Das Schuldverschreibungsgesetz und die kollektive Bindung von Anleihebedingungen [1 ed.] 9783428550647, 9783428150649

Mit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz von 2009 hat der deutsche Gesetzgeber dieses Rechtsgebiet umfassend reformiert

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Das Schuldverschreibungsgesetz und die kollektive Bindung von Anleihebedingungen [1 ed.]
 9783428550647, 9783428150649

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 104

Das Schuldverschreibungsgesetz und die kollektive Bindung von Anleihebedingungen Von

Cristina Freudenberger

Duncker & Humblot · Berlin

CRISTINA FREUDENBERGER

Das Schuldverschreibungsgesetz und die kollektive Bindung von Anleihebedingungen

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 104

Das Schuldverschreibungsgesetz und die kollektive Bindung von Anleihebedingungen Von

Cristina Freudenberger

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15064-9 (Print) ISBN 978-3-428-55064-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85064-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Albert-LudwigsUniversität Freiburg als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 22. und 23. Juli 2014 in Freiburg im Breisgau statt. Rechtsprechung und Literatur wurden bis August 2016 berücksichtigt. Danken möchte ich zuvorderst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago) für das Betreuen dieser Arbeit, die reibungslose Abwicklung des Promotionsverfahrens sowie die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Ich bin dankbar für die Unterstützung und Förderung, die ich von ihm erfahren durfte. Herrn Professor Dr. Marc-Philippe Weller danke ich für das zügige Erstellen des Zweitgutachtens, Herrn Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan) sowie Herrn Professor Dr. Gerald Spindler für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Herrn Dr. Paul Hauser, LL.M., danke ich für wertvolle Anregungen und Diskussionen, Frau Dr. Sarah Nietner für das Lesen der Korrekturen. Danken möchte ich schließlich meinen Eltern. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im April 2017

Cristina Freudenberger

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899 und seine Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Das Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vom 5. August 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. Der Grundsatz der kollektiven Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Regelungsgehalt und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. § 4 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Fungibilität als anerkannter Rechtsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Die Entwicklung der kollektiven Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Das SchVG von 1899 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Relevanz einer dogmatischen Analyse der Gemeinschaft der Anleihegläubiger

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1. Kollektive Bindung als Rechtsgrundlage von Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . 31 2. Kollektive Bindung als Auslegungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Das Innenverhältnis der Gläubigergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Anleihegläubiger als faktische Risikogemeinschaft und die Lehre von der schlichten Interessengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Konsequenz der Annahme einer faktischen Risikogemeinschaft . . . . . 34 bb) Rechtliche Analyse der faktischen Risikogemeinschaft . . . . . . . . . . . . 35 (1) Faktische Risikogemeinschaft bei Nichtanwendbarkeit des Abschnitts 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 (2) Faktische Risikogemeinschaft bei Anwendbarkeit des Abschnitts 2 38 b) Gläubiger eigenkapitalähnlicher Anleihen als Quasi-Gesellschafter . . . . . 38 aa) Rechtsfolgen einer gesellschafterähnlichen Stellung der Obligationäre 38 bb) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

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Inhaltsverzeichnis c) Exkurs: Der Ordnungsrahmen des Schuldverschreibungsgesetzes und die Analogie zum Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Abgrenzung anhand der ökonomischen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Abgrenzung anhand des verbrieften Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Abgrenzung unter dem Aspekt des Kapitalanlegerschutzes . . . . . . . . . 43 dd) Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ee) Exkurs: Genussrechte und Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Personengesellschaft i.S.d. §§ 705 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Praktische Gründe für die Qualifikation als Personengesellschaft . . . . 47 bb) Gesellschaftsgründung mit Erwerb der Schuldverschreibungen . . . . . 48 cc) Gesellschaftsgründung mit Durchführung einer Gläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 e) Rechtsgemeinschaft i.S.v. § 741 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Das Außenverhältnis der Gläubigergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Teilgläubigerschaft i.S.d. § 420 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Gesamtgläubiger- oder Mitgläubigerschaft i.S.d. §§ 428, 432 BGB . . . . . 54 3. Die Anleihegläubigergemeinschaft als Kollektiv sui generis . . . . . . . . . . . . . 55 III. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

E. Die Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG . . . . . . . . . . 57 I. Räumlicher, sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG . . . . . . . 57 1. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Begriff der Schuldverschreibung i.S.d. § 1 Abs. 1 SchVG . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Inhaltsgleichheit und Austauschbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (1) Sonderfall: Namensschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (2) Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Sonstige Voraussetzungen des Schuldverschreibungsbegriffs . . . . . . . 65 b) Begriff der Gesamtemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Ausnahmen vom Anwendungsbereich – Pfandbriefe und Sovereign Bonds 67 3. Zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Die Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage der kollektiven Bindung 69 1. Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Die Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss – das Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Ermächtigungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Beschlussgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Verbot der Begründung von Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Inhaltsverzeichnis

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bb) Exkurs: Die Grenzen der Wirksamkeit von Gläubigerbeschlüssen . . . 76 (1) Nichtigerklärung eines Gläubigerbeschlusses durch Gestaltungsurteil als Ergebnis einer erfolgreichen Anfechtungsklage . . . . . . . 76 (2) Abgrenzung nichtiger Gläubigerbeschlüsse von anfechtbaren Gläubigerbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (3) Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Mehrheitserfordernisse, Stimmrechtsausübung und Stimmrechtsbindung 81 d) Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Gläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Abstimmung ohne Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 e) Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 f) Vollziehung der Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Reichweite der kollektiven Bindung bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Begriff und Inhalt von Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Erscheinungsformen von Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Die Ausgestaltung von Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Fungibilität als Ausgangspunkt und Schranke der kollektiven Bindung . . . . . 93 3. Kollektive Bindung bei verschiedenen Tranchen derselben Anleihe . . . . . . . . 95 a) Aufteilung einer Anleihe in verschiedene Tranchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Aufstockungen (Tap) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Tranchen mit unterschiedlichen Bedingungen (Asset-Backed-Securities) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Asset-Backed-Securities Tranchen als Teile einer Gesamtemission . . . . . . 97 c) Änderung der Anleihebedingungen von Asset-Backed-Securities . . . . . . . 98 4. Vereinbarkeit von einseitigen Leistungsbestimmungsrechten mit § 4 SchVG 100 a) Zertifikate als Anlageprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Zertifikatebedingungen und Leistungsbestimmungsrechte . . . . . . . . . . 102 bb) Bestimmungsvorbehalte und Gleitklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte und die Auslegung des § 4 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Ausgestaltung einseitiger Änderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5. Exkurs: AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Schuldverschreibungen und Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Anleihebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . 111 aa) Die AGB-Qualität von Anleihebedingungen bei Eigenemissionen . . . 111 bb) Die AGB-Qualität von Anleihebedingungen bei Fremdemissionen . . . 113

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Inhaltsverzeichnis b) Die Einbeziehung von Anleihebedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB . . . 114 c) Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Das Transparenzgebot im SchVG und die Weitergeltung des AGB-Rechts 118 aa) Das Transparenzgebot des § 3 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Das Verhältnis des Transparenzgebots zum AGB-Recht . . . . . . . . . . . 119 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Die Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden . . . . . . . . . . . . 122 1. Die Besicherung von Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Realsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Personalsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Patronatserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Garantie als Teil der Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Änderung durch gleichlautenden Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Änderung im Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Das Erfordernis der Einwilligung durch den Mitverpflichteten . . . . . . 129 bb) § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SchVG als Grenze der Änderungsmöglichkeiten? 130 3. Die Garantie als isolierte Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Garantieerklärung unterliegt deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Erstreckung der kollektiven Bindung bei ausdrücklicher Inbezugnahme – Die Voraussetzungen des § 22 SchVG und das Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Änderung durch gleichlautenden Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Kollektive Bindung ohne ausdrückliche In-Bezugnahme . . . . . . . . . . . 134 b) Garantieerklärung unterliegt ausländischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen . . . . . . . . . . . . 137 1. Gesetzgeberischer Wille und RiLi 93/13/EWG und 98/27/EG . . . . . . . . . . . . 138 a) Fortbestehen der Möglichkeit zur Erhebung von Einzelklagen . . . . . . . . . 140 b) Eingeschränkter Prüfungsmaßstab im Rahmen der Verbandsklage . . . . . . 141 c) Unzulässigkeit der Erhebung der Verbandsklage zum Schutz von Unternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Technische Umsetzung der Änderung von Anleihebedingungen durch Individualklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Umsetzung von Änderungen bei kollektiver Bindung der Gerichtsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Umsetzung von Gerichtsentscheidungen mit inter partes Wirkung . . . . . . 146 3. Kollektive Bindung bei Individualklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Zulässigkeit der Erhebung von Individualklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Inhaltsverzeichnis

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b) Wirkung individuell erhobener Leistungs- und Gestaltungsklagen . . . . . . 148 aa) Lösungsansatz 1 und kritische Würdigung: Änderung der Anleihebedingungen in Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Lösungsansatz 2 und kritische Würdigung: Kollektive Wirkung der gerichtlichen Entscheidung durch Anwendung seitens des Emittenten 150 (1) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten aus § 4 S. 2 SchVG . . . 151 (2) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten gemäß § 30a WpHG . . 151 (3) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten als Ausfluss von Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (a) Gleichbehandlungsgebot der Gesellschaft als Ausfluss verbandsrechtlicher Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (b) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten gemäß § 242 BGB 155 (aa) Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (bb) Regelungsgehalt des § 242 BGB und Subsumtion . . . . . . 155 cc) Lösungsansatz 3: Anwendung des Urteils kraft materiell-rechtlichen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 dd) Lösungsansatz 4: Durchbrechungen der Wirkung inter partes (Rechtskrafterstreckung auf Dritte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Zumutbarkeit der Rechtskrafterstreckung für den Dritten . . . . . . . 160 (2) Prozessuale Begründung der Rechtskrafterstreckung . . . . . . . . . . . 163 (3) Rechtskrafterstreckung infolge Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Kollektive Bindung gerichtlicher Entscheidungen de lege ferenda . . . . . . . . . 164 5. Rechtsfolgen und kollektive Rechtsverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 IV. Grenzen der kollektiven Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Die Grenze der kollektiven Bindung im Referentenentwurf zum SchVG . . . . 167 2. Die Grenzen der kollektiven Bindung unter dem SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Das Gleichbehandlungsgebot und seine Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . 168 aa) Gleichbehandlungsgebot und kollektive Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Exkurs: Abgrenzung zur pari-passu Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 cc) Durchbrechungen des Gleichbehandlungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (1) Benachteiligung einzelner Gläubiger im Rahmen der Änderung von Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (a) Benachteiligung einzelner Gläubiger kraft Zustimmung der benachteiligten Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (b) Benachteiligung einzelner Gläubiger durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (2) Bilateraler Handlungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (a) Quasi-Änderung von Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Rückkauf von Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) AGB-Recht und kollektive Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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Inhaltsverzeichnis 3. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

G. Zusammenfassung und abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Abschließende Würdigung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

A. Einführung I. Gegenstand der Arbeit Das „Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung“1 (nachfolgend: SchVG) ist am 5. August 2009 in Kraft getreten und löste damit das „Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“ vom 4. Dezember 18992 (nachfolgend: SchVG von 1899) ab. Die praktische Bedeutung des SchVG von 1899 war infolge seines ausgesprochen engen Anwendungsbereichs sehr gering geblieben.3 Vor diesem Hintergrund verfolgt das SchVG in erster Linie das Ziel, das deutsche Recht der Schuldverschreibungen durch die Erleichterung von Restrukturierungen international wettbewerbsfähig zu machen. Zu den grundlegenden Neuerungen in diesem Zusammenhang gehört die Möglichkeit der Änderung von Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss mit bindender Kraft für alle Gläubiger einer Anleihe. Ebenfalls in diesem Kontext wurde in § 4 SchVG der Grundsatz verankert, dass Bestimmungen in Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe rechtsgeschäftlich nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder durch Mehrheitsbeschluss gemäß dem in den §§ 5 ff. SchVG vorgesehenen Verfahren geändert werden können. Für die darin zum Ausdruck kommende zwingend identische Ausgestaltung der Anleihebedingungen für alle Gläubiger derselben Anleihe verwendet das SchVG den Begriff der kollektiven Bindung. Ausweislich der Gesetzesbegründung will der Gesetzgeber mit diesem Begriff die Beschränkung der individuellen Rechtsmacht unterstreichen, die darin besteht, dass zweiseitige Vereinbarungen zwischen Schuldner und Gläubiger ausgeschlossen sind.4 1

BGBl. I 2009, S. 2152 ff. Gesetz vom 14. 12. 1899, RGBl., S. 691, Abdruck unter BGBl. III 4134-1. 3 Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1914; Leuering, NZI 2009, S. 638, 639. Zu den wenigen – erfolgreichen sowie weniger erfolgreichen – Anwendungsfällen des SchVG von 1899 in der Praxis zählen u. a. die Sanierung der Südmilch AG im Jahr 1993 und der Rinol AG im Jahr 2003 sowie die versuchte Umstrukturierung einer Anleihe der EM.TV Merchandising AG im Jahr 2004; Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221 ff. 4 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 2

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A. Einführung

Ihre Rechtfertigung findet die kollektive Bindung in der zwecktauglichen Ausgestaltung der Schuldverschreibungen als fungible Wertpapiere. Ohne die Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere wäre die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet. Mit der Einführung des Konzepts der kollektiven Bindung fasst § 4 SchVG erstmals in Gesetzesform, was ohnehin Voraussetzung kapitalmarktfähiger Schuldverschreibungen ist. Die Umsetzung dieses Novums des deutschen Schuldverschreibungsrechts sowie die Auseinandersetzung mit Umfang und Reichweite dieses Grundsatzes ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

II. Gang der Darstellung In einem ersten Schritt sollen die Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie die Entwicklung und der Bedeutungsgehalt des Grundsatzes der kollektiven Bindung skizziert werden (Abschnitt B. und C.). Um die Frage nach den Voraussetzungen, Umfang, Reichweite und Grenzen der kollektiven Bindung nachzugehen, wird untersucht, ob infolge des Umstandes, dass die Anleihegläubiger über die kollektive Bindung der Anleihebedingungen miteinander verbunden sind, dem Kollektiv der Anleihegläubiger eine bestimmte Rechtsnatur zugesprochen werden kann oder sogar muss (Abschnitt D.). Wäre dies der Fall, so könnte dies eine Einschränkung oder Erweiterung der kollektiven Bindung zur Folge haben und es könnten sich zudem wertvolle Erkenntnisse für die Beantwortung von Folgefragen ergeben. Zum besseren Verständnis der Norm sind im Folgenden die Voraussetzungen der kollektiven Bindung zu erörtern (Abschnitt E.). Vor dem Hintergrund, dass es sich bei § 4 SchVG – in den Fällen, in denen der Anwendungsbereich des SchVG eröffnet ist – um zwingendes Recht handelt, soll erstens der Anwendungsbereich des SchVG in zeitlicher, örtlicher und insbesondere sachlicher Hinsicht definiert werden. An zweiter Stelle wird das Änderungsregime des SchVG dargestellt, auf das sich die kollektive Bindung bezieht. Im Anschluss hieran wird der Versuch unternommen, Umfang, Reichweite und Grenzen der kollektiven Bindung zu bestimmen (Abschnitt F.). Dies geschieht zuvörderst mit Blick auf rechtsgeschäftliche Änderungen von Anleihebedingungen. Hierfür wird auch der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 4 S. 2 SchVG als flankierende Regelung berücksichtigt. Erst dann soll die Ausstrahlungswirkung der kollektiven Bindung, über die rechtsgeschäftliche Änderung der Anleihebedingungen hinaus, in die übrigen Bereiche des SchVG betrachtet werden. Hierzu zählt insbesondere die kollektive Bindung im Hinblick auf Sicherungsrechte sowie im Zusammenhang mit gerichtlich herbeigeführten Änderungen von Anleihebedingungen.

B. Entstehungsgeschichte I. Das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899 und seine Grenzen Gerät ein Unternehmen, welches Schuldverschreibungen ausgegeben hat, in eine wirtschaftliche Schieflage, so ist zu seiner erfolgreichen Sanierung häufig auch die Restrukturierung dieser Schuldverschreibungen erforderlich.5 Die hierfür notwendige Änderung der Anleihebedingungen bedarf eines Änderungsvertrags zwischen dem Emittenten und den Anleihegläubigern, für dessen Wirksamkeit die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich ist.6 In der Praxis führt dies zu dem Problem, dass bei Anleihen mit einem großen Investorenkreis eine Zustimmung aller Gläubiger kaum zu erreichen ist.7 In solchen Fällen ist häufig nur eine gemeinsame und für alle bindende Beschlussfassung der Gläubiger zielführend. Sind Beschlüsse nämlich nur für die zustimmenden Gläubiger bindend, führt dies in der Praxis regelmäßig zum sog. Hold-out Problem8: Gläubiger, die die Restrukturierung der Verbindlichkeiten des Schuldners blockieren, profitieren davon, dass durch den Verzicht der zustimmenden Gläubiger die Unternehmung saniert wird und die nicht-zustimmenden Gläubiger als sog. Free-Rider den vollen Forderungsbetrag ihrer ausstehenden Schuldverschreibungen zurückerhalten.9 Mehrheitsklauseln entziehen diesem Trittbrettfahrerverhalten die Grundlage.10 Dies wäre ohne eine gesetzliche Grundlage nicht möglich.11 Beweggrund für den Erlass des SchVG von 1899 war dem5

Leuering, NZI 2009, S. 639, 639; Klerx/Penzlin, BB 2004, S. 791, 792; Schwenk, jurisPRBKR 1/2009 Anm. 4. 6 BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 321. 7 Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 362; Hopt, FS Schwark, S. 441, 442. Anders ist dies insbesondere bei Anleihen zu beurteilen, die im Rahmen einer Privatplatzierung begeben werden. Siehe zum Konzept der Privatplatzierung Schimansky/Bunte/ Lwowski/Köndgen/Schmies, Bankrechts-Handbuch, § 113, Rn. 75. 8 Zur Hold-out Problematik und der damit verbundenen „Rationalen Apathie“ vgl. eingehend Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 350 ff.; Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 143; Theiselmann/Plank/Lürken, Restrukturierungsrecht, Kap. 5, Rn. 12 ff. 9 Hofmann/Keller, ZHR 175 (2011), S. 684, 694. Diese Problematik zeigte sich auch am Beispiel der Restrukturierung griechischer Staatsanleihen. Da die Anleihen keine Mehrheitsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, konnten strategische Investoren, die die Anleihen vorher zu niedrigen Preisen erworben hatten, die Rückzahlung der Anleihen zum Nennbetrag erzielen Nodoushani, WM 2012, S. 1798, 1798. 10 Sester, WM 2011, S. 1057, 1058. 11 Schneider, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 69, 73.

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B. Entstehungsgeschichte

entsprechend, dass in bestimmten Situationen eine kollektive Entscheidung der Anleihegläubiger über die Rechte ebenso wie die kollektive Geltendmachung dieser Rechte im Interesse aller Anleihegläubiger liegen.12 Entsprechend der gesetzgeberischen Intention regelte das SchVG von 1899 das Recht der Schuldverschreibungen nicht umfassend, sondern sorgte lediglich für die Vergemeinschaftung der Schuldverschreibungsgläubiger sowie deren Organisation und Willensbildung.13 Kernstück des SchVG von 1899 war die Möglichkeit der Gläubigerversammlung Beschlüsse zu fassen, die für alle Gläubiger verbindliche Kraft haben (§ 1 Abs. 1 SchVG von 1899).14 Gleichzeitig wies das SchVG von 1899 drei große Schwächen auf, aufgrund derer das Gesetz in der Vergangenheit kaum praktische Bedeutung entfaltet hat.15 Erstens war der Anwendungsbereich auf Emittenten mit Sitz in Deutschland beschränkt (§ 1 Abs. 1 SchVG von 1899). In der Praxis werden Schuldverschreibungen jedoch häufig über eine ausländische Finanzierungsgesellschaft begeben.16 Dies hatte in der Vergangenheit zur Folge, dass in bezeichneten Fällen das SchVG von 1899 regelmäßig keine Anwendung fand.17 Zweitens bestimmte § 11 Abs. 1 SchVG von 1899, dass eine gemeinsame Beschlussfassung der Gläubiger nur dann möglich sein soll, wenn dies zur Abwendung der Zahlungseinstellung oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erforderlich ist. Häufig ist es zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits zu spät, um eine Insolvenz nachhaltig abzuwenden.18 Ferner sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen eine Restrukturierung aus anderen Gründen gewünscht ist. Exemplarisch seien hier nur Änderungen des steuerlichen Umfelds oder der Rechtsform des Emittenten genannt.19 Der Umstand, dass das SchVG von 1899 keine Änderung der Anleihebedingungen in den genannten Situationen erlaubte, sorgte in der Vergangenheit regelmäßig für einen Wettbewerbsnachteil deutschen Rechts bei der Rechtswahl für die Anleihebedingungen.20 12 Begründung Regierungsentwurf SchVG von 1899, Sten. Ber. S. 904, 908; Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 41; Schneider, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 69, 73. 13 Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 41; ebenso Hopt, FS Steindorff, S. 341, 341. 14 Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 222; Grieser, ZfgK 2008, S. 397, 398. Ausführlich zu den Vorschriften des SchVG von 1899 Vogel, Das Schuldverschreibungsgesetz, S. 1, 1 ff. 15 Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1914; Hopt, FS Schwark, S. 1, 1; Horn, BKR 2009, S. 446, 446. Vgl. zu den Einzelfällen in der Vergangenheit, in denen eine Restrukturierung des Emittenten unter Anwendung des SchVG von 1899 vorgenommen wurde, die Ausführungen in Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 13 ff. und Theiselmann/Plank/Lürken, Restrukturierungsrecht, Kap. 5, Rn. 190 ff. 16 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30. 17 Vogel, Das Schuldverschreibungsgesetz, S. 1 ff. 18 Leuering, NZI 2009, S. 638, 639. 19 Hopt, FS Steindorff, S. 341, 346 f. 20 Schneider, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 69, 69 f.

II. Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vom 5. August 2009

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Schließlich beschränkte § 11 Abs. 1 SchVG von 1899 die zulässigen Restrukturierungsmaßnahmen auf die Ermäßigung des Zinsfußes sowie eine Bewilligung der Stundung, jeweils begrenzt auf einen Zeitraum von drei Jahren. Derartige Maßnahmen sind jedoch meistens nicht ausreichend, um Sanierungsprozesse erfolgreich durchzuführen.21 Insgesamt führten der zu enge Anwendungsbereich sowie die zu starke Einschränkung der Gläubigerbefugnisse in der Vergangenheit zu einer Schwächung des Finanzplatzes Deutschland.22 Vielfach war daher in Schrifttum und Praxis bereits ein modernisiertes Schuldverschreibungsgesetz gefordert worden.23 Unmittelbaren Anstoß zur Umsetzung des Reformvorhabens gab ein Bericht der Rechtsabteilung des Internationalen Währungsfonds vom Juni 2002. Dieser stellte fest, dass die Bundesregierung in einer Erklärung vom 14. Februar 2000 zwar kautelarische Bestimmungen in Anleihebedingungen von Staatsanleihen, die den Vorschriften des SchVG von 1899 nachempfunden sind, für zulässig erachtet. Die Rechtspraxis habe allerdings durch diese Erklärung keine Änderung erfahren, da nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheit bestehe, da die von der Bundesregierung abgegebene Erklärung die Gerichte nicht binde.24 Hierauf hat der Gesetzgeber letztlich mit dem Erlass des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vom 5. August 2009 reagiert.

II. Das Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vom 5. August 2009 Erster Anstoß für die Entwicklung des SchVG war ein vom Bundesministerium der Justiz im Jahr 2003 vorgelegter Diskussionsentwurf25, der das Ziel verfolgte das deutsche Schuldverschreibungsrecht internationalen Standards anzupassen.26 Der Diskussionsentwurf sah bereits zahlreiche Vorschriften vor, die sich auch im nun21 Schneider, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 69, 77. Vgl. zum DebtEquity-Swap, dessen Durchführung nach den Vorschriften des SchVG von 1899 nicht möglich war, aber ansonsten bevorzugt als Instrument zur Umschuldung eingesetzt wird Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 478. 22 Begründung Regierungsentwurf (Allgemeiner Teil), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 23 Hopt, FS Steindorff, S. 341, 381; Bergfort, Die Bank 2006, S. 24, 28. 24 IMF, Design and Effectiveness of CACs, S.8; ebenso Group of Ten, Working Group Report, Fn. 3, der bereits ankündigt, dass bezüglich der Verwendung von Collective Action Clauses in den Anleihebedingungen ausländischer Emittenten Klarstellung geschaffen werden soll. Siehe hierzu auch Schneider, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 69, 73. 25 Diskussionsentwurf zu einem Gesetz zur Änderung des Schuldverschreibungsrechts, Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 22. Mai 2003. Vertiefend zu den Vorschlägen des Diskussionsentwurfs siehe Schneider, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 69, 87 ff. 26 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 477.

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B. Entstehungsgeschichte

mehr geltenden SchVG wiederfinden.27 Geplant war allerdings zu diesem Zeitpunkt noch deren Eingliederung in das BGB, dort als §§ 795 – 795e. Zu den Vorschriften, die sich bereits im Diskussionsentwurf fanden, zählt insbesondere die Regelung zur umfassenden Beschlusskompetenz der Gläubigerversammlung zur Änderung der Anleihebedingungen, begrenzt durch einen Katalog von Beschlussgegenständen.28 Ebenso wie das SchVG sah auch schon der Diskussionsentwurf den dispositiven Charakter der Regelungen zu Gläubigerversammlung und Gläubigervertreter vor (sog. Ermächtigungsmodell).29 2008 legte das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf vor.30 Dieser enthält einen vollständig überarbeiteten Entwurf eines Schuldverschreibungsgesetzes,31 knüpft aber an einigen Stellen an den Diskussionsentwurf des BMJ an und hatte sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, Zweifel über die Gültigkeit von Umschuldungsklauseln (sog. „Collective Action Clauses“) zu beseitigen und das Schuldverschreibungsrecht international üblichen Anforderungen anzupassen.32 Dementsprechend wurden die Regelungen aus dem Diskussionsentwurf zu Gläubigerversammlung, Gläubigervertreter und bindenden Beschlüssen weitgehend übernommen.33 Neueingeführt wurde insbesondere die an das Aktienrecht angelehnte Anfechtungsklage.34 Seinen Abschluss fand das Gesetzgebungsverfahren mit dem Inkrafttreten des SchVG am 5. August 2009.35 Zum überwiegenden Teil basiert die endgültige Fassung des SchVG auf dem Referentenentwurf, kehrt aber zum Ermächtigungsmodell 27 Vgl. instruktiv zur Entwicklung des SchVG die Darstellung bei Sester, AcP 209 (2009), S. 629, 630 ff. und Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl, SchVG, Einleitung, Rn. 1 ff. 28 Vgl. hierzu nur Artikel 1 Nr. 1 § 795b des Diskussionsentwurfs SchVG. 29 Artikel 1 Nr. 1 § 795b Abs. 1 des Diskussionsentwurf SchVG lautet: „Die Emissionsbedigungen können die Errichtung einer Versammlung aller Gläubiger […] vorsehen […]“; Das sog. Ermächtigungsmodell sieht vor, dass Anleihegläubiger nicht mehr ex lege das Recht haben Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss vorzunehmen, sondern nur dann, wenn dies in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. Zwischenzeitlich hatte man sich im Referentenentwurf SchVG von dieser Lösung abgewandt und die Möglichkeit der Gläubigerversammlung, mit Wirkung für alle Anleihegläubiger wirksame Beschlüssen zu fassen, zwingend vorgesehen. Im Ergebnis hat man sich jedoch im Regierungsentwurf des SchVG wieder zum Ermächtigungsmodell bekannt; Verannemann/Verannemann, SchVG, § 5, Rn. 3 f. 30 Ausführlich zu den Vorschriften des Referentenentwurfs SchVG vgl. die Darstellungen von Schwenk, jurisPR-BKR 1/2009 Anm. 4; Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 221 ff.; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 12 ff.; Hopt, FS Schwark, S. 441, 441 ff. 31 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 477. 32 Begründung Referentenentwurf (Problem und Ziel). 33 Vgl. hierzu die Vorschriften in Artikel 1 Nr. 1 §§ 795b, 795c, 795e des Diskussionsentwurfs sowie die §§ 4 und 6 des Referentenentwurfs. 34 Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 228 f. 35 Für einen Überblick zu den Vorschriften des SchVG vgl. die Darstellungen bei Schlitt/ Schäfer, AG 2009, S. 477, 477 ff.; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1914 ff.; Horn, BKR 2009, S. 446, 446 ff.

II. Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen vom 5. August 2009

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zurück.36 Es trifft materiell- und verfahrensrechtliche Vorgaben zur Änderung der Anleihebedingungen durch die Anleihegläubiger und stellt als prozessuales Instrument die Möglichkeit der Anfechtungsklage zur Verfügung.

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Verannemann/Verannemann, SchVG, Einführung, Rn. 18.

C. Der Grundsatz der kollektiven Bindung Inhalt und Bedeutung des Grundsatzes der kollektiven Bindung sind die zentralen Anknüpfungspunkte für die Beantwortung der Frage nach Umfang und Reichweite des § 4 SchVG. Im Folgenden werden daher Regelungsgehalt und Regelungszweck der kollektiven Bindung dargestellt. Da die Fungibilität von Schuldverschreibungen in engem Zusammenhang mit dem Regelungszweck der kollektiven Bindung steht, ist der Erläuterung des Bedeutungsgehalts der Fungibilität ein eigener Abschnitt gewidmet. Zum besseren Verständnis soll schließlich die historische Entwicklung der kollektiven Bindung vom SchVG von 1899 bis zum heutigen Stand skizziert werden.

I. Regelungsgehalt und Regelungszweck 1. § 4 SchVG § 4 SchVG normiert den Grundsatz der kollektiven Bindung und bestimmt: Bestimmungen in Anleihebedingungen können während der Laufzeit der Anleihe durch Rechtsgeschäft nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2 dieses Gesetzes geändert werden (kollektive Bindung). Der Schuldner muss die Gläubiger insoweit gleich behandeln.

Daraus folgt, dass Anleihebedingungen stets nur für alle Anleihegläubiger gemeinsam und im Wege eines der beiden vorgesehenen Verfahren geändert werden dürfen. Zulässige Verfahren zur Änderung von Anleihebedingungen sind die Änderung durch gleichlautenden Vertrag sowie die Änderung durch einen alle Gläubiger bindenden Mehrheitsbeschluss. In der Konsequenz sollen und werden die Anleihebedingungen daher stets für alle Gläubiger denselben Inhalt vorsehen. Hierfür hat der Gesetzgeber den Begriff der kollektiven Bindung gewählt.37 Soweit teilweise vertreten wird, dass der Begriff der kollektiven Bindung lediglich die Bindung der Gläubiger an Mehrheitsbeschlüsse bezeichnet, ist dies nicht zutreffend.38 Wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, geht der Grundsatz der kol37

Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. So auch Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 615 f. 38 So wohl Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 35, der aus diesem Grund davon ausgeht, dass die Nichtigkeit eines Gläubigerbeschlusses die Grenze der kollektiven Bindung darstelle. Ähnlich wohl auch Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1916, der von einer kollektiven Bindung in Bezug auf Kündigungsrechte spricht.

I. Regelungsgehalt und Regelungszweck

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lektiven Bindung weiter und schränkt die Rechtsmacht eines jeden Gläubigers dahingehend ein, dass individuelle Änderungen der Anleihebedingungen nicht mehr möglich sein sollen.39 Die stets identische Ausgestaltung der Anleihebedingungen soll die Fungibilität der Schuldverschreibungen aus einer Gesamtemission gewährleisten. Eben diese Fungibilität ist nach der Auffassung des Gesetzgebers nämlich die entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte.40 Ohne die Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet.41 Die identische Ausgestaltung der Schuldverschreibungen wird auf unterschiedliche Art gewährleistet. Dies ist abhängig davon, ob die Anleihebedingungen durch Individualverträge mit sämtlichen Gläubigern oder mittels Mehrheitsbeschlusses der Gläubigerversammlung geändert werden. Für Änderungen nach § 4 S. 1 Alt. 1 SchVG ist die Inhaltsgleichheit der Schuldverschreibungen durch das Erfordernis des gleichlautenden Vertrags mit allen Gläubigern sichergestellt. Bereits die Merkmale „gleichlautend“ und „sämtliche Gläubiger“ verbieten Abweichungen zulasten oder zugunsten eines einzelnen Gläubigers. Das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG bleibt im Rahmen einer Änderung der Anleihebedingungen durch Individualverträge deshalb ohne Wirkung. Bei Änderungen der Anleihebedingungen durch einen für alle Gläubiger verbindlichen Mehrheitsbeschluss muss als flankierende Regelung hingegen noch das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG hinzutreten, um stets die kollektive Bindung der Bedingungen sicher zu stellen.42 Danach ist ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, der nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, […] unwirksam, es sei denn, die benachteiligten Gläubiger stimmen ihrer Benachteiligung ausdrücklich zu.

Abschnitt 2 des SchVG sieht die Änderung von Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger vor. Dieser ist gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SchVG für alle Gläubiger derselben Anleihe bindend. Neben das Verfahren nach Abschnitt 2 39

Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 40 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 41 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Ausführlich hierzu auch schon BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 315 ff., bereits unter Berücksichtigung des vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schuldverschreibungsrechts. Ebenso zur Fungibilität der Wertpapiere als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, S. 1500, 1501. 42 Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1915.

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C. Der Grundsatz der kollektiven Bindung

tritt § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG, wonach der Schuldner die Gläubiger insoweit gleich behandeln muss. Ohne dieses an den Schuldner adressierte Gleichbehandlungsgebot bestünde die Möglichkeit, dass die Gläubiger im Einvernehmen mit dem Schuldner durch Mehrheitsbeschluss nur für einen Teil der Schuldverschreibungen – z. B. zum Nachteil einer Gläubigerminderheit – die Bedingungen ändern. In diesem Fall wäre die Inhaltsgleichheit der Anleihebedingungen nicht gewährleistet. Zweifelsohne wird durch das Institut der kollektiven Bindung bei Mehrheitsbeschlüssen der Gläubiger die Gestaltungs- und Vertragsfreiheit des einzelnen Gläubigers erheblich beschränkt. Letzterem kann durch ordnungsgemäßes Beschlussverfahren die Änderung eines an sich bilateralen Rechtsverhältnisses gegen seinen Willen aufgezwungen werden.43 Jenseits von bilateralem Vertrag und Gesellschaft entsteht auf diese Weise ein Vertragsnetzwerk, in welchem der einzelne Gläubiger trotz eines an sich zweiseitigen Rechtsverhältnisses nicht isoliert vom Kollektiv der Anleihegläubiger handeln kann.44 Geschuldet ist dies den Funktionsbedingungen und den wirtschaftlichen Eigengesetzlichkeiten von Schuldverschreibungen.45 Die konkrete Reichweite der kollektiven Bindung kann nach Auffassung des Gesetzgebers nicht abschließend bestimmt werden.46 Sah der Referentenentwurf noch einen Katalog an Gegenständen vor, die von der kollektiven Bindung erfasst sein sollten47, so gilt nun, dass die kollektive Bindung jedenfalls so weit reicht, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebietet.48 Im Regelfall ist daher von der kollektiven Bindung auszugehen.49

43

A.A. Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 68 f., der die Einschränkung der Individualrechte der Gläubiger darin sieht, dass diese der Möglichkeit beraubt werden, individuelle Vereinbarungen mit dem Schuldner zu treffen. 44 Zur kollektiven Bindung und der Abbildung von Netzeffekten vgl. Heldt, FS Teubner, S. 315, 315 ff. 45 Heldt, FS Teubner, S. 315, 321. 46 Ausführlich zur Reichweite und zum Umfang der kollektiven Bindung siehe Abschnitt F. 47 Der kollektiven Bindung sollten gemäß § 3 Abs. 3 Referentenentwurf jedenfalls alle Bestimmungen in Anleihebedingungen unterliegen, die Hauptleistungspflichten des Schuldners regeln. 48 Eine praktisch identische Regelung sah wiederum bereits der Referentenentwurf mit einem abweichenden Wortlaut vor. Danach sollten Bestimmungen in Anleihebedingungen dann nicht der kollektiven Bindung unterliegen, soweit ihre rechtlich identische Ausgestaltung nicht erforderlich sei, um die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten. 49 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009.

I. Regelungsgehalt und Regelungszweck

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2. Fungibilität als anerkannter Rechtsgrundsatz Seine Existenzberechtigung bezieht der Grundsatz der kollektiven Bindung maßgeblich aus der Notwendigkeit, dass Schuldverschreibungen stets fungibel ausgestaltet sind.50 Fungibilität, abgeleitet vom lateinischen fungi, zu deutsch „verwalten“, „vollbringen“, wird definiert, als die Eigenschaft von Gütern, Devisen und Wertpapieren, leicht austauschbar zu sein. Fungible Werte werden nicht individuell, sondern der Gattung nach bestimmt und können durch andere Stücke gleicher Gattung und Menge ersetzt werden. Die Fungibilität ist die Voraussetzung für den Börsenhandel und wird durch die Festlegung von Qualitätsnormen geschaffen (Usancen).51

Die Fungibilität von Wertpapieren ist wiederum Voraussetzung für ihre Handelbarkeit. Nur wenn die Schuldverschreibungen stets identische Bedingungen aufweisen, sind sie für den Handel an den Kapitalmärkten geeignet. Eine Prüfung von Art und Inhalt des verkörperten Rechts vor jeder Transaktion wäre nämlich unpraktikabel.52 Zu den Wesenseigenschaften von Schuldverschreibungen gehört, dass diese fungibel sind und für alle Gläubiger einer Serie identische Bedingungen vorsehen. Die inhaltliche Gleichheit aller Schuldverschreibungen einer Serie entspricht insoweit der Verkehrsanschauung.53 Gewährleistet wird dies auf unterschiedliche Art und Weise. Zum einen werden Inhaberschuldverschreibungen stets gemäß §§ 929 ff. BGB übertragen, sodass ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb möglich ist. Zum anderen sind Inhaberschuldverschreibungen stets nach objektiven Kriterien auszulegen. Die Auslegung hat sich gerade nicht am Willen der konkreten Vertragsparteien oder an Besonderheiten in der Person des Inhabers zu orientieren.54 Hierdurch wird die inhaltliche Austauschbarkeit der Schuldverschreibungen gesichert.55 Zu Recht darf daher die Frage gestellt werden, ob dem Grundsatz der kollektiven Bindung nur deklaratorischer Charakter zukommt, da bereits Gesetzes- und Marktmechanismen die Fungibilität der Schuldverschreibungen gewährleisten. Dies würde aber zu kurz greifen. Die Inhaberschuldverschreibungen wesensimmanente Fungibilität schließt nämlich nur aus, dass Schuldverschreibungen einer Gesamtemission unterschiedliche Rechte vorsehen können, solange sie in einer Urkunde verbrieft sind. Nicht ausgeschlossen ist es allerdings, dass nachträglich unter50 Siehe hierzu nur die Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 51 Duden Wirtschaft von A bis Z, Stichwort: Fungibilität. 52 BaFin, Rundschreiben 17/99, Anhang zum Rundschreiben. 53 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 44. 54 BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 317. 55 Kümpel, WM 1981, Beil. 1, S. 2, 5.

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C. Der Grundsatz der kollektiven Bindung

schiedliche Rechte durch einzelne Gläubiger vereinbart und diese dann gesondert verbrieft werden. Diese Gefahr besteht u. a. in Fällen, in denen Gläubiger bilaterale Vereinbarungen mit dem Schuldner schließen. Regelungszweck der kollektiven Bindung ist es, das zu verhindern. Mithin dient das SchVG nicht nur der Fungibilität der Schuldverschreibungen einer Serie, sondern schützt auch den Erhalt der Serie an sich. Nur durch die Zusammenfassung von Schuldverschreibungen als Teile einer Gesamtemission sind diese nämlich liquide.56 Erst hierdurch besteht die Möglichkeit eines jederzeitigen An- und Verkaufs der Schuldverschreibungen, die zuvörderst im Interesse der Anleihegläubiger liegt.57

II. Die Entwicklung der kollektiven Bindung 1. Das SchVG von 1899 Bereits der Gesetzgeber des SchVG von 1899 hatte das Bedürfnis einer rechtlichen Organisation der Inhaber von Schuldverschreibungen erkannt.58 Infolge der Unmöglichkeit, die Zustimmung aller Schuldverschreibungsbesitzer zu den erforderlichen Hilfsmaßnahmen für den Schuldner zu erhalten, musste ein Gläubigerverband geschaffen werden, dessen Beschlüsse unter bestimmten Voraussetzungen für alle Schuldverschreibungsgläubiger bindend waren.59 § 1 Abs. 1 SchVG von 1899 bestimmte deshalb, dass Beschlüsse, welche von einer Versammlung der Gläubiger aus diesen Schuldverschreibungen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen gefaßt werden, nach Maßgabe dieses Gesetzes verbindliche Kraft für alle Gläubiger der bezeichneten Art

entfalten. § 12 Abs. 1 S. 1 SchVG von 1899 legte fest: Ein Beschluss der in § 11 bezeichneten Art muss für alle Gläubiger die gleichen Bedingungen festsetzen. Die Festsetzung ungleicher Bedingungen ist nur mit ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger zulässig.

Aus der Möglichkeit zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen in Kombination mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergab sich im gleichen Maße eine kollektive Bindung der Anleihebedingungen gemäß dem SchVG von 1899, wie dies auch im neuen SchVG der Fall ist.60 Das SchVG von 1899 fasste das Erfordernis der ein-

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Willms, WM 2001, S. 1485, 1489. Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom August 2008, S. 4. 58 Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, Einleitung. 59 Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, Einleitung. 60 Vgl. hierzu oben C.I.1.; Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 403. Im Ergebnis wohl ähnlich Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 402, der als Gemeinsamkeit des 57

II. Die Entwicklung der kollektiven Bindung

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heitlichen Ausgestaltung von Anleihebedingungen noch unter dem Titel „gemeinsame Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“ zusammen.61 Da hierdurch allerdings missverständlich der Eindruck entstehen konnte, dass es sich um zusätzliche Gläubigerrechte handelte, sollte mit der Einführung des Begriffs der „kollektiven Bindung“ im SchVG klar gestellt werden, dass dies tatsächlich eine Einschränkung individueller Rechtsmacht bedeutet.62 Ungeachtet des ähnlichen Regelungsgehalts der kollektiven Bindung im SchVG von 1899 und im SchVG unterscheidet sich die ratio der Vorschriften in nicht geringem Maße. Das Erfordernis der inhaltlich identischen Ausgestaltung von Anleihebedingungen im SchVG von 1899 bezweckte, anders als das SchVG, nicht die Wahrung der Fungibilität der Schuldverschreibungen.63 Dies tritt bereits darin zutage, dass die vollständige Inhaltsgleichheit der Anleihebedingungen, wie sie das SchVG für die gemeinsame Beschlussfassung fordert64, gemäß dem SchVG von 1899 nicht erforderlich war.65 Bezieht sich der Grundsatz der kollektiven Bindung im SchVG de facto auf alle Bestimmungen der Anleihebedingungen66, so ergab sich aus § 1 SchVG von 1899, dass die Möglichkeit zur gemeinsamen Beschlussfassung bereits dann bestand, wenn die Schuldverschreibungen nach dem Verhältnis ihrer Nennwerte „den Gläubigern gleiche Rechte gewähren“.67 Diese Gleichheit der Rechte sollte schon dann gegeben sein, wenn die Bedingungen, insbesondere hinsichtlich der Sicherheiten, der Verzinsung, der Fälligkeit und der Rückzahlung, dieselben waren.68 Ungleichheiten in den Bedingungen waren jedoch irrelevant, wenn sie nicht die Rechtsstellung der Gläubiger, sondern äußerliche Punkte betrafen.69 War bereits als Voraussetzung für die gemeinsame Beschlussfassung keine SchVG und des SchVG von 1899 von einem „Schutz des einheitlichen Schuldverhältnisses im weiteren Sinne vor individuellen Eingriffen“ spricht. 61 Offizielle Überschrift des Gesetzes: „Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“. 62 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; ebenso auch schon Begründung Referentenentwurf zu § 3 (Kollektive Bindung). 63 Vgl. zum telos des § 4 SchVG Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 64 Vgl. hierzu oben C.I.1. 65 Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 225. 66 Hierauf wird unter F.I.2. noch näher einzugehen sein. 67 Die Abstimmungsvoraussetzung der gleichen Gläubigerrechte soll wiederum sicherstellen, dass nur solche Schuldverschreibungsgläubiger für ihresgleichen bindende Beschlüsse fassen, die wirklich gemeinsame Interessen haben, deren Forderungen, auch wenn sie nicht auf gleiche Beträge lauten, jedenfalls im Verhältnis der Nennwerte ein „gleichmäßiger Plan“ zugrunde liegt, vgl. hierzu Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 126. Hierdurch wird freilich nur der normative Hintergrund der kollektiven Bindung des SchVG von 1899 beschrieben. In der Realität wird auch das SchVG von 1899 nur bei „vollkommen gleichartigen Rechten“ angewendet, Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 159. 68 Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, § 1, Ziff. 32. 69 Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, § 1, Ziff. 32.

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C. Der Grundsatz der kollektiven Bindung

Fungibilität der Schuldverschreibungen erforderlich, konnten Sinn und Zweck der kollektiven Bindung im SchVG von 1899 auch nicht deren Erhaltung sein. Anstelle des Schutzes des öffentlichen Interesses an der Fungibilität der Schuldverschreibungen diente die kollektive Bindung im SchVG von 1899 ausschließlich dem Schutz der Gläubigerminderheit.70 Mittels des Instituts der kollektiven Bindung sollten einheitliche Rechte aller Gläubiger aus den Schuldverschreibungen auch nach Beschlussfassung durch die Gläubigergemeinschaft garantiert werden. Die Möglichkeit auch widersprechende Anleihegläubiger mittels Mehrheitsbeschlusses zu binden, machte es erforderlich, gesetzlich eine Bevorzugung dieser Mehrheit zu verhindern. Dieser ausgeprägte Minderheitenschutz im SchVG von 1899 wurde einmal mehr deutlich am Verbot des gemeinschaftswidrigen Abstimmungsverhaltens. So bestimmte § 1 SchVG von 1899 noch, dass die Rechte der Anleihegläubiger stets nur „zur Wahrung der gemeinsamen Interessen“ beschnitten werden dürfen. Auch das SchVG erkennt die Problematik, die sich aus bindenden Mehrheitsbeschlüssen für die Zurückgesetzten ergeben kann. Allerdings erhebt es dieses Prinzip nicht zum Leitgedanken des Gesetzes, sondern legt den Fokus auf das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Fungibilität der Schuldverschreibungen und der damit einhergehenden Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte.71 Die Regelung zur kollektiven Bindung im SchVG von 1899 diente hingegen bestenfalls reflexartig dem öffentlichen Interesse, hatte aber als primäres Regelungsziel den Schutz der Interessen der Gläubigerminderheit vor Augen.72 2. Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des SchVG Der Gesetzgeber reagierte mit der Erstellung des Diskussionsentwurfs und der späteren Veröffentlichung des Referentenentwurfs auf die Mängel des SchVG von 1899 sowie den Druck der internationalen Staatengemeinschaft und wollte der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts bei der Dokumentation von Schuldverschreibungen entgegentreten. Während der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums vom Mai 2003 Begriff und Konzept der kollektiven Bindung noch nicht kannte73, erwähnte der im Mai 2008 veröffentlichte Referentenentwurf erstmals in § 3 des Entwurfs die kollektive Bindung als Regelungsanliegen.74 § 3 Abs. 1 des Referentenentwurfs sah vor, dass Bestimmungen in Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe durch 70

Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 150. Siehe hierzu Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/ 12814 vom 29. 4. 2009. 72 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 150. Ähnlich wohl auch Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 86. 73 Diskussionsentwurf SchVG. 74 Vgl. hierzu auch die Begründung Referentenentwurf zu § 3 (Kollektive Bindung). 71

II. Die Entwicklung der kollektiven Bindung

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Rechtsgeschäft nur nach Abschnitt 2 des Gesetzes geändert werden können (kollektive Bindung) und der Schuldner die Gläubiger insoweit gleich behandeln muss. Zusätzlich bestimmte § 3 Abs. 2 des Referentenentwurfs, dass Bestimmungen in Anleihebedingungen dann nicht der kollektiven Bindung unterliegen, wenn ihre rechtlich identische Ausgestaltung nicht erforderlich ist, um die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten. Schließlich stellte § 3 Abs. 3 einen Katalog von Bestimmungen auf, die von der kollektiven Bindung umfasst sein sollten. Hierzu sollten sämtliche Bestimmungen zählen, die Hauptleistungspflichten des Schuldners regeln. Auf den ersten Blick fallen zwei wesentliche Abweichungen gegenüber der aktuellen Fassung des SchVG auf: Zum einen erfasst der Referentenentwurf jedenfalls nicht ausdrücklich die Möglichkeit der Änderung von Anleihebedingungen durch bilateralen Vertrag mit allen Gläubigern. Zum anderen wird der Anwendungsbereich der kollektiven Bindung auf solche Bestimmungen in Anleihebedingungen beschränkt, deren identische Ausgestaltung erforderlich ist um die Fungibilität der Schuldverschreibungen aufrechtzuerhalten. Eine solche Beschränkung der kollektiven Bindung auf Fälle, in denen der verfolgte Zweck die Inhaltsgleichheit der Bedingungen gebiete, sei erforderlich um die Einschränkung der Gläubigerrechte auf ein Minimum zu begrenzen.75 Gleichzeitig soll mittels der weiten Formulierung in Absatz 2 sowie der exemplarischen Aufzählung von Bestimmungen, die jedenfalls der kollektiven Bindung unterliegen (Absatz 3), der Spagat zwischen der notwendigen Offenheit der Norm für zukünftige Erkenntnisse sowie der Gewähr eines hohen Maßes an Rechtssicherheit gelingen.76 Unterlägen jedoch nicht alle Regelungen in den Anleihebedingungen der kollektiven Bindung, treten schnell Beweisprobleme auf, da unklar wäre, welche Bestimmungen einer Änderung durch Mehrheitsbeschluss zugänglich sein sollen und welche nicht.77 Im Ergebnis würde der Zweck der Norm, der darin besteht, Rechtssicherheit zu schaffen, in sein Gegenteil verkehrt. Das Resultat der erheblichen Rechtsunsicherheit wäre die eingeschränkte Handelbarkeit der Anleihe.78 Der Kritik von Verbänden und Schrifttum beugte sich der Gesetzgeber, indem der Regierungsentwurf im Interesse der Fungibilität der Schuldverschreibungen keine derartige Beschränkung der kollektiven Bindung im Gesetzestext mehr vorsieht.79 Einschränkend ist jedoch hinzuzufügen, dass zumindest die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 4 SchVG nicht von einer völlig uneingeschränkten Geltung 75

Begründung Referentenentwurf zu § 3 (Kollektive Bindung). Begründung Referentenentwurf zu § 3 (Kollektive Bindung). 77 Kritisch diesbezüglich Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom August 2008, S. 9. Ebenso Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom August 2008, S. 5. 78 Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom August 2008, S. 5. 79 Ebenfalls die starke Kritik am Referentenentwurf unterstreichend Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 480, Fn. 30. 76

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C. Der Grundsatz der kollektiven Bindung

der kollektiven Bindung ausgeht. Stattdessen wird klargestellt, dass die konkrete Reichweite der kollektiven Bindung durch den Gesetzgeber nicht abschließend bestimmt werden könne, aber jedenfalls so weit reiche, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete. Im Regelfall sei aber von der kollektiven Bindung auszugehen.80 Soweit im Referentenentwurf die Änderung von Anleihebedingungen im Rahmen von Individualverträgen zwischen Gläubigern und Schuldner nicht vorgesehen war, wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass bei Privatplatzierungen, die nur von einem überschaubaren Personenkreis gehalten werden, kein Bedürfnis für eine Änderung der Anleihebedingungen durch Gläubigerbeschluss bestehe.81 Der Gesetzgeber hat hierauf mit einer Klarstellung im Regierungsentwurf reagiert, so dass nun zweifelsfrei auch über Einzelverträge die Bedingungen von Schuldverschreibungen an veränderte Bedürfnisse angepasst werden können.82

80 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; vgl. auch zu Reichweite und Umfang der kollektiven Bindung F.I.2. 81 Hopt, FS Schwark, S. 441, 454. Ebenso Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom August 2008, S. 10. 82 Siehe hierzu auch Hopt, FS Schwark, S. 441, 457 mit der Bitte an den Gesetzgeber das Verhältnis von kollektiver Bindung und Individualverträgen klarzustellen. Ähnlich die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV), S. 10, die richtigerweise darauf hinweist, dass eine Änderung von Anleihebedingungen durch bilaterale Verträge nicht gleichbedeutend sei mit einer Einzelvereinbarung zwischen einem (anstelle aller) Gläubiger und dem Schuldner und dass sich der Ausschluss einer bindenden Änderung der Anleihebedingungen auf diesem Wege ohnehin schon aus § 796 BGB ergebe.

D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger I. Relevanz einer dogmatischen Analyse der Gemeinschaft der Anleihegläubiger Der Grundsatz der kollektiven Bindung schreibt vor, dass Anleihebedingungen nur für alle Gläubiger einheitlich geändert werden können und eine solche Änderung nur mittels der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren möglich ist. Eine Änderung der Anleihebedingungen durch und für einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen ist de lege lata unzulässig, die identische Ausgestaltung der Anleihebedingungen für alle Gläubiger im Gegenzug stets gewährleistet. Hiermit einher geht eine Einschränkung der individuellen Rechtsmacht.83 Die Anleihegläubiger sind als Teile eines Kollektivs miteinander verbunden und ihre Einzelschicksale voneinander abhängig. Die kollektive Bindung generiert somit einen wirtschaftlichen und faktischen Zusammenhang sämtlicher Schuldverschreibungen aus einer Gesamtemission.84 Die hieraus resultierende Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger führt unweigerlich zur Frage nach der Rechtsnatur dieses Kollektivs und der sich daraus ergebenden Konsequenzen.85 Dabei ist zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis der Gläubigergemeinschaft zu unterscheiden. Während das Innenverhältnis die Rechtsbeziehungen der Schuldverschreibungsgläubiger untereinander bezeichnet, prägt das Außenverhältnis die rechtliche Verbindung der Gemeinschaft bzw. des Einzelnen zum Emittenten. 1. Kollektive Bindung als Rechtsgrundlage von Treuepflichten Sofern die Gesamtheit der Gläubiger im Innenverhältnis eine (wie auch immer geartete) gesellschaftsrechtliche oder gemeinschaftliche Struktur aufweist, zieht diese Einordnung horizontale Treuepflichten der Gläubiger nach sich. Derartige Treuepflichten können Stimmrechtsbindungen der Gläubiger begründen, die dem Einzelnen ein gemeinschaftsschädigendes Abstimmungsverhalten verbieten.86

83 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 84 Heldt, FS Teubner, S. 315, 319. 85 Ähnlich auch Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 41. 86 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2607.

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

2. Kollektive Bindung als Auslegungshilfe Ferner kann eine zivil- oder gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Gesamtheit der Anleihegläubiger auch bei Auslegungsfragen in Bezug auf einzelne Vorschriften des SchVG herangezogen werden, soweit sich Fragestellungen nicht aus dem Gesetz heraus beantworten lassen. Auch können sich aus einer Einordnung der Gläubigergemeinschaft in existierende zivilrechtliche Regelungskomplexe Lösungen für im SchVG nicht ausdrücklich normierte Bereiche ergeben.87 Schließlich ist in Betracht zu ziehen, dass abhängig von der dem Gläubigerkollektiv zugesprochenen Rechtsnatur, die Einordnung der Gläubigergemeinschaft eine Einschränkung oder Erweiterung der kollektiven Bindung zur Folge haben kann. Denkbar ist insbesondere, dass sich aus der Qualifikation der Gläubigergemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, vgl. §§ 705 ff. BGB) Rechte und Pflichten der Gläubiger ergeben, die zur Anwendbarkeit der kollektiven Bindung bei Individualklagen führen (siehe hierzu F.III.3.b)aa)). Gleichzeitig darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass eine Untersuchung der Rechtsnatur des Kollektivs den geltenden und durch das SchVG vorgegebenen Ordnungsrahmen im Blick behalten muss. Die Qualifikation der Anleihegläubigergemeinschaft hat sich in das gesetzgeberische Konzept des SchVG einzufügen und darf sich zu diesem nicht in Widerspruch setzen. Etwaige zivil- oder gesellschaftsrechtliche Regelungen können allenfalls ergänzend herangezogen werden. Es versteht sich von selbst, dass das Heranziehen dieser Vorschriften keinesfalls zu einer Auslegung contra legem führen darf.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung Der Meinungsstand bezüglich der Rechtsnatur der Gläubigergemeinschaft ist vielfältig.88 Im Innenverhältnis werden die Anleihegläubiger wahlweise als faktische Risikogemeinschaft,89 als Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft i.S.d. § 705 BGB90 oder als Quasi-Gesellschafter, vergleichbar mit den Aktionären einer Aktienge87

Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 321; ebenso Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 208. 88 Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 230 f.; Schönhaar, Die kollektive Wahrnehmung der Gläubigerrechte, S. 69 f.; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 21 ff.; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 39 ff.; Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 204 ff.; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 13; Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 354; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 46 ff.; Heldt, FS Teubner, S. 314, 321 ff.; Ebenroth/Grashoff, BB 1992, S. 865, 868 ff. 89 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 583 ff. 90 Schönhaar, Die kollektive Wahrnehmung der Gläubigerrechte, S. 69 f.; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 49.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung

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sellschaft,91 eingeordnet. Diskutiert wird ferner, ob die Anleihegläubiger eine Rechtsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB bilden.92 Im Außenverhältnis liegt es nahe, dass die Gemeinschaft der Anleihegläubiger in eine der bekannten Kategorien der Gläubigermehrheit einzuordnen ist: Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang also, ob die Anleihegläubiger möglicherweise in Teilgläubiger-, Gesamtgläubiger- oder Mitgläubigerschaft zueinander stehen. Bevor die einzelnen Ansätze einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden, sind jeweils die Rechtsfolgen, die sich aus der betreffenden Rechtsmeinung ergeben, kurz zu skizzieren.

1. Das Innenverhältnis der Gläubigergemeinschaft a) Anleihegläubiger als faktische Risikogemeinschaft und die Lehre von der schlichten Interessengemeinschaft Teilweise wird vertreten, die Anleihegläubiger würden im Sanierungsfalle eine faktische Risikogemeinschaft bilden, wodurch – abweichend von der sog. „Akkordstörer“-Entscheidung des BGH – Kooperationspflichten aller Gläubiger begründet würden.93 Die „Akkordstörer“-Entscheidung basierte, verkürzt dargestellt, auf einem zwischen der Darlehensnehmerin und mehreren Bankengläubigern geschlossenen Sanierungsvergleich. Dieser sah einen Forderungsverzicht der Bankengläubiger in Höhe von 75 % der ungesicherten Forderungen vor. Die Klägerin im „AkkordstörerFall“ war dem Vergleich nicht beigetreten. Als sie Rückzahlung ihres an die Darlehensnehmerin gewährten Kredits in voller Höhe verlangte, verweigerte die Sprecherin der übrigen Bankengläubiger die Rückzahlung mit der Begründung, auch die Klägerin sei an den geschlossenen Sanierungsvergleich gebunden. Dieser sei erforderlich gewesen, um einen Konkurs der Darlehensnehmerin und der mit ihr verbundenen Unternehmen zu verhindern.94 Der BGH entschied seinerzeit, dass nach damals geltendem Recht ein Sanierungsvergleich nur die Gläubiger binde, die diesem auch zugestimmt hatten. So91 Für die Rechtsnatur der Gläubigerversammlung als Quasi-Gesellschafter wohl Stucke, Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen, S. 55. 92 Schönhaar, Die kollektive Wahrnehmung der Gläubigerrechte, S. 67. 93 So ausdrücklich zum neuen Recht Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2607. Ebenso wohl Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 270 f. Zum alten Recht unter ausführlicher dogmatischer Herleitung Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 373; a.A. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 319; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 46 f.; Ebenroth/ Grashoff, BB 1992, S. 864, 871; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 22. Ebenfalls ablehnend wohl Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 11 in der Annahme, dass das Modell der faktischen Risikogemeinschaft ohnehin nur in Bezug auf das SchVG von 1899 Geltung beanspruchte. 94 BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 319 ff.

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

genannte Akkordstörer könnten ihre Ansprüche gegenüber dem Schuldner auch dann durchsetzen, wenn die weit überwiegende Mehrheit der Gläubiger den geschlossenen Vergleich befürworte.95 Dieser Erwägung wurde vereinzelt entgegengetreten und die Rechtsfigur der faktischen Risikogemeinschaft entwickelt.96 Eine solche bilden demnach die Gläubiger, deren Ansprüche wirtschaftlich mit dem Bonitätsrisiko des gleichen Schuldners behaftet sind.97 Das Bestehen der Risikogemeinschaft soll dazu führen, dass den Gläubigern Kooperationspflichten obliegen, die im Ergebnis häufig zu Zustimmungspflichten im Falle der Unterbreitung einer Sanierungsvereinbarung führen dürften. Dogmatisch sollen die Kooperationspflichten der Gläubiger auf der Lehre von der schlichten Interessengemeinschaft fußen.98 Diese wiederum beruht auf der Annahme, dass in Sanierungssituationen die Gläubiger das gleichgerichtete Interesse verfolgen, die Werthaltigkeit ihrer Forderung zu erhalten. Hierdurch entstünde eine „schlichte Interessengemeinschaft“ mit der Folge, dass die Vorschriften der §§ 741 ff. BGB entsprechend anzuwenden seien.99 Die faktische Risikogemeinschaft der Anleihegläubiger ist demnach kein kodifiziertes Rechtsinstitut. Die Rechte und Pflichten, die sich aus einer solchen Gemeinschaft ergeben, sind folglich – sollte man die faktische Risikogemeinschaft überhaupt anerkennen – durch die Wissenschaft zu entwickeln. aa) Konsequenz der Annahme einer faktischen Risikogemeinschaft Begreift man die Gläubiger einer Anleihe nun als faktische Risikogemeinschaft, so resultieren hieraus Kooperationspflichten der Anleihegläubiger, die allerdings 95

BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 319 (Leitsatz); zustimmend Ebenroth/Grashoff, BB 1992, S. 864, 871. 96 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 583 ff.; Habscheid, GS Bruns, S. 261 f. Entwickelt wurde dieses System der Kooperationspflichten allerdings nicht speziell für Anleihegläubiger, sondern für sämtliche Gläubiger eines sanierungsbedürftigen Unternehmens. 97 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 46. 98 Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 368. Ebenso wohl Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 216, 270 f., wonach die Kooperationspflichten sich auf Treuepflichten stützen, die sich wiederum aus der Abrede einer Zweckgemeinschaft ergeben. Diese Zweckgemeinschaft sei als schlichte Interessengemeinschaft zu qualifizieren. Grundlegend zur Lehre von der schlichten Interessengemeinschaft Würdinger, Theorie der schlichten Interessengemeinschaft, S. 12, 12 ff.; Wüst, FS Wilburg, S. 257, 270 f. Kritisch hingegen Staudinger/von Proff, § 741, Rn. 174 f; MünchKommBGB/Schmidt, § 741, Rn. 71. Unter Hinweis auf die mangelnde Präzision dieses Rechtsbegriffs Gummert/Weipert/Schücking, Handbuch Gesellschaftsrecht, § 2, Rn. 22. 99 Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 368; Staudinger/von Proff, § 741, Rn. 169. Im konkreten Fall der Kooperationspflichten von Anleihegläubigern sei allerdings eine dogmatische Anwendung der §§ 741 ff. BGB nicht zu befürworten, da hierdurch nicht zwingend interessengerechte und flexible Lösungen möglich seien; Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 369.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung

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ausschließlich in Sanierungssituationen begründet werden.100 Zu den Kooperationspflichten zählen im Einzelnen Verhandlungs- sowie Zustimmungspflichten. Welche dieser Pflichten im konkreten Fall und in welcher Ausprägung einschlägig ist, wird u. a. dadurch bestimmt, ob der Emittent von der Möglichkeit des Opt-in gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG Gebrauch gemacht hat oder ob in den Anleihebedingungen vorgesehen ist, dass Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger nicht zulässig sind.101 In ihrer intensivsten Ausprägung als Zustimmungspflicht führen Kooperationspflichten regelmäßig zu einer Bindung des Akkordstörers an den von der Mehrheit der Gläubiger abgeschlossenen Sanierungsvergleich.102 Dies würde dann auch und insbesondere in solchen Fällen gelten, in denen das SchVG vom Emittenten bewusst nicht für anwendbar erklärt wurde. In der Folge wären dissentierende Gläubiger auch dann an eine Mehrheitsentscheidung der übrigen Gläubiger gebunden, wenn der überstimmte Gläubiger – mangels vorheriger Festlegung in den Anleihebedingungen – gar nicht die Möglichkeit hatte, sich bewusst einem solchen Änderungsmechanismus zu unterwerfen. Für den Grundsatz der kollektiven Bindung hätte dies im Ergebnis zur Folge, dass dieser um eine zusätzliche Änderungsoption erweitert würde. Eine Änderung der Anleihebedingungen wäre nämlich bei einer Anerkennung des Instituts der faktischen Risikogemeinschaft dann nicht nur durch gleichlautenden Vertrag mit allen Gläubigern und nach Abschnitt 2 des SchVG möglich, sondern auch im Wege der beschriebenen Kooperationspflichten. Ähnliche Kooperationspflichten können die Anleihegläubiger treffen, wenn der Emittent bereits bei der Emission der Schuldverschreibungen in den Anleihebedingungen die Änderung derselben durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger nach Abschnitt 2 vorgesehen hat. Auch in diesem Fall sollen die Gläubiger in ihrem Abstimmungsverhalten aufgrund eines gemeinsamen Interesses an der weitgehenden Befriedigung aller Gläubiger gebunden sein.103 Wann und in welchem Umfang etwaige Kooperationspflichten der Gläubiger bei der Abstimmung bestehen, ist allerdings bisher nicht geklärt. bb) Rechtliche Analyse der faktischen Risikogemeinschaft Wie dargestellt, unterscheidet man zwischen Kooperationspflichten, denen Gläubiger unterliegen, für die der Schuldner in den Anleihebedingungen Änderungen durch Mehrheitsbeschluss vorgesehen hat, und Kooperations- bzw. Zu100 Der Verlust der Hälfte des Stammkapitals, respektive Grundkapitals der Gesellschaft gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG bzw. § 92 Abs. 1 AktG soll auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Entstehung von Kooperationspflichten sein; Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 358 f. 101 Zur Ermächtigungs- bzw. Opt-in-Lösung siehe E.III.2.a). 102 Die Pflicht des einzelnen Gläubigers zur Zustimmung zu sanierungsfördernden Maßnahmen bejahend Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2607. 103 So wohl im Ergebnis auch Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2607. Ebenfalls sanierungsfördernde Zustimmungspflichten bejahend Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 271.

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

stimmungspflichten, denen Gläubiger unterliegen, für die an sich nur eine Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag möglich sein soll. Ob die Figur der faktischen Risikogemeinschaft und das Bestehen von Kooperationspflichten einer allgemeinen rechtlichen Prüfung standhält, soll deshalb für beide Gläubigergruppen getrennt geprüft werden. Dabei sollte man sich grundsätzlich Folgendes vor Augen führen: Wie bereits dargestellt, wurden die Rechtsfigur der faktischen Risikogemeinschaft und das Bestehen möglicher Kooperationspflichten durch die Wissenschaft entwickelt. Ein kodifiziertes Regelwerk, welches zusätzliche Klarheit bei der Auslegung der Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger bringen würde, existiert mithin nicht. Bereits dieser Umstand macht die Figur der faktischen Risikogemeinschaft untauglich für eine Qualifikation der Anleihegläubigermehrheit, da erstere nicht in eine bestehende Kategorie eingeordnet werden kann. Selbst bei Anerkennung der faktischen Risikogemeinschaft wäre ihre Relevanz für Auslegungsfragen als gering einzustufen. Der Vollständigkeit halber soll die Rechtsfigur der faktischen Risikogemeinschaft – wie sie in der Literatur diskutiert wird – dennoch dargestellt werden. (1) Faktische Risikogemeinschaft bei Nichtanwendbarkeit des Abschnitts 2 Wurde Abschnitt 2 des SchVG nicht für anwendbar erklärt, so stehen die Anleihegläubiger in einem vergleichbaren Verhältnis zueinander wie die Gemeinschaft der Darlehensgläubiger in der Akkordstörer-Entscheidung des BGH. In diesem Fall bedürfte es für eine Änderung der Anleihebedingungen nämlich des Abschlusses eines gleichlautenden Vertrags mit Zustimmung aller Gläubiger (§ 4 S. 1 SchVG). Der Annahme einer Gefahrengemeinschaft der Gläubiger, einschließlich der beschriebenen Rechtsfolgen, hat die Rechtsprechung indes in diesem Fall zu Recht abgelehnt. Zwar äußerte der BGH Sympathie für das rechtspolitische Anliegen Mehrheitsentscheidungen mit bindender Kraft für alle Gläubiger zuzulassen, allerdings stelle das geltende Recht hierfür keine Instrumente bereit. Eine gegenteilige Auffassung würde die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.104 Die Gläubiger in einem außergerichtlichen Vergleichsverfahren, so der BGH, würden keine Interessengemeinschaft bilden. Diese komme, wenn überhaupt, erst durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zustande. Hierfür seien sodann eindeutige Verfahrensvorschriften in der Insolvenzordnung getroffen, die ein geschlossenes Konzept darstellten, in das der Richter nicht eingreifen dürfe.105 Ist bei Ausgabe der Schuldverschreibungen die Änderung der Anleihebedingungen nach den Vorschriften des Abschnitts 2 SchVG nicht vorgesehen, so muss die Argumentation ähnlich lauten. Ein Verfahren zur Änderung von Anleihebedingungen wurde explizit in das SchVG aufgenommen. Ließe man die Änderung von Anleihebedingungen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 5 ff. SchVG zu, 104 105

BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 325. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 326.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung

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würde dies der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Dieser hat nämlich bewusst den Emittenten zur Einbeziehung der Vorschriften des Abschnitts 2 ermächtigt und damit auch den Anleihegläubigern die Wahl gelassen, ob sie derartige Schuldverschreibungen erwerben möchten.106 Faktisch würde die Bejahung von Kooperationspflichten in Sanierungssituationen nämlich zu einer zwingenden Anwendbarkeit von Mehrheitsentscheidungen führen.107 Die ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers für die Ermächtigungslösung würde ad absurdum geführt.108 Schließlich würden Zustimmungspflichten der Anleihegläubiger eine Änderung von Anleihebedingungen ermöglichen, die gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die Anerkennung einer solchen Änderungsmöglichkeit ist aber als contra legem einzustufen, da der Grundsatz der kollektiven Bindung des § 4 S. 1 SchVG die Änderung von Anleihebedingungen ausdrücklich nur durch zwei Verfahrensarten – nämlich durch gleichlautenden Vertrag mit allen Gläubigern und nach Abschnitt 2 des Gesetzes – zulassen will. Problematisch ist ein solch weitreichender Eingriff in Gläubigerpositionen auch vor dem Hintergrund des Art. 14 GG.109 Der Rechtsverlust der Anleihegläubiger kraft Mehrheitsentscheid unter dem SchVG ist verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, da es sich bei §§ 5 ff. SchVG um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt und die Gläubigerrechte mithin aufgrund eines formell und materiell rechtmäßigen Gesetzes eingeschränkt werden.110 Bei der Bejahung von Zustimmungspflichten, die auf der Lehre von der faktischen Risikogemeinschaft fußen, wäre dies hingegen nicht der Fall. Die Annahme von Kooperationspflichten hätte ferner eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, da für diese Fälle gerade kein kodifiziertes Verfahren existiert.111 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Festlegung einer Mehr-

106 Vgl. hierzu Begründung Regierungsentwurf (Allgemeiner Teil), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Siehe auch Schümannn-Kleber, IILR 2011, S. 447, 459 mit einer vergleichbaren Argumentation in Bezug auf die Unzulässigkeit sog. Schemes of Arrangement unter deutschem Recht. 107 Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob technisch eine Zustimmungspflicht der Gläubigerminderheit angenommen wird oder ob einer Mehrheitsentscheidung Bindungswirkung zukommt. 108 Zu dem gleichen Ergebnis kommt Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 257 f. in Bezug auf die Gemeinschaft der Anleihegläubiger unter dem SchVG von 1899. Aus den Gesetzesmotiven, die Obligationäre zu einem organisierten Verband zu vereinigen, ergäbe sich eine methodologische Sperre. 109 Schuldrechtliche Forderungen gehören zu dem Kreis der geschützten Eigentumsrechte des Art. 14 GG, BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984-1 BvR 35, 356 794/82, BVerfGE 68, 193, 222 und BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977-2 BvR 499/74, BVerfGE 45, 142, 179; Sachs/ Wendt, GG, Art. 14, Rn. 24. 110 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 13. 111 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 20; Verannemann/ Oulds, SchVG, § 4, Rn. 15; Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 229.

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heitsgrenze, ab Erreichen derer eine Bindungswirkung eintritt, bzw. objektiver Kriterien, deren Erfüllung eine Zustimmungspflicht der übrigen Gläubiger auslöst. Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass die Annahme von Kooperations- und Zustimmungspflichten der Anleihegläubiger in Fällen, in denen Abschnitt 2 des SchVG nicht für anwendbar erklärt wurde, nicht mit dem SchVG in seiner geltenden Fassung zu vereinbaren ist. (2) Faktische Risikogemeinschaft bei Anwendbarkeit des Abschnitts 2 Die Bejahung von Zustimmungs- bzw. Kooperationspflichten der Anleihegläubiger in Fällen, in denen Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger bereits kraft Gesetzes zulässig sind, ist in gleichem Maße fragwürdig. Ziel und Zweck der Annahme einer faktischen Risikogemeinschaft der Gläubiger und des Bestehens von Zustimmungspflichten ist die Verhinderung der klassischen Hold-out Problematik.112 Ist jedoch Abschnitt 2 des SchVG anwendbar und sind Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger zulässig, so werden bereits hierdurch Trittbrettfahrereffekte verhindert. Eine weitergehende Bindung der Gläubiger, die auch das Abstimmungsverhalten im Einzelfall bestimmten Regeln unterstellen will, ist nicht nur überflüssig, sondern auch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Dieser hebt nämlich in der Regierungsbegründung ausdrücklich hervor, dass die Gläubiger in ihrer Entscheidung inhaltlich weitgehend frei seien113 und dementsprechend auch keinerlei Kooperationspflichten unterliegen würden (siehe hierzu auch E.III.2.a)). b) Gläubiger eigenkapitalähnlicher Anleihen als Quasi-Gesellschafter Analog zur Schuldverschreibungsqualität eigenkapitalähnlicher Anleihen wie Wandel- und Optionsanleihen oder Genussscheinen114 wird im Schrifttum diskutiert, ob die Gläubiger solcher Anleihen tatsächlich als Obligationäre zu qualifizieren sind oder ob ihnen nicht vielmehr eine gesellschafterähnliche Stellung zukommt.115 aa) Rechtsfolgen einer gesellschafterähnlichen Stellung der Obligationäre Für die Gläubiger einer solchen Anleihe könnte dies u. a. bedeuten, dass sich auch im Verhältnis der Gläubiger untereinander – ähnlich wie für Aktionäre – Treue-

112 Eidenmüller, ZHR 160 (1996), S. 343, 350 f. Grundlegend zur Hold-out Problematik siehe B.I. 113 Begründung Regierungsentwurf (Allgemeiner Teil), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 114 Vergleiche zur Schuldverschreibungsqualität dieser Instrumente E.I.2.a)bb) und E.I.2.a) cc). 115 Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 227; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 47 f; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 43; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 20.

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pflichten ergeben.116 Im Aktienrecht führt diese Treuepflicht u. a. dazu, dass die aussichtsreiche und von den Stimmen der Mehrheit befürwortete Sanierung nicht aus eigennützigen Gründen verhindert werden darf.117 bb) Kritische Würdigung Die Qualifikation der Gläubiger eigenkapitalähnlicher Anleihen als Quasi-Gesellschafter läuft der dem deutschen Recht innewohnenden grundsätzlichen Trennung zwischen Obligationären und Eigentümern zuwider.118 Eigenkapitalähnliche Schuldtitel wie Wandel- und Optionsanleihen begründen keine Mitgliedschaftsrechte, wie sie gerade für die Gesellschafterstellung maßgeblich sind.119 Solange keine Ausübung des Optionsrechts stattgefunden hat, sind die Rechte des Schuldverschreibungsinhabers ausschließlich die eines Gläubigers.120 Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass sich das SchVG an einigen Stellen der aktienrechtlichen Regelungstechnik bedient.121 Zu diesen Elementen zählen insbesondere das Anfechtungsrecht der Gläubiger gemäß § 20 SchVG sowie die Einberufungsvorschriften für die Gläubigerversammlung.122 Dieser Rückgriff auf aktienrechtliche Strukturen ist aber nicht nur teilweise verfehlt123, vielmehr können diese Einzelfallregelungen des Gesetzgebers keinesfalls zur Begründung einer Gesamtanalogie herangezogen werden. Zusätzlich lässt sich gegen eine Gleichstellung von Gläubigern und Gesellschaftern anführen, dass eine solche ohnehin nur für die kleine Gruppe von eigenkapitalähnlich ausgestalteten Anleihen in Betracht kommen würde, und dies auch nur dann, wenn die Anleihe von einer Kapitalgesellschaft emittiert wurde.124 Die besondere Rechtsnatur der Gemeinschaft der Anleihegläubiger wird aber vom Grundsatz der kollektiven Bindung geprägt, der gleichsam als Klammer die Gläu116

Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 11. ff. BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 152 f.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 15. 118 A.A. Hopt, FS Schwark, S. 441, 455, der im Hinblick auf die Parallelisierung von aktienund schuldverschreibungsrechtlichen Verfahrensvorschriften im SchVG für eine Relativierung dieser strikten konzeptionellen Trennung plädiert. Vergleiche zu der angesprochenen konzeptionellen Trennung von Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern D.II.1.c). 119 Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 227; ähnlich auch Habersack/ Bayer/Baums, Kap. 21. Rn. 10. 120 Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 227; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/ Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 20. 121 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 43. 122 So auch ausdrücklich die Begründung Regierungsentwurf zu § 9 (Einberufung der Gläubigerversammlung) sowie § 20 (Anfechtung von Beschlüssen), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 123 Siehe zu den strukturellen Unterschieden zwischen Aktionären und Schuldverschreibungsgläubigern die Darstellung unter D.II.1.c). 124 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 48. 117

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biger derselben Anleihe verbindet. Die Rechtsnatur der Gemeinschaft der Anleihegläubiger kann deshalb nicht in Abhängigkeit von der Art der ausgegebenen Schuldverschreibung qualifiziert werden, sondern muss für jede Gläubigergemeinschaft gleich lauten. c) Exkurs: Der Ordnungsrahmen des Schuldverschreibungsgesetzes und die Analogie zum Aktiengesetz Mit dem SchVG hat der Gesetzgeber einen Ordnungs- und Ermöglichungsrahmen zur Änderung von Anleihebedingungen durch die Gemeinschaft der Anleihegläubiger geschaffen.125 Dessen Konzeption ist in zahlreichen Punkten an das Regelungssystem des AktG angelehnt. Letzteres schafft durch den Grundsatz der Satzungsstrenge nach Maßgabe des § 23 Abs. 5 AktG ebenfalls ein zwingendes Normensystem für die Mitwirkung durch die Aktionäre. Für die Gruppe von Gläubigern derselben Anleihe kann man daher nicht nur die Frage nach der Rechtsnatur dieser Gemeinschaft stellen. Aufschlussreich ist darüber hinaus auch die Frage nach gleichgelagerten Interessen von Aktionären und Gläubigern und daraus resultierenden Regelungsparallelen zwischen AktG und SchVG. Hieran anknüpfend können dann Analogieschlüsse geboten sein oder auch nicht. Anhand der klassischen Ausstattungsmerkmale von Wertpapieren soll der Versuch einer Abgrenzung von Obligationären und Aktionären unternommen werden. aa) Abgrenzung anhand der ökonomischen Funktion Aktien wie Schuldverschreibungen haben die Bündelung des Kapitalaufkommens zahlreicher „kleiner“ Kapitalgeber zum Ziel. Das gebündelte Kapital wird dann im größeren Volumen dem entsprechenden Unternehmen mit Kapitalbedarf zugeführt (sog. Losgrößentransformation).126 Die Beteiligungen bzw. Rechte der Investoren werden durch Kreation eines fungiblen Wertpapiers (Aktie bzw. Schuldverschreibung) verbrieft.127 Dies wiederum führt zu einer hohen Liquidität der beiden genannten Instrumente, die eine große Gruppe anonymer Investoren anzieht. Die Koordination der Willensbildung und des Handelns dieser Investorengruppe ist die Herausforderung, vor der die Gesellschaft in beiden Fällen steht.128 In der Aktiengesellschaft nehmen die Aktionäre ihre Rechte in der Hauptversammlung wahr. Dem Bedürfnis der Schuldverschreibungsgläubiger nach einem Vertretungsorgan und

125

Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 629. Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 31; Ehrlicher/EsenweinRothe/Jürgensen/Rose/Ehrlicher, Volkswirtschaftslehre, S. 386; Bayer/Habersack/Baums, Bd. II, Kap. 21, Rn. 10. 127 Weiand/Schlitt/Behrends, GS Bosch, S. 239, 254. 128 Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 639. 126

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einem Forum zur Geltendmachung ihrer Interessen trägt das SchVG Rechnung.129 Sofern Abschnitt 2 des Gesetzes für anwendbar erklärt wurde, gibt das SchVG den Rahmen vor, innerhalb dessen die Anleihegläubiger als Kollektiv handeln können.130 In ihrer ökonomischen Funktion ähneln sich Schuldverschreibung und Aktie also insoweit, als sich beide Instrumente zur Kapitalaufbringung des Kapitalmarkts und der damit verbundenen Vorteile bedienen. Eine differenziertere Betrachtung ist allerdings erforderlich, wenn es um die Art des Kapitals geht, welches aufgenommen werden soll. Während der Aktionär durch Leistung der Einlage und Zurverfügungstellung von Kapital eine Beteiligung an der Gesellschaft erwirbt, ähnelt die Schuldverschreibung einem langfristigen Kredit.131 Der Aktionär ist Eigenkapitalgeber und damit Unternehmer, der Obligationär hingegen ist Fremdkapitalgeber und folglich Gläubiger.132 Der Aktionär ist dementsprechend am Gewinn der Gesellschaft beteiligt und erhält als Vergütung seines eingesetzten Kapitals gegebenenfalls eine Dividende.133 Diese berechnet sich entsprechend der Beteiligungsquote des einzelnen Aktionärs aus dem Bilanzgewinn, sofern die Hauptversammlung eine Ausschüttung dieses Gewinns beschlossen hat (§ 58 Abs. 4 AktG).134 Eine feste Vergütung der geleisteten Einlage ist hingegen ausgeschlossen.135 Das durch den Aktionär zur Verfügung gestellte Kapital ist gebundenes Kapital. Ein Rückzahlungsanspruch hierauf besteht nicht.136 Ebenso wenig ist eine Kündigung der Beteiligung aus wichtigem Grund möglich.137 Jeder Anleihegläubiger stellt hingegen Kapital in der Regel nur für einen vorher festgelegten Zeitraum zur Verfügung. Dieses wird mit einem festen Prozentsatz verzinst und zwar – vorbehaltlich der Bonität der Gesellschaft – unabhängig von ihrer finanziellen Entwicklung. Bei einer Gefährdung des Zins- oder Rückzahlungsanspruchs steht dem Gläubiger das Recht zu, die Schuldverschreibung vorzeitig aus wichtigem Grund zu kündigen. Dies ist auch sachgerecht, da Fremdkapital regelmäßig kein Haftungskapital darstellt. Etwas anderes gilt hingegen für die Einlage des Aktionärs, die den Gläubigern der Gesellschaft als Sicherheit zu dienen bestimmt ist.138 Hieraus resultiert die unterschiedliche Stellung von Aktionären und Gläubigern in der Insolvenz. Inhaber von Schuldverschreibungen gehören zu den Insol-

129 130 131 132 133 134 135 136 137 138

Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 31. Vergleiche hierzu E.III.2. Weiand/Schlitt/Behrends, GS Bosch, S. 239, 254. Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 32. Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 898. Bayer/Habersack/Baums, Bd. II, Kap. 21, Rn. 3. Bayer/Habersack/Baums, Bd. II, Kap. 21, Rn. 7. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 2 a; Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 896. Bayer/Habersack/Baums, Bd. II, Kap. 21, Rn. 5. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.1; Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 897.

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venzgläubigern des Emittenten, während Aktionäre keine Gläubiger im Sinne des § 38 InsO sind und ihre Forderung nicht zur Insolvenztabelle anmelden können.139 In ihrer ökonomischen Funktion steht die Schuldverschreibung deshalb dem Darlehen näher. Sie unterscheidet sich von diesem aber wiederum durch die Zahl der Kreditgeber und deren Anonymität, die Fungibilität sowie die dadurch bedingte Liquidität.140 Ungeachtet dessen, dass diese grundsätzliche Trennung zwischen Eigen- und Fremdkapital zunehmend durch hybride Finanzinstrumente aufgeweicht wird141, besteht Einigkeit über die beschriebenen unterschiedlichen ökonomischen Zielsetzungen von Aktie und Schuldverschreibung (siehe hierzu ausführlich ee)).142 bb) Abgrenzung anhand des verbrieften Rechts Die Unterschiede in der ökonomischen Funktion von Aktie und Schuldverschreibung werden reflektiert in der Art des verbrieften Rechts. Der Charakter der Schuldverschreibung als Fremdkapitalprodukt macht diese zu einem Forderungswertpapier. Das wesentliche Merkmal dieses Wertpapiers ist das Leistungsversprechen des Emittenten in Gestalt von Zinsen und Kapital.143 Die Erfüllung des Zins- und Rückzahlungsanspruchs der Schuldverschreibungsgläubiger ist abhängig von der Bonität des Emittenten. In diesem Ausmaß ist der Gläubiger auch an der Entwicklung der Gesellschaft interessiert.144 Die Werthaltigkeit seines Anspruchs wird durch die Covenants in den Anleihebedingungen gesichert. Hierzu zählen z. B. Finanzkennzahlen, die vom Emittenten einzuhalten sind, sowie Rangvereinbarungen und sonstige Verpflichtungen zur Vermögenssicherung. Bei einer Verschlechterung der Vermögenslage des Emittenten steht den Schuldverschreibungsgläubigern ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Dieses kann sich aus § 314 BGB145 oder aus den Anleihebedingungen (sog. Events of Default) ergeben. Die Aktie ist hingegen als Mitgliedschaftswertpapier zu qualifizieren, welches sowohl Verwaltungs-146 als auch Vermögensrechte – in Form von Anteilen am 139

Schanz, CFL 2012, S. 26, 27. Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 50. 141 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 41. 142 Bayer/Habersack/Baums, Bd. II, Kap. 21, Rn. 10. 143 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 49. 144 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 35. 145 LG Köln, Urteil vom 26. Januar 2012 – 30 O 63/11, BB 2012, S. 1821, 1821 (Leitsatz); a.A. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 81, die davon ausgehen, dass den Anleihegläubigern kein gesetzliches Kündigungsrecht zur Seite steht. 146 Teilweise wird auch eine weitere Unterteilung der Verwaltungsrechte in Teilhabe- und Schutzrecht vorgeschlagen; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 c. Für die lediglich überblicksartige Darstellung an dieser Stelle muss auf diese Differenzierung jedoch nicht weiter eingegangen werden. 140

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Grundkapital, Stimmrechten gemäß § 134 AktG sowie gegebenenfalls einen Anspruch auf Dividendenzahlung gemäß §§ 58 Abs. 4, 60 AktG – verbrieft.147 Einen Rückzahlungsanspruch gewährt die Aktie hingegen nicht. Möchte der Aktionär seine Mitgliederstellung aufgeben, so kann er dies nur durch die Veräußerung des Wertpapiers erreichen. Die Verwaltungsrechte des Aktionärs, insbesondere die Stimmrechte, sind Ausfluss der Eigentümerstellung.148 Da der Aktionär an Gewinn und Verlust beteiligt ist, kommt es ihm darauf an, durch sein Stimmrecht die strategische, wirtschaftliche und organisatorische Entwicklung der Gesellschaft zu steuern und auf deren Rentabilität Einfluss zu nehmen.149 Hierin tritt der fundamentale Unterschied zwischen Verbands- und Schuldrecht zutage. Wo das Verbandsrecht aus den eben genannten Gründen Mitgliedschaftsrechte gewährt, ist im Schuldrecht der Vermögensschutz allein interessengerecht.150 Dieser Vermögensschutz der Obligationäre wird – wie oben dargestellt – über die Ausgestaltung der Anleihebedingungen gewährleistet.151 Sie erfüllen – auf einer anderen Ebene – die Funktion, die das Stimmrecht für die Aktionäre erfüllt. Ein echtes Mitwirkungsinteresse der Gläubiger besteht erst in der Krise des Unternehmens sowie in weiteren Fällen, in denen der Zins- und Rückzahlungsanspruch tangiert ist. cc) Abgrenzung unter dem Aspekt des Kapitalanlegerschutzes Zentrale Schutzvorschriften zugunsten der Aktionäre sind die Vorschriften des Aktiengesetzes sowie des Kapitalmarktrechts, namentlich des WpHG. Zugunsten der Schuldverschreibungsgläubiger wirken hingegen die Vorschriften des Schuldrechts, einschließlich des SchVG, sowie ebenfalls vereinzelte kapitalmarktrechtliche Vorschriften. Eine Gegenüberstellung der kapitalmarktrechtlichen Schutzvorschriften würde den Umfang dieses Exkurses sprengen. Die nachfolgende überblicksartige Darstellung konzentriert sich aus diesem Grund auf eine Darstellung des Kapitalanlegerschutzes unter gesellschaftsrechtlichen und schuldrechtlichen Gesichtspunkten.152 147 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11, Rn. 22. Als weitere Mitgliedschaftsrechte sind außerdem zu nennen das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 1 AktG), das Auskunftsrecht (§ 131 AktG), das Anfechtungsrecht (§ 245 Nrn. 1 – 3 AktG), das Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen (§ 186 AktG) sowie das Recht auf Teilnahme am Liquidationserlös (§ 271 AktG); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 1 a. 148 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 7, Rn. 1. 149 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 35. 150 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 4. 151 Siehe hierzu F.I.1.b). 152 Vgl. zum Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht Merkt, NJW-Beilage 23/2002, S. 41, 41 ff.

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Der Aktionärsschutz ist geprägt durch das Prinzip der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG, das seine Rechtfertigung in der Sicherstellung der Verkehrsfähigkeit der Aktie und im Schutz der Aktionäre findet.153 Diese sollen sich auf einen bei allen Gesellschaftern vergleichbaren, gesicherten Charakter ihrer Mitgliedschaft verlassen können.154 Jeder Aktionär darf insoweit darauf vertrauen, dass die Satzung keine ungewöhnlichen Bestimmungen enthält.155 In diesem Zusammenhang ist auch die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB zu sehen, wonach die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB keine Anwendung finden auf Verträge des Gesellschaftsrechts. Wo ohnehin Gestaltungszwang herrscht, ist auch eine Inhaltskontrolle i.S.d. §§ 307 ff. BGB nicht erforderlich.156 Hierauf ist die Bereichsausnahme für das Aktienrecht zurückzuführen und nicht auf eine vermeintliche Absicht des Gesetzgebers eine generelle Bereichsausnahme für fungible Wertpapiere zu schaffen.157 Vereinzelt wird vertreten, dass Abschnitt 2 des SchVG die Obligationäre in gleichem Maße schütze, wie es das Prinzip der Satzungsstrenge in Bezug auf Aktionäre tue.158 Abschnitt 2 des SchVG schaffe einen Ordnungs- und Ermöglichungsrahmen159, der jedenfalls im Falle eines Opt-in zwingendes Recht enthalte. Tatsächlich gilt dies jedoch nur im Hinblick auf das Organisationsrecht der Gläubiger. Das Schutzniveau, welches durch Abschnitt 2 des SchVG zugunsten der Gläubiger geschaffen wird, ist nicht vergleichbar mit dem umfassenderen Schutz, den die Satzungsstrenge für die Aktionäre schafft.160 Vielmehr gilt im Hinblick auf den Inhalt der Anleihebedingungen im Schuldverschreibungsrecht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit.161 Die Anleihebedingungen haben den Inhalt, den Emittent und Anleger ihnen zu geben bereit sind. Insoweit gewährt das Schuldrecht – mangels Formstrenge – keinen dem Aktienrecht vergleichbaren Anlegerschutz. Die Aktionäre werden ferner durch den Gleichheitssatz des § 53a AktG geschützt. Die gemeinsame Bindung der Aktionäre an die Gesellschaft bewirkt, dass Vorteile des einen regelmäßig wenigstens mittelbar zulasten des anderen gehen.162 Dem wird durch das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG entgegengetreten. Die Norm 153 Bayer/Habersack/Baums, Bd. II, Kap. 22, Rn. 45; Marsch-Barner/Schäfer/Gätsch, Handbuch börsennotierte AG, § 4, Rn. 5. 154 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11, Rn. 1. 155 Marsch-Barner/Schäfer/Gätsch, Handbuch börsennotierte AG, § 4, Rn. 25; Petrikowski, Satzungsstrenge contra Gestaltungsfreiheit, S. 38. 156 Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 63. 157 Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 62. 158 So wohl Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 640 f., der aus diesem Grund für eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 310 Abs. 4 BGB auf Schuldverschreibungen plädiert. 159 Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 629. 160 Siehe zum Vorschlag sich der Formstrenge des Aktienrechts anzunähern im Hinblick auf eigenkapitalnahe Wertpapiere Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 59. 161 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 19 f. 162 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 11, Rn. 69.

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verbietet es der Gesellschaft, die Aktionäre unterschiedlich zu behandeln, ohne dass hierfür ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt.163 Demgegenüber steht das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG, das eine Gleichbehandlungspflicht des Emittenten gegenüber den Schuldverschreibungsgläubigern statuiert. Abweichend vom aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot bezweckt das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG allenfalls mittelbar den Schutz der Gläubiger. Primäres Regelungsanliegen ist die Sicherung der Fungibilität der Schuldverschreibungen. Aus diesem Grund ist auch eine unterschiedliche Behandlung der Gläubiger dann nicht gestattet, wenn sich diese sachlich rechtfertigen lässt, bzw. eine Bevorzugung bzw. Benachteiligung einzelner Gläubiger erlaubt, wenn hierdurch die Fungibilität der Schuldverschreibungen nicht beeinträchtigt wird (siehe hierzu F.IV.2.a)aa)). dd) Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Aktionäre und Schuldverschreibungsgläubiger weisen Parallelen auf, unterscheiden sich aber auch in maßgeblichen Punkten. Ein gewisser Gleichlauf rechtfertigt jedoch nicht die Nivellierung der schuld- und gesellschaftsrechtlichen Unterschiede. Eine unreflektierte Übertragung aktienrechtlicher Grundsätze auf die Gemeinschaft der Obligationäre ist deshalb nicht sachgerecht, sondern bedarf sorgfältiger Abwägung im Einzelfall und ist auf die Bereiche zu beschränken, die ein identisches Regelungsziel aufweisen. ee) Exkurs: Genussrechte und Treuepflichten Eine Zwitterstellung nehmen sogenannte hybride Finanzinstrumente ein, die sowohl eigen- als auch fremdkapitalähnliche Elemente aufweisen. Hierzu zählt insbesondere Genussrechtskapital.164 Unstreitig handelt es sich bei Genussscheinen – soweit diese als Inhaberschuldverschreibungen i.S.d. § 793 BGB begeben werden – um Schuldverschreibungen, auf die grundsätzlich das SchVG anwendbar ist.165 Die Vorgängerregelung aus dem SchVG von 1899, die einer Geltung für Genussscheine entgegen stand, ist im SchVG nicht enthalten (siehe hierzu auch E.I.2.a)cc)). Auch Genussscheine – stellvertretend für sämtliche hybriden Finanzierungsinstrumente – vermögen jedoch keine den aktionärsrechtlichen Treuepflichten vergleichbare Pflichten zwischen den Gläubigern dieser Instrumente zu begründen. Die Eigenkapitalähnlichkeit von Genussrechtskapital lässt sich mit dem vertraglich vereinbarten und gemäß § 39 Abs. 2 InsO zu berücksichtigenden Nachrang der Genussscheininhaber in der Insolvenz, deren grundsätzlicher laufender Verlustbeteiligung und der damit einhergehenden bilanziellen Behandlung von Ge-

163 164 165

Marsch-Barner/Schäfer/Gätsch, Handbuch börsennotierte AG, § 36, Rn. 21. Ziebe, DStR, 1991, S. 1594, 1594. BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – II ZR 381/13, ZIP 2014, S. 1876, 1878.

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nussrechtskapital als Eigenkapital begründen. Ferner geht auch § 221 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AktG von der Eigenkapitalähnlichkeit von Genussscheinen aus.166 Demgegenüber steht jedoch die rein schuldrechtliche Beziehung des Genussscheingläubigers zur Gesellschaft und der Umstand, dass den Genussscheininhabern grundsätzlich ein Verzinsungs- und Rückzahlungsanspruch zusteht.167 Mitgliedschaftsrechte werden durch Genussscheine nicht begründet. Zwar ist eine Einräumung von Informations- und Kontrollrechten auf vertraglicher Basis möglich, allerdings dürfen diese die Verbandssouveränität der Gesellschafter nicht berühren und dienen nur der rechnerischen Nachvollziehung von Zins- und Rückzahlungsansprüchen, also der Sicherung schuldrechtlicher Ansprüche.168 Tatsächlich sind jedoch gerade die Mitgliedschaftsrechte dogmatischer Geltungsgrund für eine Treuepflicht der Aktionäre.169 Dem Maß des Einflusses des Gesellschafters entspricht das Maß seiner Verantwortung für die Interessen der Gesellschaft und die Belange der Mitgesellschafter.170 Insbesondere die fehlenden Mitgliedschaftsrechte lassen mithin die Begründung von Treuepflichten der Genusscheingläubiger unbillig erscheinen. Auch die vermeintliche Gleichstellung von Gesellschaftern und Genussrechtsgläubigern in der Insolvenz täuscht. Zwar werden Forderungen letzterer nachrangig zu den Forderungen anderer Gläubiger berichtigt, allerdings besteht – im Gegensatz zu den Aktionären – jedenfalls die grundsätzliche Möglichkeit, Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden.171 Schließlich steht dem Genussscheingläubiger gegenüber dem Emittenten ein rein vermögensrechtlicher Anspruch zu, die unternehmerische Handlungsfreiheit des Emittenten wird durch § 241 Abs. 2 BGB und nicht etwa aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorschriften eingeschränkt.172 Selbst eigenkapitalähnlich ausgestaltete Genussscheine stehen in ihrer Funktionsweise Fremdkapitalinstrumenten näher, sodass auch in diesen Fällen die Begründung von Treuepflichten nicht gerechtfertigt ist.

166 Habersack/Mülbert/Schlitt/Berghaus/Bardelmeier, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 14, Rn. 20; Sethe, AG 1993, 293, 299; Häger/Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, S. 223. 167 Schäfer, WM 1991, S. 1941, 1942. 168 Habersack/Mülbert/Schlitt/Berghaus/Bardelmeier, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 14, Rn. 2; Schneck, Handbuch Alternative Finanzierungsformen, S. 283; Häger/ Elkemann-Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, S. 212. 169 Seibt, ZIP 2014, S. 1909, 1909. 170 Seibt, ZIP 2014, S. 1909, 1910; BGH, Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142. 171 Habersack/Mülbert/Schlitt/Berghaus/Bardelmeier, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 14, Rn. 16. 172 Habersack/Mülbert/Schlitt/Berghaus/Bardelmeier, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 14, Rn. 38.

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d) Personengesellschaft i.S.d. §§ 705 ff. BGB Vielfach wird diskutiert, ob es sich bei der Gemeinschaft der Anleihegläubiger um eine Personengesellschaft i.S.d. §§ 705 ff. BGB handelt.173 Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die Anleihegläubiger durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags – konkludent oder ausdrücklich174 – verpflichtet haben, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zu fördern.175 Der gemeinsame Zweck ist dabei mehr als die Summe aller Einzelinteressen und als überindividueller Verbandszweck zu verstehen.176 Auf ihn bezieht sich die gesellschaftsvertragliche Förder- und Beitragspflicht.177 aa) Praktische Gründe für die Qualifikation als Personengesellschaft Begreift man die Gemeinschaft der Anleihegläubiger aufgrund der statuierten kollektiven Bindung als GbR, so kann dies eine erleichterte Prozessführung bedeuten sowie das Verhältnis der Anleihegläubiger zueinander dahingehend beeinflussen, dass diese Treuepflichten unterworfen sind. Die Qualifizierung der Gemeinschaft der Schuldverschreibungsgläubiger als Gesellschaft bürgerlichen Rechts hätte nach der Grundsatzentscheidung des BGH zur Folge, dass die Gemeinschaft rechtsfähig und damit konsequenterweise auch aktiv und passiv parteifähig i.S.d. § 50 ZPO ist.178 Damit können die Gläubiger als Gesamtheit gegen den Emittenten vorgehen und etwaige Ansprüche aus den Anleihebedingungen geltend machen. Das hierauf ergehende Urteil entfaltet Wirkung für die Gesamtheit der Gläubiger. Das gleiche Ergebnis wird freilich auch durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 SchVG erzielt. Für die Durchsetzung von Rechten gegenüber dem Emittenten dürfte die Bedeutung der Rechtsfähigkeit der Gläubigergemeinschaft daher als gering einzustufen sein. Relevanz mag die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR aber im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem gemeinsamen Vertreter entfalten. Die Gläubiger hätten so die Möglichkeit, als Gesamtheit gegen den gemeinsamen 173 Bejahend bei Durchführung einer Gläubigerversammlung Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 49. Eingeschränkt zustimmend für den Fall, dass sich die Anleihegläubiger vor Durchführung der Versammlung zu einer Zweckgemeinschaft zusammenschließen Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 207. Ablehnend Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 229; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 45; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 21; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1915; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 15. 174 Bamberger/Roth/Schöne, BGB, § 705, Rn. 19. 175 Palandt/Sprau, BGB, § 705, Rn. 3. 176 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 1 I 2 b. 177 Bamberger/Roth/Schöne, BGB, § 705, Rn. 9. 178 BGH, Urteil vom 29. 1. 2011 – II ZR 331/00, NJW 2001, S. 1056, 1056 (Leitsatz).

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

Vertreter vorzugehen, statt einen Gläubiger zu bestellen, der etwaige Ansprüche stellvertretend für die übrigen Gläubiger einfordert.179 Jedem Gläubiger der Gläubigergemeinschaft stünde ferner die Notgeschäftsführungsbefugnis aus § 744 Abs. 2 BGB analog zu.180 Wie an anderer Stelle ausführlich dargestellt, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift limitiert.181 Insbesondere kann hierüber keine Rechtskrafterstreckung bei Individualklagen von Gläubigern hergestellt werden. Die Annahme, dass es sich bei der Gemeinschaft der Schuldverschreibungsgläubiger um eine Personengesellschaft handelt, führt schließlich dazu, dass – wie dies grundsätzlich in Gesellschaftsverhältnissen der Fall ist – horizontale Treuepflichten entstehen.182 Die in den §§ 705 ff. BGB verankerte Förder- und Beitragspflicht verpflichtet den einzelnen Gläubiger, über die nach dem Deliktsrecht geschuldeten allgemeinen Treupflichten hinaus dazu, eigene Interessen jenen der Gemeinschaft nachzuordnen.183 Im Ergebnis können sich Treuepflichten so zu positiven Stimmpflichten verdichten.184 In Betracht käme eine Gesellschaftsgründung zum Zeitpunkt des Erwerbs der Schuldverschreibungen sowie zum Zeitpunkt der Durchführung einer Gläubigerversammlung. bb) Gesellschaftsgründung mit Erwerb der Schuldverschreibungen Dass bereits der Erwerb der Schuldverschreibungen durch die jeweiligen Gläubiger zur Gründung einer BGB-Gesellschaft führt, darf ernsthaft bezweifelt werden und wird, soweit ersichtlich, in der Literatur auch nicht vertreten. 179 So auch die Begründung Regierungsentwurf zu § 8 (Bestellung des gemeinsamen Vertreters in den Anleihebedingungen), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009, die allerdings davon ausgeht, dass eine Verständigung auf einen Gläubigervertreter notwendig sei, da die Gesamtheit der Gläubiger nicht prozessfähig sei. 180 In diesem Sinne auch Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 39, der dieses Vorgehen aber missverständlich als actio pro creditores Klage in Anlehnung an die actio pro socio bezeichnet und davon ausgeht, dass hierüber das Problem der Rechtskrafterstreckung bei Individualklagen gelöst werden könne. Das Rechtsinstitut der actio pro socio bezeichnet das Recht jedes Gesellschafters, Klage im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft zu erheben und auf diesem Wege von Mitgesellschaftern die Erfüllung etwaiger Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft zu verlangen; MünchKommBGB/Ulmer, § 705, Rn. 204. Ein zugunsten aller Gläubiger wirkendes Urteil gegen den Emittenten lässt sich mithilfe der actio pro socio wohl nicht erstreiten. Ebenso Beyer, Das Transparenzgebot und die Anpassung von Emissionsbedingungen, S. 199 f. 181 Vergleiche hierzu die ausführliche Darstellung unter F.III.3.b)aa). 182 Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 204. 183 Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 229. 184 Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 225.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung

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Insbesondere stellt es sich als schwierig dar, einen gemeinsamen Zweck, zu dessen Förderung sich die Gläubiger zusammengeschlossen haben, zu begründen. Auch wenn bei Eintritt in die Gläubigerstellung die Ansprüche mit dem Bonitätsrisiko desselben Schuldners behaftet und deshalb die Interessen zu diesem Zeitpunkt überwiegend ähnlich gelagert sind185, genügt dies allein nicht, um ein gemeinsames, überindividuelles Interesse der Gläubiger zu begründen. Das Bestehen paralleler Interessen führt nicht zur Entstehung einer BGB-Gesellschaft, solange die Interessen nicht durch ein gemeinsames Wirkungsziel miteinander verbunden werden. Über eine mögliche gemeinsame Zweckverfolgung dürften sich die Anleihegläubiger zum Erwerbszeitpunkt aber in der Regel gar keine Gedanken gemacht haben.186 cc) Gesellschaftsgründung mit Durchführung einer Gläubigerversammlung Sobald eine Gläubigerversammlung einberufen wurde, wird teilweise ein gemeinsamer Zweck in der kollektiven Ausübung und Wahrung der Obligationärsrechte gegenüber dem Emittenten gesehen.187 Hieran äußert die Mehrheit in der Literatur berechtigte Zweifel, da selbst im Sanierungsfall die Gläubiger in erster Linie die Rückzahlung ihrer eigenen Anleihe, nicht jedoch der Gesamtemission sichern wollen.188 Die Sicherung der Rückzahlung der Gesamtemission ist insoweit nur notwendiges Zwischenziel. Eine schuldrechtliche Verbindung besteht daher nach dem eben gesagten prima facie nicht zwischen den einzelnen Schuldverschreibungsgläubigern, sondern ausschließlich zwischen den Gläubigern und dem Emittenten. Diese Verhältnisse sind individuell. Das Vorliegen eines Systems zweiseitiger Rechtsbeziehungen schließt grundsätzlich das Bestehen einer Gesellschaft und damit das Bestehen einer schuldrechtlichen Verbindung auch zwischen den Netzmitgliedern nicht aus. Dies gilt allerdings nicht, wenn Initiative und Schwerpunkt der Rechtsbeziehungen nicht auf Seiten der Netzmitglieder liegen, sondern bei der zentralen Stelle, in diesem Fall dem Emittenten.189 Gerade dies ist im Anleiheverhältnis der Fall, da allein der

185

Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 44. Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 205. 187 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 49. Ebenfalls das Vorliegen eines gemeinsamen Zwecks bejahend, im Ergebnis aber die GbR mangels eines Entschlusses zur gemeinsamen Zweckförderung ablehnend Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 205 ff. 188 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 15; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1915; Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 229; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 45. 189 MünchKommBGB/Ulmer, § 705, Rn. 21. Wohl grundsätzlich kritisch gegenüber dem Bestehen einer GbR beim Vorliegen von „Sternverträgen“ Bamberger/Roth/Schöne, BGB, § 705, Rn. 41. Vgl. zu „Sternverträgen“ auch Heldt, FS Teubner, S. 315, 318 ff., die darauf hinweist, dass die Rechtsprechung häufig versucht solche Netzwerke in bestehende Rechtskategorien einzuordnen und damit scheitern muss. 186

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

Emittent Verpflichteter ist. Dies entspricht der Einordnung der Anleihe als Forderung aus einem abstrakten Schuldversprechen i.S.d. § 780 BGB.190 Wollte man entgegen der vorherrschenden Ansicht die Ausübung eines gemeinsamen Zwecks bejahen, so sprechen dennoch die besseren Argumente gegen eine Einordnung der Gläubigergemeinschaft als GbR. Der soeben beschriebene Charakter der Rechtsbeziehung zwischen dem Anleiheschuldner und den einzelnen Gläubigern, die Rechtsnatur der GbR sowie damit zusammenhängende Zweckmäßigkeitserwägungen lassen die Anwendung der Vorschriften der §§ 705 ff. BGB als nicht passend für die Gemeinschaft der Anleihegläubiger erscheinen. Der persönliche Zusammenschluss der Gesellschafter einer GbR ist ein entscheidendes Kennzeichen der Personengesellschaft.191 Die Gemeinschaft der Anleihegläubiger hingegen ist – bedingt durch die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen – regelmäßig durch einen höheren Grad an Verselbstständigung geprägt. Die jederzeitige Übertragbarkeit der Schuldverschreibungen führt zur Anonymität des einzelnen Gläubigers in der Gläubigergemeinschaft. Diese Anonymität steht dem persönlichen Zusammenschluss der Personengesellschaft diametral gegenüber. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, dass die Heranziehung der Vorschriften der §§ 705 ff. BGB als nicht sachgerecht angesehen wird.192 Exemplarisch für den persönlichen Gehalt der GbR stehen das Prinzip der Selbstorganschaft, kodifiziert in §§ 710, 714 BGB, die Vorschriften zur Kündigung gemäß § 723 BGB sowie die Regelung des § 727 BGB, wonach im Regelfall die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird. Die Auflösung der Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters spiegelt jedoch nicht die ökonomische Wirklichkeit im Zusammenhang mit Anleihen wider. Vielmehr tritt bei einer Anleihe der Rechtsnachfolger in jeder Hinsicht und in vollem Umfang in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein (§ 1922 BGB), ohne dass dies einen Einfluss auf den Rest der Anleihegläubigermehrheit hätte. Dies ist auch sachgerecht, da im Gegensatz zur GbR nicht die personalen Beziehungen das Verhältnis der Anleihegläubiger untereinander prägen. Ähnliches gilt für die Vertretungsregeln der §§ 710, 714 BGB, wonach die Übertragung der Geschäftsführung auf einen der Gesellschafter möglich ist. Nach Maßgabe der §§ 7, 8 SchVG kann zwar auch ein Anleihegläubiger als gemeinsamer Vertreter beauftragt werden193, allerdings kann die Gläubigergemeinschaft als gemeinsamen Vertreter auch jede geschäftsfähige Person oder sachkundige juristische 190

Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 13; MünchKommBGB/Habersack, § 780, Rn. 25. 191 MünchKommBGB/Ulmer, § 705, Rn. 13. 192 Vgl. hierzu Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 228; Friedl/HartwigJacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 21. 193 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 15.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung

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Person benennen (§ 7 Abs. 1 S. 1 SchVG). Letzteres wiederum widerspricht dem Prinzip der Selbstorganschaft, wie es für die GbR als Personengesellschaft prägend ist.194 Auch die Vorschriften zur Kündigung sind typisch für die Personengesellschaft und passen nicht auf das Kollektiv der Anleihegläubiger. Jedem Anleihegläubiger ist es nämlich erlaubt, sich seinen Verpflichtungen jederzeit durch Verkauf seiner Schuldverschreibungen zu entziehen, vergleichbar mit dem Aktionär einer Aktiengesellschaft. Wie eine Kündigung der Mitgliedschaft im Kollektiv der Anleihegläubiger gemäß § 723 BGB mit dem Wesen von Schuldverschreibungen zu vereinbaren sein soll, ist nicht ersichtlich. Ferner ist unklar, wie sich die Vorschriften zu gleichen Beitragsleistungen gemäß § 706 BGB sowie zum Gesellschaftsvermögen gemäß § 718 BGB in das System des SchVG einfügen lassen.195 Letztlich spricht gegen die Einordnung der Gläubigergemeinschaft als Personengesellschaft auch, dass die Begründung zum Regierungsentwurf ausdrücklich davon ausgeht, dass die Gläubiger als Gesamtheit nicht prozessfähig sind196, die Prozessfähigkeit der GbR aber seit geraumer Zeit nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch durch die Rechtsprechung anerkannt ist.197 Die Einordnung der Gläubigergemeinschaft als Personengesellschaft ist daher abzulehnen. e) Rechtsgemeinschaft i.S.v. § 741 BGB Wäre die Gläubigergemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB zu begreifen, stünde einzelnen Gläubigern die Notgeschäftsführungsbefugnis gemäß § 744 Abs. 2 BGB zu. Der betreffende Gläubiger könnte notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Gegenstandes vornehmen, die alle Anleihegläubiger treffen würden.198 Die Bruchteilsgemeinschaft ist Interessengemeinschaft ohne Zweckgemeinschaft zu sein.199 Der oben dargelegte Mangel eines gemeinsamen Zwecks der Gemeinschaft der Schuldverschreibungsgläubiger würde mithin einer Qualifikation als Gemeinschaft i.S.d. § 741 BGB nicht entgegenstehen. Voraussetzung für die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft ist aber das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen mehreren Personen, denen ein Recht gemeinschaftlich zusteht. 194

Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 21. Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 228. 196 Begründung Regierungsentwurf zu § 7 (Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 197 BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, S. 1056, 1056 (Leitsatz). 198 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 18. 199 Palandt/Sprau, BGB, § 741, Rn. 1. 195

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

Werden die Schuldverschreibungen durch eine Globalurkunde verbrieft, so finden die Vorschriften über die Sammelverwahrung Anwendung und die Anleihegläubiger haben gemäß §§ 9a Abs. 2 i.V.m. 6 Abs. 1 S. 1 DepotG Miteigentum nach Bruchteilen an der Globalurkunde. Sie bilden dann von Gesetzes wegen eine Bruchteilsgemeinschaft.200 Es handelt sich allerdings um eine Bruchteilsgemeinschaft besonderen Rechts, auf die die §§ 742 ff. BGB keine oder nur eingeschränkt Anwendung finden.201 In jedem Fall bestünden die entsprechenden Rechte ausschließlich im Zusammenhang mit der Verwaltung und Verwahrung der Urkunde.202 Treuepflichten für das Abstimmungsverhalten in der Gläubigerversammlung können sich hieraus nicht ergeben. Diese Erscheinungsform der Bruchteilsgemeinschaft ist ferner kein Resultat der kollektiven Bindung, sondern der gewählten Verwahrungsform. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass bei einer Einzelverwahrung die Schuldverschreibungsgläubiger keine Rechtsgemeinschaft bilden würden. Ein gemeinschaftliches Recht, das über das Miteigentum an der Globalurkunde hinausgeht, steht den Gläubigern aber nicht zu.203 Hierzu bedürfte es einer ungeteilten Forderung, die mehreren zu ideellen Bruchteilen zusteht. Mehrere, die nicht Gesamtgläubiger sind, können also eine unteilbare Leistung fordern, wodurch eine Bruchteils-Gläubigerschaft entsteht.204 Schuldverschreibungen sind jedoch nicht als unteilbare Leistung zu qualifizieren. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Schuldverschreibungen Teile einer Gesamtemission bilden. Denn Forderungen, die mehreren zu bereits geteilten realen Bruchteilen zustehen, begründen keine Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger.205 Die Forderung muss in diesen Fällen nämlich nicht gemeinschaftlich geltend gemacht werden. Vielmehr steht jedem Gläubiger das Recht zu, über seine Schuldverschreibung individuell zu verfügen, diese gegebenenfalls zu kündigen und deren Rückzahlung zu verlangen. 2. Das Außenverhältnis der Gläubigergemeinschaft a) Teilgläubigerschaft i.S.d. § 420 Alt. 2 BGB Vereinzelt wird vertreten, dass die Anleihegläubiger Teilgläubiger i.S.d. § 420 Alt. 2 BGB seien.206 Um eine Teilgläubigerschaft handelt es sich, wenn mehrere eine teilbare Leistung fordern können, wobei die Einzelteile so aufeinander bezogen sein 200 Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 208; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 17; Scherer/Rögner, DepotG, § 6, Rn. 4. 201 Staudinger/von Proff, BGB, § 741, Rn. 177, 193. 202 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 52. 203 Ebenso Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 209. 204 MünchKommBGB/Schmidt, § 741, Rn. 42. 205 Staudinger/von Proff, BGB, § 741, Rn. 80. 206 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 18.

II. Darstellung des Meinungsstandes und kritische Würdigung

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müssen, dass sie ein Ganzes bilden.207 Erst dann handelt es sich um ein einheitliches Schuldverhältnis, in dem die einzelnen Forderungen der Gläubiger weiterhin rechtlich selbstständig sind.208 Die Teilbarkeit der Leistung zeigt sich bei Schuldverschreibungen in deren Stückelung.209 Ferner ist zu konzedieren, dass es sich bei der Anleihe auch um eine einheitliche Leistung i.S.d. § 420 BGB handelt.210 Die einzelnen Rechtsverhältnisse der Gläubiger zum Schuldner sind zwar weitgehend unabhängig voneinander.211 Dies zeigt sich an den selbstständigen Forderungsrechten und dem Recht zur individuellen Klageerhebung.212 Nichtsdestotrotz handelt es sich um ein einheitliches Schuldverhältnis. Die begebene Anleihe bildet aufgrund der ihr zukommenden Finanzierungsfunktion eine wirtschaftliche Einheit.213 Ferner sind die einzelnen Schuldverschreibungen über die kollektive Bindung auch zu einer rechtlichen Einheit verbunden.214 Die kollektive Bindung fungiert gleichsam als Klammer, um die inhaltliche Austauschbarkeit der Schuldverschreibungen zu gewährleisten. Die Folge der Teilgläubigerschaft ist, dass das beschriebene einheitliche Schuldverhältnis nicht durch die individuelle Ausübung von Gestaltungsrechten aufgebrochen werden kann. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber u. a. in § 320 Abs. 1 S. 2 BGB, § 351 BGB und § 441 Abs. 2 BGB die Unteilbarkeit des Zurückbehaltungsrechts, des Rücktrittsrechts sowie der Minderung angeordnet. Ob hieraus ein allgemeiner Rechtsgrundsatz betreffend die Unteilbarkeit von Gestaltungsrechten bei Teilgläubigerschaft abzuleiten ist, ist höchst umstritten.215 Dies hätte zur Folge, dass auch das Kündigungsrecht der Schuldverschreibungsgläubiger unteilbar und die Ausübung nur durch diese gemeinsam zulässig ist.216

207

Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 324. Palandt/Heinrichs, BGB, Überbl v § 420, Rn. 1. 209 Teilbar ist eine Leistung stets, wenn sie ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks in Teilleistungen zerlegt werden kann. Palandt/Heinrichs, BGB, § 420, Rn. 1. Dies ist bei Geldleistungen stets der Fall und muss entsprechend für Schuldverschreibungen gelten. 210 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 324. 211 A.A. wohl Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 19 unter Verweis auf die Regierungsbegründung. Allerdings weist Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 18 zutreffend darauf hin, dass diese Argumentation lediglich in Bezug auf die Einordnung der Obligationäre als Gesamtgläubiger tragfähig ist. 212 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 329. 213 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 42; Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 323 f. 214 So wohl auch Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 230. 215 Die Unteilbarkeit von Gestaltungsrechten im Falle der Teilgläubigerschaft insgesamt befürwortend Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 342 f. Ebenso wohl Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 210. Kritisch hingegen Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 420, Rn. 4. 216 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 42. 208

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

Für eine grundsätzliche Unteilbarkeit auch in den nicht gesetzlich angeordneten Fällen spricht die Einheitlichkeit des Schuldverhältnisses, welches nicht durch individuelle Rechtshandlungen aufgebrochen werden soll. Hiergegen lässt sich freilich der mangelnde Regelungswille des Gesetzgebers anführen.217 Letztlich bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Unteilbarkeit von Gestaltungsrechten als allgemeiner Rechtsgrundsatz auf die Teilgläubigerschaft anzuwenden ist.218 Geht man davon aus, dass Gestaltungsrechte im Allgemeinen, und damit auch das Kündigungsrecht im Besonderen, nur mit Wirkung für alle Gläubiger ausgeübt werden können, so wäre der Gläubigermehrheit der Status der Teilgläubigerschaft zu versagen. Die Annahme von Teilgläubigerschaft und der damit einhergehende Ausschluss des individuellen Kündigungsrechts wären erkennbar contra legem, da § 5 Abs. 5 SchVG eindeutig von individuellen Kündigungsrechten ausgeht, solange in den Anleihebedingungen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.219 Geht man hingegen von der Unteilbarkeit der Gestaltungsrechte nur in den gesetzlich normierten Fällen aus, dann ist die Teilgläubigerschaft um ihre „wirkmächtigste Folge“220 beraubt. Es würden sich in der Folge auch bei einer Qualifikation der Obligationäre als Teilgläubiger keine weiteren Konsequenzen für das Verhältnis der Gläubiger zum Emittenten ergeben. b) Gesamtgläubiger- oder Mitgläubigerschaft i.S.d. §§ 428, 432 BGB Soweit diskutiert wird, ob es sich bei dem Kollektiv der Schuldverschreibungsgläubiger möglicherweise um Gesamt- oder Mitgläubiger handelt, ist dies zu verneinen.221 Gesamtgläubigerschaft liegt gemäß § 428 BGB vor, wenn mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist. Dies ist im Verhältnis des einzelnen Schuldverschreibungsgläubigers zum Emittenten erkennbar nicht der Fall. Über sein Forderungsrecht kann jeder Gläubiger nur individuell verfügen. Mitgläubigerschaft liegt bei gemeinsamer Forderungszuständigkeit vor. Neben den Fällen der Gesamthandsgemeinschaft und der Bruchteilsgemeinschaft ist eine 217 Begründung Regierungsentwurf zu § 7 (Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 19. 218 Ähnlich Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 211. 219 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 42; a.A. Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 341, der noch davon ausgeht, dass den Anleihegläubigern kein individuelles Kündigungsrecht zusteht. Relativierend aber Friedl/Schmidtbleicher/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 18, der nunmehr das Kündigungsrecht anerkennt, dies aber für dogmatisch verfehlt hält und es darüber hinaus lediglich als dispositive Folge der Teilgläubigerschaft und nicht als deren Voraussetzung bezeichnet. 220 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 330. 221 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 19.

III. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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gemeinsame Forderungszuständigkeit gemäß § 432 BGB auch bei Unteilbarkeit des Leistungsgegenstandes gegeben. Die einzelnen Schuldverschreibungen einer Gesamtemission sind allerdings sowohl rechtlich als auch tatsächlich teilbar, sodass hier nicht von einer unteilbaren Leistung gesprochen werden kann. Das Vorliegen einer Gesamtgläubiger- oder Mitgläubigerschaft ist darüber hinaus auch deshalb nicht haltbar, da bereits die Begründung des Regierungsentwurfs davon ausgeht, dass die Rechtsverhältnisse der Gläubiger zum Schuldner individuell sind und es sich deshalb nicht um Gesamt- oder Mitgläubigerschaft handelt.222 3. Die Anleihegläubigergemeinschaft als Kollektiv sui generis Eine nahtlose Einordnung der Gläubigergemeinschaft in die bestehenden Rechtsfiguren ist nicht möglich. Die Anleihegläubiger unterliegen einer gesetzlichen Verbindung, die den alleinigen Zweck hat, innerhalb eines bestimmten Rahmens die kollektive Willensbetätigung zu ermöglichen und die einheitliche Ausstattung der Schuldverschreibungen sicherzustellen. Diese Verbindung begründet keine Treuepflicht der Anleihegläubiger, sei es im Verhältnis untereinander oder im Verhältnis zum Emittenten. Auch ergeben sich aus dieser Verbindung keine Rechte und Pflichten, die über die im SchVG bereits normierten hinausgehen. Hierzu zählen insbesondere das Recht eine Gläubigerversammlung einzuberufen sowie das Recht zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters. Die Gemeinschaft der Anleihegläubiger ist daher als Gemeinschaft sui generis zu qualifizieren. Mithin kann auch nicht auf anerkannte Rechtsinstitute als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden. Die Einordnung der Gläubigergemeinschaft als Gemeinschaft eigener Art erfordert daher, dass – soweit dies erforderlich ist – individuelle Grundsätze und Regeln für das Kollektiv der Gläubiger entwickelt werden.223

III. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Die Einordnung der Gemeinschaft der Anleihegläubiger in bestehende Rechtsmodelle ist mit einer überzeugenden Argumentation nicht möglich. Das Innenverhältnis der Anleihegläubigergemeinschaft kann weder mit der Figur der faktischen Risikogemeinschaft erklärt werden, noch sind die Anleihegläubiger 222 Begründung Regierungsentwurf zu § 7 (Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Anders wird dies lediglich im Verhältnis der Gläubiger zum gemeinsamen Vertreter beurteilt. Hier ist nach dem Willen des Gesetzgebers eine Gesamtgläubigerschaft zu bejahen. 223 Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 231.

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D. Rechtsnatur des Kollektivs der Anleihegläubiger

als Quasi-Gesellschafter zu qualifizieren. Schließlich lässt sich auch nicht erklären, weshalb die Anleihegläubiger als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. § 705 BGB oder als Rechtsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB gelten sollten. Auch im Außenverhältnis ist die Gemeinschaft der Anleihegläubiger in keine der bestehenden Kategorien von Gläubigermehrheiten einzuordnen. Die Anleihegläubiger stellen vielmehr ein Kollektiv sui generis dar, für das individuelle Grundsätze und Regeln zu entwickeln sind.

E. Die Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG Der Anwendungsbereich des § 4 SchVG sowie die Voraussetzungen der im Rahmen der kollektiven Bindung zulässigen Beschlussverfahren sind Gegenstand der folgenden Darstellung.

I. Räumlicher, sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG § 1 SchVG bestimmt: (1) Dieses Gesetz gilt für nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungen). (2) Dieses Gesetz gilt nicht für die gedeckten Schuldverschreibungen im Sinne des Pfandbriefgesetzes sowie nicht für Schuldverschreibungen, deren Schuldner der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde ist oder für die der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde haftet.

§ 1 Abs. 1 SchVG bestimmt den Anwendungsbereich des SchVG, während § 1 Abs. 2 SchVG Ausnahmen hiervon statuiert. Ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 SchVG eröffnet und keiner der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 SchVG einschlägig, so gelten die Vorschriften des SchVG zur Transparenz von Leistungsversprechen (§ 3 SchVG) sowie zur kollektiven Bindung (§ 4 SchVG) zwingend für die betreffenden Schuldverschreibungen.224 Abschnitt 2 des SchVG (§§ 5 – 22 SchVG) ist hingegen nur dann anwendbar, wenn dies vor Begebung der Schuldverschreibungen in den Anleihebedingungen vorgesehen ist (sog. Opt-in).225 Die kollektive Bindung betrifft mithin sämtliche Schuldverschreibungen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.226 Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung bestimmen sich folglich auch in Abhängigkeit des Anwendungsbereichs des SchVG.227 In einem ersten Schritt ist daher der räumliche, sachliche und zeitliche Anwendungsbereich des SchVG zu ermitteln. 224

Horn, BKR 2009, S. 446, 447 f.; Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 34. Simon, CFL 2010, S. 159, 160. 226 Horn, BKR 2009, S. 446, 447 f.; Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 34. 227 Ebenfalls auf die Korrespondenz von kollektiver Bindung und der Definition des Anwendungsbereichs hinweisend Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2602 f. Siehe ausführlich zur Reichweite und zum Umfang des § 4 SchVG Abschnitt F. 225

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

1. Räumlicher Anwendungsbereich Das SchVG gilt für alle Anleihen, die deutschem Recht unterliegen, gleich, ob sich dessen Anwendbarkeit kraft Rechtswahl in den Anleihebedingungen ergibt oder durch objektive Anknüpfung zu ermitteln ist.228 Der Anwendungsbereich des SchVG wird gegenüber dem Anwendungsbereich des SchVG von 1899 dahingehend erweitert, dass das Gesetz nunmehr auch für Emissionen von Emittenten mit Sitz im Ausland gilt (sog. Auslandsanleihen229), soweit die Schuldverschreibungen deutschem Recht unterliegen.230 Insbesondere erfasst § 1 Abs. 1 SchVG damit auch in der Praxis häufig vorkommende Anleihen, die von ausländischen Finanzierungsgesellschaften begeben und von der deutschen Muttergesellschaft garantiert werden.231 Gerade in Fällen, in denen es sich bei dem Emittenten um eine ausländische Tochtergesellschaft handelt, stellt sich die Frage, ob eine uneingeschränkte Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts zwingend erforderlich ist oder ob auch bei einer Teilung des Rechtsstatuts in Bezug auf die Anleihebedingungen das SchVG Anwendung finden kann. Häufig sehen nämlich die Anleihebedingungen bei Begebungen durch ausländische Finanzierungstöchter zwar grundsätzlich die Geltung deutschen Rechts vor, erklären aber hinsichtlich insolvenzrechtlicher Regelungen das Insolvenzrecht am Sitz des Emittenten für anwendbar. Entsprechend problematisch war diese Konstellation im vom Landgericht Frankfurt am Main entschiedenen sog. Fall Pfleiderer232 : Der Emittent, eine niederländische B.V. (besloten vennootschap), hatte im April 2007 eine Hybridanleihe begeben. In den Anleihebedingungen wurde eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts getroffen. Soweit es jedoch um die Nachrangvereinbarung und ein Aufrechnungsverbot ging, wurde die Geltung niederländischen Rechts vereinbart. Eine solche Teilverweisung auf ausländisches Recht führt nach Ansicht des LG Frankfurt dazu, dass der Anwendungsbereich des SchVG nicht eröffnet ist.233 228

Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 17; die Möglichkeit zur Wahl des Wertpapierrechtsstatuts ergibt sich aus Artikel 3 Abs. 1 Rom-I VO. Zur Zulässigkeit von Rechtswahlklauseln in Anleihebedingungen siehe Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 316 ff. sowie Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 398. 229 Siehe zum Begriff der Auslandsanleihe und speziell zum Begriff der DM-Auslandsanleihe die Darstellung bei Stucke, Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen, S. 7 ff. 230 Begründung Regierungsentwurf. zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; Leuering, NZI 2009, S. 638, 639; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 478 f.; Simon, CFL 2010, S. 159, 159; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1914; Horn, BKR 2009, 446, 446, Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 19; Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 1; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 49. 231 Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 13. 232 LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3-05 O 60/11, ZIP 2011, S. 2306, 2306 ff. 233 LG Frankfurt, Beschluss vom. 27. Oktober 2011 – 3-05 O 60/11, ZIP 2011, S. 2306, 2306. Ebenso Armbrüster, EWiR 2012, S. 61, 62; Meier/Schauenburg, CFL 2012, S. 161, 167;

I. Räumlicher, sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG

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Erforderlich sei, so das Gericht, dass die Emissionsbedingungen des ausländischen (oder inländischen) Schuldners ausdrücklich eine uneingeschränkte Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts vorsehen, da das SchVG nur für solche Anleihen gelte. Eine Teilrechtswahl genüge deshalb nicht, da in diesen Fällen nicht ohne weiteres erkennbar wäre, welche Bestimmungen des SchVG anwendbar sein sollen bzw. welche Bestimmungen ausländischen Rechts vorgehen würden. Eine Änderung der Anleihebedingungen sei in diesen Fällen nicht praktikabel, da hierdurch die Hoheitsrechte eines anderen Staates berührt würden. In diesem Fall greife nämlich ein deutsches Gesetz in das bei der Emission gewählte ausländische Recht ein.234 Dies soll jedenfalls gelten, sofern es sich um wesentliche wertpapierrechtliche Regelungen handelt.235 Diese Auffassung des Gerichts bezüglich der Unzulässigkeit einer Teilrechtswahl in Anleihebedingungen begegnet erheblichen Bedenken.236 Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 SchVG ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine derart restriktive Auslegung stützen würden. Dieser spricht nämlich nur von „nach deutschem Recht begebene[n] inhaltgleiche[n] Schuldverschreibungen“, trifft aber keine Aussage darüber, ob dies bedeutet, dass sämtliche Klauseln deutschem Recht zu unterstellen sind. Auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich nicht die Unzulässigkeit einer Teilung des Wertpapierrechtsstatuts.237 Soweit das Gericht davon ausgeht, dass eine Teilrechtswahl dazu führe, dass nicht mehr erkennbar sei, welche Bestimmungen des SchVG anwendbar sein sollen, ist dem entgegenzuhalten, dass selbstverständlich für solche Klauseln, die ausländischem Recht unterstellt wurden, das SchVG nicht anwendbar ist.238 Eine Anpassung dieser Klauseln durch Mehrheitsbeschluss gemäß Abschnitt 2 des SchVG ist nicht a.A. Oulds, CFL 2012, S. 353, 354; Lürken, GWR 2011, S. 546, 546; ebenso wohl BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – II ZR 381/13, ZIP 2014, S. 1876, 1876, der das SchVG grundsätzlich in dieser Konstellation ohne weitere Begründung für anwendbar erklärt; abweichend Grell/ Splittgerber/Schneider, DB 2015, S. 111, 112, die diese Frage weiter als ungeklärt betrachten; offen lassend OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2012 – 5 AktG 3/11, NZI 2012, S. 477, 479. 234 LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3-05 O 60/11, ZIP 2011, S. 2306, 2307. 235 LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3-05 O 60/11, ZIP 2011, S. 2306, 2307. 236 Das OLG Frankfurt hatte in der Folgeinstanz über diese Frage nicht zu entscheiden und eine Antwort auf die Frage der teilweisen Einbeziehung deshalb dahin stehen lassen, OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2012 – 5 AktG 3/11, NZI 2012, S. 477, 479. 237 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 1, Rn. 99. Zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer Teilrechtswahl bei Schuldverschreibungen siehe BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 – XI ZR 353/04, BeckRS 2005, 13808, Rn. 10. Zur Unterscheidung zwischen Wertpapierrechts- und Wertpapiersachstatut siehe die Darstellung bei Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 397 ff. 238 So auch Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 1, Rn. 106.

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möglich. Inwiefern dies in der Praxis Probleme aufwerfen könnte, ist nicht erkennbar. Der Fall Pfleiderer offenbart zudem, dass in einigen Fällen die Rechtswahl im Hinblick auf bestimmte Klauseln der Disposition der Parteien entzogen ist. Die entsprechenden Klauseln unterstehen dann nicht dem Vertragsstatut. Stattdessen werden diese Klauseln nach dem ausländischen Recht beurteilt, welches aufgrund allgemeiner kollisionsrechtlicher Grundsätze anwendbar ist.239 Dies gilt in der Praxis insbesondere – so auch im Fall Pfleiderer – im Hinblick auf Regelungen, die die Parteien für den Fall des Insolvenzeintritts getroffen haben.240 Eine Nachrangklausel, wie sie Gegenstand der Entscheidung des LG Frankfurt war, kann nur dann ihre Funktion sinnvoll erfüllen, wenn eine solche Klausel im Insolvenzverfahren auch anerkannt wird. Konkret heißt das, dass das Insolvenzstatut die Möglichkeit kennen muss, den Rang einer Forderung im Fall der Insolvenz des Emittenten von vornherein durch Vereinbarung festzulegen.241 Handelt es sich bei dem Emittenten um eine ausländische Gesellschaft, so ist das Insolvenzrecht am Sitz des Emittenten maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit einer vertraglichen Rangabrede.242 Für Gesellschaften und juristische Personen mit Sitz in einem EUMitgliedstaat ergibt sich die Geltung des nationalen Insolvenzrechts aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 EUInsVO.243 Gemäß Art. 4 Abs. 1 EUInsVO bestimmt sich das anwendbare Insolvenzrecht grundsätzlich nach der sogenannten lex fori concursus, dem Insolvenzrecht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dies dürfte wegen Art. 3 Abs. 1 EUInsVO regelmäßig der Mitgliedstaat sein, in dem der Schuldner seinen satzungsmäßigen Sitz hat. Das Insolvenzstatut bestimmt sich unabhängig vom Wertpapierrechtsstatut und auch unabhängig davon, ob es durch Rechtswahl oder mittels objektiver Anknüpfung zur Geltung gelangt.244 In Fällen, in denen die Parteien also entweder keine Rechtswahl getroffen haben oder aber eine allgemeine Rechtswahl für das Wertpapierrechtsstatut getroffen wurde, würde eine Nachrangvereinbarung dem Insolvenzrecht des ausländischen Schuldners unterfallen.245 Insofern treffen Anleihebe239

Keller, BKR 2012, S. 15, 16. Thole, ZGR 2013, S. 109, 159. 241 Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 56. In Deutschland erlaubt beispielsweise § 39 Abs. 2 InsO die Vereinbarung eines in der Insolvenz anerkannten, vertraglichen Nachrangs. 242 Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 56. 243 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, Abl. L EG 160, 30. 06. 2000. 244 DepotG/Scherer, § 17a, Rn. 30. Allgemein zum Wertpapierstatut siehe Einsele, Bankund Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 51. 245 Siehe auch Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 17, der jedenfalls davon ausgeht, dass für ausländische Emittenten § 19 SchVG nicht gelte, sondern deren ausländisches Insolvenzrecht anwendbar sei. 240

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dingungen, die klarstellend die Geltung ausländischen Rechts für Nachrangklauseln bestimmen, schon gar keine eigenständige Regelung.246 Eine derartige Klausel in den Anleihebedingungen hat lediglich deklaratorischen Charakter. Dass aber der Gesetzgeber in allen Fällen, in denen der Emittent eine ausländische Gesellschaft ist und deshalb ausländisches Insolvenzrecht Anwendung findet, die Anwendbarkeit des SchVG ausschließen wollte, ist äußerst fernliegend.247 Im Ergebnis würde dies nämlich den Anwendungsbereich des SchVG ebenso einschränken wie dies bereits das SchVG von 1899 tat. Einen derart eingeschränkten Anwendungsbereich hat der Gesetzgeber aber ausdrücklich abgelehnt, indem er bewusst auch ausländischen Schuldnern die Möglichkeit der Inanspruchnahme des SchVG eingeräumt hat.248 Bestimmungen in Schuldverschreibungen, die aufgrund Insolvenzkollisionsrechts nach ausländischem Recht zu beurteilen sind, beeinträchtigen daher nach der hier vertretenen Auffassung die Anwendbarkeit des SchVG auf die übrigen Bestimmungen nicht. Ist es aber möglich, dass einzelne Klauseln unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstehen, wenn sich dies aus einer objektiven Anknüpfung ergibt, so ist nicht ersichtlich, weshalb die Anwendbarkeit des SchVG allein dadurch unpraktikabel sein soll, dass die Klausel nun aufgrund Rechtswahl dem ausländischen Recht unterfällt. Deshalb muss gelten, dass der räumliche Anwendungsbereich des SchVG jedenfalls nicht durch eine Teilrechtswahl eingeschränkt wird.249 2. Sachlicher Anwendungsbereich a) Begriff der Schuldverschreibung i.S.d. § 1 Abs. 1 SchVG Gemäß der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 SchVG sind Schuldverschreibungen inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen. Damit ist klargestellt, dass Schuldverschreibungen aus Einzelemissionen (siehe hierzu b)) nicht vom Anwendungsbereich des SchVG umfasst sein sollen. Unklar bleibt jedoch der Begriff der Schuldverschreibung selbst, da jedenfalls der Gesetzestext keine entsprechende Definition zur Verfügung stellt. Deutlich wird lediglich, dass der Gesetzgeber ein weites Begriffsverständnis zugrunde legt, indem er klarstellt, dass das Gesetz für alle Arten von Schuldverschreibungen gelten soll.250 Als notwendige Eigenschaften einer 246 So im Ergebnis wohl auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2012 – 5 AktG 3/11, NZI 2012, S. 477, 479. 247 Ähnlich wohl OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2012 – 5 AktG 3/11, NZI 2012, S. 477, 479, das ebenfalls dem deklaratorischen Charakter einer solchen Bestimmung Gewicht beizumessen scheint. 248 Siehe hierzu E.I.1. 249 Thole, ZGR 2013, S. 109, 159; a.A. Armbrüster, EwiR 2012, S. 61, 62. 250 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. So auch Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 15; Horn, BKR 2009, S. 446, 447.

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Schuldverschreibung werden daher auch lediglich deren Verbriefung, Inhaltsgleichheit sowie die daraus resultierende Austauschbarkeit genannt.251 aa) Verbriefung Die Verbriefung ist zwar zwingende Voraussetzung für Schuldverschreibungen im Sinne des SchVG, auf die Art der Verbriefung soll es allerdings nicht ankommen.252 Möglich ist die Verbriefung der Schuldverschreibungen in einer Sammelurkunde gemäß § 9a DepotG oder in Einzelurkunden. Auch eine Kombination verschiedener Verbriefungsarten ist innerhalb derselben Emission möglich.253 Schließlich haben auch die gewählte Form und der Ort der Verwahrung keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des SchVG.254 Denkbar ist demnach die Verwahrung durch eines der Clearingsysteme selbst oder durch eine gemeinsame Verwahrstelle (Common Depositary).255 Auch ob ein Anspruch auf Auslieferung effektiver Stücke besteht oder ob dieser ausgeschlossen ist, ist für die Eigenschaft als Schuldverschreibung nicht von Bedeutung.256 bb) Inhaltsgleichheit und Austauschbarkeit Die Inhaltsgleichheit erfordert, dass in den Bedingungen gleiche Rechte für alle Schuldverschreibungen vorgesehen sind.257 Hieraus resultiert die Austauschbarkeit der Schuldverschreibungen.258 Dementsprechend zählen jedenfalls alle Arten von Inhaberschuldverschreibungen i.S.d. § 793 Abs. 1 BGB zu den Schuldverschreibungen im Sinne des Gesetzes. Dabei handelt es sich nach der Legaldefinition des Gesetzes um eine Urkunde, in der der Schuldner gegenüber dem Urkundeninhaber eine Leistung verspricht.259 Die Gestaltungsformen der Leistungsversprechen sind vielfältig. Erfasst sind nicht nur 251 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 252 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 253 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 254 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 255 Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 26. 256 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 257 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 258 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 259 Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 24 I.

I. Räumlicher, sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG

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Anleihen, die der klassischen Finanzierungsfunktion dienen, sondern alle Arten von Schuldverschreibungen.260 Hierzu gehören neben einfach und variabel verzinslichen Anleihen sowie Nullkupon-Anleihen auch Asset-backed-Securities261, Anleihen mit unbegrenzter und sehr kurzer Laufzeit (Perpetuals und Commercial Paper262), Wandelanleihen und Derivate – beispielhaft nennt die Gesetzesbegründung Zertifikate oder Optionen –, soweit diese als Inhaberschuldverschreibungen und nicht als Over-the-Counter-Geschäfte (OTC)263 ausgestaltet sind.264 (1) Sonderfall: Namensschuldverschreibungen In den vergangenen Jahren ist der Markt für Namensschuldverschreibungen ebenso wie der für Schuldscheindarlehen (siehe hierzu die Ausführungen unter E.I.2.a)bb)(2)) gewachsen.265 Insbesondere für Versicherungsunternehmen und Pensionskassen haben sich die genannten Schuldtitel als attraktive Anlageformen erwiesen.266 Im Gegensatz zu Inhaberschuldverschreibungen werden Namensschuldverschreibungen und Schuldscheindarlehen nicht mark-to-market bilanziert, sondern nach dem Nominalwertprinzip.267 Abschreibungen müssen daher auch bei sinkendem Zinsniveau nicht vorgenommen werden. Insbesondere in Zeiten niedriger Zinssätze wird deshalb in die genannten Produkte investiert. Inwiefern indes Namensschuldverschreibungen dem Schuldverschreibungsbegriff des SchVG genügen, ist fraglich. Namensschuldverschreibungen gehören zu den Rektapapieren und werden durch Abtretung gemäß § 398 BGB übertragen.268 Einwendungen und Einreden des Schuldners gegenüber dem Zessionar bleiben so 260

Vgl. zum traditionellen Verständnis der Anleihe als Instrument der Darlehensgewährung und Fremdkapitalaufnahme Horn, ZHR 173 (2009), S. 14, 15 ff. 261 Vgl. zu den Problemen im Zusammenhang mit einer Restrukturierung von Assetbacked-Securities die Ausführungen unter F.I.3.c). 262 Commercial Paper sind Anleihen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten. Bei diesem Schuldverschreibungstyp besteht aufgrund der sehr kurzen Laufzeit in der Regel kein Bedürfnis für Restrukturierungen, Hopt, FS Schwark, S. 441, 452. 263 Vgl. instruktiv zu den außerbörslichen Termingeschäften und insbesondere zu den Optionen Schimasky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, § 114, Rn. 1 ff. und Rn. 18 ff. 264 Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 47; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 18 ff.; Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 16 ff.; Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 5 ff. 265 Vgl. hierzu mit ausführlicher Erläuterung dieses Wandels Kümpel/Wittig/Müller, Bankund Kapitalmarktrecht, 15.266. 266 Stadler, Unternehmensfinanzierung, S. 184; MünchKommHGB/Hommel/Morawietz, § 341c, Rn. 1. 267 Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, 15.266; Stadler, Unternehmensfinanzierung, S. 185; MünchKommHGB/Hommel/Morawietz, § 341c, Rn. 1. 268 MünchKommBGB/Habersack, Vor § 793, Rn. 16; Scherer/Scherer, DepotG, § 1, Rn. 6. Siehe auch Franke, DB 1983, S. 377, 377 f., der die Wertpapierqualität am Vorlageerfordernis festmachen will.

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erhalten. Ein gutgläubiger (lastenfreier) Erwerb ist, anders als bei Inhaberschuldverschreibungen, die gemäß §§ 929 ff. BGB übertragen werden, nicht möglich.269 Inhaltsgleichheit und Austauschbarkeit, wie sie von § 1 Abs. 1 SchVG gefordert werden, sind deshalb grundsätzlich bei Namensschuldverschreibungen nicht gewährleistet.270 Teilweise wird dennoch vertreten, dass Namensschuldverschreibungen vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 SchVG erfasst sind.271 Als Begründung wird vorgebracht, dass aufgrund der Neufassung von § 1 Abs. 1 DepotG272 Namensschuldverschreibungen in das sachenrechtliche Wertpapiergiro einbezogen und dadurch die Inhaltsidentität sowie die Kapitalmarktfähigkeit gegeben seien. Dies hält jedoch näherer Betrachtung nicht Stand. § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG273 bestimmt: Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind auch Namensschuldverschreibungen, soweit sie auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt wurden.

Durch die Änderung des Depotgesetzes soll klargestellt werden, dass auch Namensschuldverschreibungen in das sachenrechtliche Wertpapiergiro nach dem Depotgesetz einbezogen sind.274 Als Anwendungsfälle hatte der Gesetzgeber sogenannte Globalanleihen (Global Bonds) im Blick.275 Dabei handelt es sich um internationale Anleihen, die sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika platziert werden können.276 Dabei ist der deutsche Teil als Inhaberschuldverschreibung und der US-amerikanische Teil – aus steuerlichen Gründen – als Namensschuldverschreibung (Registered Bonds) unter deutschem Recht ausgestaltet.277 Durch Einführung des § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass der in den USA „verbriefte“ Teil der Schuldverschreibung nicht 269

Koller, WM 1981, S. 474, 474; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 24 VII. 2. d). Schwark/Zimmer/Beck, KMRK, § 2 WpHG, Rn. 23; MünchKommHGB/Hommel/ Morawietz, § 341c, Rn. 5. 271 Kusserow, BB/RdF 2012, S. 4, 9; Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 11; Preuße/ Preuße, SchVG, § 1, Rn. 25. 272 Neufassung des § 1 Abs. 1 DepotG eingeführt durch Art. 5 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I 2512 vom 5. August 2009. 273 Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren in der Fassung vom 11. Januar 1995 (BGBl. I 34) zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 4. Juli 2013 (BGBl. I 1981, 2154). 274 Begründung Regierungsentwurf zu Art. 5 (Änderung des Depotgesetzes). 275 Grundlegend zur Begebung von Globalanleihen Hottenrott, Begebung von Globalanleihen durch deutsche Emittenten, S. 208 ff. 276 Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 9. 277 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 31; Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 42. 270

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nach deutschem Recht als Forderung übertragbar ist, sondern gemäß §§ 929 ff. BGB nach sachenrechtlichen Grundsätzen.278 Dies ist indes misslungen. Durch die Änderung des § 1 Abs. 1 DepotG konnte der Gesetzgeber nicht die Rechtsnatur der Namensschuldverschreibung ändern. Namensschuldverschreibungen werden de jure nach Zessionsrecht übertragen. Um eine Übertragung von Namensschuldverschreibungen mit den Rechtsfolgen der §§ 929 ff. BGB zu ermöglichen, hätte der Gesetzgeber, entsprechend den Sammelschuldbuchforderungen des Bundes, Miteigentum der Gläubiger bzw. der wirtschaftlich Berechtigten an den Namensschuldverschreibungen im Depotgesetz fingieren müssen.279 Solange der Gesetzgeber dies nicht korrigiert, entfaltet § 1 Abs. 1 S. 2 DepotG keine Wirkung hinsichtlich der Inhaltsgleichheit und Austauschbarkeit von Namensschuldverschreibungen. Eine Anwendbarkeit des SchVG auf Namensschuldverschreibungen – auch wenn diese auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt sind – ist daher zum jetzigen Zeitpunkt entgegen der wohl h.M. abzulehnen. Dies ist auch sachgerecht. Da Namensschuldverschreibungen gerade nicht zwingend inhaltsgleich und damit auch nicht fungibel sind, besteht auch kein Anlass, dass diese vom Geltungsbereich des SchVG umfasst werden. Insbesondere bedürfen Gesamtemissionen von Namensschuldverschreibungen nicht des Schutzes der kollektiven Bindung. Sind Schuldverschreibungen ohnehin nicht fungibel, so ist es auch nicht erforderlich, Schutzvorschriften zur Wahrung der Fungibilität anzuwenden. (2) Schuldscheindarlehen Schuldscheindarlehen fallen nicht in den Anwendungsbereich des SchVG, da es sich bei diesen schlicht nicht um Schuldverschreibungen handelt.280 Sie sind vielmehr als Darlehen i.S.d. § 488 BGB zu qualifizieren. Der darüber ausgestellte Schuldschein dient lediglich als Beweisurkunde i.S.d. § 371 BGB.281 cc) Sonstige Voraussetzungen des Schuldverschreibungsbegriffs Neben der Verbriefung, der Inhaltsgleichheit sowie der Austauschbarkeit bedarf eine Schuldverschreibung nach dem SchVG ausweislich der Gesetzesbegründung keiner weiteren Eigenschaften. Anders war dies noch unter dem SchVG von 1899. Gemäß § 1 Abs. 1 SchVG von 1899 war dieses nämlich nur anwendbar auf „Schuldverschreibungen mit im Voraus bestimmten Nennwerten“. Daraus wurde teilweise abgeleitet, dass das SchVG von 1899 auf Genussscheine mit Verlustbe-

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Begründung Regierungsentwurf zu Art. 5 (Änderung des Depotgesetzes). Scherer/Rögner, DepotG, § 5, Rn. 3 f. 280 Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 29; MünchKommBGB/Habersack, Vor § 793, Rn. 21; Staudinger/Marburger, BGB, Vorbem zu §§ 793 ff, Rn. 74. 281 Staudinger/Marburger, BGB, Vorbem zu §§ 793 ff, Rn. 74. 279

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teiligung282 nicht anwendbar sei.283 Nachdem das SchVG diese Einschränkung nicht mehr vorsieht, lässt sich im Umkehrschluss ableiten, dass Genussscheine in den Anwendungsbereich des SchVG fallen.284 b) Begriff der Gesamtemission Gesamtemissionen setzen sich üblicherweise aus Teilschuldverschreibungen einer bestimmten Stückelung zusammen.285 Zudem sind die Schuldverschreibungen aus einer Gesamtemission notwendig inhaltsgleich, weil sie auf denselben Bedingungen beruhen und weil in den Bedingungen gleiche Rechte für alle Schuldverschreibungen vorgesehen sind.286 Als Vorbild für den Begriff der Gesamtemission soll § 151 StGB gelten.287 § 151 StGB: Dem Geld im Sinne der §§ 146, 147, 149 und 150 stehen folgende Wertpapiere gleich, wenn sie durch Druck und Papierart gegen Nachahmung besonders gesichert sind: 1. Inhaber- sowie solche Orderschuldverschreibungen, die Teile einer Gesamtemission sind, wenn in den Schuldverschreibungen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird; 2. (…)

Auch § 151 Abs. 1 StGB bleibt jedoch eine Definition des Tatbestandsmerkmals der Gesamtemission schuldig. Als Auslegungshilfe herangezogen werden kann stattdessen der inzwischen gestrichene § 808a BGB.288 Dieser definierte zwar den Begriff der Gesamtemission ebenfalls nicht, die Literatur ging jedoch davon aus, dass es sich dann um eine Gesamtemission handele, wenn eine größere Zahl inhaltlich im Wesentlichen gleichartiger Schuldverschreibungen begeben wurde, die in der Stü282 Bei Genussscheinen handelt es sich um Ansprüche gegen eine Gesellschaft, die Vermögensrechte zum Inhalt haben, welche typischerweise einem Gesellschafter zustehen. Im Gegensatz zum Gesellschafter steht der Genussscheininhaber zur Gesellschaft aber in rein schuldrechtlichen Beziehungen. Siehe hierzu Habersack/Mülbert/Schlitt/Berghaus/Bardelmeier, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 14, Rn. 1 f. 283 Gegen eine Anwendbarkeit des SchVG von 1899 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28. April 2006 – 20 W 158/06, WM 2006, S. 828, 828; Klanten, EWiR 2007, S. 251, 252; für eine Anwendbarkeit Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 222; Hirte, ZIP 1991, 1461, 1468. 284 Hiervon geht auch das OLG München, Urteil vom 12. Januar 2012 – 23 U 2737/11, WM 2012, S. 603, 606 f. ohne weitere Begründung aus. Ebenso Lorenz/Pospiech, DB 2009, S. 2419, 2422; Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 20. 285 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 24. 286 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 287 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 288 Kusserow, BB/RdF 2012, S. 4, 7.

I. Räumlicher, sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG

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ckelung auf bestimmte Nennbeträge als Teilstücke einer auf dem Kapitalmarkt zu platzierenden Anleihe erscheinen.289 Maßgeblich ist insoweit das Merkmal, dass es sich um eine größere Anzahl von Schuldverschreibungen handeln muss. Die Gesamtemission lässt sich auf diese Weise von einzeln verbrieften Forderungen nach dem Leitbild der §§ 793 ff. BGB abgrenzen. Die Ausgabe solcher einzelner Stücke soll nämlich gerade keine Gesamtemission darstellen.290 Umgekehrt kommt es jedoch nicht darauf an, in welcher Stückelung die Schuldverschreibungen ausgegeben werden, sodass auch Emissionen im Rahmen sogenannter Private Placements, bei denen regelmäßig nur eine kleine Anzahl von Stücken bei institutionellen Investoren platziert wird, vom Begriff der Gesamtemission erfasst wird.291 c) Ausnahmen vom Anwendungsbereich – Pfandbriefe und Sovereign Bonds Ausgenommen vom Anwendungsbereich des SchVG sind gemäß § 1 Abs. 2 SchVG gedeckte Schuldverschreibungen im Sinne des Pfandbriefgesetzes sowie Schuldverschreibungen, deren Schuldner der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde ist oder für die eine derselben haftet (sog. Sovereign Bonds).292 Auch auf Schuldverschreibungen, für die der Finanzmarktstabilisierungsfond haftet, ist das SchVG nicht anwendbar.293 Entsprechend finden nicht nur die Vorschriften des Abschnitts 2 des SchVG zu Gläubigerbeschlüssen keine Anwendung, sondern es erstreckt sich such der Grundsatz der kollektiven Bindung in § 4 SchVG nicht auf die genannten Schuldtitel.294 Mithin besteht auch kein – zumindest nicht dem § 4 S. 2 SchVG entspringendes – Gleichbehandlungsgebot in Bezug auf die Anleihegläubiger. Als Begründung für die Ausnahme für Pfandbriefe führt der Gesetzgeber das eigenständige Regelungskonzept des Pfandbriefgesetzes und dessen besondere gesetzliche Abwicklungsmechanismen an.295 Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger seien nicht erforderlich, da die Pfandbriefgläubiger nicht von einer Insolvenz der Pfandbriefbank betroffen seien, da die Deckungswerte nicht in die Insolvenzmasse 289

Staudinger/Marburger, BGB, § 808a, Rn. 4; Kusserow, BB/RdF 2012, S. 4, 7. Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1914. 291 Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 168; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 17. 292 Pfandbriefgesetz vom 22. Mai 2005 (BGBl. I S. 1373), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1900). Zu den Möglichkeiten eines Opt-in für Emittenten von Pfandbriefen und Sovereign Bonds vgl. Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 46 ff. 293 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 294 Horn, BKR 2009, S. 446, 448. 295 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 290

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

fielen.296 Die Deckungsmasse würde von einem von der staatlichen Aufsicht bestellten Sachwalter verwaltet. Ein Bedürfnis für die Änderung der Anleihebedingungen eines Pfandbriefs bestünde deshalb während dessen Laufzeit nicht.297 Das gleiche gelte für Anleihen der öffentlichen Hand bzw. für Anleihen, für die die öffentliche Hand haftet. Hier ergebe sich das mangelnde Bedürfnis zur Restrukturierung dieser Schuldverschreibungen aus der nicht vorhandenen Insolvenzfähigkeit des Schuldners.298 Dass diese Begründung angesichts der jüngeren Verwerfungen im Zusammenhang mit griechischen Staatsanleihen nicht länger tragfähig ist, hat auch der Gesetzgeber erkannt. In diesem Zusammenhang wurden §§ 4a ff. BSchuWG299 eingeführt, die vorsehen, dass vom Bund begebene Schuldverschreibungen nun Umschuldungsklauseln vorsehen können. Eine dem § 4 SchVG vergleichbare Regelung enthält das BSchuWG allerdings nicht.300 3. Zeitlicher Anwendungsbereich des SchVG In zeitlicher Hinsicht gilt das SchVG für Emissionen ab dem Tag seines Inkrafttretens am 5. August 2009; allerdings können die Gläubiger zuvor ausgegebener Schuldverschreibungen nach Maßgabe des § 24 Abs. 2 SchVG durch Beschluss mit qualifizierter Mehrheit i.S.d. § 5 Abs. 4 S. 2 SchVG sowie der Zustimmung des Schuldners über eine Änderung der Anleihebedingungen den Anwendungsbereich des SchVG eröffnen (sog. Opt-in).301

296 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 297 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 298 Begründung Regierungsentwurf zu § 1 (Anwendungsbereich), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 299 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes vom 12. 7. 2006 (BGBl. I, S. 1466), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. September 2012 (BGBl. I S. 1914). 300 Vgl. hierzu Nodoushani, WM 2012, S. 1798, 1803 der davon ausgeht, dass der Grundsatz der kollektiven Bindung bei der Restrukturierung von Staatsanleihen aufgrund seiner fundamentalen Bedeutung gleichwohl zu beachten sei. 301 BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – II ZR 381/13, ZIP 2014, S. 1876, 1876; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1914; Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 28; Baums/Schmidtbleicher, ILF, Working Paper Series No. 131, S. 26; Keller, BKR 2012, S. 15, 18; Meier/Schauenburg, CFL 2012, S. 161, 166; Paulus, WM 2012, S. 1109, 1112; Lürken, GWR 2012, S. 227, 227; Friedl, BB 2012, S. 1305, 1309; grundlegend zu Opt-in Beschlüssen gemäß § 24 Abs. 2 SchVG Kusserow, WM 2011, S. 1, 1 ff.; a.A. noch OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2012, ZIP 2012, 725, 725; LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3-05 O 60/11, ZIP 2011, die jeweils zu dem Ergebnis kamen, dass ein solcher Opt-in nur dann denkbar ist, wenn für den Emittenten auch schon das SchVG von 1899 Anwendung gefunden hätte. Insbesondere für Anleihen die durch ausländische Finanzierungstöchter begeben wurden, sei deshalb eine nachträgliche Eröffnung des Anwendungsbereichs des SchVG nicht möglich.

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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II. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Der Anwendungsbereich des SchVG ist eröffnet für nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen. Erfasst sind sämtliche Typen von verbrieften, fungiblen Schuldverschreibungen, insbesondere auch Genussscheine; nicht hingegen Namensschuldverschreibungen, da diese nicht zwingend inhaltsgleich und somit auch nicht beliebig austauschbar sind. Ferner sind kraft ausdrücklicher Anordnung Pfandbriefe sowie Schuldverschreibungen, deren Schuldner die öffentliche Hand ist oder für die die öffentliche Hand haftet, vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Die Wahl deutschen Rechts steht nun auch ausländischen Schuldnern offen. Unterliegen die Anleihebedingungen im Wesentlichen deutschem Recht, so hindert eine Teilrechtswahl ausländischen Rechts die Anwendbarkeit des SchVG nicht. In zeitlicher Hinsicht gilt das SchVG für nach dem 5. August 2009 begebene Schuldverschreibungen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SchVG erfüllt sind.

III. Die Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage der kollektiven Bindung An anderer Stelle wurde bereits dargestellt, dass der Grundsatz der kollektiven Bindung gleichermaßen bewirkt und voraussetzt, dass Anleihebedingungen für Gläubiger von Schuldverschreibungen aus einer Gesamtemission identisch ausgestaltet sind.302 § 4 SchVG normiert dementsprechend, dass Bestimmungen in Anleihebedingungen […] während der Laufzeit der Anleihe nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2 des Gesetzes geändert werden

können. Die Möglichkeiten der rechtsgeschäftlichen Änderung von Anleihebedingungen werden beschränkt, um die kollektive Bindung zu gewährleisten. Das SchVG sieht als rechtstechnische Wege zur Änderung von Anleihebedingungen einen gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder einen Mehrheitsentscheid der Gläubiger im Verfahren nach Abschnitt 2 vor.303 Diese Änderungsmöglichkeiten gelten für nachträgliche rechtsgeschäftliche Anpassungen von Anleihebedingungen aufgrund nicht vorhergesehener Umstände.304 Abweichend zu beurteilen ist die Änderung von Anleihebedingungen durch gerichtliche Entscheidung (siehe hierzu die Darstellung unter F.III.) sowie aufgrund optional angelegter Elemente (siehe hierzu die Ausführungen unter F.I.4.). 302 303 304

Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 9. Simon, CFL 2010, S. 159, 160. Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2600.

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

1. Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern § 4 S. 1 SchVG erkennt die Änderung von Anleihebedingungen durch inhaltsgleichen Vertrag mit allen Gläubigern ausdrücklich an.305 Weder das SchVG von 1899306 noch der Referentenentwurf zum SchVG sahen eine vergleichbare Regelung vor.307 Mit der Aufnahme dieser Änderungsoption in § 4 SchVG ist der Gesetzgeber dem Verlangen des Schrifttums und einiger Interessenverbände nachgekommen, die diesbezüglich konsequenterweise Klarstellung verlangt haben.308 Die Möglichkeit einzuführen, die Anleihebedingungen durch inhaltsgleiche Individualvereinbarungen zu ändern, ist folgerichtig und steht im Einklang mit dem Grundsatz der kollektiven Bindung. Denn das Erfordernis inhaltsgleicher Verträge sichert die Fungibilität und Verkehrsfähigkeit der Schuldverschreibungen.309 Einzuräumen ist allerdings, dass auch ohne eine ausdrückliche Nennung dieser Alternative eine teleologische Auslegung des § 4 SchVG ergeben hätte, dass eine Anpassung der Anleihebedingungen durch gleichlautende Individualvereinbarungen möglich wäre. Zum einen ist hierdurch die kollektive Bindung nicht gefährdet, da die identische Ausgestaltung der Anleihe gesichert ist.310 Zum anderen haben Anleihebedingungen Vertragscharakter, sodass schon nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre Änderungen durch bilaterale Vereinbarungen gemäß § 311 BGB möglich sind.311 Gleichwohl ist die ausdrückliche Klarstellung der Änderungsmöglichkeit durch gleichlautenden Vertrag zu begrüßen. Von Vorteil ist die Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag insbesondere im Zusammenhang mit Privatplatzierungen, die regelmäßig nur von einem überschaubaren Investorenkreis gehalten werden. In diesen Fällen ist die Durchführung einer kosten- und zeitintensiven Gläubigerversammlung nicht erforderlich, da eine Änderung der Anleihebedingungen nach dem Konsensprinzip ohne weiteres möglich ist.312

305 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 17. 306 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 27. 307 Vgl. § 3 Abs. 1 des Referentenentwurfs, wonach Bestimmungen in Anleihebedingungen „während der Laufzeit der Anleihe durch Rechtsgeschäft nur nach Abschnitt 2 dieses Gesetzes geändert werden“ können. 308 Hopt, FS Schwark, S. 441, 444; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 17; Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom August 2008, S. 10. 309 Horn, BKR 2009, S. 446, 448. 310 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 17. 311 Bliesener, FS Hopt, S. 355, 362; Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 606. 312 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 27.

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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Während sich der Gesetzgeber im Hinblick auf eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss dafür entschieden hat, dass dies nur möglich sein soll, wenn der Emittent es auch in den Anleihebedingungen vorgesehen hat, sind Änderungsvereinbarungen mit Zustimmung aller Gläubiger stets möglich.313 Erforderlich ist neben der Zustimmung aller Gläubiger selbstverständlich auch die des Schuldners, obgleich das Gesetz letztere nicht ausdrücklich nennt.314 Dies folgt bereits aus der allgemeinen Vertragslehre, wonach ein Änderungsvertrag stets übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien voraussetzt.315 Der Verzicht des Gesetzgebers dieses Erfordernis ausdrücklich zu nennen, lässt sich wohl damit erklären, dass § 4 S. 1 SchVG ausschließlich das Zustimmungsverfahren der Gläubiger regeln soll.316 Im Unterschied zur Änderung der Anleihebedingungen durch Gläubigerbeschluss ist bei einer Änderung durch gleichlautenden Vertrag der Kreis der abänderbaren Bedingungen nicht eingeschränkt, sodass es insbesondere auch möglich ist, Leistungspflichten der Gläubiger zu begründen.317 Wenn alle Gläubiger einer solchen Anpassung zugestimmt haben, bedarf es keines Schutzes der überstimmten Minderheit. 2. Die Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss – das Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG Neben der Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern sieht § 4 S. 1 SchVG vor, dass die Anleihebedingungen auch durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger unter Beachtung des in Abschnitt 2 niedergelegten Verfahrens geändert werden können. Werden Anleihebedingungen im Verfahren nach Abschnitt 2 des SchVG geändert, sind dissentierende Gläubiger gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 SchVG an die Entscheidung der Mehrheit gebunden.318 Dies ermöglicht die Anpassung der Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe zur Sanierung des Emittenten oder aus anderen Gründen.319 Ohne das in Abschnitt 2 SchVG statuierte Verfahren wäre stets 313 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 27; Grieser/Heemann/Heldt, Bankaufsichtsrecht, S. 837 f. 314 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 29. 315 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 7; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 3. 316 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 2. Siehe zum Vorschlag des DAI, das Zustimmungserfordernis des Schuldners zumindest in Bezug auf Änderungen nach Abschnitt 2 ausdrücklich aufzunehmen, Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom August 2008, S. 6. 317 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 39. 318 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 31. 319 Der Gesetzgeber führt in diesem Zusammenhang beispielhaft den Austausch von Sicherheiten sowie den Einsatz einer anderen Finanzierungsgesellschaft aus steuerlichen

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

eine einstimmige Entscheidung der Gläubiger erforderlich, was bei sich im Streubesitz befindenden Schuldverschreibungen praktisch ausgeschlossen ist. Die Möglichkeit der Änderung von Anleihebedingungen mittels Mehrheitsbeschlusses bedeutet zugleich eine Einschränkung der Rechte der überstimmten Minderheit.320 Zu Recht knüpft das SchVG deshalb strenge Voraussetzungen an den Ablauf des Beschlussverfahrens und die Wirksamkeit von Gläubigerbeschlüssen. a) Ermächtigungslösung Eine Änderung der Anleihebedingungen im Verfahren nach Abschnitt 2 des Gesetzes ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG nur zulässig, wenn die Anleihebedingungen dies ausdrücklich bestimmen (sog. Opt-in): Die Anleihebedingungen können vorsehen, dass die Gläubiger derselben Anleihe nach Maßgabe dieses Abschnitts durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen […] können.

Ist dies der Fall, so konstituiert Abschnitt 2 ein verbindliches Verfahren für Mehrheitsbeschlüsse.321 Eine Abweichung von den §§ 5 – 21 SchVG ist nur zugunsten der schützenswerten Minderheit der Gläubiger zulässig.322 Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 1 S. 2 SchVG, wonach die Anleihebedingungen zulasten der Gläubiger nur dann von den §§ 5 – 21 SchVG abweichen dürfen, wenn es im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.323 Das Gläubigerorganisationsrecht des SchVG ist also einerseits optionales Organisationsrecht324, andererseits „sekundär zwingendes Recht“.325 Im Gegensatz hierzu sah der Referentenentwurf zum SchVG noch die verbindliche Anwendbarkeit von Mehrheitsbeschlüssen für sämtliche Anleihen vor, die in den Anwendungsbereich des SchVG fallen.326 Die Einführung der Ermächtigungslösung ist eine Reaktion auf kritische Stellungnahmen einiger Verbände während des Gesetzgebungsverfahrens.327 Diese hielten die nachträgliche Änderung der Anleihebedin-

Gründen an, Begründung Regierungsentwurf (Allgemeiner Teil), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 320 Simon, CFL, S. 159, 161. 321 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 479. 322 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2603. 323 Horn, BKR 2009, S. 446, 449. 324 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2603; Horn, BKR 2009, S. 446, 449. 325 Horn, BKR 2009, S. S. 446, 449. 326 Vgl. § 4 Abs. 1 Referentenentwurf, wonach „Gläubiger derselben Anleihe […] nach Maßgabe dieses Abschnitts durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen [können]“. 327 Siehe hierzu die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV), S. 6 f. sowie die Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), S. 9.

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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gungen in einigen Fällen für nicht sachgerecht.328 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Anleihen mit einer sehr kurzen Laufzeit, wie z. B. Commercial Paper, aber auch in Bezug auf Zertifikate, die häufig bereits in den Anleihebedingungen detaillierte Anpassungsmechanismen vorsehen.329 Die aktuelle Regelung genügt damit dem Bedürfnis der Praxis nach einer flexiblen Geltung des Gläubigerorganisationsrechts.330 Treffen die Anleihebedingungen keine Regelung hierzu, ist eine spätere Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss ausgeschlossen.331 Ein nachträglicher Opt-in ist nicht möglich.332 Den Parteien bleibt in diesem Fall nur die Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag. b) Beschlussgegenstände Der Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss werden Grenzen durch den Kreis der abänderbaren Bestimmungen gesetzt. Einerseits findet das Beschlussverfahren der §§ 5 – 21 SchVG nur Anwendung auf solche Bestimmungen, die vom Grundsatz der kollektiven Bindung überhaupt umfasst sind333, andererseits sind die zulässigen Beschlussgegenstände richtigerweise limitiert. Das SchVG von 1899 erlaubte eine Anpassung der Anleihebedingungen nur in engen Grenzen.334 Änderungen waren nur möglich zur Abwehr einer drohenden Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit des Emittenten. Die zulässigen Maßnahmen waren eng umrissen und insbesondere eine Herabsetzung der Hauptforderung nicht

328

Siehe ausführlich zur Zweckmäßigkeit der Ermächtigungslösung auch die Darstellung bei Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 10 ff. 329 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom August 2008, S. 6. Vgl. zur Vereinbarkeit solcher Anpassungsmechanismen mit dem Grundsatz der kollektiven Bindung die Ausführungen unter F.I.4.b). Insbesondere die Forderung in der Stellungnahme des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), S. 9 nach einer Einführung der Ermächtigungslösung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass einseitige Leistungsbestimmungsrechte nicht vom Grundsatz der kollektiven Bindung berührt werden sollten. Gerade im Hinblick auf Zertifikate ging man nämlich davon aus, dass das Änderungsregime des Abschnitts 2 nicht erforderlich sein würde, da Anpassungsmechanismen bereits in den Anleihebedingungen enthalten seien. 330 Begründung Regierungsentwurf zu § 5 (Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 331 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 486. 332 Etwas anderes gilt gemäß § 24 SchVG für Schuldverschreibungen, die vor dem Inkrafttreten des SchVG begeben wurden. Ausführlich zu den Voraussetzungen eines solchen Opt-in siehe Baums/Schmidtbleicher, ILF, Working Paper Series No. 131, S. 1 ff.; Kusserow, WM 2011, S. 1645 ff. 333 Vergleiche hierzu ausführlich F.I.2. 334 Siehe hierzu auch die Darstellung unter B.I.

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

statthaft. Zusätzlich war der Geltungszeitraum der Maßnahmen auf maximal drei Jahre beschränkt.335 Der Katalog der zulässigen Beschlussgegenstände hat durch das neue SchVG grundlegende Änderungen erfahren und ist maßgeblich erweitert worden.336 Eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger ist unter dem SchVG – mit wenigen Ausnahmen (siehe hierzu nachfolgend) – nahezu ohne Einschränkung möglich. Potentielle Änderungsgegenstände sind beispielhaft in § 5 Abs. 3 S. 1 SchVG aufgeführt. Die Aufzählung der Änderungsgegenstände ist nicht abschließend.337 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm („insbesondere“).338 Zum Beispielkatalog zählen die Veränderung der Fälligkeit der Zinsen und der Hauptforderung (Nr. 1 und 2), der Ausschluss von Zinszahlungen (Nr. 1), die Verringerung der Hauptforderung (Nr. 3), die Entscheidung über den Nachrang der Forderung im Insolvenzverfahren (Nr. 4), die Umwandlung oder der Umtausch in Gesellschaftsanteile (Debt-Equity-Swap) (Nr. 5)339, der Austausch und die Freigabe von Sicherheiten (Nr. 6), die Änderung der Nennwährung (Nr. 7), der Verzicht oder die Beschränkung des Kündigungsrechts (Nr. 8) sowie die Schuldnerersetzung (Nr. 9). Dieser umfassende Katalog ermöglicht Anpassungen, deren unmittelbare Folge gegebenenfalls ein tiefgreifender Eingriff in die Gläubigerrechte ist. Aus Sicht des Gesetzgebers ist dieser Eingriff durch den Grundsatz der kollektiven Bindung des § 4 SchVG gerechtfertigt.340 Ferner müssen die einem Mehrheitsbeschluss der Gläubiger zugänglichen Beschlussgegenstände festgelegt werden, sei es bei Begebung der Schuldverschreibungen in den Anleihebedingungen oder durch Aufnahme einer Öffnungsklausel in die Anleihebedingungen, die es den Gläubigern ermöglicht, festzulegen, welche Bestimmungen geändert werden können und welche nicht.341 aa) Verbot der Begründung von Leistungspflichten Die Änderung von Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger ist nicht uneingeschränkt möglich, sondern stößt dort an Grenzen, wo die Gläubigerversammlung Leistungspflichten begründen will. Dies verbietet § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG:

335 Grieser/Heemann/Heldt, Bankaufsichtsrecht, S. 835 f.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 479. 336 Grieser/Heemann/Heldt, Bankaufsichtsrecht, S. 836. 337 Simon, CFL 2010, S. 159, 160; a.A. Schümann-Kleber, IILR 2011, S. 447, 459. 338 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 45 f. 339 Zum Spannungsverhältnis zwischen dem Verbot der Begründung von Leistungspflichten und der ausdrücklichen Möglichkeit der Durchführung eines Debt-Equity-Swap mittels Mehrheitsbeschlusses sowie der Vereinbarkeit eines Debt-Equity-Swap mit dem Grundsatz der kollektiven Bindung siehe E.III.2.b)aa). 340 Horn, BKR 2009, S. 446, 451. 341 Simon, CFL 2010, S. 159, 160.

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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Eine Verpflichtung zur Leistung kann für die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss nicht begründet werden.

Aus diesem Grund ist es nicht möglich, den Gläubigern im Rahmen des Verfahrens nach Abschnitt 2 eine Pflicht zur Bereitstellung weiteren Fremdkapitals aufzuerlegen.342 Dieses Verbot fand sich schon in § 1 Abs. 3 SchVG von 1899 und entspricht dem Grundverständnis von Finanzanlagen.343 Danach haben Gläubiger von Schuldverschreibungen zwar das Risiko des Kapitalverlusts zu tragen, darüber hinausgehende Nachschusspflichten bestehen aber nicht.344 Diese strikte Trennung von Fremdkapitalgebern und Aktionären wird teilweise aufgeweicht durch die ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Durchführung eines Debt-Equity-Swap.345 Gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 SchVG können die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss nämlich der Umwandlung oder dem Umtausch in Geschäftsanteile zustimmen. Diese Befugnis ist vor dem Hintergrund des Verbotes der Begründung von Leistungspflichten problematisch, da ein Umtausch in Aktien einen Differenzhaftungsanspruch zulasten der Gläubiger auslösen kann, der eine Nachschusspflicht derselben nach sich zieht.346 Dieses Spannungsfeld kann aufgelöst werden, indem § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG dergestalt ausgelegt wird, dass das Verbot nur einseitig finanzielle Verpflichtungen erfasst. Sofern der Gläubiger eine adäquate wirtschaftliche Gegenleistung erhält, ist § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG nicht einschlägig. Dies ist aber beim Debt-Equity-Swap der Fall, da die Gläubiger im Tausch für ihre Schuldverschreibungen Aktien im entsprechenden Wert erhalten.347 Abschließend sei klargestellt, dass sich das Verbot der Begründung von Leistungspflichten ohnehin allein auf das Änderungsregime durch Mehrheitsbeschluss bezieht. Konsensual sind weitergehende Änderungen der Anleihebedingungen stets zulässig.348 342

Horn, BKR 2009, S. 446, 449. Preuße/Vogel, SchVG, § 5, Rn. 20 befürchtet, dass die Begründung von Leistungspflichten durch Gläubigerbeschluss zu nachteiligen Konsequenzen auf dem Anleihemarkt führen würde. 344 Begründung Regierungsentwurf zu § 5 (Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 345 Grundlegend zum Debt-Equity-Swap Maier-Reimer, FS Goette, S. 299, 299 ff.; Schmidt/Schlitt, Der Konzern, S. 279, 279 ff. sowie zur Durchführung eines Debt-Equity-Swap unter altem Recht Baums, FS Canaris, S. 3, 3 ff. 346 Ein solcher Differenzhaftungsanspruch ergibt sich nach Auffassung des BGH aus § 36a Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 183, 188 Abs. 2 S. 1 AktG und § 9 Abs. 1 AktG analog, siehe hierzu BGH, Urteil vom 6. Dezember 2011 – II ZR 149/10, DNotZ 2012, S. 623, 626. Ebenfalls auf diese im Ansatz widersprüchliche Regelung hinweisend Preuße/Vogel, SchVG, § 5, Rn. 22. 347 Grundsätzlich kritisch zur Begründung einer Gesellschafterstellung dissentierender Gläubiger Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 43 ff. Danach sei es unangebracht die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zugunsten der einheitlichen Durchführung eines Debt-Equity-Swap zu instrumentalisieren. 348 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2605. 343

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

bb) Exkurs: Die Grenzen der Wirksamkeit von Gläubigerbeschlüssen § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG sieht vor, dass ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, der nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, unwirksam ist. Die Begründung zum Regierungsentwurf führt hierzu aus, dass Beschlüsse der Gläubiger verbindlich seien, soweit sie nicht nichtig oder erfolgreich mit der Klage angefochten sind. Ein Beschluss sei unwirksam und nichtig, wenn er nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht.349 Damit stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge eines Gläubigerbeschlusses, der gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt, sowie nach der statthaften Klageart. Den Meinungsstand hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG abschließend zu klären, würde den Rahmen der hier vorliegenden Arbeit sprengen. Es werden deshalb im Folgenden lediglich die Voraussetzungen des Instituts der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage erläutert, bevor anschließend beleuchtet wird, ob diese auch das statthafte Rechtsmittel ist um einen Beschluss anzugreifen, der das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG verletzt. Hierzu eine abschließende und umfassende Lösung anzubieten, ist indes nicht Gegenstand der Arbeit. Vielmehr sollen in diesem Exkurs lediglich der Vollständigkeit halber die Grenzen der Wirksamkeit von Gläubigerbeschlüssen kurz dargestellt werden um die Voraussetzungen der kollektiven Bindung umfassend darzustellen. (1) Nichtigerklärung eines Gläubigerbeschlusses durch Gestaltungsurteil als Ergebnis einer erfolgreichen Anfechtungsklage § 20 Abs. 1 S. 1 SchVG stellt als Rechtsmittel gegen rechtswidrige Beschlüsse der Gläubiger die Anfechtungsklage zur Verfügung. Es handelt sich um eine dem SchVG eigene Klageart, vergleichbar mit der Anfechtungsklage nach § 246 AktG. § 20 Abs. 1 S. 1 SchVG lautet: Ein Beschluss der Gläubiger kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen durch Klage angefochten werden.

Sofern ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG gleichbedeutend ist mit einer Verletzung des Gesetzes, wäre statthaftes Rechtsmittel hiergegen die Anfechtungsklage.350 Die Legitimation des Anfechtungsrechts liegt in der Einschränkung der Vertragsmacht des einzelnen Gläubigers durch den Grundsatz der kollektiven Bindung

349

Begründung Regierungsentwurf zu § 5 (Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 350 Zu den mit der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage verbundenen Problemen vgl. Paulus, BB 2012, S. 1556, 1556 ff.

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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sowie im grundgesetzlichen Eigentumsschutz.351 Hierdurch erhält jeder Gläubiger die Möglichkeit – die Anfechtungsbefugnis des § 20 Abs. 2 SchVG vorausgesetzt – rechtswidrige Beschlüsse zur gerichtlichen Kontrolle vorzulegen. Die Klage ist gemäß § 20 Abs. 3 SchVG binnen Monatsfrist nach Bekanntmachung des Beschlusses zu erheben und gegen den Schuldner zu richten.352 Der Vollzug des Beschlusses ist gemäß § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG ab Klageerhebung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts suspendiert. Da in Sanierungssituationen häufig zügiges Handeln erforderlich ist, kann der Schuldner im Freigabeverfahren gemäß § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG i.V.m. § 246a AktG allerdings die Freigabe der Vollziehung des Beschlusses erzwingen. Hinsichtlich der Wirkungen eines stattgebenden Urteils enthält das Gesetz keine Vorschriften.353 Inzwischen darf aber als geklärt gelten, dass das Gericht in entsprechender Anwendung des § 248 AktG den Beschluss der Gläubiger durch Gestaltungsurteil für nichtig erklärt.354 Für eine Anlehnung der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage an die aktienrechtliche Anfechtungsklage spricht insbesondere, dass sich das SchVG an zahlreichen anderen Stellen ausdrücklich durch Verweis der Verfahrensvorschriften des AktG bedient.355 Fundamentale Unterschiede zwischen der aktienrechtlichen Anfechtungsklage und der Anfechtungsklage unter dem SchVG, die eine unterschiedliche Rechtsfolge rechtfertigen würden, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Auch erscheint die Nichtigerklärung des Gläubigerbeschlusses praktisch alternativlos, wenn die Anfechtungsklage effektiven Rechtsschutz garantieren und ein wirksamer Gläubigerschutz gewährleistet sein soll. Insbesondere hat der Gesetzgeber die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit und eine Verpflichtung zum Schadensersatz – entsprechend dem Prinzip „dulde und liquidiere“ – abgelehnt. Entsprechenden Vorschlägen während des Gesetzgebungsverfahrens356 ist er nicht gefolgt.357 351 Begründung Regierungsentwurf zu § 20 (Anfechtung von Beschlüssen), BT-Drs. 16/ 12814 vom 29. 4. 2009. 352 Baums, ILF, Working Paper Series No. 90, S. 5. 353 Maier-Reimer, NJW 2010, S. 1317, 1321. 354 Statt vieler: Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl, SchVG, § 20, Rn. 78. Für eine Wirkung lediglich inter partes Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 228. 355 Vergleiche hierzu nur § 20 Abs. 3 S. 3, 4; Begründung Regierungsentwurf zu § 20 (Anfechtung von Beschlüssen), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Siehe außerdem Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 3 ff., die die Übertragung der Rechtsschutzmechanismen des Aktienrechts in das Schuldrecht für konzeptionell verfehlt halten. 356 Ein solcher Vorschlag geht zurück auf Baums, ILF, Working Paper Series No. 90, S. 6. 357 Dies erkennt auch Schneider, ILF Working Paper Series No. 130, S. 20 ff. an, der sich aber dafür einsetzt, dass das Anfechtungsrecht ersetzt wird durch einen verschuldensunabhängigen Anspruch des dissentierenden Gläubigers gegenüber dem Schuldner. Dieser Anspruch soll auf Ersatz der eingetretenen Wertminderung der Schuldverschreibung gerichtet sein. Differenzierter zu einem derartigen Wertersatzanspruch des überstimmten Gläubigers Vogel, ILF Working Paper Series No. 137, S. 5 f.

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

Die Konsequenz hieraus ist folgende: Ein Gläubigerbeschluss, der lediglich anfechtbar ist, aber noch nicht für nichtig erklärt wurde, ist wirksam und damit bindend.358 Dies ergibt sich aus der Fristgebundenheit der Anfechtungsklage. Wäre ein Beschluss zunächst unwirksam und erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist wirksam, so bedürfte es einer besonderen Heilungsvorschrift, um die Wirksamkeit nach Fristablauf herbeizuführen.359 Ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung ist allerdings die Vollziehung des Beschlusses gehemmt (§ 20 Abs. 3 S. 4 SchVG).360 (2) Abgrenzung nichtiger Gläubigerbeschlüsse von anfechtbaren Gläubigerbeschlüssen Ein Anfechtungsgrund liegt wie erwähnt vor, wenn eine Beschlussfassung das SchVG verletzt. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG ist prima facie auch eine Verletzung des Gesetzes i.S.d. § 20 Abs. 1 SchVG. Die Folge wäre, dass gegen Gläubigerbeschlüsse, die nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsehen, mit der Anfechtungsklage vorgegangen werden könnte. Hiergegen spricht jedoch, dass die Begründung zum Regierungsentwurf ausführt, dass Gläubigerbeschlüsse verbindlich seien, soweit sie nicht nichtig seien oder erfolgreich mit der Klage angefochten wurden. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG führe dazu, dass der Beschluss unwirksam und nichtig sei.361 Diese Ausführungen legen wiederum nahe, dass Rechtsmittel gegen einen nichtigen Beschluss nicht die Anfechtungsklage sein kann. Die Rechtsfolge eines unwirksamen und nichtigen Beschlusses wäre die Nichtigkeit ipso iure, wobei Nichtigkeit im Aktienrecht wie im allgemeinen Zivilrecht das Ausbleiben der gewollten Rechtswirkungen wegen der Gesetzeswidrigkeit des Rechtsgeschäfts bezeichnet.362 Der Beschluss erzeugt also selbst dann keine Rechtswirkungen, wenn niemand gegen ihn vorgeht. Eine Heilung kommt nicht in Betracht. Dies entspricht dem Konzept eines anfechtbaren Beschlusses, der von Beginn an Rechtswirkungen entfaltet und erst durch stattgebendes Urteil nichtig wird. Gegen einen von Beginn an nichtigen Beschluss mit der Anfechtungsklage vorzugehen, wäre widersinnig. Dementsprechend unterscheidet auch das AktG einerseits zwischen unwirksamen Beschlüssen, die gleichwohl Rechtswirkungen erzeugen, und andererseits nichtigen Beschlüssen, die keinerlei Rechtswirkungen erzeugen. Gegen erstere kann mit der Anfechtungsklage gemäß §§ 246, 248 AktG vorgegangen werden, letztere können 358

Maier-Reimer, NJW 2010, S. 1317, 1321. Maier-Reimer, NJW 2010, S. 1317, 1321. 360 Verannemann/Gärtner, SchVG, § 20, Rn. 15; a.A. Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/ Schmidtbleicher, SchVG, § 20, Rn. 73, die für eine Vollzugssperre bereits ab Erhebung des Widerspruchs plädieren. 361 Begründung Regierungsentwurf zu § 5 (Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 362 MünchKommAktG/Hüffer, § 241, Rn. 14. 359

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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hingegen nur Gegenstand einer gemäß § 249 AktG zu erhebenden Nichtigkeitsklage sein. Da die Anfechtungsklage – anders als die Nichtigkeitsklage – fristgebunden ist, ist aus Gründen der Rechtsklarheit eine abschließende Aufzählung der Nichtigkeitsgründe in § 241 AktG vorgenommen worden (numerus clausus). Diesen ist gemein, dass die Nichtigkeit die Ausnahmefolge eines Beschlussmangels ist, die nur bei besonders evidenten oder bei inhaltlich schwerwiegenden Rechtsverstößen eintritt.363 Eine derartige ausdrückliche Entscheidung zwischen unwirksamen und nichtigen Beschlüssen trifft das SchVG nicht. Dennoch darf davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber genau diese Unterscheidung treffen wollte.364 Hierfür sprechen insbesondere die Ausführungen der Begründung zum Regierungsentwurf, die eben diese Differenzierung zwischen ipso iure nichtigen Beschlüssen und solchen, die mit der Anfechtungsklage angefochten wurden, vornimmt. Hinzu kommt, dass es wohl Beschlussfehler geben muss, die so schwerwiegend sind, dass sie nur die Nichtigkeit zur Folge haben können.365 Die Frage, ob ein Gesetzesverstoß zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit führt, hängt jedenfalls im Aktienrecht ausschließlich von der Entscheidung des Gesetzes ab, das nach dem Gewicht der Rechtsverletzung differenziert.366 Erkennt man die Existenz nichtiger Gläubigerbeschlüsse an, stellt sich das Problem, dass die Nichtigkeitsklage nicht als Rechtsbehelf im SchVG vorgesehen ist. Teilweise wird daraus abgeleitet, dass zwar die Unterscheidung zwischen unwirksamen und nichtigen Beschlüssen – vergleichbar dem AktG – anzuerkennen sei, gegen beide Beschlussmängel jedoch stets die Anfechtungsklage statthaft sei.367 Aus den bereits genannten Gründen ist die Anfechtungsklage für das Vorgehen gegen nichtige Beschlüsse jedoch nicht der passende Rechtsbehelf. Auch eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Nichtigkeitsklage gemäß § 249 AktG scheidet aus. Für eine Analogie fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Es ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber zwar die Anfech363

MünchKommAktG/Hüffer, § 241, Rn. 6. Ebenso BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – II ZR 381/13, ZIP 2014, S. 1876, 1876, ohne allerdings auf die Frage einzugehen, welches die statthafte Klageart für das Vorgehen gegen nichtige Beschlüsse ist und ob die Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG entsprechend anzuwenden sind oder die Nichtigkeit in Anlehnung an diese Vorschrift zu bestimmen ist. Verannemann, DB 2014, S. 2395, 2396 kritisiert insoweit, dass der BGH diese für die Praxis ebenfalls wichtige Frage offen gelasssen hat. 365 So wohl im Ergebnis auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 17, die davon ausgehen, dass offensichtliche Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG auch die Nichtigkeit eines Beschlusses begründen können. Wann ein solcher Verstoß offenkundig ist, bleibt indes offen. 366 MünchKommAktG/Hüffer, § 241, Rn. 15. 367 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 10. 364

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

tungsklage in § 20 SchVG dem Aktienrecht nachgebildet hat, an die Aufnahme der Nichtigkeitsklage aber schlichtweg nicht gedacht haben könnte. Wahrscheinlicher ist, dass der Gesetzgeber das Erfordernis gegen nichtige Beschlüsse vorzugehen, als gering eingestuft hat und dieser Sachverhalt deshalb im SchVG nicht geregelt wurde.368 Eine derartige Fehleinschätzung des Gesetzgebers führt allerdings nicht zu einer planwidrigen Regelungslücke. Richtigerweise sind nichtige Beschlüsse mit der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO anzugreifen. Dem wird vereinzelt entgegengehalten, dass die Zulassung der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO ohne die gleichzeitige Kodifizierung entsprechender Nichtigkeitsgründe zu ganz erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde.369 Zwar mag eine Kodifizierung der Nichtigkeitsgründe – über den § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG hinaus – durchaus sinnvoll erscheinen. Bis zu einem entsprechenden Tätigwerden des Gesetzgebers muss die Abgrenzung von nichtigen zu anfechtbaren Beschlüssen aber der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen werden. Würde der Rechtsbehelf der Feststellungsklage nämlich nicht anerkannt, würden auf diese Weise die Unterschiede zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen nivelliert. Da aber anerkannt ist, dass es auch bei Gläubigerbeschlüssen unter dem SchVG Beschlussmängel gibt, die so schwerwiegend sind, dass einzig ihre Nichtigkeit als Rechtsfolge in Betracht kommt370, muss ein adäquater Rechtsbehelf zur Feststellung derselben zur Verfügung stehen.371 Darüberhinaus war die Feststellungsklage bereits als Rechtsbehelf unter dem SchVG von 1899 anerkannt.372 Es ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber über die Statuierung von Voraussetzungen für die Anfechtungsklage hinaus die Rechtsschutzmöglichkeiten unter dem SchVG weiter einschränken wollte. Denn unter dem SchVG von 1899 hatte jeder Beteiligte das Recht, durch Leistungsklage oder Erhebung der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit eines gegen das Gesetz verstoßenden Beschlusses geltend zu machen.373 Gegen die Feststellung der Nichtigkeit von Gläubigerbeschlüssen mithilfe der Feststellungsklage spricht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage. Im Unterschied zum GmbH-Recht, das bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 249 AktG sowie der entsprechenden aktienrechtlichen Nichtigkeitsgründe erlaubt374, steht im 368

Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl, SchVG, § 20, Rn. 101. Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kap. 15, § 20, Rn. 2. 370 Cagalj, Restrukturierung von Anleihen, S. 327; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl, SchVG, § 20, Rn. 15; Baums, ZBB 2009, S. 1, 4; a.A. Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kap. 15, § 20, Rn. 2. 371 Vogel, ZBB 2010, S. 211, 217. 372 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl, SchVG, § 20, Rn. 1. 373 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl, SchVG, § 20, Rn. 1. 374 OLG Koblenz, Urteil vom 17. November 2005 – 6 U 577/05, NZG 2006, S. 270, 271. 369

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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Schuldverschreibungsrecht eine speziellere Klageart für das Vorgehen gegen nichtige Gläubigerbeschlüsse nicht zur Verfügung. (3) Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Ein Gläubigerbeschluss, der gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG verstößt, ist nichtig. Allerdings steht de lege lata kein spezialgesetzlicher Rechtsbehelf zur Verfügung um die Nichtigkeit derartiger Beschlüsse gerichtlich feststellen zu lassen. Aus diesem Grund ist de lege lata auf die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO zurückzugreifen um die Nichtigkeit von Gläubigerbeschlüssen geltend zu machen. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre es indes wünschenswert, wenn der Gesetzgeber einen Nichtigkeitskatalog kodifizieren würde. c) Mehrheitserfordernisse, Stimmrechtsausübung und Stimmrechtsbindung Die wirksame Beschlussfassung bedarf im Regelfall einer einfachen Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmrechte (§ 5 Abs. 4 S. 1 SchVG). Eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 75 Prozent der teilnehmenden Stimmrechte ist erforderlich, soweit es sich um eine Änderung des wesentlichen Inhalts der Anleihebedingungen handelt (§ 5 Abs. 4 S. 2 SchVG).375 Diese Beschlussmehrheiten sind auch nach dem in internationalen Anleihen häufig maßgeblichen Recht von New York und England üblich.376 Eine Abweichung von diesen Quoren in den Anleihebedingungen ist zulässig, soweit in diesen eine höhere Mehrheit für einzelne oder alle Maßnahmen vorgesehen wird.377 Um eine Änderung des wesentlichen Inhalts der Anleihebedingungen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordert, handelt es sich jedenfalls dann, wenn die in § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis 9 SchVG genannten Beschlussgegenstände betroffen sind.378 Wann darüber hinaus Beschlüsse den wesentlichen Inhalt der Anleihebedingungen berühren, ist Auslegungsfrage und stellt den Versammlungs- bzw. Abstim375 Strittig ist, ob die qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte eine Quote von mindestens 75 Prozent oder mehr als 75 Prozent bedeutet. Während der Gesetzestext die qualifizierte Mehrheit als „mindestens 75 Prozent der teilnehmenden Stimmrechte“ legal definiert, geht die Gesetzesbegründung offenbar davon aus, dass eine qualifizierte Mehrheit nur dann erreicht ist, wenn mehr als 75 Prozent der abgegebenen Stimmen auf den zur Abstimmung gestellten Vorschlag entfallen. Vgl. hierzu auch Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2606. 376 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2606; ebenso Balz, ZBB 2009, S. 401, 411 in Bezug auf Beschlussmehrheiten in der High Yield Bond Praxis. Siehe auch Burn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 238 f. zu Beschlussmehrheiten unter englischem Recht sowie Kenadjian, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 253 f. zu Beschlussmehrheiten unter US-Recht gemäß dem Trust Indenture Act of 1939. 377 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 482. 378 Horn, BKR 2009, S. 446, 451.

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

mungsleiter bei jeder Beschlussfassung vor die Frage, ob es sich im konkreten Fall um eine Änderung des wesentlichen Inhalts der Anleihebedingungen handelt.379 Insbesondere im Hinblick auf Nebenbestimmungen ist nicht nur umstritten, welche Bedingungen als Nebenbestimmungen zu qualifizieren sind, sondern auch, ob Nebenbestimmungen grundsätzlich mit einfacher Mehrheit geändert werden können oder ob es Nebenbestimmungen gibt, die ihrerseits das Wesentlichkeitskriterium erfüllen.380 Das Gewicht des Stimmrechts bemisst sich nach dem Nennwert der Schuldverschreibungen (§ 6 SchVG). Es ist zu Recht nicht automatisch an die Inhaberschaft oder die wirtschaftliche Berechtigung im Hinblick auf die Schuldverschreibung geknüpft. Steht das Stimmrecht dem Schuldner oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen zu, so ruht dieses.381 Das gleiche gilt, wenn das Stimmrecht für Rechnung des Schuldners oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens gehalten wird.382 Im Falle einer Weiterveräußerung an Dritte lebt das Stimmrecht dementsprechend wieder auf.383 Bei Ausübung ihres Stimmrechts unterliegen die Gläubiger keiner treuhänderischen Bindung, wie dies noch nach dem SchVG von 1899 der Fall war.384 Zur Wirksamkeit eines Beschlusses war es gemäß § 1 Abs. 1 des SchVG von 1899 erforderlich, dass die Gläubiger Beschlüsse „zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen“ fassten.385 Teilweise wird vertreten, dass eine derartige Stimmrechtsbindung auch ohne ausdrückliche Normierung unter dem neuen SchVG fortgelte.386 Die Stimmabgabe bzw. die Beschlussfassung als Ganzes sei an den Maßstäben der

379

Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 85. Befürwortend, dass Nebenbestimmungen stets mit einfacher Mehrheit geändert werden können wohl Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2606; Preuße/Vogel, SchVG, § 5, Rn. 52. Ablehnend hingegen und für eine Prüfung im Einzelfall Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 86; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 58. 381 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2606. 382 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2606. 383 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2606. 384 Ebenso auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 19; Verannemann/Verannemann, SchVG, § 5, Rn. 13; Simon, CFL 2010, S. 159, 161. Wohl ebenfalls für eine restriktive Handhabung Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1918. Unklar hingegen Heldt, FS Teubner, S. 315, 318 mit dem einzigen Hinweis, dass zumindest die Beschlussfassung nicht ausdrücklich an die Wahrung der gemeinsamen Interessen gebunden ist. 385 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 479; vgl. hierzu allerdings Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 226, wonach diesem Kriterium bereits unter dem SchVG von 1899 keine eigenständige Bedeutung zukam, da es lediglich subjektiver Natur gewesen sei und die Vorschrift des § 1 Abs. 1 SchVG von 1899 keine materielle Inhaltskontrolle nach sich gezogen habe. 386 Horn, ZHR (173) 2009, S. 12, 62; Baums, ILF, Working Paper Series No. 90, S. 12; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 29. 380

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu messen, um willkürliche Beschlussfassungen zu vermeiden.387 Dem ist nicht zuzustimmen. Die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit des einzelnen Gläubigers wahren §§ 6 Abs. 2, 3 i.V.m. 23 Abs. 1 Nr. 5, 6 SchVG, indem die Annahme oder die Gewährung von Vorteilen als Gegenleistung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten mit einem Bußgeld belegt wird.388 Inhaltliche Grenzen erfährt jede Beschlussfassung darüber hinaus durch das Verbot der Begründung von Leistungspflichten gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG sowie durch das Gleichbehandlungsgebot des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG.389 Über das Verbot der unzulässigen Einflussnahme hinaus sind richtigerweise keine zusätzlichen materiellen Anforderungen an das Abstimmungsverhalten zu stellen. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung, wonach Gläubiger in ihrem Abstimmungsverhalten weitgehend frei sind, und wird noch unterstrichen durch die Entscheidung des Gesetzgebers, die unter dem SchVG von 1899 enthaltenen Einschränkungen der Entscheidungskompetenz der Gläubiger aufzuheben.390 Der Wille des Gesetzgebers, die Wahl deutschen Rechts in Anleihebedingungen hierdurch attraktiver zu gestalten, würde konterkariert, wenn durch die Hintertür zusätzliche Beschlussanforderungen eingeführt würden. Derartige Anforderungen würden zudem die Rechtsunsicherheit maßgeblich erhöhen. Schließlich trägt auch ein Vergleich der Anforderungen an das Abstimmungsverhalten der Aktionäre mit den Anforderungen, die an das Beschlussverhalten der Schuldverschreibungsgläubiger gestellt werden, nicht. Im Aktienrecht ist es allgemein anerkannt, dass Mehrheitsbeschlüsse der Aktionäre sich am Maßstab der Verfolgung eines gemeinsamen Interesses messen lassen müssen und auf ihre Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßgikeit zu prüfen sind.391 Eine derartige materielle Beschlusskontrolle ist mit der mitgliedschaftlichen (horizontalen) Treuepflicht der Aktionäre zu begründen und der dem Maß der Verantwortung folgenden Einwirkungskontrolle.392 Im Unterschied zu Aktionären sind Schuldverschreibungsgläubiger allerdings nicht durch die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks miteinander verbunden, der die Annahme einer treuhänderischen Bindung bei der Beschlussfassung rechtfertigen würde (siehe hierzu ausführlich aa)). Ein Verweis auf die materielle Beschlusskontrolle des Aktienrechts geht daher fehl.

387

Baums, ILF, Working Paper Series No. 90, S. 12. Verannemann/Verannemann, SchVG, § 6, Rn. 8. 389 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 20. 390 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 20, Rn. 20; Begründung Regierungsentwurf (Allgemeiner Teil), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 391 Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186, Rn. 43; Cagalj, Restrukturierung von Anleihen, S. 345. 392 MünchKomm/Hüffer, AktG, § 243, Rn. 51, 53. 388

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

Abschließend ist festzuhalten, dass die Grundentscheidung des SchVG, dass Mehrheitsentscheidungen zum Tragen kommen sollen, in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgebot auch der überstimmten Minderheit reflexiven Schutz bietet, da stets die gleichen Bedingungen auch für die beschließende Mehrheit gelten.393 Anders gesagt: Das qualifizierte Mehrheitserfordernis trägt seine Rechtfertigung bereits in sich.394 d) Beschlussverfahren Das gesetzlich vorgesehene Beschlussverfahren kann gemäß § 5 Abs. 6 SchVG im Wege einer physischen Gläubigerversammlung oder durch Abstimmung ohne Versammlung durchgeführt werden. Der Emittent kann, ohne jedoch dazu verpflichtet zu sein, sich in den Anleihebedingungen auf ein zulässiges Verfahren festlegen.395 Die Kosten des Beschlussverfahrens hat gemäß § 9 Abs. 4 SchVG bzw. gemäß § 18 Abs. 6 SchVG in beiden Fällen der Schuldner zu tragen. aa) Gläubigerversammlung Die Durchführung der physischen Gläubigerversammlung ist ausführlich in §§ 9 ff. SchVG geregelt. Der Ablauf soll hier nicht in seinen Einzelheiten dargestellt werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass eine strukturelle Nähe der Gläubigerversammlung zur Hauptversammlung der Aktiengesellschaft besteht und zahlreiche Verfahrensregeln dem AktG entnommen wurden.396 Im Regelfall beruft der Emittent die Gläubigerversammlung ein.397 Hierzu ist der Emittent gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 SchVG verpflichtet, wenn Gläubiger, die wenigstens 5 Prozent des Anleihevolumens halten, die Einberufung mit der Begründung verlangen, sie hätten ein besonderes Interesse hieran. Das Einberufungsrecht der qualifizierten Minderheit kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Emittent selbst kein eigenes Interesse an der Durchführung einer Gläubigerversammlung hat.398 Beispielhaft nennt das Gesetz in diesem Zusammenhang die erstmalige Bestellung oder die Abberufung eines gemeinsamen Vertreters. Die Frist zur Einberufung der Gläubigerversammlung beträgt gemäß § 10 Abs. 1 SchVG 14 Tage. Mit der Einberufung ist – ähnlich wie bei der aktienrechtlichen Hauptversammlung – auch die Tagesordnung bekannt zu machen.399 Die Ver393

A.A. Baums, ILF, Working Paper Series No. 90, S. 12. Simon, CFL 2010, S. 159, 161; a.A. Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 29. 395 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 481. 396 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2612. 397 Otto, DNotZ 2012, S. 809. 814. 398 Verannemann/Backmann, SchVG, § 9, Rn. 3; Horn, BKR 2009, S. 446, 451. 399 Otto, DNotZ 2012, S. 809, 815. 394

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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sammlung ist bei Schuldnern mit Sitz im Inland eben dort abzuhalten. Da das Gesetz keine entsprechende Regelung für Schuldner mit Sitz im Ausland trifft, sind diese bei der Ortswahl keinen Einschränkungen unterworfen.400 Die Berechtigung zur Teilnahme an der Versammlung erbringen die Gläubiger gemäß § 10 Abs. 3 SchVG durch Vorlage eines Nachweises des depotführenden Instituts, wobei die Anleihebedingungen eine andere Form des Nachweises vorsehen können. Die Beschlussfähigkeit der anwesenden Gläubiger ist nach § 15 Abs. 3 S. 1 SchVG gegeben, wenn diese wertmäßig mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Wird dieses Quorum nicht erreicht, kann der Vorsitzende eine neue Versammlung einberufen, für die – außer im Falle von Beschlüssen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern – kein Quorum mehr erforderlich ist.401 Vorsitz und Leitung der Gläubigerversammlung liegen beim Einberufenden.402 Die gefassten Beschlüsse hat der Emittent auf eigene Kosten bekanntzumachen.403 bb) Abstimmung ohne Versammlung Eine Abstimmung ohne Versammlung drängt sich in den Fällen auf, in denen kein Informations- und Diskussionsbedarf besteht. Sie dient dem Ziel, Transaktionskosten zu vermeiden.404 Insbesondere bei einer weiten Platzierung von Anleihen auch im Ausland und in Anbetracht der Möglichkeiten des elektronischen Zeitalters erscheint die Durchführung einer physischen Versammlung oft unnötig zeit- und kostenaufwendig.405 Die Voraussetzungen einer Abstimmung ohne Versammlung regelt § 18 SchVG. Die Vorschriften für die Durchführung einer physischen Gläubigerversammlung gelten danach entsprechend, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Abstimmungsleiter ist gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 SchVG ein vom Schuldner beauftragter Notar. Die Gläubiger geben ihre Stimme in Textform ab (§ 18 Abs. 3 S. 3 SchVG). Dies beinhaltet gemäß § 126b BGB die elektronische Form.406 Diese Form der vereinfachten Stimmabgabe fördert aufgrund ihrer hohen Reichweite die Gläubigerdemokratie.407

400 401 402 403 404 405 406 407

Verannemann/Backmann, SchVG, § 11, Rn. 2. Horn, BKR 2009, S. 446, 451. Verannemann/Gärtner, SchVG, § 15, Rn. 1. Horn, BKR 2009, S. 446, 451. Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2613. Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 481. Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, § 126b BGB, Rn. 4. Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2614.

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E. Voraussetzungen der kollektiven Bindung im System des SchVG

e) Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger Das SchVG sieht vor, dass zur Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger, zur Verhandlungsführung und zur Koordinierung und Vereinfachung des Abstimmungsprozesses ein Gläubigervertreter bestellt werden kann.408 Dies geschieht entweder bereits in den Anleihebedingungen gemäß § 8 SchVG (sog. Vertragsvertreter) oder nachträglich durch Gläubigerbeschluss gemäß § 7 SchVG.409 Der gemeinsame Vertreter hat die Kompetenzen, die ihm bei der Bestellung kraft Gesetzes oder durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger eingeräumt werden.410 Denkbar sind insbesondere die Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger sowie die Befugnis zur Änderung der Anleihebedingungen, wobei die Befugnis, wesentlichen Änderungen der Anleihebedingungen zuzustimmen, nur mit einer qualifizierten Mehrheit von 75 Prozent der Stimmrechte verliehen werden kann.411 Soweit dem gemeinsamen Vertreter entsprechende Befugnisse verliehen wurden, entfällt gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 SchVG die Rechtszuständigkeit der Anleihegläubiger.412 Sich widersprechende Handlungen und Anweisungen werden dadurch vermieden.413 Als gemeinsamer Vertreter kommt gemäß § 7 Abs. 1 SchVG grundsätzlich jede geschäftsfähige natürliche Person oder jede sachkundige juristische Person in Betracht.414 Soweit der gemeinsame Vertreter in einem Näheverhältnis zum Emittenten steht, ist dies den Anleihegläubigern allerdings offenzulegen.415 Für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben haftet der gemeinsame Vertreter den Gläubigern als Gesamtgläubiger.416 f) Vollziehung der Beschlüsse Änderungen der Anleihebedingungen, die im Wege der Gläubigerversammlung oder bei der Abstimmung ohne Versammlung beschlossen wurden, werden gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 SchVG erst wirksam, wenn sie in der Urkunde bzw. in den Anleihebedingungen, die der Urkunde anhängen, vollzogen werden.417 Wertpapier408

Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 483. Vgl. zur Bestellung des gemeinsamen Vertreters auch die Ausführungen bei Frank/ Siebel, CFL 2012, S. 218, 218 ff. 410 Schwenk, jurisPR-BKR 1/2009 Anm. 4; Schmolke, ZBB 2009, S. 8, 14. 411 Friedl/Hartwig-Jacob/Wöckener, SchVG, § 7, Rn. 29; Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 620 f. 412 Heldt, FS Teubner, S. 315, 326. 413 Schwenk, jurisPR-BKR 1/2009 Anm. 4. 414 Nicht vom Wortlaut umfasst sind rechtsfähige Personengesellschaften. Diese sind aber im Wege einer analogen Anwendung des § 7 SchVG erfasst. Friedl/Hartwig-Jacob/Wöckener, SchVG, § 7, Rn. 29. 415 Simon, CFL 2010, S. 159, 163. 416 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 64. 417 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2615; Verannemann/Gärtner/Hofmeister, SchVG, § 21, Rn. 3. 409

III. Änderung von Anleihebedingungen als Grundlage kollektiver Bindung

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rechtlich müsste hierfür die bei dem entsprechenden Clearing System hinterlegte Globalurkunde geändert und neu hinterlegt werden.418 § 21 Abs. 1 S. 2 SchVG sieht hierfür ein vereinfachtes Verfahren vor, das eine Vollziehung von Beschlüssen ermöglicht, indem der in einer Niederschrift dokumentierte Beschlussinhalt der Wertpapiersammelbank mit dem Ersuchen zur Verfügung gestellt wird, die eingereichten Dokumente den vorhandenen Dokumenten in geeigneter Form beizufügen. 3. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Anleihebedingungen können durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder durch Mehrheitsbeschluss, der gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, geändert werden. Die eingeschränkten Änderungsmöglichkeiten werden durch den Grundsatz der kollektiven Bindung begründet. In Bezug auf das Änderungsregime des Gläubigerbeschlusses hat sich der Gesetzgeber für die Ermächtigungslösung und gegen eine zwingende Anwendbarkeit des Abschnitts 2 SchVG entschieden. Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger müssen dem detaillierten Beschlussverfahren genügen, das sich eng an die aktienrechtlichen Vorschriften zur Durchführung von Hauptversammlungen anlehnt. Der Möglichkeit zur Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschlüsse hat der Gesetzgeber aus Gründen des Gläubigerschutzes die Anfechtungsklage gegenübergestellt. Ob und inwieweit mittels der Anfechtungsklage Verletzungen des die kollektive Bindung flankierenden Gleichbehandlungsgebots des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG geltend gemacht werden können, ist bisher ungeklärt.

418

Vgl. hierzu das unter F.III.2. beschriebene Verfahren.

F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung sind in zahlreichen Punkten im SchVG nicht abschließend geregelt. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist eine solche abschließende Bestimmung der Reichweite auch nicht möglich.419 Im folgenden Kapitel soll dennoch der Versuch unternommen werden den Anwendungsbereich der kollektiven Bindung zu präzisieren. In diesem Zusammenhang wird zunächst die Reichweite der kollektiven Bindung bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen dargestellt (Abschnitt F.I.), bevor die Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden dargelegt wird (Abschnitt F.II.). Im Anschluss wird die Problematik der kollektiven Bindung bei gerichtlich herbeigeführten Änderungen der Anleihebedingungen erläutert (Abschnitt F.III.). Schließlich sollen in einem letzten Schritt die Grenzen der kollektiven Bindung aufgezeigt werden (Abschnitt F.IV.).

I. Reichweite der kollektiven Bindung bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen Die Reichweite der kollektiven Bindung im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen ist namentlich von Relevanz bei Anleihen, die in unterschiedliche Tranchen aufgeteilt sind sowie bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten, wie sie vornehmlich in Zertifikatebedingungen zu finden sind. Bevor sich die Arbeit diesen beiden Themenkomplexen widmet, sind der Begriff und der Inhalt von Anleihebedingungen als Bezugspunkte der kollektiven Bindung bei rechtsgeschäftlichen Änderungen zu erläutern. 1. Begriff und Inhalt von Anleihebedingungen Bezugspunkt der kollektiven Bindung sind die Anleihebedingungen von Schuldverschreibungen. Der Begriff der Anleihebedingungen ist in § 2 S. 1 SchVG legaldefiniert: Die Bedingungen zur Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger […]. 419 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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Sämtliche Bestimmungen in Anleihebedingungen können nur nach Maßgabe der in § 4 SchVG genannten Voraussetzungen geändert werden, namentlich durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger oder durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern; dies gilt gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG auch nur dann, wenn es sich um Bestimmungen derselben Anleihe handelt.420 Im Umkehrschluss gilt, dass solche Bestimmungen einer Anleihe, die nicht unter die Legaldefinition des § 2 S. 1 SchVG fallen, nicht der kollektiven Bindung unterliegen. Der Begriff der Leistung in § 2 S. 1 SchVG soll die „Zuwendung eines wirklichen oder vermeintlichen Vorteils“ beschreiben, „der typischerweise einen Vermögenswert hat“.421 Neben der vom Schuldner zu erbringenden Leistung können die Anleihebedingungen gemäß der Legaldefinition weitere Rechte und Pflichten der Gläubiger sowie des Schuldners vorsehen. Hierzu können u. a. Gerichtsstandvereinbarungen, Informationspflichten des Schuldners sowie Bestimmungen zur Verwahrung der Schuldverschreibungen zählen. Hierdurch wird eine begriffliche Differenzierung zwischen Hauptleistungspflichten, nämlich der Leistungsbeschreibung, und Nebenbestimmungen zwar vorgenommen, diese ist letztlich aber irrelevant für die Beurteilung der Frage, ob eine Bestimmung als Anleihebedingung einzuordnen ist.422 Dieses gesetzgeberisch intendierte weite Begriffsverständnis423 und die daraus resultierende, praktisch unbeschränkte Erfassung sämtlicher Bestimmungen in Anleihebedingungen ist auch sachgerecht angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen von Anleihen. Aufgrund der nur rudimentären gesetzlichen Regelungen der §§ 793 ff. BGB und mangels zwingenden gesetzlichen Leitbilds sind es regelmäßig die Anleihebedingungen, die das „Herzstück“ jeder Schuldverschreibung bilden.424 Jede Änderung der Anleihebedingungen modifiziert deshalb auch den Charakter der Schuldverschreibung.

420

Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen unter E.I.2.a)bb). Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 2, Rn. 14. 422 Horn, BKR 2009, S. 446, 448. Dies ist allerdings abweichend zu beurteilen soweit es um eine AGB-rechtliche Kontrolle der Anleihebedingungen geht. Im Rahmen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle kann wegen § 307 Abs. 3 BGB eine Unterscheidung zwischen Bestimmungen zur Leistungsbeschreibung sowie sonstigen Bestimmungen relevant werden, da sie jeweils einer unterschiedlichen AGB-rechtlichen Wertung unterliegen. Siehe hierzu auch F.I.5.c). 423 Verannemann/Oulds, SchVG, § 2, Rn. 2; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 2, Rn. 13; Sester, AcP (209) 2009, S. 628, 635. Ein engeres Verständnis vom Begriff der Anleihebedingungen im Allgemeinen findet sich bei Than, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 5, der offenbar davon ausgeht, dass diese nur die Leistungspflicht des Emittenten sowie spiegelbildlich die Rechte der Anleger festlegen und beschreiben. 424 Baum, FS Hopt, S. 1595, 1599. Zum Wandel der Anleihe vom Instrument mit klassischer Darlehensfunktion zu strukturierten Produkten, eingehend Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 15 ff. 421

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

a) Erscheinungsformen von Anleihen Anleihen lassen sich einteilen in Anleihen mit unterschiedlichen Verzinsungsvarianten sowie Anleihen mit unterschiedlichen Tilgungsvarianten.425 Zu den verschiedenen Verzinsungsvarianten zählen festverzinsliche Anleihen, die einen festen Zinssatz für die gesamte Laufzeit vorsehen, variabel verzinsliche Anleihen, bei denen sich die Höhe der Verzinsung an einem Referenzzinssatz426 orientiert, Nullkupon-Anleihen, auf die keine periodischen Zinszahlungen geleistet werden, sondern das Entgelt für die Überlassung der Mittel über die Differenz zwischen Ausgabe- und Rückzahlungskurs beglichen wird, sowie Hochzinsanleihen (High Yield Bonds), die von Schuldnern mit geringer Bonitätsstufe und somit hohem Kreditausfallrisiko emittiert werden.427 Bezüglich der unterschiedlichen Tilgungsvarianten unterscheidet man zwischen folgenden Erscheinungsformen: Wandelanleihen (Convertible Bonds), die von Aktiengesellschaften ausgegeben werden und das Recht vorsehen, die Anleihe während eines bestimmten Zeitraums zu vorher festgelegten Konditionen, in Aktien der Gesellschaft umzutauschen428, Optionsanleihen (Warrants), die den Gläubigern neben dem Recht auf Rückzahlung und Zinsen zusätzlich das Recht einräumen, Beteiligungen am Emittenten zu erwerben429, ewige Anleihen (Perpetual Bonds), die keinen festen Rückzahlungstag vorsehen, aber regelmäßige Kündigungsrechte des Emittenten und jedenfalls ein Recht auf Zinszahlungen verbriefen.430 Einen Sonderfall bilden Zertifikate, die sowohl mit Verzinsungsstrukturen als auch mit Rückzahlungsstrukturen versehen sein können. Hierbei handelt es sich um derivative Anleihen, deren Verzinsungs- oder Rückzahlungsstruktur von der Entwicklung eines Basiswerts abhängt.431 Bei diesem kann es sich u. a. um eine Aktie oder einen Aktienkorb (Equity-linked Bonds), um Indizes oder einen Indexkorb (Index-linked Bonds), um Rohstoffe (Commodity-linked Bonds) oder um Währungen (Currency-linked Bonds) handeln.432 Abschließend sind

425 Eine Klassifizierung von Zertifikaten lässt sich anhand zahlreicher Kriterien vornehmen. Für eine Einordnung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Auszahlungsprofilen siehe auch die Darstellung bei Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 41 ff. 426 Als Referenzzinssätze haben sich zumindest aktuell EURIBOR (Euro InterBank Offered Rate) und LIBOR (London InterBank Offered Rate) durchgesetzt, bei denen es sich jeweils um Zinssätze für Termingelder in Euro respektive Dollar oder anderen Währungen im Interbankengeschäft handelt, Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 35 ff.; Schüppen/Schaub/Kilgus, MAH Aktienrecht, § 49, Rn. 29. 427 Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 38 ff.; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 18 f. 428 Schüppen/Schaub/Kilgus, MAH Aktienrecht, § 49, Rn. 33. 429 Habersack/Mülbert/Schlitt/Schlitt/Hemeling, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 12, Rn. 3. 430 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 45. 431 Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 192 f. 432 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 27, Rn. 779.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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als Anleihekategorie die an anderer Stelle beschriebenen Genussscheine und AssetBacked-Securities zu erwähnen.433 b) Die Ausgestaltung von Anleihebedingungen Trotz dieser Vielfalt in der Ausgestaltung sind Anleihebedingungen im Kern vergleichbar. Stets finden sich Regelungen zu Rückzahlungsbetrag und Verzinsung (oder der Hinweis darauf, dass die Schuldverschreibungen nicht verzinst werden434) sowie die entsprechenden Berechnungsmethoden, Zahlungstermine und gegebenenfalls Bestimmungen zu Wandlungs- und Optionsrechten.435 Wollte man eine Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenleistungspflichten vornehmen, so wären sämtliche dieser Bestimmungen als Teile der Leistungsbeschreibung und damit als Hauptleistungspflicht einzuordnen.436 Weiterhin üblich sind Klauseln zu Kündigungsrechten, insbesondere des Emittenten, wenn dieser Ausgleichszahlungen (Gross-up) aufgrund des Anfallens von Quellensteuern zu leisten hat (Tax Call).437 Den Gläubigern wird neben etwaigen ordentlichen Kündigungsrechten in aller Regel ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Pflichtverletzungen des Emittenten gewährt (Events of Default).438 Von besonderer Relevanz in diesem Zusammenhang ist das Kündigungsrecht der Gläubiger bei einem Zahlungsverzug des Emittenten hinsichtlich sonstiger ausstehender Verbindlichkeiten aus Finanz- oder Kapitalmarktverpflichtungen (Cross

433 Zu den Genussscheinen siehe oben E.I.2.a)cc). Zu Asset-Backed-Securities siehe wiederum nachfolgend F.I.3.a)bb). 434 Dies ist insbesondere bei sogenannten Nullkupon-Schuldverschreibungen der Fall, auf die keine periodischen Zinszahlungen geleistet werden, sowie bei Derivaten, die die nicht vorgesehenen Zinszahlungen über den Rückzahlungsbetrag bei einer bestimmten Performance des Basiswerts ausgleichen. 435 Horn, BKR 2009, S. 446, 448; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 2, Rn. 14. 436 Horn, BKR 2009, S. 446, 448. 437 Tennekoon, Law and Regulation of International Finance, S. 198. Zu den Voraussetzungen und Beschränkungen für die Leistung von Ausgleichszahlungen durch den Emittenten siehe Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 295 f. 438 Hierbei handelt es sich genau genommen nicht um die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts, sondern um die inhaltliche Präzisierung des gesetzlichen außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 314 BGB. Zur Anwendbarkeit des § 314 BGB auf Schuldverschreibungen vgl. LG Köln, Urteil vom 26. Januar 2012 – 30 O 63/11, BB 2012, S. 1821, 1821. Ebenso für eine grundsätzliche Anwendbarkeit des § 314 BGB Trautrims, BB 2012, S. 1821, 1823. Gegen eine solche Anwendbarkeit des § 314 BGB auf Schuldverschreibungen aber Maier-Reimer, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 135 f. Zur Möglichkeit der inhaltlichen Konkretisierung dieses Kündigungsrechts siehe Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 301 f. Für einen Überblick zu den verschiedenen Kündigungsgründen, die sich typischerweise in Anleihebedingungen finden vgl. Tennekoon, Law and Regulation of International Finance, S. 202 f.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Default).439 Schließlich finden sich solche Vereinbarungen, die die Gläubiger vor einem Eigentümerwechsel beim Emittenten schützen (Change of Control).440 Den Gläubigern unbesicherter Schuldverschreibungen verspricht der Emittent sein Vermögen nicht mit anderen Sicherheiten zu belasten (Negative Pledge)441 und sichert ihnen die Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern im Falle der Insolvenz zu (pari passu).442 Letztlich werden zumeist Vereinbarungen zu Rechtswahl und Gerichtsstand443 getroffen sowie zur Ersetzung des Emittenten444 und – in jüngerer Zeit – zur Anwendbarkeit des SchVG.445 Regelungen dieser Art in Anleihebedingungen dürften als Regelungen zu den Rechten und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger und damit als Nebenbestimmungen einzuordnen sein. Obwohl grundsätzlich sämtliche Bestimmungen, die die Modalitäten der Schuldverschreibungen regeln, als Anleihebedingungen zu qualifizieren sind und damit kraft bindenden Gläubigerbeschlusses geändert werden können, soll die kollektive Bindung nur so weit gehen, wie es zur Erhaltung der Fungibilität der Schuldverschreibungen erforderlich ist.446 439

Diese Drittverzugsklausel räumt den Gläubigern der Schuldverschreibungen ein Kündigungsrecht ein, falls eine Finanz- und/oder Kapitalmarktverbindlichkeit des Emittenten gegenüber Gläubigern aus anderen Finanzinstrumenten von den Gläubigern dieser Finanzinstrumente fällig gestellt worden ist oder fällig gestellt werden kann, Habersack/Mülbert/Schlitt/ Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 75 f. 440 Im Falle eines Kontrollwechsels beim Emittenten kann den Gläubigern ein sofortiges Kündigungsrecht eingeräumt werden oder dieses vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig gemacht werden (z. B. der Änderung des bestehenden Ratings in ein Non-Investment Grade Rating), Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 527. Die Vermeidung eines Gesellschafterwechsels liegt insbesondere dann im Interesse der Gläubiger, wenn es sich beim Emittenten um die Tochtergesellschaft eines finanzkräftigen Konzernunternehmens handelt oder Mehrheitsgesellschafter des Emittenten ein Staat ist, Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 15, Rn. 60. 441 Tennekoon, Law and Regulation of International Finance, S. 199 ff. 442 Zur pari passu Klausel siehe unten F.IV.2.a)bb). 443 Die Gerichtsstandvereinbarung dürfte freilich gegenüber Verbrauchern wegen § 38 ZPO regelmäßig unwirksam sein, sofern nicht einer der dort genannten Ausnahmefälle einschlägig ist. 444 Die Ersetzung des Emittenten kann insbesondere aus steuerlichen Gründen geboten sein, vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5, Rn. 42. Die Anleihebedingungen können entweder die Schuldnerersetzung ohne Gläubigerversammlung vorsehen – in diesem Fall erteilen die Gläubiger ihre Einwilligung hierzu bereits in den Anleihebedingungen – oder mit Gläubigerversammlung gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 SchVG; Maier-Reimer, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 153 f. 445 Vgl. hierzu nur § 11 der Emissionsbedingungen des Debt Issuance Programme der Bayer Aktiengesellschaft vom 16. März 2012, URL: http://www.investor.bayer.de/anleihen/ finanzierungsprogramme/emtn-programm/ Stand: 25. Oktober 2012; § 18 der Anleihebedingungen der Wandelanleihe der TUI AG vom März 2011, URL: http://www.tui-group.com/de/ir/ anleihen_ratings/anleihen#TAbsatz_07 Stand: 25. Oktober 2012. 446 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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2. Fungibilität als Ausgangspunkt und Schranke der kollektiven Bindung Reichweite und Umfang der kollektiven Bindung bestimmen sich in Bezug auf eine konkrete Bestimmung in den Anleihebedingungen danach, ob die identische Ausgestaltung dieser Bestimmung für alle Anleihegläubiger erforderlich ist, um die Fungibilität der Schuldverschreibungen zu gewährleisten. Ein einheitliches Begriffsverständnis von Fungibilität ist daher Voraussetzung, soweit es die Frage zu beantworten gilt, ob eine einzelne Klausel der Anleihebedingungen der kollektiven Bindung des § 4 SchVG unterfällt. Das SchVG selbst erläutert den Begriff der Fungibilität nicht weiter.447 Die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 4 SchVG geht lediglich davon aus, dass es sich hierbei um die inhaltlich identische Ausgestaltung von Wertpapieren handelt, die der Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts dient.448 Zur weiteren Begriffsbestimmung kann hilfsweise die Auslegung des § 2 Nr. 1 WpPG herangezogen werden, der ebenfalls die Handelbarkeit der Wertpapiere auf dem Kapital- oder Geldmarkt fordert,449 wofür als Voraussetzung gleichsam die Fungibilität der Wertpapiere genannt wird.450 Danach ist ein Wertpapier dann fungibel, wenn es dieselben Rechte wie ein anderes Wertpapier verkörpert und mit diesem austauschbar ist.451 Voraussetzung hierfür ist ein gewisser Grad an Standardisierung452, d. h. ein einheitlich verfasster Rechte- und Pflichtenkatalog, der dazu führt, dass sich die Wertpapiere nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale unterscheiden.453 Häufig wird der Begriff der Fungibilität auch schlicht als Synonym für Umlauffähigkeit, freie Übertragbarkeit und Handelbarkeit verstanden.454 Dabei wird jedoch regelmäßig übersehen, dass Fungibilität sowie die Umlauffähigkeit und Handelbarkeit von

447

Vgl. auch BuB/Bosch, Band 5, Rn. 10/4, der zutreffend darauf hinweist, dass der Begriff der Fungibilität im deutschen Wertpapierrecht keine definierte und eigenständige Bedeutung hat. 448 Siehe auch BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 317; BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, S. 1500, 1501; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 66. 449 Just/Voß/Ritz/Zeising/Ritz/Zeising, WpPG, § 2, Rn. 34. 450 Begründung Regierungsentwurf zu § 2 (Anleihebedingungen), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 451 Just/Voß/Ritz/Zeising/Ritz/Zeising, WpPG, § 2, Rn. 35; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.6. 452 So zumindest Reuter, Gutachten B für den 55. Deutschen Juristentag, S. 34 in Bezug auf die Handelbarkeit von Finanzprodukten. 453 Just/Voß/Ritz/Zeising/Ritz/Zeising, WpPG, § 2, Rn. 35. 454 So auch BuB/Bosch, Band 5, Rn. 10/4 mit Verweis auf Schimansky/Bunte/Lwowski/ Grundmann, Bankrechts-Handbuch, § 112, Rn. 6.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Wertpapieren nicht dasselbe meinen.455 Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Eigenschaften eines Wertpapieres, wobei jedoch die Fungibilität der Wertpapiere regelmäßig deren freie Handelbarkeit bedingt.456 Eine vollständige Inhaltsidentität der Anleihebedingungen von Wertpapieren ist also dann nicht notwendig, wenn die unterschiedliche Ausgestaltung einzelner Bedingungen den freien Handel der Wertpapiere nicht beeinträchtigt.457 Allerdings ist kaum denkbar, dass Anleihebedingungen derselben Anleihe voneinander abweichen können, ohne dass darunter die Handelbarkeit der Wertpapiere leidet.458 Die ISIN Uniform Guidelines459 der Association of National Numbering Agencies (ANNA) sehen deshalb vor, dass Wertpapiere nur dann mit der gleichen ISIN (International Securities Identification Number)460 ausgestattet und dadurch handelbar werden, wenn ein Wertpapier in jeder Hinsicht im gleichen Rang mit einer anderen Version des gleichen Wertpapiers steht und jederzeit gegen die andere Version ausgetauscht werden kann und umgekehrt.461 Abweichungen in den Anleihebedingungen derselben Anleihe sind nach den ISIN Uniform Guidelines nicht denkbar. Lediglich solche Sachverhalte, die außerhalb der Anleihebedingungen angesiedelt sind, können für die gleiche Anleihe unterschiedlich ausgestaltet sein. So soll es für die Fungibilität einer Anleihe z. B. unschädlich sein, wenn die gleiche Anleihe an unterschiedlichen Börsenplätzen gehandelt wird.462 Es ist deshalb davon auszugehen, dass sämtliche Bestimmungen zur Verzinsung, Rückzahlung, zu Zahlungsterminen, Kündigungsrechten, Rangvereinbarungen, Mitwirkungsrechten etc. bei einer auch nur leicht abweichenden Ausgestaltung die Fungibilität der Wertpapiere stets beeinträchtigen. Für die Beantwortung der Frage, ob eine einzelne Bestimmung in den Anleihebedingungen der kollektiven Bindung unterliegt, ist daher im Regelfall von der kollektiven Bindung auszugehen.463 455 BuB/Bosch, Band 5, Rn. 10/4. Ebenso wohl Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.4, der zwischen Fungibilität und Zirkulationsfähigkeit unterscheidet. 456 Ähnlich wohl auch Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 20, der die Fungibilität von Schuldverschreibungen als Voraussetzung für deren Handelbarkeit zu einem einheitlichen Preis begreift. Kümpel/Wittig/Brandt, Bank- und Kapitalmarktrecht, 15.24. 457 Hiervon geht auch die Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009 aus, wonach die kollektive Bindung jedenfalls soweit reiche, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete. 458 Heldt, FS Teubner, S. 315, 322. 459 Abrufbar unter URL: http://www.anna-web.com (Stand: 2011). 460 Bei einer ISIN handelt es sich um eine zwölfstellige Buchstaben-Zahlen-Kombination, mithilfe derer ein Wertpapier an der Börse identifiziert und gehandelt werden kann. 461 Vgl. die ISIN Uniform Guidelines der Association of National Numbering Agencies. Ebenfalls für eine praxisbezogene Definition des Begriffs der Fungibilität eintretend Schwark/ Zimmer/Heidelbach, KMRK, BörsG, § 32, Rn. 28. 462 Vgl. 2.2.1 der ISIN Uniform Guidelines. 463 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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3. Kollektive Bindung bei verschiedenen Tranchen derselben Anleihe Die kollektive Bindung in § 4 SchVG erstreckt sich auf die Änderung von Anleihebedingungen derselben Anleihe. Der Begriff der Anleihe entspricht insoweit dem Begriff der inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen im Sinne des § 1 Abs. 1 SchVG.464 Wird eine Anleihe in mehreren Tranchen emittiert, stellt sich die Frage, ob die verschiedenen Tranchen dennoch als eine Anleihe i.S.d. § 4 SchVG zu qualifizieren sind. Sollte dies nicht der Fall sein, ist im Anschluss zu klären, inwieweit der Grundsatz der kollektiven Bindung dennoch Anwendung finden kann, um dem in jedem Fall bestehenden inneren Zusammenhang der unterschiedlichen Tranchen Rechnung zu tragen. a) Aufteilung einer Anleihe in verschiedene Tranchen Anleihen können sich aus verschiedenen Tranchen zusammensetzen, entweder weil der Gesamtnennbetrag einer bereits begebenen Anleihe nachträglich aufgestockt werden soll (F.I.3.a)aa)) oder weil sich die Anleihe von Beginn an aus verschiedenen Tranchen zusammensetzt (F.I.3.a)bb)). aa) Aufstockungen (Tap) Entsteht beim Emittenten von Schuldverschreibungen zusätzlicher Finanzierungsbedarf, so kann dieser gedeckt werden, indem das ursprüngliche Emissionsvolumen einer bereits laufenden Anleihe aufgestockt wird. Da bei Aufstockungen ein bereits gebilligter und veröffentlichter Wertpapierprospekt verwendet werden kann465, minimiert diese Vorgehensweise Transaktionskosten. Die Aufstockungstranche sieht für die Gläubiger die gleichen Rechte vor wie die erste Tranche der Anleihe im Hinblick auf Verzinsung, Rückzahlung, Kündigungsrechte etc.466 Lediglich der Emissionspreis und/oder der Verzinsungsbeginn weichen aufgrund der späteren Begebung voneinander ab. Dies führt aber nicht zu einer mangelnden Inhaltsgleichheit der Anleihebedingungen467, da diese Abweichungen die Fungibilität der Schuldverschreibungen nicht beeinflussen. Insbesondere der abweichende Emissionspreis dient nämlich gerade dazu, die identische technische und rechtliche Ausstattung der beiden Tranchen herzustellen. Die Auf464

Vgl. hierzu E.I.2.b). Gemäß § 9 Abs. 1 WpPG ist ein Prospekt nach seiner Billigung zwölf Monate lang für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel an einem organisierten Markt gültig. 466 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, S. 10, 12. 467 Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 9 weist darauf hin, dass zumindest bei strenger Auslegung die Abweichungen bei Emissionspreis und Verzinsungsbeginn auch als mangelnde Inhaltsgleichheit verstanden werden können, geht jedoch richtigerweise ebenfalls davon aus, dass dieses Verständnis unzutreffend ist. 465

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

stockungstranche sieht Zinskupons und Zinszahlungstermine vor, die denen der ersten Tranche entsprechen, obwohl der Begebungstag und damit auch die Länge der Zinsperiode ein anderer ist. Über einen höheren Emissionspreis wird die Zinszahlung, die Gläubiger der zweiten Tranche trotz kürzerer Zinsperiode erhalten, wieder ausgeglichen. Ferner werden die verschiedenen Tranchen unter einer Wertpapierkennnummer zusammengefasst468, was grundsätzlich nur der Fall ist, wenn die Schuldverschreibungen die gleichen Ausstattungsmerkmale aufweisen.469 Dementsprechend führt die eben dargestellte Fungibilität dazu, dass die kollektive Bindung sämtliche Tranchen einer aufgestockten Anleihe umfasst. Die Anleihebedingungen sämtlicher so begebener Tranchen können daher auch nur gemeinsam und unter den Voraussetzungen des § 4 SchVG geändert werden. bb) Tranchen mit unterschiedlichen Bedingungen (Asset-Backed-Securities) Bei Asset-Backed-Securities handelt es sich um Schuldverschreibungen, die von einer eigens hierfür gegründeten Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle) begeben werden.470 Die Wertpapiere werden durch Vermögenswerte (Asset-Pool) besichert, die sich z. B. aus Forderungen zusammensetzen können.471 Bei diesen Forderungen handelt es sich um Forderungen des finanzbedürftigen Unternehmens (Originator) gegenüber seinen Kunden. Beispielhaft sind hier Forderungen aus der Finanzierung von Automobilkäufen oder aus Kreditkartengeschäften zu nennen.472 Dieses Forderungsportfolio überträgt der Originator auf die genannte Zweckgesellschaft.473 Rechtlich handelt es sich hierbei um einen Forderungskauf durch die Zweckgesellschaft. Dieser wird von der Zweckgesellschaft durch die Begebung und den Verkauf der Asset-Backed-Securities refinanziert.474 Die Zweckgesellschaft begibt also eine Anleihe, die durch das von ihr erworbene Forderungsportfolio besichert wird (Asset-Backed). Zahlungen von Zinsen und Kapital an die Gläubiger dieser Anleihe werden wiederum aus dem erworbenen Forderungsportfolio finanziert, namentlich durch Zahlungen, die von den Schuldnern der verbrieften Forderungen auf diese geleistet werden.475 Zur Sicherstellung der Bedienung der Zahlungsansprüche der Investoren aus den Wertpapieren und ultimativ natürlich zur Verbesserung des Ratings der Wertpa468 Nur bis zur Konsolidierung mit der Ursprungstranche wird die Aufstockungstranche mit einer vorläufigen Wertpapierkennnummer und/oder einer vorläufigen ISIN versehen. 469 Heidelbach/Preuße, BKR 2008, S. 10, 12. 470 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 9.9. 471 Maßgeblich für die Verbriefungstauglichkeit von Vermögenswerten (Asset-Pool) ist das Vorhandensein eines Zahlungsstroms, Gögler, Asset-Backed-Securities, S. 24. 472 Gögler, Asset-Backed-Securities, S. 24 f. 473 Gehring, Asset-Backed Securities, S. 18. 474 Schimansky/Bunte/Lwowski/Jahn, Bankrechts-Handbuch, § 114a, Rn. 1. 475 Gögler, Asset-Backed-Securities, S. 22; Gehring, Asset-Backed Securities, S. 2.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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piere476 werden verschiedene Sicherungsmechanismen (Credit Enhancement) in die Struktur einer ABS-Transaktion aufgenommen.477 Zu diesen Sicherungsmechanismen zählen unter anderem die Übersicherung (Overcollateralization)478 sowie die Subordination.479 Letztere führt zur Aufteilung der Emission in unterschiedliche Tranchen, namentlich in eine vorrangige (Senior Class) und eine nachrangige Tranche (Subordinated Class).480 Die vorrangige Tranche wird bei Ausfällen bei den verbrieften Forderungen zuerst bedient. Das Halten der nachrangigen Tranche ist folglich mit einem höheren Risiko verbunden, was mithilfe höherer Zinszahlungen kompensiert wird.481 b) Asset-Backed-Securities Tranchen als Teile einer Gesamtemission Die vorstehend beschriebene Aufteilung der Tranchen in unterschiedliche Risikoklassen482 führt im Ergebnis zu unterschiedlich gefassten Anleihebedingungen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Rangvereinbarungen sowie die Regelungen zur Verzinsung. Im Rahmen der Reichweite der kollektiven Bindung stellt sich daher das Problem, ob die kollektive Bindung des § 4 SchVG jeweils nur eine einzelne oder sämtliche Tranchen der gemeinsam begebenen Asset-Backed-Securities erfasst. Geht man davon aus, dass in einem solchen Fall die verschiedenen Tranchen eine Anleihe bilden, ergeben sich hieraus die Erfordernisse der gemeinsamen Abstimmung aller Gläubiger und der gemeinsamen Änderung aller Anleihebedingungen.483 Schließt man sich der Gegenansicht an, wonach jede einzelne Tranche der AssetBacked-Securities jeweils eine separate Anleihe darstellt, stimmen die Gläubiger jeder einzelnen Tranche gesondert über eine Änderung der Anleihebedingungen ab.484 Dies führt in der Folge zu dem Problem, wie bei einer separaten Abstimmung das sorgfältig austarierte Risikoverhältnis zwischen den unterschiedlichen Tranchen aufrechterhalten werden kann. Allein die Unklarheit darüber, wie man mit der Möglichkeit umgeht, dass die Risikoverhältnisse bei getrennter Abstimmung nicht gewahrt werden, genügt jedoch nicht, um die unterschiedlichen Tranchen als eine Anleihe zu verstehen. Anderen476

Bertl, Verbriefung von Forderungen, S. 195 f. Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 442. 478 Übersicherung von Asset-Backed-Securities bedeutet, dass der Nominalwert der ausgegebenen Wertpapiere unter dem Wert der vom Originator auf die Zweckgesellschaft übertragenen Vermögenswerte liegt; Gehring, Asset-Backed Securities, S. 26. 479 Gehring, Asset-Backed Securities, S. 26 f. 480 Bosak, Asset Backed Securities, S. 89 f. 481 Gehring, Asset-Backed Securities, S. 27. 482 Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 25; Sester, AcP 209 (2009), S. 654. 483 Für die Ansicht, dass es sich ungeachtet der Unterschiede in den Anleihebedingungen bei den einzelnen Tranchen um eine Anleihe handelt Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1915; Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 44. 484 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 11. 477

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falls ist nicht zu erklären, weshalb z. B. bei Zertifikaten Praktikabilitätserwägungen in Bezug auf eine gemeinsame Abstimmung der Gläubiger von Multiemissionen keine Rolle spielen sollen.485 Freilich besteht aufgrund der Rangfolge zwischen den einzelnen Tranchen ein innerer Zusammenhang, der noch dadurch unterstrichen wird, dass sämtliche Tranchen mit Hilfe eines einheitlichen Wertpapierprospekts gemeinsam vermarktet werden.486 Dennoch kann alleiniges Kriterium zur Beurteilung, ob es sich um eine Anleihe handelt, nur die Inhaltsgleichheit sein. Die verschiedenen Tranchen erfüllen aber aufgrund der in wesentlichen Punkten voneinander abweichenden Gläubigerrechte dieses Merkmal gerade nicht.487 Das gleiche Ergebnis folgt auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 5 SchVG. Danach sollen Schuldverschreibungen, die in verschiedenen Tranchen ausgegeben worden sind, nur dann eine Anleihe im Sinne des Gesetzes bilden, sofern alle Tranchen in den Bedingungen gleiche Gläubigerrechte vorsehen.488 Eine gemeinsame Beschlussfassung der Gläubiger aller Tranchen ist daher nicht möglich; die kollektive Bindung bezieht sich nur auf die jeweilige Tranche. c) Änderung der Anleihebedingungen von Asset-Backed-Securities Im Anschluss hieran stellt sich sodann die Frage, wie man es trotz eines getrennten Abstimmungsverfahrens erreichen kann, dass das sorgfältig austarierte Verhältnis, in dem die einzelnen Tranchen begeben wurden, beibehalten wird. Eine getrennte Beschlussfassung ist problematisch, da die Gläubigerversammlung einer untergeordneten Klasse eine Änderung ihrer Tranche der Schuldverschreibungen insgesamt opportunistisch blockieren und Sondervorteile zulasten der übergeordneten Klasse erzwingen kann.489 So können die Gläubiger der Senior Class Tranche z. B. einen Zinsverzicht vereinbaren, während die Gläubiger der Subordinated Class Tranche u. U. nicht bereit sind einen eigenen Sanierungsbeitrag zu leisten.490 Das klassische Hold-out Problem491, welches eigentlich durch die Reform des Schuldverschreibungsrechts beseitigt werden sollte, besteht daher bei der Restrukturierung von Asset-Backed-Securities in etwas abgewandelter Form fort. Eine gemeinsame Beschlussfassung, welche de lege lata unzulässig ist, würde im Übrigen in der Praxis ebenfalls auf gewisse Schwierigkeiten stoßen, da die unterschiedlichen Gläubigergruppen keine gemeinsamen Interessen verfolgen.

485

Siehe hierzu Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 48. Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 25; Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 24. 487 Preuße/Preuße, SchVG, § 1, Rn. 10. 488 So auch Hopt, FS Schwark, S. 441, 450. 489 Hopt, FS Schwark, S. 441, 450. 490 Ein ähnliches Beispiel findet sich auch bei Verannemann/Oulds/Verannemann, SchVG, Vorbemerkungen zu § 5, Rn. 45. 491 Vergleiche hierzu die Darstellung unter B.I. 486

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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Vereinzelt wird daher vorgeschlagen, Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger zur Restrukturierung von Asset-Backed-Securities grundsätzlich nicht zuzulassen.492 Sieht man einmal davon ab, dass aufgrund der aktuellen Gesetzeslage hierfür ohnehin ein Tätigwerden des Gesetzgebers gefragt wäre, so ist ein gänzlicher Ausschluss des Gläubigerorganisationsrechts schon deshalb keine akzeptable Lösung, da auch bei Asset-Backed-Securities ein praktisches Bedürfnis für die Änderung von Anleihebedingungen besteht.493 Unter anderem haben die Verwerfungen der Finanzmarktkrise beispielsweise eine Anpassung von Zinsmargen bei Asset-BackedSecurities gefordert.494 Soweit in der Literatur davon ausgegangen wird, dass auch bei Asset-BackedSecurities Anpassungen der Anleihebedingungen möglich sein müssen, ist jedenfalls klar, dass Unterschiede zwischen den verschiedenen Tranchen proportional aufrechtzuerhalten sind.495 An Lösungsvorschlägen hinsichtlich der praktischen Umsetzung fehlt es indes. Einige Rechtsordnungen sowie inzwischen auch § 4a S. 2 BSchuWG erleichtern die Restrukturierung, indem die gemeinsame Abstimmung über sog. Aggregationsklauseln zugelassen wird.496 Aggregationsklauseln ermöglichen eine emissionsübergreifende Restrukturierung mehrerer unterschiedlicher Anleihen, indem ein einheitliches Abstimmungsverfahren für sämtliche Gläubigerklassen durchgeführt wird. Diese bewirken, dass die Gläubiger einer Anleihe eher zu 492 So wohl Hopt, FS Schwark, S. 441, 450; Schwenk, jurisPR-BKR 1/2009 Anm. 4, S. 3; Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 34. Dass auch bei Asset-Backed-Securities eine Änderung von Anleihebedingungen sinnvoll sein kann, wird in diesem Zusammenhang nicht bestritten. Hingewiesen wird hingegen lediglich auf die mangelnde Zweckmäßigkeit, da die wirtschaftliche Kalkulation der unterschiedlichen Risikoklassen gefährdet sein könnte. 493 Obwohl eine Änderung der Struktur des Schuldverhältnisses durch eine Ersetzung des Schuldners insbesondere bei Asset-Backed-Securities geboten ist, stellt dies nicht zwingend einen Fall der Änderung von Anleihebedingungen durch §§ 5 ff. SchVG dar, da hierfür in aller Regel bereits Änderungsklauseln in den Anleihebedingungen angelegt sind, die vom Emittenten nur noch ausgeübt werden müssen, Maier-Reimer, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 146. Der Referentenentwurf lässt darauf schließen, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass bei Verbriefungen gegebenenfalls Anpassungsbedarf bestehen kann, da § 3 des Referentenentwurfs noch vorsah, dass Bestimmungen zur Rangordnung und zur Verteilung von Verlusten vom Grundsatz der kollektiven Bindung erfasst sein sollen. 494 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2600; Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 359. 495 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 45; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1915. 496 Beispielhaft ist an dieser Stelle Art. 1171 des Schweizer Obligationenrechts zu nennen, welcher die Möglichkeit vorsieht, dass mehrere Gläubigergemeinschaften gleichzeitig über eine Maßnahme beschließen; Bundesgesetz betreffende die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 220, Zweiter Abschnitt: Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen, Fassung gemäß Ziff. 1 des BG vom 1. April 1949, in Kraft seit 1. Jan. 1950 (AS 1949 I 791; BBl 1947 III 869). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schneider, ILF Working Paper Series No. 135, S. 17 ff., der eine Leitbildfunktion der §§ 4a bis 4k BschuWG für eine Restrukturierung von Anleihen nach dem SchVG ausschließen will. Zu Aggregationsklauseln im Allgemeinen vgl. die Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Group of Ten zu Collective Action Clauses bei Hartwig-Jacob, FS Horn, S. 717, 731 sowie Keller, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 157 ff.

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Restrukturierungen bereit sind, wenn auch die Gläubiger anderer Anleihen Konzessionen hinnehmen müssen.497 Dies hat der deutsche Gesetzgeber für das SchVG allerdings eindeutig abgelehnt.498 Dies ist unverständlich vor dem Hintergrund, dass bereits das SchVG von 1899 keine Lösung für das Problem der getrennten Abstimmung unterschiedlicher Gläubigerklassen anzubieten hatte und die daraus resultierenden Schwierigkeiten mithin bekannt waren.499 Ohne ein Zutun des Gesetzgebers bleibt de lege lata nur die Möglichkeit der kautelarischen Gestaltung zur Wahrung der Proportionalität der unterschiedlichen Tranchen.500 Denkbar wäre hier insbesondere die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters bereits in den Anleihebedingungen jeder Tranche gemäß § 8 SchVG501 und die Verpflichtung desselben, seine Zustimmung zur Änderung von Anleihebedingungen nur dann zu erteilen, wenn auch nach einer Änderung der Bedingungen das ausgehandelte Verhältnis der verschiedenen Tranchen zueinander weiterbesteht.502 Durch vertragliche Gestaltung wäre mithin eine Verknüpfung der Schicksale der Senior Class Tranche und der Subordinated Class Tranche denkbar. Weshalb eine solche Lenkungsmöglichkeit in den Anleihebedingungen nicht vorgesehen werden können sollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr räumt § 8 Abs. 2 S. 1 SchVG ausdrücklich die Möglichkeit ein, den Umfang der Befugnisse des gemeinsamen Vertreters zu konkretisieren. Eine Änderung der Anleihebedingungen – sofern es sich hierbei um eine Herabsetzung von Zins- und/oder Kapitalforderungen, Stundung oder einen vergleichbaren Beschlussgegenstand handelt – hängt dann freilich weiterhin davon ab, dass die Gläubigerversammlung dem gemeinsamen Vertreter hierzu ein Einzelermächtigung zum Verzicht auf ihre Rechte gemäß § 8 Abs. 2, S. 2 und 3 SchVG erteilt. 4. Vereinbarkeit von einseitigen Leistungsbestimmungsrechten mit § 4 SchVG Anleihebedingungen von Zertifikaten sehen oftmals einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Emittenten vor. Unklar ist, inwieweit diese mit dem Grundsatz der kollektiven Bindung zu vereinbaren sind. Bevor diese Problematik eingehend 497

Nodoushani, WM 2012, S. 1798, 1802. Begründung Regierungsentwurf zu § 5 (Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 499 Siehe hierzu Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, § 1, Rn. 37. 500 Ebenfalls für eine privatautonome Regelung in diesem Zusammenhang offenbar Hopt, FS Schwark, S. 441, 450. 501 Auch die Befugnis zur Änderung der Anleihebedingungen durch den gemeinsamen Vertreter bezieht sich jeweils nur auf die entsprechende Serie der Anleihebedingungen und gilt nicht klassenübergreifend, Preuße/Nesselrodt, SchVG, § 8, Rn. 22. 502 Zur Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für verschiedene Gläubigerklassen unter altem Recht vgl. Ansmann, Schuldverschreibungsgesetz, § 1, Rn. 37. 498

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dargestellt und abschließend gelöst wird (F.I.4.b) und F.I.4.c)), ist der Begriff des Zertifikats in den Kontext des SchVG einzuordnen (F.I.4.a)) und eine Definition von Leistungsbestimmungsrechten vorzunehmen (F.I.4.a)aa)). a) Zertifikate als Anlageprodukt Bei Zertifikaten handelt es sich um Anlageprodukte, die zivil- und aufsichtsrechtlich – und damit auch für die Zwecke des Schuldverschreibungsgesetzes503 – als Inhaberschuldverschreibungen einzuordnen sind504 und deren Wertentwicklung von einem Basiswert (Underlying) abhängt.505 Als Basiswerte in Betracht kommen sämtliche liquide Produktklassen, insbesondere Indizes, Aktien, Index- oder Aktienkörbe, Rohstoffe (Commodities), Wechselkurse oder Zinssätze. Die Auswahl an Basiswerten ist letztlich unbegrenzt.506 Hinzu kommt, dass auch die Gestaltungsmöglichkeiten bei den Rückzahlungsmodalitäten derart vielgestaltig sind, dass eine erschöpfende Beschreibung kaum zu leisten ist.507 Die Zertifikate können mit Kapitalgarantie, ohne Kapitalgarantie oder mit teilweiser Kapitalgarantie ausgegeben werden. Bei Zertifikaten mit Kapitalgarantie hängt ausschließlich die Zahlung des Zinskupons von der Entwicklung des Basiswerts ab (Garantie-Zertifikate).508 Zertifikate mit teilweisem Kapitalschutz garantieren zumindest einen bestimmten Rückzahlungsbetrag, solange der Basiswert eine bestimmte Kursschwelle nicht unterschreitet (Bonus-Zertifikate).509 Das gleiche gilt für sogenannte Express-Zertifikate, die aber zusätzlich die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung für den Fall vorsehen, dass der Basiswert eine bestimmte Kursschwelle überschreitet.510 Der Wert des Zertifikats und die Höhe des Rückzahlungsbetrags können sich in streng linearer, annähernd linearer oder gar nicht linearer Abhängigkeit von der Entwicklung des Basiswerts bestimmen.511 Ist die negative Wertentwicklung des Basiswerts maßgeblich, so handelt es sich um Reverse-Zertifikate.512 Partizipiert der Anleger überproportional an der Entwicklung des Basiswerts, ohne jedoch auch 503

Vgl. zum Schuldverschreibungsbegriff des SchVG die Ausführungen unter E.I.2.a). BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 – XI ZR 178/03, WM 2004, S. 1774, 1776; Birnbaum/ Philipp, Anlegerschutz bei strukturierten Produkten, S. 78. 505 Salewski, BKR 2012, S. 100, 101; Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 28. 506 Zerey, Finanzderivate, § 4, Rn. 11. 507 Für den Versuch einer Klassifizierung der einzelnen Produkttypen vgl. Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 41 ff sowie die Klassifizierung des Deutschen Derivate Verbands, URL: http://www.derivateverband.de/MediaLibrary/Document/Derivate-Liga.pdf, Stand: 4. 10. 2012. 508 Die Bezeichnung Garantie-Zertifikat entspricht dem Marktjargon. Zerey, Finanzderivate, § 4, Rn. 30 weist jedoch darauf hin, dass dieser Begriff unzutreffend ist, solange keine externe Bankgarantie mit dem Zertifikat verbunden ist. 509 Salewski, BKR 2012, S. 100, 101. 510 Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 36. 511 Mülbert, WM 2007, S. 1149, 1151. 512 HSBC Trinkaus, Zertifikate und Optionsscheine, S. 195. 504

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einem überproportionalen Verlustrisiko ausgesetzt zu sein, handelt es sich um Outperformance-Zertifikate.513 Zertifikate werden regelmäßig in bar zurückgezahlt. Ist der Basiswert des Zertifikats eine Aktie, können die Zertifikate auch durch die Lieferung von Aktien zurückgezahlt werden. Dies kann z. B. bei Discount-Zertifikaten der Fall sein, die wirtschaftlich einer Aktien-Option gleichen.514 Eine gesonderte Zertifikategruppe bilden schließlich Hebelprodukte, die aufgrund ihrer Struktur ein überproportional hohes Verlustrisiko aufweisen. Zu nennen sind hier beispielhaft Knock-out-Zertifikate, die dem Anleger eine überproportionale Teilhabe an steigenden und fallenden Kursen des Basiswerts ermöglichen, jedoch einen Totalverlust des eingesetzten Kapitals vorsehen, sofern ein bestimmter Schwellenwert unterschritten wird.515 Nicht zuletzt diese Gestaltungsvielfalt von Zertifikaten516 und die daraus zwangsläufig resultierende Komplexität der Emissionsbedingungen können zu Fehlern bei der Dokumentation der Bedingungen führen, die gegebenenfalls nachträglich und möglichst unbürokratisch zu berichtigen sind. Die Abhängigkeit der Zertifikate von Basiswerten als externen Faktoren im Hinblick auf Rückzahlungsund/oder Zinszahlungsmodalitäten kann ferner zügige Anpassungen der Anleihebedingungen in Fällen erfordern, in denen aufgrund von Börsenstörungen oder anderen Ereignissen der Kurs des Basiswerts nicht ermittelt werden kann. In diesen Fällen erlaubt eine Änderung der Bedingungen über § 4 SchVG keine vergleichbare Flexibilität. Eine Abstimmung der Gläubigerversammlung ist zeitraubend, eine Änderung der Bedingungen durch gleichlautenden Vertrag praktisch zumeist unmöglich, da Zertifikate standardisiert und in hoher Zahl aufgelegt werden und somit einen unüberschaubaren Gläubigerkreis haben.517 aa) Zertifikatebedingungen und Leistungsbestimmungsrechte In der Praxis enthalten die Anleihebedingungen oftmals einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Emittenten.518 Dabei handelt es sich um einseitige Einwirkungsbefugnisse des Emittenten, die es diesem ermöglichen – ohne Mitwirkung der 513 Deutscher Derivate Verbands, URL: http://www.derivateverband.de/MediaLibrary/Docu ment/Derivate-Liga.pdf, Stand: 4. 10. 2012. 514 Das entscheidende namensgebende Merkmal von Discount-Zertifikaten ist, dass diese einen Abschlag auf den aktuellen Kurs des Basiswerts gewähren. Etwaige Kursverluste des Basiswerts werden hierdurch abgemildert. Umgekehrt ist dafür auch die Teilhabe an der positiven Wertentwicklung des Basiswerts durch einen Cap begrenzt. 515 Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 193. 516 Für die Strukturierung von Zertifikaten wurde dementsprechend auch der Begriff des „financial engineering“ geprägt, der die zahlreichen Möglichkeiten bei der Gestaltung der Rückzahlungsstrukturen widerspiegeln soll, vgl. Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 27. 517 Verannemann/Oulds, SchVG, § 1, Rn. 28. 518 Vgl. Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402.

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Gläubiger – das Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Anleihegläubigern einseitig zu gestalten.519 Solche Leistungsbestimmungsrechte sind grundsätzlich vor dem Hintergrund des § 315 BGB als Ausdruck der Privatautonomie zulässig, solange die Anleihebedingungen hinreichend konkrete Entscheidungsrichtlinien mit auf den Weg geben.520 Darüber hinaus hält auch die Rechtsprechung Leistungsbestimmungsrechte zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und im Interesse an einer kurzfristigen verbindlichen Entscheidungsmöglichkeit für gerechtfertigt.521 Der Grundsatz der kollektiven Bindung im SchVG hingegen will eine Änderung der Anleihebedingungen nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder durch Gläubigerbeschluss nach Abschnitt 2 des Gesetzes erlauben. Dieser numerus clausus der Änderungsmöglichkeiten stünde einer einseitigen Änderung von Anleihebedingungen durch den Emittenten entgegen und wäre von hoher praktischer Relevanz.522 Zur exakten Bearbeitung dieser Fragestellung soll vorab der Begriff des Leistungsbestimmungsrechts beschrieben werden. Der Vollständigkeit halber soll der Begriff des Leistungsbestimmungsrechts für die Zwecke dieser Arbeit Änderungs-, Bestimmungs- und Berichtigungsvorbehalte sowie Gleitklauseln erfassen.523 bb) Bestimmungsvorbehalte und Gleitklauseln Der Anwendungsbereich des § 4 SchVG ist unproblematisch nicht tangiert, soweit es sich bei den in Rede stehenden Leistungsbestimmungsrechten um Bestimmungsvorbehalte oder Gleitklauseln handelt. Ein Bestimmungsvorbehalt gewährt dem Emittenten das Recht, bestimmte Parameter in den Anleihebedingungen erst nach dem Ende der Zeichnungsfrist endgültig festzusetzen.524 Hierzu zählen etwa Schwellenwerte. Schwellenwerte geben einen bestimmten Wert bezogen auf einen Basiswert wie z. B. eine Aktie oder einen Index an, von dessen Über- oder Unterschreiten die Rückzahlung oder die Verzinsung der Schuldverschreibungen abhängt. In den Angebotsbedingungen wird häufig eine Spanne angegeben, innerhalb derer sich die endgültige Festsetzung des Schwellenwerts bewegen wird. Der exakte Schwellenwert wird erst am

519

Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402. Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402. 521 OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30. Januar 2002 – 21 U 35/01, BeckRS 2002, 17440, Rn. 54. 522 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 14. 523 Bei Gleitklauseln handelt es sich schon begrifflich nicht um Leistungsbestimmungsrechte, die an § 315 BGB zu messen wären. Um das Thema erschöpfend zu bearbeiten, werden aber auch Gleitklauseln in diesem Zusammenhang kurz problematisiert. 524 Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 193. 520

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Ende des Angebotszeitraums, regelmäßig kurz vor oder am Emissionstag festgesetzt.525 Ein Bestimmungsvorbehalt hat, anders als Änderungs- oder Berichtigungsvorbehalte, schon nicht die Änderung der Anleihebedingungen zum Gegenstand, sondern lediglich deren erstmalige Konkretisierung, sodass an sich bereits das Handlungsmerkmal der Änderung der Anleihebedingungen zu verneinen ist.526 Hinzukommt, dass § 4 S. 1 SchVG eindeutig nur die einseitige Änderung von Anleihebedingungen während der Laufzeit der Schuldverschreibungen verbietet. Die Laufzeit der Schuldverschreibungen beginnt aber mit dem Emissionstag, nicht mit dem Beginn der Zeichnungsfrist.527 Im Fall von Bestimmungsvorbehalten, die vor dem Emissionstag ausgeübt werden528, ist daher bereits der zeitliche Anwendungsbereich des § 4 SchVG nicht eröffnet.529 Um eine Gleitklausel handelt es sich hingegen, wenn das in den Anleihebedingungen niedergelegte Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Gläubigern unmittelbar an eine bestimmte Bezugsgröße geknüpft ist. Schwankungen dieser Bezugsgröße haben direkte Auswirkungen auf das Anleiheverhältnis, ohne dass hierzu eine Gestaltungserklärung des Emittenten erforderlich wäre.530 Gleitklauseln regeln z. B. die variable Verzinsung, die an einen Referenzzinssatz geknüpft ist. Trotz der beschriebenen Auswirkungen auf die Rechte der Gläubiger bei Änderungen der Bezugsgröße führen Gleitklauseln nicht zu einer Änderung der Anleihebedingungen. Eine Änderung der Anleihebedingungen nach § 4 SchVG bedarf nämlich wegen des in § 2 SchVG verankerten Skripturprinzips des physischen Vollzugs in der Urkunde

525

Vergleiche zu den zivilrechtlichen und prospektrechtlichen Anforderungen an Bestimmungsvorbehalte die Ausführungen bei Schwark/Zimmer/Heidelbach/Doleczik, KMRK, WpPG, § 5, Rn. 15 f. 526 Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 197. 527 Ebenfalls für den Laufzeitbeginn auf den Begebungstag abstellend Friedl/HartwigJacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 37. Die Laufzeit legt die Dauer der beabsichtigten Kapitalüberlassung fest, Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 289. Dies geschieht regelmäßig am Emissionstag. Die Laufzeit der Schuldverschreibung kann ferner nicht vor Entstehung des Wertpapieres beginnen. Das Wertpapier entsteht jedoch erst nach Ablauf der Zeichnungsfrist. Bezüglich der Entstehung des Wertpapiers wendet die h.M. die modifizierte Vertragstheorie an. Maßgeblich für die Entstehung des Rechts ist danach neben der Ausfertigung der Urkunde als Skripturakt der Begebungsvertrag zwischen dem Aussteller und dem ersten Nehmer, vgl. MünchKommBGB/Habersack, Vor § 793, Rn. 24; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 793, Rn. 7, Zöller, Wertpapierrecht, S. 34. 528 Dies dürfte, bis auf wenige Ausnahmefälle, regelmäßig der Fall sein. 529 Eine Konkretisierung der Anleihebedingungen mittels Bestimmungsvorbehalten während der Zeichnungsfrist wird in § 8 WpPG vorausgesetzt und ist im Ergebnis nach Maßgabe der in § 8 WpPG normierten Erfordernisse zu beurteilen, Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 197. 530 MünchKommBGB/Habersack, § 793, Rn. 50.

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selbst531 oder in den Anleihebedingungen, sofern diese nicht in der Urkunde verkörpert sind.532 Die Anleihebedingungen regeln im Fall einer variablen Verzinsung nur das Verfahren zur Ermittlung des endgültigen Zinssatzes533, Änderungen an der Globalurkunde oder der mit ihr verwahrten Dokumente sind nach Ermittlung des Zinssatzes hingegen nicht erforderlich. cc) Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte Änderungsvorbehalte verleihen dem Emittenten das Recht die Anleihebedingungen einseitig zu ändern, nachdem diese einmal festgelegt worden sind. Relevant wird dies hauptsächlich, wenn Anpassungen des Basiswerts in Folge des Eintritts bestimmter Ereignisse erforderlich werden, die Einfluss auf den Kurs oder die Entwicklung des Basiswerts haben. Handelt es sich um ein Zertifikat mit einer Aktie als Basiswert und führen z. B. eine Kapitalerhöhung oder die Ausschüttung von Sonderdividenden zu Kursschwankungen der Aktie, so erhält der Emittent das Recht bestimmte Parameter, insbesondere Schwellenwerte, in den Zertifikaten entsprechend anzupassen.534 Das gleiche gilt für das Auftreten von Marktstörungen, aufgrund derer der Kurs des Basiswerts möglicherweise nicht oder nicht zuverlässig ermittelt werden kann. Beispielhaft seien hier indexbezogene Schuldverschreibungen genannt, für die das Eintreten bestimmter Rückzahlungsereignisse oder die Höhe des Rückzahlungsbetrages nicht festgestellt werden können, wenn die Berechnung des Index dauerhaft eingestellt wird oder die Performance des Index nicht mehr von der Marktentwicklung abhängig ist, weil sich die Zusammensetzung des Index erheblich verändert hat. In einem solchen Fall werden die Anleihebedingungen in der Regel unterschiedliche Anpassungsmöglichkeiten des Emittenten vorsehen.535 Änderungsvorbehalte spielen jedoch nicht ausschließlich beim Eintritt der eben beschriebenen außergewöhnlichen Ereignisse eine Rolle, sondern können auch zu Restrukturierungszwecken in den Anleihebedingungen vorgesehen werden. Denkbar sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch Schuldnerwechsel536 oder die Änderung von Zahlungsmodalitäten, wie z. B. die Anpassung von Zinsmargen.537 531 Gemäß § 2 S. 3 SchVG werden Änderungen des Inhalts der Urkunde oder der Anleihebedingungen nach Abschnitt 2 SchVG erst wirksam, wenn diese in der Urkunde oder in den Anleihebedingungen selbst vollzogen worden sind. 532 Gemäß § 2 S. 2 SchVG müssen sich die Anleihebedingungen nicht aus der Urkunde selbst ergeben, wenn die Urkunde nicht zum Umlauf bestimmt ist. 533 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 13. 534 Eine ähnliche Darstellung findet sich auch bei Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 486 für Verwässerungsschutzbestimmungen bei Wandelanleihen. 535 Tatsächlich ist regelmäßig in den Anleihebedingungen vorgesehen, dass die Festlegungsstelle zu Anpassungen befugt ist. In der Mehrzahl der Fälle wird jedoch der Emittent auch als Festlegungsstelle fungieren. 536 Die Regelung des § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 SchVG bedeutet nicht, dass die Schuldnerersetzung ausschließlich durch Entscheidung der Gläubigerversammlung vorgenommen werden kann, Verannemann/Verannemann, SchVG, § 5, Rn. 9.

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Einen Sonderfall des Änderungsvorbehalts bildet der Berichtigungsvorbehalt, durch den sich der Emittent die Korrektur offensichtlicher Unrichtigkeiten oder mangelhafter Bestimmungen in den Anleihebedingungen vorbehält.538 Letztlich soll hierdurch die unbürokratische Berichtigung von Fehlern beim Verfassen der Anleihebedingungen ermöglicht werden. b) Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte und die Auslegung des § 4 SchVG Die Ausübung von Änderungs- und Berichtigungsvorbehalten ist keine Umgehung des Gebots der kollektiven Bindung. § 4 SchVG steht der einseitigen Ausübung solcher Rechte durch den Emittenten nicht entgegen, sodass weder ein Gläubigerbeschluss noch ein Vertrag mit allen Gläubigern zur Umsetzung notwendig ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Norm, sondern auch aus deren teleologischer und systematischer Auslegung. Der Emittent übt den Änderungsvorbehalt schon dem Wortlaut nach im Einklang mit § 4 S. 1 SchVG aus. Dies ist erst einmal weniger offensichtlich als im Falle von Gleitklauseln und Bestimmungsvorbehalten, ergibt sich aber aus folgenden Überlegungen: Eine Änderung von Anleihebedingungen ist u. a. durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern möglich, § 4 S. 1 Alt. 1 SchVG. Dabei handelt es sich zivilrechtlich um einen Änderungsvertrag i.S.d. § 311 Abs. 1 BGB, der zweier übereinstimmender Willenserklärungen bedarf.539 Die auf den Abschluss des Änderungsvertrags gerichtete Willenserklärung erteilen sämtliche Gläubiger konkludent mit dem Erwerb der Schuldverschreibungen. Gegenstand dieses Vertrags ist die Änderung der Anleihebedingungen bei Ausübung des Gestaltungsrechts des Emittenten in dem durch die Bedingungen vorgegebenen Rahmen. Die Möglichkeit Gestaltungsrechte rechtsgeschäftlich vorzubehalten und die Einwilligung zur Vornahme etwaiger Änderungsmaßnahmen bereits in den Anleihebedingungen zu erteilen, ergibt sich auch aus der Möglichkeit zur Schuldnerersetzung. Es ist unstreitig, dass diese einseitige Ersetzungsmöglichkeit des Emittenten

537

Hopt, FS Steindorff, S. 341, 361. Ein solcher Berichtigungsvorbehalt hält der BGH – je nach Ausgestaltung – wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unwirksam; BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/ 08, WM 2009, 1500, 1500. Die AGB-rechtliche Wirksamkeit ist aber letztlich getrennt von der Zulässigkeit solcher Bestimmungen unter dem SchVG zu beurteilen. Zur Qualifikation von Anleihebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen sowie zum Verhältnis zwischen AGB-Recht und dem Transparenzgebot des § 3 SchVG siehe F.I.5.d). 539 Palandt/Heinrichs, BGB, § 311, Rn. 3. Das Einverständnis des Emittenten ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, wird aber aufgrund der genannten allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze von der h.M. vorausgesetzt; statt vieler: Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 3. 538

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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bereits in den Anleihebedingungen angelegt werden kann.540 Dies sah der Referentenentwurf aus dem Jahr 2008 in § 23 SchVG ausdrücklich vor und schuf hierfür sogar einen Rechtsrahmen, der verschiedene kumulative Voraussetzungen enthielt.541 Zwar fand diese Regelung keinen Eingang in die geltende Fassung des SchVG, dies bedeutet aber nicht, dass dadurch die Möglichkeit ausgeschlossen werden sollte, ein einseitiges Ersetzungsrecht auch künftig in den Anleihebedingungen vorzusehen.542 Festzuhalten bleibt deshalb, dass offenbar der Gesetzgeber selbst davon ausging, dass etwaige Beschlussgegenstände des § 5 Abs. 3 SchVG bereits in den Anleihebedingungen geregelt werden können, ohne dass hierin ein Verstoß gegen den Grundsatz der kollektiven Bindung zu sehen wäre.543 Auch die ratio legis des § 4 S. 1 SchVG spricht für die Annahme, dass für die Ausübung eines Änderungs- und Berichtigungsvorbehalts ein Gläubigerbeschluss oder ein nochmaliger Vertrag mit allen Gläubigern nicht erforderlich ist. Durch die Ausübung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte seitens des Emittenten wird die Fungibilität der Schuldverschreibungen nämlich gerade nicht beeinträchtigt, da etwaige Änderungen für und gegen alle Gläubiger wirken. Ebenso ist hierdurch auch keine Ungleichbehandlung der Anleihegläubiger möglich, sodass auch § 4 S. 2 SchVG Beachtung findet.544 Da § 4 SchVG praktisch ausschließlich die Wahrung der Fungibilität der Schuldverschreibungen zum Ziel hat – und bis zu einem gewissen Grad auch den Minderheitenschutz überstimmter Gläubiger – ist kaum denkbar, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 4 S. 1 SchVG erschwerte Bedingungen für die Ausübung von Änderungsvorbehalten aufstellen wollte.545 Es spricht vielmehr einiges dafür, dass der Gesetzgeber diesen Fall gar nicht vor Augen hatte.546 Umgekehrt ist kein schützenswertes Interesse der Gläubiger erkennbar, den kostenund zeitaufwendigen Prozess eines Gläubigerbeschlusses zu durchlaufen.547 Schließlich spricht auch der Anwendungsbereich des 2. Abschnitts des SchVG gegen eine Auslegung des § 4 S. 1 SchVG dergestalt, dass auch die Ausübung von 540

Rn. 9. 541

Vgl. hierzu nur Preuße/Vogel, SchVG, § 5, Rn. 44; Verannemann/Oulds, SchVG, § 5,

Siehe hierzu auch Begründung Referentenentwurf zu § 23 (Schuldnerersetzung). Über die Gründe, weshalb § 23 des Referentenentwurfs im Regierungsentwurf nicht mehr berücksichtigt wurde, lässt sich nur spekulieren. Naheliegend ist jedoch die Vermutung, dass der Gesetzgeber die materiellen Voraussetzungen einer einseitigen Schuldnerersetzung nicht abschließend regeln wollte. 543 Verannemann/Verannemann, SchVG, § 5, Rn. 9. 544 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 17; Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 33. 545 Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 33. 546 Insbesondere findet sich in der Gesetzesbegründung keine Bezugnahme auf die Vereinbarkeit von Änderungsvorbehalten mit § 4 SchVG. Anders ist dies hingegen im Zusammenhang mit der kollektiven Bindung bei gerichtlich herbeigeführten Änderungen der Anleihebedingungen. Die Klärung dieser Frage hat der Gesetzgeber ausdrücklich Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen. Vgl. hierzu auch F.III. 547 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 480. 542

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Änderungsvorbehalten eines Gläubigerbeschlusses bedarf. Die Vorschriften des 2. Abschnitts finden nämlich aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Ermächtigungslösung nur Anwendung, wenn dies in den Anleihebedingungen auch vorgesehen ist (§ 5 Abs. 1 S. 1. SchVG).548 Für den Fall, dass Abschnitt 2 SchVG in den Anleihebedingungen nicht für anwendbar erklärt wurde, gilt die kollektive Bindung des § 4 S. 1 SchVG dennoch, da es sich bei dieser Norm um zwingendes Recht handelt. Tritt nun der Fall ein, dass die Vorschriften des 2. Abschnitts des SchVG in den Anleihebedingungen nicht für anwendbar erklärt werden, wäre zur Umsetzung von Änderungsvorbehalten stets ein Vertrag mit allen Gläubigern erforderlich.549 Dies ist gerade im Bereich der Zertifikate, aber auch bei sonstigen Emissionen mit einer niedrigen Stückelung und einem weiten Anlegerkreis, kaum praktikabel und kann nicht im Interesse der Anleihegläubiger liegen. Gerade im Falle von Marktstörungen oder bei einer Anpassung der Anleihebedingungen aufgrund von Verwässerungsschutzbestimmungen dienen etwaige Änderungsvorbehalte auch dem Anlegerschutz. Beispielhaft sind hier Knock-out-Zertifikate zu nennen, deren Basiswert eine Aktie bildet. Führt die aktienausgebende Gesellschaft eine Kapitalerhöhung durch, so hat dies regelmäßig einen erheblichen Abschlag auf den Aktienkurs zur Folge.550 Würde als Reaktion auf die durchgeführte Kapitalerhöhung der Schwellenwert des Zertifikats nicht angepasst, bestünde die Gefahr, dass der Kurs der Aktie unter den zum Emissionszeitpunkt festgelegten Schwellenwert sinkt und das Zertifikat hierdurch einen vollständigen Wertverlust erleidet (Knock-out). Die historische Betrachtung von Änderungsvorbehalten spricht gleichermaßen für deren Zulässigkeit. Das SchVG von 1899 stand der Änderung von Anleihebedingungen mittels kautelarischer Regelungen neutral gegenüber.551 Ihre Wirksamkeit war in erster Linie an § 796 BGB sowie an den Vorschriften des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu messen.552 Da die Modernisierung des SchVG nicht von dem Gedanken getragen war, Leistungsbestimmungsrechte von nun an anders zu bewerten553, ergibt sich aus diesem Vergleich ebenfalls die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Leistungsbestimmungsrechte unter dem SchVG.

548

Vgl. zur Ermächtigungslösung E.III.2.a). Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402. 550 Kursabschläge können sich daraus ergeben, dass der künftige Gewinn der Gesellschaft auf mehr Aktien zu verteilen ist, kurzfristig ein hohes Angebot auf noch nicht vorhandene Nachfrage trifft und die Anteile der bisherigen Aktionäre verwässert werden können; vgl. Krämer/Teigelack, AG 2012, S. 20, 22. 551 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 245; Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402. 552 Hopt, FS Steindorff, S. 341, 361 ff. 553 Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 402. 549

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c) Ausgestaltung einseitiger Änderungsvorbehalte Soweit Leistungsbestimmungsrechte bereits in die Anleihebedingungen aufgenommen wurden, liegt keine Umgehung des § 4 SchVG vor. Gläubigerrechte, die nach geltendem Recht nur durch die im SchVG vorgegebenen Mechanismen beschränkt werden können, werden nicht beschnitten.554 Voraussetzung ist aber, dass solche Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte in den Anleihebedingungen hinreichend konkretisiert werden.555 Der Rahmen, innerhalb dessen eine einseitige Ausgestaltung durch den Emittenten vorgenommen werden kann, ist klar und eindeutig vorzugeben. Dies verlangen nicht nur Skripturprinzip556, Transparenzgebot557 und AGB-Recht558, sondern auch die gesetzliche Vorgabe des § 4 SchVG. Nur dann verbleibt ein ausreichend großer Anwendungsbereich für eine Änderung von Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag oder durch Mehrheitsbeschluss.559 Dieses Erfordernis einer hinreichenden Konkretisierung von Änderungs- und Berichtigungsvorbehalten bereits in den Anleihebedingungen wird auch durch § 23 des Referentenentwurfs unterstrichen.560 Dieser stellte präzise Regeln für die Schuldnerersetzung durch Ausübung eines Gestaltungsrechts seitens des Emittenten auf und sah darin keinen Widerspruch zum Grundsatz der kollektiven Bindung, solange die gesetzlichen Vorgaben beachtet wurden.561 Ein Generalvorbehalt für Änderungen der Schuldverschreibungsbedingungen – gleichgültig ob zugunsten des Emittenten oder der Gläubiger – kommt hingegen der unilateralen Festlegung von Änderungen gleich und verletzt die vorgegebenen Änderungsmechanismen des SchVG.562

554

Bliesener, FS Hopt, S. 355, 359. Bliesener, FS Hopt, S. 355, 360. 556 Bliesener, FS Hopt, S. 355, 357 f. 557 Siehe zu den Anforderungen, die das Transparenzgebot an Gestaltungsrechte des Emittenten in den Anleihebedingungen stellt Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 70 ff. 558 Siehe hierzu Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 199; Stoffels, Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft, S. 89, 95. 559 Bliesener, FS Hopt, S. 355, 360. 560 § 23 des Referentenentwurfs forderte in diesem Zusammenhang, dass der bisherige Schuldner zu mindestens 90 Prozent am neuen Schuldner beteiligt ist, der neue Schuldner alle Verpflichtungen aus und im Zusammenhang mit den Schuldverschreibungen übernimmt, haftendes Vermögen des bisherigen Schuldners auf den neuen Schuldner übergeht und alle bisherigen Sicherheiten gleichwertig erhalten bleiben. 561 Der Umstand, dass sich § 23 des Referentenentwurfs nun nicht im SchVG findet, bedeutet hingegen nicht, dass eine Schuldnerersetzung ohne Zustimmung der Anleihegläubiger nicht mehr möglich sein soll. Vielmehr ist dies auf die Erkenntnis des Gesetzgebers zurückzuführen, dass eine gesetzliche Regelung nicht erforderlich ist, da die Praxis in diesem Fall der Gesetzgebung einen Schritt voraus ist und entsprechende detaillierte Regelung zur Schuldnerersetzung regelmäßig in die Anleihebedingungen implementiert; Friedl/Hartwig-Jacob/ Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 99. 562 Bliesener, FS Hopt, S. 355, 360. 555

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Unverzichtbar ist ferner die Gleichbehandlung aller Gläubiger bei der Ausgestaltung bzw. der Ausübung etwaiger Leistungsbestimmungsrechte.563 Die Fungibilität der Schuldverschreibungen wurde nämlich für rechtsgeschäftliche Änderungen von Anleihebedingungen als allgemeiner Rechtsgrundsatz in das SchVG aufgenommen. Da hier die Ansicht vertreten wird, dass es sich um einen Änderungsvertrag i.S.d. § 4 S. 1 Alt. 1 SchVG handelt, zu dem die Anleihegläubiger ihre Zustimmung bereits vorab erteilen, findet auch das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG Anwendung. Die Befreiung von der üblichen Vorgehensweise (nämlich der gleichzeitig erteilten Zustimmung) darf nicht zu einer Umgehung der kollektiven Bindung führen. Neben einer genauen Vorgabe des Rahmens, innerhalb dessen Änderungen durch Ausübung von einseitigen Gestaltungsrechten seitens des Emittenten vorgenommen werden können, ist auch jede dieser Änderungen der Anleihebedingungen den Anleihegläubigern bekannt zu machen.564 5. Exkurs: AGB-rechtliche Inhaltskontrolle von Schuldverschreibungen und Transparenzgebot Die Frage nach der AGB-Qualität von Anleihebedingungen und etwaigen Folgen für die Gestaltung derselben in der Praxis beschäftigt Wissenschaft und Rechtsprechung spätestens seit Hopt diese Thematik in seinem Vortrag vor dem Banking Law Regional Committee Germany/Switzerland der International Bar Association in Frankfurt am 8. September 1989 in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt hat.565 Diskutiert werden nicht nur die AGB-Qualität von Anleihebedingungen schlechthin, sondern darüber hinausgehend die Frage der Einbeziehung von Anleihebedingungen nach § 305 Abs. 2 BGB sowie der Umfang und der Maßstab der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Urteile des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2005 und 2009 führten dazu, dass diese Fragen, auch mangels neuer Impulse, für die Praxis als vorerst geklärt gelten konnten. Die Einführung des Transparenzgebots im SchVG hat die Diskussion allerdings neu entfacht. Auf den ersten Blick besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der Problematik der in § 4 SchVG verankerten kollektiven Bindung, der Frage nach der AGB-Qualität von Anleihebedingungen sowie dem in § 3 SchVG stipulierten Transparenzgebot.566 Tatsächlich stößt jedoch eine isolierte Betrachtung des Umfangs der kollektiven Bindung ohne Berücksichtigung AGB-rechtlicher Gesichtspunkte oftmals an ihre Grenzen. Deutlich wird dies u. a. bei der Frage nach der 563 So jedenfalls Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 245 zur Änderung von Anleihebedingungen durch Bestimmung des Schuldners unter dem SchVG von 1899. 564 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 480. 565 Der Vortrag ist abgedruckt in Hopt, FS Steindorff, S. 341, 341 ff. 566 Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 196.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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Anwendbarkeit der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.567 Wäre die Geltung der Richtlinie in Bezug auf Anleihebedingungen zu bejahen, so würde dies möglicherweise auch die Antwort auf die Frage nach der kollektiven Bindung von Gerichtsentscheidungen bei Individualklagen teilweise vorwegnehmen.568 Auch im Zusammenhang mit Leistungsbestimmungsrechten bei Zertifikaten stellt sich regelmäßig nicht nur das Problem, ob derartige Leistungsbestimmungsrechte gegen den Grundsatz der kollektiven Bindung verstoßen, sondern auch, ob AGB-rechtliche Grundsätze oder das Transparenzgebot des § 3 SchVG tangiert sind.569 Schließlich ist zu diskutieren, ob die Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglicherweise unmittelbar die kollektive Bindung der Schuldverschreibungen gefährdet (vgl. hierzu auch ausführlich Abschnitt F.IV.2.b)). An dieser Stelle soll zum besseren Verständnis ein Überblick zum aktuellen Stand der Literatur und Rechtsprechung hinsichtlich der AGB-Qualität von Anleihebedingungen sowie zu den Einbeziehungsvoraussetzungen und den Maßstäben einer Inhaltskontrolle gegeben werden. Abschließend soll dargestellt werden, wie sich eine AGB-Kontrolle zum Transparenzgebot des § 3 SchVG verhält. Eine umfassende Analyse der gesamten AGB-Problematik bei Anleihebedingungen kann diese Arbeit allerdings nicht leisten. a) Anleihebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen Hinsichtlich der Darstellung der AGB-Qualität von Anleihebedingungen ist zwischen Eigen- und Fremdemissionen zu unterscheiden. Erstere bezeichnen Emissionen, bei denen sich der Emittent direkt an potentielle Investoren wendet, ohne einen Intermediär oder Zwischenhändler einzuschalten.570 Fremdemissionen sind dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise eine Bank oder ein Bankenkonsortium die Schuldverschreibungen des Emittenten abnimmt und ihrerseits an die Anleger weiterverkauft.571 aa) Die AGB-Qualität von Anleihebedingungen bei Eigenemissionen Nach überwiegender Ansicht sind Anleihebedingungen von Schuldverschreibungen, die im Wege der Eigenemission begeben werden, Allgemeine Geschäfts567 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 S. 29). 568 Vgl. hierzu F.III.1. Vgl. zur Problematik der Anwendbarkeit des UKlaG auf Anleihebedingungen ausführlich von Randow, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 26. 569 Siehe hierzu Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 199 ff. sowie die Darstellung bei Hopt, FS Steindorff, S. 341, 364 ff. 570 Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 126 ff. 571 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, S. 59.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

bedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB.572 Diese Auffassung überzeugt. Anleihebedingungen sind nämlich für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die vom Emittenten bei Vertragsabschluss gestellt werden. Vertragsbedingungen sind sämtliche Regelungen, die den Vertragsinhalt gestalten sollen und Bestandteil eines zwischen dem Verwender und dem Vertragspartner abzuschließenden Rechtsgeschäfts sind. Die Schuldverschreibungen selbst begründen zwar kein vertragliches Rechtsverhältnis, sondern verbriefen nur ein Recht.573 Die Anleihebedingungen sind jedoch als Teil des Begebungsvertrags zwischen dem Emittenten und dem Ersterwerber der Anleihe zu qualifizieren, sodass es sich bei den Anleihebedingungen um Vertragsbedingungen des Begebungsvertrags handelt.574 Da bei der Ausarbeitung der Anleihebedingungen kein Übernahmekonsortium beteiligt ist, sondern diese allein in den Händen des Emittenten liegt, sind die Anleihebedingungen auch als vom Emittenten „gestellt“ anzusehen. Die Voraussetzung der Geltung der Bedingungen für eine Vielzahl von Verträgen ist erfüllt, da der Emittent mit jedem Ersterwerber der Anleihe einen Begebungsvertrag schließt.575 Eine Anwendung der Vorschriften der §§ 305 ff. BGB ist auch nicht gemäß § 310 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. § 310 Abs. 4 BGB schließt die Anwendung des AGBRechts für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts aus. Allerdings besteht zwischen dem Emittenten und den Anleihegläubigern kein Gesellschaftsverhältnis (vgl. hierzu die Darstellung unter Abschnitt D.II.1.b)).576 Allein die Tatsache, dass das Schuldverhältnis der Gläubiger gegenüber dem Emittenten als Gesellschaft besteht, rechtfertigt nicht die Anwendung des § 310 Abs. 4 BGB.577

572 Begründung Regierungsentwurf AGBG zu § 2 (Einbeziehung in den Vertrag), BTDrucks. 7/3919 vom 6. 8. 1975; BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 314; Hopt, FS Steindorff, S. 341, 364; Bunte, AGB-Banken, Sonderbedingungen Wertpapiergeschäfte, Rn. 7; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 58; von Randow, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 23; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 222; a.A. Assmann, WM 2005, S. 1053, 1957. 573 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 213. 574 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 213 f.; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 56. Etwas missverständlich insoweit Bliesener, FS Hopt, S. 355, 362, der den Anleihebedingungen selbst Vertragscharakter zuweisen will. 575 Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 57. 576 Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 147 f.; ebenso OLG München, Urteil vom 12. Januar 2012 – 23 U 2737/11, WM 2012, S. 603, 606; a.A. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 639 ff., der sich aufgrund der Vergleichbarkeit der verfassten Gläubigerschaft mit der Aktiengesellschaft zumindest für eine analoge Anwendbarkeit der Vorschrift des § 310 Abs. 4 BGB ausspricht. 577 von Randow, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 35; Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 147 f.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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bb) Die AGB-Qualität von Anleihebedingungen bei Fremdemissionen Werden die Schuldverschreibungen durch ein Bankenkonsortium platziert, hängt es von der konkreten Art der Begebung ab, ob die Anleihebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen sind. Zwar sind Anleihebedingungen auch bei einer Fremdemission als Vertragsbedingungen anzusehen. Allerdings werden die Anleihebedingungen regelmäßig zwischen dem Emittenten und dem Übernahmekonsortium ausgehandelt und sind deshalb nicht vom Emittenten „gestellt“. Etwas anderes gilt lediglich in den Fällen, in denen der Emittent trotz der Übernahme der Schuldverschreibungen durch ein Bankenkonsortium, über den Inhalt der Anleihebedingungen eigenständig entscheidet und keine Verhandlungen diesbezüglich stattfinden. Dies dürfte aber selten der Fall sein. Da die Banken des Übernahmekonsortiums das wirtschaftliche Risiko der Platzierung der Schuldverschreibungen tragen, sind sie auch regelmäßig in die inhaltliche Ausgestaltung der Anleihebedingungen involviert.578 Gegen den AGB-Charakter von Anleihebedingungen bei einer Fremdemission spricht ferner, dass dem Emittenten als Ersterwerber möglicherweise kein Konsortium von Banken gegenübersteht, sondern nur eine einzelne Bank, die sich zur Übernahme verpflichtet hat. Das Merkmal der „Vielzahl von Verträgen“ ist in diesem Fall nicht erfüllt, da lediglich ein einzelner Übernahmevertrag zwischen der Bank und dem Emittenten abgeschlossen wird. Eine Vielzahl von Verträgen wird zwar nach der Übernahme der Schuldverschreibungen zwischen der übernehmenden Bank und den Anlegern abgeschlossen. An diesem Rechtsverhältnis ist der Emittent allerdings nicht mehr beteiligt.579 Im Falle einer Fremdemission erfüllen Anleihebedingungen daher nur dann die Merkmale von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn die Anleihebedingungen nicht zwischen dem Emittenten und den Banken ausgehandelt wurden und der Emittent mehrere Übernahmeverträge mit den beteiligten Banken abschließt. Der BGH nimmt indes bei der Feststellung des AGB-Charakters von Anleihebedingungen keine Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdemissionen vor. Er geht stattdessen ohne weitere Begründung davon aus, dass Anleihebedingungen unabhängig von der Art und Weise der Begebung als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind.580

578 579 580

Assmann, WM 2005, S. 1053, 1063. Fritzsche, Anlegerschutz bei Zertifikaten, S. 152. BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 315.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

b) Die Einbeziehung von Anleihebedingungen gemäß § 305 Abs. 2 BGB Obwohl Anleihebedingungen nach der hier vertretenen Ansicht in zahlreichen Fällen als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB zu qualifizieren sind, wird – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – die Wirksamkeit ihrer Einbeziehung nicht nach § 305 Abs. 2 BGB geprüft und sie sind auch nicht Gegenstand der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Die verbleibenden anwendbaren AGB-rechtlichen Vorschriften sind lediglich die §§ 305b – 306a BGB. Von besonderer Relevanz dürfte die Regelung des § 305c BGB zu überraschenden und mehrdeutigen Klauseln sein.581 Allgemeine Geschäftsbedingungen werden gemäß § 305 Abs. 2 BGB nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Vertragspartner ausdrücklich auf ihre Geltung hingewiesen wurde, er die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme hatte und mit der Geltung der Bedingungen einverstanden ist. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass diese Anforderungen nur für den Fall der Erstbegebung gelten und es einer erneuten Einbeziehung gegenüber etwaigen Zweiterwerben nicht mehr bedarf.582 Bei einer Eigenemission führt dies dazu, dass die genannten Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB für die Einbeziehung gegenüber jedem Ersterwerber der Schuldverschreibungen zu erfüllen sind. Werden die Voraussetzungen nicht eingehalten, sind die Anleihebedingungen auch nicht Vertragsbestandteil geworden.583 Etwaige Zweiterwerber können dann, da es bei ihnen auf eine Einbeziehung nicht mehr ankommt, nicht sicher sein, ob sie eine Anleihe erwerben, deren Bedingungen überhaupt wirksam einbezogen wurden, wodurch wiederum die Fungibilität der Schuldverschreibungen in Frage gestellt würde.584 Für die Fremdemission stellt sich das Problem nicht im gleichen Maße, da es sich bei den Mitgliedern des Bankenkonsortiums um Unternehmer i.S.d. § 14 BGB handelt und somit eine wirksame Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB wegen § 310 Abs. 1 S. 1 BGB entbehrlich ist.585 Somit wären die Anleihebedingungen in diesem Fall stets einbezogen und etwaige Zweiterwerber könnten von einer Geltung

581

OLG München, Urteil vom 12. Januar 2012 – 23 U 2737/11, WM 2012, S. 603, 606 hält die Unklarheitenregel des § 305c BGB jedenfalls für anwendbar. 582 Diese führt aus, dass „sich die Rechte des jeweiligen Inhabers gegen den Aussteller, nachdem sie durch die erste Begebung geschaffen worden sind, ohne weiteres nach den Anleihebedingungen bestimmen, ohne dass es insoweit der Wahrung der in § 2 genannten Voraussetzungen bedarf“; Begründung Regierungsentwurf AGBG zu § 2 (Einbeziehung in den Vertrag), BT-Drucks. 7/3919 vom 6. 8. 1975. 583 Assmann, WM 2005, S. 1053, 1060. 584 Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 66. 585 BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 316.

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der Bedingungen ausgehen.586 Dies wiederum führt zu einer ungerechtfertigten Differenzierung zwischen Fremd- und Eigenemissionen.587 Diesen Schwierigkeiten bei der Einbeziehung von Anleihebedingungen hat der BGH durch eine funktionale Reduktion des Tatbestandes des § 305 Abs. 2 BGB Rechnung getragen.588 Danach unterliege der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AGBG mit Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers, den Rechtsverkehr durch § 2 AGBG nicht unnötig zu behindern und Teilschuldverschreibungen als fungible Wertpapiere auszugestalten, einer funktionalen Reduktion. […] Da § 2 Abs. 1 AGBG nicht anwendbar ist, genügt für die Einbeziehung der Anleihebedingungen in den Vertrag zwischen den Parteien eine zumindest konkludente Einbeziehungsvereinbarung.589

Dies sei zur Wahrung der Fungibilität der Schuldverschreibungen und damit der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts geboten. Anderenfalls sei für die Rechtsnachfolger der Ersterwerber nicht sicher erkennbar, ob die Anleihebedingungen wirksam Vertragsbestandteil geworden seien. Für Anleihebedingungen gelten mithin erleichterte Einbeziehungsvoraussetzungen und § 305 Abs. 2 BGB finde keine Anwendung. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Würde man fordern, dass eine Einbeziehung der Anleihebedingungen den Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB genügen muss, wäre dies mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Damit würde aber die Schuldverschreibung ihrer Funktion als schnell handelbares und stets liquides Kapitalmarktinstrument beraubt werden. c) Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen Im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen ist eine solche wegen § 307 Abs. 3 BGB nur möglich, soweit es sich um Bestimmungen handelt, die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbaren. Reine Leistungsbeschreibungen sind einer Inhaltskontrolle nicht zugänglich.590 Für Anleihebedingungen bedeutet dies, dass jedenfalls die Modalitäten für die Verzinsung und die Rückzahlung sowie die vorgesehenen Kündigungsrechte der Schuldverschreibungen nicht der Inhaltskontrolle unterliegen, da diese die zu er-

586 A.A. Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 241. 587 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 3, Rn. 28 und 32 lehnen in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Fremdund Eigenemissionen sogar grundsätzlich ab. 588 BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 315. 589 BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 315 ff. 590 Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 95; Bamberger/Roth/Wurmnest, BGB, § 307, Rn. 76; BeckOK/Schmidt, § 307, Rn. 76.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

bringende Leistung selbst beschreiben.591 Etwaige Nebenbestimmungen sollen aber anhand AGB-rechtlicher Maßstäbe überprüfbar bleiben. Welche Bestimmungen hierzu im Einzelnen zählen sollen, ist jedoch wiederum heftig umstritten.592 Für die Frage, ob es sich um inhaltskontrollfreie Klauseln handelt, lautet der Test, ob die entsprechenden Klauseln nicht hinweggedacht werden können ohne dass gleichzeitig auch der Regelungsgehalt des Vertrags insgesamt mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit entfiele.593 Umgekehrt bedeutet dies, dass Klauseln weiterhin dann einer Inhaltskontrolle zu unterziehen sind, wenn diese die Bestimmtheit des Wertpapiers nicht berühren. Orientierung bietet insoweit die Entscheidung des BGH vom 30. Juni 2009.594 In besagtem Fall war Gegenstand der Inhaltskontrolle eine Klausel, wonach dem Emittenten einseitig das Recht zustehen sollte die Anleihebedingungen zu ändern sofern dies dazu diene, einen offensichtlichen Irrtum zu berichtigen. Nach Auffassung des Gerichts verstößt eine solche Klausel gegen § 308 Nr. 4 BGB. Ob die Annahme eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB tatsächlich sachgerecht ist, mag an dieser Stelle dahingestellt bleiben. In jedem Fall gibt die Rechtsprechung an dieser Stelle für die Praxis eine eindeutige Linie vor, dass jedenfalls solche Klauseln, die keine unmittelbare Beschreibung des Leistungsgegenstandes enthalten, der Inhaltskontrolle zugänglich sind. Sieht man von Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von kontrollfreien und kontrollpflichtigen Klauseln einmal ab, spricht darüber hinaus auch das Erfordernis eines einheitlichen Kontrollmaßstabs für Schuldverschreibungen595 und die unterschiedlichen Kontrollmaßstäbe des AGB-Recht für Verbraucher und Unternehmer gegen die Durchführung einer Inhaltskontrolle.596 Unterzieht man Anleihebedingungen trotz der beschriebenen Schwierigkeiten einer Inhaltskontrolle und stellen sich einzelne Bestimmungen als unwirksam heraus, so sieht § 306 Abs. 2 BGB vor, dass sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Da für Schuldverschreibungen kein gesetzliches Leitbild existiert597, ist insoweit unklar, welche gesetzlichen Bestimmungen an die 591 Assmann, WM 2005, S. 1053, 1058; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 97; Hopt, FS Steindorff, S. 341, 370; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht. § 307 BGB, Rn. 64; a.A. BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, S. 1500, 1502, der ohne weitere Begründung die Anleihebedingungen im vorliegenden Fall einer vollumfänglichen richterlichen Inhaltskontrolle unterwirft. 592 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 485; vgl. auch Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 97, der darauf hinweist, dass eine abstrakte Bestimmung der Klauseln, die der Inhaltskontrolle unterliegen ohnehin nicht möglich ist, da dies auch von der Art der Schuldverschreibung abhänge. Assmann, WM 2005, S. 1053, 1058 will hingegen in Anbetracht dieser Schwierigkeiten Anleihebedingungen insgesamt von einer Inhaltskontrolle ausnehmen. 593 Assmann, WM 2005, S. 1053, 1059. 594 BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, S. 1500, 1502. 595 Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 648; Bungert, DZWir 1996, S. 185, 193. 596 Siehe hierzu ausführlich F.IV.2.b). 597 Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 639 f. Ähnlich Assmann, WM 2005, S. 1053, 1058, der u. a. aus diesem Grund eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen insgesamt ablehnt.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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Stelle der unwirksamen Anleihebedingung(en) treten sollen. Vereinzelt werden hierfür die Bestimmungen der §§ 488 ff. BGB über Darlehensverträge vorgeschlagen.598 In Fällen, in denen Schuldverschreibungen zum Zwecke der Fremdkapitalaufnahme ausgegeben werden, mag dies noch zu rechtfertigen sein.599 Sobald es sich um strukturierte und damit darlehensferne Produkte handelt, erscheint ein Rückgriff auf die §§ 488 ff. BGB hingegen nicht sachgerecht. In beiden Fällen gilt zudem, dass die Vorschriften des Darlehensrechts nicht auf die Geldüberlassung durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen zugeschnitten sind. Die §§ 488 ff. BGB sind nämlich vorwiegend von dem Gedanken getragen, den Darlehensnehmer als die tendenziell schwächere Partei zu schützen.600 Bei der Geldaufnahme am Kapitalmarkt zeigt sich hingegen typischerweise ein umgekehrtes Bild: Der „Darlehensgeber“, sprich der Anleger, als der regelmäßig schwächere Marktteilnehmer ist schutzbedürftig.601 Der Schutz des Anleihegläubigers ist deshalb Gegenstand kapitalmarktrechtlicher Vorschriften, einschließlich kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten. Zum einen findet eine ausführliche Aufklärung durch den Wertpapierprospekt statt (sofern es sich um ein prospektpflichtiges Angebot handelt), der umfangreich über die Chancen und Risiken des angebotenen Wertpapiers informiert und gemäß §§ 21 ff. WpPG von einer Haftung für Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit flankiert wird.602 Zum anderen stellen die §§ 31 ff. WpHG eine anleger- und anlagegerechte Beratung zukünftiger Gläubiger beim Abschluss von Wertpapiergeschäften sicher. Eine derartige Verschiebung auf aufsichtsrechtliche Mechanismen ist auch sachgerecht. Denn das Ziel des Anlegerschutzes kann sinnvollerweise nur sein, dem Anleger eine informierte und aufgeklärte Produktwahl zu ermöglichen und nicht die inhaltliche Richtig- oder Gerechtigkeitsgewähr eines Finanzprodukts.603 Wurden mithilfe des Wertpapierrospekts sowie im Rahmen der Anlageberatung entsprechend den gesetzlichen Maßstäben die bestehenden Aufklärungs- und Informationspflichten beachtet und über Chancen und Risiken eines Finanzprodukts aufgeklärt, so ist für eine Inhaltskontrolle der Anleihebedingungen weder Raum noch Bedarf. Dies gilt umso mehr nach Einführung des § 3 SchVG, der zusätzlich die Transparenz der Anleihebedingungen sichert.604 Schlussendlich spricht auch der Wille des Gesetz598

Für eine mittelbare Anwendung dieser Vorschriften MünchKommBGB/Habersack, § 793, Rn. 49, Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 54. 599 Ähnlich Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 640, der darauf hinweist, dass ein Vergleich mit dem Darlehen höchstens als Erklärung der ökonomischen Funktion von Anleihen geeignet sei. 600 So wohl auch Schwintowski, Bankrecht, § 13, Rn. 152 ff., der davon ausgeht, dass zwischen den Vertragsparteien eines Darlehensvertrags ein strukturelles Ungleichgewicht bestehe, dem durch Schutzpflichten des Darlehensgebers entgegenzutreten ist. 601 Schimansky/Bunte/Lwowski/Seiler/Kniehase, Bankrechts-Handbuch, Vor § 104, Rn. 91 ff. 602 Gottschalk, ZIP 2006, S. 1121, 1127. 603 Baum, FS Hopt, S. 1595, 1612. 604 Siehe hierzu nachfolgenden Abschnitt F.I.5.d)aa).

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

gebers nicht gegen einen Ausschluss der Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf Anleihebedingungen. Zwar schloss Artikel 1 Nr. 2 des Diskussionsentwurfs SchVG die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Anleihebedingungen noch ausdrücklich aus.605 Aus dem Umstand, dass Artikel 1 Nr. 2 des Diskussionsentwurfs SchVG keinen Eingang in das SchVG gefunden hat, ist jedoch nicht im Umkehrschluss zu schließen, dass der Gesetzgeber Anleihebedingungen einer Inhaltskontrolle unterstellen wollte. Vielmehr wurde die Anwendbarkeit des AGB-Rechts in der Gesetzesbegründung zum SchVG ausdrücklich offengelassen.606 Deutlich wird insgesamt, dass die Kontrolle von Anleihebedingungen unter AGBGesichtspunkten bisher als nicht abschließend geklärt gelten kann. Die besseren Gründe sprechen allerdings nach dem oben Gesagten dafür, dass die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB auf Anleihebedingungen nicht anwendbar sind. d) Das Transparenzgebot im SchVG und die Weitergeltung des AGB-Rechts Zusätzliche Unsicherheit wurde in diesem Zusammenhang durch die Neueinführung des Transparenzgebots in § 3 SchVG geschaffen. Im Folgenden wird deshalb das Transparenzgebot des § 3 SchVG kurz skizziert, ehe im zweiten Schritt sein Verhältnis zum AGB-Recht dargestellt wird. aa) Das Transparenzgebot des § 3 SchVG § 3 SchVG bestimmt: Nach den Anleihebedingungen muss die vom Schuldner versprochene Leistung durch einen Anleger, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist, ermittelt werden können.

Hintergrund dieser Vorschrift sind die – insbesondere bei strukturierten Produkten – häufig komplexen Leistungsbeschreibungen, die Anlegern das Verständnis der Verzinsungs- und Rückzahlungsmodalitäten erschweren.607 Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Transparenz der Anleihebedingungen zu stellen sind, soll es auf den Verständnishorizont eines sachkundigen Anlegers ankommen. Der Gesetzgeber erachtet folglich einen objektiven, für alle Gläubiger geltenden Prüfungsmaßstab für maßgeblich.608 Diese Entscheidung ist vor dem 605

Gottschalk, ZIP 2006, S. 1121, 1127. Begründung Regierungsentwurf Allgemeiner Teil, BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; Baum, FS Hopt, S. 1595, 1597. 607 Begründung Regierungsentwurf zu § 3 (Transparenz des Leistungsversprechens), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 7; Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 194. 608 Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 648. 606

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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Hintergrund der in § 4 SchVG eingeführten kollektiven Bindung auch konsequent.609 Soweit der Grundsatz der kollektiven Bindung zum Ziel hat, die Fungibilität der Wertpapiere sicherzustellen, muss dies auch bei der Anwendung des Transparenzgebots berücksichtigt werden. Dem stünde es aber entgegen, wenn für unterschiedliche Gläubigergruppen unterschiedliche Transparenzmaßstäbe gelten würden.610 Den Begriff des sachkundigen Anlegers hat der Gesetzgeber nicht im SchVG definiert. Der sachkundige Anleger hat dem Wortlaut nach jedoch nicht nur erweiterte Kenntnisse gegenüber dem Durchschnittsanleger611, sondern auch gegenüber dem verständigen Anleger.612 Der Inhalt der Sachkunde ist abstrakt zu bestimmen. Als Richtwert soll der durchschnittliche Erfahrungsgrad des fiktiven Referenzanlegers dienen.613 Zur Bestimmung des Referenzanlegers ist wiederum das Augenmerk auf das Profil des vom Emittenten gewählten Investorenkreises zu richten.614 Emissionen mit einer Stückelung von tausend Euro oder weniger, die sich an nicht qualifizierte Investoren richten, haben folglich einem strengeren Transparenzmaßstab zu folgen als solche, die sich vornehmlich an institutionelle Investoren richten. Zu den Folgen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot schweigt das SchVG.615 Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass je nach Schwere des Verstoßes entweder die Auslegung der Anleihebedingungen, ein Anspruch aus § 311 Abs. 2 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB oder die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Betracht kommt.616 bb) Das Verhältnis des Transparenzgebots zum AGB-Recht Soweit § 3 SchVG auf Schuldverschreibungen Anwendung findet,617 ist dieser unstreitig lex specialis gegenüber dem AGB-rechtlichen Transparenzgebot des § 307 609 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 3, Rn. 5; Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 136. 610 Podewils, ZHR 174 (2010), S. 192, 195; Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 137. 611 Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 398. 612 Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 140. 613 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 486. 614 Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 18. 615 Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1916. 616 Begründung Regierungsentwurf zu § 3 (Transparenz des Leistungsversprechens), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 617 Wegen des zwingenden Charakters der §§ 1 – 4 SchVG findet § 3 SchVG auf sämtliche Schuldverschreibungen Anwendung, die nicht durch § 1 Abs. 2 SchVG vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind, namentlich Pfandbriefe und Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand; Horn, BKR 2009, S. 446, 453; a.A. Friedl/Hartwig-Jacob/HartwigJacob, SchVG, § 3, Rn. 22, mit dem Argument, dass dies im Ergebnis zu einem strengeren

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Abs. 1 S. 2 BGB.618 Dies ergibt sich aus dem systematischen Vorrang, der dem Transparenzgebot als die speziellere, konkret auf die Transparenzkontrolle von Schuldverschreibungen zugeschnittene Norm zukommt.619 An der Fortgeltung der übrigen AGB-rechtlichen Vorschriften hat die Einführung des § 3 SchVG hingegen nichts geändert. Insbesondere die Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 308, 309 bzw. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB – soweit man deren grundsätzliche Anwendbarkeit auf Anleihebedingungen bejaht – sowie die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB finden weiterhin Anwendung.620 Hätte der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des AGB-Rechts ausschließen wollen, so hätte es diesbezüglich eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.621 Aufgrund der mit der Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen verbundenen Schwierigkeiten wäre ein solcher ausdrücklicher Ausschluss der Fortgeltung des AGB-Rechts indes wünschenswert.622 Bis dato hat sich der Gesetzgeber hierzu unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH und angebliche Konflikte mit dem europäischen Unionsrecht allerdings nicht durchringen können.623 Der Hinweis des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BGH geht jedoch fehl, da eine Änderung des geltenden Rechts selbstverständlich in der Verantwortung der Legislative liegt. Auch etwaige Verstöße gegen die europäische Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind nicht zu befürchten. Zum einen hat sich nämlich Großbritannien bei der Umsetzung der Richtlinie bereits im Jahr 2001624 ausdrücklich gegen deren Anwendbarkeit auf Anleihebedingungen entschieden, Transparenzmaßstab für die genannten Schuldverschreibungen führe, da § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht verdrängt würde. 618 Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 16 f.; Horn, BKR 2009, S. 446, 453; Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 398; Verannemann/Oulds, SchVG, § 3, Rn. 13; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.87; Leuering/Zetzsche, NJW 2009, S. 2856, 2857; Stoffels, Anlegerschutz im Wertpapiergeschäft, S. 89, 95. 619 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 3, Rn. 17. 620 OLG München, Urteil vom 12. Januar 2012 – 23 U 2737/11, WM 2012, 603, 606; Friedl/ Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 20. 621 Ein solcher ausdrücklicher Hinweis fand sich z. B. in Artikel 1 Nr. 2 des Diskussionsentwurfs SchVG. Dieser sah vor, dass ein neuer § 795 BGB eingeführt werden sollte, dessen Abs. 2 S. 3 bestimmte, dass die §§ 305 bis 309 BGB keine Anwendung finden sollten auf Emissionsbedingungen. 622 Vgl. zu den Gründen für den Ausschluss der Fortgeltung des AGB-Rechts auch die Darstellung bei Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 638 ff. 623 Friedl/Hartwig-Jacob/Hartwig-Jacob, SchVG, § 3, Rn. 11. Das AGB-Recht diente auch teilweise der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 S. 29). Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 642 versteht die Gesetzesbegründung dahingehend, dass der Gesetzgeber einem Ausschluss der AGB-Kontrolle positiv gegenübersteht, sofern hierdurch keine Verletzung europäischer Vorschriften zu befürchten ist. 624 Vgl. instruktiv zur Umsetzung der Richtlinie in Großbritannien die Ausführungen bei Ponick, Die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln, S. 1 ff.

I. Reichweite bei rechtsgeschäftlichen Änderungen von Anleihebedingungen

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ohne dass dies von der Kommission in den darauf folgenden Jahren beanstandet worden wäre.625 Zum anderen hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments vorgeschlagen, die geplante einheitliche Verbraucherrichtlinie dahingehend zu ändern, dass auch Anleihebedingungen (in der englischen Fassung „bond terms“) als Ausnahmetatbestand aufzunehmen sind.626 Der Wille des europäischen Gesetzgebers steht also mitnichten einer solchen Gesetzesänderung entgegen. 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Der kollektiven Bindung liegt ein weites Begriffsverständnis von Anleihebedingungen zugrunde, sodass sämtliche Bestimmungen zur Verzinsung, Rückzahlung, zu Zahlungsterminen, Kündigungsrechten, Rangvereinbarungen, Mitwirkungsrechten etc. von der kollektiven Bindung erfasst werden. Sämtliche Bestimmungen in Anleihebedingungen sind daher identisch auszugestalten. Eine vollständige Inhaltsidentität der Anleihebedingungen von Wertpapieren ist nur insoweit nicht notwendig, als die unterschiedliche Ausgestaltung einzelner Bedingungen den freien Handel der Wertpapiere nicht beeinträchtigt. Die Bedingungen verschiedener Tranchen einer Anleihe können nur dann gemeinsam geändert werden, wenn die Bedingungen einheitlich ausgestaltet sind. Dies ist bei Aufstockungen einer Anleihe der Fall, bei unterschiedlichen Tranchen einer Asset-Backed-Securities Anleihe hingegen nicht. Die Herstellung der kollektiven Bindung bei Asset-Backed-Securities, die sich auf die Wahrung des Rangverhältnisses bezieht, kann allerdings durch Bestellung eines gemeinsamen Vertreters erreicht werden. Leistungsbestimmungsrechte sind einseitige Einwirkungsbefugnisse des Emittenten, die es diesem ermöglichen – ohne Mitwirkung der Gläubiger –, das Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Anleihegläubigern einseitig zu gestalten. Zu den einseitigen Leistungsbestimmungsrechten zählen Bestimmungsvorbehalte, Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte sowie Gleitklauseln. Bestimmungsvorbehalte und Gleitklauseln führen nicht zu einer Änderung der Anleihebedingungen und verstoßen daher auch nicht gegen § 4 SchVG. Soweit Anleihebedingungen Änderungsvorbehalte vorsehen, führen diese zwar zu einer Änderung von Anleihebedingungen, verletzen aber den Grundsatz der kollektiven Bindung nicht. Hierfür sprechen Wortlaut und Systematik sowie der Umstand, dass die Fungibilität durch die Ausübung von Änderungsvorbehalten nicht beeinträchtigt wird. Einseitige Änderungsvorbehalte sind dann mit § 4 SchVG vereinbar, wenn sie einen klaren 625 Hopt, FS Schwark, S. 441, 445; Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 643; Burn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 223, Bredow/Vogel, ZBB 2008, S. 221, 224. 626 Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher (KOM(2008)0614 – C7-0349/2008 – 2008/0196(COD)) Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vom 22. 2. 2011, online abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2 011-0038+0+DOC+PDF+V0//DE.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Rahmen für Änderungen anstelle eines Generalvorbehalts vorsehen und die Gleichbehandlung aller Gläubiger gewährleistet ist. Anleihebedingungen sind nach der hier vertretenen Auffassung am Transparenzgebot des § 3 SchVG zu messen. Kontrolle und Auslegung der Bedingungen müssen außerdem im Sinne des § 4 SchVG anhand eines objektiven Maßstabs vorgenommen werden. Anleihebedingungen sind hingegen nicht Gegenstand einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB.

II. Die Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden Schuldverschreibungen werden in zahlreichen Fällen besichert. Die Besicherung hat maßgeblichen Einfluss auf die Bonität des Emittenten und damit auch auf den Wert der Schuldverschreibung. Wird die Anleihe durch eine Finanzierungsgesellschaft begeben, die nicht operativ tätig ist und daher über kein nennenswertes eigenes Kapital verfügt, so wird durch die Bestellung von Sicherheiten die Marktfähigkeit der Anleihe erst hergestellt.627 In den übrigen Fällen wird die Bonität zumindest erhöht.628 Dementsprechend ist die Besicherung einer Anleihe stets abhängig von der Kreditwürdigkeit des Emittenten.629 International agierende Kreditinstitute und Industrieunternehmen müssen daher nur in seltenen Fällen für die von ihnen ausgegebenen Schuldverschreibungen Sicherheiten stellen.630 Der Erfolg einer Emission eines Emittenten, der nicht über ein Investment-Grade-Rating631 verfügt, ist hingegen regelmäßig davon abhängig, dass Sicherheiten bestellt werden.632 Um die Handelbarkeit von besicherten Schuldverschreibungen zu gewährleisten, muss auch das gewählte Sicherungsmittel den Anforderungen genügen, die § 4 SchVG an Handelbarkeit und Fungibilität stellt.633 Dies bedeutet zum einen, dass die Sicherheit unmittelbar zugunsten der Anleihegläubiger oder eines Treuhänders 627

Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30; Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 3. 628 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 3. 629 Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 62. Umgekehrt bedeutet die Bestellung von Sicherheiten auch stets eine Einschränkung der Handlungsfreiheit des Emittenten und wird daher von diesem nach Möglichkeit vermieden; Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 426. 630 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 364. 631 Unter einem Investment Grade Rating ist in der Finanzbranche bei den drei maßgeblichen Ratingagenturen ein Rating von Baa3 im Falle von Moody’s und ein Rating von BBB- im Falle von Standard & Poor’s und Fitch zu verstehen. Dabei werden Ratings von AAA (bzw. Aaa im Falle von Moody’s) für Unternehmen mit der höchsten Bonität bis D für Unternehmen mit der schlechtesten Bonität verliehen. 632 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 12. 633 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 5.

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

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bestellt werden muss, um auch im Falle einer Weiterveräußerung der Schuldverschreibungen identische Rechtspositionen der Anleihegläubiger in Bezug auf die Sicherheit zu ermöglichen.634 Zum anderen müssen die Vertragsbedingungen für die bestellte Sicherheit für alle Gläubiger die gleichen Rechte vorsehen, da anderenfalls nicht nur die gleichartige Ausstattung der Sicherheit, sondern auch die der Schuldverschreibungen beeinträchtigt wäre.635 Inwieweit der Grundsatz der kollektiven Bindung sich auch auf bestellte Sicherheiten erstreckt und bis zu welchem Grad dies im SchVG verankert ist, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. 1. Die Besicherung von Schuldverschreibungen Die Ausgestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Leistung von Sicherheiten sind vielfältig. Grundsätzlich ist zwischen der Bestellung von Personal- und Realsicherheiten zu unterscheiden. Zu den Personalsicherheiten zählen die Garantie sowie die Patronatserklärung in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen. Sie gewähren, im Unterschied zu den Realsicherheiten, einen zusätzlichen schuldrechtlichen Anspruch, der neben die Forderung tritt.636 Realsicherheiten sind hingegen dingliche Sicherheiten, die zugunsten des Berechtigten ein dingliches Verwertungsrecht in der Zwangsvollstreckung vorsehen.637 Hierunter sind u. a. Pfandrechte, Sicherungsübereignungen und Hypotheken einzuordnen. In der Praxis werden diese freilich nicht besonders häufig zur Besicherung von Schuldverschreibungen eingesetzt.638 Keine Sicherheiten sind die in den Anleihebedingungen stets enthaltenen Covenants.639 Hierbei handelt es sich um Klauseln, denen zwar eine Sicherungsfunktion zukommt, indem sie ein bestimmtes Verhalten oder ein Unterlassen des Emittenten fordern, die aber nicht als Real- oder Personalsicherheiten im eigentlichen Sinne zu qualifizieren sind.640 Zwar erzielen Covenants häufig einen ähnlichen wirtschaftli634

Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 5. Ebenso wohl Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 28, die davon ausgehen, dass die Stellung zusätzlicher Sicherheiten zugunsten einzelner Gläubiger gegen den Grundsatz der kollektiven Bindung verstoße. 636 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 366. 637 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 434; Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Handbuch, § 90, Rn. 22. 638 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 365. Zu den Gründen hierfür siehe F.II.1.a). 639 Für die typischerweise in Anleihebedingungen zu findenden Covenants vergleiche die Darstellung unter F.I.1.b) und die Darstellung bei Balz, ZBB 2009, S. 401, 405 ff. 640 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 363; Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 51. 635

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

chen Effekt. Im Falle ihrer Verletzung steht den Gläubigern jedoch lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.641 Zusätzliche Vollstreckungsmasse in Form eines weiteren Schuldners oder in Gestalt dinglicher Sicherheiten gewähren Covenants nicht. a) Realsicherheiten Realsicherheiten sind gegenständlicher Natur und gewähren dem Gläubiger ein dingliches Befriedigungsrecht bei einem Ausfall der Forderung.642 Realsicherheiten werden in der Praxis – sieht man von den Pfandbriefen, die allerdings nicht in den Anwendungsbereich des SchVG fallen643, einmal ab – nur selten für die Besicherung von Schuldverschreibungen verwendet. Dies ist auf die hohen Verwaltungs- und Transaktionskosten644, Schwierigkeiten bei der Wertfeststellung des belasteten Gegenstandes645 und die Anwendbarkeit der lex rei sitae bei Immobilien in Bezug auf sachenrechtliche Fragestellungen (einschließlich Bestellung und Verwertung)646 zurückzuführen. Als Beispiele für die Bestellung von Realsicherheiten in der Praxis verbleiben unter anderem Mortgage-Backed-Securities647, als Untergruppe der schon an anderer Stelle beschriebenen Asset-Backed-Securities648, sowie Hypothekenanleihen. b) Personalsicherheiten Bei der Begebung internationaler Anleihen werden deshalb – sofern überhaupt Sicherheiten bestellt werden – in der Mehrzahl der Fälle Personalsicherheiten bestellt. Zurückzuführen ist dies auf die eben beschriebenen Schwierigkeiten, die mit der Bestellung von Realsicherheiten verbunden sind.649 Als Personalsicherheiten kommen Garantien sowie Patronatserklärungen in Betracht. Anhand eines kurzen Überblicks zu den Eigenschaften von Patronatserklärungen und Garantien soll im Folgenden skizziert werden, weshalb die Zahl der 641 Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 51. 642 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 434 f. 643 Siehe hierzu ausführlich E.I.2.c). 644 Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 426; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 365. 645 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 436. 646 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 365. 647 Zu den Besonderheiten bei Mortgage-Backed-Securities vergleiche die Darstellung bei Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 433 ff.; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 440. 648 Siehe hierzu F.I.3.a)bb). 649 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 366.

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

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Fälle, in denen die Ansprüche aus Schuldverschreibungen mittels einer Garantie besichert werden, bei weitem überwiegt. Daher werden die Auswirkungen und Zusammenhänge der kollektiven Bindung bei der Bestellung von Sicherheiten am Beispiel der Garantie untersucht. Gleichwohl gelten die Ausführungen auch bezüglich der kollektiven Bindung bei den übrigen Personal- und Realsicherheiten. aa) Patronatserklärungen Patronatserklärungen werden von der patronierenden Gesellschaft zugunsten der Anleihegläubiger in Form einer Erklärung ad incertas personas650 abgegeben. In ihnen verspricht der Patron gegenüber den Gläubigern des Emittenten, diesen wirtschaftlich zu unterstützen. Dies wiederum verbessert die Aussicht der Gläubiger auf Erfüllung der ausstehenden Schuldverschreibungen durch den Emittenten und erhöht dadurch seine Kreditwürdigkeit.651 Im Gegensatz zur Garantie dient die Patronatserklärung somit nur der indirekten Absicherung einer Forderung, indem die hinreichende finanzielle Ausstattung des Emittenten sichergestellt wird.652 Patronatserklärungen werden in unterschiedlicher Gestalt abgegeben, u. a. als Keep-Well Undertaking oder als Letter of Comfort.653 Handelt es sich um eine harte Patronatserklärung, so begründet diese eine rechtliche Verpflichtung und die Gläubiger können hieraus direkte Ansprüche gegenüber der patronierenden Gesellschaft geltend machen.654 Ob es sich um eine harte oder weiche Patronatserklärung handelt, ist letztlich durch Auslegung zu ermitteln.655 Stets sind jedoch mit der Durchsetzung von Ansprüchen aus der Patronatserklärung Unsicherheiten verbunden.656 Aus diesem Grund ist das Vorkommen solcher Erklärungen im Anleihegeschäft selten.657

650 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hoffmann, Bankrechts-Kommentar, 29. Kapitel, Abschnitt E, Rn. 1. 651 Palandt/Sprau, BGB, Einf v § 765, Rn. 21; Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 68. 652 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hoffmann, Bankrechts-Kommentar, 29. Kapitel, Abschnitt E, Rn. 1. 653 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 403. 654 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 11. 655 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hoffmann, Bankrechts-Kommentar, 29. Kapitel, Abschnitt E, Rn. 3. 656 Habersack/Mülbert/Schlitt/Kaulamo, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17, Rn. 68. 657 Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 453; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 404.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

bb) Garantie Wie bereits dargestellt, werden Schuldverschreibungen in der Praxis häufig nicht durch die kapitalsuchende Gesellschaft selbst, sondern – aus steuerlichen Gründen – über ausländische Finanzierungsgesellschaften begeben.658 Für diese haftet dann wiederum die inländische Muttergesellschaft durch Abgabe einer Garantie.659 Einziger Zweck der Finanzierungsgesellschaften ist regelmäßig die Aufnahme von Kapital durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen und die Weiterreichung des hierdurch aufgebrachten Kapitals über Inter-Group-Darlehen an andere Gesellschaften des Konzerns.660 Da der Emittent als reine Finanzierungsgesellschaft ohne operatives Geschäft häufig über eine schlechtere Bonität verfügt, ist der Erfolg der Emission grundsätzlich von einer Garantie durch die Muttergesellschaft abhängig.661 Außer in den typischen Fällen der Emission über eine ausländische Finanzierungsgesellschaft wurden in der jüngeren Vergangenheit auch Garantien durch den Finanzmarktstabilisierungsfond (SoFFin) gemäß § 6 FMStFG662 übernommen.663 Die Gewährung von Garantien durch den SoFFin zugunsten von Kreditinstituten soll diese bei der Überwindung von Liquiditätsengpässen und der Refinanzierung am Kapitalmarkt unterstützen.664 Der Garantievertrag ist nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, seine Zulässigkeit ergibt sich aber aus dem in § 311 Abs. 1 BGB verankerten Grundsatz der Vertragsfreiheit.665 Der Garantievertrag ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, der durch Angebot und Annahme zustande kommt.666 Da am Emissionstag die Anleihegläubiger noch nicht bekannt sind, wird der Garantievertrag zwischen dem Garantiegeber und dem Emittenten bzw. dem Garantiegeber und dem Konsortialführer als echter Vertrag zugunsten Dritter abgeschlossen.667 Der Garant (Versprechender) verpflichtet sich gegenüber seinem Ver658 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30. Zu den weiteren Gründen für die Wahl einer ausländischen Gesellschaft als Emittent, vgl. die Darstellung bei Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 286 ff. 659 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 33. 660 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30. 661 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 57; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30. 662 Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I 1982), zuletzt geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I, S. 2418). 663 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 7. 664 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 7. 665 Kümpel/Wittig/Federlin, Bank- und Kapitalmarktrecht, 12.208; Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 446; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hoffmann, BankrechtsKommentar, 29. Kapitel, Abschnitt D, Rn. 2. 666 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 371. 667 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 394. Die Gestaltung, dass der Garantievertrag zwischen dem Garantiegeber und einem Anleihe-

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

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tragspartner (Versprechensempfänger) an die Anleihegläubiger (die Dritten) bei Eintritt des Sicherungsfalls zu leisten. Die Anleihegläubiger können auf diese Weise ihre Rechte aus der Garantie selbstständig geltend machen.668 Eine Änderung der Rechtsposition der Anleihegläubiger aus der Garantie ist nur mit deren Zustimmung möglich. Dies ergibt sich aus § 328 Abs. 2 BGB, wonach in Ermangelung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrags, zu entnehmen ist, ob der Dritte das Recht erwerben und ob den Vertragsschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern. Soweit im Garantievertrag die Drittbegünstigung und die Änderungsmöglichkeit nur durch die Anleihegläubiger ausdrücklich festgelegt wurden, kommt es auf die Auslegungsregel des § 328 Abs. 2 BGB nicht an.669 In der weit überwiegenden Zahl der Fälle wird eine solche eindeutige Bestimmung im Garantievertrag getroffen.670 Für die Fälle, in denen der Garantievertrag keine explizite Regelung trifft, gebietet aber der Vertragszweck eine entsprechende Auslegung dahingehend, dass die Rechte aus der Garantie nicht ohne Mitwirkung der Anleihegläubiger geändert werden können.671 Sofern der Dritte nämlich ein Recht erworben hat, kann dieses nicht mehr durch Vereinbarung zwischen dem Versprechenden und dem Versprechensempfänger ohne Beteiligung der Gläubiger angetastet werden.672 Ein solcher Rechtserwerb, und damit ein echter Vertrag zugunsten Dritter, ist insbesondere zu bejahen, wenn – wie im Falle einer Garantie zugunsten der Anleihegläubiger – die Leistung allein oder primär im Interesse des Dritten liegt.673 Bestünden die beschriebenen treuhänder (Trustee) abgeschlossen wird, findet sich hingegen in der deutschen Rechtspraxis kaum; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 395. Auf weitere Ausführungen zur Gestaltung von Garantieverträgen an denen ein Anleihetreuhänder beteiligt ist, wird deshalb an dieser Stelle verzichtet. 668 Ein unechter Vertrag zugunsten Dritter gewährt den Anleihegläubigern hingegen regelmäßig kein selbstständiges Forderungsrecht. Der Nachteil dieser Gestaltungsform für die Anleihegläubiger liegt auf der Hand, weswegen die Garantie in der Praxis nur selten als unechter Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet wird. 669 MünchKommBGB /Gottwald, § 328, Rn. 32. 670 Vgl. hierzu Ziffer 1 des Garantievertrags zwischen dem Fussball-Club St. Pauli von 1910 e.V. und der Millerntorstadion Betriebs-GmbH & Co. KG zur Besicherung der 6 % FC St. Pauli Anleihe 2011/2018, URL: http://www.fcstpauli-anleihe.de/tl_files/fcStPauli/content/download/ fcspwertpapierprospekt.pdf (Stand: 25. Januar 2013) sowie des Garantievertrags zwischen der Allianz Finance B.V. und der Allianz Aktiengesellschaft zur Besicherung der 5,75 % InhaberTeilschuldverschreibungen von 2000/2007, URL: http://www.aegps.com/fileadmin/user_up load/MEDIA_PDFs_JPEGs/Investor_Relations/PDF/DL_-_Bonds___Credits/Prospectus-3 WPower_10139A.pdf (Stand: 25. Januar 2013). 671 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 9. 672 BGH, Urteil vom 15. Januar 1986 – IVa ZR 46/84, NJW 1986, S. 1165, 1166; 186; OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Mai 2001 – 14 U 107/00, NZM 2001, S. 900, 901; Bamberger/Roth/ Janoschek, BGB, § 328, Rn. 19; MünchKommBGB /Gottwald, § 328, Rn. 35. 673 MünchKommBGB /Gottwald, § 328, Rn. 33.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Hindernisse in der Praxis nicht, so würde ohnehin ein direkter Garantievertrag zwischen den Anleihegläubigern und dem Garanten geschlossen. Für die Anleihegläubiger stellt die Garantie nämlich einen wertbildenden Faktor der Schuldverschreibungen dar, der insbesondere Bonität und Zinssatz beeinflusst.674 2. Garantie als Teil der Anleihebedingungen Die Garantie kann als isolierte Sicherungsabrede abgeschlossen werden675 oder einen Teil der Anleihebedingungen bilden. Im selteneren Fall, dass die Garantie einen Teil der Anleihebedingungen bildet, wird der Volltext des Garantieversprechens in die Anleihebedingungen aufgenommen. Die rechtliche Bindung des Garantiegebers wird erzielt, indem dieser Partei des Übernahmevertrags (Begebungsvertrags) wird und somit die Anleihebedingungen als inhaltliche Ausgestaltung der Schuldverschreibung auch ihm gegenüber Wirksamkeit entfalten.676 Bildet die Garantieerklärung einen Teil der Anleihebedingungen, so erstreckt sich die kollektive Bindung des § 4 SchVG auch auf die Bedingungen der Garantie.677 Diese können dann – ebenso wie der übrige Teil der Anleihebedingungen – durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder im Verfahren nach §§ 5 bis 21 SchVG geändert werden und zwar auch ohne dass hierauf ausdrücklich gemäß § 22 SchVG verwiesen wurde.678 a) Änderung durch gleichlautenden Vertrag Das Verfahren zur Änderung von Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern wurde bereits in Abschnitt E.III.1 beschrieben. Das an dortiger Stelle Gesagte gilt entsprechend für die Änderung der Garantiebestimmungen, welche Teil der Anleihebedingungen bilden. In diesem Zusammenhang ist freilich zu beachten, dass es neben der Zustimmung des Emittenten zusätzlich noch der Zustimmung der Garantin bedarf. Mag diese Zustimmung auch nicht ausdrücklich in § 4 S. 1 SchVG vorgesehen sein, so ergibt sich diese Voraussetzung dennoch aus der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, wonach Verträge nur durch

674

Lwowski/Fischer/Langenbucher/Bliesener, Recht der Kreditsicherung, § 17, Rn. 9. Vgl. hierzu nachfolgend F.II.3. 676 Ähnlich wohl auch Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 389, der darauf hinweist, dass die Anleihebedingungen insofern keine eigenständige Bedeutung haben, allerdings gleichzeitig die Verwendung der Anleihebedingungen an den Emissions- und Börsenzulassungsprospekt knüpft. Richtigerweise kommt dem Prospekt als reines disclosure document allerdings keine konstitutive Wirkung bei der Wirksamkeit von Anleihebedingungen zu. 677 So implizit Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 33; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30. 678 A.A. offenbar Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 14. 675

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

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übereinstimmende Willenserklärungen aller Vertragsparteien geändert werden können.679 b) Änderung im Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG Eine Änderung der Vorschriften, welche die Garantie betreffen, ist durch Mehrheitsbeschluss auch ohne ausdrückliche Einbeziehung der Vorschriften des Abschnitt 2 möglich, wenn und weil die Garantie einen Teil der Anleihebedingungen bildet. Eine direkte Bezugnahme auf die Bedingungen, welche die Garantie betreffen, wie in § 22 SchVG vorgesehen, bedarf es in diesem Fall nicht. Denn § 22 SchVG erfasst nur den Fall, dass die Garantie nicht Teil der Anleihebedingungen ist.680 Die besonderen Voraussetzungen des § 22 SchVG sind daher nicht zu beachten. Änderungen der Anleihebedingungen, einschließlich der Bedingungen für die Garantie, werden gemäß dem Verfahren nach §§ 5 ff. SchVG vorgenommen, wie bereits an anderer Stelle beschrieben (siehe hierzu die Ausführungen unter E.III.2.). In diesem Zusammenhang sind allerdings die nachfolgend dargestellten Besonderheiten zu beachten. aa) Das Erfordernis der Einwilligung durch den Mitverpflichteten Soweit der Garantiegeber durch die Anleihebedingungen mit verpflichtet wird681, ist es auch erforderlich, dass dieser in eine Änderung der Anleihebedingungen einwilligt. Sollen Bedingungen angepasst werden, die zumindest auch die Garantin verpflichten, genügt es nicht, dass ausschließlich der Emittent dem mit Mehrheit gefassten Gläubigerbeschluss seine Zustimmung erteilt. Ebenso wie § 5 SchVG stillschweigend und selbstverständlich von einem Zustimmungserfordernis des Emittenten ausgeht682, ist ein solches – in dem beschriebenen Umfang – auch für die Garantin anzunehmen. Die Zustimmung der Garantin kann, ebenso wie die des Emittenten683, durch Einwilligung oder Genehmigung erteilt werden.684

679 So Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 39 zum Erfordernis der Zustimmung des Emittenten, welches ebenfalls nicht ausdrücklich in § 4 SchVG normiert wurde. 680 Verannemann/Hofmeister, SchVG, § 22, Rn. 1; Friedl/Hartwig-Jacob/Lawall, SchVG, § 22, Rn. 8. 681 Üblicherweise dürfte dies die Übernahme der Zahlungspflichten sein, häufig aber auch das Abgeben einer Negativverpflichtung bzw. pari-passu Klausel; Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 401. 682 Vgl. hierzu Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 21; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 3; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 59. 683 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 59. 684 Friedl/Hartwig-Jacob/Lawall, SchVG, § 22, Rn. 8.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

In der Praxis wird freilich regelmäßig eine Gläubigerversammlung durchgeführt werden, in der sowohl der Emittent als auch die Garantin ihre Zustimmung erteilen können. bb) § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SchVG als Grenze der Änderungsmöglichkeiten? Die Änderung von Anleihebedingungen richtet sich nach den Vorschriften des Abschnitts 2 des SchVG. Herzstück dieser Vorschriften bildet § 5 SchVG, der den Anwendungsbereich, die Wirkung und die Mehrheitserfordernisse für Gläubigerbeschlüsse bestimmt. Ferner benennt § 5 Abs. 3 SchVG exemplarisch Beschlussgegenstände, die einer mehrheitlichen Beschlussfassung durch die Gläubigerversammlung unterliegen können. Hierzu zählt gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SchVG unter anderem die Zustimmung zum Austausch und zur Freigabe von Sicherheiten. Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SchVG erfasst hingegen nicht ausdrücklich die Modifikation der Bedingungen der gewährten Sicherheit.685 Denkbar ist z. B. die Anpassung der Zahlungsverpflichtungen der Garantin an die veränderten Zahlungsverpflichtungen des Emittenten oder eine Modifikation der häufig auch von der Garantin abgegebenen Negativverpflichtung. Beide Sachverhalte sind prima facie nicht vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SchVG erfasst. Dies bedeutet allerdings nicht, dass modifizierende Eingriffe in die Garantiebedingungen durch die Gläubigermehrheit, abseits von Freigabe und Austausch, unzulässig wären. Zum einen enthält nämlich § 5 Abs. 3 SchVG keine abschließende, sondern lediglich eine exemplarische Aufzählung der durch Mehrheitsbeschluss möglichen Änderungsmaßnahmen.686 Darüber hinaus muss a maiore ad minus die Änderung der Garantiebedingungen als im Vergleich zur Freigabe der Sicherheit weniger einschneidende Maßnahme stets zulässig sein.687 Wenn zulasten der Gläubigerminderheit eine vollständige Aufgabe von Sicherheiten beschlossen werden kann, so muss erst recht eine wesentlich geringfügigere Verschlechterung der Rechtsposition im Hinblick auf die Sicherheit möglich sein. Der Gläubigerbeschluss zur Änderung der Bedingungen der bestellten Sicherheiten bedarf gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 SchVG mindestens einer qualifizierten Mehrheit von 75 Prozent der teilnehmenden Stimmrechte.688 Denn die Anpassung der Bedingungen der Garantie ist zweifelsfrei eine Änderung des wesentlichen Inhalts der Anleihebedingungen. Dies gilt gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 SchVG für den Austausch und die Freigabe von Sicherheiten und muss entsprechend auch für die Modifikation der bereits bestellten Sicherheit gelten.

685 686 687 688

Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 67. Verannemann/Hofmeister, SchVG, § 22, Rn. 1. Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 67. Verannemann/Verannemann, SchVG, § 5, Rn. 34.

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

131

3. Die Garantie als isolierte Sicherungsabrede Die Garantievereinbarung kann – und dies dürfte mehrheitlich der Fall sein – auch als isolierte Sicherungsabrede getroffen werden. Der Garantievertrag ist dann Gegenstand eines separaten Dokuments, auf das regelmäßig in den Anleihebedingungen verwiesen und das üblicherweise zusätzlich im Prospekt abgedruckt wird.689 Der Grundsatz der kollektiven Bindung in § 4 SchVG gilt seinem Wortlaut nach nur für die Änderung von Anleihebedingungen. Als solche sind die Bedingungen einer isolierten Garantievereinbarung jedoch gerade nicht zu qualifizieren. Mithin ist nicht gewährleistet, dass die Garantievereinbarung stets nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2 des Gesetzes geändert werden kann und auf diese Weise stets die gleichen Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht. Dies ist problematisch, da die identische Ausgestaltung der Anleihebedingungen der Schuldverschreibungen auch davon abhängig ist, dass die Garantie gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht.690 Hinsichtlich isolierter Sicherungsabreden kennt das Schuldverschreibungsgesetz keine dem § 4 SchVG vergleichbare Regelung, die vorschreiben würde, dass die Sicherungsabrede nur im Wege der vorgesehenen Verfahren und nur für alle Gläubiger einheitlich geändert werden darf. So ist z. B. durchaus eine Änderung der Sicherheitenvereinbarung durch den Sicherheitentreuhänder denkbar.691 Dieser Problematik hat der Gesetzgeber teilweise Abhilfe verschafft. Er hat erkannt, dass eine Änderung der Anleihebedingungen im Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG ohne eine gleichzeitige Änderung der Bedingungen der Garantie den Grundsatz der kollektiven Bindung des § 4 SchVG verletzen würde, da in diesen Fällen eine identische Ausgestaltung der Schuldverschreibungen nicht mehr gewährleistet wäre. Da die Garantie ebenso vielen Gläubigern Sicherheit gewährt wie die Schuldverschreibung Gläubiger hat, stellt sich bei der Änderung der Garantievereinbarung das Kollektivhandlungsproblem in gleichem Maße wie bei der Änderung von Anleihebedingungen. Diese „Lücke“ soll § 22 SchVG schließen. Dieser bestimmt: Anleihebedingungen können vorsehen, dass die §§ 5 bis 21 für Rechtsgeschäfte entsprechend gelten, durch welche andere Personen als der Schuldner für die Verpflichtungen des Schuldners aus der Anleihe Sicherheiten gewährt haben (Mitverpflichtete). In diesem Fall müssen die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger unter Benennung der Rechtsgeschäfte und der Mitverpflichteten ausdrücklich vorsehen.

689

Kusserow, WM 2011, S. 1645, 1650; Friedl/Hartwig-Jacob/Lawall, SchVG, § 22, Rn. 9. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 32. 691 Horn, BKR 2009, S. 446, 449. 690

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

§ 22 SchVG ermöglicht mithin die Änderung von Bedingungen des Garantievertrags durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger im Verfahren nach Abschnitt 2, auch ohne dass die Garantiebedingungen Teil der Anleihebedingungen bilden. Hierdurch werden sowohl die identische Ausgestaltung der Garantiebedingungen als auch die kollektive Bindung der Schuldverschreibungen gewährleistet. Im Folgenden sollen daher zunächst die Voraussetzungen des § 22 SchVG, einschließlich des damit einhergehenden Verfahrens zur Änderung der Anleihebedingungen erläutert werden (F.II.3.a)aa)). Im nächsten Schritt ist darauf einzugehen, inwieweit die kollektive Bindung der Schuldverschreibungen auch bei vertraglichen Änderungen der Garantievereinbarung gewahrt werden kann (F.II.3.a)bb)). Ferner ist zu diskutieren, inwieweit die kollektive Bindung der Schuldverschreibungen in Fällen gewährleistet werden kann, in denen die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger zur Änderung der Garantie nicht ausdrücklich vorsehen oder die Anforderungen des § 22 SchVG aus einem anderen Grund nicht erfüllt sind (F.II.3.a)cc)). Abschließend ist anzumerken, dass vorstehend beschriebene Problematik stets davon ausgeht, dass der Garantievertrag deutschem Recht unterliegt. Der „Sonderfall“, dass der Garantievertrag ausländischem Recht unterstellt wurde, soll abschließend unter (F.II.3.b)) behandelt werden.692 a) Garantieerklärung unterliegt deutschem Recht Es ist überwiegend anerkannt, dass, sofern die Voraussetzungen des § 22 SchVG erfüllt sind, die kollektive Bindung und das Gleichbehandlungsgebot sich unproblematisch auch auf die Sicherungsabrede beziehen.693 Dem ist zuzustimmen. Sollen die Anleihebedingungen und die Bedingungen der Garantie durch Gläubigerbeschluss geändert werden, so ist die identische Ausgestaltung der Schuldverschreibungen durch die Anwendbarkeit des § 22 i.V.m. §§ 5 – 21 SchVG gewährleistet. Sollen die Anleihebedingungen und die Garantie hingegen durch Individualverträge geändert werden, ist die Inhaltsidentität ebenfalls durch die Geltung des § 4 S. 1 SchVG in Bezug auf die Anleihebedingungen sowie die allgemeine Rechtsgeschäftslehre in Bezug auf die Garantievereinbarung gewährleistet.

692 Diese Problematik stellt sich regelmäßig nur bei der isolierten Sicherungsabrede. Bildet die Garantieerklärung einen Teil der Anleihebedingungen, so werden die Anleihebedingungen, einschließlich der Garantievereinbarung, in der Regel im Ganzen einer Rechtsordnung unterstellt. Eine Ausnahme zur Regel des einheitlichen Wertpapierrechtsstatuts bilden lediglich Nachrangvereinbarungen, vgl. hierzu die Darstellung unter E.I.1. 693 Cagalj, Restrukturierung von Anleihen, S. 126; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 34; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 58; etwas zurückhaltender Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 30.

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

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aa) Erstreckung der kollektiven Bindung bei ausdrücklicher Inbezugnahme – Die Voraussetzungen des § 22 SchVG und das Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG Gemäß § 22 SchVG können Sicherungsabreden durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger geändert werden, wenn dies in den Anleihebedingungen ausdrücklich vorgesehen ist. § 22 SchVG ist anwendbar auf Mitverpflichtete. Nach der Legaldefinition des § 22 S. 1 SchVG sind dies andere Personen als der Schuldner, die für die Verpflichtungen des Schuldners aus der Anleihe Sicherheiten gewährt haben. Die Definition des Mitverpflichteten ist nach allgemeiner Auffassung weit auszulegen und umfasst jede natürliche oder juristische Person sowie jeden Träger von Rechten und Pflichten, insbesondere auch ausländische Gesellschaften.694 Nicht vom Begriff des Mitverpflichteten umfasst sind der Bund, das Sondervermögen des Bundes sowie Bundesländer und Gemeinden. Für diese ist der Anwendungsbereich des SchVG gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 SchVG von vornherein nicht eröffnet. Schließlich zählen zu den Mitverpflichteten auch Sicherheitentreuhänder, sofern diese eine eigene Verpflichtung gegenüber den Anleihetreuhändern abgegeben haben (sog. Parallel Debt Obligation).695 Vom Anwendungsbereich umfasst sind ferner sämtliche Rechtsgeschäfte, durch die Sicherheiten gewährt wurden. In Betracht kommen alle Arten von Real- und Personalsicherheiten, also jede Sicherheit, bei der ein Dritter mit seinem Vermögen oder einzelnen Vermögensgegenständen für die Verpflichtungen des Schuldners einsteht.696 Bisher kaum in der Literatur diskutiert wurde die Frage der Anwendbarkeit des § 22 SchVG auf Sicherheiten, bei denen der Emittent selbst als Sicherheitengeber fungiert und die Bedingungen der Sicherheiten nicht in den Anleihebedingungen geregelt sind. In diesen Fällen ist § 4 S. 1 SchVG nicht anwendbar, da die Sicherheitenabrede nicht Teil der Anleihebedingungen ist. Auch § 22 SchVG hilft nicht unmittelbar weiter, da die Legaldefinition des Mitverpflichteten nur solche Personen umfasst, die nicht mit dem Emittenten identisch sind. Es darf allerdings davon ausgegangen werden, dass in diesen Fällen § 22 SchVG analog auf Sicherheitenverträge anwendbar ist, deren Vertragspartner der Emittent selbst ist.697 Zum einen ist die Interessenlage, nämlich die Möglichkeit zur einheitlichen Änderung der Bedingungen durch Gläubigerbeschluss, vergleichbar. Zum anderen sind Finanzprodukte betrof694

Friedl/Hartwig-Jacob/Lawall, SchVG, § 22, Rn. 4. Friedl/Hartwig-Jacob/Lawall, SchVG, § 22, Rn. 6. 696 Preuße/Dippel/Preuße, SchVG, § 22, Rn. 4; Friedl/Hartwig-Jacob/Lawall, SchVG, § 22, Rn. 6. 697 So auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 22, Rn. 9. 695

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

fen, die nicht besonders zahlreich an den Kapitalmärkten auftreten, weshalb davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Regelung dieses Falles schlichtweg übersehen hat und es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt. Um eine Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften der §§ 5 – 21 SchVG auf Sicherungsabreden sicherzustellen, fordert § 22 S. 2 SchVG außerdem, dass die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger ausdrücklich vorsehen müssen. Rechtsgeschäfte und Mitverpflichtete sind explizit zu benennen. Sind sämtliche Voraussetzungen des § 22 SchVG erfüllt, sind die §§ 5 – 21 SchVG entsprechend auf die Änderung von Sicherungsabreden anzuwenden. Die entsprechende Geltung des Gleichbehandlungsgebots des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG sichert die identische Ausgestaltung der Bedingungen der Garantie und damit auch die kollektive Bindung der Anleihebedingungen der Schuldverschreibungen. bb) Änderung durch gleichlautenden Vertrag Auch wenn die Änderung von Garantiebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern weder in § 22 SchVG noch in § 4 SchVG ausdrücklich vorgesehen ist, so ergibt sich die Zulässigkeit dieses Vorgehens dennoch aus der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Da es sich beim Garantievertrag schlicht um einen einseitig verpflichtenden Vertrag handelt698, ist dieser mittels Änderungsvertrag gemäß § 311 BGB abänderbar. Eine Änderung des Garantievertrags erfordert übereinstimmende Willenserklärungen der Garantin sowie der Gläubiger. Da § 4 SchVG nicht auf die Änderung der Garantiebedingungen anwendbar ist, gilt das Gleichbehandlungsgebot bei der Änderung des Garantievertrags an sich nicht. Theoretisch besteht deshalb die Möglichkeit, dass der Garantievertrag abweichende Bedingungen für einzelne Gläubiger vorsieht und hierdurch auch die kollektive Bindung der Anleihebedingungen gefährdet würde. In der Praxis tritt dieses Risiko indes nicht auf, da die vertragliche Änderung der Anleihebedingungen sowie der Garantie ohnehin in einem Verfahren durchgeführt werden. Hierdurch werden Synergieeffekte genutzt und Diskrepanzen vermieden. cc) Kollektive Bindung ohne ausdrückliche In-Bezugnahme Sind die Voraussetzungen des § 22 SchVG nicht erfüllt, so erstreckt sich die kollektive Bindung prima facie nicht auf die Garantie. In diesen Fällen ist nicht nur eine Änderung der Garantiebedingungen durch Gläubigerbeschluss unmöglich, auch ist die identische Ausgestaltung der Garantie und damit der Schuldverschreibungen nicht zwingend gewährleistet.

698 Horn, Bürgschaften und Garantien, S. 31; MünchKommBGB/Habersack, Vorbem. zu § 765, Rn. 16.

II. Erstreckung der kollektiven Bindung auf Sicherungsabreden

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Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, bei einer Änderung der Anleihebedingungen durch Gläubigerbeschluss die von § 22 SchVG geforderten Voraussetzungen zu schaffen. Geschieht dies nicht, so ist eine Änderung des Garantievertrags durch Gläubigerbeschluss nicht möglich, wohl aber durch Individualverträge. Die kollektive Bindung der Schuldverschreibungen wird in diesen Fällen auf die oben beschriebene Art und Weise sichergestellt (F.II.3.a)bb)). Teilweise wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass die kollektive Bindung des § 4 S. 1 SchVG Ausstrahlungswirkung entfalte.699 Tatsächlich bedarf es eines derart vagen Rechtskonstrukts nicht, da für die Gläubiger ohnehin keine Möglichkeit besteht, die Bedingungen der Garantie dergestalt zu ändern, dass diese voneinander abweichen. b) Garantieerklärung unterliegt ausländischem Recht Ein weiteres Problem stellt sich ferner in den Fällen, in denen die Garantieerklärung nicht Teil der Anleihebedingungen ist und Garantie und Anleihebedingungen unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Werden die Schuldverschreibungen über eine ausländische Finanzierungstochter begeben (aufgrund der günstigen Steuersituation ist dies regelmäßig eine niederländische B.V. (besloten vennootschap)700) und von der deutschen Muttergesellschaft garantiert, kann es sein, dass die Garantieerklärung ausländischem Recht folgt, obwohl die Anleihebedingungen deutschem Recht unterstehen.701 Nach überwiegender Ansicht ist eine Änderung der Garantiebedingungen im Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG nicht möglich.702 Die Bedingungen der Garantie unterfallen in einem solchen Fall nicht der kollektiven Bindung des § 4 SchVG, d. h. die identische Ausgestaltung der Sicherheiten wäre nicht gewährleistet. Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass, soweit ein Vertrag einem ausländischen Rechtsstatut untersteht, nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts das ausländische Recht auch über die Zulässigkeit etwaiger Vertragsänderungen entscheidet.703 Gegen die Anwendbarkeit des § 4 SchVG auf ausländische Garantien spricht ferner die dem § 1 SchVG zugrundeliegende Erwägung: Das SchVG und somit der Grundsatz der kollektiven Bindung sollen nur auf nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen Anwendung finden, da einzig der deutsche Gesetzgeber die Kompe699 So auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 32. 700 Zu den steuerlichen Implikationen sowie den Finanzierungsstrukturen bei der Geldaufnahme über eine ausländische Finanzierungsgesellschaft vgl. die Darstellung bei Jacobs/ Endres/Sprengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, Teil 6, S. 1130 ff. 701 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 35. 702 Statt vieler: Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 11; a.A. offenbar Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 33. 703 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 11; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 58.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

tenz besitzt, Änderungsverfahren festzulegen.704 Zwar gilt § 1 SchVG nur für Schuldverschreibungen und besagt nichts über Garantieerklärungen, die nicht Teil der Anleihebedingungen sind und ausländischem Recht unterstehen. Gleichwohl kann der Rechtsgedanke des § 1 SchVG auf Garantieerklärungen übertragen werden. Dieser Ansicht ist insgesamt beizupflichten. Soweit vertreten wird, dass die Anwendbarkeit der kollektiven Bindung auf Sicherheitenverträge unabhängig sei von dem auf diese Verträge anwendbaren Recht705, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist einzuräumen, dass es grundsätzlich wünschenswert wäre, dass die Änderung von Sicherheitenverträgen analog der Änderung von Anleihebedingungen verläuft. Mit der Anwendbarkeit der kollektiven Bindung auch auf ausländische Garantieverträge wäre nämlich sichergestellt, dass die Rechtsstellung der einzelnen Anleihegläubiger unter dem Garantievertrag nicht voneinander abweicht. Dies dient insbesondere auch der Fungibilität der Schuldverschreibungen. Nur wenn die Schuldverschreibungsemission auch mit identischen Sicherungsrechten ausgestattet ist, sind die Austauschbarkeit und Umlauffähigkeit der Schuldverschreibungen gewährleistet. Für die Anwendbarkeit des § 4 SchVG und die Änderung von Garantiebedingungen im Verfahren nach Abschnitt 2 SchVG ist aufgrund vorstehend genannter Argumente dennoch kein Raum. In der Praxis ist aus diesem Grund zu berücksichtigen, dass auch bei der Rechtswahl für den Sicherungsvertrag deutsches Recht gewählt werden sollte, um bei erforderlichen Änderungen einen Gleichlauf mit der Änderung der Anleihebedingungen herzustellen. 4. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Schuldverschreibungen sind in der Praxis häufig mit Sicherheiten ausgestattet. Gängigstes Sicherungsmittel ist in diesem Zusammenhang die Garantie. Ist auf die Garantie deutsches Recht anwendbar und ist diese nicht Teil der Anleihebedingungen, sondern Gegenstand eines separaten Dokuments, findet der Grundsatz der kollektiven Bindung in § 4 SchVG keine unmittelbare Anwendung. Dennoch muss gewährleistet sein, dass die gleichartige Ausstattung des Garantievertrags gewährleistet ist. Wäre dies nicht der Fall, so würde hierdurch auch die inhaltliche Identität der Anleihebedingungen und damit die Fungibilität der Schuldverschreibungen in Frage gestellt. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und durch die Einführung des § 22 SchVG Abhilfe geschaffen. Sind die Voraussetzungen des § 22 SchVG erfüllt, so können auch die Bedingungen der separaten Garantievereinbarung im Verfahren 704 Ebenso LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3-05 O 60/11, ZIP 2011, S. 2306, 2307 mit dem Hinweis darauf, dass anderenfalls in die Hoheitsrechte eines anderen Staates eingegriffen würde. 705 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 33.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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nach §§ 5 – 21 SchVG geändert werden. Die inhaltlich identische Ausgestaltung der Bedingungen der Garantie wird dann gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG gewährleistet. Sind hingegen die Voraussetzungen des § 22 SchVG nicht erfüllt, bleibt nur die Änderung des Garantievertrags durch Vertrag mit allen Gläubigern. In diesem Fall wird eine gleichmäßige Änderung des Garantievertrags gesichert, indem dieser zeitgleich in einem Verfahren mit den Anleihebedingungen geändert wird. Allein in den Fällen, in denen auf den Garantievertrag ausländisches Recht anwendbar ist, ist eine inhaltlich identische Ausgestaltung der Bedingungen des Garantievertrags nicht gesichert. Dies beeinträchtigt auch die Fungibilität der Schuldverschreibungen. Denn nur wenn eine Emission von Schuldverschreibungen auch mit identischen Sicherungsrechten ausgestattet ist, ist die Austauschbarkeit der einzelnen Schuldverschreibungen gewährleistet. Für die Anordnung der kollektiven Bindung in Bezug auf Sicherheitenverträge, die ausländischem Recht unterliegen, fehlt es dem deutschen Gesetzgeber allerdings schlicht an den entsprechenden Eingriffsbefugnissen.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen Der Grundsatz der kollektiven Bindung in § 4 SchVG besagt, dass Anleihebedingungen „durch Rechtsgeschäft nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2“ des SchVG geändert werden können. Individualvereinbarungen zwischen dem Schuldner und einzelnen Gläubigern in Bezug auf die Anleihebedingungen sind ausgeschlossen.706 Wie sich aus dem Wortlaut des § 4 S. 1 SchVG ergibt, gilt diese Regelung nur im Falle einer Änderung der Anleihebedingungen „durch Rechtsgeschäft“.707 Der Gesetzestext nimmt keine Stellung dazu, ob der Grundsatz der kollektiven Bindung auch in solchen Fällen Anwendung finden soll, in denen die Anleihebedingungen in anderer Form geändert werden.708 Relevanz entfaltet diese Fragestellung insbesondere im Zusammenhang mit ge706 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 619 fügen dem einschränkend hinzu, dass hiermit nur bilaterale Vereinbarungen zwischen dem Emittenten und einem einzelnen Anleihegläubiger mit Wirkung für andere Anleihegläubiger gemeint sein können. Es bleibe dem Anleiheschuldner hingegen unbenommen, individualvertragliche Regelungen mit einzelnen Anleihegläubigern zu treffen, die wirtschaftlich ebenso durch eine Änderung der Anleihebedingungen hätten erzielt werden können. 707 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 401; Verannemann/Oulds, § 4, Rn. 21; Preuße/Röh/Dörfler, § 4, Rn. 36. 708 Ausweislich der Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BTDrs. 16/12814 vom 29. 4. 2009 hat der Gesetzgeber sich vielmehr dazu entschlossen diese Frage nicht zu regeln, sondern deren Klärung bewusst Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

richtlich herbeigeführten Inhaltsänderungen von Anleihebedingungen.709 Dabei ist zwischen Änderungen, die infolge einer Individualklage eintreten und solchen, die mittels kollektiver Rechtsverfolgung herbeigeführt werden, zu unterscheiden.710 Im Fall von Individualklagen gilt es zu untersuchen, ob ein von einem oder mehreren einzelnen Gläubiger erstrittenes und positiv beschiedenes Urteil kollektive Bindung für die nicht am Verfahren beteiligten Gläubiger entfaltet.711 Hierbei ist zwischen Leistungs- und Gestaltungsklagen zu unterscheiden.712 Hinsichtlich der Änderung von Anleihebedingungen im Wege kollektiver Rechtsverfolgung ist die Frage der kollektiven Bindung eines ergangenen Urteils hingegen unstrittig.713 1. Gesetzgeberischer Wille und RiLi 93/13/EWG und 98/27/EG Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf will der Gesetzgeber die Klärung der Frage, welche Wirkung eine durch gerichtliche Entscheidung herbeigeführte Inhaltsänderung hat, Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen.714 Er begründet dies damit, dass bislang unklar sei, ob die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen715 und dementsprechend die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen716 auf Anleihebedingungen von Schuldverschreibungen anwendbar sind.717 Die Begründung deutet darauf hin, dass die Beantwortung der Frage, ob die Richtlinien auf Anleihebedingungen Anwendung finden, zugleich die Antwort lie709 Vgl. zum Diskussionsstand Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 22 ff.; Preuße/Röh/ Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 36 ff.; Cagalj, Restrukturierung von Anleihen, S. 109 ff.; Simon, Treuepflichten im Anleiherecht, S. 303 f.; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 47 ff. 710 Unter „kollektiver Rechtsverfolgung“ wird hier die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger gemäß § 7 Abs. 2 SchVG, zur gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Zahlungs- und Zinsansprüchen, verstanden. 711 Siehe hierzu auch Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 26; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 48 ff., die sich jeweils für eine solche kollektive Bindung gerichtlicher Entscheidungen aussprechen. 712 Vgl. hierzu die Ausführungen unter F.III.3.b). 713 Siehe hierzu Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 22; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 37, die beide lediglich gerichtliche Entscheidungen hinsichtlich der Änderung von Anleihebedingungen nach erhobenen Einzelklagen diskutieren. Zur Umsetzung der kollektiven Bindung im Fall der kollektiven Rechtsverfolgung vgl. die Darstellung unter F.III.5. 714 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 715 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95 S. 29). 716 Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 S. 51). 717 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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fert, welche Wirkung gerichtliche Entscheidungen entfalten, die aufgrund von Individualklagen ergangen sind. Im Folgenden wird indes zu zeigen sein, dass selbst wenn man davon ausginge, dass die Richtlinien auf Anleihebedingungen anwendbar sind, dies kaum Aufschluss über die Frage der kollektiven Bindung gerichtlicher Entscheidungen bei Individualklagen gibt (F.III.1.). Die Begründung des Gesetzgebers, aus diesem Grund keine Entscheidung hinsichtlich der Bindungswirkung von Individualklagen getroffen zu haben, überzeugt deshalb nicht. Da der Gesetzgeber das Bestehen einer Regelungslücke bewusst in Kauf genommen hat und es darüber hinaus auch nicht zielführend ist, besagte Richtlinien als Auslegungshilfe heranzuziehen, werden im Anschluss eigenständige Lösungsansätze für die Problematik der kollektiven Bindung bei gerichtlich herbeigeführten Änderungen entwickelt (F.III.3.). Der Gesetzgeber versäumt es, in der Gesetzesbegründung näher zu erläutern, weshalb die ungeklärte Frage der Anwendbarkeit der Richtlinien 93/13/EWG und 98/27/EG auf Anleihebedingungen entscheidend für den Umfang der kollektiven Bindung gerichtlicher Entscheidungen sein soll. Welche Überlegungen des Gesetzgebers für die Gesetzesbegründung mutmaßlich eine Rolle gespielt haben, soll im Folgenden kurz entwickelt werden. § 1 UKlaG718 bestimmt: Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.

§ 11 S. 1 UKlaG regelt weiterhin Folgendes: Handelt der verurteilte Verwender einem auf § 1 beruhenden Unterlassungsgebot zuwider, so ist die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam anzusehen, soweit sich der betroffene Vertragsteil auf die Wirkung des Unterlassungsurteils beruft.

§§ 1, 11 UKlaG kodifizieren das Verbandsklageverfahren zum Schutz des Verbrauchers.719 Grundsätzlich wirkt die Entscheidung über die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel nur inter partes für und gegen die Parteien des jeweiligen Prozesses.720 Der Verwender der unwirksamen Vertragsklausel ist deshalb nicht gehindert, die Klausel in anderen Verträgen mit anderen Vertragspartnern zu verwenden.721 718

Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen vom 27. August 2002 (BGBl. I S. 3422), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3714). 719 Erman/Roloff, BGB, Vor §§ 1 – 16 UKlaG, Rn. 2. Vgl zu den Auswirkungen der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen auf das Verbandsklageverfahren die Ausführungen bei Micklitz, ZIP 1998, S. 937, 937 ff. sowie bei Schmidt, NJW 2002, S. 25, 25 ff. 720 Statt vieler MünchKommZPO/Gottwald, § 325, Rn. 1. 721 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 11 UKlaG, Rn. 1.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Wird der Verwender der AGB aber im Rahmen des Verbandsklageverfahrens rechtskräftig zur Unterlassung verurteilt und verwendet sodann die AGB gleichwohl, so können sich Vertragspartner des Verwenders im Individualprozess gegen diesen auf das Verbandsklageurteil berufen.722 Das Gericht des Rechtsstreits zwischen dem Verwender und dem Kunden hat die Unwirksamkeit der Klausel ohne Prüfung hinzunehmen.723 Dem Urteil kommt somit Präjudizwirkung zu.724 Dogmatisch ist die beschriebene Bindungswirkung des § 11 S. 1 UKlaG nach überwiegender Ansicht als besonders ausgestalteter Fall der Rechtskrafterstreckung eingeordnet.725 Ferner kann der Verband auch im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO erreichen, dass eine Weiterverwendung der Klausel – einschließlich der Berufung auf sie – unterbleibt.726 Wären Anleihebedingungen stets als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren, so würde daraus folgen, dass den Gläubigern die Verbandsklage als Rechtsmittel offen stünde.727 Die Bindungswirkung des § 11 S. 1 UKlaG oder die Zwangsvollstreckung durch den Verband würde dazu führen, dass eine einheitliche Anwendung eines gerichtlichen Urteils, das die Klausel für unwirksam erklärt, gegenüber allen Anleihegläubigern sichergestellt wäre.728 Doch auch dann kann noch immer in mehreren Fällen keine kollektive Bindung eines gerichtlichen Urteils erzielt werden. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, trifft das UKlaG keine abschließende Regelung zur Änderung von Anleihebedingungen mittels gerichtlicher Entscheidungen. a) Fortbestehen der Möglichkeit zur Erhebung von Einzelklagen Dies gilt zum einen in den Fällen, in denen Gläubiger individuell Klage erheben. Diese Möglichkeit steht allen Gläubigern grundsätzlich neben der Möglichkeit zur Durchführung der Verbandsklage offen. Eine individuelle Rechtsverfolgung wird durch §§ 1, 11 UKlaG nicht ausgeschlossen und ist insbesondere dann attraktiv, wenn die anspruchsberechtigten Stellen untätig bleiben.729 §§ 1, 11 UKlaG stellen 722

Erman/Roloff, BGB, § 11 UKlaG, Rn. 1. Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, § 11 UKlaG, Rn. 6. 724 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 11 UKlaG, Rn. 1. 725 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 11 UKlaG, Rn. 3; Ulmer/Brandner/ Hensen/Witt, § 11 UKlaG, Rn. 10; Palandt/Bassenge, UKlaG 11, Rn. 2; Erman/Roloff, BGB, § 11 UKlaG, Rn. 2. 726 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 11 UKlaG, Rn. 1. 727 Vgl. zur Qualifizierung von Anleihebedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen die Darstellung unter F.I.5.a). 728 So wohl im Ergebnis auch Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 51. 729 Eine Pflicht zum Tätigwerden besteht für die in § 3 Abs. 1 UKlaG genannten Stellen nicht. Diese sind lediglich zur gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche berechtigt, nicht aber verpflichtet. Auch hat der Einzelne keinen Anspruch auf ein 723

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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nur fest, dass zum Zwecke der AGB-Kontrolle Verbandsklagen zulässig sind, und schaffen somit eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit.730 Obwohl Einzelklagen mithin zulässig bleiben, erzeugt ein durch Einzelklage erstrittenes Urteil keine Bindungswirkung i.S.d. § 11 S. 1 UKlaG.731 Die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Anspruchs aus § 1 UKlaG wird in § 3 Abs. 1 UKlaG ausdrücklich auf die dort genannten anspruchsberechtigten Stellen beschränkt.732 Nur für diese besteht durch die Verbandsklage die Möglichkeit, die Bindungswirkung des § 11 S. 1 UKlaG herzustellen.733 Im Ergebnis ermöglicht die Verbandsklage also ein ähnliches Ergebnis wie die kollektive Rechtsverfolgung durch Bestellung eines gemeinsamen Vertreters.734 Soweit hiervon Gebrauch gemacht wird, entfaltet das Urteil kollektive Bindung; in allen anderen Fällen ist weiterhin unklar, wie mit Urteilen zu verfahren ist, die durch Einzelklagen erstritten wurden. Dies wird durch eine mögliche Anwendbarkeit des UKlaG nicht beantwortet. b) Eingeschränkter Prüfungsmaßstab im Rahmen der Verbandsklage Ferner kann die Verbandsklage nur im Rahmen der AGB-Kontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB erhoben und so eine entsprechende Rechtskrafterstreckung erreicht werden (§ 1 UKlaG). In Verfahren, in denen die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle überhaupt nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, geht der Versuch, kollektive Bindung durch Erhebung der Verbandsklage zu erzielen, ins Leere.735 Denkbar ist insbesondere, dass Klauseln in den Anleihebedingungen angegriffen werden, in denen nicht etwa ein Verstoß gegen §§ 307 ff. BGB gerügt wird, sondern lediglich eine einzelfallunabhängige Verletzung der Einbeziehungsvorschriften, insbesondere des § 305c Abs. 1 BGB. Auch dieser kann eine Änderung der Anleihebedingungen zur Folge haben.736 Möglich ist weiterhin auch eine Klage auf AnTätigwerden der entsprechenden Stellen, vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, UKlaG Vorb, Rn. 1. 730 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, UKlaG Vorb, Rn. 1. 731 Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, § 3 UKlaG, Rn. 4. 732 Zur dogmatischen Einordnung des § 3 UKlaG siehe Ulmer/Brandner/Hansen/Witt, § 3, Rn. 3, die sich jeweils dafür aussprechen, dass es sich um eine reine Regelung der Aktivlegitimation handele sowie Palandt/Bassenge, UKlaG 3, Rn. 2; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 3 UKlaG, Rn. 3; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 3 UKlaG, Rn. 3, die davon ausgehen, dass § 3 UKlaG nicht nur die Aktivlegitimation regele, sondern auch die Prozessführungsbefugnis. 733 Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 11 UKlaG, Rn. 2. 734 Siehe zur kollektiven Rechtsverfolgung durch Bestellung eines gemeinsamen Vertreters die Darstellung unter F.III.5. 735 Die h.M. erweitert den Prüfungsumfang a fortiori um Verstöße gegen zwingendes Recht. Statt vieler Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 1 UKlaG, Rn. 17; Erman/Roloff, BGB, § 1 UKlaG, Rn. 6; Staudinger/Schlosser, § 1 UKlaG, Rn. 18. 736 Zur Prüfung des § 305c Abs. 1 BGB im Rahmen des § 1 UKlaG vgl. Wolf/Lindacher/ Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 1 UKlaG, Rn. 18 ff. Allgemein zum Umfang des sehr um-

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

passung der Anleihebedingungen aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB.737 Letztlich ist es auch nicht ausgeschlossen, dass das Gericht eine Anpassung der Anleihebedingungen vornimmt, die ihre Rechtfertigung in § 242 BGB findet. In den genannten Fällen kann keine Verbandsklage erhoben werden. Die Annahme des Gesetzgebers, dass im Falle der Anwendbarkeit der Richtlinien das Problem der kollektiven Bindung gerichtlicher Entscheidungen gelöst sei, greift auch hier zu kurz, da Rechtsschutz durch die Verbandsklage in besagten Fällen bereits nicht gewährt wird. c) Unzulässigkeit der Erhebung der Verbandsklage zum Schutz von Unternehmern Schließlich besteht die Möglichkeit der Verbandsklage nur im Rahmen des Verbraucherschutzes.738 Bei Schuldverschreibungen, die ausschließlich bei institutionellen Investoren platziert werden, ist die Durchführung eines Verbandsklageverfahrens hingegen nicht vorgesehen. Institutionelle Investoren sind solche Unternehmen, die Kapital von privaten Anlegern oder anderen Unternehmen sammeln und gebündelt anlegen.739 Gemäß § 3 Abs. 2 UKlaG steht es den anspruchsberechtigten Stellen nur dann zu, Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf nach § 1 UKlaG geltend zu machen, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht gegenüber einem Unternehmer i.S.d. § 14 BGB verwendet werden. Institutionelle Investoren sind jedoch regelmäßig als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB zu qualifizieren, da sie durch die Investition ihre gewerbliche Tätigkeit ausüben.740 Infolge dessen, dass Unternehmensanleihen ganz überwiegend nicht von Privatanlegern, sondern von institutionellen Investoren erworben werden, handelt es sich um eine signifikante Zahl von Anlegern, die nicht am Verbandsklageverfahren partizipieren können.741 Bei Schuldverschreibungen, die sowohl bei institutionellen Investoren als auch bei Verbrauchern platziert werden, stellt sich das Problem der Mischverwendung der AGB. In diesen Fällen werden die Anleihebedingungen sowohl gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern verwendet. Die Unterlassung der Verwendung kann dann jeweils nur bezüglich der drohenden Verwendung im strittenen Kontrollmaßstabs siehe Ulmer/Brandner/Hensen/Witt, § 1 UKlaG, Rn. 13 ff.; Staudinger/Schlosser, § 1 UKlaG, Rn. 12 ff. 737 Geltend gemacht wurde eine Störung der Geschäftsgrundlage von Sozialpfandbriefen zwar in LG Köln, Urteil vom 7. April 1994 – 8 O 106/93, ZIP 1994, S. 1520, 1520. Das Gericht hat diese im Ergebnis aber abgelehnt. 738 Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 3 Abs. 2 UKlaG. 739 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 1, Rn. 8. 740 Krämer, Internes und externes Rating, S. 3, 33. 741 Weiand/Schlitt/Behrends, GS Bosch, S. 239, 255.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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nichtunternehmerischen Verkehr geltend gemacht werden.742 Hier stellt sich aber insbesondere im Zusammenhang mit Anleihebedingungen das Problem, dass aufgrund der zu wahrenden Fungibilität der Schuldverschreibungen die Wirksamkeit der Klausel nicht abweichend beurteilt werden darf.743 Ob in diesen Fällen die Erhebung der Verbandsklage überhaupt möglich ist und welcher Prüfungsmaßstab angelegt werden soll, ist fraglich. Jedenfalls erscheint auch in diesem Zusammenhang die Verbandsklage kein geeignetes Mittel, um die Geltung eines Gerichtsurteils für alle Anleihegläubiger herzustellen. Festzuhalten bleibt, dass – selbst im Falle einer Anwendbarkeit des UKlaG auf Anleihebedingungen von Schuldverschreibungen – dieses einerseits kollektiven Rechtsschutz nur in begrenztem Umfang, nämlich bei AGB-rechtlichen Verstößen gegenüber Verbrauchern, bietet und zum anderen keine abschließende Regelung zur Wirkung gerichtlicher Entscheidungen bei Einzelklagen trifft. 2. Technische Umsetzung der Änderung von Anleihebedingungen durch Individualklagen Die Frage, ob auch ein durch Individualklage herbeigeführtes Urteil kollektive Bindung für die nicht am Verfahren beteiligten Gläubiger entfaltet, wird nicht durch die Anwendbarkeit des UKlaG beantwortet. Ferner hat der Gesetzgeber die Rechtsfortbildung an dieser Stelle ausdrücklich Rechtsprechung und Lehre überlassen.744 Anknüpfend an diese Erkenntnis soll im Folgenden die Rechtsfolgenseite dargestellt werden, d. h. die Konsequenzen, die daraus resultieren, dass die kollektive Bindung gerichtlicher Entscheidungen zu bejahen oder zu verneinen ist. Im Anschluss erst soll die Tatbestandsseite unter Berücksichtigung der in der Literatur vorgeschlagenen Lösungswege entwickelt werden. a) Umsetzung von Änderungen bei kollektiver Bindung der Gerichtsentscheidung Derzeit werden Schuldverschreibungen in der Praxis üblicherweise durch DauerGlobalurkunden i.S.d. § 9a DepotG verbrieft und in den nationalen oder internationalen Girosammelverkehr (Clearing) einbezogen.745 Entsprechend der gesetzli742

Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher, AGB-Recht, § 3 UKlaG, Rn. 15. So BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 316 f. in Bezug auf § 2 Abs. 1 AGBG, wonach bei einer unterschiedlichen Beurteilung der Einbeziehungsvoraussetzungen inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Schuldverschreibungen entstehen können, was wiederum die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gefährden würde. 744 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 745 Einsele, Bank und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 3; Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 363 f. Zum „Siegeszug der Globalurkunde“ siehe nur Than, FS Heinsius, S. 809, 812. 743

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

chen Definition in § 9a Abs. 1 DepotG ist eine Globalurkunde ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in verschiedenen Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein können.746 Sammelverwahrfähig sind dabei nur die Wertpapiere, die das gleiche Recht verbriefen.747 Handelt es sich um eine Globalurkunde in Form einer Dauer-Globalurkunde, so kann der Anspruch gegen die Wertpapiersammelbank auf Ausgabe effektiver Stücken gem. § 9 Abs. 3 S. 2 DepotG ausgeschlossen werden, wenn das der Globalurkunde zugrundeliegende Rechtsverhältnis einen Auslieferungsanspruch des Berechtigten ausschließt. Dies geschieht regelmäßig in den Anleihebedingungen.748 Ist eine solche Verbriefung durch Dauer-Globalurkunde in den Anleihebedingungen vorgesehen, wird lediglich eine einzige Urkunde ausgestellt.749 Diese wird an zentraler Stelle verwahrt. Der Zentralverwahrer bzw. die Wertpapiersammelbank ist unmittelbarer Besitzer der Urkunde und somit der sammelverwahrten Wertpapiere.750 Die Rechte aus der so verwahrten Urkunde werden den Anleihegläubigern über Gutschriften auf ihren bei Kreditinstituten zu unterhaltenden Depotkonten verschafft.751 Die Anleihegläubiger sind als Wertpapierinhaber Miteigentümer nach Bruchteilen und haben in der Regel mehrstufigen, mittelbaren Mitbesitz an der sammelverwahrten Dauer-Globalurkunde.752 Die Depotbuchung dokumentiert zum einen den mittelbaren Besitz als Rechtsscheintatbestand und gleichzeitig den erforderlichen Besitzmittlungswillen der Verwahrstelle als unmittelbarer Besitzerin.753 § 796 BGB formuliert den Grundsatz, dass der Emittent dem Inhaber der Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen kann, die sich aus der Urkunde selbst ergeben.754 Aufgrund des darin verankerten Skripturprinzips müssen Leistungsinhalt und Leistungseinwendungen in der Dauer-Globalurkunde 746 Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Sammelurkunde; in der Praxis hingegen ist der Begriff der Globalurkunde gebräuchlicher, Than, FS Heinsius, S. 809, 817. Vgl. zum Begriff des Wertpapiers in Bezug auf Globalurkunden Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793 ff., Rn. 4 f.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, § 1 III 4. 747 Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, § 72, Rn. 74; Scherer/ Rögner, DepotG, § 5, Rn. 2. 748 Schimansky/Bunte /Seiler/Kniehase, Bankrechts-Handbuch, § 104, Rn. 76. 749 Than, FS Heinsius, S. 809, 820. 750 Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 3, 8. 751 Than, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 3, 7. 752 Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 3, 8; Staudinger/Marburger, BGB, Vorbem zu §§ 793 ff., Rn. 33. 753 Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 366. 754 Hieran ändert auch § 2 S. 2 SchVG nichts. Dieser bestimmt zwar, dass, sofern die Urkunde nicht zum Umlauf bestimmt ist, in ihr auch auf außerhalb der Urkunde niedergelegte Anleihebedingungen Bezug genommen werden kann. Damit ist allerdings nicht die allgemein übliche incorporation by reference gemeint, die es erlaubt auf Dokumente zu verweisen, die sich nicht gemeinsam mit der Globalurkunde in Sammelverwahrung befinden. Die bisher h.M. geht aufgrund der Gesetzesbegründung davon aus, dass lediglich auf Anleihebedingungen verwiesen werden darf, die ihrerseits mit der Urkunde zentral verwahrt werden; Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 358.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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selbst so genau beschrieben werden, dass der typische Gläubiger alles Wesentliche dazu entweder schon im Text der Urkunde findet oder zumindest aus dem Gesetz entnehmen kann.755 Dies wird in der Praxis regelmäßig bewerkstelligt, indem die Anleihebedingungen als mehrseitige Anlage der Globalurkunde beigefügt werden.756 Aus den beschriebenen skripturrechtlichen Anforderungen an die Inhaberschuldverschreibung folgt, dass zur Umsetzung der durch Gerichtsurteil modifizierten Anleihebedingungen die Änderung oder Ergänzung bzw. der Austausch der Globalurkunde erforderlich ist.757 Zur Entstehung des so verbrieften Rechts ist nach der herrschenden Rechtsscheintheorie außer dem Skripturakt auch die vertragliche Begebung erforderlich.758 Aufgrund des zusätzlichen Erfordernisses der vertraglichen Begebung ist bisher unklar, ob es zur Umsetzung etwaiger Änderungen der Anleihebedingungen genügt, die Globalurkunde zu ändern oder auszutauschen oder ob die Rücknahme und Neubegebung der Schuldverschreibungen vereinbart werden müssen.759 Die Rücknahme und Neubegebung der Schuldverschreibung würden durch Ausbuchung der alten Schuldverschreibung und Einbuchung der geänderten Schuldverschreibung bei den Verwahrstellen und im Depot der einzelnen Gläubiger dokumentiert.760 § 798 BGB sieht vor, dass zumindest bei Beschädigung oder Verunstaltung der Urkunde diese umgetauscht oder neu begeben werden kann. Die bisherigen Rechte setzen sich in diesem Fall an der Ersatzurkunde fort.761 Vereinzelt wird vorgeschlagen, unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 798 BGB den Anleihegläubigern mittels kautelarischer Bestimmungen in den Anleihebedingungen das Miteigentum an der neuen Urkunde zu verschaffen.762 Eine Anwendung der Umtauschregeln des § 798 BGB wird zumindest in den Fällen für sachgerecht erachtet, 755

Hopt, FS Steindorff, S. 341, 362. Than, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 3, 7. 757 Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 365. 758 Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793 ff, Rn. 18 f.; Than, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 3, 8 f. Dies wird in der Praxis mittels eines Begebungsvertrags zwischen dem Emittenten und den Anleihegläubigern, in den Fällen der Direktemission, vollzogen oder zwischen dem Emittenten und den Emissionsbanken, bei Einschaltung eines Übernahmekonsortiums. 759 § 9a Abs. 2 S. 2 DepotG regelt diesen Sachverhalt nicht, da dieser es dem Aussteller der in sammelverwahrten Wertpapiere lediglich gestattet, die Stückelung jederzeit ohne Zustimmung der Anleihegläubiger oder der Wertpapiersammelbank zu verändern; Scherer/Scherer/ Martin, § 9a, Rn. 38. Zu den Folgeproblemen nach einer Änderung der Anleihebedingungen siehe die Ausführungen von Hopt, FS Steindorff, S. 341, 379 f. 760 Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 365. Die zusätzlichen Anforderungen des § 2 S. 3 SchVG, wonach Änderungen des Inhalts der Urkunde oder der Anleihebedingungen nach Abschnitt 2 des SchVG erst wirksam werden, wenn sie in der Urkunde oder in den Anleihebedingungen vollzogen sind, sind im Fall der Änderung der Anleihebedingungen durch Richterspruch nicht zu beachten. 761 Staudinger/Marburger, § 798, Rn. 4; a.A. offenbar Pleyer, WM 1979, S. 850, 851. 762 Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 367. 756

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

in denen eine Änderung der Anleihebedingungen im Einvernehmen mit allen Gläubigern stattgefunden hat und durch ständig abrufbare Veröffentlichungen auch künftige Gläubiger von dem geänderten Inhalt Kenntnis nehmen können.763 In diesen Fällen rechtfertige der faktische Austausch der Globalurkunde nicht die mit Fehlerrisiken behaftete Durchführung der Neubegebung.764 Anders liegt der Fall allerdings bei der Erzeugung kollektiver Bindung durch erfolgreiche Einzelklagen. Hier sind die übrigen Anleihegläubiger typischerweise nicht am Gerichtsverfahren beteiligt und haben kaum eine Möglichkeit, von der Änderung der Anleihebedingungen Kenntnis zu nehmen. Ferner besteht hinsichtlich eines Austauschs der Urkunde, basierend auf kautelarischen Regelungen, erhebliche Rechtsunsicherheit, sodass eine Neubegebung vorzugswürdig erscheint.765 b) Umsetzung von Gerichtsentscheidungen mit inter partes Wirkung Entfaltet die gerichtliche Entscheidung zur Änderung der Anleihebedingungen lediglich Wirkung zugunsten des erfolgreichen Klägers, so ist dessen Schuldverschreibung nicht mehr fungibel mit dem Rest der Gesamtemission, eine gemeinsame Verbriefung der Schuldverschreibungen nach Rechtskraft des Urteils folglich nicht länger möglich.766 Konsequenterweise müsste in einem solchen Fall die einzelne Schuldverschreibung gesondert verbrieft und die Globalurkunde zur Gesamtemission entsprechend abvalutiert werden.767 Während in Bezug auf Classic Global Notes768 bis zur Einführung des § 2 SchVG Änderungen des Nennbetrages aufgrund des Skripturprinzips auf der Urkunde bzw. in der Anlage zu dieser vermerkt wurden,769 enthalten die New Global Notes770 keine angeheftete Anlage zur Eintragung von Veränderungen der verbrieften Summen mehr, sondern verweisen insofern auf

763

Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 367. Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 368. 765 Zu den Wirksamkeitszweifeln bei bloßem Austausch der Urkunde ohne Neubegebung vgl. Bliesener, Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 355, 368. 766 Siehe zum Erfordernis der Fungibilität der Schuldverschreibungen Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 7; Schimansky/Bunte/Klanten, Bankrechts-Handbuch, § 72, Rn. 73 f.; Scherer/Rögner, § 5, Rn. 2. 767 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38. 768 Classic Global Notes zeichnen sich dadurch aus, dass als Verwahrstelle für die Urkunde Clearstream Banking Frankfurt gewählt wurde. 769 Scherer/Scherer/Martin, DepotG, § 9a, Rn. 14. 770 New Global Notes werden durch einen International Central Securities Depositary (ICSD) verwahrt. Letztlich unterscheiden sich Classic Global Notes und New Global Notes durch die Art ihrer Verwahrung. Vgl. zum Hintergrund der NGN die Darstellung bei Scherer/ Scherer, DepotG, § 1, Rn. 26. Für die weitere Darstellung ergeben sich keine Unterschiede daraus ob für die Globalurkunde NGN- oder CGN-Form gewählt wurde, sodass im Folgenden allgemein von Globalurkunden gesprochen wird. 764

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

147

die Buchhaltungsunterlagen des entsprechenden International Central Securities Depositary (ICSD).771 Die Folge einer Einzelverbriefung wäre, dass die einzelne Schuldverschreibung mit dem Rest der Gesamtemission nicht länger fungibel wäre. Die Fungibilität ist jedoch entscheidend für die Liquidität einer Kapitalanlageform.772 Eine hohe Liquidität wird erst durch die Zulassung zum Börsenhandel erzielt.773 Voraussetzung für den Börsenhandel ist gemäß § 5 Abs. 1 BörsZulV die Fungibilität der Schuldverschreibungen. Erst die Vertretbarkeit von Schuldverschreibungen ermöglicht einen breit gefächerten Handel. Da die einzelverbriefte Schuldverschreibung nicht mehr fungibel ist, ist diese auch nicht mehr börsenfähig und wird dadurch unverkäuflich. Der an sich auf dem Klagewege erfolgreiche Kläger erhielte eine illiquide und damit praktisch unverkäufliche Schuldverschreibung.774 Zwar besteht für den Gläubiger die Möglichkeit, die Schuldverschreibung bis zum Laufzeitende zu halten und bis dahin regelmäßige Zinszahlungen zu erhalten, allerdings ist der Preis von liquiden Anleihen in der Regel höher als der von illiquiden. Liquide Anleihen weisen eine höhere Rendite und damit einen höheren Credit Spread auf – eine Gegebenheit, von der der betroffene Gläubiger nicht profitiert. Hieraus folgt, dass insbesondere der rechtsschutzsuchende Gläubiger ein Interesse an der kollektiven Bindung seiner erhobenen Klage hat, da er anderenfalls eine Schuldverschreibung erhielte, die die wesentlichen Eigenschaften einer Schuldverschreibung – nämlich Fungibilität und Handelbarkeit – nicht länger aufweist. 3. Kollektive Bindung bei Individualklagen Aus diesem Grund ist im Folgenden zu diskutieren, ob die kollektive Bindung von Gerichtsentscheidungen bei Individualklagen mithilfe anerkannter Rechtsinstitute begründet werden kann. a) Zulässigkeit der Erhebung von Individualklagen Die Möglichkeit der Erhebung von Individualklagen durch den einzelnen Anleihegläubiger wird von § 7 Abs. 2 S. 3 SchVG vorausgesetzt.775 Dieser bestimmt: Soweit [der gemeinsame Vertreter] zur Geltendmachung von Rechten der Gläubiger ermächtigt ist, sind die einzelnen Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung dieser Rechte nicht befugt, es sei denn, der Mehrheitsbeschluss sieht dies ausdrücklich vor. 771

Scherer/Scherer, DepotG, § 1, Rn. 26. Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 327. 773 Schüppen/Schaub/Sudmeyer, MAH Aktienrecht, § 47, Rn. 2 in Bezug auf die Liquidität von Aktien. 774 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 25. 775 Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 54 f. 772

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Ausgenommen sind lediglich die Fälle, in denen ein verdrängendes Mandat des gemeinsamen Vertreters besteht. b) Wirkung individuell erhobener Leistungs- und Gestaltungsklagen Hinsichtlich der Wirkung eines stattgebenden Urteils ist zwischen Anfechtungsund Leistungsklagen zu unterscheiden. Wie oben unter E.III.2.b)bb)(1) gezeigt, ergeht bei erhobener Anfechtungsklage ein Gestaltungsurteil. Der gefasste Gläubigerbeschluss wird für nichtig erklärt. Ein Gestaltungsurteil aufgrund erhobener Anfechtungsklage entfaltet dabei Wirkung für und gegen alle.776 Die Frage der kollektiven Bindung eines durch Einzelklage herbeigeführten Urteils stellt sich mithin nur bei Leistungs- und Feststellungsklagen, da diese im Grundsatz nur Wirkung inter partes entfalten. Aus dieser inter partes Wirkung folgt, dass die einzelne Schuldverschreibung des erfolgreichen Klägers und der Rest der Gesamtemission nicht mehr fungibel sind, da diese nach Rechtskraft des Urteils nun jeweils unterschiedliche Bedingungen vorsehen. Konsequenterweise müsste in einem solchen Fall die einzelne Schuldverschreibung gesondert verbrieft und die Globalurkunde entsprechend abvalutiert werden.777 Gleichzeitig würde die einzelne Schuldverschreibung jedoch illiquide, was wiederum unbillig gegenüber dem auf dem Klagewege erfolgreichen Gläubiger erscheint.778 Zwar besteht für jeden Gläubiger der Anleihe grundsätzlich die Möglichkeit, ebenfalls Klage zu erheben, allerdings ist es wohl kaum denkbar, dass alle betroffenen Anleihegläubiger klagen und auf diesem Weg die Fungibilität der Anleihe wiederherstellen. Durch lediglich vereinzelte Klagen ändert sich jedoch nichts an der grundsätzlichen Problematik, dass die Gläubiger der streitgegenständlichen Schuldverschreibungen nach erfolgreicher Prozessführung praktisch unverkäufliche Papiere erhalten. Hinzu kommt die Gefahr, dass bei mehreren erhobenen Einzelklagen sich widersprechende Urteile ergehen.779 Die unterschiedlichen Wege, um die gewünschte kollektive Bindung von gerichtlich ergangenen Entscheidungen aufgrund einer Einzelklage herzustellen, sind im Folgenden zu diskutieren.

776 Baumbach, ZPO, § 325, Rn. 15; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 25; Lürke, Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 98. 777 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38. 778 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 25. 779 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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aa) Lösungsansatz 1 und kritische Würdigung: Änderung der Anleihebedingungen in Prozessstandschaft Die kollektive Bindung einer gerichtlichen Entscheidung ließe sich erzielen, wenn der einzelne Gläubiger aufgrund gesetzlicher Ermächtigung – sei es aufgrund materiellen Rechts oder Prozessrechts – in Prozessstandschaft für die übrigen Gläubiger handeln würde. Rechtsfolge wäre die Wirkung des Urteils für und gegen den Rechtsinhaber, also sämtliche Anleihegläubiger.780 Im Ergebnis käme dann die Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Gläubigers der des gemeinsamen Vertreters gleich. Eine Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Gläubigers käme wohl nur gemäß § 744 Abs. 2 BGB in Betracht. Hierzu müsste es sich bei der Gemeinschaft der Anleihegläubiger um eine Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB oder um eine BGB-Gesellschaft i.S.d. § 705 BGB handeln. Nach überwiegender Ansicht findet die Notgeschäftsführungsbefugnis des § 744 Abs. 2 BGB nämlich auch auf letztere entsprechende Anwendung.781 Die Notgeschäftsführungsbefugnis ermöglicht es dem Teilhaber oder Gesellschafter, den Prozess im eigenen Namen in Prozessstandschaft für die übrigen Teilhaber oder Gesellschafter – ohne deren Zustimmung – zu führen, sofern es sich hierbei um eine Maßnahme handelt, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendig ist.782 Es ist bereits äußerst zweifelhaft, ob bei gerichtlicher Geltendmachung bestimmter Rechte im Einzelfall die Voraussetzungen des § 744 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Dieser lautet wie folgt: Jeder Teilhaber ist berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen; er kann verlangen, dass diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im Voraus erteilen.

Von der Notgeschäftsführungsbefugnis umfasst sind hiernach Erhaltungsmaßnahmen. Hierzu zählt jede Maßnahme, die der Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes in der Substanz oder in der Nutzungsmöglichkeit, bei einem Recht 780 MünchKommBGB/Schmidt, §§ 744, 745, Rn. 46; vgl. hierzu auch die Darstellung unter D.II.1.d) und D.II.1.e). 781 BGH, Urteil vom 4. Mai 1955 – IV ZR 185/54, NJW 1955, S. 1027, 1028; Müller/ Hoffmann/Stengel, Handbuch Personengesellschaften, § 3, Rn. 95; Palandt/Sprau, BGB, Vorb v § 709, Rn. 6; im Ergebnis auch MünchKommBGB/Schmidt, §§ 744, 745, Rn. 50; a.A. Staudinger/von Proff, BGB, § 744, Rn. 31; Erman/Aderhold, BGB, § 744, Rn. 9. 782 Staudinger/von Proff, BGB, § 744, Rn. 43. Für die Prozessführungsbefugnis anstelle einer Geltendmachung des Rechts im Namen der übrigen Teilhaber auch BGH, Urteil vom 21. März 1985 – VII ZR 148/83, NJW 1985, S. 1826, 1827. Siehe zur Prozessführungsbefugnis für die BGB-Gesellschaft entsprechend Müller/Hoffmann/Stengel, Handbuch Personengesellschaften, § 3, Rn. 96.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

auch der Geltendmachung, dient.783 Allein die Nützlichkeit der Maßnahme genügt nicht; vielmehr muss diese notwendig sein.784 Nicht notwendig sind insbesondere solche Maßnahmen, die der Schaffung eines neuen wirtschaftlichen Wertes, anstelle der bloßen Erhaltung eines bestehenden Wertes dienen. Wertsteigernde Maßnahmen sind folglich nicht erfasst.785 Klagen einzelner Gläubiger, die auf eine Änderung der Anleihebedingungen abzielen, sind keine von § 744 Abs. 2 BGB erfassten Maßnahmen. Insbesondere Klagen, die auf die Unwirksamkeit einzelner, die Gläubiger benachteiligender Klauseln abzielen – und dies dürfte wohl die Mehrheit der Klagen sein –, dienen lediglich der Verbesserung der Rechtsposition der Gläubiger. Da maßgeblich für den Preis einer Schuldverschreibung sowohl die Bonität des Emittenten als auch die in den Anleihebedingungen gewährten Rechte sind, führt der Wegfall einer einzelnen, für den Gläubiger nachteiligen Klausel zu einer Wertsteigerung der Schuldverschreibung.786 Notwendig zur Erhaltung der sich aus den Schuldverschreibungen ergebenden Rechte sind solche Klagen indes nicht. Etwas anderes kann in Fällen gelten, in denen Verjährung, Fristablauf oder Wertverlust im Zusammenhang mit einem Vermögensverfall des Emittenten droht.787 Dies erscheint aber im Zusammenhang mit einer Klage, die auf die Änderung von Anleihebedingungen gerichtet ist, kaum denkbar. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 744 Abs. 2 BGB, handelt es sich bei der Gemeinschaft der Anleihegläubiger aber auch weder um eine Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB noch um eine BGB-Gesellschaft i.S.d. § 705 BGB, auf die die Regelung des § 744 Abs. 2 BGB anwendbar wäre.788 Eine kollektive Bindung der gerichtlichen Entscheidung mithilfe des Instituts der Prozessstandschaft zu erzielen, ist mithin nicht möglich. bb) Lösungsansatz 2 und kritische Würdigung: Kollektive Wirkung der gerichtlichen Entscheidung durch Anwendung seitens des Emittenten Verschiedentlich wird eine Pflicht des Emittenten bejaht, ein rechtskräftiges Urteil, das zugunsten eines einzelnen Gläubigers ergangen ist, auch zugunsten der 783

MünchKommBGB/Schmidt, §§ 744, 745, Rn. 42. Palandt/Sprau, BGB, § 744, Rn. 3; Erman/Aderhold, BGB, § 744, Rn. 7. 785 Staudinger/von Proff, BGB, § 744, Rn. 21. Siehe hierzu auch MünchKommBGB/ Schmidt, § 744, Rn. 47, der insbesondere negatorische Klagen und sonstige Klagen zur Verteidigung des gemeinschaftlichen Gegenstandes gegen Beeinträchtigungen als Fälle, die von § 744 Abs. 2 BGB erfasst sind, anführt. 786 Zum Einfluss der Ausgestaltung der Anleihebedingungen auf die Preisbildung siehe Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 485. 787 So MünchKommBGB/Schmidt, § 744, Rn. 11 und Rn. 43 für den drohenden Ablauf der Anfechtungsfrist im Aktienrecht. 788 Siehe hierzu die Darstellung unter D.II.1.d). 784

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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übrigen Gläubiger anzuwenden.789 Diese Gleichbehandlungspflicht wird unterschiedlich begründet. Die einzelnen Ansätze werden nachfolgend dargestellt. (1) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten aus § 4 S. 2 SchVG Teilweise wird vertreten, dass sich eine Pflicht zur Gleichbehandlung der Anleihegläubiger nach ergangenem Urteil aus § 4 S. 2 SchVG ergebe. Dieser regelt die Gleichbehandlungspflicht der Gläubiger durch den Emittenten.790 Gemäß § 4 S. 1 SchVG können Anleihebedingungen in Schuldverschreibungen durch Rechtsgeschäft nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2 des SchVG geändert werden (kollektive Bindung). Der Schuldner muss die Gläubiger insoweit gleich behandeln.

§ 4 S. 1 SchVG regelt ausschließlich die kollektive Bindung im Hinblick auf rechtsgeschäftliche Änderungen von Anleihebedingungen.791 Dementsprechend geht auch § 4 S. 2 SchVG lediglich von einer Gleichbehandlungspflicht des Schuldners hinsichtlich rechtsgeschäftlicher Änderungen von Anleihebedingungen nach § 4 S. 1 SchVG aus.792 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut „insoweit“, der die Verknüpfung zwischen Gleichbehandlungsgebot und kollektiver Bindung herstellt. Das an den Emittenten adressierte Gleichbehandlungsgebot beschränkt sich somit auf Änderungen der Anleihebedingungen nach Abschnitt 2 des SchVG; ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot statuiert § 4 S. 2 SchVG hingegen nicht.793 Der Hinweis auf die Gleichbehandlungspflicht des Emittenten auch bei gerichtlichen Änderungen von Anleihebedingungen geht deshalb fehl. Ob § 4 S. 1 SchVG auf gerichtliche Änderungen Anwendung finden soll, wurde vom Gesetzgeber nämlich ausdrücklich offengelassen. Der Verweis auf § 4 S. 2 SchVG im Zusammenhang mit der gerichtlichen Änderung von Anleihebedingungen führt deshalb nicht weiter, da dessen Anwendungsbereich seinerseits durch den Geltungsbereich des § 4 S. 1 SchVG definiert wird, der ausdrücklich nur rechtsgeschäftliche Änderungen von Anleihebedingungen erfasst. (2) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten gemäß § 30a WpHG Eine Gleichbehandlungspflicht des Emittenten ergibt sich auch nicht aus § 30a WpHG. Dieser bestimmt:

789

Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 49; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 23; Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 35. 790 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 27; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 50. 791 Schmidt/Schrader, BKR 2009, S. 397, 401. 792 A.A. Cagalj, Restrukturierung von Anleihen, S. 111. 793 A.A. offenbar Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 34.

152

F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, müssen sicherstellen, dass alle Inhaber der zugelassenen Wertpapiere unter gleichen Voraussetzungen gleich behandelt werden.

Allerdings folgt hieraus nach überwiegender Ansicht nur ein Recht der Gläubiger auf informationelle Gleichbehandlung.794 Eine allgemeine Gleichbehandlungspflicht des Emittenten, mittels derer sich eine Anwendung von Gerichtsurteilen zugunsten aller Gläubiger begründen ließe, regelt § 30a WpHG hingegen nicht. Ferner findet § 30a WpHG nur dann Anwendung, wenn die Schuldverschreibungen an einem regulierten Markt notieren. Selbst diejenigen, die in § 30a WpHG ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot sehen, können im Falle von nicht börsennotierten Schuldverschreibungen die Anwendung gerichtlicher Entscheidungen zugunsten aller Gläubiger nicht begründen. (3) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten als Ausfluss von Treuepflichten Des Weiteren soll sich ein Gleichbehandlungsgebot aus der allgemeinen Treuepflicht des Emittenten gegenüber den Investoren herleiten lassen.795 Schuldig bleiben die Vertreter dieser Auffassung die Erklärung, woraus sich diese Treuepflicht des Emittenten ergeben soll und was sie im Einzelnen umfasst. Es erscheint in diesem Zusammenhang naheliegend, zum einen den Blick auf die aktienrechtliche Treuepflicht zu werfen und zu prüfen, ob ein Gleichbehandlungsgebot als Ausfluss der Treuepflicht, wie sie seitens der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären besteht, auch im Rahmen der Rechtsbeziehungen zwischen dem Emittenten und seinen Gläubigern Geltung beanspruchen kann. Die Frage ist mithin, ob die aktienrechtliche Treuepflicht auch bei Schuldverschreibungen dergestalt gilt, dass sich ein über § 4 S. 2 SchVG hinausgehendes Gleichbehandlungsgebot des Emittenten begründen lässt, was wiederum dazu führen würde, dass der Emittent zur einheitlichen Anwendung der Gerichtsentscheidung gegenüber allen Gläubigern verpflichtet ist (F.III.3.b)bb)(3)(a)). Zum anderen könnte sich eine Gleichbehandlungspflicht des Emittenten auch aus § 242 BGB ergeben. Ob eine solche Gleichbehandlungspflicht besteht und inwieweit sich darüber eine einheitliche Anwendung der Gerichtsentscheidung begründen lässt, wird ebenfalls zu diskutieren sein (F.III.3.b)bb)(3)(b)).

794 795

Siehe hierzu die Darstellung unter F.IV.2.a)cc)(2)(b). Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 27; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 50.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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(a) Gleichbehandlungsgebot der Gesellschaft als Ausfluss verbandsrechtlicher Treuepflichten Die umfassende Treuepflicht der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aktionären ist inzwischen weitgehend anerkannt.796 Sie findet ihre Ausprägung einerseits in dem in § 53a AktG kodifizierten Gleichbehandlungsgebot, andererseits in der durch die Rechtsprechung entwickelten Pflicht der Gesellschaft, die sachgerechte Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte durch die Aktionäre zu gewährleisten.797 Dabei bestimmt § 53a AktG den Maßstab, den die Gesellschaft im Umgang mit den Rechten und Ansprüchen der Aktionäre zu beachten hat.798 Sinn und Zweck des aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebots als Ausfluss der Treuepflicht ist der Schutz der Mitgliedschaft des Aktionärs vor Eingriffen der Gesellschaftsorgane, die einen Teil der Aktionäre in irgendeiner Form benachteiligen, ohne dass solche Maßnahmen durch ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft gedeckt wären.799 Das Gleichbehandlungsgebot im Aktienrecht ist „integraler Bestandteil der Mitgliedschaft“.800 Dieses Gleichbehandlungsgebot als besondere Ausprägung der Treuepflicht des Emittenten ist dabei allerdings keine isoliert im Raum stehende Pflicht, sondern wird ihrerseits bedingt und geformt durch horizontale und vertikale Treuepflichten der Aktionäre. Über die dogmatische Begründung der aktienrechtlichen Treuepflicht herrscht Uneinigkeit. Angeführt werden das Verbandsverhältnis insgesamt, der Gesellschaftsvertrag, das Prinzip der Gewaltenbalance in der Aktiengesellschaft sowie das rechtstheoretische Prinzip der verteilenden Gerechtigkeit.801 Im Ergebnis ist der Grund für die besondere aktienrechtliche Treuepflicht, die im Gleichbehandlungsgebot ihren Niederschlag findet und die in ihrer Intensität über die Treuepflichten in anderen Rechtsverhältnissen hinausgeht, in dem besonderen personalen Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern und dessen Verfestigung zur

796 MünchKommAktG/Bungeroth, § 53a, Rn. 4. Ungleich intensiver diskutiert werden allerdings aktienrechtliche Treuepflichten jeweils im Verhältnis der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft sowie im Horizontalverhältnis zwischen den Aktionären. So auch Bayer/Habersack, Band II, S. 583, der darauf hinweist, dass die Treuepflicht der Gesellschaft „stets im Schatten der Diskussion um die Treuepflicht der Aktionäre“ stand. Zur Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft siehe Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 7 ff. Zu den Treuepflichten zwischen den Aktionären siehe Hüffer, AktG, § 53a, Rn. 20. 797 BGH, Urteil vom 19. September 1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111; Bayer/ Habersack, Band II, S. 583; ebenso MünchKommAktG/Bungeroth, § 53a, Rn. 4. 798 MünchKommAktG/Bungeroth, § 53a, Rn. 4. 799 BGH, Urteil vom 19. Dezember 1977 – II ZR 136-76, BGHZ 70, 117, 121; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 186; Hüffer, AktG, § 53a, Rn. 4. 800 Zöllner/Noack/Drygala, KK-AktG, § 53a, Rn. 10. 801 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 8; a.A. Bachmann, ZHR 170 (2006), S. 144, 156, der keinen dieser Erklärungsansätze gelten lassen will, sondern darauf hinweist, dass es bisher nicht gelungen sei, die Gleichbehandlungspflicht abschließend zu rechtfertigen.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Organisation zu sehen.802 Während das Verhältnis der Anleihegläubiger zum Emittenten durch reine Austauschbeziehungen konstituiert wird, ist das Verhältnis der Mitglieder im Gesellschaftsverband durch Kooperationsbeziehungen geprägt. Die gegenseitigen Erwartungen werden nicht nur von wechselseitiger Rücksichtnahme auf die jeweiligen Leistungsinteressen bestimmt, sondern durch das gemeinsame Kooperationsziel.803 Bereits die dogmatische Begründung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gibt somit Aufschluss darüber, dass diese Treuepflicht und das damit einhergehende Gleichbehandlungsgebot sich nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis des Emittenten zu seinen Anleihegläubigern übertragen lassen. Die Gläubigerstellung verbürgt, anders als die Aktionärsstellung, keine Mitgliedschaftsrechte und es gibt dementsprechend auch keinen Gesellschaftsvertrag, aus dem eine solche Treuebindung hergeleitet werden könnte. Eine verbandsrechtliche Verbundenheit zwischen den Anleihegläubigern mit einheitlichem Kooperationsziel besteht nicht.804 Das Rechtsverhältnis des Anleihegläubigers wird durch schuldrechtliche Beziehungen zum Emittenten geprägt und gerade nicht durch eine gesellschaftsähnliche Sonderverbindung der Anleihegläubiger untereinander oder im Verhältnis zum Emittenten. Hier tritt der Unterschied zwischen Verbandsrecht und Schuldverschreibungsrecht deutlich zutage. Während ersteres Mitgliedschaftsrechte verbürgt und Treuepflichten fordert, hat letzteres im Ergebnis allein den Vermögensschutz der Gläubiger zum Ziel. Ferner zeigt der Umstand, dass das SchVG zwar ein Gleichbehandlungsgebot kennt, dieses aber gerade nicht als Ausfluss der Treuepflicht begreift, erneut die unterschiedliche Zwecksetzung von Schuldverschreibungsrecht und Gesellschaftsrecht. Das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG dient als flankierende Regelung der Wahrung der kollektiven Bindung und findet seine Rechtfertigung ausschließlich in der Sicherstellung der Fungibilität der Wertpapiere und der dadurch gewährleisteten reibungslosen Abwicklung des Effektengeschäfts.805 Das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot basiert hingegen, wie erwähnt, auf der Erwägung besonderer Treuepflichten im Verband. Dies kommt bereits darin zum Ausdruck, dass das Aktienrecht eine Ungleichbehandlung der Aktionäre in Fällen sachlich gerechtfertigter Differenzierungen erlaubt.806 Die Statuierung eines Gleichbehandlungsgebots als Ausfluss einer Treuepflicht des Emittenten, das über das Gebot des § 4 S. 2 SchVG hinausgeht, ist mithin schwer begründbar. 802

MünchKommBGB/Roth, § 242, Rn. 166. AK-BGB/Teubner, § 242, Rn. 81. 804 So im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 327, der die Verbindung der Gläubiger durch ein gesellschaftsähnliches Verhältnis ablehnt. 805 So ausdrücklich der Gesetzgeber in der Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 806 Henn, AG 1985, S. 240, 242. 803

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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(b) Gleichbehandlungspflicht des Emittenten gemäß § 242 BGB Da die verbandsrechtliche Treuepflicht mit den Wesensmerkmalen der Gläubigergemeinschaft nicht zu vereinbaren ist, bleibt zu prüfen, ob sich eine Treuepflicht des Emittenten aus dem allgemeinen Schuldrecht, namentlich aus § 242 BGB, ergibt. Dies erscheint schon deshalb naheliegend, weil die Treuepflicht im Verbandsrecht und das damit einhergehende Gleichbehandlungsgebot eine ähnliche Funktion erfüllen wie § 242 BGB im bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnis.807 Durch sie werden Mitwirkungs- und Schutzpflichten begründet, die unzulässige Rechtsausübung beschränkt und die Gesellschaft zur Gleichbehandlung der Mitglieder verpflichtet.808 (aa) Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf Schuldverschreibungen Anerkanntermaßen gelten für die durch die Schuldverschreibung verbriefte Forderung ergänzend die Regeln des allgemeinen Schuldrechts.809 Dies ist sachgerecht, da die §§ 793 ff. BGB das Recht der Schuldverschreibungen nur lückenhaft regeln.810 § 242 BGB setzt lediglich eine Sonderverbindung voraus, an die aber keine hohen Anforderungen zu stellen sind.811 Rechtsbeziehungen, die im Rahmen von Schuldverschreibungen bestehen, genügen zur Begründung einer solchen Sonderverbindung in jedem Fall.812 (bb) Regelungsgehalt des § 242 BGB und Subsumtion Die Generalklausel des § 242 BGB enthält bekanntermaßen keinen Rechtssatz mit deskriptiven Tatbestandsmerkmalen, der es erlauben würde, durch bloße Subsumtion bestimmte Rechtsfolgen abzuleiten.813 Durch § 242 BGB soll der Rechtsausübung lediglich dort eine Schranke gesetzt werden, wo sie zu untragbaren und nicht lediglich harten Ergebnissen für einen der Beteiligten führt.814

807

Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 8; MünchKommBGB/Roth, § 242, Rn. 166; ebenso Erman/Hohloch, BGB, § 242, Rn. 49, der darauf hinweist, dass sich im Gesellschaftsrecht unter Berufung auf § 242 BGB Treuepflichten herausgebildet haben, die die Grundlage für Ansprüche und Rechtsbegrenzungen bilden. 808 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 8, Rn. 8. 809 Statt vieler: Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793 ff, Rn. 20. So auch im Ergebnis LG Köln, Urteil vom 7. April 1994 – 8 O 106/93, ZIP 1994, S. 1520, 1520, das davon ausgeht, dass es sich um ein Dauerschuldverhältnis zwischen dem Inhaber und dem Emittenten der Schuldverschreibungen handelt und § 242 BGB aus diesem Grund Anwendung findet. 810 Erman/Wilhelmi, BGB, Vor § 793, Rn. 1; MünchKommBGB/Habersack, Vor § 793, Rn. 1. 811 Bamberger/Roth/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 14. 812 OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 9. März 2012 – 8 U 149/11, BeckRS 2012, 13241. 813 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 2; Erman/Hohloch, BGB, § 242, Rn. 5. 814 BGH, Urteil vom 27. Oktober 1967 – V ZR 153/64, BGHZ 48, 396, 398.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Dabei verlangt § 242 BGB eine umfassende Interessenabwägung aller an dem Rechtsverhältnis Beteiligten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, der Risikozuordnung, etwaiger subjektiver Elemente (z. B. Verschulden oder Vorhersehbarkeit), des öffentlichen Interesses und der Interessen Dritter sowie von Grundrechten, soweit diese im Privatrecht Geltung beanspruchen können.815 Bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten ist eine Gleichbehandlung der Gläubiger von Seiten des Emittenten aufgrund der Anforderungen des § 242 BGB im Ergebnis nicht geboten. Für eine Gleichbehandlungspflicht spricht, dass die einzelne Schuldverschreibung sonst gesondert verbrieft werden müsste und dies zur Folge hat, dass der an sich auf dem Klagewege erfolgreiche Gläubiger eine unverkäufliche Schuldverschreibung erhielte und somit nichts weiter als einen Pyrrhussieg erlangt.816 Ein solches Ergebnis erscheint grob unbillig.817 Allerdings ist bei der Anwendung des § 242 BGB Zurückhaltung geboten.818 § 242 BGB enthält keine Ermächtigung zu einer allgemeinen Billigkeitsjustiz; er erteilt dem Richter nicht die Befugnis, die sich aus Vertrag oder Gesetz ergebenden Rechtsfolgen im Einzelfall durch vermeintlich „billigere“ oder „angemessenere“ zu ersetzen.819 Allein aufgrund der beschriebenen Nachteile für einen einzelnen Gläubiger ein treuwidriges Verhalten des Emittenten zu bejahen, ginge zu weit. Rechtsprechung und Lehre haben daher den Inhalt des § 242 BGB durch Herausarbeitung von Funktionskreisen und Fallgruppen präzisiert.820 Anwendung und Weiterentwicklung des § 242 BGB haben sich hieran zu orientieren.821 Ist, wie im vorliegenden Fall, keine der entwickelten Fallgruppen – hierzu zählen insbesondere das Verbot widersprüchlichen Verhaltens und die Verwirkung – einschlägig, so besteht lediglich die Möglichkeit zur Subsumtion unter den Auffangtatbestand der unzulässigen Rechtsausübung. Diesbezüglich sind sämtliche Interessen des Einzelfalls abzuwägen.822 Diese können öffentlicher oder privater Natur sein. Zwingende Interessen der Öffentlichkeit oder der übrigen Gläubiger, die für eine Anwendung des Urteils zugunsten aller Gläubiger sprechen, bestehen bei genauerer Betrachtung nicht. Das öffentliche Interesse an einem reibungslosen Funktionieren der Kapitalmärkte ist nicht betroffen. Es besteht kein Zweifel, dass die Kapitalmärkte eine volkswirtschaftlich wichtige Allokationsfunktion erfüllen, die grundsätzlich im 815 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 18 ff.; Erman/Hohloch, BGB, § 242 BGB, Rn. 14; MünchKommBGB/Roth, § 242, Rn. 46 ff. 816 Siehe hierzu die Ausführungen unter F.III.2. 817 Ebenso Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38. 818 Palandt/Grüneberg, BGB, § 242, Rn. 2; MünchKommBGB/Roth, § 242, Rn. 27. 819 BGH, Urteil vom 6. Mai 1985 – VIII ZR 119/84, NJW 1985, 2579, 2580. 820 Palandt/Grüneberg, BGB, § 242, Rn. 2. 821 Palandt/Grüneberg, BGB, § 242, Rn. 2. 822 Bamberger/Roth/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 49.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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Interesse der Allgemeinheit liegt.823 Einen maßgeblichen Beitrag zum Funktionieren der Kapitalmärkte leistet die Fungibilität von Schuldverschreibungen, die mittels der kollektiven Bindung hergestellt wird.824 Tatsächlich wird jedoch die kollektive Bindung der Schuldverschreibungen nur bedingt beeinträchtigt. Da jeweils nur die einzelne Schuldverschreibung des auf dem Klagewege erfolgreichen Gläubigers ausgebucht wird, bleibt die Fungibilität der Gesamtemission bestehen und somit die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte gewahrt. Dies ist freilich dann nicht mehr der Fall, wenn mehrere Investoren, die große Anteile am Gesamtemissionsvolumen halten, den Klageweg beschreiten. Entscheiden sich nach einem stattgebenden Urteil mehrere Investoren zur Klage, besteht ferner die Gefahr, dass sich widersprechende instanzgerichtliche Urteile ergehen.825 In diesem Zusammenhang könnte ein öffentliches Interesse an einer Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu berücksichtigen sein. Allerdings lehnen es Rechtsprechung und Literatur bereits im Zusammenhang mit der Begründung einer Rechtskrafterstreckung ab, dieser Erwägung ausschlaggebende Bedeutung beizumessen826, sodass sich auch hieraus kein zwingendes Argument für eine Gleichbehandlungspflicht aus § 242 BGB ergibt. Eine Gleichbehandlungspflicht ergibt sich auch nicht aus Art. 3 GG. Ein generelles Gebot privatrechtlicher Gleichbehandlung besteht nicht.827 Ausnahmen werden nur in solchen Rechtsbeziehungen gemacht, „die als Teil eines Systems gleichartiger Rechtsverhältnisse und durch eine ausgeprägte soziale und gemeinschaftsbezogene Komponente charakterisiert sind“.828 Hierzu sollen insbesondere das Arbeits-, Vereins- und Gesellschaftsrecht zählen.829 Ist die Gleichartigkeit der Rechtsverhältnisse der beteiligten Anleihegläubiger noch zu bejahen, so ist spätestens eine ausgeprägte sozial- und gemeinschaftsbezogene Komponente für das Rechtsverhältnis der Anleihegläubiger zum Emittenten zu verneinen.830 Auch besteht kein überragendes Interesse der übrigen Gläubiger an einer Anwendung des Richterspruchs zu ihren Gunsten. Diese haben nicht nur die Möglichkeit, selbst zu klagen, sondern genießen darüber hinaus den Vorteil eines redu-

823

Zur Allokationsfunktion des Kapitalmarkts siehe Habersack/Mülbert/Schlitt/Trapp, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 31, Rn. 2. 824 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 825 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38. 826 Vgl. zur Rechtskrafterstreckung im Zusammenhang mit Individualklagen von Gläubigern von Schuldverschreibungen die Darstellung unter F.III.3.b)dd). 827 Erman/Hohloch, BGB, § 242, Rn. 33. 828 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 24. 829 Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 24. 830 Vergleiche hierzu die Ausführungen unter F.III.3.b)bb)(3)(a).

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

zierten Prozessrisikos.831 Ein untragbares Ergebnis für die übrigen Anleihegläubiger entsteht daher nicht. Gegen eine Anwendung des § 242 BGB spricht im Ergebnis auch, dass es sich hierbei nicht um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handelt. § 242 BGB modifiziert lediglich bereits bestehende Ansprüche oder schränkt diese ein.832 Selbst wenn man eine unzulässige Rechtsausübung durch den Emittenten bejahen wollte, würde § 242 BGB den Schuldverschreibungsläubigern keinen unmittelbaren Anspruch auf Anwendung einer gerichtlichen Entscheidung zu ihren Gunsten gewähren. cc) Lösungsansatz 3: Anwendung des Urteils kraft materiell-rechtlichen Vertrags Vereinzelt wird vorgeschlagen, mittels eines materiell-rechtlichen Vertrags die Wirkung des Urteils für alle Gläubiger herbeizuführen. Zwar kann hierdurch nicht die Rechtskraft als solche auf Dritte erstreckt werden; möglich ist es aber, den Emittenten zur gleichmäßigen Anwendung der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge zu verpflichten.833 Soweit dies geschehen soll, indem ein Gläubigerbeschluss dem eigentlichen Gerichtsverfahren vorgeschaltet wird, würden die übrigen Gläubiger wohl auch einem klageabweisenden Urteil zustimmen und wären de facto von der ordentlichen Prozessführung durch den einzelnen Gläubiger abhängig.834 Ob hierzu die erforderliche Mehrheit durch die Gläubigerversammlung erzielt werden kann, darf bezweifelt werden.835 Umgekehrt erscheint es bei einem Beschlussverfahren der Gläubigerversammlung aus Anlass einer gerichtlichen Änderung unwahrscheinlich, dass der Emittent zur Mitwirkung bereit ist.836 In beiden Fällen – sowohl des vorgeschalteten wie auch des nachgeschalteten Gläubigerbeschlusses – gilt es ferner zu bedenken, dass die Anleihebedingungen diese Möglichkeit der Beschlussfassung vorsehen müssen. In den Fällen, in denen die Geltung des Abschnitts 2 des SchVG nicht vereinbart wurde, ist die Durchführung eines solchen Beschlussverfahrens von vornherein nicht möglich.837 831

Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 24. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1983 – V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351; Bamberger/ Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, § 242, Rn. 29. 833 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Rn. 10; Musielak/Musielak, ZPO, § 325, Rn. 20; Zöller/Vollkommner, ZPO, § 325, Rn. 43a. 834 Siehe Heldt, FS Teubner, S. 315, 331, die ein solches vorgeschaltetes Gläubigerverfahren vorschlägt, um dem Prinzip der kollektiven Bindung gerecht zu werden. 835 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38. 836 Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 38. 837 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 28. 832

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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Insgesamt handelt es sich bei der Legitimierung eines Prozessergebnisses durch Gläubigerbeschluss nicht um einen praktikablen Weg, die kollektive Bindung einer gerichtlich erzwungenen Änderung der Anleihebedingungen zu begründen. dd) Lösungsansatz 4: Durchbrechungen der Wirkung inter partes (Rechtskrafterstreckung auf Dritte) Jedes Urteil wirkt gemäß § 325 Abs. 1 ZPO im Grundsatz nur zwischen den Parteien des Prozesses, da nur diese Einfluss auf den Gang des Verfahrens haben.838 In Ausnahmefällen verlangen jedoch Rechtssicherheit und Prozesswirtschaftlichkeit die Erstreckung der Rechtskraft des Urteils auf Dritte.839 Infolge einer Rechtskrafterstreckung ist eine erneute Klage mit identischem Streitgegenstand für oder gegen den Dritten unzulässig.840 Gleichzeitig kann durch die Umstellung der Vollstreckungsklausel nach § 727 ZPO eine Vollstreckungsmöglichkeit für oder gegen den Dritten geschaffen werden.841 Eine Durchbrechung der inter partes Wirkung und die Erweiterung der Rechtskraft kann sich unstreitig kraft ausdrücklicher Anordnung des prozessualen (vgl. § 325 Abs. 1 ZPO, § 326 ZPO) oder des materiellen Rechts (vgl. § 129 Abs. 1 HGB), aber auch infolge sonstiger materiell-rechtlicher Abhängigkeit ergeben.842 Mangels ausdrücklicher Anordnung der Rechtskrafterstreckung bei Einzelklagen eines Anleihegläubigers kommt hier nur eine Rechtskrafterstreckung infolge sonstiger materiell-rechtlicher Abhängigkeit in Betracht. Entscheidend für eine materiell-rechtliche Abhängigkeit ist, dass die Ansprüche im gleichen Sinne beurteilt werden müssen, um eine reibungslose Abwicklung derselben zu ermöglichen.843 In diesem Fall wird auch von einer Präjudizialität des Rechtsverhältnisses gesprochen.844 Voraussetzung der Präjudizialität ist die objektive Identität des Streitgegenstandes des Vorprozesses und des Nachprozesses.845 Dies ist bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung der Anleihebedingungen von Wertpapieren der Fall und ergibt sich aus dem Erfordernis der Fungibilität der Schuldverschreibungen. Ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet.846 Urteile, die die inhaltliche Ausgestaltung 838

MünchKommZPO/Gottwald, § 325, Rn. 1. Baumbach, ZPO, § 325, Rn. 1. 840 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Rn. 11. 841 Baumbach, ZPO, § 325, Rn. 2; Zöller/Vollkommner, ZPO, § 325, Rn. 1; Musielak/ Musielak, ZPO, § 325, Rn. 1. 842 Zöller/Vollkommner, ZPO, § 325, Rn. 31 f. 843 MünchKommZPO/Gottwald, § 325, Rn. 68. 844 Musielak/Musielak, ZPO, § 325, Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO, § 325 Rn. 2. 845 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Kap. 155, Rn. 23. 846 BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 317. 839

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von Anleihebedingungen zum Gegenstand haben, können deshalb nur einheitlich ergehen. Die Entscheidung über die Ausgestaltung von Anleihebedingungen im Verhältnis des klagenden Gläubigers zum Emittenten ist mithin vorgreiflich für die Ausgestaltung der Anleihebedingungen der Schuldverschreibungen der übrigen Gläubiger. Da es sich bei der Rechtskrafterstreckung um eine Ausnahmeregelung handelt, genügt allerdings allein die Präjudizialität nicht.847 Das Gesetz hat den Betroffenen keine generelle Bindung an vorgreifliche Entscheidungen zwischen anderen Beteiligten auferlegt, da sich aus der Präjudizialität allein eine unzumutbar weite Ausdehnung der Rechtskraft ergeben würde.848 Tatsächlich hat nur in wenigen Fällen die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung gegenüber verschiedenen Beteiligten zu einer Erstreckung der Rechtskraft Anlass gegeben.849 Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen, die hinzukommen müssen, um eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte zu rechtfertigen, besteht Uneinigkeit. (1) Zumutbarkeit der Rechtskrafterstreckung für den Dritten Teilweise wird die Zumutbarkeit der Rechtskrafterstreckung für den Dritten gefordert.850 Von einer solchen Zumutbarkeit sei bei für den Dritten nachteiligen Entscheidungen auszugehen, wenn das abhängige Rechtsverhältnis erst nach Rechtskrafteintritt begründet wurde oder der Dritte nach materiellem Recht eine spätere Verschlechterung seiner Rechtslage durch rechtsgeschäftliche Änderung des präjudiziellen Verhältnisses hinnehmen muss851; ferner in dem Fall, in dem die Rechtskrafterstreckung für den Dritten nur günstig wirken würde.852 Der BGH hat es abgelehnt, die Rechtkrafterstreckung – neben der Präjudizialität – allein auf das Kriterium der Zumutbarkeit zu stützen.853 Die Wertentscheidung des 847 BGH, Urteil vom 16. November 1951 – V ZR 17/51, BGHZ 3, 385, 388; Musielak/ Musielak, ZPO, § 325, Rn. 3; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 155, Rn. 27; Huber, JuS 1972, S. 621, 621. 848 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, Kap. 155, Rn. 23; Zöller/Vollkommner, ZPO, § 325, Rn. 41. 849 BGH, Urteil vom 16. November 1951 – V ZR 17/51, NJW 1952, S. 178. Ähnlich Lürke, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 99, mit dem Hinweis, dass die h.M. bei der Annahme einer Rechtskrafterstreckung über den gesetzlichen Rahmen hinaus, sehr zurückhaltend verfahre. 850 Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 91 II. 3.; weitere Nachweise bei Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Fn. 169. 851 Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 91 II. 3.; a.A. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, S. 395, 396; Musielak/Musielak, ZPO, § 325, Rn. 3; MünchKommZPO/ Gottwald, § 325, Rn. 9. 852 Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 91 II. 3.; a.A. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, S. 395, 396; Musielak/Musielak, ZPO, § 325, Rn. 3; MünchKommZPO/ Gottwald, § 325, Rn. 9. 853 BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, S. 395, 396.

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§ 325 ZPO verlange, dass ein Dritter an ein Urteil, das ohne seine Mitwirkung zustande gekommen ist, im Grundsatz nicht gebunden sei. Hierdurch wird dem Grundrecht der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) Rechnung getragen.854 Dem ist insofern zuzustimmen, als die Beschränkung der Rechtskraft auf die Prozessparteien zum Ziel hat, einen Dritten vor einer Bindung zu seinen Ungunsten zu schützen.855 Bei einer Rechtskrafterstreckung zu seinen Gunsten hat der Dritte allerdings keine Nachteile zu befürchten. Dem unterlegenen Gegner hingegen kann durchaus zugemutet werden, dass ihn die Entscheidung aus dem Vorprozess auch im Folgeprozess bindet, da sein Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt wurde.856 Für den Fall des Obsiegens des klagenden Anleihegläubigers ließe sich somit eine Rechtskrafterstreckung auf die übrigen Gläubiger bejahen. Ein klageabweisendes Urteil hingegen bindet die übrigen Anleihegläubiger nicht. Allerdings hat der BGH in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass auch die Vorteilhaftigkeit der Entscheidung für den Dritten allein nicht für eine Rechtskrafterstreckung genügen soll.857 Dies gilt zumindest für die Fälle der Gesamtgläubigerschaft, in denen das materielle Recht (namentlich §§ 429 Abs. 3, 425 BGB) ausdrücklich anordnet, dass eine Rechtskrafterstreckung nicht stattfindet.858 Zugleich soll aber eine Anwendung der Vorschriften des materiellen Rechts bezüglich der Rechtskraftwirkung für Dritte bei vorsichtiger Abwägung nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein.859 Dies bedarf dann aber besonderer Rechtfertigung860 und setzt zumindest eine ausdrückliche oder nach dem Sinn der Vorschrift gebotene Anordnung voraus.861 Genannt seien beispielhaft die Vorschriften des § 768 Abs. 1 BGB und der §§ 178 Abs. 3, 183 Abs. 1 InsO. Hinsichtlich der Bürgschaft ergibt sich die Rechtskrafterstreckung aus Sinn und Zweck des § 768 Abs. 1 BGB. Die streng akzessorische Haftung des Bürgen im Verhältnis zum Hauptschuldner erlaubt es dem Bürgen, als Einrede gegenüber dem Gläubiger die rechtskräftige Abweisung der Klage gegen den Hauptschuldner geltend zu machen.862 Dass die Rechtskrafterstreckung eindeutig auf den Willen des 854

BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, S. 395, 396. Schack, NJW 1988, S. 865, 872. 856 Blomeyer, Zivilprozessrecht, § 91 II. 3. 857 BGH, Urteil vom 16. November 1951 – V ZR 17/51, BGHZ 3, 385, 388. Siehe ferner Huber, JuS 1972, S. 621, 622, der darauf hinweist, dass diese Entscheidung zumindest nicht unproblematisch sei. 858 BGH, Urteil vom 16. November 1951 – V ZR 17/51, BGHZ 3, 385, 389; MünchKommZPO/Gottwald, § 325, Rn. 83. Zu dem gleichen Ergebnis kommt der BGH auch hinsichtlich eines Vertrags zugunsten Dritter. 859 BGH, Urteil vom 16. November 1951 – V ZR 17/51, BGHZ 3, 385, 391. 860 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Rn. 90. 861 BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, S. 395, 396. 862 Eine Rechtskrafterstreckung ist in diesem Fall allgemein anerkannt, siehe BGH, Beschluss vom 28. Juni 2006 – XII ZB 9/04, NJW-RR 2006, S. 1628, 1629; BGH, Urteil vom 855

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Gesetzgebers zurückgeht, wird umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass die Vorschrift früher allgemein als „Einrede der Rechtskraftwirkung“ bezeichnet wurde.863 Im Gegensatz zu § 768 Abs. 1 BGB ordnen die §§ 178 Abs. 3, 183 Abs. 1 InsO auch dem Wortlaut nach eine Erstreckung der Rechtskraft ausdrücklich an. Danach wirken Eintragungen zur Tabelle für die festgestellte Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegen den Insolvenzverwalter und alle Insolvenzgläubiger bzw. wirkt eine rechtskräftige Entscheidung, durch die eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt wird, gegen den Insolvenzverwalter und alle Insolvenzgläubiger. Für Leistungsklagen eines Gläubigers gegen den Emittenten fehlt es hingegen nicht nur an einer vergleichbaren ausdrücklichen Anordnung, sondern es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechtskrafterstreckung durch den Gesetzgeber intendiert ist. Gerade weil der Gesetzgeber die Entscheidung zur Wirkung von Einzelklagen Rechtsprechung und Lehre überlassen hat, nimmt er selber keine gesetzliche Bewertung der Interessen der Beteiligten vor. Diese würde es aber überhaupt erst erlauben, durch Auslegung eine beabsichtigte Rechtskrafterstreckung zu ermitteln.864 Die ausdrückliche Aufforderung des Gesetzgebers an Wissenschaft und Rechtsprechung erlaubt es aber auch nicht, den Anwendungsbereich der Rechtskrafterstreckung mittels Rechtsfortbildung zu erweitern. Grundsätzlich eröffnen solche Fälle Raum zur richterlichen Rechtsfortbildung.865 Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass die Bejahung einer Rechtskrafterstreckung bei Individualklagen auch bedeutet, dass von dem Erfordernis abgerückt wird, dass die Rechtskrafterstreckung entweder ausdrücklich angeordnet sein oder sich aus der ratio der Norm ergeben muss. Dies führt zu Brüchen im bisher klaren System der Rechtskrafterstreckung und gefährdet dadurch die Einheit der Rechtsordnung. Gegen die Annahme einer Rechtskrafterstreckung sprechen aber auch die folgenden Überlegungen: Eine für den Dritten rechtlich lediglich vorteilhafte Rechtskrafterstreckung (verbunden mit dem hier ohnehin nicht gegebenen, zusätzlichen Erfordernis der Anordnung) hat zur Folge, dass die Rechtskraft stets zugunsten, nicht aber zulasten des Dritten wirkt. Dies bedeutet für die Prozesspartei, um deren Rechtsverhältnis zu

20. Oktober 1995 – V ZR 263/94, NJW 1996, S. 395, 396; Musielak/Musielak, ZPO, § 325, Rn. 15; MünchKommZPO/Gottwald, § 325, Rn. 72; a.A. offenbar Schack, NJW 1988, S. 865, 870, der davon ausgeht, dass es sich bei § 768 Abs. 1 BGB nicht um eine von Amts wegen zu beachtende Rechtskrafterstreckung handelt, sondern lediglich um eine materiell-rechtliche Einrede des Bürgen, auf die er sich berufen muss. 863 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Rn. 99. 864 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Rn. 95. 865 Vgl. hierzu Sachs/Sachs, GG, Art. 20, Rn. 121, wonach für richterliche Rechtsfortbildung dort Raum ist, wo es an entgegenstehenden Gesetzen fehlt.

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dem Dritten es geht, dass sie den ersten Prozess mit der einfachen Gewinnchance, aber mit einem vielfach höheren Verlustrisiko führen müsste.866 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Gläubiger – jedenfalls soweit die Anwendbarkeit des SchVG in den Anleihebedingungen vorgesehen ist – die Möglichkeit haben, eine einheitliche Entscheidung im Wege der kollektiven Rechtsverfolgung gemäß § 7 Abs. 2 SchVG zu erzwingen.867 Hierzu bedarf es der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und der Übertragung der entsprechenden Befugnisse auf diesen.868 Da es regelmäßig der Emittent ist, dem die Entscheidung über die Anwendbarkeit des Abschnitts 2 des SchVG obliegt, hat er indirekt auch die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters. Entscheidet er sich im Einzelfall gegen eine Anwendbarkeit des Abschnitt 2 des SchVG und damit gegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, so sollte nicht über den Umweg der Rechtskrafterstreckung bei Individualklagen die gleiche Wirkung erzielt werden können; jedenfalls solange nicht, wie dies nicht durch den Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen wurde. (2) Prozessuale Begründung der Rechtskrafterstreckung Eine andere Ansicht fordert zusätzlich zur materiell-rechtlichen Abhängigkeit eine prozessuale Begründung für eine Drittwirkung der Rechtskraft, wobei allein die Gefahr des Ergehens sich widersprechender Entscheidungen nicht genügen soll.869 Nach dieser Ansicht wäre mangels prozessualer Zwänge eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. (3) Rechtskrafterstreckung infolge Abhängigkeit Nach anderer Ansicht soll die Rechtskraft des Urteils über die vorgreifliche Frage nur dann für und gegen Dritte wirken, wenn deren Rechtsverhältnis von dem vorweg entschiedenen abhängig sei. In den Fällen, in denen die Parteien auch durch Rechtsgeschäft eine entsprechende Wirkung für oder gegen den Dritten herbeiführen können, sei eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte zulässig oder sogar geboten. Als Begründung hierfür wird angeführt, dass diese Fälle mit den Fällen der Rechtsnachfolge vergleichbar seien, in denen ebenfalls eine Rechtkrafterstreckung auf Dritte angeordnet wird.870 Würde man dieser Auffassung folgen, so wäre eine Rechtskrafterstreckung im vorliegenden Fall zu verneinen, da es der einzelne Kläger nicht in der Hand hat, die Anleihebedingungen auf rechtsgeschäftlichem Wege mit Wirkung für alle Gläubiger 866

Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325, Rn. 90; ebenso Schack, NJW 1988, S. 865, 872. Beyer, Das Transparenzgebot und die Anpassung von Emissionsbedingungen, S. 205. 868 Beyer, Das Transparenzgebot und die Anpassung von Emissionsbedingungen, S. 205. 869 Schack, NJW 1988, S. 865, 868. 870 Zöller/Vollkommner, ZPO, § 325, Rn. 42; a.A. MünchKommZPO/Gottwald, § 325, Rn. 3; Huber, JuS 1972, S. 621, 625. 867

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

zu ändern. Vielmehr bestimmt § 4 S. 1 SchVG ausdrücklich, dass eine Änderung der Anleihebedingungen nur durch einen Beschluss der Gläubigerversammlung oder durch gleichlautenden Vertrag mit allen Gläubigern vorgenommen werden kann. Folglich ist bereits die von dieser Auffassung geforderte „Abhängigkeit“ zu verneinen. Hinzu kommt, dass diese Ansicht auch aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen ist. Die Prozessführung lässt sich nämlich nicht ohne Weiteres einer rechtsgeschäftlichen Verfügung über den Streitgegenstand gleichsetzen. Es besteht nun einmal ein struktureller Unterschied zwischen privatrechtlichen Willensbetätigungen und richterlicher Erkenntnis.871 4. Kollektive Bindung gerichtlicher Entscheidungen de lege ferenda Das Erzielen einer kollektiven Bindung gerichtlicher Entscheidungen wenigstens zum Schutz des einzelnen, prozessual erfolgreichen Gläubigers ist wünschenswert. Die Aussicht, schlimmstenfalls ein klagestattgebendes Urteil gegen eine illiquide Schuldverschreibung eintauschen zu müssen, mag in dem einen oder anderen Fall dazu führen, dass von der Rechtsverfolgung abgesehen wird; ein Zustand, der mit dem Prinzip des effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist. Für eine extensive Reichweite der kollektiven Bindung spricht ferner die Prozesswirtschaftlichkeit. Andere Gläubiger sollten nicht auf weitere kostenintensive Klagen verwiesen und zudem die Gerichte entlastet werden. Gleichzeitig würde die Ausdehnung der kollektiven Bindung der Gefahr sich widersprechender instanzgerichtlicher Urteile entgegenwirken. Ein schutzwürdiges Interesse des Emittenten, welches einer Einführung der kollektiven Bindung von Individualklagen entgegenstehen könnte, ist demgegenüber nicht ersichtlich. Für die übrigen Gläubiger ist die Anwendung eines klagestattgebenden Urteils in der Regel vorteilhaft und dürfte im Interesse aller Gläubiger liegen. Zur Absicherung kann der Gläubigerversammlung ein Veto-Recht eingeräumt werden, mittels dessen sie solchen Gerichtsentscheidungen wiedersprechen könnte, deren Anwendung nicht im Sinne der Mehrheit der Gläubiger ist.872 Da mittels anerkannter Rechtsinstitute die kollektive Bindung einer Gerichtsentscheidung nicht begründet werden kann, ist der Gesetzgeber an dieser Stelle zum Tätigwerden aufgefordert. Dies dürfte insofern leicht fallen, als die Gesetzesbegründung ohnehin von einer weiten Reichweite der kollektiven Bindung ausgeht. Die Begründung des Gesetzgebers, dass eine derartige gesetzgeberische Entscheidung aktuell nicht getroffen werden könne, da unklar sei, ob die Richtlinien 93/13/EWG und 98/27/EG auf Schuldverschreibungen Anwendung fänden, ist nicht tragfähig 871 Schack, NJW 1988, S. 865, 872. Siehe auch Huber, JuS 1972, S. 621, 625 mit ausführlicher Begründung für die Ablehnung einer Rechtskrafterstreckung infolge Abhängigkeit. 872 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 28.

III. Kollektive Bindung und gerichtlich herbeigeführte Änderungen

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(siehe oben F.III.1.). Bereits zum jetzigen Zeitpunkt besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Stand der Gesetzgebung einerseits und dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand im Wertpapierrecht andererseits.873 Dies sollte dringend behoben werden. 5. Rechtsfolgen und kollektive Rechtsverfolgung Neben der Möglichkeit der individuellen Rechtsverfolgung ermöglicht das SchVG zudem auch die kollektive Rechtsverfolgung. So können die Gläubiger dem gemeinsamen Vertreter durch Mehrheitsbeschluss gemäß § 7 Abs. 2 SchVG u. a. auch eine Spezialvollmacht, z. B. zur gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung von Zahlungs- und Zinsansprüchen, einräumen.874 Vorbehaltlich einer entsprechenden Ermächtigung seitens der Anleihegläubiger hat der gemeinsame Vertreter ein „verdrängendes Mandat“, das in seinem Wirkungskreis die Wahrnehmung von Rechten durch die einzelnen Anleihegläubiger selbst ausschließt.875 Bei der Bestellung des gemeinsamen Vertreters handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Bestellung, deren materiell-rechtliche Wirkung sich nach den §§ 164 ff. BGB bestimmt.876 Für die kollektive Bindung eines Urteils bedeutet dies Folgendes: Die erteilte Prozessvollmacht ermächtigt zur Prozessführung im Namen des Vertretenen. Die Wirkungen des stellvertretenden Handelns treten in der Person der Partei, in diesem Fall der Anleihegläubiger, nicht des Vertreters ein; auf ihren Namen ergehen die Entscheidungen; für oder gegen sie wird das Urteil vollstreckt.877 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Das SchVG billigt den Schuldverschreibungsgläubigern das Recht zu, etwaige Ansprüche entweder im Wege kollektiver Rechtsverfolgung gemäß § 7 Abs. 2 SchVG geltend zu machen oder diese Ansprüche auf individuellem Wege durch Einzelklagen zu verfolgen. Mit dem Prinzip der kollektiven Bindung und der damit bezweckten inhaltlichen Austauschbarkeit von Schuldverschreibungen ist es an sich nicht zu vereinbaren, wenn die Schuldverschreibungen eines einzelnen Gläubigers nach einem stattgebenden Urteil abweichende Bedingungen für den betreffenden Gläubiger vorsehen. Dieses Problem, das gerichtliche Entscheidungen, die aufgrund von Individualklagen ergangen sind, mit sich bringen, hat der Gesetzgeber nicht gelöst. Stattdessen hat 873 874 875 876 877

MünchKommBGB/Habersack, Vor § 793, Rn. 4. Verannemann/Oulds, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 56; Podewils, DStR 37/2009, S. 1918. Verannemann/Oulds, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 57. Verannemann/Oulds, SchVG, §§ 7, 8, Rn. 56. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 55, Rn. 55.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

er sich dazu entschlossen, die Klärung der Frage Rechtsprechung und Wissenschaft zu überlassen. Die Begründung hierfür, dass die Anwendbarkeit der Klauselrichtlinie noch nicht abschließend geklärt sei, überzeugt indes nicht. Selbst wenn man die Anwendbarkeit der Klauselrichtlinie auf Anleihebedingungen bejahen würde, wäre die Wirkung von Individualklagen in den folgenden Fällen noch nicht geklärt: erstens in den Fällen, in denen sich der einzelne Gläubiger zur Erhebung einer Einzelklage – bei gleichzeitigem Bestehen der Möglichkeit zur Verbandsklage – entscheidet; zweitens in den Fällen, in denen im Wege der Einzelklage ein anderer Prüfungsmaßstab besteht als bei Erhebung der Verbandsklage; und schließlich bei Klagen durch Unternehmern. Die Problematik der Wirkung gerichtlicher Entscheidungen bei Individualklagen lässt sich auch nicht mithilfe anerkannter Rechtsinstitute lösen. Ein Handeln des einzelnen Gläubigers in Prozessstandschaft für die übrigen Gläubiger gemäß § 744 Abs. 2 BGB ist abzulehnen, da die Gläubiger weder als BGB-Gesellschaft i.S.d. § 705 BGB noch als Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. 741 BGB zu qualifizieren sind. Der Emittent ist auch nicht zur gleichmäßigen Anwendung der ergangenen Einzelentscheidung verpflichtet. Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus verbandsrechtlichen Treuepflichten noch aus § 242 BGB. Auch § 30a WpHG und § 4 S. 2 SchVG finden in diesem Zusammenhang keine Anwendung. Eine Verpflichtung des Emittenten zur Anwendung des ergangenen Urteils zugunsten aller Gläubiger ließe sich zwar begründen, erscheint aber nicht praktikabel. Schließlich entfaltet das ergangen Urteil auch keine Wirkung erga omnes aufgrund einer Erstreckung der Rechtskraft. Diesbezüglich fehlt es an einer ausdrücklichen Anordnung und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Um zu verhindern, dass der auf dem Klagewege erfolgreiche Gläubiger eine illiquide Schuldverschreibung erhält und nichts weiter als einen Pyrrhussieg erringt, ist der Gesetzgeber gehalten, zu reagieren und eine entsprechend Lösung zu Wahrung der kollektiven Bindung der Schuldverschreibungen bei Individualklagen zu finden. De lege lata ist eine kollektive Bindung gerichtlicher Entscheidungen nämlich nur in den Fällen unproblematisch, in der die Rechte der Schuldverschreibungsgläubiger durch den gemeinsamen Vertreter geltend gemacht wurden.

IV. Grenzen der kollektiven Bindung Der Grundsatz der kollektiven Bindung des § 4 SchVG gilt dem Wortlaut des Gesetzes nach zunächst einmal ohne Einschränkungen. Dies war im Referentenentwurf zum SchVG noch nicht der Fall (F.IV.1.). Doch auch ohne ausdrückliche Einschränkung erfährt der Grundsatz der kollektiven Bindung möglicherweise Durchbrechungen. Einschränkungen können sich in diesem Zusammenhang auf zwei Arten ergeben: Einerseits können Bestimmungen des SchVG selbst eine Durchbrechung der kollektiven Bindung anordnen (F.IV.2.a)) und anderseits kann sich aus Bestimmungen außerhalb des SchVG ein Anwendungsvorrang von

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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Normen ergeben, die nicht mit dem Grundsatz der kollektiven Bindung zu vereinbaren sind (F.IV.2.b)). Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob es Fälle gibt, in denen die Anleihebedingungen abweichende Bedingungen für einzelne Gläubiger vorsehen können. Hierzu wird zunächst die entsprechende Regelung des Referentenentwurfs zum SchVG dargestellt (F.IV.1.), da sich hieraus möglicherweise ein Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die aktuelle Gesetzesfassung gewinnen lässt. Im Anschluss soll untersucht werden, ob die kollektive Bindung des § 4 SchVG Grenzen unterliegt. 1. Die Grenze der kollektiven Bindung im Referentenentwurf zum SchVG Im Referentenentwurf zum SchVG fand sich noch eine ausdrückliche Regelung zur Reichweite der kollektiven Bindung.878 § 3 Abs. 2 lautete wie folgt: Bestimmungen in Anleihebedingungen unterliegen nicht der kollektiven Bindung, soweit ihre rechtlich identische Ausgestaltung nicht erforderlich ist, um die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten.

§ 3 Abs. 3 konkretisierte dies folgendermaßen: Der kollektiven Bindung unterliegen insbesondere alle Bestimmungen in Anleihebedingungen, in denen Hauptleistungspflichten des Schuldners geregelt werden, namentlich Bestimmungen, nach denen der Inhalt des Leistungsversprechens des Schuldners zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig sein soll 1. vom Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten, Edelmetallen, Waren oder sonstigen Gütern, dem Preis von Devisen oder Rechnungseinheiten, von Zinssätzen, Dividenden oder anderen Erträgen, Indizes oder Derivaten; 2. von einem Wahlrecht des Schuldners, statt einer Geldzahlung einen anderen Vermögensgegenstand zu liefern; 3. vom Zahlungsverhalten, der Zahlungsfähigkeit oder den sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen einer oder mehrerer anderer Personen; 4. von Zahlungseingängen oder sonstigen Erlösen aus Forderungen oder vergleichbaren Vermögensgegenständen gegen eine oder mehrere andere Personen; 5. von der vorrangigen Bedienung anderer Verbindlichkeiten auch aus anderen Schuldverschreibungen, insbesondere wenn das Leistungsversprechen entsprechend der Nummer 3 auf die Zahlungseingänge oder sonstigen Erlöse aus bestimmten Forderungen oder sonstigen Vermögensgegenständen begrenzt ist; 6. vom Nichteintritt bestimmter Verluste, welche das Leistungsversprechen gegenüber den Gläubigern mindern sollen. 878 Vgl. zur Reichweite der kollektiven Bindung im Referentenentwurf des SchVG die Darstellung bei Cranshaw, BKR 2008, S. 504, 506 f.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Hierbei handelte es sich lediglich um eine exemplarische Darstellung der Bestimmungen in Anleihebedingungen, die in jedem Fall von der kollektiven Bindung umfasst sein sollten.879 Bereits im Referentenentwurf hatte der Gesetzgeber festgestellt, dass eine abschließende Darstellung sämtlicher Bestimmungen in Anleihebedingungen, die der kollektiven Bindung unterfallen, nicht möglich ist.880 Im Rahmen seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf kritisierte der Deutsche Anwaltverein, dass diese Regelung zu Beweisproblemen und Rechtsunsicherheiten führen könne und es daher vorzugswürdig sei, die Anleihebedingungen insgesamt der kollektiven Bindung zu unterwerfen.881 Diesem Anliegen hat der Gesetzgeber zu Recht Rechnung getragen und die in § 3 des Referentenentwurfs getroffene Regelung verworfen. Zwar bestand kein Zweifel daran, welche Bestimmungen in Anleihebedingungen jedenfalls der kollektiven Bindung unterfallen sollten. Unklarheit hätte aber hinsichtlich der Frage geherrscht, welche Bestimmungen in Anleihebedingungen nicht identisch ausgestaltet sein müssen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nur schwer vorstellbar ist, welche Bestimmungen bei unterschiedlicher Ausgestaltung die Fungibilität und freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen nicht beeinträchtigen würden (siehe hierzu auch die Darstellung unter F.I.2.).882 2. Die Grenzen der kollektiven Bindung unter dem SchVG Durchbrechungen des Grundsatzes der kollektiven Bindung können sich einerseits unmittelbar aus dem SchVG selbst ergeben, andererseits aber auch aus Bestimmungen außerhalb des SchVG. Konkret können die Grenzen der kollektiven Bindung aus einer Durchbrechung des Gleichbehandlungsgebots als flankierender Regelung zur kollektiven Bindung (F.IV.2.a)) sowie aus der Kontrolle von Anleihebedingungen nach AGB-rechtlichen Grundsätzen (F.IV.2.b)) herrühren. a) Das Gleichbehandlungsgebot und seine Durchbrechungen Das SchVG schreibt an zwei Stellen die materielle Gleichbehandlung der Gläubiger vor. § 4 S. 2 SchVG bestimmt: Der Schuldner muss die Gläubiger insoweit [bezogen auf § 4 S. 1 SchVG] gleich behandeln.

879 880 881 882

Horn, ZHR 173 (2009), S. 12, 45. Begründung Referentenentwurf zu § 3 (Kollektive Bindung). Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom August 2008, S. 9. Ebenso wohl Heldt, FS Teubner, S. 315, 323.

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

169

§ 5 Abs. 2 S. 2 SchVG regelt Folgendes: Ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, der nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, ist unwirksam es sei denn, die benachteiligten Gläubiger stimmen ihrer Benachteiligung ausdrücklich zu.

§ 4 S. 2 SchVG verbietet dem Schuldner die Ungleichbehandlung der Gläubiger bei einer inhaltlichen Änderung der Anleihebedingungen nach einem der beiden in § 4 S. 1 SchVG vorgesehenen Verfahren. Ob es darüber hinaus des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 SchVG bedurft hätte, der noch einmal klarstellt, dass eine Ungleichbehandlung der Schuldverschreibungsgläubiger bei Mehrheitsbeschlüssen unzulässig ist, darf bezweifelt werden.883 Immerhin ist dieser Sachverhalt bereits durch § 4 S. 2 SchVG erfasst. Bei einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot ist der gefasste Mehrheitsbeschluss gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG unwirksam. aa) Gleichbehandlungsgebot und kollektive Bindung Der Normzweck des Gleichbehandlungsgebots besteht darin, die identische Ausgestaltung der Schuldverschreibungen einer Serie zu gewährleisten und damit auch das Prinzip der kollektiven Bindung zu sichern.884 Diese ratio hat der Gesetzgeber in der Begründung deutlich zum Ausdruck gebracht.885 Damit unterscheidet sich das Gleichbehandlungsgebot des Schuldverschreibungsgesetzes von zahlreichen anderen Gleichbehandlungsgeboten des Kapitalmarktrechts, über deren Regelungszweck häufig Unklarheit herrscht.886 Im Aktienrecht etwa bestimmt § 53a AktG, dass die Aktionäre einer Aktiengesellschaft unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln sind. Die Begründungen hierfür sind vielfältig.887 Wahlweise wird angeführt, dass das Gleichbehandlungsgebot ein Ausfluss der Mitgliedschaft sei888 oder dass dieses seine Legitimation daraus ziehe, eine wichtige Säule der demokratischen Willensbildung bei Hauptversammlungsbeschlüssen zu sein.889 Der Gesetzgeber hat es hier versäumt, eine entsprechende Begründung abzugeben.

883

Ähnlich auch Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 30 unter Betonung der Klarstellungsfunktion des § 5 Abs. 2 S. 2 SchVG. 884 Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 618; Podewils, DStR 2009, S. 1914, 1915; Horn, BKR 2009, S. 446, 448. 885 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 886 Vgl. hierzu auch Bachmann, ZHR 170 (2006), S. 144, 158, wonach die Schwierigkeiten bei der Begründung von Gleichbehandlungspflichten dazu geführt haben, dass die Frage nach der inneren Rechtfertigung von Gleichbehandlungspflichten nicht mehr gestellt wird. 887 Siehe hierzu auch schon die Darstellung unter F.III.3.b)bb)(3)(a). 888 Henn, AG 1985, S. 240, 241. 889 Bachmann, ZHR 170 (2006), S. 144, 156; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 II 4 b aa.

170

F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Ähnliches gilt für das Gleichbehandlungsgebot des § 226 InsO im Insolvenzrecht. Als Rechtfertigung für die Gleichbehandlungspflicht wird u. a. auf den Gerechtigkeitsgedanken und die Gefahren- bzw. Interessengemeinschaft der Gläubiger verwiesen.890 Vergleichbar mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot liegen der Regelung des § 226 InsO im weiteren Sinne Gerechtigkeitserwägungen zugrunde.891 Hiervon unterscheidet sich der Regelungszweck des § 4 S. 2 SchVG grundlegend. Weder die Gleichbehandlungspflicht des § 4 S. 2 SchVG noch die Gleichbehandlungspflicht des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 SchVG haben als primäres Regelungsziel den individuellen Gläubigerschutz.892 Es handelt sich vielmehr um eine Schranke, die sich aus den Funktionsbedingungen des Marktes ergibt.893 Das Gleichbehandlungsgebot gewährleistet die identische Ausgestaltung der Schuldverschreibungen und damit deren Fungibilität. Die daraus resultierende inhaltliche Austauschbarkeit sichert die jederzeitige Weiterverkaufsmöglichkeit der Schuldverschreibungen und damit die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts.894 Sie schützt und fördert das Vertrauen der Anleger in die Diskriminierungsfreiheit und Integrität des Kapitalmarktes.895 Reflexartig werden hierdurch zugleich auch die Gläubiger geschützt, indem einerseits eine „gerechte“ Behandlung der Gläubigergemeinschaft stattfindet und andererseits die Liquidität der Schuldverschreibungen sichergestellt ist.896 Denn insbesondere die jederzeitige Weiterverkaufsmöglichkeit der Schuldverschreibungen liegt auch im Interesse der Gläubiger.897

890

Bachmann, ZHR 170 (2006), S. 144, 157; Foerste, Insolvenzrecht, § 1, Rn. 11. § 226 InsO kodifiziert den Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren. Da § 226 InsO vom Gedanken des Diskriminierungsverbots getragen ist, sind, in Abweichung zum schuldverschreibungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot, auch Sonderabkommen verboten, MünchKommInsO/Breuer, § 226, Rn. 1 und 4. 892 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 25; a.A. wohl Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 151 f., der im Hinblick auf § 12 Abs. 1 SchVG von 1899 die Auffassung vertritt, dass eine Ungleichbehandlung einzelner Gläubiger „dem Wesen der Gläubigergemeinschaft zuwiderlaufen würde“ sowie Horn, FS Graf von Westphalen, S. 353, 355. 893 Bachmann, ZHR 170 (2006), S. 144, 163. 894 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. Ebenso zur Fungibilität der Wertpapiere als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 315. 895 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 25. 896 Zum lediglich reflexartigen Schutz der Gläubiger vor benachteiligenden Behandlungen vergleiche die Ausführungen von Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 25. 897 Heldt, FS Teubner, S. 315, 319. 891

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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Somit flankiert § 4 S. 2 SchVG gleichsam den Grundsatz der kollektiven Bindung, indem sichergestellt wird, dass auch bei Beachtung der Verfahren zur Änderung der Anleihebedingungen nach § 4 S. 1 SchVG die Fungibilität der Schuldverschreibungen nicht gefährdet wird.898 Dementsprechend bezieht sich das Gleichbehandlungsgebot in sachlicher Hinsicht ausschließlich auf die Sachverhalte, die von der kollektiven Bindung umfasst sind.899 Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots hat zugleich eine Durchbrechung der kollektiven Bindung zur Folge. bb) Exkurs: Abgrenzung zur pari-passu Klausel Die in Anleihen allgemein übliche900 pari-passu Klausel enthält bereits eine schuldrechtliche Verpflichtung des Emittenten zur Gleichbehandlung der Gläubiger derselben Anleihe.901 Eine gängige Formulierung einer solchen Klausel lautet: Die Schuldverschreibungen begründen nicht besicherte und nicht nachrangige Verbindlichkeiten des Emittenten, die untereinander und mit allen anderen nicht besicherten und nicht nachrangigen Verbindlichkeiten des Emittenten gleichrangig sind mit Ausnahme von Verbindlichkeiten, die nach geltenden Rechtsvorschriften vorrangig sind.902

Die Gleichbehandlungspflicht des Emittenten beschränkt sich in diesem Zusammenhang allerdings lediglich auf eine Ranggleichheit der Forderungen.903 Bei privaten Schuldnern kommt dieses bei Einleitung eines Insolvenzverfahrens zum Tragen, bei staatlichen Schuldnern, bei denen die Durchführung eines Insolvenzverfahrens ausgeschlossen ist, dient sie dazu, eine Diskriminierung einzelner Gläubiger zu verhindern.904 In keinem der beiden Fälle ergibt sich jedoch aus der pari-passu Klausel ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot. Beispielhaft kann hierfür eine Herabsetzung des Zinssatzes durch Gläubigerbeschluss gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 SchVG angeführt werden. Wird dieser nur für einen Teil der Gläubiger 898

Horn, ZHR 173 (2009), S. 44. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 25; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 60. 900 Vgl. hierzu nur die Medium Term Note (MTN) Programme von Lufthansa, EUR 4,000,000,000 Debt Issuance Programme, 19 April 2012; BMW Group, EUR 35,000,000,000 Medium Term Note Programme, 10 May 2012; Metro Group, E 6,000,000,000 Debt Issuance Programme, 24 May 2012, jeweils § 2 der Emissionsbedingungen. 901 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 512 f. 902 Deutsche Bank Aktiengesellschaft, Euro 80,000,000,000 Debt Issuance Programme, Base Prospectus, 29 June 2012, Terms and Conditions – German Language Version, § 2. 903 Schimansky/Bunte/Lwowski/Welter, Bankrechts-Handbuch, § 118, Rn. 125 f. 904 Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 475 f., Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 515 f. Vgl. zu weiteren Fällen, in denen sich die pari passu Klausel nicht ausdrücklich auf den Fall der Insolvenz beschränkt die Darstellung bei Stadtler/Emmerstorfer, Unternehmensfinanzierung, S. 137. 899

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

beschlossen, so liegt hierin keine Verletzung der pari-passu Klausel, da die Gläubiger weiterhin den gleichen Rang im Sinne der vertraglichen Abrede innehaben. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der kollektiven Bindung wäre hingegen gegeben. cc) Durchbrechungen des Gleichbehandlungsgebots Mögliche Durchbrechungen der kollektiven Bindung, die auf eine Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zurückzuführen sind, werden im Folgenden im Zusammenhang mit der Änderung von Anleihebedingungen (F.IV.2.a)cc)(1)) sowie des verbleibenden bilateralen Handlungsspielraums (F.IV.2.a)cc)(2)) diskutiert. (1) Benachteiligung einzelner Gläubiger im Rahmen der Änderung von Anleihebedingungen Trotz des festgeschriebenen Grundsatzes, dass Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss oder durch gleichlautenden Vertrag mit allen Gläubigern nur einheitlich geändert werden können, lässt § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG hiervon eine ausdrückliche Ausnahme zu, wonach durch einen Mehrheitsbeschluss geschaffene, abweichende Bedingungen dann zulässig sind, wenn die benachteiligten Gläubiger ihrer Benachteiligung ausdrücklich zustimmen. Diese Ausnahmeregelung führt im Ergebnis zum Verlust der identischen Ausgestaltung der Schuldverschreibungen.905 Im Folgenden wird zu prüfen sein, ob der Gesetzgeber trotz der Schaffung dieses Ausnahmetatbestands für Gläubigerbeschlüsse die kollektive Bindung konsequent umgesetzt hat (F.IV.2.a)cc)(1)(a)). Im Anschluss daran wird die Frage nach der Ungleichbehandlung der Gläubiger im Zusammenhang mit einer Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag zu erläutern sein (F.IV.2.a) cc)(1)(b)). (a) Benachteiligung einzelner Gläubiger kraft Zustimmung der benachteiligten Gläubiger Im Regelfall sind Mehrheitsbeschlüsse, die nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsehen, unwirksam. Etwas anderes gilt gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG nur dann, wenn der oder die benachteiligten Gläubiger ihrer Benachteiligung zustimmen. Die benachteiligten Gläubiger müssen ausdrücklich zustimmen. Eine konkludente Zustimmung genügt nicht.906 Der Begriff der Zustimmung ist im Sinne der §§ 183 f. BGB zu verstehen und meint sowohl die vorherige Zustimmung (Einwilligung, vgl. § 183 BGB) als auch die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung, vgl. § 184 Abs. 1 BGB). Stimmen die betroffenen Gläubiger der Benachteiligung ausdrücklich zu, wird eine gesonderte Urkunde erstellt, welche das Wertpapier mit den nun abweichenden Anleihebedingungen verbrieft. Der Emittent 905 906

Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 5, Rn. 31. Preuße/Vogel, SchVG, § 5, Rn. 25.

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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hat sicherzustellen, dass die Schuldverschreibungen im Effektengiroverkehr mittels unterschiedlicher Wertpapierkennnummern separiert werden, da sie nicht länger als Schuldverschreibungen einer Serie fungibel sind.907 Indem zugelassen wird, dass Schuldverschreibungen, die ursprünglich Teil einer einheitlichen Serie waren, nunmehr unterschiedliche Anleihebedingungen haben, wird der Grundsatz der kollektiven Bindung durchbrochen. Allerdings besteht hierin kein Widerspruch zu dem vom Gesetzgeber mit der kollektiven Bindung verfolgten Zweck, die freie Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Preis zu gewährleisten.908 Die durch Mehrheitsbeschluss geänderten Anleihebedingungen, die für den überwiegenden Teil der Gläubiger gelten, sind nach wie vor identisch ausgestaltet. Im Ergebnis wird lediglich der Gesamtnennbetrag der Serie reduziert. Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit einem Teilrückkauf von Schuldverschreibungen, welcher ebenfalls nicht im Widerspruch zum Grundsatz der kollektiven Bindung steht (siehe hierzu nachfolgend F.IV.2.a)cc)(2)(b)). Sämtliche Schuldverschreibungen, die Teil dieser Serie bilden, sind nämlich weiterhin fungibel und somit frei handelbar. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wird hierdurch nicht beeinträchtigt, da für diese Wertpapiere immer noch ein liquider Sekundärmarkt existiert. Das SchVG fordert nicht strikt die Fungibilität sämtlicher Teilschuldverschreibungen, sondern erlaubt ein gewisses Maß an Differenzierung, soweit hierdurch der Zweck der kollektiven Bindung nicht beeinträchtigt wird.909 Dafür genügt es, wenn die Schuldverschreibungen, deren Bedingungen durch Mehrheitsbeschluss geändert wurden, weiterhin fungibel und handelbar sind. Hierin ist auch keine Gefährdung der Rechte der Gläubiger zu sehen, die ihrer Benachteiligung zugestimmt haben. Zwar bilden deren Schuldverschreibungen nun eine gesonderte Serie, für die es – abhängig vom Gesamtnennbetrag dieser Serie – nicht zwingend einen liquiden Zweitmarkt gibt. Die Gläubiger erhalten ein unverkäufliches oder zumindest schwer verkäufliches Wertpapier. Allerdings ist der individuelle Gläubigerschutz, wie beschrieben, lediglich Ausfluss des Gleichbehandlungsgebots und nicht vorrangiges Regelungsanliegen. Der Gesetzgeber hat den Gläubigern ausdrücklich die Freiheit eingeräumt, auf diesen ohnehin nur reflexartigen Schutz zu verzichten. Nimmt der einzelne Gläubiger dieses Recht wahr und sind die Schuldverschreibungen der übrigen Gläubiger weiterhin fungibel, so gefährdet dies den Grundsatz der kollektiven Bindung nicht. Das Regelungsziel des Gesetzgebers, wonach die kollektive Bindung nur soweit reiche, als es der mit ihr

907 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 5, Rn. 51. 908 A.A. Verannemann/Verannemann, SchVG, § 5, Rn. 16. 909 Steffek, FS Hopt, S. 2597, 2602.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

verfolgte Zweck gebiete910, wurde deshalb in § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG konsequent umgesetzt. (b) Benachteiligung einzelner Gläubiger durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern Für eine Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern fehlt es an einer dem § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG vergleichbaren Regelung. Es gilt nach dem Wortlaut des § 4 S. 2 SchVG ein striktes Gleichbehandlungsgebot. Demnach wäre es zwingend, dass bei Abschluss der Änderungsverträge diesen stets universelle Geltung für alle Gläubiger einer Anleihe zukommt. Eine Benachteiligung einzelner Gläubiger wäre – auch mit deren Zustimmung – nicht zulässig. Allerdings ist nicht ersichtlich, weshalb es bei der Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss möglich sein soll, gesonderte Bedingungen zu vereinbaren, nicht aber bei einer Änderung durch Vertrag, bei der der einzelne Gläubiger seiner Benachteiligung gleichfalls zustimmen muss.911 Im Ergebnis macht es nämlich weder für die Fungibilität der Schuldverschreibungen noch für die Interessen des benachteiligten Gläubigers einen Unterschied, ob er seiner Benachteiligung im Rahmen eines Mehrheitsbeschlusses oder einer Änderungsvereinbarung zugestimmt hat. Da eine Änderung durch gleichlautenden Vertrag häufig bei privatplatzierten Anleihen durchgeführt wird, eine Änderung durch Mehrheitsbeschluss hingegen bei Schuldverschreibungen mit einer breiten Streuung, würde jede andere Beurteilung dazu führen, dass die Platzierungsform der Anleihe darüber entscheidet, ob die Öffnungsklausel des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG zur Anwendung kommt. In den Fällen einer Änderung der Anleihebedingungen durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern ist die Vorschrift des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG aufgrund der vergleichbaren Interessenlage deshalb analog anzuwenden.912 (2) Bilateraler Handlungsspielraum § 4 S. 1 SchVG sieht vor, dass Anleihebedingungen nur durch gleichlautenden Vertrag oder durch Mehrheitsbeschluss geändert werden dürfen. Die kollektive Bindung bewirkt folglich, dass zweiseitige Vereinbarungen zwischen dem Schuldner und einzelnen Schuldverschreibungsgläubigern während der Laufzeit der Anleihe ausgeschlossen sind.913 Inwieweit bilaterale Vereinbarungen zwischen dem 910 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009. 911 Ebenso Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 58. 912 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 19; a.A. Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 53, wonach eine Benachteiligung einzelner Gläubiger stets ausgeschlossen sei. 913 Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009.

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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Schuldner und einzelnen oder mehreren Gläubigern dennoch zulässig sind, ist Gegenstand der folgenden Darstellung. (a) Quasi-Änderung von Anleihebedingungen Im Rahmen von Restrukturierungssituationen kann beim Schuldner die Notwendigkeit bestehen, mit einzelnen Schuldverschreibungsgläubigern gesonderte Vereinbarungen zu treffen. Denkbar ist u. a., dass ein Gläubiger dem Schuldner ausstehende Zinsforderungen stundet oder vollständig auf diese verzichtet. Die Motivation des Gläubigers liegt häufig darin begründet, dass er noch weitere ausstehende Forderungen gegen den Schuldner hat. Von seinem Verzicht verspricht er sich einen Sanierungserfolg beim Schuldner, der wiederum die Rückzahlungswahrscheinlichkeit der übrigen Forderungen erhöht.914 Bei der Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem betreffenden Gläubiger handelt es sich um eine schuldrechtliche Nebenabrede, die durch Abschluss eines eigenständigen Vertrags begründet wird.915 Wirtschaftlich ist dies mit einer Änderung der Anleihebedingungen vergleichbar, rechtlich wird das Schuldverschreibungsverhältnis durch die Nebenabrede aber nicht berührt.916 Vereinbarungen dieser Art sind zulässig. Das Postulat der kollektiven Bindung schließt nämlich nur zweiseitige Änderungen der Rechtsbeziehungen aus, die sich aus dem Anleiheverhältnis ergeben.917 Die Anleihebedingungen selbst werden im Fall von schuldrechtlichen Nebenabreden aber gerade nicht geändert, der Anwendungsbereich des § 4 SchVG ist nicht tangiert.918 Eine Anpassung der Urkunde – wie dies bei der tatsächlichen Änderung der Anleihebedingungen der Fall wäre – ist nicht erforderlich. Hierin liegt auch das Problem, welches Vereinbarungen außerhalb der Anleihebedingungen für den Schuldner bergen. § 796 BGB bestimmt: Der Aussteller kann dem Inhaber der Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber zustehen.

Derartige zusätzliche Vereinbarungen entfalten also bei Übertragung der Schuldverschreibung nach § 929 BGB nur dann Wirkung gegenüber dem Rechtsnachfolger des betreffenden Gläubigers, wenn sie sich aus der Urkunde selbst ergeben.919 Da dies nicht der Fall ist, muss sich der neue Erwerber der Schuldverschreibung eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem 914 915 916 917 918 919

Ebenso Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 63. Leber, Schutz und Organisation der Obligationäre, S. 233. Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 619. Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 619. Ebenso Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 63. Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 38.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Rechtsvorgänger nicht entgegenhalten lassen.920 Der Emittent ist daher regelmäßig gut beraten, gleichzeitig ein Übertragungsverbot zu vereinbaren. Dieses entfaltet freilich keine dingliche Wirkung, gewährt dem Emittenten im Falle eines Verstoßes aber zumindest Schadensersatzansprüche gegenüber dem vertragsbrüchigen Gläubiger.921 Während über die grundsätzliche Legitimität schuldrechtlicher Nebenabreden Einigkeit herrscht, ist der zulässige Umfang solcher Nebenabreden unklar. Teilweise wird vertreten, dass derartige Vereinbarungen nur möglich sein sollen, soweit sie lediglich den Emittenten begünstigen, nicht aber den betreffenden Gläubiger gegenüber den übrigen Gläubigern.922 § 12 Abs. 1 S. 2 SchVG von 1899 regelte dies noch ausdrücklich: Jedes sonstige Abkommen des Schuldners oder eines Dritten mit einem Gläubiger, durch welches dieser begünstigt werden soll, ist nichtig.

Ein vergleichbares Begünstigungsverbot enthält das SchVG nicht. Verboten ist gemäß § 6 Abs. 2 SchVG lediglich der Stimmenkauf: Niemand darf dafür, dass eine stimmberechtigte Person bei einer Gläubigerversammlung oder einer Abstimmung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme, Vorteile als Gegenleistung anbieten, versprechen oder gewähren.

Es spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber zwar die kausale Verknüpfung von Vorteilsgewährung und Abstimmungsverhalten untersagen wollte, nicht hingegen die Begünstigung einzelner Gläubiger per se bzw. deren Incentivierung in Bezug auf die Nichtgeltendmachung bestimmter Rechte.923 So soll z. B. im Fall der Wandlung einer Wandelanleihe die Gewährung zusätzlicher Aktien zulässig sein, wenn die Anleihegläubiger im Gegenzug von ihrem Recht, die Rückzahlung der Anleihe in bar zu verlangen, keinen Gebrauch machen.924 Auch das Argument, dass im Falle einer Begünstigung einzelner Gläubiger das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG verletzt würde, verfängt nicht.925 Das Gleichbehandlungsgebot reicht nämlich nur so weit, wie die kollektive Bindung es

920 Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 796, Rn. 4; MünchKommBGB/Habersack, Band 5, § 796, Rn. 14; Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 55. 921 Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 481. 922 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 38; Preuße/Röh/Dörfler, SchVG, § 4, Rn. 56; Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 481. 923 Vgl. zur Incentivierung von Anleihegläubigern unter US Recht im Rahmen sogenannter Consent Solicitations, die stets eine Zustimmung aller Gläubiger zur Änderung der Anleihebedingungen erfordern Kahan, 89 Nw. U. L. Rev., S. 565, 617 ff. (1995). Vgl. zum Restrukturierungsmodell der Consent Solicitations auch Theiselmann/Plank/Lürken, Restrukturierungsrecht, Kapitel 5, Rn. 163. 924 Schlitt/Schäfer, FS Maier-Reimer, S. 615, 619. 925 So jedenfalls Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 481.

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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gebietet.926 Der „Grundsatz der unteilbaren Anpassung von Anleihebedingungen“ postuliert gerade kein allgemeines Gleichbehandlungsgebot.927 Der Emittent ist also durchaus berechtigt, mit den Schuldverschreibungsgläubigern Vereinbarungen außerhalb des Anleiheverhältnisses zu treffen, welche einzelne Gläubiger begünstigen.928 Auch das Gleichbehandlungsgebot des § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG zwingt den Emittenten nicht zu einer Gleichbehandlung der Gläubiger in den Fällen begünstigender Nebenabreden. Dieser bestimmt: Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, müssen sicherstellen, dass alle Inhaber der zugelassenen Wertpapiere unter gleichen Voraussetzungen gleich behandelt werden.

Die darin begründete Gleichbehandlungspflicht gilt allerdings nur für solche Schuldverschreibungen, die an einem regulierten Markt einer Wertpapierbörse in einem EU/EWR-Mitgliedsstaat zugelassen sind.929 Darüber hinaus fordert die Norm keine materielle Gleichbehandlung der Gläubiger, sondern lediglich deren informationelle Gleichbehandlung.930 Dies ergibt sich bereits aus der amtlichen Überschrift des Abschnitts 5a WpHG „Notwendige Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren“.931 Zusammenfassend lässt sich mithin festhalten, dass schuldrechtliche Nebenabreden nicht gegen den Grundsatz der kollektiven Bindung verstoßen und eine Gleichbehandlung der Gläubiger im Rahmen bilateraler Vereinbarungen nicht erforderlich ist. (b) Rückkauf von Schuldverschreibungen Auch der Rückkauf von Schuldverschreibungen wird durch die kollektive Bindung bzw. das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG nicht untersagt. 926

Begründung Regierungsentwurf zu § 4 (Kollektive Bindung), BT-Drs. 16/12814 vom 29. 4. 2009; a.A. wohl Schwark/Zimmer/Heidelbach, KMRK, § 30a WpHG, Rn. 13, der davon ausgeht, dass § 4 SchVG den § 30a WpGH stets dann verdrängt, wenn es sich um eine Emission von Schuldverschreibungen nach deutschem Recht handelt und damit von einem deutlich weiteren Gleichbehandlungsbegriff ausgeht, als dies vom Gesetzgeber intendiert war. 927 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 350. 928 So wohl auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, 17. Kapitel, § 4, Rn. 29. 929 Schwark/Zimmer/Heidelbach, KMRK, § 30a WpHG, Rn. 2b; Fuchs/Zimmermann, WpHG, § 30a, Rn. 4. 930 Schwark/Zimmer/Heidelbach, KMRK, § 30a WpHG, Rn. 7; Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 487; Fleischer, ZGR 2009, S. 505, 528; a.A. Assmann/Schneider/Mülbert, WpHG, § 30a, Rn. 4. 931 So auch die Begründung Regierungsentwurf zu Nummer 19, S. 39, BT-Drs. 16/2498 vom 4. 9. 2006, wonach im Abschnitt 5a die in der Transparenzrichtlinie vorgesehenen Informationspflichten von Emittenten zusammengefasst werden.

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Der Rückkauf von Anleihen durch den Schuldner (buy back) stellt ein in der Praxis verbreitetes Mittel zur Rückführung von Anleiheverbindlichkeiten dar. Die Gründe für einen Rückkauf der Schuldverschreibungen sind vielfältig. Denkbar ist u. a. ein Rückkauf der Schuldverschreibungen durch den Emittenten zum Zweck der Kursstütze.932 Der Emittent kauft hierzu die Schuldverschreibungen zum Marktpreis zurück, um einen Kursrückgang zu vermeiden oder zu kompensieren.933 Da die Schuldverschreibungen zum Marktpreis zurückgekauft werden, kann hier eine Ungleichbehandlung der Gläubiger durch den Emittenten und damit eine Durchbrechung der kollektiven Bindung durch Verletzung des Gleichbehandlungsgebots von vornherein ausgeschlossen werden. Ferner können Schuldverschreibungen mit der Absicht zurückgekauft werden, diese zu tilgen.934 Diese Maßnahme wird zumeist dann getroffen, wenn die Anleihen börsennotiert sind und der Kurswert unter dem Nominalbetrag liegt.935 Die Möglichkeit eines Rückkaufs der Schuldverschreibungen durch den Emittenten ist meist in den Anleihebedingungen vorgesehen.936 In Betracht kommt ein Rückkauf im Wege eines öffentlichen Angebots oder im Wege sogenannter Negotiated Repurchases. Typischerweise zahlt der Schuldner dabei nicht allen Gläubigern den gleichen Rückkaufpreis. Bei einem Rückkauf im Wege eines öffentlichen Angebots gibt der Schuldner an, bis zu welchem Gesamtbetrag er bereit ist, Schuldverschreibungen zurück zu kaufen. Die Angebote der verkaufsbereiten Gläubiger werden – beginnend mit dem niedrigsten und endend mit dem höchsten – angenommen, bis der vorgegebene Betrag erreicht ist.937 Bei einem Negotiated Repurchase hingegen werden einzelne verkaufsbereite Anleihegläubiger direkt angesprochen und die Konditionen des Rückkaufs individuell ausgehandelt.938 932

Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang zwischen einem Rückkauf der Schuldverschreibungen durch den Emittenten, der gemeinhin als Kursstütze bezeichnet wird sowie einem Rückkauf der Schuldverschreibungen durch die Konsortialbanken oder den Konsortialführer zum Zwecke der Kursstabilisierung während des Platzierungszeitraums. Siebel, Rechtsfragen internationaler Anleihen, S. 740 ff.; Schäfer, WM 1999, S. 1345, 1345; BuB/Bosch, Band 5, Rn. 10/339. Im Falle eines Rückkaufs der Schuldverschreibungen zur Kursstabilisierung durch die Konsortialbanken ist bereits der Anwendungsbereich des § 4 S. 2 SchVG nicht eröffnet, da diese Regelung nur den Emittenten als Adressaten hat. 933 Hartwig-Jacob, Vertragsbeziehungen bei internationalen Anleiheemissionen, S. 95. Siehe hierzu auch Rohr, Grundzüge des Emissionsrechts, S. 126 f. 934 Pleyer, WM 1979, S. 850, 852. 935 Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 110. 936 Siehe § 11 der Emissionsbedingungen der DIC Asset für die Emission von bis zu EUR 100.000.000 5,75 % Inhaberschuldverschreibungen fällig 9. Juli 2018 sowie § 5 der Emissionsbedingungen der TUI AG für die Emission einer Wandelanleihe E 300,000,000 Perpetual Subordinated Fixed to Floating Rate Bonds. 937 Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 110. 938 Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 39. Zum Ablauf eines insoweit vergleichbaren Negotiated Repurchase in Bezug auf Aktien vgl. die Darstellung bei Bosse, NZG 2000, S. 16, 16.

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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Naturgemäß ergeben sich bei beiden Verfahren unterschiedliche Rückkaufpreise, die zu einer Ungleichbehandlung der Gläubiger führen. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG ist hierin dennoch nicht zu sehen. Dieses kommt – wie beschrieben – lediglich bei einer Änderung der Anleihebedingungen zum Tragen. Die Schuldverschreibungen werden durch einen Vertrag zwischen dem Schuldner und dem jeweiligen Gläubiger zurückgekauft. Ein solcher Vertrag macht eine Änderung der Anleihebedingungen nicht erforderlich.939 Ein Rückkauf von Schuldverschreibungen verstößt mithin auch dann nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 4 S. 2 SchVG, wenn der Emittent zu unterschiedlichen Preisen zurückkauft.940 Der beschriebene Rückkauf von Schuldverschreibungen zu unterschiedlichen Preisen berührt auch nicht die Regelung des § 5 Abs. 1 WpÜGAngebV941 i.V.m. § 31 WpÜG.942 Danach ist der Aktionär bei einem Kontrollerwerb an der Zielgesellschaft verpflichtet, ein öffentliches Angebot an die übrigen Aktionäre zur Übernahme ihrer Aktien zu machen. Gemäß § 5 Abs. 1 WpÜGAngebV muss die angebotene Gegenleistung in diesem Fall mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Aktie während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung des betreffenden Angebots entsprechen.943 § 31 WpÜG legt mithin die Pflicht des Aktionärs fest, die Angebotsempfänger in Bezug auf den Angebotspreis gleich zu behandeln.944 Diese Vorschrift ist allerdings nicht unmittelbar auf den Rückkauf von Schuldverschreibungen anwendbar. Zum einen sind Schuldverschreibungen nur sehr eingeschränkt vom Anwendungsbereich des WpÜG umfasst.945 Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpÜG umfasst dieser nur solche Schuldverschreibungen, die den Erwerb von Aktien zum Gegenstand haben, namentlich Optionsanleihen – soweit der Optionsschein noch nicht abge939

Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, § 88, Rn. 110. Ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2009, S. 477, 487; Verannemann/Oulds, SchVG, § 4, Rn. 40; Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 65; Bredow/Sickinger/ Weinand-Härer/Liebscher, BB 2012, S. 2134, 2138. 941 Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots vom 27. Dezember 2001 (BGBl I 4263) zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I 2481). 942 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 3822) zuletzt geändert durch Art. 25 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2586, 2706). 943 Merkt, NZG 2011, S. 561, 561. 944 Mehringer, Das kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsprinzip, S. 78. 945 A.A. Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 65, die offenbar ohne Einschränkung davon ausgehen, dass der Anwendungsbereich des WpÜG zwar eröffnet ist, aber die Anwendbarkeit des § 31 WpÜG aus anderen Gründen scheitere. 940

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

trennt ist (Optionsanleihen „cum“) – und Wandelschuldverschreibungen.946 Doch auch Optionsanleihen und Wandelschuldverschreibungen unterfallen nicht den Vorschriften des WpÜG, wenn diese durch den Emittenten selbst erworben werden. Da das WpÜG anerkanntermaßen auf den Erwerb eigener Aktien nicht anwendbar ist947, gilt Entsprechendes für den Rückerwerb eigener Anleihen durch den Emittenten.948 Eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 WpÜGAngebV i.V.m. § 31 WpÜG auf den Rückkauf von Schuldverschreibungen durch den Emittenten ist mithin zu verneinen. Schließlich verstößt ein Rückkauf der Schuldverschreibungen aus den oben genannten Gründen (siehe hierzu F.IV.2.a)cc)(2)(a)) auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 30a WpHG. b) AGB-Recht und kollektive Bindung Die kollektive Bindung erfordert, dass Anleihebedingungen nicht nur ihrem Wortlaut nach identisch ausgestaltet sind, sondern auch, dass Gläubiger nicht unterschiedlich von Bestimmungen in Anleihebedingungen betroffen sein dürfen.949 Anleihebedingungen müssen dementsprechend anhand eines einheitlichen Maßstabs ausgelegt werden.950 Dies muss bereits mit Rücksicht auf die stets zu wahrende Fungibilität der Schuldverschreibungen geschehen. Gerade das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt aber dazu, dass de lege lata ein gespaltener Maßstab bei der Inhaltskontrolle von Emissionsbedingungen gilt, je nachdem, ob der Ersterwerber der Schuldverschreibungen Unternehmer oder Verbraucher ist.951 Gemäß § 310 Abs. 1 BGB ist der Maßstab für die Inhaltskontrolle bei Unternehmern die Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Anleihebedingungen, die gegenüber einem Verbraucher als Ersterwerber verwendet werden, sind hingegen an den Klauselverboten der §§ 308, 309 BGB zu messen. Bei der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der BGH diese Gefährdungslage erkannt und dazu ausgeführt: Gegen die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AGBG spricht auch der Grundsatz, dass die Auslegung von Schuldverschreibungen für alle Stücke einheitlich und ohne Rücksicht auf 946

Geibel/Süßmann/Angerer, WpÜG, § 1, Rn. 42. BaFin, Bekanntmachung vom 9. August 2006, abrufbar unter http://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/WA/ae_060809_rueckerwerb. html; Geibel/Süßmann/Angerer, WpÜG, § 1, Rn. 128; Pluskat, NZG 2006, S. 731, 731; MünchKommAktG/Schlitt/Ries, § 35, Rn. 87. 948 Friedl/Hartwig-Jacob/Friedl/Schmidtbleicher, SchVG, § 4, Rn. 65. 949 Grieser/Heemann/Heldt, Bankaufsichtsrecht, S. 855. 950 BGH, Urteil vom 23. Oktober 1958 – II ZR 4/57, BGHZ 28, 259, 263; RG, Urteil vom 30. Juni 1927 – II 7/27, RGZ 117, 379, 382; Staudinger/Marburger § 793, Rn. 9; ebenso Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 650. 951 Baum, FS Hopt, S. 1596, 1608. 947

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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Besonderheiten in der Person des einzelnen Inhabers erfolgen muss. Dieser Grundsatz, der die Verkehrsfähigkeit der Kapitalmarktpapiere sichern soll, ist auf die Einbeziehung von Anleihebedingungen übertragbar.952

Damit hat die Rechtsprechung sowohl für die Auslegung als auch für die Einbeziehung von Anleihebedingungen einen einheitlichen Maßstab festgelegt.953 Dieser muss aus den gleichen Gründen auch für die Inhaltskontrolle von Schuldverschreibungen gelten. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang, bei der Anwendung des § 307 BGB die Wertungen der §§ 308, 309 BGB zu übernehmen, soweit es um die Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen geht. Diesen Weg hält auch der BGH für gangbar. Gegenstand einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 war eine Anpassungsklausel in den Anleihebedingungen der vom Emittenten begebenen Optionsscheine. Für die Berechnung des Bezugsverhältnisses bei der Rückzahlung war irrtümlich der Wert 1 statt des Wertes 0,1 angegeben worden. Aufgrund der enthaltenen Anpassungsklausel war es dem Emittenten vermeintlich erlaubt, offensichtliche Irrtümer in den Anleihebedingungen zu berichtigen. Unter Berufung auf die Anpassungsklausel passte der Emittent die Emissionsbedingungen um das korrigierte Bezugsverhältnis an. Über die Wirksamkeit der genannten Anpassungsklausel hatte das Gericht zu entscheiden. Dabei nahm der BGH zunächst ohne weitere Begründung an, dass Emissionsbedingungen stets einer Inhaltskontrolle unterliegen.954 Im Folgenden führte er aus, dass die streitgegenständliche Klausel gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sei, soweit sie gegenüber einem Verbraucher verwendet wurde. Bei der Verwendung gegenüber einem Unternehmer verstoße die Klausel gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB, da hierin eine unangemessene Benachteiligung zu sehen sei. Da die Inhaltskontrolle zu dem Ergebnis komme, dass die Klausel sowohl gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern unwirksam sei, würde das Bedürfnis des Kapitalmarkts nach einem einheitlichen, standardisierten Inhalt der Optionsscheine auch durch die Unwirksamkeit der Klausel nicht berührt.955 In seiner Entscheidung bezieht der BGH keine Stellung dazu, ob in Fällen der Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen stets eine parallele Wertung für Verbraucher und Unternehmer vorzunehmen ist bzw. wie verfahren werden soll, falls die Wirksamkeit einer Klausel für Verbraucher und Unternehmer unterschiedlich zu beurteilen ist.

952

BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 317. Vgl. zum einheitlichen Maßstab für die Einbeziehung von Anleihebedingungen die Darstellung unter F.I.5.b). 954 BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, S. 1500, 1502. 955 BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – XI ZR 364/08, WM 2009, S. 1500, 1502 f. 953

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Entscheidet man sich dafür, stets die gleiche Wertung für Verbraucher und Unternehmer vorzunehmen, wird hierdurch der gesetzgeberische Wille nach unterschiedlichen Kontrollmaßstäben ignoriert. Bleibt es hingegen dabei, dass die Beurteilung im Einzelfall für Unternehmer und Verbraucher unterschiedlich ausfallen kann, liegt darin ein Verstoß gegen die kollektive Bindung des § 4 SchVG.956 Dieser erlaubt nämlich gerade keine gespaltene Geltung der Anleihebedingungen. Hinzu kommt, dass spätere Erwerber stets nur den vom Ersterwerber abgeleiteten Schutz erhalten.957 Der Rechtsnachfolger kann nämlich nicht mehr Rechte haben als der ursprüngliche Rechtsinhaber.958 Wurde die Schuldverschreibung also zuerst durch einen Unternehmer erworben – wie es bei Fremdemissionen typischerweise der Fall ist – und anschließend von diesem an einen Verbraucher weiterveräußert, kann sich letzterer nicht auf den Schutz durch §§ 308, 309 BGB berufen. Zusätzliche Schwierigkeiten treten dadurch auf, dass für eine zutreffende Beurteilung des Schutzniveaus stets die Erwerbskette zum Ersterwerber der Schuldverschreibungen ermittelt werden müsste. Hieran wird deutlich, dass die Prüfung von Anleihebedingungen gemäß §§ 307 ff. BGB kein taugliches Instrument für den Anlegerschutz ist.959 Mit dem neu eingeführten Prinzip der kollektiven Bindung liefert der Gesetzgeber selbst das beste Argument gegen eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen.960 Auch wenn man eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen am Maßstab der §§ 307 ff. BGB verneint, steht nicht zu befürchten, dass hierdurch der Anlegerschutz gefährdet würde. Mit der Einführung des Transparenzgebots in § 3 SchVG stehen ein effektives Mittel und – ebenso wichtig – ein einheitlicher Maßstab für die Kontrolle von Anleihebedingungen zur Verfügung (siehe hierzu die Darstellung unter F.I.5.d)). Die Vorschrift des § 3 SchVG gilt für sämtliche Bedingungen von solchen Schuldverschreibungen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und nicht nur für die Emissionen, für die das Verfahren des Abschnitts 2 SchVG vom Emittenten für anwendbar erklärt wurde. Dem Anlegerschutz wird zusätzlich durch eine hohe Dichte kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten Rechnung getragen.961 Hierzu zählen zum einen die Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes, die es dem Anleger ermöglichen 956

Ebenso Horn, FS Graf von Westphalen, S. 353, 360. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Oktober 1993 – 16 U 198/92, BeckRS 1993, 03882. 958 OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Oktober 1993 – 16 U 198/92, BeckRS 1993, 03882. 959 So auch die Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom August 2008, S. 4. 960 Grieser/Heemann/Heldt, Bankaufsichtsrecht, S. 855. 961 MünchKommAktG/Habersack, § 221, Rn. 255; von Randow, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 45; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, 15.339. 957

IV. Grenzen der kollektiven Bindung

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sollen, eine informierte Investitionsentscheidung zu treffen.962 Zusätzlich wird auf Vertriebsebene dem Informations- und Aufklärungsbedürfnis der Anleger genügt, indem das Wertpapierhandelsgesetz detaillierte – haftungsbewehrte – Beratungspflichten der Vertriebsstellen statuiert.963 Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass mittels der genannten Instrumentarien zwar dem Anlegerschutz unter Informationsgesichtspunkten genüge getan werde, die Anleihebedingungen aber dadurch noch keine inhaltliche Prüfung erfahren hätten.964 Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass eine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 134, 138 BGB vorgenommen wird.965 Zum anderen bleibt bereits nach geltendem Recht ohnehin nur wenig Raum für eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen. Dies liegt darin begründet, dass anerkanntermaßen reine Leistungsbeschreibungen ohnehin der Inhaltskontrolle entzogen sind.966 Hierzu zählen sämtliche Hauptleistungspflichten, die den Charakter des Wertpapiers ausmachen, u. a. also Regelungen zur Verzinsung und Kapitalrückzahlung, zu Gleitklauseln, Nachrangklauseln sowie Kündigungsoptionen der Beteiligten.967 Diese Bestimmungen, welche das Chance-Risiko-Profil einer Anleihe betreffen, sind aus gutem Grund von einer inhaltlichen Überprüfung ausgenommen.968 Wäre dies nicht der Fall, hätte die AGB-Kontrolle eine Veränderung des angebotenen Produkts zur Folge.969 Der von Emittent und Anleger akzeptierte Vertragszweck ist aber schon aufgrund des Mangels justiziabler Ersatzregelungen zu respektieren.970 Eine Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen ist aus oben genannten Gründen nicht mit dem Prinzip der kollektiven Bindung in Einklang zu bringen und auch aus Gründen des Anlegerschutzes nicht geboten. 3. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Während der Referentenentwurf zum SchVG noch ausdrücklich vorsah, welche Bestimmungen in Anleihebedingungen vom Grundsatz der kollektiven Bindung umfasst sein sollten, ist dies in der aktuellen Fassung des SchVG nicht mehr der Fall. 962

BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 318. Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 647; Assmann, WM 2005, S. 1053, 1067. 964 von Randow, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, S. 47. 965 Assmann, WM 2005, S. 1053, 1065. 966 Assmann, WM 2005, S. 1053, 1058; Wolf, FS Zöller, S. 651, 654; Baum, FS Hopt, S. 1595, 1604. 967 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, 17. Kapitel, § 3, Rn. 34. 968 Baum, FS Hopt, S. 1595, 1604. 969 Assmann, WM 2005, S. 1053, 1058. So im Ergebnis auch Sester, AcP 209 (2009), S. 628, 646, der für eine äußerst zurückhaltende Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen plädiert. Ähnlich auch Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 61, der die inhaltliche Komponente, der in den Schuldverschreibungen enthaltenen Positionen für nicht justiziabel hält. 970 Ekkenga, ZHR 160 (1996), S. 59, 72. 963

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F. Umfang und Reichweite der kollektiven Bindung

Insbesondere § 4 SchVG sieht keine ausdrücklichen Einschränkungen der kollektiven Bindung vor. Auch andere Bestimmungen des SchVG haben keine Einschränkung der kollektiven Bindung zur Folge. Insbesondere die Regelung des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG bedeutet im Ergebnis lediglich die konsequente Umsetzung der kollektiven Bindung, da hierdurch die Fungibilität der verbleibenden Schuldverschreibungen und damit deren freie Handelbarkeit nicht beeinträchtigt werden. Gleiches gilt für eine Änderung der Anleihebedingungen durch Vertrag mit sämtlichen Gläubigern. In diesen Fällen ist die Vorschrift des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG analog anzuwenden. Schließlich wird die Geltung der kollektiven Bindung weder durch schuldrechtliche Nebenabreden noch durch sog. Rückkaufprogramme des Emittenten begrenzt. In beiden Fällen werden die Anleihebedingungen der Schuldverschreibungen nicht geändert. Die kollektive Bindung und das Gleichbehandlungsgebot, die sich jeweils nur auf die Änderung von Anleihebedingungen beziehen, sind insoweit nicht tangiert. Die Inhaltskontrolle von Anleihebedingungen gemäß §§ 307 ff. BGB führt hingegen aufgrund des gespaltenen Kontrollmaßstabs für Verbraucher und Unternehmer dazu, dass die Anleihebedingungen einer Gesamtemission unterschiedlich zu beurteilen sind. Dies verletzt im Ergebnis die kollektive Bindung und beeinträchtigt die Fungibilität der Schuldverschreibungen einer Serie.

G. Zusammenfassung und abschließende Würdigung I. Zusammenfassung in Thesen *

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Der räumliche Anwendungsbereich des SchVG umfasst sämtliche Anleihen, die deutschem Recht unterstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Bestimmungen in den Anleihebedingungen – kraft Rechtswahl oder aufgrund objektiver Anknüpfung – einer ausländischen Rechtsordnung unterfallen. Vom sachlichen Anwendungsbereich umfasst sind Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, deren verbriefte Bedingungen für alle Schuldverschreibungsgläubiger gleiche Rechte vorsehen. Namensschuldverschreibungen zählen nicht hierzu. Die Anleihegläubiger stellen ein Kollektiv sui generis da, aus dessen Rechtsnatur sich für die Anleihegläubiger keine Rechte und Pflichten ergeben, die über die im SchVG normierten hinausgehen. Anleihebedingungen dürfen stets nur für alle Anleihegläubiger einheitlich und im Wege der vorgesehenen Verfahren – namentlich der Änderung durch gleichlautenden Vertrag sowie der Änderung durch einen alle Gläubiger bindenden Mehrheitsbeschluss – geändert werden. In Bezug auf eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, diese Möglichkeit als optionales Organisationsrecht auszugestalten. Erst sekundär handelt es sich bei den Vorschriften des Abschnitts 2 SchVG um zwingendes Recht. Das Beschlussrecht findet seine Grenze im Verbot der Begründung von Leistungspflichten und der Wirksamkeit von Gläubigerbeschlüssen. Die kollektive Bindung soll die Fungibilität der Schuldverschreibungen einer Gesamtemission sichern. Ohne die Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet. Der kollektiven Bindung liegt ein weites Begriffsverständnis zugrunde. Sie reicht so weit, wie es zur Wahrung der Fungibilität der Schuldverschreibungen erforderlich ist. Die Bedingungen einer Anleihe, die aus verschiedenen Tranchen besteht, können ebenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 4 SchVG geändert werden.

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G. Zusammenfassung und abschließende Würdigung

Für die Gläubiger unterschiedlicher Tranchen von Asset-Backed-Securities ist eine gemeinsame Beschlussfassung hingegen nicht möglich. De lege lata kann die Proportionalität der verschiedenen Tranchen nur durch kautelarische Gestaltungen aufrechterhalten werden. Ein Bestimmungsvorbehalt verstößt nicht gegen den Grundsatz der kollektiven Bindung, da ein solcher Vorbehalt keine Änderung der Anleihebedingungen zum Gegenstand hat, sondern lediglich deren erstmalige Konkretisierung. Die Ausübung eines Änderungs- oder Berichtigungsvorbehalts widerspricht nicht § 4 SchVG. Hierfür sprechen die ratio legis des § 4 SchVG, die historische Betrachtung von Änderungsvorbehalten sowie das mangelnde Schutzbedürfnis der Gläubiger. Änderungs- und Berichtigungsvorbehalte sind allerdings in den Anleihebedingungen hinreichend zu konkretisieren. Dies verlangen Skripturprinzip, Transparenzgebot und AGB-Recht sowie die gesetzlichen Vorgaben des § 4 SchVG. Der Grundsatz der kollektiven Bindung wird durch das Gleichbehandlungsgebot flankiert. Dennoch bedeutet eine Ungleichbehandlung der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SchVG keine Einschränkung der kollektiven Bindung bei Mehrheitsbeschlüssen, sondern lediglich deren konsequente Umsetzung. Das Gleichbehandlungsgebot steht einem Rückkauf von Schuldverschreibungen zu unterschiedlichen Preisen durch den Emittenten nicht entgegen. Bilaterale Vereinbarungen zwischen dem Emittenten und einzelnen Anleihegläubigern berühren ebenfalls das Gleichbehandlungsgebot nicht, solange die Anleihebedingungen hierdurch nicht geändert werden. Anleihebedingungen sind – abhängig von der Art der Begebung – als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 BGB zu qualifizieren. Inhalt und Ausgestaltung von Anleihebedingungen sind allerdings nicht am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu messen, sondern ausschließlich am Transparenzgebot des § 3 SchVG. Dies gebietet die kollektive Bindung von Anleihebedingungen, die einen gespaltenen Kontrollmaßstab für Verbraucher und Unternehmer nicht erlaubt. Die kollektive Bindung in Bezug auf Sicherheiten, die deutschem Recht unterliegen, aber nicht Teil der Anleihebedingungen sind, wird mittels § 22 SchVG hergestellt Bestimmt sich der Inhalts der Sicherheitenvereinbarung hingegen nach ausländischem Recht, so kann weder die kollektive Bindung in Bezug auf die Sicherheit noch in Bezug auf die Schuldverschreibungen gewährleistet werden. Für eine derartige Anordnung mangelt es dem deutschen Gesetzgeber an den entsprechenden Eingriffsbefugnissen.

II. Abschließende Würdigung und Ausblick *

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Mit dem Prinzip der kollektiven Bindung und der damit bezweckten inhaltliche Austauschbarkeit von Schuldverschreibungen ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Schuldverschreibungen eines einzelnen Gläubigers nach einem stattgebenden Urteil abweichende Bedingungen für den betreffenden Gläubiger vorsehen. Die Problematik der Wirkung gerichtlicher Entscheidungen bei Individualklagen lässt sich nicht mithilfe anerkannter Rechtsinstitute lösen. Der Gesetzgeber ist gehalten, eine entsprechende Lösung zur Wahrung der kollektiven Bindung der Schuldverschreibungen bei Individualklagen zu finden. Nur auf diese Weise lässt sich verhindern, dass der auf dem Klagewege erfolgreiche Gläubiger eine illiquide Schuldverschreibung und somit lediglich einen Pyrrhussieg erlangt.

II. Abschließende Würdigung und Ausblick Die Einführung des Grundsatzes der kollektiven Bindung durch den Gesetzgeber stellt ein Novum im deutschen Schuldverschreibungsrecht dar. Es handelt sich um eine Rechtskonstruktion sui generis.971 Durch sie erfährt der Schutz der Fungibilität von Schuldverschreibungen im Interesse der Wahrung ihrer Kapitalmarktfähigkeit erstmals eine Kodifizierung. Das Prinzip der kollektiven Bindung wurde überwiegend konsequent umgesetzt und fügt sich weitgehend nahtlos in das System des SchVG ein. Nachbesserungsbedarf besteht lediglich in isolierten Teilbereichen. Dies betrifft namentlich die AGB-Kontrolle von Anleihebedingungen sowie die Sicherstellung der kollektiven Bindung bei Einzelklagen von Gläubigern. In diesen Bereichen ist der Gesetzgeber gefordert, das kodifizierte Recht dem Erkenntnisstand der Wissenschaft anzupassen, um ein stimmiges Konzept zu gewährleisten, das auch den internationalen Vergleich mit Regelungen anderer Jurisdiktionen nicht zu scheuen braucht. Leider gibt es hierzu, soweit ersichtlich, bislang keine Bestrebungen. Der Gesetzentwurf zum Bundesschuldenwesengesetz aus dem März 2012 sah lediglich marginale Änderungen an den Regelungen des SchVG vor.972 Eine entsprechende Änderung der Vorschriften zur kollektiven Bindung von Einzelklagen sowie der Ausklammerung des AGB-Rechts hatte der Gesetzgeber indes bedauerlicherweise nicht vorgesehen. Ungeachtet dessen hat beispielsweise das Deutsche Aktieninstitut in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf erneut zurecht darauf aufmerksam gemacht, dass das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mit dem Prinzip der kollektiven Bindung von Anleihebedingungen zu vereinbaren ist und den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert.973 Dieser Aufruf verhallte jedoch ungehört 971 972 973

Heldt, FS Teubner, S. 315, 332. Entwurf Bundesschuldenwesengesetz vom 20. 3. 2012. Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom 16. Mai 2012.

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G. Zusammenfassung und abschließende Würdigung

und der Gesetzentwurf ist ohne weitere Änderungen am 19. September 2012 in Kraft getreten. Dabei sollte eine entsprechende Anpassung des SchVG gerade in Bezug auf die AGB-Kontrolle von Anleihebedingungen keine großen Schwierigkeiten bereiten. Der Gesetzgeber könnte sich hierzu am Vorschlag des Diskussionsentwurfs orientieren, der bereits einen Ausschluss der Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf Anleihebedingungen vorsah.974

974 Artikel 1 Nr. 2 des Diskussionsentwurfs SchVG. Danach sollte ein neuer § 795 BGB eingeführt werden, dessen Abs. 2 S. 3 bestimmte, dass die §§ 305 bis 309 BGB keine Anwendung finden sollten auf Emissionsbedingungen.

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Materialienverzeichnis Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Rundschreiben 17/99, Zuordnung der Bestände und Geschäfte der Institute zum Handelsbuch und zum Anlagebuch (§ 1 Abs. 12 KWG, § 2 Abs 11 KWG), Anhang zum Rundschreiben, abrufbar unter http://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_9917_wa_anlage.html?__blob=publica tionFile (zitiert als: BaFin, Rundschreiben 17/99, Anhang zum Rundschreiben). Bundesministerium der Justiz: Unveröffentlichter Diskussionsentwurf zu einem Gesetz zur Änderung des Schuldverschreibungsrechts, Schreiben des Bundesjustizministeriums vom 22. Mai 2003 (zitiert als: Diskussionsentwurf SchVG). Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT Drucks. 7/3919 vom 6. 8. 1975 (zitiert als Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919 vom 6. 8. 1975). Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung – Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT Drucks. 16/12814 vom 29. 4. 2009 (zitiert als: Begründung Regierungsentwurf, BT-Drs. 16/ 12814 vom 29. 4. 2009). Bundesministerium der Justiz: Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften vom 9. Mai 2008, abgedruckt in ZBB 2008, 202 – 214 (zitiert als: Begründung Referentenentwurf). Bundeszentrale für politische Bildung: Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag, 5. Auflage, Bonn, 2013, abrufbar unter http://www. bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/ (zitiert als: Duden Wirtschaft von A bis Z). Deutsches Aktieninstitut: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften (SchVG-E), 22. August 2008, abrufbar unter http://www.kapitalmarktrecht-im-internet.eu/de (zitiert als: Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom August 2008). Deutsches Aktieninstitut: Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Bundesschuldenwesengesetzes – Hier: Änderung des Schuldverschreibungsgesetzes, 16. Mai 2015, abrufbar unter http://www.dai.de (zitiert als: Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts (DAI) vom Mai 2012). Deutscher Anwaltverein: Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch seinen Zivilrechtsausschuss zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrecht-

Materialienverzeichnis

203

licher Verjährungsvorschriften, August 2008, abrufbar unter www.anwaltverein.de (zitiert als: Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV) vom August 2008). Deutscher Anwaltverein: Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch seinen Zivilrechtsausschuss zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, März 2009, abrufbar unter www.anwaltverein.de (zitiert als: Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV)). Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes – Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT Drucks. 17/9049 vom 20. 3. 2012 (zitiert als: Entwurf Bundesschuldenwesengesetz vom 20. 3. 2012). Group of Ten: Report of the G - 10 Working Group on Contractual Clauses, 26. September 2002, abrufbar unter https://www.bis.org/publ/gten08.pdf (zitiert als: Group of Ten, Working Group Report). HSBC Trinkaus: Zertifikate und Optionsscheine, 11. Auflage, Oktober 2010 (zitiert als: HSBC Trinkaus, Zertifikate und Optionsscheine). Internationaler Währungsfond: International Monetary Fund, The Design and Effectiveness of Collective Action Clauses, 6. Juni 2002, abrufbar unter http://www.imf.org/external/np/psi/2 002/eng/060602.pdf (zitiert als: IMF, Design and Effectiveness of CACs). Reichstag: Begründung des Regierungsentwurfs des Schuldverschreibungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 10. Legislaturperiode – I. Session 1898/1900, 2. Anlagenband, Drucksache Nr. 105, S. 904 – 924 (zitiert als: Begründung Regierungsentwurf SchVG von 1899, Sten. Ber.). Zentraler Kreditausschuss: Unveröffentlichte Stellungnahme zu dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften vom 9. Mai 2008, 15. August 2008 (zitiert als: Stellungnahme des Zentralen Kreditausschuss (ZKA)).

Sachwortregister Abstimmung ohne Versammlung 85 Aggregationsklausel 99 Akkordstörer 33, 35 Aktiengesetz 40, 43 Allgemeine Geschäftsbedingungen 111, 180 Änderungsvorbehalt 105, 109 Anfechtungsklage 20, 76, 148 Anleihebedingungen 88, 91, 128 – Änderung 98, 105 f., 137, 143, 172, 175 – Ausgestaltung 91 – Begriff und Inhalt 88 – Einbeziehung 114, 181 – Inhaltskontrolle 115 – Kollektive Bindung 137 Anwendungsbereich des SchVG 57 f., 61, 68 – Ausnahmen 67 Asset-Backed-Securities 96 f. Aufstockungen 95, 121 Auslandsanleihen 58 Berichtigungsvorbehalt 105 f. Beschlussgegenstände 73 Bestimmungsvorbehalte 103 Bilateral 174 Bruchteilsgemeinschaft 51 f., 149 f. Darlehen 65, 117, 126 Debt Equity Swap 74 Depotgesetz 64 f. Drittwirkung 163

Funktionsfähigkeit 16, 23, 93, 103, 115, 157, 159, 170, 173 Garantie 126, 128, 131 GbR 50 f. Gemeinsamer Vertreter 50, 86 Genussrechte 38, 45 Gesamtemission 26, 55, 65 – 67, 97, 146 Gesamtgläubigerschaft 54, 161 Gestaltungsklage 148 Gläubigerversammlung 18, 20, 49, 84 Gleichbehandlungspflicht 151 f., 155 Gleitklauseln 103 Globalurkunde 52, 105, 143 Handelbarkeit 25, 29, 93, 122 Hauptleistungspflichten 29, 183 Hold-out Problem 38, 98 Hybride Finanzinstrumente 38, 45 Individualklage 143, 147 Inhaltsgleichheit 62 Inhaltskontrolle 110, 115 Inter Partes Wirkung 146, 159 Kollektiv sui generis 55 f. Kollektivklage siehe Verbandsklage Kooperationspflichten 33 – 37 Leistungsbestimmungsrechte 109, 111, 121 Leistungsklage 148, 162

100, 102,

Eigenemission 111, 114 f. Eigentumsgarantie 37, 77 Erga Omnes Wirkung 166 Ermächtigungslösung 37, 72

Namensschuldverschreibungen 63 – 65, 69, 185 Nebenabreden 175 Nebenbestimmungen 82, 89, 92, 116 Nichtigkeitsklage 79

Fremdemission 113, 182 Fungibilität 25, 93 f.

Opt-in 72 f. Optionsanleihe

38, 179

Sachwortregister Pari Passu Klausel 92 Personengesellschaft 47 f., 50 f. Pfandbriefe 67, 69, 124 Privatplatzierung 30, 70 Prozessstandschaft 149 Rangabrede 60 Rechtskrafterstreckung 159 f., 163 Rechtswahl 58 – 60, 69 Risikogemeinschaft 32 – 38, 55 Rückkauf 177 Satzungsstrenge 40, 44 Schuldscheindarlehen 63, 65

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Sicherungsrechte 122 Staatsanleihen 17, 19, 68 Teilgläubigerschaft 52 – 54 Transparenzgebot 118 f. Treuepflichten 31, 39, 45 – 48, 52, 152 – 154 Verbandsklage 139 – 142 Vertragsnetzwerk 24 Wandelanleihe Zertifikate

101

38, 63, 90, 176