Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften: Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften [10., neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111456775, 9783111089355

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Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften: Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften [10., neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111456775, 9783111089355

Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur vierten Auflage
Vorwort zur achten Auflage
Vorwort zur neunten Huflage
Vorwort zur zehnten Huflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitung
Erster Teil
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
Erster Abschnitt. Errichtung der Genossenschaft
Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse der Genossenschaft und der Genossen
Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung
Vierter Abschnitt. Revision
Fünfter Abschnitt. Ausscheiden einzelner Genossen
Sechster Abschnitt. Auflösung und Nichtigkeit der Genossenschaft
Siebenter Abschnitt. Konkursverfahren und Haftpflicht der Genossen
Achter Abschnitt. Besondere Bestimmungen
Neunter Abschnitt. Strafbestimmungen
Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen
Gesetz, betreffend die Wanderung des Gesetzes über die Erwerbs» und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889, sowie de» Geschäftsbetrieb von Konsumanstalten
Notgesetze und Notverordnungen
Zweiter Teil
Dritter Teil
Sachregister

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DaS Reichsgesetz, betreffend die

Erwerbs- und

irtschaftsgenofsenschasten Kommentar zum praktischen Gebrauch für Juristen und Genossenschaften

BtS zur dritten Auflage herausgegeben von

Ludolf ParistuS und Dr. Hans Größer

Zehule, neobearbeilete Auflage von

Dr. Hans Crüger und Dr. Adolf Crecelius

Berlin

und Leipzig

19 2 6

Walter de Gruyter & So. vormalS S 3- Gvfchen'sche Verlag-handlung — I. Suttentag, Verlagsvuchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner - Veit * Somp.

A

LntS »en C- Schulze * Ts., G. m. d. H. GrLfeuvatntchen.

Vorwort zur ersten Auflage. Nachdem ich 1868 und 1876 im Verlage von I. Guttentag zu Berlin Kommentare zum preußischen GenofsenschastSgesetze vom 27. März 1867 und zum norddeutschen GenofsenschastSgesetze vom 4. Juli 1868 herauSgegebeu hatte, erllärte ich mich auf Ersuchen der BerlagShandluag im voraus gem bereit, auch daS neue Gesetz zu kommentieren. Mer die geaave Kenntnis deS Entwurfs und seiner Abweichung« vom bisherigen Gesetz ließ eS mir von vomherein Mehr als zweifelhaft erscheinen, ob ich einen aus­ führlichen, gründlichen Kommentar werde so zeitig Herstellen können, daß er beim Inkrafttreten deS Gesetzes fertig vorliege. Ich war deshalb erstellt, in der Person deS Herrn Gerichtsassessors vr.jur. HanS Crüger, welcher feit drei Jahren die Stelle deS ersten Sekretärs der Anwaltschaft deS Allgemein« Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirtschastsgenossenschasten verwaltet, einen Mitarbeiter zu gewinnen, der reiche Gelegeuheit hatte, die Rechtsverhältnisse und wirtschaftlichen Bedürfnisse zahl­ reicher und verschiedenartiger Genossenschasten kenneazulemen. Unsere gemeinsame Arbeit wnrde durch die erheblichen Veränderungen, die der Gesetzentwurf im Reichstage erfuhr, wider Erwarten erschwert. Dennoch konnte die Verlagsbuchhandlung den eigentlichen Kommentar bereits im September 1889, also vor dem Inkrafttreten deS Gesetzes, ver­ senden, Im Einverständnis mit unS versprach sie dabei, Einleitung, Sachregister und die von unS zur Bollständigkett deS Kommentars sür unentbehrlich erachteten, im § 171 Abs. 2 deS Gesetzes allgekündigten Be­ kanntmachungen der Zentralbehörden der Einzelstaaten in vier bis fünf Wochen vachzuliefern. ES war vorausgesetzt, daß diese Bekanntmachungen, die nach dem Reichsgesetz vor dem 1. Oktober 1889 zu erwarten waren, spätestens Mitte Oktober allesamt vorliegen würden. Diese Voraussetzung traf nicht zu. Insbesondere blieb Preußen mit seiner Bekanntmachung, auf deren Abdruck wir Wert zu legen hatten, im Rückstände. Inzwischen war die erste Ausgabe deS im September versendeten Kommentars bereits soweit vergriffen, daß Anfang Dezember 1889 ein zweiter unveränderter Neudruck bewirkt werden mußte. Die preußische Bekanntmachung ist im Reichsanzeiger erst amWeihnachtSabend erlassen. Die Verzögerung gestattete, im Nachtrage einige wichtige prakttsche Erfahrungen aus dem ersten Merteljahre der GüttigkettSdauer deS neuen Gesetzes mitzuteilen. Charlottenburg, den 12. Januar 1890.

Ludolf ParifiuS.

Vorwort zur vierten Auflage. Die Bearbeitung bet neuen Auslage lag mir allein ob; am 11. März 1900 hat der Tod daS arbeitsreiche Leben Ludolf ParifiuS zum Abschluß gebracht. ParifiuS gehört zu den Pionieren des deutschen Genossenschaftswesens und hat zeitlebens einen großen Teil seiner reichen Arbeitskraft in den Dienst der Genossenschaften gestellt; neben SchulzeDelitzsch hat er an der Ausgestaltung und Ausbildung der deutschen Genossenschaftsgesetzgebung und deS deutschen GenossenschaftSrechtS den hervorragendsten Anteil. Ein tüchtiger Jurist und tiefer Kenner deS Genostenschaftswesens sowohl in der Praxis, als auch in der Theorie^ war ParifiuS der geborene Kommentator der deutschen GenossenschaftSgesetzgebung. Ich habe an der Anordnung deS Werkes nichts geändert: eS ist auf Grund der inzwischen ergangenen reichhaltigen Rechtsprechung, die, wie in den früheren Auflagen stets auch kritisch gewürdigt ist, und nach den Er­ fahrungen und Beobachtungen auS der Praxis der deutschen Genostenschäften der neuen Bearbeitung unterzogen. Charlottenburg, im April 1903.

Dr. Hans Criiger.

Vorwort zur achten Auflage. Die neue Auflage bietet schon äußerlich eine wesentlich veränderte An­ ordnung und Behandlung der Erläuterungen. Die Anmerkungen habm eine übersichtlichere Gestaltung dadurch erfahren, daß sie in Unterabschnitte zerlegt sind. Die systematische Bearbeitung der wichtigsten Fragen ist weiter durchgeführt. Einzelne besonders wichtige Materien sind int Zu­ sammenhang behandelt, vgl. z. B. bei § 1 die Definition der Genossenschaft bei § 7 Geschäftsanteil und GeschästSguthaben, bei § 15 Erwerb der Mitgliedschaft, bei § 33 die Bilanz, bet § 48 Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Richtigstellung der Bilanz, bet § 105 Nachschußpflicht. Weiler als in früheren Auflagen ist ans das einschlägige bürgerliche Recht zurück­ gegangen. Die Praxis der genossenschaftlichen Arbeit hat seit der Ausgabe der 7. Auflage im Jahre 1911 wiederum zu einer großen Zahl von Auslegungs­ fragen geführt. Immer neue Rechtsverhältnisse entstehen mit der von Jahr zu Jahr fortschreitenden Anwendung der Gesellschaftsform der Ge­ nossenschaft, zum Teil auch auf Gebieten, für die sie nach der Absicht deS Gesetzes schwerlich bestimmt war. Die Erläuterungen haben infolgedessen eine wesentliche Vermehrung erfahren. Um den Kommentar an Umfang nicht noch, weiter erheblich anwachsen zu lassen, ist mit der Fortlassung der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Gesetzesbestimmungen soweit fortgefahren, daß sie nur noch an ganz vereinzelten Stellen in­ sofern berücksichtigt ist, als sie zum Verständnis deS Gesetzes notwendig erscheint.

Vorwort.

V

Bort sehr weitgehendem Einfluß auf die Rechtsprechung zum GenosseachaftSgesetz ist die durch daS Gesetz vom 22. Mai 1910, betreffend Zutändigkeit des Reichsgerichts, erfolgte Erhöhung der RevistonSsumme. Seit>em weisen die Sammlungen der ReichSgerichtsentscheidungm nur selten noch eine Entscheidung auf, die sich mtt der Auslegung des Genossenschaftsgesetzes befaßt. Es wird diese Beschränkung in der Praxis vielfach be­ dauert, da in einigen sehr wichtigen Fragen ReichSgerichtsentfcheidungen aus den früheren Jahren vorliegen, von denen erwartet werden konnte, daß sie einer Nachprüfung unterzogen werden würden, wenn daS Reichs­ gericht wieder Gelegenheit haben sollte, zu der Frage Stellung zu nehmen. ES sei an dieser Stelle auf meinen Aufsatz „Die Rechtsprechung zum deutschen GenofsenschaftSgesetz" in der „Zeitschrift für daS gesamte Handels- und KonkurSrecht (LXX1L Bd. 1. und 2. Heft) und die dort behandelten Fragen Bezug genommen (vgl. auch den Kommentar § 7 Aum. 30 ff.). Diese umfangreiche Neubearbeitung des Kommentars war mir nur möglich, da der Anwaltsstelloertreter deS Allgemeinen deutschen Geaoffenschaftsverbandes, Herr Rechtsanwalt Crecelius, sich dafür zur Ver­ fügung gestellt hatte. Herr Rechtsanwalt Crecelius war von Oktober 1908 bis Juni 1910 erster Sekretär des Allgemeinen deutschen GenossenschaftSverbandes und war im September 1913 als ständiger Vertreter des Anwalts in die Anwaltschaft deS Allgemeinen deutschen Genossenschafts­ verbandes eingetreten. Umfangreiche Gesetzeskenntnis, scharfes juristisches Verständnis, reiche Erfahmngen in der Praxis des wirtschaftlichen LebenS, besonders der Genossenschaften, haben Herm Crecelius mir zu dem denkbar geeignetsten Mitarbeiter in dem Kommentar zum Genossenschaftsgesetz ?gemacht. Bei Beginn deS Krieges, als Herr Crecelius dem Ruf zur Fahne olgte, lag daS Manuskript abgeschlossen vor. Der Druck ging naturgemäß während deS Krieges nur langsam vor sich. Zeitweise schien es überhaupt zweifelhaft, ob eS zweckmäßig wäre, oen Druck fortzusetzen, oder ob nicht erst abgewartet werden sollte, in­ wieweit KriegSnotgesetze das Genossenschaftsgesetz berühren — ob die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen des Krieges für die Genossenschaften wichtige Rechtsfragen bringen würden. Im Einverständnis mtt der Verlags­ buchhandlung wurde der Druck fortgesetzt, weil die 7. Auflage vollständig vergriffen war. In dem ersten Teil auf Seite 580 ff. sind die zu dem Genossenschafts­ gesetz ergangenen KriegSnotgesetze mitgeteilt. In den „Ergänzungen" (S. XII) ist auf die Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes verwiesen, die durch die KriegSnotgesetze betroffen sind. Weitere einschneidende KriegSnotgesetze zum Genossenschaftsgesetz sind nicht zu erwarten. Wahr­ scheinlich dürfte nur noch eine weitere Vorlage betr. die Revisionsfrist (§ 53 Seite 341) erfolgen. Der Krieg hat im übrigen anscheinend kaum für daS GG. Rechtsfragen von großer Bedeutung gebracht. Wo solche hätten enfftehe» können, haben die KriegSnotgesetze inzwischen eingegriffen. Wenn auS dem angeführten Grunde die Urteile deS Reichsgerichts zum Genossenschaftsgesetz weniger zahlreich geworden sind, so hatte der Krieg noch weiter den gerichtlichen Austrag von Streitfragen gehemmt.

Die Rechtsprechung deS Reichsgerichts und der OberlaudeSgerichte, die während deS Drucke- des Kommentar- bekanntgegebm ist, ist in den „Ergänzungen" berücksichtigt. Charlottenburg, im Juni 1915.

Dr. Hans CrLger.

Vorwort zur neunten Huflage. Die Herausgabe der neunten Auflage hat sich tells wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse, tells wegen deS sich fortgesetzt ändernden Stande- der Gesetzgebung länger verzögert, als den Verfassern und dem Verlag erwünscht war, ließ sich aber nicht Lndem. Der Kommentar läßt schon äußerlich erkennen, daß die Bearbeitung und Drucklegung sich über einen Zeitraum erstreckte, der einschneidende Änderungen deS Genossenschafts­ gesetzes, verwandter Gesetze oder wichtige neue Gesetze brachte. ES war nicht möglich, die äußere Fassung so zu treffen, daß allein die augenblicklich geltenden Bestimmungen mitgeteilt und kommentiert wurden. Dafür folgten die verschiedenen Novellen, Verordnungen usw. zu schnell aufeinander. Doch hoffen die Verfasser, daß dieser Umstand der praktischen Verwendbarkeit des Kommentars keinen Abbruch tut; im Gegenteil wird vielleicht manchem Benutzer die gegenwärtige Überleitungsform nicht unwillkommen sein. Die politische und wirtschaftspolitische Umstellung haben eS mtt sich gebracht, daß Gesetze erlaffen wurden, die, ohne äußerlich daS Genossenschafts­ gesetz zu finbent, doch auf dieses von unmittelbarem Einfluß waren fz. B. BetnebSrätegesetz, Goldbilanzen, Schaffung der Rentenmark, Geschäfts­ aufsicht). Sie sind zum Teil bei den einschlägigen Gesetzesstellen berück­ sichtigt, zum Teil im Anhang besprochen. ES ist hohe Zeit, daß daS rasende Tempo, daS unsere Gesetzgebung eingeschlagen hat und vielleicht auch allzu bedenkenftei Hand legt an wichtige und grundlegende Bestimmungen, bald wieder ruhiger Fahrt Platz machen wird. Respekt vor dem Gesetz und der Rechtsprechung müssen leiden, wenn der Gesetzgeber selbst sein Werk allzu leicht und allzuoft ändert. Rechtsanwalt und Notar Dr. Adolf CreceliuS. der bereits an der Bearbeitung der früheren Auflagen beteiligt war, zeichnet diesmal als MllherauSgeber. Herr KammergerichtSrat Fritz Citro n hat den Ber­ fassem bei der Beardeituug und Dmcklegung weitgehende Unterstützung geleistet. ES sei ihm auch an dieser Stelle der herzlichste Dank für seine zum Teil recht mühevolle Mitarbeit ausgesprochen.

Berlin, im Juli 1924. Dr. Hans CrLger.

Dr. Adolf Crecclius.

Lorwort.

vn

Vorwort zur zehnten Ausluge. Auch die zehnte Auflage muhte inzwischen ergangene wichtige Änderungen deS Geaossenschastsgesetzes berücksichtigen. Weitere grundlegende Änderungen sind angeregt. Ein Jahr bringt jetzt «mfasiendere gesetzliche Änderungen als einstens Jahrzehnte. Die Zukunft wird zeigen, ob Misere Zeit dm Beruf zur Gesetzgebung in dem Maße besitzt, wie sie nach der äuherst ftuchtbarm GesetzeSproduktion sich selbst zuzusprechen scheint. Bei der Fertigstellung der zehntm Auflage hat Herr Kammergerichts­ rat Fritz Citrou wieder.in weitestem Umfange sich betätigt; entart sei ihm für diese wertvolle Mitarbeit auch an dieser Stelle herzlichst gedankt.

Berlin im März 1926.

Dr. Hans Lrüger.

Dr. Adolf Creeelius.

Inhaltsverzeichnis. Einleitung.

I. Zur Geschichte der deutschen Genossenschastsbewegung..........................

1

II. Die Genossenschaftsgesetzgebung......................................................................

10

HI. Der Begriff der Genossenschaft und die wichtigsten Neuerungen des Gesetze- vom 1. Mai 1889 .....................................................................................

22

A. Die neue Ordnung der Haftpflicht der Genossen, die Zulassung der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht und die Bestimmungen über den Vollzugder Haftpflicht................................................................

24

1. Die Haftpflicht..............................................................................................

24

2. Der Haftvollzug

30

.........................................................................................

B. Die Revision.......................................................................................................

37

C. Bildung von Genossenschaften, die aus Genossenschaften bestehen

42

IV. Die Rechtsquellen...................................................................................................

44

Erster Teil. Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

46

Errichtung der Genossenschaft (§§ 1—16).............................

47

Erster Abschnitt. Zweiter Abschnitt.

Rechtsverhältnisse der Genossenschaft und der Genossen

(§§ 17-23).......................................................................................................................181 Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung (§§ 24— 52)................... 209

Vierter Abschnitt.

Revision (§§ 53— 64)..................................................................

347

Fünfter Abschnitt.

Ausscheiden einzelner Genossen (§§ 65—77)

....

383

Sechster Abschnitt. Auflösung und Nichtigkeit der Genossenschaft (§§ 78—97)

436

Siebenter Abschnitt. Konkursverfahren und Haftpflicht der Genossen (§§ 98 bis 118)............................................................................................................................... 483

Achter Abschnitt. Besondere Bestimmungen (§§ 119—145)........................ I. Für Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht (§§ 119-125)

530 630

n. Für Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschubpflicht (§§ 126—130)

543

HI. Für Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht (§§ 131—142) .

.

546

TV. Für die Umwandlung von Genossenschaften (§§ 143—145)....

567

Neunter Abschnitt.

Strafbestimmungen (§§ 146—154).................................

573

Zehnter Abschnitt.

Schlutzbestimmungen (§§ 155—161).................................

586

Gesetz, betreffend den Geschäftsbetrieb der Konsumanstalten

vom 12. August 1896

.....................................................................................

608

Notgesetze und Notverordnungen........................................................................610

Bekanntmachungen bett. Revision der e. G......................................................... 610 Vertretung eines Genossen in der Generalversammlung und über das

Ausscheiden aus der G................................................................................................611

Bekanntmachungen betr. zeitweilige Außerkraftsetzung der §§ 99, 118, 142, 148 GG....................................................................................................................612

Inhaltsverzeichnis.

IX

Geschästsaufjicht jur Abwendung des Monhirjcv................................... 614 Verordnung über Auslosung e. G..............................................................616 Ausführungsverordnung zu § 4.3a 6tbi.......................................................616 Nentenbankverordnung............................................................................ 017 Verordnung über Goldbilanzeu................................................................. 018 Zweite Durchführungsverordnung über Goldbilanzeu........................... 624 Betriebsrätegesetz........................................................................................629 Verfahrensordnung der Genossenschaftlichen Einigung-stelle .... 632 Steuergesetzgebung ltnd Genossenschaften.............................................. 636

Zweiter Teil, Verordnung über das Genossenschaftsregister. Vom 22.9cou. 1923

642

Dritter Teil. Bekanntmachungen der Zentralbehörden der Länder. — Vera­ ordnungen der Einzelstaaten, betreffend die Führung des Genossenschaftsregisters. — Allgemeine Verfügung, be^ treffend die Herstellung einer Statistik der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften............................................................. 656 Vorbemerkung...................................................................................................057 1. Preußen.......................................................................................................059 2. Bayern.......................................................................................................063 3. Sachse, ....................................................................................................... 669 4. Württemberg............................................................................................... 673 5. Baden.......................................................................................................... 675 6. Hessen...........................................................................................................685 7. Mecklenburg-Schwerin................................................................................ 690 8. Mecklenburg-Strelitz.................................................................................... 092 9. Oldenburg................................................................................................... 693 10. Braunschweig............................................................................................... 698 11. Groß-Thüringen ........................................................................................699 12. Anhalt...........................................................................................................731 13. Waldeck....................................................................................................... 735 14. Schaumburg-Lippe.................................................................................... 735 15. Lippe-Detmold............................................................................................740 16. Lübeck...........................................................................................................744 17. Bremen.......................................................................................................748 18. Hamburg.......................................................................................................748

Allgemeine Verfügung, betreffend die Herstellung einer Statistik der Erwerbs­ und MrtschaftSgenossenschaften................................................................. 750 Ergänzungen...................................................................................................757

Sachregister.......................................................................................................759

Abkürzungen. Zahlen ohne weiteren Zusatz bedeuten die Paragraphen dieses Gesetzes. AB?—Verordnung über das Genossenschaftsregister vom 22. November 1923. AG?-Gese^, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Sötten und die Aktiengesell­ schaften vom 18. Juli 1884 — oder---Aktiengesellschaften. Begr. ^—Begründung des 1. Entwurfs.

Begr. II*---Begründung des II. Entwmfs.

Birkenbihl— Birkenbihl und Maurer: Das Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- unb

MrtschaftSgenosfenschaften vom 1. Mai 1889.

Zweite Auflage.

1898.

BlfG.--- Blätter für Genossenschaftswesen.

BGB. —Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich voin 18. August 1898.

Busch Archiv —Archiv für Theorie und Praxis deS Allgemeinen deutschen Handels- und Wechselrechts. (Herausgegeben zuerst von F. B. Busch, zuletzt von G. Busch.)

Cohn —Das Handels- und Genossenschaftsregister.

1901.

Denkschrift zum BGB. —Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (Walter de Gruyter & Co., Berlin).

Denkschrift zum HGB. — Entwurf eines Handelsgesetzbuchs nebst Denkschrift (Walter de Gruyter & Co., Berlin). DIZ. —Deutsche Juristenzeitung, begründet von Laband-Stenglein-Staub, heraus­

gegeben von Dr. Otto Liebmann. Dtsch. landw. Gen.-Presse —Deutsche landwirtschaftliche Genossenschaftspresse (Berlitt). Deumer—Das Recht der eingetragenen Genossenschaften.

1912.

EBGB. — EinführungSgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. August 1896. EG.—Eingetragene Genossenschaft. EHGB.—EinführungSgesetz zum Handelsgesetzbuch für daS Deutsche Reich vom 10. Mai

1897. Entw. k*?----Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Mrtschastsgenossen-

schaften nebst Begründung und Anlage. Amtliche Ausgabe. 1888. Entw. II*8?----Entwurf eines Gesetzes usw., vorgelegt dem Reichstag am 27. November 1888 (Drucksachen des Reichstag, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889 Nr. 28). FGG.—Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.Mai l8S8. GKG?—Gerichtskostengesetz vom 18. Juli 1878, neue Fassung vom 17. Mai 1898. GmbH. — Äesellschast mit beschränkter Haftung.

GR. — Genossenschaftsregister. Ges. von 1868*?= Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 4. Juli 1868.

1 Tie lateinischen Zahlen bezeichnen den Band, die arabischen die Seite. 8 Die beigefügte Zahl bezeichnet den Paragraphen.

3 Ist die Abkürzung in lateinischen Lettern gedruckt, so bedeutet dies, daß die Fassung

des Gesetzes sich hier zuerst findet. 4 Die beigefügte Zahl bedeutet den Artikel.

Abkürzungen.

XI

GBG? = Gerichtsverfassungsgcsetz vom 27. Jan. 1877, neue Fassung vom 17. Mai 1898.

Goldschmidt — Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschasten.

1882.

Handelsgesellschafter — Der Handelsgesellschafter. Juristische Monatsschrift.

(Leipzig.)

HGB? —Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 10. Mai 1897.

Herz — Novellen und Ankäge zum GenossenschastSgesetz. Jessenberger — Die eingetragenen Genossenschaften.

1883.

1897.

Jvkl — Das Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschasten vom 1. Mai

1889.

Separatabdruck aus den „Annalen des Deutschen Reichs".

1890.

JMBl.—Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege.

IW. — Juristische Wochenschrift.

Herausgegeben vom Deutschen Anwaltverein.

Kaiser---Die zivilrechtliche Haftung des Borstandes und Aussichtsrats der Aktiengesell­ schaften und Genossenschaften.

1897.

KGJ. —Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts.

Komm?2-- Fassung des Gesetzes nach den Beschlüssen der VII. Kommission des Reichs­ tags (Drucksachen des Reichstags, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889 Nr. 132). KommBer? --- Bericht derselben Kommission (dieselbe Drucksache). KrauS —Die Solidarhaft bei den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften.

1878.

Leip;. Ztschr.—Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Bersicherungsrecht,

herausgegeben unter Leitung von Dr. F. von Miltner.

(Leipzig.)

Liebig —Die Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht und ihre Behandlnng im Kon­ kurse. 1892. Makower = Handelsgesetzbuch.

Dreizehnte Auflage.

1906.

Maret—Die rechtliche Stellung des Borstandes einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­ schaft. 1891. Mäscher —Das Gesetz vom 27. März 1867.

1868.

Maurers-Das Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889. 1890. Monatsschr. ----- Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, begründet von Holdheim,

herausgeg. von Heilbrunn; früher: Wochenschrift für Aktienrecht und Bankwesen. Neumann Jahrbuch — Jahrbuch des Deutschen Rechtes. Herausgegeben von Dr. Hugo

Reumann. Neumann Rechtspr.---Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen.

Nov. (vor „Komm." u. „Begr.") —Novelle zum Gesetz vom 12. August 1896. OH. — Offene Handelsgesellschaft.

OBG. — Entscheidungen des Kgl. Preuß. Oberverwaltungsgerichts.

Parisius —Die Genossenschaftsgesetze im Deutschen Reiche. 1876. Parisius^Lrüger Formularbuch — Formularbuch zum Reichsgesetz, betreffend die Er-

rverbs- und Wirtschaftsgenossenschaften.

Dritte Auflage.

1900.

ParisiuK-Crüger GmbH.—Das Reichsgesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Sechste Auflage.

1922.

Planck — Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einsührungsgesetz.

Dritte Auflage.

1905ss.

Proebst — Das Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­ schaften.

1889.

„Recht" — Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenstand, herausgegeben von

Dr. Hs. Th. Soergel (München). Rechtspr. — Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte aus dem Gebiete des Zivilrechts. Herausgegeben von Mugdan und Falkmann. Rehm — Die Bilanzen der Aktiengesellschaften. Zweite Auflage.

1914.

XII

Abkürzungen.

RG? ---- Entscheidmigen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGBl? = ReichS^Nesetzblatt.

RIA. --- Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des GrundbnchrechtS, zusammengepellt im Reichsjustizamt.

Ring — Lehmann und Ring.

Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich.

1902.

R KO? --- KonkurSordnung vom 10. Februar 1977, neue Fassung vcm 17. Mai 1898. ROHG. — Entscheidungen des ReichSobethündelSgerichtS.

Rtg??--- Fassung des Gesetzes nach den Beschlüssen des Reichstages in zweiter Lesung (Drucksachen des Reichstags, 7. Legislaturperiode, IV. Session 1K8/1889 Nr. 145). Rtg. III'/ —Fassung deS Gesetzes nach dm Beschlüssm des Reichstages in dritter Lesung (Drucksachen Nr. 186). Schulze ----- Umlageverfahren und Einzelangriff.

1888.

Schulze-Delitzsch-----Material zur Revision des GenossmschastsgesetzeS.

1883.

Seusfert--- SeusfertS Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in dm deutschen

Staaten. Sicherer---Die Genossmschastsgesetzgebung in Deutschland.

Simon---Die Bilanzen der Mimgesellschaftm.

1876.

Dritte Auflage.

Staub —Staubs Kommentar zum Handelsgesetzbuch.

1899.

Elfte Auflage bearbeitet von

Koenige, Stranz, Pinner. 1921.

Sttafs. --- Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. StrGB?—Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, neue Fassung vom 26. Februar 1876. Warneyer---DaS Bürgerliche Gesetzbuch für daS Deutsche Reich nebst dem Einführungs­

gesetz erläutert durch die Rechtsprechung.

Vierte Auslage.

1922.

ZBlFG.—Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit, und Notariat sowie Zwangs­ versteigerung. Zeller---DaS Reichsgesetz über die Erwerbs- und WirtschaftSgenossmschaften vom 1. Mai 1889. Zweite Auslage. 1894. ZPO?—ReichSzivilprozeßordnung am 30. Januar 1877, neue Fassung vom 1. Juni 1924. Zischt, für AG.—Zeitschrift für daS gesamte Attienwesen (Zittau) — jetzt als Zeitschrift

für Aktiengesellschaften (Leipzig).

Einleitung. I. Zur Geschichte der deutschen Genossenschafts­ bewegung i). Die ersten „auf dem Prinzip der Selbsthilfe der Beteiligten beruhenden deutschen Genossenschaften der deutschen Handwerker und Arbeiter- sind von dem Kreisrichter Hermann Schulze-Delitzsch, geb. am 29. August 1808, gest, am 29. April 1883, in den Jahren 1849 und 1850 in seiner Heimatstadt Delitzsch ins Leben gerufen. Er behandelte diese „ersten rohen Anfänge* in einer 1850 veröffentlichten Schrift „Mit­ teilungen über gewerbliche und Arbeiterassoziationen". Schon drei Jahre darauf, im März 1853, beschrieb er in seinem „Assoziationsbuch für deutsche Handwerker und Arbeiter* die zwölf in Delitzsch und den Nachbar­ städten Eilenburg und Bitterfeld errichteten Assoziationen, zwei Kranken­ kassen, zwei Vorschubvereine, zwei Konsumvereine und sechs Rohstoff­ assoziationen von Tischlern, Schuhmachern, Schneidern, und fügte Statuten, Formulare, Anweisungen zur Buchführung bei. Anfangs 1854 gab Schulze bereits ein besonderes Blatt für seine Assoziationen heraus, die zunächst achtmal jährlich erscheinende Abteilung der deutschen Gewerbe­ zeitung „Innung der Zukunft", aus der die „Blätter für Genossenschafts­ wesen*^) hervorgegangen sind. Von seinen Affoziationen traten in den nächsten Jahren bald die Vorschubvereine in den Vordergrund. Im März 1855 widmete Schulze ihnen sein Buch „Vorschub- und Kredit­ vereine als Volksbanken* 8). Damals, als erst acht Vorschubvereine bestanden, wagte Schulze zu prophezeien, „dah es in nicht ferner Zeit keine Stadt in Deutschland geben werde, welche nicht ein solches Institut nachzuweisen haben würde*. Aus diesen ersten Anfängen entwickelte sich die deutsche Genossen­ schaftsbewegung. Der vorsorglichen, unermüdlichen Tätigkeit des „Vaters des deutschen Genossenschaftswesens* ist das bis 1. Oktober 1889 gültige deutsche Genossenschaftsgesetz, das „Gesetz, betreffend die privatrechtliche *) Vgl. „Hermann Schulze-Delitzsch» Schriften und Reden". Herausgegeben von F. Thorwart (Berlin 1909ff.); Dr. Hans Krüger, „Die Erwerbs» und Airtfchaft»gerwssmschasten in den einzelnen Ändern* (Jena 1892); Vorwort in dm Jahrbüchern

de» Allgemeinen deutschm Genossenschaftsverbandes für 1901 ff. (Berlin). *) Jetzt im 72. Jahrgang (Berlin). *) Achte Auslage, bearbeitet von Dr. Hans Krüger (1915). «lrüger-LreceltuS, SenossenschastSgesetz.

10.Ausl.

Genofsruschast-gesetz. Stellung der Erwerbs- und Wirtschastsgenossenschasten vom 4. Juli 1868-, zu verdanken. Auch auf Entstehung und Inhalt des Gesetzes vom 1. Mai 1889 hat Schulze-Delitzsch, sowie der von ihm begründete Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe bemhenden deutschen Erwerbs­ und Wirtschastsgenossenschasten hervorragenden Einfluß geübt. Auf eine von Schulze und acht Leitern genossenschaftlicher Kredit­ vereine erlassene Einladung versammelte sich um Pfingsten 1859 zu Weimar »der erste Vereinstag deutscher Vorschuß- und Kreditvereine, welche auf der Selbsthilfe der Kreditbedürftigen aus dem kleinen und mittleren Gewerbestande beruhen", und beschloß, „einZentral-Korrespondenzbureau der deutschen Vorschuß- und Kreditvereine" zu begründen, um dessen Leitung Schulze ersucht wurde. Bis Dezember 1859 hatten sich 32 Vereine beteiligt. Im Auftrage des .dritten VereinStageS der auf Selbsthllfe gegründeten deutschen Vorschuß-, Kredit- und Rohstoffvereine" Halle a. S., Pfingsten 1861, erließ der dort gewählte .engere Ausschuß der deutschen Genoffenschaften" einen Aufruf zum Beitritt. Die Zentral­ stelle wurde 1861 zur .Anwaltschaft der deutschen Erwerbs- und Wirt­ schastsgenossenschasten" erhoben. Auf dem Vereinstage zu Potsdam, Pfingsten 1862, als sich besondere Verbände für daS Königreich Sachsen und für den Mittelrhein gebildet hatten, wurden auf Schulzes Antrag die Bildung von Landes- und Provinzial-Unterverbänden angeraten und für dieselben ein Statutenentwurf genehmigt. Schon die folgenden BereinStage zu Görlitz und Mainz vollendetm die Organisation. In Mainz 1864 nahm der sechste Allgemeine BereinStag .das Organische Statut deS Allgemeinen Verbandes der auf Selbsthilfe beruhenden deutschen Erwerbs- und Wirt» schaftSgenossenfchaften" au. Die Grundzüge dieser Organisation sind nach der Verschmelzung des Allgemeinen deutschen GenossenschaftSverbandes mit dem Hauptverband der gewerblichen Genossenschaften folgende: Der Verband ist ein eingetragener Verein. Vorstand des Vereins im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches ist der Anwalt. Die Geschäfte des Verbandes werden geführt von der Anwaltschaft, die auS dem Anwalt und zwei Mitgliedern der Anwaltschaft besteht und von dem GenossenschastStag gewählt wird. Aufgabe der Anwaltschaft ist Überwachung der gemeinschaftlichen Interessen, der angeschlossenen Genossenschaften, Wahrnehmung dieser Interessen bei der Gesetzgebung, Erteilung von Ratschlägen und Gutachten an die einzelnen Genossenschaften bei ihrer Organisation und bei allen einschlagenden geschäftlichen Vorkommnissen. Die einzelnen Genossenschaften sind Provinz­ oder länderweise zu sog. Revisions- oder UnterverbLnden zusammengeschlossen; durch den Beitritt zum RevisionSverband erwerben die Genossenschaften gleichzeitig auch die Mitgliedschaft beim deutschen Genossenschaftsverband. Sie haben die Wahmehmung der Sonderinteressen der ihnen angeschlossenen Genossenschaften, vor allem aber seit dem Gesetz von 1889 die Durchführung der gesetzlichen Revision zur Aufgabe. Die von ihnen gewählten Vorstände bilden gemeinschaftlich mit Vertretern der Handwerks- und Gewerbekammern als GesamtauSschuß ein Organ,, dessen Tätigkeit ebenso wie die des seit 1891 gebildeten, vom Allgemeinen.

Genossenschaststage aus den Mitgliedem des Gesamtausschusses gewählten 15gliedrigen Engeren Ausschusses der Unterstützung der Anwalt­ schaft dient. Der Verband beruht auf der Dezentralisation und hat keine Aufgaben kaufmännischer Natur. Die Jahresberichte deS Verbandes find aus den bescheidensten An­ fängen zu einem großen wirtschaftspolitischen und statistischen Werke angewachsen, daS im ersten Teile allgemeine Betrachtungen über Wirtschaft, Wirtschaftspolitik Genossenschaftswesen und Gesetzgebung enthält und im zweiten Tell die Statistik der angeschlossenen Genossenschaften in systematischer, weitgegliederter Bearbeitung bringt1) Als zweiter Verband entstand der (Raiffeisensche) Anwaltschaftsver­ band zu Neuwied, jetzt genannt Generalverband der deutschen Raiffeisengenossenschaften. Friedrich Wllhelm Raiffeisen1) (geb. am 30. März 1818 zu Hamm a. d. Sieg im Kreise Altenkirchen, gest am 11. März 1888 zu Heddesdorf) hat als Bürgermeister der Bürgermeisterei Flammersfeld im Dezember 1849 den gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken gewidmet« „FlammerSfelder Hilfsverein zur Unterstützung unbemittelter Land­ wirte* und sodann, alS er Bürgermeister von HeddeSdorf geworden war, im Mai 1864 den „HeddeSdorfer Wohltätigkeitsverein* inS Leben gerufen, der neben dem Zweck, daS Geldbedürfnis der Mitglieder zu befriedigen, „auch die Aufgabe hatte, für die Erziehung verwahrloster Kinder zu sorgen, arbeitslosen Einwohnern, besonders entlassenen Sträf­ lingen, Beschäftigung zu geben und eine Volksbibliothek zu errichten*. Da diese „verschiedenen Geschäftszweige in ein und derselben Genossen­ schaft sich direkt nicht vereinigen ließen*, erfolgte im Jahre 1864 die Umwandlung des Vereins in den „HeddeSdorfer DarlehnSkaffenverein*, der auf Raiffeisens Veranlassung im Mai 1866 den Anschluß an *) Die erste« Jahresberichte „über die deutschen Borschußvereine* für die Jahre 1854, 1855, 1856, 1857 und 1858 find in dem Sammelwerk: „Die Entwicklung de» Genossenschaftswesen» in Deutschland" von Schulze-Delitzsch 1870 wieder abgedruckt. Als besonderes Buch erschien znerst der Jahresbericht für 1859 „über die auf dem Prinzip der Selbsthilfe der Beteiligten beruhenden deutschen Genossenschaften der Hand­

werker und Arbeiter*; 1860 lautete der Titel: „über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgruoffenschafteu deS kleinen Gewerbsstandes*, 1861

ebenso, nur zuletzt „deS kleinen und mittleren GewerbSstandeS*, von 1862 618 1888 ebenso unter Fortfall der letzten Worte. Die Jahresberichte bis 1881 find von SchulzeDelitzsch, der für 1882 von Dr. F. Schneider al- stellvertretenden GenoffenschaftSanwalt,

die folgenden bis 1895 von F. Schenck, Anwalt deS Allgemeine» deutschen GenossenschasiSverbandeS, heranSgegeben. Seit 1896 ist Herausgeber der zeitige Anwalt Dr. HanS Crüger. Die Jahresberichte (seit 1897 „Jahrbuch*) erscheinen tot Deutschen Genossenschaft-verlag, e. G. m. b. H, Berlin. Über die „Allgemeinen GenoffrnschafiStage* w.rden tm Auftrage de» Verbandes Berichte von dem Anwalt veröffentlicht. „Die ersten fünfzig Vereins- und GenoffenschaflStage.* HerauSgegeben von Dr. HanS

Crüger (Berlin 1910). *) „F. W. Raiffeisen in seinem Leben, Denken und Wirken.* Von Professor Dr. Marlin Faßbender (Berlin 1902). „Die Systeme im modernm Genossenschafts­ wesen, ihre geschichtliche Entwicklung vnd ihr gegenwärtiger Stand.* Von Dr. Seelmann (Königsberg 1907).

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Genossenschaft-gesetz.

den Schulze-Delitzschschm Anwaltschaftsverband beschloß. Die erste genossenschaftliche Gründung Raiffeisens war nach Schulzeschem Muster gebildet. Der beschloffene Anschluß kam nicht zur Ausführung. Raiffeisen hatte sich inzwischen für die Annahme der besonderen Eigen­ tümlichkeiten des Anhausener Vereins (daß die Mitglieder weder Eintritts­ geld noch Einlagen zahlen, auch keinen Anteil am Gewinn haben) entschlossen. Der Anhausener Verein wurde für das Raiffeisensche System vorbildlich. .In dem zufälligen Anschluß an die Dorfgemeinde und in dem durch die Verhältnisse bedingten Ausschluß der Geschäfts­ anteile in Anhausen, also in gegebenen Zuständen und nicht in einer klar durchdachten Theorie haben wir den Ausgangspunft und die Gmndelemente der Entwicklung der ländlichen Genossenschaften zu erblicken- (Faßbender S. 194). In Anlehnung an die 1876 begründete Aktiengesellschaft .Landwirt­ schaftliche Zentral-DarlehnSkasse für Deutschland- *) wurde von Raiffeisen «in Zentralkassenverband und daneben am 26.Juni 1877 der Anwalt­ schaftsverband mit dem Sitze in Neuwied gebildet. Bis zum Jahre 1900 war die Organisation die folgende: Der Direktor der ZentralDarlehnskasse fungierte zugleich als Anwalt, der Aufsichtsrat zugleich als Anwaltschastsrat. Zu letzterem gehörten auch die Direktoren der Verbände, nicht auch der Unterverbände, die nur einen Kreis zu umfassen Pflegten. Der Anwalt vermittelte auch den gemeinschaftlichen Bezug der notwendigsten Wirtschaftsbedürfnisse und den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte. Der Generalanwaltschaftsverband war Revisionsverband. Neben der General­ anwaltschaft und der Landwirtschaftlichen Zenttalgenossenschaft bestand ein drittes von Raiffeisen gegründetes Verbandsinstitut, die kaufmännische Firma Raiffeisen & Co. in Neuwied. Diese hatte noch die Druckerei und den Verlag des monatlich erscheinenden Bereinsblattes .Landwirtschafts­ Genossenschaftsblatt (Organ für DarlehnSkassen-, Winzer-, Konsum- usw. Vereine)", ferner die Generalagentur einer Lebensversicherungsbank und betrieb den kaufmännischen Teil der mit den gemeinschaftlichen Bezügen verknüpften Geschäfte. Der Gewinn .dient zur Durchführung der Organi­ sation der Vereine und zur Sicherung der Zukunft der ständigen Mitarbeiter-. Im Jahre 1881 trat Faßbender der Firma bei, aus der er äber bald wieder ausschied. Zur Erleichterung des Verkehrs wurden seit 1895 von der Neuwieder Zentralstelle Filialen in den größeren Städten errichtet, so in Kassel, Erfurt und Königsberg. Aus den Rechnungen des Verbandes ergibt sich, daß derselbe vom preußischen Staat erhebliche Zuschüsse erhielt. Das System Raiffeisen erfreute sich der Unterstützung und Förderung der Behörden. Zum Nachfolger Raiffeisens (1888 gestorben) wurde sein Stellvertreter Theodor Cremer gewählt. Vorübergehend fand eine Annäherung an Faßbender statt. Es kam zu lebhaften Auseinander­ setzungen über eine Reform der Organisation; Faßbender vertrat daS Prinzip des .Provinzialismus". Faßbender schied wieder aus, ging nach Westfalen, wo er seine Grundsätze zu verwirklichen suchte. Cremer blieb

*) Vgl. über ihre Entstehung: .Die Organisation de- genossenschaftlichen Geldau-gleichS." Wuttig (1914).

Einleitung.

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Direktor der Zentralkasse und Inhaber der Finna Raiffeisen & Co., als der Sohn von F. W. Raiffeisen, Rudolf Raiffeisen, am 10. September 1889 zum Generalanwalt gewählt wurde. Nachdem dieser das Amt niedergelegt (28. November 1892), wurde Th. Cremer wieder Generalanwalt. Sein Stellvertreter war seit Januar 1894 Or. JosefStrauvenin Neuwied. Cremer legte bald sein Amt nieder, und im Jahre 1900 wurde der frühere Direktor des Westpreußischeu Verbandes, Gutsbesitzer Heller, mit dem Titel »Generaldirektor- zum Anwalt gewählt. Bald erfolgten weitgehende Änderungen in der Organisation des Verbandes. Die Firma Raiffeisen & Co. ging zum Teil in Liquidation und blieb nur bestehen zum Betrieb ihrer ® ruderet und zur Bewirtschaftung ihres umfangreichen Besitzes an Grundstücken und Häusern. — Die Landwirtschaftliche Zentral-Darlehnskasse für Deutschland, die solange nur dem Geldverkehr gedient hatte, übernahm das von Raiffeisen & Co. betriebene Warengeschäft und die Düngerfabrik. — Den Vorstand der Zentral-Darlehnskasse bildeten der Generaldirektor und sämtliche Verbandsdirektoren, die zugleich Filial­ direktoren waren. Der Aufsichtsrat bestand aus 30 Mitgliedem. Jede Filiale hatte einen Beirat, der aus dem Verbandsdirektor, seinem Stell­ vertreter und den Aufsichtsratsmitgliedern desselben Bezirks bestand. Für den Geldverkehr der dem Generalverbande angeschlossenen Betriebsgenossen­ schaften, »Genossenschaften, welche nicht Kreditgenossenschaften nach Raiffeisenschen Grundsätzen sind**, wurden, da sie nur die Warengeschäfte mit der Zentral-Darlehnskasse machen dürfen, aber nicht Aktionäre werden können, Landesgenossenschasten als eingetragene Genossenschaften mit be­ schränkter Haftpflicht für die einzelnen Filialdezirke gebildet. An der Spitze dieser Kassen stand der Verbands- bzw. Filialdirektor des betreffenden Bezirks. Der Verband selbst wurde nun wie folgt organisiert: Die Ver­ waltung wurde in die Hände des Vorstandes, des Auffichtsrates und des Generalverbandstages gelegt, der Vorstand wurde aus dem Generaldirektor und den Verbandsdirektoren der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse für Deutschland zusammengesetzt. Das sind die Personen, die an der Spitze der Filialen der Kasse stehen; zum Aufsichtsrat wurden bestellt die Mitglieder des Aufsichtsrates der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehns­ kasse. Der Generalverband blieb Revisionsverband. Im Jahre 1904 starb Heller, sein Nachfolger wurde Caspers. Die Landwirtschaftliche Zentral-Darlehnskasse suchte im Jahre 1904 sich von den verschiedenen genossenschaftlichen Beteiligungen zu sanieren?) Wie sich wenige Jahre später herausstellte, war man mit den Abschreibungen nicht weit genug gegangen. Im Jahre 1910 trat Caspers zurück, an seine Stelle kam Justizrat Dietrich. Der Sitz deS Verbandes und der Zentral-Darlehns­ kasse wurde nach Berlin verlegt. Bor allem ging Dietrich im Jahre 1911*) an eine durchgreifende Sanierung der Kasse, die ca. 3 MMonen Mark an Abschreibungen erforderte. Es wurde die schon im Jahre 1909 be­ schlossene Abtrennung des Warengeschäfts (für dessen Betrieb in den einzelnen Bezirken selbständige Gesellschaften gegründet werden)

l) BlfG. 1905 S. 355, 366, 393. *) BlfG. 1911 S. 74; 1912 S. 682; 1913 S. 258.

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GenossenschastSgeseP.

infolge der schlechten Erfahrungen, die bei der Verbindung von Warenund Kreditgeschäft gemacht worden waren, eingeleitet. Mehr steilich noch als diese Verbindung führte die Art und die Ausdehnung des Warengeschäfts zu großen Verlusten, z. B. die genossenschaftlichen Unternehmungen in Eltville, Straßburg, Ludwigshafen, Nürnberg. Die Organisation der Kasse erfuhr Änderungen wesentlicher Natur; es fand eine erhebliche Verein­ fachung in der Zusammensetzung des Vorstandes und AufstchtSrateS statt. Die Zeatralkasse hat jetzt einen auS mehreren, jedoch nicht mehr als drei Personen bestehenden Vorstand. Die Personen, die bisher tu den Filial­ bezirken als Vorstandsmitglieder gewirkt haben, treten in den Stand bevollmächtigter Filialdirektoreu zurück. Die Zahl der AufsichtSratSmitglieder wurde wesentlich herabgesetzt. Er besteht auS je zwei Mitgliedern, welche den einzelnen BerbaadSbezlrken der Organisation deS General­ verbandes entnommen und dann in der erforderlichen doppelten Anzahl der Generalversammlung vorgeschlageu werden. Im Gegensatze zu dem Schulze-Delitzschschen Verband, der rein genossenschaftlich ist, d. h. dessen Tätigkeit auf dem rein genossenschaftlich organisatorischen Gebiet liegt, ist der Raisfeifensche gleichzeitig genossen­ schaftliche Organisation und kaufmännisches Unternehmen, wenn auch die Arbeitsgebiete natürlich getrennt gehalten werden. In die Zwischenzeit fällt eine Art Fusion deS Neuwieder Verbandes mit dem Re ichs verb and?) Im Jahre 1905 war die Auflösung des Neuwieder Verbandes und die Vereinigung mit dem ReichSverband erfolgt. Bestimmend für den Entschluß des Neuwieder Verbandes war wohl die Erkenntnis, daß die Landwirtschaftliche Zentral-DarlehnSkasse der erwähnten Sanierung unterzogen werden mußte. Es sollte diese Maßnahme gedeckt werden durch den Zusammenschluß deS landwirtschaft­ lichen Genossenschaftswesens, der dann auch tatsächlich große Begeistemng hervorrief. Wenige Jahre darauf kam der Reichsverband in Schwierig­ keiten durch den Zusammenbruch seiner genossenschaftlichen Zentralkasien in Darmstadt'), nachdem soeben die Neuwieder Zentral-Darlehnskasse ihre zweite Saniemng vorgenommen, im Jahre 1913 trennten sich die beiden Verbände.^) Der soeben erwähnte dritte Verband, „der ReichSverband", ist der frühere „Allgemeine Verband der deutschen land­ wirtschaftlichen Genossenschaften". Nach dem Vorgang deS Landwirtschaftlichen Zentralvereins für Rheinpreußen nahmen sich die landwirtschaftlichen Zentralstellen im Groß­ herzogtum Hessen und im Grobherzogtum Haden der Verbreitung landwirtschaftlicher Genossenschaften (DarlehnSkassenvereine und Konsum­ vereine) mit Erfolg an. In Hessen entstand noch in den siebziger Jahren ein Verband landwirtschaftlicher Konsumvereine, die ihre Einkäufe durch die Zentralstelle besorgen ließen. Daneben entstand ein Verband südwest­ deutscher landwirtschaftlicher Kreditgenossenschaften, der auch badische Vereine umfaßte. Diese bildeten sodann einen selbständigen Verband. Gn solcher •) VlsG. 1904 S. 601; 1905 S. 8, 74, 86, 122, 270, 440, 448. ») BlfG. 1912 S. 669; 1918 S. 87. -) BlsG. 1918 S. 648.

ward auch für die noch weit zahlreicheren Konsumvereine gegründet. Im Jahre,1881 machte sich bei den Begründern der genannten Verbände, dem als Ökonomierat verstorbenen früheren (bis 1879) stellvertretenden Anwalt des Neuwieder Verbandes, Dr. Weidenhammer, dem damaligen Polizeirat HaaS-Darmstadt und dem Ökonomierat Märklin, daS Streben nach Trennung von Neuwied bemerkbar. DaS Motiv bildete unter anderem der Umstand, daß Raiffeisen „fortgesetzt und in erhöhtem Maße seinen Genosienschasten einen christlich, religiösen Charakter zu geben versuchtes". In demselben Jahre erschienen die Genannten auf dem Genossenschaftstage des Allgemeinen deutschen GenoffenschaftSverbandeS, der Ende August stattfand, und forderten hier Schulzes Ratschläge. Zum Allgemeinen Verbände gehörten bereits seit ihrem Bestehen (1871) eine Reihe ost- und westpreußischer landwirtschaftlicher Konsumvereine und Molkereigenossenschaften (letztere die ersten in Deutschland). Im August 1876 hatten sie sich auf dem Genosienschaststage in Danzig zu einem Unter­ verbände unter dem Vorsitz von Stöckel-Insterburg vereinigt.') Die Erörterungen, welche zwischen den Vertretern des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens aus Deutschlands äußerstem Südwesten und äußerstem Nordosten in Kassel und sodann ein Jahr darauf bei Gelegenheit des Genossenschaftstages zu Darmstadt gepflogen wurden, namentlich aber eine spätere Besprechung zwischen Schulze-Delitzsch, Stöckel-Insterburg und Haas-Darmstadt hatten zur Folge, daß die letzteren beiden am 6. Juli 1883 die Vereinigung der deutschen landwirtschaft­ lichen Genossenschaften begründeten. Sie gaben damit dem Drängen Schulzes nach, der „seine volle Überzeugung dahin anssprach, daß dieses besondere Zusammentreten für die weitere Entwicklung deS Genossenschaftswesens auf landwirtschaftlichem Gebiete unbedingt erforderlich sei, und daß er von dieser Vereinigung eine ersprießliche Zusammenarbeit auf dem gesamten genoffenschaftlichen Felde erhoffe". Die Organisation der Bereinigung entsprach zunächst der des Allgemeinen Verbandes, wurde dann im Jahre 1900 infolge der Einfügung der Zentralgenoffenschaften dahin geändert, daß der „Gesamt-Ausschuß" auS den Direktoren der Landes­ verbände und aus Vertretern von Zentralgenossenschaften und Zentral­ geschäftsstellen besteht, und ein „Verwaltungsrat" eingesetzt ist. General­ anwalt war Haas'), gestorben 1912; sein Nachfolger ist Gennes. *) AuS einem vom 8. Januar 1881 datierten Briefe des ersteren an SchulzeDelitzsch. Bgl. Dr. (Trüget: „Christentum und Genossenschaft", BlfG. 1896 S. 183 und Ludolf ParisiuS „Tatsächliche» von dem Wettbewerb bei Gründung von ländlichen DarlehnSkassen" a. a. O. S. 189. Die Veröffentlichung des Briefes sowie die beiden Aufsätze wurdm hervorgeruferr durch eine Schrift des Pastor- W. Bode: „Die Set» Handlungen des 28. Kongresse- für Innere Mission in Posen über die Geuoffeuschaft-frage." *) Bgl. Bericht des Verband-direktor» Stöckel-Insterburg über den 18. Verband--

tag 25./26. August 1889.

Stöckel legt Zeugnis ab von der Fürsorge und liebevollen

Teilnahme, welche Schulze-Delitzsch den ersten Anfängen des landwirtschaftlichen Genossen­ schaftswesens entgegenbrachte. Schulze war „von der ungeheuren Bedeutung des Genossenschaftswesen» für die Landwirtschaft überzeugt und sah die große Ausdehnung desselben klar vorher". Auf seinen dringendm Wunsch wurde der selbständige Unter­ verband landwirtschaftlicher Genossenschaften Ost» und Westpreußen» begründet. *) Jahrbücher des Verbände» erscheinen im Verlage de» ReichSverbande» in Berlin.

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GenossroschastSgrsrtz.

Bereits in den Jahren 1900 und 1901 wurde der Versuch gemacht, die beiden Verbände (Reichsverband und Neuwieder Verband) zu ver­ einigen'); vor dem Münchener Vereinstage brachten die Organe der beiden Verbände einen gemeinschaftlichen Aufruf, doch die Bereinigung kam nicht zustande. Erst im Jahre 1905 erfolgte sie1) ohne förmliche Auf­ lösung des ersteren, die auch wohl nach der Organisation gar nicht durch­ führbar ist. Der Neuwieder Verband sollte, wenigstens nach dem Programm, seine Genossenschaften dem Reichsverbande zusühren und verlangte von seinen Unterverbänden Verschmelzung mit denen des Reichsverbandes, verzichtete auf die Vertretung nach außen — blieb aber gleichwohl zur Wahrnehmung bedeutungsvoller Aufgaben bestehen, ihm lag insbesondere ob, die Anordnungen zu geben für die Durchführung der Verbandsrevision in den nun zu Revisionsverbänden umgestalteten Unterverbänden. Der wirkliche Grund für diese Verbindung war wohl, wie vorstehend dargelegt ist, der Wunsch, die Sanierung der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehnskasse möglichst der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entziehen. Die Ver­ einigung macht sich nach außen wenig bemerkbar, und der Neuwieder Verband blieb auch bei Überwindung der vielfachen seit der Vereinigung hervorgetretenen Schwierigkeiten auf sich angewiesen. Gefördert wurde das Wiederauseinandergehen durch die Ereignisse in Darmstadt einerseits (Zusammenbruch der Reichsgenossenschaftsbank und der Landwirtschaftlichen Genossenschaftsbank) und den Konflikt zwischen dem Neuwieder Verband und der Preußischen Zentral-Genossenschastskasse andererseits"), der zum Abbruch der geschäftlichen Beziehungen zwischen diesen beiden Kassen führte. Im Jahre 1903 hat sich der Zentralverband deutscher Konsumvereine (Hamburg) gebildet. Hier entwickelt sich mehr eine Zentralisation in Verbindung der genossenschaftlichen Organisation mit kaufmännischen Unternehmungen. Die Gründung dieses Verbandes schloß sich äußerlich an den Beschluß des Allgemeinen Genossenschaftstages des Allgemeinen Deutschen Genossenschaftsverbandes zu Kreuznach (1902) an, durch den eine größere Anzahl Konsumvereine aus diesem Verbände ausgeschlossen wurde, weil die von demselben verfolgte wirtschaftspolitische Richtung sich in scharfen Gegensatz stellte zu der wirtschaftspolitischen Auf­ gabe, die der Allgemeine Deutsche Genossenschastsverband nach seiner Geschichte und nach der Zusammensetzung seiner Mitglieder verfolgt. Das ganze Deutsche Reich umfaßte noch der im Jahre 1903 be­ gründete Hauptverband deutscher gewerblicher Genossen­ schaften, dessen Entstehung zurückreicht auf die Bestrebungen der preußischen Regierung nach dem Zusammenbruch des sozialreformatorischen Genossenschaftswesens, im Gegensatz zu den Schulze-Delitzschschen Genossen­ schaften und im Anschluß an die Preußische Zentral-Genossenschastskasse, Handwerkergenossenschaften ins Leben zu rufen. Aus den Gründungen entwickelten sich Verbände, die dann schließlich in dem „Hauptverband' zusammengeschlossen wurden. Im Jahre 1920 erfolgte seine Verschmelzung ') BlsG. 1901 S. 842. -) BlsG. 1904 S. 501; 1905 S. 8, 74, 86, 122, 270, 440, 448. ») BlsG. 1911 S. 681; 1912 S. 82.

mit dem Allgemeinen Deutschen Genossenschaftsverband, dessen Organisation oben geschildert ist (Mitteil, über den Allgemeinen Genossenschaststag zu Bad Nauheim S. 20. BlfG. 1920 S. 103). Zu erwähnen wäre noch der Reichsverband Deutscher Konsumvereine mit dem Sitz in Düsseldorf-Reisholz, der sich nominell auch über ganz Deutschland erstreckt, aber nur in einzelne Bezirken eine größere Anzahl Mitglieder hat. Der Verband lehnt sich an die christ­ lichen Gewerkschaften an und sucht die Beamten-Konsumvereine in seinen Wirkungskreis zu ziehen. Der Verband ist Revisionsverband. Ferner ist zu nennen der Edeka-Berband Deutscher kaufmännischer Genossenschaften mit dem Sitz in Berlin, der nur Einkaufsgenossen­ schaften der Kleinhändler als Mitglieder aufnimmt. Der Verband ist jetzt Revisionsverband des Deutschen Genossenschastsverbandes. Statistische Tabellen über die geschäftliche Tätigkeit der verschiedenen Genossenschaftsarten enthalten die Jahrbücher der Genossenschaftsverbände1).2 3 4 5 6 7 Unter dem 1. Mai 1896 erging eine allgemeine Verfügung des preußischen Justizministeriums betreffend die Herstellung einer Statistik nebst den dazu gehörigen Formularen. Die Preußische Zentralgenossenschastskasse gab danach zunächst ein Kataster der im Königreich Preußen vor­ handenen eingetragenen Genossenschaften heraus; in weiteren , Mitteilungen" wurden die Angaben des Katasters statistisch ergänzt. Am 1. Oktober 1901 wurde der statistischen Abteilung der Preußischen Zentral-Genossenschaftskasse in der Person des Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Petersilie ') 1. Allgemeiner deutscher Genossenschaft-verband, seit 1920 Deutscher Genoffenschastsverband (Deutscher Genossenschaftsverlag, Berlin). 2. Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften (Reichs­ verband Berlin). 3. Generalverband der deutschen Raiffeisengenossenschaften (Generalverband Berlin). 4. Hauptverband deutscher gewerblicher Genossenschaften (seit 1920 mit dem Allgemeinen Deutschen Genossenschaftsverband vereinigt zum Deutschen Genossenschaftsverband, Hauptverband Berlin). 5. Zentralverband deutscher Konsumvereine (Berlagsanstalt deS Zentral­ verbandes deutscher Konsumvereine Hamburg). 6. Reichsverband deutscherKonsumvereine (Reichsverband Düffeldorf-ReiSholz). 7. Edeka-Berband deutscher kaufmännischer Genossenschaften (Edeka-Berband, Berlin-Wilmersdorf). Organe der Verbände sind: zu 1. Blätter für Genossenschaftswesen (Deutscher GenoffenschaftSverlag, e. G. m. b. H., Berlin). zu 2. Deutsche landwirtschaftliche GenossenschaftSpreffe (Reichsverband Berlin), zu 3. Landwirtschaftliches GenoffenfchaftSblalt (Generalverband Berlin). zu 4. Deutsches Genossenschaftsblatt (C. I. KorthauS, Steglitz); vereinigt mit den Blättern für Genossenschaftswesen. zu 5. Konsumgenossenschaftliche Rundschau (BerlagSgesellschast Deutscher Konsum­ vereine Hamburg). zu 6. Konsumgenoffenschaftliche Praxis (Verlag des ReichsverbandeS deutscher Konsumvereine Mülheim). zu 7. Deutsche Handelsrundschau (Verlag Deutsche Handelsrundschau Berlin).

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GenossmschaftSgesetz.

ein geschulter Leiter gegeben, der in der Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus (1901) „Mitteilungen zur deutschen Genossenschafts­ statistik" veröffentlichte, die sich an die bereits herausgegebenen beiden Hefte „Mitteilungen* inhaltlich anschlossen, und in denen das spätere statistische Material verarbeitet war. Nach dem Stand vom 31.Dezember 1902 wurde ein neues vervollständigtes Kataster herausgegeben, das nicht nur die in Preußen, sondern auch die in den übrigen Bundesstaaten Deutsch­ lands bestehenden Genossenschaften enthält. In Bayem, Württemberg, Hessen werden ähnliche Aufnahmen durchgeführt wie in Preußen. Seit Januar 1904 gab die Preußische Zentral-GenossenschaftSkasse ein Jahrund Adreßbuch der Erwerbs, und Wirtschaftsgenossenschaften im Deutschen Reiche heraus, das im Jahre 1916 zum letzten Male erschienen ist. Während des Krieges hat der „Freie Ausschuß der Deutschen Genossenschaftsverbände" eine bedeutungsvolle Entwicklung entfaltet, der auf eine Anregung deS Anwalts deS Deutschen GenoffeuschaftsverbandeS Dr. Crüger im Jahre 1913 als eine freie Organisation der fünf großen GenosienschaftSverbände inS Leben gerufen ist (vgl. BlfG. 1916 S. 320). Die Organisation des Freien Ausschusses ist eine lose; weder hat der Freie Ausschuß sich ein Statut, noch eine Geschäftsordnung gegeben. Die Leitung befand sich zunächst in Händen des Anwalts des Deutschen Genossenfchastsverbandes. In der Sitzung des Freien Ausfchuffes vom 4. Januar 1922 ist beschlossen worden, daß fortan ein Wechsel im Vorsitz stattfinden soll, und zwar in der Art, daß der Vorsitz von Jahr zu Jahr auf den nächstältesten Verband übergeht. Frühere Auflagen enthielten eine summarische Darstellung der Ent­ wicklung der wirtschaftlichen Grundsätze der wichtigsten Genossenschafts­ arten. Es kann auf sie jetzt an dieser Stelle verzichtet werden, nachdem in meiner „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" und in meinem „Grundriß des deutschen Genossenschaftswesens" die Geschichte der einzelnen GenossenschastSarten und ihre Organisation eingehende Besprechung erfahren hat. Vgl. über die neuere Literatur insbesondere „Gmndriß" S. 165.

II. Die 6enoff«ifdiaftsgefd$gebiing. Schulze-Delitzsch hatte bei Gründung der ersten Genossenschaften die Frage der rechtlichen Horm derselben mit besonderer Vorsicht behandelt, um auf der einen Seite jede Einmischung des Staates und der Behörden von ihnen fernzuhalten, auf der anderen Seite nach Möglichkeit den Mangel der Rechtspersönlichkeit im Verkehr mit Dritten zu ersetzen. Die ersten Genossenschaften, die in Preußen im Gebiete des Allgemeinen Landrechts ihren Sitz hatten, konnte er nur als erlaubte Privatgesellschaften organi­ sieren, jenen Mangel aber strebte er durch zum Teil künstliche Einrichtungen unschädlich zu machen. Zur Beseitigung indessen „eines Zustandes, der in jeder Weise mißlich, mancherlei Gefahren und unnütze Kosten und

Weitläufigkeiten zur Folge hatte", suchte er Abhilfe von der Gesetzgebung. Die Änderung des preußischen Gesellschaftsrechts durch die Gnführuug des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs bewog ihn, am 10. März 1863 im Abgeordnetenhause, dessen Mitglied er 1861 geworden war, zugleich als Anwalt und im Auftrage des Allgemeinen Vereinstages, einen aus­ führlichen Gesetzentwurf einzubringen, nach welchem im Anschluß au die Vorschriften des Handelsgesetzbuches die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen­ schaften als besondere Art der Gesellschaften durch Eintragung in ein vom Handelsrichter als Teil des Handelsregisters zu führendes Genossenschafts­ register die gleiche rechtliche Stellung wie die Handelsgesellschaften er­ werben konnten. Dieser in einer Kommission des Abgeordnetenhauses beratene und verbesierte Entwurf wurde die Grundlage des in der Land­ tagssession von 1866/67 endlich zustande gebrachten preußischen Gesetzes, „betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschastsgenossenschasten vom 27. März 1867", eingeführt in die neuen Provinzen Hannover, Hessen-Nassau und Schleswig-Hol­ stein durch Verordnungen vom 12.Juli, 12. August und 22.September 1867. Mit dem preußischen Gesetze bis auf einige Schlußparagraphen übereinstimmend, wurden schon am 20. Juni 1867 im Herzogtum Sachsen-Meiningen und am 8. März 1868 im Großherzogtum Sachsen-Weimar GenossenschastSgesetze erlassen. Daß in süddeut Staaten und im Königreich Sachsen auf anderen Grundlagen Geno schastsgesetze entworfen wurden, veranlaßte Schulze schon am 16. April 1868 als Mitglied des Norddeutschen Reichstages zn beantragen, das preußische Genossenschaftsgesetz mit einigen Änderungen und Ergänzungen zu einem norddeutschen Bundesgesetz zu erheben. In einer Kommission von 21 Mit­ gliedern in zwei Sitzungen vorberaten, wurde der Gesetzentwurf vom Reichstag am 23. Mai und sodann mit vielen vom Bundesrat befür­ worteten Änderungsvorschlägen der von ihm mit der Begutachtung betrauten, gerade in Berlin tagenden Kommission zur Ausarbeitung einer Zivilprozeß­ ordnung, in der letzten Sitzung der Session am 20. Juni 1868 un­ verändert angenommen. DaS „Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 4. Juli 1868* ist in Nr. 42 des Bundesgesetzblattes des Norddeutschen Bundes, ausgegeben zu Berlin, den 15. Juli 1868, publiziert und im Norddeutschen Bunde laut § 73 am 1. Januar 1869 in Kraft getreten. Dasselbe fand in vier Norddeutschen Staaten, außer in Preußen, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Weimar, auch noch im Königreich Sachsen, wo die Vollziehung am 15. Juni und die Verkündigung im sächsischen Gesetz- und Verordnungs­ blatt am 27. Juni 1868 erfolgt war, besondere Genossenschaftsgesetze vor, an deren Stelle eS zu treten hattet.

chev sen-

*) Die Geschichte der Entstehung deS norddeutschen GenossenschaftSgesetzeS vom 4. Juli 1868 und seiner Einführung in die übrigen deutschen Staaten ist ausführlich

behandelt von ParisiuS: „Die GenoffenfchaftSgefetze im Deutschen Reich" (1876). Einleitung Abschn. IIIS. 86—109. In diesem Kommentar sind auch die Einführung--

gesetze, die Ausführungsverordnungen und das dem deutschru Reich-gesetze nachgebtldete österreichische Genossenschaft-gesetz vom 9. April 1873 nebst Ausführungsverordnung

abgedruckt (®. 403—563).

GenossenschastSgesetz.

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In Bayern wurde ein Genossenschaftsgesetz am 29. April 1869 vollzogen, welches am 28. Mai im Königreich Bayern diesseits des Rheins und am 10. Juni 1869 in der Rheinpfalz in Kraft trat. Ein hessisches Gesetz vom 4. August 1864 führte das norddeutsche Genossenschaftsgesetz mit einzelnen, durch die Verschiedenheit des Geltungsgebietes erforderlichen Änderungen in die nicht zum Norddeutschen Bunde gehörenden

Teile des Grobherzogtums ein. In Baden erschien das Genossenschafts­ gesetz vom 11. Februar 1870. In Württemberg steckte man noch in den Vorarbeiten, als der Krieg ausbrach. Die Versailler Verträge bewirkten, daß das Gesetz vom 4. Juli 1868 in Baden, Südhessen und Württemberg am 1. Januar 1871 eingeführt und dadurch das badische und hessische Gesetz aufgehoben wurden. In Elsaß-Lothringen ferner ist das Genossenschaftsgesetz zufolge Gesetz vom 11. Juli 1872 am 1. Oktober 1872, in Bayern zufolge Gesetz vom 23. Juni 1873 am 1. August 1873 in Kraft getreten'). Da streitig geworden war, ob Genossenschaften durch Ausdehnung ihres Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder ihren Charakter als Genossen­ schaften im Sinne des Gesetzes verlören, erging am 19. Mai 1871 das Gesetz betr. die Dellaration des § 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1868. Die Art und Weise, wie das Genossenschaftsgesetz für eine neue und noch wenig entwickelte Form des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes gewissermaßen durch den Begründer und noch dazu in großer Hast ge­ schaffen wurde, erklärt es zur Genüge, daß sich das Bedürfnis einer Revision des Gesetzes bald geltend machte. Bereits im Herbst 1876 stellte Schulze-Delitzsch im Reichstage den Antrag auf eine Revision, indem er den Entwurf einer Novelle mit Motiven vorlegte (Nr. 40 der Druck­ sachen). Derselbe wurde 1876 in einer Kommission durchberaten, ohne daß es zur Berichterstattung kam. Im neugewählten Reichstage von 1877 erneute Schulze seinen Antrag am 12. März. Sein verbesserter Entwurf (Nr. 41 der Drucksachen) kam am 16. April 1877 zur ersten Beratung. Auf Schulzes Begründung erklärte der Staatssekretär des Reichsjustizamtes Dr. Friedberg, daß bei der vom Bundesrat beschlossenen Reform des Aktiengesetzes voraussichtlich auch das Genossenschaftsgesetz in den Kreis der Revision gezogen werden müsse. Zugleich versprach er, sich bei den vorbereitenden Arbeiten zur Reformgesetzgebung den Rat genossenschaftlicher Praktiker zu erbitten. Schulze zog hierauf seinen Antrag zurück. I» der Session von 1878 aber wiederholte er denselben, beschränkte ihn jedoch auf einzelne besonders dringlich erscheinende Punkte (Drucksachen Nr. 11). Auf den Bericht der mit der Vorberatung beauf­ tragten Kommission beschloß in der Sitzung vom 11. März 1878 der Reichstag: in Erwägung, daß das Bedürfnis zu einer Revision deS Gesetzes überhaupt, insbesondere aber in der Richtung anzuerkennen sei, den Be­ ginn der Mitgliedschaft beitretender Genossenschafter, das Rechtsverhältnis *) Sgl. über die bayrische GenoffenschaftSgesetzgebung namentlich von Sicherer:

»Die GenoffenschaftSgesetzgebung in Deutschland". Kommentar zum Reichsgesetze usw.

unter Berücksichtigung deS bayrischen GenoffenschaflsgesetzeS (Erlangen 1872) S. 72 —86, 319—324).

Einleitung.

13

ausscheidender Genossenschafter und den zulässigen Zeitpunkt deS sogenannten Umlageverfahrens festzustellen, — den Reichskanzler aufzufordern, den Entwurf einer Novelle zum Genossenschastsgesetz, in welcher die in dem Anträge des Abgeordneten Schulze-Delitzsch angeregten Punkte ihre Erledigung fänden, mit tun­ lichster Beschleunigung ausarbeiten zu lassen (Stenograph. Berichte 1878 S. 442). Ebenso beschloß der BundeSrat am 27. Februar 1879, den Reichs­ kanzler zu ersuchen, im Anschluß an die Revision der Aktiengesetzgebung und unter Berücksichtigung der in der vorerwähnten Reichstagsresolution hervorgehobenm Punkte den Entwurf einer Novelle zum Genossenschafts­ gesetz dem Bundesrat vorzulegen. Zum letzten Male brachte Schulze-Delitzsch seinen nun mehrfach abgeänderten Entwurf am 28. April 1891 im Reichstage ein. Am fol­ genden Tage wurden zwei von sämtlichen Mitgliedern der deutschkonser­ vativen Partei unterstützte Anträge des Herrn von Mirbach und des sächsischen Hofrats Ackermann zur Revision des Genossenschafts­ gesetzes gestellt (Drucksachen des Reichstages 1881 Nr. 107, 108, 109). Der letztere Antrag beschränke sich auf die Hervorhebung einzelner Grund­ sätze, die für die Revision des Genossenschastsgesetzes berücksichtigenswert erschienen und namentlich die Organisation, die Beaufsichtigung und den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften zum Gegenstände hatten, wogegen der Antrag von Mirbach die Zulassung von Genossenschaften mit beschränkter Haftung neben den bisherigen Genossenschaften mit un­ beschränkter Haftung bezweckte. Die drei Anträge wurden vom Reichstage einer Kommission überwiesen. Da der im OKober 1879 in das Amt getretene StaatSseketär deS Reichsjustizamtes Dr. von Schelling, bei der ersten Beratung am 18. Mai 1881 erklärt hatte, zu einer Spezialberatung sei die Reichsregierung nicht imstande, eine präzisierte Stellung einzuyehmen, beschloß die Kommission schon in ihrer ersten Sitzung, zu bean­ tragen, alle drei Anträge dem Reichskanzler als Material für die in Angriff genommene Revision des Genossenschaftsgesetzes zu überweisen und ihn um tunlichste Beschleunigung zu ersuchen. Gne zweite Beratung im Plenum des Reichstages hat nicht stattgefunden. Vergeblich wartete Schulze-Delitzsch im Winter 1881/82 darauf, zu Vorarbeiten zu einer Genossenschaftsnovelle zugezogen zu werden. Sein dringender Wunsch, bei der Revision deS Genossenschaftsgesetzes noch mitzuwirken, ging nicht in Erfüllung. Lediglich deS Genossenschafts­ gesetzes halber hatte er 1881 trotz schwerer körperlicher Leiden wieder eine Wahl zum Reichstage angenommen. Zum letzten Male kam am 8. Dezember 1882 eine Interpellation Schulzes wegen der Genossenschafts­ novelle zur Verhandlung. Der Staatssekretär des Reichsjustizamtes, Dr. von Schelling, erklärte in seiner Antwort: die ursprüngliche Absicht, die Umbildung des Genossenschastsrechts in der Form einer Novelle zu bewirken, sei aufgegeben und der Erlaß eines neuen Genossenschaftsgesetzes ■für notwendig befunden. Nunmehr erkannte Schulze-Delitzsch, daß auf seine »persönliche Beteiligung" bei der Revision .mit irgendwelcher Sicherheit nicht gerechnet werden könnte". Er schrieb deshalb in den

letzten Monaten vor seinem am 29. April 1883 erfolgten Tode mit dem Aufgebot aller Kräfte das Büchlein .Material zur Revision des Genossenschaftsgesetzes. Nach dem neuesten Stand der Frage geordnet- (Leipzig 1883). Es verpflichte ihn. so schrieb er. »die von ihm bei der Genossenschaftsgesetzgebuug. wie bei der Revision ergriffene Initiative, ja seine ganze Stellung in der Genossenfchaftsbewegung. dem Jnlande wie dem Auslande gegenüber-, wie sie ihn auch .befähigen, das reiche Material, das sich durch seine Arbeiten und Anträge bei ihm ge­ sammelt, gesichtet, in geordneter Reihenfolge den Genossenschaften zu übermacheu-. Rach früheren Erklärungen der Reichsregierung sollte die Reform des Aktienrechts der Reform des Genossenschaftsrechts voran­ gehen. DaS Reichsgesetz, betreffeud die Kommanditgesellschaften auf Aftien und die Aktiengesellschaften, ist am 18. Juli 1884 erlassen. Durch dasselbe wurde eine Umänderung des früher ausgearbeiteten GenossenschastsgesetzentwurfS bedingt. Endlich im August 1887 konnte der Nach, folger SchulzeS in der Anwaltschaft des Genossenschaftsverbandes, Reichstagsabgeordneter Schenk, auf dem Allgemeinen Vereinstage in Plauen mitteilen, daß nach der ihm aus dem Reichsjustizamt gewordenen Eröffnung in diesem der Entwurf des GenossenschastSgesetzes fertiggrstellt sei und vor der Beschlußfassung deS BundeSratS einer Sachverständigen­ konferenz zur Begutachtung vorgelegt werden sollte. Die Konferenz hat unter Vorsitz deS Staatssekretärs vonSchelling unter Teilnahme deS Direktors im Reichsjustizamt, des Wirklichen Ge­ heimen RatS Hanauer und der Vortragenden Räte Geheimer OberregierungSrat I)r. HagenS und Geh.OberregierungSrat vr.Hoffmann vom 15. bis 19. November 1887 beraten*). Die Anregungen der Kon­ ferenz sind zum großen Teil berücksichtigt. Die Thronrede vom 24. November 1887 hatte zwar dem Reichstage die Vorlegung des Genossenschaftsgesetzentwurfs angekündigt. Allein «S kam nicht dazu. Der BundeSrat beschloß in dankenswerter Weise zunächst die Veröffentlichung deS Entwurfs*) und ermöglichte dadurch den in erster Reihe beteiligten Erwerbs« und WirtschastSgenossenschasten, ihn in ihren x) Als Sachverständige waren zugezogcn Vertret er aus verschiedenen genossen» schaftllchen Verbänden: au» dem Allgemeinen Deutschen GcnosseuschaftSverbande

der Anwalt Schenck und die Berbandsdirckioren Hovs-Jnsterburg, ProebstMünchen, Schwanitz-Jlmenau, Glackemeyrr-Hannover, ferner Dr.med. KirchartzUakel an Stell« des damals erkranklen F. W. Raiffeisen, Borsitzender de» AnwaltschaftSrate» der ländlichen (Raiffetsenschen) Genoffenschasteu, HaaS-Darmstadt, Vorsitzender de» Verbandes der deutschen landwirtschastlichm Genossenschaften, Reich»tagSabgrordneter Leemann-Heilbronn, Vorsteher de» Verbände» landwtrlschastltcher Kreditgenossenschaften im Königreich Württemberg, sodann ReichtagSabgeordueter Freiherr von Mtrbach-Sorquttten und die Professoren der Rechte GoldschmidtBerlin und von Sicherer-München. Zugegen waren noch Kommissare de» Reichs­ amt» de» Jnnem und der preußischen Ministerien für Landwirtschaft, für Handel und Gewerbe, für Justiz. *) Entwurf eine»

Gesetze»,

betreffend die Erwerb»- und WirtschaftSgeuoffeu-

schasten nebst Begründung und Anlage. Amtliche Ausgabe (Berlin 1888). Anmertungen ist er al» Entw. I und seine Motive al» Begr. I bezeichnet.

In den

Einleitung.

15

Verbänden zu beraten und über die von ihnen vorzuschlagenden Ände­

rungen zu beschließen. Im Herbst 1888 ist der Entwurf vom BundeSrat beraten und mit einigen Abänderungen angenommen worden. Derselbe ist am 27. No­ vember 1888 dem Reichstage zur Beschlußfassung vorgelegt'). Der Reichstag beschloß nach der ersten Beratung in der 14. Sitzung vom 13. Dezember 1888, den Gesetzentwurf einer Kommission von 28 Mitgliedern zur Beratung zu überweisen. Diese hat die Vorberatung in 23 Sitzungen in zwei Lesungen vollendet und am 18. März 1899 schriftlichen Bericht erstattet (Drucksachen Nr. 132). Auf Grund desselben hat der Reichstag die zweite Beratung in der 45. und 46. Sitzung vom 23. und 26. März vorgenommen (Zusammenstellung nach den Beschlüssen, Nr. 145 der Drucksachen). Nach der dritten Beratung in der 52. Sitzung vom 4. Avril 1889 (Zusammenstellung nach den Beschlüssen, Nr. 186 der Drucksachen) ist die Vorlage in der Schlußabstimmung angenommen. Der BundeSrat hat den Beschlüssen des Reichstages am 11. April zu­ gestimmt und der Kaiser daS Gesetz am 1. Mai vollzogen (RGBl. Nr. 11, ausgegeden den 10. Mai 1899 S. 55—93). Die nach § 171 Abs. 1 einem Erlaß des Bundesrats vorbehaltenen, »zur Ausführung der Vorschriften über daS Genossenschaftsregister und die Anmeldungen zu demselben erforderlichen Bestimmungen" sind vom Reichskanzler am 11. Juli 1889 bekanntgemacht (RGBl. Nr. 15, S. 149—164); an ihre Stelle ist getreten die Bekanntmachung, betreffend die Fühmng des Genossenschaftsregisters, und die Anmeldung zu diesem Register vom 1. Juli 1899 (RGBl. Nr. 28, S. 347 ff.). Änderungen des Gesetzes vom 1. Mai 1889 brachte das ReichSgesetz vom 12. August 1896 (RGBl. S. 696 ff.). ES werden eine Reihe von Strafbestimmungen zur Befolgung des Verbotes für die Konsumvereine, Waren an Nichtmitglieder zu verkaufen, vorgesehen. Ferner werden einige Bestimmungen eingefügt, die der Eigenart der Raiffetsenschen Vereine Rechnung tragen. Bon den durch den Art. 10 EHGB. vom 10. Mai 1897 herbei­ geführten Änderungen des GenossenschastSgesetzeS half die eine einem

großen Mangel desselben ab. Sie ermöglicht die Nichtigkeits­ erklärung der Genossenschaft im Falle der Eintragung nichtiger oder des Fehlens wesentlicher Statutbestimmungen im Genossenschafts­ register. Ferner werden die Fälle angegeben, in denen die Möglichkeit der Heilung dieser Mängel durch Beschluß der Generalversammlung zu­ gelassen wird. Während deS Krieges sind eine Reihe Kriegsnotgesetze ergangen. Sie beziehen sich auf die RevistonSfrist (Bekanntmachung vom 8. September 1914), auf die Vertretung eines Genossen in der Generalversammlung (Bekannt­ machung vom 8. September 1914), auf die zeitweilige Außerkraftsetzung der §§ 99,118,142, 148 deS Gesetzes betr. die Erwerbs- und Wirtschafts­ genossenschaften (Bekanntmachung vom 8. August 1914). Dahin gehört • ’) Drucksachen deS RelchriageS 7. Legislaturperiode IV. Session 1888/89 Nr. 28. In den Anmerkungen ist er als Eniw. II und Begr. II bezeichnet.

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GerwfsrnschaflSgesetz.

zum Teil ferner die Verordnung betr. die Geschästsaufsicht zur Abwendung des Konkurses vom 14. Dezember 1916, die an die Stelle der bei Aus­ bruch des Krieges erlassenen Notverordnung vom 8. August 1914 getreten ist. Endlich gehört hierhin die Nachkriegsverordnung über den Bilanz­ wert der Kriegsanleihen vom 24. Marz 1920. Wiederholt ist die Revision des Genossen schaftsg es etzes angeregt worden. Insbesondere handelte es sich dabei um den Versuch Strasvorschriften in den Abschnitt IV betr. die Revision einzufügen. Diesem Versuch trat der Allgemeine Genossenschaststag zu Posen^(1913) mit folgendem Beschluß entgegen: „Der Allgemeine GeuoffmschastStag erklärt gegenüber den ans Grund einzelner Zusammenbrüche von Genossenschaften hervortretendeu Anregungen, die Bestimmungen über die Revision zu verschärfen, daß, wie zuletzt auf dem A.G.T. zu fioffel (1906) aus­

gesprochen ist, die Erfüllung der Aufgabm der Revision nicht gesichert werden könne durch Einführung von Zwang-maßregeln in die Organisation, sondern durch Hebung de- Verständnisses der Organe der Genossenschaft für die Zwecke der Revision.-

Aus den Kreisen der Konsumvereine heraus kamen dann Anregungen auf Änderung des Genosseuschastsgesetzeü, durch die eine Anpassung des Genossenschaftsgesetzes an die Konsumvereine mit größerer Mitgliederzahl gegeben wurde. Im Jahre 1919 gelangte ein entsprechender Antrag an den Reichstag. Nun nahm der Freie Ausschuß der deutschen Genossmschastsverbande die Frage auf und trat mit dem Entwurf einer Novelle an die Öffentlichkeit. Durch diese Novelle sollte der Versuch gemacht werden, das Genossenschaftsgesetz der Entwicklung des Genossenschafts­ wesens anzupassen. Der Verabschiedung der Novelle stellten sich große Schwierigkeiten entgegen. Es kam schließlich zu einer Verständigung mit dem Reichs­ justizminister über eine sogenannte kleine Novelle zum Genossenschafts­ gesetz, die sich auf vier Punkte beschrankt: Beteiligung von Genossen­ schaften an wirtschaftlichen Unternehmungen — Regelung der Zulässigkeit der Vertreterwahl für die Generalversammlung — Erschwerung der Auf­ lösung von Kreditgenossenschaften — Erleichterung der Verschmelzung zweier Genossenschaften. Am 21. Juni 1922 wurde die Novelle durch Initiativantrag der Parteien im Reichstage eingebracht. Debattelos er­ folgte am 1. Juli 1922 in drei Lesungen die Annahme. Die Novelle ist abgedmckt in Nr. 51 des Reichsgesetzblattes vom 21. Juli 1922 und an diesem Tage in Kraft getreten. Eine weitere Novelle vom 12. Mai 1923 (RGBl. S. 288) enthält außer einigen Bestimmungen, die im wesentlichen eine Verbilligung der Bekanntmachung im Interesse der Genossenschaft herbeiführen sollen, wichtige Änderungen in § 1 Abs. 2 und § 93a Abs. 1 Satz 2.

Die Novelle vom 27. Dezember 1923 (RGBl. I S. 1252) 6er» länger! die Revisionspflicht auf drei Jahre; auf Antrag des Revisions­ verbandes kann sie durch die oberste Landesbehörde noch um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Verordnung vom 4. Februar 1925 (RGBl. I S. 9) trifft Bestimmungen für den Fall, daß verschiedene Registerrichter- sich über die Wahl des Blattes für die Veröffentlichungen nicht einigen können.

Einleitung.

17

Dem Kommentar liegt zugrunde die durch den Reichskanzler unter dem 14. Juni 1898 in Nr. 25 des RGBl. (S. 810 ff.) gemäß Art. 13 des obengenannten Einführungsgesetzes veröffentlichte Fassung des Genossenschaftsgesetzes, die vom 1. Januar 1900 an, dem Tage des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches, gilt, ergänzt durch die Novellen zum Genosienschastsgesetz vom 1.Juli 1922 (RGBl.IS.567), 15.Mai 1923 (RGBl-lS. 288), vom 27. Dezember 1923 (RGBl. IS. 1252) und vom 4. Februar 1925 (RGBl. 1 S. 9). Die genossenschaftliche Organisation ist in die verschiedenartigsten Wirtschaftsgebiete eingedrungen, vielfach hat daher die Gesetzgebung sich veranlaßt gesehen, sich mit den Genossenschaften zu beschäftigen, a) Rach dem Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 ist der Geschäftsbetrieb der Hypothekenbanken nach Maßgabe des Gesetzes in der Form der eingetragenen Genoffenschaften verboten. d) Rach dem Gesetz betr. Privatversicherung vom 12.Mai 1901 dürfen Personenvereinigungen, welche die Versicherung ihrer Mitglieder nach dem Grundsätze der Gegenseitigkeit betreiben wollen, dieses nur als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit nach Maßgabe des Privat­ versicherungsgesetzes tun. Zum Betriebe der verschiedenen Arten der Lebensversicherungen sowie zum Betriebe der Unfall-, Hast-, Feuer- oder Hagelversicherung dürfen außer Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit nur Aktiengesellschaften zugelassen werden. Als Lebensversicherung im Sinne des Gesetzes gilt auch die Jnvaliditäts-, Alters-, Witwen-, Waisen-, Aussteuer- und Militärdienst­ versicherung. c) Nach dem Gesetz vom 25. Oktober 1867 ist zulässig die Bildung von Reedereigenossenschaften und die Führung der Landes­ flagge durch die Schiffe der Genossenschaften unter den im Gesetz an­ gegebenen Verordnungen. d) Nach dem Gesetz über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 kann die Erlaubnis zur Befördemng von Auswanderem an eingetragene Genossenschaften erteilt werden, die ihren Sitz im Reichs­ gebiet haben. e) Die Novelle betr. die Abänderung der Gewerbeordnung vom 6. August 1896 erklärte § 41a Abs. 1 Satz 2, § 105 b Abs. 3, § 33 Abs. 6 und 7 (Bestimmungen, betr. offenen Laden und Konzession für Kleinhandel mit Spirituosen) auf die Konsumvereine für anwendbar. *





In den ersten Jahren der genossenschaftlichen Bewegung hatten sich die Genossenschaften öfters über die aus Übelwollen gegen die Person oder aus bureaukratischem Mißtrauen entsprungenen Versuche zu beklagen, ihre Wirksamkeit zu hemmen oder nach bestimmten Richtungen hin einzu­ zwängen. Eingedenk dieser Erfahrungen haben Schulze-Delitzsch und seine Freunde jede ihnen angebotene Fördemng oder Unterstützung des Staates stets grundsätzlich abgelehnt. Als die preußische Regierung im August 1865 «ine auS Arbeitgebern und Arbestem zusammengesetzte Kommission unter Srüger-LreceltuS, GrnoffenschastSgesetz. 10-Aufl. 2

Genossenschaft-gesetz.

18

anderm die Frage beraten ließ, waS geschehen könne, „um die auf Selbst­ hilfe bemhenden Genossenschaften (Vorschuß-- und Kreditvereine, Vereine zur Beschaffung von Rohstoffen, Konsumvereine, Produktivassoziationen) zu fördern", — Schulze-Delitzsch war nicht zugezogen — erklärte der in Stettin tagende siebente Allgemeine VereinStag auf Anttag von ParisiuS: einzige Fördemng, welche die Genossenschaften von der preußischen wie von jeder anderen Staatsregiemng beanspruchen, sei, daß sie sich aller Versuche, die Genossenschaften der polizeilichen Kontrolle zu unterstellen, fernerhin enthalten und dem von Schulze 1863 im Abgeordnetenhause eingebrachten Genossenschafts-Gesetzentwürfe zustimmen, — der letzte Satz

der Resolutton lautet: „Alle Versuche der Staatsregierungen, die auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und WirtschastSgenosienschaften im allgemeinen oder innerhalb einer einzelnen BerufSklasse durch positive Ein Mischung fördern zu wollen, müssen als ihnen schädlich zurückgewiesen werden." Andere Verbände haben sich zu posittven Förderungen und Unter­ stützungen seitens der Regierung von vornherein weniger ablehnend ver­ halten, sondern sie erbeten und bekommen, dafür aber fteilich auch ganz bedeutende Konzessionen machen müssen und einen Teil ihrer Selbständigkeit eingebüßt. Die Grundsätze Schulzes über Ablehnung von Staatö?ilfe für daS Genossenschaftswesen und über die hieraus olgende Unabhängigkeit der genossenschaftlichen Entwicklung von staatlichen Einflüssen wurden Jahrzehnte hindurch im großen und ganzen auch in Partikulargesetzgebungen anerkannt. Erst im letzten Jahrzehnt ist ein entschiedener Bruch mit jenen Grundsätzen vollzogen *). Entsprechend An­ regungen auS landwirtschaftlichen Kreisen ging die preußische Regierung 1895 zu einer staatlichen Unterstützung des Genossenschaftswesens über. DaS preußische Gesetz, betr. die Errichtung einer Zentral­ anstalt zur Fördemng des genoffenschastlichen Personalkredites vom 31. Juli 1895 (GS. S. 310 ff.) bestimmt:

§ 1. Zur Förderung dcS Personalkredites (§ 2), insbesondere des genossen­ schaftlichen PersonalkrediteS, wirb unter dem Namen „Preußische Zenlral-GenossenschastS-Kasse" eine Anstalt mit dem Sitze in Berlin errichtet. Die Anstalt besitzt die Eigenschaft einer juristischen Person, sie steht unter Auf­ sicht und Leitung deS Staates. § 2. Die Anstalt ist befugt, folgmde Geschäfte zu betreiben: 1. zinsbare Darlehne zu gewähren an a) solche Bereinigungen und BerbanbSkaffen eingetragener Erwerbs- und WirtschaftSgenossenschasten (Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 — ReichsGesetzblatt S. 55 —), welche unter ihrem Namen vor Gericht klagen und verklagt werben können, b) die für die Förderung deS PersonalkrediteS bestimmten landschaftlichen (ritterschastlichen) DarlehnSkassen, *) Vgl. Dr. HanS (Trüget, „Einführung in das deutsche Genossenschaftswesen" 6. 152 ff.: Der Staat und die Genossenschaften.

c) die von Len Provinz« (Land eSkommunalverb Luden) errichtete« gleich» artige« Institute;

2. von den unter 1 gedachten Bereinigungen usw. Gelder verzinslich anzunehwe«. Zur Erfüllung dieser Aufgabe« (1 und 2) ist die Anstalt außerdem befugt:

3.

sonstige Gelder tat Depositen» und Scheckverkehr anzunehmen;

4. Spareinlagen anzunehmen; 5. Kassenbestände im Wechsel-, Lombard» und EffekteugeschSst nutzbar zu machen; 6.

Wechsel zu verkaufen und zu akzeptier«;

7. Darlehne aufzunehmrn; 8.

für Rechnung der ant« 1 bezeichneten Bereinigungen usw. nud d« zu denselben gehörige« Genossenschaften sowie derjenigen Personen, von denen sie Geld« im Depositen» und Scheckverkehr sowie Spareinlage« od« Dar­

lehne «halte« hat, Effekten zn kauf« und zn verkaufen. D« GeschSftSkrelS d« Anstalt kann durch Königliche B«orduuug üb« die in I

genanntm Bereinigung« hinan» durch Hereiubeziehuug bestimmt« Arten von öffeut»

lichen Sparkaffe« «weitert wndeu. § 8. D« Staat gewährt d« Anstalt für die Dan« ihre» Bestehen» al» Grund, kapital eine Einlage von 5 Million« Mark in S prozentigm Schuldverschreibung« nach dem Nennwerte.

Weitere Bestimmungen deS Gesetzes besagen: Die in K 2 genannt« Genossenschaften können sich nach näherer Bestimmung der AusiichtSbehörde an der Anstatt mit BermögenSeintagen beteiligen. Diese Vorschrift hat eine eigenartige Anwendung gesund« r eS hab« sich BerbandSkass« mit Kapitalbeträgen an der Preußischen Zentral-GenossenschaftS-Kasse beteiligt, die weit über das eigene Vermög« hinauSgeh« und daher nur durch Inanspruchnahme des Kredits gedeckt werd«, während bei der Preußisch« Zentral-GenossenschaftS-Kasse natürlich kein Bedürfnis Vorhand« ist, auf diese Weise ihr Kapital zu vergrößern. Bon dem Reingewinn der Anstalt bei Jahresabschluß wird zunächst die eine Hälfte zur BUdung eines Reserve­ fonds, die andere zur Verzinsung der Einlagen bis zu 3 vom Hundert, ein etwaiger Überrest ebenfalls dem Reservefonds zugesührt. Sobald der Reservefonds ein Viertel der Einlagen beträgt, werden die Einlagen bis zu 4 vom Hundert verzinst und der Überschuß an den Reservefonds abgeführt. Der Finanzminister als Aufsichtsbehörde erläßt die Geschäfts­ anweisungen für daS auS drei auf Lebenszeit emannten Mitgliedem bestehende Direktorium und die Dienstinst«ttionen für die Beamten der Anstalt. Dem Direttorium liegt die Verwaltung der Anstalt sowie deren Vertretung nach außen od. Die Beschlüffe deS Direttoriums erfolgen nach Stimmenmehrheit; daS Direttorium ist an die Weisungen der Aufsichtsbehörde gebunden. Dem Direktorium steht als Beirat bei den Geschäften der Anstalt ein Ausschuß zu Seite, der unter dem Vorsitz des Direktors der Anstalt mindestens einmal jährlich zusammentritt. Die in § 3 diese« Gesetzes genannte staatliche Einlage wurde bisher durch drei Gesetze erhöht: 1. das Gesetz vom 8. Juni 1896 (GS. S. 123 f.) besagt im § 1: Die der Preußischen Z«trat Genoffenschafta-Kaffe für die Dan« ihre» Bestehen» vom Staat al» Gmndtapital gewährte Einlage (§ 8 Gesetz vom 31. Juli 1895) wird

auf 20 Millionen Mark ervöht Da« Erhöhnngskapltal ist in bar od« in Schuldverschreibungen zum Kurswert zu überweisen.

GenoffmschaftSgtsetz.

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Bezüglich des Reinertrages bestimmt dieses Gesetz, daß zunächst Vs Zur Bildung eines Reservefonds, *L zur Verzinsung der Anlagen bis zu 3°/o verwendet, ein etwaiger Überschuß ebenfalls dem Reservefonds

zugeführt werden sollte.

2. Z 1 des Gesetzes vom 20. April 1898 (GS. S. 67 f.) lautet: Die der Preußisch« Z«tml-G«ossmschaftS-Kaffe für die Dauer ihres Bestehens vom Staate als GruudkapUal gewährte Einlage wird auf 50 Millionen Mart erhöht. Da» ErhöhuugSkapttal von 80 Millionen Mark Ist bar oder in Schuldverschreibung« zum Kurswert zu überweis«. Die Überweisung erfolgt in Höhe vou 20 Millionen Mark alsbald; für den Restbetrag vou 10 Millionen Mark bestimmt der Finauzmintfter dm Zeitpunkt der Überweisung.

3. Durch Gesetz vom 13. Juli 1909 (GS. S. 640) ist das Grundkapital auf 75 Millionen Mark erhöht. Die Verteilung des Reingewinnes wurde wiederum abgeäudert. Rach der Begründung ergibt sich die Notwendigkeit der Erhöhung des Grundkapitals aus der geschäftlichen Lage der Kasse, ferner aber soll die Erhöhung auch die Mittel bieten für neue Aufgaben, die den Genossenschaften gestellt werden und deren Verfolgung zu ihrer Illiquidität führen muß; die Preußische ZentralGenosseuschafts-Kasse soll in bestimmten Fällen die Sorge der Aufrechterhaltung der Liquidität übernehmen; vgl. hierüber Stenographischen Bericht Sp. 1641 f., 4640 f. Praktische Ausführung ist diesen Anregungen nicht gegeben. Durch Gesetz vom 5. September 1918 ist das Grundkapital der Preußischen Zentral-Genossenschasts-Kasse auf 125 Millionen Mark fest­ gesetzt und ihr ferner gestattet, auch mit Einzelgenossenschaften zu arbeiten. Im Febmar 1922 ist eine weitere Kapitalserhöhung auf 500 Millionen Mark beschlossen worden. Im Jahre 1923 wurde die Preußische Zentral-Genossenschafts-Kasse ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen. Sie behielt den Charakter als Staatsinstitut. Es wurden Änderungen der Organisation vorgenommen, so insbesondere die Bestimmungen über die Zuständigkeit und die Berufung des Engeren und des Gesamt-AusschusseS. Der Charakter als Zentral-Kredit-Jnstitut der genossenschaftlich organisierten Landwirtschaft und deS Gewerbes wurde beibehalten. Die Zulassung der Kapitalbeteiligung geschah einmal, um die eigentlichen Mittel der Anstalt zu stärken, hauptsächlich wohl aber, um die in Betracht kommenden Organisationen dauernd in möglichst nahe Beziehungen zur Kasse zu bringen. Der Anteil des Preutzischen Staates beträgt zur Zeit etwa 33586200 Mark, dazu sollen eventuell noch rund 10000000 Mark An­ teile des Preußischen Staates kommen. Der Anteil der Verbandskassen usw. beläuft sich auf 32 970000 Mark, so daß insgesamt mit rund 80000000 Mark zu rechnen ist. Bon Bedeutung ist noch, daß j e tz t unter gewissen Voraus­

setzungen eine Geschäftsverbindung auch mit einzelnen Genossen­ schaften zugelasien ist, soweit Börsengeschäfte in Betracht kommen.

Uber die Stellungnahme des Allg. Deutschen Genossenschaftsverbandes zur Preußenkasse, vgl. Mitteilungen über die Allg. Genossenschaststage Augsburg 1895 und Bad Nauheim 1910, und Crüger: Der Staat

Einleitung.

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und das Genossenschaftswesen, in Schmollers Jahrbuch, Baud XXXVI, S. 305 ff. In Preußen wurden ferner durch die Gesetze vom 3. Juli 1896 und vom 8. Juni 1897 für die Errichtung landwirtschaftlicher Getreidelagerhäuser 3 und 2 Millionen Mark bewilligt. Diese staatlichen Lagerhäuser wmden an Kornhausgenossenschaften vermietet'). Die Versuche sind nicht geglückt. In Bayern war bereits durch Gesetz vom 11. Juni 1894 der im wesentlichen für die Vereine des Landesverbandes landwirtschaftlicher Darlehnskassen bestimmten landwirtschaftlichen bayrischen Zentraldarlehnskasse «GmbH, ein unverzinslicher Betriebsvorschuß von 100000 Mark gewährt worden. Sodann wurde eine staatliche Subvention von 2 Millionen Mark zu 3°/0 gewährt, die bald auf beinahe 4 Millionen Mark erhöht wurde, später weitere Erhöhungen erfuhren. Es sind im ganzen für diese Kasse 4 bis 5 Millionen Mark aufgewendet worden. Ferner wurde durch Gesetz vom 17. Juni 1896 die Bayrische Landwirtschaftsbank eGmbH. gegründet; die staatliche Einlage betrug 2 Millionen Mark, wovon 1 Million unverzinslich, außerdem erhielt die Bank einen staatlichen, nicht rückzahlbaren Spesenzuschuß von 60000 Mark, die staatliche Ein­ lage stieg um weitere 2 Millionen Mark, zu 3°/0 verzinslich, die Genossen­ schaft hat das Recht der Pfandbriefausgabe. Ihre Gründung ist um so auffälliger, als das Hypothekenbankgesetz von 1899 den Geschäftsbetrieb in der Form der Genossenschaft verbietet. Mit erheblicher staatlicher Sub­ vention wurde im Jahre 1903 die Bayrische Zentral-Handwerker-Genossenschaftskasse eGmbH. in München (heute: Landesgewerbebank eGmbH.) für das Handwerk gegründet; im Jahre 1907 wurden die vom Staate zur Verfügung gestellten Gelder auf 1 Million Mark erhöht, verzinöbar mit 3%. Auch diese Subvention hat im Laufe der Jahre weitere Steigerung erfahren. Vgl. die im Jahre 1903 herausgegebene Denk­ schrift des Königlichen Staatsministeriums über die Förderung von Handel und Gewerbes. In Sachsen wurde 1891 in Dresden die Landes-GenossenschastSkasse mit einer staatlichen Einlage von 2 Millionen Mark gegründet, zum Zweck der billigen Kreditgewährung an die Genossenschaftsverbände mit juristischer Persönlichkeit. Im Jahre 1889/1900 wurden vom Staat weitere 3 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, von denen ”/6 für landwirtschaftliche und a/6 für gewerbliche Genossenschaften bestimmt sein sollten. Die der Landwirtschaft zur Verfügung gestellten Mittel wurden von der „Landwirtschaftlichen Zentralgenossenschast" ausgenommen, aus der sich 1897 die Landesgenossenschaftskasse für Sachsen eGmbH. entwickelte. Die den Handwerkergenossenschaften zur Verfügung gestellten Kapitalien unterzubringen war schwer wegen der Garantien, die die Regierung forderte. Über die Bedingungen der Kreditgewährung vgl. BlfG. 1902 S. 355; 1904 S. 209, 427; 1905 S. 137; 1906 S. 563 ff; sie kamen aus *) Crüger, „Getrelde-Absatzgmossenschastm" (Heft 186 der „Volkswirlschasllichw Zeitfraftkn« Berlin, 1896). ») BlfG. 1906 S. 421.

eine vollständige Bevormundung der Genossenschaften heraus, die es sich gefallen lassen sollten, daß den Sitzungen des Vorstandes und Aufsichts­ rates, den Generalversammlungen ein Regierungskommissar beiwohnte. Genossenschaften kamen unter solchen Bedingungen nicht zustande. Im Jahre 1906 konnte der Landesverband der Handwerkergenossenschaften in Sachsen begründet werden, dessen Aufgabe e8 vor allem war, eine ZentralGenoffenschafts-Kasse zu errichten. ES entstand nun unter dem Einfluß des Verbandes eine größere Zahl Handwerkergenossenschaften. Zurzeit gibt eS eine .Sachsenkasse" (eine Art Sächsische Preußenkasse) und einen .Kreditstock" für das Sächsische Handwerk. In Sachsm spielen auch die von Seite der Giroverbände ins Leden gerufenen Haftung-« 5Genossenschaften oder Kreditgemeinschaften, von denen zurzeit rund 60 be­ kehrn, eine Rolle. Vgl. über diese Art Genossenschaften die Blätter für Genoffenfchaftswesen, Jahrgang 1924 S. 141, 315, 383, 417, 418, 471, sowie S. 231/1925. In Württemberg sind für die landwirtschaftlichen Genossenschasten große Mittel gewährt. So hat die Zentralkasse der landwirt­ schaftlichen Genossenschaften eGmbH. 2 Millionen Mark zu 3—3 **/,% Zinsen erhalten. Der Versuch, die gewerblichen Genossenschaften in gleicher Weise zu fördern, stieß auf Widerspruch bei der Zentralstelle für Handel und Gewerbe, die ein Bedürfnis dazu verneintes. Förderung erfuhren die landwirtschaftlichen Genossenschaften in Baden. Auch das Handwerkergenoffenschastswesen hat hier nicht un­ bedeutende Vergünstigungen erhalten. Für die Förderung des Handwerks besteht in H e s s e n eine besondere Gesellschaft, die .Genossenschaftliche Aktiengesellschaft", deren Zweck im wesentlichen zunächst darin beruhte, den Handwerkern zu günstigen Bedingungen Maschinen zu verkaufen. Sie erstreckte aber ihre Tätigkeit bald darüber hinaus und kann heute als die Zentralgenossenschaft der gewerblichen Genossenschaften in Hessen betrachtet werden. Die Gesell­ schaft ist auch gleichzeitig Beratungsstelle'). Dazu kommen dann noch die von den einzelnen Regierungen an die Revisionsverbände gewährten Subventionen.

HI. Der Begriff der Genossenschaft und die wichtigsten Neuerungen des Gesetzes uom 1. Mai 1889. Schulze-Delitzsch hat seine Schöpfungen anfänglich .Assoziationen der Handwerker und Arbeiter" oder der .Arbeiter und des Kleingewerbes" benannt, erst auf Anregung deS zweiten Kongresses deutscher Volkswirte (1859) erhielten sie den Namen .Genossenschaften". Die deutsche Bezeichnung hat sich unter den Vereinen selbst schnell als technische eingebürgert. 1) Bis®. 1913 S. 446, 467. *) Vgl. hierüber Crügrr, „Einführung tu bei deutsche Genossenschaftswesen" (S. 181 ff.). Eine ähnliche Gesellschaft ist für die Rheinprovioz 1909 gegründet mit dem Sitz in Köln (Rhein).

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23

In dem ersten Entwürfe zu einem Genossenschastsgesetz hatte Schulze die Begriffsbesttmmung dahin gefaßt: „Diejenigen Vereine, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels genossenschaftlichen GeschästsbetriebeS bezwecken und wegen der unbeschränkten Zahl, sowie des stetigen Wechsels ihrer Teilnehmer nicht für geschlossene Sozietäten im Sinne des Gesetzes erachtet werden können." Der zwette Vereinstag der Vorschuß- und Krediwereine (Gotha 1860) genehmigte bei Beratung jenes Entwurfs diese Bezeichnung als erschöpfend und zweckmäßig. Sie ging auch über in den Gesetzentwurf „über die privattechtliche Stellung der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und WirtschaftSgenossenschasten', den Schulze am 10. März 1863 dem Preußischen Abgeordnetenhause vorlegte. Aber bei der Kommissionsberatung wurden zahlreiche Abänderungsanträge gestellt. Man fand, daß vom „genossenschaftlichen Geschäftsbetrieb" in einer Definitton der Geuossenschast nicht geredet werden dürfe und setzte dafür „gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb auf dem Wege der Selbsthilfe". ** u .

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Nummer der Genossenschaft

maßgebende Eeschäftsnummer.

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Führung des venoffeuschaftSregiperS.

Reuß L. L

723

7. Reuß altere Linie. 19. NegierrmgS'Ler-rdmm- vom 4. August 1889, AuSführuugSVestüauumgeu zu

de» ReichSgefetz, betreffend die Erwerbs- uud »irthschaftSgeuoffeusSafteu,

vom 1. Mai 1889 euthatteud. (Nr. 4 der Gesetzsammlung für daS Fürstenthum Reuß älterer Linie, auSgegeben Mit höchster

am 27. August 1889, Seite 44.) Genehmigung Serenissimi wird in Ausführung des

am

1. Oktober dieses Jahres in Kraft tretenden Reichsgesetzes vom 1. Mai 1889,

die Erwerbs- rmd WirthfchastSgenoffenschasten betreffend, verordnet: AIS Staats- bezüglich höhere Verwaltungsbehörde im Sinne der 88 47, 58, 59, 61 [45, 56, 57, 59] des citirten Reichsgesetzes ist Fürst-

licheS LandrathSamt anzusehen, wahrend für den Fall des § 81 [79] Abs. 2 desselben Gesetzes der LandeSauSschuß als höhere Verwaltungs­

behörde bezeichnet wird. Gegen die Entscheidungen deS Landesausschusses ist Rekurs an die Landesregierung zulässig, welche übrigens als Zentralbehörde im Sinne des Gesetzes gilt.

Auf daS Verfahren nach § 81 [79] deS Reichsgesetzes finden außer den Vorschriften in §§ 20, 21 der Gewerbeordnung die Bestimmungen deS Art. II der Landesherrlichen Verordnung vom 27. September 1869 entsprechende Anwendung.

Greiz, den 4. August 1889. Fürstlich Reuß.Plauische Landesregierung.

Dr. Mortag. Saupe.

28. NegierungS-Berorduung vom 11. Dezember 1899, betreffend die Führung des Genossenschafts­ registers. (Gesetzsammlung für daS Fürstenthum Reuß älterer Linie Nr. 15, auSgegeben

am 23. Dezember 1899, S. 314ff.) Mit Serenissimi Höchster Genehmigung wird in Ergänzung der vom BundeSrath beschlossenen, vom Reichskanzler durch Bekanntmachung vom 1. Juli

1899 (Reichs-Gesetzblatt S. 347) veröffentlichten Bestimmungen über die Führung deS GenoffenschästSregisterS verordnet, was folgt: Art. 1. Die Obliegenheiten des Richters und des GerichtSschreiberS bei

der Führung deS GenoffenschästSregisterS bestimmen sich nach den Vorschriften

der §§ 1, 2, 3 Abf. 1, der §§ 6-8, deS § 12 Abs. 4, des § 13 der RegierungSVerordnung vom 9. Dezember 1899, betreffend die Führung des Handelsregisters.

Diese Vorschriften finden auch auf die Führung der Liste der Genossen entsprechende Anwendung. Art. 2. Das Genoffenschastsregister wird nach dem nachstehend abgedruckten

Formulare geführt. Als Blatt (§ 12 Abs. 2 der Bekanntmachung vom 1. Juli 1899) gelten

zwei gegenüberstehende Seiten deS Registers. Auf die Führung finden die §§ 16-19, 20 Abs. 2 und die §§ 21, 23, 26 der Regierungsverordnung vom 9. Dezember 1899, betreffend die Führung des

Handelsregisters, entsprechende Anwendung.

GenossenschaftS-ese-.

724 Art. 3.

Archang.

1. In Spalte 1 ist zunächst die laufende Nummer der Genossen,

schäft und sodann mit kleineren Ziffern die laufende Nummer der die Genossen­

schaft betreffenden Eintragungen anzugeben.

Bei der Eintragung der Genossen­

schaft sind die Leiden Nummern durch einen wagerechten Strich von einander

zu trennen.

Reichen die zwei gegenüberstehenden Seiten des Registers für die

eine Genossenschaft betreffenden Eintragungen nicht auS, so ist bei jeder ersten Eintragung auf den folgenden Seiten die laufende Nummer der Genossenschaft

in derselben Weise wie bei der Eintragung der Genossenschaft anzugeben, jedoch in Klammern einzuschließen. 2. In Spalte 2 sind die Firma (einschließlich der voll auSzuschreibenden zusätzlichen Bezeichnung über die Art der Haftung), der Sitz der Genossenschaft

und die darauf sich beziehenden Aenderungen einzutragen.

Ebendort finden die

Vermerke über dir Zweigniederlassungen, sowie die Vermerke über das Dor. handensein einer Hauptniederlassung (§ 19 der Bekanntmachung vom 1. Juli

1899) ihren Platz. 8. In Spalte 3 sind der Gegenstand des Unternehmens und die darauf

sich beziehenden Aenderungen anzugeben. 4. In Spalte 4, die nur bei Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht zur Ausführung kommen kann, sind die Hohe der Haftsumme und im Falle des § 134 des GenoffenschastSgesetzeS die höchste Zahl der GeschäftSanthelle auf.

zunehmen, mit welchen ein Genosse sich betheiligen kann.

Eine Erhöhung oder

Herabsetzung der Haftsumme ist gleichfalls hier einzutragen. 5. In Spalte 5 find die Mitglieder des Vorstandes und deren Stell­ vertreter unter Angabe des Familiennamens, Vornamens, Berufs und Wohn­ orts einzutragen. Ebendort und in gleicher Weise sind die Liquidatoren unter

der Bezeichnung als solche einzutragen.

6. In Spalte 6 sind einzutragen:

a) daS Datum des Statuts; b) die Form, in welcher die von der Genossenschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen,

sowie die öffentlichen Blätter,

aufzunehmen sind; c) die Zeitdauer der Genossenschaft,

in welche dieselben

falls dieselbe auf eine bestimmte Zeit

beschränkt ist; d) daS Geschäftsjahr, falls eS, abgesehen von dem ersten, auf ein mit dem

Kalenderjahr nicht zusammenfallendes Jahr oder auf eine kürzere Dauer, als auf ein Jahr, bemessen ist;

e) die etwaige Bestimmung des Statuts über die Form, in welcher der Vorstand seine Willenserklärung kund giebt und für die Genossenschaft zeichnet, sowie die bei der Bestellung von Liquidatoren getroffene Bestimmung über

die Form der Willenserklärung und die Zeichnung (§ 20 Abs. 3 der Bekanntmachung vom 1. Juli 1899), desgleichen etwaige Aenderungen dieser

Bestimmungen; f) jede Aenderung in den Personen deS Vorstandes oder der Liquidatoren, sowie die Beendigung der VertretungSbefugniß des Vorstandes oder der Liquidatoren. Ferner ist in Spalte 6 einzutragen jede Aenderung deS Statuts (§§ 16, 17 der Bekanntmachung vom 1. Juli 1899), soweit sie nicht die in den Spalten

2 bis 4 eingetragenen Angaben betrifft.

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Jeder Eintragung in Spalte 6 ist derjenige kleine lateinische Buchstabe

voranzustellen, mit dem vorstehend sowie in der UeLerschrist der Spalte der

Gegenstand bezeichnet ist, auf den die Aenderung sich bezieht. 7. In Spalte 7 sind einzutragen:

die Auflösung; die Eröffnung, Einstellung

und Aushebung de» Konkursverfahren»,

sowie die Aufhebung des EröffnungSbeschlufleS;

die Fortsetzung der Genossenschaft; die Nichtigkeit der Genossenschaft. 8. Die Spalte 8 ist zur Aufnahme der Verweisung auf die Registerakten»

zur Angabe LeS TageS der Eintragung und für die Unterschrift deS Gericht--

schreiberS bestimmt (§ 14 der Bekanntmachung vom 1. Juli 1899). 9. Die Spalte 9 dient auch zu etwaigen Berweisungen auf spätere Ein­ tragungen.

Den Vermerken in dieser Spalte ist, wenn in keiner anderen Spalte

gleichzeitig eine Eintragung erfolgt, da- Datum und die Unterschrift deS Gerichts»

schreiberS beizufügen. 10. Soll ein Beschluß der Generalversammlung als nichtig gelöscht werden (§ 23 der Bekanntmachung vom 1. Juli 1899), so erfolgt die Eintragung deS den Beschluß als nichtig bezeichnenden Dermertt in derselben Spalte, in der der Beschluß eingetragen ist. Art. 4. Von der Bestimmung der Blätter für die Bekanntmachungen auS dem GenoffenschaftSregister (§ 5 der Bekanntmachung vom 1. Juli 1899) ist der

Kanzlei Fürstlicher Landesregierung in der im § 10 der Regierungsverordnung vom 9. Dezember 1899 bezeichneten Weise Mittheilung zu machen. Art. 5.

Bei der Fassung der Bekanntmachung sind die in § 12 Abs. 1

bis 8 der Regierungsverordnung vom 9. Dezember 1899, betreffend die Führung deS Handelsregisters, gegebenen Anweisungen zu beachten. Art. 6.

Gehört ein Ort oder eine Gemeinde zu mehreren Bundesstaaten

und danach zu den Bezirken verschiedener Registergerichte (§ 3 Abs. 2 deS Ge-

nossenschastSgesetzeS), so hat jedes Registergericht die Firmen der an dem Orte­ oder in der Gemeinde bestehenden eingetragenen Genossenschaften, soweit die»

noch nicht geschehen ist, den anderen betheiligten Registergerichten mitzutheilen und diese von jeder entsprechenden neuen Eintragung, sowie von jeder Aenderung und Löschung der Genossenschaften unverzüglich zu benachrichtigen.

Art. 7.

Für die Genossenschaften, welche vor dem 1. Januar 1900 ein»

getragen sind, werden die bisherigen Register bis auf Weiteres fortgeführt. Reue Eintragungen bei diesen Genossenschaften erhalten, wenn sie in den bis»

herigen Registern erfolgen, an der nach den bisherigen Vorschriften dafür be»

stimmten Stelle ihren Platz. Die Uebertragung der vor dem 1. Januar 1900 eingetragenen Genossen­

schaften in die neuen Register erfolgt unter entsprechender Anwendung ber

tzg öS bis 37 der Regierungsverordnung vom 9. Dezember 1899, betreffend MeFührung deS Handelsregisters. Art. 8. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1900 in Kraft. Greiz, den 11. Dezember 1899.

Fürstlich Reuß.Plauische Landesregierung. v. Dietel.

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Genossenschaftsregister des Fürstlichen Amtsgerichts in

Saupe.

Band:

Sraoffulschaft-gesetz. Anhang.

726

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