwechsel 1910–1940, Bd. 2: 1924–1940, Berlin 1987, S. 329. 2166 Carl von Ossietzky : Die Blutlinie, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 43 vom 21. 10. 1930 (26. Jg.), S. 604. 2167 Lütgemeier-Davin: Basismobilisierung gegen den Krieg, S. 76.

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Das Zusammentreffen von politischer und wirtschaftlicher Krise Der 1929 offenkundig gewordene politische Rechtsrutsch in Deutschland nahm seinen Anfang im Grunde bereits 1925 mit der Wahl Paul von Hindenburgs zum Reichspräsidenten. Es hatte für die nationalistische Rechte schon eine gewisse Symbolkraft, dass an der Spitze des Staates nun einer von ihnen stand – einer, der im Krieg oberster Feldherr des deutschen Heeres gewesen und als Reichspräsident Ehrenmitglied des Stahlhelm war.2168 Zum anderen verschoben sich die politischen Machtverhältnisse in der Tat nach rechts. So waren seit der Bildung der Regierung unter Reichskanzler Hans Luther im selben Jahr verstärkt DVP- und DNVP-Abgeordnete im Kabinett vertreten. SPD und DDP verloren hingegen an Einfluss.2169 Der Stahlhelm, so die Ironie, war es dann auch, der mit DNVP und Nazis im Juli 1929 zum offenen Angriff auf die Republik blies. Denn der Kampf gegen das »Joch des Young-Planes«2170, welchen die »nationale Opposition« mit einem Volksbegehren verhindern wollte, war vor allem gegen den Staat gerichtet. Dabei wurden die republikanischen Kräfte als Verantwortliche für die Kriegsniederlage, den Versailler Vertrag und damit die Wirtschaftsmisere hingestellt. Zwar war der Volksentscheid am 22. Dezember 1929 mit nur 5,8 von 21,2 Millionen erforderlichen Ja-Stimmen ein Fehlschlag, doch kam die Kampagne der nationalsozialistischen Bewegung zugute, die sich öffentlichkeitswirksam profilieren konnte, für breite Kreise hoffähig wurde und damit ihre politische Isolation durchbrach.2171 Alfred Hugenberg, der mit seiner Presse einen gehörigen Anteil daran hatte, wurde schon bald zu Hitlers Steigbügelhalter. Der Herbst 1929 – die Remarque-Debatte war noch in vollem Gange – markierte den »Anfang vom Ende der Republik«, erinnerte sich Sebastian Haffner in seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen.2172 Das erste »verhängnisvolle Ereignis«, so Longerich, trat am 3. Oktober 1929 mit dem Tod des Außenministers Gustav Stresemann ein. Der Mann, »dessen Lebenswerk, in dem Versuch bestanden hatte, das gemäßigte rechte Lager an die Republik heranzuführen«, starb an einem Schlaganfall. Als hätte man in der DVP darauf gewartet, schwenkte die Partei sogleich nach rechts um und folgte damit der DNVP, die ihren Rechtsrutsch bereits im Oktober 1928 unter ihrem neuen Vorsitzenden Hugenberg vollzogen hatte. Im Juli 1930 sollte die DDP es den beiden bürger2168 Vgl. Mahlke: Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten, S. 660, sowie zum Verhältnis der SPD und Hindenburg Buchner: Um nationale und republikanische Identität, insb. S. 185–193. 2169 Zur Zusammensetzung der deutschen Regierungen vgl. u. a. Longerich: Deutschland 1918–1933, S. 404–407. 2170 Aufruf zu einer Versammlung mit Julius Streicher im Münchner Bürgerbräukeller, in: Völkischer Beobachter, München, Nr. 234 vom 9. 10. 1929 (42. Jg.), S. 3. 2171 Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 116f., sowie Winkler : Deutsche Geschichte, S. 481f. 2172 Haffner : Geschichte eines Deutschen, S. 84.

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lichen Parteien nachmachen. Und auch im Zentrum gab es ähnliche Bestrebungen.2173 Genau drei Wochen nach Stresemanns Tod, am 24. Oktober 1929, begann an der New Yorker Wall Street ein dramatischer Verfall der Aktienkurse. Der »Schwarze Freitag« löste die Weltwirtschaftskrise aus, die Deutschland weit härter traf als alle anderen europäischen Staaten. Um liquide zu bleiben, riefen die US-Banken massiv Gelder aus Deutschland ab – mit der Folge, dass der mit ausländischen Krediten finanzierte Wirtschaftsaufbau in sich zusammenbrach.2174 Die Arbeitslosigkeit, die im Sommer 1929 noch bei einer Million gelegen hatte, stieg bis März 1930 auf dreieinhalb Millionen; ein Jahr darauf lag sie bereits bei fünf Millionen.2175 Armut, Hunger und Verzweiflung griffen um sich – und damit die Erbitterung über Demokratie, Liberalismus und Kapitalismus. Sich vom rasanten sozialen, kulturellen und technischen Wandel abgehängt fühlend, wandten sich viele Menschen von der Republik ab und sehnten sich in die konservative Vergangenheit zurück – oder ließen sich von den revolutionären Zukunftsversprechen mobilisieren.2176 Die gesellschaftliche Polarisierung und Radikalisierung ließ die politisch-ideologischen Gegensätze nun unversöhnlich aufeinanderprallen. Somit stellte sich die Ära Stresemann als eine Phase der »trügerischen Stabilisierung« heraus, lautet das Fazit Peukerts, denn die Labilität der deutschen Demokratie war durch die außenpolitischen Erfolge und den wirtschaftlichen Aufschwung nach Einführung der Rentenmark nur überdeckt worden.2177 Eine wirkliche politische und verfassungsrechtliche Konsolidierung blieb aus.2178 Lediglich an der Oberfläche war es eine »echte Friedenszeit«; darunter grollte das Unheil, wie Zeitzeuge Haffner mit gewohnter Ausdruckskraft beschrieb: »Zuviel dämonisch böse Kräfte blieben im Hintergrund fühlbar, zwar gebunden und stumm gemacht für den Augenblick, aber nicht wirklich ausgelöscht.«2179 Sie läuteten nun die Endphase der Weimarer Republik ein. 2173 Longerich: Deutschland 1918–1933, S. 258. Vgl. auch Büttner : Weimar, S. 386f., sowie Detlef Lehnert: Die Weimarer Republik, 2., überarb. Aufl., Ditzingen 2009, S. 216–219. 2174 Vgl. Longerich, S. 257. 2175 Vgl. Peukert: Die Weimarer Republik, S. 246, sowie Schildt: Die Republik von Weimar, S. 94. 2176 Vgl. Möller: Die Weimarer Republik, S. 226 und 247. 2177 Peukert: Die Weimarer Republik, S. 191. Vgl. auch Detlef Lehnert, der von einer »widerspruchsvollen Konsolidierung« spricht und von »Trugbildern« einer relativen Stabilisierung. Lehnert: Die Weimarer Republik, S. 155f. 2178 Vgl. Möller: Die Weimarer Republik, S. 255. 2179 Haffner : Geschichte eines Deutschen, S. 67 und 76. Im Oktober 1929 schrieb Haffner ferner (ebd., S. 84): »Böser Herbst nach einem schönen Sommer, Regen und raues Wetter, und obendrein in der Luft etwas Drückendes, das nicht vom Wetter herrührte. Böse Worte an Anschlagssäulen; auf den Straßen, zum ersten Mal, kotbraune Uniformen und unerfreuliche Gesichter darüber ; das Rattern und Pfeifen einer ungewohnten, schrill-ordinä-

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Zunächst zerbrach Ende März 1930 die Große Koalition. SPD und DVP hatten sich weder auf eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung noch eine Senkung der Leistungen einigen können, um das Solidarsystem zu retten – denn aus Sicht der SPD war der gesamte Sozialstaat in Gefahr. Das Kabinett Hermann Müller, die letzte von einem Sozialdemokraten geführte Reichsregierung, trat daraufhin zurück. Allerdings kam die Ablösung der Großen Koalition nicht überraschend. Die Kamarilla Hindenburgs hatte bereits lange davor mit Zentrumspolitiker Heinrich Brüning Kontakt aufgenommen, der einem »antiparlamentarischen« und »antimarxistischem« Kabinett vorstehen sollte.2180 Am 29. März 1930 war es dann soweit. Mit der Ernennung Brünings zum Reichskanzler und der gleichzeitigen Ausschaltung der SPD wurde, wie Longerich richtig bemerkt, »der politische Gründungskompromiss der Weimarer Republik, die Einigung zwischen gemäßigten Sozialdemokraten und Bürgertum, […] endgültig aufgegeben«.2181 Die mit den Jungdeutschen zur Deutschen Staatspartei fusionierte DDP driftete in der Folge weit nach rechts ab, konnte ihren Wählerschwund aber nicht stoppen.2182 Auch das katholische Zentrum orientierte sich immer weiter nach rechts. Es war, so Golo Mann, als ginge ein »Riss quer durch die Mitte« der Gesellschaft.2183 Der Demokratie fehlte mit dem quasi nicht mehr existenten Liberalismus ein zentraler Pfeiler. Seine Klientel war hart von der Wirtschaftskrise getroffen worden: In der Mittelschicht und bei kleinen und mittelständischen Unternehmern grassierte die Angst vor einem Statusverlust. Diese negative Gefühlswelt richtete sich gegen das ›Weimarer System‹, das keine geeignete Herrschaftsform mehr darzustellen schien, um die politische und wirtschaftliche Krise des Staates zu überwinden.2184

2180 2181 2182

2183 2184

ren Marschmusik. […] Im Reichstag Lärmszenen, die Zeitungen voll von einer schleichenden, nicht endenden Regierungskrise.« Vgl. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 126f. Longerich: Deutschland 1918–1933, S. 264. Die neu aufgestellte Deutsche Staatspartei erhielt bei den Reichstagswahlen im September 1930 lediglich 3,8 Prozent (1,3 Millionen) der Wählerstimmen und stellte damit 20 Abgeordnete. 1919 hatte die damalige DDP bei 18,5 Prozent (5,6 Millionen) der Stimmen noch 75 Sitze im Parlament gehabt. Mit zwei Reichstagsabgeordneten nach den Novemberwahlen 1932 wurde die Partei endgültig zu einer »bedeutungslosen Splittergruppe«, wie Gollbach bemerkt. Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 19. Vgl. auch Hofmann: Geschichte der deutschen Parteien, S. 118; Fritsch und Herz: Deutsche Demokratische Partei, S. 303, sowie Langewiesche: Liberalismus, S. 250f. Mann: Deutsche Geschichte, S. 734. Hofmann: Geschichte der deutschen Parteien, S. 129. Vgl. zur Abkehr des Bürgertums von der Republik auch Eksteins: The Limits of Reason, S. 306: »When the miseries of the depression followed upon the despair of the inflation, the malfunctioning democratic system was rejected with vigour by those social strata on which it depended for its life.«

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Von der »Flut der Unzufriedenen«2185 profitierte insbesondere die NSDAP. So wurde die Septemberwahl von 1930 für die Nazis zu einem Triumph: Sie steigerten die Zahl ihrer Mandate von 12 auf 107 (plus 800 Prozent) und zogen als zweitstärkste Fraktion in den Reichstag ein. Wähler aus allen sozialen Schichten, insgesamt 6,4 Millionen, hatten für die NSDAP gestimmt.2186 Für die Partei bedeutete das Ergebnis den Durchbruch zur Massenbewegung; für die Republik war es ein Schlag, von dem sie sich nicht wieder erholen sollte. Die öffentliche Meinung in der Schlussphase der Republik Die aus der Krise von Staat und Wirtschaft resultierende »Katastrophenstimmung«2187 in der deutschen Gesellschaft äußerte sich bald in einer »flutartigen Remilitarisierung der öffentlichen Meinung«, konstatiert Wolfram Wette.2188 Die Kriegsächtungsidee geriet in Vergessenheit, während immer mehr Menschen angesichts der Alltagssorgen und Zukunftsängste nach Sinngebung dürsteten.2189 Mit ihrer auf Kriegsmythen basierenden Ideologie fanden vor allem die radikalen Rechtskräfte zunehmend Anklang. Die pazifistische Wirkkraft von Im Westen nichts Neues musste in einem solch fatalen Klima begrenzt bleiben, wie die Remarque-Förderer mit Ernüchterung feststellten. Denn sie waren auch aus publizistischer Sicht ins Hintertreffen geraten: Zieht man die Auflage als Maßstab heran, kommt man zu dem Ergebnis, dass die den kriegskritischen Erfolgsroman ablehnenden Blätter der kommunistischen, rechts-nationalliberalen, katholischen, nationalistischen und nationalsozialistischen Presse in summa die Oberhand hatten.2190 Täglich rund sieben Millionen verkaufter Zeitungen dieser politischen Milieus standen fünf Millionen der sozialdemokratischen, liberalen und links-nationalliberalen Presse gegenüber. Hinzu kam die über vier Millionen starke Auflage der Generalanzeiger, welche aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Hugenberg überwiegend nationales Gedankengut vertraten und kaum zu den Remarque-Befürwortern gezählt haben dürften.2191 Gemäß der Prämisse, dass die Leser der politisch-ideologischen Ausrichtung ihrer Zeitung folgten, gingen sie – so sie sich denn mit Im Westen nichts Neues auseinandersetzten – in der Mehrheit mit negativen Erwartungen an das Buch 2185 2186 2187 2188 2189 2190

Langewiesche: Liberalismus, S. 267. Vgl. u. a. Kolb: Die Weimarer Republik, S. 121–124. Ebd., S. 120. Wette: Militarismus und Pazifismus, S. 130. Vgl. Haverkamp: »Zwei Millionen Tote!«, S. 232. Vgl. die Tabelle zur Auflagenhöhe und den Wählerstimmen im September 1930 in Kap. 7.2.1, S. 182. 2191 Wie bereits angemerkt, mussten die Generalanzeiger wegen des schlechten Quellenzugangs unberücksichtigt bleiben.

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heran. Setzt man nun, rein hypothetisch, die Auflage der jeweiligen Pressesegmente ins Verhältnis zur Stimmenverteilung nach der Septemberwahl von 1930, ergibt sich folgendes Bild: Zehn Millionen Wähler der Remarque nahestehenden Kräfte sahen sich mehr als 20 Millionen seiner Gegner gegenüber – sonstige kleinere Parteien und Nichtwähler ausgenommen. Selbst wenn man die Zustimmungs- und Ablehnungsgrade innerhalb der jeweiligen Milieus quantitativ gewichtet, ergibt sich auf Basis der für diese Untersuchung analysierten Rezeptionszeugnisse noch immer ein negatives Sentiment von 55 bis 63 Prozent über das gesamte politisch-publizistische Spektrum hinweg.2192 Die vom spektakulären Erfolg von Im Westen nichts Neues herrührende – damals wie heute – vielfach geäußerte Vermutung, dass die millionenfache Lektüre mit ebensolcher Zustimmung verbunden und die Rekordauflage des Romans ein Plebiszit der Deutschen für den Frieden gewesen sei, muss demnach widerlegt werden. Weder sagte die Anschaffung von Remarques Buch etwas über die Lesermotivation noch die anschließende Meinungsbildung aus.2193 Ganz gleich, wie die Rezipienten nachher zu dem Roman standen: Die Kenntnis von Im Westen nichts Neues gehörte einfach zum guten Ton und war daher Voraussetzung, um mitreden zu können. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich viele Leser mit der Schilderung von Remarques Fronterlebnis und damit verbunden der kriegskritischen Aussage des Buches identifizierten, blieb doch ein Grundproblem: Sie wurden durch die Lektüre nicht animiert, sich aktiv für den Pazifismus und republikanische Werte einzusetzen – dazu fehlten Visionen und konkrete Handlungsanweisungen seitens des Verfassers. »Hier ist ein Buch, das die Not dieser Epoche hinausschreit; hier ist nicht das Buch, das Wege aus dieser Not zeigt«, beschrieb schon der Zeitgenosse Kurt Kränzlein die fehlende Zukunftsorientierung Remarques.2194 Die bei der Lektüre häufig empfundene Rührung, die Empathie für die Soldaten, wiederauflebende Wut und Trauer über das Grauen des Krieges kanalisierten sich letztlich nicht, so die plausible These Hans-Joachim Bernhards, »in einer gesellschaftlichen Aktivität für den Kampf um demokratische Veränderungen«2195. Womöglich war die emotionale Reaktion auf die Geschichte von 2192 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Schneider bei der Auswertung der Rezeptionszeugnisse unter dem Aspekt der zugeschriebenen »Tendenz« von Im Westen nichts Neues. Vgl. Schneider: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«, S. 368. 2193 Dennoch wird diese vereinfachende Schlussfolgerung immer wieder gezogen. So schreibt beispielsweise der renommierte Weltkriegshistoriker Alan Kramer : »The great success of Remarque’s anti-war novel, All Quiet on the Western Front, […] shows that a very large part of the German public still identified with the rejection of the war which had destroyed a generation.« Kramer : Dynamic of Destruction, S. 319. 2194 Kurt Kränzlein: Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues, in: Osnabrücker Zeitung, 7. 2. 1929 (164. Jg.). 2195 Bernhard: Nachwort, S. 239.

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Paul Bäumer und seinen Kameraden auch nur ein vorübergehender Effekt, der auf die enorme Suggestivkraft von Im Westen nichts Neues zurückzuführen ist, welche neben der dramaturgischen Raffinesse zum Erfolg des Romans beitrug. Während Remarque kein Rezept für die Lösung der gesellschaftlichen Probleme bot und dadurch nicht wenige Leser am Ende ratlos zurückließ2196, versöhnten die konkurrierenden nationalistischen Frontromane mit der negativ erfahrenen Gegenwart. Insbesondere die Literatur des Soldatischen Nationalismus erfüllte mit ihrer »glorifizierenden Retrospektive auf den Krieg« eine kompensatorische Funktion2197 und bot zugleich eine positive Zukunftsperspektive. Deshalb entfaltete sie, mit den Worten Bernd Ulrichs, »in der krisenhaften Schlussphase der Republik mehr Durchschlags- und Überzeugungskraft« als die pazifistischen Kriegsromane, deren Stimme schon bald verstummte.2198 In einem Resümee über den »Fall Remarque« im April 1932 bestätigte denn auch Carl von Ossietzky seinen bereits im Jahr 1930 geäußerten Pessimismus, dass die »ungeheure Verbreitung« von Im Westen nichts Neues dem Nationalismus keinen Abbruch getan habe. Im Grunde sei das Buch »effektlos vorbeigerauscht«. »Es ist als Modesache aufgenommen, so gelesen und wieder weggelegt worden«, so Ossietzky. »Das Buch ist heute schon vergessen.«2199 Es dauerte nur noch ein Jahr, bis es brannte.

8.2. Die USA in den 1920er Jahren: Ein Land zwischen zwei ungewollten Kriegen 8.2.1. Remarque und Amerikas spät entdecktes Erbe des ›Great War‹ Nachdem der ›Great War‹ jahrelang weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden war, holte die amerikanische Gesellschaft mit der Kriegsliteraturdebatte einen Großteil des nach 1918 verdrängten Diskurses nach. Der Übergang zum Tagesgeschehen, die willkommene Zerstreuung des Alltags in den »tosenden« 1920er Jahren – all das schien attraktiver zu sein, als sich mit den weithin negativen Folgen der Intervention in Europa zu beschäftigen. Erst mit dem gebührenden zeitlichen Abstand waren die Menschen bereit, kollektiv zurückzuschauen. Die Frontgeschichte von Erich Maria Remarque war hierfür der

2196 2197 2198 2199

Vgl. Gollbach: Die Wiederkehr des Weltkrieges, S. 245. Vgl. Prümm: Die Literatur des Soldatischen Nationalismus, Bd. 1, S. 74. Ulrich: Die Augenzeugen, S. 244. Carl von Ossietzky : Der Fall Remarque, in: Die Weltbühne, Berlin, Nr. 14 vom 5. 4. 1932 (28. Jg.), S. 548–550.

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ideale Türöffner, denn sie traf inhaltlich und in ihrer Tonalität perfekt den damaligen Zeitgeist. Anhand der Rezeption von All Quiet on the Western Front in der Presse der Vereinigten Staaten ist deutlich geworden, dass die Auseinandersetzung mit dem Erbe des ›Great War‹ vielfältige Dimensionen hatte. In einer Retrospektive zogen die Amerikaner zunächst Bilanz, was die Ursachen und Verantwortlichkeiten für den Kriegsbeitritt einschloss. Dies eröffnete den Blick auf gegenwärtige Probleme, die aus dem Krieg resultierten, besonders jene der ›Lost Generation‹. Und schließlich entbrannte, unterfüttert von der wachsenden Zahl ungeschönter Kriegsliteratur, eine Diskussion um die zukünftige Rolle des Krieges als verlängerter Arm der Politik. Hierbei ging es auch konkret um die Frage, ob die USA noch einmal auf fremdem Boden intervenieren sollten oder nicht. Im Zentrum all dieser Aspekte stand das Fronterlebnis der Soldaten im modernen Krieg, wie es Remarque schonungslos in seinem Bestseller beschrieben hatte – und wie es anschließend von Hollywood eindrucksvoll auf die Leinwand projiziert worden war. Für die Amerikaner war dies ein mindestens so großes Aha-Erlebnis wie für die Deutschen, denn auch im Kultur- und Geschichtskontext der Vereinigten Staaten war das Bild vom Krieg bis zuletzt mit tradierten heroischen und romantischen Vorstellungen einhergegangen. Dazu hatte insbesondere der mythologisch überhöhte Sieg der ›guten‹ Nordstaatler im 50 Jahre zuvor ausgefochtenen Amerikanischen Bürgerkrieg beigetragen. Der weithin rezipierte Frontpoet Alan Seeger, der 1914 als Freiwilliger mit hehren Idealen wie dem Kampf für Freiheit und Demokratie an der Seite Frankreichs gegen die ›bösen‹ Deutschen in den Krieg gezogen war, hatte daran noch angeknüpft. Dagegen wurde jedem Leser und Kinozuschauer, der Remarques Schilderungen nur ein bisschen Glauben schenkte, klar, dass an dem nach mathematischen Prinzipien geführten Ersten Weltkrieg nichts mehr nobel war. Auf den Schlachtfeldern der Westfront, wo Leben und Tod zu reinen Zufallsfaktoren degradiert worden waren, gab es keinen Platz für Helden. Genauso wenig hatten die Erfahrungen von unendlichem Leid und vollkommener Entmenschlichung zu einer positiven Charakterbildung der jungen Männer beigetragen, erkannten die Amerikaner rückblickend. Und so bildete sich – wie die Rezeption in der Presse illustriert hat – schnell die Mehrheitsmeinung heraus, dass der ›Great War‹ genauso sinnlos gewesen sein müsse, wie der Autor von All Quiet on the Western Front ihn beschrieben hatte. Entsprechend betrachteten die meisten US-Bürger bald die gesamte Beteiligung ihres Landes am Krieg als Fehler. Zu dieser schmerzhaften Erkenntnis kam die amerikanische Gesellschaft in einer erstaunlich offenen Debatte ohne Scheuklappen. So wurden bei der Besprechung von Remarques Fronterzählung gerade die schwer verdaulichen Stellen von Tod und Verstümmelung ausführlich in der Presse wiedergegeben.

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Dabei räumten die Rezipienten des Öfteren ein, wie viel Überwindung sie die Lektüre des Buches gekostet habe – gleichermaßen wird es vielen ›normalen‹ Lesern gegangen sein. Trotz alledem wurde der ungefilterte Blick auf das beschriebene Kriegsgrauen als notwendig empfunden, auch wenn er eine vollkommene Desillusionierung nach sich zog. Denn gleichzeitig wirkte die längst überfällige Auseinandersetzung mit diesem unpopulären Abschnitt der eigenen Geschichte für weite Teile der amerikanischen Gesellschaft befreiend. Nur bei sehr wenigen, tendenziell konservativen Rezipienten stieß Remarques vermeintlich defätistische Beschreibung des Krieges auf Ablehnung. Sie kritisierten, der Schriftsteller betone bewusst die negativen Aspekte seines Fronterlebnisses, weil er den Geschehnissen charakterlich nicht gewachsen gewesen sei. Kurzum: Seine Zeilen seien der Katzenjammer eines nicht repräsentativen Künstlertypus. Diese Ansicht blieb jedoch eine klare Minderheitsmeinung. Denn anders als in Deutschland gab es in den Vereinigten Staaten keine öffentlich in Erscheinung tretende gesellschaftliche Gruppierung – nicht einmal die Kirchen –, die bestrebte, das Opfer der Söhne der Nation zu überhöhen. Der Grund: Es fand schlichtweg kein Wettrüsten im Erinnerungskrieg um das ›Erbe der Front‹ statt. Stattdessen wurde All Quiet on the Western Front fast ausnahmslos als pazifistisches, humanistisches und völkerversöhnendes Dokument vereinnahmt. Und gerade weil es in einem unpolitischen Gewand daherkam, stieß es auf eine derart breite Zustimmung. Infolge der negativen Kriegsbilanz entspann sich bald eine Diskussion über Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Teilnahme der USA am ›Great War‹. Bei der Suche nach Schuldigen rückten rasch die sogenannten »Kaufleute des Todes« in den Fokus, sprich: Großindustrielle und Kapitalgeber, die massiv vom Krieg profitiert hätten, wie der Vorwurf lautete. Die Diskussion, die in der Presse auch im Kontext von All Quiet on the Western Front und Remarques Nachfolgeroman The Road Back geführt wurde, nahm viel Raum ein und kulminierte Mitte der 1930er Jahre sogar in einem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses. Dieser nahm insbesondere die Rolle der Rüstungsindustrie vor und während des Ersten Weltkriegs unter die Lupe und resümierte, die Waffenhersteller hätten, gemeinsam mit anderen Industriellen und der Finanzwirtschaft, den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten sehr wohl aktiv befördert – unter anderem, um den wichtigen Handelspartner Großbritannien zu schützen. Zwar hatten die Ergebnisse des vom republikanischen Senator Gerald Nye geleiteten Komitees keine konkreten Auswirkungen2200, sie trugen aber zu einer wach2200 Vgl. Munitions Industry. Report of the Special Committee on Investigation of the Munitions Industry, United States Senate, Pursuant to S. Res. 206 (73rd Congress). A Resolution to Make Certain Investigations Concerning the Manufacture and Sale of Arms and Other War Munitions, 74th Congr., 2nd Sess. Senate, Doc. No. 944, Pt. 3, Serial Set No. 9983, Washington, D.C., 1936.

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senden Skepsis gegen jedwede Form der Intervention außerhalb der Landesgrenzen bei. Die Menschen fühlten sich insofern betrogen, als dass der von der Staatspropaganda als »Kreuzzug für die Demokratie« etikettierte Krieg in Europa offenbar doch nicht mehr war als eine einzige Kapitalvermehrungsmaschinerie der vermögenden Oberschicht. In großem Kontrast dazu stand das Schicksal der Veteranen, das im Zuge der Aufarbeitung der Kriegsfolgen die lange ausgebliebene Aufmerksamkeit erhielt. Aus der Perspektive der »Doughboys« waren sie von der Politik und Wirtschaft verraten, an der Front vom Militärapparat verheizt und in ihrer existenziellen Not nach dem Krieg allein gelassen worden. Doch nun begann man ihre pressierenden Probleme endlich ernst zu nehmen. Einen nicht geringen Anteil daran hatte auch Erich Maria Remarque, der in den Vereinigten Staaten als einer der Hauptsprecher dieser ›Lost Generation‹ anerkannt wurde – mehr noch als die Mitglieder der gleichnamigen Gruppe von angelsächsischen Schriftstellern, deren Kriegsliteratur bei Weitem nicht die Breitenwirkung von All Quiet on the Western Front entfaltete. Angesichts der detailreich beschriebenen Hölle des Krieges, die Hunderttausende entsandte Soldaten in Europa erlebt hatten, verstanden die Amerikaner nun erstmals, woher die Integrationsprobleme zahlreicher Veteranen rührten. Die Remarque-Rezeption in der US-Presse hat verdeutlicht, wie viel Empathie den ehemaligen Kriegsteilnehmern nach all den Jahren der Verdrängung plötzlich entgegenschlug. Ferner bereitete die künstlerische Verarbeitung des Fronterlebnisses den Boden für die Protestbewegung der »Doughboys«, in der sie konkrete Hilfen vom Staat einforderten. Diese erreichte im Sommer 1932 mit wochenlangen Demonstrationen in Washington, D.C., ihren Höhepunkt. In Anbetracht des insgesamt als Fehlschlag gesehenen kriegerischen Engagements in Europa, das mehr Opfer als Ertrag eingebracht hatte, entstand eine tiefgreifende Friedenssehnsucht in der Gesellschaft. Diese äußerte sich in überschwänglichen Hoffnungen bezüglich der pazifistischen Wirkkraft von All Quiet on the Western Front und anderer Antikriegsliteratur. In die Zukunft schauend, bedeutete das auch, dass Krieg als Mittel der Politik aus Sicht der meisten Amerikaner keine Option mehr war. Die folgenden Worte von Nicholas Murray Butler, dem Präsidenten der Columbia University, dürften der Masse des Volkes im Mai 1930 daher aus der Seele gesprochen haben: »It has been demonstrated that war is ineffectual as a means of settling international differences and of advancing international interest. We have renounced war as an instrument of national policy, and every nation has joined in that renunciation.«2201

2201 N.N.: Discuss War and Treaty, in: New York Times, 26. 5. 1930 (80. Jg.), S. 29.

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So treffend das Zitat Butlers die seinerzeit vorherrschende Gefühlslage in den Vereinigten Staaten illustriert – genauso lässt es eine gewisse Naivität in Bezug auf die weltpolitische Lage, vor allem in Europa, erkennen. Aus der eigenen tiefgreifenden Kriegsabneigung sowie der relativen soziopolitischen Stabilität heraus, neigten die Amerikaner dazu, auf andere Nationen zu schließen. Doch mitnichten war die Lossagung von Waffengewalt zur Durchsetzung nationaler Interessen überall so stark ausgeprägt wie in den USA.

8.2.2. Das Spannungsfeld zwischen US-Isolationismus und Internationalismus Wie eingangs dieser Untersuchung erläutert, hat sich die These vom amerikanischen Isolationismus nach dem ›Great War‹ als Legende erwiesen. Weder waren die USA komplett von der Weltpolitik abgekoppelt, noch spielten sie die aktive, teils missionarische Rolle, die sie 1917 eingenommen hatten und seit dem Zweiten Weltkrieg verstärkt wieder ausfüllen sollten. De facto befand sich das Land in einem Spannungsfeld zwischen einem gefühlten Isolationismus, der auf einer starken Interventionsmüdigkeit und dem Wunsch nach Frieden fußte, sowie einer diplomatischen und ökonomischen Teilhabe am internationalen Geschehen. Richtig ist aber auch, dass sich der Fokus der amerikanischen Politik und Gesellschaft nach dem ernüchternden Ergebnis des Ersten Weltkriegs von außen nach innen bewegte, was mancher Kritiker als provinziell empfand. Während sich die Welt weiterhin in heilloser Unordnung befinde, richte man sich in der eigenen Isolation prächtig ein, hieß es vonseiten der Mahner. In der Praxis bedeutete dies, dass die Vereinigten Staaten nach 1918 zu ihrem historischen Grundsatz zurückkehrten, »entangling alliances«, also »verstrickende Bündnisse«, tunlichst zu vermeiden. Sichtbar war diese traditionelle Außenpolitik bereits mit der Absage an einen Beitritt zum Völkerbund geworden, da dieser Schritt multilaterale Verpflichtungen mit sich gebracht hätte. Erneute Diskussionen hierüber verliefen in den Jahren 1929/30 ebenfalls im Sande. Letztlich wollten sich die Vereinigten Staaten auf mehr als den unverbindlichen BriandKellogg-Pakt zur Ächtung des Krieges nicht einlassen.2202 Noch weniger, freilich, stand in der künftigen Außenpolitik ein militärischer Interventionismus zur Debatte, wie ihn das Land nach dem anfänglichen Zögern seines Präsidenten Woodrow Wilson mit der Kriegserklärung an Deutschland dann doch an den Tag gelegt hatte. Zur Verteidigung der eigenen freiheitlichen Werte nochmals Truppen auf außeramerikanisches Territorium zu entsenden, 2202 Vgl. Guggisberg: Geschichte der USA, S. 189.

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etwa um Demokratien gegen totalitäre Bedrohung zu schützen, war in den 1920er Jahren kaum denkbar. Denn die Intervention 1917 hatte mit Blick auf den wachsenden Argwohn und Revanchismus entlang der europäischen Grenzen offensichtlich für keine dauerhafte Befriedung des alten Kontinents gesorgt. Der entsprechende Desillusionierungsprozess begann bereits mit der Enttäuschung über den Versailler Vertrag. Viele Amerikaner warfen den Alliierten vor, Deutschland zu hart bestraft und Europa so eine echte Chance für eine friedliche Koexistenz genommen zu haben. Dabei richtete sich der Unmut vor allem gegen die Politik Frankreichs, während die Sympathien für das Land des einstigen Feindes wuchsen. Das Wissen um den Charakter der modernen Kriegsführung, welchen Remarque und andere Frontliteraten erstmals realistisch beschrieben hatten, stärkte ebenfalls nicht gerade die Bereitschaft, die nächste Generation junger Männer einem neuerlichen Blutbad in Übersee auszusetzen. Im Gegenteil: Die Mehrheit der US-Bürger war ein Jahrzehnt nach dem Waffenstillstand der Meinung, ihr Land sollte sich möglichst aus auswärtigen Angelegenheiten heraushalten. Zudem traten sie für eine weltweite Abrüstung ein. Zuvor hatte die früher starke progressive Bewegung als eine der Stützen des amerikanischen Internationalismus permanent an Einfluss verloren – außenwie innenpolitisch.2203 1917 waren ihre Vertreter, unter anderem durch das linksliberale Sprachrohr The New Republic, noch für den Einsatz von kriegerischen Mitteln eingetreten, um in Europa eine reformorientierte soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung durchzusetzen. Gemäß ihrem Weltbild, das zwischen Gut (amerikanische Demokratie) und Böse (preußischer Obrigkeitsstaat) unterschied, war das Eingreifen als moralischer Kreuzzug zur Verteidigung der Zivilisation legitim. Ein solches Sendungsbewusstsein verschwand angesichts der Realitäten von Versailles rasch.2204 Gleichermaßen war das Lager der konservativ und national eingestellten Interventionisten geschrumpft, unter ihnen Militärs, patriotische Organisationen und Großindustrielle. Sie hatten den Beitritt zum Ersten Weltkrieg insbesondere aus geostrategischen und ökonomischen Interessen befürwortet. Ihr Ziel war es, die außenpolitische Machtsphäre Amerikas zu vergrößern und der heimischen Wirtschaft die Expansion in neue Märkte zu eröffnen, mindestens 2203 Erst in den 1930er Jahren lebte die progressive Bewegung unter dem Banner des New Deal innenpolitisch wieder auf. Ihre Anhänger versuchten unter den Bedingungen der Großen Depression fortzusetzen, was sie vor und während des Ersten Weltkriegs an gesellschaftlichen Reformen begonnen hatten. Vgl. Thompson: Reformers and War, S. 288–290. 2204 Vgl. u. a. Nagler : Pandora’s Box, S. 498f.; Waechter : Versailles und der amerikanische Liberalismus, S. 107, sowie Silvia Daniel: A Brief Time to Discuss America. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Urteil amerikanischer Politiker und Intellektueller, Göttingen 2008, S. 465f.

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aber den Status quo zu bewahren. Jahre später meldeten sich Mitglieder der zu den Interventionisten zählenden Preparedness-Bewegung wieder vorsichtig zu Wort und forderten, die USA müssten wenigstens für den Fall gerüstet sein, dass sich die labile Nachkriegsordnung in Chaos auflöse. Wenngleich es keine derart klaren Lagerbildungen wie vor 1917 gab, war die Stimmungslage Ende der 1920er Jahre insgesamt stärker von isolationistischen als von internationalistischen oder gar interventionistischen Positionen geprägt, wie die Rezeption von All Quiet on the Western Front in der US-Presse bestätigt hat. Im Grunde ging der Isolationismus seinerzeit eine Zweckehe mit dem in der Bevölkerung weitverbreiteten Pazifismus ein. Die Fokussierung auf die eigenen Angelegenheiten führte allerdings dazu, dass die Amerikaner die politische Radikalisierung in Ländern wie Italien, Deutschland oder Japan tendenziell unterschätzten – trotz ausreichend verfügbarer Informationen über die Vorgänge im Ausland. So hatten es im Hinblick auf die Weimarer Republik die wenigsten Beobachter für möglich gehalten, dass Hitler tatsächlich an die Macht kommen könnte. Und als es dann doch so kam, waren die meisten Prognosen zur politischen Halbwertszeit des selbst ernannten ›Führers‹ falsch. Auch als die Gefahr eines neuerlichen Weltkriegs sehenden Auges immer größer wurde, waren die Vereinigten Staaten nicht willens, sich einzumischen. Die negative Erfahrung des ›Great War‹ wirkte so stark nach, dass sich der gesellschaftliche Sinneswandel in der Frage für oder gegen einen Kriegsbeitritt in den Jahren 1939 bis 1941 noch wesentlich langsamer vollzog als zwischen 1914 und 1917.2205

8.2.3. All Quiet on the Western Front und das amerikanische Deutschland-Bild Der zögerliche Umgang der USA mit den neuen deutschen Realitäten nach 1933 bzw. 1939 ist unter anderem auf das in den 1920er Jahren deutlich aufgehellte Deutschland-Bild zurückzuführen. Während der Ära Stresemann war der vermeintlich durch und durch bösartige Deutsche den Amerikanern plötzlich sympathisch geworden. Zunächst lösten sich die propagandistisch erzeugten Hassvorstellungen von den kindermordenden ›Hunnen‹ auf. Einen entscheidenden Anteil daran, dass der seit den Zeiten des preußischen Militarismus negativ konnotierte deutsche Soldat nun ein menschliches Antlitz bekam, hatte die kriegskritische Literatur aus dem ehemaligen Feindesland. Remarque als prominentester Vertreter des Genres beschrieb für die Amerikaner glaubhaft, dass er und seine Kameraden genauso Opfer der Kriegsmaschinerie waren wie die gewöhnlichen Soldaten aller anderen Nationen. Die humanere Perzeption 2205 Vgl. Parrish: Anxious Decades, S. 262, sowie Chambers: The American Debate, S. 247 und 276.

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der einst als Gewaltmenschen gebrandmarkten Deutschen erlaubte es in der Folge, dass in Vergessenheit geratene Images aus der vorimperialistischen Zeit wieder zum Vorschein kamen. Schließlich hatte man seit der großen Einwanderungswelle im frühen 19. Jahrhundert mit den Deutschen die meiste Zeit positive Attribute verbunden: Sie galten als redliches und arbeitsames Volk, das Amerika bereicherte. Zugleich war Deutschland das Land der Dichter und Denker, zu dem man aus kultureller Perspektive heraufschaute. Gewiss half auch die gute politische Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten, das deutsche Ansehen zu verbessern. Die pragmatische Außenpolitik unter Gustav Stresemann, der wie kein anderer die Wandlung Deutschlands von einer ehemals expansiven zu einer nun auf Völkerverständigung setzenden Nation symbolisierte, stieß in den Vereinigten Staaten auf große Zustimmung. Vor diesem Hintergrund unterstützten die Amerikaner auch die Lastenerleichterung der Weimarer Republik, welche Stresemann auf diplomatischem Weg zu erreichen suchte. Sie glaubten, es könne erst dann ein dauerhafter Frieden auf dem alten Kontinent entstehen, wenn Deutschland ein gleichberechtigter Partner der Europäer werden würde – politisch wie wirtschaftlich. Dem 1918 auch durch die eigenen Truppen besiegten Land kam demnach aus US-Sicht eine zentrale Rolle für das Wiederaufblühen Europas zu. Insgesamt waren diese Parallelitäten der politischen Zielsetzungen eine wichtige Triebfeder für die im Nachkriegsjahrzehnt neu erwachte deutsch-amerikanische Freundschaft. In den oftmals euphorischen Pressereaktionen auf All Quiet on the Western Front spiegelten sich die großen Hoffnungen wider, die Amerika in die junge deutsche Demokratie legte. Remarques Buch wurde als perfektes Aushängeschild der Republik gesehen, weil es so überzeugend für die Überwindung alter ideologischer Gräben und die Botschaft »Nie wieder Krieg« stand. Und als dann bei den Dreharbeiten zur Hollywood-Verfilmung des Romans sogar Veteranen ehemals verfeindeter Armeen – darunter etliche Deutsche – gemeinsam für die pazifistische Sache eintraten, erreichte der Optimismus bezüglich der internationalen Aussöhnung seinen Höhepunkt. Es dauerte indes nicht lange, bis sich die Stimmung eintrübte. Zunächst löste der Tod Gustav Stresemanns im Oktober 1929 berechtigte Befürchtungen aus, dass sich die Ära konstruktiver deutscher Außenpolitik nun zu Ende neigen könnte. Ferner drohte durch die Weltwirtschaftskrise eine weitere Schwächung der demokratischen Kräfte. Arbeitslosigkeit und Armut trieben die Menschen in die Arme der Populisten, was sich vor allem die Rechtskräfte zunutze machten. In den USA war man sich dieser prekären Situation durchaus bewusst. Denn wie die Presseberichterstattung zu Remarque veranschaulicht hat, flossen erstaunliche detaillierte Informationen aus Deutschland über den Atlantik. Die immer heftiger werdenden Attacken gegen Im Westen nichts Neues machten sichtbar, dass die Weimarer Republik beileibe nicht so stabil war, wie

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sich das viele Beobachter in den Vereinigten Staaten erhofft hatten. Mit einer Mischung aus Sorge und Unverständnis, insbesondere für das Filmverbot, reagierte die amerikanische Öffentlichkeit auf die Angriffe von rechts. Die großflächige Vereinnahmung Remarques in der US-Presse äußerte sich in einem starken Verteidigungsreflex, wie ihn in Deutschland nur die republikstützenden Sozialdemokraten und Liberalen zeigten. Dabei war selbst für gut informierte amerikanische Journalisten nicht einfach zu beurteilen, ob die extrem politisierte Lage in Berlin stellvertretend für das ganze Land war. Lehnten die Deutschen Im Westen nichts Neues trotz der Rekordauflagen mehrheitlich ab? Wie stark war die Zustimmung in der Bevölkerung für den von den Nationalsozialisten auf der Straße ausgetragenen Kampf gegen den Remarque-Film tatsächlich? Einfache Antworten auf diese Fragen gab es nicht. Wie die Auswertung der deutschen Rezeption von Im Westen nichts Neues ergeben hat, war die Bandbreite an Meinungen sehr groß. Nimmt man die Auflagenzahlen und das Sentiment der einzelnen Pressesegmente in der Weimarer Republik zum Maßstab, kann aber von einer leichten Mehrheit ablehnender Urteile zu Remarques Kriegsschilderung in Deutschland ausgegangen werden.2206 Insgesamt, freilich, war die Radikalisierung der deutschen Bevölkerung nicht mehr zu übersehen. Die Ergebnisse der Reichstagswahl im September 1930 waren hierfür Indiz genug. Und so mehrten sich in den USA die desillusionierten Stimmen in Bezug auf die weitere politische Entwicklung. Jedoch hielt kaum ein Kommentator eine derart negative Dynamik in Deutschland für möglich, wie sie sich bis 1933 entfalten sollte. Aufgrund ihrer eigenen erfolgreichen Demokratiegeschichte neigten die Amerikaner im Allgemeinen dazu, die antidemokratischen Strömungen im Ausland zu unterschätzen. Das galt für ganz Europa, aber für die Weimarer Republik in besonderem Maße. Denn die im amerikanischen Gedächtnis gerade erst wieder aufgefrischten positiven Bilder der Deutschen verschleierten den Blick auf das wahre Ausmaß der destruktiven Kräfte im Land. Nur noch wenige Jahren vergingen, bis der neue ›böse‹ Deutsche dann für jeden sichtbar wurde: Diesmal nicht mit Pickelhaube, sondern im braunen Hemd mit Hakenkreuzarmbinde. Wie nachhaltig der nun folgende verhängnisvolle Abschnitt der Geschichte das Deutschland-Bild bestimmen sollte, ist bekannt. Die Remarque-Rezeption in den Vereinigten Staaten und die wechselhaften Perzeptionen vor und nach den beiden Weltkriegen zeigen aber auch, wie vergleichsweise schnell sich Images von Völkern durch politische Einschnitte und Propaganda verändern können – im Positiven wie im Negativen.

2206 Vgl. Kap. 8.1.4, S. 505f.

9.

Wort, Bild und Wirkung: Vergleichende Thesen zur Remarque-Rezeption

Nach der Analyse Hunderter Zeitungs- und Zeitschriftenartikel über Im Westen nichts Neues bzw. All Quiet on the Western Front in der deutschen und amerikanischen Presse Ende der 1920er / Anfang der 1930er Jahre lässt sich eine Feststellung mit Sicherheit treffen: Entscheidend für die Bewertung von Wort und Bild war weniger der eigentliche Inhalt, sondern der soziopolitische Kontext, aus dem heraus die Rezensenten den Weltkriegsbestseller und die Hollywood-Verfilmung besprachen. Anders lassen sich die großen Unterschiede in der Remarque-Rezeption nicht erklären – sowohl innerhalb der deutschen Presse als auch zwischen beiden Ländern. Weder die verschiedenen Sprachen der Medien Buch (deutsches Originalwerk übersetzt ins Englische) und Film (amerikanisches Originalwerk übersetzt ins Deutsche) noch die inhaltlichen Änderungen und Zensurmaßnahmen hüben wie drüben hatten einen entscheidenden Einfluss auf die Rezeption, denn von den Eingriffen wurde die kriegskritische und völkerversöhnende Aussage der Fronterzählung kaum geschmälert. Und genau sie war es, an der sich die Geister schieden. Jeder Rezipient ging mit seiner eigenen Sichtweise auf den Ersten Weltkrieg und einen möglichen neuen Krieg an Remarques Geschichte heran. Das führte unabhängig vom eigentlichen literarischen und filmischen Wert oftmals zu einer pauschalen Ablehnung oder Zustimmung – in Deutschland noch viel stärker als in den USA. Die heterogene Rezeption in der Weimarer Republik hat dabei illustriert, wie instabil, zersplittert und radikalisiert die deutsche Gesellschaft seinerzeit war. Das Meinungsspektrum reichte von schonungsloser Agitation bis hin zu kritikloser Vereinnahmung des fast schon als Heil bringend gesehenen Stoffes. In starkem Kontrast dazu stand die vergleichsweise homogene amerikanische Rezeption für die relative Stabilität der Vereinigten Staaten. Zwar gab es auch dort Debatten über den ›Great War‹ und dessen Aufarbeitung, aber die tonangebenden Lager im Land – konservative Republikaner und liberale Demokraten – teilten die negative Rückschau auf den Krieg größtenteils. Bei ihren Stellungnahmen traten, wenn überhaupt, nur fein nuancierte Unterschiede zutage, während in Deutschland schablonenartig nach Parteibuch geurteilt wurde.

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Wort, Bild und Wirkung: Vergleichende Thesen zur Remarque-Rezeption

Zudem machte der Casus Remarque deutlich, wie viele im Land des Kriegsverlierers schon wieder mit dem Säbel rasselten, während der Siegernation nach allem stand nur keinem neuen Krieg. Eine Parallelität auf beiden Seiten des Atlantiks war, dass die pazifistische Tragweite von kriegskritischen Büchern und Filmen überschätzt wurde. Die große Mehrheit der amerikanischen Journalisten sowie die liberale und sozialdemokratische Presse in Deutschland äußerte immer wieder die Hoffnung, die Sache des Friedens werde allein schon dadurch gestärkt, je öfter und drastischer die Kriegsschrecken dargestellt würden. Wie man heute weiß, erwies sich diese optimistische Erwartung als falsch – sie wirkt rückblickend fast ein wenig naiv. Denn das mittlerweile für jedermann zugängliche Wissen um die Grausamkeit des Krieges hat auch ein Jahrhundert nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nicht zu einer friedlichen Welt geführt. Im Jahr 2017 zählte das Heidelberger Institut für Konfliktforschung rund um den Globus 20 Kriege und 385 Konflikte, von denen mehr als jeder zweite mit Waffengewalt ausgetragen wurde.2207 Ein Ende dieses Zustands ist trotz aller Aufklärung, auch durch den weiterhin viel gelesenen Antikriegsklassiker Im Westen nichts Neues, nicht in Sicht. Gezeigt hat die Remarque-Rezeption in beiden Ländern ferner, wie global die Öffentlichkeit damals bereits war. Nachrichten von überregionalem Belang fanden in kürzester Zeit internationale Verbreitung. In nur wenigen Minuten konnten Agenturen und Korrespondentenbüros ihre Meldungen per Seekabel über die Ozeane funken. Diese technischen Mittel erlaubten in der journalistischen Begleitung des ›Filmkriegs‹ gegen Im Westen nichts Neues, dass über die abendlichen Kinokrawalle in Berlin immerhin schon in den Morgenausgaben der amerikanischen Zeitungen zu lesen war. Doch noch erstaunlicher als die reine Schnelligkeit war die Informationstiefe, mit der die Geschehnisse im Ausland für die Heimat aufbereitet wurden. Das galt insbesondere für die USPresse und ihre Deutschland-Berichterstattung. Führende Blätter wie die New York Times oder Chicago Daily News beschäftigten meist mehrere Korrespondenten im Land, die dort viele Berufsjahre verbrachten und keinesfalls schlechter vernetzt waren als ihre deutschen Kollegen. Mit stets großer Sachkenntnis transportierten sie ein detailreiches Bild der Weimarer Republik in die Vereinigten Staaten. Man kann also mit Fug und Recht von einer Weltöffentlichkeit sprechen, die Ende der 1920er Jahre – weit vor dem Entstehen der Massenmedien Fernsehen und Internet – längst Realität war. Dies ist im Kontext des Weltkriegs und von Weltliteratur wie Im Westen nichts Neues auch nur konsequent. Gut sichtbar 2207 Heidelberg Institute for International Conflict Research: Conflict Barometer 2017, Heidelberg 2018 [online], verfügbar unter : https://hiik.de/konfliktbarometer/aktuelle-ausga be/ [28. 06. 2018].

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wurde diese Weltöffentlichkeit anhand der transatlantischen Wechselwirkungen in der Remarque-Rezeption. So erfuhren die amerikanischen Zeitungsleser weit vor dem Erscheinen des Romans in den USA von der literarischen Sensation aus Deutschland. Auch über den mit harten Bandagen geführten politischen Schlagabtausch über Remarques Buch in dessen Heimat konnten sie sich informieren. In der Weimarer Republik wiederum betrachteten die RemarqueGegner die geplante Hollywood-Verfilmung mit Argwohn. Und noch vor dem Kinostart im eigenen Land beschäftigten sich das Auswärtige Amt und der Reichstag mit der vermeintlich antideutschen Leinwandproduktion. Die Presse war dabei zum einen Übermittler von Informationen, die in den soziopolitischen Diskurs eingingen, und zum anderen berichtete sie anschließend über ebenjene Debatten. Dass die Medien die öffentliche Meinung nicht nur spiegelten, sondern auch direkt beeinflussten, ist an der Remarque-Rezeption deutlich geworden. Zwischen beiden Ländern gab es jedoch große Unterschiede im Rollenverständnis der Presse. Während amerikanische Publikationen gemäß ihrem pluralistischen Verständnis ihre Funktion als vierte Gewalt in der demokratischen Staatsform verantwortungsvoll ausfüllten, machten sich die Zeitungen in der Weimarer Republik zu »Mitspielern auf der politischen Bühne«, die »bestimmte Absichten hatten und bestimmte Wirkungen erzielen wollten«, wie Wilhelm Klutentreter prägnant formuliert.2208 Dieses Verhalten lässt die verheerende politische Mentalität erahnen, die sich – wie die Gräben der Front 1918 – durch die gesamte deutsche Gesellschaft zog. Es kulminierte im Kulturkampf um die Deutungshoheit über den Ersten Weltkrieg, in dessen Mittelpunkt Im Westen nichts Neues gerückt war. Einmal auf eine ideologische Ebene gehoben, verselbstständigte sich der »Fall Remarque«, indem alle Kommentatoren daran ihren politischen Standpunkt fixierten. Die Rechtspresse tat sich besonders dabei hervor, das Buch mitsamt dessen Verfasser zu desavouieren. Zum anderen nahm sie die Hetze gegen Remarque zum Anlass, ihre eigene Weltanschauung zu vermitteln. Derweil löste sich die einst euphorische Erwartung der liberalen Presse, dass die bloße Verbreitung von Im Westen nichts Neues dem aufkeimenden Nationalismus Einhalt gebieten könne, in Ernüchterung auf. Mit der Ende 1929 einsetzenden »antipazifistischen und pro-militaristischen Trendwende in der öffentlichen Meinung Deutschlands«, so Wolfram Wette, hatte sich der Zeitgeist gegen sie gewendet.2209 Die geistige Aufrüstung nahm die bald folgende militärische nur vorweg.

2208 Wilhelm Klutentreter: Die Zeitung als Geschichtsquelle. Ein Rückblick aus Anlass des 100. Geburtstags von Martin Spahn, in: Publizistik (1975), Nr. 20, S. 804. 2209 Wette: Militarismus und Pazifismus, S. 144f.

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Im Vergleich dazu war die Remarque-Rezeption in den Vereinigten Staaten deutlich weniger antagonistisch und politisiert. Während die Rezensionen in Deutschland stark aufeinander rekurrierten, nahmen die Kommentatoren in der US-Presse kaum Bezug zu anderen Artikeln. Zwar wurde All Quiet on the Western Front auch für amerikanische Journalisten zu einer Art Lackmus-Test, aber dies geschah allein im Sinne einer persönlichen Meinungsäußerung jedes einzelnen Rezensenten. Anders als in Deutschland waren sie keine Sprachrohre von mit Parteien assoziierten Verlagshäusern, die durch die genormte Stimme ihrer Redaktion eine politische Agenda vorantrieben und so zu Akteuren in der Debatte um das ›Erbe der Front‹ wurden. Stattdessen waren divergierende Meinungen innerhalb der Publikationen erlaubt und im Sinne des Pluralismus sogar erwünscht. Zudem beschäftigten sich die Kritiker in Amerika stärker mit dem eigentlichen Inhalt von Remarques Geschichte über das Soldatsein im Ersten Weltkrieg als mit der ideologischen Wirkkraft derselben. Der unaufgeregte Diskurs um Remarque spiegelte letztlich die verhältnismäßig stabile politische Lage in den USA wider. Gleiches galt für die weitverbreitete Kriegsabneigung im Land, das sich nach der Enttäuschung des ›Great War‹ auf keine weitere Mission außerhalb der eigenen Grenzen einlassen wollte. Bezeichnenderweise wirkt die Rezeptionsgeschichte in beiden Ländern bis heute fort. Infolge der Vereinnahmung von All Quiet on the Western Front in den Vereinigten Staaten genoss Remarque in seinem langjährigen Exil deutlich mehr Ruhm als in Deutschland. All seinen Folgewerken wurde in Amerika große Beachtung geschenkt. Viele davon verfilmte Hollywood. Der deutsche Autor war daher bei Weitem nicht nur ein Protagonist der dortigen High Society, sondern wurde »konsistent mit den großen zeitgenössischen amerikanischen Schriftstellern wie Hemingway auf eine Stufe gestellt«, wie Hans Wagener bemerkt. Dagegen galt Remarque in seinem Heimatland nicht selten als »literarischer Leichtgewichtler«.2210 Dies ist auch auf die sehr widersprüchliche, unterm Strich sogar leicht ablehnende Bewertung seines Bestsellers in der Weimarer Republik zurückzuführen. Die Tatsache, dass Remarque zwölf Jahre lang eine Persona non grata in Deutschland war und seine Bücher für das Lesepublikum nicht verfügbar waren, trug ebenso zum Popularitätsschwund des Autors bei, der nach 1945 erst langsam wieder neue Anerkennung gewann.

2210 Wagener: Remarque in Amerika, S. 22 und 30.

10. Schlussbetrachtung und Ausblick »Die Welt liegt wieder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball sprengen kann.« Erich Maria Remarque, Der schwarze Obelisk, 1956

Kriege, das musste Erich Maria Remarque in seinem Leben mehrmals feststellen, sind mit beschriebenem Papier nicht zu verhindern. Das war nach dem Ersten Weltkrieg so, und genauso nach der noch größeren Katastrophe von 1939–1945. Der Gang der Geschichte gibt dem Pessimismus des Schriftstellers, der dem Friedenserhalt durch Aufrüstung nichts abgewinnen konnte, recht. Die Warnung seines Protagonisten Ludwig Bodmer im Roman Der schwarze Obelisk war rückblickend dem Krisenjahr 1923 zugeschrieben und bezog sich auf die Möglichkeit eines kommenden zweiten Weltkriegs. Remarque wiederum mahnte im Veröffentlichungsjahr des Buches 1956 bereits vor dem nächsten, schlimmstenfalls nuklearen Krieg.2211 Immerhin blieb dieser ein kalter. Doch befriedet ist die Welt auch heute keineswegs – allen internationalen pazifistischen Bemühungen zum Trotz.2212 Genau um die zentrale Frage nach Krieg oder Frieden ging es auch zur Jahreswende 1928/29, als Im Westen nichts Neues erschien und bald wie kein anderes künstlerisches Werk seiner Zeit die Gemüter erregte – in Deutschland und weit über die Landesgrenzen hinaus. Nicht einmal ansatzweise dürfte sich der zuvor nahezu unbekannte Schriftsteller Remarque der Brisanz bewusst gewesen sein, die seine gänzlich unheroische Beschreibung des Fronterlebnisses haben sollte. Doch angesichts der ideologischen Schlachten, die in seiner Heimat um das ›Erbe der Front‹ geführt wurden, war es fast zwangsläufig, dass sein Kriegsbuch mit immer weiter steigender Auflage in Deutschland zum Politikum wurde. Denn eine wachsende Zahl von Republikgegnern rüstete geistig bereits für einen neuerlichen, die bestehenden Verhältnisse umkehrenden Krieg und zielte dabei vor allem auf die Jugend ab, der Im Westen nichts Neues einen Tod fürs Vaterland nicht wirklich schmackhaft machte. Und gerade deshalb vereinnahmten die staatstragenden Kräfte das Buch und setzten große Hoffnungen in dessen pazifistische Wirkkraft. So wurde, wie die Analyse der deutschen Presserezeption 2211 Erich Maria Remarque: Der schwarze Obelisk (1956). Geschichte einer verspäteten Jugend. Mit einem Nachwort von Tilman Westphalen, 8. Aufl., Köln 2009, S. 9. 2212 Vgl. zur weltweiten Kriegs- und Konfliktlage Kap. 9, S. 518.

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Schlussbetrachtung und Ausblick

gezeigt hat, die Debatte um das Fronterlebnis in Remarques Roman zu einem Stellvertreterkrieg um die Weimarer Republik. Den Zeitgeist traf die bewegende Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden auch in den USA. Allerdings fand die Rezeption hier nicht in einem hoch politisierten Kontext statt. Stattdessen bestätigte und verstärkte All Quiet on the Western Front als prominentestes Antikriegsbuch den in der amerikanischen Gesellschaft bereits weitverbreiteten Wunsch nach Frieden und Völkerversöhnung noch. Durch den zum Tagesgespräch gewordenen Roman und Film wurden viele Menschen erstmals für das wahre Wesen und ganze Ausmaß des Krieges in Europa sensibilisiert. Remarque leistete demnach einen kleinen Beitrag, dass die lange verdrängte, durchaus schmerzhafte Aufarbeitung des ›Great War‹ in den Vereinigten Staaten mehr als zehn Jahre nach dem Waffenstillstand nachgeholt wurde. Allein hierfür wurden ihm in der Presse Sympathien entgegengebracht. Und je stärker dieser Prozess des Bilanzierens unter negativen Vorzeichen stattfand, umso mehr wurde All Quiet on the Western Front als Argument gegen ein weiteres kriegerisches Engagement jenseits der Landesgrenzen angeführt. Schließlich stand zum Ende des Jahrzehnts für kaum einen Amerikaner das menschliche und finanzielle Opfer im Einklang mit dem zweifelhaften Ertrag der Jahre 1917/18, zumal weder die Hintergründe der Kriegsteilnahme noch die gesellschaftlichen Auswirkungen vollständig ergründet worden waren. Bis in die Mitte der 1930er Jahre beschäftigten sich Bürger und die Politik mit entsprechenden Fragen, etwa den Forderungen der sogenannten »Bonus Army« ehemaliger Kriegsteilnehmer nach Zahlung von ausstehendem Kriegssold (1932) oder dem Untersuchungsausschuss des Kongresses zur Rolle der Rüstungsindustrie (1934–1936). Ihr Forschungsziel, zu ergründen, warum »das Thema und die Zeit der Publikation« von Im Westen nichts Neues »es in sich hatte[n]«, um nochmals auf das eingangs verwendete Weiskopf-Zitat zurückzukommen, hat die vorliegende Arbeit mit der Skizzierung der soziopolitischen Zusammenhänge in Deutschland und den USA erreicht. Anhand der detaillierten Analyse der Rezeption konnte mit Blick auf die Weimarer Republik gezeigt werden, dass die Debatte um Remarque – und vor allem deren Ausgang – ein Paradigma für die Krise von Gesellschaft und Staat und somit das Scheitern der jungen Republik war. Denn die Auswertung der deutschen Pressereaktionen nach politischen Kategorien hat illustriert, dass der Kriegsroman unter dem Strich mehrheitlich auf Ablehnung stieß2213 – auch wenn dies unterschiedliche Gründe gehabt hatte. Lediglich die sozialdemokratische, liberale und links-nationalliberale Presse begegneten Im Westen nichts Neues überwiegend affirmativ ; neutral verhielt sich stellen2213 Zu quantitativen Überlegungen zum Sentiment gegenüber Im Westen nichts Neues vgl. Kap. 8.1.4, S. 505f.

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weise die katholische Publizistik. Größer war die bunte Koalition der RemarqueGegner, die freilich in dieser Form nie kooperierte. Sie setzte sich zusammen aus der kommunistischen Presse, den radikalen Pazifisten der Weltbühne, Teilen der katholischen Presse, den rechts-nationalliberalen Zeitungen sowie Blättern der Deutschnationalen und Nationalsozialisten. Dieser breite Widerspruch gegen ein Buch, das alle damals bestehenden Verkaufsrekorde übertraf, ist zunächst einmal überraschend. Vor dem Hintergrund der immer stärker polarisierten Gesellschaft und dem Niedergang des Liberalismus nach der Ära Stresemann mutet diese Erkenntnis indes nur allzu konsequent an. In einer von wirtschaftlicher und politischer Krise zermürbten Gesellschaft hatte ›sentimentales Pazifistengerede‹ für viele Menschen seinen Reiz verloren. Frieden und Humanität verblassten als Werte gegenüber Ehre, Größe und Revanchedenken. Die Zeit verlangte nach Pathos und Sinnstiftung. Der letztlich errungene Sieg der Rechtskräfte – allen voran der aufstrebenden NS-Bewegung – im Kampf gegen Remarque, der spätestens mit dem Filmverbot im Dezember 1930 klar war, bedeutete, dass sie im Bürgerkrieg der Erinnerungen um den Ersten Weltkrieg die Oberhand gewonnen hatten und damit auch den Kampf gegen die Republik für sich entscheiden sollten. Insofern zeichnet sich die unheilvolle Entwicklung Deutschlands bis 1933 und danach in der Remarque-Rezeption deutlich ab. Der gleichzeitige Blick über den Atlantik wiederum hat demonstriert, wie diametral anders ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs zu demselben Inhalt verlaufen kann, wenn eben auch die soziopolitischen Vorzeichen ganz andere sind. So spricht aus der unaufgeregten Remarque-Rezeption in den Vereinigten Staaten mit ihrer sehr positiven Tonalität2214 das damalige kriegskritische Sentiment im Land. Die als überwiegend desillusionierend empfundenen Nachwirkungen des gar nicht so großartigen ›Great War‹ hatten die Amerikaner von ihrem missionarischen Interventionismus fürs Erste geheilt. Krieg als Mittel der Politik war, wie auch immer wieder im Zusammenhang mit All Quiet on the Western Front untermauert wurde, mehrheitlich nicht mehr akzeptiert. Und so richtete sich der Fokus der US-Gesellschaft verstärkt nach innen, was zuweilen in isolationistische Tendenzen mündete. Dieser durch die Große Depression nochmals verstärkte Zeitgeist hielt nahtlos bis zum Ende der 1930er Jahre an. Sichtbar gemacht hat die Analyse der amerikanischen Presserezeption darüber hinaus, wie schnell sich das Deutschland-Bild in den USA nach dem Ersten Weltkrieg verbessert hatte. Remarque trug mit der Geschichte von Paul Bäumer und seinen Kameraden selbst einen Teil dazu bei. Die Männer wurden als Repräsentanten des ›Unbekannten Soldaten‹ akzeptiert und in Zeitungsrezensio2214 Vgl. zur zahlenmäßigen Tonalität in der US-Presse zu All Quiet on the Western Front Kap. 7.3.2.1, S. 329.

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nen mit viel Empathie bedacht. Gleichzeitig profitierte All Quiet on the Western Front von der völkerversöhnenden Grundstimmung im Amerika sowie den konkreten Fortschritten in der transnationalen Zusammenarbeit während der Ära Stresemann. Dies zeigt auch, dass sich von Propaganda geprägte Feindbilder in kurzer Zeit wieder auflösen können. Unter dem Eindruck der Agitation von rechts und dem verhängten Verbot gegen den in Hollywood produzierten Film verwandelten sich die mit All Quiet on the Western Front verknüpften Hoffnungen bezüglich Deutschlands zukünftigem Weg indes rasch wieder in Sorgen. Dennoch wirkten die positiven Perzeptionen von Deutschland aus den 1920er Jahren insoweit fort, als dass die verhängnisvollen Ereignisse 1933 und 1939 von den wenigsten Amerikanern in dieser Form erwartet worden waren. Beide im Remarque-Diskurs herauskristallisierten Prägungen – die Abneigung zum Interventionismus und die gerade neu erwachten Sympathien für Deutschland – sind Indizien für das spätere Zögern der Vereinigten Staaten, in den nächsten Weltkrieg einzutreten. Es brauchte schon ein einschneidendes Ereignis wie Pearl Harbour im Dezember 1941, damit das Land von seiner Neutralität abrückte. Besiegt wurden dann auch all jene, die Remarques pazifistisches Weltbild zuvor erfolgreich bekämpft hatten. Der im Zuge der Presserezeption von All Quiet on the Western Front immer wieder sichtbar gewordene Verteidigungsreflex gegenüber dem deutschen Schriftsteller setzte sich somit in der Sprache der Waffen fort, nachdem im Geburtsland Remarques Fakten gegen ihn geschaffen worden waren: zunächst das Filmverbot, die Bücherverbrennung und Ausbürgerung, bevor 1943 sogar die Ermordung seiner Schwester durch das NS-Regime folgen sollte. Für die Remarque-Forschung liegt der Wert der vorliegenden Untersuchung insbesondere in der vergleichenden Darstellung der Rezeptionsmechanismen in Deutschland und den USA. So konnte erklärt werden, warum Im Westen nichts Neues von der Presse der Weimarer Republik von Anfang an nicht unter literarischen, sondern politischen Gesichtspunkten beurteilt wurde. Ferner ist deutlich geworden, mit welchen Methoden die jeweiligen Parteiorgane, Parteirichtungszeitungen oder Gesinnungsblätter das Buch bekämpften oder verteidigten und welche ideologischen Orientierungen hier eine Rolle spielten. Dabei hat sich die differenzierte politische Kategorisierung der Publikationen als geeignet erwiesen. Nicht nur die gesamte Parteienlandschaft der Weimarer Republik konnte auf diese Weise – bis auf einige Splittergruppen – abgebildet, sondern auch die in den Rezensionen hervortretende Weltanschauung mit der jeweiligen Parteiprogrammatik abgeglichen werden. Hierfür war es essenziell, neben dezidierten Artikeln über Im Westen nichts Neues weitere Berichte zum Themenkomplex Erster Weltkrieg und Fronterlebnis in Betracht zu ziehen. Quellen und Methodik haben bei der Auswertung der amerikanischen Remarque-Rezeption ebenfalls die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Mittels der

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ganzheitlichen, diskursanalytischen Untersuchung der US-Pressereaktionen konnten die wichtigsten Kriterien ermittelt werden, die Rezensenten bei der Bewertung von All Quiet on the Western Front anlegten – und die schließlich zur nahezu einmütigen Vereinnahmung des Romans führten. Außerdem hat die Aspektualisierung des Diskurses in den Vereinigten Staaten veranschaulicht, dass dieser sich in vielerlei Hinsicht von der deutschen Rezeption unterschied. So spielten etwa der literarische Wert des Buches und die Zensurthematik in den USA eine nicht unbedeutende Rolle. Andererseits konnten Parallelen zwischen beiden Pressediskursen herausgearbeitet werden. Dies betraf beispielsweise Fragen nach dem Wahrheitsgehalt des Textes, der Repräsentativität des Fronterlebnisses und der pazifistischen Wirkkraft von Remarques Erzählung. In diesem Zuge ist es auch gelungen, die wichtigsten amerikanischen Perspektiven auf den ›Great War‹ und dessen Folgen aus den Ergebnissen der Rezeptionsanalyse herauszufiltern. Die historische Kontextualisierung war dafür Voraussetzung und hat den Erkenntniswert der Quellen überhaupt erst ermöglicht. Als Resümee lässt sich festhalten, dass die vorliegende Studie die Rezeptionsforschung zum berühmtesten Antikriegsbuch aller Zeiten in dreierlei Hinsicht vorangebracht hat: Erstens schließt sie Lücken in der geschichtswissenschaftlichen Analyse der deutschen Rezeption von Im Westen nichts Neues, indem sie die Stellungnahmen der Presse auf einer breiten quantitativen Basis und zugleich mit Blick auf die politische Verortung der Zeitungen und Zeitschriften untersucht. Zweitens schafft die Detailanalyse der US-Presseberichterstattung zu All Quiet on the Western Front erstmals eine Gesamtübersicht der Rezeption des Weltkriegsbestsellers und dessen Verfilmung in den Vereinigten Staaten, welche tief in die amerikanischen Mentalitäten der 1920er Jahre blicken lässt. Und drittens zeichnet die Arbeit als erste länderübergreifende Studie ihrer Art die Wechselwirkungen zwischen zwei ›Remarque-Märkten‹ nach. Die Betrachtung der deutsch-amerikanischen Dimension war besonders ertragreich, weil die USA mit dem Hollywood-Film ihren Teil zum deutschen Remarque-Diskurs beitrugen, der sich im ›Filmkrieg‹ final zuspitzte. Ferner ist der Vergleich der Rezeptionsgeschichten in beiden Ländern allein schon deshalb interessant, weil die zeitgenössischen Reaktionen auf Im Westen nichts Neues den weiteren Lebensweg Remarques vorwegnahmen: Die ihm von Anfang an kritisch gegenüber eingestellte Heimat musste der ausgebürgerte Schriftsteller verlassen, um seinen Kopf vor den Nazis zu retten, während die Remarque sehr gewogenen Amerikaner ihm 1939 Exil gewährten und ihn einige Jahre später sogar zu ihrem Staatsangehörigen machten. Darüber hinaus hat die Rezeptionsanalyse einen guten Eindruck von den transatlantischen Beziehungen und Perzeptionen sowie den weltanschaulichen Präferenzen der Deutsch-Amerikaner vermittelt. Somit versteht sich diese Untersuchung nicht nur als Beitrag zur

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Remarque-Forschung und dem Forschungsfeld Kriegserlebnis, sondern auch zur Kulturgeschichte der Vereinigten Staaten sowie der Weimarer Republik. Freilich bleiben eine Reihe von offenen Forschungsfragen und ungelösten Problemen bestehen. So kann die Studie keine hundertprozentige Repräsentativität ihrer Rezeptionsergebnisse gewährleisten, weil sonst die Presselandschaften beider ›Remarque-Märkte‹ lückenlos hätten ausgewertet werden müssen – ein aus praktischer Sicht nahezu unmögliches Unterfangen. Schon der Versuch, jede einzelne Rezension von Im Westen nichts Neues bzw. All Quiet on the Western Front zu beschaffen, wäre angesichts der unvollständigen Archivierung vieler Titel zum Scheitern verurteilt. Des Weiteren mangelt es an erprobten rezeptionsanalytischen Werkzeugen, die quantitative und qualitative inhaltsanalytische Methoden verbinden. Eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Literatur-, Geschichts- und Medienwissenschaften wäre förderlich, um auf diesem Gebiet voranzukommen. Idealerweise würden dabei textimmanente Kriterien, die so wichtigen Präformationen der Distributoren, der individuelle Kontext der Rezensenten – sowohl den Autor als auch das Medium betreffend – sowie die größere historische Dimension, in dem die Rezeption stattfand, in einem integrierten Analyseansatz berücksichtigt. Und selbst dann wäre es schwer, jegliche Interpretationen der Forscher auszuschließen. Eine derart allumfassende wissenschaftliche Methode dürfte angesichts der beschriebenen Komplexität auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen. Ähnlich herausfordernd gestaltet sich die Lage bei der Erforschung des Rezeptionsverhaltens des Publikums. Wie ein Buch oder Film auf Leser und Kinozuschauer wirkt, kann letztlich nur auf individueller Basis ermittelt werden. Von daher müsste schon eine repräsentative Stichprobe bestimmt werden, um herauszufinden, wie ein millionenfach rezipiertes künstlerisches Werk wie Im Westen nichts Neues auf breiter Front aufgenommen wurde – aber auch das wäre retrospektiv nicht mehr möglich. Zwar wurde im Rahmen dieser Arbeit der Versuch unternommen, aufgrund der journalistischen Rezeption und den entsprechenden Auflagenzahlen, individueller Leserkommentare sowie mit Blick auf die soziopolitischen Entwicklungen der Zeit Annahmen über die Publikumsrezeption zu machen; eigene Mutmaßungen können hierbei jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund steht auch eine finale Erklärung aus, warum ausgerechnet dieser und kein anderer Text so viele Menschen derart stark berührte. »Worin genau dieses internationale Identifikationspotential des Textes begründet lag, lässt sich bis in die Gegenwart hinein nicht klären […]«, konstatierte Thomas F. Schneider noch im Jahr 2016.2215

2215 Schneider: »Dieses Buch gehört in die Schulstuben.«, S. 122.

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Gewiss ist, dass Im Westen nichts Neues angesichts weiterhin hoher Verkaufsund Leserzahlen nichts von seiner Faszination verloren hat. Und so präsent der Erste Weltkrieg und die Nachkriegsjahre aufgrund etlicher Jubiläumsereignisse derzeit sind, so zeitgemäß sind viele Ableitungen und Lehren, die man aus dem Umgang mit Remarques Geschichte für die Gegenwart ziehen kann. Thesenartig zusammengefasst, hat die Presserezeption in Deutschland und den Vereinigten Staaten Folgendes gezeigt, dessen man sich heute bewusst sein sollte: – Die vermeintlich allseits bekannte Grausamkeit des Krieges gerät für nachrückende Generationen schnell in Vergessenheit, wenn es Nationalisten gelingt, eine populäre Sinngebung von der Front zu etablieren, in der das Opfer des Einzelnen mythisch überhöht und zu einer vaterländischen – wenn nicht sogar völkischen – Sache gemacht wird. In diesem Zusammenhang lassen literarische und publizistische Gegenstimmen konkurrierender Ideologien, die scheinbar etablierte pazifistische Narrative infrage stellen, häufig nicht lange auf sich warten. Insofern haben künstlerische Mahnungen vor dem Krieg bedauerlicherweise nur begrenzte Wirkkraft, wie der Fall Im Westen nichts Neues deutlich gemacht hat. – Anhand von breit geführten Debatten über Literatur und Kunst lassen sich soziopolitische Strömungen gut erkennen, zumal wenn sich diese in Zensur und Verboten manifestieren. So war auch die gesellschaftliche Radikalisierung in Deutschland, Italien oder Japan in der Zwischenkriegszeit für Außenstehende durchaus sichtbar. Allerdings äußert sich eine solche Erkenntnis nicht zwangsläufig in politischen Handlungen, die der Radikalisierung entgegenwirken – oft, bis es zu spät ist. Amerikas Verhalten in den 1930er Jahren ist hier als exemplarisch zu nennen. – Ein Grund für eine derartige Zögerlichkeit kann sein, dass die eigene – womöglich zu enge – Sichtweise Fehleinschätzungen zu auswärtigen Angelegenheiten hervorruft. So hat das abklingende amerikanische Interesse an Europa und die Fokussierung auf die eigenen Probleme dazu geführt, dass die Vereinigten Staaten nicht sahen (oder sehen wollten), wie schnell der alte Kontinent auf den nächsten Abgrund zusteuerte. Insbesondere die Person Hitlers wurde unterschätzt, aber dies betraf freilich nicht nur die Amerikaner. – Schließlich ist die Remarque-Rezeption ein regelrechtes Lehrstück dafür, wie schnell sich Beziehungen und gegenseitige Bilder von Völkern verändern können – zum Positiven wie zum Negativen. Das deutsch-amerikanische Verhältnis hat diese Wechselhaftigkeit in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in beide Richtungen mehrfach demonstriert. Deshalb sollte gerade in Zeiten wie den heutigen, in denen Populismus und Nationalismus weltweit wieder salonfähig werden, in denen sich Diskurse radikalisieren und die Ratio auf dem Rückzug zu sein scheint, ein Blick in die

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jüngere Vergangenheit Mahnung genug sein, um zu erkennen, dass Frieden eben keine Selbstverständlichkeit ist und bestehende stabile Verhältnisse nicht in Stein gemeißelt sind. Und hier kommen Erich Maria Remarque und seine literarischen Kollegen im Geiste wieder ins Spiel: Auch wenn sich gezeigt hat, dass Worte allein keine Kriege verhindern können, so sind Bildung und Aufklärung doch die vielversprechendste Basis für ein friedliches, solidarisches Miteinander der Menschen. In diesem Sinne ist die noch immer sehr gängige Lektüre von Im Westen nichts Neues mit einem Funken Hoffnung zu sehen. Denn Remarques messerscharfer Satz von 1929, mit dem die vorliegende Arbeit eingeleitet wurde, hat nach wie vor Bestand: »Wer mein Buch gelesen hat und daraus nichts anderes entnimmt als den Wunsch, das darin Geschilderte alles selbst zu erleben, – ja, dem würde auch durch nichts anderes zu helfen sein.«2216

2216 Eggebrecht: Gespräch mit Remarque, S. 2.

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1.

Quellen

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2217 Das Verzeichnis der verwendeten Rezeptionszeugnisse befindet sich nachfolgend in einem separaten Anhang.

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Sonstige Medien

569

Association for Documentary Editing (2017), Bd. 38, S. 1–30 [online], verfügbar unter : http://www.scholarlyediting.org/2017/essays/essay.eilefson.html. E.W. Scripps Company : History [online], verfügbar unter : http://scripps.com/company/ history. Film-Oberprüfstelle, Berlin, Nr. 1254, 11. 12. 1930 (SächsHSta, Ministerium des Innern, Nr. 11339, Bl. 33–45) [online], verfügbar unter : http://www.difarchiv.deutsches-filmin stitut.de/zengut/dt2tb154z.pdf. Gemeinsame Normdatei (GND). Deutsche Nationalbibliothek (DNB) [online], verfügbar unter : https://portal.dnb.de/. Goldman, Karla: Jennie Franklin Purvin, 1873–1958 (Jewish Women’s Archive) [online], verfügbar unter : https://jwa.org/encyclopedia/article/purvin-jennie-franklin. Grabianowski, Ed: The 21 Best-selling Books of All Time, in: HowStuffWorks [online], verfügbar unter: http://entertainment.howstuffworks.com/arts/literature/21-best-sel lers. Hearst Communications: About Hearst [online], verfügbar unter : http://www.hearst. com/about. Heidelberg Institute for International Conflict Research: Conflict Barometer 2017, Heidelberg 2018 [online], verfügbar unter : https://hiik.de/konfliktbarometer/aktuelle-aus gabe/. Johns Hopkins University, Department of German Romance Languages and Literatures: History [online], verfügbar unter : http://grll.jhu.edu/about/history/. Morrissey, Stephanie: Im Westen nichts Neues and Johnny Got His Gun: The Success of the First World War Anti-War Novel through Controversy and Depictions of Pain, Master’s Thesis, University of Tennessee, Knoxville 2011 [online], verfügbar unter : http://trace. tennessee.edu/utk_gradthes/1009. Sauer, Patrick: The Most Loved and Hated Novel About World War I, in: Smithsonian, 16. 6. 2015 [online], verfügbar unter : https://www.smithsonianmag.com/history/mostloved-and-hated-novel-about-world-war-I-180955540. Schneider, Thomas F.: Das Kriegsbild des ›einfachen‹ Soldaten. Erich Maria Remarques ›Im Westen nichts Neues‹ und die westliche kulturelle Tradition, in: Literaturkritik (2008), Nr. 11 [online], verfügbar unter : http://www.literaturkritik.de/public/rezen sion.php?rez_id=12392& ausgabe=200811. Seeger, Alan: Poems (1916), Ann Arbor, Mich. 1996 (University of Michigan Humanities Text Initiative) [online], verfügbar unter : http://name.umdl.umich.edu/BAD7802. 0001.001. Seegers, Armgard: Mit »Front« zum Sommerfest im Schloss Bellevue, in: Hamburger Abendblatt, 27. 6. 2014 [online], verfügbar unter : http://www.abendblatt.de/kulturlive/article129521113/Mit-Front-zum-Sommerfest-im-Schloss-Bellevue.html. Thompson, George: American Military Operations and Casualties in 1917–18 (The University of Kansas Medical Center) [online], verfügbar unter : http://www.kumc.edu/ wwi/index-of-essays/american-military-operations-and-casualties.html. Topping, Seymour: Biography of Joseph Pulitzer, Columbia University, New York (The Pulitzer Prizes) [online] , verfügbar unter : https://www.pulitzer.org/page/biographyjoseph-pulitzer.

570

Literaturverzeichnis

US Census Bureau: 2011–2015 American Community Survey 5-Year Estimates [online], verfügbar unter : https://factfinder.census.gov/faces/tableservices/jsf/pages/product view.xhtml?pid=ACS_15_5YR_B04006& prodType=table. World Literature Today : History [online], verfügbar unter : https://www.worldliterature today.org/history.

3.2.

Zeitungsartikel

N.N.: George Currie, 58, is Dead, in: Brooklyn Eagle, New York, 9. 1. 1953 (113. Jg.), S. 11. N.N.: Leon R. Whipple, Ex-Journalist, 82, in: New York Times, 3. 10. 1964 (114. Jg.), S. 29. N.N.: Mordaunt Hall, Wrote of Screen, in: New York Times, 4. 7. 1973 (123. Jg.), S. 18. N.N.: Karl Schriftgiesser, 84, a Former Journalist, in: New York Times, 20. 8. 1988 (138. Jg.), S. 10 (Obituaries).

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

1.

Deutsche Presse

1.1.

Kommunistische Presse

Die Linkskurve, Berlin – Johannes R. Becher : Unsere Front – Josef Lenz: Warum sind wir keine Pazifisten – Kurt Kersten: Der Jahrtausendputsch der Nihilisten – Hubert Herenius: »Der Krieg« – Anzeige des Internationalen Arbeiter-Verlags für »Der Krieg« – F.M. Reifferscheidt: Die Sonntagsnummern – Ludwig Renn: Über die Voraussetzungen zu meinem Buch »Krieg« – Kurt Kläber: Zwei Jahre – N.N.: Zwei Entwicklungswege – P. Br.: Vater und Kind – Johannes R. Becher : Einen Schritt weiter! – Klaus Neukrantz: »Vaterlandslose Gesellen« – Hermann Duncker : Schriftsteller und Weltanschauung – Anzeige des Agis-Verlags für »Vaterlandslose Gesellen« – Kurt Kläber: Der proletarische Massenroman – Anzeige des Internationalen Arbeiter-Verlags für »Der Krieg« – Klaus Neukrantz: Schriftsteller ziehen in den Krieg – N.N.: Aufstellung der wichtigsten proletarischen Antikriegsliteratur

Auflage: 15.000 Aug. 1929 (1. Jg.), Nr. 1, S. 1–3 Aug. 1929 (1. Jg.), Nr. 1, S. 3–7 Aug. 1929 (1. Jg.), Nr. 1, S. 19–22 Aug. 1929 (1. Jg.), Nr. 1, S. 31–33 Aug. 1929 (1. Jg.), Nr. 1, S. 37 Okt. 1929 (1. Jg.), Nr. 3, S. 14–17 Nov. 1929 (1. Jg.), Nr. 4, S. 5–6 Dez. 1929 (1. Jg.), Nr. 5, S. 3–4 Dez. 1929 (1. Jg.), Nr. 5, S. 26 Dez. 1929 (1. Jg.), Nr. 5, S. 27 Jan. 1930 (2. Jg.), Nr. 1, S. 1–5 Feb. 1930 (2. Jg.), Nr. 2, S. 28–29 Apr. 1930 (2. Jg.), Nr. 4, S. 11–12 Apr. 1930 (2. Jg.), Nr. 4, S. 33 Mai 1930 (2. Jg.), Nr. 5, S. 22–25 Juli 1930 (2. Jg.), Nr. 7 Aug. 1930 (2. Jg.), Nr. 8, S. 1–3 Aug. 1930 (2. Jg.), Nr. 8, S. 19

572

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Die Linkskurve, Berlin – Klaus Neukrantz: Über die Feierabendlyriker

Auflage: 15.000 Dez. 1930 (2. Jg.), Nr. 12, S. 17–22

Die Rote Fahne, Berlin – N.N.: Geheimrüstungen des Imperialismus – N.N.: Chemietrust im Hugenberg-Konzern – Saul Friedländer : Pazifistische Duselei – N.N.: Hitler schließt sich Hugenberg an – N.N.: Gehirngiftgas Massenfabrikation Ullstein – N.N.: Ludwig Renn: »Krieg« – K.N.: Remarque: »Im Westen nichts Neues« – N.N.: Die Tagung des Antifaschistenkongresses – N.N.: Berlins Arbeiter begrüßen die Kämpfer gegen den Faschismus – N.N.: Das Parlament der Kriegsopfer tagt – Kasimir Sublimer : Die Ullstein-Sozialisten – Ludwig Renn: Renn gegen Renn – N.N.: Unser neuer Roman. »Vaterlandslose Gesellen«, von Adam Scharrer – K.A. Wittfogel: Romane über den imperialistischen Krieg. Der Klassenkampf in der Kriegsliteratur – Von 1914 bis 1930.

Auflage: 130.000 12. 12. 1928 (11. Jg.), Nr. 292, S. 13 18. 12. 1928 (11. Jg.), Nr. 297, S. 5 10. 01. 1929 (12. Jg.), Nr. 8, S. 12 19. 01. 1929 (12. Jg.), Nr. 16, S. 2 09. 02. 1929 (12. Jg.), Nr. 34, S. 5

Der Klassenkampf, Berlin – Anna Siemsen: Kriegsbücher

Auflage: n. bek. 1929 (3. Jg.), Nr. 23, S. 725–728

16. 02. 1929 (12. Jg.), Nr. 40, S. 5 03. 03. 1929 (12. Jg.), Nr. 53, S. 16 10. 03. 1929 (12. Jg.), Nr. 59, S. 19 11. 03. 1929 (12. Jg.), Nr. 60, S. 14 29. 03. 1929 (12. Jg.), Nr. 76, S. 4 10. 04. 1929 (12. Jg.), Nr. 87 06. 07. 1929 (12. Jg.), Nr. 117, S. 7 07. 03. 1930 (13. Jg.), Nr. 56, S. 13 26. 07. 1930 (13. Jg.), Nr. 172

Internationale Presse-Korrespondenz, Berlin Auflage: n. bek. – Mersus: Erich Maria Remarque: »Im Westen 30. 04. 1929 (9. Jg.), Nr. 37, S. 899 nichts Neues«

573

Deutsche Presse

1.2.

Sozialdemokratische Presse

Das Reichsbanner, Magdeburg – Eigenanzeige für das Reichsbanner – Fritz Schwahn: Der Weltkrieg in der Dichtung – N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Ueber ein neues Kriegsbuch – Rache an Kantorek. Abdruck aus »Im Westen nichts Neues« – Werbung für »Im Westen nichts Neues« – Ernst Lemmer : Nicht vergessen…! Deutschlands Kriegsgräberfürsorge – eu: Neue Kriegsbücher – rr : Vier von der Infanterie – Karl Bröger : Der Krieg im Buche – W. Laubwald: Dolchstoß-Erinnerungen – ed.: Frontsoldaten – Erwin Frehe: Die Toten Deutschlands. Gedanken zum Totensonntag – Dr. Wolfgang Seifert: Die aussterbenden Kriegsteilnehmer. Kriegserlebnis und politische Willensbildung – Karl Bröger : Das Stahlbad. Bemerkungen zum Kriegsbuch Franz Seldtes – N.N.: Vor Troja nichts Neues

Hamburger Echo – Br.: »Im Westen nichts Neues«. Das Denkmal des unbekannten Soldaten – Zwei Episoden aus dem Roman (»Im Westen nichts Neues«) – Anzeige der Auer-Buchvertriebe für »Im Westen nichts Neues« – Anzeige der Auer-Buchvertriebe für »Im Westen nichts Neues«

Jungsozialistische Blätter, Berlin – D.F.: Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues«

Auflage: 170.000 05. 01. 1929 (6. Jg.), Nr. 1, S. 3 26. 01. 1929 (6. Jg.), Nr. 4, S. 26–27 02. 02. 1929 (6. Jg.), Nr. 5, S. 34 02. 02. 1929 (6. Jg.), Nr. 5, S. 34–35 30. 03. 1929 (6. Jg.), Nr. 13, S. 100 01. 06. 1929 (6. Jg.), Nr. 22, S. 173 08. 06. 1929 (6. Jg.), Nr. 23, S. 182 27. 07. 1929 (6. Jg.), Nr. 30, S. 236 10. 08. 1929 (6. Jg.), Nr. 32, S. 263 14. 09. 1929 (6. Jg.), Nr. 37, S. 306 02. 11. 1929 (6. Jg.), Nr. 44, S. 360 23. 11. 1929 (6. Jg.), Nr. 47, S. 381 23. 11. 1929 (6. Jg.), Nr. 47, S. 385 14. 12. 1929 (6. Jg.), Nr. 50, S. 405–406 28. 12. 1929 (6. Jg.), Nr. 52, S. 424

Auflage: 60.000 08. 02. 1929 (55. Jg.), Nr. 39, S. 2 08. 02. 1929 (55. Jg.), Nr. 39, S. 2–3 23. 02. 1929 (55. Jg.), Nr. 54, S. 12 18. 03. 1929 (55. Jg.), Nr. 77, S. 3

Auflage: n. bek. Feb. 1929 (8. Jg.), Nr. 2, S. 64

574

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Leipziger Volkszeitung – N.N.: Krieg und Frieden – Mörder wider Willen. Abdruck aus »Im Westen nichts Neues« – Mörder am Stammtisch. Abdruck aus »Im Westen nichts Neues« – Kurt Bosse: Das Grab des »Unbekannten Soldaten« – H.W.: Das Kriegserlebnis in der Literatur – Beginn des Abdrucks von »Die Front im Wanken« von Artur Heimburger – Karl Reber : Wieder Kriegsliteratur in Frankreich? – N.N.: Kriegsbriefe gefallener Proleten

Auflage: 40.000 11. 01. 1929 (36. Jg.), Nr. 9, S. 9 25. 01. 1929 (36. Jg.), Nr. 21, S. 15 26. 01. 1929 (36. Jg.), Nr. 22, S. 17 02. 08. 1929 (36. Jg.), Nr. 178, S. 12 06. 08. 1929 (36. Jg.), Nr. 181, S. 6 15. 08. 1929 (36. Jg.), Nr. 189, S. 12 16. 08. 1929 (36. Jg.), Nr. 190, S. 6 16. 08. 1929 (36. Jg.), Nr. 190, S. 6

Sozialistische Bildung, Berlin – Karl Schröder : Erzählende Literatur. Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues

Auflage: n. bek. Feb. 1929 (1. Jg.), Nr. 2

Sozialistische Monatshefte, Berlin – Max Hochdorf: Kriegsbücher

Auflage: n. bek. 21. 05. 1929 (35. Jg.), Bd. 68, S. 455–456

Vorwärts, Berlin – Max Barthel: »Im Westen nichts Neues« – Wie Remarque wurde. Teilabdruck des Artikels »Die Tragödie Remarque« von Martin Stoß in der Tat – Max Hochdorf: Das Kriegsschauspiel »Rivalen« – M.B: Klärung und Verklärung. Bemerkungen zu zwei Kriegsromanen – Ankündigung von Willibald Seemanns »Pioniere im Westen« – Peter Polter : Der harmlose Schützengraben oder : Kriegskitsch in der Schule – Max Mackens: Der Krieg hat schuld – Johannes Schönherr : Im Westen doch Neues

Auflage: 82.000 15. 02. 1929 (46. Jg.), Nr. 78, S. 5 16. 03. 1929 (46. Jg.), Nr. 128, S. 5 21. 03. 1929 (46. Jg.), Nr. 136, S. 3 23. 03. 1929 (46. Jg.), Nr. 140, S. 5 08. 04. 1929 (46. Jg.), Nr. 165, S. 3 19. 07. 1929 (46. Jg.), Nr. 334, S. 5 29. 07. 1929 (46. Jg.), Nr. 350, S. 3 17. 08. 1929 (46. Jg.), Nr. 383, S. 9

575

Deutsche Presse

1.3.

Liberale und linksliberale Presse

8-Uhr-Abendblatt, Berlin – Ernst Toller : »Im Westen nichts Neues« – R.W.: Ernst Johannsen: »Westfront 18«

Auflage: 100.000 23. 02. 1929 (83. Jg.), Nr. 46, S. 18 26. 08. 1929 (83. Jg.), Nr. 198, S. 6

Berliner Illustrirte Zeitung – Carl Zuckmayer : Erich Maria Remarque. »Im Westen nichts Neues« – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (30.000) – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (150.000) – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (300.000) – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (500.000) – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (650.000 – »Der Kampf um Remarque«) – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (750.000)

Auflage: 1,84 Mio. 31. 01. 1929 (38. Jg.), Nr. 5, S. 174–175

Berliner Morgenpost – Bernhard Kellermann: »Im Westen nichts Neues« – Moritz Loeb: »Douaumont« – W. Rdm.: Der Film von Verdun

Auflage: 600.000 31. 01. 1929 (32. Jg.), Nr. 27

Berliner Tageblatt – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (150.000) – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (200.000) – Carl Zuckmayer : Kameraden – N.N.: »Tag des Buches.« Buch und Zeitung – Ernst Lemmer : Kriegsgräber – Peter Suhrkamp: Der unbekannte Soldat. Ein Kriegsbuch, das noch nicht geschrieben ist – N.N.: Diskussion um den Kriegsroman

Auflage: 300.000 24. 02. 1929 (58. Jg.), Nr. 94, S. 24

10. 02. 1929 (38. Jg.), Nr. 6, S. 209 17. 02. 1929 (38. Jg.), Nr. 7, S. 249 10. 03. 1929 (38. Jg.), Nr. 10, S. 377 14. 04. 1929 (38. Jg.), Nr. 15, S. 617 19. 05. 1929 (38. Jg.), Nr. 20, S. 849 07. 07. 1929 (38. Jg.), Nr. 27, S. 1192 15. 09. 1929 (38. Jg.), Nr. 37, S. 1624

07. 05. 1929 (32. Jg.), Nr. 108, S. 3 15. 06. 1929 (32. Jg.), Nr. 142, S. 6

03. 03. 1929 (58. Jg.), Nr. 106, S. 23 16. 03. 1929 (58. Jg.), Nr. 128, S. 7 23. 03. 1929 (58. Jg.), Nr. 140, S. 3 18. 04. 1929 (58. Jg.), Nr. 183, S. 2–3 19. 04. 1929 (58. Jg.), Nr. 184, S. 5 19. 04. 1929 (58. Jg.), Nr. 184, S. 5

576

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Berliner Tageblatt – Gabriele Tergit: Ein Kriegsbuch von 1916. »Schipper an der Front« – An das deutsche Volk! – Hans Sochaczewer : Englischer Kriegsroman – W.B.: Moderne Literatur in der Schule. Eine Aufgabe für die Dichterakademie – Fred Hildenbrandt: Bücher vom Kriege. Eine Übersicht – Ernst Lemmer : Schluss mit den Kriegsbüchern! – Hans Rothe: Kriegsliteratur

B.Z. am Mittag, Berlin – Fedor von Zobeltitz: »Im Westen nichts Neues«. Erich Maria Remarques Kriegsroman – Or.: Von Barbusse bis Remarque – Anzeige der Vossischen Zeitung

Die Weltbühne, Berlin – Axel Eggebrecht: Paul Bäumer, der deutsche Unbekannte Soldat – Carl von Ossietzky : Ludwig Renn – Carl von Ossietzky : Ketzereien zum Büchertag – Karl Hugo Sclutius: Pazifistische Kriegspropaganda – Charles Movie: Der Dichter und der Führer – Arnold Zweig: Kriegsromane – Hermann Kesser : Die deutsche Literatur zeigt ihr Gesicht – Karl Hugo Sclutius: Nochmals: Pazifistische Kriegspropaganda – Kaspar Hauser [Kurt Tucholsky]: Endlich die Wahrheit über Remarque! – Ignaz Wrobel: Juli 14 – A. Habaru: Kriegsbücher in Frankreich – Ignaz Wrobel [Kurt Tucholsky]: Hat Mynona wirklich gelebt? – Carl von Ossietzky : Die Blutlinie – Abel Dorp: Man gewöhnt sich an den Krieg – Carl von Ossietzky : Remarque-Film

Auflage: 300.000 17. 05. 1929 (58. Jg.), Nr. 229, S. 5 28. 06. 1929 (58. Jg.), Nr. 300, S. 1 28. 06. 1929 (58. Jg.), Nr. 300, S. 5–6 18. 10. 1929 (58. Jg.), Nr. 492, S. 5 25. 10. 1929 (58. Jg.), Nr. 504, S. 5 27. 06. 1930 (59. Jg.), Nr. 298, S. 5 04. 07. 1930 (59. Jg.), Nr. 310, S. 5

Auflage: 200.000 31. 01. 1929 (53. Jg.), Nr. 30, S. 5–6 20. 09. 1929 (53. Jg.), Nr. 257, S. 3 23. 09. 1929 (53. Jg.), Nr. 260, S. 8

Auflage: 15.000 05. 02. 1929 (25. Jg.), Nr. 6, S. 211–213 05. 03. 1929 (25. Jg.), Nr. 10, S. 381–383 19. 03. 1929 (25. Jg.), Nr. 12, S. 441–445 02. 04. 1929 (25. Jg.), Nr. 14, S. 517–522 09. 04. 1929 (25. Jg.), Nr. 15, S. 576 16. 04. 1929 (25. Jg.), Nr. 16, S. 597–599 21. 05. 1929 (25. Jg.), Nr. 21, S. 789–793 28. 05. 1929 (25. Jg.), Nr. 22, S. 826–827 11. 06. 1929 (25. Jg.), Nr. 24, S. 902–904 23. 07. 1929 (25. Jg.), Nr. 30, S. 119 01. 10. 1929 (25. Jg.), Nr. 40, S. 530–531 31. 12. 1929 (26. Jg.), Nr. 1, S. 282–287 21. 10. 1930 (26. Jg.), Nr. 43, S. 604 09. 12. 1930 (26. Jg.), Nr. 50, S. 882 16. 12. 1930 (26. Jg.), Nr. 51, S. 890

577

Deutsche Presse

(Fortsetzung) Die Weltbühne, Berlin – Carl von Ossietzky : Der Fall Remarque

Auflage: 15.000 05. 04. 1932 (28. Jg.), Nr. 14, S. 548–550

Frankfurter Zeitung – N.N.: Was war im Krieg? Zu dem Bericht von Erich Maria Remarque – Efraim Kisch: Neue Kriegsbücher – Werner Stephan: Ein Kriegsbuch – Bernard von Brentano: Die fascistische Mobilmachung – Siegfried Kracauer : Im Westen nichts Neues

Auflage: 70.000 29. 01. 1929 (73. Jg.), Nr. 51, S. 1

Vossische Zeitung, Berlin – J.E.: Nichts Neues im Westen – Beginn des Vorabdrucks von »Im Westen nichts Neues« – Das Fronterlebnis in der Dichtung. »Im Westen nichts Neues« (Leserbriefdiskussion) – Lotte Zavrel: Ludwig Renn: »Krieg« – Fr. Emrich: Erzbergers Werk (Leserbrief) – Hans Zehrer : Wo blieb die Kriegsgeneration? Zehn Jahrgänge, die warten – Anton Heußner : Wo blieb die Kriegsgeneration? (Leserbrief) – Karlwalter Hillger: Wir Grenzgeborenen (Leserbrief) – Martin Hobohm: Remarques Zauberstab (Leserbrief) – N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Remarques Buch erscheint – Fritz von Unruh: »Im Westen nichts Neues«. Erich Maria Remarques Roman – Grete Eichel: Schullektüre (Leserbrief) – Ludwig Collm: Die Lesebücher sind schon besser (Leserbrief) – Hartmann Freiherr von Richthofen: Streit um Remarque – Monty Jacobs: Märchen um Remarque – Noch einmal »Märchen um Remarque« (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Das österreichische Heer ohne Remarque

07. 07. 1929 (73. Jg.) 15. 12. 1929 (73. Jg.) 25. 04. 1930 (74. Jg.), S. 1 06. 12. 1930 (74. Jg.)

Auflage: 75.000 08. 11. 1928 (225. Jg.), Nr. A267, S. 1 10. 11. 1928 (225. Jg.), Nr. A269, S. 10 16. 12. 1928 (225. Jg.), Nr. A300 23. 12. 1928 (225. Jg.), Nr. A306, S. 5 30. 12. 1928 (225. Jg.), Nr. A311, S. 11 01. 01. 1929 (226. Jg.), Nr. A1, S. 4 06. 01. 1929 (226. Jg.), Nr. A6 06. 01. 1929 (226. Jg.), Nr. A6 13. 01. 1929 (226. Jg.), Nr. A12 31. 01. 1929 (226. Jg.), Nr. A26 05. 02. 1929 (226. Jg.), Nr. A30 10. 02. 1929 (226. Jg.), Nr. A36, S. 24 17. 02. 1929 (226. Jg.), Nr. A42, S. 23 25. 04. 1929 (226. Jg.), Nr. A99, S. 5 25. 05. 1929 (226. Jg.), Nr. A124, S. 1–2 31. 05. 1929 (226. Jg.), Nr. A129 20. 08. 1929 (226. Jg.), Nr. A198

578

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Vossische Zeitung, Berlin – Sven von Müller : Der entzauberte Krieg – Sven von Müller : Krieg ohne Remarque – Erich Maria Remarque: Menschen nach dem Kriege. Hans Sochaczewers neuer Roman – Richard Stumpf: Wege zum Stahlhelm – N.N.: Sammlung der Kriegsgeneration – N.N.: Der Stahlhelm bleibt verboten – N.N.: Kampf um Molo – Fritz Gaupp: Das Buch der Millionen – Monty Jacobs: Die der Krieg verwandelte – N.N.: Remarques »Tendenz«. Das Geheimnis des Erfolgs – Anzeige des Mozartsaals – Beginn des Vorabdrucks von »Der Weg zurück« – W.K.: Stinkbomben gegen den RemarqueFilm

1.4.

Auflage: 75.000 23. 08. 1929 (226. Jg.), Nr. A201, S. 11 15. 09. 1929 (226. Jg.), Nr. A221 13. 10. 1929 (226. Jg.), Nr. A245, S. 5 13. 10. 1929 (226. Jg.), Nr. A245, S. 3 13. 10. 1929 (226. Jg.), Nr. A245, S. 3 13. 10. 1929 (226. Jg.), Nr. A245, S. 3 27. 10. 1929 (226. Jg.), Nr. A257, S. 2 28. 05. 1930 (227. Jg.), Nr. A123 16. 11. 1930 (227. Jg.), Nr. A274 04. 12. 1930 (227. Jg.), Nr. A289, S. 11 04. 12. 1930 (227. Jg.), Nr. A289, S. 8 07. 12. 1930 (227. Jg.), Nr. A292 07. 12. 1930 (227. Jg.), Nr. A292

Nationalliberale Presse

Berliner Börsen-Courier – Emil Faktor: Im Westen nichts Neues. Ein ungewöhnliches Kriegsbuch

Auflage: 40.000 31. 01. 1929 (62. Jg.), Nr. 51, S. 5

Berliner Börsen-Zeitung – Eberhard Heffe: Im Westen nichts Neues. Eine Zeitbetrachtung – Professor Pflug: Erziehung zur Knochenerweichung – Franz von Lilienthal: Der »Boche« des Herrn Remarque – Timotheus Timm: Der Methusalem der Kasernenhofblüte, oder Remarque: Im Westen nichts Neues

Auflage: 42.500 16. 05. 1929 (74. Jg.), Nr. 223, S. 1–2

Deutsche Allgemeine Zeitung, Berlin – Maxim Ziese: Im Westen nichts Neues.

16. 05. 1929 (74. Jg.), Nr. 223, S. 2 09. 06. 1929 (74. Jg.), Nr. 263, S. 3 09. 06. 1929 (74. Jg.), Nr. 263, S. 3

Auflage: 60.000 06. 02. 1929 (69. Jg.)

579

Deutsche Presse

Hamburger Fremdenblatt – Hermann Lobbes: Im Westen nichts Neues. Der Frontroman von Erich Maria Remarque – Bernard Guillemin: Martin Beradt: »Schipper an der Front« – Hermann Lobbes: Werner Beumelburgs dritter Roman: Die Gruppe Bosemüller

Hannoverscher Kurier – Kurt Voss: Im Westen nichts Neues. Ein neues Buch vom Kriege – N.N.: Remarque – Remark – Axel Eggebrecht: Remarque über sich selbst – Dr. V.: Gelächter um Remarque. Zwei satirische Bücher

Kölnische Zeitung – Dr. Schäfer : Ein neues Kriegsbuch – Anzeige des Propyläen-Verlags für »Im Westen nichts Neues« (275.000) – Dr. H. Henel: Englische Literatur 1928 – N.N.: Remarque im tschechoslowakischen Heer – Philipp Witkop: Romane des Weltkriegs – Wilhelm Scherp: Der Gefangene seines Ruhmes. Remarque spricht über sich selbst

Auflage: 150.000 02. 03. 1929 (101. Jg.), Nr. 61, S. 23 01. 06. 1929 (101. Jg.), Nr. 150, S. 22 12. 07. 1930 (102. Jg.), Nr. 191, S. 22

Auflage: 60.000 03. 02. 1929 (80. Jg.), Nr. 56 18. 04. 1929 (80. Jg.), Nr. 180 15. 06. 1929 (80. Jg.), Nr. 274/275 03. 11. 1929 (80. Jg.)

Auflage: 60.000 03. 03. 1929 (84. Jg.), Nr. 122 17. 03. 1929 (84. Jg.), Nr. 151a 14. 04. 1929 (84. Jg.), Nr. 203a 01. 11. 1929 (84. Jg.), Nr. 599a, S. 1 19. 11. 1929 (84. Jg.), Nr. 635a, S. 4 26. 11. 1929 (84. Jg.), Nr. 648, S. 4

Königsberger Allgemeine Zeitung Auflage: 52.000 – Maxim Ziese: Im Westen nichts Neues. Erich 15. 02. 1929 (54. Jg.), Nr. 77 Maria Remarques Kriegsroman – G. v. Donop: Ein Frontsoldat zu Remarques 04. 05. 1929 (54. Jg.), Nr. 208 Buch »Im Westen nichts Neues«

Mecklenburgische Zeitung, Schwerin – F.B.: Strömungen in Politik und Kultur (Teil 1) – F.B.: Strömungen in Politik und Kultur (Teil 2)

Auflage: 16.500 09. 12. 1929 (172. Jg.), Nr. 287, S. 1 10. 12. 1929 (172. Jg.), Nr. 288, S. 1

580

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Münchner Neueste Nachrichten – N.N.: Empfänge des Reichspräsidenten – F.B.: Wehrmacht und Politik – Fritz Büchner : Im Westen nichts Neues! – Ernst Jünger : Arnolt Bronnens »O.S.« – Ernst Penzoldt: Flut von Kriegsbüchern – Dr. Heinrich Gürschin: Das abenteuerliche Herz. Ernst Jüngers neues Werk

Auflage: 140.000 02. 01. 1929 (82. Jg.), Nr. 1, S. 1 17. 03. 1929 (82. Jg.), Nr. 75, S. 1 04. 04. 1929 (82. Jg.), Nr. 91, S. 1 16. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 161, S. 1 25. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 170, S. 15 25. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 170, S. 15

Münchener Zeitung – Richard Euringer : »Im Westen nichts Neues«

Auflage: 110.000 17. 05. 1929 (38. Jg.), Nr. 33, S. 258–259

1.5.

Katholische Presse

Bayerischer Kurier & Münchner Fremdenblatt – Otto Steinbrinck: Kriegsdichtung und Kriegsheldentum

Auflage: 35.000 25. 11. 1929 (84. Jg.)

Essener Volkszeitung – Paul Oskar Heyse: Die Cocktails des Herrn E. M. Remarque

Auflage: 48.000 03. 05. 1929 (62. Jg.), Nr. 122, S. 7

Germania, Berlin – Dr. Ernst Buhla: Kriegsbücher. Remarque und Renn – Aufruf gegen das Young-Volksbegehren – E.L.: Heldentum und Duldersinn. Zum Allerheiligengeist und Allerseelengedächtnis – Adolf Donders: Heimkehr – H.T.: Gegen den Gesinnungskampf – Heinrich Bachmann: Krisis des Gegenwartsromans. Das Ich und das Erlebnis – Do.: Remarque im Film

Auflage: 40.000 26. 05. 1929 (59. Jg.), Nr. 241, S. 1–2

Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt – N.N.: Streiflichter – N.N.: Streiflichter

15. 10. 1929 (59. Jg.), Nr. 480, S. 1 01. 11. 1929 (59. Jg.), Nr. 510, S. 1 01. 11. 1929 (59. Jg.), Nr. 510, S. 7 10. 11. 1929 (59. Jg.), S. 21 08. 02. 1930 (60. Jg.), S. 7 05. 12. 1930 (60. Jg.), Nr. 566, S. 3

Auflage: 70.000 09. 02. 1929 (70. Jg.), Nr. 102, S. 1 30. 03. 1929 (70. Jg.), Nr. 227, S. 1–2

581

Deutsche Presse

(Fortsetzung) Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt – K. Heinrichs: Zwei Kriegsbücher – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Streiflichter – Die beiden Kriegsbücher (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Streiflichter

Auflage: 70.000 25. 04. 1929 (70. Jg.), Nr. 288 28. 04. 1929 (70. Jg.), Nr. 297, S. 9

Osnabrücker Volkszeitung – N.N.: Remarque – 1,5 Millionen – N.N.: Riesenverdienste von Erich Maria Remarque

Auflage: 21.500 02. 08. 1929 (60. Jg.) 05. 07. 1930 (61. Jg.)

1.6.

05. 05. 1929 (70. Jg.), Nr. 315, S. 8 12. 05. 1929 (70. Jg.), Nr. 330, S. 7 19. 05. 1929 (70. Jg.), Nr. 348, S. 2 26. 05. 1929 (70. Jg.), Nr. 363, S. 5 02. 06. 1929 (70. Jg.), Nr. 379, S. 10 08. 06. 1929 (70. Jg.), Nr. 396, S. 1 09. 06. 1929 (70. Jg.), Nr. 397, S. 9 02. 11. 1929 (70. Jg.), Nr. 772, S. 1

Nationalistische Presse

Berliner Lokal-Anzeiger – N.N.: Das ›desertierte‹ Zentrum – H.W.F.: Flandern … – A. Ka.: Ringen an der Somme. Von Otto Riebicke – K.: Opfergang. Geschichten aus dem großen Kriege von Wilhelm Steinbrecher – N.N.: Deutsches Schicksalsland. Am Volkstrauertag zum Gedenken unserer Gefallenen – h. schr.: Heldengedenken bündischer Jugend – Leitsätze des Stahlhelm – N.N.: Um Trotzkis Einreise – Arthur Riebe: Drei neue Kriegsbücher – H.W.F.: Die Märker im Weltkrieg

Auflage: 250.000 02. 02. 1929 (47. Jg.), Nr. 66, S. 1 03. 02. 1929 (47. Jg.), Nr. 58, S. 22 03. 02. 1929 (47. Jg.), Nr. 58, S. 22 03. 02. 1929 (47. Jg.), Nr. 58, S. 22 24. 02. 1929 (47. Jg.), Nr. 94 26. 02. 1929 (47. Jg.), Nr. 96, S. 6 07. 03. 1929 (47. Jg.), Nr. 113, S. 2 17. 03. 1929 (47. Jg.), Nr. 130, S. 2 09. 06. 1929 (47. Jg.), Nr. 268, S. 35 30. 06. 1929 (47. Jg.), Nr. 304, S. 18

582

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Berliner Lokal-Anzeiger – Re.: Kleine Kriegsbücher-Nachlese – N.N.: Unsere Ketten. Deutschland am Scheideweg – Job Zimmermann: Wo wir einst für Deutschland kämpften. Gedenken am »Toten Mann«

Auflage: 250.000 21. 07. 1929 (47. Jg.), Nr. 340, S. 28 01. 08. 1929 (47. Jg.), Nr. 358, S. 5

Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger – Lothar Mayer-Lindgens: Deutsche Belletristik im Dienste des nationalen Gedankens – Dr. Rudolf Körner : Jünger oder Remarque – N.N.: Nochmals Remarque? – N.N.: Neue Wahrheiten über Remarque. Ein netter Frontsoldat – N.N.: Neue Wahrheiten über Remarque. Remarque und die Aerzte

Auflage: 22.500 17. 02. 1929 (82. Jg.), Nr. 48, S. 26

27. 08. 1929 (47. Jg.), Nr. 402, S. 5

18. 05. 1929 (82. Jg.), Nr. 136, S. 1–2 02. 07. 1929 (82. Jg.), Nr. 180 21. 07. 1929 (82. Jg.), Nr. 199, S. 2 21. 07. 1929 (82. Jg.), Nr. 199, S. 2

Der Tag, Berlin – Hermann Möller : Der Weltkrieg im Spiegel der Gegenwartsliteratur – sy.: Österreichs Heeresminister gegen Pazifistenpropaganda – N.N.: Was die Franzosen über Remarque sagen – N.N.: Anmerkung zum Auszug aus Franz Schauweckers Roman »Aufbruch der Nation« – Rl.: Remarque-Enthüllungen – Hans Zappe: Das Recht an unseren Toten – Ernst Jünger : Tote, die nicht sterben dürfen – Goetz Otto Stoffregen: Die Kriegsgeneration spricht

Auflage: 70.000 09. 04. 1929 (29. Jg.), Nr. 85

Deutsche Zeitung, Berlin – F. Hüls: Walter Flex und – Remarque. Ein Gedenkblatt zum Geburtstag des »Wanderers zwischen zwei Welten« – N.N.: Was Rußland sagt

Auflage: 40.000 07. 07. 1929 (34. Jg.), Nr. 157

20. 08. 1929 (29. Jg.), Nr. 198, S. 2 05. 09. 1929 (29. Jg.), Nr. 213 06. 11. 1929 (29. Jg.), Nr. 265, S. 15 22. 11. 1929 (29. Jg.), Nr. 279 24. 11. 1929 (29. Jg.), Nr. 281, S. 1 24. 11. 1929 (29. Jg.), Nr. 281, S. 27 10. 12. 1929 (29. Jg.), Nr. 294, S. 11

07. 07. 1929 (34. Jg.), Nr. 157

583

Deutsche Presse

Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin – N.N.: Das Märchen vom zweiten deutschen Heere – Glinski: Literarische Randbemerkungen – Glinski: Literarische Bilanz 1928 – Anzeige des Scherl-Verlags für Sport im Bild – N.N.: Die Kampfbereitschaft des Stahlhelm. – Dr. Eugen Schmahl: Der Mißbrauch der Frontgeneration. Remarques Buch: »Im Westen nichts Neues« – N.N.: »Krieg« – G.M.: Kriegstagebuch eines Richtkanoniers – G.F.: Der Young-Plan – Deutschlands Schicksal – Dr. Karl Kroner : Ein Arzt über »Im Westen nichts Neues« – Graf Westarp: Herr, mach’ uns frei – Dr. Otto Bleck: Zehn Jahre Versailles. 1919 – 28. Juni – 1929 – N.N.: Was wir aus Versailles machten – Österfeld: Der Weg nach Versailles – Horst Uhlenbrauk: Literarische Bilanz 1929 – Dr. Jul. Paul Köhler : Literarische Kulturgefahren – Klaus-Ulrich Henning: Film der Erbärmlichkeit

Niederdeutsche Zeitung, Hannover – Sbd.: Wo war Erich Maria Remarque im Kriege? – N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques

Auflage: 60.000 06. 01. 1929 (82. Jg.), Nr. 10, S. 10 02. 02. 1929 (82. Jg.), Nr. 56, S. 2 02. 02. 1929 (82. Jg.), Nr. 57, S. 10–11 08. 03. 1929 (82. Jg.), Nr. 108, S. 3 12. 03. 1929 (82. Jg.), Nr. 112, S. 1 27. 03. 1929 (82. Jg.), Nr. 127, S. 9–10 06. 04. 1929 (82. Jg.), Nr. 137, S. 6 06. 04. 1929 (82. Jg.), Nr. 137, S. 6 09. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 201, S. 1 27. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 219, S. 7 28. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 220, S. 1 28. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 220, S. 2 28. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 220, S. 2–3 28. 06. 1929 (82. Jg.), Nr. 220, S. 3 01. 01. 1930 (83. Jg.), Nr. 1, S. 7–8 31. 10. 1930 (83. Jg.), Nr. 306, S. 2 06. 12. 1930 (83. Jg.)

Auflage: 15.000 07. 07. 1929 (8. Jg.) 21. 09. 1929 (8. Jg.)

584 1.7.

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Nationalsozialistische Presse

Der Angriff, Berlin – N.N.: Deutsche Erlösung erst, wenn die Journaille krepiert – N.N.: Giftmischer entlarven sich selbst – M.W.: Unsere Kriegsliteratur – Dr. G. [Joseph Goebbels]: Franz Schauwecker: »Aufbruch der Nation« – B.: Wer ist Remarque? – N.N.: Proteststurm im Mozartsaal. Gegen die Remarque-Sudelei – H.M.: Deutsche Frontsoldaten gegen perverse Juden. Im Westen etwas Neues – N.N.: Frechheit der Filmjuden. Heraus zum Protest! – N.N.: Heraus zum Massenprotest! – C.K.: Der Riesenaufmarsch des deutschbewußten Berlins im Westen. Die feldgraue Front marschiert – N.N.: Polizei schießt in die Menge – SU. verhindert ein Blutbad – N.N.: Grzesinski geschlagen! Unser der Sieg! – Dr. G. [Joseph Goebbels]: In die Knie gezwungen – Dr. Goebbels: Achtung!

Auflage: n. bek. 02. 09. 1929 (3. Jg.), Nr. 35, S. 1 02. 09. 1929 (3. Jg.), Nr. 35, S. 1 02. 09. 1929 (3. Jg.), Nr. 35, S. 2 24. 11. 1929 (3. Jg.), Nr. 55, S. 5 17. 07. 1930 (4. Jg.), Nr. 57, S. 7 06. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 112, S. 1 06. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 112, S. 3 08. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 113, S. 1 09. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 114, S. 1 09. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 114, S. 3 10. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 115, S. 1 12. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 117, S. 1 12. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 117, S. 1–2 12. 12. 1930 (4. Jg.), Nr. 117, S. 2

Die grünen Hefte der »NS-Briefe«, Berlin Auflage: n. bek. – Franz Schauwecker: Generation des Krieges 1930, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), S. 14–16 – Herbert Blank: Der Riese erwacht 1930, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), S. 19–21 – N.N.: Die Deutsche Revolution 1930, Nr. 3 (Vom Sinn des Krieges: Eine Antwort an Remarque), S 22–24

Völkischer Beobachter, München – Erich Limpach: Neudeutsche Kriegsliteratur – N.N.: »Im Westen nichts Neues« – Eduard A. Mayr : »Im Westen nichts Neues«. Eine Bemerkung (franz. remarque) über das berühmtgemachte Buch von Remarque – N.N.: Das deutsche Volksbegehren und die Börsenpresse – N.N.: Reichskriegertag in München

Auflage: 40.000–80.000 16. 02. 1929 (42. Jg.) 16. 02. 1929 (42. Jg.) 16. 06. 1929 (42. Jg.), Nr. 137, S. 5 20. 07. 1929 (42. Jg.), Nr. 166, S. 1 21. 07. 1929 (42. Jg.), Nr. 167, S. 1–2

585

US-Presse

(Fortsetzung) Völkischer Beobachter, München – Hans Zöberlein: Im Westen nichts Neues. Die Antworten eines Frontsoldaten auf das Buch Remarques – Heinz Erich Platte: Im Westen ganz was Neues – N.N.: Der Egoismus als Leitgedanke Remarques – Wilhelm Weiß: Kulturfatzke contra Frontsoldat – Ernst Jünger : Die Todesangst des Frontkämpfers und ihre Überwindung. Der Sieg der Idee über die Materie – M. v. Killinger : Soldat und Politik – Aufruf zu einer Versammlung mit Julius Streicher im Münchner Bürgerbräukeller – N.N.: Novemberliteraten – N.N.: Remarque als »Erzieher« – N.N.: Remark, der republikanische Hofdichter – Bz.: »Kriegsdichtung und Kriegsheldentum« – Leo: Kriegsschrifttum – N.N.: »Im Westen nichts Neues«. Proteststurm gegen die gemeine Beschimpfung des deutschen Soldaten und unserer Gefallenen – N.N.: Schluß mit dem Remarque-Film – N.N.: Neue Riesenkundgebung gegen die Deserteur-Moral

2.

Auflage: 40.000–80.000 14. 08. 1929 (42. Jg.) 12. 09. 1929 (42. Jg.) 15. 09. 1929 (42. Jg.) 15. 09. 1929 (42. Jg.) 15. 09. 1929 (42. Jg.) 15. 09. 1929 (42. Jg.) 09. 10. 1929 (42. Jg.), Nr. 234, S. 3 20. 10. 1929 (42. Jg.), Nr. 244, S. 2 19. 11. 1929 (42. Jg.), Nr. 268, S. 2 09. 01. 1930 (43. Jg.), Nr. 6, S. 2 19. 01. 1930 (43. Jg.) 26. 03. 1930 (43. Jg.), S. 2 07. 12. 1930 (43. Jg.), S. 1 10. 12. 1930 (43. Jg.) 11. 12. 1930 (43. Jg.)

US-Presse

Adams County Free Press, Corning (Iowa) – N.N.: The Missionary Society of the Federated church met Friday afternoon […]

Auflage: 3.800 16. 01. 1930 (48. Jg.), S. 5

Adirondack News, St. Regis Falls (NY) Auflage: n. bek. – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet 20. 07. 1929 (43. Jg.), S. 3 on the Western Front« im New York American – N.N.: Bible Best Seller Last Year ; 14,000,000 08. 10. 1932 (46. Jg.), S. 4 Sold

586

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Adirondack Record-Elizabethtown Post, Au Sable Forks (NY) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American – Anzeige des Palace Theatre

Auflage: 1.600 25. 07. 1929 (22. Jg.), S. 11 14. 08. 1930 (23. Jg.), S. 5

Albany Evening News, Albany (NY) – N.N.: Here Is Scene From New War Picture – N.N.: »All Quiet On Western Front.« Strand. – N.N.: Photoplays and Players – Anzeige des Strand-Kinos – N.N.: »All Quiet On Western Front.« Strand.

Auflage: 48.000 09. 05. 1930 (9. Jg.), S. 12 15. 09. 1930 (9. Jg.), S. 8 16. 09. 1930 (9. Jg.), S. 8 16. 09. 1930 (9. Jg.), S. 8 17. 09. 1930 (9. Jg.), S. 14

American Mercury, New York (NY) – H. L. Mencken: Im Westen Nichts Neues

Auflage: 62.000 Aug. 1929 (6. Jg.), Bd. 17, Nr. 68, S. 510

Amsterdam Evening Recorder, Amsterdam (NY) – N.N.: Feature Picture Here Next Week – Anzeige des Strand-Kinos – N.N.: War Film Here for Solid Week – Anzeige des Strand-Kinos – N.N.: Huge Outdoor Set Built, Destroyed – Anzeige des Strand-Kinos – N.N.: World War Vets Used in Picture – Anzeige des Strand-Kinos – N.N.: 3,694 Injured Filming Picture – Anzeige des Strand-Kinos – AP: Fascists Use White Mice to Empty Theatre Showing Remarque’s Movie

Auflage: 8.700 19. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 19. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 22. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 22. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 24. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 24. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 25. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 25. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 26. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 26. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6 06. 12. 1930 (98. Jg.), Bd. 52, Nr. 92, S. 1

Atlanta Journal, Atlanta (Georgia) Auflage: 79.300 (135.200 sonntags) – John M. Outler Jr.: »All Quiet on the Western 16. 06. 1929 (47. Jg.), S. 24 (Magazine) Front«

Auburn Citizen, Auburn (NY) – N.N.: War Books and War – N.N.: At the Jefferson – N.N.: All Quiet on the Western Front

Auflage: 6.600 22. 04. 1930 (61. Jg.) 19. 09. 1930 (61. Jg.), S.12 20. 09. 1930 (61. Jg.)

587

US-Presse

(Fortsetzung) Auburn Citizen, Auburn (NY) – N.N.: At the Jefferson – N.N.: At the Jefferson – N.N.: At the Jefferson

Auflage: 6.600 20. 09. 1930 (61. Jg.) 22. 09. 1930 (61. Jg.) 24. 09. 1930 (61. Jg.)

Binghamton Press, Binghamton (NY) – N.N.: Many New Volumes Offered to Public at Your Home Library – UP: Germans Protect Award of Nobel Prize to Author of Fictional War Story – From the Milwaukee Journal: Moses, Heir to Lodge – UP: Remarque Drama Gets Tokio Censor’s Knife – Special Notice to the Public (Anzeige des Binghamton Theatre) – N.N.: Amusements – Binghamton – Anzeige des Binghamton Theatre – N.N.: Amusements – Binghamton – Anzeige des Binghamton Theatre – N.N.: Amusements – Binghamton – N.N.: Amusements – Binghamton – Anzeige des Binghamton Theatre – N.N.: Amusements – Binghamton – Anzeige des Binghamton Theatre – N.N.: Amusements – Binghamton – Anzeige des Binghamton Theatre – N.N.: »All Quiet« Is Quiet In Germany – N.N.: War Picture is Attraction at Goodwill – AP: Germany Fearing Holiday Trouble from the Reds Will Keep Heavy Guard

Auflage: 36.700 22. 08. 1929 (26. Jg.), S. 23 07. 09. 1929 (26. Jg.), S. 10 04. 12. 1929 (26. Jg.), S. 6 14. 01. 1930 (27. Jg.), Bd. 51, Nr. 233, S. 14 03. 07. 1930 (27. Jg.) 16. 07. 1930 (27. Jg.), S. 10 16. 07. 1930 (27. Jg.), S. 10 17. 07. 1930 (27. Jg.), S. 27 17. 07. 1930 (27. Jg.), S. 27 18. 07. 1930 (27. Jg.), S. 21 19. 07. 1930 (27. Jg.), S. 8 19. 07. 1930 (27. Jg.), S. 8 21. 07. 1930 (27. Jg.), S. 10 21. 07. 1930 (27. Jg.), S. 10 22. 07. 1930 (27. Jg.), S. 10 22. 07. 1930 (27. Jg.), S. 10 13. 12. 1930 (27. Jg.), S. 18 18. 12. 1930 (27. Jg.), S. 22 23. 12. 1930 (27. Jg.), Bd. 52, Nr. 216, S. 1

Black River Democrat, Lowville (NY) – N.N.: Pilgrimages to Soldier’s Graves – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American

Auflage: 2.100 25. 07. 1929 (21. Jg.), Bd. 20, Nr. 47, S. 1 25. 07. 1929 (21. Jg.), Bd. 20, Nr. 47, S. 1

Bland Courier, Bland (Missouri) – N.N.: Armistice Day Service

Auflage: 900 06. 11. 1930 (26. Jg.), Bd. 5, Nr. 39, S. 1

588

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Booklist, Chicago (Illinois) – N.N.: Remarque, Erich Maria. All Quiet on the Western Front – N.N.: Renn, Ludwig. War.

Auflage: n. bek. Juli 1929 (25. Jg.), Bd. 25, Nr. 10, S. 396

Bookman, New York (NY) – Anzeige des Book-of-the-Month Club

Auflage: 15.800 Juli 1929 (35. Jg.), Bd. 69, Nr. 5, S. III (The Bookman Advertiser) Juli 1929 (35. Jg.), Bd. 69, Nr. 5, S. 552–553 (A Varied Shelf) Okt. 1929 (35. Jg.), Bd. 70, Nr. 2, S. XXIX (The Bookman Advertiser) Okt. 1929 (35. Jg.), Bd. 70, Nr. 2, S. 224 Nov. 1929 (35. Jg.), Bd. 70, Nr. 3, S. 258–262 Nov. 1929 (35. Jg.), Bd. 70, Nr. 3, S. 333–334 Dez. 1929 (35. Jg.), Bd. 70, Nr. 4, S. IV (The Bookman Advertiser) Dez. 1929 (35. Jg.), Bd. 70, Nr. 4, S. 464 Feb. 1930 (36. Jg.), Bd. 70, Nr. 6, S. 641–656 Feb. 1930 (36. Jg.), Bd. 70, Nr. 6, S. 688 Juni 1930 (36. Jg.), Bd. 71, Nr. 3, S. 352 Aug. 1931 (37. Jg.), Bd. 73, Nr. 6, S. 637 und 639

– Margaret Wallace: All Quiet on the Western Front by Erich Maria Remarque – N.N.: War by Ludwig Renn (Notes on New Books) – F. P. S.: The Bookman’s Monthly Score – Robert Herrick: What is Dirt? – Herschel Brickell: Schlump: The Story of a German Soldier – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« u.a – F. P. S.: The Bookman’s Monthly Score – N.N.: Chronicle and Comment – F. P. S.: The Bookman’s Monthly Score – F. P. S.: The Bookman’s Monthly Score – Margaret Wallace: The Road Back by Erich Maria Remarque

Nov. 1929 (25. Jg.), Bd. 26, Nr. 2, S. 72

Books Abroad, Norman (Oklahoma) – Ernst Feise: Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues

Auflage: n. bek. Okt. 1929 (3. Jg.), Bd. 3, S. 353

Boston Evening Transcript, Boston (Mass.) – Karl Schriftgiesser : All Quiet on the Western Front – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (100.000) u. a. – N.N.: New Books of the Week

Auflage: 34.700 01. 06. 1929 (100. Jg.), S. 2 (Book Section) 01. 06. 1929 (100. Jg.), S. 2 (Book Section)

01. 06. 1929 (100. Jg.), S. 5 (Book Section) – Edwin Francis Edgett: About Books and 15. 06. 1929 (100. Jg.), S. 6 (Book Authors (Radio Talk) Section) – Karl Schriftgiesser : Through the Year in the 04. 01. 1930 (101. Jg.), S. 1–2 (Book Book World Section)

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US-Presse

Boyden Reporter, Boyden (Iowa) – N.N.: The Featherheads – All Quiet on the Western Front

Auflage: 1.000 08. 01. 1931 (40. Jg.), S. 3

Breckenridge American, Breckenridge (Texas) – N.N.: Erich Remarque, Noted Author, blames German Militarists […]

Auflage: 3.800 25. 05. 1931 (12. Jg.), Bd. 11, Nr. 149, S. 5

Bronxville Press, Bronxville (New York) – N.N.: »If This Be Treason –«

Auflage: 3.000 16. 12. 1930 (40. Jg.), Bd. 6, Nr. 98, S. 4

Brooklyn Daily Eagle, New York (NY) – N.N.: Judges Censor »Book of the Month« – George Currie: »Im Westen nichts Neues« – A German Soldier Speaks – Brooklyn’s Best Sellers – George Currie: A First Glance At New Books – George Currie: Passed in Review – C. C.: Seeing and Hearing: War Pictures and War Machines – Production News From Various Studios – George Currie: Passed in Review – N.N.: Church Survey of Long Island Area – Martin Dickstein: The Cinema Circuit – N.N.: German Officers Protest Nobel Prize for Remarque – N.N.: Memory Test Answers – N.N.: MacDonald Visit Is Seen Greatest Event of Year by Dr. Phelps in Academy Talk – George Currie: Passed in Review – Charles Ody : Daring War Story Shocks England by Stark Realism – Brooklyn’s Best Sellers – AP: Kellogg a Candidate For Nobel Peace Prize – N.N.: The Movie Horizon – N.N.: All Quiet on the 16th Tee – Brooklyn’s Best Sellers – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« – Charles Ody : England Goes Gluttonous for Books on War – Jerome Coignard: Very Small Talk

Auflage: 100.000 31. 05. 1929 (89. Jg.), S. 21 02. 06. 1929 (89. Jg.), S. 15 (The Weekly Book Review) 12. 06. 1929 (89. Jg.), S. 12 15. 06. 1929 (89. Jg.), S. 12 03. 07. 1929 (89. Jg.), S. 6 09. 07. 1929 (89. Jg.) 24. 07. 1929 (89. Jg.), S. 10 27. 07. 1929 (89. Jg.), S. 12 13. 08. 1929 (89. Jg.) 07. 09. 1929 (89. Jg.), S. 22 09. 10. 1929 (89. Jg.) 14. 10. 1929 (89. Jg.), S. 11 13. 11. 1929 (89. Jg.), S. 29 18. 11. 1929 (89. Jg.), Nr. 320, S. 1 20. 11. 1929 (89. Jg.) 25. 11. 1929 (89. Jg.) 01. 12. 1929 (89. Jg.), S. E3 04. 12. 1929 (89. Jg.), S. 29 11. 12. 1929 (89. Jg.) 11. 12. 1929 (89. Jg.) 17. 12. 1929 (89. Jg.), S. 21 18. 12. 1929 (89. Jg.), S. 24

590

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Brooklyn Daily Eagle, New York (NY) – Jerome Coignard: Very Small Talk – N.N.: In Duesseldorf University’s popularity contest […] – AP: »All Quiet« Earns Big Sum for German Writer – Martin Dickstein: The Screen – Martin Dickstein: The Cinema Circuit – Martin Dickstein: Slow Motion – N.N.: Screenings – Martin Dickstein: The Screen – Rian James: Reverting to Type – Martin Dickstein: The Cinema Circuit – Martin Dickstein: The Cinema Circuit – Alfred Pieres: Japanese Lords of War Put Ban on Pacifist Film – N.N.: Arliss and Others – Arthur Pollock: Plays and Things – Martin Dickstein: The Cinema Circuit

Auflage: 100.000 22. 01. 1930 (90. Jg.), S. 22 24. 01. 1930 (90. Jg.), S. 20

Campus Chat, Denton (Texas) – N.N.: War

Auflage: 3.200 10. 08. 1929 (14. Jg.), Bd. 13, Nr. 39, S. 2

17. 02. 1930 (90. Jg.), S. 18 17. 04. 1930 (90. Jg.), S. 25 30. 04. 1930 (90. Jg.), S. 21 04. 05. 1930 (90. Jg.), S. E5 04. 05. 1930 (90. Jg.), S. E5 08. 05. 1930 (90. Jg.), S. 23 17. 05. 1930 (90. Jg.), S. 11 17. 07. 1930 (90. Jg.) 11. 09. 1930 (90. Jg.), S. 23 28. 09. 1930 (90. Jg.), S. 20 27. 12. 1930 (90. Jg.), S. 8 11. 01. 1931 (91. Jg.), S. 10 22. 01. 1931 (91. Jg.), S. 21

Casa Grande Dispatch, Casa Grande (Arizona) Auflage: 900 – N.N.: »All Quiet on Western Front« Coming 14. 11. 1930 (19. Jg.), Bd. 21, Nr. 45, S. 1 to Casa Grande Soon – Anzeige des Paramount-Kinos 14. 11. 1930 (19. Jg.), Bd. 21, Nr. 45, S. 3

Catholic World, New York (NY) - C.M.: New Books

Auflage: n. bek. Nov. 1929 (65. Jg.), Bd. 130, Nr. 776, S. 246

Chateaugay Record, Chateaugay (NY) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American – Anzeige des Ideal Theatre – N.N.: Ideal Theatre, July 3–4–5

Auflage: 1.900 19. 07. 1929 (52. Jg.), S. 5 23. 01. 1931 (54. Jg.), S. 5 22. 06. 1934 (57. Jg.), S. 7

591

US-Presse

Chatham Monitor, Chatham (Mass.) – Sumner Bassett: »All Quiet on the Western Front«

Auflage: n. bek. 05. 12. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, Nr. 16, S. 3 (The Caldron)

Chicago Daily Tribune, Chicago (Illinois) – R. H. L.: A Line O’ Type or Two. All Quiet on the Western Front. – Edith Weigle: New War Book Is Story of Any Young Soldier – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (100.000) – Frank Swinnerton: Britain Awaits Best of Novels on World War – Geoffrey Fraser: War Unmasks as Death Amid Dirt in German Books – Best Sellers of The Week – Anzeige des Nelson’s Book Store – Best Sellers of The Week – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (120.000) – Frank Swinnerton: Renn War Book, Shown Fiction, Still Is Good – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (140.000) – N.N.: Asks Nobel Peace Award for Erich Maria Remarque – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (140.000) – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (155.000) – Best Sellers of The Week – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (200.000) – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (230.000) – Best Sellers of the Week – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (240.000) – Maj. Gen. Sir Ernest Swinton: Allied General Gives View of Remarque Book – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (275.000) – Best Sellers of The Week – N.N.: Reichstag Hears an Attack on Filming of Remarque’s Novel

Auflage: 809.200 (1.105.800 sonntags) 23. 05. 1929 (83. Jg.), S. 12 01. 06. 1929 (83. Jg.), S. 13 01. 06. 1929 (83. Jg.), S. 13 08. 06. 1929 (83. Jg.), S. 8 08. 06. 1929 (83. Jg.), S. 9 08. 06. 1929 (83. Jg.), S. 10 08. 06. 1929 (83. Jg.), S. 10 15. 06. 1929 (83. Jg.), S. 8 15. 06. 1929 (83. Jg.), S. 9 22. 06. 1929 (83. Jg.), S. 10 22. 06. 1929 (83. Jg.), S. 11 29. 06. 1929 (83. Jg.), S. 9 29. 06. 1929 (83. Jg.), S. 9 06. 07. 1929 (83. Jg.), S. 9 06. 07. 1929 (83. Jg.), S. 9 27. 07. 1929 (83. Jg.), S. 7 17. 08. 1929 (83. Jg.), S. 9 07. 09. 1929 (83. Jg.), S. 11 14. 09. 1929 (83. Jg.), S. 12 14. 09. 1929 (83. Jg.), S. 12 19. 10. 1929 (83. Jg.), S. 16 26. 10. 1929 (83. Jg.), S. 13 28. 03. 1930 (84. Jg.), S. 31

592

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Chicago Daily Tribune, Chicago (Illinois) – Mae Tinn8e: War’s Call for Youths Echoes in This Talkie – N.N.: German Veterans Protest Movie on Remarque Story – Sigrid Schultz: Germany Bans War Talkie of Remarque Book – N.N.: War and Peace in the Old War

Auflage: 809.200 (1.105.800 sonntags) 22. 05. 1930 (84. Jg.), S. 33 05. 12. 1930 (84. Jg.), S. 25 12. 12. 1930 (84. Jg.), S. 12 24. 12. 1930 (84. Jg.), S. 8

Chicago Daily News, Chicago (Illinois) Auflage: ca. 420.000 – Edgar Ansel Mowrer: Reich Cabinet Bans 11. 12. 1930 (55. Jg.), Nr. 294, S. 2 Showing of »All Quiet« – Edgar Ansel Mowrer: Germany Puts Ban on 30. 12. 1930 (55. Jg.), Nr. 309, S. 2 Another War Talkie

Clinton Courier, Clinton (NY) – N.N.: Library Notes

Auflage: 800 07. 08. 1929 (84. Jg.), S. 5

Coe College Cosmos, Cedar Rapids (Iowa) – Ruth Korteling: Book Review – N.N.: German Group to Read War Novels – N.N.: War Novel for German Class is Received Friday – N.N.: Coedan Club Holds Semester Election

Auflage: 1.200 12. 09. 1929 (40. Jg.), Bd. 40, Nr. 1, S. 2 12. 12. 1929 (40. Jg.), Bd. 40, Nr. 14, S. 1 30. 01. 1930 (41. Jg.), Bd. 40, Nr. 20, S. 1

Columbia Missourian, Columbia (Missouri) – N.N.: City Library Gets 7 Books – N.N.: Fiction Book Popular at Library

Auflage: 3.300 25. 06. 1929 (21. Jg.), S. 2, Nr. 251 16. 10. 1929 (22. Jg.), S. 8, Nr. 38

Commercial Advertiser, Canton (NY) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American – N.N.: Detroit Has Barred »All Quiet on the Western Front« – N.N.: New Books in Canton Free Library – N.N.: »The Big House«

Auflage: 1.600 23. 07. 1929 (57. Jg.), Bd. 57, Nr. 21, S. 8

30. 01. 1930 (41. Jg.), Bd. 40, Nr. 20, S. 3

03. 09. 1929 (57. Jg.), Bd. 57, Nr. 27, S. 3 19. 11. 1929 (57. Jg.), Bd. 57, Nr. 38, S. 5 28. 10. 1930 (58. Jg.), Bd. 58, Nr. 31, S. 4

593

US-Presse

Courier and Freeman, Potsdam (NY) – Anzeige des Rialto-Kinos – Anzeige des Rialto-Potsdam-Kinos – N.N.: At the Rialto – N.N.: Local Man Friend of Wolheim

Auflage: 3.000 08. 10. 1930 (79. Jg.), S. 2 15. 10. 1930 (79. Jg.), S. 2 15. 10. 1930 (79. Jg.), S. 5 08. 04. 1931 (80. Jg.), S. 2

Daily Banner, Greencastle (Indiana) – N.N.: Movies. Voncastle – Anzeige des Voncastle-Kinos

Auflage: 2.500 07. 02. 1931 (39. Jg.), Bd. 39, Nr. 95, S. 3 07. 02. 1931 (39. Jg.), Bd. 39, Nr. 95, S. 4

Daily Illini, Champaign-Urbana (Illinois) – Richard Massock (AP): The Literary Guidepost – N.N.: Is All Quiet? – Richard Massock (AP): The Literary Guidepost

Auflage: 3.900 19. 06. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, Nr. 240, S. 4 16. 07. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, Nr. 262, S. 4 24. 07. 1929 (59. Jg.), Bd. 58, Nr. 269, S. 4

DeKalb Daily Chronicle, DeKalb (Illinois) – Bruce Catton: The Power of a Book

Auflage: 4.600 11. 12. 1929 (40. Jg.) S. 4

Dickinson Union, Williamsport (Penns.) – Leora Williams: Book Reviews

Auflage: n. bek. 01. 06. 1930 (54. Jg.), S. 33

Door County Advocate, Sturgeon Bay (Wisconsin) – N.N.: ›All Quiet on the Western Front‹, Famous War Talkie, to Show Here – Anzeige des Door Theatre

Auflage: 3.300 23. 01. 1931 (70. Jg.), Bd. 69, Nr. 46, S. 1 und 6 23. 01. 1931 (70. Jg.), Bd. 69, Nr. 46, S. 2

Essex County Republican, Keeseville (NY) – Anzeige des Photoplay Theatre

Auflage: n. bek. 14. 11. 1930 (92. Jg.), S. 4

Forest City Courier, Forest City (North Carolina) – Anzeige des Romina Theatre

Auflage: 2.500 14. 08. 1930 (13. Jg.), Bd. 12, Nr. 45, S. 5

594

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Forum, New York (NY) – Anzeige des Book-of-the-Month Club – Anzeige des Book-of-the-Month Club – Donald F. Rose: August Reading. The Lost Generation – Anzeige des Book-of-the-Month Club – Eugene Lohrke: War in Perspective

Auflage: 92.000 Juni 1929 (44. Jg.), Bd. 81, Nr. 6, S. XIII Juli 1929 (44. Jg.), Bd. 82, Nr. 1, S. XIII Aug. 1929 (44. Jg.), Bd. 82, Nr. 2, S. VI–VIII Aug. 1929 (44. Jg.), Bd. 82, Nr. 2, S. XV Dez. 1930 (45. Jg.), Bd. 84, Nr. 6, S. XVIII–XXII

Fulton Patriot, Fulton (NY) – Frank Parker Stockbridge: Today and Tomorrow – Books

Auflage: 5.300 05. 03. 1930 (94. Jg.)

Georgetown Times, Georgetown (South Carolina) – M. L. Parler : Monthly Book News

Auflage: 1.900 30. 08. 1929 (133. Jg.), Bd. 132, Nr. 26, S. 3

Hawarden Independent, Hawarden (Iowa) – A. J. Meyer: To the Library Column – Greetings

Auflage: 1.600 13. 02. 1930 (53. Jg.), S. 2

The Heights, Chestnut Hill/Boston (Mass.) – N.N.: Let’s Write a War-Novel

Auflage: n. bek. 26. 11. 1929 (11. Jg.), Bd. 11, Nr. 9, S. 2

Herald-Mail, Fairport (NY) Auflage: 1.800 – N.N.: At the Eastman 04. 09. 1930 (6. Jg.), S. 7 – N.N.: Bible Best Seller Last Year ; 14,000,000 17. 11. 1932 (8. Jg.), S. 9 Sold

Hyannis Patriot, Hyannis (Mass.) – Anzeige des Elizabeth Theatre

Auflage: n. bek. 10. 07. 1930 (101. Jg.), S. 15

The Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York (NY) – Anzeige der German-American Import Co.

Auflage: 50.000 12. 10. 1929 (8. Jg.), Bd. 16, Nr. 41, S. 2

595

US-Presse

(Fortsetzung) The Illustrated Weekly Deutsch-Amerika, New York (NY) – N.N.: Ein neuer Kriegsroman. Die Einleitung zu: »Sieben vor Verdun« von Joseph Magnus Wehner – Ankündigung des Abdrucks von »Sieben vor Verdun« – N.N.: Völker, Regierungen – und der Krieg – Beginn des Abdrucks von »Sieben vor Verdun« – H. R. H.: Kriegsfilm – Kriegswirklichkeit – – – – – –

Auflage: 50.000 19. 04. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 16, S. 3 19. 04. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 16, S. 29

03. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 18, S. 4 03. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 18, S. 5ff. 03. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 18, S. 14–15 und 29 Axel Eggebrecht: »Im Westen nichts Neues«. 17. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 20, S. 3 Ein Gespräch mit Remarque und 15 N.N.: Das Licht des Friedens 17. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 20, S. 4 H. R. H.: Der Höhepunkt in der Entwicklung 17. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 20, des Films S. 14–15 N.N.: Im Westen nichts Neues. Bilder aus 17. 05. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 20, dem Universal Film S. 16–17 Anzeige des Central Theatre 07. 06. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 23, S. 2 Sechste Fortsetzung des Abdrucks von 14. 06. 1930 (9. Jg.), Bd. 17, Nr. 24, »Sieben vor Verdun« S. 5ff.

Ireton Ledger, Ireton (Iowa) – UP: War Is Viewed as ›Necessary‹

Auflage: n. bek. 13. 02. 1930 (20. Jg.), S. 7

Jewish Criterion, Pittsburgh (Penns.) – N.N.: Plays and Photo Plays – Pitt Theatre – Gustave Schacht: Attacks on the Western Front

Auflage: ca. 21.000 06. 06. 1930 (36. Jg.), Bd. 76, Nr. 4, S. 30 02. 01. 1931 (37. Jg.), Bd. 77, Nr. 8, S. 5

Journal and Republican, Lowville (NY) – N.N.: Martinsburg – N.N.: Lowville Opera House Weekly Programme – Anzeige des Lowville Opera House in Verbindung mit Universal Pictures – N.N.: Lowville Opera House Weekly Program – N.N.: Some Movie Winners

Auflage: 3.600 17. 10. 1929 (70. Jg.), Bd. 70 16. 10. 1930 (71. Jg.), Bd. 71, Nr. 52, S. 1 16. 10. 1930 (71. Jg.), Bd. 71, Nr. 52, S. 12 23. 10. 1930 (71. Jg.), Bd. 72, Nr. 1, S. 1 18. 12. 1930 (71. Jg.), Bd. 72, Nr. 9, S. 12

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Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Journal of Sociology and Social Research, Auflage: 1.200 Los Angeles (CA) – M. J. V.: Social Fiction and Drama Notes. All Sept./Okt. 1929 (14. Jg.), Bd. 14, Nr. 1, Quiet on the Western Front S. 97–98

Kentucky Kernel, Lexington (Kentucky) – N.N.: »All Quiet on the Western Front«

Auflage: 3.000 18. 10. 1929 (16. Jg.), Bd. 10, Nr. 5, S 4.

Lake Placid News, Lake Placid (NY) – Anzeige des Palace Theatre – Anzeige des Palace Theatre – Anzeige der Lake Placid Pharmacy – N.N.: Some Movie Winners

Auflage: 2.000 27. 06. 1930 (26. Jg.) 04. 07. 1930 (26. Jg.), S. 5 15. 08. 1930 (26. Jg.), S. 5 21. 11. 1930 (26. Jg.), S. 4

Life, New York (NY) – Harry Evans: Movies. »All Quiet on the Western Front«

Auflage: 122.400 23. 05. 1930 (48. Jg.), Nr. 95, S. 18

Lipscomb Lime Light and Follett Times, Auflage: n. bek. Follett (Texas) – N.N.: What to See and Hear at the Criterion 25. 09. 1930 (19. Jg.), Bd. 18, Nr. 45, S. 6

Literary Digest, New York (NY) – N.N.: Not All Quiet for Remarque – N.N.: Another German Nobel Prize Man – N.N.: War Without Glamour on the Film – N.N.: Germany Repudiates a Film

The Living Age, New York (NY) – Margaret H. Irish: Views and Reviews. All Quiet on the Western Front – N.N.: Letters and the Arts – Small Quiet on the German Front – Fr8d8ric LefHvre: An Hour with Erich Remarque

Auflage: 1,6 Mio. 12. 10. 1929 (40. Jg.), Bd. 103, Nr. 2, S. 19–20 07. 12. 1929 (40. Jg.), Bd. 103, Nr. 10, S. 21 17. 05. 1930 (41. Jg.), Bd. 105. Nr. 7, S. 19–20 30. 08. 1930 (41. Jg.), S. 17

Auflage: 16.100 01. 07. 1929 (86. Jg.), S. 392–394 01. 08. 1929 (86. Jg.), S. 447–450 01. 12. 1930 (87. Jg.), S. 344–349

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US-Presse

Livonia Gazette, Livonia (NY) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American

Auflage: 1.200 19. 07. 1929 (55. Jg.), S. 4

Los Angeles Times, Los Angeles (CA) – Thomas F. Ford: Grim War Picture Painted

Auflage: 152.800 (226.900 sonntags) 07. 07. 1929 (49. Jg.), Nr. 14, S. 26 (Part III) 07. 07. 1929 (49. Jg.), Nr. 14, S. 26 (Part III)

– N.N.: Four Authors of Recent Books

Macon Chronicle-Herald, Macon (Missouri) – UP: Remarque Drama Gets Tokyo Censor’s Knife – N.N.: Picture You Can’t Forget

Auflage: 4.100 07. 01. 1930 (21. Jg.), Bd. 20, Nr. 147, S. 5

Massena Observer, Massena (NY) – N.N.: Great Film This Week – Anzeige des Strand Theatre

Auflage: 2.600 09. 10. 1930 (40. Jg.), S. 5 09. 10. 1930 (40. Jg.), S. 8

Millbrook Mirror and Round Table, Millbrook (NY) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American – Harry Harkness Flagler : Library Notes

Auflage: 500

07. 10. 1930 (21. Jg.), Bd. 21, Nr. 68, S. 6

26. 07. 1929 (24. Jg.), S. 3 04. 11. 1932 (27. Jg.), S. 6

Minneapolis Labor Review, Minneapolis (Minnesota) – N.N.: All Quiet on the Western Front – Chester M. Wright: Fifth Week Finds Danville Strikers Strong And Confident – N.N.: »All Quiet on the Western Front«

Auflage: n. bek.

The Nation, New York (NY) – Joseph Wood Krutch: Glorious War

Auflage: 37.100 10. 07. 1929 (65. Jg.), Bd. 129, Nr. 3340, S. 43 14. 08. 1929 (65. Jg.), Bd. 129, Nr. 3345, S. 173

– James B. Wharton: More from the Front

29. 08. 1930 (23. Jg.), Nr. 216X, S. 8 07. 11. 1930 (23. Jg.), Nr. 226X, S. 3 14. 11. 1930 (23. Jg.), Nr. 227X, S. 6

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Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) The Nation, New York (NY) – Alexander Bakshy : Films. Stark War

Auflage: 37.100 11. 06. 1930 (66. Jg.), Bd. 130, Nr. 3388, S. 688

New Masses, New York (NY) – John Dos Passos: Books – A Farewell to Arms – Harry Alan Potamkin: Movies – The Film and the War

Auflage: 25.000 Dez. 1929 (4. Jg.), Bd. 5, Nr. 7, S. 16

The New Republic, New York (NY) – T. S. Matthews: Bad News – N.N.: Nice Nellie, the Censor – Alfred R. McIntyre: The Censorship of »All Quiet« – T. S. Matthews: Notes on Novel

Juni 1930 (5. Jg.), Bd. 6, Nr. 1, S. 14

Auflage: 25.000 19. 06. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, Nr. 759, S. 130 26. 06. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, Nr. 760, S. 141 24. 07. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, Nr. 764, S. 264 14. 08. 1929 (16. Jg.), Bd. 59, Nr. 767, S. 349

Newtown Register, Elmhurst (NY) – N.N.: Editorials – Picture banned

Auflage: 2.500 20. 12. 1930 (58. Jg.), S. 4

The New Yorker, New York (NY) – A. W. S.: Recent Books. Man, Woman and War – N.N.: All Quiet on the Western Front (Book Reviews)

Auflage: 99.000 08. 06. 1929 (5. Jg.), Bd. 5, Nr. 16, S. 103–105 08. 06. 1929 (5. Jg.), Bd. 5, Nr. 16, S. 107

New Yorker Herold, New York (NY) – N.N.: Kultur der Zeit – Fritz Eckardt: Zur Arithmetik des Bucherfolgs – N.N.: Kultur der Zeit – N.N.: Remarques »Im Westen nichts Neues« – Anzeige der Buchhandlung Abraham & Straus – N.N.: »Journey’s End.«

Auflage: 37.500 05. 02. 1929 (49. Jg.), Nr. 113, S. 2 16. 04. 1929 (49. Jg.), Nr. 172, S. 2 30. 04. 1929 (49. Jg.), Nr. 184, S. 2 01. 06. 1929 (49. Jg.), Nr. 211, S. 2 21. 06. 1929 (49. Jg.), Nr. 228, S. 6 14. 04. 1930 (50. Jg.), Nr. 170, S. 2

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US-Presse

(Fortsetzung) New Yorker Herold, New York (NY) – N.N.: Morgen Premiere des großen Remarque-Films – Dr. R.: All Quiet on the Western Front – Anzeige des Central Theatre – N.N.: Sturm in Berlin über Nichts Neues im Westen – AP: 27 verhaftet in Radau gegen RemarqueFilm – AP: Polizei verbietet in Berlin Ansammlungen. – AP: »Im Westen nichts Neues« wurde im Reich verboten.

New Yorker Staats-Zeitung, New York (NY) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – A.: Theater und Kino. »Journey’s End.« – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Der kühle Beobachter – N.N.: Der kühle Beobachter – N.N.: Zehn Jahre Versailles. – N.N.: Der kühle Beobachter – Anzeige des New York American zum Abdruck von »All Quiet on the Western Front« – Anzeige der Deutschen Buchhandlung – Anzeige der Buchhandlung Abraham & Straus – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Wahre Völkerversöhnung. – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – AP: Nobelpreis angeblich für Thomas Mann – AP: »Fall des Sergeanten Grischa« vor Gericht

Auflage: 37.500 28. 04. 1930 (50. Jg.), Nr. 182, S. 9 30. 04. 1930 (50. Jg.), Nr. 184, S. 5 02. 05. 1930 (50. Jg.), Nr. 186, S. 11 06. 12. 1930 (51. Jg.), Nr. 62, S. 1 09. 12. 1930 (51. Jg.), Nr. 64, S. 3 10. 12. 1930 (51. Jg.), Nr. 65, S. 1 und 3 11. 12. 1930 (51. Jg.), Nr. 66, S. 1

Auflage: ca. 50.000 (106.000 sonntags) 15. 02. 1929 (95. Jg.), Nr. 40, S. 7 25. 03. 1929 (95. Jg.), Nr. 72, S. 7 27. 03. 1929 (95. Jg.), Nr. 74, S. 7 10. 04. 1929 (95. Jg.), Nr. 86, S. 7 11. 04. 1929 (95. Jg.), Nr. 87, S. 7 18. 04. 1929 (95. Jg.), Nr. 93, S. 7 08. 05. 1929 (95. Jg.), Nr. 110, S. 7 25. 06. 1929 (95. Jg.), Nr. 151, S. 5 28. 06. 1929 (95. Jg.), Nr. 154, S. 6 09. 07. 1929 (95. Jg.), Nr. 163, S. 5 13. 07. 1929 (95. Jg.), Nr. 167, S. 8 23. 07. 1929 (95. Jg.), Nr. 175, S. 3 25. 07. 1929 (95. Jg.), Nr. 177, S. 3 07. 08. 1929 (95. Jg.), Nr. 188, S. 5 08. 08. 1929 (95. Jg.), Nr. 189, S. 6 12. 09. 1929 (95. Jg.), Nr. 219, S. 7 18. 09. 1929 (95. Jg.), Nr. 224, S. 1 19. 09. 1929 (95. Jg.), Nr. 225, S. 1

600

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) New Yorker Staats-Zeitung, New York (NY) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Stresemanns Wirken in Kondolenzen voll gewürdigt – N.N.: Ein Apostel des Friedens. – N.N.: Kampf um Volksbegehren im Reich heftig entbrannt – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Hugenberg und sein »Freiheitsgesetz« erledigt – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Jacob Grammer : Feldbriefe deutscher Studenten – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Hugenbergs gepfefferte Niederlage – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Louis Wolheim in »All Quiet on the Western Front« (Central Theater). – Hoffmann: Lewis Milestone, Regisseur des Films »All Quiet on the Western Front« (Central Theater). – Anzeige des Central Theater – Anzeige des Central Theater

Auflage: ca. 50.000 (106.000 sonntags) 23. 09. 1929 (95. Jg.), Nr. 228, S. 7 04. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 238, S. 1–2 04. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 238, S. 4 08. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 241, S. 1 08. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 241, S. 7 16. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 248, S. 7 21. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 252, S. 7 22. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 253, S. 7 23. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 254, S. 7 30. 10. 1929 (95. Jg.), Nr. 260, S. 7 05. 11. 1929 (95. Jg.), Nr. 265, S. 7 08. 11. 1929 (95. Jg.), Nr. 268, S. 7 13. 11. 1929 (95. Jg.), Nr. 272, S. 7 14. 11. 1929 (95. Jg.), Nr. 273, S. 7 05. 12. 1929 (95. Jg.), Nr. 291, S. 6 11. 12. 1929 (95. Jg.), Nr. 296, S. 7 19. 12. 1929 (95. Jg.), Nr. 303, S. 6 23. 12. 1929 (95. Jg.), Nr. 306, S. 7 26. 12. 1929 (95. Jg.), Nr. 309, S. 6 30. 12. 1929 (95. Jg.), Nr. 312, S. 7 24. 05. 1930 (96. Jg.), Nr. 124, S. 5 28. 05. 1930 (96. Jg.), Nr. 127, S. 7 04. 06. 1930 (96. Jg.), Nr. 133, S. 12 13. 06. 1930 (96. Jg.), Nr. 141, S. 12

601

US-Presse

(Fortsetzung) New Yorker Staats-Zeitung, New York (NY) – Clayton Brown: Lewis Ayres in »All Quiet on the Western Front« (Central Theater). – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Carlos Compte: George Summerville in »All Quiet on the Western Front« (Central Theater). – Clayton Brown: Lewis Ayres in »All Quiet on the Western Front[«] (Central Theater). – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – N.N.: Das Resultat der Reichstagswahlen. – AP: Nationalsozialisten legen im Reichstag ihr Programm dar. – N.N.: Theater und Kino. »Im Westen nichts Neues«. – AP: Neuer Radau gegen den RemarqueFilm. – AP: Filmtheater gegen amerikan. Film. – AP: Unentwegte im Reichstag erneut niedergestimmt. – AP: Ringelnattern in Berlin Kino losgelassen – N.N.: Carl Lämmle verteidigt Im Westen nichts Neues – AP: Remarque-Film in Deutschland verboten. – N.N.: »Im Westen nichts Neues.« – N.N.: »Im Westen nichts Neues« vor Preußens Landtag. – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – Wie und was die Leser denken in der Plauderecke (Leserbriefdiskussion) – AP: Gegner Remarque-Films greifen zu Brandstiftung. – AP: Nacht d. Schreckens in der Donaustadt

Auflage: ca. 50.000 (106.000 sonntags) 17. 06. 1930 (96. Jg.), Nr. 144, S. 7 23. 06. 1930 (96. Jg.), Nr. 149, S. 7 05. 07. 1930 (96. Jg.), Nr. 160, S. 7 18. 07. 1930 (96. Jg.), Nr. 171, S. 7 21. 07. 1930 (96. Jg.), Nr. 173, S. 7 22. 07. 1930 (96. Jg.), Nr. 174, S. 5 16. 08. 1930 (96. Jg.), Nr. 196, S. 5 16. 09. 1930 (96. Jg.), Nr. 222, S. 6 18. 10. 1930 (96. Jg.), Nr. 250, S. 1 20. 11. 1930 (96. Jg.), Nr. 278, S. 5 09. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 294, S. 1–2 10. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 295, S. 1 und 12 11. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 296, S. 1–2 11. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 296, S. 1–2 11. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 296, S. 2 12. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 297, S. 1–2 15. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 299, S. 6 20. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 304, S. 2 20. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 304, S. 7 22. 12. 1930 (96. Jg.), Nr. 305, S. 7 02. 01. 1931 (97. Jg.), Nr. 2, S. 7 03. 01. 1931 (97. Jg.), Nr. 3, S. 5 06. 01. 1931 (97. Jg.), Nr. 5, S. 1 08. 01. 1931 (97. Jg.), Nr. 7, S. 1

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Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

New York Evening Post, New York (NY) – Frederic F. Van de Water : War, It Seems, Has Gay Moments – Frederic F. Van de Water: Probably One of Our Bad Days – Frederic F. Van de Water : Some Novels Have Plot and Some Have Not

New York Herald Tribune, New York (NY) – Frank Ernest Hill: Destroyed by the War – Herschel Brickell: War at the Front

New York Times, New York (NY) – N.N.: Books and Authors – N.N.: Volume Expurgated on Book Club Advice – N.N.: Feared Boston Ban on German War Book – Louis Kronenberger : War’s Horror as a German Private Saw It – Herbert W. Horwill: News and Views of Literary London – N.N.: Books and Authors – Anzeige des Book-of-the-Month Club – N.N.: »Anti-War« Novels – N.N.: Books and Authors – N.N.: Seizes English Copies of Remarque’s Book – N.N.: Books and Authors – N.N.: Assails Exclusion of Remarque’s Book – N.N.: Explains Ban on War Book – Louis Kronenberger : Four Years in the Front Line Trenches – N.N.: Laemmle Will Film Remarque War Book – N.N.: Confers on New War Film – Anzeige des Momart Theatre – N.N.: Bars Book From Soldiers – Gabriele Reuter : Germany Still Ponders on the War – N.N.: Books and Authors – N.N.: Gleanings from Many Points

Auflage: 102.600 08. 06. 1929 (129. Jg.), S. 4S 20. 07. 1929 (129. Jg.), S. 6M 17. 08. 1929 (129. Jg.), S. 6M

Auflage: 310.000 (405.000 sonntags) 02. 06. 1929 (95. Jg.), Nr. 30149, S. 1–2 (XI) 21. 07. 1929 (95. Jg.), Nr. 30198, S. 4 (XI)

Auflage: 419.000 (697.000 sonntags) 26. 05. 1929 (79. Jg.), S. BR8 31. 05. 1929 (79. Jg.), S. 21 01. 06. 1929 (79. Jg.), S. 19 02. 06. 1929 (79. Jg.), S. BR5 02. 06. 1929 (79. Jg.), S. BR6 30. 06. 1929 (79. Jg.), S. BR7 30. 06. 1929 (79. Jg.), S. BR13 07. 07. 1929 (79. Jg.), S. 46 07. 07. 1929 (79. Jg.), S. 57 14. 07. 1929 (79. Jg.), S. 19 21. 07. 1929 (79. Jg.), S. 59 29. 07. 1929 (79. Jg.), S. 26 01. 08. 1929 (79. Jg.), S. 49 04. 08. 1929 (79. Jg.), S. BR4 06. 08. 1929 (79. Jg.), S. 8 11. 08. 1929 (79. Jg.), S. 8 11. 08. 1929 (79. Jg.), S. X2 18. 08. 1929 (79. Jg.), S. 6 18. 08. 1929 (79. Jg.), S. 7 und 20 01. 09. 1929 (79. Jg.), S. BR7 01. 09. 1929 (79. Jg.), S. X4

603

US-Presse

(Fortsetzung) New York Times, New York (NY) – N.N.: German War Lords Fight Plan To Give Remarque Nobel Prize – AP: Mann Mentioned for Prize – N.N.: Mr. Laemmle Returns – Anzeige von Little, Brown & Company für »Zero Hour« – Wythe Williams: Remarque to Flee Spotlight’s Glare – Cyrus Brooks: Herr Remarque Shuns Literary Honors – John Kieran: Sports of the Times – N.N.: Today’s Programs in City’s Churches. Services for War Deads – Louis Kronenberger : Two More War Stories From Germany – N.N.: Czechs Ban »All Quiet.« – N.N.: A Critic of War Literature – Thurston Macauley : Britain Awaiting A New War Book – Emil Ludwig: Germans Listen to the Common Soldier – Programm der Madison Avenue Methodist Episcopal Church – N.N.: Remarque Tops List in German College – N.N.: »All Quiet« as a Film – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« (325.000) – N.N.: Remarque in Switzerland – N.N.: »Not on the Screen« and Some Other Works of Fiction – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« – N.N.: Weimar Bans »All Quiet.« – Paul Gulick: »All Quiet« as a Screen Drama – N.N.: Asks New Reich Film Law – N.N.: Notes of the Screen – N.N.: Through German Eyes – Mordaunt Hall: The Screen. Young Germany in the War – Anzeige des Central-Kinos – Mordaunt Hall: A Strong War Picture – N.N.: Seniors at Rutgers Rank Studies First – N.N.: Studies Put First in Princeton Vote

Auflage: 419.000 (697.000 sonntags) 07. 09. 1929 (79. Jg.), S. 1 18. 09. 1929 (79. Jg.), S. 16 06. 10. 1929 (79. Jg.), S. X8 13. 10. 1929 (79. Jg.), S. BR12 13. 10. 1929 (79. Jg.), S. E8 22. 10. 1929 (79. Jg.), S. SM4 (New York Times Magazine) 24. 10. 1929 (79. Jg.), S. 40 10. 11. 1929 (79. Jg.), S. N3 17. 11. 1929 (79. Jg.), S. BR5 17. 11. 1929 (79. Jg.), S. E3 22. 12. 1929 (79. Jg.), S. E4 29. 12. 1929 (79. Jg.), S. E1 29. 12. 1929 (79. Jg.), S. SM3 (New York Times Magazine) 11. 01. 1930 (80. Jg.), S. 23 18. 01. 1930 (80. Jg.), S. 5 19. 01. 1930 (80. Jg.), S. 109 19. 01. 1930 (80. Jg.), S. 73 26. 01. 1930 (80. Jg.), S. 5 02. 02. 1930 (80. Jg.), S. 63 02. 02. 1930 (80. Jg.), S. 66 09. 02. 1930 (80. Jg.), S. 15 02. 03. 1930 (80. Jg.), S. 124 28. 03. 1930 (80. Jg.), S. 3 27. 04. 1930 (80. Jg.), S. 120 27. 04. 1930 (80. Jg.), S. 122 30. 04. 1930 (80. Jg.), S. 34 01. 05. 1930 (80. Jg.), S. 37 04. 05. 1930 (80. Jg.), S. X5 19. 05. 1930 (80. Jg.), S. 27 21. 05. 1930 (80. Jg.), S. 24

604

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) New York Times, New York (NY) – N.N.: Girl Students Like War Stories Best – N.N.: »Winds of Gobi« and Other Recent Works of Fiction – N.N.: Discuss War and Treaty – Ernest Marshall: Film Notes of London – Margaret Wallace: Sarajevo to Versailles in a War Anthology – Elmer Adler : An Artilleryman’s Account of the War’s Last Phase – N.N.: Attacks War Books – N.N.: ›All Quiet‹ Arouses German Critic’s Ire – N.N.: See New War Spirit in German Film Row – AP: Fascist Youth Riot as ›All Quiet‹ Runs – Guido Enderis: Nazi Renew Fight on Remarque Film – Guido Enderis: ›All Quiet‹ Banned by Reich Censors – N.N.: German War Film Still Grave Issue – N.N.: Commercialism and Censorship – Kendall Foss: Pendulum Swings to Right in Reich – C. Hooper Trask: German Cinema Notes – N.N.: Disapproves Film Ban – N.N.: Reich Admits »All Quiet.« – N.N.: Bolsheviki Attack Remarque

Niagara Falls Gazette, Niagara Falls (NY) – Dan Thomas: Story of World War as Told by Soldier Planned for Screen – N.N.: Book Buddies – Richard Massock (AP): War Books Outstanding Features of America’s 1929 Literary Fare – AP: »All Quiet« Pays Author – Dan Thomas: Hatreds of World War Forgotten by Vet Extras as »All Quiet on the Western Front« Is Filmed – N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue – Anzeige des Kinos Shea’s Bellevue – N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue – N.N.: Amusements – Shea’s Bellevue – Anzeige des Kinos Shea’s Bellevue

Auflage: 419.000 (697.000 sonntags) 25. 05. 1930 (80. Jg.), S. 35 25. 05. 1930 (80. Jg.), S. 67 26. 05. 1930 (80. Jg.), S. 29 22. 06. 1930 (80. Jg.), S. X4 13. 07. 1930 (80. Jg.), S. 59 21. 09. 1930 (80. Jg.), S. BR2 19. 11. 1930 (80. Jg.), S. 14 06. 12. 1930 (80. Jg.), S. 10 07. 12. 1930 (80. Jg.), S. 10 09. 12. 1930 (80. Jg.), S. 17 10. 12. 1930 (80. Jg.), S. 10 12. 12. 1930 (80. Jg.), S. 12 13. 12. 1930 (80. Jg.), S. 13 13. 12. 1930 (80. Jg.), S. 17 04. 01. 1931 (81. Jg.), S. E4 18. 01. 1931 (81. Jg.), S. 112 07. 03. 1931 (81. Jg.), S. 7 09. 06. 1931 (81. Jg.), S. 36 30. 08. 1931 (81. Jg.), S. E8

Auflage: 24.600 12. 08. 1929 (76. Jg.), S. 11 24. 10. 1929 (76. Jg.), S. 7 02. 01. 1930 (77. Jg.), S. 36 27. 01. 1930 (77. Jg.), S. 3 15. 03. 1930 (77. Jg.), S. 26 23. 09. 1930 (77. Jg.), S. 16 23. 09. 1930 (77. Jg.), S. 16 24. 09. 1930 (77. Jg.), S. 19 25. 09. 1930 (77. Jg.), S. 21 25. 09. 1930 (77. Jg.), S. 21

605

US-Presse

(Fortsetzung) Niagara Falls Gazette, Niagara Falls (NY) – Dan Thomas: »All Quiet« Heads NEA Critic’s List of Ten Best Moving Pictures Produced During the Past Year – N.N.: His Name is »Remarque.« – N.N.: The Cost of War.

North American Review, Boston (Mass.) – Herschel Brickell: The Literary Landscape – Herschel Brickell: The Literary Landscape – Herschel Brickell: The Literary Landscape – Herschel Brickell: The Literary Landscape – Herschel Brickell: The Literary Landscape

Auflage: 24.600 05. 01. 1931 (78. Jg.), S. 11 15. 05. 1931 (78. Jg.), S. 8 15. 05. 1931 (78. Jg.), S. 8

Auflage: n. bek. Aug. 1929 (115. Jg.), Bd. 228, Nr. 2, S. 4–7 (North American Review Advertiser) Sept. 1929 (115. Jg.), Bd. 228, Nr. 3, S. 4–8 (North American Review Advertiser) Dez. 1929 (115. Jg.), Bd. 228, Nr. 6, S. 4–7 (North American Review Advertiser) Feb. 1930 (116. Jg.), Bd. 229, Nr. 2, S. 2–8 (North American Review Advertiser) Apr. 1930 (116. Jg.), Bd. 229, Nr. 4, S. 2–9 und 24–25 (North American Review Adv.)

Norwood News, Norwood (NY) – Anzeige des Star Theatre – Leete Stone: Dreams of School Children (Buchabdruck)

Auflage: 1.300 01. 04. 1931 (54. Jg.), S. 8 04. 05. 1932 (55. Jg.), S. 8

The Optimist, Abilene (Texas) – Thalia Daley : The Book Corner

Auflage: n. bek. 28. 11. 1929 (17. Jg.), Bd. 17, Nr. 10, S. 2

Orange Leader, Orange (Texas) – N.N.: »All Quiet,« Story of Youth in War – Anzeige des Strand-Kinos

Auflage: 1.500 03. 09. 1930 (29. Jg.), Bd. 17, Nr. 31, S. 4 03. 09. 1930 (29. Jg.), Bd. 17, Nr. 31, S. 4

Outlook and Independent, New York (NY) – Anzeige des Book-of-the-Month Club

Auflage: 85.500 29. 05. 1929 (82. Jg.), Bd. 152, Nr. 5, S. 202

606

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Outlook and Independent, New York (NY) – E. M. Benson: New Novels

Auflage: 85.500 05. 06. 1929 (82. Jg.), Bd. 152, Nr. 6, S. 229 – T. R. Ybarra: »War Is Hell« – Even Ten Years 31. 07. 1929 (82. Jg.), Bd. 152, Nr. 14, After S. 545 – T. R. Ybarra: All’s Not Quiet on the Junker 16. 10. 1929 (82. Jg.), Bd. 153, Nr. 7, Front S. 251 – Walter R. Brooks: Behind the Blurbs 04. 12. 1929 (82. Jg.), Bd. 153, Nr. 14, S. 548 – N.N.: The Trend of Events 11. 12. 1929 (82. Jg.), Bd. 153, Nr. 15, S. 572–578 – John Carter : Old Men in Politics. As Seen in 23. 04. 1930 (82. Jg.), Bd. 154, Nr. 17, Recent Books S. 669–670 – Creighton Peet: The Movies. All Quiet on the 14. 05. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, Nr. Western Front S. 72–73 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 28. 05. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, Nr. 4, S. 151 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 04. 06. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, Nr. 5, S. 192 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 09. 07. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, Nr. 10, S. 390 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 16. 07. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, Nr. 11, S. 431 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 27. 08. 1930 (83. Jg.), Bd. 155, Nr. 17, S. 672 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 03. 09. 1930 (83. Jg.), Bd. 156, Nr. 1, S. 32 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 01. 10. 1930 (83. Jg.), Bd. 156, Nr. 5, S. 192 – N.N.: The Trend of Events 17. 12. 1930 (83. Jg.), Bd. 156, Nr. 16, S. 603–610 – Creighton Peet: The Movies. Worth Seeing 24. 12. 1930 (83. Jg.), Bd. 156, Nr. 17, S. 672 – N.N.: Trend of the Week 20. 05. 1931 (84. Jg.), Bd. 158, Nr. 3, S. 67–73

Overland Monthly and Out West Magazine, San Francisco (CA) – D. J. H.: Good-Bye to All That – D. Maitland Bushby : The Round Up – Literary News of the World

Auflage: n. bek. Apr. 1930 (63. Jg.), Bd. 88, Nr. 4, S. 120 Sept. 1930 (63. Jg.), Bd. 88, Nr. 9, S. 282–283 und 288

Pampa Morning Post, Pampa (Texas) – N.N.: The Rigors of Writing

Auflage: 3.700 30. 06. 1931 (5. Jg.), Bd. 1, Nr. 174, S. 6

607

US-Presse

Philadelphia Inquirer, Philadelphia (Penns.) – Sidney Williams: Erich Remarque’s Noble Story of the World’s War Common Soldier

Auflage: 292.700 (504.200 sonntags) 01. 06. 1929 (101. Jg.), S. 16

Plattsburgh Daily Press, Plattsburgh (NY) – N.N.: All Writers […] – AP: Declare Banning Papers Unjust – Hubbard Keavy : Screen Life in Hollywood

Auflage: 4.600 02. 03. 1931 (36. Jg.), Bd. 36, Nr. 164, S. 1 07. 03. 1931 (36. Jg.), Bd. 36, Nr. 169, S. 1 14. 10. 1932 (37. Jg.), S. 6

Plattsburgh Sentinel, Plattsburgh (NY) – N.N: War Novels and Peace – N.N.: In and around Montreal – AP: Tonight’s Showing of the Film […] – N.N.: Minervian Literary So. Held Meeting

Auflage: 1.700 07. 02. 1930 (93. Jg.), S. 4 15. 07. 1930 (93. Jg.), S. 6 12. 12. 1930 (93. Jg.), S. 5 10. 02. 1931 (94. Jg.), S. 4

Potsdam Herald-Recorder, Potsdam (NY) – N.N.: Best selling Books […]

Auflage: 2.000 19. 02. 1932 (55. Jg.), Bd. 55, S. 3

Pulaski Democrat, Pulaski (NY) – N.N.: Nix on the Rodeo Stuff – Anzeige des Shaul & Potts Drug Store – Anzeige des Opera House Adams – Anzeige des Temple Theatre

Auflage: 1.100 22. 10. 1930 (81. Jg.), S. 3 03. 12. 1930 (81. Jg.), S. 8 07. 01. 1931 (82. Jg.), S. 4 01. 07. 1931 (82. Jg.), S. 4

Publisher’s Weekly, New York (NY) Auflage: 7.300 – N.N.: »The Fate of his First Novel is of Vital 21. 09. 1929 (58. Jg.), Nr. 116, S. 1331 Importance to the Author.«

Register-Herald, Pine Planes (NY) – N.N.: Sidelights

Auflage: 1.000 17. 12. 1931 (73. Jg.), S. 4

Review of Reviews, New York (NY) – N.N.: All Quiet on the Western Front

Auflage: 160.000 Aug. 1929 (40. Jg.), Bd. 80, Nr. 2, S. 90–92

608

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Rexburg Standard, Rexburg (Idaho) – N.N.: At the Theatres

Auflage: 800 29. 01. 1931 (25. Jg.), Bd. 23, Nr. 5, S. 1

Rigby Star, Rigby (Idaho) – N.N.: All Quiet on the Western Front

Auflage: n. bek. 25. 12. 1930 (28. Jg.), S. 3

Rochester Democrat and Chronicle, Rochester (NY) – Deming Seymour: Seen by a New Yorker at Large – N.N.: Veterans Answer Call for World War Picture – Charles Ody : England Goes Gluttonous for Books on War – N.N.: World Looks with Hope Toward Coming Arms Conference – N.N.: Adult Classes List Programs for Tomorrow – N.N.: Complete Filming of Remarque War Novel – William Lyon Phelps: Recent Books – N.N.: ›All Quiet‹ To Be Preview Tomorrow Night at Eastman – George L. David: Theaters – Promising Pictures for New Week – George L. David: On the Screen – Eastman Theater – Anzeige des Eastman-Kinos – N.N.: Villages Fall In War Story At Eastman – Anzeige des Eastman-Kinos – N.N.: ›All Quiet‹ Shifted to Regent Theater – Anzeige des Regent Theater – N.N.: ›All Quiet‹ on Regent Screen – N.N.: Today’s Openings – ›All Quiet‹ at Regent Another Week – Anzeige des Regent-Kinos – N.N.: ›All Quiet‹ Is at Regent Yet – George L. David: Current Theaters Coming – By the Way – N.N.: ›All Quiet‹ on View at Strand – Anzeige des Strand-Madison-Kinos – N.N.: Year’s Honor Roll Offered by Periodical – N.N.: German Picture Temple Feature

Auflage: 83.100 (94.200 sonntags) 10. 11. 1929 (97. Jg.), S. 6C 26. 12. 1929 (97. Jg.), S. 17 05. 01. 1930 (98. Jg.), Section III 05. 01. 1930 (98. Jg.), Section III 15. 03. 1930 (98. Jg.) 13. 04. 1930 (98. Jg.) 18. 05. 1930 (98. Jg.), S. 2C 29. 08. 1930 (98. Jg.) 03. 09. 1930 (98. Jg.) 06. 09. 1930 (98. Jg.) 06. 09. 1930 (98. Jg.) 07. 09. 1930 (98. Jg.), S. 7D 07. 09. 1930 (98. Jg.), S. 7D 12. 09. 1930 (98. Jg.) 12. 09. 1930 (98. Jg.) 14. 09. 1930 (98. Jg.), S. 6D 19. 09. 1930 (98. Jg.), S. 17 19. 09. 1930 (98. Jg.), S. 17 21. 09. 1930 (98. Jg.) 05. 11. 1930 (98. Jg.) 09. 11. 1930 (98. Jg.), S. 9D 09. 11. 1930 (98. Jg.), S. 9D 01. 01. 1931 (99. Jg.) 31. 04. 1931 (99. Jg.)

609

US-Presse

Rollins Sandspur, Winter Park (FL) – N.N.: Local Literati Enjoy Evening of Readings

Auflage: n. bek. 24. 01. 1930 (37. Jg.), Bd. 32, Nr. 13, S. 1

Salt Lake Telegram, Salt Lake City (Utah) – Eric Keyser (UP): Sustained Peace Is Cry of World, Says Remarque – N.N.: Remarque Tells His Reasons for Writing Story – Anzeige des Paramount-Kinos

Auflage: 21.600 (23.100 sonntags) 15. 09. 1929 (28. Jg.), Bd. 28, Nr. 229, S. 4 08. 08. 1930 (29. Jg.), Bd. 29, Nr. 191, S. 8 08. 08. 1930 (29. Jg.), Bd. 29, Nr. 191, S. 8

San Francisco Chronicle, San Francisco (CA) – N.N.: Youth Faces of War – N.N.: Guide to New Books – N.N.: Lost Generation Shown Among Horrors of War – N.N.: Few Noteworthy Fictions Tell Soldiers’ Story

Auflage: 98.500 (162.200 sonntags) 02. 06. 1929 (64. Jg.), S. 4D 02. 06. 1929 (64. Jg.), S. 5D 09. 06. 1929 (64. Jg.), S. 4D

Saturday Review of Literature, New York (NY) – Christopher Morley : The Bowling Green – Amy Loveman: Spring Freshets

Auflage: ca. 10.000 20. 04. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, Nr. 39, S. 909 20. 04. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, Nr. 39, S. 922–924 11. 05. 1929 (6. Jg.), Bd 5, Nr. 42, S. 993–994 01. 06. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, Nr. 45, S. 1075

– F. V. Morley : A Poet at War – Anzeige von Little, Brown & Company für »All Quiet on the Western Front« – The Phoenician: The Phoenix Nest – Henry Seidel Canby : Modern War – – – – – – –

Anzeige des Book-of-the-Month Club Christopher Morley : The Bowling Green N.N.: In Memoriam, 1914 Frank H. Simonds: The Anniversary Leonard H. Nason: War As It Is N.N.: Foreign Literature Anzeige von Little, Brown & Company : Books Especially Selected for Christmas Gifts – E. M. Benson: Germany at War – The Phoenician: The Phoenix Nest – Mary Lee: Life at the Front

09. 06. 1929 (64. Jg.), S. 5D

01. 06. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, Nr. 45, S. 1084 08. 06. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, Nr. 46, S. 1087–1089 15. 06. 1929 (6. Jg.), Bd. 5, Nr. 47, S. 1119 27. 07. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 1, S. 6 03. 08. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 2, S. 17 03. 08. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 2, S. 26 31. 08. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 6, S. 88 31. 08. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 6, S. 93 30. 11. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 19, S. 483 14. 12. 1929 (6. Jg.), Bd. 6, Nr. 21, S. 556 02. 08. 1930 (7. Jg.), Bd. 7, Nr. 2, S. 30 20. 12. 1930 (7. Jg.), Bd. 7, Nr. 22, S. 470

610

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

Schenectady Gazette, Schenectady (NY) – N.N.: Czech Government Bans Remarque’s Novel of War – N.N.: Remarque Turned Down Part in Film – N.N.: ›All Quiet‹ Shows War As It Was – Anzeige des R-K-O-Proctor’s-Kinos – Anzeige des Pearl-Kinos – AP: Germany Bans Exhibition of Movie on War – N.N.: Daily Editorial Digest – Film Under Ban in Germany Viewed Here as Inoffensive – N.N.: Milestone Is Adjudged Best Film Director – N.N.: New Programs Today – What Theater Managers Say About Them

Auflage: 24.000 30. 11. 1929 (35. Jg.), S. 8 21. 08. 1930 (36. Jg.), S. 13 25. 08. 1930 (36. Jg.), S. 14 25. 08. 1930 (36. Jg.), S. 14 08. 12. 1930 (36. Jg.), S. 16 12. 12. 1930 (36. Jg.), S. 28 24. 12. 1930 (36. Jg.), S. 10 31. 07. 1931 (37. Jg.), S. 25 31. 07. 1931 (37. Jg.), S. 25

Scribner’s Magazine, New York (NY) – Christian Gauss: The Threat of Science

Auflage: 73.500 Mai 1930 (44. Jg.), Bd. 87, Nr. 5, S. 467–478

The Sentinel, Chicago (Illinois) – Jennie Franklin Purvin: A Very Modern Uncle Tom’s Cabin – N.N.: »All Quiet on the Western Front« at McVickers Theater – Grace Jaffe: Believe It or Not – N.N.: »All Quiet on the Western Front« Now at Marbro and Granada – Gustave Schacht: Attacks on the Western Front

Auflage: n. bek. 02. 08. 1929 (19. Jg.), Bd. 75, Nr. 5 S. 7 und 40 30. 05. 1930 (20. Jg.), Bd. 78, Nr. 9, S. 17

Social Science, Winfield (Kansas) – Margaret Noel: All Quiet on the Western Front

Auflage: n. bek. Juli 1931 (8. Jg.), Bd. 6, Nr. 3, S. 336

Southern Israelite, Atlanta (Georgia) – Grace Jaffe: The Phenomal Rise of Carl Laemmle, Jr.

Auflage: 6.900 19. 09. 1930 (26. Jg.), S. 11

27. 06. 1930 (20. Jg.), Bd. 78, Nr. 13, S. 9 18. 07. 1930 (20. Jg.), Bd. 79, Nr. 3, S. 26 16. 01. 1931 (21. Jg.), Bd. 81, Nr. 3, S. 8

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US-Presse

Springfield Sunday Union and Republican, Springfield (Mass.) – N.N.: War Experiences of One of the Defeated

Auflage: 67.900 30. 06. 1929 (106. Jg.), S. 7E

Springville Herald, Springville (Utah) – N.N.: All Quiet On the Western Front – N.N.: Mighty Drama Comes Rivoli Theatre Soon

Auflage: 600 14. 08. 1930 (40. Jg.), S. 3 04. 12. 1930 (40. Jg.), S. 1

The Sun, Fort Covington (NY) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« im New York American – N.N.: The »All Quiet« Boy Goes »Up For Murder«

Auflage: 900 18. 07. 1929 (45. Jg.) 26. 11. 1931 (47. Jg.)

The Sun, North Canton (Ohio) – N.N.: Power of a Book – N.N.: In Canton Theatres – Anzeige des Palace-Kinos

Auflage: 2.500 16. 04. 1930 (9. Jg.), Bd. 8, Nr. 24, S. 5 10. 09. 1930 (9. Jg.), Bd. 8, Nr. 43, S. 5 10. 09. 1930 (9. Jg.), Bd. 8, Nr. 43, S. 5

Sunday Herald, Provo (Utah) – N.N.: Questions and Answers from Washington (Section 2)

Auflage: 4.200 15. 03. 1931 (53. Jg.), Bd. 8, Nr. 30, S. 2

The Survey, New York (NY) – Leon Whipple: Outlaw

Auflage: 25.500 01. 09. 1929 (33. Jg.), Bd. 62, Nr. 11, S. 574–575

Ticonderoga Sentinel, Ticonderoga (NY) Auflage: 2.400 – Lilly M. Graham: New Books at Crown Point 27. 03. 1930 (59. Jg.), S. 7 Library – Frank Parker Stockbridge: Today and To18. 12. 1930 (59. Jg.), S. 10 morrow – War

Time, New York (NY) – N.N.: The Horror of the World

Auflage: 300.200 17. 06. 1929 (7. Jg.)

612

Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Time, New York (NY) – N.N.: Remarquable – N.N.: Behind the Front – N.N.: Cinema: The New Pictures – N.N.: Coming – Best Pictures – N.N.: Home, Boys, Home

Auflage: 300.200 05. 08. 1929 (7. Jg.) 14. 10. 1929 (7. Jg.) 05. 05. 1930 (8. Jg.) 12. 05. 1930 (8. Jg.) 11. 05. 1931 (9. Jg.)

Tribune-Press, Gouverneur (NY) – N.N.: Outstanding New Book – N.N.: Pastor to Review Late War Novel – N.N.: Pastor Reviews Story of the War

Auflage: 3.600 24. 07. 1929 (44. Jg.), Bd. 42, S. 4 06. 11. 1929 (44. Jg.), Bd. 43, Nr. 12, S. 1 13. 11. 1929 (44. Jg.), Bd. 43, Nr. 13, S. 1

Tupper Lake Herald and Adirondack Mountain Auflage: 1.200 Press, Tupper Lake (NY) – Anzeige des Fox-Pontiac-Kinos 18. 09. 1930 (35. Jg.), Bd. 34, Nr. 37, S. 1

Universal Weekly, New York (NY) – N.N.: »All Quiet« Will Start at 11 a.m. Armistice Day – Bertha Kannewisher : War Comrade of Remarque Discovered in Rochester (Abdruck aus dem Rochester Sunday American) – N.N.: »All Quiet On The Western Front« Will Be Reissued – N.N.: »All Quiet« Scores Anew In Washington, D.C. Revival – Don Craig: »All Quiet On The Western Front« Still a Great Motion Picture – N.N.: »All Quiet On The Western Front« One of Best Box Office Pictures – N.N.: Ads That Are Selling Seats!

Auflage: n. bek. 09. 11. 1929 (18. Jg.), Bd. 30, Nr. 14, S. 8

05. 05. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, Nr. 20, S. 32

Variety, New York (NY) – Anzeige von Universal Pictures mit Zeitungsrezensionen – Sime: All Quiet on the Western Front – Anzeige von Universal Pictures mit Zeitungsrezensionen

Auflage: n. bek. 30. 04. 1930 (26. Jg.), Bd. 99, Nr. 3, S. 22–23 07. 05. 1930 (26. Jg.), Bd. 99, Nr. 4, S. 21 07. 05. 1930 (26. Jg.), Bd. 99, Nr. 4, S. 36–37

09. 11. 1929 (18. Jg.), Bd. 30, Nr. 14, S. 9 17. 02. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, Nr. 10, S. 10 und 19 14. 04. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, Nr. 18, S. 22–23 14. 04. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, Nr. 18, S. 22–23 und 26 05. 05. 1934 (23. Jg.), Bd. 34, Nr. 20, S. 19

613

US-Presse

(Fortsetzung) Variety, New York (NY) Auflage: n. bek. – N.N.: Berlin Riot Over ›All Quiet‹ as Much- 10. 12. 1930 (26. Jg.), Bd. 100, Nr. 22, S. 7 Antisemitic as Anything Else – Forcing New Censor Law

Wall Street Journal, New York (NY) – R. G.: A Colossal War Film

Auflage: 51.500 02. 05. 1930 (42. Jg.), S. 4

Warren Record, Warrenton (North Carolina) – Bignall Jones: Gleanings

Auflage: 1.100 13. 09. 1929 (38. Jg.), Bd. 29, Nr. 37, S. 3

Washington County News, St. George (Utah) – N.N.: The Picture Tells the Story

Auflage: n. bek. 02. 10. 1930 (23. Jg.), Bd. 23, Nr. 39, S. 1

Washington Post, Washington, D.C. – Elisabeth E. Poe: Books – N.N.: An Unknown Cast in Lead of War’s Greatest Story – Elisabeth E. Poe: Books – N.N.: The War Is Being, Perhaps, Too Realistically Reshot – N.N.: Celebrated War Drama Is On Way Here – N.N.: War Feature By Remarque In Local Bow – AP: German Theaters New Public Forum

Auflage: 73.200 (81.300 sonntags) 23. 06. 1929 (53. Jg.), S. SM13 12. 01. 1930 (54. Jg.), S. A4 19. 01. 1930 (54. Jg.), S. 78 02. 02. 1930 (54. Jg.), S. F2 16. 03. 1930 (54. Jg.), S. A3 28. 09. 1930 (54. Jg.), S. A2 18. 01. 1931 (55. Jg.), S. 10

West News, West (Texas) Auflage: 1.000 – N.N.: »All Quiet on Western Front« Is Great 13. 03. 1931 (43. Jg.), Bd. 41, Nr. 41, S. 8 Picture

Winona Republican-Herald, Winona (Minnesota) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« – Richard Massock (AP): Scanning New Books – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front«

Auflage: 14.000 20. 07. 1929 (75. Jg.), S. 4 20. 07. 1929 (75. Jg.), S. 4 22. 07. 1929 (75. Jg.), S. 3

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Verzeichnis verwendeter Rezeptionszeugnisse und Artikel

(Fortsetzung) Winona Republican-Herald, Winona (Minnesota) – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« – Ankündigung des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« – N.N.: Story of »Youth Destroyed« Told in Remarque Book – Beginn des Abdrucks von »All Quiet on the Western Front« – Central Press: Star Gazing – N.N.: Book Buddies – Charles B. Driscoll: The World And All – N.N.: At the Theater – Anzeige des State-Kinos – Anzeige des State-Kinos – Anzeige des State-Kinos – Anzeige des State-Kinos – Anzeige des State-Kinos – AP: German Fascists Release Bombs, Mice, Stench to Stop Showing of ›All Quiet‹ – Charles B. Driscoll: The World And All

Auflage: 14.000 23. 07. 1929 (75. Jg.), S. 5 25. 07. 1929 (75. Jg.), S. 1 27. 07. 1929 (75. Jg.), S. 6 27. 07. 1929 (75. Jg.) 29. 08. 1929 (75. Jg.), S. 10 22. 10. 1929 (75. Jg.), S. 14 24. 10. 1929 (75. Jg.), S. 18 23. 08. 1930 (76. Jg.), S. 6 23. 08. 1930 (76. Jg.), S. 6 26. 08. 1930 (76. Jg.), S. 6 27. 08. 1930 (76. Jg.), S. 4 28. 08. 1930 (76. Jg.), S. 6 29. 08. 1930 (76. Jg.), S. 6 06. 12. 1930 (76. Jg.), S. 1 11. 05. 1931 (77. Jg.), S. 12

Wisconsin Library Bulletin, Madison (Wisconsin) – N.N.: Remarque, Erich. All Quiet on the Western Front

Auflage: n. bek.

The World, New York (NY) – N.N.: Two Brilliant Newcomers to America’s Literary Scene – Harry Hansen: The First Reader – N.N.: The Week’s Best Sellers – N.N.: The Week’s Best Sellers

Auflage: 337.000 (543.000 sonntags) 02. 06. 1929 (70. Jg.), S. 7M

Juni 1929 (25. Jg.), Bd. 25, Nr. 6, S. 196

09. 06. 1929 (70. Jg.), S. 7M 09. 06. 1929 (70. Jg.), S. 7M 16. 06. 1929 (70. Jg.), S. 7M

World Tomorrow, New York (NY) Auflage: 10.000 – Coley Taylor : All Quiet on the Western Front Sept. 1929 (12. Jg.), Bd. 12, S. 377

Biografie Erich Maria Remarque*

1898

1912 1915 1916

1917

1918

22. Juni: Geburt von Erich Paul Remark in Osnabrück als zweites von vier Kindern von Anna Maria Remark (1871–1917) und des Buchbinders Peter Franz Remark (1867–1954). Katholische Präparandie in Osnabrück (bis 1915). 2. Juli: Beginn der Ausbildung am Katholischen Königlichen SchullehrerSeminar in Osnabrück. 21. November : Einberufung zur Armee. Ersatz-Rekrut beim Ersatz-Bataillon im Infanterie-Regiment 78. Militärische Ausbildung in der Caprivi-Kaserne in Osnabrück und Celle. 12. Juni: Verlegung an die Westfront zur 2. Kompanie Feld-RekrutenDepot der 2. Garde Reserve-Division in Hem-Lenglet (Frankreich). 26. Juni: Zwischen Torhout und Houthulst (Belgien), Schanztrupp Bethe, 2. Kompanie Reserve-Infanterie-Regiment 15. 31. Juli: Verwundung durch Granatsplitter am linken Bein, rechten Arm und am Hals. Vor dem 25. August: Überführung aus dem Feld-Lazarett 309 in Geite-St. Josef und Torhout in das St. Vinzenz-Hospital in Duisburg, dort Posten in der Schreibstube. Sammeln von Kriegserlebnissen anderer verwundeter Soldaten. 9. September : Tod der Mutter im Marienhospital Osnabrück. Ab Herbst: Entwürfe für einen Roman über den Krieg. 31. Oktober : Entlassung aus dem Duisburger Lazarett, Überstellung nach Osnabrück zum I. Ersatz-Bataillon im Infanterie-Regiment 78. 7. November : Einstufung als frontdiensttauglich. 11. November : Der Waffenstillstand verhindert ein erneute Verlegung an die Front.

* Quellen: Thomas F. Schneider (Hg.): Unabhängigkeit – Toleranz – Humor. Erich Maria Remarque 1898–1970, Osnabrück 2001 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, Bd. 15); ders.: Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues«. Text, Edition, Entstehung, Distribution und Rezeption (1928–1930), Tübingen 2004; Hans Wagener : Remarque in Amerika – zwischen Erfolg und Exilbewußtsein, in: Erich Maria Remarque Jahrbuch, Bd. 9, Osnabrück 1999, S. 18–38, sowie Angaben des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums [online], verfügbar unter https://www.remarque.uni-osnabrueck.de/bio.htm.

616

1919

1920

1921

1922 1923

1924 1925 1926 1927

1928

1929

Biografie Erich Maria Remarque

15. November : Verleihung des Eisernen Kreuzes Erster Klasse in Duisburg, Bestätigung durch den Arbeiter- und Soldatenrat Osnabrück. Januar: Fortsetzung der Ausbildung zum katholischen Volksschullehrer. Entlassung aus Armee. Verzicht auf Orden und Ehrenzeichen. 1. August: Als Lehrer in Lohne bei Lingen (bis 31. März 1920). Die Traumbude. Ein Künstlerroman erscheint. 4. Mai: Als Lehrer im emsländischen Klein Berßen (bis 31. Juli). 20. August: Als Lehrer in Nahne bei Osnabrück. 20. November : Quittierung des Schuldienstes. Gelegenheitsjobs in Osnabrück als kaufmännischer Angestellter, Buchhalter, Grabsteinverkäufer, Klavierlehrer und Organist. Ab März: Theaterkritiker für das Osnabrücker Tageblatt und die Osnabrücker Landeszeitung. Frühjahr : Erste Arbeiten für die Zeitschrift Echo Continental der Continental-Gummiwerke in Hannover. 10. März: Erster bekannter Beleg für die Namensschreibung »Erich Maria Remarque«. Mit dem Mittelnamen »Maria« ehrte Remarque zum einen seine verstorbene Mutter Anna Maria, zum anderen brachte er seine Bewunderung für Rainer Maria Rilke zum Ausdruck. Die französische Schreibweise des Nachnamens sollte an die Herkunft seiner Familie erinnern, die einst als »Remacle« aus Frankreich eingewandert war. 29. April: Ummeldung nach Hannover. Dort Werbetexter und Redakteur der Zeitschrift Echo Continental der Continental-Gummiwerke. Arbeit an Gam (bis 1924). Der Roman blieb bis 1998 unveröffentlicht. Juni: Für den »gesamten Inhalt« verantwortlicher Redakteur bei Echo Continental. Februar und Mai: Publikation der Essays »Über das Mixen kostbarer Schnäpse« und »Leitfaden der D8cadence« im Störtebeker. 1. Januar: Redakteur bei Sport im Bild (Scherl-Verlag) in Berlin. Kauf des Adelstitels »Freiherr von Buchwald« für angeblich 500 RM mittels Adoption durch den verarmten Adligen Hugo von Buchwald. Herbst/Winter : Arbeit an Im Westen nichts Neues. 25. November : Beginn des Vorabdrucks von Station am Horizont als Fortsetzungsroman in Sport im Bild (bis 17. Februar 1928). März: Ablehnung von Im Westen nichts Neues durch den S. Fischer Verlag. August: Annahme von Im Westen nichts Neues durch den zum UllsteinKonzern gehörenden Propyläen-Verlag. 3. August: Für den »redaktionellen Inhalt« verantwortlicher Redakteur bei Sport im Bild. 10. November : Vorabdruck von Im Westen nichts Neues in der Vossischen Zeitung (bis 9. Dezember). 15. November : Remarque wird bei Sport im Bild fristlos gekündigt. 31. Januar : Buchausgabe von Im Westen nichts Neues. März: Die englische Version, übersetzt von Arthur Wesley Wheen, erscheint bei Putnam in Großbritannien.

Biografie Erich Maria Remarque

1930

1931

1932

1933

617

April: Auftauchen des angeblichen Geburtsnamens Kramer in der deutschen Presse. 1. Juni: Der Bostoner Verlag Little, Brown & Company bringt All Quiet on the Western Front auf den US-Buchmarkt. 31. Dezember : Zum Jahresende liegen Übersetzungen von Im Westen nichts Neues in insgesamt 26 Sprachen vor. 29. April: Offizielle US-Kinopremiere von All Quiet on the Western Front in New York. Mitte November : Remarque sieht die Verfilmung von Im Westen nichts Neues in einer eigens für ihn arrangierten Sondervorstellung in Osnabrück. 4. Dezember : Deutsche Premiere von Im Westen nichts Neues in Berlin. 5. Dezember : Massive Störungen des Filmes durch die Nationalsozialisten unter der Leitung von Joseph Goebbels. 7. Dezember : Vorabdruck von Der Weg zurück in der Vossischen Zeitung (bis 29. Januar 1931). 11. Dezember : Verbot des Films Im Westen nichts Neues durch die FilmOberprüfstelle in Berlin. Vorgeschlagen für den Friedensnobelpreis durch den Warschauer JuraProfessor Sigismond Cybichowski sowie für den Literaturnobelpreis für Der Weg zurück durch Tor Hedberg, Mitglied der preisverleihenden Schwedischen Akademie. Remarque erhält jedoch keinen der beiden Preise. 26. Januar : Beteiligung mit einer schriftlichen Stellungnahme gegen das Filmverbot von Im Westen nichts Neues an der Berliner Protestveranstaltung der Deutschen Liga für Menschenrechte: »Remarque und die Wirklichkeit«. 30. April bzw. Anfang Mai: Die Buchausgabe von Der Weg zurück ist in Deutschland erhältlich sowie die englische Übersetzung The Road Back in England und den USA. 8. Juni: Wiederzulassung des Films Im Westen nichts Neues in geschlossenen Veranstaltungen in Deutschland. 20. August: Kauf der Villa »Casa Monte Tabor« in Porto Ronco am Lago Maggiore. 2. September : Freigabe des Films Im Westen nichts Neues für die allgemeine Öffentlichkeit in einer nochmals stark gekürzten Fassung. Seit April: Ständiger Wohnsitz in Porto Ronco. Bekanntschaft mit Jacob und Martha Wassermann, Thomas Mann, Ernst Toller, Carl Zuckmayer, Else Lasker-Schüler, Fritz von Unruh, Ludwig Renn und anderen Künstlern und Schriftstellern in der Schweiz. Ende Januar: Abschluss der Arbeiten an Pat, Vorstufe zum Roman Drei Kameraden (Fertigstellung 1936). Februar : Endgültiges Verbot des Films Im Westen nichts Neues durch die Nationalsozialisten. Frühjahr : Remarque gewährt Emigranten aus Deutschland Obhut in Porto Ronco.

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1938 1939

1941 1939 bis 1943 1943

1947 1948 1967 1968 1970

Biografie Erich Maria Remarque

Anfang Mai: Der jüdische Journalist Felix Manuel Mendelssohn kommt nahe der »Casa Monte Tabor« zu Tode. Vermutet wird ein nationalsozialistisches Attentat. 10. Mai: Öffentliche Verbrennung der Bücher Remarques in Berlin: »Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges, für Erziehung des Volkes im Geiste der Wehrhaftigkeit!«. November/Dezember : Beschlagnahmung von Im Westen nichts Neues und Der Weg zurück. Juli: Die Nationalsozialisten entziehen Remarque die deutsche Staatsbürgerschaft, die er bis zu seinem Tod nicht mehr zurückerlangen wird. Anfang September : Remarque erreicht mit der »Queen Mary« New York, wo sein Exil in den Vereinigten Staaten beginnt. Als Ausgebürgerter reist er mit einem internationalen Ausweis des Völkerbundes. Erst rund zwei Jahre nach seiner Immigration wandert er über den mexikanischen Grenzort Tijuana offiziell in die USA ein. Remarque hält sich überwiegend in Hollywood auf. September bis 1948: Erster Wohnsitz von Remarque ist New York. 16. Dezember : Seine Schwester Elfriede Remark, verh. Scholz, wird vom Volksgerichtshof wegen »Wehrkraftzersetzung« in Berlin-Plötzensee hingerichtet. 7. August: Remarque wird amerikanischer Staatsbürger. Rückkehr in die Schweiz (Porto Ronco), wo er seitdem im Wechsel mit New York lebt. Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland. Aufnahme als Mitglied in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. 25. September : Remarque stirbt im Alter von 72 Jahren an den Folgen einer Herzkrankheit in Locarno.

Danksagung

Danken möchte ich an dieser Stelle einigen Menschen, ohne deren vielfältige Unterstützung die vorliegende Dissertationsschrift nicht entstanden wäre. Zuallererst danke ich Prof. Dr. Barbara Vogel dafür, dass sie mir und meinem Forschungsprojekt so lange verbunden geblieben ist. Sie hat mich stets ermuntert, meine Dissertation zu Ende zu bringen, auch wenn der Weg neben dem Beruf nicht immer leicht war. Für die fortwährende Motivation, die guten Ratschläge sowie ihre investierte Zeit danke ich Frau Vogel von ganzem Herzen. Danken möchte ich ferner Prof. Dr. Thorsten Logge, der sich sofort für mein Dissertationsthema interessierte und mir gute inhaltliche Hinweise gegeben hat, welche die Studie aufgewertet haben. Dies betraf vor allem die Rezeption der deutsch-amerikanischen Presse. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle außerdem Dr. Gunter Woelky, der mich extrem bestärkt hat, am Ball zu bleiben und die Prioritäten so zu setzen, dass ich diese Arbeit erfolgreich beende. Dafür danke ich ihm sehr und schließe dabei Andreas Bodmann mit ein, der mir den Balanceakt zwischen beruflichen Verpflichtungen und Promotion ermöglicht hat. Meiner Mutter danke ich für all das, was sie mir mit auf den Lebensweg gegeben hat. Ohne dieses starke Fundament aus Liebe, geistiger Kraft und Entschlossenheit wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ein besonderer Dank gilt schließlich meiner lieben Familie. Meine Frau Tatiana und mein Sohn Luca haben unendliche Geduld mit mir bewiesen und mich mit ihrer Liebe, Motivation und aufopfernder praktischer Hilfe über all die Jahre unterstützt. Ich danke ihnen, dass sie die langen Entbehrungen auf sich genommen und stets Verständnis für mich und meine Situation gezeigt haben. Ich freue mich sehr, als Ehemann und Vater künftig wieder mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Lüneburg, 31. August 2018

Nikos Späth