Das Religiöse in der neuesten lyrischen Dichtung 9783111388540, 9783111026893

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Das Religiöse in der neuesten lyrischen Dichtung
 9783111388540, 9783111026893

Table of contents :
Inhalt
Einleitendes
I. Die religiöse Beziehung. Sehnsucht und Besitz. Gottheit und Ich
II. Das religiöse Erlebnis. Erlebnis und Leben. Natur und Seele. Mensch und Mensch
III. Der religiöse Wert. Irdisches und Ewiges. Schuld und Erlösung
IV. Die religiöse Transzendenz. Gott und Welt. Diesseits und Jenseits. Tod und Geburt
V. Der religiöse Gegenstand. Wirklichkeit und Werden. Gott und Mensch
Quellen
Verzeichnis der Dichter
Stichwörter zum Auffinden der Gedichte

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Vas Religiöse in -er

neuesten lyrischen Sichtung von

Wilhelm Kneuels Lic. thcol., Heidelberg

1927 Verlag von Alfred Töpelmann in Gießen

Aus

der

Welt

der

Religion

Forschungen und Verichte, unter Mitwirkung von Rudolf (Dtto und

Friedrich Niebergall herausgegeben von Gustav MenschinA praktisch-theologische Reihe,

heft 5

Inhalt Seite

Einleitendes ............................................................................................ 5 I. Die religiöse Beziehung Sehnsucht und Besitz. Gottheit und Ich.............................................. 7 II. Das religiöse Erlebnis Erlebnis und Leben. Natur und Seele. Mensch und Mensch ... 22 III. Der religiöse Wert Irdisches und Ewiges. Schuld und Erlösung..........................................42 IV. Die religiöse Transzendenz Gott und Welt. Diesseits und Jenseits. Tod und Geburt .... 57 V. Der religiöse Gegen st and Wirklichkeit und Werden. Gott undMensch............................................ 78 Quellen.............................................................................................................89 Verzeichnis der Dichter....................................................................... 91 Stichwörter zum fluffinben derGedichte............................. 92

Vie Religion bringt Vorstellungen hervor, verdichtet sich in Be­ griffen und spricht sich in Formeln aus. Das muß so sein. Aber eine Gefahr für das religiöse Leben ist damit gegeben. Allzu leicht werden die Vorstellungen, Begriffe und Formeln, die der Ausdruck der lebendigen Religion sind, mit dieser selbst verwechselt. Allzu schnell verlernt es der fromme Mensch, die Religion ohne die Vermittlung dieser festliegenden Formen zu erspüren, zu erkennen und zu wür­ digen. Das kann man gerade in unserer Seit beobachten. Durch die ganze Kulturwelt geht eine neue Welle der Religion, genauer: der Religiosität, des Gestimmtseins und Gerichtetseins auf das Religiöse hin. Davon merken und begreifen die meisten, die auf dem Boden der Religionsgemeinschaften und Rirchen stehen, im Grunde recht wenig. Denn die religiöse Bewegung unserer Seit spricht sich nur selten in den hergebrachten religiösen Ausdrucksformen aus und ge­ braucht nur selten die üblichen religiösen Worte, die sie für abge­ griffen, belastet oder mindestens für mißverständlich hält. Ja, in der modernen Religiosität ist vielfach dort, wo die herkömmlichen reli­ giösen Worte gebraucht werden, weniger Religion vorhanden als dort, wo sie vermieden werden, viele sagen: Gott — und meinen ihn gar nicht,- und viele nennen ihn nicht — und meinen doch ihn! Die christlichen und kirchlichen Kreise achten aber zumeist nur auf die Äußerungen, die sich durch die üblichen Worte als religiös kennzeichnen. Daher das falsche und zwar zu ungünstige Bild, das man sich hier von der modernen außer­ kirchlichen Religiosität macht, und die Hilflosigkeit und Verständnis­ losigkeit, mit der man ihr gegenübersteht. Dem muß abgeholfen werden, wir müffen lernen, das Religiöse dort zu suchen, wo man es nicht vermutet und wo es nicht im hergebrach­ ten Gewand einherschreitet.*) (Ein versuch in dieser Richtung soll diese Schrift sein. Sie han­ delt von der neuesten Lyrik. Die Lyrik ist ja in höchstem Maße

♦) Auf diesem Gebiet hat ein besonderes Verdienst Rudolf (Otto, dessen Buch „Das heilige" (Gotha 192614. A.) vielen die nicht durch Worte und Begriffe zu erfassenden religiösen Welten erschlossen hat. (Ebenso ist Georg Wobbermins religionspsychologische Methode, die das religiöse Erlebnis aus den Dogmen, Anschauungen und Vorstellungen herauszulösen sucht, hier von hohem Wert. Dgl. auch Wilhelm Xneoels: Simmels Religionstheorie (Leipzig 1920) 1. Teil: Das Wesen der Religion.

6 Spiegelbild der Zeit. Die neueste Lyrik ist Spiegelbild der neuesten Zeit - und auch des Religiösen, das in ihr lebendig wird, in höherem Matz, als der oberflächliche Leser be­ merkt. Die neueste Lyrik ist letztlich religiös, nicht im christlichen Sinn, nicht so deutlich, bestimmt und betont — aber doch durchaus religiös, zuweilen sehr innig, sehr tief und sehr stark religiös, wie die folgenden Blätter hoffentlich zeigen werden, und vielleicht auch — ich glaube es — auf dem weg zum Christlichen. Ich beschränke mich auf deutsche Lyrik, da man sich nur in die Lyrik des eigenen Dolkes so einfühlen kann, wie es hier nötig ist. Ähnliches ließe sich an der Lyrik aller Rulturvölker aufzeigen, herangezogen sind nur solche Gedichte, die typisch sind für ein in unserer Zeit herrschendes Empfinden, Ahnen, Denken und Streben; ferner — mit wenigen Ausnahmen — solche, die irgendwie positiv religiös bedeutsam oder wertvoll sind. Ausgeschaltet ist selbstver­ ständlich die ausgesprochen und bewußt christliche Dichtung, da sie für unsere Zwecke nicht in Betracht kommt und ja auch — leider in der Gegenwart ziemlich unbedeutend ist. Unter der neuesten Lyrik verstehe ich die Lyrik etwa der letzten zwei Jahrzehnte unter Bevorzugung der allerneuesten. Maßgebend für die Auswahl ist der religiöse, nicht der ästhetische Gesichtspunkt (obwohl ich natürlich möglichst die künstlerisch höchststehenden Erzeugniffe berücksichtige). Daher - wie auch aus Raummangel - verzichte ich auf eine Würdigung der einzelnen Dichter*) und ordne die Gedichte inhaltlich an. überhaupt beschränke ich mich in meinen eigenen Ausführungen auf das Allernotwendigste und gebe reichlichst den Dichtern selbst das Wort. Lange Erklärungen und Zergliederungen sind bei Lyrik untunlich und schaden mehr, als sie nützen. Den Gehalt an Gedanken, Gefühlen, Gesinnungen und - Religion muß der Leser selbst zu ersoffen suchen.

*) (Eine große Anzahl Dichter werden von mir für die im Erscheinen begriffene 2. Auflage der Lexikons „Religion in Geschichte und Gegenwart" behandelt. 3n dieser Schrift benutze man dar Vichterverzeichnir am Schluß.

I. Vie religiöse Beziehung. Die seelisch-geistige Lage ist heute so: Die Menschheit besinnt sich wieder auf den religiösen Besitz, der ihr (ganz oder fast ganz) unbewußt geworden war. Die religiöse Grundstimmung, die wir überall finden und von der wir auch bei der Betrachtung der Lyrik auszugehen haben, ist dadurch hervorgerusen, daß die religiöse Be­ ziehung einst bestand, jetzt aber nicht mehr besteht: man klagt dar­ über, daß sie verloren ist, und man sehnt sich danach, sie zurück­ zugewinnen. Klastische Worte hat dafür Rainer Maria Rilke geprägt:

Wie heb' ich meine halben Hände zu dir in namenlosem Flehn, daß ich die Rügen wiederfände, mit denen ich dich angesehn! häufig begegnen wir der Klage um den verlorenen Kinder­ glauben. 3n leise andeutender Weise bei Richard Dehmel:

Liegt eine Stadt im Tale, ein blasser Tag vergeht; es wird nicht lange dauern mehr, bis weder Mond noch Sterne, nur Nacht am Himmel steht. von allen Bergen drücken Nebel auf die Stabt; es bringt kein Dach, nicht Hof noch Haus, kein Laut aus ihrem Rauch heraus, kaum Türme noch und Brücken. Doch als den Wandrer graute, da ging ein Lichtlein auf im Grund; und durch den Rauch und Nebel begann ein leiser Lobgesang aus Kindermund. Beweglicher und zugleich mit einem resignierten Zug in dem ziemlich bekannt gewordenen Gedicht von Hans Zuchhold:

8 Die Kirchenglocken rufen noch - : in deinem toten herzen nur wird nicht mehr wach das alte Schauern. Seitdem zertratst du jedes Band und sprangst aus allen Mauern. Seitdem gingst du die Heide hin von Berg zu Berg, von (Quell zu (Quelle, und mit dir war, dem Schatten gleich, mit scharfem Blick, der Zweifel, dein Geselle. Der rührte mit dem Wanderstab der Wasser trübe Tiefen auf; trankst du in langen Zügen, da flohst du wohl, doch er dir nach. Und nirgends war dein Durst gestillt und nirgends war Genügen. Das ist dein weg: von Berg zu Berg, an Leere reich, von einem (Quell zum andern. Don Nacht zu Nacht. Das ist dein weg. Kein Laut, der deine Sehnsucht stillt, kein Wort! Die Hoffnung ist am Steig verdorrt, und wandern mußt du müden Schritts und ohne Sterne immerfort. Einem Aufschrei gleich bei Rudolf Hans Bartsch:

Uns ist der Kinderglaube fortgenommen, doch mündig sind wir nicht, nur vaterlos, und suchen, wie wir, mit Begierden bloß, zu unserm tiefsten Glücke mögen kommen.

wir stehen still und fragen tief beklommen, zu wem nun unsre Sehnsucht beten soll. Noch von der Größe des verlaßnen voll, will dies Stück Leben bloß uns doch nicht frommen . . . Die einen suchen die Schuld bei sich, die andern beim Schick­ sal, ja bei Gott selbst, der ihnen den Kinderglauben nicht gelaffen habe. Die einen hoffen, wieder zum Glauben zu gelangen; die anderen haben die Hoffnung aufgegeben. Trauer und Sehnsucht aber bei allen.

Wo von dem Kinderglauben geredet wirb, steckt noch ein tieferer Gedanke dahinter. Die Kindheit ist Sinnbild eines unir­ dischen, nicht zeitlichen Tatbestandes, der Beziehung zu Gott, die überzeitlich besteht und die man nun in der Zeit wieder haben, wieder empfinden mochte. Wir haben eine ewige Heimat, in die wir gehören, von der wir aber augenblicklich fern sind. 3n diesem Sinn heißt es bei Wilhelm von Scholz: Eine Heimat hat der Mensch, doch er wird nicht drin geboren, muß sie suchen, traumverloren, wenn dar Heimweh ihn ergreift.

Aber geht er nicht in Träumen, geht er achtlos ihr vorüber, und es wird das herz ihm plötzlich schwer bei ihren letzten Bäumen.

Überaus fein ist der vergleich des Menschenwesens mit der Muschel, den Hermann S t e h r, seiner Weltanschauung entsprechend, in folgendem Gedicht bringt: Die Muschel, die dem Meeresgrund entzogen, bewahrt das Brausen doch als leisen Ton, und lauschest du, singt dir das Wellenwogen traumhaft ins (vhr, das längst sie schon geflohn.

So durch Geborensein dem Meer entstiegen der unersorschlich tiefen Göttlichkeit, klingt in dem Menschen immerfort verschwiegen als leiser Ton der Sinn der Ewigkeit.

So geht ein Klang der Sehnsucht durch unsere Zeit, bald leise, zaghaft, halb unterdrückt - bald laut, vernehmlich, alles übertönend,aus Hunderten lyrischer Gedichte ist er zu belegen. Anstelle vieler Beispiele sei ein durch seine Schlichtheit ergreifendes Gedicht von Ludwig Iacobowski mitgeteilt:

Das macht die Sommernacht so schwer: die Sehnsucht kommt und setzt sich her und streichelt mir die Wange. Man hat so wunderlichen Sinn,man will wohin, weiß nicht, wohin, und steht und guckt sich bange.

10 Wonach?

Vie Fackel in der Hand, so weist die Sehnsucht weit ins Land, wo tausend Wege münden. Ach! Einen möchte ich schon gehn, „Nach Hause!" müßte drüber stehn. — G herz, nun geh ihn finden!

Religiöse Sehnsucht ist Sehnsucht nach einem bestimmten Gegen­ stand oder Ziel, nämlich nach einer transzendenten, d. h. zunächst: nach einer über das Ich und über die umgebende Wirklichkeit hinaus­ liegenden Größe. Vie unbestimmte Sehnsucht, die wir vielfach bei unsern Lyrikern finden, ist ein Rnsangszustand, der nur als Vorahnung oder Vorbereitung der religiösen Sehnsucht zu werten ist. So bei Paul Scheerbart: Ich liege ganz still. Der Nachtwind rauscht leise vorbei. Eine große Sehnsucht zieht mich noch tiefer. Vie Sehnsucht nach — ich weiß nicht, was! Vas macht so traurig. Ich möchte — ich weiß nicht, was! Ich denke an ferne, ferne Zeiten ...

Geradezu typisch für das religiöse Empfinden weitester Kreise ist das psychologisch hochinteressante und dichterisch hochwertige Ge­ dicht von Kurt heynicke: Meine Seele ist ein stiller Garten, ich weine, umschlossen von den Mauern meines Leibes, gelb fitzt die Welt vor meiner Seele Tür. Meine Seele ist ein Garten, eine Nachtigall meine Sehnsucht, Liebeslieder fingt die junge Nachtigall, und mein herz sehnt sich nach Gott.

Gott ist ein Name, namenlos ist meine Sehnsucht, sie hat ein Kind geboren, willen, jung und von Gewalt durchbrausten willen, hin zu ihm.

(Ein Garten ist meine Seele. Ich knie nicht im Garten. Weit breiten meine Arme in den weiten Teppich blauer ich fliege, sNächte, namenloses Weltgesicht, ich bin dein Bruder, geboren aus Sternennebeln an erstem Tag.

Mein willen blüht einen Mar aus Mai und junger vieltausend Blüten flammen auf, [Sonne, und meine Sehnsucht flattert singend hin zu deinem Munde, Gott, oder Mutterschotz, herz meines Bruders im Weltall, ich weine, denn kein Gedanke schickt einen Namen, ich singe meiner Sehnsucht Psalm, gewiegt von der Harfe unendlicher Liebe. hier ist namen-lose Sehnsucht, aber Trauer darüber, daß kein Name gefunden wird. Das ist religiös. Dagegen ist es nicht reli­ giös und nur aus Ermüdung nach langem erfolglosen Suchen er­ klärlich, wenn man sich mit der gegenstand- und ziellosen Sehnsucht zufrieden gibt wie Wilhelm Michel: flm Durste muß ich stillen meinen Durst, satt muß ich werden von des Hungers (Dual. Heimweh, die graue Mutter meines Liedes, Heimweh ward meine Heimat. Oder wenn Franz Karl Ginzkeq den weg ohne Ziel preist:

Es führt mein weg nach keinem Ziel, denn Ziel ist Täuschung nur und Spiel. Muß ich dem Ziel mich anvertraun, versäum' ich, nach dem weg zu schaun.

Mit Recht antwortet Thristian Morgenstern: wer vom Ziel nichts weiß, kann den weg nicht haben. Die echte religiöse Sehnsucht ist von positivem religiösen wert. Nicht nur, daß in aller Religion ein Moment der Sehnsucht, der Nicht-Erfüllung vorhanden ist, — das traurige „Ich kann nicht

12 glauben" verrät mehr religiöse (Besinnung als ein gedankenloses „Ich glaube es schon"; der Schrei nach Gott mehr Religiosität als ein Gewohnheitsglaube an Gott; die sehnsüchtige Unruhe mehr Frömmigkeit als die satte „fromme" Ruhe. Man höre etwa Ernst Thrasolts Ruf: Gott, bist du, bist du nicht? Rist du, was läßt du mich seit meinen Knabentagen Tag und Nacht nach dir fragen, suchen, schreien, meinen? Was zeigst du nicht dein Angesicht, was willst du nicht erscheinen? Gib meinem zweifelsschwanken Fuße festes Land, gib meinen gottpreisenden Händen deine Hand! Daß ich erfahre und gewahre, daß du bist, und daß, daß doch eine feste, sichere Insel in den Meeren ist.

(Ober Ferdinand Avenarius in einer anderen Stimmungsfarbe: 3n Liedern mit der Lerche schwebt die Seele zum Firmament. Ach hätt' ich einen, dem ich recht von herzen danken könnt'!

Solches Gottsuchen geht auf unbewußtes Lotterleben zurück; sie würden, nach einem Worte von Pascal, ihn nicht suchen, wenn sie ihn nicht schon gefunden hätten. So schildert Peter Rosegger in einem Gedicht mit seinem Humor, daß Gott hinter den vorwärts­ stürmenden Gottsuchern hergeht, sie an der Schulter faßt und sagt: „Kinder, schaut euch doch um, seid nicht so dumm!" Fein hat eine christliche Dichterin, Dalli; von Rüxleben, diesen Sinn der Gottes­ sehnsucht in Verse gebracht: Sie wandern durch Erdenfernen und tragen durch Trift und Tal ihre Sehnsucht empor zu den Sternen und suchen den heiligen Gral . . . Sie opfern auf fremden Altären, wie wild zusammengeschart.

Mit wankenden Knien kehren sie heim von der Pilgerfahrt . . . Sie forschen bei flackernden Kerzen, bis tief verdunkelt ihr Sinn, und halten die hungernden Herzen der leuchtenden Sonne hin. Sie suchen — ihr fluge wird trüber, bis es fragend im Sterben bricht, — sie gehen am Strom vorüber, sein Rauschen — hören sie nicht. Die Sehnsucht der Seele ist ein Zeichen ihrer Gottbeziehung; sie ist gottgewirkt; ja, die Seele selbst ist ein Stück Ewigkeit, in die Zeit gebannt und sehnsüchtig, wieder in die übersinnliche Welt zurückzugelangen. So spricht es Rainer Maria Rilke aus:

Nennt ihr das Seele, was so zage zirpt in euch? was wie der Klang der Narrenschellen um Beifall bettelt und um würde wirbt und endlich arm ein armes Sterben stirbt im Weihrauchabend gotischer Kapellen — Nennt ihr das Seele?

Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit, in der die Welten weite Wege reisen, mir ist: ich trage ein Stück Ewigkeit in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit und will hinauf und will mit ihnen kreisen. . . Und das ist Seele. Das wird auffallend oft durch ein kosmisches Geschichtsbild unterbaut. Die ganze Welt war einst in Gott befaßt, gottverbunden, gottnahe. Da geschah der große Sturz aus der Geisteswelt in die Materie. Nun ist die Sinnenwelt gottfern, gottlos, und der Mensch teilt diesen Zustand. Aber einmal wird die ganze Welt wieder zurück­ kehren zu Gott, aus dem sie stammt. Das Wesen der Dinge ist „ein Sehnen aus hülle, aus Raum und Zeit zur quellenden Fülle der Ewigkeit" (fllfons petzold). Ruch in der Kreatur vernimmt man daher Sehnsuchtsruse. Karl Bienen st ein:

Ich stand verirrt im fremden Walde, durchs Rstwerk tropfte Mondenschein, und brünstig von der Bergeshalde rief dann und wann der Hirsch herein.

14 Und stand ich auch an fremdem (vrte und sand ich weder weg noch Spur, mir Hang vertraut wie Heimatworte der Sehnsuchtschrei der Kreatur.

Eine andere Wendung des Gedankens: Die Natur, abgesehen vom Menschen, ist Gott nahe. Baum, Blume, (Quelle und Stein haben die Gottbeziehung behalten. Nur der Mensch hat fie ver­ loren, — dadurch ist er weniger als die Natur; und er wird sie sich aus eigener Kraft wieder erwerben — dadurch ist er mehr als die Natur. Man vergleiche dazu folgendes Zwiegespräch von Her­ mann Claudius:

Herr, du breitest deine edle Anmut aus überall. Mein Auge umgleitet mit Erquicken jeden freigewachsenen Baum. Das Neh, das durchs Dickicht lugt, erschrickt mich mit scheuer Schöne. Dein Zrühlingszweig jauchzt, und der herbstliche Wald harst dir Lhoräle. Sag', warum mündet der Mensch nicht ein in den göttlichen Strom? (Gott):

„Pflanze und Tier ruhn beschloffen in mir. Euch aber stieß ich hinaus in die weiten, tausend Burgen der Lust zu erstreiten, tausend Tore des Leids zu durchschreiten und mistend den weg zurückzubereiten zu mir".

Eine volle Erfüllung ist der Sehnsucht der Modernen nicht be­ lieben. Sie strebt empor zu (Bott, aber sie erreicht ihn nicht ganz.