Das Naturbild der neuen Physik [Reprint 2022 ed.] 9783112625705

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Das Naturbild der neuen Physik [Reprint 2022 ed.]
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DAS N A T U R B I L D DER NEUEN PHYSIK VON

ARTHUR

HAAS

DR. P H I L . , A. O. P R O F E S S O R DER U N I V E R S I T Ä T L E I P Z I G

MIT

SECHS

BERLIN

FIGUREN

UND

IM

LEIPZIG

TEXT

1920

VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER

VERLEGER

W A L T E R D E O R U Y T E R & CO. VORMALS G.J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG • J. G U T T E N T A G , VERLAGSBUCHHANDLUNG . GEORG REIMER • K A R L J. TRÜBNER • VEIT & COMP.

Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten.

Druck von Metzger A W i t t i g in Leipzig.

Vorwort. Die vorliegende Schrift stellt eine Reihe von Vorträgen dar, die zunächst im W i n t e r 1919/20 vor Laien in der Wiener Urania gehalten wurden und d a n n nochmals im Sommersemester 1920 in einer f ü r Hörer aller F a k u l t ä t e n b e s t i m m t e n Vorlesung an der Leipziger Universität. Das Naturbild der modernen Physik sollte in diesen Vorträgen in möglichst leicht verständlicher Weise und ohne alle m a t h e m a t i s c h e n Formeln geschildert werden. Dabei war ich b e s t r e b t , nicht mehr zu bringen, als zu der Gewinnung eines anschaulichen und übersichtlichen Bildes n o t w e n d i g ist, während ich alles Übrige (Tatsachen sowohl als auch Namen) in den Vorträgen absichtlich verschwieg. Nur kleine Zusätze, die in u n m i t t e l b a r e m Z u s a m m e n h a n g e m i t Stellen der Vorträge stehen, wurden als Anmerkungen am Ende der Schrift hinzugefügt. Die Herren Dr. Adolf SMEKAL, P r i v a t d o z e n t der Univ e r s i t ä t in Wien, Dr. Rudolf S C H M I D in Wien und s t u d . m a t h . W a l t h e r B E C K E R in Leipzig h a t t e n die Freundlichkeit, die Korrekturbogen gründlich durchzusehen, wofür ihnen ebenso wie f ü r viele wertvolle Verbesserungsvorschläge herzlich ged a n k t sei. Der Verlag bewies auch diesmal sein gewohntes, s t e t s bereitwilliges E n t g e g e n k o m m e n , wofür ich ihm aufrichtig d a n k e n m ö c h t e . L e i p z i g , im Juli 1920. Arthur Haas.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Erster Vortrag: Die e l e k t r o m a g n e t i s c h e T h e o r i e d e s L i c h t e s

1

Zweiter Vortrag:

Die M o l e k u l a r s t a t i s t i k

18

Dritter Vortrag:

Die E l e k t r o n e n t h e o r i e

35

Vierter Vortrag:

Die R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e

56

Fünfter Vortrag:

Die

Quantentheorie

Anmerkungen Chronologische Ü b e r s i c h t Namenverzeichnis Sachverzeichnis

69 92 108 110 113

Erster

Vortrag.

Die elektromagnetische Theorie des Lichtes. Seit dem Beginne des zwanzigsten J a h r h u n d e r t s hat unser Naturbild durch die großartigen Fortschritte der theoretischen Physik eine völlige Neugestaltung erfahren. In den Grundlagen der Naturlehre hat sich eine radikale Umwälzung vollzogen. Tief eingewurzelte Vorstellungen sind als unhaltbare Vorurteile durchschaut und ausgerottet worden. Die frühere Physik erscheint nur mehr als Sonderfall einer neuen, viel allgemeineren Physik. Die ältesten Begriffe der Naturphilosophie haben ihre Bedeutung geändert. Früher nie geahnte Zusammenhänge haben sich der physikalischen Forschung erschlossen. Unser Naturbild h a t sich in großartiger Weise erweitert und dabei doch vereinfacht und vereinheitlicht. Vorbereitet wurde diese neueste, so stürmische und dabei doch so erfolgreiche Entwicklung der Physik durch zwei Theorien, die bereits iii der zweiten Hälfte des neunzehnten J a h r h u n d e r t s entstanden waren und deren jede einen großen Fortschritt in dem Streben nach einer einheitlichen Physik bedeutete. Die eine von MAXWELL geschaffene Theorie f ü h r t e die Erscheinungen des Lichtes auf solche der Elektrizität zurück und machte d ä m i t die O p t i k zu einem Z w e i g e d e r E l e k t r i z i t ä t s l e h r e . Die andere Theorie erklärte die Phänomene der Wärme durch die Annahme einer ständigen Bewegung der kleinsten Körperteilchen und machte damit, indem sie zugleich deutlich die außerordentliche Fruchtbarkeit des a t o m i s t i s c h e n Prinzipes erkennen ließ, die W ä r m e l e h r e zu einem Z w e i g e d e r M e c h a n i k . Am Ende des neunzehnten J a h r h u n d e r t s vollzog sich die Erweiterung der MAxwELLSchen HAAS,

Das Naturbild der neuen Physik.

1

2

Erster Vortrag.

Theorie zu der E l e k t r o n e n t h e o r i e , die uns in der Elektrizität den Urstoff aller Dinge, in kleinen elektrischen Ladungen die Bausteine der Materie erkennen ließ. Im Jahre 1905 glückte E I N S T E I N die wundervolle Entdeckung der Relativität der Zeit — eine Entdeckung, die für die Physik wohl keine geringere Bedeutung besitzt, als sie seinerzeit f ü r die Astronomie die kühne Leistung des COPERNICUS h a t t e . Die auf der Grundlage dieser Entdeckung von EINSTEIN geschaffene R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e f ü h r t e zu einer ganz neuen Auffassung des Wesens von Raum und Zeit, von Bewegung und Materie. In einer neuen großartigen Verallgemeinerung, die EINSTEIN im J a h r e 1915 der Relativitätstheorie gab, brachte sie die Lösung des alten Rätsels der Schwere. Neben der Relativitätstheorie h a t schließlich in der letzten Zeit eine immer größere Bedeutung die Q u a n t e n t h e o r i e erlangt, die in Erweiterung und Fortbildung des atomistischen Prinzipes vor allem in der Theorie der Spektren zu großen Erfolgen f ü h r t e und der wir dadurch wertvolle Aufschlüsse über den Aufbau der Atome aus elektrischen Ladungen verdanken. Der von MAXWELL geschaffenen e l e k t r o m a g n e t i s c h e n T h e o r i e d e s L i c h t e s soll der erste der Vorträge gelten, in denen eine gemeinverständliche Darstellung des modernen physikalischen Naturbildes versucht werden soll. Wie in jedem Zweige der Physik, so gibt es auch in der O p t i k gewisse G r u n d e r s c h e i n u n g e n , von denen wohl seit den ältesten Zeiten die geradlinige Ausbreitung des Lichtes, seine Reflexion und seine Brechung bekannt waren. 1 Eine Fülle optischer Grundphänomene wurde in der zweiten Hälfte des siebzehnten J a h r h u n d e r t s entdeckt, so vor allem die Beugung des Lichtes, seine Doppelbrechung in Kristallen, die merkwürdigen Farben dünner Blättchen, die Farbenzerstreuung und schließlich die Tatsache einer ganz bestimmten Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes. Mit der Frage nach der N a t u r des Lichtes beschäftigten sich damals ganz besonders die beiden führenden Physiker NEWTON und HUYGENS; und wenn sie auch (worauf hier nicht näher eingegangen werden soll) verschiedene Ansichten über die Natur des Lichtes vertraten, 2 so stimmten sie doch in einer wichtigen Erkenntnis miteinander

Die e l e k t r o m a g n e t i s c h e T h e o r i e des Lichtes.

3

überein: d a ß nämlich das L i c h t ein sowohl r ä u m l i c h als auch z e i t l i c h p e r i o d i s c h verlaufender Vorgang sein müsse. Eine solche doppelte Periodizität haben wir uns folgendermaßen vorzustellen. Fassen wir eine bestimmte Stelle im Räume ins Auge, so wiederhole sich an dieser Stelle eine bestimmte Reihe von Zuständen periodisch; die Zahl, die uns angibt, wie oft in der Zeiteinheit die Aufeinanderfolge der Zustände wiederkehrt, bezeichnet man als die S c h w i n g u n g s z a h l . 3 Anstatt die Zustände an derselben Stelle zu verschiedenen Zeiten zu vergleichen, können wir aber auch die Zustände an verschiedenen Stellen in demselben Augenblick vergleichen. Wir denken uns hierzu von einer Stelle aus eine Gerade gezogen und vergleichen nun (indem wir gleichsam eine Momentphotographie vornehmen) die Zustände miteinander, die an verschiedenen Stellen längs dieser Geraden vorhanden sind; wir haben dann eine räumliche Aneinanderreihung von Zuständen längs dieser Geraden. Ist nun der Vorgang so beschaffen, daß die z e i t l i c h e A u f e i n a n d e r f o l g e der Zustände an einer und derselben Stelle d i e s e l b e ist wie die r ä u m l i c h e A n e i n a n d e r r e i h u n g längs einer solchen Geraden in einem bestimmten Augenblick, dann bezeichnen wir im weiteren Sinne des Wortes einen solchen Vorgang von doppelter, räumlicher und zeitlicher Periodizität als W e l l e . 4 Längs einer Geraden, oder wie man auch sagt, längs eines S t r a h l e s findet sich dieselbe Aufeinanderfolge von Zuständen periodisch in bestimmten Distanzen wieder, die man die W e l l e n l ä n g e nennt. Im übrigen ist die F o r t p f l a n z u n g s g e s c h w i n d i g k e i t der Welle nichts anderes als d a s Produkt aus der Schwingungszahl und der Wellenlänge. Die bekanntesten Beispiele von wellenartigen Vorgängen sind diejenigen, die in s c h w i n g e n d e n B e w e g u n g s v o r g ä n g e n bestehen, die also beispielsweise dann hervorgerufen werden, wenn man einen Stein in einen Teich wirft oder in der Luft eine Pfeife ertönen läßt und dadurch die Luft in Schwingungen versetzt, die unser Ohr als T o n empfindet. Bis in die neueste Zeit war nun die Physik von dem Bestreben geleitet, alle physikalischen Erscheinungen womöglich a u f Bewegungsv o r g ä n g e z u r ü c k z u f ü h r e n . 5 Es ist daher begreiflich, d a ß H U Y G E N S auch die von ihm angenommenen Wellen des Lichtes als m e c h a n i s c h e zu deuten suchte. 6 Da sich aber l*

4

Erster Vortrag.

nun: das Licht von der Sonne zu der Erde durch einen offenbar leeren Raum fortpflanzt, andererseits auch der ungeheuer große Wert der Lichtgeschwindigkeit 7 anders schwer erklärt werden könnte, so konnte das Licht nicht als wellenförmige Bewegung eines gewöhnlichen Stoffes angesehen werden. Es blieb daher HUYGENS nichts anderes übrig, als zum Träger der Lichtwellen jenen hypothetischen, mysteriösen Ä t h e r zu machen, den vor ihm schon andere Denker aus anderen Gründen ersonnen h a t t e n . 8 Wie in festen oder flüssigen Körpern sollten nach der Vorstellung von HUYGENS auch in dem Äther auf e l a s t i s c h e n S c h w i n g u n g e n beruhende m e c h a n i s c h e W e l l e n möglich sein, die wir eben als Licht empfänden. Es ist das große und bleibende Verdienst von NEWTON und HUYGENS, d a ß sie zuerst die r ä u m l i c h - z e i t l i c h e P e r i o d i z i t ä t und d a m i t (im weiteren Sinne dieses Wortes) d i e W e l l e n n a t u r d e s L i c h t e s erkannt haben. Daß die optischen Wellen im besonderen als mechanische aufgefaßt wurden, das ist zwar historisch durch die damals mechanisierende Tendenz der Physik begründet, das war aber keineswegs notwendig. Denn f ü r die großen Fortschritte, die die theoretische Optik bis zu MAXWELL ja tatsächlich vollbrachte, h ä t t e die von NEWTON u n d

HUYGENS g e w o n n e n e E r k e n n t n i s d e r r ä u m l i c h -

zeitlichen Periodizität des Lichtes auch dann vollkommen ausgereicht, wenn man die Frage nach der wahren N a t u r dieser doppelt periodisch verlaufenden Vorgänge noch in Schwebe gelassen und sich nicht voreilig f ü r die spezielle Annahme entschieden h ä t t e , d a ß die optischen Vorgänge mechanisch-elastischer N a t u r seien. Welch außerordentlich einfache Erklärung das Prinzip der räumlich-zeitlichen Periodizität des Lichtes auch für recht komplizierte optische Phänomene zu erbringen vermag, das wurde nun besonders klar, als zwischen 1808 und 1820 eine neue Gruppe von optischen Erscheinungen entdeckt wurde, die man unter der Bezeichnung der P o l a r i s a t i o n s p h ä n o m e n e zusammenfaßt. Diese Phänomene fanden eine sehr einfache Erklärung durch die optische Wellenhypothese, aber erst, nachdem diese eine wichtige und wesentliche Ergänzung durch die besondere Annahme von der T r a n s v e r s a l i t ä t der L i c h t w e l l e n erfahren h a t t e .

Die e l e k t r o m a g n e t i s c h e T h e o r i e des Lichtes.

5

Um diesen Begriff in seiner modernen Bedeutung zu erklären, ist es nötig, vorerst einen anderen Begriff zu besprechen, der f ü r die neuere Physik von ( k r größten Wichtigkeit ist; es ist dies der Begriff der V e k t ü r g r ö ß e . Wenn wir etwa sagen, daß an einem Orte die Temperatur 15 Grad betrage, so ist durch diese Angabe einer einzigen Zahl die Temperatur an dem Orte vollkommen bestimmt, sobald eine bestimmte S k a l a zur Messung der Temperatur gegeben ist. Aber es gibt in der Physik auch Größen, die durch die Angabe einer einzigen Zahl noch keineswegs vollständig bestimmbar sind; es gibt Größen, die uns erst dann bekannt sind, wenn wir außer ihrem Betrag auch noch ihre R i c h t u n g kennen. Solche Größen sind beispielsweise die Geschwindigkeit, die Beschleunigung, die K r a f t ; sie haben die Eigentümlichkeit, daß man sie d u r c h e i n e g e r i c h t e t e S t r e c k e von bestimmter Länge und bes t i m m t e r Richtung s y m b o l i s c h d a r s t e l l e n kann. Da man nun gerichtete Strecken in der Geometrie als V e k t o r e n bezeichnet, nennt man dann solche physikalische. Größen, die durch eine gerichtete Strecke symbolisch darstellbar sind, Vektorgrößen.9 Aus den experimentellen Beobachtungen über die vorhin erwähnten optischen Polarisationserscheinungen ergab sich nun mit zwingender Notwendigkeit folgendes merkwürdige Resultat: Der optische Zustand an einer Stelle muß durch eine sich periodisch ändernde Vektorgröße darstellbar sein, die jedoch stets s e n k r e c h t steht auf der Fortpflanzungsrichtung des Lichtes 1 0 ; d a r u m spricht man eben von einer Transversalität der Lichtwellen. Die auf diese Vorstellung gegründete und vor allem durch F R E S N E L i n dem zweiten und dritten J a h r z e h n t des 19. J a h r hunderts ausgestaltete Theorie des Lichtes f ü h r t e zu großartigen Erfolgen. Aber gleichwohl h a t t e sie ihre schwache Seite, die allmählich eine Quelle der ärgsten Verlegenheiten wurde. F R E S N E L faßte nämlich, wie schon H U Y G E N S , die Lichtwellen als m e c h a n i s c h e W e l l e n auf. (Die sich periodisch ändernde Vektorgröße wäre nach F R E S N E L S Auffassung einfach die gerichtete Strecke, die man von der sogenannten Ruhelage eines schwingenden Ätherteilchens zu seiner augenblicklichen Aufenthaltsstelle zieht.) Die Licht-

6

Erster Vortrag.

wellen sind also nach der Auffassung, die durch einen großen Teil des 19. J a h r h u n d e r t s die herrschende blieb, durch die E l a s t i z i t ä t d e s Ä t h e r s bedingt; und da ergaben sich nun eben unüberwindbare Schwierigkeiten, weil die Vorstellung rein transversaler Wellen in schroffstem Widerspruch stand zu den Ergebnissen der Elastizitätstheorie und zu den Eigenschaften, die man wiederum aus anderen Gründen dem hypothetischen Äther zuschreiben m u ß t e . 1 1 So sehr sich auch die elastische Lichttheorie F R E S N E L S bei der Erklärung komplizierter optischer Phänomene bewährte, so völlig u n h a l t b a r und widerspruchsvoll waren ihre Grundlagen. Denn die Annahme von der Wellennatur und der Transversalität des Lichtes war richtig, hingegen war die spezielle Vorstellung falsch, d a ß diese Wellen mechanisch-elastisch sein m ü ß t e n . Es ist das unvergängliche Verdienst des englischen Physikers M A X W E L L , dies zuerst erkannt, zugleich aber auch zuerst die wahre N a t u r des Lichtes erschaut zu h a b e n ; MAXW E L L S Werk bestand in der Verschmelzung der Optik mit der Elektrizitätstheorie. Die E l e k t r i z i t ä t s l e h r e war bis gegen das Ende des 18. J a h r h u n d e r t s lediglich die Lehre von der R e i b u n g s e l e k t r i z i t ä t gewesen. In den letzten Jahren des 18. J a h r hunderts erfolgte die Entdeckung der e l e k t r i s c h e n S t r ö m e . Im Jahre 1 8 2 0 entdeckte O E R S T E D die Tatsache des sogenannten E l e k t r o m a g n e t i s m u s , nämlich die Tatsache, d a ß ein elektrischer Strom in seiner Umgebung ein Magnetfeld erzeugt. Elf J a h r e später, im J a h r e 1 8 3 1 , glückte F A R A D A Y die ungemein bedeutungsvolle Entdeckung der I n d u k t i o n s s t r ö m e ; diese entstehen in einem geschlossenen Leiter d a n n , wenn sich ein Magnetfeld, in dem sich der Leiter befindet, ä n d e r t , sei es nun, d a ß dieses Magnetfeld von einem eigentlichen Magneten herrührt oder von einem anderen elektrischen Strom erzeugt wird. Auf die Gesetze, die die Erscheinungen des Elektromagnetismus und der Induktionsströme beschreiben, gründete sich die exakte Theorie der elektrischen und der magnetischen Vorgänge; und diese Theorie h a t nun M A X W E L L im J a h r e 1873 durch eine neue Hypothese von der allergrößten Tragweite ergänzt. In Anknüpfung an Vorstellungen von F A R A D A Y

Die elektromagnetische Theorie des Lichtes.

7

n a h m n ä m l i c h MAXWELL a n , d a ß es e b e n s o w o h l wie in D r ä h t e n a u c h i m leeren R a u m u n d in e l e k t r i s c h e n Isolatoren eine A r t e l e k t r i s c h e r S t r ö m e g e b e n m ü s s e , die er (aus hier n i c h t n ä h e r zu e r ö r t e r n d e n G r ü n d e n ) als V e r s c h i e b u n g s s t r ö m e bezeichnete.12 Diesen V e r s c h i e b u n g s s t r ö m e n s c h r i e b n u n MAXWELL g a n z d i e s e l b e n E i g e n s c h a f t e n zu, wie sie bei g e schlossenen L e i t e r s t r ö m e n in D r ä h t e n b e o b a c h t e t w e r d e n . A u c h die V e r s c h i e b u n g s s t r ö m e sollen ein M a g n e t f e l d e r z e u g e n , a u c h sie sollen d u r c h I n d u k t i o n h e r v o r g e r u f e n u n d b e e i n f l u ß t w e r d e n , a u c h sie sollen s e l b s t i n d u z i e r e n d w i r k e n . Die E i n f ü g u n g dieser H y p o t h e s e in die T h e o r i e d e r E l e k t r i z i t ä t u n d des M a g n e t i s m u s f ü h r t e a b e r n u n auf rein d e d u k t i v e m W e g e zu d e n w u n d e r b a r s t e n F o l g e r u r g e n . Durch m a t h e m a t i s c h e S c h l u ß w e i s e e r g a b sich n ä m l i c h a u s der H y p o t h e s e d e r V e r s c h i e b u n g s s t r ö m e die t h e o r e t i s c h e M ö g l i c h k e i t v o n e l e k t r o m a g n e t i s c h e n W e l l e n , die a b e r i m G e g e n s a t z e zu e l a s t i s c h e n Wellen rein t r a n s v e r s a l sein m ü ß t e n . W i e h a t m a n sich n u n solche e l e k t r o m a g n e t i s c h e Wellen zu d e n k e n ? Z u r B e a n t w o r t u n g dieser F r a g e wird es z w e c k m ä ß i g sein, z u n ä c h s t einen f ü r die t h e o r e t i s c h e P h y s i k s e h r w i c h t i g e n Begriff a b z u l e i t e n , n ä m l i c h d e n d e r e l e k t r i s c h e n F e l d s t ä r k e . B e f i n d e t sich i r g e n d w o ein e l e k t r i s c h g e l a d e n e r K ö r p e r , so e r z e u g t er infolge seiner L a d u n g ein s o g e n a n n t e s e l e k t r i s c h e s F e l d , d a s sich d a r i n ä u ß e r t , d a ß eine in seine U m g e b u n g g e b r a c h t e s o g e n a n n t e P r o b e l a d u r g eine a n z i e h e n d e oder abstoßende K r a f t erfährt. Diese K r a f t ist n a c h d e m G r u n d g e s e t z d e r E l e k t r o s t a t i k ( d e m CouLOMßschen G e s e t z ) der Größe der Probeladung proportional; der Quotient aus d e m B e t r a g e d e r K r a f t u n d d e r G r ö ß e d e r P r o b e l a d u n g ist d a h e r von d e r P r o b e l a d u n g s e l b s t u n a b h ä n g i g . M a n n e n n t ihn die e l e k t r i s c h e F e l d s t ä r k e a n d e r b e t r e f f e n d e n Stelle. Die F e l d s t ä r k e ist eine V e k t o r g r ö ß e in d e m f r ü h e r a n g e g e b e n e n S i n n ; u n d z w a r ist i h r e R i c h t u n g i d e n t i s c h m i t d e r R i c h t u n g d e r K r a f t , die an d e r b e t r e f f e n d e n Stelle auf eine p o s i t i v elektrische Probeladung wirkt.13 W e n n n u n die e l e k t r i s c h e F e l d s t ä r k e , die an einer Stelle v o r h a n d e n i s t , i h r e n B e t r a g o d e r i h r e R i c h t u n g o d e r beides p e r i o d i s c h ä n d e r t , so s a g t m a n , d a ß a n d e r b e t r e f f e n d e n Stelle e l e k t r i s c h e S c h w i n g u n g e n a u f t r e t e n . (Man n e n n t

8

Erster Vortrag.

diese, wie nur nebenbei erwähnt sei, linear, wenn sich nur der Betrag periodisch ändert, zirkulär oder kreisförmig, wenn sich nur die Richtung ändert, elliptisch, wenn sich sowohl der Betrag als auch die Richtung ändert.) Wenn derart an einer Stelle eine bestimmte Reihe von Werten der elektrischen Feldstärke (nach Betrag und Richtung) zeitlich-periodisch wiederkehrt, dann ergibt sich nun aus der MAXWELLschen Theorie der Verschiebungsströme, d a ß dieselbe Folge von Werten der Feldstärke auch in einem beliebigen Augenblick längs einer von der Stelle aus gezogenen Geraden r ä u m l i c h p e r i o d i s c h aneinander gereiht erscheinen m u ß . Ein solcher Vorgang von doppelter, räumlicher und zeitlicher, Periodizität wird aber nun eben nach dem früher Gesagten als eine elektrische Welle zu bezeichnen sein. Dem Begriff der elektrischen Feldstärke ist durchaus der der m a g n e t i s c h e n Feldstärke analog; ebenso entsprechen den Begriffen der elektrischen Schwingungen und der elektrischen Wellen die Begriffe der m a g n e t i s c h e n S c h w i n g u n g e n und der m a g n e t i s c h e n Wellen. Auf rein deduktivem Wege vermochte nun M A X W E L L auf Grund der schon vor ihm bekannten Gesetze des Elektromagnetismus und der Induktionsströme und auf Grund seiner neuen Hypothese der Verschiebungsströme folgende Eigenschaften der theoretisch möglichen elektrischen und magnetischen Wellen nachzuweisen: Jede elektrische Welle ist stets mit einer gleich rasch fortschreitenden magnetischen Welle als einer notwendigen Folgeerscheinung verbunden, wie auch umgekehrt keine magnetische Welle ohne elektrische möglich ist. Die magnetische Feldstärke steht stets s e n k r e c h t auf der elektrischen Feldstärke, und beide stehen senkrecht auf der gemeinsamen Fortpflanzungsrichtung. Die elektromagnetischen Wellen sind also rein t r a n s v e r s a l . Im Gegensatze zu den elastischen Wellen besitzen sie also die Eigenschaft, die notwendigerweise auf Grund der Polarisationserscheinungen den Lichtwellen zugeschrieben werden m u ß t e . Aber das merkwürdigste Ergebnis der MAXWELLschen Theorie ist der Wert, der sich f ü r die F o r t p f l a n z u n g s g e s c h w i n d i g k e i t d e r e l e k t r o m a g n e t i s c h e n W e l l e n erg i b t ; und diese Frage hängt wieder auf das engste zusammen

D i e elektromagnetische Theorie des Lichtes.

9

mit der Frage des M a ß e s einer elektrischen S t r o m s t ä r k e . Man kann nämlich auf zweierlei verschiedene Art die Stärke eines elektrischen Stromes definieren; einerseits nach der Elektrizitätsmenge, die in der Zeiteinheit den Querschnitt des Stromleiters passiert, andererseits nach der magnetischen K r a f t , die von dem Strome ausgeübt wird. So haben in der Tat schon vor M A X W E L L die Physiker z w e i v e r s c h i e d e n e M a ß s y s t e m e f ü r die elektrische Stromstärke und andere mit ihr zusammenhängende Größen gekannt, ein sogenanntes elektrostatisches und ein sogenanntes elektromagnetisches. Die Einheiten der Stromstärke sind in diesen beiden Systemen nicht gleich; aber auch ihr V e r h ä l t n i s ist nicht etwa wie das Verhältnis zwischen Zoll und Zentimeter eine reine Zahl, sondern es stellt, wie die nähere Untersuchung zeigt, eine G e s c h w i n d i g k e i t dar. Im J a h r e 1856 ist es nun durch ein Verfahren, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll, W I L H E L M W E B E R (der auch als Erfinder der elektrischen Telegraphie bekannt ist) gelungen, dieses geschwindigkeitsartige Verhältnis auf experimentellem Wege zu ermitteln 1 4 ; und da fand er nun f ü r dieses Verhältnis einen Wert, der nur unmerklich von dem bekannten Werte der L i c h t g e s c h w i n d i g k e i t abwich; so wenig, d a ß der geringe Unterschied der Unvollkommenheit der experimentellen Methode zugeschrieben werden m u ß t e . M A X W E L L S theoretische Untersuchungen führten nun zu dem Ergebnis, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen' Wellen in einer Substanz einerseits von dieser WEBERschen Konstanten abhänge, andererseits aber von solchen Konstanten, die das elektrische und magnetische Verhalten der betreffenden Substanz charakterisieren 1 6 ; im l e e r e n R ä u m e wird die Fortpflanzungsgeschwindigkeit gleich der WEBERschen K o n s t a n t e n , die ja wiederum mit der L i c h t g e s c h w i n d i g k e i t übereinstimmt. Dieses merkwürdige Ergebnis brachte M A X W E L L auf den Gedanken, die L i c h t - , w e l l e n mit den von ihm als t h e o r e t i s c h m ö g l i c h erkannten e l e k t r o m a g n e t i s c h e n W e l l e n zu i d e n t i f i z i e r e n , um so mehr, als die Transversalität der Lichtschwingungen, die der elastischen Lichttheorie ein unlösbares Rätsel gewesen war, sich aus den Grundlagen der MAxwELLSchen Theorie mit

Erster Vortrag,

10 mathematischer

Folgerichtigkeit

ergibt.

Ein

weiterer

großer

V o r z u g d e r e l e k t r o m a g n e t i s c h e n L i c h t t h e o r i e w a r es a b e r a u c h , daß

(worauf

hier

nicht

näher

Erscheinungen

der

sich

MAXWELLschen

aus

der

Reflexion

eingegangen und

Brechung

Theorie

ohne

weiterer Annahmen erklären ließen; theorie

FRESNELS

Hypothesen

möglich

soll)

des

nur

ersonnener

die

Lichtes

Zuhilfenahme

in d e r e l a s t i s c h e n

w a r dies h i n g e g e n

eigens zu d i e s e m Z w e c k e

werden

der

Licht-

vermittels

und h ö c h s t

einiger,

gekünstelter

gewesen.

A u s d e r M A X W E L L s c h e n T h e o r i e e r g a b sich a u c h , d a ß eine e i n f a c h e B e z i e h u n g b e s t e h e n m ü s s e z w i s c h e n den K o n s t a n t e n , die d a s o p t i s c h e , und d e n e n , die d a s e l e k t r i s c h e V e r h a l t e n Substanzen folgerte

kennzeichnen.16 der

Messungen

Beweis

aus der

für

MAXWELLschen

an

die

Gasen

Richtigkeit

Theorie

erwiesen. der

Der

1888 durch aus

die

berühmten

BOLTZMANN überzeugendste

elektromagnetischen

ihnen

elektrischem

ging

Wege

Versuche

hervor,

von

daß

Wellen erzeugt

HERTZ

in

der

werden

gedem

Licht-

t h e o r i e w u r d e allerdings e r s t f ü n f z e h n J a h r e s p ä t e r , i m denn

von

Theorie

B e z i e h u n g in d e r T a t erfüllt i s t , h a t bald n a c h

Bekanntwerden durch

D a ß diese

Jahre

erbracht;

Tat

können,

auf

rein

die

sich,

wie m i t t e l s e l e k t r i s c h e r A p p a r a t e n a c h g e w i e s e n w e r d e n k o n n t e , nach genau denselben Gesetzen und mit derselben keit

wie

Lichtwellen

gebrochen, werden Um

gebeugt,

ausbreiten polarisiert

und

und

wie

zur

Geschwindig-

diese

reflektiert,

Interferenz

gebracht

können. die

theoretische

s u c h e zu v e r s t e h e n , objektiven

Bedeutung

der

Bedeutung hat

bereits

der

eines o p t i s c h e n B e g r i f f e s b e f a s s e n ,

s u b j e k t i v e n U r s p r u n g s i s t ; es ist dies d e r B e g r i f f d e r NEWTON

Ver-

HERTZschen

m ü s s e n wir uns z u n ä c h s t e t w a s m i t

erkannt,

daß

die

der

Farbe.

Verschiedenheit

der

F a r b e n e m p f i n d u n g o b j e k t i v d u r c h eine V e r s c h i e d e n h e i t der

Periode

bereits,

daß

des

L i c h t e s b e d i n g t s e i ; und er e r k a n n t e

der relative

Unterschied

n i c h t s e h r g r o ß sein k ö n n e . das

eine

Ende

des

der

bekannten

Bei d e m v i o l e t t e n

sichtbaren

Spektrums

bildet,

Farben

Licht,

das

muß,

wie

schon NEWTON e r k a n n t e , die P e r i o d e u n g e f ä h r h a l b - s o sein

wie

bei

dem

roten

a n d e r e n Seite b e g r e n z t .

Licht,

das

das

in

auch

Spektrum

auf

groß der

E s w ä r e also u m g e k e h r t bei d e m v i o -

D i e e l e k t r o m a g n e t i s c h e T h e o r i e des Lichtes.

II

l e i t e n Licht die Schwingungszahl d o p p e l t so g r o ß wie bei d e m r o t e n . E b e n s o wie in der A k u s t i k von einem Tone, der eine d o p p e l t so große Schwingungszahl h a t wie ein a n d e r e r , gesagt wird, d a ß er u m eine O k t a v e h ö h e r liege, so k a n n m a n dies a u c h in der O p t i k von zwei F a r b e n sagen, deren eine eine d o p p e l t so große F r e q u e n z h a t wie die a n d e r e . Das s i c h t b a r e S p e k t r u m , das von d e m R o t e n bis zu d e m Violetten reicht, u m f a ß t somit ungefähr eine O k t a v e . Auf Grund der Wellentheorie des Lichtes v e r m o c h t e zuerst zu Beginn des 19. J a h r h u n d e r t s der englische P h y s i k e r YOUNG die a b s o l u t e n W e r t e der Wellenlängen u n d der Schwingungszahlen f ü r die verschiedenen F a r b e n zu e r m i t t e l n ; er b e n u t z t e dabei die ihm b e k a n n t e n Messungen an den s o g e n a n n t e n NEWTONSchen F a r b e n r i n g e n , die b e o b a c h t e t werden, wenn m a n eine schwach g e k r ü m m t e Linse auf eine G l a s p l a t t e legt. Die Wellenlänge b e t r ä g t f ü r d a s s i c h t b a r e Licht zwischen 4 und 8 Z e h n t a u s e n d s t e l n e i n e s M i l l i m e t e r s ; die Schwingungszahlen, die diesen Wellenlängen e n t s p r e c h e n , sind, w a s ja auch in d e m e n o r m e n W e r t e der Lichtgeschwindigkeit z u m A u s d r u c k k o m m t , u n g e h e u e r g r o ß ; sie betragen zwischen 4 0 0 und 800 B i l l i o n e n i n d e r S e k u n d e . Die Periode des s i c h t b a r e n Lichtes v e r h ä l t sich also zu einer S e k u n d e u n g e f ä h r so wie diese zu einem Z e i t r a u m von e t w a zehn bis zwanzig Millionen J a h r e n . Um dieselbe Zeit, d a Y O U N G SO z u e r s t die Schwingungszahlen des Lichtes b e r e c h n e t e , e r f u h r n u n auch der Begriff des Lichtes selbst d u r c h zwei wichtige experimentelle E n t deckungen n a c h zwei Seiten hin eine wesentliche E r w e i t e r u n g . Im J a h r e 1800 m a c h t e nämlich der b e r ü h m t e A s t r o n o m H E R S C H E L die m e r k w ü r d i g e B e o b a c h t u n g , d a ß die W ä r m e w i r k u n g des Sonnenlichtes n i c h t auf d a s eigentliche S p e k t r u m b e s c h r ä n k t ist, sondern über d a s rote Ende des S p e k t r u m s h i n a u s reicht, ja ihr M a x i m u m erst jenseits des roten E n d e s erreicht. H E R S C H E L w u r d e so der E n t d e c k e r der u l t r a r o t e n S t r a h l e n . Zu derselben Zeit f a n d RITTER, d a ß sich a n d e r e r seits die c h e m i s c h e W i r k u n g des Lichtes über das violette E n d e h i n a u s e r s t r e c k t , ja jenseits des violetten E n d e s des S p e k t r u m s noch s t ä r k e r ist als im S p e k t r u m s e l b s t ; er w u r d e so der E n t d e c k e r der u l t r a v i o l e t t e n S t r a h l e n .

12

Erster Vortrag.

Die Vervollkommnung der physikalischen Instrumente und Methoden hat seitdem eine sehr genaue Erforschung des ultraroten und ultravioletten Spektrums ermöglicht, wobei man eben die ultraroten Strahlen an ihrer Wärmewirkung, die ultravioletten; an ihrer chemischen Wirkung erkennt. Zur Feststellung der Wärmewirkung besitzt die Physik heute ungemein empfindliche Instrumente, die es ermöglichen, die Wärme einer Kerzenflamme noch in einer Entfernung von Kilometern festzustellen 1 7 ; zum Nachweise der ultravioletten Strahlen steht der Physik wieder ein äußerst empfindliches Instrument in der photographischen Platte zur Verfügung. Während das sichtbare Spektrum nur eine Oktave u m f a ß t , ist man in der Erforschung des Ultraroten bis zu acht Oktaven jenseits des sichtbaren Spektrums vorgedrungen; die längste im Ultraroten festgestellte Wellenlänge beträgt etwas weniger als einen halben Millimeter. Jenseits des violetten Endes des Spektrums ist man um drei Oktaven vorgeschritten bis zu einer Wellenlänge, die nur den 50000sten Teil eines Millimeters beträgt. Rechnen wir also die ultraroten und ultravioletten Strahlen zu dem Lichte im weiteren Sinne des Wortes hinzu, so u m f a ß t dieses nach dem derzeitigen Stande der Forschung ungefähr z w ö l f O k t a v e n , wovon a c h t auf das u l t r a r o t e , nur e i n e e i n z i g e auf das dem menschlichen Auge s i c h t b a r e und d r e i auf das u l t r a v i o l e t t e Licht entfallen; das Sehvermögen unseres Auges ist also sehr eng begrenzt. Alle diese Lichtstrahlen des sichtbaren und unsichtbaren Spektrums mit Wellenlängen von dem 50000sten Teil eines Millimeters bis zu einem halben Millimeter stellen nun nach der MAXWELLSchen Theorie nichts anderes dar als elektromagnetische Schwingungen, und sie erscheinen dadurch in einen engen Zusammenhang gebracht mit den O s z i l l a t i o n e n , die bei der E n t l a d u n g e i n e r L e i d e n e r F l a s c h e schon 14 J a h r e vor der Entstehung der MAXWELLSchen Theorie der deutsche Physiker FEDDERSEN nachgewiesen hatte.

FEDDERSEN zog d a s p h o t o g r a p h i s c h e ' B i l d d e s

Ent-

ladungsfunkens einer Leidener Flasche mittels eines sehr rasch rotierenden Spiegels auseinander und konnte so durch die Photographie nicht n u r nachweisen, d a ß die Entladung einen oszillatorischen Charakter h a t , er konnte auch die Zahl

D i e e l e k t r o m a g n e t i s c h e T h e o r i e des Lichtes

13

der Schwingungen in der Sekunde bestimmen. Er fand hierfür bei seinen Versuchen Werte von etwa 50000 bis 1000000 Schwingungen in der Sekunde. Nimmt man nun im Sirine der MAXwELLSchen Theorie an, d a ß sich diese Schwingungen mit der Geschwindigkeit des Lichtes fortpflanzen, so würden dem Wellenlängen von der Größenordnung von Kilometern entsprechen; und mit Wellen von solcher Länge lassen sich experimentelle Beobachtungen natürlich nicht anstellen. Es war nun das große Verdienst von H E R T Z , d a ß er durch verschiedene Kunstgriffe die Schwingungszahl solcher elektrischer Entladungs-Oszillationen wesentlich erhöhte. Die Wellenlänge ließ sich dadurch bis auf einige Meter herabsetzen; und mit Wellen von dieser Länge konnte nun H E R T Z bequem experimentieren und an ihnen, wie schon erwähnt, nachweisen, daß sie ganz dieselben Eigenschaften haben und dieselben Gesetze befolgen wie die Wellen des sichtbaren Lichtes. Seit den Versuchen von H E R T Z , die bekanntlich die Grundlage der drahtlosen Telegraphie bilden, ist es gelungen, die Länge der durch elektrische Entladungen hervorgerufenen Wellen bis zu einigen Millimetern herabzusetzen, so d a ß heute nur noch eine L ü c k e von ungefähr d r e i O k t a v e n das Gebiet des ultraroten Lichtes von dem der elektrischen E n t ladungswellen t r e n n t . Wie sich an das Gebiet des Lichtes auf der einen Seite des Spektrums, nur durch eine nicht allzu große und in der Z u k u n f t wohl noch überbrückbare Lücke geschieden, das Gebiet der elektrischen Entladungswellen reiht, so h a t man nun in der letzten Zeit noch eine andere Art elektromagnetischer Wellen als solche e r k a n n t ; deren Gebiet liegt auf der anderen Seite des Spektrums, jenseits des äußersten Ultraviolett und ist von diesem wiederum einstweilen noch durch eine L ü c k e von etwa v i e r O k t a v e n getrennt. Dieses Gebiet gehört den Strahlen an, deren Entdeckung durch R Ö N T G E N im J a h r e 1895 das größte Aufsehen in der ganzen Welt erregte. Die Frage nach der N a t u r d e r R ö n t g e n s t r a h l e n ist lange ungeklärt geblieben. Wohl h a t t e n die Physiker Grund zu der Vermutung, d a ß die Röntgenstrahlen eine dem Lichte verwandte Erscheinung darstellen. Aber es fehlte ein direkter Beweis für die Vermutung, und vor allem sahen die Physiker

14

Erster Vortrag.

zunächst keine Möglichkeit, im Falle der Richtigkeit der Verm u t u n g auch wirklich die Wellenlängen von Röntgenstrahlen exakt zu bestimmen. Denn zur Messung von Wellenlängen bedient man sich in der Optik sogenannter B e u g u n g s g i t t e r . Es sind dies (am besten konkave) Metallspiegel, auf die in gleichen, außerordentlich kleinen Abständen feine Spalte, bis zu zehntausend auf einen Millimeter, mittels eines Diamanten eingeritzt sind. Mit solchen Beugungsgittern können nach einer sehr einfachen Methode (auf die hier nicht eingegangen werden soll) Wellenlängen gemessen werden, wofern sie nicht größer und auch nicht wesentlich kleiner sind als der Abstand zweier benachbarter Spalte des Gitters. Nun h a t t e n die Physiker Gründe zu der Vermutung, daß die Wellenlängen der Röntgenstrahlen, wofern diese dem Licht ähnlich sind, etwa tausendmal kleiner sein müßten als die Wellenlängen des ultravioletten Lichtes. Man würde somit zu der Bestimmung der Wellenlängen von Röntgenstrahlen Beugungsgitter benötigen, auf denen die Spalte in noch tausendmal kleinerem Abstände gezogen wären als auf den feinsten herstellbaren Beugungsgittern. Man würde Gitter brauchen, bei denen die Spalte so enge benachbart wären, d a ß Millionen auf einen Millimeter kämen. Die technische Unmöglichkeit, solche Gitter herzustellen, schien den Physikern fast jede Aussicht zu nehmen, je die Wellenlängen von Röntgenstrahlen zu bestimmen, als im J a h r e 1912 LAUE auf den genialen Gedanken verfiel, s t a t t künstlicher Gitter einfach K r i s t a l l e zu verwenden. Die Mineralogen erblickten nämlich die Ursache der regelmäßigen Form der Kristalle in einer regelmäßigen Anordnung der Molekeln und Atome in den Kristallen. 1 8 Trifft diese Vorstellung zu, dann m ü ß t e aber, wie L A U E erkannte, ein Kristall infolge der regelmäßigen Anordnung seiner Teilchen ähnliche Wirkungen ausüben wie ein Beugungsgitter. Die Wirkungsweise wäre allerdings dadurch wesentlich kompliziert, d a ß in einem Kristall die den Spalten entsprechenden Stellen nicht wie bei optischen Gittern linear, sondern r ä u m l i c h angeordnet sind. Andererseits folgte aus verschiedenen physikalischen Überlegungen, d a ß die Abstände der Molekeln im Kristall von der Größenordnung von weniger als dem millionsten

Die elektromagnetische Theorie des Lichtes.

15

Teil eines Millimeters sein müßten; das würde Wellenlängen entsprechen, die etwa tausendmal kleiner wären als die von ultraviolettem Licht, also gerade so groß wären, wie man es bei den Röntgenstrahlen vermutete. Hieraus schloß nun LAUE, daß Röntgenstrahlen, wofern sie wirklich besonders kurzwellige elektromagnetische Wellen darstellen, durch Kristalle ganz ähnlich gebeugt werden müßten wie gewöhnliches Licht durch die in der Optik gebräuchlichen Beugungsgitter; nur mit den Unterschieden eben, die dadurch bedingt sind, daß ein Kristall ein r ä u m l i c h e s und nicht ein lineares Gitter darstellt. Eine photographische Platte, die hinter einem von Röntgenstrahlen getroffenen

Fig. 1.

Kristall aufgestellt ist, mußte danach, wie LAUE erkannte, bei geeigneter Versuchsanordnung symmetrisch angeordnete schwarze Flecken zeigen, und aus der Lage der Flecke müßte es wiederum möglich sein, einerseits die Wellenlängen der aus dem Kristall tretenden Röntgenstrahlen und andererseits auch die Struktur des benutzten Kristalls zu erkennen. LAUES theoretische Überlegungen wurden sehr bald durch das Experiment in glänzendster Weise bestätigt; die aus Kristallen austretenden Röngtenstrahlen riefen in der Tat auf der photographischen Platte die von LAUE vorausgesagten eigenartigen Bilder hervor (Fig. 1). LAUES Entdeckung der sogenannten I n t e r f e r e n z d e r R ö n t g e n s t r a h l e n ist von der allergrößten Bedeutung für

Erster Vortrag.

16

die neueste Entwicklung der N a t u r l e h r e geworden. Sie h a t uns (wovon später die Rede sein soll) die S t r u k t u r d e r K r i s t a l l e enthüllt und d a d u r c h der Kristallographie ganz neue Wege der Forschung erschlossen. Sie h a t (wovon auch noch gesprochen werden soll) zu der A u f f i n d u n g der R ö n t g e n s p e k t r e n g e f ü h r t , die u n s bereits in wenigen J a h r e n die w e r t vollsten Aufschlüsse über den inneren Bau der A t o m e geliefert haben. Die LAUESche E n t d e c k u n g h a t schließlich und vor allem auch die lang vergeblich gesuchte Klarheit über das Wesen der Röntgenstrahlen g e b r a c h t . Aus den Ausmessungen der sogenannten LAUE-Photog r a m m e , die an sich schon einen Beweis f ü r die Wellennatur der Röntgenstrahlen darstellen, ging nämlich in der T a t hervor, jtunehmende Ent]ccdung-s* wej/erz

Ultrarot

4

Frequenz Vitra. violfft

1 Röntgenstrahlen

^unehmende Wellentcrngre Fig. 2.

d a ß die Wellenlängen der Röntgenstrahlen von der Größenordnung des hundertmillionsten Teiles eines Millimeters sind. Die bisher b e k a n n t e n Röntgenstrahlen umfassen ein Gebiet von e t w a a c h t O k t a v e n 1 9 , das von dem bisher als raschest schwingend b e k a n n t e n ultravioletten Licht noch durch eine Lücke von etwa vier Oktaven g e t r e n n t ist. Bis zu e i n e r O k t a v e h ö h e r als. die kürzestwelligen Röntgenstrahlen liegt eine den R ö n t g e n s t r a h l e n v e r w a n d t e A r t von Strahlen, die (wovon noch die Rede sein wird) von radioaktiven Substanzen ausgesendet und die als G a m m a - S t r a h l e n bezeichnet werden. Wie verschwindend klein erscheint so innerhalb der Ges a m t a u s d e h n u n g des S p e k t r u m s im heutigen Sinne das dem menschlichen Auge sichtbare S p e k t r u m , das die Farben des Regenbogens von R o t bis Violett vereinigt! Es u m f a ß t ja

Die elektromagnetische Theorie des Lichtes.

17

nur eine einzige Oktave, während überhaupt erst sieben Oktaven jenseits des Violett das Gebiet der Röntgenstrahlen, erst elf Oktaven jenseits des Rot das Gebiet der HERTZSchen Wellen beginnt (Fig. 2). Für die subjektive Wahrnehmung erscheinen freilich die Wellen der drahtlosen Telegraphie, die ultraroten Wärmestrahlen, das sichtbare Licht, die chemisch wirksamen ultravioletten Strahlen und die Röntgenstrahlen als qualitativ verschiedene Phänomene. In objektiver Hinsicht sind sie ein und dasselbe, nämlich elektromagnetische Wellen, die untereinander nur q u a n t i t a t i v in der Periode verschieden sind. Die Möglichkeit und Notwendigkeit dieser elektromagnetischen Wellen beruht aber wieder, wie zuerst MAXWELL erkannt hat, letzten Endes auf den beiden Gesetzen, die die von OERSTED und FARADAY entdeckten Phänomene beschreiben, nämlich die Erzeugung eines Magnetfeldes durch einen elektrischen Strom und die Entstehung eines Induktionsstromes in einem veränderlichen Magnetfeld.

HAAS, D a s N a t u r b i l d der neuen Physik.

2

Zweiter

Vortrag.

Die Molekularstatistik. So alt wie alle theoretische Naturwissenschaft ist das Streben nach der Schaffung eines e i n h e i t l i c h e n Naturbildes. Schon in der antiken Naturphilosophie hat d a r u m dieses Streben zu einem Gedanken geführt, dessen außerordentliche Fruchtbarkeit gerade die neueste Entwicklung der theoretischen Physik deutlich offenbart h a t . Es war der a t o m i s t i s c h e Gedanke, als dessen Schöpfer der große griechische Philosoph D E M O KR IT a n z u s e h e n

ist.1

Das Bild, das der Mensch von der N a t u r durch seine Sinnesorgane empfängt, ist nicht nur beschränkt wegen des begrenzten Vermögens unserer Sinnesorgane; es ist auch kompliziert durch die V i e l h e i t unserer Sinne. Der Mensch empfängt sinnliche Eindrucke durch das Auge,, durch das Ohr. durch den Temperatursinn; er lernt schließlich auch in Elektrizität und Magnetismus Phänomene kennen, f ü r die er ein besonderes Sinnesorgan nicht zu besitzen scheint. Dieser Vielheit der Sinne entspricht die traditionelle Gliederung der Experimentalphysik in die Optik, die Akustik, die Wärmelehre, die Lehre von der Elektrizität und vom Magnetismus. Schon die antike Naturphilosophie h a t sich aber nun zu der Erkenntnis durchgerungen, d a ß diese Mannigfaltigkeit des Naturbildes n u r s u b j e k t i v e n Ursprungs sein könne; und d a r u m stellte DEMOKRIT diesem komplizierten subjektiven Weltbild ein zweites a b s o l u t e s , o b j e k t i v e s gegenüber, in dem es n u r eine einzige Art physikalischer Phänomene geben solle, nämlich die B e wegung. Soll aber nun alles physikalische Geschehen auf Bewegungen zurückgeführt werden, die uns wegen der Klein-

D i e Molekularstatistik.

19

heit der bewegten Objekte verborgen bleiben, dann mußte natürlich auch die M a t e r i e selbst a u f g e l ö s t gedacht werden in lauter unsichtbar kleine Teilchen. Die weitere Entwicklung der Physik h a t allerdings gezeigt, d a ß die von D E M O K R I T erhoffte restlose Zurückführung der gesamten Physik auf die Mechanik nicht verwirklicht werden kann. Wohl aber ist durch die moderne Physik zur Gewißheit geworden, was bei D E M O K R I T nur eine kühne spekulative Hypothese w a r : d a ß die Materie aus sehr kleinen und in sehr rascher Bewegung begriffenen Teilchen zusammengesetzt ist; und seit etwa einem halben J a h r h u n d e r t ist in der Physik die Erkenntnis allgemein geworden, d a ß es eben diese unsichtbaren Bewegungen der Materieteilchen sind, die die Erscheinungen der W ä r m e hervorrufen. Obwohl die ersten Anfänge der k i n e t i s c h e n W ä r m e t h e o r i e bis in das 17. J a h r h u n d e r t zurückreichen 2 , h a t ihre exakte Ausgestaltung doch erst in der Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s begonnen, und zwar in engem Zusammenhang mit der Auffindung des sogenannten e r s t e n H a u p t s a t z e s d e r W ä r m e l e h r e . Im J a h r e 1 8 4 2 machte R O B E R T M A Y E R die sehr bedeutungsvolle Entdeckung, d a ß bei der Erzeugung von Wärme durch mechanische Arbeit und ebenso bei dem umgekehrten Vorgang zwischen den ineinander verwandelten Mengen von W ä r m e und von m e c h a n i s c h e r E n e r g i e ein k o n s t a n t e s U m w a n d l u n g s v e r h ä l t n i s besteht. 3 Diese merkwürdige Tatsache fand nun eine äußerst einfache Erklärung, wenn man in dei Wärme nichts anderes als Bewegung erblickte; d e n n der Satz von der E r h a l t u n g d e r m e c h a n i s c h e n E n e r g i e bei reinen Bewegungsvorgängen war schon längst als notwendige mathematische Folge der NEWTONSchen Bewegungsaxiome erkannt worden. 4 Bei der Erzeugung von Wärme durch Arbeit würde also nach der kinetischen W ä i m e theorie ganz im Sinne der Mechanik die gesamte mechanische Energie als solche ungeändert bleiben; ändern würde sich lediglich die Verteilung des Gesamtbetrages der mechanischen Energie auf zwei Teilbeträge: auf den Teilbetrag, der uns bedingt erscheint durch die Bewegung der sichtbaren Körper im ganzen, und auf den Teilbetrag, der der unsichtbaren Bewegung der kleinsten Körperteilchen zuzuschreiben ist. Da auf Griechisch 2*

20

Zweiter Vortrag.

groß makros., klein aber mikros heißt, kann man die beiden Arten der Bewegung und daher auch die beiden Teilbeträge der Eneigie als makromechanisch und mikromechanisch unterscheiden. 5 Ihre außerordentliche Fruchtbarkeit sollte die atomistische Hypothese zunächst auf dem Gebiete der k i n e t i s c h e n G a s t h e o r i e erweisen, die in den Fünfziger Jahren des 19. J a h r hunderts von K R Ö N IG und von C L A U S I U S in exakter Form begründet wurde. 5 Der Grundgedanke der kinetischen Gastheorie ist der, d a ß bei Gasen die Bewegung der kleinsten Teilchen, der sogenannten G a s m o l e k e l n , eine einfach f o r t s c h r e i t e n d e ist, ohne daß, wie man dies hinsichtlich des festen und flüssigen Aggregatzustandes annimmt, die Molekeln an bestimmte Gleichgewichtslagen gebunden wären. 6 Vom atomistischen S t a n d p u n k t aus h a t man sich also ein Gas als einen Schwärm von rasch dahin schießenden kleinen Teilchen zu denken, die in ihrer Bewegung nur durch die Anwesenheit der anderen Molekeln beeinflußt werden, denen sie in ihren Bahnen nahekommen. 7 Aus dieser Grundhypothese folgen auf rein deduktivem Wege auf die einfachste Weise sogleich die wesentlichen Eigenschaften der Gase. Daß ein in einem Gefäße eingeschlossenes Gas gegen die Wände des Gefäßes einen D r u c k ausübt, erklärt sich sehr einfach aus den unaufhörlichen S t ö ß e n , aus dem ständigen Aufprall der Gasmolekeln gegen die Wände. Wird die Dichte eines Gases verdoppelt, so prallen natürlich auch doppelt soviel Molekeln in der gleichen Zeit auf ein Stück der Wand auf; der Druck muß also unter sonst gleichen Umständen der Dichte des Gases proportional, oder, was dasselbe ist, dem Volumen des Gases umgekehrt proportional sein; und das ist in der Tat, wie schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Physiker erkannten 8 , die fundamentale Beziehung der Gaslehre. Die T e m p e r a t u r eines Gases (dessen Molekeln als p u n k t förmig behandelt werden können) ist bestimmt durch den Mittelwert der auf eine einzelne Molekel entfallenden Bewegungsenergie; andererseits hängt der Wert der Bewegungsenergie wieder von der molekularen Geschwindigkeit ab, deren Quadrat er proportional ist. Die Temperatur, bei der die Molekeln

D i e Molekularstatistik.

21

eines solchen Gases überhaupt keine Bewegungsenergie hätten, sich also i n v o l l k o m m e n e r R u h e befänden, bezeichnet man als den a b s o l u t e n N u l l p u n k t d e r T e m p e r a t u r . Allerdings war dieser Begriff schon früher, unabhängig von der kinetischen Hypothese, den Wärmetheoretikern geläufig gewesen; unter dem absoluten Nullpunkt verstand man nämlich die Temperatur, bei der der Druck aller Gase verschwindet. Der absolute Nullp u n k t muß, wie aus der beobachteten Abhängigkeit des Druckes von der Temperatur folgt, 273,1 Celsius-Grade u n t e r dem Schmelzpunkt des Eises liegen. Es sei in diesem Zusammenhang nur kurz nebenbei erwähnt, d a ß die tiefste, bisher experimentell im Laboratorium erzeugte Temperatur — 2 7 1 , 5 Grad beträgt, also nur etwa l 1 ^ Grad über dem absoluten Nullp u n k t liegt. 9 Die nähere, rein deduktive Untersuchung zeigt nun, daß die m o l e k u l a r e G e s c h w i n d i g k e i t für eine bestimmte Temperatur ohne weiteres angegeben werden kann, da man ja auf Grund empirischer Messungen weiß, wie Druck und Volumen eines Gases von der Temperatur abhängen. C L A U S I U S h a t so gezeigt, d a ß die molekularen Geschwindigkeiten von derselben Größenordnung sind wie die Geschwindigkeiten, mit denen Kugeln . Geschütze verlassen. Bei dem Wasserstoff; beträgt beispielsweise bei einer Temperatur von 0 Grad die durchschnittliche Geschwindigkeit der Molekeln 1800 m in der Sekunde. 1 0 Bei anderen Gasen ist sie geringer, und zwar um so geringer, je größer das Molekulargewicht des Gases ist. Bei Sauerstoff und Stickstoff, den beiden Hauptbestandteilen der Luft, ist z. B. die Geschwindigkeit nur ungefähr ein viertelmal so groß wie bei Wasserstoff. Außer durch C L A U S I U S fand die kinetische Gastheorie ihre weitere Ausgestaltung zunächst durch den Schöpfer der elektromagnetischen Lichttheorie, durch MAXWELL.11 Aber das vielleicht interessanteste Ergebnis, zu dem die weiteren gastheoraiischen Untersuchungen f ü h r t e n , verdankte die Physik dem Wiener Physiker L O S C H M I D T . Denn LOSCHMIDT war der erste, der die a b s o l u t e G r ö ß e d e r M o l e k e l n 1 2 bestimmte. Dies gelang ihm im Jahre 1865 durch Überlegungen, die einerseits die sogenannte innere Reibung der Gase, andererseits die Verflüssigung der Gase zum Gegen-

22

Zweiter Vortrag.

stände h a t t e n . Die theoretische Physik h a t seitdem (wovon in einem späteren Vortrag noch ausführlich die Rede sein wird) viel exaktere mannigfache Methoden gefunden, um die wahre Größe der Molekeln zu bestimmen. J a man kann sagen, d a ß wir heute den Wert der Masse einer Wasserstoffmolekel mit verhältnismäßig größerer Genauigkeit kennen als etwa den Wert der Masse der Erde. Der genaue Wert, den die Physik heute für die Masse einer Wasserstoffmolekel anzugeben vermag, bedeutet, d a ß eine Q u a d r i l l i o n v o n W a s s e r s t o f f m o l e k e l n ( d . h . eine Billion mal einer Billion) erst die M a s s e v o n d r e i G r a m m besitzt. 1 3 Da die Masse der Erde auf einige Trillionen Gramm geschätzt wird, so würde sich danach die Masse einer Wasserstoffmolekel zu der eines Sandkornes ungefähr so verhalten wie die Masse des Sandkornes zu der der ganzen Erde. So verschwindend klein sind die Träger der unsichtbaren Bewegungen, die der Experimentalphysik als Wärme erscheinen. Die Vorgänge, die Zustände, die f ü r den Experimentalphysiker einzelne Vorgänge, Einzelzustände sind, erscheinen so f ü r den Atomiker als eine G e s a m t h e i t einer ungeheuren Zahl von i n d i v i d u e l l e n Vorgängen, von individuellen Zus t ä n d e n ; und deren Träger sind eben wieder jene MaterieIndividuen, deren Gewicht im allgemeinen nicht einmal den trillionsten Teil eines Milligramms erreicht. Ein und derselbe physikalische Zustand kann somit von zwei ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Haben wir etwa ein Gas in einem größeren Gefäß mit verschiebbarem Kolben, so weiß der Experimentalphysiker alles, was er über den Zustand des Gases wissen will, wenn er weiß, welchen Druck das Gas gegen die Gefäßwände ausübt, wie hoch seine Temperatur ist, welches Volumen es mit seiner Masse erfüllt. 1 4 Mit diesen Daten ist f ü r den Experimentalphysiker alles erschöpft, was ihm über den Zustand des Gases wissenswert erscheint. Für den Atomiker besteht das Gas aus Quadrillionen von Molekeln; f ü r ihn ist daher der Zustand des Gases in Quadrillionen individueller, allerdings rein mechanischer Zustände aufgelöst, und diese würde er f ü r einen bestimmten Augenblick erst dann vollkommen kennen, wenn er von jeder einzelnen Molekel wüßte, an welcher Stelle sie sich in diesem

D i e Molekularstatistik.

23

Moment befindet und mit welcher Geschwindigkeit und in welcher Richtung sie sich in diesem Augenblick bewegt. Sollte nun wirklich die Atomistik, die eine Vereinfachung der physikalischen N a t u r b e t r a c h t u n g bezweckt, s t a t t dessen eine so ungeheure Komplizierung der N a t u r b e t r a c h t u n g h e r b e i f ü h r e n ? Die Antwort auf diese Frage gibt uns eine ganz einfache Überlegung, die wir in einem der Physik scheinbar ganz fremden Gebiete anstellen wollen. In der Volkswirtschaftslehre spricht man von Altersgliederung der Bevölkerung, von Geburtenziffer, von Heiratsfrequenz, von der Höhe der Sterblichkeit, von dem Prozentsatz der Selbstmorde und von ähnlichen Begriffen und spricht von Gesetzmäßigkeiten, die solche Größen zeigen; und doch setzt sich die Bevölkerung, die in ihrer Gesamtheit den Gegenstand solcher national-ökonomischer Forschungen bilden kann, aus einer großen Vielheit von Individuen zusammen, deren einzelner Lebenslauf durchaus den Charakter des Zufälligen und Unregelmäßigen trägt, namentlich hinsichtlich solcher freiwilliger Handlungen, wie es eine Eheschließung oder ein Selbstmord ist. Es zeigt sich eben, daß, wofern man nur eine genügend große Zahl von individuellen Fällen ins Auge f a ß t , das individuelle Moment ganz in den Hintergrund t r i t t . Die individuellen Zufälligkeiten spielen eine um so geringere Rolle, je größer die Zahl der Einzelfälle ist, die den Gegenstand der Betrachtung bilden. Diese merkwürdige Tatsache, die man als das G e s e t z d e r g r o ß e n Z a h l e n bezeichnet, bildet das F u n d a m e n t aller s t a t i s t i s c h e n Untersuchungen. Ein Beispiel möge das etwas näher erläutern. In einer Millionenstadt stellt die Zahl der wöchentlichen Todesfälle eine verhältnismäßig größere Zahl d a r (etwa 500 f ü r jede Million). Man wird nun finden, d a ß in einer Millionenstadt die Zahl der wöchentlichen Todesfälle sich innerhalb eines Monates relativ nur wenig ändert. J a die individuellen Zufälligkeiten werden so unmerklich, daß, wenn man etwa f ü r zwei verschiedene, durch einen längeren Zeitraum getrennte Wochen merklich verschiedene Zahlen f ü r die wöchentlichen Todesfälle vorfindet, man eine äußere Ursache d a f ü r suchen wird; sei es, d a ß infolge der Witterung in einer Woche des Winters

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Zweiter Vortrag.

mehr Menschen sterben als in einer Sommerwoche, sei es, d a ß eine Epidemie die Zahl der Todesfälle vermehrte, oder d a ß eine Hungersnot die Sterblichkeit erhöhte. Daß wir aber aus der Veränderung einer solchen Zahl, wie es die wöchentlichen Todesfälle sind, auf äußere Ursachen schließen dürfen, das t r i f f t n u r dann zu, wenn diese Zahl hinreichend groß ist. Fassen wir s t a t t der Millionenstadt eine Kleinstadt von etwa sechstausend Einwohnern ins Auge, in der durchschnittlich wöchentlich etwa drei Menschen sterben, und es betrage etwa die Zahl der Sterbefälle in der ersten Märzwoche eines Jahres vier und in der ersten Märzwoche des nächsten Jahres zwei, so wäre es natürlich durchaus verfehlt, wenn wir aus diesem Zufall schließen wollten, d a ß sich die gesundheitlichen Verhältnisse in der Stadt innerhalb eines J a h r e s gebessert h ä t t e n . Bei so k l e i n e n Z a h l e n , wie es die Zahlen vier oder zwei sind, spielt eben das i n d i v i d u e l l e M o m e n t eine wesentliche Rolle; bei so kleinen Zahlen können relativ wesentliche Änderungen ihres Wertes, können beträchtliche S c h w a n k u n g e n o h n e ä u ß e r e U r s a c h e , bloß infolge dei individuellen Zufälligkeiten a u f t r e t e n . Die einfachen Überlegungen, die wir auf dem Gebiete der Bevölkerungsstatistik angestellt haben, lassen sich infolge ihrer allgemeinen Gültigkeit nun aber ohne weiteres auch auf das Gebiet der Molekularerscheinungen übertragen. Denn so wie die Größen, die in der Bevölkerungsstatistik eine Rolle spielen, von individuellen Größen abhängen, die individuelle Zustände oder Vorgänge charakterisieren, so m u ß dies gemäß der kinetischen Theorie auch f ü r die Größen gelten, die in der Wärmelehre a u f t r e t e n . Ist nun der ins Auge gefaßte physikalische Vorgang so beschaffen, d a ß die Zahl der individuellen Vorgänge, in die er vom atomistischen S t a n d p u n k t e aus aufgelöst erscheint, g r o ß ist, d a n n t r i f f t der Vergleich mit der Millionenstadt zu. Man kann dann aus den individuellen Werten durch Z u s a m m e n z ä h l u n g oder D u r c h s c h n i t t s b i l d u n g s t a t i s t i s c h e G r ö ß e n ableiten, die sich auf die G e s a m t h e i t a l s s o l c h e beziehen; genau so, wie man in der Bevölkerungsstatistik die einzelnen Todesfälle zusammenzählt oder aus dem erreichten Alter der verstorbenen Einzelpersonen ein mittleres Lebensalter berechnet; und wenn der Vergleich mit

Die Molekularstatistik.

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der Millionenstadt zutrifft, dann wird es auch für die physikalischen statistischen Größen gelten, d a ß sie sich ohne äußere Ursache nicht merklich verändern, wofern sie von einer g r o ß e n Z a h l v o n i n d i v i d u e l l e n G r ö ß e n abhängen. Ein Beispiel möge dies etwas näher erläutern. Wir fassen innerhalb eines von einem Gase erfüllten Gefäßes in Gedanken einen winzig kleinen Würfel ins Auge, dessen Länge nur den zehntausendsten Teil eines Millimeters betragen soll. Durch diesen Würfel werden infolge des inneren Bewegungszustandes des Gases ununterbrochen Molekeln rasend rasch hindurchschießen. Ein fingierter Beobachter, der imstande wäre, die einzelnen Molekeln als solche zu erkennen, möge nun in beliebigen Augenblicken blitzartig eine Zählung der Molekeln vornehmen, die sich momentan inmitten dieses gedachten Würfels befinden. Multipliziert dieser fingierte Atomiker die so erhaltene Zahl mit der Masse der untereinander gleich groß gedachten Molekeln und dividiert er noch durch das Volumen des Würfels, so erhält er eine Größe, die identisch ist mit derjenigen, die die beschreibende Physik als die D i c h t e des Gases an der betreffenden Stelle bezeichnet. Der fingierte Atomiker könnte auch blitzschnell für einen bestimmten Moment die Geschwindigkeiten der einzelnen Molekeln messen; multipliziert er die Masse einer Molekel mit dem halben Quadrate ihrer Geschwindigkeit, so erhält er die Bewegungsenergie der betreffenden Molekel. Aus den Werten, die der Atomiker so für die Bewegungsenergien aller momentan in dem kleinen Würfel enthaltenen Molekeln feststellt, kann er nun den Durchschnitt bilden, und durch diesen Mittelwert wäre nun wieder infolge eines einfachen (hier nicht näher zu erörternden) Zusammenhanges die Größe bestimmt, die der beschreibende Physiker die T e m p e r a t u r an der betreffenden Stelle nennt, an der in Gedanken der kleine Würfel konstruiert wurde. Obwohl dieser Würfel sehr klein angenommen wurde, nämlich mit einer Kantenlänge von dem zehntausendsten Teile eines Millimeters, so sind in ihm nach dem früher über die Größe der Molekeln Gesagten doch noch immer im allgemeinen stets Tausende von Molekeln enthalten 1 5 . Der Vergleich mit der Millionenstadt t r i f f t also zu, und dies trotz der

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Zweiter Vortrag.

verschwindenden Kleinheit des Würfels, über dessen Volumen die statistischen Betrachtungen erstreckt wurden. Für die Zustände und Vorgänge, die die Experimentalphysik beschreibt, sind die individuell-molekularen Größen daher im allgemeinen an sich ganz nebensächlich. In Betracht kommen f ü r den beschreibenden Physiker nur solche Werte, die aus einer großen Zahl von an sich belanglosen Einzelwerten mittels statistischer Methoden gebildet sind. Die spontanen Änderungen dieser statistischen Größen werden aber infolge der großen Zahl individueller Vorgänge relativ sehr gering sein; es werden daher im allgemeinen in einem Gas ohne äußere Ursachen weder Dichteschwankungen noch Temperaturschwankungen von merklicher Größe a u f t r e t e n . Ohne äußeren Grund wird es daher nicht vorkommen, d a ß ein in einem Zimmer aufgehängtes Thermometer eine plötzliche Temperaturerhöhung oder Temperaturerniedrigung anzeigt; ja vielmehr umgekehrt, wenn eine solche Änderung des Standes des Thermometers a u f t r i t t , ohne d a ß wir die Ursache wissen, so werden wir notwendigerweise diese Änderung einer uns unbekannten äußeren Ursache zuschreiben. Denken wir uns nun wieder unseren Atomiker, der die Molekeln einzeln zu erkennen vermag, der aber diesmal seine statistischen Untersuchungen auf einen noch kleineren Würfel beschränken möge. Er grenze in Gedanken einen Würfel ab, dessen Kantenlänge nur den zweihunderttausendsten Teil eines Millimeters betrage (also noch zwanzigmal kleiner sei als vorhin). In diesem so kleinen Volumen werden bei gewöhnlichem Druck und gewöhnlicher Temperatur durchschnittlich nur etwa drei bis vier Molekeln jeweils enthalten sein; es würde somit der Vergleich mit der Kleinstadt zutreffen. Bestimmt der Atomiker die Dichte an der von ihm betrachteten Stelle aus einer so kleinen Zahl, dann wird f ü r ihn die so berechnete Dichte n a t ü r lich ohne äußere Ursachen, lediglich infolge der individuellen Unregelmäßigkeiten, relativ beträchtliche Schwankungen aufweisen. Ob ein Physiker in einem Gase D i c h t e s c h w a n k u n g e n feststellt oder nicht, hängt somit lediglich davon ab, wie klein er das Volumen wählt, über das er seine molekular-statistischen Betrachtungen anstellt. In objektiver Hinsicht werden also

D i e Molekularstatistik.

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die molekularen Dichteschwankungen bei all den Vorgängen bedeutungslos sein, bei denen Distanzen von etwa dem hunderttausendsten Teil eines Millimeters zu klein sind, um f ü r den Vorgang in Betracht zu kommen. Bei solchen Vorgängen hingegen, bei denen so kurze Distanzen (oder nicht wesentlich größere) eine Rolle spielen, m u ß sich die Wirkung der molekularen Dichteschwankungen offenbaren; und zu diesen Phänomenen gehört nun auch der Durchgang eines Lichtstrahles durch ein Gas. Von der Dichte eines Gases hängt nämlich der Wert der Größe ab, die das optische Verhalten des Gases charakterisiert; es ist dies der sogenannte Brechungsindex. Schwankungen in der Dichte müssen demnach auch S c h w a n k u n g e n in d e m W e r t e d e s B r e c h u n g s i n d e x zur Folge haben. S M O L U C H O W S K I , dem vor allem die theoretische Atomistik ihre großen Fortschritte in den letzten zwei Jahrzehnten v e r d a n k t , h a t erkannt, d a ß es solche Schwankungen des Brechungsindex in der Atmosphäre sind, die die b l a u e F a r b e d e s H i m m e l s hervorrufen. Die Richtigkeit dieser Auffassung ist durch verschiedene interessante Experimente zweifellos erwiesen worden 1 6 ; ja andererseits war es sogar auf Grund der Theorie von S M O L U C H O W S K I möglich, durch optische Messungen der Himmelsfarbe die Größe der Molekeln zu berechnen, in guter Übereinstimmung mit den auf ganz anderen Wegen d a f ü r erhaltenen Werten. In der seit jeher jedermann bekannten Erscheinung des Himmelsblau hat somit erst die moderne Physik eine glänzende empirische Bestätigung der Hypothese erkannt, die aus rein philosophischen Gründen schon im Altertum ein genialer griechischer Denker ersonnen hatte. Einen noch deutlicheren Beweis f ü r die Richtigkeit der kinetischen Molekulartheorie bietet eine Erscheinung, die zuerst vor etwa hundert Jahren von dem Botaniker B R O W N beobachtet wurde und die nach ihm allgemein als B R O W N s e h e B e w e g u n g bezeichnet wird. Denken wir uns einen Gegenstand in der Luft aufgehängt, so wird er nach der atomistischen Auffassung von allen Seiten Stöße durch die auf ihn aufprallenden Molekeln der Luft erfahren. Ist aber der Gegenstand so groß, d a ß er mit freiem Auge sichtbar ist, so wird er infolge der ungeheuren Zahl der Molekeln auch in ver-

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Zweiter Vortrag.

schwindend kleinen Bruchteilen einer Sekunde doch noch viele Millionen von Stößen erfahren. Da aber diese Stöße aus allen möglichen Richtungen erfolgen, so werden sie infolge der durch die große Zahl bedingten Regelmäßigkeit einander nahezu vollständig in ihren Wirkungen aufheben. Die Folge davon wird sein, daß, obwohl der aufgehängte Körper durch den Aufprall der Molekeln in eine gewisse zitternde Bewegung gerät, diese doch viel zu unbedeutend ist, als d a ß sie sich irgendwie bei Objekten äußern könnte, die mit freiem Auge sichtbar sind. Denken wir uns hingegen ein viel kleineres Objekt, denken wir uns etwa ein schwebendes Materie-Teilchen, das man nicht einmal im Mikroskope sehen, sondern nur im Ultramikroskope 1 7 erkennen kann, dann m ü ß t e n sich die individuellen Unregelmäßigkeiten der Stöße in merklicher Weise offenbaren, und das Teilchen m ü ß t e infolge der allseitigen regellosen Stöße eine lebhafte Zickzack-Bewegung ausführen. In der T a t h a t nun schon im J a h r e 1 8 2 7 B R O W N u n t e r dem Mikroskop merkwürdige unregelmäßige Bewegungen entdeckt, die in Flüssigkeiten Pflanzenpollen ausführten, deren Lineardimensionen ungefähr den zweihundertsten Teil eines Millimeters betrugen. B R O W N h a t auch schon festgestellt, d a ß diese Bewegungen um so lebhafter sind, je kleiner die Pollen sind. Ein halbes J a h r h u n d e r t später erkannte erst C H R I S T I A N W I E N E R die wahre Ursache dieser Erscheinung in dem inneren Bewegungszustand, der der Flüssigkeit nach der kinetischen Theorie der Materie zugeschrieben werden m u ß . In G a s e n ist der Nachweis der BROWNSchen Bewegung allerdings erst viel später E H R E N H A F T gelungen. Die exakte Ausgestaltung der T h e o r i e der BROWNSchen Bewegung ist vor allem das Verdienst von E I N S T E I N und von S M O L U C H O W S K I . Die bisherigen Überlegungen lassen uns deutlich erkennen, d a ß sich letzten Endes alle molekularstatistischen Untersuchungen auf W a h r s c h e i n l i c h k e i t s b e t r a c h t u n g e n gründen. Wir haben ja gesehen, d a ß relative Schwankungen um so größer sind, je kleiner die Zahl der Einzelwerte ist, aus denen der schwankende Wert gebildet ist, und d a ß die Schwankungen unmerklich werden, wenn die Zahl der Einzelwerte groß wird. Dies erklärt sich eben daraus, d a ß die Wahrscheinlichkeit

D i e Molekularstatistik.

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f ü r eine Schwankung von bestimmtem relativem Wert (etwa f ü r eine zufällige Verdoppelung) rapid abnimmt, wenn die Zahl der Einzelwerte auch nur von drei bis zu zwanzig erhöht wird. Daß in einer Kleinstadt, in der wöchentlich durchschnittlich etwa drei Menschen sterben, einmal in einer Woche zu^ fälligerweise überhaupt niemand stirbt, mag gar nicht so selten vorkommen. Für eine Millionenstadt ist hingegen ein solches Ereignis so enorm unwahrscheinlich und darum so ungeheuer selten, d a ß man getrost behaupten kann, d a ß sich, seitdem es Millionenstädte gibt und solange es welche geben wird, ein solcher Fall überhaupt noch nie ereignet h a t und auch nie ereignen wird. Man kann es getrost behaupten, weil eben die Wahrscheinlichkeit, d a ß diese Behauptung irrig sei, enoim gering ist. Ein Ereignis, dessen Wahrscheinlichkeit ungeheuer klein ist, bezeichnen wir aber nun einfach als u n m ö g l i c h ; der Unterschied zwischen beiden Begriffen ist so unbedeutend, d a ß im allgemeinen eine Unterscheidung überflüssig erscheint. Beispiele, die wir wieder einem ganz anderen Gebiet als dem der eigentlichen Physik entnehmen wollen, mögen dies näher erläutern. In einer Stadt befinde sich ein Saal, in dem täglich Vorträge stattfinden mögen, und zwar, wie wir der Einfachheit halber annehmen wollen, täglich vor einer gleich großen Menge von Zuhörern. Wir wollen uns nun die Frage vorlegen, ob d u r c h r e i n e n Z u f a l l eines Tages das Ereignis eintreten könnte, d a ß sich nur solche Zuhörer einfinden, deren Namen mit dem Anfangsbuchstaben M a n f ä n g t ; dieses Ereignis wollen wir im folgenden kurz das M-Ereignis nennen. Wer als Laie nicht lange überlegt, wird wohl ohne weiteres die rein zufällige Möglichkeit eines solchen M-Ereignisses verneinen; die vollständige Antwort gibt uns aber doch erst folgende einfache Überlegung. Wir haben die täglich gleich bleibende Zuhörerzahl noch ganz willkürlich gelassen. Nehmen wir einmal an, d a ß die konstante Zuhörerzahl nur zwei betrage; nehmen wir weiter an, d a ß von den Einwohnern der Stadt etwa der zwanzigste Teil einen mit M beginnenden Familiennamen habe; dann ist die Wahrscheinlichkeit des M-Ereignisses bei einer Zahl von zwei Zuhörern ein Vierhundertstel, mit anderen W o r t e n : auf durchschnittlich je 400 Vorträge wird einer

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Zweiter Vortrag.

kommen, bei dem das M-Ereignis eintritt. Wenn die Vorträge täglich stattfinden, wird also durchschnittlich alle 400 Tage das M-Ereignis wiederkehren; die Dauer von 400 Tagen bezeichnen wir daher als die durchschnittliche W i e d e r k e h r z e i t des M-Ereignisses bei zwei Zuhörern. Ist die Zuhörerzahl nun nicht zwei, sondern drei, so wird die Wiederkehrzeit zwanzigmal so groß; erhöhen wir die Zuhörerzahl um je eins, so verzwanzigfacht sich dadurch stets die Wiederkehrzeit. Bei fünf Zuhörern würde sie bereits etwa 8000 Jahre betragen, bei sieben Zuhörern etwa 3 Millionen Jahre, bei zehn Zuhörern etwa 30 Milliarden Jahre, bei zwanzig Zuhörern etwa eine drittel Quadrillion J a h r e . Bei h u n d e r t Zuhörern wäre die Wiederkehrzeit des M-Ereignisses durch eine Zahl von Jahren gegeben, die mit mehr als h u n d e r t Ziffern geschrieben werden m ü ß t e . Selbst wenn die S t a d t mit Namen tragenden Einwohnern ein so hohes Alter h ä t t e , wie es der Erde, ja dem Sonnensystem zugeschrieben werden muß, selbst wenn diese ganze Zeit hindurch täglich vor hundert Zuhörern Vorträge stattgefunden h ä t t e n , so wäre doch die Wahrscheinlichkeit ungeheuer gering, d a ß in diesem über alle Vorstellungen großen Zeitraum auch nur einmal der Fall eingetreten wäre, d a ß aus reinem Zufall sich zu einem Vortrag nur Zuhörer mit dem Anfangsbuchstaben M eingefunden h ä t t e n . 1 8 Wir werden daher von unserem menschlich-anthropomorphen S t a n d p u n k t e aus, von dem aus mit noch größeren Zeiträumen zu rechnen keinen Sinn h ä t t e , den rein zufälligen Eintritt des M-Ereignisses als ausgeschlossen bezeichnen. Ganz allgemein werden wir vom anthropomorphen Standpunkte aus, der natürlich kein absoluter ist, solche Ereignisse als d u r c h Z u f a l l u n m ö g l i c h ansehen, deren W i e d e r k e h r zeit über alle m e n s c h l i c h e n Vorstellungen ung e h e u e r g r o ß ist. Aus demselben Grunde werden wir es auch als praktisch unmöglich bezeichnen, d a ß rein zufällig in einem Vortragssaale die Zuhörer so sitzen, d a ß in der rechten Hälfte des Saales lauter Zuhörer mit Anfangsbuchstaben A bis K und in der linken H ä l f t e lauter Zuhörer mit Anfangsbuchstaben L bis Z sitzen. Die Überlegungen, die wir angestellt haben, lassen sich wegen ihres allgemeinen Charakters aber nun ohne weiteres

Die Molekularstatistik.

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von Menschen auf Molekeln übertragen. So wie die Menschen verschiedene Anfangsbuchstaben ihrer Namen haben, so haben die Molekeln verschiedene Richtungen der Bewegung, so haben sie verschiedene Beträge der Geschwindigkeit. 1 9 Vom molekularstatistischen S t a n d p u n k t e aus werden wir nun unter einem Vorgang, den die Experimentalphysik als Bewegungsvorgang (im engeren Sinne des Wortes) bezeichnet, einen Vorgang zu verstehen haben, bei dem sich eine ungeheuer große Zahl von Molekeln in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit bewegt. Ist dies der Fall, dann sprechen wir im Sinne der Experimentalphysik von Bewegungen eines ganzen Körpers oder von Strömungen oder Wirbelbewegungen, die im Inneren von Flüssigkeiten oder von Gasen a u f t r e t e n ; es handelt sich dann um Vorgänge, die eine makromechanische Energie im Gegensatz zur mikromechanischen Wärmeenergie besitzen. Das Ereignis, d a ß durch reinen Zufall hundert in einem Augenblick benachbarte Molekeln die gleiche Bewegung haben, wäre mit dem früher besprochenen M-Ereignis zu vergleichen. Wie jenes wird auch dieses vom anthropomorphen S t a n d p u n k t e aus als durch Zufall ausgeschlossen bezeichnet werden müssen; ja die Wahrscheinlichkeit d a f ü r , d a ß in einem f ü r den beobachtenden Experimentalphysiker scheinbar ruhigen Gase d u r c h Z u f a l l a u s d e r W ä r m e b e w e g u n g e i n g r o b m e c h a n i s c h e r V o r g a n g e n t s t e h t , ist noch ungeheuer geringer als die Wahrscheinlichkeit des M-Ereignisses bei h u n d e r t Individuen; denn bei der Entstehung eines makromechanischen Vorganges müßten nicht bloß hundert, sondern viele, viele Millionen von Molekeln beteiligt sein. Die Molekeln haben in ihrer regellosen, als Wärme bezeichneten .Bewegung nicht n u r verschiedene Richtungen, sondern, wie schon erwähnt, auch verschiedene Beträge der Geschwindigkeit. Wir wollen uns nun ein Gefäß denken, in dem ein Gas enthalten sei. Könnte es durch Zufall geschehen, daß in der rechten Hälfte vorwiegend die Molekeln sich befänden, deren Geschwindigkeitsbetrag größer ist als der durchschnittliche und in der linken H ä l f t e die Molekeln, bei denen das Umgekehrte der Fall ist, dann würde dies eine zufällige Entstehung eines Temperaturunterschiedes bedeuten, indem die rechte Hälfte des Gefäßes wärmer, die linke kühler würde.

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Zweiter Vortrag.

Ein solches Ereignis erscheint ebenso praktisch ausgeschlossen wie die vorhin angegebene, durch Zufall geordnete Verteilung der Zuhörer auf die beiden Hälften eines Saales. Vom anthropomorphen S t a n d p u n k t e aus, aber auch nur von diesem aus, werden wir es also als unmöglich bezeichnen, d a ß sich durch bloßen Zufall Wärmeenergie in grobmechanische umwandle oder d a ß sich von selbst innerhalb eines überall gleich warmen Körpers Temperaturunterschiede ausbilden. Wenn aber nun, ganz allgemein gesprochen, Gesamtheitszustände von größerer Wahrscheinlichkeit häufiger sind als solche von geringerer Wahrscheinlichkeit, dann muß n a t ü r lich jeder Gesamtheitszustand von geringer Wahrscheinlichkeit ein s c h e i n b a r e s B e s t r e b e n zeigen, in einen Gesamtheitszustand von g r ö ß e r e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t überz u g e h e n . Der Experimentalphysiker m u ß daher von seinem anthropomorphen S t a n d p u n k t e aus zu der Erkenntnis gelangen, d a ß g r o b m e c h a n i s c h e E n e r g i e e i n e T e n d e n z z u r U m w a n d l u n g in W ä r m e e n e r g i e zeige, daß jeder grobmechanische Vorgang infolge von Reibung stets mit einer W ä r m e e n t w i c k l u n g verbunden sein müsse, d a ß andererseits aber auch bestehende T e m p e r a t u r u n t e r s c h i e d e die Tendenz haben m ü ß t e n , sich a u s z u g l e i c h e n . Da also die zufällige Umwandlung von grobmechanischer Energie in Wärmeenergie eine der vollständigen Regelmäßigkeit gleichkommende Wahrscheinlichkeit besitzt, der umgekehrte Vorgang aber eine unter aller Vorstellungsmöglichkeit geringe Wahrscheinlichkeit, da dasselbe auch f ü r den Ausgleich von Temperaturen und den umgekehrten Vorgang gilt, so m u ß alles natürliche Geschehen der anthropomorphen Physik als n i c h t u m k e h r b a r oder, wie m a n auch sagt, als i r r e v e r s i b e l erscheinen. Diese Erkenntnis bildet aber den Inhalt eines Satzes, der in der Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s der Wärmelehre als deren sogenannter z w e i t e r H a u p t s a t z eingefügt wurde und der wegen der philosophischen Ausblicke, die er zu eröffnen schien, stets einen gewissermaßen mystischen Charakter h a t t e . Vom S t a n d p u n k t e der modernen Molekularstatistik aus ist der zweite H a u p t s a t z eigentlich überhaupt kein Gesetz, sondern n u r eine R e g e l , f ü r deren Erfüllung allerdings stets eine der Sicherheit praktisch gleich kommende W a h r s c h e i n l i c h k e i t

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D i e Molekularstatistik.

besteht. Als richtig kann der zweite H a u p t s a t z daher nur von einer Physik angesehen werden, die im Sinne der Worte eines griechischen Denkers 2 0 ,,an alle Dinge den Maßstab des Menschen anlegt". Als wahr kann der zweite H a u p t s a t z nur von einer Physik bezeichnet werden, die jede Behauptung wahr nennt, f ü r die die Wahrscheinlichkeit einer Widerlegung durch die Erfahrung unter aller menschlichen Vorstellungsmöglichkeit klein ist. Hinsichtlich solcher Anwendungen, die über das dem Menschen Begreifbare hinausgehen, darf aber der zweite H a u p t s a t z nicht mehr volle Geltung beanspruchen. Diese neue Auffassung des zweiten Hauptsatzes geht auf B O L T Z M A N N zurück, der zuerst f ü r den Satz und zwar im J a h r e 1866 eine atomistische Deutung fand, indem er ihn auf Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen zurückführte. 2 1 Die klare Durchbildung und Vollendung des genialen B O L T Z M A N N schen Gedankens ist aber wieder das große Verdienst von S M O L U C H O W S K I , dessen Untersuchungen in die ersten zwei J a h r z e h n t e des 20. J a h r h u n d e r t s fallen. So vermag, wie wir gesehen haben, der menschliche Geist eine o r d n e n d e W i r k u n g d e s Z u f a l l s n u r dann zu begreifen, wenn die Zahl der individuellen Begebenheiten gering ist. Das Beispiel des von uns so genannten M-Ereignisses h a t uns ja gezeigt, d a ß schon bei einer Zahl von n u r hundert Individuen (die gewissermaßen zwanzig Sorten angehörten) der menschliche Geist außerstande ist, um auch nur im entferntesten eine vorhandene Ordnung als Werk des Zufalls zu begreifen". Nun spielen sich aber infolge der außerordentlichen Kleinheit der Molekeln in der Luft eines Zimmers stets viele Quadrillionen individueller Vorgänge ab. Wollte man bei Systemen mit einer so ungeheueren Individuenzahl die Wiederkehrzeit einer zufälligen und grob sinnlich wahrnehmbaren Ordnung angeben, so wäre die Zahl von Jahren, die die Wiederkehrzeit bestimmt, unvorstellbar groß. Sie wäre so ungeheuer groß, daß, wenn man sie auf einen Papierstreifen aufschreiben wollte, der von der Erde zum Mond gespannt wäre, man mit dem Anschreiben der Zahl noch lange, lange nicht fertig wäre, wenn man auch den Papierstreifen bis zum Mond beschrieben h ä t t e . Auch in unserer Sternenwelt offenbart sich eine Ordnung HAAS, Das Naturbild der neuen Physik.

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Zweiter Vortrag.

Die Molekularstatistik.

dadurch, d a ß sich große Himmelskörper als ganze bewegen. Wie könnte nach dem eben Gesagten ein menschlicher Geist die Möglichkeit erfassen, d a ß diese Ordnung durch einen Zufall aus dem Chaos der regellosen molekularen Wärmebewegung unseres Universums entstanden w ä r e ? Aber das Unvermögen unseres Geistes, solches zu erfassen, kann keinen Beweis gegen eine solche Möglichkeit bilden. Über die Berechtigung einer derartigen Annahme kann nicht die Physik, sondern n u r die Philosophie urteilen. Die theoretische Möglichkeit einer solchen Annahme h a t die moderne Molekularstatistik erwiesen, freilich n u r im Zusammenhange mit ihrer U n b e g r e i f b a r k e i t .

Dritter

Vortrag.

Die Elektronentheorie. Die Begründung der elektromagnetischen Lichttheorie und die Schöpfung der mechanischen Wärmetheorie stellen die beiden großen Leistungen dar, die in dem Streben nach einer Vereinheitlichung des Naturbildes die theoretische Physik in der zweiten Hälfte des neunzehnten J a h r h u n d e r t s vollbrachte. Durch die MAxwELtsche Theorie war der E l e k t r i z i t ä t die führende Rolle unter den N a t u r k r ä f t e n zugefallen; andererseits verdankte die mechanische Wärmetheorie ihre großen Erfolge dem Prinzipe der I n d i v i d u a l i s i e r u n g in dessen Anwendung auf die Materie. Notwendigerweise mußte daher die weitere Entwicklung der Physik dazu führen, d a ß das als so f r u c h t b a r erkannte Prinzip der Individualisierung nun auch in der Elektrizitätslehre verwertet wurde; und dies war offenbar nur möglich durch die Annahme k l e i n e r i n d i v i d u e l l e r e l e k t r i s c h e r L a d u n g e n , die in einen Zusammenhang gebracht werden mußten zu den als M o l e k e l n bezeichneten Individuen, in die die mechanische Wärmetheorie die Materie auflöste. Andererseits zwangen schon lange die Grundtatsachen der C h e m i e zu der Folgerung, d a ß die Molekeln aus einer (im allgemeinen nicht großen) Zahl von sogenannten A t o m e n zusammengesetzt sind, deren es ebensoviel Arten geben soll, als die Chemie G r u n d s t o f f e kennt. Diese Hypothese ist schon im J a h r e 1805 von DALTON aufgestellt worden; sie gründet sich auf ein empirisches, von DALTON entdecktes Gesetz, das als G e s e t z d e r m u l t i p l e n Proportionen bezeichnet wird und dessen Inhalt man etwa folgendermaßen ausdrücken 3*

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Dritter Vortrag.

k a n n : Es läßt sich jedem chemischen Grundstoff eine bestimmte, ihn charakterisierende Zahl derart zuordnen, d a ß die in einer chemischen Verbindung enthaltenen Mengen der Grundstoffe sich untereinander so verhalten wie ganzzahlige Vielfache der für die betreffenden Elemente charakteristischen Zahlen. Das Gesetz der multiplen Proportionen f i n d e t nun eine sehr einfache Deutung durch die Annahme, d a ß die f ü r die Grundstoffe charakteristischen Zahlen nichts anderes darstellen als die r e l a t i v e n G e w i c h t e i h r e r A t o m e und d a ß eben die Molekeln sich aus den Atomen der chemisch verbundenen Grundstoffe aufbauen. Man denkt sich also z. B. eine Wassermolekel gebildet aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom, wobei, auf Wasserstoff bezogen, das Atomgewicht des Sauerstoffs etwa 16 b e t r ä g t 1 ; d . h. also, ein Sauerstoffatom ist etwa 16 mal so schwer wie ein Wasserstoffatom. Die Schwefelsäuremolekel d e n k t man sich zusammengesetzt aus zwei Wasserstoffatomen, einem Schwefelatom und vier Sauerstoffatomen. Bei organischen Verbindungen ist die Zahl der in einer Molekel enthaltenen Atome viel größer; so besteht beispielsweise eine Rohrzuckermolekel aus 45, eine Molekel des Hämoglobins (des roten Farbstoffs des Blutes) aus wahrscheinlich 2378 Atomen. 2 Auch die Molekeln der Grundstoffe selbst m u ß die Chemie aus verschiedenen Gründen im allgemeinen aus mehr als einem Atome zusammengesetzt annehmen, im allgemeinen aus zweien 3 , bei einigen Grundstoffen auch aus mehr. So n i m m t man z. B. an, d a ß die Molekeln des Phosphors im allgemeinen aus vier, die des Schwefels in einer bestimmten Modifikation gar aus acht Atomen bestehen. Besonderes Interesse besitzen f ü r die Physik die Gase, deren Molekeln e i n a t o m i g sind, bei denen sich also die Begriffe Molekel und Atom decken. Dies t r i f f t f ü r die Edelgase zu, die erst gegen Ende des 19. J a h r h u n d e r t s in der Atmosphäre entdeckt wurden, ferner auch f ü r Quecksilberdampf und Joddämpf. Im allgemeinen ist die Frage des molekularen Aufbaues noch nicht gelöst; im allgemeinen weiß die Physik heute noch nicht, wie sich die Molekeln aus den Atomen zusammensetzen. Nur hinsichtlich der K r i s t a l l e ist der Physik in den letzten J a h r e n die Lösung des Problems' gelungen. Aus den (in

Die Elektronentheorie.

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dem ersten Vortrag erwähnten) LAUE s e h e n Photog r a m m e n vermochten nämlich im J a h r e 1913 zwei englische Physiker, namens BRAGG, Vater und Sohn, mit zwingender Beweiskraft Schlüsse über die Konstitution verschiedener Kristalle zu ziehen, so z. B. hinsichtlich des S t e i n s a l z e s , in dem die Elemente Chlor und Natrium im Verhältnis ihrer Atomgewichte miteinander verbunden sind. Wie die BRAGG erkannten, ist die S t r u k t u r des Steinsalzes überaus einfach; es sind nämlich die Natrium- und die Chloratome abwechselnd würfelförmig in gleichen Abständen angeordnet. (In Fig. 3, die man sich nach allen Richtungen hin fortgesetzt zu denken

Fig. 3.

hat, sind die Natrium- und Chloratome durch kleine helle und dunkle Kreise unterschieden.) Ähnlich liegen die Verhältnisse bei anderen Kristallen, so z. B. bei dem einen chemischen Grundstoff darstellenden D i a m a n t e n (Fig. 4), bei dem sich immer je vier beliebig herausgegriffene benachbarte Kohlenstoffatome zu einem Tetraeder vereinigen lassen. H a t t e so schon die DALTONSche Theorie als Bausteine der Materie die Atome der chemischen Grundstoffe hingestellt, so f ü h r t e n andererseits die Grundtatsachen der E l e k t r o c h e m i e allmählich zu der Erkenntnis, d a ß m i t d e n A t o m e n b e s t i m m t e e l e k t r i s c h e L a d u n g e n v e r b u n d e n sein müssen. Im J a h r e 1833 h a t t e FARADAY überaus einfache Gesetze

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Dritter Vortrag.

f ü r den Vorgang der E l e k t r o l y s e entdeckt, nämlich f ü r die chemische Zerlegung von flüssigen Elektrizitätsleitern durch den elektrischen Strom. Das bekannteste Beispiel d a f ü r ist ja die Zerlegung des Wassers in seine Bestandteile, in Wasserstoff, der an der Austrittsstelle des Stromes, und in Sauerstoff, der an der Eintrittsstelle ausgeschieden wird. 4 Die Erscheinung der Elektrolyse läßt sich nun überaus einfach erklären, wenn man a n n i m m t , d a ß in flüssigen Stromleitern die Molekeln ganz oder zum Teil in zwei entgegengesetzt elektrisch geladene Bestandteile, in sogenannte I o n e n 5 gespalten sind. Man h ä t t e beispielsweise anzunehmen, d a ß eine

Wassermolekel gespalten ist in ein positiv elektrisches Wasserstoffion, bestehend aus zwei Wasserstoffatomen und in ein negativ elektrisches Sauerstoffion, bestehend aus einem Sauerstoffatom. Die Elektrizitätsleitung in Flüssigkeiten h a t ' man sich dann einfach vorzustellen als einen T r a n s p o r t solcher Ionen, die infolge ihrer entgegengesetzten elektrischen Ladungen in entgegengesetzten Richtungen wandern, so d a ß die positiven Ionen an der Austrittsst'elle, die negativen an der Eintrittsstelle des Stromes ausgeschieden werden. 6 Die von FARADAY entdeckten Gesetzmäßigkeiten der Elektrolyse 7 finden nun eine sehr einfache Deutung durch die Annahme, d a ß jedem Wasserstoffatom im elektrisch geladenen,

Die Elektronentheorie.

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im sogenannten i o n i s i e r t e n Zustande stets ganz dieselbe Elektrizitätsmenge zukommt, die man heute das e l e k t r i s c h e E l e m e n t a r q u a n t u m nennt 8 , und wenn man ferner annimmt, d a ß die Ladung jedes ganz beliebigen Ions gleich ist dem elektrischen E l e m e n t a r q u a n t u m oder doppelt so groß oder dreimal so groß und so fort, je nach der sogenannten chemischen Wertigkeit des betreffenden Ions. 9 Die Größe des elektrischen Elementarquantums kennen wir heute sehr genau. Auf Grund der schon von FARADAY angestellten Messungen weiß man nämlich, welche Elektrizitätsmenge von einem Gramm Wasserstoff bei der Elektrolyse transportiert wird. Man kennt somit f ü r die ionisierten Wasserstoffatome das Verhältnis zwischen ihrer Ladung und ihrer Masse; diese Größe nennt man die s p e z i f i s c h e L a d u n g des ionisierten Wasserstoffatoms. Da man nun andererseits den Wert der Masse einer Wasserstoffmolekel und d a m i t auch den halb so großen Wert der Masse eines Wasserstoffatoms (wie in dem zweiten Vortrage erwähnt wurde) immer genauer bestimmen konnte, so konnte auch das elektrische E l e m e n t a r q u a n t u m sehr genau ermittelt werden. Es ergeben ungefähr zwei Milliarden elektrischer Elementar^ quanten die sogenannte absolute elektrostatische Einheit der Elektrizitätsmehge, von deren Größe man eine Vorstellung dadurch gewinnt, d a ß die üblichen Ladungen von Leidener Flaschen einige wenige elektrostatische Einheiten betragen. 1 0 Die Ladung eines ionisierten Wasserstoffatoms ist also absolut nicht groß, wohl aber relativ sehr beträchtlich wegen der außerordentlichen Kleinheit der Molekeln und Atome. Betrachten wir nämlich zwei ionisierte Wasserstoffatome, so wirken zwischen ihnen zwei verschiedene Kräfte, einerseits die Gravitationskraft, weil ja die beiden Atome infolge ihrer Massen gegeneinander gravitieren, andererseits eine elektrische K r a f t , weil ja die beiden elektrischen Ladungen, die den ionisierten Atomen a n h a f t e n , aufeinander eine abstoßende K r a f t ausüben; beide K r ä f t e sind hierbei umgekehrt proportional dem Quadrate der E n t f e r n u n g der Atome. Durch eine einfache Rechnung findet man nun leicht, d a ß die elektrische K r a f t zwischen den ionisierten Atomen ungefähr eine Sextillion mal

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Dritter Vortrag.

so g r o ß ist w i e die G r a v i t a t i o n s k r a f t z w i s c h e n ihnen, also -ungefähr eine Trillion mal einer Trillion m a l so s t a r k . 1 1 Die E r k e n n t n i s , d a ß die A t o m e m i t elektrischen L a d u n g e n v e r b u n d e n sein müssen, g e w a n n n u n eine g a n z besondere B e d e u t u n g d u r c h zwei neue w i c h t i g e B e g r i f f e , die u m d a s J a h r 1 8 8 0 der E l e k t r i z i t ä t s t h e o r i e e i n g e f ü g t w u r d e n ; es sind dies die B e g r i f f e des K o n v e k t i o n s s t r o m e s und der elektrom a g n e t i s c h e n Masse. D e r B e g r i f f des K o n v e k t i o n s s t r o m e s ist aus d e r U n t e r s u c h u n g der W i r k u n g e n h e r v o r g e g a n g e n , die eine b e w e g t e e l e k t r i s c h e L a d u n g a u s ü b t . Die V e r m u t u n g s p r a c h d a f ü r , d a ß die B e w e g u n g eines g e l a d e n e n K ö r pers einen elektrischen S t r o m darstelle und d a ß ein solcher S t r o m , den m a n eben K o n v e k t i o n s s t r o m n a n n t e , d i e s e l b e n E i g e n s c h a f t e n h a b e , wie sie an L e i t e r s t r ö m e n in D r ä h t e n empirisch f e s t g e s t e l l t w o r d e n w a r e n . D a ß diese V e r m u t u n g in der T a t z u t r i f f t , w u r d e schon im J a h r e 1876 d u r c h einen V e r s u c h des a m e r i k a n i s c h e n P h y s i k e r s R O W L A N D b e s t ä t i g t ; dieser v e r s e t z t e eine P l a t t e , die m i t elektrisch geladenen S t a n n i o l S e k t o r e n b e l e g t w a r , in rasche R o t a t i o n und v e r m o c h t e d a d u r c h eine in der N ä h e befindliche M a g n e t n a d e l g e n a u so abz u l e n k e n , wie dies d u r c h L e i t e r s t r ö m e b e w i r k t w i r d . A u s der E r k e n n t n i s , d a ß ein K o n v e k t i o n s s t r o m g a n z dieselben E i g e n s c h a f t e n b e s i t z t wie ein L e i t e r s t r o m , v e r m o c h t e a b e r n u n im J a h r e 1881 J O S E P H J O H N T H O M S O N eine überraschende F o l g e r u n g zu ziehen. N a c h der MAxwELLScheft Theorie der E l e k t r i z i t ä t und des M a g n e t i s m u s m u ß n ä m l i c h j e d e m e l e k t r i s c h e n oder m a g n e t i s c h e n F e l d e als solchem eine gewisse E n e r g i e z u k o m m e n . Andererseits erzeugt nun eine b e w e g t e elektrische L a d u n g , weil sie einen K o n v e k t i o n s s t r o m d a r s t e l l t , d u r c h ihre B e w e g u n g ein M a g n e t f e l d . Dieses M a g n e t f e l d und d a h e r a u c h seine E n e r g i e sind n u r v o r h a n d e n , w e n n sich die L a d u n g b e w e g t . N a c h d e m S a t z e v o n d e r E r h a l t u n g d e r Energie k a n n aber diese Energie des M a g n e t f e l d e s u n m ö g l i c h aus n i c h t s e n t s t e h e n . E s ist d a h e r u n b e d i n g t ein A u f w a n d a n E n e r g i e n o t w e n d i g , u m ü b e r h a u p t eine elektrische L a d u n g in B e w e g u n g zu v e r s e t z e n . Eine elektrische L a d u n g b e s i t z t also an sich die E i g e n s c h a f t , die als T r ä g h e i t , die als t r ä g e M a s s e b e z e i c h n e t w i r d . D e n n d a ß e t w a ein S t e i n eine t r ä g e Masse b e s i t z t , ä u ß e r t sich j a eben d a r i n , d a ß

D i e Elektronentheorie.

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ein A u f w a n d an Energie erforderlich ist, u m ihn in B e w e g u n g z u s e t z e n , u m ihm eine b e s t i m m t e G e s c h w i n d i g k e i t zu erteilen. J e d e elektrische L a d u n g v e r h ä l t sich d e m n a c h so, als ob sie eine b e s t i m m t e Masse h ä t t e , die man als ihre e l e k t r o m a g n e t i s c h e M a s s e bezeichnet. Die nähere U n t e r s u c h u n g z e i g t , d a ß die e l e k t r o m a g n e t i s c h e Masse proportional sein m u ß d e m Q u a d r a t e der L a d u n g , und w o f e r n die L a d u n g k u g e l f ö r m i g ist, u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l sein m u ß d e m H a l b m e s s e r der K u g e l 1 2 ; je k l e i n e r der R a d i u s , desto g r ö ß e r die Masse. V o n d e m B e g r i f f der elektrischen L a d u n g ist also der B e g r i f f der Masse ü b e r h a u p t n i c h t zu t r e n n e n . Daraus folgt, d a ß j e d e r K o n v e k t i o n s s t r o m unbedingt z u g l e i c h e i n e n m e c h a n i s c h e n V o r g a n g d a r s t e l l e n muß. Jeder Konv e k t i o n s s t r o m k a n n s o m i t v o n zwei g a n z verschiedenen Seiten b e t r a c h t e t w e r d e n ; es können auf ihn sowohl die G e s e t z e d e r E l e k t r i z i t ä t s l e h r e als a u c h die der M e c h a n i k a n g e w e n d e t werden. G e r a d e diese g l e i c h z e i t i g e Anwendbarkeit b e i d e r A r t e n v o n G e s e t z e n auf denselben V o r g a n g , gerade dieser, e l e k t r o m e c h a n i s c h e P a r a l l e l i s m u s s c h a f f t n u n eine Reihe n e u e r B e z i e h u n g e n , deren g r o ß e F r u c h t b a r k e i t o f f e n b a r w u r d e , als im J a h r e 1 8 9 5 der holländische P h y s i k e r L O R E N T Z die E l e k t r o n e n t h e o r i e schuf.13 Die LoRENTZsche T h e o r i e g r ü n d e t sich auf den B e g r i f f d e s K o n v e k t i o n s s t r o m e s . Sie n i m m t an, d a ß m i t den Molekeln kleine bewegliche elektrische L a d u n g e n v e r b u n d e n seien, deren L a g e n ä n d e r u n g e n eben K o n v e k t i o n s s t r ö m e darstellen. Sie n i m m t w e i t e r auf Grund der elektrochemischen G e s e t z m ä ß i g k e i t e n an, d a ß diese L a d u n g e n , die LORENTZ als E l e k t r o n e n b e z e i c h n e t , je ein elektrisches E l e m e n t a r q u a n t u m b e t r a g e n . Die LoRENTZsche T h e o r i e s t e l l t eine E r w e i t e r u n g d e r M A X W E L L s e h e n T h e o r i e d a r . Die w e s e n t l i c h e n , b e w ä h r t e n G r u n d l a g e n der M A x w E L L S c h e n Theorie w e r d e n b e i b e h a l t e n ; a b e r d u r c h die E i n f ü g u n g der E l e k t r o n e n h y p o t h e s e w u r d e die e l e k t r o m a g n e t i s c h e T h e o r i e n u n auch izu der E r k l ä r u n g m a n c h e r E r s c h e i n u n g e n b e f ä h i g t , denen g e g e n ü b e r die ursprüngliche M A x w E L L S c h e T h e o r i e völlig v e r s a g t h a t t e . N i c h t n u r an den schon v o n FARADAY e n t d e c k t e n e l e k t r o c h e m i s c h e n Gesetzm ä ß i g k e i t e n w a r die M A x w E L L S c h e Theorie a c h t l o s v o r ü b e r g e g a n g e n ; a u c h die E r s c h e i n u n g e n der E n t l a d u n g in v e r d ü n n t e n

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Dritter Vortrag.

Gasen waren ihr fremd geblieben; und vor allem gab es auch in der Optik eine längst bekannte Tatsache, die eine Weiterbildung der MAXWELLSchen Theorie unbedingt erforderte. Es war das Phänomen der Farbenzerstreuung oder der D i s persion des Lichtes. NEWTON, der sich zuerst in exakter Weise mit dieser Erscheinung befaßte, h a t bereits die wichtige Entdeckung gemacht, d a ß Licht von verschiedener Periodizität in verschiedenem Grade gebrochen wird. Die Erklärung dieser T a t sache bereitete aber nun sowohl der elastischen Lichttheorie als auch der MAXWELLSchen Theorie in deren ursprünglicher Fassung die größten Schwierigkeiten. Hingegen ergab sich eine einfache Erklärung, als man annahm, d a ß im Inneren der Molekeln elektrisch geladene und mit träger Masse ausgestattete Teilchen enthalten seien, die ihrerseits periodisch verlaufende mechanische Vorgänge ausführen. Wird nämlich ein solches elektrisch geladenes Teilchen (also ein Elektron im Sinne der LoRENTZschen Theorie) von einer Lichtwelle getroffen, so wirkt darauf eine K r a f t , die Richtung oder Betrag oder beides periodisch ä n d e r t ; denn eine Lichtwelle ist ja nichts anderes als ein räumlich und zeitlich periodisch veränderliches elektrisches Feld. Da also auf das von einer Lichtwelle getroffene Elektron eine periodisch veränderliche K r a f t wirkt, während das Elektron selbst eine periodische Bewegung ausführt, so muß es wegen des Zusammentreffens zweier periodischer Vorgänge zu Erscheinungen von der Art kommen, die man in der Akustik als R e s o n a n z , allgemein als e r z w u n g e n e S c h w i n g u n g e n 1 4 bezeichnet. Auf diese Vorstellung ließ sich nun (worauf hier nicht näher eingegangen werden kann) eine Theorie der Dispersion gründen, die mit den Ergebnissen der E r f a h r u n g in sehr guter Übereinstimmung s t e h t . 1 5 Auf Grund der LoRENTZschen Theorie konnte nun auch eine bedeutungsvolle optische Entdeckung leicht erklärt werden, die im Jahre 1896 dem holländischen Physiker Z E E M A N g l ü c k t e ; es ist dies die Z e r l e g u n g v o n S p e k t r a l l i n i e n i n e i n e m Magnetfelde. Der sogenannte Z E E M A N - E f f e k t ist im allgemeinen recht kompliziert. Im einfachsten Falle besteht er darin, d a ß eine Spektrallinie in einem Magnetfelde in zwei Linien zerlegt wird, die von der Lage der ursprünglichen Linie

D i e Elektronentheorie.

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nach beiden Seiten gleich weit abstehen. 1 8 Diese merkwürdige Erscheinung ließ sich n u n aus der von LORENTZ entwickelten Elektronentheorie rein m a t h e m a t i s c h ableiten, so d a ß m a n in dem ZEEMAN-Effekt eine glänzende experimentelle Bestätigung der LoRENTzschen Theorie erblicken m u ß t e . Aus der näheren U n t e r s u c h u n g des ZEEMAN-Effektes folgte zunächst, d a ß er d u r c h n e g a t i v elektrische Teilchen hervorgerufen werden m u ß . Überdies ergab sich aber aus den Ausmessungen, d a ß die spezifische Ladung der den E f f e k t verursachenden elektrischen Teilchen etwa 1800mal größer ist als bei den ionisierten W a s s e r s t o f f a t o m e n . N a h m m a n also an, d a ß die elektrischen Teilchen mit je einem elektrischen E l e m e n t a r q u a n t u m geladen sind, so war man zu der überraschenden Folgerung gezwungen, d a ß die M a s s e der Teilchen noch 1 8 0 0 m a l k l e i n e r ist als die des W a s s e r s t o f f a t o m s , die m a n bis dahin f ü r die kleinste ü b e r h a u p t mögliche Masse gehalten h a t t e . Diese merkwürdige Folgerung fand aber n u n schon in den allernächsten J a h r e n eine glänzende Bestätigung durch die Ergebnisse, zu denen die nähere U n t e r s u c h u n g der sogenannten K a t h o d e n s t r a h l e n f ü h r t e . Die Kathodenstrahlen, die im J a h r e 1859 von P L Ü C K E R e n t d e c k t worden waren, t r e t e n in GEissLERsdien Röhren auf, die s t a r k v e r d ü n n t e Gase enthalten, und zwar gehen sie von der Stelle aus, an der der elektrische Strom aus der Röhre austritt 1 7 , von der K a t h o d e . Die Kathodenstrahlen breiten sich geradlinig a u s ; ein in ihren Weg gestellter Gegenstand w i r f t daher einen S c h a t t e n ; aber ihre merkwürdigste Eigenschaft ist, d a ß sie d u r c h e i n e n M a g n e t e n l e i c h t a b g e l e n k t werden. S p ä t e r fand m a n , d a ß sie auch in einem elektrischen Felde eine Ablenkung e r f a h r e n , und schließlich stellte sich auch heraus, d a ß Körper, die von Kathodenstrahlen getroffen w e r d e n , d a d u r c h negativ elektrisch werden. Diese Eigenschaften der Kathodenstrahlen lassen sich nun sehr einfach durch die A n n a h m e erklären, d a ß sie aus rasch bewegten, elektrisch geladenen Teilchen bestehen, die zugleich eine träge Masse besitzen. In der T a t folgt aus der Trägheit ohne weiteres die geradlinige Ausbreitung, aus der elektrischen Ladung die Ablenkung in einem elektrischen Felde. Da anderer-

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Dritter Vortrag.

seits aber die in rascher Bewegung begriffenen elektrischen Teilchen Konvektionsströme darstellen, müssen sie als solche im Magnetfeld eine Ablenkung e r f a h r e n , genau so wie eine bewegliche Stromspirale durch einen Magneten angezogen oder abgestoßen wird. D u r c h die Ausmessungen der Ablenkungen im elektrischen und magnetischen Felde konnten aber nun zwei f ü r die Kathodenstrahlen wesentliche Größen b e s t i m m t werden, einerseits die G e s c h w i n d i g k e i t und andererseits die s p e z i f i s c h e L a d u n g der Kathodenstrahlteilchen, also das Verhältnis zwischen ihrer L a d u n g und ihrer Masse, Die Ergebnisse waren sehr merkwürdig. Es zeigte sich nämlich, d a ß die so ermittelte Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen ungeheuer groß ist, d a ß sie ein Fünftel bis ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit b e t r ä g t , die ihrerseits ja gleich 3 0 0 0 0 0 km in der Sekunde ist. Die K a t h o d e n s t r a h l t e i l c h e n bewegen sich also so rasch, d a ß sie zur Zurücklegung des Weges von der Erde zur Sonne n u r u n g e f ä h r eine halbe S t u n d e brauchen w ü r d e n . Für die spezifische Ladung der Kathodenstrahlteilchen ergab sich aber n a h e z u derselbe W e r t wie bei den hypothetischen Teilchen, in denen die Elektronentheorie die Ursache des ZEEMAN-Effektes erblickte. Daraus m u ß t e der Schluß gezogen werden, d a ß die den ZEEMAN-Effekt hervorrufenden Teilchen i d e n t i s c h seien m i t den Kathodenstrahlteilchen, n u r m i t d e m U n t e r schiede eben, d a ß diese B e s t a n d t e i l e d e s A t o m s in dem einen Falle an die A t o m e gebunden sind, während sie im anderen Falle, von den Atomen losgelöst, frei den R a u m durcheilen. Ein Gegenstück zu den K a t h o d e n s t r a h l e n bilden die sog e n a n n t e n A n o d e n s t r a h l e n , die bei hoher V e r d ü n n u n n g in GEissLERSchen Röhren von der Eintrittsstelle des Stromes, von d e r sogenannten Anode ausgehen. 1 8 Die Anodenstrahlen werden im elektrischen und im magnetischen Felde ebenso wie die K a t h o d e n s t r a h l e n abgelenkt, -jedoch in entgegengesetztem Sinne; es m u ß t e d a r a u s gefolgert werden, d a ß sie aus p o s i t i v e l e k t r i s c h e n Teilchen bestehen. Geschwindigkeit und spezifische L a d u n g k o n n t e n nach derselben Methode wie bei den K a t h o d e n s t r a h l e n b e s t i m m t w e r d e n . Man f a n d , d a ß die Anodenstrahlen langsamer sind als die K a t h o d e n s t r a h l e n ; ihre Geschwindigkeit b e t r ä g t n u r Bruchteile eines Prozentes

Die Elektronentheorie.

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der Lichtgeschwindigkeit. Für die spezifische Ladung aber ergaben sich bei den Anodenstrahlen Werte von derselben Größenordnung wie bei elektrolytischen Ionen. Die Masse der positiven Anodenstrahlteilchen m u ß also ungefähr ebenso groß angenommen werden wie die Masse der Atome selbst. Die vorhin besprochenen Erscheinungen der Kathodenstrahlen bieten einen überzeugenden Beweis für die Richtigkeit der Annahme, d a ß ein in Bewegung begriffenes Elektron dieselben Erscheinungen wie ein Leitungsstrom hervorruft. Da aber andererseits jeder kreisförmige Leitungsstrom (wie aus der Experimentalphysik bekannt ist) dieselben Wirkungen hervorruft wie ein Magnet 1 9 , so bietet die Elektronentheorie die Möglichkeit, alle Erscheinungen des M a g n e t i s m u s auf k r e i s e n d e E l e k t r o n e n zurückzuführen. Die moderne Theorie n i m m t an, d a ß die Molekeln aller Substanzen kreisende Elektronen enthalten, die also k o n v e k t i v e M o l e k u l a r s t r ö m e darstellen würden. 2 0 Durch diese Annahme ließen sich alle bereits bekannten magnetischen Phänomene leicht deuten, insbesondere die von FÄRADAY im Jahre 1845 entdeckte Tatsache, d a ß der M a g n e t i s m u s e i n e u n i v e r s e l l e E i g e n s c h a f t aller. Materie und nicht bloß einiger ausgezeichneter Stoffe ist. 2 1 Andererseits f ü h r t e die Elektronentheorie des Magnetismus auch zu der Auffindung neuer Phänomene, die der älteren Lehre noch unbekannt waren 2 2 ; aber das interessanteste Ergebnis, zu dem die Elektronentheorie des Magnetismus f ü h r t e , war die Erkenntnis eines gewissen magnetomechanischen Parallelismus, der für die Molekularströme besteht. Ein mit träger Masse ausgestattetes kreisendes Elektron stellt nämlich einerseits einen winzigen Magneten dar, andererseits ist es in mechanischer Hinsicht einem K r e i s e l vergleichbar. Trifft aber nun diese Auffassung zu, dann müßte es, wie zuerst EINSTEIN erkannte, möglich sein, einen weichen Eisenstab durch rasches U m m a g n e t i s i e r e n in eine schwache, aber doch wahrnehmbare momentane D r e h u n g zu versetzen. In der T a t ist die Durchführung dieses Experimentes im J a h r e 1915 EINSTEIN in Gemeinschaft mit dem holländischen Physiker DE HAAS gelungen. Aus den Beobachtungen ging hervor, d a ß die magnetischen Erscheinungen offenbar durch negative Elektronen hervorgerufen werden müssen. Auch die Er-

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Dritter Vortrag.

scheinung, die dem von E I N S T E I N entdeckten Effekt entgegengesetzt ist, ist beobachtet worden; es ist gelungen, einen weichen Eisenstab dadurch zu magnetisieren, d a ß man ihn um seine Achse rasch rotieren ließ. 2 3 Bei den mannigfachsten Phänomenen sind so als die eigentlichen Erzeuger der Erscheinungen n e g a t i v e E l e k t r o n e n erkannt worden, Teilchen, deren Masse n u r einen winzigen Bruchteil der Masse eines Atoms bildet. Andererseits zeigen die Eigenschaften der positiven Anodenstrahlen, d a ß es p o s i t i v e l e k t r i s c h e T e i l c h e n gibt, deren Masse von der Größenordnung der Atommasse ist. Daß nun solche positive und negative Ladungen aber tatsächlich die Bestandteile darstellen, aus denen sich die Atome aller Elemente zusammensetzen, das ist durch eine Gruppe von Erscheinungen offenbar geworden, die f ü r die Physik und f ü r die Chemie eine solche Bedeutung erlangt haben, d a ß ihre Lehre heute eine Wissenschaft f ü r sich bildet; es sind dies die Erscheinungen der R a d i o aktivität. Wenige Monate nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen machte B E C Q U E R E L die überraschende Beobachtung, d a ß Verbindungen des Metalls U r a n ohne jede Einwirkung von außen ständig S t r a h l e n aussenden, die imstande sind, eine photographische Platte durch eine undurchsichtige Hülle hindurch zu schwärzen und weiterhin auch imstande smd, die Luft leitend zu machen und dadurch ein in der Nähe aufgestelltes geladenes Elektroskop zu entladen. Substanzen, die wie die Verbindungen von Uran und Thorium solche Strahlen aussenden, bezeichnet man als radioaktiv. 2 4 Im J a h r e 1898 entdeckten nun P I E R R E C U R I E und seine Gattin M A R Y A nach langwierigen und mühevollen Untersuchungen, d a ß in der Pechblende, aus der das Uran gewonnen wird, in sehr geringer Menge ein bis dahin noch unbekanntes Element enthalten sei, das eine noch millionenmal stärkere Radioaktivität besitzt als das Uran selbst; dem neuen Element gaben die C U R I E den Namen R a d i u m . 2 6 Die nächsten J a h r e nach der Entdeckung des Radiums brachten Klarheit über das Wesen der von den radioaktiven Substanzen ausgehenden S t r a h l e n . Es zeigte sich, d a ß diese Strahlen von d r e i e r l e i A r t sind. Man unterscheidet sie als

D i e Elektronentheorie.

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Ö-, ß- und y-Strahlen. Die /S-Strahlen sind den vorhin besprochenen Kathodenstrahlen ähnlich, die a-Strahlen den vorhin erwähnten Anodenstrahlen, die y-Strahlen den Röntgenstrahlen. Die G a m m a - S t r a h l e n sind (wie schon im ersteh Vortrage erwähnt wurde) besonders kurzwellige R ö n t g e n s t r a h l e n ; ihre Schwingungszahl liegt, wie man seit L A U E S Entdeckung weiß, bis zu einer Oktave höher als d i e d e r k ü r z e s t welligen, bisher bekannten Röntgenstrahlen, bis zu 16 Oktaven höher als die des sichtbaren violetten Lichtes. Sie beträgt bis zu fünfzig Trillionen in der Sekunde. Im Gegensatze zu den y-Strahlen, die eine Art Licht darstellen, bestehen sowohl die a- als auch die /¡-Strahlen aus elektrisch geladenen und mit träger Masse ausgestatteten Teilchen. Den Beweis f ü r die Richtigkeit dieser Auffassung liefert die Tatsache, d a ß sowohl a- als auch /¡-Strahlen durch einen Magneten abgelenkt werden. Die B e t a - S t r a h l e n bestehen aus negativ geladenen Teilchen, f ü r deren spezifische Ladung sich derselbe Wert ergab wie bei den Kathodenstrahlen; die /¡-Strahlen bestehen also offenbar aus n e g a t i v e n E l e k t r o n e n . Die Geschwindigkeit der /¡-Strahlen ist noch größer als die ja auch schon ungeheure Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen ; sie beträgt zwischen 30 und 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Für die aus p o s i t i v e n Teilchen zusammengesetzten A l p h a - S t r a h l e n haben die Messungen Geschwindigkeiten zwischen 5 und 7 Prozent der Lichtgeschwindigkeit ergeben; sie bewegen sich also langsamer als die /¡-Strahlen, aber immerhin rascher als die Anodenstrahlen, denen sie im übrigen in ihrem Wesen gleichen. Die Natur der a-Strahlen selbst ist durch Beobachtungen eines merkwürdigen Phänomens enthüllt worden, das man als S z i n t i l l a t i o n bezeichnet. 26 Bringt man nämlich in die Nähe eines radioaktiven Präparates einen Schirm, auf dessen Oberfläche Zinkblende aufgetragen ist. dann zeigt sich ein ständiges Aufblitzen diskreter Lichtpunkte. Es liegt nun die Annahme nahe, d a ß jeder Lichtblitz durch das Auftreffen je eines a- Teilchens verursacht wird. Indem man ein winziges Stückchen des Schirmes u n t e r dem Mikroskop betrachtete, wurde es so möglich, die von einem aktiven Präparate in einer bestimmten Zeit ausgesandten A l p h a - T e i l c h e n direkt zu z ä h l e n . 2 7

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Dritter Vortrag.

Andererseits konnte man auch wieder die gesamte Ladung bestimmen, die die Strahlen mit sich f ü h r e n . 2 8 So wurde es möglich, die L a d u n g e i n e s e i n z e l n e n A l p h a - T e i l c h e n s direkt zu ermitteln, und d a f ü r ergab sich nun mit großer Genauigkeit ein Wert von z w e i p o s i t i y e l e k t r i s c h e n E l e m e n tarquanten. Aus den Beobachtungen über die elektrische und magnetische Ablenkung der a-Strahlen ist nun aber wieder die spezifische Ladung der a-Teilchen bekannt, also das Verhältnis ihrer Ladung zu ihrer Masse. War also der Wert der Ladung ermittelt, so war d a m i t auch der Wert der Masse gegeben. Da ergab sich nun die überraschende Tatsache, d a ß die a-Teilchen dieselbe Masse besitzen wie die Atome des Gases Helium 2 9 , dessen Atomgewicht vier beträgt und das nächst Wasserstoff das leichteste chemische Element ist. Die a-Teilchen sind d e m n a c h offenbar nichts anderes als H e l i u m a t o m e , die allerdings nicht wie die gewöhnlichen in elektrischer Hinsicht neutral, sondern mit je zwei positiven Elementarquanten geladen sind. Die merkwürdigste Erscheinung, die man neben der Aussendung der drei Strahlenarten am Radium beobachtete und die zunächst das allergrößte Rätsel darstellte, ist die s t ä n d i g e ungeheure W ä r m e e n t w i c k l u n g des Radiums; sie ist so groß, d a ß eine Menge Radium alle drei Viertelstunden von neuem eine gleich große Masse Wasser vom Schmelzpunkt bis zum Siedepunkt zu erhitzen vermöchte. Die Frage nach dem Ursprung der verhältnismäßig so ungeheuren E n e r g i e , die in der Strahlung und der Wärmeentwicklung zum Vorschein kommt, m u ß t e mit Recht das größte Interesse der Physiker erwecken, und dieses Interesse m u ß t e noch erhöht werden durch den merkwürdigen Umstand, d a ß die radioaktive Strahlung durch äußere Umstände, wie namentlich durchTemperaturänderungen in keiner Weise beeinflußt wird, d a ß sie auch völlig unabhängig ist von der Art der chemischen Verbindung des radioaktiven Metalls. 3 0 Es m u ß t e auch auffallen, d a ß Radioaktivität gerade bei den Elementen mit den höchsten Atomgewichten (Radium, Thorium, Uran 3 1 ) beobachtet wurde. Den eigentlichen Weg zur Lösung aller dieser Rätsel wies aber erst die bedeutungsvolle Entdeckung der E m a n a t i o n e n . Schon bald nach der Entdeckung des Radiums h a t t e

Die

Elektronentheorie.

49

das Ehepaar CURIE b e o b a c h t e t , daß Körper, die sich in demselben R ä u m e m i t einem radioaktiven Präparate befanden, selbst radioaktiv wurden. Diese Erscheinung, die man zunächst (mit einem heute nicht mehr recht passenden Namen) als induzierte R a d i o a k t i v i t ä t bezeichnete, wurde dann von R U T H E R FORD genauer bei dem T h o r i u m u n t e r s u c h t ; er stellte nun im J a h r e 1900 die überraschende Tatsache fest, daß die von dem Thorium induzierte A k t i v i t ä t durch das Vorhandensein eines selbst radioaktiven G a s e s bedingt ist, das sich ständig aus dem Thorium entwickelt. Rutherford bezeichnete dieses Gas als T h o r i u m - E m a n a t i o n . Überdies fand aber RUTHERFORD, daß auch die E m a n a t i o n , wenn man sie von dem Thorium trennt, verschwindet und daß sich aus ihr ein radioaktiver N i e d e r s c h l a g bildet, der als ein infolge seiner äußerst feinen Verteilung unsichtbarer Belag die Oberflächen aller Körper überzieht, die mit der Emanation in Berührung standen. Ähnliche Erscheinungen wie bei dem Thorium w irden bei dem Radium gefunden, dessen Emanation kurz nach der des Thoriums entdeckt wurde. Es wurde festgestellt, daß sich aus der R a d i u m - E m a n a t i o n wiederum andere radioaktive, meist feste Stoffe, bei gleichzeitiger Aussendung von Strahlen der Reihe nach bilden. Sie treten in so verschwindend geringer Menge auf, daß man sie nicht anders messen kann als durch den Ladungsverlust, den infolge ihrer Strahlung ein in ihrer Nähe aufgestelltes geladenes Elektroskop erfährt. Aber immerhin ließ sich der Aggregatzustand all dieser Stoffe erkennen, ihr Schmelzpunkt oder ihr Siedepunkt ermitteln und auch ihre Löslichkeit in verschiedenen Säuren beurteilen. Auf Grund aller dieser Beobachtungen stellten nun im J a h r e 1902 R U T H E R F O R D u n d SODDY eine T h e o r i e d e r R a d i o a k t i v i t ä t auf, die sich zwar durch große Einfachheit auszeichnete, die andererseits aber einen völligen Bruch mit bis dahin tief eingewurzelten und grundlegenden Vorstellungen der Physik und der Chemie bedeutete. Die Theorie von RUTHERFORD u n d

SODDY,

die

als

die

Zerfallstheorie

bezeichnet

wird, beruht nämlich auf der Annahme einer U m w a n d l u n g d e r A t o m e der radioaktiven Substanzen. Die Lehre von der R a d i o a k t i v i t ä t erscheint dadurch in gewissem Sinne als ein völlig neues Gebiet der Naturlehre. Denn bei den Vorgängen; HAAS, D a s Naturbild der neuen Physik.

4

50

Dritter Vortrag

deren Beschreibung bis dahin der Physik zugefallen war, bleiben j a die Molekeln ungeändert; als chemisch bezeichnete man wieder solche Vorgänge, die innerhalb der Molekeln s t a t t finden, ohne aber in den Atomen Veränderungen hervorzurufen. Die Erscheinungen der R a d i o a k t i v i t ä t sollen hingegen nach der RuTHERFORDSchen Theorie durch Vorgänge bedingt sein, die die A t o m e selbst verändern. Die Atome d e n k t sich nämlich die Theorie von RUTHERFORD u n d S O D D Y a u s p o s i t i v u n d n e g a t i v e l e k t r i s c h e n

Teilchen

zusammengesetzt, deren Zahl und geometrische Anordnung den Charakter des betreffenden chemischen Elementes bestimmen sollen. T r o t z der Kleinheit dieser Ladungen müssen doch infolge der sehr geringen Entfernungen verhältsnismäßig starke anziehende und abstoßende K r ä f t e zwischen ihnen w i r k e n 3 2 ; dem Atom m u ß infolgedessen eine große i n n e ' r e E n e r g i e zukommen. Ist nun die G l e i c h g e w i c h t s l a g e , ist die Figuration, zu der die elektrischen Teilchen im A t o m angeordnet sind, n i c h t v ö l l i g s t a b i l , so kann es vorkommen, daß sich die elektrischen Teilchen zu einer neuen Gleichgewichtslage u m g r u p p i e r e n . Dies würde aber die B i l d u n g e i n e s n e u e n c h e m i s c h e n E l e m e n t e s bedeuten, das sich seinerseits natürlich wiederum in ein anderes Element verwandeln k a n n , und zwar um so r a s c h e r , je labiler seine Atome sind. Bei der Umgruppierung der elektrischen Teilchen im Atom können negative oder positive Partikeln oder beide w e g g e s c h l e u d e r t w e r d e n , was infolge der ve rhältnismäßig enormen inneren Energie des Atoms mit ungeheurer Geschwindigkeit geschehen m ü ß t e . Daraus erklärt sich die Aussendung der ßund a - S t r a h l e n ; die Emission der ^ - S t r a h l e n ist wieder durch d i e ' elektromagnetischen Impulse begründet, die bei der Aussendung der beiden anderen Strahlenarten entstehen. Nun h a t aber jedes a-Teilchen, wie schon erwähnt wurde, eine Masse von .vier Wasserstoffatomen; es müßte daher das neue E l e m e n t , das sich bei einer mit a - S t r a h l u n g verbundenen radioaktiven Umwandlung bildet, ein u m v i e r (oder 8 oder 12) E i n h e i t e n niedrigeres Atomgewicht besitzen als die sogenannte Muttersubstanz und umgekehrt. In der T a t wurde das Atomgewicht der R a d i u m - E m a n a t i o n (222) um 4 niedriger befunden

D i e Elektronentheorie.

51

als das des R a d i u m s und dieses u m 12 niedriger als das des Urans (238), aus dem es sich nach vorheriger E n t s t e h u n g zweier a n d e r e r E l e m e n t e 3 3 u n t e r a - S t r a h l u n g bildet. Auf Grund des durch die Theorie gegebenen und durch die E r f a h r u n g b s s t ä t i g t e n Z u s a m m e n h a n g e s zwischen A t o m gewicht und a-Strahlung lassen sich n u n Schlüsse auf noch u n b e k a n n t e Zwischenstufen d e r r a d i o a k t i v e n Umwandlungen ziehen und d e r a r t klare Erkenntnisse über den Z u s a m m e n h a n g d e r verschiedenen Stoffe gewinnen, die zu einer sogenannten radioaktiven Familie gehören. Daß die Teilchen der a-Strahlen tatsächlich, wie schon ihr Atomgewicht v e r m u t e n läßt, nach erfolgter Neutralisierung ihrer L a d u n g mit Atomen des schon f r ü h e r b e k a n n t e n Gases H e l i u m vollkommen identisch sind, ist durch RUTHERFORD d i r e k t auf spektroskopischem Wege gezeigt worden. Früher schon h a t t e n R A M S A Y und S O D D Y die E n t s t e h u n g v o n H e l i u m b e i d e m Z e r f a l l d e r R a d i u m - E m a n a t i o n nachgewiesen und d a m i t zuerst e n t d e c k t , d a ß ein schon b e k a n n t e s E l e m e n t aus einem anderen entstehen kann. 3 4 Von noch weit größerer B e d e u t u n g scheint in dieser Hinsicht der im J a h r e 1 9 1 9 von R U T H E R F O R D e r b r a c h t e Nachweis zu sein, d a ß sich u n t e r der Einwirkung von a - S t r a h l e n a u s S t i c k s t o f f W a s s e r s t o f f bildet. 3 5 Von der S t a b i l i t ä t der A n o r d n u n g der elektrischen Teilchen in einem Atom h ä n g t die Wahrscheinlichkeit d a f ü r ab, d a ß innerhalb einer b e s t i m m t e n Zeit das betreffende A t o m zufällig z e r f a l l e . J e labiler die A n o r d n u n g ist, desto größer ist diese W a h r s c h e i n l i c h k e i t ; und d a im allgemeinen die Ano r d n u n g um so labiler sein d ü r f t e , je größer die Zahl der elektrischen Teilchen ist, die im A t o m vereinigt ist, so ist es begreiflich, d a ß die Erscheinungen der R a d i o a k t i v i t ä t a m ehesten bei den Elementen m i t hohem Atomgewicht w a h r g e n o m m e n werden. Die Zeit, innerhalb deren sich eine beliebige Menge einer S u b s t a n z infolge des Zerfalles ihrer A t o m e auf die H ä l f t e verm i n d e r t , bezeichnet m a n als die H a l b i e r u n g s z e i t der bet r e f f e n d e n Substanz. Für s t a r k r a d i o a k t i v e Substanzen l ä ß t sich die Halbierungszeit durch Beobachtung d e r A b n a h m e des Strahlungsvermögens ermitteln, f ü r Radium auch (worauf hier nicht n ä h e r eingegangen werden soll) durch Zählung der 4*

52

Dritter Vortrag.

e m i t t i e r t e n a-Teilchen b e r e c h n e n . Die H a l b i e r u n g s z e i t b e t r ä g t f ü r R a d i u m 1730 J a h r e , f ü r die R a d i u m - E m a n a t i o n etwa 4 T a g e , f ü r die T h o r i u m - E m a n a t i o n gar n u r e t w a eine M i n u t e . Für Substanzen von geringer R a d i o a k t i v i t ä t k a n n die H a l b i e r u n g s zeit auf G r u n d einer t h e o r e t i s c h a b l e i t b a r e n Beziehung berechnet w e r d e n ; es müssen sich n ä m l i c h die Mengen von M u t t e r s u b s t a n z und U m w a n d l u n g s p r o d u k t , die in einem P r ä p a r a t e n t h a l t e n sind, so v e r h a l t e n wie die H a l b i e r u n g s z e i t e n der beiden S u b s t a n z e n . So h a t m a n z. B. g e f u n d e n , d a ß auf ein G r a m m Uran in allen Uranerzen ein G e h a l t an R a d i u m von e t w a d e m zweimillionsten Teil eines G r a m m s k o m m t . Die H a l b i e r u n g s z e i t des U r a n s m u ß d a h e r e t w a zweimillionenmal so g r o ß sein wie die des R a d i u m s , d e m n a c h e t w a vier Milliarden J a h r e b e t r a g e n . Von einer Billion U r a n a t o m e n w ü r d e d a n a c h d u r c h s c h n i t t l i c h erst e t w a jeden zweiten T a g je eines zerfallen. So u n g e h e u e r g r o ß ist die S t a b i l i t ä t d e r U r a n a t o m e , o b wohl bei ihnen d e u t l i c h eine r a d i o a k t i v e S t r a h l u n g festgestellt werden k a n n . Noch viel g e r i n g e r u n d somit u n g e h e u e r klein m u ß d a h e r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t d a f ü r sein, d a ß selbst i n n e r h a l b eines sehr großen Z e i t r a u m e s ein A t o m eines E l e m e n t e s zerfalle, bei d e m r a d i o a k t i v e E r s c h e i n u n g e n n i c h t b e o b a c h t e t werden. Gleichwohl w e r d e n wir k a u m glauben k ö n n e n , d a ß u n t e r den E l e m e n t e n gerade die u n s als r a d i o a k t i v b e k a n n t e n eine Sonderstellung e i n n e h m e n u n d von allen a n d e r e n in ihrem Wesen verschieden sein sollten. W i r müssen somit wohl in d e m a l l m ä h l i c h e n Z e r f a l l eine u n i v e r s e l l e E i g e n s c h a f t a l l e r M a t e r i e erblicken, die eben n u r bei verschiedenen G r u n d s t o f f e n in v e r s c h i e d e n e m G r a d e a u f t r i t t . Durch die E n t d e c k u n g d e r r a d i o a k t i v e n Vorgänge h a t so der B e g r i f f d e s c h e m i s c h e n E l e m e n t e s eine völlige U m g e s t a l t u n g e r f a h r e n . D a s w ä h r e n d des 19. J a h r h u n d e r t s u n a n t a s t b a r e D o g m a von der a b s o l u t e n , s t a r r e n U n w a n d e l b a r keit d e r E l e m e n t e ist g e f a l l e n ; eine U m w a n d l u n g der E l e m e n t e ist n i c h t n u r möglich, sondern in vielen Fällen zweifellos f e s t g e s t e l l t ; wie organische Wesen erscheinen u n s h e u t e die Elem e n t e vergänglich u n d von b e g r e n z t e r L e b e n s d a u e r . Vor allem h a t a b e r d i e neue P h y s i k zu d e r E r k e n n t n i s g e f ü h r t , d a ß die m a n n i g f a c h e n E l e m e n t e , die die Chemie u n t e r s c h e i d e t , doch völlig e i n h e i t l i c h e r N a t u r sind. Denn sie setzen sich

Die Elektronentheorie.

53

alle aus positiv und n e g a t i v elektrischen Teilchen z u s a m m e n , und verschieden ist n u r deren A n o r d n u n g und Zahl. Aus der T a t s a c h e , d a ß sowohl der ZEEMAN-Effekt als auch die Erscheinungen des M a g n e t i s m u s von n e g a t i v e n Elektronen hervorgerufen w e r d e n , m u ß t e geschlossen w e r d e n , d a ß im Inneren des A t o m s n e g a t i v e E l e k t r o n e n , die n u r einen sehr kleinen Teil der A t o m m a s s e bilden, in rascher periodischer Bewegung begriffen sind. A n d e r e r s e i t s m u ß a b e r n u n die g e s a m t e positive L a d u n g des A t o m s , wofern dieses n a c h außen hin n e u t r a l erscheinen soll, ebenso g r o ß sein wie die S u m m e der Ladungen aller im A t o m e n t h a l t e n e n n e g a t i v e n E l e k t r o n e n . Der A t o m theorie e n t s t a n d s o m i t ein grundlegendes Problem in der Frage,

Fig. 5.

wie die p o s i t i v e L a d u n g im A t o m verteilt zu d e n k e n sei. Ü b e r diese Frage gaben n u n m e r k w ü r d i g e experimentelle Forschungsergebnisse des englischen Physikers WILSON Aufschluß. Die n ä h e r e U n t e r s u c h u n g der a - S t r a h l e n zeigte n ä m l i c h , d a ß jedes einzelne a-Teilchen infolge seiner elektrischen L a d u n g einen K o n d e n s a t i o n s k e r n f ü r W a s s e r t r o p f e n darstellen kann.36 D u r c h eine geeignete V e r s u c h s a n o r d n u n g k o n n t e es d a h e r W I L S O N erreichen, d a ß die Bahnen der einzelnen a-Teilchen als feine Nebelstreifen e r s c h i e n e n . Deren p h o t o g r a p h i s c h e A u f n a h m e liefert somit ein B i l d d e r B a h n e n d e r a - T e i l c h e n selbst. Die P h o t o g r a p h i e n (Fig. 5) zeigen im allgemeinen g e r a d e L i n i e n , von denen jedoch m a n c h e u m ziemlich große Winkel g e k n i c k t erscheinen. Es ist d a h e r sehr wahrscheinlich,

54

Dritter Vortrag.

d a ß diese großen Ablenkungen von einem einzigen Z u s a m m e n s t o ß zwischen einem a-Teilchen und einem A t o m h e r r ü h r e n . Andererseits durchdringen aber nun a-Strahlen gewöhnliche Luft einige Z e n t i m e t e r weit, und d a r a u s folgt, d a ß ein a-Teilchen durch viele Tausende von Atomen h i n d u r c h g e h t . Auf Grund der WiLSONSchen Photographien m u ß t e somit angenommen werden, d a ß ein a-Teilchen viele T a u s e n d e von Atomen d u r c h queren k a n n , ohne eine merkliche Ä n d e r u n g seiner R i c h t u n g zu e r f a h r e n , w ä h r e n d bisweilen ein einziges A t o m eine Ablenkung u m sehr große Winkel h e r v o r r u f t . Diese merkwürdige T a t s a c h e läßt sich n u n einfach durch die A n n a h m e erklären, d a ß die Ablenkung die Folge einer abstoßenden K r a f t ist, die auf das positive a-Teilchen die positive Ladung des d u r c h querten A t o m s a u s ü b t und d a ß diese positive Ladung in einem Volumen k o n z e n t r i e r t ist, d a ß n u r einen sehr kleinen Teil des gesamten Volumens des A t o m s bildet. Auf die WiLsoNschen Versuche hat nun R U T H E R F O R D eine A t o m t h e o r i e gegründet, derzufolge die positive Elektrizität den A t o m k e r n darstellt, um den negative Elektronen wie Planeten um die Sonne kreisen. Die weitere Ausgestaltung der RuTHERFORöschen Theorie ist allerdings erst auf Grund des in einem späteren Vortrage zu besprechenden Quantenprinzipes möglich gewesen. Aber eine merkwürdige Folgerung ergibt sich unmittelbar aus der RuTHERFORDSchen Vorstellung, wenn man sie mit dem früher besprochenen Begriffe der elektromagnetischen Masse verknüpft. Eine jede elektrische, kugelförmig gedachte L a d u n g besitzt ja n a c h dem f r ü h e r Gesagten eine b e s t i m m t e e l e k t r o m a g n e t i s c h e M a s s e , die dem Q u a d r a t e der Ladung d i r e k t und ihrem Halbmesser u m g e k e h r t proportional ist. Nach d e r Formel f ü r die elektromagnetische Masse würde die kugelförmige L a d u n g von einem E l e m e n t a r q u a n t u m d a n n die Masse eines W a s s e r s t o f f a t o m s oder, was n a h e z u dasselbe ist, eines positiven Anodenstrahlteilchens h a b e n , wenn ihr Halbmesser u n g e f ä h r gleich ist dem tausendbillionsten Teil eines Millimeters. W ä r e der Halbmesser u n g e f ä h r 1800mal so groß, so wäre die Masse der L a d u n g ebenso viel mal kleiner, also u n g e f ä h r ebenso groß, wie man sie bei einem negativen Elektron a n n i m m t . Man k ö n n t e also die g a n z e M a s s e d e s A t o m s

Die

Elektronentheorie.

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r e i n e l e k t r o m a g n e t i s c h erklären, wenn m a n a n n i m m t , d a ß sich die A t o m e lediglich aus positiven und n e g a t i v e n E l e k t r o n e n von den eben angegebenen Dimensionen z u s a m m e n setzen u n d d a ß eben die positiven E l e k t r o n e n , die den w e s e n t lichen Teil der A t o m m a s s e bilden, einen viel kleineren H a l b messer h a b e n als die n e g a t i v e n . D u r c h die eben e n t w i c k e l t e A u f f a s s u n g h a t a b e r nun ein ebenso a l t e r wie f u n d a m e n t a l e r Begriff d e r N a t u r p h i l o s o p h i e völlig den Sinn g e ä n d e r t , den er d u r c h viele J a h r h u n d e r t e h a t t e . Der B e g r i f f d e r M a t e r i e e x i s t i e r t f ü r die m o d e r n e P h y s i k n i c h t m e h r in seiner ursprunglichen B e d e u t u n g . Bis vor k u r z e m h a t t e noch die P h y s i k der massigen Materie die E l e k t r i z i t ä t gegenübergestellt, in der sie n i c h t s weiter als einen Z u s t a n d der massigen Materie erblickte. Die neueren Forschungen h a b e n gezeigt, d a ß die Massigkeit n u r ein Schein, ü b e r h a u p t n u r eine Folge des elektrischen Z u s t a n d e s ist. In d e m m o d e r n e n S y s t e m der P h y s i k s t e h t die E l e k t r i z i t ä t n i c h t m e h r an der Seite der M a t e r i e ; sie ist an deren Stelle g e r ü c k t . In der E l e k t r i z i t ä t darf die neue P h y s i k den von den Forschern d u r c h J a h r t a u s e n d e g e s u c h t e n 3 7 e i n h e i t l i c h e n U r s t o f f erblicken, aus dem alle sinnlich w a h r n e h m b a r e n Dinge gebildet sind.

Vierter

Vortrag.

Die Relativitätstheorie. Wie d e r Begriff der Materie d u r c h die E l e k t r o n e n t h e o r i e seinen u r s p r ü n g l i c h e n Sinn verlor, so h a t ein a n d e r e r f u n d a m e n t a l e r Begriff der Philosophie, der der Zeit, eine völlige W a n d l u n g d u r c h die R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e e r f a h r e n , die als eine der k ü h n s t e n u n d g r o ß a r t i g s t e n Schöpfungen des menschlichen Geistes im J a h r e 1905 von E I N S T E I N b e g r ü n d e t worden ist. Die weitere A u s g e s t a l t u n g d e r R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e durch EINSTEIN f ü h r t e zu der Lösung des alten Rätsels der Schwere und ließ zugleich zwischen der P h y s i k und der Geometrie einen w u n d e r b a r e n Z u s a m m e n h a n g e r k e n n e n . Den A n l a ß zu der E n t s t e h u n g der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e g a b ein m e r k w ü r d i g e s D i l e m m a . Aus den F o r m e l n der s o g e n a n n t e n „ k l a s s i s c h e n " P h y s i k folgte n ä m l i c h , d a ß es in o p t i s c h e r Hinsicht so e t w a s wie eine a b s o l u t e B e w e g u n g geben müsse, w ä h r e n d in m e c h a n i s c h e r H i n s i c h t der Begriff einer absol u t e n Bewegung bereits als völlig s i n n l o s e r k a n n t w a r . 1 N e h m e n wir n ä m l i c h an, d a ß sich f ü r einen B e o b a c h t e r das Licht nach allen R i c h t u n g e n gleich schnell f o r t p f l a n z e und fassen wir einen zweiten B e o b a c h t e r ins Auge, der sich d e m ersten gegenüber irgendwie b e w e g e , so k ö n n t e in b e z u g auf diesen zweiten B e o b a c h t e r n a c h den Formeln der s o g e n a n n t e n klassischen P h y s i k die A u s b r e i t u n g des Lichtes unmöglich in allen R i c h t u n g e n gleich rasch erfolgen. H i e r a u s schien sich die F o l g e r u n g zu ergeben, d a ß bei einer b e s t i m m t e n , geistvoll e r d a c h t e n A n o r d n u n g eines o p t i s c h e n V e r s u c h e s sich ein E i n f l u ß d e r E r d b e w e g u n g auf die L i c h t a u s b r e i t u n g in merklicher Größe o f f e n b a r e n

D i e Relativitätstheorie.

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müsse. Aber hiervon w a r , als das schwierige E x p e r i m e n t von d e m a m e r i k a n i s c h e n P h y s i k e r M I C H E L S O N im J a h r e 1884 t a t s ä c h l i c h d u r c h g e f ü h r t w u r d e 2 , nicht eine Spur zu b e m e r k e n . Dieses Ergebnis v e r b l ü f f t e die P h y s i k e r im höchsten G r a d e , obwohl es ihnen doch von vornherein h ä t t e u n w a h r scheinlich v o r k o m m e n müssen, d a ß es in einem Zweige der P h y s i k , nämlich in der O p t i k , eine absolute Bewegung gebe, in einem anderen Zweige, nämlich in der Mechanik, hingegen n i c h t . Der theoretischen P h y s i k e n t s t a n d n u n die schwierige A u f g a b e , den W i d e r s p r u c h zu lösen, der d e r a r t zwischen der E r f a h r u n g und der klassischen P h y s i k e n t s t a n d e n w a r . 3 Seine vollständige Lösung gelang erst d e m Genie E I N S T E I N S u n d zwar d u r c h die A u f d e c k u n g eines V o r u r t e i l s , d a s einmal in die P h y s i k E i n g a n g g e f u n d e n , sich a b e r d e r a r t tief eingewurzelt h a t t e , d a ß m a n sich seiner gar n i c h t m e h r b e w u ß t w a r ; u n d dieses Vorurteil bestand in d e r V o r s t e l l u n g einer a b s o 1 u t e n Ze i t. 4 Es w a r vielleicht der r a d i k a l s t e F o r t s c h r i t t , den die theoretische P h y s i k ü b e r h a u p t je zu verzeichnen h a t t e , als im J a h r e 1905 E I N S T E I N die Haltlosigkeit dieser z u m D o g m a gewordenen Vorstellung e r k a n n t e und sie d u r c h einen n e u e n , w a h r h a f t r e v o l u t i o n ä r e n G e d a n k e n ersetzte. Es w a r der G e d a n k e , d a ß allen Z e i t a n g a b e n , m i t t e l s deren ein physikalischer Vorgang beschrieben wird, n u r eine r e l a t i v e B e d e u t u n g z u k o m m e n k ö n n e . Nach E I N S T E I N sollen nämlich alle Z e i t a n g a b e n vom S t a n d p u n k t des beschreibenden B e o b a c h t e r s a b h ä n g e n und d a h e r verschieden sein f ü r zwei B e o b a c h t e r , die g e g e n e i n a n d e r bewegt s i n d . Andererseits m u ß a b e r zwischen den verschiedenen Zeiten zweier gegeneinander bewegter B e o b a c h t e r wiederum, wie der MicHELSONSche Versuch zeigt, ein b e s t i m m t e r Z u s a m m e n h a n g b e s t e h e n . Es müssen nämlich beide B e o b a c h t e r , obwohl g e g e n e i n a n d e r bewegt, gleichwohl von ihren S t a n d punkten aus m i t d e m s e l b e n R e c h t behaupten können, d a ß sich f ü r sie d a s Licht nach allen R i c h t u n g e n mit derselben Geschwindigkeit f o r t p f l a n z e . Die F o r d e r u n g der R e l a t i v i t ä t der Zeit und d a s P o s t u l a t des eben angegebenen Z u s a m m e n h a n g e s zwischen zwei verschiedenen relativen Zeiten bilden den Inhalt des s o g e n a n n t e n R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p e s von EINSTEIN. Man k a n n es also e t w a in der Form aussprechen, d a ß die Z e i t a n g a b e n , mittels

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Vierter Vortrag.

deren ein physikalischer Vorgang beschrieben wird, relativ u n d von dem S t a n d p u n k t des beschreibenden B e o b a c h t e r s a b h ä n g i g s i n d ; d a ß a n d e r e r s e i t s die Z e i t a n g a b e n aber durch die F o r d e r u n g b e d i n g t s i n d , d a ß sich, d u r c h sie a u s g e d r ü c k t , f ü r den B e o b a c h t e r d a s L i c h t s t e t s n a c h a l l e n R i c h t u n g e n mit d e r s e l b e n G e s c h w i n d i g k e i t ausbreiten muß. Aus d e m R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p ergibt sich als u n m i t t e l b a r e F o l g e r u n g , d a ß es ebensowenig wie ein a b s o l u t e s Z e i t m a ß auch ein a b s o l u t e s L ä n g e n m a ß geben k a n n . H a t ein S t a b f ü r einen B e o b a c h t e r , in bezug auf den er r u h t , eine b e s t i m m t e L ä n g e , so m u ß d e r S t a b f ü r jeden B e o b a c h t e r v e r k ü r z t erscheinen, der g e g e n ü b e r d e m e r s t e n bewegt ist. Ein in b e z u g auf die Erde r u h e n d e r S t a b , der f ü r einen irdischen B e o b a c h t e r eine Länge von einem Meter h a t , w ü r d e beispielsweise f ü r einen B e o b a c h t e r auf d e r Sonne, f ü r den er bewegt w ä r e , u m den z w e i h u n d e r t t a u s e n d s t e n Teil eines Millimeters v e r k ü r z t erscheinen. So klein a u c h diese V e r k ü r z u n g ist, so ist sie doch die Ursache f ü r die Ergebnislosigkeit des MicHELsoNSchen Versuches. 5 A n d e r e r s e i t s erscheint n a c h dem R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p ein irdischer Vorgang f ü r einen B e o b a c h t e r , der ihn von der Sonne aus w a h r n i m m t , l a n g s a m e r zu v e r l a u f e n als f ü r einen irdischen B e o b a c h t e r . J a selbst der Begriff der G l e i c h z e i t i g k e i t verliert seine B e d e u t u n g . Zwei Ereignisse, die in b e z u g auf einen B e o b a c h t e r gleichzeitig zu erfolgen scheinen, scheinen es n i c h t f ü r einen B e o b a c h t e r , der gegenü b e r d e m ersten b e w e g t ist. Auch der Begriff der G e s t a l t wird zu einem relativen Begriff. Ein K ö r p e r , der in bezug auf einen B e o b a c h t e r r u h t und diesem als kugelförmig erscheint, erscheint einem B e o b a c h t e r , f ü r den der K ö r p e r bewegt ist, als a b g e p l a t t e t e s R o t a t i o n s e l l i p s o i d . 'Eine sehr wichtige Folgerung, zu der d a s R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p f ü h r t , ist auch die, d a ß m a n d u r c h Z u s a m m e n s e t z u n g von Geschwindigkeiten nie eine größere Geschwindigkeit e r h a l t e n k a n n als die Lichtgeschwindigkeit. 6 Überlichtgeschwindigkeiten erscheinen nach d e m R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p u n m ö g l i c h . Die L i c h t g e s c h w i n d i g k e i t spielt in d e r R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e dieselbe Rolle wie in der M a t h e m a t i k d a s U n e n d l i c h e . Alle diese Folgerungen erscheinen n a t ü r l i c h z u n ä c h s t im höchsten Grade p a r a d o x ; es ist n i c h t leicht, ihren Sinn zu

D i e Relativitätstheorie.

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erfassen, sich an sie zu gewöhnen, und daraus erklärt sich auch der heftige Widerstand, dem die Relativitätstheorie anfangs vielfach begegnete. Aber sehr bald hat sich das Relativitätsprinzip als eine Entdeckung von der allergrößten Tragweite offenbart. Denn noch in demselben Jahre, in dem EINSTEIN sein Prinzip aufstellte, erkannten bereits er und andere Forscher, zu welchen Umwälzungen das neue Prinzip notwendigerweise in der Physik f ü h r t . Zu den Grundlagen der klassischen Physik gehört bekanntlich vor allem das sogenannte z w e i t e NEWTON s e h e Bewegungsaxiom. Es lehrt, d a ß die Beschleunigung stets dieselbe Richtung habe wie die K r a f t und daß das Verhältnis beider, also das Verhältnis der K r a f t zu der durch sie hervorgerufenen Beschleunigung, einen von der Größe und von der Richtung der K r a f t unabhängigen Wert habe, den man eben als träge Masse des beschleunigten Körpers bezeichnet. Aus dem Relativitätsprinzip folgt, d a ß dieses f ü r die klassische Mechanik fundamentale Gesetz nur eine a n g e n ä h e r t e , keineswegs aber eine völlige Richtigkeit besitzt. Es gilt nur f ü r solche Bewegungen, die für den sie beschreibenden Beobachter eine gegenüber der Lichtgeschwindigkeit g e r i n g e S c h n e l l i g k e i t besitzen. Erfolgen aber die Bewegungen für den Beobachter so rasch, d a ß ihre relative Geschwindigkeit zu dem Beobachter nicht mehr klein ist gegenüber der Lichtgeschwindigkeit, dann muß der Beobachter A b w e i c h u n g e n von den Grundgesetzen der klassischen Mechanik wahrnehmen. Die B e s c h l e u n i g u n g weicht dann in ihrer Richtung von der der K r a f t im allgemeinen ab. Vor allem aber hängt die Masse auch von der G e s c h w i n d i g k e i t ab. 7 Wenn die Geschwindigkeit sich der Lichtgeschwindigkeit nähert, so w ä c h s t die M a s s e scheinbar sehr rasch, derart, d a ß ein Beobachter einem Körper, der gegen ihn mit Lichtgeschwindigkeit bewegt wäre, eine unendlich große Masse zuschreiben m ü ß t e . So paradox auch diese merkwürdigen Folgerungen der Relativitätstheorie jedem, der an die klassische Physik gewöhnt ist, zunächst erscheinen müssen, in der T a t sind diese Folgerungen in großartiger Weise d u r c h d a s E x p e r i m e n t b e s t ä t i g t worden. Der Experimentalphysik ist ja ein Phänomen wohl bekannt, bei dem sich tatsächlich mit träger

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Vierter Vortrag.

Masse begabte Körperchen m i t Geschwindigkeiten bewegen, die bis zu 99 % der Lichtgeschwindigkeit b e t r a g e n . Es ist dies die (im d r i t t e n V o r t r a g besprochene) Erscheinung der B e t a - S t r a h l e n , f ü r die sich ja einerseits die Geschwindigkeit e r m i t t e l n ließ, a n d e r e r s e i t s die spezifische L a d u n g ihrer Teilchen, also das V e r h ä l t n i s zwischen deren L a d u n g und deren Masse. Da die L a d u n g von der Geschwindigkeit u n a b h ä n g i g ist, so m ü ß t e n a c h der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e , infolge der Zun a h m e der Masse, m i t w a c h s e n d e r Geschwindigkeit die spezifische L a d u n g kleiner w e r d e n . Die e x p e r i m e n t e l l e U n t e r s u c h u n g h a t in der T a t diese A b n a h m e gezeigt, u n d zwar auch in v o l l k o m m e n e r q u a n t i t a t i v e r Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t den Formeln der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e . Eine zweite nicht minder großartige B e s t ä t i g u n g der r e l a t i v i t ä t s t h e o r e t f s c h e n Massenformel b i e t e t die s p ä t e r (im f ü n f t e n V o r t r a g ) zu besprechende T a t s a c h e der s o g e n a n n t e n F e i n s t r u k t u r d e r S p e k t r a l l i n i e n . Noch in demselben J a h r e , in d e m E I N S T E I N sein Relat i v i t ä t s p r i n z i p a u f s t e l l t e , e n t d e c k t e er auch als notwendige Folge des Prinzipes einen Satz von u n g e h e u r e r T r a g w e i t e , den m a n als Satz von der T r ä g h e i t d e r E n e r g i e b e z e i c h n e t . E I N S T E I N fand n ä m l i c h , d a ß ein jeder Körper, der seinen Energieinhalt v e r ä n d e r t , dabei auch eine Ä n d e r u n g seiner Masse erf a h r e n müsse. V e r m i n d e r t sich z. B. der Energieinhalt eines Körpers d u r c h W ä r m e a u s s t r a h l u n g , so v e r m i n d e r t sich dabei auch seine Masse u m einen Betrag, der gleich ist dem B e t r a g d e r abgegebenen Energie, dividiert d u r c h das Q u a d r a t der Lichtgeschwindigkeit. V e r m e h r t sich der Energieinhalt, e t w a d u r c h E r w ä r m u n g oder d u r c h Absorption von S t r a h l u n g um einen b e s t i m m t e n B e t r a g , so v e r m e h r t sich auch die Masse u m diesen B e t r a g , wieder dividiert d u r c h das Q u a d r a t der Lichtgeschwindigkeit. Hieraus m u ß t e n u n weiter geschlossen werden, d a ß überh a u p t jeder Energie als solcher eine träge Masse z u k o m m t , ja w e i t e r h i n , d a ß ü b e r h a u p t alle Masse n u r in der Energie ihren U r s p r u n g h a b e . M a s s e u n d E n e r g i e werden so i d e n t i s c h e B e g r i f f e , verschieden n u r d u r c h e i n e n P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r . Dieser i s t ' d u r c h die Verschiedenheit des Maßes bedingt und eben gleich d e m Q u a d r a t e der Lichtgeschwindigkeit. J e d e r Energie k o m m t an sich Masse zu, jeder Masse Energie. 8

Die Relativitätstheorie.

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So erscheinen die Prinzipe von der E r h a l t u n g der Masse u n d von der E r h a l t u n g der Energie, so erscheinen die Gesetze von LAVOISIER u n d

MAYER d u r c h d i e R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e

zu

einem

e i n z i g e n P r i n z i p vereinigt. Die Ursache d a f ü r , d a ß t r o t z d e m mit sehr großer A n n ä h e r u n g beide Sätze eine selbständige Rolle zu besitzen scheinen, liegt in der verschwindenden Kleinheit der M a s s e n ä n d e r u n g e n , die m i t b e o b a c h t b a r e n Energieä n d e r u n g e n v e r b u n d e n sind. So w ü r d e z. B. selbst bei der v e r h ä l t n i s m ä ß i g ungeheuren W ä r m e e n t w i c k l u n g des R a d i u m s d e r auf ein G r a m m bezogene und durch die W ä r m e a b g a b e bed i n g t e Massenverlust in einem J a h r e n u r e t w a die H ä l f t e des millionsten Teils eines Milligramms ergeben, also einen wohl kaum nachweisbaren Betrag.9 Es ist wohl s t a u n e n s w e r t , welche Fülle von neuen, die Physik völlig u m w ä l z e n d e n Sätzen sich i n n e r h a l b eines J a h r e s aus d e m EiNSTEiNschen R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p ergab. Den tieferen Sinn des R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p e s h a t aber n u n der Göttinger M a t h e m a t i k e r MINKOWSKI im J a h r e 1908 e r f a ß t . Durch das R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p wird ja ein Z u s a m m e n h a n g a u s g e d r ü c k t zwischen der relativen Zeit und den drei räumlichen Koordin a t e n , deren sich die P h y s i k zur Angabe einer Stelle im R ä u m e bedient. Diesen Z u s a m m e n h a n g k a n n m a n n u n , wie MINKOWSKF e n t d e c k t e , auch dahin g e o m e t r i s c h i n t e r p r e t i e r e n , d a ß sich das m i t e n t g e g e n g e s e t z t e m Vorzeichen g e k o m m e n e Q u a d r a t der noch m i t der Lichtgeschwindigkeit multiplizierten Zeit und die Q u a d r a t e der drei räumlichen K o o r d i n a t e n u n t e r einander ebenso v e r h a l t e n wie die Q u a d r a t e von vier Koo r d i n a t e n in einer v i e r d i m e n s i o n a l e n G e o m e t r i e . 1 0 Auf Grund dieser A u f f a s s u n g , die ja n u r eine geometrische Umschreibung des R e l a t i v i t ä t s p r i n z i p e s d a r s t e l l t , erscheint u n s aber n u n ein altes P r o b l e m der Philosophie in einem ganz neuen Licht. Die U n t e r s c h e i d u n g zwischen R a u m und Zeit v e r l i e r t ihren Sinn. W e d e r dem R ä u m e noch der Zeit k o m m t an sich eine absolute B e d e u t u n g zu. Wohl aber besitzt eine a b s o l u t e und vom S t a n d p u n k t e des B e o b a c h t e r s u n a b h ä n g i g e B e d e u t u n g eine v i e r d i m e n s i o n a l e M a n n i g f a l t i g k e i t , die eine V e r k n ü p f u n g v o n R a u m u n d Z e i t darstellt und die m a n als die Welt im tieferen Sinne dieses W o r t e s bezeichnen m u ß . Man n e n n t sie gewöhnlich die M I N K O W S K I - W e l t .

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Vierter Vortrag.

Wie es willkürlich ist, wie man in einer Fläche ein Koordinatensystem legt, mittels dessen man etwa die Form einer Ellipse analytisch beschreibt, so ist es willkürlich, wie man in der vierdimensionalen Mannigfaltigkeit, die man als die MiNKOWsKi-Welt bezeichnet, das vierfache Achsenkreuz legt, dessen man sich zu der Beschreibung der physikalischen Vorgänge bedient und dessen eine Achse man eben a l s d i e z e i t l i c h e interpretiert. Die U n t e r s c h e i d u n g z w i s c h e n R a u m u n d Z e i t , die {Spaltung der MiNKOWSKi-Welt in Raum und Zeit ist bloß r e l a t i v und hängt von dem S t a n d p u n k t des beschreibenden Beobachters ab. Durch die wundervolle Entdeckung MINKOWSKIS erfuhr nun auch der Begriff des p h y s i k a l i s c h e n F e l d e s eine völlige Wandlung. Unter einem physikalischen Felde versteht man ja ganz allgemein ein Gebiet, über das ein physikalischer Zustand so verteilt ist, d a ß jeder Stelle des Gebietes eine bestimmte, diesen Zustand charakterisierende Größe entspricht. 1 1 Die klassische Physik h a t t e sich nun bei der Betrachtung physikalischer Felder stets zwei Fragen vorlegen müssen: erstens die nach der Beschaffenheit des Feldes in einem bestimmten Augenblick, zweitens aber die nach der z e i t l i c h e n V e r ä n d e r u n g d e s F e l d e s . Neben der räumlichen Verschiedenheit des Zustandes m u ß t e auch die Veränderung berücksichtigt werden, die an einer und derselben Stelle des Raumes der Zustand mit der Zeit erfährt. Die v i e r d i m e n s i o n a l e P h y s i k , die sich auf die Idee MINKOWSKIS gründet, kennt den Begriff eines veränderlichen Feldes überhaupt nicht. Sie kennt n u r eine Frage: Wie sind Größen, die die physikalischen Zustände charakterisieren, ü b e r d i e M i N K O W S K i - W e l t v e r t e i l t ? In der Tat, kennen wir das vierdimensionale Feld einer Größe, so wissen wir damit, welche Werte diese Größe an jedem Orte und zu jeder Zeit hat. Denn von den vier Achsen, die einem beliebig in der MINKOWSKIWelt konstruierten Achsenkreuz angehören, wird ja eben bereits die eine als die zeitliche interpretiert, und die Verschiedenheit in der Richtung dieser Achse stellt eben dann bereits die zeitliche Verschiedenheit der Größe dar. Der Begriff einer Veränderung des Feldes verliert so im Vierdimensionalen jeden Sinn. Die MiNKOWSKi-Welt erscheint wie eine Verwirklichung

D i e Relativitätstheorie.

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der Definition, die einst T H O M A S von Aquino für di? Ewigkeit gegeben h a t t e , als er sie das stehende J e t z t , das „Nunc s t a n s " nannte. Wenn nun den Inhalt der physikalischen Gleichungen die Verteilung von physikalischen Zustandsgrößen in der MiNKOWSKi-Welt bildet, dann ist es natürlich andererseits auch klar, daß diese Größen nicht einfach identisch sein können mit denen der klassischen Physik, d a ß sie vielmehr diesen ü b e r g e o r d n e t sein müssen, so wie die MiNKOWSKi-Welt dem Raum und der Zeit als deren Verbindung übergeordnet ist. Die Größen, die in der MiNKOWSKi-Welt die physikalischen Zustände charakterisieren, sind darum von viel allgemeinerer Art als die Größen der klassischen Physik, in die sie sich aber ebenso s p a l t e n lassen, wie die MiNKOWSKi-Welt durch Abspaltung einer Dimension in Raum und Zeit zerlegt werden kann. Die Art der Spaltung ist dabei natürlich wieder nur relativ und hängt von dem S t a n d p u n k t des beschreibenden Beobachters ab. So gibt es z. B. in der vierdimensionalen Physik eine Größe, die sich in elektrische Ladungsdichte und in elektrische Stromdichte spalten l ä ß t 1 2 ; eine andere, die sich zerlegen läßt in elektrische und in magnetische Feldstärke. Daraus geht natürlich auch wieder hervor, d a ß auch der Begriff des M a g n e t i s m u s ebenso wie der der Zeit oder der der Bewegung ein rein r e l a t i v e r Begriff ist ohne jede absolute Bedeutung. 1 3 So schwierig es auch sein mag, den großartigen Gedanken M I N K O W S K I S ganz zu erfassen, wem es einmal gelungen ist, der ist überrascht von der wundervollen E i n f a c h h e i t und K l a r h e i t und von der vollendeten H a r m o n i e , die ihm in v i e r d i m e n s i o n a l e r D a r s t e l l u n g die Gesetze der Physik erschließen. Durch eine großartige Erweiterung unseres Naturbildes bewirkte so die Relativitätstheorie zugleich eine außerordentliche Vereinfachung unserer Naturerklärung. Aber gleichwohl wies die neue Physik, die auf der Grundlage des Relativitätsprinzipes entstanden war, noch eine Lücke auf; und die empfand niemand störender als der Schöpfer der Relativitätstheorie, als E I N S T E I N selbst. Diese Lücke stellt das P r o b l e m d e r G r a v i t a t i o n dar. Es war eine ebenso wichtige wie schwierige

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Vierter Vortrag.

A u f g a b e , auch die Erscheinung der Schwere in d a s e i n h e i t liche S y s t e m e i n z u f ü g e n , d a s alle Zweige der P h y s i k bereits u m f a ß t e und n u r die G r a v i t a t i o n in einer u n g e k l ä r t e n Sonderstellung noch z u n ä c h s t beiseite lassen m u ß t e . In d e r T a t gelang die Lösung des R ä t s e l s der Schwere im J a h r e 1915 d u r c h die Aufstellung der s o g e n a n n t e n a l l g e m e i n e n Relativitätst h e o r i e , die ebenso wie die f r ü h e r e , s e i t d e m als s p e z i e l l e bezeichnete R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e 1 4 d a s W e r k E I N S T E I N S ist. Wie die spezielle R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e auf der Ü b e r w i n d u n g des Vorurteiles einer absoluten Zeit b e r u h t , so g r ü n d e t sich die allgemeine R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e auf die E r k e n n t n i s , d a ß es eine d u r c h n i c h t s g e r e c h t f e r t i g t e W i l l k ü r ist, wenn die P h y s i k , wie es bis dahin geschehen w a r , bei der Beschreibung der Z u s t a n d s v e r t e i l u n g e n in der MiNKOWsKi-Welt ihren Bet r a c h t u n g e n die übliche, die s o g e n a n n t e e u k l i d i s c h e G e o m e t r i e z u g r u n d e legt. J e d e r , der einmal e t w a s von sphärischer Trigonometrie g e h ö r t h a t , w e i ß j a , d a ß eine zweidimensionale Geometrie ebensowohl wie in der E b e n e auch auf einer K u g e l f l ä c h e möglich i s t ; d a ß a b e r in einer solchen sphärischen, in einer solchen n i c h t e b e n e n G e o m e t r i e a n d e r e S ä t z e gelten als in der euklidischen P l a n i m e t r i e . So gilt z. B. in der Geometrie auf einer K u g e l f l ä c h e der b e k a n n t e S a t z E U K L I D S n i c h t , demzufolge die W i n k e l s u m m e in einem Dreieck 180 0 b e t r ä g t . In der T a t , d e n k e n wir uns auf der E r d k u g e l ein sphärisches Dreieck gebildet von d e n . nördlichen Q u a d r a n t e n der Meridiane von 0° u n d von 90° östlicher Länge und von d e m e n t s p r e c h e n d e n Ä q u a t o r q u a d r a n t e n x so h a t ja dieses Dreieck drei r e c h t e W i n k e l , also eine W i n k e l s u m m e von 270°. Ebensowohl wie auf einer Kugelfläche ist eine zweidimensionale Geometrie auf jeder g e k r ü m m t e n F l ä c h e m ö g l i c h 1 5 ; und m i t diesen Geometrien auf beliebig g e k r ü m m t e n Flächen h a t sich zuerst in allgemeiner Weise der große M a t h e m a t i k e r G A U S S in der ersten H ä l f t e des 19. J a h r h u n d e r t s b e s c h ä f t i g t . Hierbei h a t n u n G A U S S eine wichtige m a t h e m a t i s c h e E n t d e c k u n g g e m a c h t , die von g r u n d l e g e n d e r B e d e u t u n g f ü r die n e u e s t e P h y s i k werden sollte. Denken wir u n s n ä m l i c h in einem kleinen Bereiche einer Fläche drei b e n a c h b a r t e , also ein D r e i e c k bildende P u n k t e gezeichnet und nun ein K o o r d i n a t e n s y s t e m i n d e r F l ä c h e

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Die Relativitätstheorie.

gelegt, und in bezüg auf dieses die Koordinaten der drei P u n k t e gegeben; dann wären allerdings in dem Sonderfall einer e b e n e n Geometrie durch die Koordinaten die Längen der Dreieckseiten, dieWinkel und der Flächeninhalt des Dreiecks vollkommen bestimmt. In einer Geometrie auf einer ganz beliebig gekrümmten Fläche ist dies jedoch nicht der Fall. Die Angaben der Koordinaten reichen dann zur Bestimmung der Längen, der Winkel und des Flächeninhaltes noch n i c h t aus. Es muß ü b e r d i e s , wie GAUSS erkannte, noch eine von dem Koordinatensystem unabhängige • Größe gegeben sein, die man den m e t r i s c h e n F u n d a m e n t a l t e n s o r nennt. In bezug auf ein bestimmtes Koordinatensystem ist dieser Tensor durch d r e i sogenannte K o m p o n e n t e n gegeben. Die Dreizahl erklärt sich daraus, d a ß er zwei Komponenten nach d e a beiden Koordinatenachsen und gewissermaßen eine nach der Koordinatenfläche hat. 1 6 Dieser Tensor m u ß f ü r die betreffende Stelle, an der wir uns das kleine Dreieck konstruiert dachten, unbedingt g e g e b e n sein, wenn wir aus den Koordinaten der drei P u n k t e die Seiten, die Winkel und den Inhalt berechnen wollen. Er bestimmt erst die M a ß v e r h ä l t n i s s e " ; er geht darum auch notwendigerweise in alle Formeln einer allgemeinen Flächentheorie ein. Umgekehrt kann der Fundamentaltensor auch wieder durch Ausmessungen des vorhin erwähnten Dreiecks ermittelt werden, ohne d a ß man etwas darüber zu wissen braucht, wie an der betreffenden Stelle die Fläche „in den Raum eingebettet" ist. Eine a l l g e m e i n e F l ä c h e n g e o m e t r i e h a t also überh a u p t erst dann einen Sinn, sie ist ü b e r h a u p t e r s t d a n n m ö g l i c h , wenn für jede Stelle der Fläche der Fundamentaltensör gegeben ist, der im allgemeinen natürlich von Stelle zu Stelle in s t e t i g e r W e i s e v e r s c h i e d e n sein wird. Bisher ist n u r von zweidimensionaler Geometrie die Rede gewesen; und zwar mit Absicht, weil wir uns eben nur bei zweidimensionalen Mannigfaltigkeiten anschaulich vorstellen können, wie sie in eine Mannigfaltigkeit von einer höheren Dimension eingebettet sind. Bei dreidimensionalen Mannigfaltigkeiten fehlt die Möglichkeit einer analogen a n s c h a u j liehen Vorstellung. Wir können u n s wohl eine gekrümmte Fläche, nicht aber einen gekrümmten Raum vorstellen. Aber HAAS, Das Naturbild der neuen Physik.

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Vierter Vortrag.

bereits der geniale Mathematiker R I E M A N N h a t in der Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s erkannt,"daß auch unsere ü b l i c h e r ä u m l i c h e G e o m e t r i e n u r als S p e z i a l f a l l einer viel a l l g e meineren nicht-euklidischen18 d r e i d i m e n s i o n a l e n Geometrie angesehen werden darf, die eben in ihrer Allgemeinheit auch erst möglich ist, wenn f ü r jede Stelle des Raumes der Fundamentaltensor gegeben ist, und zwar wieder als eine von Stelle zu Stelle in stetiger Weise verschiedene Größe. Was f ü r die dreidimensionale Geometrie gilt, das gilt aber nun, wie auch schon R I E M A N N wußte, ebenso f ü r j e d e G e o m e t r i e v o n b e l i e b i g e r D i m e n s i o n s z a h l . Die Zahl der Komponenten des Fundamentaltensors ist dabei stets gleich der S u m m e aus der Zahl der K o o r d i n a t e n a c h s e n und der K o o r d i n a t e n f l ä c h e n . In der zweidimensionalen Geometrie h a t daher der Fundamentaltensor, wie wir gesehen haben, zwei plus eins oder drei, in der dreidimensionalen Geometrie drei plus drei oder sechs und in einer vierdimensionalen Geometrie vier plus sechs oder zehn Komponenten. Denn in einer vierdimensionalen Geometrie gibt es sechs Koordinatenflächen ; eine wird gebildet von der ersten und zweiten Koordinatenachse, eine von der ersten und dritten, eine von der ersten und vierten, eine von der zweiten und d r i t t e n , eine von der zweiten und vierten und schließlich eine von der dritten und vierten Koordinatenachse. Läßt die Physik also das willkürliche V o r u r t e i l fallen, d a ß die Geometrie in der MiNK0wsKi-Welt sozusagen eben, also e u k l i d i s c h sein muß, dann m u ß sie a u s g e o m e t r i s c h e r N o t w e n d i g k e i t jeder Stelle der MiNK0wsKi-Welt einen bestimmten Wert des z e h n k o m p o n e n t i g e n metrischen F u n d a m e n t a l t e n s o r s zuordnen, der von Stelle zu Stelle n u r in stetiger Weise verschieden sein kann. 1 9 E I N S T E I N S großartiger Gedanke war es nun, d a ß durch diesen metrischen Fundamentaltensor das G r a v i t a t i o n s f e l d der MiNKOwsKi-Welt bestimmt sei; d. h. also aus der Sprache der vierdimensionalen Physik in die der dreidimensionalen übersetzt, d a ß durch diesen metrischen Fundamentaltensor das im Räume bestehende Gravitationsfeld und auch dessen zeitliche Veränderlichkeit gegeben sei. Das Vorhandensein das Gravitationsfeldes äußert sich eben dadurch, d a ß eine

D i e Relativitätstheorie.

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im Felde befindliche Masse in bezug auf einen Beobachter Beschleunigungen derart zu erfahren scheint, als ob diese von den anderen Massen hervorgerufen würden. 2 0 Die exakte Ausgestaltung dieses Gedankens f ü h r t e nun E I N S T E I N ZU einem bestimmten G r a v i t a t i o n s g e s e t z , das in der T a t — und dies bedeutete einen großen Erfolg f ü r die Relativitätstheorie — in e r s t e r A n n ä h e r u n g das bekannte N E W T O N S c h e G r a v i t a t i o n s g e s e t z ergibt. Dieses stellt aber nur einen S p e z i a l f a l l d e s E i N S T E i N S c h e n G r a v i t a t i o n s g e s e t z e s dar, das natürlich viel a l l g e m e i n e r sein m u ß als das NEWTONSche. In der T a t folgt aus dem EiNSTEiNSchen Gesetz die Notwendigkeit verschiedener Erscheinungen, die sich aus dem NEWTONSchen Gesetz n i c h t ableiten lassen, und hierdurch ist nun auch die Möglichkeit gegeben, die a l l g e m e i n e R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e a n d e r E r f a h r u n g zu ü b e r p r ü f e n . Da ergibt sich nun zunächst aus dem EiNSTEiNSchen Gesetz im Gegensatze zu dem NEWTcmschen die wichtige Folgerung, d a ß die E l l i p s e n , die die einzelnen Planeten um die Sonne beschreiben, eine ständige sehr langsame D r e h u n g (in ihrer eigenen Ebene) erfahren müssen, und zwar in um so höherem Grade, je näher der Planet der Sonne ist. Nun hat in der T a t schon in der Mitte des 1 9 . J a h r h u n d e r t s L E V E R R I E R e n t deckt, d a ß sich die Bahn des der Sonne nächsten Planeten, des Merkur, um einen Winkel von 43 Bogensekunden in einem J a h r h u n d e r t dreht. Diese sogenannte A n o m a l i e d e r M e r k u r b a h n war den Astronomen ein völliges Rätsel gewesen; man h a t t e aus ihr sogar schon auf die Existenz eines unbekannten Planeten geschlossen, der zwischen der Merkurbahn und der Sonnenbahn liege und der die vermeintliche Störung der Merkurbahn verursache. Es bedeutet einen großartigen Erfolg f ü r die EiNsTEiNsche Gravitationstheorie, d a ß in der Tat aus ihr nicht nur eine Drehung der Merkurbahn überhaupt folgt, sondern d a ß sie sich auch genau in der tatsächlich beobachteten Größe von 43 Bogensekunden in einem J a h r h u n d e r t ergibt. Aus der EiNSTEiNSchen Gravitationstheorie folgt ferner, d a ß S p e k t r a l l i n i e n , die v o n S t e r n e n m i t s e h r g r o ß e r M a s s e herrühren, eine V e r s c h i e b u n g n a c h d e m r o t e n 5*

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Vierter Vortrag.

Die Relativitätstheorie.

E n d e d e s S p e k t r u m s zeigen m ü ß t e n . Daß dies tatsächlich zutrifft, ist ebenfalls mit Sicherheit festgestellt worden. 2 1 Auch eine d r i t t e Folgerung, zu der das EmsTEiNsche Gravitationsgesetz f ü h r t , ist, so merkwürdig sie zunächst wohl schien, in der T a t genau so, wie es die Theorie vorausgesagt h a t t e , im J a h r e 1919 durch eine astronomische Beobachtung bestätigt worden, der Anhänger und Gegner der Relativitätstheorie mit gleich großer Spannung entgegensahen. Aus der EiNSTEiNSchen Gravitationstheorie folgt nämlich, d a ß L i c h t s t r a h l e n bei dem Vorbeigehen an Massen g e k r ü m m t werden m ü ß t e n . Ein von einem Stern herrührender Strahl, der unmittelbar an der Oberfläche der Sonne vorbeigelangt, m ü ß t e nach der EiNSTEiNSchen Theorie eine B i e g u n g von insgesamt 1,7 Bogensekunden e r f a h r e n ; geht er an der Sonne in einer Entfernung des doppelten Sonnenhalbmessers (vom Zentrum gemessen) vorbei, so wäre die K r ü m m u n g halb so groß, und so fort. Wenn man daher bei einer t o t a l e n S o n n e n f i n s t e r n i s die Sonne mit dem sie scheinbar umgebenden Teile des Sternenhimmels photographiert, so müßten die Sterne in der unmittelbaren Nähe der Sonne eine merkliche Verschiebung ihres Ortes aufweisen. Schon im August 1914 wollte eine deutsche Expedition bei einer totalen Sonnenfinsternis, die damals in Südrußland sichtbar war, ihre Beobachtungen anstellen; aber ihr Unternehmen scheiterte infolge des Kriegsausbruches. Bei einer totalen Sonnenfinsternis, die am 29. Mai 1919 erfolgte, h a t nun eine englische Expedition in Brasilien tatsächlich die EiNSTEiNsche Folgerung q u a l i t a t i v u n d q u a n t i t a t i v r i c h t i g b e s t ä t i g t gefunden. 2 2 In der T a t ein wunderbarer Triumph f ü r die kühnste aller Theorien, f ü r die allgemeine Relativitätstheorie. Wohl erscheint die Entwicklung der Relativitätstheorie noch lange nicht abgeschlossen. Eine Fülle wichtigster und f ü r die Physik grundlegender Fragen h a r r t noch ihrer Lösung durch die allgemeine Relativitätstheorie. Vielleicht wird auch diese selbst im Laufe der weiteren Entwicklung noch wesentliche Änderungen erfahren. Was sie bisher geleistet hat, ist aber so gewaltig, d a ß wohl noch in fernen Zeiten der Historiker der Physik EINSTEINS Namen in einer Reihe mit den Namen GALILEIS u n d NEWTONS n e n n e n

wird.

Fünfter Vortrag.

Die Quantentheorie. . Wie die Relativitätstheorie so ist auch die fast gleichzeitig mit ihr entstandene Q u a n t e n t h e o r i e nicht ein Zweig der Physik, sondern die Physik selbst, von einem ganz neuen Gesichtspunkte aus behandelt. Auch die Quantentheorie h a t nicht eine bestimmte Gruppe physikalischer Erscheinungen zum Gegenstande, sondern das Gesamtgebiet der Physik; auf dieses wendet sie ein neues fundamentales Prinzip an, das sich von kaum geringerer Fruchtbarkeit erwiesen hat als das Relativitätsprinzip. Die Quantentheorie ist im J a h r e 1900 aus einer Frage der Wärmestrahlungstheorie hervorgegangen und hat seitdem in rascher, noch lange nicht abgeschlossener Entwicklung die •Physiker von Erfolg zu Erfolg geführt. Sie ermöglichte nicht nur die Aufstellung eines allgemeinen Strahlungsgesetzes, sie f ü h r t e auch zu neuen Vorstellungen über die Ausbreitung des Lichtes. Sie erklärte das für die klassische Physik unverständliche Verhalten der Körper bei tiefsten Temperaturen. Die großartigsten Triumphe waren aber der Quantentheorie auf einem Gebiete beschieden, das überhaupt erst durch sie dem System der theoretischen Physik eingefügt wurde. Es ist die Lehre von den Spektralerscheinungen, durch die der innere Aufbau der Atome enthüllt wurde. Die Quantentheorie ist aus dem Bestreben entstanden, dem a t o m i s t i s c h e n P r i n z i p , das sich als so fruchtbar in seiner Anwendung auf die Materie und die Elektrizität erwiesen hatte, eine noch weitere und allgemeinere Ausdehnung zu geben.

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Fünfter Vortrag.

Die kinetische Wärmetheorie und die Elektronentheorie hatten das atomistische Prinzip auf die G e g e n s t ä n d e des physikalischen Geschehens angewendet; die Quantentheorie überträgt das atomistische Prinzip auf die physikalischen Prozesse selbst. Wie schon früher die Physik ihren Betrachtungen ein E l e m e n t a r q u a n t u m der Masse und eines der Elektrizität zugrunde gelegt h a t t e , so e l e m e n t a r i s i e r t die Quantentheorie eine physikalische Größe, die in gewissem Sinne die physikalischen Prozesse als solche mißt und deren große Bedeutung die Physiker schon im 18. J a h r h u n d e r t erkannt h a t t e n ; es ist die sogenannte W i r k u n g eines Prozesses, die durch Multiplikation von Energiebeträgen mit Zeitbeträgen erhalten wird. Die Quantentheorie beruht nun auf der Annahme, d a ß sich die Wirkung physikalischer Vorgänge aus e l e m e n t a r e n W i r k u n g s q u a n t e n zusammensetze. 1 Zur Anwendung gelangte dieser Gedanke zuerst in der Theorie der W ä r m e s t r a h l u n g . Vom modernen Standp u n k t e erscheint die Strahlungstheorie als die Lehre von den W e c h s e l b e z i e h u n g e n und Wechselwirkungen zwischen den den Raum erfüllenden e l e k t r o m a g n e t i s c h e n W e l l e n und den m i k r o m e c h a n i s c h e n V o r g ä n g e n , die die Experimentalphysik als Wärme bezeichnet. Die Grundlage der neueren Strahlungstheorie bildet ein wichtiges Gesetz, das im J a h r e 1859 von K I R C H H O F F aufgestellt wurde; es betrifft das sogenannte E m i s s i o n s v e r m ö g e n . Man versteht d a r u n t e r den Betrag der von einem warmen Körper ausgestrahlten Energie, bezogen auf eine Sekunde und auf ein Quadratzentimeter der Oberfläche des Körpers. K I R C H H O F F gelangte nun zu der Erkenntnis, d a ß das Emissionsvermögen eines Körpers außer von der Temperatur lediglich davon abhängt, in welchem Grade der Körper auf ihn fallende Wärmestrahlung a b s o r b i e r t . Absorbiert er die Wärmestrahlung, also, wie wir heute sagen müssen, auf ihn auftreffende elektromagnetische Wellen vollkommen, so d a ß von den Wellen nichts reflektiert wird, so nennt m a n den Körper vollkommen s c h w a r z . 2 Das E m i s s i o n s v e r m ö g e n e i n e s s c h w a r z e n K ö r p e r s h ä n g t also nach K I R C H H O F F ein zig u n d a l l e i n v o n d e r T e m p e r a t u r a b . 3 Welcher Art nun diese Abhängigkeit ist, das h a t zuerst S T E F A N im J a h r e 1879 entdeckt, und für die von ihm auf-

Die Quantentheorie.

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gefundene Gesetzmäßigkeit h a t dann BOLTZMANN zuerst eine exakte theoretische Begründung gegeben. 4 Nach dem sogenannten STEFAN-BOLTZMANNsehen Gesetz ist das E m i s s i o n s v e r m ö g e n eines Körpers d e r v i e r t e n P o t e n z d e r a b s o l u t e n T e m p e r a t u r des Körpers p r o p o r t i o n a l . Das Verhältnis zwischen dem Emissionsvermögen eines schwarzen Körpers und der vierten Potenz seiner absoluten Temperatur m u ß daher eine u n i v e r s e l l e K o n s t a n t e darstellen, die man die STEFAN s e h e K o n s t a n t e nennt. Man kann ihren Wert ermitteln, indem man die Abkühlung eines heißen Körpers beobachtet. Die Strahlung, die von einem warmen Körper ausgeht, setzt sich nun aus elektromagnetischen Wellen von den mannigfachsten Perioden, von den verschiedensten Wellenlängen zus a m m e n ; die Gesamtheit aller möglichen Perioden, aller möglichen Wellenlängen von den kürzesten bis zu den längsten, bezeichnet man als das S p e k t r u m im weitesten Sinne dieses Wortes. Daß indessen in der Strahlung eines warmen Körpers keineswegs alle Teile des Spektrums gleich intensiv vertreten sind, d a ß auch deren Anteile an der gesamten Strahlung sich mit der T e m p e r a t u r ändern, das geht schon aus einer alltäglichen Beobachtung hervor. Wenn ein Körper erwärmt wird, so sendet er zunächst nur dunkle Wärmestrahlen aus, weil der dem Auge sichtbare Teil des Spektrums nur unmerklich in der Strahlung vertreten ist. Erst bei 525° C (über dem Schmelzpunkt des Eises) beginnen die Körper sichtbar zu glühen®, zunächst in Rotglut, die dann bei fortgesetzter Steigerung der Temperatur allmählich in Gelbglut und schließlich in Weißglut übergeht. Der theoretischen Physik entstand somit ein wichtiges, freilich auch äußerst schwieriges Problem in der Frage nach der s p e k t r a l e n V e r t e i l u n g d e r S t r a h l u n g s e n e r g i e . Der Sinn dieser Frage möge durch ein Beispiel erläutert werden, das einem der Physik ganz fernstehenden Gebiete entnommen werde. Die Volkswirtschaftslehre untersucht die Verteilung des Volkseinkommens auf die verschiedenen Einkommenstufen. Sie konstruiert S t u f e n des jährlichen Einkommens, die um einen konstanten Betrag (von etwa hundert Mark) steigen mögen, und legt sich nun die Frage vor, welche prozentuellen

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Fünfter Vortrag.

Bruchteile des gesamten jährlichen Volkseinkommens auf die -einzelnen Einkommenstufen entfallen, Jedenfalls wird dann •eine Stufe dadurch ausgezeichnet sein, d a ß ihr prozentueller Anteil am gesamten Volkseinkommen am größten ist. In ganz analoger Weise kann die theoretische Physik das Spektrum nach Wellenlängen abstufen 6 und die. grundlegende Frage untersuchen, welche Anteile an der gesamten von einem Körper ausgestrahlten Energie, welche Anteile also an dem gesamten Emissionsvermögen den einzelnen Stufen des Spektrums bei bestimmten Temperaturen zukommen; auch da wird es sich zeigen, d a ß es in jedem Falle eine bestimmte Stufe des Spekt r u m s gibt, f ü r die dieser Anteil am größten ist. Indem man die Stufen recht klein wählt, läßt sich derart eine bestimmte W e l l e n l ä n g e ermitteln, f ü r die das sogenannte s p e z i f i s c h e E m i s s i o n s v e r m ö g e n a m g r ö ß t e n ist. Im J a h r e 1 8 9 3 h a t nun W I E N auf theoretischem Wege die wichtige Entdeckung gemacht, d a ß das Produkt aus dieser Wellenlänge und der absoluten Temperatur des strahlenden Körpers eine u n i v e r s e l l e Konstante darstellt, die man darum die W I E N s e h e K o n s t a n t e nennt. Je höher die T e m p e r a t u r , desto kleiner ist daher die ausgezeichnete Wellenlänge. Die ihr entsprechende Stelle im Spektrum verschiebt sich also mit zunehmender Temperatur in der Richtung von größeren zu kleineren Wellenlängen, also innerhalb des sichtbaren.Spekr trums in der Richtung von Rot zu Violett. 7 Man bezeichnet darum das von W I E N aufgefundene Gesetz als V e r s c h i e b u n g s gesetz. Seine Richtigkeit ist durch experimentelle Untersuchungen vollkommen bestätigt worden, und dadurch war es andererseits auch möglich, die WiENSche Konstante ziemlich genau zu ermitteln. 8 Die Auffindung des Verschiebungsgesetzes bedeutete einen großen und wesentlichen Erfolg auf dem Wege zu der Lösung des Grundproblems der Strahlungstheorie, nämlich der Frage nach der spektralen Energieverteilung in ihrer Abhängigkeit von der Temperatur. Diesem Problem gegenüber versagte aber nun die klassische Physik. Wohl f ü h r t e sie auf zwei, ganz verschiedenen Wegen zu zwei verschiedenen Gesetzen, die Lösungen jenes Problems darstellen sollten; aber der. experimentellen Prüfung konnte keines der beiden Gesetze Stand

D i e Quantentheorie.

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halten. Es zeigte sich, d a ß beide n u r ein beschränktes Geltungsgebiet haben und keines allgemeine Gültigkeit besitzt. 9 Die vollständige Lösung des Strahlungsproblems ist erst im J a h r e 1900 P L A N C K gelungen, als er die geniále Hypothese des e l e m e n t a r e n W i r k u n g s q u a n t u m s ersann und sie auf die Strahlungserscheinungen anwandte. P L A N C K m a c h t e die Annahme, d a ß die Aussendung von Strahlung diskontinuierlich erfolge, derart, d a ß dabei E n e r g i e e l e m e n t e eine Rolle spielen; deren Größe sollte wiederum durch die Forderung bestimmt sein, daß das Produkt aus einem Energieelement und der Zeit seiner Schwingungsperiode gleich wäre dem elementaren Wirkungsquantum. Da zu der Schwingungsperiode die Schwingungszahl reziprok ist, so m ü ß t e somit jedes Energieelement gleich sein dem Produkt aus dem elementaren Wirkungsquantum und der Schwingungszahl. Die Energieelemente verschiedenfarbiger Strahlung wären also nicht gleich groß, sondern bei ultraroter viel kleiner als bei ultravioletter; bei violetter wären sie etwa doppelt, bei grüner etwa einundeinhalbmal so groß wie bei roter. Mittels der Hypothese der Energieelemente vermochte P L A N C K ein S t r a h l u n g s g e s e t z abzuleiten, das f ü r a l l e T e m p e r a t u r e n die Verteilung der Strahlungsenergie über a l l e T e i l e d e s S p e k t r u m s richtig wiedergibt, in v o l l kommener Übereinstimmung mit der experiment e l l e n B e o b a c h t u n g . 1 0 Aber die Bedeutung des P L A N C K schen Strahlungsgesetzes reicht noch weit über das Gebiet der eigentlichen Strahlungslehre hinaus; denn das PLANCKSche Gesetz f ü h r t e unmittelbar zu der genauen Bestimmung der wichtigsten universellen Konstanten der Physik. Aus dem PLANCKSchen Gesetz folgen nämlich zwei Gleichungen, die die empirisch ermittelten Konstanten des STEFANSchen und des WiENSchen Gesetzes mit zwei f ü r das moderne System der Physik grundlegenden Größen verknüpfen, deren eine noch völlig unbekannt, deren andere nur durch grobe Schätzung bekannt war. Die erste Größe war eben das hypothetische elementare Wirkungsquantum, die andere die M a s s e d e s W a s s e r s t o f f a t o m s , d i e bis dahin n u r der Größenordnung nach von L O S C H M I D T abgeschätzt worden war. Indem nun P L A N C K jene zwei Gleichungen nach ihren beiden Unbekannten auf-

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Fünfter Vortrag.

löste, fand er sehr genau die Werte des elementaren Wirkungsquantums und der Masse des Wasserstoffatoms. Für letztere erhielt er den (schon in einem früheren Vortrage angegebenen) Wert von dem quadrillionsten Teile von einundeinhalb G r a m m 1 1 ; hieraus konnte P L A N C K wieder auf Grund der bekannten elektrochemischen Konstanten das elektrische Elementarq u a n t u m sehr genau berechnen (wie schon im dritten Vortrage erwähnt wurde). Der Wert, den P L A N C K f ü r das e l e m e n t a r e W i r k u n g s q u a n t u m erhielt, erscheint vom menschlichen S t a n d p u n k t e aus sehr klein. Von seiner Größe gewinnt man eine Vorstellung, wenn man Energieelemente von sichtbarer Strahlung betrachtet. Für violette Strahlung, deren Schwingungszahl den ungeheuren Wert von 800 Billionen in der Sekunde hat, würden gleichwohl die Energieelemente so klein sein, d a ß erst zwei Trillionen ihrer der Energie gleich kämen, die aufgewendet werden muß, um ein Gewicht von einem Kilog r a m m einen Meter hoch zu heben. 1 2 Fünf J a h r e nun, nachdem P L A N C K in so erfolgreicher Weise die Quantentheorie begründet h a t t e , da entdeckte — es war im Jahre der Entstehung der Relativitätstheorie, im J a h r e 1905 — E I N S T E I N ein neues wichtiges Anwendungsgebiet des Quantenprinzipes in einer Gruppe von Erscheinungen, bei denen sich entweder Licht in Licht von anderer Periode oder Bewegungsenergie in Licht oder schließlich umgekehrt Licht in Bewegungsenergie umwandelt. Der erste Vorgang — die Verwandlung von Licht in solches von anderer Schwingungszahl — erfolgt bei dem Phänomen der F l u o r e s z e n z , das sowohl bei dem sichtbaren Lichte als auch bei Röntgenstrahlen wahrgenommen wird. 1 3 Der zweite Vorgang, bei dem durch Bewegungsenergie Licht erzeugt wird, wird beobachtet, wenn Kathodenstrahlen, die ja aus trägen, mit ungeheurer Wucht bewegten Teilchen bestehen, Röntgenstrahlen erregen. Der dritte Vorgang, die Erzeugung von Bewegungsenergie durch Licht, ist als l i c h t e l e k t r i s c h e r E f f e k t ' b e k a n n t ; bei ihm werden durch ultraviolettes Licht oder Röntgenstrahlen aus den bestrahlten Körpern Elektronen losgerissen. Für merkwürdige Tatsachen, die bei den erwähnten Phänomenen den Forschern auffielen, fand nun E I N S T E I N eine ein-

Die

Quantentheorie.

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fache Deutung, als er annahm, daß die Energieelemente nicht nur bei der Aussendung von Strahlung durch warme Körper eine Rolle spielen, sondern d a ß sich auch das Licht selbst in L i c h t q u a n t e n a u s b r e i t e , deren Größe eben durch das Produkt aus elementarem Wirkungsquantum und Schwingungszahl bestimmt wäre. Auf Grund dieser Hypothese leitete E I N S T E I N für den lichtelektrischen Effekt ein Gesetz ab, das in der T a t durch die experimentelle Beobachtung vollkommen bestätigt wurde. 1 4 J a das EiNSTEiNSche Gesetz ist so genau erfüllt, d a ß auf die Ausmessung des lichtelektrischen Effektes der amerikanische Physiker M I L L I K A N eine Methode zur direkten Bestimmung des elementaren Wirkungsquantums gründen konnte. Der Wert, den M I L L I K A N so erhielt, s t i m m t vollkommen mit demjenigen überein, den auf einem ganz verschiedenen Wege P L A N C K gefunden h a t t e . Zwei Jahre, nachdem E I N S T E I N die Vorstellung der Lichtquanten begründet hatte, also im Jahre 1907, entdeckte er ein weiteres, sehr bedeutungsvolles Anwendungsgebiet der Quantenhypothese in der Theorie der s p e z i f i s c h e n W ä r m e f e s t e r K ö r p e r . Unter der spezifischen Wärme einer Substanz versteht man die Wärmemenge, die man einem Gramm der Substanz zuführen muß, um ihre Temperatur um einen Grad zu erhöhen. Im Jahre 1819 hatten nun D U L O N G und P E T I T eine interessante Beziehung zwischen der spezifischen Wärme eines festen Grundstoffes und seinem A t o m g e w i c h t entdeckt. Nach dem sogenannten Gesetz von D U L O N G und P E T I T soll nämlich das Produkt aus beiden Größen, das als die A t o m w ä r m e bezeichnet wird, f ü r a l l e f e s t e n G r u n d s t o f f e d e n s e l b e n W e r t haben. 1 5 Diese Beziehung, die später auch theoretisch begründet wurde, wird in der Tat durch die Erfahrung im allgemeinen gut bestätigt. Aber schon damals, als das Gesetz aufgestellt wurde, fielen sehr große A b w e i c h u n g e n bei einigen Elementen mit niedrigem Atomgewicht auf, so bei Beryllium, bei Bor und vor allem bei dem Diamanten. Später stellte man auch die überraschende T a t sache fest, d a ß namentlich bei dem Diamanten die spezifische Wärme bei starker Abkühlung sehr abnimmt. 1 6 Die A b w e i c h u n g e n v o n d e m DuLONGSchen G e s e t z verm o c h t e die klassische P h y s i k n i c h t zu erklären. W o h l aber

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Fünfter Vortrag.

f a n d e n sie eine einfache D e u t u n g , als E I N S T E I N auf die W ä r m e t h e o r i e d e r f e s t e n K ö r p e r das Q u a n t e n p r i n z i p a n w a n d t e . In A n l e h n u n g an ältere V o r s t e l l u n g e n n a h m n ä m l i c h EINSTEIN a n , d a ß die W ä r m e der f e s t e n K ö r p e r auf S c h w i n g u n g e n ihrer A t o m e b e r u h e , und er n a h m n u n w e i t e r an, d a ß die E n e r g i e dieser S c h w i n g u n g e n sich i m Sinne der PLANCKschen H y p o t h e s e aus E n e r g i e e l e m e n t e n z u s a m m e n s e t z e , die also der S c h w i n g u n g s z a h l p r o p o r t i o n a l w ä r e n . D u r c h diese A n n a h m e EINSTEINS w u r d e n i c h t n u r der A b f a l l d e r s p e z i f i s c h e n W ä r m e bei tiefen T e m p e r a t u r e n v e r s t ä n d l i c h , sond e r n a u c h die T a t s a c h e , d a ß s e l b s t bei Z i m m e r t e m p e r a t u i m e r k liche A b w e i c h u n g e n v o n d e m DuLONGSchen G e s e t z e bei E l e m e n t e n a u f t r e t e n , d e r e n A t o m e besonders l e i c h t sind und d a h e r besonders r a s c h s c h w i n g e n . 1 7 D e r EiNSTEiNSche Gedanke ist s p ä t e r von v e r s c h i e d e n e n Forschern w e i t e r a u s g e s t a l t e t w o r d e n , so n a m e n t l i c h von D E B Y E , der die EiNSTEiNSche T h e o r i e v e r v o l l k o m m n e t e und sie d a d u r c h in eine n o c h bessere Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der E r f a h r u n g b r a c h t e . D u r c h seine Ü b e r l e g u n g e n g e l a n g t e DEBYE im J a h r e 1 9 1 2 z u einem w i c h t i g e n G e s e t z , d e m z u f o l g e bei sehr tiefen T e m p e r a t u r e n die s p e z i f i s c h e W ä r m e e i n e s f e s t e n K ö r p e r s d e r d r i t t e n P o t e n z der absoluten T e m p e r a t u r p r o p o r t i o n a l ist. Der S a t z von DEBYE d e c k t sich in seinen F o l g e r u n g e n m i t sehr b e d e u t u n g s v o l l e n Schlüssen, die f r ü h e r bereits N E R N S T aus einem im J a h r e 1 9 0 6 v o n i h m a u f g e s t e l l t e n P r i n z i p e g e wonnen h a t t e . Dieses P r i n z i p , d a s g e w ö h n l i c h als der N E R N S T s c h e W ä r m e s a t z b e z e i c h n e t w i r d , schuf v ö l l i g neue G r u n d lagen f ü r die W ä r m e l e h r e und die T h e r m o c h e m i e tiefer T e m p e r a turen und erwies in v i e l f a c h e r H i n s i c h t seine a u ß e r o r d e n t l i c h e F r u c h t b a r k e i t und seine g u t e Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t der E r f a h r u n g . Der Inhalt des NERNSTSchen W ä r m e s a t z e s l ä ß t sich freilich s c h w e r in eine f ü r den Laien v e r s t ä n d l i c h e F o r m b r i n g e n ; im w e s e n t l i c h e n b e s a g t er, d a ß bei sehr tiefen T e m p e r a t u r e n der T e m p e r a t u r b e g r i f f die B e d e u t u n g verliere, die er u n t e r n o r m a l e n V e r h ä l t n i s s e n h a t . Die spezifische W ä r m e n i m m t eben bei sehr tiefen T e m p e r a t u r e n m i t fallender T e m p e r a t u r rapid a b ; eine W ä r m e m e n g e , die bei Z i m m e r t e m p e r a t u r die T e m p e r a t u r eines K ö r p e r s n i c h t m e r k l i c h zu steigern v e r m ö c h t e , kann bei sehr g r o ß e r K ä l t e eine E r h ö h u n g u m viele G r a d e h e r v o r -

Die

Quantentheorie.

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rufen. Eine Wärmemenge, die bei Zimmertemperatur einen Körper merklich ausdehnt, vermag bei sehr großer Kälte eine beobachtbare Vergrößerung des Volumens des Körpers nicht zu bewirken. 18 Der universelle Charakter der Quaiitenhypothese war so bereits auf drei ganz verschiedenen Gebieten erkannt worden, in der Theorie der Wärmestrahlung, in der Theorie des lichtelektrischen Effektes und in der Theorie der spezifischen Wärme; da erschloß im Jahre 1913 der dänische Physiker B O H R der Quantentheorie das Anwendungsgebiet, auf dem ihr die großartigsten Erfolge beschieden sein sollten. Indem nämlich B O H R die Hypothese des elementaren Wirkungsquantums mit der R U T H E R F O R D sehen A t o m t h e o r i e verschmolz, gelang ihm die Begründung einer S p e k t r a l t h e o r i e , die zugleich durch ihre weitere Ausgestaltung die Lösung des schwierigen Problems des A t o m b a u e s erbrachte. Im Jahre 1 8 5 9 hatten K I R C H H O F F und B U N S E N die bedeutungsvolle Entdeckung gemacht, daß in den S p e k t r e n d e r c h e m i s c h e n G r u n d s t o f f e für diese Grundstoffe charakteristische Linien von b e s t i m m t e n S c h w i n g u n g s z a h l e n auftreten. Im Jahre 1 8 8 5 hat dann B A L M E R die äußerst wichtige Tatsache entdeckt, daß z w i s c h e n den Linien d e s W a s s e r s t o f f s p e k t r u m s sehr einfache 'zahlenmäßige B e z i e h u n g e n bestehen. Die Schwingungszahlen der einzelnen Wasserstofflinien, sowohl derjenigen, die schon B A L M E R bekannt waren, als auch jener, die erst später entdeckt wurden, sind nämlich durch D i f f e r e n z e n von der Form darstellbar R/m2—R/n2, wobei sowohl m als auch n stets einfache g a n z e Z a h l e n sind; R aber bedeutet eine konstante Schwingungszahl von 3291 Billionen in der Sekunde, eine Schwingungszahl also, die um ungefähr zwei Oktaven höher liegt als die des sichtbaren violetten Lichtes. 19 In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts machte nun schon der schwedische Physiker R Y D B E R G die wichtige Entdeckung, daß die Schwingungszahl R, die darum die RYDB E R G sehe K o n s t a n t e genannt wird, nicht nur für die Struktur des Wasserstoffspektrums maßgebend ist, sondern daß sie auch eine wesentliche Rolle in den (allerdings komplizierteren) Formeln spielt, die die Gesetzmäßigkeiten anderer chemischer

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Fünfter Vortrag.

Grundstoffe 2 0 beschreiben. Die RYDBERGSche Schwingungszahl gewinnt dadurch die Bedeutung einer u n i v e r s e l l e n K o n s t a n t e n ; und im J a h r e 1910 fand nun der Verfasser dieser Schrift, indem er zuerst das Quantenprinzip auf die Theorie des Atoms und die Theorie der Spektren anwandte, eine Beziehung, die die RYDBERGsche Konstante mit den Grundgrößen der Quantentheorie und der Elektronentheorie verk n ü p f t , nämlich mit dem elementaren Wirkungsquantum, mit dem elektrischen Elementarquantum und mit der Masse des negativen Elektrons. 2 1 Im J a h r e 1913 gelang dann B O H R eine überraschend einfache Deutung der Gesetzmäßigkeit des Wasserstoffspektrums d a d u r c h , d a ß er der Quantentheorie des Atoms das A t o m m o d e l l zugrunde legte, das kurz vorher R U T H E R F O R D ersonnen h a t t e . Nach der schon früher (im dritten Vortrag) besprochenen Anschauung von R U T H E R F O R D hat man sich das Wasserstoffatom gebildet zu denken aus einem den A t o m k e r n darstellenden p o s i t i v e n E l e k t r o n und einem n e g a t i v e n E l e k t r o n , das den Kern u m k r e i s t . Von der Masse des Atoms entfällt nur der etwa 1840ste Teil auf das negative Elektron, während der Rest der Masse dem Atomkern zugeschrieben werden muß. Indem man sich den Halbmesser des positiven Elektrons etwa 1840 mal kleiner denkt als den des negativen Elektrons, gewinnt man somit, wie schon früher erwähnt wurde, die Möglichkeit, die ganze Masse des Atoms rein elektromagnetisch zu erklären. Auf dieses RuTHERFORDSche Modell des Wasserstoffatoms wandte nun B O H R die Q u a n t e n t h e o r i e in z w e i f a c h e r Hinsicht an. Seine erste Annahme bezieht sich auf die Kreisbewegung des negativen Elektrons. Während nach der klassischen Physik diese Bewegung in Bahnen von ganz beliebigen Bahnhalbmessern erfolgen könnte, ohne daß eine Bahn irgend einen Vorzug vor der anderen h ä t t e , nahm B O H R an, d a ß solche B a h n e n a u s g e z e i c h n e t seien, bei denen eine bestimmte, die Bewegung in mechanischer Hinsicht charakterisierende Größe 2 2 ein g a n z z a h l i g e s V i e l f a c h e s d e s e l e m e n t a r e n W i r k u n g s q u a n t u m s ist. J e nach der Größe, die die eben erwähnte ganze Zahl hat, spricht man daher von einer ein q u a n t i g e n B a h n , einer zweiquantigen Bahn, einer dreiquantigen und

Die Quantentheorie.

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so fort. Jeder Bahn von besti'mmter Q u a n t e n z a h l entsprechen ganz bestimmte Werte des Bahnhalbmessers, der Geschwindigkeit, der Umlaufszahl und der Energie. Für die e i n q u a n t i g e B a h n beträgt z. B. die Geschwindigkeit den ungefähr 140sten Teil der Lichtgeschwindigkeit, die Umlaufszahl beträgt ungefähr 6000 Billionen in der Sekunde. Die Energie, die das Wasserstoffatom im einquantigen Zustande besitzt, ist einfach gleich dem Produkte aus der RYDBERGSchen Konstanten und dem elementaren Wirkungsq u a n t u m . Für den einquantigen Bahnhalbmesser ergibt sich ein Wert von ungefähr dem zwanzigsten Teil eines milliontel Millimeters. Der Halbmesser der einquantigen Bahn ist demnach ungefähr 30000 mal so groß wie der Halbmesser des negativen Elektrons, der seinerseits ja wieder etwa 1800mal so groß ist wie derjenige, der dem positiven Elektron zugeschrieben werden m ü ß t e , wenn die ganze Masse des Atoms rein elektromagnetisch erklärt werden - soll. Denken wir uns daher das Wasserstoffatom so v e r g r ö ß e r t , d a ß der Atomkern die Größe eines Sandkorns von einem zehntel Millimeter Halbmesser erhält, so würde das negative Elektron etwa die Größe eines Fußballs haben, der in einer Entfernung von ungefähr fünf Kilometern das Sandkorn umkreisen würde. Der Halbmesser der einquantigen Bahn ist natürlich noch kleiner als der durchschnittliche Abstand zweier Wasserstoffmolekeln. Bei normalem Druck und normaler Temperatur sind (wie schon in dem zweiten Vortrage erwähnt wurde) ungefähr drei bis vier Molekeln in einem Würfel enthalten, dessen Kante den 200000sten Teil eines Millimeters beträgt. Die Kante dieses Würfels wäre demnach hundertmal so groß wie der einquantige Bahnhalbmesser. Bleiben wir also bei dem früheren Vergleiche, bei dem der Atomkern einem winzigen Sandkorn und das kreisende negative Elektron einem mit einem Radius von fünf Kilometern umlaufenden Fußball verglichen wurde, so würde dem gegenseitigen Abstände zweier Molekeln etwa die Entfernung Wien—München entsprechen. Nun ist allerdings Wasser etwa 11000 mal dichter als Wasserstoff und Platin noch 22mal dichter als Wasser. Aber selbst wenn wir dies berücksichtigen, werden wir vom Standpunkte der Atomtheorie aus auch das Platin wohl kaum als dicht bezeichnen dürfen.

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Fünfter Vortrag.

Denn denken wir uns ein Stück Platin so vergrößert, d a ß die darin enthaltenen positiven Elektronen die Größe kleiner Sandkörner annehmen, so würden durchschnittlich erst je etwa tausend Sandkörner auf einen Würfel von 50 km Seitenlänge k o m m e n . 2 3 So ungeheuer dünn ist die Materie. Das gesamte Volumen aller in und auf der Erde vorhandenen positiven Elektronen, die zu mehr als 99,9 % die Masse der Erde bilden 24 , wäre so klein, d a ß alle diese positiven Elektronen in einem Zimmer Platz h ä t t e n , falls die ungeheure K r a f t überwunden werden könnte, mit der die so zusammengepferchten Elektronen einander abstoßen w ü r d e n . Mit den Werten nun, die die BoHRSche Theorie für den einquantigen Atomzustand ergibt, stehen in einem äußerst einfachen Zusammenhange die Werte, die f ü r m e h r q u a n t i g e Zustände gelten. Den Radius, der einer Bahn von beliebiger Quantenzahl entspricht, findet man, indem man den der einquantigen Bahn mit dem Quadrate der Quantenzahl multipliziert. Der Radius der zweiquantigen Bahn ist also viermal, der der dreiquantigen Bahn neunmal, der der vierquantigen Bahn sechzehnmal so groß wie der der einquantigen. Das Umgekehrte gilt f ü r die Energie. Im zweiquantigen Zustand ist die Energie des Atoms nur ein viertelmal, im dreiquantigen nur ein neuntelmal, im vierquantigen nur ein sechzehntelmal so groß wie im einquantigen Zustand; man erhält die E n e r g i e in einem beliebigen quantentheoretisch ausgezeichneten Zustand, indem man die des einquantigen Zustandes d u r c h d a s Quadrat der Quantenzahl dividiert. Nun erscheint ja andererseits nach dem früher Gesagten die Frequenz einer Linie des Wasserstoffspektrums als Differenz zweier Glieder, deren jedes bei gleichem Zähler das Quadrat einer ganzen Zahl im Nenner enthält. Um die Gesetzmäßigkeit des Wasserstoffspektrums erklären zu können, brauchte darum BOHR seiner ersten Annahme nur noch eine zweite hinzuzufügen, die sich unmittelbar aus dem Quantenprinzip und insbesondere aus der EiNSTEiNSchen Hypothese der L i c h t q u a n t e n ergibt. B O H R nahm nämlich an, d a ß das Atom Licht nur dann aussende, wenn es aus einem quantentheoretisch ausgezeichneten Zustand in einen anderen ebenfalls ausgezeichneten übergehe und daß die durch diesen Übergang über-

Die Quantentheorie.

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schüssig werdende Energie sich in ein Lichtquantum umsetze. Mit anderen Worten, es muß die Differenz der Energiewerte, die den beiden ausgezeichneten Zuständen entsprechen, gleich sein dem Produkte aus dem elementaren Wirkungsquantum und aus der Frequenz des ausgesandten Lichtes. Durch diese sogenannte F r e q u e n z b e d i n g u n g soll die Schwingungszahl der Spektrallinie bestimmt sein, die durch den Übergang erzeugt wird. Da die Werte der Energie umgekehrt proportional sind den Quadraten der Quantenzahlen, so erklärt es sich durch die Frequenzbedingung in der Tat, daß die Schwingungszahlen der Wasserstofflinien darstellbar sind als D i f f e r e n z e n zweier Bruche, die bei gleichem Zähler im Nenner Quadrate verschiedener ganzer Zahlen enthalten. Andererseits erscheint wieder durch die Frequenzbedingung die R Y D B E R G S c h e Konstante verknüpft mit den Größen, die das Wasserstoffatom vom elektronentheoretischen Standpunkte aus charakterisieren. Auf Grund dieser Beziehung ist es nun auch möglich, das elementare Wirkungsquantum aus spektroskopischen Messungen sehr genau zu berechnen; der so gefundene Wert stimmt vollkommen mit dem überein, den PLANCK aus seinem Strahlungsgesetz abgeleitet hatte und ebenso mit demjenigen, den später MILLIKAN, wie erwähnt, aus lichtelektrischen Messungen erhielt. Da jede Spektrallinie durch einen Übergang zwischen zwei Zuständen entsteht, so ergibt sich eine z w e i f a c h e M a n n i g f a l t i g k e i t von S p e k t r a l l i n i e n . Zu jedem Endzustand von bestimmter Quantenzahl gehört eine Serie von Spektrallinien, deren einzelne Linien wieder durch die Quantenzahlen des Anfangszustandes bestimmt sind. (Die Zahl/rabestimmt bei der Emission den Endzustand, die Zahl n den Anfangszustand; bei gegebenem m kann noch n die Reihe der ganzen Zahlen durchlaufen. 25 ) Die für das menschliche Auge sichtbare, die sogenannte o p t i s c h e S e r i e des Wasserstoffspektrüms entsteht durch Übergangin den zwei q u a n t i g e n E n d z u s t a n d , bei dem Übergang aus dem dreiquantigen in den zweiquantigen Zustand entsteht eine rote, bei dem Übergang aus dem vierquantigen in den zweiquantigen Zustand eine blaue Linie. 26 Wächst die Quantenzahl der Anfangsbahn, so nähern sich nach der B A L M E R S c h e n Formel die Linien der optischen Serie immer mehr einer Schwingungszahl, die gleich ist der R Y D B E R G HAAS, Das Naturbild der neuen Physik.

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Fünfter Vortrag.

sehen K o n s t a n t e n , gebrochen durch d a s Q u a d r a t von zwei. Diese Grenze der optischen Serie liegt im Ultravioletten. Von der optischen Serie h a t man insgesamt 33 Linien bisher beobachten können. 2 7 Die Serie, die dem einquantigen E n d z u s t a n d entspricht, liegt im Ultravioletten, die Serie, deren E n d z u s t a n d d r e i q u a n t i g ist, im U l t r a r o t e n . D a d u r c h erklärt es sich, d a ß diese beiden schwerer feststellbaren Serien erst, später als die optische e n t d e c k t worden sind. 2 8 Es sei n u r k u r z e r w ä h n t , d a ß die BoHRSche Theorie auch zu einer einfachen D e u t u n g des S p e k t r u m s d e s H e l i u m s 2 9 f ü h r t e , ja, d a ß erst durch die BoHRSche T h e o r i e Serien, die bis dahin f ä l s c h l i c h d e m W a s s e r s t o f f zugeschrieben worden w a r e n , als Heliumserien e r k a n n t w u r d e n . 3 0 Es war ein großer Erfolg f ü r die BoHRSche Theorie, d a ß es später tatsächlich, wie es die Theorie vorausgesagt h a t t e , gelang, diese f r ü h e r fälschlich dem Wasserstoff zugeschriebenen Linienserien in solchen GEissLERSchen Röhren hervorzurufen, die m i t reinem Heliumgas gefüllt und frei von jeder Beimengung von Wasserstoff w a r e n . 3 1 Für die neue Auffassung des H e l i u m s p e k t r u m s vermochte aber eine noch glänzendere Bestätigung B O H R selbst auf rein theoretischem Wege zu erbringen, und zwar auf Grund der merkwürdigen Tatsache, d a ß bei dem H e l i u m - S p e k t r u m die Ü b e r e i n s t i m m u n g zwischen den theoretisch berechneten und den tatsächlich beobachteten Schwingungszahlen der Linien nicht so vollkommen erschien wie bei d e m Wasserstoff. Wie ö f t e r in der Geschichte der Physik, so erwiesen sich auch hier die ursprünglichen vermeintlichen Abweichungen von der Theorie nach der Vervollkommnung der Theorie als deren glänzendste Bestätigung. 3 2 Die Vervollkommnung der Theorie bestand in diesem Falle darin, d a ß B O H R auch die Mi t b e w e g u n g d e s A t o m k e r n e s berücksichtigte. Tatsächlich kreist ja bei dem BoHRSchen Wasserstoffatommodell (dem das Heliumatommodell analog ist 3 3 ) nicht das negative Elektron um den Kern, sondern beide, negatives Elektron und Kern, kreisen um ihren gemeinschaftlichen S c h w e r p u n k t . 3 4 Indem B O H R diesen u r s p r ü n g lich nicht beachteten U m s t a n d n u n m e h r auch berücksichtigte, k o n n t e er nicht n u r die vermeintlichen Abweichungen des H e l i u m s p e k t r u m s vollkommen erklären, sondern sogar aus der

Die

Quantentheorie.

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Größe dieser vermeintlichen Abweichungen recht genau eine fundamentale Konstante der Elektronentheorie berechnen, nämlich das Verhältnis zwischen der Ladung und der Masse der negativen Elektronen. Der Wert, den B O H R so erhielt, stimmte wieder vollkommen mit demjenigen überein, der auf ganz anderem Wege schon früher durch Messungen an Kathodenstrahlen gewonnen worden w a r ; in der T a t ein glänzender Triumph f ü r die BoHRSche Theorie. Zwei Jahre nun, nachdem B O H R in so erfolgreicher Weise die Quantentheorie der Spektren geschaffen hatte, erfuhr diese Theorie im Jahre 1915 eine bedeutungsvolle Erweiterung durch S O M M E R F E L D . Das Verhältnis dieses Forschers zu B O H R ist in gewissem Sinne vergleichbar mit dem Verhältnis K E P L E R S zu C O P E R N I C U S . Wie sich einst C O P E R N I C U S die Planetenbahnen kreisförmig gedacht h a t t e , K E P L E R aber sie als Ellipsen behandelte und damit einen gewaltigen Fortschritt vollzog, so ersetzte auch S O M M E R F E L D die kreisförmigen Bahnen des BoHRSchen Atommodells durch e l l i p t i s c h e . Die Theorie wurde dadurch natürlich wesentlich komplizierter. Denn ein Kreis ist zwar durch eine einzige Größe bestimmbar, nämlich durch seinen Halbmesser, eine Ellipse hingegen erst durch zwei Größen, etwa ihre große und ihre kleine Achse. In der SoMMERFELDSchen Theorie erfordert daher jede quantentheoretisch ausgezeichnete Bahn zu ihrer Kennzeichnung je zwei Quantenzahlen. Die Spektrallinien stellen somit in der SoMMERFELDSchen Theorie eine v i e r f a c h e M a n n i g f a l t i g k e i t dar, da sowohl der Anfangszustand als auch der Endzustand erst durch je zwei Quantenzahlen gegeben ist. Als S O M M E R F E L D auf dieser Grundlage die Spektraltheorie ausgestalten wollte, erhielt er aber zunächst nur ganz dieselben Linien wie B O H R , höchstens mit dem Unterschiede, daß sich f ü r jede dieser Linien nunmehr mehrere Entstehungsmöglichkeiten ergaben, während die BoHRSche Theorie für jede Linie nur eine einzige Entstehungsmöglichkeit gekannt h a t t e . Die Ellipsenhypothese erschien somit zunächst nur als eine überflüssige und zwecklose Komplizierung der früheren Theorie. Ihre außerordentliche Fruchtbarkeit erwies aber nun die neue Hypothese, als sie S O M M E R F E L D mit einem fundamentalen Satze der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e verknüpfte. Es ist der 6*

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Fünfter Vortrag.

(im vierten Vortrag besprochene) Satz, demzufolge die M a s s e eines Körpers in bezug auf einen Beobachter v o n d e r G e s c h w i n d i g k e i t a b h ä n g t , die der Körper in bezug auf den Beobachter hat. Da die Geschwindigkeit des negativen Elektrons im Wasserstoffatom einige Tausendstel der Lichtgeschwindigkeit beträgt, sind j a merkliche Abweichungen von der klassischen Mechanik sehr wohl möglich. Indem nun S O M M E R F E L D die A b h ä n g i g k e i t der Masse von der Geschwindigkeit berücksichtigte, fand er, d a ß bei den mehrfachen Übergängen, die in seiner Theorie an die Stelle eines einzigen BoHRSchen Überganges treten, nicht genau dieselbe Linie entsteht, sondern verschiedene Linien, deren Schwingungszahlen untereinander allerdings nur sehr, sehr wenig abweichen. In der SoMMERFELDSchen Theorie erscheint also jede BoHRSche Linie a u f g e l ö s t in eine G r u p p e von einander äußerst eng benachbarten Linien. Die S t r u k t u r dieser Gruppe bezeichnet man als die F e i n s t r u k t u r jener, im BoHRSchen Sinne einheitlichen Spektrallinie. Bei dem Wasserstoff ist die Feinstruktur allerdings auch mit den heute vollkommensten Mitteln der Spektroskopie nicht völlig erkennbar. A b e r immerhin w a r schon früher die Tatsache b e k a n n t gewesen, d a ß in stark auflösenden Spektralapparaten die einzelnen Linien der optischen Wasserstoffserie doppelt oder, wie man sagt, als D u b l e t t e erscheinen. Es entspricht dies dem Umstände, d a ß sich in der SoMMERFELDSchen Theorie jede Gruppe, die an die Stelle einer optischen Wasserstofflinie tritt, wiederum aus je z w e i U n t e r g r u p p e n zusammensetzt 3 5 , die wenigstens als zwei einzelne Linien in den Spektralapparaten unterschieden werden können. A u s der SoMMERFELDSchen Theorie f o l g t , d a ß die Differenz der beiden Schwingungszahlen für alle Wasserstoffdublette denselben konstanten W e r t haben m u ß . Dies wird durch die E r f a h r u n g in der T a t bestätigt. Der theoretisch berechnete W e r t der S c h w i n g u n g s d i f f e r e n z d e s W a s s e r s t o f f d u b l e t t s s t i m m t vollkommen mit dem tatsächlich beobachteten überein. Bei dem Helium, bei dem die einzelnen Linien der U n t e r gruppen nicht g a n z so enge beisammen stehen wie bei dem Wasserstoff 3 6 , konnten auch die Untergruppen selbst in stark auflösenden Spektralapparaten aufgespalten werden. In glän-

D i e Quantentheorie.

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z e n d s t e r B e s t ä t i g u n g der SoMMERFELDSchen Theorie sind n u n in der T a t bei s p ä t e r angestellten experimentellen U n t e r s u c h u n g e n alle Linien g e n a u so. zum Vorschein g e k o m m e n , wie es die SoMMERFELDSche Theorie der F e i n s t r u k t u r v o r a u s g e s a g t h a t t e . Dies b e d e u t e t e a b e r n i c h t n u r f ü r die SOMMERFELDSche A n n a h m e u n d f ü r die Q u a n t e n t h e o r i e einen großen Erfolg, sondern auch f ü r die R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e , deren Massenf o r m e l j a den SoMMERFELDSchen R e c h n u n g e n z u g r u n d e lag. Die F e i n s t r u k t u r der Spektrallinien s t e l l t somit a u c h eine glänzende q u a l i t a t i v e u n d q u a n t i t a t i v e B e s t ä t i g u n g d e r R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e dar. Im übrigen ist die Übereins t i m m u n g der BoHR-SoMMERFELDSchen Theorie m i t d e r Erf a h r u n g so v o l l k o m m e n , d a ß es möglich ist, l e d i g l i c h d u r c h s p e k t r o s k o p i s c h e M e s s u n g e n das elementare Wirkungsq u a n t u m u n d die beiden G r u n d g r ö ß e n der E l e k t r o n e n t h e o r i e zu b e r e c h n e n , n ä m l i c h d a s elektrische E l e m e n t a r q u a n t u m u n d die Masse der n e g a t i v e n E l e k t r o n e n . Um diese drei f ü r die m o d e r n e P h y s i k f u n d a m e n t a l e n K o n s t a n t e n zu e r m i t t e l n , b r a u c h t m a n n u r d a s gewöhnliche W a s s e r s t o f f s p e k t r u m auszumessen, die vorhin e r w ä h n t e n vermeintlichen Abweichungen des H e l i u m s p e k t r u m s von der Theorie festzustellen u n d schließlich die S c h w i n g u n g s d i f f e r e n z des W a s s e r s t o f f d u b l e t t s zu ermitteln.37 Die A n w e n d u n g e n d e r BoHR-SoMMERFELDSchen Theorie blieben indessen n i c h t auf Wasserstoff u n d Helium b e s c h r ä n k t . Ein weiteres u n d höchst bedeutungsvolles A n w e n d u n g s g e b i e t erschloß sich dieser Theorie in der R ö n t g e n s p e k t r o s k o p i e , die im J a h r e 1 9 1 3 von M O S E L E Y b e g r ü n d e t worden w a r , einem englischen P h y s i k e r , der zwei J a h r e s p ä t e r , erst 27 J a h r e alt, in den K ä m p f e n an den Dardanellen fiel. Die R ö n t g e n s p e k t r o s k o p i e g r ü n d e t sich auf die E r f a h r u n g s t a t s a c h e , d a ß von R ö n t g e n s t r a h l e n getroffene K ö r p e r s o g e n a n n t e s e k u n d ä r e R ö n t g e n s t r a h l e n 3 8 aussenden u n d u n t e r diesen wieder solche e n t h a l t e n , deren Schwingungszahlen n u r von d e r chemischen N a t u r des g e t r o f f e n e n K ö r p e r s a b h ä n g e n . 3 9 Diese s o g e n a n n t e E i g e n s t r a h l u n g s e t z t sich also z u s a m m e n aus Strahlen von b e s t i m m t e n Wellenlängen, die f ü r die in d e m s t r a h l e n d e n K ö r p e r e n t h a l t e n e n G r u n d s t o f f e ebenso c h a r a k teristisch sind wie deren optische S p e k t r e n . Die (im ersten Vor-

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Fünfter Vortrag.

t r a g besprochene) LAUEsche E n t d e c k u n g bot nun die Möglichkeit, die Wellenlängen der Eigenstrahlung genau zu messen; und dies ist nun bei den verschiedensten chemischen Elementen mittels einer genial erdachten Methode zuerst eben MOSELEY gelungen, der hierbei einfach die Röntgenstrahlen photographierte. MOSELEY entdeckte so in den Röntgenspektren aller festen Elemente zwei Serien, die als K - S e r i e und L - S e r i e unterschieden w e r d e n ; die K-Serie liegt im allgemeinen etwa drei Oktaven höher als die L-Serie. Bei Elementen mit sehr hohem Atomgewicht konnte s p ä t e r noch eine d r i t t e Serie e n t d e c k t werden, die als TW-Serie bezeichnet w i r d ' u n d die u n g e f ä h r zwei Oktaven tiefer liegt als die L-Serie. 4 0 Auf diese drei Serien haben nun BOHR und SOMMERFELD die Quantentheorie angewendet und dadurch eine einfache Deutung ihrer Gesetzmäßigkeiten gegeben. Es zeigte sich, was übrigens schon MOSELEY entdeckte h a t t e , d a ß auch in dem Aufbau der Röntgenspektren die R Y D B E R G s e h e K o n s t a n t e eine universelle Rolle spielt. Die K-Serie ließ sich durch die A n n a h m e erklären, d a ß sie bei dem Übergang in einen einquantigen Zustand e n t s t e h t ; ebenso die L- und die TW-Serie durch die Hypothese, d a ß sie durch den Übergang in einen zwei- oder dreiquantigen Endzustand hervorgerufen werden. Die L-Serie ist also im besonderen der optischen WasserstoffSerie vergleichbar. Auch die SoMMERFELDSche Theorie der F e i n s t r u k t u r bewährte sich bei den Röntgenspektren in der glänzendsten Weise. Die w u n d e r b a r s t e Gesetzmäßigkeit, die die Röntgenspektren zeigen, ist indessen der schon von MOSELEY entdeckte Z u s a m m e n h a n g m i t d e m periodischen System der Elem e n t e . Um das J a h r 1870 h a t t e n gleichzeitig, doch unabhängig voneinander der deutsche Chemiker LOTHAR M E Y E R und

der

russische Chemiker M E N D E L E J E F F gefunden, d a ß sich gewisse Eigenschaften der Elemente periodisch wiederholen, wenn man die Grundstoffe n a c h s t e i g e n d e m A t o m g e w i c h t in eine R e i h e a n o r d n e t . Als nun MOSELEY f ü r die verschiedensten Elemente die Röntgenspektren photographierte, da stellte sich die überraschende Tatsache heraus, d a ß die K-Serie (und ebenso auch die L-Serie) äußerst regelmäßig in der Richtung von kleineren zu größeren Schwingungszahlen f o r t w a n d e r t , wenn

Die Quantentheorie.

87

m a n in der Reihe des periodischen S y s t e m s von Stelle zu Stelle f o r t s c h r e i t e t . (In der historisch b e d e u t s a m e n Fig. 6, die von MOSELEY selbst s t a m m t , sieht m a n die beiden s t ä r k e r e n K Linien der im periodischen S y s t e m a u f e i n a n d e r folgenden E l e m e n t e Calcium, T i t a n , V a n a d i u m , Chrom, M a n g a n , Eisen, K o b a l t , Nickel, K u p f e r u n d Zink, d a s , m i t K u p f e r legiert, als Messing, englisch brass, e r s c h e i n t . Das S c a n d i u m , das im periodischen S y s t e m der E l e m e n t e den P l a t z zwischen Calcium u n d T i t a n e i n n i m m t , s t a n d d a m a l s MOSELEY wegen seiner

S i Ä f l ä WA

Fig. G. S e l t e n h e i t n i c h t zur V e r f ü g u n g und f e h l t d a h e r in der F i g u r . Zu b e a c h t e n ist, d a ß bei d e m Messing neben den Linien des Zink auch die des K u p f e r s selbst e n t h a l t e n sind, was d e u t l i c h beweist, d a ß die R ö n t g e n s p e k t r e n eine E i g e n s c h a f t der A t o m e selbst sind. Aus demselben G r u n d e b e m e r k t m a n auch bei d e m K o b a l t , d e m f a s t i m m e r Spuren von Nickel und Eisen b e i g e m e n g t sind, die Linien dieser beiden Metalle.) Die Verschiebung der Röntgenserien vollzieht sich bei d e m F o r t s c h r e i t e n im periodischen S y s t e m so r e g e l m ä ß i g , d a ß sich jede L ü c k e im periodischen S y s t e m sofort d u r c h einen

88

Fünfter Vortrag.

zu großen Sprung offenbart. (Aus Fig. 6 würde man sofort die Lücke zwischen Calcium und T i t a n erkennen, selbst wenn man nichts von der E x i s t e n z des Scandiums w ü ß t e . ) Auch läßt sich die r i c h t i g e R e i h e n f o l g e der E l e m e n t e im periodischen S y s t e m durch die B e t r a c h t u n g der Röntgenspektren sofort erkennen. Es zeigt sich, daß (wie zum Teil schon früher v e r m u t e t worden war) an drei Stellen des periodischen S y s t e m s ein E l e m e n t mit etwas höherem Atomgewicht einem mit niedrigerem Atomgewicht vorangeht (nämlich das Tellur dem J o d , ferner, wie man deutlich aus Fig. 6 ersieht, das K o b a l t dem Nickel und schließlich das Argon dem K a l i u m ) . Aus dem Studium der Röntgenspektren ging hervor, d a ß es im periodischen S y s t e m der E l e m e n t e nur noch sechs Lücken gab, von denen übrigens eine seitdem ausgefüllt wurde, so daß es d e r z e i t n u r n o c h f ü n f n e u e c h e m i s c h e G r u n d s t o f f e zu e n t d e c k e n g i b t . 4 1 Andererseits aber ließen die R ö n t g e n s p e k t r e n auch deutlich erkennen, daß in dem von dem leichtesten bis zu dem schwersten E l e m e n t , also vom Wasserstoff bis zu dem Uran reichenden periodischen S y s t e m überh a u p t n u r f ü r 92 E l e m e n t e P l a t z ist. Da aber nun die Chemie mehr als 9 2 Grundstoffe zu kennen glaubte, die sie durch verschiedenes Atomgewicht unterschied, so m u ß t e daraus geschlossen werden, daß ein und derselbe P l a t z im periodischen S y s t e m u n t e r Umständen auch von mehreren Elementen ausgefüllt werden kann, die zwar in ihrem Atomgewicht verschieden wären, a b e r das gleiche chemische Verhalten und im allgemeinen dieselben physikalischen Eigenschaften zeigen m ü ß t e n . Diese Erscheinung, die man als I s o t o p i e ' b e z e i c h n e t (weil auf griechisch der gleiche P l a t z isos topos heißt), ist in der T a t bei radioaktiven Grundstoffen festgestellt worden. 4 2 So hat man verschiedene B l e i s o r t e n e n t d e c k t , die, obwohl sie in chemischer Hinsicht sonst ganz identisch scheinen und daher auch durch keinen chemischen Prozeß voneinander get r e n n t werden können, in ihren Atomgewichten bis um a c h t Einheiten verschieden sind. Die radioaktiven Elemente, deren man derzeit gegen vierzig k e n n t , verteilen sich auf nur neun Plätze des periodischen S y s t e m s . 4 3 Der Zusammenhang zwischen den R ö n t g e n s p e k t r e n und dem periodischen S y s t e m wird durch eine einfache zahlen-

Die Quantentheorie.

89

mäßige Beziehung ausgedrückt, die von MOSELEY a u f g e f u n d e n worden ist und die d a h e r als das G e s e t z v o n M O S E L E Y bezeichnet wird. Die Quadratwurzel aus der Schwingungszahl einer b e s t i m m t e n K-Linie ist d a n a c h proportional der u m etwa eins v e r m i n d e r t e n O r d n u n g s z a h l 4 4 ; die Ordnungszahl bezeichnet aber einfach die Stelle im periodischen System, wenn man sich dessen Stellen n u m e r i e r t d e n k t von Wasserstoff gleich 1 bis zu Uran gleich 92. 4 5 Das MosELEYsdie Gesetz fand eine sehr interessante Ergänzung durch eine merkwürdige, von S O M M E R F E L D aufg e f u n d e n e Beziehung. Da die L-Serie der R ö n t g e n s p e k t r e n ebenso wie die optische Wasserstoffserie durch Übergang in einen zweiquantigen E n d z u s t a n d e n t s t e h t , so m ü ß t e n nach d e r SOMMERFELD sehen Theorie der F e i n s t r u k t u r auch die L i n i e n d e r L - S e r i e durchwegs D u b l e t t e darstellen; und zwar m ü ß t e nach der SoMMERFELDSchen Theorie f ü r ein beliebiges E l e m e n t die S c h w i n g u n g s d i f f e r e n z d e s L - D u b l e t t s gleich sein der Schwingungsdifferenz des W a s s e r s t o f f d u b l e t t s , multipliziert m i t der v i e r t e n P o t e n z der u m eine K o n s t a n t e verminderten O r d n u n g s z a h l . «Diese Beziehung ist durch spektroskopische Messungen an den mannigfachsten Elementen in vollkommenster Weise b e s t ä t i g t worden, was u m so m e h r b e w u n d e r t werden m u ß , als die Schwingungsdifferenz bei dem Uran nach dieser Beziehung u n g e f ä h r f ü n f z i g Millionen mal so groß ist wie bei dem Wasserstoff 4 6 . Aus der Theorie der R ö n t g e n s p e k t r e n geht deutlich hervor, d a ß es nicht, wie m a n bis dahin geglaubt h a t t e , das Atomgewicht sein könne, das die Stellung eines Elementes i n n e r h a l b des periodischen Systems b e s t i m m t . Es m u ß offenb a r eine andere Eigenschaft des Atoms sein, durch die die Ordnungszahl festgelegt wird, und aus der BoHRSchen Theorie e r k e n n t m a n auch deutlich, welche diese Eigenschaft n u r sein k a n n . Es ist die sogenannte K e r n l a d u n g s z a h l , die angibt, wieviel positive E l e m e n t a r q u a n t e n die elektrische Ladung des Atomkernes beträgt. In einem elektrisch neutralen A t o m m u ß ebenso groß wie die Kernladungszahl die Zahl der negat i v e n Elektronen sein, die den Kern umkreisen. Die Kernladungszahl n i m m t , wie aus dem MosELEYSchen Gesetz hervorgeht, u m je e i n s z u , wenn man im periodischen

90

Fünfter Vortrag.

System von einer Stelle zu der benachbarten höheren f o r t schreitet. Die Kernladungszahl, die danach einfach mit der Ordnungszahl identifiziert werden kann 4 7 , erweist sich dadurch als ungefähr h a l b so g r o ß w i e d a s A t o m g e w i c h t . Da andererseits aber die Masse des Atomkernes und somit auch das Atomgewicht durch die in dem Kerne enthaltenen p o s i t i v e n Elektronen bedingt ist, wird man wohl annehmen müssen, daß eigentlich im Kerne positive Ladungen von mehr Elem e n t a r q u a n t e n enthalten sind, als die Kernladungszahl b e t r ä g t . Man wird daher wohl weiterhin annehmen müssen, d a ß der Kern außer positiven auch negative Elektronen enthält, die die Ladungen der im Kerne vorhandenen positiven Elektronen teilweise k o m p e n s i e r e n und im übrigen den Zusammenhalt des Kernes bewerkstelligen. 4 8 Was man als Kernladung bezeichnet, würde also n u r den Ü b e r s c h u ß der im Kerne enthaltenen positiven über die im Kerne enthaltenen negativen Ladungen darstellen. Es kann somit in zwei Fällen die Kernladung die gleiche sein, ohne d a ß auch die Zahl der im Kerne enthaltenen positiven Elektronen dieselbe sein m ü ß t e . In diesem Falle wäre bei gleicher Stellung im periodischen System das Atomgewicht verschieden, eine Erscheinung, die ja, wie schon erwähnt, tatsächlich beobachtet und eben als Isotopie bezeichnet wird. Von den negativen Elektronen des Atoms wäre also u n gefähr die Hälfte im Kerne gebunden, während sich die andere Hälfte um den Kern bewegen würde 4 9 und zwar, wie man aus der S t r u k t u r der Röntgenspektren schließen muß, angeordnet in mehreren Schalen, die den Kern konzentrisch u m g e b e n . s a Je größer die Ordnungszahl ist, desto größer wäre natürlich die Zahl der Schalen, deren Radien wieder durch Q u a n t e n b e z i e h u n g e n bestimmt wären. Durch die S t r u k t u r der äußersten Schale sind diejenigen A t o m e i g e n s c h a f t e n bes t i m m t , die man als p e r i p h e r e bezeichnet, durch die Struktur des Kernes (und allenfalls der innersten Schale) jene Eigenschaften, die man z e n t r a l e nennt. Zu den peripheren Eigenschaften des Atoms gehört vor allem seine chemische Valenz, aber auch sein optisches Spektrum, zu den zentralen Eigenschaften das Atomgewicht, die Radioaktivität und die Röntgenspektren, die, wie aus dem MosELEYSchen Gesetz geschlossen

Die Quantentheorie.

91

werden m u ß , o f f e n b a r in der u n m i t t e l b a r e n N ä h e des K e r n e s entstehen. Das A t o m , d a s der f r ü h e r e n P h y s i k als allerletzter Bes t a n d t e i l der Materie erschienen w a r , ist so d u r c h die n e u e P h y s i k als eine W e l t i m K l e i n e n , als ein winziges P l a n e t e n s y s t e m e n t h ü l l t w o r d e n . E i n s t h a t t e n die P y t h a g o r e e r von einer H a r m o n i e der S p h ä r e n gesprochen, von einer übersinnlichen Musik, die d u r c h e i n f a c h e g a n z z a h l i g e V e r h ä l t n i s s e im Weltall b e d i n g t sein soll; h e u t e wissen wir, d a ß d e r T r a u m der P y t h a g o r e e r W i r k l i c h k e i t ist in jener W e l t im K l e i n e n ; er ist v e r w i r k l i c h t im A t o m , dessen A k k o r d e wir zwar n i c h t h ö r e n , a b e r in den P h o t o g r a p h i e n der S p e k t r e n e r k e n n e n . 8 1 Positive u n d n e g a t i v e elektrische L a d u n g e n erscheinen h e u t e als die B a u s t e i n e des Weltalls. Auf m a n n i g f a c h e A r t sind sie zu S y s t e m e n a n g e o r d n e t , die wir A t o m e n e n n e n . Die A r t der A n o r d n u n g b e d i n g t die c h e m i s c h e N a t u r der A t o m e , deren i n n e r e r Bau wieder d u r c h Q u a n t e n b e z i e h u n g e n geregelt w i r d . Aus elektrischen E i g e n s c h a f t e n folgt der Schein einer m e c h a n i s c h e n Masse. Infolge i h r e r L a d u n g und i h r e r Bewegung rufen die E l e k t r o n e n ein e l e k t r o m a g n e t i s c h e s Feld h e r v o r , d a s r ä u m l i c h zeitlich periodisch ist. Der R a u m ist d a h e r von e l e k t r o m a g n e tischen Wellen von allen möglichen Schwingungszahlen erf ü l l t . N u r ein winzig kleiner A u s s c h n i t t des S p e k t r u m s offenb a r t sich d e m v o l l k o m m e n s t e n menschlichen Sinnesorgane, d e m Auge, als L i c h t . G e s a m t h e i t s e r s c h e i n u n g e n , bei d e n e n eine große Zahl materieller Individuen beteiligt ist, bedingen die P h ä n o m e n e der W ä r m e . R a u m und Zeit aber, in denen sich alle Vorgänge abzuspielen scheinen, sind m i t e i n a n d e r zu einer vierdimensionalen Mannigfaltigkeit v e r k n ü p f t , deren Geom e t r i e sich in der E r s c h e i n u n g der S c h w e r e ä u ß e r t . So e n t h ü l l t u n s die neue P h y s i k ein N a t u r b i l d von g r o ß e r E i n f a c h h e i t . In der T a t ist nicht die N a t u r kompliziert. K o m p l i z i e r t w a r n u r der Weg, der zu ihrer w a h r e n E r k e n n t n i s f ü h r t e . Er w a r es, weil er seinen A u s g a n g n a h m von den eng b e g r e n z t e n Sinnen des Menschen und weil n u r allmählich der theoretischen P h y s i k die Loslösung von menschlichen Gesichtspunkten gelang.

Anmerkungen. Anmerkungen zum ersten Vortrag. 1

Das Reflexionsgesetz wurde schon im Altertum entdeckt, das Brechungsgesetz jedoch erst in der Mitte des 17. J a h r h u n d e r t s von SNELLIUS a u f g e f u n d e n . 2 W ä h r e n d des 18. J a h r h u n d e r t s und in den ersten zwei J a h r zehnten des 19. J a h r h u n d e r t s standen einander Undulations- und Emissionstheorie gegenüber. J e n e f a ß t e das Licht als mechanische Wellen, diese f a ß t e es substantiell auf und ließ es aus kleinsten Teilchen bestehen. Zu der Emissionstheorie h a t wohl NEWTON den Grund gelegt, wenn er es auch absichtlich vermied, sich f ü r eine bestimmte Hypothese zu entscheiden. Aber es waré ganz verfehlt, wollte m a n deshalb NEWTONS Verdienste um die theoretische Optik gering schätzen. NEWTONS bedeutungsvolle Entdeckung der Periodizität des Lichtes ist unabhängig von allen speziellen Vorstellungen; ja, vom modernen S t a n d p u n k t aus m u ß sogar einer Theorie der Vorzug gegeben werden, die nur allgemein von Periodizität und nicht speziell von mechanischen Wellen sprach. 3 Zwischen zwei gleichen Zuständen liegt jedoch nur dann eine volle Periode, wenn nicht nur die Zustände selbst gleich sind, sondern auch der Richtungssinn ihrer Änderungen gleich ist; m a t h e m a t i s c h gesprochen, m u ß in beiden Fällen der zeitliche Differentialquotient der den Zustand messenden Größe dasselbe Vorzeichen haben. 4 Diese Definition ist nicht ganz genau. Sie soll auch nur dem Laien den schwierigen modernen Begriff der Welle leichter verständlich machen. Wegen der genauen Definition vergleiche m a n etwa des Verfassers „ E i n f ü h r u n g in die theoretische P h y s i k " , § 55. 5 Charakteristisch f ü r diese Denkrichtung ist der Ausspruch von HUYGENS, daß man in der wahren Wissenschaft die Ursachen aller Wirkungen nur durch die Denkweise der Mechanik begreifen könne, wolle m a n nicht f ü r immer auf jede H o f f n u n g verzichten, ü b e r h a u p t je etwas in der Physik zu verstehen. Sehr gefördert wurde die mechanisierende Tendenz der Physik durch die lange so einflußreiche Philosophie des

DESCARTES. 6

HUYGENS dachte sich die Lichtwellen ganz analog den Schallwellen der Luft und nahm sie auch gleich diesen longitudinal an.

Anmerkungen.

93

7 Die Lichtgeschwindigkeit beträgt 3 0 0 0 0 0 k m in der S e k u n d e ; das Licht braucht daher ungefähr acht Minuten zur Zurücklegung des Weges von der Sonne zur Erde. 8 Der Äther spielte eine große Rolle schon in der Naturphilosophie

des

DESCARTES.

9 Im Gegensatz dazu nennt m a n Größen, die bei gegebener Skala durch Angabe einer einzigen Zahl schon bestimmt sind, Skalare. Die analytische Mechanik gründet sich auf die Tatsache, daß ein Vektor a n s t a t t durch Angabe seines Betrages und seiner Richtung auch bestimmt werden kann durch Angabe von drei Skalaren, die seine Komponenten nach den drei Achsen eines räumlichen Koordinatensystems darstellen. 10 Die Transversalität des Lichtes folgt aus der Tatsache, daß der ordentliche und der außerordentliche Strahl, in die ein Lichtstrahl bei der Doppelbrechung in einem Kristall gespalten wird, unter keinen Umständen, weder völlig noch teilweise, zur Interferenz gebracht werden können. 11 Nach der Elastizitätstheorie können nämlich im Äther, sofern er flüssig ist, überhaupt nur longitudinale Wellen a u f t r e t e n ; transversale sind neben longitudinalen nur dann möglich, wenn m a n sich den Äther fest denkt. Will m a n longitudinale Wellen ganz ausschließen, so bleibt nichts anderes übrig, als sich den Äther überdies inkompressibel zu denken. Mit dieser Vorstellung ließ sich aber schwer die notwendige Annahme in Einklang bringen, daß der Äther der Bewegung der Himmelskörper keinen W i d e r s t a n d entgegensetze. 12 Näheres über den schwierigen Begriff des Verschiebungsstromes z. B. in des Verfassers „ E i n f ü h r u n g in die theoretische P h y s i k " , § 47. 13 Es m u ß ausdrücklich von positiv elektrischer Ladung gesprochen werden, weil dadurch erst der Richtungssinn der Feldstärke festgelegt wird. 14

WILHELM WEBER u n d s e i n M i t a r b e i t e r

KOHLRAUSCH m a ß e n

zu-

nächst mittels eines Elektrometers die Ladung einer Leidener Flasche in elektrostatischem Maße und s a n d t e n dann den Entladungsstrom durch ein besonders konstruiertes (sogenanntes ballistisches) Galvanometer, mittels dessen sie die gesamte durch das Galvanometer geflossene Elektrizitätsmenge (als Zeitintegral der Stromstärke) in elektromagnetischem Maße bestimmen k o n n t e n . 15 Es sind dies die sogenannte Dielektrizitätskonstante und die sogenannte magnetische Permeabilität. Die beiden Größen geben an, wie vielfach die (elektrische oder magnetische) Feldstärke in der Substanz verkleinert erscheint gegenüber dem Werte, den sie unter sonst gleichen U m s t ä n d e n im leeren Räume h ä t t e . 16 Diese Beziehung, die sogenannte MAXWELLSche Relation, sagt aus, daß die Dielektrizitätskonstante eines Mittels gleich ist dem Quadrate des Brechungsexponenten. Bei Gasen ist diese Beziehung sehr g u t erfüllt, dagegen sehr schlecht bei Alkohol und namentlich bei Wasser, dessen Dielektrizitätskonstante 81 ist, während sein Brechungsexponent nur 1,33 beträgt. Vgl. Anm. 15 des dritten Vortrages. 17 Dieses Instrument ist das sogenannte Bolometer; es beruht auf der Tatsache, daß ein P l a t i n d r a h t seinen elektrischen Widerstand mit der T e m p e r a t u r ändert.

94

Anmerkungen.

18 Diese Theorie s t a m m t von dem Mineralogen B R A V A I S und wurde von ihm in der Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s ausgebildet. 19 In der Sprache der Experimentalphysik bezeichnet m a n die Farbe der Röntgenstrahlen, und zwar auf Grund ihres D u r c h d r i n g u n g Vermögens, als Härte. J e geringer die Schwingungszahl, desto weicher n e n n t m a n die Röntgenstrahlen und umgekehrt.

Anmerkungen zum zweiten Vortrag. D E M O K R I T selbst war ein Schüler L E U K I P P S . Eine mechanische Auffassung der W ä r m e f i n d e t sich bereits bei dem Philosophen ROGER BACO; im Beginne des 19. J a h r h u n d e r t s wurde die mechanische Wärmetheorie von R U M F O R D neu begründet und durch bedeutungsvolle Experimente gestützt. 3 Man bezeichnet dieses Umwandlungsverhältnis als das mechanische W ä r m e ä q u i v a l e n t , bzw. das kalorische Arbeitsäquivalent. Eine Wärmemenge von einer Kalorie, die 1 g Wasser von 15° auf 16° C erwärmt, ist ä q u i v a l e n t der Arbeit, die verrichtet wird, wenn ein Gewicht von 427 g 1 m hoch gehoben wird. 4 Der Satz von der Erhaltung der mechanischen Energie setzt allerdings voraus, d a ß die wirkenden K r ä f t e bestimmte Eigenschaften besitzen. Er ist erfüllt, wenn zwischen den Körpern des Systems nur K r ä f t e wirken, die in der Richtung der Verbindungslinien wirken und die nur von der Distanz abhängen, was ja sowohl f ü r Gravitationskräfte als auch f ü r elektrische und magnetische K r ä f t e z u t r i f f t . Der Satz von der E r h a l t u n g der mechanischen Energie f i n d e t sich in exakter Form schon im 18. J a h r h u n d e r t bei LAGRANGE. Wie der Satz auch außerhalb des Gebietes der Mechanik (im engeren Sinne dieses Wortes) angewendet werden k a n n , das h a t in exakter Weise zuerst H E L M H O L T Z im J a h r e 1847 gezeigt. 5 Die Anfänge der kinetischen Gastheorie reichen allerdings bis auf D A N I E L B E R N O U L L I zurück, der die Grundgedanken dieser Theorie schon in seiner 1738 erschienenen „ H y d r o d y n a m i k " veröffentlichte. 6 Diese Vorstellung s t a m m t von J O U L E (1851). 7 Die klassische Gastheorie vergleicht die Gasmolekeln m i t elastischen Kugeln, die infolge ihrer endlichen Ausdehnung ständig Zusammenstöße erfahren. Die Zahl der Zusammenstöße, die unter dieser Annahme eine Molekel in der Zeiteinheit erfahren würde, läßt sich aus der inneren Reibung berechnen. Sie würde f ü r normalen Druck und normale Temperatur einige Milliarden in der Sekunde betragen. Nach der modernen Auffassung, die in ihrer Anwendung auf die Gastheorie allerdings noch nicht in exakter Weise ausgestaltet worden ist, h ä t t e es keinen rechten Sinn mehr, von Zusammenstößen zu sprechen. Die Molekeln wären winzigen Planetensystemen zu vergleichen, von deren Bestandteilen elektrische K r ä f t e ausgehen (siehe den f ü n f t e n Vortrag). Zwischen den Molekeln würden also elektrische K r ä f t e wirken und sie aus ihren geradlinigen Bahnen ständig ablenken, um so stärker, je näher zwei Molekeln 1

2

Anmerkungen.

95

einander kommen. Die Bewegung der Molekeln würde daher (ohne scharfe Ecken) zickzackartig verlaufen. 8 Diese Gesetzmäßigkeit w u r d e von BOYLE im J a h r e 1660 e r k a n n t u n d wird d a r u m ^ a l s BoYLEsches Gesetz (fälschlich a u c h als MARIOTTEsches Gesetz) bezeichnet. 9 Diese T e m p e r a t u r wurde künstlich von KAMERLINGH ONNES hergestellt unter Benutzung des LiNDEschen Gegenstromapparates und m i t t e l s verflüssigten Heliums. 10 Vor CLAUSIUS h a t die molekularen Geschwindigkeiten, allerdings ungenau und auch falsch, schon JOULE berechnet. 11 MAXWELLS Forschungen b e t r a f e n vor allem die innere Reibung der Gase und das Gesetz, nach dem die verschiedenen W e r t e der Geschwindigkeit auf die Molekeln eines Gases verteilt sind. Geschwindigkeitswerte sind um so seltener, je mehr sie von dem durchschnittlichen Werte abweichen. 12 Die relative Größe der Molekeln, d. h. das Verhältnis der Massen verschiedener Molekeln zur Masse des Wasserstoffatoms war ja aus der Chemie schon lange b e k a n n t . 13 Die Masse der Wasserstoffmolekel b e t r ä g t S ^ - l O - ^ g . 14 Zwischen den drei .sogenannten Zustandsgrößen Druck, Volumen u n d T e m p e r a t u r besteht allerdings eine die drei Größen v e r k n ü p f e n d e Gleichung in der Form der sogenannten Zustandsgieichung (die das Gesetz von BOYLE oder allgemeiner das von VAN DER WAALS a u s d r ü c k t ) . K e n n t m a n daher zwei Zustandsgrößen, so ist d a m i t stets auch die d r i t t e gegeben. 15 Nach dem Gesetze von AVOGADRO (1811) e n t h a l t e n übrigens alle Gase bei gleichem Druck und gleicher T e m p e r a t u r in einem bestimmten Volumen dieselbe Zahl von Molekeln. Auf 1 ccm bei A t m o s p h ä r e n d r u c k und einer T e m p e r a t u r von 0° C bezogen, b e t r ä g t diese Zahl ungefähr 2 8 Trillionen. 16 Diese Versuche betreffen das P h ä n o m e n der sogenannten Opaleszenz. 17

Das im J a h r e

1903 von

SIEDENTOPF u n d ZSIGMONDY e r f u n d e n e

'Ultramikroskop ermöglicht die W a h r n e h m b a r k e i t von Teilchen, die im gewöhnlichen Mikroskop deshalb nicht mehr gesehen werden, weil sie kleiner als die Wellenlängen des sichtbaren Lichtes sind. Die u l t r a mikroskopischen Teilchen (die also noch kleiner sind als etwa ein tausendstel Millimeter) erkennt m a n , obwohl sie nicht selbst in ihrer Gestalt sichtbar werden, mittels des Ultramikroskops d a r a n , d a ß a n ihnen vorbeigelangendes Licht gebeugt wird. Infolgedessen erscheinen die Teilchen, deren Gestalt eben unerkennbar bleibt, als kleine leuchtende Sterne. 18 Die statistische Wahrscheinlichkeit des M-Ereignisses könnte j a auch durch äußere Ursachen erhöht w e r d e n ; es könnte e t w a ein philologisch-historischer Vortrag über den Ursprung der F a m i l i e n n a m e n MEIER und MÜLLER s t a t t f i n d e n , f ü r den begreiflicherweise Träger dieser m i t M anfangenden N a m e n ein besonderes Interesse h ä t t e n . 19 Vgl. A n m . 11. 20

Es

war

PROTAGORAS.

96

Anmerkungen.

21 In der Thermodynamik spielt eine wesentliche Rolle die Entropie^ die bei umkehrbaren Vorgängen ungeändert bleibt, sonst aber stets zunimmt. Bis auf einen konstanten Proportionalitätsfaktor ist, wie B O L T Z M A N N erkannte, die Entropie identisch mit dem Logarithmus der statistischen Wahrscheinlichkeit.

Anmerkungen zum dritten Vortrag. 1 Das genaue Atomgewicht des Sauerstoffs beträgt in bezug auf Wasserstoff 1 5 , 8 8 ; gewöhnlich wird jedoch als Einheit des relativen Atomgewichts nicht das des Wasserstoffs, sondern der (davon nur wenig verschiedene) sechzehnte Teil des Atomgewichts des Sauerstoffs b e n u t z t . 2 Die chemische Formel des Rohrzuckers lautet C 1 2 H 2 2 O u , die des Hämoglobins c 7 5 8 H 1 2 0 3 N 1 9 5 O 2 1 8 F e S 3 ; das Molekulargewicht des H ä m o globins b e t r ä g t danach etwa 16700. 3 Dies e r k a n n t e auf Grund des von ihm aufgefundenen Gesetzes (s. A n m . 1 5 des 2 . Vortrages) schon A V O G A D R O durch die Untersuchung der Volumverhältnisse bei gasförmigen Reaktionen. Es verbinden sich z. B. ein Liter Wasserstoff und ein Liter Chlorgas zu zwei Litern Chlorwasserstoff gas. Nach dem Avc>GADROschen Gesetz müssen also nach der Reaktion ebensoviel Chlorwasserstoffmolekeln vorhanden sein, als die Summe der vorher vorhandenen Wasserstoff- und Chlormolekeln beträgt. Da aber die Chlorwasserstoffmolekeln (wenigstens) aus zwei Atomen bestehen müssen, nämlich einem Chlor- und einem Wasserstoffa t o m , so müssen auch die Molekeln dieser beiden Grundstoffe aus je zwei Atomen zusammengesetzt sein. 4 Als Richtung des Stromes wird die bezeichnet, in der die positive Elektrizität fließt, oder, was dasselbe ist, die Richtung, die derjenigen entgegengesetzt ist, in der die negative Elektrizität fließt. Da es aber ganz willkürlich und lediglich konventionell ist, daß m a n die Glaselektrizität als positive und die Harzelektrizität als negative bezeichnet und es nicht umgekehrt t u t , ist es natürlich auch rein konventionell, welche der beiden „ E l e k t r o d e n " man als Eintrittsstelle oder Anode und welche man als Austrittsstelle oder Kathode bezeichnet. — Die elektrolytische Zersetzung des Wassers stellt übrigens, wenn das Wasser zur Erhöhung seiner sehr geringen Leitfähigkeit angesäuert wird, nur einen sekundären E f f e k t d a r ; der primäre besteht dann in der Zersetzung der Säure. 5 Auf Griechisch bedeutet das W o r t Ion „der Gehende". 6 Diese Vorstellung geht in ihren Anfängen auf G R O T H U S S zurück ( 1 8 0 5 ) ; sie h a t ihre eigentliche Ausgestaltung in den fünfziger J a h r e n des 1 9 . J a h r h u n d e r t s durch H I T T O R F u n d K O H L R A U S C H erfahren. 7 Nach den elektrochemischen Gesetzen von F A R A D A Y ist die in einer bestimmten Zeit elektrolytisch zersetzte Menge eines Stoffes vollkommen durch die Stromstärke b e s t i m m t und dieser proportional; andererseits sind die Mengen, die von einem Strome von bestimmter Stärke aus verschiedenen Elektrolyten an den Elektroden ausgeschieden

97

Anmerkungen.

werden, chemisch äquivalent, d. h. sie verhalten sich wie die Quotienten aus Atomgewicht und chemischer Wertigkeit (vgl. Anm. 9). 8 Definiert man das elektrische E l e m e n t a r q u a n t u m als Ladung eines ionisierten Wasserstoffatoms, so ist es natürlich ganz überflüssig, mit dieser Definition die Vorstellung einer Unteilbarkeit des Elementarq u a n t u m s zu verknüpfen. Diese Annahme, die eine Zeitlang verbreitet war, wurde durch Versuche von EHRENHAFT und seinen Schülern widerlegt, die elektrische Ladungen von nur dem tausendsten Teil des Elementarq u a n t u m s an kleinen Teilchen nachweisen konnten. 9 Die Wertigkeit eines Ions ist bestimmt durch die Zahl der Wasserstoffatome, die es binden, bzw. durch die es in einer Verbindung ersetzt werden k a n n . 10 Als absolute elektrostatische Einheit der Elektrizitätsmenge wird diejenige Elektrizitätsmenge definiert, die auf eine gleich große in der E n t f e r n u n g von 1 cm eine K r a f t von einer Dyne ausübt. Eine Dyne ist aber die K r a f t , die der Masse eines Gramms in einer Sekunde einen Geschwindigkeitszuwachs von 1 cm/sec erteilt. Eine Dyne ist etwas größer als das Gewicht eines Milligramms. 11 Die Masse eines Wasserstoffatoms ist nämlich gleich l , 6 - 1 0 - 2 4 g (vgl. A n m . 13 des zweiten Vortrages). Die K r a f t , die die Atome in einer E n t f e r n u n g von 1 cm aufeinander ausüben, erhalten wir in Dynen, wenn wir diese Zahl zum Q u a d r a t erheben und noch m i t der universellen Gravitationskonstante multiplizieren, die 6,68 • 1 0 - 8 absolute Einheiten beträgt. Die K r a f t , die zwischen den Ladungen wirkt, finden wir, indem wir einfach die Zahl, die das elektrische E l e m e n t a r q u a n t u m in absoluten Einheiten angibt (4,67 • 1 0 - 1 0 ) zum Quadrate erheben. 12 Den Quotienten aus dem Quadrate der Ladung und dem H a l b messer m u ß m a n , um die elektromagnetische Masse selbst zu erhalten, noch m i t 2 / 3 multiplizieren und durch das Q u a d r a t der Lichtgeschwindigkeit dividieren. 13 Die Anfänge der LoRENTzschen Theorie reichen bis zum J a h r e 1880 zurück. 11 Ein Beispiel f ü r die Erzeugung erzwungener Schwingungen stellt auch die Tatsache dar, daß durch taktmäßiges Marschieren eine Brücke in heftige Schwingungen versetzt werden kann, weil die Periodizität des Marschierens mit der Periodizität der Eigenschwingungen der Brücke zusammenwirkt. 15 Eine sehr gute Bestätigung findet die Elektronentheorie der Dispersion in der Tatsache, daß alle Substanzen sich gegenüber Wellen, deren Schwingungszahl m i t einer Eigenfrequenz eines Elektrons nahe übereinstimmt, in optischer Hinsicht wie Metalle verhalten, d. h. solche Wellen werden besonders s t a r k reflektiert und absorbiert. Man bezeichnet diese Erscheinung als selektive Reflexion und Absorption. Aus der Elektronentheorie der Dispersion folgt auch, daß der Begriff der Dielektrizitätskonstante schärfer gefaßt werden muß, als es bis dahin geschehen war. Daraus erklären sich auch die scheinbaren Abweichungen von der MAXWELLSchen Relation (s. Anm. 16 des ersten Vortrages). HAAS, Das Naturbild der neuen Physik.

7

98

Anmerkungen.

16 M a n u n t e r s c h e i d e t bei dem ZEEMAN-Effekt den Longitudinalu n d den T r a n s v e r s a l e f f e k t . J e n e n n i m m t m a n w a h r , w e n n m a n in der R i c h t u n g der m a g n e t i s c h e n K r a f t l i n i e n blickt, diesen, w e n n m a n s e n k r e c h t zu den K r a f t l i n i e n sieht. Bei d e m L o n g i t u d i n a l e f f e k t werden im einfachsten Falle die Spektrallinien in s o g e n a n n t e Doublets, bei d e m T r a n s v e r s a l e f f e k t in s o g e n a n n t e T r i p l e t s aufgelöst. " Vgl. A n m . 4. 18 Den A n o d e n s t r a h l e n ähnlich sind die noch vor den A n o d e n s t r a h l e n von GOLDSTEIN im J a h r e 1886 e n t d e c k t e n K a n a l s t r a h l e n , die allerdings von der K a t h o d e , aber in entgegengesetzter R i c h t u n g wie die K a t h o d e n s t r a h l e n selbst, ausgehen, wenn m a n die K a t h o d e in der M i t t e der GEissLERschen R ö h r e a n b r i n g t . 19 Man denke a n die b e k a n n t e n E i g e n s c h a f t e n einer S t r o m s p i r a l e (eines Solenoids). 20 Die Vorstellung der M o l e k u l a r s t r ö m e g e h t auf AMPÈRE z u r ü c k , der zuerst d u r c h sie (ohne sie sich allerdings k o n v e k t i v zu d e n k e n ) den M a g n e t i s m u s zu e r k l ä r e n s u c h t e (1822). 21 N a c h ihrem m a g n e t i s c h e n Verhalten teilt die E x p e r i m e n t a l p h y s i k die K ö r p e r in drei verschiedene Klassen ein. Als d i a m a g n e t i s c h bezeichnet sie S u b s t a n z e n , die von einem Magneten abgestoßen w e r d e n , als p a r a m a g n e t i s c h solche, die von einem M a g n e t e n angezogen w e r d e n , u n d eine G r u p p e von S t o f f e n , die ganz besonders s t a r k p a r a m a g n e t i s c h sind, n e n n t sie f e r r o m a g n e t i s c h ; zu letzteren gehören vor allem das Eisen ( d a h e r der N a m e ) , das Nickel, das K o b a l t u n d auch, wie HEUSLER im Jahre? 1903 e n t d e c k t e , gewisse Legierungen von a n sich u n m a g n e t i s c h e n Metallen, z. B. eine Legierung von K u p f e r , M a n g a n u n d A l u m i n i u m . Die drei A r t e n von M a g n e t i s m u s e r k l ä r t die E l e k t r o n e n t h e o r i e d u r c h die A n n a h m e , d a ß in den Molekeln aller S u b s t a n z e n m e h r e r e E l e k t r o n e n kreisen, d e r a r t , d a ß sie infolge verschiedenen U m l a u f s s i n n e s e i n a n d e r in ihren m a g n e t i s c h e n W i r k u n g e n ganz oder nahezu k o m p e n s i e r e n . Bei d i a m a g n e t i s c h e n S u b s t a n z e n soll diese K o m p e n s a t i o n v o l l s t ä n d i g sein, solange kein äußeres Magnetfeld v o r h a n d e n ist. T r i t t ein solches auf ( e t w a infolge der A n n ä h e r u n g eines M a g n e t e n ) , so h a t dies das E n t s t e h e n von I n d u k t i o n s s t r ö m e n zur Folge, die sich über die Molekulars t r ö m e lagern u n d deren U m l a u f s s i n n u n a b h ä n g i g ist- von d e m des Molekularstromes, über den sie sich lagern. Die K o m p e n s a t i o n w i r d d a d u r c h u n v o l l s t ä n d i g u n d d a h e r v e r h ä l t sich u n t e r dem E i n f l u ß des ä u ß e r e n Magnetfeldes die Molekel n u n selbst wie ein kleiner M a g n e t . Aus der s o g e n a n n t e n Regel von LENZ folgt, d a ß die I n d u k t i o n s s t r ö m e solchen U m l a u f s s i n n h a b e n m ü s s e n , d a ß der d e r a r t erzeugte kleine M a g n e t von dem großen a b g e s t o ß e n wird. Bei p a r a m a g n e t i s c h e n Subs t a n z e n soll die K o m p e n s a t i o n schon von H a u s aus u n v o l l s t ä n d i g s e i n ; doch sollen diese von H a u s aus v o r h a n d e n e n kleinen M a g n e t e ganz u n geordnet d u r c h e i n a n d e r liegen u n d d a h e r n a c h a u ß e n hin keine m e r k lichen W i r k u n g e n ergeben. Dies ä n d e r t sich jedoch u n t e r d e m Einflüsse eines ä u ß e r e n Magnetfeldes, d a s die kleinen M a g n e t e o r d n e t . Ist der P a r a m a g n e t i s m u s s t ä r k e r als der D i a m a g n e t i s m u s , der eine E i g e n s c h a f t aller Materie ist, so w i r d die S u b s t a n z von einem M a g n e t e n n i c h t a b -

99

Anmerkungen.

gestoßen, sondern angezogen. Der F e r r o m a g n e t i s m u s wird schließlich von der E l e k t r o n e n t h e o r i e d u r c h die A n n a h m e besonderer Molekularkräfte erklärt. 22 D a z u g e h ö r t vor allem die von PIERRE CURIE e n t d e c k t e T a t sache, d a ß Eisen, Nickel, K o b a l t bei b e s t i m m t e n , f ü r die einzelnen Metalle verschiedenen T e m p e r a t u r e n den F e r r o m a g n e t i s m u s verlieren. Dieser s o g e n a n n t e C u R i E - P u n k t liegt z. B. f ü r Eisen bei 750° C, f ü r Nickel bei 375° C. Die Theorie e r k l ä r t diese T a t s a c h e d u r c h die A n n a h m e , d a ß bei dem C u R i E - P u n k t sich die M o l e k u l a r k r ä f t e , die den F e r r o m a g n e t i s m u s bedingen, plötzlich ä n d e r n . Aus dieser A n n a h m e folgt, d a ß bei dem C u R i E - P u n k t a u c h eine s p r u n g h a f t e Ä n d e r u n g der spezifischen W ä r m e e i n t r e t e n müsse u n d d a ß die Größe dieses Sprunges wieder m i t den m a g n e t i s c h e n E i g e n s c h a f t e n z u s a m m e n h ä n g e n müsse. Dies ist in der T a t d u r c h die e x p e r i m e n t e l l e n U n t e r s u c h u n g e n bewiesen w o r d e n . 23 Dieser E f f e k t w u r d e von dem a m e r i k a n i s c h e n P h y s i k e r BARNETT nachgewiesen. 24 R a d i u s h e i ß t der Strahl. 25 Die H e r s t e l l u n g metallischen R a d i u m s ist allerdings erst im J a h r e 1910 F r a u CURIE gelungen. 26 Scintilla h e i ß t der F u n k e . 27 Man b r i n g t d a z u vor das r a d i o a k t i v e P r ä p a r a t eine m i t kleiner Ö f f n u n g versehene Blende aus einer f ü r a - S t r a h l e n undurchlässigen S u b s t a n z . Die Ö f f n u n g m a c h t m a n so klein, d a ß d u r c h sie n u r solche a - S t r a h l e n a u s t r e t e n k ö n n e n , deren A u f t r e f f e n auf den Schirm im Mikros k o p b e o b a c h t e t werden k a n n . D a n n berechnet m a n , welcher Bruchteil der g e s a m t e n a - S t r a h l u n g d u r c h diese Ö f f n u n g h i n d u r c h g e h t . (Dazu b r a u c h t m a n ja n u r die Größe der Ö f f n u n g u n d ihren A b s t a n d von dem P r ä p a r a t zu wissen.) Indem m a n die Lichtblitze z ä h l t , die m a n innerh a l b einer b e s t i m m t e n Zeit im Mikroskop w a h r n i m m t , k a n n m a n d a n n leicht e r m i t t e l n , wieviel a-Teilchen in der b e t r e f f e n d e n Zeit von dem P r ä p a r a t ü b e r h a u p t ausgesendet w e r d e n . 28 Man l a d e t d a z u eine M e t a l l p l a t t e d u r c h die r a d i o a k t i v e S t r a h l u n g positiv, indem m a n die gleichzeitig m i t den a - S t r a h l e n a u s g e s a n d t e n /S-Strahlen d u r c h m a g n e t i s c h e A b l e n k u n g a u s s c h a l t e t . 29 Das Gas Helium w u r d e zuerst in der A t m o s p h ä r e der Sonne e n t d e c k t (daher der N a m e ; Helios = Sonne), s p ä t e r a u c h in der irdischen Atmosphäre. 30 Es ist f ü r die r a d i o a k t i v e S t r a h l u n g ganz gleichgültig, ob d a s P r ä p a r a t R a d i u m b r o m i d oder R a d i u m c h l o r i d ist. 31 Die A t o m g e w i c h t e von U r a n , T h o r i u m u n d R a d i u m b e t r a g e n (auf Sauerstoff = 16 bezogen) 238, 232, 226. 32 Die K r ä f t e sind ja n a c h d e m CouLOMBschen Gesetz dem Q u a d r a t e der E n t f e r n u n g u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l . 33 Es sind dies das s o g e n a n n t e U r a n II u n d das l o n i u m . Unter den U m w a n d l u n g s p r o d u k t e n der R a d i u m e m a n a t i o n , die m a n der Reihe nach m i t den B u c h s t a b e n A, B, C usw. bezeichnet, sind v e r h ä l t n i s m ä ß i g b e s t ä n d i g R a D m i t einer Halbierungszeit von 16 J a h r e n u n d das ( m i t d e m von F r a u CURIE e n t d e c k t e n Polonium identische) Ra F m i t einer 7*

Anmerkungen.

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Halbierungszeit von 136 Tagen. Aus Ra F scheint sich schließlich Blei zu bilden. " Daß z. B. auch Radiumemanation ein Element ist, folgt daraus, daß es ein charakteristisches Spektrum besitzt. 35 Vgl. das in Anm. 51 des fünften Vortrages zitierte Werk von SOMMERFELD, Z u s a t z 19.

36 Es war eine schon längere Zeit bekannte Tatsache, daß die Ionen der Luft Kondensationskerne für Wolkennebel darstellen. 37 Das von THALES begründete Problem des Urstoffes bildete den Ausgangspunkt der hellenischen Philosophie.

Anmerkungen zum vierten Vortrag. 1

Da nach dem zweiten NEwroNschen Bewegungsaxiom durch die K r a f t nicht die Geschwindigkeit, sondern nur die Geschwindigkeitsänderung bestimmt ist, so haben die Bewegungsgleichungen dieselbe Form für zwei gegeneinander gleichförmig bewegte Systeme. Es ist daher unmöglich, durch Beobachtung der Bewegungsvorgänge in einem System zu erkennen, ob das System gleichförmig fortschreitet oder nicht und somit auch zu entscheiden, ob sich das System in Bewegung befindet oder r u h t . Diese Tatsache bildet den Inhalt des den Physikern längst bekannten sogenannten mechanischen Relativitätsprinzips. 2 Wegen der Einzelheiten des MiCHELSONschen Versuches vergleiche man etwa die Darstellung in EINSTEINS gemeinverständlicher Schrift ,,Die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie" (Vieweg, Braunschweig, 1917). 3 Daß die klassische Physik in mehrfacher Hinsicht an inneren Widersprüchen krankte, haben noch vor der Aufstellung der Relativitätstheorie (in gewissem Sinne als deren philosophische Vorläufer) MACH und POINCARÉ in ihren viel verbreiteten erkenntnistheoretisch-kritischen Schriften dargelegt. 4 Daß die Vorstellung der absoluten Zeit zum Dogma wurde, ist zum großen Teile dem gewaltigen Einfluß NEWTONS zuzuschreiben. 5 Die Annahme, daß ein bewegter Stab verkürzt erscheine, hat schon vor der Aufstellung des E m s T E i N s c h e n Relativitätsprinzips LORENTZ zur Erklärung des MiCHELSONschen Versuches gemacht. Man spricht darum auch von einer LoRENTz-Kontraktion. 6 Auch die klassischen Formeln f ü r die Zusammensetzung von Geschwindigkeiten, wie der Satz vom Geschwindigkeitsparallelogramm, haben daher keine allgemeine Gültigkeit mehr. 7 H a t ein Körper gegenüber einem Beobachter, für den er r u h t , die Masse m0 (das ist seine sogenannte Ruhmasse); hat er ferner gegenüber einem zweiten Beobachter die Relativgeschwindigkeit v und bezeichnen wir die Lichtgeschwindigkeit mit c, so ist die Masse des Körpers f ü r den zweiten Beobachter gleich mj]/l - v 2 /c 2 . Die Masse des bewegten Körpers erscheint also stets vergrößert. 8 Jedem Körper kommt also infolge seiner Masse bereits eine sogenannte Eigenenergie zu, die gleich ist dem Produkte aus seiner Ruh-

Anmerkungen.

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tnasse und dem Quadrate der Lichtgeschwindigkeit. Gegenüber der Eigenenergie ist die sogenannte kinetische Energie (die natürlich nur eine relative Bedeutung h a t ) im allgemeinen verschwindend klein; selbst die W u c h t einer abgeschossenen Gewehrkugel würde nur ungefähr den tausendmillionsten Teil ihrer Eigenenergie darstellen. 9 Der Massenverlust, der durch die Wärmeentwicklung bedingt ist, ist natürlich nicht zu verwechseln m i t der Verminderung des Radiums selbst infolge der Bildung von E m a n a t i o n . Der Massenverlust wäre festzustellen an einem P r ä p a r a t , das in eine völlig undurchlässige Hülle einzuschließen wäre. 10 Bezeichnen wir die drei räumlichen Koordinaten m i t x, y, z, die Zeit m i t f und die Lichtgeschwindigkeit m i t c; bezeichnen wir andererseits die vier Koordinaten in einer vierdimensionalen Geometrie m i t x 3> x4.t diese vier Koordinaten transformieren sich d a n n nach gewissen Formeln, wenn m a n das vierdimensionale Achsenkreuz dreht. Diese Transformationsformeln behalten nun nach der MiNKOWSKischen Interpretation des Relativitätsprinzips ihre Gültigkeit, wenn man in ihnen die vier Größen Xj 2 , x 2 2 , x 3 2 , x 4 2 ersetzt durch die vier Größen x 2 , y 2 , z 2 und - c 2 i 2 . Die Behauptung, daß es keine absolute Bewegung geben könne, erscheint vom MiNKOWSKischen S t a n d p u n k t e aus gleichbedeutend m i t der Aussage, daß in der MiNKOWSKi-Welt keine Richtung irgendwie ausgezeichnet sein könne. 11 In diesem Sinne war schon im ersten Vortrage von elektrischen und magnetischen Feldern die Rede. Die Physik betrachtet aber auch Temperaturfelder, Geschwindigkeitsfelder usw. 12 Unter elektrischer Ladungsdichte versteht man die auf die Volumeinheit bezogene Elektrizitätsmenge, unter elektrischer Stromdichte die Elektrizitätsmenge, die an einer Stelle in der Zeiteinheit eine senkrecht zur Strömungsrichtung gelegte Fläche von der Größe der Flächeneinheit passiert. 13 Daß der Begriff des Magnetismus nur relativ sein kann, geht auch schon daraus hervor, daß sich die moderne Theorie den Magnetismus durch Konvektionsströme hervorgerufen denkt, der Begriff des Konvektionsstromes aber auf dem rein relativen Begriff der Bewegung beruht. 14 Die Bezeichnungen spezielle und allgemeine Relativitätstheorie erklären sich daraus, daß in der früheren Relativitätstheorie zwei r ä u m liche Koordinatensysteme nur in dem speziellen Falle als gleichberechtigt galten, wenn sie gegeneinander gleichförmig fortschreitend bewegt sind. In der allgemeinen Relativitätstheorie fällt diese Beschränkung weg; in ihr erscheinen räumliche Koordinatensysteme gleichberechtigt, wie immer sie gegeneinander bewegt sein mögen. 15 Außer in der Ebene selbst gelten übrigens die Sätze der Planimetrie auch auf solchen Flächen, die durch Verbiegung einer ebenen Fläche erzeugt werden können. Dies t r i f f t z. B. f ü r eine Zylinder- oder Kegelfläche zu, nicht aber f ü r eine Kugel oder f ü r ein Ei. 18 Der Begriff der Tensors ist also dem im ersten Vortrag besprochenen Begriff des Vektors ebenso übergeordnet wie der Begriff des Vektors dem des Skalars. Vgl. Anm. 9 des ersten Vortrages.

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Anmerkungen.

17 Weil m a n s t a t t von .Maßverhältnissen auch von Metrik s p r i c h t , heißt eben der F u n d a m e n t a l t e n s o r metrisch. 18 Besser wäre der A u s d r u c k über-euklidisch, weil ja die euklidische Geometrie in der u n z w e c k m ä ß i g als nicht-euklidisch bezeichneten als Sonderfall m i t eingeschlossen ist. 19 Im J a h r e 1 9 1 8 h a t W E Y L eine weitere Verallgemeinerung der Relativitätstheorie auf G r u n d der A n n a h m e v e r s u c h t , d a ß in einer w a h r h a f t allgemeinen u n d vorurteilsfreien Geometrie nicht n u r , wie in der R I E M A N N schen, das Problem der R i c h t u n g s ü b e r t r a g u n g , sondern auch das der L ä n g e n ü b e r t r a g u n g an sich u n b e s t i m m t sei. Wie jenes P r o b l e m einen Sinn erst durch den metrischen F u n d a m e n t a l t e n s o r e r h ä l t , so soll dieses Problem einen Sinn erst durch einen Vektor e r h a l t e n , der in einer w a h r h a f t allgemeinen Geometrie notwendigerweise als eine von Stelle zu Stelle s t e t i g verschiedene Größe a u f t r e t e n m ü ß t e . D u r c h diesen Vektor soll nach W E Y L das e l e k t r o m a g n e t i s c h e Feld der MiNKOwsKi-Welt b e s t i m m t sein. Eine gemeinverständliche Darstellung der WEYLschen Theorie h a t der Verfasser dieser Schrift in dem A u f s a t z v e r s u c h t : „ D i e Physik als geometrische N o t w e n d i g k e i t " , Zeitschrift „Die N a t u r w i s s e n s c h a f t e n " , 1 9 2 0 , S. 1 2 1 — 1 2 7 . 20 J e d e r Körper bewegt sich s t e t s , einerlei, ob ihn andere Massen scheinbar anziehen oder n i c h t , in einer geodätischen Linie, die die kürzeste V e r b i n d u n g zwischen zwei gegebenen P u n k t e n darstellt. Dieser Satz erscheint in der allgemeinen R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e als Verallgemeinerung des Trägheits- oder Beharrungsgesetzes der klassischen P h y s i k . 21 Vgl. hierüber GREBE^und BACHEM, Zeitschr. f. P h y s i k , Bd. 1, S. 51—54. 22 Die englische E x p e d i t i o n s t a n d u n t e r F ü h r u n g des Astronomen

EDDINGTON.

Anmerkungen zum fünften Vortrag. 1

Die mechanischen Vorgänge sind d a d u r c h b e s t i m m t , d a ß f ü r sie (bei einer b e s t i m m t e n A r t der Variation der Bewegung) die W i r k u n g ein M i n i m u m d a r s t e l l t ; die W i r k u n g wird aber b e s t i m m t durch das Zeitintegral der Differenz zwischen kinetischer und potentieller Energie. — Daß die F o r t b i l d u n g der A t o m i s t i k schließlich zu der A n n a h m e eines E l e m e n t a r q u a n t u m s der W i r k u n g f ü h r e n m u ß t e , erscheint auch vom S t a n d p u n k t der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e aus plausibel. Der Materie h a t t e ja die klassische P h y s i k die Energie gegenübergestellt. In der T a t beherrscht auch der Dualismus von „ K r a f t u n d S t o f f " , wie m a n sich weniger wissenschaftlich a u s d r ü c k t e , die sogenannte N a t u r p h i l o s o p h i e in der zweiten H ä l f t e des 19. J a h r h u n d e r t s . Andererseits folgt aber n u n aus der MAXWELLSchen Theorie, d a ß ursprünglicher als der Begriff der Energie der der Energiedichte ist. Aus den Grundlagen der M A X W E L L schen Theorie folgt n ä m l i c h , d a ß durch das Q u a d r a t der elektrischen u n d magnetischen Feldstärke an einer jeden Stelle die Energiedichte an dieser Stelle b e s t i m m t ist. Grenzt m a n n u n um die Stelle ein kleines

Anmerkungen.

103

Volumen a b u n d m u l t i p l i z i e r t m a n dieses Volumen m i t der Energied i c h t e , die an der Stelle v o r h a n d e n ist, so e r h ä l t m a n die Energie, die in dem kleinen Volumen enthalten ist. In der MAXWELLschen Theorie ist also die Energie n i c h t s anderes als das R a u m i n t e g r a l des F e l d s t ä r k e n q u a d r a t e s (mal einem Z a h l e n f a k t o r ) . N a c h der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e k o m m t aber n u n dem R ä u m e g a r keine absolute B e d e u t u n g z u ; eine a b s o l u t e B e d e u t u n g h a t d a h e r a u c h n u r das Integral des F e l d s t ä r k e n q u a d r a t e s (bzw. der ihr in der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e e n t s p r e c h e n d e n Größe) über ein vierdimensionales „ Ü b e r v o l u m e n " der MiNKOwsKi-Welt. Dieses Integral m ü ß t e gleich sein dem P r o d u k t aus einer Energie u n d einer Zeit, noch m u l t i p l i z i e r t m i t der k o n s t a n t e n Lichtgeschwindigkeit. Das P r o d u k t aus Energie u n d Zeit stellt aber eine W i r k u n g d a r . So t r i t t in der R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e a n die Stelle des Begriffes der Energie der Begriff der W i r k u n g . 2 Der Gegensatz zu vollkommen schwarz ist v o l l k o m m e n spiegelnd. 3 Eine notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit des KiRCHHOFFSchen Gesetzes ist allerdings das Bestehen von sogenanntem t h e r m o dynamischem Gleichgewicht, in dem alle Körper, die zu dem betrachteten System gehören, gleiche T e m p e r a t u r oder wenigstens keine merklich verschiedene haben. 4 In dieser B e g r ü n d u n g spielt eine wesentliche Rolle der Strahlungsdruck. Aus der MAXWELLschen Theorie folgt nämlich, wie schon MAXWELL selbst e r k a n n t e , d a ß ein K ö r p e r , auf den e l e k t r o m a g n e t i s c h e Wellen a u f t r e f f e n , d u r c h diese einen D r u c k e r f a h r e n m u ß , der sich als L i c h t d r u c k , allgemeiner gesprochen, als S t r a h l u n g s d r u c k ä u ß e r t . Die E x i s t e n z des L i c h t d r u c k s ist auf e x p e r i m e n t e l l e m Wege zuerst im J a h r e 1901 von LEBEDEW m i t Hilfe von sehr leichten Spiegeln im ä u ß e r s t l u f t verdünnten R ä u m e nachgewiesen worden. 5 Diese T e m p e r a t u r , bei der die s i c h t b a r e Glut einsetzt, ist, wie zuerst DRAPER e r k a n n t e , f ü r alle K ö r p e r dieselbe; dies ist w i e d e r u m eine Folge des KiRCHHOFFschen Gesetzes. 6 Die Verteilung der Energie über die S t u f e n des S p e k t r u m s w i r d durch andere Formeln beschrieben, wenn m a n die A b s t u f u n g nicht nach Wellenlängen, sondern nach Schwingungszahlen v o r n i m m t . 7 In dem S o n n e n s p e k t r u m liegt die Wellenlänge des m a x i m a l e n spezifischen Emissionsvermögens im s i c h t b a r e n V i o l e t t ; d a r a u s w ü r d e eine S o n n e n t e m p e r a t u r von e t w a 6000° C folgen, falls die Sonne als schwarzer K ö r p e r angesehen werden d a r f . A u c h aus dem STEFANschen Gesetz k a n n die S o n n e n t e m p e r a t u r u n t e r der gleichen Voraussetzung b e r e c h n e t w e r d e n . Denn m a n k a n n ja die E r w ä r m u n g messen, die eine von den Sonnenstrahlen getroffene schwarze Fläche von gegebener Größe in gegebener Zeit e r f ä h r t . D a d u r c h k a n n die g e s a m t e von der Sonne in einer Sekunde a u s g e s t r a h l t e Energiemenge u n d hieraus wieder n a c h dem STEFANschen Gesetz die S o n n e n t e m p e r a t u r b e r e c h n e t w e r d e n . Auch auf diesem Wege gelangt m a n zu einer T e m p e r a t u r von e t w a 6000°. 8 Die WiENsche K o n s t a n t e b e t r ä g t 0,294 c m / g r a d . 9 Das eine Gesetz w u r d e von WIEN aus seinem Verschiebungsgesetz a b g e l e i t e t ; es gilt nur f ü r das u l t r a v i o l e t t e S p e k t r u m oder f ü r

Anmerkungen.

104

tiefe T e m p e r a t u r e n . Das andere Gesetz h a t RAYLEIGH aufgestellt; es gilt nur f ü r das ultrarote Spektrum oder f ü r hohe T e m p e r a t u r e n . 10 Die schwierigen, eine große Genauigkeit erfordernden experimentellen Untersuchungen, die die Unrichtigkeit der früheren Strahlungsgesetze und die Richtigkeit des PLANCKsdien erwiesen, wurden in der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Beriin-Charlottenburg durchgeführt, vor allem 11

von

RUBENS u n d

PASCHEN.

Es ist zu beachten, daß die Masse des Atoms nur halb so groß ist wie die der Molekel. 12 Das in der modernen Physik allgemein mit h bezeichnete elementare W i r k u n g s q u a n t u m beträgt 6 , 5 - 1 0 ~ 2 7 e r g x sec; vgl. Anm. 10 des dritten Vortrages. Ein Erg ist gleich der Arbeit, die eine K r a f t von einer Dyne auf einem Wege von einem Zentimeter leistet; etwa 98 Millionen Erg sind gleich einem Kilogramm-Meter. 13 Für die Erscheinung der Fluoreszenz gilt das Gesetz von STOKES, demzufolge die Schwingungszahl des Fluoreszenzlichtes immer kleiner ist als die des erregenden Lichtes. Vgl. Anm. 38 des f ü n f t e n Vortrages. 14 Das EiNSTEiNsche Gesetz besagt, daß ein L i c h t q u a n t u m des auftreffenden Lichtes gleich sei der Bewegungsenergie eines bei dem lichtelektrischen E f f e k t losgelösten Elektrons plus der Arbeit, die zu seiner Loslösung aufgewendet werden m u ß . 16 Dieser W e r t beträgt 5,94 Kalorien. Vgl. Anm. 3 des zweiten Vortrages. 16 Bei Z i m m e r t e m p e r a t u r beträgt die Atomwärme des Diamanten nur 1,7 cal; bei - 50° C, wie schon im J a h r e 1875 e n t d e c k t wurde, 0,7 cal. Bei - 187° ist die Atomwärme des Diamanten nur 0,03 cal, bei - 250° 0,00 cal; d . h . bei dieser tiefen T e m p e r a t u r ist trotz einer Genauigkeit der- Messungen, die sich auf die zweite Dezimalstelle erstreckt, die Existenz einer spezifischen W ä r m e nicht mehr feststellbar. Der Abfall der spezifischen W ä r m e bei tiefen Temperaturen wurde in der neuesten Zeit dann natürlich auch bei anderen Stoffen festgestellt. So beträgt z. B. bei dem Kupfer, das sich bei Z i m m e r t e m p e r a t u r normal verhält, bei - 186° die A t o m w ä r m e nur mehr 3,38, bei - 240° 0,54, bei - 250° 0,22 cal. Die experimentellen Untersuchungen über das Verhalten von Körpern bei tiefsten T e m p e r a t u r e n wurden hauptsächlich von

KAMERLINGH ONNES i n L e i d e n

u n d v o n NERNST u n d s e i n e n

Schülern

in Berlin durchgeführt. 17 F ü r jeden festen Grundstoff läßt sich rein theoretisch eine sogenannte charakteristische T e m p e r a t u r bestimmen. Nur wenn die T e m p e r a t u r , bei der die Messungen angestellt werden, ziemlich größer ist als die charakteristische T e m p e r a t u r , gilt nach der neuen Theorie das DuLONGsche Gesetz. Nun liegt f ü r die meisten festen Grundstoffe diese charakteristische T e m p e r a t u r unter dem Schmelzpunkt des Eises, bei D i a m a n t liegt sie hingegen bei etwa 1700°. 18 Wie die spezifische Wärme nähert sich bei sehr tiefen T e m p e r a t u r e n auch der sogenannte Ausdehnungskoeffizient dem Werte Null. 18 Auf keinem Gebiete physikalischer Messungen ist ein solcher Grad von Genauigkeit erreichbar wie in der Spektroskopie. Spektro-

Anmerkungen.

105

skopische Größen lassen sich oft bis auf ein Millionstel ihres Wertes, manchmal noch genauer angeben. 20 Diese Gesetzmäßigkeiten wurden vor allem bei den Alkalimetallen (Lithium, Natrium, Kalium, Rubidium, Cäsium) von K A Y S E R und R U N G E aufgefunden. 21 Siehe REICHE, Die Quantentheorie, Zeitschrift „Die Naturwissenschaften", Bd. 6, 1918, S. 419. 22 Es ist der mit 2 n multiplizierte Drehimpuls, der gemessen wird durch das Produkt aus Masse, Bahnhalbmesser und linearer Geschwindigkeit. Ist der Drehimpuls gegeben, so lassen sich alle übrigen bei der Bewegung eine Rolle spielenden Größen durch die Beziehung berechnen, daß die nach dem COULOMB sehen Gesetz berechnete elektrische Anziehung der Zentrifugalkraft gleich sein muß. 23 Es werden absichtlich je tausend Sandkörner und nicht je eines in Betracht gezogen, weil erst etwa je 200 auf ein Atom und erst etwa je 400 auf eine Molekel entfallen würden. 24 Der kleine Rest der gesamten Masse entfällt auf die negativen Elektronen. 25 Umgekehrt absorbiert das Wasserstoffatom aus einer auffallenden Strahlung nur Wellen von solchen Schwingungszahlen, die der B A L M E R schen Formel genügen. Dabei geht das negative Elektron (umgekehrt wie bei der Emission) aus einem durch die Zahl m bestimmten Anfangszustand in einen durch die Zahl n bestimmten Endzustand über. 28 Die r o t e Linie ist identisch mit d e r F R A U N H O F E R s c h e n Linie C, die b l a u e mit d e r F R A U N H O F E R s c h e n Linie F. 27 Nur die ersten 13 Linien hat man in stark verdünnten G E I S S L E R schen Röhren beobachtet, die weiteren sind nur in Spektren von Nebelsternen gefunden worden. Theoretisch erklärt sich dies daraus, daß, wie gezeigt wurde, mit wachsender Quantenzahl der Bahnhalbmesser im quadratischen Verhältnis wächst. Für die achtquantige Bahn wird der Bahnradius ungefähr gleich dem mittleren Abstand der Molekeln bei normalem Druck und Zimmertemperatur. Für n gleich 20 ist der Bahnradius 400mal so groß wie im einquantigen Zustand. Bahnen von solcher Größe können sich aber nur ausbilden, wenn auch der Abstand der Molekeln dementsprechend groß ist. Dies ist aber nur bei einer so starken Verdünnung der Fall, wie sie in GEissLERSchen Röhren nicht herstellbar ist. 28 Die ultraviolette Serie wurde von LYMAN im Spektrum eines Sternes entdeckt, die ultrarote von P A S C H E N im Spektrum einer G E I S S L E R schen Röhre. 29 Das Helium ist deshalb für die theoretische Physik so wichtig, weil es, wie schon erwähnt, neben Wasserstoff der leichteste und daher offenbar auch einfachste Grundstoff ist. 30 Die eine der Serien war von dem Astronomen P I C K E R I N G im Spektrum eines Sternes entdeckt worden, zwei andere von F O W L E R in den Spektren von GEissLERschen Röhren. Die verschiedenen Serien des Wasserstoffs und Heliums werden gewöhnlich nach ihren Entdeckern benannt.

106

Anmerkungen. 31

Diesen Nachweis h a t P A S C H E N ( 1 9 1 6 ) e r b r a c h t . M a n denke d a r a n , wie die S t ö r u n g e n der P l a n e t e n b a h n e n z u n ä c h s t als Mängel der NEWTONSChen G r a v i t a t i o n s t h e o r i e angesehen w u r d e n , bis L A P L A C E d u r c h die e x a k t e A u s b i l d u n g der S t ö r u n g s t h e o r i e den Nachweis d a f ü r e r b r a c h t e , d a ß die v e r m e i n t l i c h e n A b w e i c h u n g e n in Wirklichkeit B e s t ä t i g u n g e n des NEWTONschen Gravitationsgesetzes s i n d . 33 Das H e l i u m a t o m d e n k t sich die Theorie b e s t e h e n d aus einem Kerne, der m i t zwei positiven elektrischen E l e m e n t a r q u a n t e n n a c h a u ß e n w i r k t u n d aus zwei n e g a t i v e n E l e k t r o n e n , die den K e r n u m k r e i s e n . G i b t das n e u t r a l e H e l i u m a t o m ein n e g a t i v e s E l e k t r o n a b , so erscheint es n a c h a u ß e n hin m i t einem positiven E l e m e n t a r q u a n t u m geladen oder „ i o n i s i e r t " (vgl. d e n d r i t t e n V o r t r a g ) . Bei dem ionisierten H e l i u m a t o m kreist also ebenso wie bei d e m W a s s e r s t o f f a t o m n u r ein einziges negatives E l e k t r o n , das d e m n a c h d u r c h keine a n d e r e n m i t k r e i s e n d e n Elektronen gestört w i r d ; d a h e r sind die Verhältnisse d a n n ebenso e i n f a c h wie bei dem W a s s e r s t o f f a t o m . Die L a d u n g des Kernes ist allerdings d o p p e l t so g r o ß wie bei d e m W a s s e r s t o f f a t o m , w e s h a l b n a c h der BoHRschen T h e o r i e in den F o r m e l n f ü r die Heliumserien die RYDBERGsche K o n s t a n t e noch m i t d e m Q u a d r a t von zwei m u l t i p l i z i e r t erscheint. 34 Der g e m e i n s c h a f t l i c h e S c h w e r p u n k t zweier K ö r p e r liegt in deren Verbindungslinie u n d teilt deren D i s t a n z im u m g e k e h r t e n Verhältnis der Massen. 35 Die Mannigfaltigkeit der Spektrallinien ist ja in der BoHRschen Theorie zweifach, in der SoMMERFELDschen vierfach. Daher erscheint in der SoMMERFELDschen Theorie wieder jede BoHRsche Linie als zweifache Mannigfaltigkeit. 36 A u c h d a s h a t n a t ü r l i c h seinen theoretischen G r u n d . 37 Einstweilen h a t diese M e t h o d e der B e s t i m m u n g der universellen K o n s t a n t e n allerdings n u r einen t h e o r e t i s c h e n W e r t , da ihr a n d e r e M e t h o d e n derzeit a n G e n a u i g k e i t noch überlegen s i n d . 38 Die A u s s e n d u n g der s e k u n d ä r e n R ö n t g e n s t r a h l u n g stellt dasselbe P h ä n o m e n d a r wie die o p t i s c h e Fluoreszenz; der U n t e r s c h i e d zwischen beiden E r s c h e i n u n g e n ist nur q u a n t i t a t i v e r N a t u r ; vgl. A n m . 13 des fünften Vortrages. 39 Dies h a t zuerst im J a h r e 1 9 0 5 B A R K L A e n t d e c k t , der allerdings noch n i c h t die Wellenlängen, sondern n u r die H ä r t e der Strahlen bestimmen konnte. 40 E n t d e c k t w u r d e die M - S e r i e von SIEGBAHN; d a ß sie n u r bei E l e m e n t e n m i t sehr hohem A t o m g e w i c h t festgestellt w u r d e , e r k l ä r t sich e i n f a c h d a r a u s , d a ß sie bei a n d e r e n E l e m e n t e n in die noch u n e r f o r s c h t e Lücke zwischen u l t r a v i o l e t t e m L i c h t u n d R ö n t g e n s t r a h l e n fällt (vgl. den e r s t e n V o r t r a g ) . 41 U n t e r diesen noch zu e n t d e c k e n d e n E l e m e n t e n m ü ß t e n zwei dem M a n g a n ä h n l i c h sein, eines dem J o d , eines m ü ß t e ein A l k a l i m e t a l l sein, eines eine seltene E r d e . Das seit M O S E L E Y e n t d e c k t e sechste der d a m a l s noch u n b e k a n n t e n E l e m e n t e ist das T h u l i u m II, eine seltene E r d e . 42 Überdies bei d e m Gase N e o n . 43 Sie sind Isotope von Blei, W i s m u t , P o l o n i u m , R a d i u m e m a n a t i o n , 32

Anmerkungen.

107

Radium, Aktinium, Thorium, P r o t a k t i n i u m und Uran. Zwischen Polonium und Radiumemanation liegt das noch unbekannte dem J o d ähnliche Element, zwischen R a d i u m e m a n a t i o n und Radium das noch unbekannte Alkalimetall. 44 Der genaueZusammenhang ist der, daß z. B. f ü r die raschest schwingende /C-Linie die Schwingungszahl gleich ist dreiviertel mal der RYDBERGSchen K o n s t a n t e n mal dem Quadrate der um etwa eins verminderten Ordnungszahl. Der Faktor Dreiviertel ist im Sinne der BALMERschen Formel gleich Vi 2 Denn die raschest schwingende /C-Linie ents t e h t durch Übergang aus einem zweiquantigen Anfangs- in einen einquantigen E n d z u s t a n d . W a r u m von der Kernladungszahl die Zahl eins abzuziehen ist, isf noch nicht ganz geklärt. Bei der ¿-Serie erscheint übrigens in den Formeln die Ordnungszahl um die Zahl 7,4 vermindert. 45 Die ersten zehn Ordnungszahlen kommen folgenden Grundstoffen zu: Wasserstoff, Helium, Lithium, Beryllium, Bor, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Fluor und Neon. Da man die Röntgenspektren erst von dem Natrium an kennt (Ordnungszahl 11), so ist es ungewiß, ob nicht etwa in der Reihe bis Neon noch ein oder mehrere Grundstoffe fehlen. 46 Die Abstände der beiden Linien der L-Doublets sind allerdings so groß, daß erst die Theorie erkennen ließ, daß es sich nicht um zwei selbständige Linien, sondern um Komponenten eines Doublets handelt. 47 Die Hypothese, daß Ordnungszahl und Kernladungszahl identisch s e i e n , s t a m m t v o n VAN DER BROEK (1913).

48 Bestünde der Kern nur aus positiven Elektronen, so m ü ß t e n diese wegen der geringen Entfernungen einander m i t ungeheurer K r a f t abstoßen. Durch Zentrifugalkräfte können aber nur Anziehungskräfte, nicht auch abstoßende kompensiert werden. 49 Außer den negativen Elektronen, die im Atomkerne gebunden sind, und jenen, die im Atom kreisen, gibt es offenbar in den Körpern noch freie, von den Atomen losgelöste, die nach A r t von Gasmolekeln in rascher fortschreitender Bewegung begriffen sind. Diese freien Elektronen bedingen die Eigenschaften, die als metallisch bezeichnet werden, wie die Leitfähigkeit f ü r W ä r m e und Elektrizität, und das starke Reflexionsvermögen f ü r elektromagnetische Wellen. 50 Entsprechend den Röntgenserien bezeichnet m a n diese Schalen in der Reihenfolge von innen nach außen als K-, L-, M-, JV-Schale usw. Daß die Elektronen in Schalen (und nicht in Ringen) angeordnet sein müssen, hat zuerst SMEKAL nachgewiesen. 51 Dem Leser, der sich f ü r die im f ü n f t e n Vortrag behandelten Fragen interessiert, sei sehr das auch f ü r Laien lesbare Buch von SOMMERFELD empfohlen: „ A t o m b a u und Spektrallinien", Braunschweig, Verlag Vieweg, 1919.

Chronologische Übersicht. 1820. 1831. 1833. 1842. 1845. 1856. 1857. 1859.

OERSTED e n t d e c k t den Elektromagnetismus. FARADAY e n t d e c k t die Induktionsströme. FARADAY e n t d e c k t das Grundgesetz der Elektrochemie. MAYER e n t d e c k t die Konstanz des Umwandlungsverhältnisses zwischen W ä r m e und mechanischer Arbeit. FARADAY e n t d e c k t im Magnetismus eine universelle Eigenschaft aller Substanzen. WEBER f i n d e t eine elektrische Konstante gleich der Lichtgeschwindigkeit. CLAUSIUS begründet die neuere kinetische Gastheorie. KIRCHHOFF stellt das f u n d a m e n t a l e Prinzip der Strahlungstheorie auf.

1859. KIRCHHOFF u n d BUNSEN b e g r ü n d e n d i e

Spektroskopie.

1859. PLÜCKER e n t d e c k t die Kathodenstrahlen. 1865. LOSCHMIDT schätzt zuerst die Größe der Molekeln ab. 1866. BOLTZMANN erklärt die Irreversibilität vom S t a n d p u n k t der Molekularstatistik. 1873. MAXWELL begründet die elektromagnetische Lichttheorie. 1876. ROWLAND beweist experimentell die Existenz der Konvektionsströme. 1879. STEFAN e n t d e c k t das nach ihm benannte Strahlungsgesetz. 1881. J . J . THOMSON gewinnt den Begriff der elektromagnetischen Masse. 1885. BALMER entdeckt die Gesetzmäßigkeit des Wasserstoffspektrums. 1888. HERTZ bestätigt durch seine Versuche die MAxwELLSche Theorie. 1893. WIEN e n t d e c k t das Verschiebungsgesetz. 1895. LORENTZ begründet die Elektronentheorie. 1895. RÖNTGEN e n t d e c k t die nach ihm benannten Strahlen. 1896. BECQUEREL e n t d e c k t die R a d i o a k t i v i t ä t . 1896. ZEEMAN e n t d e c k t den nach ihm benannten magneto-optischen Effekt. 1898. Das E h e p a a r CURIE e n t d e c k t das Radium. 1900. PLANCK begründet die Quantentheorie. 1900. PLANCK gewinnt das allgemeine Strahlungsgesetz. 1900. PLANCK b e s t i m m t das elementare W i r k u n g s q u a n t u m und berechnet zuerst genau die Wasserstoffatommasse und das elektrische Elementarquantum.

Chronologische Obersicht. 1900. 1902. 1905. 1905. 1905. 1906. 1907. 1908. 1912. 1912. 1913. 1913. 1913. 1915. 1915. 1915. 1919. 1919.

109

RUTHERFORD entdeckt die Thoriumemanation. RUTHERFORD und SODDY schaffen die Theorie des Atomzerfalls. EINSTEIN stellt das Relativitätsprinzip auf. EINSTEIN e n t d e c k t den Satz von der Trägheit der Energie. EINSTEIN begründet die Theorie der Lichtquanten. NERNST stellt einen neuen W ä r m e s a t z auf. EINSTEIN begründet die Quantentheorie der Wärme fester Körper. MINKOWSKI s c h a f f t den Begriff einer vierdimensionalen, Raum und Zeit verknüpfenden Welt. DEBYE entdeckt das Gesetz der spezifischen W ä r m e bei tiefsten Temperaturen. LAUE e n t d e c k t die Interferenz der Röntgenstrahlen. Die BRAGG entdecken die S t r u k t u r der Kristalle. MOSELEY begründet die Röntgenspektroskopie. BOHR begründet die Quantentheorie der Spektren und des Atombaues. EINSTEIN begründet die allgemeine Relativitätstheorie. EINSTEIN und DE HAAS erbringen den experimentellen Nachweis der Molekularströme. SOMMERFELD erklärt die F e i n s t r u k t u r der Spektrallinien. RUTHERFORD e n t d e c k t die Bildung von Wasserstoff aus Stickstoff. Bestätigung der EiNSTEiNschen Gravitationstheorie durch astronomische Beobachtungen.

Namenverzeichnis. (Die angegebenen Professuren sind bei Toten die zuletzt, bei Lebenden die im J a h r e 1920 bekleideten. Ist nichts anderes vermerkt, so handelt es sich um Professuren der Physik. Auf die Anmerkungen ist in dieser Zusammenstellung keine Rücksicht genommen.) BALMER, J . J . , Gymnasialprof. in Basel S. 77. BECQUEREL, Henri (1852—1908), Prof. d. École polytechnique, Paris S. 46. BOHR, Niels, Prof. d. Univ. Kopenhagen S. 7 8 — 8 3 . BOLTZMANN, Ludwig (1844—1906), Prof. d. Univ. Wien S. 10, 33, 71. BRAGG, William Henry (geb. 1862), Prof. d. Univ. Leeds S. 37. BRAGG, W. Lawrence (Sohn des Vorigen), Doz. d. Univ. Cambridge S. 37. BROWN, Robert (1773—1858), Botaniker in London S. 2 7 — 2 8 . BUNSEN, Robert (1811—1899), Prof. d. Chemie a. d. Univ. Heidelberg S. 77. CLAUSIUS, Rudolf (1822—1888), Prof. d. Univ. Bonn S. 20, 21. CURIE, Marie, geb. Sklodowska (geb. 1867), Prof. d. Univ. Paris CURIE, Pierre Q 8 5 9 — 1 9 0 6 ) , Prof. d. Univ. Paris S. 46.

S. 46.

DALTON, J o h n (1766—1844), lebte in Manchester S. 35. DEBYE, Peter (geb. 1884), Prof. d. techn. Hochsch. Zürich S. 76. DEMOKRIT (etwa 4 6 0 — 3 6 0 v. Chr.) S. 18. DULONG, Pierre Louis (1775—1838), Prof. d. Écoje polytechnique, Paris S. 75. EHRENHAFT, Felix (geb. 1879), Prof. d. Univ. Wien S. 28. EINSTEIN, Albert (geb. 1879 in Ulm), Prof. d. Univ. Berlin 56—68, 74—76. EUKLID (um 300 v. Chr.), wirkte in Alexandria S. 64.

S. 28, 45,

FARADAY, Michael (1791—1867), Prof. d. Royal Institution, London S. 6, 3 7 — 3 9 , 45. FEDDERSEN, Wilhelm (1832—1918), Privatgelehrter in Leipzig S. 12. FRESNEL, Augustin J e a n (1788—1827), Ingenieur in Paris S. 5. GAUSS, Karl Friedrich (1777—1855), Prof. d. Math. a. d. Univ. Göttingen S. 64.

Namenverzeichnis.

Ill

HAAS, W . J. de, P r o f . d. Techn. Hochsch. D e l f t S. 45. HERSCHEL, Friedrich W i l h e l m (1738—1822), A s t r o n o m in L o n d o n HERTZ, Heinrich (1857—1894), P r o f . d. U n i v . Bonn S. 10, 13. HUYGENS, Christiaan (1629—1695) S. 2 — 4 .

S. 11.

KIRCHHOFF, Gustav (1824—1887), P r o f . d. U n i v . Berlin S. 70, 77. KRÖNIG, A u g u s t (1822—1879), Realschulprof. in Berlin S. 20. LAUE, M a x v o n (geb. 1873), P r o f . d. U n i v . Berlin S. 14—15. LEVERRIER, U r b a i n (1811—1877), Dir. d. Sternwarte Paris S. 67. LORENTZ, H e n d r i k A n t o o n ( g e b . 1853), em. P r o f . d. U n i v . Leiden S. 41. LOSCHMIDT, Joseph (1821—1895), P r o f . d. U n i v . W i e n S. 21. MAXWELL, James Clerk (1831—1879), P r o f . d. U n i v . Cambridge S. 6 bis 10, 20. MAYER, R o b e r t (1814—1878), S t a d t a r z t in Heilbronn S. 19. MENDELEJEFF, D m i t r i j Iwanowitsch (1834—1907), P r o f . d. Chemie a. d. U n i v . St. Petersburg S. 86. MEYER, L o t h a r (1830—1895), P r o f . d. Chemie a. d. U n i v . T ü b i n g e n S. 86. MICHELSON, A l b e r t (geb. 1852), P r o f . d. U n i v . Chicago S. 57. MILLIKAN, R o b e r t A n d r e w s (geb. 1868), P r o f . d. U n i v . Chicago S. 75. MINKOWSKI, H e r m a n n (1864—1909), P r o f . d. M a t h . a. d. U n i v . G ö t t i n g e n S. 61. MOSELEY, H e n r y (1888—1915)

S. 85—89.

NERNST, W a l t h e r ( g e b . 1864), P r o f . d. physikal. Chemie a. d. U n i v . Berlin S. 76. NEWTON, Isaac (1643—1727), P r o f . d. M a t h . a. d. U n i v . Cambridge S. 2 bis 4, 42. OERSTED, Hans Christian (1777—1851), P r o f . d . U n i v . Kopenhagen PETIT, A l e x i s (1791—1820), P r o f . d. École polytechnique, Paris PLANCK, M a x (geb. 1858), P r o f . d. U n i v . Berlin S. 73. PLÜCKER, Julius (1801—1868) P r o f . d. U n i v . Bonn S. 43.

S. 6.

S. 75.

RAMSAY, W i l l i a m , Sir (1852—1916), P r o f . d. Chemie a. d. U n i v . L o n d o n S. 51. RIEMANN, Bernhard (1826—1866), P r o f . d. M a t h . a. d. U n i v . G ö t t i n g e n S. 66. RITTER, Johann W i l h e l m (1776—1810), P r i v a t g e l e h r t e r in München S. 11. RÖNTGEN, W i l h e l m Conrad (geb. 1845), P r o f . d. U n i v . München S. 13. ROWLAND, H e n r y (1848—1901), P r o f . d. U n i v . B a l t i m o r e S. 40. RUTHERFORD, Ernest (geb. 1871), P r o f . d. U n i v . Manchester S. 49, 51,54. RYDBERG, Johannes R o b e r t (1854—1919), P r o f . d. U n i v . L u n d S. 77. SMOLUCHOWSKI, M a r y a n R i t t e r v o n (1872—1917), P r o f . d. U n i v . K r a k a u S. 27, 28, 31, 33. SODDY, Frederick ( g e b . 1877), P r o f . d. Chemie a. d. U n i v . A b e r d e e n S. 49, 51.

112

Namenverzeichnis.

SOMMERFELD, Arnold (geb. 1868), Prof. d. Univ. München S. 83—89. STEFAN, Josef (1835—1893), Prof. d. Univ. Wien S. 70—71. THOMSON, Joseph John, Sir (geb. 1857), Prof. d. Univ. Cambridge S. 40. WEBER, Wilhelm (1804—1891), Prof. d. Univ. Göttingen S. 9. WIEN, Wilhelm (geb. 1864), Prof. d. Univ. Würzburg S. 72. WIENER, Christian (1826—1896), Prof. d. Geometrie a. d. Techn. Hochsch. Karlsruhe S. 28. WILSON, Charles T. R. (geb. 1869), Prof. d. Univ. Cambridge

S. 53.

YOUNG, Thomas (1773—1829), Prof. d. Royal Institution London ZEEMAN, Pieter (geb. 1865), Prof. d. Univ. Amsterdam

S. 42—43.

S. 11.

Sachverzeichnis. (Ohne Rücksicht auf die Anmerkungen.) Äther 4. Alpha-Strahlen 47—48. Anodenstrahlen 44. Atome 35—36. Atomeigenschaften 90. Atomgewicht 50—51. Atommodell 54, 78—80. Atomwärme 75.

Flächengeometrie 64—65. j Fluoreszenz 74. Frequenzbedingung 81. Fundamentaltensor 65. Gamma-Strahlen 16, 47. Gastheorie 20. Gravitation 64—68. Grundstoffe 88.

Beta-Strahlen 47. Beugungsgitter 14. Bewegungsaxiom, zweites 59. B R O W N sehe Bewegung 28. Diamant 37, 75. Dispersion 42. Druck der Gase 20. Eigenstrahlung 85. Elektrochemie 37—39. Elektrolyse 38. Elektromagnetismus 6. Elektronen 41. E l e m e n t a r q u a n t u m , elektr. 38. Emanationen 49. Emissionsvermögen 70. Energie 60—61. Energieelemente 73. Euklidische Geometrie 64.

Induktionsströme 6. Ionen 38. Irreversibilität 32. I Isotopie 88. : Kathodenstrahlen 43. Kernladungszahl 89. i Kristalle 14—15, 37. ! Ladung, spezifische 39. Leidener Flasche 12. Lichtelektrischer Effekt 74. Lichtquanten 75. Magnetismus 45. Masse 59—60. — elektromagnetische 41. Materie 55. Merkurbahn 67.

Farbe 10. Farbenringe 11. Feinstruktur 84. Feld 62. Feldstärke 7. HAAS, D a s N a t u r b i l d der n e u e n

Halbierungszeit 51. i H a u p t s a t z , erster 19. j — zweiter 32—33. Helium 48, 51. Heliumspektrum 82. Himmelsblau 27.

Physik.

8

Sachverzeichnis.

114 MINKOWSKI-Welt

Temperatur 20. Thorium 49. Trägheit der Energie 6 0 — 6 1 . Transversalität des Lichtes 5.

61—68.

Molekeln, Größe 22. Molekularströme 45.

Nullpunkt, absoluter 21. Ordnungszahl 89. Periodisches System 8 6 — 8 9 . Polarisation 4. Proportionen, multiple 35. Radioaktivität 46. Radium 46. Relativitätsprinzip 5 7 — 5 8 . Resonanz 42. Röntgenspektroskopie 85—90, Röntgenstrahlen 13—16. Schwankungen 2 4 — 2 8 . Schwingungen, elektrische 7. — erzwungene 42. Schwingungszahl 3. Sonnenfinsternis 68. Steinsalz 37. Stickstoff 51. Strahlungsgesetz 73. Stromstärke, Maß 9. Szintillation 47.

j Ultrarot 11—12. Ultraviolett 11—12. Uran 52. ! | i j

Vektorgröße 5. Verschiebungsgesetz 72. Verschiebungsströme 7. Vierdimensionale Geometrie 61.

| Wärme 19. Wärme, spezifische 75. i Wasserstoff 51. Wasserstoffatom, Masse 73—74. Wasserstoffdublett 84. Wasserstoffspektrum 77. Welle 3. Wellenlänge 3. Wiederkehrzeit 30. Wirkungsquantum, elementares 70 bis 74. Zeit 57. Zerfallstheorie 49.

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