Das stellvertretende Huhnopfer. Mit besonderer Berücksichtigung des jüdischen Volksglaubens

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Das stellvertretende Huhnopfer. Mit besonderer Berücksichtigung des jüdischen Volksglaubens

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
1. Die Stellvertretung durch ein Tier beim Opfer
2. Das Sühnehuhn bei Krankheiten und der Geburt eines Kindes
3. Das Huhn im Hochzeitsritual: als Opfer zur Besänftigung der Dämonen; als magisches Symbol des Kindersegens (demselben Zwecke dienen Fische, Getreidekörner, Nüsse oder Hopfen)
4. Huhnopfer beim Todesfall, entweder der Seele des Verstorbenen oder den Todesdämonen geweiht
5. Huhnopfer bei der Grundsteinlegung oder Einweihung eines neuen Hauses. Unbewohnte Stellen sind Aufenthaltsorte der Dämonen. Das Huhn ist hier Substitut für ein Menschenleben
6. Der Kreis und die schwingende Bewegung als Apotropäum
7. Das Huhnopfer in Verbindung mit der apotropäischen Zeremonie des Umkreisens oder des Schwingens. Das Kapporo- Huhn im jüdischen Volksglauben. Knoblauch ein Apotropäum
8. Die Apopompe mittels des Sühnehuhns (oder eines anderen Vogels)
9. Blutbesprengung als apotropäisches Mittel. Nicht nur das Blut des Huhns, sondern auch das anderer Tiere wird dazu verwendet. Entstehung des Gedankens, daß das Blut ein Apotropäum sei
10. Das Huhn als dämonisches Tier wegen seiner Verwendung als Dämonenopfer
11. Das Huhn als Dämonen verscheuchendes Tier. Es ist als Opfer für die Dämonen bevorzugt. Hahnenkamm ein Apotropäum. Das Huhn als Tier des Sonnengottes
12. Gibt es im Judentum Ritualmord?
Nachträge
Register

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Zuletzt sind erschienen: XIII.Band i. Heft

Der Einfluß der Mysterienreligionen auf das älteste Christentum von Carl Giemen 1913

92 S.

M. 3.40

Der Verfasser untersucht zunächst, wo die einzelnen genauer bekannten Mysterienreligionen, die eleusinischen, Attis- und Kybele-, Isis-, Osiris- und Sarapiamysterien überhaupt nachweisbar sind, und zeigt von neuem, daß die Mithrasmysterien auf semitischem und griechischem Gebiet nur sehr wenig und auch im Westen erst seit den Flaviern verbreitet waren. Dann bespricht er nacheinander den Einfluß der Mysterienreligionen auf die Entstehung und älteste Entwicklung des Christentums, die paulinische Theologie und die Religion der paulinischen Gemeinden, und die nachpaulinische Entwicklung. In ersterer Beziehung wäre s. M. n. selbst dann kein solcher Einfluß anzunehmen, wenn die Taufe schon in ältester Zeit Sündenvergebung hätte beschaffen sollen und das Abendmahl nur mit Brot gefeiert worden wäre; beides glaubt er aber bestreiten zu müssen. Bei Paulus nimmt er einen Einfluß auf den Sprachgebrauch an, dagegen nicht auf die Theologie, auch nicht in der Lehre von Taufe und Abendmahl, in der die korinthische Gemeinde z. T. von den Mysterienreligionen abhängig sein könnte. Stärker wird ihr Einfluß s. M. n. erst in der nachpaulinischen Zeit, beschränkt sich aber auch da auf Anschauungen und Einrichtungen, die mindestens im Keime vorher schon vorhanden waren.

LBandj)ie g c h i a i l g e i n der griechischen Kunst und Religion Mit 32 Textabbildungen und 1 .Tafel

von Erich Küster 1913

182 S.

M. 6.50

Der Verf. gibt im ersten, archäologischen Teil der Arbeit eine Entwicklung des Schlangen Ornaments in Zeichnung und Plastik seit den ältesten Zeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung der Spirale und zeigt, wie die künstlerische Darstellung der Schlange im östlichen Mittelmeergebiet ihre ersten naturalistischen Formen erhielt. Sodann werden besonders in der griechischen Kunst die mannigfachen Entwicklungsformen des Schlangenornaments in den einzelnen Stilen vom mykenischen bis zum Beginn der hellenistischen Kunst verfolgt. Besondere Beachtung wird den Sehlangen an den geometrischen Gefäßen zuteil, sowohl in ihrer künstlerischen wie religiösen Bedeutung. Der zweite Teil, der unter Heranziehung alles wesentlichen archäologischen Materials die religionsgeschichtliche Stellung der Schlange in Griechenland beleuchtet, enthält folgende Kapitel: I. Die Schlange im griech. Seelenglauben. II. Die Schi, im Heroenkult. III. Die Schi, als Erdgeist. IV. Die Schi, als mantisches Tier. V. Die Schi, als Symbol der Fruchtbarkeit. VI. Die Schi, als Wasserdämon. Durch diese Einteilung und Behandlung der einzelnen Kapitel soll zugleich auf die Schwierigkeit hingewiesen werden, die so verschiedenartigen Vorstellungen vom Wesen der Schlange bei den Griechen unter e i n e n größeren Gesichtspunkt zu vereinigen — es sei denn unter den allgemeinen des chthonischen Grundcharakters dieses Tieres.

xiii.Band 3

"

]) e saltationibus Graecorum capita quinque scripsit

e

1913

Kurt Latte 115 S.

M. 4 . —

Nachdem im ersten Kapitel die antike Tradition über den Tanz geprüft ist, wird zunächst die weitere Vorfrage nach den Einzelbewegungen, den 'Figuren', behandelt. Darauf folgt eine Geschichte der WafFentänze, namentlich der Pyrriche, bis in die Zeit des ausgehenden Altertums, wobei die religionsgeschichtliche Bedeutung der Kureten im Anschluß an den neugefundenen Hymnus von Palaikastro ausführlich erörtert wird. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit den verschiedenen Formen der Beteiligung am sakralen Tanze und der Geschichte der Bürgerchöre. Im letzten Kapitel endlich wird die Verbreitung der ekstatischen Tänze auf griechischem Boden verfolgt und ihr Alter zu bestimmen gesucht. Ein Anhang führt die für die Geschichte der Pyrriche wichtige Frage nach der Geltung des Deminutivsufflxes —iyos in den griechischen Mundarten weiter.

Das stellvertretende Huhnopfer Mit besonderer Berücksichtigung des jüdischen Volksglaubens

von

Isidor Scheftelowitz

Gießen 1914 Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker)

Religionsgeschichtliche V e r s u c h e und V o r a r b e i t e n begründet von Albrecht Dieterich und Bichard Wünsch herausgegeben von

Richard Wünsch und Ludwig Deubner in Münster i. W.

in Königsberg i. Pr.

XIV. Band. 3. Heft

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Die Stellvertretung durch ein Tier beim Opfer 2. Das Sühnehuhn bei Krankheiten und der Geburt eines Kindes. 3. Das Huhn im Hochzeitsritual: als Opfer zur Besänftigung der Dämonen; als magisches Symbol des Kindersegens (demselben Zwecke dienen Fische, Getreidekörner, Nüsse oder Hopfen) . 4. Huhnopfer beim Todesfall, entweder der Seele des Verstorbenen oder den Todesdämonen geweiht 5. Huhnopfer bei der Grundsteinlegung oder Einweihung eines neuen Hauses. Unbewohnte Stellen sind Aufenthaltsorte der Dämonen. Das Huhn ist hier Substitut für ein Menschenleben. 6. Der Kreis und die schwingende Bewegung als Apotropäum . 7. Das Huhnopfer in Verbindung mit der apotropäischen Zeremonie des Umkreisens oder des Schwingens. Das KapporoHuhn im jüdischen Volksglauben. Knoblauch ein Apotropäum. 8. Die Apopompe mittels des Sühnehuhns (oder eines anderen Vogels) 9. Blutbesprengung als apotropäisches Mittel. Nicht nur das Blut des Huhns, sondern auch das anderer Tiere wird dazu verwendet. Entstehung des Gedankens, daß das Blut ein Apotropäum sei 10. Das Huhn als dämonisches Tier wegen seiner Verwendung als Dämonenopfer 11. Das Huhn als Dämonen verscheuchendes Tier. Es ist als Opfer für die Dämonen bevorzugt. Hahnenkamm ein Apotropäum. Das Huhn als Tier des Sonnengottes 12. Gibt es im Judentum Ritualmord? Nachträge Register

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Isidor Scheftelowitz, Das stellvertretende Hnhnopfer

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1. Die Stellvertretung durch ein Tier beim Opfer An Stelle eines Menschen, den sich eine Gottheit zum Opfer bestimmt oder dessen Untergang ein Dämon herbeizuführen beabsichtigt, kann nach dem primitiven Glauben auch ein Tier treten, womit sich diese überirdischen Wesen zufrieden geben. Nach einer lakonischen Sage wollte der Vater der Helena seine Tochter opfern, um hierdurch die Götter zu bewegen, daß sie eine wütende Plage zum Stillstande brächten. In dem Moment, wo er im Begriff ist, sie zu schlachten, fliegt ein göttlicher Adler herab, entreißt dem Opferer das Messer und läßt es auf ein Rind fallen, das in der Nähe weidet 1 . Iphigenie, die der Artemis dargebracht werden sollte, wird durch göttliche Fügung im letzten Augenblick durch eine Hirschkuh ausgelöst 2 . Abraham opfert auf göttliches Geheiß als Stellvertretung seines Sohnes Isaaks einen Widder 3 . Bei den Ägyptern war das Tieropfer mit einem Siegel versehen, welches das Bild eines gefesselten Menschen darstellte, an dessen Kehle ein Schwert war 4 . Dieses soll das stellvertretende Opfer andeuten. Im Tempel der Kali zu Kalkutta war es vor der englischen Herrschaft noch Sitte, zum Jahresfest dieser Göttin einen Menschen zu opfern. Seitdem aber die Engländer das Menschenopfer ver1

Plutarch Parallela 35 p. 314 C. Euripides Iphigenie in Tauris V. 2 4 - 4 1 , Oyid Met. XII 24ff. Um die Nachtgeister, welche die Gedärme eines Säuglings krank machen, zu besänftigen, nimmt der Römer die rohen Gedärme eines sehr jungen Ferkels, das zu diesem Zwecke geschlachtet ist, und opfert sie den Nachtgeistern mit den Worten: „Nehmet doch Herz um Herz, für ein edleres Leben weihen wir euch solcherlei Leben" (Ovid Fasti VI 159 ff.). » I Mos. 22, 13. 4 W. Robertson Smith, Religion der Semiten, übers. Ton Stübe 1899, 279. 2

Religionsgeschichtliclie Versuche u. Vorarbeiten XIV, 3.

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Isidor Scheftelowitz

boten haben, pflegt ein beim Opfer fungierender Priester bei diesem Feste einen Knaben in den Armen zu halten; ein anderer Priester hält als Ersatz für das Kind, das früher geopfert worden wäre, ein Zicklein auf dem Arme, dem dann die Kehle durchschnitten wird. Das hervorströmende Blut pflegen die Heiligen mit den Händen aufzufangen und sich damit das Gesicht zu beschmieren 1 . Bei den Peruanern war das stellvertretende Opfer eines Kindes ein Lamm, das eines Erwachsenen ein ausgewachsenes Lama. Daher wurde ein solches Opferlamm bei der Opferzeremonie huahua 'Kind1 und ein Lama yuyac 'Erwachsener 1 genannt 2 . In Babylonien 1 Vgl. S. J. Curtiss, Ursemit. Religion 1903, 243 f. Nach Aitareya Brähmana VII 13—15 fleht der kinderlose König Hariscandra den Varuna um einen Sohn an, indem er ihm verspricht , ihm denselben zu opfern. Gott Varuna gewährt ihm unter dieser Bedingung den Wunsch. Nun drängt ihn der Gott, die Opferung vorzunehmen, doch er bittet ihn immer um Aufschub, bis endlich sein Sohn Rohita waffenfähig geworden ist. Nun endlich kann er ihn nicht mehr der Opferung entziehen, er ruft daher seinen Sohn und teilt ihm das Verlangen des Varuna mit. Doch sein Sohn entflieht und der Vater wird dafür von Varuna mit Wassersucht bestraft. Als dieses sein Sohn hört, schickt er sich an, heimzukehren, damit sein Vater ihn opfere und so genese. Unterwegs kauft er aber von einem Brahmanenvater den mittelsten Sohn, Sunassepa, ab, damit er als stellvertretendes Opfer diene. Varnna, von Hariscandra befragt, ob der Brahmanensohn als Ersatz für seinen Sohn dienen könne, ist damit einverstanden, da ein Brahmanensohn wertvoller als ein Königssohn sei. Der Brahmanensohn wird von seinem eigenen Vater an den Opferpfahl gebunden und sieht bereits den Opfertod vor Augen, da wendet er sich flehend an die Götter Prajäpati, Agni, Savitar, Visvadeväs, Indra, Asvinau, Usas. Diese gewähren ihm seine Bitte. Da aber Gott Varuna befriedigt werden muß, so lehren ihn diese Götter die Herstellung der Schnellpresse, mittels deren er Saft von der Somapflanze gewinnen kann, so daß er als Stellvertretung dem Varuna ein Somatrankopfer spendet. — Im offiziellen Opferkult der alten Inder wurden nur Mensch, Pferd, Rind, Schaf und Ziege geopfert (vgl. Aitareya Brähm. II 8; vgl. auch A. Hillebrandt, Ritualliteratur 1897,14). Doch schon in vorbuddhistischer Zeit war das Hühneropfer üblich, weshalb sich die buddhistischen Schriften auch gegen das Hühneropfer wenden: „Ein Opfer, bei dem keine Rinder getötet werden und nicht Schafe getötet werden, keine H ü h n e r und Schweine getötet werden und nicht allerlei Lebewesen zu Grunde gehen, ein derartiges von Gewalttat freies Opfer billige ich, nämlich das willkommene Opfer, das in fortwährendem Geben besteht" (Anguttara Nikäya II 4, 39; Neumann, Buddhistische Anthologie

1892, 132).

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C. Markham Incas of Peru2

1911, 109.

Das stellvertretende Huhnopfer

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wurde dem Krankheitsdämon, der einen Menschen schwer gefährdete, als Ersatz für den Patienten ein Opfertier angeboten. So heißt es in einem Beschwörungstexte 1 : „Das Lamm als Ersatz für einen Menschen, das Lamm hat er für sein Leben gegeben; den Kopf des Lammes hat er für den Kopf des Menschen gegeben. Den Hals des Lammes hat er für den Hals des Menschen gegeben, die Brust des Lammes hat er für die Brust des Menschen gegeben." Auch im jüdischen Volksglauben herrschte die Auffassung, daß die Dämonen als Stellvertretung eines Menschen ein Tier hinnehmen. So heißt es im Talmud: „Wenn sich jemand vor Dämonen ängstigt, so spreche er: Die Ziege im Schlachthause ist fetter als ich" 2. Weitverbreitet ist nun der Brauch, das Huhn als Ersatz für den Menschen zu verwenden. Der Malaie bringt, wenn eine Gottheit ein Menschenopfer wünscht, als Stellvertreter des Menschen einen Hahn dar 8 . Ebenso wird bei den Khasis in Indien das Hahnopfer als a Substitute for man angesehen4. Besonders wird den Dämonen als Stellvertretung für den Menschen das Huhn dargebracht. Auf das Huhn soll all das Unheil, das eigentlich dem Menschen bestimmt ist, kommen. Dieses Tier soll an seiner Stelle den Tod erleiden und hierdurch die bösen Dämonen beschwichtigen und sie so zum Verlassen der menschlichen Umgebung bewegen. In Ooorg (Indien) opfert man zur Besänftigung der Dämonen Hühner 5. In Nordindien opfert man der Waldgottheit einen Hahn oder eine Ziege oder ein Schwein, damit diese Göttin den Menschen nicht durch ein wildes Tier vernichte 8 . Die Wahehe in Ostafrika bringen besonders dunkelfarbige Hühner dar 7 . Die Opferung eines Huhnes wendet bei den Tsclieremissen ein 1 Morris Jastrow, Die Keligion Babyloniens und Assyriens 1905, I 351; Ungnad in Greßmann, Altor. Texte I 101. 2 3 Megillä 3 a, Sanhedrin 94 a. Skeat Malay Magic 72. 4 Ch. Lyall Khasis, London 1907, 117. 6 L. Rice Mysore and Coorg 1878, III 262. Ebenso wird bei den dravidiscken Stämmen die zürnende Dorfgottheit durch ein Huhn oder Schwein, eine Ziege besänftigt (W. Crooke Populär Religion . .. of Northern 6 India2 I 98). Crooke Natives of Northern India 1907. 231. 1 E. Nigman Wahehe 1908, 36. 1*

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böses Omen ab 1 . Ein Überbleibsel des Brauches, sich die Dämonen durch ein Huhnopfer gütig zu stimmen, findet sich auch im deutschen Volke, wo man dem Teufel eine schwarze Henne oder einen schwarzen Hahn opfert2. Im Harz warf man früher eine schwarze Henne oder einen schwarzen Hahn in die Bode 8 , damit der Fluß kein Menschenleben gefährde. Um die „Seele" des Baumes, der gefällt ist, zu beschwichtigen, haut der Baumfäller in Dalmatien auf dem Stumpfe des Baumes mit der Axt, mit der er den Baum gefällt hat, einer Henne den Kopf ab 4 . Der auf der Reise befindliche Galla-Neger tötet zum Schutze gegen dämonische Einflüsse ein Huhn auf dem Wege B . In Ungarn besänftigt man die Dämonen durch das Opfer eines schwarzen Hahns 8 . 1 Int. Arch. f. Ethnol. IX 158. « A. Wuttke, Deutscher Volksaberglaube» 298f. 3 W u t t k e aaO. 293. Nach masurischem Aberglauben beherbergt jeder See einen Geist, der in bestimmten Zeiträumen sich unter den Badenden ein Opfer holt und es mit sich in die Tiefe zieht (vgl. v. Negelein, Das Pferd im arischen Altertum 1903, 113 Anm. 7). In Bengalen opfert man den Flüssen Ziegen, damit sie das Land nicht mit einer Überschwemmung heimsuchen (Crooke Natives of Northern India 1907, 228). Noch im Anfange des 12. Jahrhunderts wanderten um den St. Veitstag viele Landleute des nördlichen Böhmens nach dem Riesengebirge, die Männer mit schwarzen Hähnen, die Frauen mit schwarzen Hennen nach den sieben Quellen der Elbe, wo sie die Hähne im Walde freiließen, die Hennen aber im Wasser ertränkten (A. Wuttke, Deutscher Volksaberglaube 3 293). 4 F. S. Krauss, Volksglaube und religiöser Brauch der Südslaven 1890,33. 6 S. Seligmann, Der böse Blick I 299. Im Zauber vertritt der Hahn einen Mann und die Henne ein Weib. Wird bei den Magyaren einer Maid der Geliebte untreu, so nimmt sie das Herz eines Hahnes, durchsticht es mit einer Nadel und befestigt es an einem Baume eines Berges. Dasselbe t u t der von seiner Geliebten verlassene Bursche mit dem Herzen einer Henne (v. Wlislocki, Globus 62, 278). s Hastings Encyclop. of Religion I I I 696. Zuweilen dient das Huhnopfer nicht als Substitut, sondern als eine gewöhnliche Opfergabe an eine Gottheit, die gnädig gestimmt werden soll. So werden in Nordindien der Eegengöttin fünf Hühner dargebracht (W. Crooke Natives of Northern India 1907, 232). In British Borneo schlachtet man, um von dem aufblühenden Reis böse Dämonen fernzuhalten ein Huhn, alsdann wird Wasser über das Reisfeld gesprengt (J. H. N. Evans Journ. of Boy. Anthrop. Inst, of Gr. Brit. and Ireland XLII 385). Bei den Wotiäken opfert der Jäger ein Huhn dem Waldgott mit den Worten: 'Wild schenk mir Herr des Waldes' (Buch,

Das stellvertretende Huhnopfer

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2. Das Sühnehuhn bei Krankheiten und der Geburt eines Kindes Von Dämonen besessen oder bedroht sind besonders Kranke und Wöchnerinnen. Deshalb spielt das Huhn in den auf die Heilung von Krankheiten gerichteten Zauberhandlungen eine große Eolle. Der Krankheitsdämon erhält das Huhn als Ersatz für den Menschen und soll so beschwichtigt werden1. Das Huhn leitet das vorhandene Unheil ab, weshalb man es zuweilen auf die kranke Körperstelle legt oder mit diesem Tiere über den von Dämonen besessenen Körper wischt. Die Mikirs (Assarn) und die nordindischen Stämme suchen den Krankheitsdämon durch Huhnopfer zu besänftigen2. Bei den Tiyans (Südindien) beißt ein schwangeres Weib, welches von einem blutsaugenden Dämon besessen zu sein glaubt, in einen Hahn und trinkt sein heißes Blut, wodurch der Dämon, der sich gleichsam an dem Blute des Hahnes sättigt, verschwindets. Die Globus 40, 317). Die südslavische Hausvorsteherin bringt zu Weihnachten als Opfer eine Henne dar, damit das Hausgeflügel gedeihe und sich mehre. Damit die Sommerfrucht gedeihe, maß in der Lika am Schlüsse der Frühjahrsernte auf dem Felde ein Huhn oder ein anderes Geflügel geopfert werden (Krauss, Volksglaube und religiöser Brauch der Südslaven 1890,157 f.). Im ssabischen Knlte wurde auch der Hahn verwendet (Chwolson, Die Ssabier und der Ssabismus I 298). Die dravidischen Stämme in Indien und die Litauer opfern der Erdgöttin Hühner (Crooke Pop. Religion of Northern India2 I 32; Y. Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere 8 325). Bei den Griechen wird in chthonischen Opfern häufig der Hahn verwendet (A. Abt, Apologie des Apulejus, R G W IV 2, 198). Die Arbeit von Ponlsen, Nord. Tidskr. Philol. XI 1902, worauf mich R. Wünsch gütigst aufmerksam macht, war mir leider nicht zugänglich. 1 Ist bei dem Dinka-Volke (Sudan) jemand schwerkrank, so hilft nichts mehr als das Opfer für den Krankheitsdämon (Ph. Paulitschke, Sudanländer 1885, 245). Zur Abwendung der Yiehpest werden in Rußland lebende Tiere, wie ein Hund und eine Katze, begraben (Globus Bd 79, 83; 301 f.). 2 Ch. Lyall Mikirs, London 1908, 31 f.; W. Crooke Populär Religion ... of Northern India2 I 152, 173, 284. a Vgl. Thurston Ethnographie Notes 1906, 279. In Nordindien wird das H u h n , womit der Krankheitsdämon auf Geheiß des Zauberers beschwichtigt werden soll, an der Stelle, wo der Kranke zuerst von der Krankheit befallen war, größtenteils von dem Zauberer selbst verzehrt,

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Isidor Scheftelowitz

Eingeborenen Ceylons opfern bei gefährlichen Krankheiten einen H a h n d i e Batak auf Sumatra ein weißes Huhn 2 . Auf den Philippinen wird als Stellvertretung für die kranke Person ein Hühnchen und ein Schwein geschlachtet mit den Worten: „Komm zurück, Seele des Kranken, an Stelle dieser Gaben" s . Der Medizinmann auf der Gazellehalbinsel zerschneidet zum Zweck der Heilung von Krankheiten unter Zaubersprüchen ein Huhn 4 . Ist bei den Ewe-Negern ein Kind vom „bösen Blick" getroffen, so wird auf dessen Kopf ein weißes Huhn gesetzt, welches der Zauberer hierauf tötet 5 . Die Römer suchten die Krankheitsdämonen durch schwarze Hühner zu besänftigen 6 . Bei den Balkanvölkern wird der Krankheitsdämon Mratinik durch ein schwarzes Huhn, besonders durch ein Hähnchen versöhnt, indem man es am Martinsabend mit den Worten schlachtet: „Nicht schlachten w i r dich, dich schlachtet der Mratinik". Das Fleisch des Huhnes mit Herz und Leber wird zubereitet und verzehrt 7 . Auch im deutschen Volke ist das Huhn das Opfertier bei Krankheitsfällen 8 . Im Salzburger Flachgau werden bei Erkrankungen den dortigen Wallfahrtsorten ein Hahn und eine schwarze Henne als Weiligeschenk gegeben 9 . In Oldenburg wird, wenn Kinder oder und nur Reste davon wirft er den in dem Gebüsch hausenden Dämonen vor (W. Crooke Natives of Northern India 1907, 262). 1 E. Tennent Ceylons I 541 f. Während der singhalesische Medizinmann unter wildem Hin- und Herspringen den Krankheitsdämon beschwört, schreit er: „Tötet den Hahn". Sofort wird ein solcher geschlachtet, dessen Blut auf gerösteten Reis geträufelt, der dann auf einen Altar gelegt wird. Alsdann trägt man Huhn und Reis in den Wald und legt sie dort auf einem Gerüste nieder, das mit sovielen Lampen beleuchtet ist, als Opfer darge2 bracht sind (Globus 16, 339). Janus 1907, XII 516. 3 A. E. Jenks Bontoc Igorot, Manila 1905, 200. 4 H. Schnee, Bilder aus der SUdsee 1904, 320f. 0 J. Spietb, Religion der Eweer 1911, 266. ® Plinius N. H. X 56, 77; Lenz, Zoologie der alten Griechen und Römer 1856, 337. Dem kleinasiatischen Heilgotte Men opferte man einen Hahn (Ber. d. sächs. Ges. Wiss. Leipzig 1890/91 S. 137). 7 Lübeck, Ztschr. d. Ver. f. Volksk. 1899, IX 65. 8 Vernaleken, Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich, Wien 1859, 392; Arch. f. R.-W. VII 102; Wuttke, Deutscher Volksabergl.» 37. 9 Ztschr. Ver. f. Volksk. XI 185. Im Eichsfeld wird von der Ge-

Das stellvertretende Huhnopfer

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Vieh behext sind, den Dämonen eine schwarze Henne geschlachtet 1 . Der Südslave, der von Dämonen verfolgt wird und erkrankt, kann dadurch genesen, daß er einer lebendigen Henne den Leib aufschneidet und das Herz, solange es noch warm ist, roh aufißt 2 . Der Aberglaube, daß das stellvertretende Huhn durch Auflegen auf die kranke Stelle die Krankheit ableitet, ist noch heute in Deutschland nicht ganz geschwunden. So berichtet der Stadtanzeiger der „Kölnischen Zeitung" 1911: „Greiz 22. Oktober. Was im aufgeklärten 20. Jahrhundert noch möglich ist, hat sich in dem Dorfe Hohndorf gezeigt. Dort wollte der als Wunderdoktor berüchtigte E r n s t Sperel aus Netzschkau eine geisteskranke F r a u heilen. E r nahm zwei schwarze Hühner, rupfte ihnen bei lebendigem Leibe die Bauchfedern aus, schnitt ihnen dann den Bauch auf und band sie nacheinander der F r a u noch lebend auf den Kopf, von dem man vorher hatte die Haare abschneiden müssen. Die erste Henne verendete erst eine halbe Stunde nach dem Bauchschnitt auf dem Kopf der Frau, worauf die zweite an die Keihe kam. Der hinzukommende Schwiegersohn der Geisteskranken machte dem widerlichen Schwindel ein Ende und tötete das gequälte Tier. Sperel, der schon wegen Kurpfuscherei bestraft ist, kam mit der niedrigen Strafe von vier Wochen Haft wegen Tierquälerei davon." Eine ähnliche Zeremonie kennt die jüdische Volksmedizin: wer an Fieber leidet, dem soll man eine schwarze Henne herbeibringen, sie der Breite und Länge nach zerreißen; dann soll man dem Patienten die Mitte des Kopfes abrasieren, das Huhn darauf legen und es so lange liegen lassen, bis es festklebt 3 ; alsdann gehe der Patient in ein fließendes Wasser bis zum Hals hinein und bleibe darin so lange, bis er ganz schwach geworden ist 4 . „Gegen Kopfschmerzen nehme man einen Auerhahn, schlachte meinde Wingerode jährlich ein schwarzes Huhn an einem Wallfahrtsorte geopfert, um hierdurch jedes Unheil vom Dorfe fernzuhalten (vgl. Wuttke aaO. 299). 1 A. Wuttke, Deutscher Volksaherglaube 8 284. 2 F . S. Krauß, Slayische Volksforschungen 1908, 69. 8 Über mo 'festkleben vgl. Hullin l i l a . 4 Talm. Gittin 67 b.

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Isidor Scheftelowitz

ihn mit einer silbernen Münze über der Seite, wo der Kopf schmerzt, so daß das Blut über jene Seite fließt; man nehme sich aber in acht, daß nicht das Auge erblinde. Dann hänge man den Hahn so an der Tür auf, daß der Kranke beim Hineingehen und Hinausgehen sich daran reibt" K Man pflegte zur Heilung eines von einer Schlange Gebissenen eine Henne zu zerstückeln und Lauch zu schneiden 2 . Noch um das Jahr 1870 pflegten Juden in Bruchsal bei schwerer Krankheit ein schwarzes Huhn zu schlachten 3 . Bei den galizischen Juden wird als Heilmittel gegen Fallsucht ein Hahn geschlachtet, den man verwesen läßt 4 . Weitverbreitet sind die Hühneropfer bei den primitiven Völkern zum Schutze der Frau gegen Dämonen während ihrer Schwangerschaft, in ihrem Wochenbette und ebenso zum Schutze des neugeborenen Kindes. So bringt die schwangere Frau in Indien und auf Borneo den Dämonen ein Opfer dar, um sie zu besänftigen 5 . Aus demselben Grund opfert der Garo (in Assam) für Wöchnerin und Kind ein Huhn 6 . Gleich nach der Geburt eines Kindes schlachtet der Dajak auf Borneo der Kinderdämonin Indu Rarawi ein Huhn 7 . Das neugeborene Kind erhält am vierten Tage ein Bad in einem Flusse, an dessen Ufer ebenfalls ein Huhn geopfert wird; das Blut läßt man ins Wasser fließen, wodurch die in das Wasser übergeleiteten Dämonen besänftigt werden 8 . Die Mayas in Guatemala opferten bei der Geburt eines Kindes den Göttern ein Huhn 9 . 1

Talrn. Grittin 68 b. Tosefta Sabbat XV 14. Lauch ist ein dämonenabwehrendes Mittel, vgl. S. Seligmann, Der böse Blick II 69 ff. 3 Was mir aus dortiger Gegend stammende Juden berichteten. 4 Urquell 1893, 273. 5 E. Schmidt, Liebe uud Ehe in Indien 522; Floß, Weib I ' 780. 6 Playfair Garos 1909, 99 f. In Assam opfert der Vater bei der Geburt eines Kindes dem Geiste seines Urahnen zwei Hühner; bei den Miaotse in Canton und bei den Limbu (Bengalen) opfert ein Priester den Ahnen ein Huhn (H. Ploß, Das Kind 1 3 96). 7 Sp. St. John Life in the forests of the far East 1863,1171; Grabowsky, Globus 72, 270. 8 Vgl. E. H. Gomes Seventeen Years among the Sea Dyaks of Borneo, 8 London 1911, 101. Ploß, Kind I 3 96; ders., Das Weib I I ' 412. 2

Das stellvertretende Huhnopfer

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Um den Säugling vor bösen Dämonen zu bewahren, dreht der heidnische Tschuvasch im Gouvernement Kazan den Kopf eines Huhnes ab und wirft es auf die Straße 1. Bei den meisten europäischen Völkern existierte gleichfalls der Brauch, nach der Geburt eines Kindes ein schwarzes Huhn zu opfern. „Ein schwarzes Huhn gehört heute noch in Altbayern und Österreich zum Kindtaufschmaus". Die „mithelfenden Weiber" banden im Mittelalter an die Pfosten des Wochenbettes eine schwarze Henne, auf welche all das der Wöchnerin drohende Unheil abgeleitet werden sollte 2 . Gegen diesen uralten Brauch, der auch bei den Juden existierte, wendet sich Tosefta Sabbat VII § 4. Nur dann gestatten die Rabbinen der Wöchnerin eine Henne anzubinden, „wenn sie ihr zum Hören diene". Ein Überlebsei der ehemaligen Sitte, zum Schutze des Kindes ein Huhn zu opfern, könnte in dem Backwerk enthalten sein, das in Tirol die Paten am Niklastage ihrem Patenkinde schenken; für den Knaben hat es die Form eines Hahnes, für ein Mädchen die Figur einer Henne 3 .

3. Das Huhn im Hochzeitsritual Da das Brautpaar nach dem primitiven Glauben von Dämonen bedroht ist 4 , so ist es ganz natürlich, daß auch bei der Hochzeitszeremonie ein Huhn zur Besänftigung der Dämonen getötet wird. Bei den Bodo-Kacharis werden ein Hahn und eine Henne am Hochzeitstage dargebracht 5 , während der Dajak und der Lushei-Kuki bei dieser Gelegenheit ein Huhn töten Bei der Hochzeit der Sintah auf Borneo nimmt sowohl der männliche als auch der weibliche Gast ein Huhn 1

A. Featherman Soc. History of Baces of Mankind IV 519. Vgl. M. Höfler, Ztschr. f. österreichische Volkskunde XV 85. 3 Zingerle, Sitten des Tiroler Volkes, Innsbruck 1871 Nr. 1476, Ztschr. f. Deutsch. Myth. u. Sittenkunde I 289. Über die Verwendung von Backwerk als Opfer vgl. v. Negelein, Ztschr. f. Ethnol. 1902, 62; ders., Das Pferd 1903, 135; M. Höfler, Arch. f. R.-W. XII 1909, 341 ff. 4 Vgl. Scheftelowitz, Schlingen- und Netzmotiv (EGVV XII 2) S. 52 f. 5 A. Featherman Soc. Hist. of Baces of Mankind IV 1891, 30. 9 Sp. St. John Life in the forests of the far East I 172; J. Shakespear Lushei Kuki 1912, 83. 2

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und streicht damit siebenmal über das Gesicht, worauf es getötet wird. Alsdann befestigt sich jeder eine kleine Perlenschnur als Amulett um die rechte Hand Bei den Garos in Assam nehmen die Priester während der Hochzeit einen Hahn und eine Henne, die sie dicht zusammenhalten und führen mit einem Stock einen Todesstreich gegen deren Köpfe und lassen sie dabei fallen. Liegen sie nun tot mit den Schnäbeln einander zugewandt, so ist dieses ein gutes Omen für das Brautpaar. Oder man schlägt während der Hochzeit mit der Henne den Rücken der Braut und mit dem Hahn den Rücken des Bräutigams. Dann werden die beiden Hühner zusammengehalten und in derselben Weise getötet. Ist der Schnabel der toten Henne zur Braut gerichtet und der des Hahns zum Bräutigam, so ist dieses ein glückverheißendes Zeichen 2 . Die Czechen binden bei der Hochzeit einen Hahn an einen Baum und töten ihn dann 3 . Das Huhn wird im Hochzeitsritual auch vielfach als magisches Symbol des reichen Kindersegens benutzt 4 . Bei den palästinensischen Juden war es üblich, am Hochzeitstage dem Brautpaare einen Hahn und eine Henne voranzutragen „als Symbol der Fruchtbarkeit" B . Rab Jakob Ben Möse Hallewi (um 1400 n. Chr.) erwähnt, daß in Mainz das Brautpaar gleich nach dem Trauungsakt ein Ei und ein Huhn 1

Rodney Mundy Narrative of events in Bomeo and Celebes I London 2 1848, 204. Playfair Garos, London 1909, 101. 3 A. Wuttke, Deutscher Volksaberglaube * 291. In Podlachien gehört zum Hochzeitsmahle ein Hahn. Diesen hat man, bevor man ihn schlachtet, zuvor an eine Leiter gebunden und über einen brennenden Scheiterhaufen hin- und herlaufen lassen (Mannhardt, Wald- und Feldkulte 2 I 565). Der Scheiterhaufen dient zur Abwehr der Dämonen. 4 In Griechenland und in Indien war der Hahn auch das Symbol des übermäßigen Geschlechtstriebes (vgl. Baethgen De vi ac signißcatione galli, Göttingen 1887, 37f.; Vrddhachänakya VI 18; vgl. L. H. Gray in Hastings Encyclopaedia of Religion Vol. III 694). 5 Talmud Gittin 57 a; vgl. Beräköt 57 a: „Wer im Traum einen Hahn sieht, der wird bald einen Knaben haben, wer mehrere Hähne sieht, der wird viele Knaben haben". Ein ähnlicher Glaube herrscht bei den Sundanesen. Wenn dort eine Frau von einem Huhn träumt, so wird sie bald ein Kind bekommen (Globus 44, 349).

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aßen \ Die Juden in Posen ließen einen Hahn und eine Henne über den Brautbaldachin fliegen2. In Wälschtirol trug ehemals der Brautführer bei der Hochzeit eine lebende Henne als Sinnbild der Fruchtbarkeit 3 . Bei den Friesländern schenken die Hochzeitsgäste dem Brautpaare vor allem die „Hochtlds-Hanen". „Hochzeitshahn, Brauthahn und Bräutelhuhn" sind aus dem Brauche anderer deutscher Gegenden bekannt 4 . In Westfalen wurde unter das Bett des Brautpaars ein Korb mit einem Hahn gestellt. In der westfälischen Mark prangte der Hahn an der Spitze des Brautwagens 5 . Im Oldenburgischen stickt man in das Bettlaken, das der Bräutigam von dem elterlichen Hause mitbekommt, Hähne hinein a . Dem Brautpaare wird in Polen am Hochzeitstage eine Eier legende Henne geschenkt 7 . In Morvand wird dem Brautpaare am Hochzeitstage ein Hahn geschenkt, dessen Füße der Bräutigam ißt 8 . Im Hochzeitsritual spielen noch verschiedene andere magische Fruchtbarkeitssymbole eine große Eolle. Bei der Hochzeitszeremonie auf Nias legt die Priesterin, die die Trauung vollzieht, ein kleines Kind der Braut auf den Schoß und spricht: „Möchtest du neun Söhne und neun Töchter bekommen zur Verherrlichung des Häuptlings und des Dorfes". 1

Sefer Maharil P. hilkot nissuin (Frankfurt M. 5448, Bl. 169 b). S. Winter und Wünsche, Die jüdische Litteratur 1897, II 501. s

Mitteil. d. Ges. f. jüd. Volkskunde 1898, 88; Güdemann, Gesch. d. Erziehungswesens III 1888, 123. 3

Ch. Schneller, Märchen und Sagen in Wälschtirol 1867, 241.

1

Siebs, Ztschr. Ver. f. Volkskunde III 266f.; E. H. Meyer, Deutsche Völkerkunde 1898, 183. 8 Ztschr. f. rhein. und westfäl. Volksk. 1907, 196 und 105. 6

L. Strackerjan, Aberglaube und Sage aus Oldenburg II 124, 437.

7

Dieses ist mir von Polen mitgeteilt.

8

E. Bogroz Morvand. Chäteau-Chinon 1873, 118. Als Symbol der Fruchtbarkeit wird bei dem Erntefest auf dem „Hackelmaiwagen" in Westfalen ein aus Holz oder buntem Papier gefertigter oder ein lebender Hahn mitgeführt, der meistens auf dem Erntekranz befestigt ist. Auch in Schlesien und Frankreich ist der „Erntehahn" vorhanden (W. Mannhardt, Wald- und Feldkulte 2 1904, 1 198, 206, 613).

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Darauf legt sie das Kind auf den Schoß des Bräutigams und spricht dasselbe 1. Einen noch viel größeren Platz als das Huhn nimmt der Fisch in der Fruchtbarkeitssymbolik ein, was ich bereits im Archiv für Religionswissenschaft XIY 376 ff. und 392 dargetan habe und hier noch durch neue Beispiele ergänzen willBei den portugiesischen Juden Jerusalems schreitet die Braut gleich nach der Trauung dreimal über eine Schüssel, worin zwei lebende Fische liegen, während ihr die Anwesenden den biblischen Satz zurufen: „Sei fruchtbar und vermehre dich" 2 . In Süd-Canara (Indien) geht das Brautpaar in einen Fluß oder fischreichen Teich und fängt einige Fische, die es, nachdem es die Fische geküßt hat, wieder ins Wasser wirft 8 . In Burma opfert die Braut, sobald sie das Haus ihres Gatten betreten hat, Eier und getrocknete Fische 4 . Bei den Garos in Assam ist der Fisch das Symbol des Kinderreichtums 5 . In Japan schicken die Eltern dem Brautpaare ins neue Heim eine Platte mit Fischen 6 . .Bei den Mordwinen werden zur Verlobungsfeier Brassen als Sinnbild der Fruchtbarkeit vorgesetzt 7. In den Zaubersprüchen für das gute Gedeihen der Feldfrüchte gelten Fische als Symbol der Fruchtbarkeit bei den Eingeborenen Neu-Mecklenburgs. So heißt es in dem Zauber, den man beim Setzen der Taropflänzlinge spricht: 1

J. W. Thomas, Drei Jahre in Südnias, Barmen 1892, 13. A. Featherman Soc. History of Races of Mankinä V 140, vgl. auch Zentralblatt f. Anthropologie 1907 XII, 268. In einem jüdisch-volksmedizinischen Buch (etwa aus dem Jahre 1700) heißt es: damit eine unfruchtbare Frau Kinder erlange, nehme sie einen Fisch, den man in einem andern Fisch gefunden hat und röste ihn zusammen mit dem Magen eines Hasen auf einer Pfanne, bis sie ganz vertrocknet sind, hierauf zerreibe die Frau den Fisch mit Mehl, schütte dieses ins Wasser und trinke dieses, worauf sie die Fähigkeit erlangt, zu gebären (Zakaria Plunçian Sêfer Zekira o. J„ um 1850 in Rußland gedruckt, Hëleq 2 Bl. 9 b u. 35 a). Die erste Ausgabe dieses Werkes ist Hamburg 1709. 3 E. Thurston Ethnographie Notes 1906, 78. 4 J. Nisbet Burma II 440; H. J. Wehrli, Beitrag zur Ethnologie der Chingpaw von Ober-Burma, Leiden 1904, 61. 6 Playfaire Garos 1909, 99. 8 F. M. Titsingh Cérémonies usitées au Japon pour les Marriages et les funérailles, Paris 1819, 88. ' Globus 65, 181. 2

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„Ich senke herab das Rückenstück des Tukalam-Fisches, ich senke herab das Rückenstück des Elaba-Fisches; Kugelfische sind meine Taropflänzlinge". Beim Pflanzen der Yams-Setzlinge spricht man: „Die Dugonge-Fische liegen über Kreuz, die Yams-Setzlinge werden liegen über Kreuz". Ist schon das ganze Feld mit Setzlingen bepflanzt, so spricht man zum Schluß über das ganze Feld noch folgende Zauberformel: „Der Kopf des Riesenfisches, der Rumpf des Riesenfisches, der Schwanz des Riesenfisches, eine Schar Delphine, eine Schar Delphine soll beständig in meiner Pflanzung sein" Nach südamerikanischem Glauben befruchtet der Fisch, unmittelbar als Speise genommen. Die Fischfigur wird bei den südamerikanischen Waldindianern zum Fruchtbarkeitszauber benutzt 2 . Schließlich kommen auch Körner und Nüsse als Fruchtbarkeitssymbole in der Hochzeitszeremonie vor. In Kikun (Indien) werden Braut und Bräutigam mit Reis bestreut, dann läßt eine alte Frau eine Henne mit den Füßen sie über die Köpfe des Brautpaars kratzen und unter Segenswünschen ein wenig vom Reis essen 3 . Hierdurch geht zugleich alles Unheil auf das stellvertretende Huhn über. Reis oder geröstetes Korn wird in ganz Indien auf das Brautpaar geworfen 4 . Bei den Südras im Nellore-Distrikt werden die Reiskörner, womit das Brautpaar beworfen wird, zuvor noch rot gefärbt, damit hierdurch das Brautpaar gleichzeitig gegen 1 P. G. Peekel, Religion und Zauberei aus dem mittleren NeuMecklenburg, Münster 1910, 92. Das indische Märchen, nach welchem der Genuß von Fischen bei weiblichen Wesen Schwangerschaft hervorruft (vgl. Scheftelowitz, Arch. f. K.-W. XIV 392), ist ins Slavische (L. Frobenius, Zeitalter des Sonnengottes 1904, 256 f.), Lettische (V. v. Andrejanoff, Lettische Märchen 21 f.), Isländische (Frobenius aaO. 257), Dänische (Svend Grundtvig, Dänische Volksmärchen, Leipzig 1878/79,1 279) und ins Deutsche eingedrungen (Ch. Schneller, Märchen und Sagen im Wälschtirol 1867, 80; Zingerle, Märchen I Nr. 25 und S. 217). 2 Eunike, Anthropos VII 1912, 226 u. 208 ff. 3 K. Schmidt, Liebe und Ehe in Indien 417. 4 E. Schmidt aaO. 401, 417; Winternitz, Das altindische Hochzeitsrituell 1892, 75f.; Wiener Ztschr. f. IL Morgenl. XX 293; Crooke Populär Religion of Northern India II 1896, 26 u. 188; derselbe Natives of Northern India 1907, 211, 213; E. Thurston Ethnographie Notes 1906, 72, 78 f.

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den bösen Blick gefeit ist 1 . Die Bataks, die Eingeborenen Borneos und der Sunda-Inseln, ferner die Siamesen und Iren bestreuen das Brautpaar mit Reis 2 . Als Symbol des Kinderreichtums und des Glücks bewerfen die Shans das Brautpaar mit gekochten Reiskörnern8. Im alten Indien muß die kinderlose Frau zur Erlangung von männlicher Nachkommenschaft ein Gerstenkorn essen 4 . Bei den Juden werden seit ältester Zeit einem Brautpaare geröstete Körner gestreut B . In ganz West- und Siiddeutschland ist es noch heute jüdischer Volksbrauch Weizenkörner über die Köpfe des Brautpaars zu streuen 6 , während die Juden im Osten zu diesem Zwecke gewöhnlich Gerste nehmen. Die Türken streuen, während der Hochzeitszug das Haus des Bräutigams erreicht, Gerste mit Zucker. „Die Gerste soll Fruchtbarkeit bedeuten" 7. Bei den Japanern wird in dem neuen Heim des Brautpaars eine Schüssel mit Eeis pyramidenförmig aufgehäuft 8 . Bei den Slovenen reicht die Schwiegermutter der Braut einen Korb voll Getreide, dessen Inhalt die Braut mit voller Hand über sich wirft 9 . In Rußland und Deutschland ist es üblich, das Brautpaar mit Getreidekörnern zu bewerfen 10 . In Rumänien werden den Neuvermählten Weizenkörner auf das Haupt gestreut 11 . 1

Thurston aaO. 101. R. Schmidt aaO. 418; J. Elbert, Sunda-Expedition 1911, 108; Globus 42, 28; Wood-Martin Traces of the elder faiths of Ireland II 39. 3 L. Milne Shans at home, London 1910, 59; E. Young Kingdom of the yellow Robe 1900, 35. 4 Hiranyakesin Grhya II 2, 2, 3; Asval. Gr. I 13, 2. Nach einer indischen und schottischen Sage werden durch den Genuß von Gerstenkörnern weibliche Wesen befruchtet (vgl. v. Negelein, Das Pferd im arischen Alter6 tum 1903, 12f.). Ketuböt 15b, Semähöt c. 8, Beräköt 50b. 6 Auch der im 14. Jhdt. zu Kegensburg lebende Ii. Jakob Ben Mose Hallewi erwähnt in seinem Sefer Maharil, P. hilköt nissuin (Frankfurt M. 5448 Bl. 168 b), daß man das Brautpaar unmittelbar vor der Trauung mit Weizen zu bewerfen pflegte. Man nennt diesen Brauch „Manen" oder „Manführen". Zur Etymologie dieses Wortes vgl. M. Güdemann, Gesch. d. Erziehungswesens III 1888, 120 f. ' Ztschr. Yer. Yolksk. IV 271. 8 F. M. Titsingh aaO. 80 und 89. 9 Keinsberg-Düringsfeld, Hochzeitsbuch S. 88. 10 P. Sartori, Sitte und Brauch I 91; Ztschr. Ver. f. Volksk. XIV 382. 11 Globus 55, 61. In England wird auf den Kopf der Bra,ut, wenn sie 2

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In Böhmen und Schlesien ist es alter Brauch, das Brautpaar mit Graupen und Erbsen zu bewerfen, damit sie fruchtbar seien \ Das Beschütten des Brautpaars mit Körnern war auch in Griechenland und in Rom üblich 2 . Die Annahme E. Samters, daß die über die Neuvermählten ausgeschütteten Körner eine Opfergabe bedeuten, ist somit unhaltbar. An Stelle der Körner werden in manchen Gegenden Nüsse verwendet, denn wegen der Fruchtbarkeit des Nußbaumes sind Nüsse ein Symbol der Fruchtbarkeit. Daher streuten die Römer bei den Festen der Cerealien und Saturnalien Nüsse aus 3 , und deshalb setzt man als Symbol der Fruchtbarkeit im Münsterlande auf das letzte Erntefuder einen Nußbaumstrauch, der voll von Nüssen hängt 4 . „Nüsse knacken" war im deutschen Yolksbrauch ein Euphemismus für 'Zeugung1. „Wenn's viele Nüsse gibt" — heißt es — „gibt es viele Kinder der Liebe" B . In der Altmark werden Nüsse und Äpfel während des Hochzeitszuges ausgeworfen 6 ; ebenso werden im Boldecker und Knesebecker Lande am Hochzeitstage Nüsse und Äpfel unter die zuschauende Menge geworfen 7. Während der römischen Hochzeitsfeierlichkeit wurden an die Knaben vom Bräutigam Nüsse ausgeteilt 8 . Bei den slavischen Juden ist es üblich, den Bräutigam am letzten Sabbat vor seiner Hochzeit mit Nüssen und Mandeln zu bewerfen®. Im Bismarck-Archipel werden der Braut Betelnüsse vorgesetzt 10 . Bei den Mordwinen wird das Brautpaar von der Kirche kommt, Weizen geworfen (Crooke Pop. Religion of North. India II 26). 1 A. Wuttke, Deutscher Volksaberglaube s 374. E. Samter, Familienfeste der Griechen und Eömer S. 1 ff.; Plinias H. N. X V 24; Catull. 59, 131. S. auch B. Samter, Geburt, Hochzeit und 3 Tod 171 ff. Festus, s. v. nuces missi; Martial V 85; Persius I 10. 1 W. Mannhardt, Wald- und Feldkulte 2 I 199. * Mannhardt aaO. I 184. 6 A. Kuhn, 5. Jahresher. des Altmärk. Ver. S. 118 ff. Das kaschubische Hochzeitspaar streut am Hochzeitstage Nüsse an die Kinder aus (Globus 7 70, 284). Ztschr. Ver. Volksk. VI 365. 9 A. Koßbach, Die römische Ehe 347. 0 Jishaq Lipiec Sefer Mateamim, Warschau 1891, 33. 10 E. Tappenbeck, Deutsch-Neuguinea 1901, 88.

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als Symbol des Kinderreichtums mit Hopfen überschüttet auch die slavischen Juden werfen bei dieser Gelegenheit vielfach Hopfen statt der Weizenkörner über dasselbe 2 . Bei den alten Mexikanern galt es als gutes Vorzeichen für das neuvermählte Brautpaar, wenn im Brautgemach Mais- oder andere Samenkörner lagen 3 .

4. Huhnopfer beim Todesfall Dem Verstorbenen wird ein Huhnopfer dargebracht, damit er nicht die Lebenden heimsuche 4 . Sehr häufig ist aber das Huhn den Totendämonen geweiht, damit sie sowohl die abgeschiedene Seele als auch die Lebenden, die in Berührung mit dem Toten gekommen sind, unbehelligt lassen. Um die im Hause umherwandelnde Seele eines Verstorbenen zu beschwichtigen, drückt man in Loango ein schwarzes oder weißes Huhn in alle Ecken und Winkel des Hauses, dann wird es geschlachtet und verzehrt 5 . In Ehodesia wird nach dem Be1

Globus 65, 182. Sefer Taäme Hamminhägim, Lemberg 1896, 62 b. Bei den lateinischen Christen in Sidon und bei den Bewohnern des Libanon befestigt die Braut als Symbol der Fruchtbarkeit, wenn sie zum erstenmal ins Haus ihres Bräutigams geführt wird, über der Tür einen Granatapfel (Globus 52, 80). 3 Globus 27, 300. 4 Im alten Ägypten werden den Toten am Grabe Opfer dargebracht, bestehend in Ochsen, Widdern, Gazellen und Gänsen (B. Poertner, Die ägyptischen Totenstelen 1911, 35, 51). In Madagaskar werden bei einem Begräbnis Ochsen geopfert. Mit dem Blut und Fett der Opfertiere beschmiert man die Grabsteine als Opfer für die abgeschiedenen Seelen (J. Sibree Madagascar 1870, 257, 389). Zur Begütigung und Verscheuchung der Totengeister opfert der Kakhyen (Indien) nach einem Begräbnis zwei Schweine und Büffel, deren Schädel auf Stangen rund um das Grab befestigt werden (J. Anderson Report on the Exped. to Western Yunan, Calcutta 1871, 130). Ebenso legen die Lushei Kuki, die Kirgisen, Samojeden und Ostjaken die Schädel der bei der Beerdigung den Toten geopferten Tiere am Grabe nieder (J. Shakespear Lushei Kuki 1912, 85 ; F. v. Schwarz, 2

Turkestan 1900, 60; Th. Preuß, Die Begräbnisarten der Amerikaner und Nordostasiaten 1894, 83). Die Eingeborenen der Banks-Inseln opfern bei einem Begräbnis dem Toten Schweine (Globus 40, 379). Die Germanen haben als Totenopfer über dem Grabe Pferde, Rinder, Schweine, Hühner geschlachtet (G. Grupp, Kultur der alten Kelten und Germanen 1905, 265). 6 E. Pechuel-Loesche, Volkskunde von Loango 1907, 309.

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gräbnis vor der Hütte des Verstorbenen ein Feuer angezündet, dann wird ein Huhn an den Türpfosten getötet, während die Formel rezitiert wird: „Wenn der Tod unseres Freundes von dem Innern des Hauses (nämlich von seinen Frauen) herrührt, so tritt hinein, wenn aber nicht, so bleib draußen". Das Huhn wird hierauf gebraten, und die Männer und Frauen streichen die angebrannten Federn über ihren Körper1. Durch dieses Streichen werden sämtliche schädlichen Einflüsse des Toten entfernt. In Nordindien wird ein Toter, der die Überlebenden mit Krankheiten heimsucht, dadurch beschwichtigt, daß dessen Grab geöffnet wird und ein Huhn, nachdem es zuvor getötet ist, auf den Leichnam gelegt wird, worauf das Grab wieder geschlossen wird 2 . Stirbt jemand in Mysore (Indien) an den beiden Unglückstagen Dienstag oder Freitag, so muß man an die Totenbahre ein Huhn anbinden und es zusammen mit dem Toten bestatten, denn sonst stirbt bald noch ein anderer Angehöriger s . Verscheidet ein Hindu am Samstag, so ist dieses ein Zeichen für die lebenden Verwandten, daß einer von ihnen noch im selben Jahre sterben werde. Nur dadurch kann dieses zunichte gemacht werden, daß als Substitut ein Huhn bzw. Widder oder Ziegenbock lebendig verbrannt wird *•. Die Abengs (Assam) binden an den Leichnam ein junges Huhn 5 . Die Santals (Bengalen) nageln an den Scheiterhaufen, worauf der Leichnam verbrannt wird, einen Hahn fest 6 . Auf dem Nikobaren-Archipel bindet man auf die Brust eines Leichnams ein lebendes Huhn und begräbt so die Leiche mit dem schreienden Huhne7. Das slavische Sühnopfer für einen Lebenden gegenüber der Todesgöttin, die sich ein Opfer holen will, besteht in der Tötung eines Hahnes oder einer Henne oder eines Küchleins. Wenn in einem Hause häufige Kindersterbefälle vorkommen, so schlägt der Hausvorstand, während der 1

C. Gouldsbury und H. Sheane Northern Rhodesia, London 1911, 184. Crooke Pop. Religion of North. India2 I 144. 3 Thurston Ethnographic Notes in Southern India 1906, 279 f. 1 J. A. Dubois Hindu Manners and Customs, Oxford 1899, 505. 6 Playfair Garos 1909, 106. 6 W. W. Hunter Annals of Rural Bengal 7, London 1897, 209. ' Int. Arch. f. Ethn. VI 2. 2

Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XIV, 3.

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Geistliche in der Stube den zuletzt Verstorbenen einsegnet, mit einer Axt auf der Türschwelle einem Huhn oder Küchlein den Kopf ab und begräbt den Kopf unter der Schwelle, damit der Geistliche, die Stube verlassend, darüber hinwegschreite. In Topusko (Kroatien) pflegen die Katholiken gleich nach dem Hinaustragen eines Toten eine schwarze Henne als Opfer zu schlachten. Das Fleisch wird vergraben oder verschenkt, nur die ärmsten Leute verwenden es zum Trauermahle1. Hahn und Henne wurden nach dem Berichte des arabischen Schriftstellers Ibn-Fozlan von den heidnischen Küssen als Totenopfer dargebracht2. Die Tscheremissen und die Letten opfern bei Beginn des Leichenbegängnisses einen Hahn Bei den Esthen wird, wenn die Leiche aus dem Hause geschafft und auf den Leichenwagen gesetzt ist, hinter diesem Wagen ein Huhn mit einer Axt getötet, damit der Tote nicht zurückkehre und die Lebenden heimsuche4. Auf der kurischen Nehrung schlachtet man gleich nach dem Tode eines Mannes ein Huhn oder Schaf, damit „der Segen im Hause bleibe" 5. Auch in Deutschland opfert man dem Toten ein Huhn 6 . Zur Besänftigung und Verscheuchung der Totendämonen wird das Huhn besonders bei den Dajaks auf Borneo angewendet. Wird ein Grab gegraben, so sucht man zunächst die unterirdischen Totendämonen dadurch zu beschwichtigen, daß man ein Huhn schlachtet, dessen Blut man teils auf das Grab, teils auf die Füße des Leichnams sprengt'. Außerdem benetzen sich mit diesem Blute alle Teilnehmer des Begräb1 F. S. Krauß, Volksglaube und relig. Brauch der Südslaven 1890,154; Ztschr. Ver. Volksk. I 157. * 0. Schräder, Keallexicon d. indogerm. Altertumsk. 324. Die Russen unter Sviatoslav brachten nächtliche Totenopfer bei Dorostolum am Ister, indem sie Hähne und Säuglinge erwürgten und sie dann in die Wogen des Stromes versenkten (Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere 6 1894, 326). » Int. Arch. f. Ethn. 9, 158; Globus 82, 368. 4 A. Featherman Soc. Hist. of Races of Mankind IV 492. 6 Globus 82, 291. 6 Vernaleken, Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich 1859, 301; Wuttke, Deutscher Volksaberglaube 3 299 f. 7 H. Ling Koth Natives of Sarawak I 1896, 139; Sp. St. John Life in the forests of the far East 1863, I 68.

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liisses, wodurch sowohl der Tote als auch sie gegen die Nachstellungen der unheilvollen Dämonen gefeit sind 1 . Nach der Rückkehr vom Begräbnis schlachtet der Dajak zur Reinigung des Hauses des Verstorbenen Hühner und bestreicht mit deren Blute die Pfosten des Hauses, um es hierdurch vor den Totengeistern zu s c h ü t z e n D i e Khasis opfern bei der Leichenbestattung einen Hahn in dem Glauben, daß er dem Toten einen Pfad zum Jenseits bahnen werde 8 . Wenn nun Sokrates wünscht, daß dem Asklepios nach seinem Tode ein Hahn geopfert werde 4 , so kann hier gleichfalls die Idee zugrunde liegen, daß Asklepios als chthonischer Gott 5 hierdurch beschwichtigt werde, die Seele des Dahingeschiedenen nicht heimzusuchen. Diese Anordnung des Sokrates könnte aber auch eine Dankbarkeitsbezeigung gegenüber dem Asklepios ausdrücken, weil er ihm einen schnellen, schmerzlosen Tod zugefügt habe. Denn dieser Gott vermag auch einen Menschen an einer jämmerlichen und langwierigen Krankheit dahinsiechen zu lassen und ihn so zu töten®. 1 Vgl. E. H. Gomes Seventeen Years among the Sea Dyaks 136. Die Eingeborenen von Borneo und Celebes bewerfen den Kopf oder Körper einer Person, die am Begräbnis teilgenommen hat und daher vom Totengeist besessen ist, mit Reis. Ein Huhn wird dann herbeigebracht, das den Reis von dem Körper der Person aufpicken soll, wodurch der böse Geist auf das Huhn übertragen wird, das ihm statt des Menschen als Opfer überlassen ist (J. G. Frazer Golden Bough3 P. I I : Taboo 1911, 106). Ist ein Chewsure tödlich verunglückt, so schlachten dessen Angehörige dem bösen Geiste, der den Tod verursacht hat, ein Zicklein und lassen es am Orte, wo es geschlachtet worden ist, liegen, wobei sie sprechen: „Das ist für dich, unreiner Geist, gib uns die Seele des Verstorbenen zurück" (v. Hahn, Globus 76, 209). 2 Grabowsky, Der Tod bei den Dajaken, Intern. Arch. f. Ethn. 1899, 182. 3 Ch. Lyall Khasis, London 1907, 132. In China wird bei einem Leichenbegängnis die Figur eines Hahnes vorangetragen (Scheftelowitz, Arch. f. R.-W. XIV 23 Anm. 3). * Vgl. Plato Phaedon 118 a. 6 Vgl. 0. Gruppe, Gr. Myth. 1906, 1444 f. e Cicero De natura deorum III 35.

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5. Huhnopfer bei der Grundsteinlegung oder Einweihung eines neuen Hauses Sehr verbreitet sind Hühneropfer in Verbindung mit der Grundsteinlegung von Bauten und mit der Einweihung eines neuen Hauses. Hier bilden sie ein Substitut für ehemalige Menschenopfer1. Ein neues Haus wird für gefährlich angesehen, da ein ehemals unbewohnter Platz der Aufenthalt von Dämonen ist, die den Eindringlingen zürnen und daher versöhnt werden sollen. Daher wird in Java der Boden, auf dem zum erstenmal ein Haus errichtet wird, durch Zaubermittel von den bösen Geistern befreit 2 . Beispiele dafür, daß auch bei afrikanischen und europäischen Völkern ein neuerrichtetes Haus von den Dämonen befreit werden mußte, finden sich weiter unten in Abschnitt 11. Nach jüdischem Volksglauben soll man nicht in einem einsam stehenden Haus schlafen „wegen der Lilit" und in kein zerfallenes Haus hineingehen, weil sich dort schädigende Geister aufhalten 4 . Auf öden Plätzen halten sich Dämonen auf 5 . Nach altchristlicher Auffassung wohnen die Dämonen in öden Gegenden, Euinen und auf Gräbern®. Derselbe Glaube herrscht z. B. bei den Rutenen 7 , Babyloniern 8 , Arabern 9 , Indern 10 , Chinesen 11 und den Eingeborenen Zentralbrasiliens 12 . An Stelle eines Menschenlebens, das sich die Dämonen für ihre Vertreibung als Opfer ausersehen, ist das Huhn getreten. An der Westküste Südindiens wird bei dem Bau eines neuen Hauses ein Huhn oder ein Lamm geopfert, um die bösen Geister, die bisher auf diesem leeren Platze gehaust 1 Vgl. Westermark, Ursprung und Entwicklung der Ethik I 1907, 384f.; Krauß, Bauopfer bei den Südslaven 1888. 2 Globus 77, 214. 3 Talmud Sabbat 151. 5 Vgl. Jes. 13, 21. * Talmud Beräköt 3. 8 J . Tambornino De antiquorum daemonismo, RGYV VII 3, 99. ' Globus 73, 243. 8 0 . Weber, Dämonenbeschwörung bei den Assyrern und Babyloniern 9 Thompson Semitic Magic 90. 1906, 11. 1 0 Crooke Pop. Bei of North. India * I 278. 1 1 J. J . M. de Groot Religious System of China II 378; VI 687, 942. " v. d. Steinen, Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens 1894, 556.

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haben, zu b e s ä n f t i g e n D a s Bauopfer in Borneo besteht gewöhnlich in einem Huhn oder einem Hund, die lebendig zermalmt werden 2 . Hatte der heidnische Araber ein neues Haus gebaut, so brachte er den Dämonen ein Opfer dar; auf diese Weise glaubte er, daß seine Familie in dem neuen Heim von den bösen Ginnen nicht geschädigt würde®. Im heutigen Griechenland töten die Maurer bei der Fundamentlegung einen Hahn oder Bock oder Hammel, dessen Blut sie unter dem ersten Stein, den sie setzen, vergraben4. In Deutschland hat man bei der Grundsteinlegung als Sühnopfer besonders schwarze Hühner oder Hunde und Katzen eingemauert und mit deren Blut den Grundstein beträufelt 6 . In Ostpreußen schlachtet man vor dem Beziehen eines neuen Hauses ein Huhn oder ein anderes Tier und trägt es durch alle Räume®. In Waidhofen (Niederösterreich) hat man einen Hahn eingemauert g e f u n d e n I n Salzburg wurde bei der Fundamentlegung eine Henne eingemauert8. Im Kanton Boos bei Rouen tötet man, bevor man ein neues Haus bezieht, einen Hahn und betröpfelt mit dessen Blute die Schwelle. Bevor man in Saintonge und Aunis irgendein Tier in einen neugebauten Stall führt, tötet man dort ein schwarzes Huhn, mit dessen Blut man die Mauern bespritzt 9 . Bei den slavischen Juden findet sich vereinzelt der Brauch, daß man vor Beziehung eines neuen Hauses, das an einem bisher öde gelegenen Platze aufgebaut wurde, darin „einen Hahn und eine Henne einquartiert und sie dann schlachtet" 10. Diese Sitte haben sie von der slavischen Umgebung angenommen. In 1

E. Thurston Ethnogr. Notes of Southern India 300. Juynboll, Arch. f. E.-W. XII 140. 3 E. Schwally, Semitische Kriegsaltertümer 1901, 92. 4 G. Hock, Griech. Weihegebräuche 1905, 81; S. Seligmann, Der böse Blick II 291. 5 Ztschr. f. Ethnol. 1898, 21 f.; G. Grupp, Kulturgesch. d. Mittelalterg2 6 1912, 46. A. Wuttke, Deutscher Volksabergl.3 301. 9 ' Seligmann, Der böse Blick II 285. Urquell 1898, 230. 9 Seligmann, Der böse Blick II 217. 10 Urquell 1894, 158. An vereinzelten Orten des Rheinlands war bei den Juden ehemals üblich, bei der Anlegung eines neuen Friedhofs zuerst ein Huhn zu schlachten und es dort zu begraben. 2

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Rußland begeben sich der Hausvater und seine Frau heimlich an den auserlesenen Platz, auf dem ein Haus errichtet werden soll, hauen dort einem Hahn den Kopf ab und vergraben ihn an der Stelle, wo die vordere Ecke des neuen Hauses stehen soll 1 . Im Gouvernement Kur haut man einem Huhn auf der Schwelle des neuen Hauses den Kopf ab und vergräbt denselben unter der Hauptecke 2 . In Slavonien wird unter dem Grundstein eines Hauses oft ein lebender Hahn vergraben. Der Bauer meint, daß dann der Bau nicht einstürze. Bei den Bulgaren soll es üblich gewesen sein, in ein neues Gebäude einen Hahn oder ein Lamm einzumauern. Beim Umbau der über 600 Jahre alten Klosterkirche zu Banja in Bosnien fand man unter der Kirchenschwelle das Skelett eines Huhnes s . Die Albanesen legen Hühner in den Grundbau

6. Der Kreis und die schwingende Bewegung als Apotropäum Das stellvertretende Sühnehuhn, das eigentlich zur Besänftigung der Dämonen dient, ist häufig mit einer apotropäischen Zeremonie verbunden, indem man entweder mit dem Huhn einen Kreis um die von Dämonen bedrängte Stelle bzw. Person beschreibt oder mit dem Huhn darüber schwingende Bewegungen macht oder mit dem Blute des geschlachteten Huhnes die gefährdete Stelle oder Person besprengt. Die Anschauung, daß der Kreis die Dämonen abwehrt, ist weit verbreitet. Dieser Brauch herrscht besonders in Indien 5 . Zur Fernhaltung der schädigenden Totengeister wird um das Totenopfer ein Feuerbrand im Kreise herumbewegt6. Um die unheilvolle Wirkung einer Zauberpuppe, die ein Feind gegen einen Menschen verwendet hat, abzuwehren, umgießt derjenige, gegen den dieser Zauber gerichtet ist, 1 8 Globus 50, 299. Globus 50, 312. ' F. S. Krauß, Volksglaube und relig. Brauch der Südslaven 1890, 160. * E. Andree, Globus 36, 237. * Vgl. R. Pischel, Zu Petronius Satirae 62 in den Philol. Abhandlungen M. Hertz zum 70. Geburtstage dargebracht, Berlin 1888, 69ff.; Crooke Pop. Religion of Northern India2 II 42. « Kaus. Sütra 87, 30.

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mittels eines Löffels „dreimal mit nicht flüssiger, gerührter Milch von einer ein gleichfarbiges Kalb ernährenden Kuh die Fußknöchel der Zauberpuppe" \ Wenn jemand von einer Krähe berührt ist, so trägt der Brahmane dreimal um ihn einen Feuerbrand herum 2 . Auf diese Weise ist das drohende Unheil, das von der Krähe kommt, beseitigt. Wer böse Omina zunichte machen will, trägt nachts dreimal um seine Wohnung einen Feuerbrand herum, oder führt eiue Kuh dreimal um seine Wohnung herum 3 . Um das Gedeihen der Kühe zu erwirken, geht man dreimal um die Kühe herum, indem man mit einem Zweig geweihtes Wasser sprengt 4 . Um Eintracht im Dorfe herzustellen, trägt man einen mit Wasser gefüllten Krug, Worin man die Neigen von dargebrachten Butterspenden gelegt hat, dreimal um das Dorf herum und gießt ihn in der Mitte des Dorfes aus 5 . Ein Kreis wird rund um ein Haus oder ein Dorf gezogen, um die Cholera oder andere Epidemien fernzuhalten. Alljährlich wird um ein Dorf ein solcher Kreis gezogen, der gegen das Eindringen der Dämonen schützt 8 . Wenn eine Mutter ihr Kind von einem fremden Dorf heimführt, schwingt sie zunächst sieben kleine Steine rings um dessen Haupt, die sie dann nach verschiedenen Eichtungen fortwirft. Auf diese Weise hat sie den „bösen Blick", von dem das Kind getroffen ist, unschädlich gemacht. Um den Kopf der Wöchnerin werden zwei oder drei Tage nach ihrer Niederkunft Senfkörner und Dill geschwungen und dann ins Feuer geworfen 7. Um den Einfluß des bösen Blicks abzuwenden, schwenkt man Erde um die Person 1

Kaus. S. 39, 13; Caland, Altind. Zauberritual 134. Kaus. S. 46, 48, Caland aaO. 155 f. Wenn in Jälandhar (Nordindien) ein Tier krank ist, so gehen Frauen nackend rings um dasselbe, in der Hand brennendes Stroh haltend (Crooke Pop. Religion of North. India2 171). 3 Kaus. S. 46, 8; Caland aaO. 151. Die Kuh mit ihren Hörnern stößt die Dämonen weg, vgl. Arch. f. R.-W. XIV 477 f. 4 Kaus. S. 23, 13; Caland aaO. 61. 6 Kaus. S. 12, 6; Caland 23. 9 Religion1 Crooke Natu es of Northern India 1907, 259; derselbe Pop. I 103, 142. Um die Getreidehaufen vor dämonischen Einflüssen zu bewahren, macht man in Slirzapur um dieselben einen Kreis aus Körnern 7 (Crooke Pop. Religion2 II 41). Crooke Pop. Religion* I I 2 4 - 2 5 . 2

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oder um den Gegenstand, den man schützen will, im Kreise herum \ Mit einem Tuche bedeckt eine Frau das Gesicht einer durch den „bösen Blick" erkrankten Person und beschreibt über den Kopf derselben mit ihrer rechten Hand, die mit Salz und Senf angefüllt ist, sieben Kreise in der Luft, dann wirft sie das Salz und den Senf ins Feuer 2 . Zur Abwehr von dämonischen Einflüssen schwenkt man eine mit Milch gefüllte Bronzetasse und eine mit gekochten Speisen versehene Untertasse siebenmal rings um das Haupt des Behexten und ebenso von links nach rechts und entleert den Inhalt auf einem Kreuzwege 3 . Namentlich bei Hochzeiten schwingt man allerhand Gegenstände wie Lampen, Wassergefäße, Reiskolben, Getreidekörner, Reißstößel und Schleifsteine um den Kopf des von den Dämonen gefährdeten Brautpaares Im Königreich Audh schwingt man zum Schutz gegen den bösen Blick abends um den Kopf eines Kindes Schoten von rotem Pfeffer 6 . In Konkan löst man Salz in Wasser auf und schwenkt diese Mischung um den Kopf des Patienten herum Die Paharis (Himalaja) führen um einen Schwerkranken ein Schaf oder eine Ziege herum und opfern dann dieses Tier dem Krankheitsdämon 7. Um ein infolge eines bösen Blicks erkranktes Kind zu heilen, wird in Malabar ein noch ungebrauchter Besen ins Feuer gehalten und dann einigemal rund um das Kind geschwenkt. Mit der Asche des angebrannten Besens macht die Mutter ein Zeichen an der Stirn des Kindes 8. Zur Heilung einer Wunde beschreibt der 1

Seligmann, Der böse Blick II 39. 3 Seligmann aaO. I 331. Seligmann aaO. I 282. 4 W. Crooke Populär religion of Northern India2 II 24; derselbe Natives of Northern India 1907, 210. Auch Salz wird zu diesem Zwecke um die Köpfe des Brautpaares geschwenkt (Crook Pop. Religion2 II 23). In Khändesh wird um das Haupt des Bräutigams, wenn er das Haus der Braut betritt, ein Stück Brot geschwungen und dann fortgeworfen (Crooke 6 aaO. II 26). Seligmann II 255. 6 Seligmann I 278. 7 C. F. Gordon-Cumming Himalayas and Indian Plains 359. 8 Thurston Ethnogr. Notes in Southern India 256. Der Besen ist ein apotropäisches Mittel, vgl. E. Samter, Geburt, Hochzeit und Tod 1911, 35ff. Der Priester der Eweer fegt mit einem Besen das Unheil vom Körper 2

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Burmese einen Kreis um dieselbe \ Derselbe Brauch herrschte bei den Juden in Siegburg (Rheinland): wenn ein Kind sich verbrannt hatte, so beschrieb eine alte Jüdin einen Kreis um die Brandwunde, wobei sie ein Gebet sprach". Magische Kreise spielen auch im assyrischen Zauberritual eine Rolle 3 . In Tunis tätowiert man Kindern Kreise als Schutzmittel gegen den bösen Blick ein 4. Bei den marokkanischen Juden verschließt der Vater nach der Geburt eines Knaben in den ersten acht Tagen allabendlich sorgfältig die Türen, liest in Gegenwart der nächsten Verwandten, die sich im Zimmer der Wöchnerin versammelt haben, mehrere Stunden lang aus der Bibel vor, dann zieht er mit der Spitze eines Degens einen Kreis um das Bett, in dem sich Mutter und Kind befinden. Nachdem die Verwandten das Zimmer verlassen haben, wird der Degen neben das Kind gelegt 5 . In Karlsruhe pflegte man ehemals, nachdem das neugeborene Kind abends ins Bett der Wöchnerin gelegt war, um dasHaupt derWöchnerin und des Kindes ein Messer im Kreise herumzuschwingen mit den Worten: „Ich bekreise dich Kindbetterin und dein Kindbetterkind, | Wieviel Sterne über'm Dach, | Soviel Malochim („Engel") soll'n sein wach; ^ U'ip ^ny-it^i? („auf deine Hilfe hoffen wir, Gott")." Diesen Brauch nannte man „Bekreisen" 6. Bei den slavischen Juden ist es üblich, zum Schutze einer Wöchnerin gegen böse Geister an den Wänden des Schlafzimmers mit einer Kohle der Leute weg (J. Spieth, Religion der Eweer 1911, 42). In der Südsee fungiert der Wedel als Zaubergerät und Amulett (Foy, Arch. f. R.-W. XV 490). 1 J. Nisbet Burma II 163. 2 Mitgeteilt von Herrn S. Linz in Köln, der aus Siegburg stammt. 3 Thompson Semilic Magic LYII f., 165, 201, 207; H. Zimmern, Ztschr. 4 f. Assyriologie 1913, 78. H. Ploß, Das Kind I« 138. 5 Seligmann aaO. II 339. Ein ähnlicher Brauch herrschte auch sonst bei den Juden: man legte ein Schwert zu Häupten der Wöchnerin, und dieses Schwert wurde 30 Tage lang in jeder Nacht einmal rings um das Bett, an den Wänden und auf der Erde herumgeschwenkt (vgl. E. Samter, Geburt, Hochzeit und Tod 1911, 48). 6 Mitgeteilt von Frau Abr. Dünner, Köln, geborene Wormser aus Karlsruhe. In Hessen machten ehemals die Juden um die Wöchnerin mit einer Schnur einen Kreis und behängten ihn noch mit Amuletten (mitgeteilt von Familie Birnbaum in Fulda).

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oder mit Natron Kreise zu machen, innerhalb deren die Worte geschrieben werden rvW yin mm m x („Adam und Eva außer der Dämonin Lilit"). An die Tür des Schlafzimmers schreibt man die Namen folgender drei E n g e l 1 : rp^DDi 'UDJDi •>ud. Der Talmud berichtet, daß der Wundertäter Honi deshalb den Beinamen „Kreiszieher" hatte, weil er, wenn er mit Erfolg Regen herabflehte, zuerst auf der Erde einen Kreis gezogen hatte, innerhalb dessen er sich beim Gebet hereinstellte 2. Auf diese Weise konnten ihn die Dämonen nicht in seinem wirksamen Gebet um Regen stören. Die Römer zogen um ein Kind, das vor dämonischen Einflüssen geschützt werden sollte, mit einem Eisen Kreise auf der Erde oder in der Luft 3 . Der römische Bauer zog um sein Grundstück einen magischen Kreis, den kein Unheil überschreiten konnte \ Die Teilnehmer an der Leichenbestattung des Misenus werden dadurch gereinigt, daß der Trojaner Corynäus dreimal Wasser um sie herumträgt und sie damit besprengt 5 . In einigen Teilen Schottlands ist es üblich, in der letzten Nacht des Jahres Feuer rings um Häuser und Felder zu führen, um feindliche Naturkräfte zu verscheuchen 6 . Im Dorfe Drumconrath pflegte ein altes Weib behexte Milch dadurch wieder gut zu machen, daß sie dreimal rund um das Butterfaß entgegen dem Laufe der Sonne ging, wobei sie eine Beschwörung murmelte 7 . Die Mohammedaner in Albanien und der Levante 1

Abraham Löwysohn Sefer Meqöre Minhägim, Berlin 1846, 91 f. 3 » Ta'anit 23 a. Seligmann aaO. II 8. 4 R. Wünsch, Siebs' Festschrift zur Jahrhundertfeier der Univers. Breslau 1911, 13. Damit die schädigenden Geister beim Pflücken der zauberbräftigen Pflanzen Melampodion und Hierabotane einen nicht gefährden, soll man zuvor mit einem Eisen einen Kreis machen (Plinius N. H. XXV 21; 59). 6 Verg. Aen. VI 229ff.; L. Deubner, Arch. f. R.-W. XVI128. Wenn auch Ringe zum Schutze gegen dämonische Einflüsse angewandt werden, so ist „mit dem geheimnisvollen, in sich selbst zurückkehrenden Rund dieselbe abergläubische Vorstellung verbunden wie mit dem Zauberkreis", R. Wünsch, Antikes Zaubergerät aus Pergamon, Berlin 1905, 42; Seligmann, Der böse Blick II 230f.; Frazer Golden Bough2 I 401 ff.; Crooke Pop. Eelig. of North. India2 II 13; derselbe Natives of Northern India 1907, 200. • A. Hillebrandt, Siebs' Festschr. z. Jahrhundertfeier d. Univ. Breslau 1911, 5. ' Seligmann aaO. I 335.

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malen zum Schutze gegen den bösen Blick einen Kreis auf die Nasenwurzel oder ätzen dieses Zeichen sogar ein \ In Esthland beschreibt man mit einem Geldstück einen Kreis um den Kopf des Tieres zur Beseitigung der Behexung 2 . Die Braut wird dort am Hochzeitstage dreimal vom Bräutigam, Hochzeitsältesten und Bräutigamsschaffner umkreist, indem sie dabei mit einem Degen über dem Haupte der Braut zusammenschlagens. Die alten Litauer ritten bei der Leichenbestattung mit bloßen Schwertern im Kreise um die Leiche, schlugen um sich und riefen: „Weichet, weichet, ihr bösen Geister"4. Die Russen und Südslaven glauben, daß eine Seuche dadurch von der Ortschaft ferngehalten werde, daß man in der Mitternacht eine Furche rings um das Dorf zieht. Zuweilen wird hierbei noch ein schwarzer Hahn verbrannt mit den Worten: „Stirb, verschwinde schwarze Seuche" 5. In Rumänien begibt sich am Morgen nach der Beerdigung eine Verwandte der Verstorbenen oder ein eigens dazu gedungenes Weib auf den Friedhof zum Grabe desselben und umkreist dasselbe dreimal, wobei sie den Grabhügel mit Weihrauch, den sie in einem irdenen Topf mitgebracht hat, einräuchert. Diese Zeremonie wird sechs Wochen lang täglich wiederholt. Beim letztenmal wirft das Weib den Topf auf das Grab und zerschellt ihn 8 . Hierdurch sollen die bösen Geister, die den Toten bedrohen, abgewehrt werden. Die siebenbürgischen Zigeuner schneiden gegen den bösen Blick der Hexen in ihre Zeltstangen einen Kreis, innerhalb dessen sie ein doppeltes Kreuz z e i c h n e n I n Mecklenburg setzt man, wenn die Milch oder die Butter beschrieen ist, eine Schale mit Milch am Maitage und in der Johannisnacht auf einen Kreuzweg und zieht einen Kreis mit drei Kreuzen darum8. Nach einer Sage im Wälschtirol macht man zum 2 Seligmann aaO. II 292. Seligmann II 292. L. v. Schnieder, Hochzeitsbräuche der Esthen, Berlin 1888, cap. 18. * G. Kampffmeyer, Globus 69, 375. 5 F. S. Krauß, Slavische Volksforschungen 1908, 100 Anm. 1. Will ein südslavischer Bursche, dali ein Mädchen in Liebe zu ihm entbrenne, so geht er, Salz und Brot in der Hand haltend, im Kreise um das Mädchen herum (F. S. Krauß aaO. 169). " Globus 69, 198. 1 9 Seligmann II 335. Seligmann I 281. 1

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Schutze gegen die Angriffe böser Geister mit einem Stock auf der Erde einen Kreis und stellt sich hinein 1 . Um die Seuchen vom Dorfe fernzuhalten, wird in Rußland mit dem Pfluge um das Dorf ein Kreis gezogen, über den kein unreiner Geist zu schreiten vermag. Auch die Viehhürden außerhalb des Dorfes werden mit einem solchen Kreis versehen 2 . Im Zauber wurde der Kreis sogar dazu benutzt, um alles Unheil in den festumschlossenen Kreis hineinzubannen. Wer im deutschen Mittelalter um ein Gespenst einen Kreis zog, der bannte es 3 . Um alles Ungeziefer aus dem Hause zu bannen, beschrieb man im klassischen Altertum einen Kreis, setzte ein Gefäß da hinein und besprengte das Haus mit ovcupig ayqia, Lorbeer, Meerwasser oder Salzlake, dann kam alles Ungeziefer in jenes Gefäß 4 . Bei den Araucaniern in Süd-Chili werden die Krankheitsgeister dadurch vertrieben, daß man um das Haus, in dem der Kranke liegt, gewaltigen Lärm macht und rings um das Haus mit brennenden Fackeln reitet, wobei man lange Lanzen hin und her schwenkt 5 . Durch die schwingenden Bewegungen im Zauberritual werden gleichfalls die bösen Geister verscheucht. Als der syrische Feldherr Naaman zum Propheten Elisa kommt, um sich von seinem Aussatze heilen zu lassen, erwartet er, der Prophet werde eine Beschwörungsformel flüstern und dabei „seine Hand über die kranke Stelle schwingen" Die mohammedanische Hebamme in Indien schwenkt, nachdem sie den Neugeborenen gewaschen hat, ein Gefäß mit Wasser über dessen Kopf und setzt es dann zu seinen Füßen 7. Um von dem Bräutigam 1

Ch. Schneller, Märchen und Sagen im Wälschtirol 1867, 205, 211. Globus 79, 302. 3 Cr. Grupp, Kulturgeseh. d. Mittelalters2 1912, 39. 4 Rieß in Pauly-Wissowa, Realencycl. I 93. Um einen Sklaven oder eine andere Person am Entlaufen zu hindern, goß man im alten Indien, während jener schlief, aus dem Home eines lebenden Tieres den eigenen Urin um ihn herum (Hiranya Gr. 114, Paräskara Gr. III 7). Durch das Horn ist die Zauberwirkung verstärkt worden. Durch den Kreis, den der Besitzer mit dem Urin, in welchem sein Seelenstoff enthalten ist, um die Person macht, ist der Sklave an ihn gekettet. 5 E. E. Smith Arancanians, London 1855, 236. 0 ? II. Kön. 5, 11. Seligmann aaO. II 236. 2

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die Dämonen fernzuhalten, bewegt in Nordindien ein Mann über dessen Haupt einen Fächer hin und h e r B e i den Brahmanen Havigs im Distrikt Kanara schwingt die Mutter des Bräutigams vor dem Gesicht der Brautleute ein Becken mit rot gefärbtem Wasser 2 . In Indien schwenkt man dreimal vor dem Gesicht des durch den bösen Blick erkrankten Gatten ein Gefäß mit rotgefärbtem Wasser und gießt dieses dann auf die Straße 8 . Im Bezirke von Bannu, Afghanistan, schwingt eine alte Frau über den Kopf des Beschrieenen drei Schoten von rotem Pfeifer und sagt: „Hiermit vertreibe ich das Auge, sei es von einem Mann, von einer Frau oder von einem G e i s t " I n Konkan wird vor dem Antlitz eines an den Folgen des bösen Blicks Erkrankten dreimal Erde, die von dem Kreuzpunkt dreier W e g e stammt, geschwungen 8 . Zur Heilung eines durch einen bösen Blick erkrankten Kindes wird in Malabar ein Stück brennenden Kampfers in der Nähe des Kindes hin und her geschwungen 6 . Zur Austreibung des Krankheitsdämons hält der Medizinmann in Sumatra in seiner linken Hand ein Schwert oder einen Fächer oder auch Pfeil und Bogen, um den linken Arm hat er sich ein mit kleinen Schellen besetztes Band geschlungen. Er schwenkt das Schwert oder den Fächer hin und her, dreht die Unterarme und tanzt bald auf die kranke Person zu, bald von ihr weg, wobei getrommelt wird. Alsdann werden sieben grüne Zweige um die kranke Person, die sich auf den Herd setzen muß, gestellt, und in jeder der vier Ecken des Herdes wird ein Licht angezündet. Der Zauberer umschreitet dreimal den Herd und gießt hierauf drei Wassergefäße über die kranke Person aus 7 . Hier sind die apotropäischen Mittel der schwingenden Bewegungen, des Umkreisens und des Feuers

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W . Crooke Natives of Northern India 1907, 210. Seligmann I I 256. Seligmann I 314. In Hoshangäbäd (Nordindien) schwingt der Zauberer

eine Handvoll Körner über das Haupt des Patienten (Crooke Pop. Bel. of North. India2 I 153). s Seligmann I 264. * Seligmann I 383. 6 Thurston Ethnogr. Notes in Southern India 257. 7 M. Moszkowski, Auf neuen Wegen durch Sumatra 1909, 127 f.

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verbunden mit der kathartischen Reinigungszeremonie mittels des Wassers. In Buchara schwingt man zur Verscheuchung der bösen Geister ein dampfendes Kohlenbecken mit IspandKraut hin und her, indem man dabei spricht: „Geh weg, verschwinde, verstecke dich in einem Hügel, in einem Baume, wirf dich ins Wasser, geh ins Feld" \ 7. Das Huhnopfer in Verbindung mit der apotropäischen Zeremonie des Umkreisens oder des Schwingens In Imeretien (Kaukasus) holt man als Stellvertretung einer kranken Person je nach dem Geschlechte des Patienten einen Hahn oder eine Henne, dreht dieses Tier über den Kopf desselben dreimal herum, färbt Kopf, Flügel und Beine rot und läßt es dann laufen. Ein solcher Vogel gehört dem Krankheitsdämon, dem es nach der Genesung zum Opfer gebracht wird. Es wird gebraten und dann nebst verschiedenen Kuchen in dem Wald an einem versteckten Orte niedergelegt, wo keines Menschen Hand es berühren kann. Auch die Schüssel, in welcher die Speisen liegen, wird dort zurückgelassen. Sollte jemand aus Versehen ein solches Gefäß mit nach Hause nehmen, in dessen Familie richtet der Krankheitsdämon schreckliche Verheerungen an 2 . Wenn jemand in Südindien durch den Haß einer Gottheit krank geworden ist, so bindet man eine kupferne oder silberne Münze um den Hals oder den Arm der kranken Person. Ein Hahn wird um das Haupt dieses Menschen geschwungen und nachher noch eine Zeitlang im Hause gemästet, um ihn der Gottheit zu opfern s . Die Perser führen um ein krankes Tier ein schwarzes Huhn oder ein schwarzes Schaf herum 4 . Als Ersatz für einen schwerkranken Menschen, dessen Seele den Körper verlassen will, opfert der Dajak den Krankheitsdämonen ein Huhn, nachdem es lebend über den Kopf des Patienten hin- und hergeschwungen ist 5 . Über das Haupt des neugeborenen 1 8 4 6

2 Globus 78, 79. y. Hahn, Globus 80, 303 f. E. Thurston Ethnogr. Notes 352. Seligmann, Der böse Blick I 289. Gomes Seventeen Years among the Sea Dyaks 1911, 168.

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Kindes schwenkt der Sarawak auf Borneo ein Huhn und tötet es danach. Hierdurch will er zum Ausdruck bringen, daß er das Leben des Huhnes für das Leben des Kindes hingebe. Das Kind kann dadurch mit einem langen Leben beschenkt werden 1 . Zur Heilung eines Fieberkranken, der von einem Dämon besessen ist, streut die Zauberin an der Nordküste von Celebes Reis aus und sucht darauf durch einen Lockruf den Dämon zu locken. Dann ergreift sie eine Henne bei den Füßen, schwingt sie herum, wobei das Tier begreiflicherweise zu schreien anfängt. Durch diese Opfergaben läßt der Dämon von dem Kranken ab 2 . Bei der Hochzeit unter den Vellälas (Südindien) wird ein lebendes Huhn über die Köpfe des Brautpaars hin- und hergeschwungen, dann dem Huhn das Genick gebrochen und das Tier den Musikanten zugeworfen 3 . Ein ähnlicher Hochzeitsbrauch existiert auch bei den Dajaks 4 . Wünscht ein Eingeborener in Dahomey, daß seine Familie sich vergrößere, so ruft er einen Priester, dem er ein Huhn gibt. Dieser schneidet dem Tier den Kopf ab und schwingt ihn über den Kopf des Mannes, so daß das Blut dabei auf ihn herabträufelt5. Auf diese Weise ist aller Unsegen von ihm beseitigt. Pausanias II 34, 3 berichtet, daß in dem griechischen Städtchen Methana, als eine Mißernte den Weinpflanzungen drohte, ein Hahn in zwei Stücke zerteilt wurde; alsdann liefen zwei Männer, jeder mit der Hälfte des Tieres, in entgegengesetzter Richtung rings um die Weinberge, bis sie zusammentrafen. Dort wurden die beiden Stücke begraben. Bei den Serben wird am Georgitage ein Hühnchen rings um das Dorf herumgetragen. Wo der Kreis sich schließt, da wird ein Lamm geschlachtet und gebraten und auf derselben Stelle verzehrt. Diese Zeremonie geschieht in der Absicht, das Dorf und die Felder vor dem Hagel zu bewahren8. Durch diese mit dem Huhne vorgenommene Zeremonie will man einerseits eine Gottheit begütigen, anderseits sich 1 3 6 6

2 H. Ploß, Das Kind I» 96. Globus 43, 365. 1 Thurston aaO. 279. Gomes aaO. 125. J. A. Skertchly Dahomey, London 1874, 470. Globus 30, 95.

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gegen das drohende Unheil schützen. Dieser Brauch ist auch in den jüdischen Volksglauben eingedrungen. Nach dem jüdischen Glauben wird am Yersöhnungsfest das Geschick des Menschen für das kommende Jahr besiegelt. Der sündhafte Mensch verdient wegen seiner Verfehlungen schwere göttliche Strafe, vielleicht den Tod. Daher nimmt der Jude am Tage, an welchem das Versöhnungsfest beginnt, ein Huhn, das die Stellvertretung für ihn sein soll, es soll statt seiner in den Tod gehen; es wird daher Kapporo(„Sühne")-Huhn genannt. Je nach dem Geschlecht der Person nimmt man einen Hahn oder eine Henne in die Hand und schwingt das Tier dreimal um seinen Kopf, während man dabei dreimal folgendes sagt: „Dieser sei meine Stellvertretung, dieser sei mein Ersatz, dieser sei meine Sühne, dieser Hahn (bzw. diese Henne) gehe zum Tode und ich möge eintreten zu langem, glücklichem Leben und zum Frieden" 1 . Dieser allgemein verbreitete Brauch hat den Namen „Kappores". In der Bukowina nimmt eine schwangere Jüdin beim „Kappores" eine Henne nebst einem Ei in die Hand. Das Ei ist für das unter dem Herzen befindliche Kind, von dem man nicht weiß, welchem Geschlecht es angehören wird, geradeso wie man nicht weiß, welches Geschlecht das aus dem Ei zu brütende Küchlein haben wird 2 . Der im 13. Jahrhundert in Barcelona lebende Eabbi Selömö Ben-Aderet hat diesen Brauch in seiner Gemeinde verboten. Er schreibt 8 : „Dieser Brauch war in unserer Stadt verbreitet nebst anderen ähnlichen Bräuchen wie z. B. folgender: man schlachtet einen alten Hahn als Sühne für einen neugeborenen Knaben und schneidet seinen Kopf ab und hängt den Kopf mit seinen Federn am Eingang des Hauses zusammen mit Knoblauch4 auf, was ich für heidnisch halte und daher ver1

Vgl. Michel Epstein Qissur sene luhöt liabberit, Fürth 5492, Bl. 77; Moses Brück, Rabbinische Ceremonialgebräuche in ihrer Entstehung, Breslau 1837, 25 ff. 2 Vgl. v. Hoyorka und A. Kronfeld, Vergleichende Volksmedizin 1908, I 339. 3 In seinem Werke Seelöt utesuböt, Wien 5572 Bl. 47 a § 395. * In ganz Europa herrschte der Glaube, daß Knoblauch gegen Dämonen schützt. Im Mittelalter hing man ihn in den meisten zivilisierten Ländern Europas über die Tür. Der ottomanische Jude legt unter das Bett der

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boten habe. Durch die Gnade Gottes hat man auf meine Worte gehört und es wird jetzt nicht mehr in unserer Stadt ein derartiger Brauch geübt; obgleich ich von sehr gediegenen Männern, die aus Deutschland stammen, gehört habe, daß alle Rabbinen in Deutschland diesen Brauch am Tage, an welchem der Versöhnungstag beginnt, begehen und zur Sühne Hühner und Gänse schlachten, obgleich ich auch hörte, daß man deshalb den Eabbi Hai Gäön angefragt hatte und er diesen Brauch bestehen ließ, habe ich ihn doch in unserer Stadt abgeschafft." Auch der im Anfang des 13. Jahrhunderts in Frankreich lebende R. Möse Ben-Nachman hat diesen Brauch als heidnisch verboten 1 . Da bereits Hai Gaon, der um 1000 n. Chr. lebte, an diesem Brauch keinen Anstoß genommen hatte, so war er also schon im 10. Jahrhundert weit verbreitet. Der im 13. Jahrhundert zu Nürnberg lebende Rabbi Wöchnerin Knoblauch. Die reichen spaniolischen Jüdinnen in Konstantinopel tragen zum Schutze gegen den bösen Blick Knoblauch in einem goldenen Säckchen (S. Seligmann, Der böse Blick I I 69—72; Globus 72, 353). Bei den Arabern in Südarabien schützt Knoblauch vor dem bösen Blick. Daher ist besonders das Brautpaar damit versehen (Featherman Soc. Rist, of Races of Mankind V 1881, 421 f.). Im heutigen Griechenland werden Menschen und Tiere durch Knoblauch vor dem bösen Blick geschützt (Bybilakis, Neugriech. Leben S. 9). Als Schutzmittel gegen dämonische Einflüsse gebrauchen der Ruthene und der Litauer Knoblaach (Globus 85, 282; H. Frischbier, Hexenspruch und Zauberbann 1870, 15). Knoblauch schützt nach südslavischem Glauben vor Dämonen und wird daher als Amulett getragen (F. S. Krauß, Slavische Volksforschungen 1908, 66 u. 148). Der slavische Jude, der am 9. Ab den Friedhof besucht, legt beim Weggehen Knoblauch auf das Grab (Sefer Ta'ame hamminhägim, Lemberg 1896, Bl. 44 § 460), wohl um hierdurch die bösen Geister vom Grabe zu verscheuchen. Im klassischen Altertum war der Knoblauch ein beliebtes Amulett, s. Rieß in Pauly-Wisaowa Realenc. I 58. Auch sonst wurden durch scharfriechende Kräuter Dämonen (nocentes spiritus) ferngehalten (Pallad. de re rwt. I 35). Der scharfe Geruch des Origanon verscheucht im deutschen Volksglauben Hexen und Gespenster (Grimm, Deutsche Myth. 1 S. 1015, III 471 Nr. 980). Auch bei den Abessiniern wehren derartige Kräuter die Dämonen ab (Featherman aaO. V 617). Nach dem chinesischen Volksglauben hält Knoblauch, den man am Hause anhängt, die Dämonen vom Hause fern (Kölnische Zeitung 24. Juni 1913 Nr. 728). 1 Josef Karo in seinem Komm. Bet Jösef zu Tur Örah Sajjim § 605. Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XIV, 3.

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Mordechai verteidigt diesen Brauch 1 : „Daß wir am Tage vor dem Versöhnungsfeste nach der Anzahl der Familienmitglieder Hühner schlachten, hat seinen guten Grund. Alle Rabbinen und Familien üben die Sitte, nach welcher die männlichen und weiblichen Personen Hühner nehmen und sie lebend rings um den Kopf eines jeden Familienmitgliedes herumdrehen, wobei man sagt: "Dieser statt des N. und dieser als Stellvertreter des N., er gehe ins Leben und das Huhn da gehe in den Tod5. Dann schlachtet man diese Tiere und verteilt sie unter die Armen, Witwen und Waisen, damit sie (die Hühner) eine Sühne seien für unsere Person. Es gibt ßabbinen und Familien, die diesen Brauch auch am Neujahrsfest üben, und es gibt reiche Männer, die bei dieser Gelegenheit gleichzeitig Widder, Schafe und Ziegen schlachten und sie unter die Armen verteilen." Etwas anders beschreibt der im Anfang des 14. Jahrhunderts in Spanien lebende ß. Jakob Ben-Ascher in seinem Werke Tur ÖrähEajjim § 605 diesen damals noch nicht in allen Ländern fest eingebürgerten Brauch: „Es gibt Gegenden, wo man Hühner am Tage vor dem Versöhnungsfest zur Sühne schlachtet... Der Hahn dient deshalb als eine vorzügliche Stellvertretung, weil sein hebräischer Name geber auch 'Mann1 bedeutet und somit die Stellvertretung geber (cHahnJ) für geber (cMannJ) äußerst wirksam ist. Der Gemeindevorbeter pflegt dort den Hahn zu nehmen und seine Hand auf den Kopf dieser Person, die gesühnt werden soll, zu legen, alsdann legt er den Hahn auf den Kopf dieser Person und spricht: 'Dieser an Stelle dieses, dieser als Stellvertretung für diesen, dieser sei preisgegeben für diesen1. Diese Worte wiederholt er nochmals, dabei den Hahn über ihn haltend; dann spricht er: cDie in Finsternis und im Todesschatten weilenden Menschen, die in Elend und in eisernen Banden gefesselt sind, wird er (Gott) herausführen aus der 1 Mordechai zu Masseket Jömä (gleich im Anfang); vgl. auch R. Ja'aqöb Ben Möse Hallewi Sefer Maharil P. hilköt 'ereb jöm kippur, Frankfurt M. 6448 Bl. 113 f. (der Verfasser lebte im 14. Jhdt. in Kegensburg); ferner R. Aser Ben Jehiel (genannt Kos) Masseket Jömä P. 8 § 23 (das Werk stammt aus dem 13. Jhdt.)

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Finsternis und dem Todesschatten und ihre Bande zerreißen. Die Toren werden durch ihren sündhaften Wandel und durch ihre Schuld gequält, alsdann schreien sie zum Ewigen in ihrer Bedrängnis, er möge sie retten, da sendet er sein Wort und heilt sie und entreißt sie der Gruft. Sie danken dem Ewigen für seine Gnade und für seine gegen die Menschen geübten Wunder. Seele um Seele.' Dreimal spricht er dieses. Hierauf legt er seine Hand auf den Kopf des Hahns und stützt sich darauf und schlachtet das Huhn unmittelbar darauf. Man pflegt das Tier den Armen zu geben, damit es eine Sühne für seine Seele sei. E s ist üblich, die Eingeweide aufs Dach zu werfen, damit es die Vögel fressen." Der im 14. Jahrhundert lebende R. Ja c aqöb Ben Möse Hallewi (genannt Maharil) erwähnt lobend, daß die rheinischen Juden den Armen nicht das Huhn selbst, sondern nur den Geldwert dieses Tieres geben, um ihnen keine Mißachtung zu bezeigen; „denn wenn man das Huhn selbst den Armen gibt, — meint Maharil — so sagt sich der Arme, jener hat seine Sünden auf das Huhn übertragen, und ich erscheine ihm so verächtlich, daß er es nun mir schickt" R. Josef Kärö bezeichnet diesen Brauch als rntstif bvf JUIJD „eine törichte Sitte" 2. Diese Worte, die in den ersten Ausgaben Venedig 1560 und 1580 stehen, sind von dem im 16. J a h r hundert lebenden Kommentator R. Möse Isseries in den folgenden Ausgaben ausgemerzt worden 3 . Letzterer fügt zum § 605 hinzu: „Es gibt Gaonen, die diesen Brauch erwähnen, ebenso erwähnen ihn viele spätere Autoritäten, jetzt ist es so in allen Ländern üblich. Man soll diesen Brauch nicht ändern, da er sich nun einmal fest eingebürgert hat. Man 1

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S e f e r Maharil P. Hilköt 'ereb jöra kippur (Prankfurt M. 5448 Bl. 11 a).

Sulhän 'Äruk, Öräh Hajjirn § 605.

3 Heute steht im Öräh Hajjirn § 605 nur noch: „Was den Brauch betrifft, am Tage vor dem Versöhnungsfest einen Hahn für jede männliche Person zu schlachten und dabei einzelne Sätze zu sagen, so gibt es Autoritäten, die diesen Brauch verbieten." A. Berliner sagt in seinem Werke: Randbemerkungen zum täglichen Gebetbuche 1909, 39: „Auch das KagporohUmschlagen (d. i. dieser Brauch), welches noch immer im Gebetbuch figuriert, müßte endlich wegfallen. Der erste, der dieses getan hat, ist Dr. M. Sachs in seinem Gebetbuche."

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pflegt einen Hahn für jede männliche Person und eine Henne für jede weibliche Person zu nehmen. Für ein schwangeres Weib nimmt man einen Hahn und eine Henne, vielleicht gebiert sie ein männliches Kind; gewöhnlich nimmt man weiße Hühner, weil es Jes. 1, 18 heißt: 'Wenn auch eure Sünden rot wie Karmesin sein sollten, so werden sie doch weiß wie Schnee werden1. Man pflegt diese Sühnhühner oder deren Geldwert den Armen zu geben. Man pflegt, nachdem man mit dem Huhn seinen Kopf umkreist hat, vor dem Schlachten seine Hand auf den Kopf des Tieres zu legen nach Art des ehemaligen Opferbrauches; man wirft die Eingeweide auf die Dächer oder auf den Hof, von wo die Vögel sie wegtragen können" Den heidnischen Brauch des stellvertretenden Sühnehuhns, welches alles Unheil des kommenden Jahres von einer Person abwenden soll, haben auch die Juden übernommen, ihm aber zugleich eine Wendung ins Ethische gegeben, indem das Huhn, auf das alles Unheil übertragen ist, nicht ins Wasser oder in einen unzugänglichen Ort weggeworfen, sondern den Armen geschenkt wird. Bei den Heiden war das Huhn für die Dämonen, bei den Juden für die Armen bestimmt. Dieses Geschenk an die Armen soll gleichzeitig ein Lösegeld sein, mit dem man seine begangene Schuld abträgt, denn nach dem jüdischen Glauben ersetzt, seitdem der Tempel zerstört ist, Wohltätigkeit den Sünde tilgenden Opferaltar 2 ; „Wohltätigkeit rettet vom Tode"8, sie ist allen Opfern vorzuziehen4. In der jüdischen Zeremonie ist auch ein Überbleibsel von dem Brauch der „Apopompe", der Wegsendung des Unheils nach einem entlegenen Orte enthalten, wenn die Eingeweide des Sühnhuhns aufs Dach geworfen werden, damit die Vögel den Unglücksstoff, der auf das Huhn bzw. die Eingeweide übertragen ist, weit wegtragen sollen. Durch das Auflegen der Hand auf den Kopf des Huhnes wird aller Unheilstoff des Menschen auf das Tier übergeleitet. 1

Hierzu bemerkt Jehudä Aschkenasi in seinem Kommentar Beer Hetib: „Man soll nicht besonders auf w e i ß e Hühner Gewicht legen, da es einem heidnischen Branche ähnlich sehen würde". 1 Äb5t de R. Nätän c. 4; Jalqut zu Hosea c. 4. 4 ' Misle 10, 2. Talmud Sukkä 49 b.

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8. Die Apopompe mittels des Sühnehuhns Die Apopompe ist eine Zauberzeremonie, mittels deren man den dämonischen Stoff an entlegene Orte überführt K Sie war auch im jüdischen Volksbrauch vorhanden. Der Kommentar Rasi zu Talmud Sabbat 81b berichtet: „In den Responsen der Gaonen habe ich gefunden, daß man aus Palmenblättern Körbe flocht, sie mit Erde und Kuhdünger füllte; und 22 oder 15 Tage vor dem Neujahrsfest machte sich jede Familie soviel Körbe als Personen sind und bezeichnete jeden Korb mit dem Namen der einzelnen Person; man säte darin eine ägyptische Bohne oder eine Erbse und ließ sie wachsen; am Tage, an welchem das Neujahrsfest begann, nahm jede einzelne Person ihren Korb und drehte ihn im Kreise um ihren Kopf siebenmal und sprach dabei: 'Dieser statt meiner, dieser sei meine Stellvertretung, dieser sei mein Ersatz'. Alsdann pflegte man den Korb ins Wasser zu werfen." Auf diese zur Beschwichtigung der Dämonen dienende Opfergabe geht alles Unheil über. Damit es aber nicht wiederkehre, wird es ins Wasser geworfen. Bohnen und Erbsen dienen nach der Anschauung mancher Völker als Nahrung für die Dämonen. Um die abgeschiedenen Seelen, die an den Lemuria das Haus heimsuchen, vom Hause zu treiben, wirft der Hausherr um Mitternacht neunmal schwarze Bohnen als Opfergabe für sie aus 2 . Ist ein Kind in Palästina durch den bösen Blick erkrankt, so nimmt man sieben mal sieben Bohnen und übergibt sie einer alten Frau, damit sie diese in einen Brunnen werfe 3 . Die Zigeuner in der südungarischen Gegend vergraben gegen den bösen Blick im Stalle Erbsen*. Ähnlich dem jüdischen Brauch werden in Neuseeland zum Schutze eines Neugeborenen gegen Dämonen abgekochte Farnkrautwurzeln über den Kopf des Kindes hin- und hergeschwungen 1

Vgl. R. Wünsch, Siebs' Festschrift zur Jahrhundertfeier der Uniy. Breslau 1911, 18ff. 8 Ovid Fasti V 119ff.; Tgl. auch G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer2 1912, 235. s Einszier, Ztschr. d. Deutsch. Palästina-Ver. 1889, XII 220. * S. Seligmann, Der böse Blick II 61.

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mit den Worten: „Diese Nahrung ist für euch, o Götter, gekocht, damit ihr sie esset." Dann werden diese Farnkrautwurzeln an dem Opferplatz niedergelegt 1 . Gerade das Tier vermag durch Berührung des mit Unheilstoff behafteten Menschen allen Unsegen auf sich zu nehmen 2 . Legt man — wie Plinius N.H. XXX 20 angibt — junge Hunde drei Tage lang auf den Magen und die Brust einer kranken Person, wobei die Hunde Milch aus dem Munde des Kranken saugen, so geht die Krankheit auf diese über und die Hunde sterben. Legt man eine Ente auf den Magen einer magenkranken Person, so geht die Krankheit auf diese über und die Ente stirbt. Besonders erscheint das Huhn zur Übertragung des dämonischen Stoffs geeignet. In Borneo und Celebes werden auf den Körper einer von einem Krankheitsdämon besessenen Person Reiskörner gestreut; dann muß ein Huhn diese vom Körper aufpicken, wodurch gleichzeitig der Krankheitsdämon aus dem Körper auf das Huhn übergeht 3. Die Neger von Bony binden sich bei einer Krankheit ein lebendes Hühnchen auf das Herz. Sobald dieses schreit oder mit den Flügeln schlägt, hat es die Essenz der Krankheit an sich genommen4. Die Wöchnerin in Süd-Togo nimmt, sobald sie sich wieder vom Bett erheben kann, ein Huhn, wischt damit den Körper des Neugeborenen ab und bringt es dann als Opfer dar®. Durch das Abwischen wird aller Unheilsstoff vom Kinde auf das Huhn übertragen. Zur Heilung der Krankheit wird bei den Akkra-Negern eine 1

E. Shortland Maori Religion 1882, 41. Farnkraut schützt vor bösem Zauber in Pommern, Thüringen, Franken, England (S. Seligmann, Der böse Blick II 54, 62). 2 Wenn in einem indischen Dorfe Cholera ausbricht, so wird ein Büffel, der rot bemalt ist, ins nächste Dorf getrieben, wodurch die Krankheit ins nächste Dorf befördert wird (Crooke Pop. Bei. of North. India2 I 142, 166). In Nordindien glaubt man, daß die Darmkrankheit eines Kindes auf eine Gans übertragen werden könne, wenn man dieselbe in das Bett des kranken Kindes legt (Crooke aaO. I 165). In Oldenburg legt man einen Bund oder eine Katze ins Bett des Fieberkranken. Dann geht das Fieber auf sie über (Wuttke, Deutscher Volksabergl. 3 327). 3 1 Frazer Golden Bough3 II 106. Globus 92, 23. 5 J. Spieth, Religion der Eweer 1911, 229.

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kleine Henne zum Patienten gebracht, mit welcher der Kranke bestrichen wird, dann der Henne der Bauch aufgerissen, worauf sie vor dem Dorfe mit kleinen Pflöcken in den Boden gespießt wird 1 . Der Dämon soll hierdurch in das Innere der Erde gebannt werden 2 . Herrscht bei den Eweern im Dorfe eine ansteckende Krankheit, so bindet man Hühner an Palmwedel und fegt damit die Krankheitsgeister aus der Ortschaft hinaus 3 . Auf diese Hühner, die den Dämonen als Ersatz angeboten sind, gehen sie über, und so werden sie dann mittels der Palmzweige herausgefegt. Bei den Persern berührt der Kranke die Stirn eines schwarzen Huhnes oder schwarzen Schafes. Dieses Tier trägt man darauf in eine gewisse Entfernung und läßt es laufen 4 . Um den Krankheitsdämon, der im menschlichen Körper haust, ins Wasser zu befördern, schlachtet bei den Garos (in Assam) der Priester in der Nähe des Flusses, aus dem das für den Kranken erforderliche Wasser geschöpft ist, ein Huhn auf einem besonders dazu hergestellten Altar. Dann bindet er einen langen Faden an den Altar fest und leitet denselben bis zum Hause des Patienten und bindet das Ende desselben an den Kranken fest. Hier soll der Krankheitsdämon mittels des Stricks zum stellvertretenden Huhn hinübergeleitet werden und im Wasser verschwinden 5 . Nach einem Unglück verheißenden Traum suchen die Garos in folgender Weise die bösen Geister zu beschwichtigen. Sie gehen an einen Strom, töten dort einen Hahn und lassen das Blut in ein kleines Boot fallen und stoßen dann dieses Boot in die Strömung, während der Entsühnende ein Bad nimmt, Mit dem Wegschwimmen des Bootes glaubt man, daß zugleich die unglückbringenden Geister davongetragen werden 6 . Zur Besänftigung des 1

L. Frobenius, Weltanschauung S. 335. Vgl. E. Wünsch, Siebs' Festschrift zur Jahrhundertfeier der Univers. Breslau 1911, 24. Leidet ein Kind im Kalotaszeger Bezirk (Ungarn) an Auszehrung, so trägt die Mutter bei Neumond das Hemdchen ihres Kindes, ohne ein Wort zu sprechen und sich umzudrehen, hinaus auf einen Berg, wo sie es mit einem spitzen Pflock in die Erde spießt im Glanben, dadurch die Krankheit dem Berge übergeben zu haben (v. Wlislocki, Globus 62, 275). a 1 J. Spieth aaO. 43. Seligmann, Der böse Blick I 289. 6 Vgl. Playfair Garos 1909, 91. « Playfair Garos 116. 2

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Sigbin, des Krankheitsgottes, und zur Verhinderung, daß er Krankheiten ins Dorf schicke, nehmen die Manobas am Rio Agusan einen Hahn oder eine Henne und schneiden dem Tiere mit der Lanze die Kehle durch. Das Blut wird in einer Schale aufgefangen. Den Opferschlächter umgeben während dieser Handlung sieben Männer, deren jeder in der Rechten eine brennende Fackel hält, damit böse Geister die Opferhandlung nicht stören. Ist das Tier verblutet, so begibt man sich mit dem toten Tier und der blutgefüllten Schale an den Fluß, an dessen Ufer ein Tischchen und ein Kreuz aufgerichtet sind. Auf ersteres wird das tote Huhn gelegt, das Kreuz wird aber mit dem Opferblute tiberschüttet. Dabei bitten sie den Sigbin, er möge sie mit Krankheiten verschonen \ Das stellvertretende Opferhuhn, auf dem sich der Krankheitsgott niedergelassen hat, wird an das Ufer des Flusses gebracht, damit er dort durch das mit dem Blute übergossene Kreuz, das ein wirksames Apotropäum ist, in den Fluß gebannt wird. Wenn unter den Patäris (Nordindien) die Cholera ausbricht, so füttern die Dorfältesten ein schwarzes Huhn mit Körnern und treiben es über die Dorfgrenze mit dem Wunsche, daß es die Plage mit sich nehme. Wenn ein Bewohner eines anderen Dorfes das Huhn fängt und verzehrt, so bricht die Cholera im anderen Dorfe aus. Herrscht unter den Kharwärs die Einderpest, so nehmen sie einen schwarzen Hahn, behängen ihn mit den Schmucksachen einer Frau und lassen ihn dann fliegen mit den Worten: 'Geh irgend wohin in die Bergesschluchten und Dickichte, vernichte die Sünde12. In Oldenburg läßt man ein Huhn Eier, in die abgeschnittene Fingernägel des Kranken gemischt sind, fressen; dann geht die Krankheit auf dieses Tier über3. Zu der Apopompe verwendet man vielfach einen Vogel, den man fliegen läßt in dem Glauben, daß er auf diese Weise das Unheil weit fortträgt. Zur Beseitigung des drohenden Unheils (Nirrti) befestigt man in Indien an einen schwarzen Vogel mittels eines Hakens einen Opferkuchen und läßt dann 1 3

Globus 71, 19. • Crooke Pop. Rel. of North. India2 A. Wuttke, Deutsch. Yolksabergl.» 327.

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mit den Worten (Atharvaveda VII 115, 1): „Fliehe fort von hier, übles Vorzeichen, verschwinde von hier, fliege fort von dort; mit einem Metallhaken übertragen wir dich auf unsere Hasser", den Vogel in südwestlicher Richtung fortfliegen1. In Arabien läßt eine Witwe vor ihrer Wiederverheiratung einen Vogel mit dem Unsegen ihrer Witwenschaft fortfliegen 2 . Nach Lev. 14, lff. und 49 ff. soll der Priester zur Eeinigung eines vom Aussatz Geheilten von zwei lebenden Vögeln einen schlachten; mit dem anderen aber besprengt er, nachdem er ihn in das Blut des getöteten Tieres und in Quellwasser getaucht hat, siebenmal den „Unreinen" und läßt den Vogel dann fliegen ins „freie Feld". Hier liegt die Idee zugrunde, daß der Vogel den bisher an der Person haftenden Krankheitsstoif für immer forttragen möge. Die Idee der Apopompe findet sich auch bei den Assyrern. Der von Leiden Bedrängte fleht: „Laß mich das Unheil zerreißen, der Vogel trage es zum Himmel empor, meine Drangsal möge der Fisch wegnehmen, der Strom fortführen, möge das Getier des Feldes es von mir entfernen, in "die fließenden Gewässer des Flusses wegspülen" 3. In Böhmen geht der Fieberkranke vor Sonnenaufgang in den Wald, nimmt aus einem Schnepfennest ein Junges und behält es drei Tage bei sich; dann geht er in den Wald zurück und läßt die Schnepfe fortfliegen. Auf diese Weise trägt sie das Fieber weit weg 4 . 9. Blntbesprengung als apotropäisches Mittel Das Blut des zur Besänftigung der Dämonen geopferten Huhnes wird gleichzeitig zu apotropäischen Mitteln ver1 Kaus. S. 18, 16; Caland, Altind. Zauberritual 1900, 44 ff. Wer in Indien Lebenskraft erhalten will, der wirft einen mit einem Regentropfen benetzten Grashalm mit folgenden Worten in südlicher Eichtang: „Im Hunde, nicht in mir sei der Aussatz; am Ziegenbock, nicht an mir das greise Haar, im Grashalm, nicht in mir die Fieberhitze, in ihm, der uns haßt, und den wir hassen, nicht in uns sei die Schwindsucht" (Kaus. S. 13, 11 f.; Caland aaO. 26). 2 W. Robertson Smith, Religion der Semiten, übers, von Stübe 1899,324. * Jastrow, Religion Babyloniens und Assyriens II 95. * A. Wuttke, Deutscher Volksaberglaube 3 326.

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wendet, indem der von Dämonen gefährdete Mensch oder Ort mit Blut besprengt wird. Bei den Sarawaks und Dajaks wird das Opferhuhn zunächst lebend über die Person, deren Schuld durch dieses Tier gesühnt werden soll, hin- und hergeschwungen, alsdann wird die Person, nachdem das Huhn geschlachtet ist, mit dem Blute besprengt. Huhnopfer werden auch dargebracht, damit die Saaten gedeihen. Zu diesem Zwecke wird dieses Tier über das Saatfeld hin- und hergeschwenkt 1 . Der Dajak schlachtet gleich nach der Geburt eines Kindes ein Huhn, welches zuvor über die Häupter der Wöchnerin, des Neugeborenen und der übrigen anwesenden Personen geschwungen wird. Mit dem Blute des getöteten Huhnes wird die Stirn dieser anwesenden Personen beschmiert, während das Huhn später von allen gegessen wird 2 . Nachdem das Kind am siebenten oder zehnten Tage in einem vor dem Hause stehenden Gefäße gebadet worden ist, opfert man den Geistern ein Huhn und bestreicht das Kind mit dem Blute des Huhns 3 . Viele Eltern unter den Dajaks bestreichen ihre Kinder jeden Monat bis zu ihrem zehnten oder zwölften Jahre mit Blut; zu diesem Zwecke schlachten die Reichen jedesmal ein Huhn; die Armen nehmen dazu nur ein wenig Blut aus dem Kamme eines Hahns 4 . Ist ein Dajak schwer krank, so wird in unmittelbarer Nähe des Kopfes des Kranken ein Altar errichtet, auf welchem Hühner geopfert werden, während mit einer Schelle fortwährend gerasselt wird. Dann besprengt der Priester mit dem Blute der geopferten Tiere die kranke Person. Keine fremde Person darf zwei bis drei Tage lang das Haus des Patienten betreten 5 . Treffen sich zwei unversöhnliche Feinde in dem Hause einer Familie, so 1 H. Ling Roth Natives of Sarawak I 190, 243, 254; E. H. Gomes Seoenteen Years among the Sea Dydks of Borneo; London 1911,203; vgl. auch Sp. St. John Life in the Forests of the far East I 1863, 179. • 2 E. H. Gomes aaO. 100; Globus 42, 27. 1 Grabowsky, Globus 72, 271. 4 Grabowsky, Globus 42, 45; 72, 271. Dieselbe Behandlung erfahren auch Kranke. Dem mit Blut Bestrichenen wird zuletzt Reis anf den Kopf gestreut mit den Worten: 'So zahlreich wie diese Körner mögen deine Kinder und Reichtümer sein (Globus 42, 45). 6 H. Ling Roth Natices of Sarawak I 1896, 268 f.

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wird bei den Dajaks sogleich ein Huhn in ihrer Gegenwart geschlachtet, dessen Blut über die beiden Feinde gesprengt wird. Erst dann sehen sich die beiden Feinde friedlich an. Hierdurch ist das Unheil abgewehrt worden 1 . Der dajakische Bräutigam wird am Hochzeitstage, an welchem er das elterliche Haus verläßt, von seiner Mutter mit dem Blute einer Henne oder eines jungen Ferkels beschmiert. Die wesentliche Hochzeitszeremonie der Dajaks besteht darin, daß Priester das Brautpaar mit Opferblut besprengen 2 . Nach einem Begräbnis schlachtet der Dajak Hühner und bestreicht mit deren Blut die Pfosten des Sterbehauses, um so die Totengeister von diesem Hause fernzuhalten 3 . Bei den Sarawaks wird der Arm eines schwerkranken Kindes mit dem Blute eines Huhnes beschmiert i . Bei der Hochzeit der Kachin in Burma werden Hühner und Schweine geschlachtet und mit deren Blut die Braut und der Weg zum Hause des Bräutigams, den die Braut zu beschreiten hat, besprengt 5 . Die Tottiyans in Südindien schlachten zum Schutze des Brautpaares gegen dämonische Einflüsse bei der Hochzeit in der Nähe des Hochzeitsgeschirrs ein Huhn oder ein Schaf oder eine Ziege; mit dem Blute des Tieres wird die Stirn des Brautpaars bei seinem Eintritte in die Hochzeitshütte bestrichen 6 . Bei der Reinigungszeremonie einer Wöchnerin, die am achten Tage nach ihrer Geburt vorgenommen wird, wird ein weißes Huhn geopfert, dessen Blut im Hause umhergesprengt wird 7 . In Bombay wird der Kranke oft dadurch geheilt, daß man einen Hahn tötet und mit dessen Blut den Patienten einreibt 8 . In den Preanger Regentschaften (Niederländisch Indien), deren Eingeborene sich zum Islam bekennen, wird beim Bau eines Hauses, sobald die Pfosten stehen, ein Huhn geschlachtet, dessen Blut man in die Grube fließen läßt, während mit dem Blut, das noch in der Kehle zurück1 3 4 6 7 8

2 Sp. St. John aaO. S. 76. Globus 42, 27 f. Grabowsky, Der Tod bei den Dajaken, Int. Arch. f. Ethn. 1899, 182. Journ. of the Anthrop. Inst. XXXI 1901, 183 f. 8 J. Nisbet Burma II 440. Thurston Ethnogr. Notes 257 f. Jellinghaus, Ztschr. f. Ethnol. 1871, 366. Crooke Pop. Religion of Northern India2 II 20.

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geblieben ist, verschiedene Stellen der Pfosten bestrichen werden1. Wenn der Sundanese sich einen neuen Dandang d. i. ein zum Kochen des Reis bestimmtes Gefäß angeschafft hat, so muß dasselbe erst durch Blutbesprengung von dämonischen Einflüssen befreit werden; denn es könnte irgendein Feind mittels eines Zaubers einen bösen Geist in den Topf gebannt haben. Daher läßt man durch einen Priester ein Huhn schlachten und das Blut in den neuen Topf fließen. Hierauf wird das Blut ausgeschüttet und zuerst das Huhn in demselben gekocht und von der Familie verspeist 2 . Bevor man im Kanton Chavagnes, Allier, ein neues Haus bezieht, muß man dort irgendeinen Vogel töten und sein Blut in alle Räume des Hauses verteilen; im Kanton Boos bei Rouen nimmt man hierzu einen Hahn und läßt einige Tropfen seines Blutes auf die Schwelle fallen. Bevor man in Saintonge und Aunis irgendein Tier in einen neuen Stall führt, tötet man dort ein schwarzes Huhn, dessen Blut man auf die Mauer spritzen läßt 3 . Die Schwellen abessynischer Haustüren werden oft mit dem Blute schwarzer Hühner bestrichen 4. Bei den Nikobaresen beschmiert man zum Schutze gegen böse Geister die Hauspfosten mit Hühnerblut5. Zur Heilung eines Kranken töten die Tartaren ein Huhn und machen mit dessen Blute unter Hersagen einer Beschwörungsformel Sprengungen um sein Bett 6 . Die algerischen Juden gehen zu dem Zwecke mit einem arabischen Krankenbeschwörer zu einer Quelle und töten dort einen schwarzen Hahn, mit dessen Blut sie das Gesicht des Kranken beschmieren Hier soll der Krankheitsdämon, der durch das Blut verscheucht ist, ins Wasser übergehen. Zur Aufnahmezeremonie eines Mädchens in den Yewe-Kult gehört der Brauch, daß man das Blut eines geschlachteten weißen Huhns auf den Kopf des Mädchens fließen läßt 8 . Also in allen 2 E. Schwally, Semit. Kriegsaltert. I 1901, 92 f. Globus 45, 61. ' Seligmann, Per böse Blick II 217. 4 J. S. Curtiss, Ursem. Religion 1903, 213. s Intern. Arch. f. Ethnol. VI 13. 6 7 Seligmann aaO. I 299. Jewish Encycl. XI 600. 8 J. Spieth, Religion der Eweer 1911, 182. 1

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Lebenslagen, in denen sich der Mensch von unheilvollen Mächten bedrängt sieht, wird den feindlichen Mächten als Stellvertretung das Opferhuhn angeboten, dessen Blut zugleich als ein Schutzmittel gegen Unheil angewendet wird. Das Blut gilt nämlich im primitiven Glauben als ein äußerst wirksames Apotropäum. Bei großen Epidemien sucht der Dajak sein Haus vor Ansteckung dadurch zu schützen, daß er ein Tier opfert, mit dessen Blut er die Pfosten der Haustür besprengt1. Die Stelle, auf der ein Dajak sein Haus bauen will, muß zuerst mit Opferblut besprengt werden 2 . Der Mädigas in Südindien opfert am Hochzeitstage ein Lamm oder eine Ziege, mit deren Blut er die unmittelbar an dem Tore des Hochzeitshauses stehenden Palmen bestreicht 8 . In Westafrika wird die enge Pforte, die in das umzäunte Dorf führt, sobald dem Dorfe ein schlimmes Übel bevorsteht, mit dem Blute eines geopferten Schafes besprengt 4 . Am Neujahrsfest war bei den Eingeborenen Madagaskars Sitte, die Türpfosten und die Hoftore mit Blut zu bespritzen 5 . Bei den Arabern wird das Blut als „Schutzmittel gegen alles Böse" betrachtet. Daher werden die Neuvermählten vor dem Eheakte mit Blut besprengt In dem Muhammedanerdorf Burme in Adschlum begibt sich bei Krankheit oder Unglücksfällen die davon betroffene Familie zum dortigen Chidr-Heiligtum, um ein Opfer darzubringen. Man schneidet dort dem betreffenden Tier die Ohren ab; mit dem dabei fließenden Blute wird die Tür oder der Türsturz bestrichen, worauf man das Tier an der Hausschwelle schlachtet und mit seinem Blute die Türpfosten wie auch kranke Personen und Herden b e s t r e i c h t D i e sinaitischen 1 E. H. Gomes Seventeen Years among the Sea-Dyaks, 1911, 201. * Globus 42, 27. * Thürs ton Ethnogr. Notes 257. * E. H. Nassau Fetichism in Westafrika 1904, 93. 5 J. Sibree Madagascar 1870, 337. * I. Goldziher, Arch. für E. W. XIII 32. 7 S. J. Curtiss, Ursemitische Eeligion 1903, 220 ff. Bei verschiedenen arabischen Stämmen findet sich die Sitte, Türen oder Türpfosten oder Innenseite der Mauern yon Heiligtümern oder Priyathäasern, ja auch die Stämme heiliger Bäume mit dem Blut der Opfertiere zu bestreichen (S. J. Curtiss aaO. 211 ff.).

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Beduinen besprengen die Tür und Vorderseite eines neuen Hauses mit dem Blute eines zu diesem Zwecke geschlachteten Bocks. Ebenso werden in Higäz bei einem Neubau die Ecken des Gebäudes mit dem Blute des Opfertieres bespritzt 1 . An einzelnen Heiligtümern Syriens und Arabiens ist es Brauch, daß man sich als Zeichen der Weihe die Stirn mit Blut bestreicht. Einige Nossairier bestreichen auch die Stirn Kranker mit Blut, um sie vor dämonischen Einflüssen zu schützen 2 . Diese Sitte bekämpft der Talmudlehrer R. Aha Bar Haninä, indem er den Vers Ez. 9, 4 folgendermaßen auslegt: „Gott sprach zum Engel Gabriel: Mache auf der Stirn der Frommen ein Zeichen mit Tinte, damit ihnen die Geister des "Verderbens nichts antun können, mache dagegen auf der Stirn der Frevler ein Zeichen mit B l u t , d a m i t s i c h i h r e r die G e i s t e r des V e r d e r b e n s b e m ä c h t i g e n mögen3. Zur Abwehr der Dämonen haben die babylonischen Beschwörer die Türpfosten mit Blut besprengt i . Auch bei den Hebräern ist ursprünglich dieser Brauch vorhanden gewesen: „Nehmet ein Bündel Ysop und taucht es in das Blut (des Passahlammes) und streichet von dem Blute an die Oberschwelle und an die beiden Pfosten. Niemand aber von euch gehe aus der Tür seines Hauses bis zum nächsten Morgen. Wenn der Herr vorüberziehen wird, um die Ägypter zu schlagen, und das Blut der Oberschwelle und an den beiden Pfosten sehen wird, dann geht der Herr an der Tür vorüber und wird in eure Häuser das Verderben nicht kommen lassen" 5. Allerdings wird dieser Vorschrift eine andere, dem monotheistischen Geiste entsprechende Motivierung beigelegt: „Das Blut sei euch zum Zeichen an den Häusern, in denen ihr sein werdet; ich werde das Blut sehen und über euch hinwegschreiten, es wird euch keine verderbliche Plage treffen, wenn ich alle in Ägypten schlage 6 . Im Monotheismus kommt auch das Unheil von der A. Dillmann, Exodus und Leviticus ® 1897, 116. 3 Talmud Sabbat 55 a. Curtiss aaO. 218 ff. * Zimmern, Beitr. z. Kenntn. d. babylon. Eel. 1900, 127; ders., Keilinschr. u. d. alte Test.» 599. ' I I Mos. 12, 22—23; Tgl. auch K. Kohler, Arch, für R. W. X I I I 81 f. 6 I I M. 12, 3. 1 !

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einzigen Gottheit her. Ahron und seine Söhne werden auf folgende Weise zu Priestern geweiht: nachdem sie ein Bad genommen haben, bestreicht Mose Ohr, Daumen und große Zehe ihrer rechten Seite mit dem Blute des Opfertieres1. Durch diese Zeremonie soll jeder bisher an ihnen haftende dämonische Stoff, der als „Unreinheit" bezeichnet wird, beseitigt werden. Ebenso hat Moses den ersten Altar in derselben Weise Gott geweiht, er schlachtete „einen Stier des Sündopfers, nahm das Blut und bestrich damit die Hörner des Altars ringsherum mit seinem Finger und so entsündigte er den Altar, und das Blut goß er an den Grund des Altars und er heiligte ihn, um darauf zu versöhnen" 2. Hierdurch soll die Stätte, wo der Altar steht, für immer von dämonischen Einflüssen befreit werden; in diesem Sinne ist das Wort „entsündigen" angewandt. In Armenien, wo noch Tieropfer üblich sind, schlachtet der Priester im Vorhofe das mit roten Bändern umwickelte Tier, wie z. B. Ziege, Schaf oder Vogel, nachdem er eingesegnetes Salz dem Tiere in den Mund gesteckt und die linke Hand auf den Kopf des Tieres gelegt hat. Die Teilnehmer tauchen ihre Hände in das Blut und bestreichen damit die Wände ihrer Häuser. Hierauf folgt das Opfermahl3. Bei den Melanesiern wird das Blut des Opfertiers ins Feuer gegossen; der emporsteigende Dampf vertreibt die bösen Geister 4 . Bei schweren Entbindungen läßt der Kirgise das Blut eines zu diesem Zwecke geschlachteten Schafes auf die Hand der Frau spritzen5. Bei den europäischen Völkern wird das Blut vielfach als Schutz- und Heilmittel gegen den bösen Blick angewandt 6 . Plinius N. H. 1

I i i M. 8, 6, 23 f. III M. 8 , 1 5 . Wenn mit dem Blute des Opfertieres in verschiedenen Religionen (bei Hebräern, Griechen, Germanen, Peruanern) der Altar besprengt wird, so will man durch das Blut, das man der Gottheit darbringt, die zürnende Gottheit besänftigen. Vgl. III M. 1, 5, 11; 3, 2, 13; P. Stengel, Hermes 41, 232 ( = Opferbräuche der Griechen 1910,18); Grimm, Deutsche Myth. 4 1 4 5 ; J. J. v. Tschudi, Beiträge zur Kenntnis des alten Peru, Wien 1891, 51. 3 Berne de Vhistoire des religions 1901, 109. 4 E. H. Codrington Melanesians, Oxford 1891, 129. 6 R. Karutz, Unter Kirgisen 1911, 132. 8 Seligmann, Der böse Blick I 298f. 8

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X X X 14 berichtet, daß nach Ansicht der Magier das ganze Haus gegen jeden bösen Zauber gefeit sei, wenn man dessen Wände mit Hundeblut besprengt. Bei einigen ungarischen Zigeunerstämmen wird das Kind gleich nach der Geburt in einen Lappen gehüllt, auf dem sich einige Blutstropfen von seinem Vater befinden. Man glaubt dadurch das Kind bis zur Taufe vor den Nachstellungen der Hexen und Krankheitsdämonen zu wahren. Aus demselben Grunde läßt der Vater des neugeborenen Kindes bei einem sieben bürgischen Zigeunerstamm einige Tropfen seines Blutes in das vor dem Zelte lodernde Feuer rinnen, indem er dabei spricht: „Wollt ihr Blut, so gebe ich euch hier Blut; das Blut meines Kindes gehört aber dem großen Herrn im Himmel, dem Christus, der euch mit jüdischen Ketten fesseln wird" \ Auf die Anschauung, daß das Blut ein Schutzmittel gegen böse Dämonen sei, geht der in Weingarten bei Altdorf erhaltene Volksbrauch, der sogenannte „Blutritt" zurück. Am 41. Tage nach Ostern wird dort eine merkwürdige Prozession veranstaltet. Die meisten Teilnehmer sind beritten, sie sind militärisch gekleidet, tragen Fahnen, Musik begleitet ihren Zug, einer hat die „heilige Blutglocke", die beständig geläutet wird 2 , und der Pater Kustos reitet auf einem Schimmel und ist weiß gekleidet. Wohin diese Prozession, die den Namen „Blutritt" führt, sich bewegt, da bringt sie den Feldern Segen, daß kein Unwetter ihnen schaden kann, und auch den Pferden, auf denen die Teilnehmer reiten, ist der Ritt heilsam. Denn bei diesem „Blutritt" wird nach dem Glauben der dortigen Einwohner ein Tropfen des hl. Blutes Christi durch die Felder getragen 3 . Die Sitte der Blutbesprengung wird wohl ursprünglich nur zur Beschwichtigung der DämoneD gedient haben. Es sollte den anstürmenden bösen Geistern andeuten, daß man 1

H. y. Wlislocki, Aus dem innern Leben der Zigeuner 1892, 95 f. * Glockengetön verscheucht nach dem primitiven Glauben die bösen Geister dureh die apotropäische Macht der Bronze, s. Ad. Abt, Die Apologie des Apuleius, R G W IV 2, 159 f. * Stadt-Anzeiger der Kölnischen Zeitung 16. Mai 1912 Morgenausgabe, Viertes Blatt.

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sich bereits durch ein stellvertretendes Tieropfer ausgelöst habe, womit sie sich begnügen mögen. Hieraus könnte sich der Gedanke an die apotropäische Wirkung des Blutes entwickelt haben. Diese Idee tritt uns noch klar in folgendem Beispiel entgegen: zur Vertreibung der Krankheitsdämonen schießt bei den Savaras in Siidindien eine weise P>au auf den Körper des Kranken große Medizinpillen; zwei von diesen Pillen werden alsdann gegen einen Büffel, der als Stellvertreter des Patienten die ganze Zeit hindurch an der Haustür angebunden ist, geschossen. Der Büffel wird hierauf außerhalb der Dorfgrenze mit einer Axt getötet. Mit dessen Blut wird der Kranke beschmiert 1 . Dieses Tierblut, womit der Patient bestrichen ist, soll den Krankheitsdämonen zeigen, daß die Seele des Tieres für diesen Menschen ihnen dargebracht ist, so daß sie hierdurch veranlaßt werden, sich mit dem außerhalb des Dorfes befindlichen Stellvertretungsopfer zu begnügen und so aus dem Weichbilde des Dorfes zu verschwinden. 10. Das Huhn als dämonisches Tier Weil das Huhn besonders zur Beschwichtigung der Dämonen geopfert wurde, so ist es mit den Dämonen in enge Beziehung gebracht worden. Wenn die Pj'thagoreer einen weißen Hahn zu essen oder zu opfern verbieten 2, so geschah dieses wohl, weil sie ihn als Sonnentier für heilig hielten. Bei den Römern war 'Sohn einer weißen Henne3 soviel wie "Glückskind"s. Der Zauberer der orphisch-gnostischen Kulte brachte am häufigsten schwarze Hähne als Opfer dar 4 . In den niederländischen Sagen bringt der Zauberer den bösen Geistern eine 1

E. Thurston Ethnographie Notes in Southern India 1906, 303. Th. Wächter, Reinheitsvorschriften im griech. Kult, EGVV IX 1, 93. In China gelten weiße Hühner für dämonische Tiere, die man daher in keinem Hause aufzieht, da sie Unheil ins Haus bringen (Kölnische Ztg. 24. Juni 1913 Nr. 728). Weiße Hübner opfern die Bataks, Südinder und die Ewe-Neger den Krankheitsdämonen (s. oben S. 6. 43. 44. 52. 55). 3 A. Dieterich bei W. Amelung, Führer durch die Antiken in Florenz, 1897, 281 f. 1 A. Dieterich, Abraxas 1891, 158 Anm.; A. Abt, Apologie des Apuleius ( R G W IV 2) S. 227. 2

Religionsgeschichtliehe Versuche u. Vorarbeiten XIV, 3.

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schwarze Henne dar, damit sie seine Wünsche e r f ü l l e n I m deutschen Volksglauben ist der schwarze Hahn das Tier des Teufels. Der Teufel nimmt zuweilen die Gestalt eines schwarzen Hahnes an 2 . In den pommerschen Sagen hat der Teufel einen Hahnenfuß3. Auch nach dem altjüdischen Volksglauben haben die bösen Geister (sedim) Hahnenfüße4. Der Glaube, daß nachts weibliche Dämonen, wenn sie Wöchnerinnen oder Kinder zu bedrängen suchen, die Gestalt einer Henne annehmen, findet sich in Indien, auf Borneo und bei den Slaven 5 . Bei den Negern gilt ein schwarzer Hahn für ein dämonisches Tier, in das sich ein Hexenmeister verwandelt, wenn er Schaden anrichten will 6 . Im friesischen Saterlande schwört man Gott und die Heiligen ab, indem man mit einer schwarzen Henne in den Armen dreimal den Kirchhof gegen die Sonne u m w a n d e l t N a c h der germanischen Mythologie kräht ein dunkelfarbiger Hahn in der Unterwelt 8 . Auch die jüdische Kabbalistik teilt diese Anschauung: „In der Todesstunde, wenn die Seele den Menschen verläßt, um vor Gott Rechenschaft abzulegen, kräht ein schwarzer Hahn dreimal" 9. 1

J. W. Wolf, Niederländische Sagen 1843, 368. Wuttke, Deutscher Yolkaabergl.3 37; B. Eisel, Sagenbuch des Voigtlandes 1871,146, 216. Im österreichischen und norddeutschen Volksglauben hat der Korndämon die Gestalt eines Hahnes (Frazer Golden Bough2 II 266 f.). 3 Temme, Sagen aus Pommern S. 178, 255. 4 Talmud Beräköt 6 a. 6 Crooke Natives of Northern India 1907, 198; Ploß, Das Weib I ' 780; F. S. Krauß, Slavische Volksforschungen 1908, 57, 148, 154; derselbe, Volksglaube u. relig. Brauch der Südslaven 112. Daher gilt die Henne (kokoS) bei den Südslaven als ein unreines Tier (Krauß, Slav. Volksf. 126). 6 Globus 15, 55. ' Siebs, Ztschr. d. Ver. f. Volksk. 1893, 387. In Oldenburg steckt man Nadeln in das Herz einer schwarzen Henne und stellt es in verschlossenem Hause in einem Topf mit Wasser über das Feuer; kocht das Wasser, so muß die Hexe erscheinen (Feilberg, Ztschr. Ver. f. Volksk. XI 307). Ist in Ostfriesland die Milch behext worden, so daß sie nicht buttern will, so schlachtet man eine schwarze Henne, steckt deren Herz voll Stecknadeln und brät es in einem irdenen Topf über dem Feuer; dann schwindet die Behexung (Globus 26, 151). 8 Jordan, Edda 1889, 88; Grimm, Deutsche Myth.* II 558. 9 Sebi Hirs Jerahmiel Sefer Nahelat Sebi II, Amsterdam 5580, 77 b, Paresa Wajglak. 2

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11. Das Huhn als Dämonen verscheuchendes Tier Das Huhn ist vor allem wegen seiner ihm anhaftenden magischen Natur als Opfer für die Dämonen bevorzugt worden, da es nicht nur ein Beschwichtigungsmittel, sondern auch ein Apotropäum ist. Das Huhn verscheucht durch sein Krähen bzw. Gackern die Dämonen. Besonders ist der Hahn als Lichtverkünder dazu berufen, die lichtscheuen Geister zu vertreiben. Er gilt bei den verschiedensten Völkern als nächtlicher Wächter und Wecker der S c h l a f e n d e n N a c h altpersischer Anschauung ist der Hahn zur Vertreibung der Dämonen geschaffen. Die mittelpersischen Keligionsbücher verbieten, eine Henne, wenn sie wie ein Hahn kräht, zu schlachten und es für ein unglückliches Zeichen anzusehen. Vielmehr komme hier die Henne dem Hahn zur Hilfe, der in diesem Falle nicht allein imstande sei, die Dämonen zu verscheuchen, weshalb man gleich noch einen zweiten in dieses Gehöft bringen möge 2 . Nicht nur der lebendige Hahn, sondern auch sein Bild 1

Plinius N. H. X 21; Tanhumä, P. Emör, Beräköt 60 b ; Quiöa Helga Hundingsbana I I 48; J . Inglis Bible lllustrations frorn the Neiv Hebrides, London 18i'0, 85 f. Daher ist der Hahn auch das Symbol der Wiederauferstehung geworden, vgl. Scheftelowitz, Arch. f ü r R. W. XIY 23. Der hl. Ambrosius schildert den Hahn als Wiederevwecker der Toten beim jüngsten Gericht (Hexaem. V c. 24: Dormientes excitat). Bei den alten Persern und Arabern weckt der Hahn die Menschen zum Gebet und zur Frömmigkeit (Veudidiid 18, 15ff.; vgl. K. Geldner, Das 18. Kap. des Vend. in Sitz. Ber. Berl. Ak. Wiss. 1903; M. Grünbaum, Gesammelte Aufsätze, hrsg. v. F. Perles 1901, 39). 2 Bundahis c. 19, 33, Säyast la säyast X 30, Saddar XXXII. Daher darf man den Hahn nicht töten (Säyast la säyast X 9; Saddar XXXIY 3). Der Hahn gilt auch bei den Malaien als geistersichtig. In Vigau (Luzon) glaubt man, daß das nächtliche Krähen eines Hahnes den Tod eines Menschen ankündigt, da der Halm den Totengeist sieht. Die Ilocanen glauben, daß deshalb in der Nacht sich die Hähne rühren oder gar krähen, weil sich im Hühnerstall ein böser Geist eingefunden hat, um ein Huhn zu holen. In Portugal herrscht der Volksglaube, daß ein Hahn, wenn er vor Mitternacht viermal kräht, andeutet, daß jemand aus der Verwandtschaft des Eigentümeis des Hahnes bald sterben werde (Globus 48, 185). Über den weitverbreiteten Aberglauben, daß eine Henne, wenn sie wie ein Hahn kräht, geschlachtet werden muß, vgl. Scheftelowitz in Ztschr. d. Ver. f. Volksk. 1913 („Tierorakel im jüd. Volksglauben") S. 385 f., 390. 4*

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hält die in der Nähe weilenden Dämonen fern. Diese Anschauung treffen wir in China auf Buru 2 , bei den Arabern s , in Armenien *, im alten und im heutigen Griechenland 6 . Hahnenfiguren und Hahnenköpfe finden sich daher im klassischen Altertum als Amulette 6 . Aus diesem Grunde scheint der Hahn im Griechischen den Namen ¿XixzoiQ 'der Abwehrer1 erhalten zu haben. Nach dem jüdischen Volksglauben verscheucht das Hahnenkrähen die Dämonen 7. Derselben Vorstellung begegnen wir auch im altchristlichen Glauben. So sagt der im 4. Jahrhundert lebende Prudentius in seinem Hymnus ad galli cantum 1 0 : Ferunt vagantes canente exierritos sparsim

daemonas luetos tenebris noctium gallo timere et cedere. Im südlichen Persien,

in Böhmen und in der Lausitz schützt ein weißer Hahn vor jedem Zauber 8 . Im Mittelalter glaubte man, daß die Figur eines Hahnes jegliches Unheil vom Hause fernhalte Nach dem deutschen, irischen und englischen Volksglauben verscheucht das Hahnenkrähen alle Gespenster und Hexen 1 0 . In der Oberpfalz schützt eine schwarze Henne das Haus. In Süddeutschland zieht ein 1

J . J . M. de Groot Religious System of China V I 1910, 957, 965 ff. M. Bartels, Medicin der Naturvölker 1893, 254f. 5 Wellhausen, Reste arab. H e i d e n t u m s 2 152. 4 Abeghian, Armenischer Volksglaube 181)9, 33. 5 0 . Gruppe, Gr. Myth. 795 Anm. 5 ; B. Schmidt, Volksleben der N e u griechen S. H ö f . und N. J a h r b . f. d. klass. Altert. 1911, 648. 9 Vgl. Seligmann, Der böse Blick I I 1 2 ) ; daher werden in römischen Gräbern Hahnenfiguren gefunden (Klinkenberg, Das röm. Köln 1906, 308, 339). Auch auf römischen Lampenreliefs sieht m a n häufig dieses Tier (Banner J a h r b . Bd 63, 96; 7 9 , 8 8 , 9 7 ) . Auf einem antiken Grabdenkmal aus Auzia (Afrika) ist ein H a h n neben einem Skorpion und einer Schlange dargestellt (Seligmann aaO. I I 153). Die antiken Völker verwendeten zahlreich die F i g u r des Hahnes als Apotropaeum auf Sarkophagen und in Gräbern; v g l . E . B a e t h g e n De vi ac significatione galli 18ö7, 23 ff. ' Midras W a j i q r ä Kabbä P a r . 5 (cap. 5, 3). 8 Seligmann aaO. I I 120; W u t t k e , Deutscher Volksabergl. 3 118. 0 G. Grupp, Kulturgesch. d. Mittelalters 3 1912, 39. Daher wohl auch die Sitte, H ä h n e an Kirchtürmen anzubringen (vgl. Grimm, Deutsche Myth. 4 I I I 558). Durch E i n m a u e r n eines Hahnes kann man langes g u t e s W e t t e r zuwegebringen (Grimm I I I 449). 10 A. W u t t k e , Deutscher Volksabergl. 3 118, 384; Ch. Schneller, Märchen und Sagen im Wälschtirol 1867, 13; Siebs, Ztschr. Ver. Volksk. I I I 383; E . Eisel, Sagenbuch des Voigtlandes 1871, 7 ff.; Wood-Martin Traces of the eider faiths I I 16; Shakespeare, H a m l e t Act I 1. 2

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schwarzer Hahn alle Behexung an sich \ Nach schwedischem Volksglauben werden die Gespenster der Nacht von dem Schrei dreier verschiedener Hähne zum Aufbruch gemahnt, zuerst von einem weißen Hahn, dann von einem roten Hahn und zum dritten Male von einem schwarzen Hahn, bei dessen Krähen sich „des Himmelreichs Pforte" öifnet und das Gespenst verschwindet 2 . Auch nach dem Glauben der Zigeuner verscheucht die Stimme des Hahnes die Dämonen 3 . Aus diesem Grunde werden bei den verschiedensten Völkern die in einem neuerbauten Hause weilenden Dämonen durch einen Hahn vertrieben. Der Eingeborene von Loango läßt in einer neuen, bisher unbewohnten Hütte in der ersten Nacht einen Hahn zubringen. Außerdem räuchert man mit Zauberkräutern die ganze Hütte aus i . Genau derselbe Brauch existiert bei dem ruthenischen Stamm der Bojken 5 . Bevor der Huzule (Karpathen) und der Euthene ein neues Haus beziehen, sperren sie in demselben zunächst drei Tage lang einen schwarzen Hahn oder eine schwarze Henne ein 6 . Auf diese Weise glauben sie in diesem neuen Heim vor Unglück bewahrt zu sein. Solange der in eine neue Hütte gebrachte Hahn nicht gekräht hat, weilt nach russischem Volksglauben noch der böse Geist d a r i n I m Gouvernement Perm nimmt man bei der Übersiedlung in das neue Haus einen Hahn und eine Henne auf die Arme, läßt sie zuerst ins Zimmer und wartet, bis der Hahn dort kräht. Im Gouvernement Twer übernachtet der Hahn die erste Nacht im Zimmer 8 . Im Gouvernement Jaroslav und in Weißrußland wird beim Beziehen eines neuen Hauses ein Hahn und eine Katze hineingebracht, wobei man letztere auf den Herd legt. Nach dem Volksglauben vertreibt der Hahn die bösen Geister, während die Katze zum Behagen und Frieden beiträgt 9 . Wenn ein Serbe in ein neugebautes Haus einzieht, muß diejenige Person, die zu1

2 Seligmann aaO. II 120. Ztschr. Ver. Volkßk. X 201. H. y. Wlislocki, Aus dem innern Leben der Zigeuner 1892, 135. Pechuel-Loesche, Volkskunde von Loango 1907, 328. 6 Globus 79, 150. 9 Globus 76, 232; 61, 282; E. F. Kaindl, Eutenen in der Bukowina 7 1889, I 74. A. Bastian, Eechtsverhältnisse S. 280. 8 9 Globus 50, 312. Globus 86, 51; 50, 312. 3

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erst eintritt, einen Hahn bzw. eine Henne nebst Hund und Katze Tor sich gehen lassen. Dieser Brauch, zuerst ein Huhn ins neue Haus zu lassen, findet sich auch in Litauen, Ostpreußen, Franken, Vogtland, Aargau und Schottland 1 . Zur Bannung der Seelen der Abschiedenen pflegen an manchen bayerischen Orten die nächsten Verwandten im letzten Seelengottesdienste um den Hochaltar einen Hahn herumzutragen, der „Gockelleiche" genannt wird 2 . In-Westfalen und im Allgäu wird an den Brautwagen ein Hahn angebunden, der durch Branntwein zu lautem Krähen gebracht ist, wodurch böse Geister verscheucht werden sollen. In der Tachauer Gegend fährt man dem Wagen eine schwarze Henne nach 3 . Um in Rußland den „Kuhtod" auszutreiben, läuft eine Frau mit einem schwarzen Hahn von einem Ende des Dorfes zum andern, gefolgt von den übrigen Frauen, welche schreien: „Geh unter, du schwarze Krankheit!" Hierauf wird der Hahn verbrannt und das Dorf dreimal umpflügt, wobei ein Heiligenbild vorangetragen wird 4 . Zur Verscheuchung des Unheils aus der Ortschaft binden die Eweer an einen Palmwedel ein Hühnchen und eine Kröte und ziehen so den Wedel durch die ganze Stadt mit den Worten: „Unheil entferne dich" 5 . Wo sich an der Küste von Celebes eine für Seefahrer gefährliche Stelle befindet, da hausen nach dem dortigen Glauben böse Geister, gegen die sich der Schiifer nur dadurch sichern kann, daß er einen Hahn an Bord des Schiffes nimmt 8 . Dieselbe Wirkung wie der Hahn übt auch der rote Kamm des Hahnes aus. Bei dem Neubau einer Wohnung in China wird der Firstziegel mit dem Blute des Kammes eines Hahnes, der zu diesem Zwecke geopfert wird, beschmiert 7 . Zur Abwendung des Unheils gelobte man in Kom den Laren einen 1

Seligmann aaO. II 291 f.; V. Hehn, Kulturpflanzen nnd Haustiere« 326. * Vgl. Sartori, Sitte und Brauch I 140. Bei den Südslaven wird zur Trauung in die Kirche ein Hahn hereingebracht, wohl zum Schutze des von Dämonen gefährdeten Brautpaars (Krauß, Sitte und Brauch der Südslaven 3 1885, 445). Sartori aaO. I 69. * Arch. für R. W. IX 452 f. 6 J. Spieth, Religion der Eweer 1911, 95. • Globus 43, 362. ' Seligmann, Der böse Blick II 258.

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Hahnenkamm Der Talmud wendet sich gegen einen jüdischen Volksbrauch, nach welchem ein unglückliches Vorzeichen durch den Hahnenkamm abgewendet wurde: „Wer da sagt: Gebt der Henne einen Hahnenkamm zu fressen, da sie wie ein Hahn gekräht hat, der begeht einen heidnischen Brauch" 2 . Da der Hahn als Apotropäum bei den Heiden eine bedeutende Rolle spielte, so verbieten Misnä und Talmud ('Alodä zürä 13 b und 14 a) den Hahnenverkauf an Heiden, um den Aberglauben nicht zu unterstützen. Wenn der Göttin Nox in Rom Hähne geopfert worden sind s , so sollte hier der Hahn als Vernichter alles nächtlichen Spuks die in der Nacht hausenden Dämonen verscheuchen. Der Hahn ist als Verkünder des Lichtes von den alten Persern 4 hochgeehrt und von manchen anderen Völkern mit dem Sonnengott in Beziehung gebracht und für heilig gehalten worden. Die nichtarischen indischen Stämme opfern der Sonne einen weißen Hahn 5 . Im indischen Opferritual wird beim Asvamedha den Lichtgottheiten, wie Savitar, Agni und Anumati ein Huhn dargebracht". So war der Hahn in Griechenland dem Helios g e w e i h t e r war den Galliern ein heiliges Tier, das man nicht essen durfte 8 und dessen Bild als Heereszeichen diente 9 . Ebenso war er den Slaven ein heiliger Vogel 10 . Auch bei den Germanen kommt diese Anschauung vor. 1 Juvenal Sat. XIII 233. Nach Plinius N. H. XXIV 5, 100 wird der Biß eines tollen Hundes durch einen zerrissenen Hahnenkamm geheilt. 1 Töseftä Sabbat VI. 3 Ovid Fast. I 455. 1 Vgl. W. Geiger, Ostiran. Kultur 365ff.; Vend. 18, 15ff. 5 Crooke Pop. Rcl. of North. India2 I 9. 8 Gray in Ilastings Encycl. of Religion III 696. ' 0. Gruppe, Gr. Mythol. 795. Die Pythagoreer verehrten den weißen Hahn, weil er der Sonne heilig sei (vgl. Suidas unter nvfrayooae 553 ed. Bernhardy, Aelian V. H. 4, 16). Die Mysten in Eleusis enthielten sich des Genusses des Huhnes (Porphyr, de abst. 4, 14; vgl. Hehn, Kulturpfl. u. Haustiere' 326). 8 Caesar De hello Gall. V 12, 6: Leporem et gallinam et anstrcm gustare fas non pufant. 9 Vgl. Jahrb. Ver. f. Altertumskunde im Eheinland XIII 125. 10 A. Wuttke, Deutscher Volksabergl.1 34.

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Nach Ditmar von Merseburg gehörte der Hahn zu den edelsten Opfern, die auf Seeland jedes neunte Jahr den Göttern geopfert werden mußten Der hl. Veit hält auf alten Bildern, die über das 13. Jahrhundert nicht zurückdatieren, ein Buch in der Hand, worauf ein Hahn steht. Im St. Vitus-Dom zu Prag wurden bis ins 18. Jahrhundert alljährlich zu dessen Ehre Hähne geopfert 2 . Bei den Huichol-Indianern ist der Hahn das Tier der Sonne 3 . Daher ist es verständlich, daß der Sonnengott der Basilidianer, Iao Abraxas, auf einem geschnittenen Stein des Museums zu Cassel als Mann mit Hahnenkopf dargestellt ist 4 . Wo das Huhn heimisch geworden ist, hat es besonders wegen seiner Eigenschaft als Verkünder des Lichts die gleichen Vorstellungen bei den verschiedensten Völkern hervorgerufen. Wegen seiner apotropäischen Wirkung ist es als Stellvertretungsopfer für den Menschen bevorzugt worden. Die Urheimat des Huhns umfaßt ganz Indien und die malaiischen Länder. Die große chinesische Enzyklopädie berichtet, Hühner wären etwa im 14. oder 15. Jahrhundert v. Chr. aus Indien in China eingeführt worden. Auf babylonischen, aus dem 7. oder 6. Jahrhundert stammenden Tonzylindern finden sich Abbildungen von Haushühnern 5. Auf zwei altbabylonischen Gemmen sieht man einen Priester in der Stellung eines Betenden vor einem Altar stehen, auf dem sich ein Hahn befindet6. Also auch im babylonischen Glauben hat der Hahn eine Eolle gespielt. Den Griechen waren die Hühner schon im 5. Jahrhundert v. Chr. sehr vertraut. Darwin nimmt an, daß das Huhn erst um 600 v. Chr. nach Europa gekommen 8 Bonn. Jahrb. 43, 174. Bonn. Jahrb. 43, 174. 178. Globus 91, 191. 4 F. X. Kraus, Kealencycl. d. christl. Altert. I 1882, 642. Derartige Amulettsteine gibt es mehrere, z. B. ist einer, aus Athen stammend, im Privatbesitz von R. Wünsch: Mann mit Hahnenkopf und Schlangenbeinen ; Beischrift A BP AS AI. B Brehms' Tierleben 4 , Vögel II 1911, 55, 58. ' Layard Ninieeh and its remains, London 1849, I 538 f. Uber Hühnerorakel bei den Babyloniern vgl. Hunger, Babylonische Tieromina 190»*, 42 ff. 1

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sei 1 . Da das Huhn in Amerika ursprünglich nicht vorhanden gewesen ist 2 , so kommen erst in jüngerer Zeit bei den Indianern Huhnopfer vor. Die sonderbare Vorstellung, daß ein Dämon zuweilen die Gestalt eines Huhnes annimmt 3 , scheint von Indien her, der Urheimat des Huhnes, sich verbreitet zu haben.

12. Gibt es im Judentum Ritualmord 3 Bei vielen christlichen Völkern herrscht der Aberglaube, daß die Juden unmittelbar vor dem Passahfest ein Christenkind schlachten, um das Blut des Opfers zu gewissen rituellen Zwecken zu verwenden i . Gerade in den letzten Jahrzehnten sind solche Ritualmordanklagen zu Tisza Eszlar (1882), Xanten (1891), Polna (1899), Könitz (1900) und in den letzten Jahren in Kiew erhoben worden. Diese Anschuldigungen entbehren jeder Begründung. Das Judentum hat sich in seinen frühesten Anfängen von Menschenopfern jeglicher Art völlig frei gemacht, während viele andere primitive Völker bis in neueste Zeit Menschenopfer darbrachten 5 . Die Bibel 1

Brehms' Tierleben aaO.; vgl. auch Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere« 1894, 315. 8 Vgl. A. Reichenow, Handwörterbuch der Zoologie IV 1886, 49. » Vgl. oben Abschnitt 10. 4 Päpste der früheren Jahrhunderte haben diesen Ritualmordaberglauben zu bekämpfen gesucht, vgl. Kölnische Zeitung 28. Okt. 1913, 2. Morgenausgabe; Strack, Das B l u t 8 1911, 177ff. 6 Vgl. E. Mader, Die Menschenopfer der alten Hebräer, Freiburg 1909; Robertson Smith, Religion der Semiten 1899, 277, 285f.; Herzog, R. E. f. Prot. Theol. 1 VI 753, 755; V I I I 645f ; XIII 293f.; XIV 389; E. Westermarck, Ursprung und Entwicklung der Ethik I 1907, 362 ff.; H. L. Strack, Das B l u t 8 1911, 11 ff.; Frazer Golden Bough I 2 139ff.; Menschenopfer existierten z. B. bei den Ägyptern (Ed. Meyer, Gesch. des Altert. 3 1 2 S. 99); Griechen (E. Rohde, Psyche I I * 46, 352; E. Maaß, Griechen und Semiten auf dem Isthmus von Korinth 1902, 90f.; Nilsson, Arch. f. K.-VV. XVI 314), Römern (E. Samter, Arch. f. R.-W. X 375), Germanen und Slaven (Grimm, Deutsche Myth. 4 I I I 25; Tacitus Germ. 9, 39; Annal. 1, 61; 13, 57; E. Mogk, Abh. Sachs. Ges. Wiss 27, 601 ff.; Arch. f. R.-W. XV 1912, 422ff.), bei den Indern (E. Thurston Ethnoyr. Notes 1906, 511 ff.; J. Forsyth Highlands of Central India, London 1889, 179ff.; W . W. Hunter Brief History of the Indian peoples, Oxford 1897, 49), Wotiäken (Globus 67, 367 f.),

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Isidor Scheftelowitz

verbietet jeglichen Blutgenuß (vgl. 5. M. 12, 28ff.; 3. M. 3 , 1 7 ; 7, 26; 17,10ff.; 1. M. 9, 4). Daher muß das Fleisch vor dem Kochen von den Blutadern befreit werden, dann muß es eine halbe Stunde ins Wasser gelegt werden, damit das ihm anhaftende Blut abgespült werde; darauf wird es von allen Seiten mit grobkörnigem Salz dick bestreut, das ebenfalls Blut herausziehen soll, und bleibt so auf einem durchlöcherten Gerät eine Stunde lang liegen, damit das Blut gänzlich abfließen kann. Nachdem es erst reichlich mit "Wasser begossen und so das mit Blut vollgesogene Salz gänzlich abgespült ist, darf es zum Kochen verwendet werden 1 . Findet sich ein Bluttropfen in einem Ei, so darf man, wenn das Blut im Dotter sitzt, das ganze Ei nicht genießen; sitzt es im Eiweiß, so ist nur der bluthaltige Teil verboten 2 . Der Genuß von Menschenblut ist unter allen Umständen verboten s . „Wer Malaien und Ozeaniern (J. Elbert, Sunda-Expedition 1911, 264ft.; C. Ribbe, Zwei Jahre unter den Kannibalen der Salomo-Inseln 1903, 269; Codrington Melanesians 1891,135; Coombe Islands of Enchantments 1911, 308, 348f.; K. v. d. Steinen, Yerh. d. Gesellsch. f. Erdkunde, Berlin 1898, 510 ff.), den Negern Afrikas (Globus 81, 192f.; R. H. Nassau Fetichism in West-Africa 1904, 93ff.; A. P. Mockler-Ferryman British Nigeria 261 f.; Dennis Kemp Nine years at the Goldcoast 1898, 133; A. B. Ellis Yoruba-speaking peoples 1894, 57, 68, 75, 81, 105; derselbe Tshi-speaking peoples 1887, 23, 3 5 f , 52, 65; derselbe Ewe-spr.aking peoples 1890,117ff.); bei den Indianern (P. S. Drake Indian Tribes of the United States I 1885, 210; Waitz-Gerland, Anthropol. I l l 207; De Smet Missions de 1'Oregon et voyages aux montagnes rocheuses 1845, Gand 1848). Besonders wurde beim Begräbnis zur Beschwichtigung der Seele ein Mensch geopfert (C. Ribbe aaO. 272; H. H. Romilly From my Verandah in New Guinea, London 1889, 65; H. Ling Roth Natives of Sarawak 1896, I 155, 258; Globus 23 , 60f. in der Mongolei; K. Th. Preuß, Menschenopfer und Selbstverstümmelung bei der Totentrauer in Amerika i n : Festschr. f. A. Bastian zum 70. Geburtstage 1896; A. B. Ellis Tshi-speaking peoples 159 ff.; Wood-Martin Traces of the elder faiths of Ireland I 303), ebenso bei der Grundsteinlegung eines Hauses (E. B. Tylor Primitive Culture1 I 106f.; A. B. Ellis Tshi-speaking peoples 36; WoodMartin aaO. I 304; G. Hock, Griech. Weihegebräuche 1905, 81 f.; A. Wuttke, Deutscher Volksabergl.' 300; E. Sellin, Tell-Ta'anek in Denkschr. Wiener Akad. 1904, 51; Benzinger, Hebr. Arch. 2 92). 1 2 Sulhan 'Aruk Jöre dea 65, 1; 69. Hullin 64 b. 3 Maimonides MiSne Tora 6, 2; Jöre deä 66, 10. Man darf daher nicht aus dem Schröpfgefäß des Aderlassers trinken (Talm. Makköt 16 b).

Das stellvertretende Huhnopfer

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hartes Brot beißt und findet, daß das Brot von dem Zahnfleisch blutig geworden ist, soll das blutige Stück Brot abschneiden und wegwerfen" Weder zu religiösen noch zu medizinisch-abergläubischen Zwecken darf der Jude Menschenblut verwenden. Ein bindendes talmudisches Gesetz lautet: Für einen Kranken darf man alles als Heilmittel verwenden, nur nicht was mit Götzendienst, einer sexuellen Sünde oder mit Mord zusammenhängt 2 . Dagegen herrschte im Altertum bis zum spätesten christlichen Mittelalter bei vielen anderen Völkern die Anschauung, daß ein Aussätziger dadurch geheilt werden könne, daß er sich in Menschenblut bade 8 . Dieser schreckliche Brauch findet sich auch in der Legende des Kaisers Konstantin, des Papstes Innocenz VIII., im Armen Heinrich, dessen Sage Hartmann von der Aue behandelt hat 4 . Mit Schaudern berichtet Midras Semöt Rabbä 1, 34 die Sage, daß Pharao von Ägypten, als er vom Aussatz befallen war, sich morgens und abends im Blute von je 150 Kindern gebadet habe. Zu diesem Zwecke habe er den jüdischen Müttern ihre Kinder entrissen. Menschenblut diente nicht bei den Juden, wohl aber bei vielen anderen Völkern als ein wichtiges Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten. Plinius H. N. X X V I I I 2 erwähnt, daß Fallsüchtige das Blut tödlich verwundeter Fechter noch warm aus der Wunde des Menschen selbst tranken „und so zugleich den Lebensodem selbst aus der Wundöffnung schlürften". Selbst in neuerer Zeit wurde in Deutschland und bei den verschiedensten primitiven Völkern zu Heilzwecken das warm aus dem menschlichen Körper hervorsprudelnde Blut bevorzugt 5 . Bei den orthodoxen Russen ! Keritöt 21b; Maimonides aaO. Pesähim 25. Vgl. Plinius H. N. X X V I 1 ; Marcellus Empiricus De medicina c. 9; Strack aaO. 36 ff. * Vgl. Ludwig Pastor, Gesch. der Päpste I I I 8 230Ä. 6; Crooke Pop. Bei. of North. India2 II 172. 5 Vgl. W. L. Schwartz, Prähistor. - anthropol. Studien 1884. 120; A. Wuttke, Deutscher Volksabergl. 3 319, 136 ff., 334f., 348, 355; H. Kern, Menschenblut als Arznei, in: Festgabe zur Feier des 70. Geburtstages v. A. Bastian, Leiden 1896, 37ff.; A. Abt, Apol. des Apnleius ( R G W IV 2) 238f.; Am Urquell IV lff.; H. L. Strack, Das Blut 1911, 27ff., J. G. Frazer Golden Bough* I 1911, 91 ff., E. Thurston Ethnogr. Notes 309ff. 1

3

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Isidor Scheftelowitz

im Gouvernement Kazan wurde noch im Jahre 1892 ein Ritualmord begangen, um hierdurch die Cholera-Gottheit zu versöhnen. Das Blut des Ermordeten wurde von den Bauern getrunken \ Nach einer bosnischen Erzählung tötet ein Vater seinen einzigen Sohn, um mit dessen Blut neun blinden Hausgenossen die Augen zu waschen, damit sie hierdurch wieder sehend werden 2 . Bei den Zigeunern wird vielfach Menschenblut zu abergläubischen Zwecken verwendet 3 . In Indien glaubt man, daß ein kinderloses Weib dadurch ein Kind gebiert, daß sie sich in dem Blute eines zu diesem Zwecke getöteten Knaben badet i . Nach dem chinesischen Aberglauben besitzen verschiedene Teile des menschlichen Körpers und seine Sekrete heilsame Wirkungen. Menschenblut, von einem anderen entnommen, stärkt den, der es trinkt. Menschenfleisch gilt als das beste Mittel gegen Schwindsucht, und die Fälle sind nicht selten, daß Kinder sich Fleischstücke aus dem eigenen Körper schneiden, um damit ihre schwindsüchtigen Eltern zu heilen. Daß in China zu diesem Zwecke häufig Menschen ermordet werden, um Schwindsüchtigen das erforderliche Menschenfleisch zu verschaffen, ist erwiesen 5 . 1 F. S. Krauß, Slavische Volksforschungen 1908, 160 f. Zahlreiche andere Beispiele über Ritualmorde bei den Küssen finden sich bei Strack aaO. 17ff.; 61. Über Ritualmorde bei den Ogboni (Afrika) vgl. L. Frobenius, 2 Und Afrika sprach 1912 I 60 ff. Krauß aaO. 158. 3 H. v. Wlislocki, Aus dem inneren Leben der Zigeuner 75. 1 Crooke Natives of Northern India 1907, 202; derselbe Pop. Bel. of North. India2 II 173. 5 Globus 62, 238. In England, Irland und Arabien gab es kannibalische Riten bis in die geschichtliche Zeit hinein (G. L. Gomme Ethnology in Folklore 1892 ; Wood-Martin Traces of the elder fnithi of Ireland I 286 ff., 339; Goldziher, Globus 70, 241 f.). Noch heutzutage existiert Kannibalismus in Ozeanien (Globus 28, 64f., 7 9 f . ; W . P o w e l l Wanderings in a wild country 1884, 92; K. Lumholtz, Unter Menschenfressern 1892, 317; F. Burger, Küsten- und Bergvölker der Gazellahalbinsel 1913, 74; F. Coombe Islands of Enchantments 1911, 221; R. Andree, Anthropophagie, Leipzig 1887; P. Bergemann, Verbreitung der Anthropophagie, Bunzlau 1893; R. S. Steinmetz, Endokannibalismus, Wien 1896). Nach indischem Glauben erlangt derjenige, der Menschenfleisch nach Herzenslust im Traume genießt, Nachkommenschaft und Herrschaft (v. Negelein, Traumschlussel des Jagaddeva, R G W XI 4, 60 f.).

Das stellvertretende Huhnopfer

61

Bei vielen heidnischen Völkern herrschte ferner der Aberglaube, daß besonders der Genuß des aus dem Herzen strömenden Blutes eines Getöteten die Lebenskraft erhöht. Diese Anschauung existierte z. B. beiden klassischen Völkern 1 , Germanen s , Hunnen 3 , den heidnischen Arabern 4 , in Indien 5 , Birma 6 und bei den Indianern Südamerikas In den slavischen Ländern pflegen Diebe einen Menschen zu töten, um sich Menschenfett zu verschaffen, denn nach dem slavischen Aberglauben macht ein aus Menschenfett hergestelltes Licht unsichtbar 8 . Ebenso glaubt man in Indien, daß man mittels eines aus Menschenfett hergestellten Lichtes Schätze aufspüren könne 9 . Zur Erlangung ungewöhnlicher Zauberkräfte ist in Indien die Tötung eines Menschen erforderlich lw. Eigenartig ist es nun, daß gerade diejenigen Völker, bei denen Menschenblut eine bedeutende Rolle gespielt hat, den Juden Ritualmord andichten, obgleich ihnen stets Menschenopfer und Blutgenuß strengstens verboten gewesen sind. Im 2. und 3. Jahrhundert haben ursprünglich die Römer den Christen den Vorwurf gemacht, daß sie um die Osterzeit zur Messe Kinder schlachteten, wogegen sich die Kirchenväter wie Justin 1 1 und Tertullian 12 wenden. Ganz ähnliche Anklagen erheben die Chinesen gegen die Christen; sie behaupten, Christen schleppen Chinesenkinder fort und töten sie zu rituellen 1

9 Ovid Met. 13, 331. Helgakvida Hundingsbana I 38. Kegino Chronicon ad annum 889 bei Pertz Monum. I 600. * W. Robertson Smith, Religion der Semiten übersetzt von Stübe 1899, 240; derselbe Kinskip and marriage in early Arabia 1885, 284 f. 6 Crooke Pop. Bei2 II 173. • K. Lumholtz aaO. 320. 7 E. R. Smith Araucanians, London 1855, 274. 8 Globus 16, 288; 18, 192; Wuttke aaO. 319. Dieser Aberglaube herrscht auch in Jiitland und Island (Strack 71 ff.). 9 Somadeva Kathäsariisägara transl. Tawney 1880, I 306. 10 11 E. Thurston aaO. 309 ff. Apul. I 35; II 12. 12 Apol. c. VII f. Anlaß zu diesem Aberglauben mag der altchristliche Symbolismus gegeben haben, vgl. 1. Kor. 10, 16; Ev. Joh. 6, 54—56; Justin, Apologie 66; ferner auch Tauler, Predigten, nach der neuhochdeutschen Ausgabe, Frankfurt 1826, I 88: „Ißest du, so mache jeglichen Bissen feucht in seinem (Jesu) leiblichen Herzblut, trinkest du, so denke, dali er dir aus seinen heiligen Wnnden zu trinken gebe; schläft du, so lege dich recht auf sein blutiges Herz". Vgl. auch Strack aaO. 34ff., 198f. 3

62

Isidor Scheftelowitz

Zwecken 1 . Auch die Eingeborenen Madagaskars glauben, daß die unter ihnen lebenden Christen einheimische Kinder zu dem Zwecke kauften, um sie zu töten und deren Herz zu verzehren2. Die Juden haben zwar manche abergläubische Bräuche von ihrer andersgläubigen Umgebung angenommen, aber Blutriten und Ritualmord, wie sie sogar noch heute im russischen Volksglauben vorhanden sind, sind den Juden, da solche Bräuche allzusehr gegen fundamentale Religionssatzungen verstießen, verpönt gewesen 3 . 1 Globus 62, 238, Hübner Promenade autour du monde, Paris 1873, s II 385 ff. Temps vom 1. Febr. und 25. Mävz 1892. 3 Vgl. auch D. Chwolson, Die Blutanklage und sonstige mittelalterliche Beschuldigungen der Juden, Frankfurt a. M. 1901.

Das stellvertretende Huhnopfer

63

Nachträge S. 4 Anm. 6. Traces

Huhnopfer bei den Iren (Wood-Martin

of the eider faiths

of Ireland

I 305; II 6), den Tschi-

Negern und den Yorubas (A. B. Ellis Tshi-speaTcing peoples 1887,47,170; derselbe Yoruba-speaking peoples 1894,57,75,115). S. 16 ff. Auf dem Grabe des Verstorbenen bringt der Tschi-Neger Opfer dar, bestehend in Hühnern oder Schafen, Ochsen (A. B. Ellis Tshi-speaking peoples 240). — Die YorubaNeger töten beim Begräbnis ein Huhn, welches der Seele des Toten den Weg ins Totenland zeigen soll (A. B. Ellis Yorubaspeaking peoples 128, 160).

S. 20. 1898, lff.

Über das Bauopfer vgl. Sartori, Ztschr. f. Ethnol.

S. 32. Über die apotropäische Wirkung des Knoblauchs vgl. auch Kropatscheck De amuleiorum usu, Münster (Diss.) 1907, 46, 61. S. 35. Nach dem Eitualwerk Kol Bö § 58 (Venetia 5327 [ = 1567], 74 b) soll ein Greis oder ein frommer Mann den Hahn sowohl vor dem Schlachten als auch nach dem Schlachten je dreimal „rings um das Haupt desjenigen drehen, der gesühnt werden soll, indem er dabei spreche: "Dieser statt dieses, dieser sei die Stellvertretung für diesen, dieser sei der Ersatz für diesen, dieser Hahn gehe zum Tode, jener Mensch zum Leben1. Dann schicke man das Huhn einem Mittellosen, um eine Wohltätigkeit zu üben, weil es in der hl. Schrift heißt: 'Wohltätigkeit rettet vom Tode'." S. 45. Am Vorabend des St. Martintages (11. Nov.) tötet der lrländer in Athlone ein Huhn oder Schaf und besprengt mit dessen Blut die Türpfosten und die vier Ecken des Hauses (Wood-Martin aaO. I 305).

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Register Âargau 54 Abessinien 32 4 . 44 Adschlum 45 Afghanistan 29 Ägypten 1 Akkra-Neger 38 Albanesen 22. 26 f. àXéxTo)(/ 52 Algerien 44 Altes Testament 1. 28. 41. 46. 47. 58 Amerika 57 Apopompe 37 f. Arabien 20. 21. 32 41. 45. 46. 51 52. 61 Armenien 47. 52 Assam 5. 8. 10. 12. 17. 39 Assyrien 2 f. 20. 25. 41. 46. 56 Babylonien s. Assyrien Balkan 6 Basilidianer 56 Batak 6 Baumseele 4 Bauopfer 20. 66 Bayern 9. 54 Bekreisen 25 Bengalen 4». 8«. 17 Besen 24 Birma 61 Bismarckarchipel 15 Blutbesprengung 41 ff. 63 Blutritt 48 Böhmen 4 3 . 15. 37. 41. 52 Bohnen als Apotropäum 37

Bony 38 Borneo 4 6 . 8. 9. 14. 18 f. 21. 30. 31. 38. 42 f. 45. 50 Bosnien 22. 60 Brasilien 20 Buchara 30 Bulgarien 22 Burma 12. 25. 43 Burn 52 Celebes 31. 38. 54 Ceylon 6 Chewsure 19 1 Chile 28 China 19 3 . 20. 32 4 . 492. 52. 54. 56. 60 Czechen 10 Dahomey 31 Dajak s. Borneo Dalmatien 4 Dämonen, Aufenthaltsorte der 20 Dämonen in Hühnergestalt 50 Dänen 1 3 ' Deutschland 4. 6. 7. 9. 1 3 1 4 . 15. 18. 21. 28. 48. 50. 52. 59 England 14 52 Erbsen als Apotropäum 37, als Fruchtbarkeitssymbol 15 Esthland 18. 27 Ewe 6. 39. 44. 54 Farnkraut als Apotropäum 37 f. Festpflöcken der Dämonen 39

65

Das stellvertretende Huhnopfer Feuer 23. 26. 28 Fisch als Fruchtbarkeitssymbol 12 f. Flußopfer 4 Franken 54 Friesland 11. 50 Fruchtbarkeitssymbole 10 ff. Galla-Neger 4 Gallier 55 Garo s. Assam Gazella-Halbinsel 6 Germanen 50. 55. 61 Gerste als Fruchtbarkcitssymbol 14 Granatapfel als Fruchtbarkeitssymbol 16 2. Graupen als Fruchtbarkeitssymbol 15 Griechenland 1. 4 6 . 1 0 ' . 15. 19. 21. 28. 31. 32*. 49. 52. 55. 56 Hahn, Figur des 52 Hahn als Sonnenvogel 55 Hahn als Symbol der Wiederauferstehung 51 4 Hahn als Wecker 51 Hahnenkamm als Apotropäum 54 Hahnenkrähen 51. 52 Hochzeitsritual 9 ff. 43 Hopfen als Fruchtbarkeitssymbol 16 Huhn als Symbol des Kinderreichtums 10 f. Huhn, schwarzes 4. 6. 7. 9. 21. 27. 30. 39. 40. 44. 49 f. 52. 53 Huhn, weißes 6. 43. 44. 49. 52. 55 Huhn im Zauber 4 5 . 50 7 Hunnen 61 Huzulen 53 Japan 12. 14 Java 20 Ilocanen 51 2 Indianer 56. 61 Indien l f . 3. 4«. 5. 8. 9. 10 4 .12. 13. 14. 17. 19. 20. 22 ff. 28 f. 30.31. 38 2 . 40. 4 1 4 3 . 45. 49. 50. 55. 56. 60. 61 Irland 52. 63

Juden 8. lOf. 12. 14. 15. 20. 21. 25 f. 32 ff. 34 4 . 37. 44. 50. 57 Kannibalismus 60 Kappores 32 ff. 63 Kaschuben 15°. Kaukasus 30 Kirgisen 47 Knoblauch 32 4 . 63 Krähe 23 Kreis 22 ff. 30 f. Kroatien 18 Kurische Nehrung 18 Lauch 8 Lausitz 52 Letten 13 l . 18 Litauen 4". 27. 32 4 . 54 Loango 16. 53 Lustration mittels Blutes 41 ff. Luzon 51 2 Madagaskar 45. 62 Malabar 29 Malaien 3. 51 2 . 56 Manobas 40 Manführen 14 6 Mayas 8 Mecklenburg 27 Melanesien 47 Menschenblut 58 f. Menschenopfer 57® Mexiko 16 Mordwinen 12. 15 f. Neger 50 Neu-Mecklenburg 12 f. Neuseelaud 37 Nias 11 Niederland 49 Nikobaren 17. 44 Nüsse als Fruchtbarkeitssymbol 15 Oberpfalz 52 Ogboni 59 4 Oldenburg 6 f. 11. 38 s . 40. 50 7

ReligionsgeschicUtliche Versuche u. V< arbeiten XIV, 3.

5

66

Isidor Scheftelowitz, Das stellvertretende Huhnopfer

Österreich 9. 21. 50 2 Ostpreußen 21. 54

Sundanesen 10 5 . 44 Syrien 45 f.

Palestina 37 Persien 30. 39. 51. 52. 55 Pern 2 Philippinen 6 Polen 11 Portugal 51 2

Tachauer Gegend 54 Talmud (Töseftä) 3. 7 f. 9. 10. 10*. 20. 26. 46. 55. 58 f. Tartaren 44 Tieropfer als Substitut für den Menschen 1 ff. Tirol 9. 11. 27 f. Togo 38 Totenopfer 16 4 63 Traum, böser 39 Tscheremissen 3. 18 Tschi-Neger 63 Tschuwaschen 9 Tunis 25 Türken 14

Reis als Fruchtbarkeitssymbol 13 f. Rhodesia 16 Ritualmord 57 ff. Rom l 2 . 6. 15. 26. 32 4. 38. 48. 49. 52. 54. 55. 59. 61 Rumänen 14. 27 Rußland 14.18.22. 27. 28.53.54. 59 f. Ruthenen 20. 32 4. 53 Salzburg 6 Sarawak s. Borneo Schlesien 15 Schottland 14 4. 26. 54 Schweden 53 Schweiz 21. 44. 54 Schwert 25. 27. 29 Schwingungen als Apotropäum 28f. 31 f. Seeland 56 Serben 31. 53 Shans 14 Slaven 4«. 7. 13 \ 17. 27. 32*. 50. 54 2 . 55. 61 Slovenen 14. 22 Ssabier 4 8 Südamerika 13 Sumatra 6. 29

Übertragung des dämonischen Stoffes 381 Ungarn 4. 39 2 . 48 Urchristentum 20. 52. 61 Yeit, hl. 56 Vogtland 54 Wahehe 3 Weizenkörner als Fruchtbarkeitssymbol 14 Westafrika 45 Westfalen 11. 15. 54 Wotiäken 4 6. 57 5 Yoruba 63 Zigeuner 27. 37. 48. 53. 60

Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten

xiv.Band

De antiquissimis veterum, quae ad Iesum Nazarenum spectant, testimoüiis

1 Hoft

scripsit

1913

Kurt Linck 118 S.

M. 4 —

Die Arbeit hat den Zweck, von neuem die nichtchristlichen Zeugnisse über Jesus von Nazareth (Joseph, ant. Jud. XVIII 63 sq. Niese, Plin. ep. ad Tr. 95. 96, Tae. ann. XV 44, Suet. Claud. 25) auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu untersuchen. Bestimmend hierfür waren folgende Gründe: Zunächst ist die besonders seitdem Erscheinen von A. Drews' 'Christusmythe' (Teil I Jena 1910, II 1911) vielfach entstandene Ansicht zurückzuweisen, daß aus jenen Zeugnissen unbeschadet dessen, ob sie echt oder interpoliert seien, kein Argument gezogen werden dürfe für die Frage nach der Geschichtlichkeit Jesu und nach seiner Sekte. Sodann erschien es zweckmäßig, das im Laufe der Zeit sehr angewachsene und an den verschiedensten Stellen verstreute Material in den Hauptzügen zusammenzufassen and die Echtheit a l l e r v i e r Testimonia in ein und derselben Abhandlung zu prüfen. Endlich glaubte der Verfasser, auf das Sprachliche der Zeugnisse noch mehr Sorgfalt verwenden zu müssen, als es bisher geschehen ist. Jedem Autor ist ein Kapitel zugewiesen. Die Resultate sind folgende: 1. Die Josephusstelle ist ganz als interpoliert zu betrachten. 2. Des P l i n i u s Brief und T r a i a n s Antwort sind echt. Aus jenem erfahren wir einiges über die ersten christlichen Gemeinden von Pontus und Bithynien. 3. Des T a c i t u s Zeugnis muß in allen Teilen als echt anerkannt werden und ist am wertvollsten. Ihm liegen zuverlässige Quellen zugrunde; wir erfahren daraus: a) Zur Zeit Neros waren Christen in Rom; b) als Stifter ihrer Religion galt dem Tac. Jesus von Nazareth; c) dieser war unter Pontius Pilatus gekreuzigt; d) Jesus ist nach Tac. unter die historischen Persönlichkeiten zu rechnen. 4. Die Worte in S u e t . Claud. 25 sind echt und beziehen sich auf einen jüdischen Aufwiegler namens Chrestus, der uns weiter nicht bekannt ist. XIV.Band 2. Heft

De coronarum apud antiquos vi atque usu scripsit Josef Röchling 1914 100 S. Im Druck Im ersten Kapitel wird die Bedeutung des Kranzes untersucht, die sich einerseits ans seiner Form, andererseits aus seinem Material ergibt. Das zweite Kapitel bringt die Verwendung des Kranzes als prophylaktisches und apotropäisches Mittel bei der Konsekration von Tempeln, Altären, Bildwerken und anderen Gott geweihten Gegenständen, bei Geburt, Hochzeit und Tod, bei allen privaten und öffentlichen Feiern und bei jeder magischen Handlung. Zu den Sitten der Alten werden bisweilen die Bräuche moderner Völker in Vergleich gesetzt. Im dritten Kapitel gibt der Verfasser einen kurzen Uberblick über die geschichtliche Entwicklung der Bedeutung des Kranzes.

xiv.Band

De veterum macarismis

4- H e f t

scripsit

Gustav Lejeune Dirichlet

1914 73 S. Im Druck Die aus dem Neuen Testament bekannte Formel der Seligpreisung findet sich auch in der antiken Literatur häufig verwendet. Das erste Kapitel der Arbeit gibt eine Geschichte der in dieser Redewendung gebräuchlichen Synonyma, besonders der Worte fiàxaç, oXßioe, iiSaificov, und analysiert die einzelnen Formen des Makarismus. Im zweiten Kapitel werden die verschiedenen Typen nach sachlichen Gesichtspunkten zusammengestellt, wodurch die Seligpreisung als kürzeste Fassung antiker Anschauungen über das Ideal und als Gemeinplatz einzelner literarischer Gattungen erwiesen wird.

XIV

HeftKj

Babylonian-Assyrian Birth-Omens And Their Cultural Significance by Morris Jastrow, jr.

1914 ca. 90 S. Im Druck Die Schrift ist ein Nebenergebnis der langjährigen Studien des Verfassers über die babylonisch-assyrische Religion. Auf Grund von zahlreichen Auszügen aus den betreffenden Keilschrifttexten wird die babylonisch-assyrische Deutungslehre aus Geburtsvorzeichen dargestellt, und zwar erstreckt sich diese Lehre sowohl auf Tiergeburten wie auf Erscheinungen bei Menschengeburten. Sodann geht der Verfasser über zu einer Unter-

Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten suchung der kulturhistorischen Bedeutung dieser Geburtsvorzeichenlehre und weist nach, daß Nachklänge in den weitverbreiteten Anschauungen über Monstruitäten als Monstra, d. h. also Zeichen von d.en Göttern gesandt, sowie in der Annahme von Misch- und Fabelwesen bei Babyloniern, Ägyptern, Etruskern, Griechtin, Römern, ja selbst im fernen Osten zu erkennen sind. Die Schrift wendet sich also an weite Kreise und hofft das Interesse der klassischen Archäologen, der Orientalisten und der Religionsforscher für das behandelte Problem zu erregen.

Y ' j J ^ Die Fragmente der griechischen Kultschriftsteller herausgegeben und erläutert

von Alois Tresp

1914

Im Druck

Gesammelt sind in dieser Arbeit die Fragmente aus den Schriften, deren Titel mit griechischem Kult im Zusammenhang steht In zweifelhaften Fällen, wie bei den Schriften über das griechische Orakelwesen, war der Inhalt der Fragmente maßgebend. (Jedem Fragment folgen die wichtigsten textkritischen Bemerkungen; angeschlossen ist die Literatur, die auf das Fragment sich bezieht, und Bemerkungen des Verfassers, sofern etwas Neues hinzuzufügen war ) Die Ergebnisse der Sammlung sind in einer Einleitung zusammengefaßt. Im Quellenregister sind sämtliche Stellen aus den Quellenschriftstellern zusammengestellt, mögen diese direkt ihre Gewährsmänner zitieren oder sachlich mit ihnen übereinstimmen.

xv.Band

Milch im Kultus der Griechen und Eömer

a. Heft

1914

von KarlWyß

Im Druck

Die Arbeit will zunächst zeigen, daß die Milch besonders in frühen Zeiten iu gleicher Weise als Opfer diente, wie andere Gaben der Natur, ohne daß ihr eine besondere Wirkung zugeschrieben worden wäre. Weiterhin wird die mannigfaltige Verwendung der Milch als nüchterne Spende, im Totenkult, in den Mysterien und der Zauberei behandelt. Im Anschluß an Hermann Useners Aufsatz „Milch und Honig" versuchen die Kapitel über „die sühnende Wirkung der Milch" und „die Milch als Götterspeise und Attribut des seligen Jenseits" darzutun, daß Usen er im genannten Aufsatz vielfach übers Ziel hinausschoß.

Verlag von B. G. T e u b n e r in Leipzig und Berlin

Archiv für Religionswissenschaft Nach A l b r e c h t D i e t e r i c h unter Mitwirkung von H. O l d e n b e r g , C. B e z o l d , K. Th. P r e u ß in Verbindung mit L. D e u b n e r herausgegeben von XVII. Jahrgang.

Richard Wünsch.

1914. Jährlich 4 Hefte zu je etwa 10 Druckbogen.

Preis JL 18.—

Das „Archiv für Religionswissenschaft" will zur Lösung der nächsten und wichtigsten auf diesem Gebiete bestehenden Aufgaben, der Erforschung des allgemein ethnischen Untergrundes aller Religionen, wie der Genesis unserer Religion, des Unterganges der antiken Religion und des Werdens des Christentums beitragen und insbesondere die verschiedenen Philologien, Völkerkunde und Volkskunde und die wissenschaftliche Theologie vereinigen. Neben der I. A b t e i l u n g , die wissenschaftliche A b h a n d l u n g e n enthält, stehen als II. A b t e i l u n g B e r i c h t e , in denen von Vertretern der einzelnen Gebiete kurz, ohne irgendwie Vollständigkeit anzustreben, die hauptsächlichsten Forschungen und Fortschritte religionsgeschichtlicher Art in ihrem besonderen Arbeitsbereiche hervorgehoben und beurteilt werden. Regelmäßig kehren in fester Verteilung auf vier Jahrgänge zusammenfassende Berichte über wichtige Erscheinungen auf den verschiedenen Gebieten der Religionswissenschaft wieder. Die III. A b t e i l u n g bringt M i t t e i l u n g e n und H i n w e i s e . U. Pätz'sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.