Das Museumsufer Frankfurt: Architekten und Bauten 9783035618969, 9783035618815

Ein europaweit einzigartiges Ensemble Das Museumsufer in Frankfurt ist einer der bedeutendsten Standorte für Museen in

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Das Museumsufer Frankfurt: Architekten und Bauten
 9783035618969, 9783035618815

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Die Entstehung des Museumsufers: Von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute. Eine politische Geschichte
Deutsches Architekturmuseum, 1979–1984
Labyrinth und Ratio
Museum Angewandte Kunst, 1979–1985
Modern architecture is here to stay
Schirn Kunsthalle, 1979–1986
Wir hatten eine phantastische Aufgabe!
Archäologisches Museum Frankfurt, 1980–1989
Poesie und Rationalismus
MMK – Museum für Moderne Kunst, 1982–1991
Aufbauen und Aushöhlen
Museum für Kommunikation Frankfurt, 1983–1990
Triff die Entscheidung dann, wenn sie dran ist
Erweiterung Liebieghaus – Museum alter Plastik, 1986–1990
Wir können nicht mehr so weiterbauen wie bisher
Erweiterung Städtische Galerie im Städel Museum und Städelschule, 1987–1991
Ich bin Frühaufsteher, fleißig, aber nicht fanatisch
Museumsrestaurant im Städel, 1998–1999
Im Grunde genommen muss jede Zeit ihre Stadt neu erfinden
Erweiterung Städel Museum, 2008–2012
Was uns eint, ist das Bestreben herauszufinden, warum etwas wie richtig ist
Neubau Historisches Museum Frankfurt, 2008–2017
Über das Benehmen von Häusern
Erweiterung und Sanierung Jüdisches Museum Frankfurt, 2012–2020
Die Skizze ist eine Art Denken mit dem Stift
Weitere Museen
Ausblick
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DAS MUSEUMSUFER FRANKFURT Architekten und Bauten

Roland Burgard

DAS MUSEUMSUFER FRANKFURT Architekten und Bauten

Birkhäuser Basel

Lektorat und Projektkoordination: Ria Stein Herstellung: Heike Strempel Layout, Covergestaltung und Satz: Silke Nalbach Papier: Condat matt Périgord, 135 g/m² Druck: optimal media GmbH, Röbel/Müritz

Library of Congress Control Number: 2019953137 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-0356-1881-5

e-ISBN (PDF) 978-3-0356-1896-9 © 2020 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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www.birkhauser.com

Inhalt

7 Vorwort 8 Die Entstehung des Museumsufers: Von den Anfängen im 19.  Jahrhundert bis heute Eine politische Geschichte 34 Deutsches Architekturmuseum, 1979–1984 38 Labyrinth und Ratio Gespräch mit Oswald Mathias Ungers 42 Museum Angewandte Kunst, 1979–1985 46 Modern architecture is here to stay Gespräch mit Richard Meier 54 Schirn Kunsthalle, 1979–1986 60 Wir hatten eine phantastische Aufgabe! Gespräch mit Dietrich Bangert 66 Archäologisches Museum Frankfurt, 1980–1989 70 Poesie und Rationalismus Gespräch mit Josef Paul Kleihues 76 MMK – Museum für Moderne Kunst, 1982–1991 80 Aufbauen und Aushöhlen Gespräch mit Hans Hollein 86 Museum für Kommunikation Frankfurt, 1983–1990 90 Triff die Entscheidung dann, wenn sie dran ist Gespräch mit Stefan Behnisch 96 100

Erweiterung Liebieghaus – Museum alter Plastik, 1986–1990 Wir können nicht mehr so weiterbauen wie bisher Gespräch mit Brigitte Scheffler, Ernst Ulrich Scheffler und Thomas Warschauer

106 Erweiterung Städtische Galerie im Städel Museum und Städelschule, 1987–1991 110 Ich bin Frühaufsteher, fleißig, aber nicht fanatisch Gespräch mit Gustav Peichl

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Museumsrestaurant im Städel, 1998–1999 Im Grunde genommen muss jede Zeit ihre Stadt neu erfinden Gespräch mit Jochem Jourdan

126 Erweiterung Städel Museum, 2008–2012 130 Was uns eint, ist das Bestreben herauszufinden, warum etwas wie richtig ist Gespräch mit Till Schneider und Michael Schumacher 136 Neubau Historisches Museum Frankfurt, 2008–2017 140 Über das Benehmen von Häusern Gespräch mit Arno Lederer 146 150

Erweiterung und Sanierung Jüdisches Museum Frankfurt, 2012–2020 Die Skizze ist eine Art Denken mit dem Stift Gespräch mit Volker Staab

156 Weitere Museen 1 57 Tower MMK 1 57 Zollamt MMK 158 Struwwelpeter-Museum 158 Stoltze-Museum 1 59 Kaiserpfalz franconofurd 159 Stadthaus am Markt 160 Altbauten Historisches Museum Frankfurt (Saalhof) 160 Caricatura Museum Frankfurt 1 61 Museum Judengasse 1 61 Ikonen-Museum Frankfurt 162 Weltkulturen Museum 162 DFF Deutsches Filminstitut & Filmmuseum 163 Museum Giersch der Goethe-Universität 164 Ausblick 170 Über den Autor 1 71 Register 1 76 Bildnachweis

Vorwort

Über die Metamorphose des Mains vom Schifffahrtsweg zur Kulturmeile wurde schon häufig berichtet. Auch darüber, wie sich das Sachsenhäuser Mainufer in den letzten fünfzig Jahren zur Rive Gauche entwickelt hat, und welchen Anteil die Kulturinstitute daran haben, war zu lesen. Allerdings begann diese Entwicklung schon 1878 mit der Übersiedlung des Städelschen Kunstinstituts von der ­Innenstadt an den Main, und sie ist noch immer nicht zum Abschluss gekommen. Lag es an der Wortschöpfung ­Museumsufer, in der sich Aufgabenstellung und Zukunftsperspektive der Kulturinstitute so treffend wiederfindet, war es die Macht des Faktischen oder einfach das Zusammentreffen glücklicher Umstände? Über das sternschnuppenhafte Aufblitzen der Frankfurter Museumsbauten im letzten Jahrhundert, eine Erscheinung, die man andernorts als Bilbao-Effekt bezeichnet hat, wurde schon früher aus verschiedenen Blickwinkeln ein Resümee gezogen; aus politischem ebenso wie aus persönlichem Erleben, selbst eine Dokumentation von Zeitzeugen der 1980er-Jahre liegt vor. („Zeitzeugen: Vom Museums­ ufer zum Stadtraum Main“) Es ist unübersehbar, dass vom Museumsufer starke Impulse für die Stadtentwicklung des gesamten Mainraums ausgingen, die im Westen mit der Konversion des Westhafens begannen, und im Osten mit dem Bau der Euro­ päischen Zentralbank, einem deutlichen Signal der europäischen Zeitenwende, ihren vorläufigen Höhepunkt fanden. Über zwei Jahrzehnte hat es gedauert, bis 2017 mit dem Neubau für das Historische Museum wieder ein neuer Museumsbau am Main entstanden ist. Ein langer Zeitraum, in dem die Globalisierung Einzug gehalten hat, sich der Übergang von der analogen in die digitale Welt vollzogen hat, und die Architektursprache der vor 1945 geborenen Akteure der Nachkriegsarchitektur durch die neue ästhetische Weltsicht der Generation Babyboomer abgelöst wurde. 1998 folgte ich einem Ruf an die Universität für Angewandte Kunst in Wien, nachdem ich zuvor von 1977 an im Hochbauamt der Stadt Frankfurt am Main, von 1990 an dann als dessen Amtsleiter, zwölf städtische Museen von der ersten Skizze bis zu deren Fertigstellung und danach noch etliche Jahre persönlich betreut hatte. In der Wiener Zeit entstanden Interviews mit Kleihues, Hollein und Peichl, Architekten, mit denen ich Jahre zuvor in Frank-

furt am Main Museen gebaut hatte. Daraus entstand ­diese Publikation, die die Entwicklung des Museumsufers nachzeichnet. Sie dokumentiert ausführlich die zehn Projekte, die aus einem Wettbewerb hervorgegangen sind. Dazu werden auch das Deutsche Architekturmuseum und das Lie­ bieghaus gezeigt, die auf einer Direktvergabe basierten. Und dreizehn weitere Museen und Museumsdependancen, die ebenfalls in Mainnähe liegen, werden in kürzerer Form dargestellt. Unter dem Begriff „Museumsufer“ wurden nicht nur die Häuser gefasst, die die Adresse Schaumainkai und Mainkai tragen und somit direkt am Ufer liegen, sondern auch Museen mit einer Sichtbe­zie­hung zum Fluss. Darüber hinaus enthält der Band G ­ espräche mit den zwölf Architekten der ausführlich dokumentierten Bauten. Dabei ging es mir nicht um Architekturkritik, sondern um Architektenprofile. Mit acht Architekten habe ich bei der Realisierung der entsprechenden Museen persönlich zusammengearbeitet. Bis auf die Planungsbesprechung mit Oswald Mathias Ungers 1979 fanden diese Gespräche erst viele Jahre nach der Fertigstellung der entsprechenden Museen statt. Dies hatte einen großen Vorteil: Ohne konkreten Projektbezug ließen die Architekten Einblicke in ihre Persönlichkeit zu, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Mit Stefan Behnisch führte ich ein Gespräch über seinen im Jahr 2010 verstorbenen Vater Günter Behnisch. Michael Schumacher und Till Schneider kannte ich von anderen Projekten. Arno Lederer und ­Volker Staab habe ich erst durch das Interview kennengelernt. Jedem Interview ist das entsprechende Museumsuferprojekt gegenübergestellt worden, in chronologischer Ordnung. Derselben Systematik unterliegt der Einleitungstext, welcher den baupolitischen und baukulturellen Hintergrund des Museumsufers bis heute abbilden soll. Frankfurt, Oktober 2019

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Die Entstehung des Museumsufers: Von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute Eine politische Geschichte Die neue Gründerzeit Hektisch begann in der westdeutschen Wirtschaftswunderkapitale Frankfurt der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis auf den Römerberg, die Alte Oper und einigen Ruinen historischer Bauten, waren Anfang der 1970er-Jahre die meisten Wunden des Krieges versorgt. Die Planungspolitik setzte auf Dynamik und Wirtschaftsförderung, doch Frankfurts Image stand für Stadtzer­ störung – die Stadt wurde als Bankfurt oder Krankfurt apostrophiert. Dem Main kehrten die Planer den Rücken zu, denn die größeren Probleme schienen ihnen weiter nördlich und im Westen des Stadtgebiets zu liegen. ­Ganze 130 Meter breit, trennt der Main zwar, aber das gegenüberliegende Ufer ist dennoch immer zum Greifen nahe. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass die Kommunalpolitik den Main zum tragenden Thema machen würde. 1977 stand eine Kommunalwahl an. Noch im Jahr zuvor hatte sich der von den Sozialdemokraten geführte Magistrat mit zwei kommunalpolitischen Dauerbrennern befasst: Für den Wiederaufbau der Alten Oper waren 1976 die Architekten Braun und Schlockermann beauftragt worden. Um ein Stimmungsbild zu erhalten, hatte Oberbürgermeister Rudi Arndt in den Frankfurter Altenheimen eine Umfrage gestartet, ob die Ostzeile des Römerbergs historisch wiederaufgebaut werden sollte. Das Ergebnis war vorhersehbar, die Pensionisten waren für die Historie. Bei der Kommunalwahl am 20. März 1977 hatte die CDU in Frankfurt am Main völlig überraschend die absolute Mehrheit gewonnen; eine über dreißig Jahre dauernde Regierungszeit der SPD war zu Ende gegangen. Vor allem in der Planungspolitik hatte eine Allianz aus Hausbesetzerszene und Bürgerinitiativen für ständigen Aufruhr gesorgt. Selbst im bürgerlichen Westend probte eine Aktionsgemeinschaft den Aufstand. Junge Denkmalpfleger verdienten sich hier ihre Sporen und übten über viele Jahre großen Einfluss aus. In der Ablehnung des Credos der Wirtschaftswunderjahre, Frankfurt um jeden Preis in eine Dienstleistungsmetropole zu verwandeln, war man sich einig, denn wo der Krieg nicht gewütet hatte, waren stolze Bürgerhäuser durch schäbige Investorenkisten ersetzt worden. Dies erklärt, warum damals

Villa Schaumainkai 17 vor dem Abbruch für ein Bürogebäude (Aufnahme 1967)

Mehrere alte Bürgerhäuser am Mainufer wurden zugunsten neuer Bürogebäude abgerissen, hier am Schaumainkai 69 (Aufnahme 1973)

selbst plattester Zinshaus-Historismus nostalgisch verklärt wurde. Auch das Sachsenhäuser Mainufer war nicht davon verschont geblieben.

Bauen im historischen Kontext: Von der Stadtzerstörung der 1970er-Jahre zum identitätsbewahrenden Stadtumbau Frankfurts der 1980er-Jahre Im neuen Magistrat behielt der sozialdemokratische ­Kulturstadtrat Hilmar Hoffmann die Zuständigkeit für das Kulturdezernat, war somit für die Projekte Alte Oper und Dom-Römerberg-Bereich zuständig, während Hans-­

Die Entstehung des Museumsufers

Erhard Haverkampf nach seinem Wechsel vom Planungsdezernat ins Baudezernat die Verantwortung für deren bauliche Umsetzung übertragen bekommen hatte. Beide Sozialdemokraten waren für das kommende ­Jahrzehnt ein Traumpaar im Magistrat, was nicht wenigen ihrer Parteigenossen suspekt erschien, und auch CDU-Mitgliedern in Magistrat und Stadtparlament nicht unbedingt behagte. Walter Wallmann, der neue Oberbürgermeister, hatte nach seiner Wahl 1977 ein vordringliches Ziel im Auge: Der Stadtzerstörung durch neue Hochhäuser musste umgehend Einhalt geboten werden. An zwei Stellen war Gefahr im Verzug, nämlich an der Bockenheimer Landstraße im Westend und an der Untermainbrücke in Sachsenhausen. Erschwerend kam hinzu, dass ein und derselbe Großinvestor an beiden Standorten seine Hand im Spiel hatte. Während im Westend durch den neuen flächendeckenden Bebauungsplan von 1976 und eine angepasste städtische Liegenschaftspolitik ab 1977 die Entwicklung allmählich in geordneteren Bahnen verlief, suchte man am Sachsenhäuser Ufer für zwei benachbarte Gründerzeithäuser an der Südwestecke von Schaumainkai und Schweizer Straße geeignete Nutzungen, um deren Abbruch und den Neubau von Büroriesen zu verhindern. Die Absicht war, schnellstens die Wende von der Stadtzerstörung der 1970er-Jahre zum identitätswahrenden Stadtumbau der 1980er-Jahre einzuleiten. Auch zeichnete sich für die zukünftigen Bauaufgaben, obwohl hinsichtlich Ort, Größenordnung und Funktion ganz unterschiedlich, ein gemeinsames Thema ab: das Bauen im historischen Kontext. Im Kulturbereich bildete die Alte Oper, deren Funktion als Konzert- und Kongresshaus 1981 um einen Kammermusiksaal erweitert worden war, und der Römerberg, für den mit der Schirn als Wechselausstellungshalle endlich eine Nutzung gefunden war, Schwerpunkte. Aus den anderen städtischen Dezernaten gab es darüber hinaus noch eine riesige Zahl anspruchsvoller Bauaufgaben.

1977 – Der Museumsboom beginnt Doch warum drängte sich jetzt das Thema Museumsbau geradezu auf? Das Jahr 1977 hatte mit einem kulturpolitischen Paukenschlag begonnen: Am 31. Januar war das Centre Pompidou in Paris eröffnet worden. Unweit der Seine hatte man sich für ein dezentrales Museumskonzept entschieden, und mit der High-Tech-Architektur von Piano und Rogers die Frontlinie der Architektur ganz weit nach vorne verschoben. Im selben Jahr fiel bei der Staats­ galerie in Stuttgart der Juryentscheid zu Gunsten der postmodernen Architektur von James Stirling. Und in

Bürgerhäuser Schaumainkai 41, 43a, 1981–1984 zum Deutschen Filmmuseum und Deutschen Architekturmuseum umgebaut (Aufnahme 1976)

Mönchengladbach fand der erste Spatenstich für das von Hans Hollein entworfene Museum Abteiberg statt. Alle drei Neubauten dienten der ­Präsentation von Kunst, und alle drei zeigten die Spannweite des Museumsbaus in der Zukunft auf, architektonisch, museo­grafisch und museologisch. Das Centre Pompidou bot maximale Flexibilität, die Staatsgalerie zeigte sich klassizistisch, eben postmodern, und Mönchengladbach gab mit seinem Ineinander von Ausstellungsräumen und Wegführung einen neuen Weg für den Museumsbau vor. Auch jenseits des Atlantiks in den USA, verglichen mit Europa damals eher eine Museumswüste, wurden in New York 1977 gleich vier neue Institute für die zeitgenössische Kunst gegründet: das Drawing Center, das New ­Museum, das Studio-in-a-School und der Public Art Fund. Schon im Jahr zuvor war das Cooper Hewitt, Smith­sonian Design Museum mit einer Ausstellung von Hans Hollein eröffnet worden. An der Museum Mall in Washing­ton DC stand der von I. M. Pei entworfene Ostflügel der National Gallery of Art kurz vor der Eröffnung. Und in der Bundesrepublik? Drei Jahrzehnte nach Kriegsende war der Bedarf an Schulen, Dienstgebäuden, Sportstätten, Krankenhäusern und selbst Theatern gestillt. Nach dem Wiederaufbau suchten die Städte Westdeutschlands nach neuen, zugkräftigen Faktoren im bundesweiten Standortwettbewerb. Einige Städte hatten mittlerweile ihre kriegszerstörten Museen, wie die Alte Pinakothek in München, wieder aufgebaut. Andere entschlossen sich für Neubauten. Frankfurt hatte schon

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Liebieghaus Skulpturenmuseum, Schaumainkai 71 (Aufnahme 1976)

Bundespostmuseum, Schaumainkai 49 (Aufnahme 1969)

1972 mit einem Neubau das Historische Museum wieder eröffnet; zahlreiche Kontroversen umgaben die Eröffnungsausstellung,1 die noch lange in der Frankfurter ­Kul­turpolitik nachwirkten, vor allem, wenn es um die ­Priorität der ins Auge gefassten Museumsneubauten ging. Mitt­ler­­weile hatte Hannover das um einiges grö­­­­­­­ßere Spren­gel­­museum fertiggestellt. In Berlin wurde das Kunsthandwerk­museum geplant, und nicht viel später diskutierte man dort über ein Kulturforum. Eine ganze Reihe von Wettbewerben war schon entschieden worden: in München der für die Neue Pinakothek, in Köln für das Wallraf-­Richartz-Museum bzw. Museum Ludwig und in Düsseldorf für die Sammlung Nordrhein-Westfalen. Doch in den Ergebnissen der meisten Architekturkonkurrenzen spiegelte sich der Einfluss einer kaum von Selbstzweifeln geplagten deutschen Architektenschaft wider. Ob Museum, Bürgerhaus oder Gesamtschule – gemeinsam war ihnen die Betontristesse der 1960er-Jahre. Die westdeutsche Museumsszene konnte auf stattliche Erfolge verweisen. Im Vorwort zum Katalog der Dortmunder Architekturausstellung 1979 konstatierte Alfons Biermann, dass 1978 30 Millionen Besucher die 1800 Museen in der Bundesrepublik aufgesucht hätten, vor denen die publikumsträchtigen Freizeitfüller wie Fußballstadien mit 18 Millionen oder die Theater mit 20 Millionen verblassen müssten. Zwar hatte in den ersten Nachkriegsjahrzehnten Frankfurt durch aufsehenerregende Inszenierungen im Schauspiel und an der Oper immer wieder von sich reden gemacht. Auf dem Museumssektor hingegen war es – bis auf den Skandal durch die Eröffnungsausstellung des Historischen Museums 1972 – eher ruhig.

Schließlich waren die meisten Institute noch immer ­damit beschäftigt, die Kriegsverluste auszugleichen, um endlich in den geordneten Museumsalltag übergehen zu können. Der Normalisierungsprozess wurde von einer ­interessanten städtebaulichen Entwicklung begleitet.

Die Museen am Main – Ausweichquartier oder Sehnsuchtsort? Seit weit über 100 Jahren gibt es Museen am Main. Das Städelsche Kunstinstitut erhielt 1878 seinen ersten großen Neubau nach den Plänen Oskar Sommers am Fluss. 1907 zog die „Liebieghaus-Skulpturensammlung“, die aus der Konzentration der in verschiedenen Frankfurter Instituten aufbewahrten Skulpturen hervorgegangen war, in die 1896 in den Formen der Renaissance von Leonhard Romeis entworfene Villa des Industriellen Heinrich von Liebieg ein. Schon 1958 wurde in der 1891 nach den ­Plänen von Franz von Hoven errichteten Villa de Neuf­ville das Bundespostmuseum am Schaumainkai eröffnet. Nach der Kriegszerstörung von 1944 seiner Ausstellungsräume in der Neuen Mainzer Straße domizilierte von 1965 an das 1877 gegründete Museum für Kunsthandwerk in der 1804 errichteten und 1865 aufgestockten Villa Metzler. Seit 1962 residiert das Völkerkundemu­ seum – 1904 im Palais Thurn und Taxis in der großen Eschenheimer Gasse eröffnet und 1943 zerstört – in der neobarocken Villa Andreae aus dem Jahre 1904, nachdem die Planung eines Neubaus am Schaumainkai in den 1960er-Jahren unausgeführt blieb. Und als die Grabungs­ funde der römischen Stadt Nida, in der Gemarkung des

Die Entstehung des Museumsufers

Museum für Kunsthandwerk, ­Schaumainkai 15 (Aufnahme 1963)

heu­tigen Frankfurt-­Heddernheim gelegen, im Museum für Vor- und Frühgeschichte im Deutschordenshaus ausgestellt wurden, half auch hier das bescheidene Raumangebot einen Missstand wenigstens partiell aufzuheben. So war in der Nachkriegszeit die Verdichtung des Main­ ufers mit Museen eher eine zufällige, aus der Not geborene Lösung, als geplant. Ihr Vorteil bestand darin, dass sowohl leer stehende, halbwegs oder ganz zerstörte ­Gebäude, deren Besitzer nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Instandhaltung verfügten, wieder einer Nutzung zugeführt werden konnten, als auch den ausgebombten Kulturinstituten eine provisorische Heimstatt

Museum für Völkerkunde, Schaumainkai 29, Musikmuseum (geplant), Schaumainkai 35, Polizeirevier, Schaumainkai 37 (von links nach rechts, Aufnahme 1976)

gegeben werden konnte. Andererseits war der gravie­­ rende Nachteil nicht zu übersehen, dass Grundriss­ zuschnitte historischer Villen für Ausstellungszwecke ­ungeeig­net waren, und ihre Holzdecken nicht ausgelegt für die vor­geschriebenen Deckenlasten öffentlicher Ge­ bäude. Oft waren sie obendrein noch viel zu klein für die beeindruckenden Bestände der Sammlungen. Bei Vergrößerung oder Umbau lagen die Probleme auf der Hand. Wenn auch teilweise aus der Not geboren, so hatte sich in einem Zeitraum von 100 Jahren wie von selbst am Main ein Museumskontinuum ergeben, das von Zurückhaltung und U ­ nauffälligkeit geprägt ist. Das Sachsenhäuser Ufer war dabei, sich zum „Rive Gauche“ Frankfurts zu entwickeln!

Die Standortdiskussionen der 1960er- und 1970er-Jahre: Museen am Main, im Zentrum oder in den Stadtteilen?

Museum für Vor- und Frühgeschichte, Ausstellung der Grabungsfunde der römischen Stadt Nida im Erdgeschoss des Deutschordenshauses, Brücken­ straße 3–7 (Aufnahme 1977)

Das Mainufer als Museumsstandort war in der kommunalpolitischen Diskussion nicht unumstritten. Schon seit den 1960er- und 1970er-Jahren befasste sich ein kulturpolitischer Arbeitskreis, der sich aus einflussreichen Kommunalpolitikern wie Frolinde Balser oder Charly ­Berkemeier rekrutierte, unter dem Vorsitz von Friedrich Franz von Sackenheim intensiv mit der Standortfrage der Museen in Frankfurt am Main. Als Arbeitstitel tauchte damals schon der äußerst plakative Begriff des Museums­ ufers auf. Wie überall in Europa, so wurde auch in Frankfurt die Diskussion um den angemessenen Standort von Museen kontrovers geführt: Sollten sie ­zentral in die

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Stadt eingebunden werden oder dezentral als Stadtteilmuseen in die städtischen Wohnbezirke integriert werden? Die Auseinandersetzungen, so gegensätzlich sie auch gewesen sein mögen, erwiesen, dass von der Idee eines Ufers voller Museen eine besondere Faszination ausgeht, und man sich baldmöglichst die Umwandlung der Provisorien in vollwertige Institute wünschte. Wenn auch Mitte der 1970er-Jahre keine großen Museumsbauten begonnen wurden, so leitete man noch vor der Kommunalwahl 1977 den Erwerb der Grundstücke in die Wege, welche in den kommenden Jahren Erweiterungsbauten für das Museum für Kunsthandwerk, das Völkerkundemuseum und einen Museumspark ermöglichen würden. Auch im Programm der SPD für die Kommunalwahl war das Museumsufer aufgeführt.

Gab es einen Plan? Landauf, landab zeichnete sich eine neue Gründerzeit des Museumsbaus ab. Da die gröbsten Kriegsschäden mittlerweile behoben waren, geriet die Frontlinie zwischen historisch getreuem Wiederaufbau und modernem Museumsneubau der ersten Nachkriegsjahre in Vergessenheit. Endlich bot der anbrechende Museumsboom Kuratoren und Architekten den Spielraum, welchen die  – wenig ergebnisorientierte – Diskussionswut der 68er und eine Standardisierungswut der Architektur lange verhindert hatte. Mit jedem Neubau und jeder Museums­ neugründung (oder Abspaltung aus einem bestehenden Museum) entfernte man sich weiter vom klassischen Universalmuseum, was zu einer Differenzierung und Präzisierung der museologischen und konservatorischen Anforderungen führte. Allerdings gab es für deren neue Inhalte und Zielsetzungen weder Erfahrungen noch Richtlinien. Der Museumsbau entwickelte sich zu einer neuen Königsdisziplin des Kulturbetriebs und vor allem für die Architektur. Doch wie rüstete sich Frankfurt am Main dafür? Von einem verbindlichen Konzept, wie sich der Magistrat den Ausbau der Frankfurter Museumslandschaft vorstellte, war bislang nicht die Rede. Auf Betreiben der Freien Demokraten wurde ein perspektivischer Entwicklungsplan für die Museen erarbeitet. Doch er wurde nie beschlossen, denn als er 1979 vorlag, waren das Musikmuseum, das Museum für Kunsthandwerk, das Deutsche Filmmuseum, das kombinierte Architektur und Moderne Kunst Museum und die Kunsthalle Schirn längst in einem weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Die neue Stadtregierung hatte nämlich 1977 schnell erkannt, welche Chancen eine aktive Museumspolitik für die Außendarstellung Frankfurts ebenso wie die Umwegrentabilität

der Museumskosten, die aus dem Museumstourismus oder den Vorteilen für das Standortmarketing erwuchsen, bot. Oberbürgermeister, Stadtkämmerer, Kulturdezernent und Baudezernent zogen an einem Strang. Als erfahrener Kommunalpolitiker hielt es Kulturdezernent Hilmar Hoffmann auch für unklug, Gegenspielern allzu früh die eigenen Pläne offenzulegen. Rückblickend sagte er: „Das war natürlich schlitzohrig. Wir haben ein Museum nach dem anderen nach der Salamitaktik gemacht. Wenn wir die Gesamtsumme von vornherein in den Raum gestellt hätten, wäre das nie entstanden.“2 So war jene Zeit davon geprägt, möglichst schnell Fakten zu schaffen.

Die Architekturszene in Frankfurt: Wie sollen wir bauen? Das Hochbauamt hatte 1977 eine neue Organisationsform erhalten. Hans-Joachim Kirchberg wurde stellvertretender Amtsleiter und war nun zuständig für alle kommunalen Neubauten. Er stellte Personal ein, oft Freigeister, die nicht so recht ins Behördenschema passten. Er war nicht nur Architekt und Kunstfreund, sondern auch kunstsinnig. Die damalige Künstleravantgarde der Gruppe Zero ging bei ihm zu Hause ein und aus. Auch zu der kleinen, kreativen Architektenszene in Frankfurt pflegte er gute Kontakte. Im Winter 1977/78 hatte mich Jochen Kirchberg mit Günter Bock, dem Leiter der Architekturklasse an der Städelschule, bei einer Ausstellungseröffnung bekannt gemacht. Bock hatte mitbekommen, dass wir im Hochbauamt die Wettbewerbe für die neuen Museen vorbereiteten. Er plante für 1978 die ARTE TEKTA, ein ­Architektursymposium, und suchte für sein Koopera­ tionsseminar mit der Architectural Association School of Architecture (AA) in London eine Studienaufgabe und außerdem Geld für die Honorare und Reisekosten der Teilnehmer. Wir wiederum hatten Interesse an einem Test­ entwurf für das geplante Museum für Vor- und Frühgeschichte in der Ruine des Karmeliterklosters.  An dem Symposium nahmen dann Peter Cook von der AA, Hans Hollein, Oswald Mathias Ungers und Josef Paul Kleihues teil. Ihr Auftreten auf dem Podium der ARTE TEKTA, die vom 10.–12. Juni 1978 in der Städelschule stattfand, stellte die im öffentlichen Bauwesen gebotene Distanz sicher, doch stärkte sie auch die Gewissheit, dass alle vier, die bisher noch auf kein einziges Museumsprojekt in ihrem Portfolio verweisen konnten, wertvolle Beiträge für den Museumsbau leisten würden.  Die meisten Referenten der ARTE TEKTA haben im Jahr danach am Wettbewerb für das Museum für Vor- und Frühgeschichte teilgenommen. Kleihues gewann den Wettbewerb und hat das ­Museum auch gebaut.

Die Entstehung des Museumsufers

Die Architekturwende: Eckstein für den Erfolg in den 1980er-Jahren

Heinrich Klotz und die Gründung des Deutschen Architekturmuseums

Am 11. Juli 1978 übernahm Hans-Erhard Haverkampf das Baudezernat; eine großartige Chance, eine Architekturwende einzuleiten. Ostern 1979 verbrachten Jochen Kirchberg und ich am Fuße der Athener Akropolis, um in stilvoller Klausur über die Qualität zukünftiger Bauten nachzudenken. Ein halbes Jahrhundert zuvor war das Neue Frankfurt untergegangen. Kirchberg war ein glühender Verehrer des künstlerischen Leiters des Hochbauamts der Ernst May–Ära, Martin Elsässer. In den 1950erJahren hatte er in dessen Münchner Büro gearbeitet. Die Frage war, wie hoch die Latte für die zukünftigen, vom Hochbauamt betreuten Bauten gehängt werden müsste. Wir entwickelten die Idee, architektonische Leitprojekte zu erzeugen. Wir wollten uns das Erfolgsgeheimnis ­erfolgreicher Galeristen zu eigen machen, die nicht die Vielbeschäftigten und Unerschwinglichen sammeln, die längst ihren Zenith überschritten haben, sondern nach neuen, im Aufstieg befindlichen Talenten suchen. Architektur ist zeitgenössische Kunst, und die ist Risikokunst. Nicht ein fertiggestelltes Referenzobjekt sollte Voraussetzung für die Beauftragung eines Architekten sein, sondern dessen Theoriegebäude. Das war riskant. Mögliche Defizite sollten durch die Kompetenz des Hochbauamts ausgeglichen werden. Der Bauboom am Frankfurter Museumsufer begann 1978 unspektakulär. Obwohl gerade das Raumprogramm für den Neubau des Museums für Kunsthandwerk erarbeitet wurde, errichtete man noch ein kleines Werkstattge­ bäude aus Konjunkturförderungsmitteln auf demselben Gelände. Es herrschte Unsicherheit über die Realisierungschancen der Museen. Das allgemeine Unbehagen wuchs, als der designierte Direktor des geplanten Musikinstrumentenmuseums bei seiner Vorstellung im Magistrat durchfiel. Als sich in der ersten Jahreshälfte 1979 die Überlegungen für eine Umwandlung der beiden Wohnhäuser in Museen an der Untermainbrücke konkretisierten, gab sich der Magistrat bescheiden. Noch gingen alle Beteiligten davon aus, ebenso wie bei den anderen Nachkriegsprovisorien, die ehemaligen Wohnungsgrundrisse ohne größere Umbauten in Ausstellungskabinette umnutzen zu können. Kulturdezernent Hilmar Hoffmann hatte seit seinem Amtsantritt im Jahr 1971 mit der Gründung eines Filmmuseums geliebäugelt, zunächst aber nach Berliner ­Vorbild ein Kommunales Kino gegründet. Als sich die ­Realisierungschance für ein Filmmuseum an der Ecke Schweizer Straße/Schaumainkai bot, wurde Walter Schobert, der Leiter des Kommunalen Kinos im Historischen Museum, mit dessen Aufbau betraut.

Im Frühjahr 1978 wirbelte Heinrich Klotz, zu diesem Zeitpunkt ordentlicher Professor am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Marburg, auf der Suche nach Sympathisanten für die Gründung eines Architekturmuseums durch Frankfurt. Bei den Dortmunder Architekturtagen hatte ich den Marburger Kunstgeschichtsprofessor schon einmal gehört, bei den Frankfurter Architekten, die häufig ihre Ausbildung an der TU Darmstadt genossen hatten, war er weitgehend unbekannt. An einem sonnigen Frühjahrstag des Jahres 1979 traf ich mich mit ihm, mittlerweile in der Funktion des Gründungsdirektors des Deutschen Architekturmuseums im Doppelhaus Schaumainkai 43 in Sachsenhausen, einem möglichen Standort für das Museum. Das Haus machte besenrein einen ordentlichen Eindruck. Das Haus gefiel ihm auch, weil eine ­Doppelwand beide Haushälften trennte. Dies schien ihm für ein hybrid zu nutzendes Architekturmuseum und ­Museum für Moderne Kunst besonders vorteilhaft. Damals gingen wir noch davon aus, dass man nicht in die Statik des 1912 von Geldermann errichteten Gebäudes eingreifen müsste. Was den Architekten betraf, gab es nur einen, dem wir das zutrauten: Hans Hollein! Der brillierte damals in allen Architektenblättern mit seinem Verkehrsbüro im 4. Bezirk in Wien. Wir waren uns mit Klotz einig, und alle machten mit. Aber dazu ist es nicht gekommen. An einem Montagmorgen rief Hollein an und sagte mit der Begründung ab, dass Ungers mit ihm gesprochen habe. „Bleib aus meinem Vorgarten“, soll er gesagt haben. In Frankfurt handele es sich um das Deutsche Architekturmuseum, und das müsse ein deutscher Architekt planen. Das klang natürlich sehr hart, und wir haben überlegt, ob wir dies Ungers nicht übel nehmen sollten. Das für das Deutsche Filmmuseum vorgesehene Nebengebäude wollte Hollein sich hingegen schon anschauen. Ungers war ohnehin auf unserer Agenda, denn wir hatten ihn im Jahr zuvor als Juror für den Studentenwettbewerb für das Museum für Vor- und Frühgeschichte eingesetzt. Wir haben dann Kontakt mit Ungers aufgenommen, und es kam im Oktober 1979 zu einem Gespräch mit ihm über seine Ideen für den Umbau der Villa Schaumainkai 43. (s. S. 38–41) Ein paar Wochen später fand mit Hollein die Besichtigung des Gebäudes für das zukünftige Deutsche Filmmuseum statt. Das Eckhaus war verwahrlost, Tauben nisteten dort und überall lag Müll herum. Hollein meinte, ohne Total­ entkernung sei das Gebäude als Museum unbrauchbar, womit er im Nachhinein Recht behielt. Er rümpfte die Nase, wieder sagte er ab, aber bat darum, beim nächsten Museumswettbewerb eingeladen zu werden. Wir haben

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Deutsches Filmmuseum, Schaumainkai 41, Baustelle 1981

Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43a, Haus im Haus, Modellfoto

dann Helge Bofinger, der sich mit dem Buch „Junge Archi­ tekten in Europa“3 qualifiziert hatte, mit den Planungen für das Filmmuseum beauftragt. Bei den ersten Überlegungen zu den benachbarten Häusern war man noch vom Erhalt der Bausubstanz ausgegangen. Je intensiver man sich mit der Aufgabenstellung befasste, umso deutlicher wurde, dass es mit kosmetischen Maßnahmen nicht getan sein würde. Man entwickelte Vorwärtsstrategien und Rückfalloptionen für alle Eventualitäten. Am Ende wurden die beiden Altbauten entkernt, um zwei vollwertige Spartenmuseen in denkmalgeschützten Wohnbauhüllen errichten zu können. Dies ist auch der Grund für die nahezu identischen Entwurfsansätze beider Museumsprojekte. Beide Architek-

Deutsches Filmmuseum und Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 41, 43a, Baustelle 1981

ten variierten das „neues Haus im alten Gehäuse-Konzept“. Helge Bofinger setzte gegen alle Widerstände im Gebäudeinneren eine äußerst komplizierte Geometrie durch. Er verspielte sich nicht nur alle Sympathien bei den Beteiligten, sondern auch die Nutzungsflexibilität blieb auf der Strecke. Kein Wunder, dass nach einigen Direktorenwechseln das Innere des Deutschen Filmmuseums 2011 bei laufendem Betrieb von den Architekten Blocher Partners umgebaut wurde. Hartnäckig und flexibel zugleich lotete Heinrich Klotz, seit 1979 der Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums, die finanzielle Schmerzgrenze der Politik bei seinem Frankfurter Projekt aus. Es begann bei 3.5 Millionen DM und endete schließlich bei dem Vierfachen. Anfänglich war von einem kaum veränderten Altbau mit hybrider Nutzung durch das Deutsche Architekturmuseum (DAM) und das Museum für Moderne Kunst die Rede, und am Ende gab es getrennte Häuser. Doch nicht genug, mit der – eigentlich unzulässigen – vollständigen Überbauung des Grundstücks wurde auch noch das Baurecht auf die Probe gestellt; es bestand die Sorge, dass dies einen Präzedenzfall für Sachsenhausen schaffen würde. So musste zunächst die Bauaufsicht überzeugt werden. Auch dies gelang! Ungers entwarf für das DAM drei große Alternativen mit zahllosen Varianten. Ihre Meisterleistung vollbrachten Klotz und Ungers im Dezember 1980, als die endgültige Magistratsvorlage für das DAM beschlossen werden sollte. Da hängten die beiden plötzlich einen völlig anderen Entwurf an die Wand, von dem sie behaupteten, er sei noch viel besser. Und als ­Ungers ­diesen mit der Matrjoschka, der Puppe in der ­Puppe, er-

Die Entstehung des Museumsufers

klärte, erhielten sie von den Stadtverordneten auch noch brausenden Beifall. Wie gelang Klotz ein derartiges Bubenstück? Warum überhaupt dieser Auftritt? Klotz hatte sich bis zuletzt um die Realisierung Sorgen gemacht. Doch jetzt, nach den großen Wettbewerbserfolgen des Jahres 1980, dem Dom-Römerberg-Bereich und dem Museum für Kunsthandwerk, und deren positive Resonanz in der Öffentlichkeit und in der Kommunalpolitik, war er sich sicher und nutzte diesen Rückenwind für eine letzte Planänderung, um mit einem genialen Theoriegerüst das Deutsche Architekturmuseum in die Liste der großen Museumsprojekte einzureihen, obwohl die Bauaufgabe vergleichsweise klein war, und das Projekt größeren Beschränkungen unterlag als die übrigen. Klotz war eine Ausnahmeerscheinung, dem es in kür­zes­ ter Zeit gelang, sich bei den Mächtigen Gehör zu ver­ schaf­f en. Er lobte die Anwesenden und tadelte die Abwe­ senden, fraternisierte und polterte. Als Stratege war er wendig, doch behielt er immer sein Ziel im Auge. Er war eine Persönlichkeit, wie sie Politiker lieben, weil er sie davon überzeugte, er könne ihnen die großen Blöcke aus den Steinbrüchen schleppen. Von seinen Kollegen beneidet, von den einen Architekten umgarnt, von den anderen bekriegt. Ein Kämpfer, der Andersdenkenden zu vorgerückter Stunde schon einmal Prügel androhen konnte. Meist war er erfolgreich. Doch musste er auch Niederlagen einstecken, wenn der Baufortschritt seine – architektonisch nicht geschulte – Vorstellungskraft überholte, oder wenn er Architekten vorschnell Zusagen machte, die er nicht einhalten konnte. Als Anreger, Unterstützer und Multiplikator war er jedoch unersetzlich.

Museum Angewandte Kunst Nach den Direktaufträgen an Helge Bofinger für das Deutsche Filmmuseum und Oswald Mathias Ungers für das Deutsche Architekturmuseum kam dann der Praxistest der neuen Ziele unter Wettbewerbsbedingungen. Das spätere Museum für Angewandte Kunst (zunächst Museum für Kunsthandwerk, seit 2013 Museum Angewandte Kunst) war nach dem Verlust seiner Räume 1944 in der Stadtmitte seit 1965 in der Villa Metzler provisorisch untergebracht. Nach dem Völkerkundemuseum, welches 1962 als viertes Museum am Main seine Heimstatt gefunden hatte, war dies nun das fünfte Museum am Sachsenhäuser Ufer. Mit seiner Sammlung europäischer, islamischer und ostasiatischer Kunst, Buch- und Schriftkunst bot es den Rahmen für einen in vielerlei Hinsicht anspruchsvollen Wettbewerb. Zuerst konservatorisch: Anneliese Ohm, die Direktorin, forderte für die Objekte, zumeist Antiquitäten, von der Seite einfallendes

Wettbewerb Museum für Kunsthandwerk, Rückfragenkolloquium 9. November 1979 Hans Hollein, Ante Josip von Kostelac, Gunter Standke, Richard Meier, Dolmetscherin, Denise Scott-Brown, Robert Venturi, Jochen Kirchberg (von links nach rechts)

Tageslicht. Dann städtebaulich: Die Traufhöhe der benachbarten Gründerzeitvillen sollte unbedingt eingehalten werden. Schließlich denkmalpflegerisch: Mit der klassizistischen Villa Metzler musste rücksichtvoll umgegangen werden. Auch terminlich: Bezeichnend für die Ära Haverkampf, dem damals kaum vierzigjährigen Baudezernenten, wurde der Wettbewerb ohne Magistratsbeschluss begonnen, denn mit den Bauarbeiten für das Museum sollte noch vor der nächsten Kommunalwahl angefangen werden. Und last but not least: Mit der Zu­ ladung von Richard Meier und Robert Venturi/Denise Scott-Brown aus USA, dazu aus Österreich Hans Hollein und der Aufnahme des Kunsthistorikers Heinrich Klotz in die Riege der Fachpreisrichter wollten wir von der üblichen Routine abweichen. Bislang hatte noch kein öffentlicher Bauherr in Deutschland Architekten aus Übersee zu einem Wettbewerb eingeladen. War es schon schwierig, den im Gegensatz zu Robert Venturi in Deutschland damals weitgehend unbekannten Richard Meier auf die Short List der Wettbewerbsteilnehmer zu bringen, so kam es bei der Jurysitzung zu einem Eklat. Klotz hatte Venturi offensichtlich Zusagen gemacht, verteidigte dessen Entwurf vehement, Haverkampf hielt dagegen und Kleihues als Vorsitzender parierte geschickt. Am Ende einigte sich die Jury auf einen einmütigen Ersten Preis für Richard Meier und zwei Zweite Preise für Venturi/Scott-Brown und Hans Hollein. Meier wurde umgehend mit der Umsetzung seines Wettbewerbsentwurfs beauftragt. Ein einziges Mal mussten wir eingreifen, als Meier zu unserer Überraschung ein Kernthema seines Entwurfs, die aus dem Straßenknick vor der Villa Metzler abgeleitete Über-

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Museum für Kunsthandwerk, erster Spatenstich 1. März 1982 Stadtverordnetenvorsteher Hans-Jürgen Hellwig, Baudezernent Hans-Erhard Haverkampf, Ober­ bürgermeister Walter Wallmann, Architekt Richard Meier, Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, Museumsdirektorin Anneliese Ohm (von links nach rechts)

Museum für Kunsthandwerk, Einweihung 25. April 1985 Bundespräsident Richard von Weizäcker, Ober­ bürgermeister Walter Wallmann, Museumsdirektorin Anneliese Ohm (von links nach rechts)

gen angestellt hatte. Die relevanten Stadträume beiderseits des Mains einschließlich der Verkehrsfragen waren im Speer-Plan in eine umfassende städtebauliche Konzeption einbezogen worden. Da aber der Speer-Plan auch als Teil des Vorwahlkampfs für 1981 von Oberbürgermeister Walter Wallmann persönlich veranlasst worden war, ließ er sich nicht einfach ignorieren. Die durchaus legitime Absicht war, das jetzt Gestalt annehmende Museumsuferkonzept nicht allein den sozialdemokratischen Dezernenten Haverkampf und Hoffmann zuzuordnen. Jetzt wurde das Museumsufer in Museumspark umbenannt, und um den Begriff zu untermauern, wollte man das geplante Museum für Moderne Kunst auf die Frankfurter Seite (also gegenüber von Sachsenhausen) an die Hofstraße verlegen. Besonderes Aufsehen erregte der Vorschlag Speers, den preisgekrönten Entwurf von Richard Meier um ein Viertel zu reduzieren. Vom Landeskonservator Gottfried Kiesow kam zudem ein Einspruch gegen die Verbindungsbrücke zwischen dem Neubau und der denkmalgeschützten Villa Metzler. Ob Richard Meier wirklich umgeplant hätte, ist fraglich. Auch hatten wir Schwierigkeiten, Meier davon abzuhalten, in New York an die Öffentlichkeit zu gehen. Am Ende konnte Haverkampf den Landesdenkmalrat überzeugen, sich über die Vorbehalte des Landeskonservators hinwegzusetzen, und Hoffmann stimmte den hessischen Kultusminister Krollmann um, der das letzte Wort gehabt hätte. Albert Speer hat später zugegeben, dass es ein Fehler gewesen war, in den Meier-Entwurf einzugreifen, und hat sich mit Meier ausgesprochen. Der Konflikt hätte das Zeug dazu gehabt, den Siegeslauf des Museumsufers abrupt enden zu lassen, doch so ist es nicht gekommen. Oberbürgermeister Wallmann gab am 1.  März 1982 mit dem ersten Spatenstich den Startschuss für die Bauarbeiten, und am 25. April 1985 wurde das Museum für Kunst­ handwerk von Bundespräsident Richard von Weizäcker eröffnet.

Dom-Römerberg-Bebauung 1980 lagerung zweier Gebäuderaster um 3,5 Grad aufgeben wollte. Für unsere Unnachgiebigkeit war er uns später dankbar. Auf die Begeisterung folgte bald die Ernüchterung. Beiläufig teilte das Stadtplanungsamt mit, das Büro Speerplan GmbH müsse einen Auftrag zur Analyse der Raumprogramme erhalten. Man sollte sich aber keine Sorgen machen. Was harmlos klang, war folgenreich. Der SpeerPlan problematisierte alle Museen neu, zu denen das Hochbauamt schon Standort- und Grundlagenermittlun-

Die Entwicklung der 1944 in Schutt und Asche gelegten Altstadt ist wechselvoll, blieb jedoch zunächst folgenlos für den Dom-Römerberg-Bereich. Zuerst nutzten die Verkehrsplaner mit einem Hauptstraßenwettbewerb im Jahr 1947 ihre Chancen. Der Generalfluchtlinienplan von 1948 ordnete für das gesamte Gebiet der Innenstadt die Bauund Verkehrsflächen. Drei weitere Wettbewerbe folgten. 1963 sollte die Auslobung eines internationalen Ideenwettbewerbs mit dem Motto „Frankfurt und die Welt“ eine Lösung bringen. Als 1969 die Stadtverordnetenversammlung den Bau des Technischen Rathauses samt

Die Entstehung des Museumsufers

einer Tiefgarage vom Dom bis zum Römer beschloss, ließ das verwirklichte Projekt seine Verwandtschaft mit der Wettbewerbsarbeit von Bartsch Thürwächter Weber von 1962–1963 nur noch entfernt erahnen. Nach dessen Fertigstellung im Jahr 1972 blieb der übrige Bereich dann bis 1980 wieder liegen. Mit dem Amtsantritt von Walter Wallmann 1977 stand das Gebiet Dom-Römerberg wieder im politischen Rampenlicht. Umgehend wurde eine Projektgruppe eingerichtet, der auch der Baudezernent Haverkampf angehörte. Dieser war omnipräsent und entscheidungsfreudig. Dem Raumprogramm waren Testentwürfe vorausgegangen. Dabei galt die Rekonstruktion der historischen Fachwerkhäuser an der Ostseite des Römerbergs als politisch unverrückbar, gleichwohl konnten die Wettbewerbs­ teilnehmer eine zeitgenössische Alternative vorschlagen. Großen Einfluss auf die „konservative“ Position der Stadtverordneten hatte seinerzeit der in Baufragen sehr engagierte FAZ-Journalist Wilfried Ehrlich. Unter dem Vorsitz von Max Bächer, dem Doyen des deutschen Wettbewerbswesens, tagten ab dem 17. Juni 1980 dreizehn Fachpreisrichter und drei Stellvertreter, die das gesamte Spektrum der bundesrepublikanischen Architektur der letzten Jahrzehnte abbildeten. Hinzu kamen zwölf Sachpreisrichter und sieben Stellvertreter. Das Preisgericht dauerte vier ganze Tage. Wahrscheinlich hat es bis zu den großen Wettbewerben in den 1990er-Jahren nach der Wende in Berlin keine Jury gegeben, die sich mit einem städtebaulichen Thema intensiver befasst hätte. Der Oberbürgermeister bekannte anschließend öffentlich, er habe bei diesem Wettbewerb viel dazugelernt. Im Vorwort der Wettbewerbsdokumentation schrieb er: „Denn dieser Wettbewerb soll nicht wieder nur ein Wettbewerb bleiben ohne Folgen, ein interessanter Diskussionspunkt nur für Insider. Zu wünschen wäre den Arbeiten eine breite und kritische Aufnahme durch die Frankfurter Bürger und dann aber auch ein baldiger Beschluss für den Aufbau, denn auch eine zukünftige Generation Frank­ furter würde wieder aus den Maßstäben ihrer Zeit schöpfen und kontroverse Auffassungen zum Römer formulieren“4  – Äußerungen, die Wallmanns kommunalpolitische Erfahrung und Weitblick belegen. Im Januar 1981, nur ein halbes Jahr nach dem Wettbewerbsentscheid, wurde mit dem Bau begonnen, und mit der Schirn Kunsthalle im Frühjahr 1986 wurde der letzte Bauabschnitt fertiggestellt. Doch kaum eine Generation später machte man sich wieder Gedanken um die Bebauung des Römerbergs. Mit dem Abbruch des Technischen Rathauses im Jahr 2012 hatte sich der Stadtraum zwischen Braubachstraße und Schirn, den Annexbauten der Römerberg-Ostzeile

Wettbewerb Dom-Römerberg-Bebauung 1980, Preisgerichtssitzung 17. Juni 1980 Heinrich Klotz (1. v. l.), Max Bächer (2. v. l.), Personaldezernent Wolfram Brück, (1. v. r.), Amtsleiter Hochbauamt Günter Rotermund, (2. v. r.), Stadtverordnete Mette Mumm von Schwarzenstein (3. v. r.), Alois Giefer (4. v. r.), Oberbürgermeister Walter Wallmann (5. v. r.)

und dem Kaiserdom völlig verändert. Neue Überlegungen mussten angestellt werden. Wieder wurde ein Wettbewerb durchgeführt und schließlich 2018 die Neue Altstadt eingeweiht. Rückblickend hat die Jury im Jahr 1980 gerade mit dem erstprämierten Entwurf von Bangert, Jansen, Scholz und Schultes nicht nur klug, sondern weitsichtig entschieden. Klug, denn sie schreibt in der Wettbewerbsbeurteilung: „Der Verfasser macht nicht den Versuch, sich durch eine einheitliche Bebauung in die Umgebung anzupassen, sondern stellt im Entwurf selbst den Widerspruch und die Unterschiedlichkeit, die in der Rand­bebauung vor­ gegeben ist, dar. Dieses dialektisch zu nennende Prinzip ist der wesentliche Beitrag zur städtebaulichen Lösung.“5 In der Tat ließ sich die neue Altstadtbebauung der 2000er-­ Jahre, sieht man von der Überbauung des „Historischen Gartens“ und dem Abriss des „Tischs“ vor der Schirn ab (siehe S. 64–65), die beide integrale und wesentliche Bestandteile des preisgekrönten Entwurfs von BJSS waren, nahezu problemlos einbinden. Sie war auch weitsichtig genug angelegt, den Raum zu schaffen für die von Wallmann prognostizierte „kontroverse Diskussionen kommender Generationen”.6

Archäologisches Museum Frankfurt 1977 war das Archäologische Museum Frankfurt, damals hieß es noch Museum für Vor- und Frühgeschichte, ein „Museum der ersten Stunde”, denn vieles, was bei ande-

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Karmeliterkloster, Ausschnitt aus Matthäus Merians Vogelschauplan von 1628

Karmeliterklosterareal, Vogelschau von Nordwesten, 1975

ren Museumsprojekten noch ungeklärt war, lag hier schon vor. So konnte es seinen Flächenbedarf überzeugend belegen, denn es bestand eine umfangreiche Samm­lung Zeugnisse frühester menschlicher Kultur im Frankfurter Stadtgebiet. Außerdem gab es mit der Ruine der Karmeliterkirche des Karmeliterklosters einen attraktiven Ort. Noch heute ist das Karmeliterkloster einer der wenigen erkennbaren Festpunkte des mittelalterlichen Stadtareals. Schon in den 1950er-Jahren war das Kloster für Stadtarchiv und Bundesarchiv wiederaufgebaut worden. Lange Jahre traf sich Frankfurts Bohème in „Tonis Keller” oder in der „Schmiere“, dem „Schlechtesten ­Thea­ter der Welt” nebenan; darüber die klösterliche S ­ tille im Kreuzgang, wo die Fresken Jörg Ratgebs aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Heilsgeschichte verkünden. Durch eine kleine Türe gelangte man in die benachbarte Karmeliterkirche im Süden. Bis zum Ende der 1970er-Jahre war sie das einzige zerstörte, aber rekonstruierbare mittelalterliche Bauwerk im Stadtgebiet von Frankfurt. Auf Grund seiner eigenen Geschichte war das im 19. Jahrhundert profanierte Areal für ein archäologisches Museum wie geschaffen. Ein Vierteljahr nach dem Wettbewerbsentscheid für den Dom-Römerberg wurde auch dieser Wettbewerb mit dem Preisträger Josef Paul ­Kleihues noch 1980 entschieden. Kleihues hatte zur selben Zeit die Position des Geschäftsführers der Neubau IBA in Berlin übernommen. Außenstehende haben in den folgenden Jahren eine Konkurrenzsituation zwischen dem Frankfurter Museumsufer und der Berliner IBA gesehen, vor allem, als die IBA das ursprünglich vorgese­ hene Ziel der Fertigstellung 1984 verfehlte, um danach

die Parole IBA 84/87 auszugeben. Doch zwischen Kleihues und uns ging es entspannt und freundschaftlich zu. Für die Architekturszene Frankfurts war Kleihues eine Bereicherung. Nach Abschluss der umfangreichen archäologischen Grabungen im Kirchenschiff wurde mit dem Bau begonnen, der am 28. Juni 1989 von Oberbürgermeister Volker Hauff eingeweiht wurde.

MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt Sehr früh, noch in der Phase erster konzeptioneller Überlegungen des Museumsufers nach 1977, wurde über die Gründung eines Museums für Moderne Kunst nachgedacht. Dann hat es volle dreizehn Jahre gedauert, bis ein Museum für die zeitgenössische Kunst in Frankfurt am Main eröffnet werden konnte. Eine Zeit, die von Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Neugründung begleitet wurde, denn viele wollten nicht begreifen, dass neben der Gegenwartskunst im ­Städel noch ein anderes Institut zeitgenössische Kunst sammeln sollte. Vorbehalte, die erst spät langsam abgebaut werden konnten. Im Dezember 1980 beschloss der Magistrat dann die räumliche Trennung der beiden ursprünglich gemeinsam unterzubringenden Institute für die Architektur und die Moderne Kunst. Das Architek­ turmuseum erhielt den Gründerzeitbau am Schaumain-­ kai 43. Gleichzeitig begann eine intensive Suche nach einem geeigneten Grundstück für das Museum für Moderne Kunst. Am östlichen Ende der Braubachstraße gab es noch eine Kriegsbrache. Fünf Jahre nach Gründung kam es schließlich zu einem Architek­ten­wett­bewerb für einen Neubau auf diesem Grundstück.

Die Entstehung des Museumsufers

Fischbratstube auf dem Trümmergrundstück Domstraße Ecke Braubachstraße um 1970, dem späteren Standort des Museums für Moderne Kunst

Hans Hollein, Zeichnung ­„Salute/Dogana“, Inspirationen aus dem Stadtbild Venedigs für den Wettbewerbentwurf für das Museum für Moderne Kunst, Santa Maria della Salute und Punta della Dogana

Hans Hollein, erste Entwurfs­ skizze für das Museum für Moderne Kunst

Gute Miene zum bösen Spiel: Jean-Christophe Ammann, Direktor des Museums für Moderne Kunst und Architekt Hans Hollein bei der Durchsprache eines kontroversen Artikels im Kunstmagazin „Rogue“

Hans Hollein, Entwurfsskizze für die Eingangshalle des Museums für Moderne Kunst

Hans Hollein, Entwurfsskizze für den Gebäudespitz am Museum für Moderne Kunst

Schon seit den 1960er-Jahren befasste sich Peter Iden, der spätere Gründungsdirektor, mit dem Thema eines Museums für zeitgenössische Kunst in Frankfurt. Als sich der Bauplatz dann konkretisierte und das Raumprogramm erarbeitet werden konnte, hatte er sehr präzise Vorstellungen: von den räumlichen Konditionen, wie man die Arbeiten erfahrbar machen sollte, vom Zuschnitt und Größe, ja selbst von der Belichtung. Auch historisch jüngere Darstellungsformen wollte er ermöglichen. 1983

konnte Hans Hollein den Architekturwettberb für sich entscheiden und bereicherte ab da die Diskussion; für das Vorhaben ein großer Gewinn. Hollein, selbst Architekt und Künstler, war damals mit zahlreichen Künstlern des Sammlungsbestands bestens vertraut oder hatte mit ­ihnen zusammengearbeitet. In Mönchengladbach hatte er im Jahr zuvor ein Museum mit gleicher Zielsetzung und Größe fertiggestellt. So verlief die Zusammenarbeit harmonisch, in ruhigen Bahnen, Konsens bestimmte die

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Zusammenarbeit. Zusätzliche Autorität verlieh ihm die Verleihung des Pritzker-Preises. Im Jahr zuvor war auch Richard Meier mit der renommiertesten Auszeichnung der Architektenwelt geehrt worden, wodurch sich Hollein zu absoluten Höchstleistungen herausgefordert sah. Doch 1987, noch bevor der Ausbau des Museums begann, trat Jean-Christophe Ammann, von der Kunsthalle in ­Basel kommend, die Direktorenstelle an. Mit Harald Szeemann zusammen hatte er 1972 die Documenta 5 in Kassel geleitet. Als Ammann mit Frankfurt verhandelte, hatten Iden und Hollein längst die wesentlichen Pflöcke eingerammt. Ammann hatte andere Vorstellungen von einem Museum für zeitgenössische Kunst; eine Industriehalle wäre ihm lieber gewesen. Ammann brach mit dem ­Konsens. Er stritt mit Hollein heftig nicht nur um einen Fensterschlitz, der den Beuys-Raum belichten sollte – Eva Beuys, die Witwe von Joseph Beuys, wurde dazu um ihre Meinung befragt – auch anstatt des noblen Clau­ zetto-­Kalkstein musste nun schnödes Parkett in den Ausstellungsräumen verlegt werden. Die Zusammentreffen von Hollein und Ammann gestalteten sich frostig; meist fiel mir die Rolle des ausgleichenden Mediatoren zu. Auch nach außen machte Ammann keinen Hehl aus seiner ­Meinung: So überschrieb er seinen Beitrag in der Festschrift: „Auf daß die Architektur die Kunst nicht bedränge und die Kunst sich nicht gegen die Architektur wehren müsse.“7 Und wie zum Trotz ließ Ammann noch vor der Museumseinweihung am 7. Juni 1991 durch den Oberbürgermeister Andreas von Schoeler zwei Wände des zentralen Treppenhauses von Günther Förg in kräftigem Grün/ Orange und Blau/Rot streichen. Hollein war außer sich! Später hat Ammann mit dem Bau Frieden geschlossen, und heute, fast dreißig Jahre danach, haben Ammanns Nachfolger das Haus längst schätzen gelernt. Ammann trat seine Stelle zu einer Zeit an, als allen städtischen Museen in Frankfurt die Ankaufsetats gestrichen wurden; eine Tatsache, an der sich bis heute nicht viel geändert hat. Aus der Not geboren, entwickelte er das Konzept der Szenenwechsel, mit dem er nacheinander in zwanzig veränderten Konfigurationen seine Sammlung präsentierte. Dabei lautete der Auftrag doch, die Kunst der Gegenwart abzubilden. Öffentliche Museen sind auf dem Kunstmarkt chancenlos, so führt an einer Zusammenarbeit mit Künstlern kein Weg vorbei. Im Lauf der Jahre hat sich das Museum für Moderne Kunst (heute MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt) mit Erfolg zu einer Produktionsstätte für Gegenwartskunst entwickelt. Mit dem Erfolg wuchs der Bedarf an zusätzlichen Ausstellungsflächen. 2007 kam das Zollamt MMK in ­direkter Nähe des Hauptgebäudes hinzu, und 2014 das Tower MMK in einem Hochhaus an der Taunus­anlage.

Museum für Kommunikation Frankfurt Am 31. Januar 1958, achtzig Jahre nach der Übersiedlung des Städelschen Kunstinstituts an den Main, wurde das Bundespostmuseum (seit 1995 Museum für Kommunikation Frankfurt) in der Villa de Neufville am Frankfurter Schaumainkai feierlich eröffnet. Die 1906 gegründete Städtische Galerie im Liebieghaus war nur einen Steinwurf entfernt. Jetzt waren es schon drei Museen in Sicht­weite am Main: Museumsufer ante portas! Den Grundstock für das Bundespostmuseum lieferte das 1872 gegründete Reichspostministerium in Berlin. Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser nach Thüringen geschafft, danach nach Hessen verbracht und seit 1951 ­lagerte er in Frankfurt. Zusammen mit seinen Schwester­ museen in Berlin und Nürnberg gehört das Museum

Bundespostmuseum, Fotomontage des Wettbewerbsbeitrags von Günter Behnisch, 1983

Bundespostmuseum, Baustelle 1989

Die Entstehung des Museumsufers

seit 1995 zur Museumsstiftung Post und Telekommu­ nikation. Der Entwurf war 1983 aus einem offenen Wettbewerb hervorgegangen. Die Entscheidung für den Entwurf für das Museum für Moderne Kunst von Hans Hollein lag erst wenige Monate zurück. Damals, in der Blütezeit der Postmoderne, standen sich die Fronten der sogenannten ­Berliner„Nordschiene” mit Oswald Mathias Ungers, Josef Paul Kleihues im Verbund mit dem Ausländern Hans ­Hollein, James Stirling und Richard Meier, denen Heinrich Klotz einen theoretischen Überbau beisteuerte, und der „Südschiene”, mit erfolgsverwöhnten Wettbewerbsarchitekten wie Roland Ostertag, Hans Kammerer und ­Walter Belz aus dem Großraum Stuttgart völlig unversöhnlich gegenüber. Selten wurde in der Zeit davor und danach in der Bundesrepublik über den richtigen Weg der Architektur so heftig gerungen. Zwischen allen Fronten der streitbare Günter Behnisch, der sein Fähnlein einer demokratischen Architektur hochhielt. Bei der Eröffnung des Deutschen Postmuseums am 28. September 1990 gab es einhelliges Lob; Günter Behnisch war überrascht. War er nicht wegen des Hy­solarInstituts und des Kindergartens Luginsland in Stuttgart zuvor auf heftigen Widerstand gestoßen? Kritisierten ihn nicht wenige wegen seiner angeblich zügellosen Form­ experimente? Was war geschehen? Bei diesem Bau gab es Festlegungen über Festlegungen! Zunächst die Denkmalpflege: Der Charakter des Sachsenhäuser Mainufers sollte erhalten bleiben. Das Raumprogramm: viel zu groß für das Grundstück. Und schließlich der Naturschutz: Die Bäume durften nicht gefällt werden. Die Voraussetzungen waren schwierig, und der Spielraum war gering; eine Situation, die Behnisch überhaupt nicht schätzte, denn eigentlich wollte er nicht Zwänge zurückweisen, sondern auflösen und so Freiraum schaffen. Als das Museum dann fertig war, wurde er gefeiert wie der verlorene Sohn, der zum Mainstream der Architektur zurückgekehrt ist. Und darüber hat Günter Behnisch am Ende lange nachgedacht: Es mag schon sein, sagte er bei der Eröffnung, dass das Gewohnte, selbst wenn es weitergeschrieben wird, leichter akzeptiert wird.

Liebieghaus Skulpturensammlung Am 4. Mai 1990, dem letzten Amtstag von Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, fand die Baugeschichte des Liebieghauses – Museum alter Plastik Frankfurt am Main (heute Liebieghaus Skulpturensammlung) mit der Eröffnung des Galerieflügels ihren Abschluss. Mangels Mittel konnte dieser vor dem Ersten Weltkrieg nur zur Hälfte realisiert werden, war als Torso liegen geblieben und

Die Veranstaltung „Frankfurter Architektursommer ‘90“ stellte die bis dahin erbauten Museen der Öffentlichkeit vor.

wurde erst achtzig Jahre später vollendet. Die lange ­Pause lässt sich am Stil der Ergänzung durchaus erkennen. Obwohl der neue Westflügel im Geist des klassischen Museumsbaus sorgsam entworfen wurde, erscheint er doch nicht als Kopie. Trotzdem mag sich mancher Besucher des Liebieghauses fragen, was denn nun von den Architekten Scheffler & Warschauer neu hinzugefügt worden sei, und ob es diese Idylle nicht schon immer gegeben hätte. Vermutlich hat sich damals niemand darüber Gedanken gemacht, ob dieser Tag als der Höhepunkt oder das Ende der „Belle Époque” am Main, wie Heinrich Klotz die vorangegangenen Jahre einmal nannte, in die Stadtgeschichte eingehen würde. Ein Höhepunkt insofern, als im selben Jahr mit dem Ikonenmuseum, dem Erweiterungsbau für die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut und dem Postmuseum noch drei weitere Institute eröffnet wurden, und mit der Fertigstellung des Holbeinstegs das Sachsenhäuser Ufer noch enger mit der Innenstadt verbunden wurde. Voller Optimismus veranstalteten wir ein Begleitprogramm mit Vorträgen und Ausstellungen und gaben dem Event einen Namen: „Frankfurter Architektursommer 1990“. Oder war dieser Sommer doch eher das Ende? Hilmar Hoffmann war das einzige Magistratsmitglied, welches das Geschehen am Museumsufer über zwanzig Jahre begleitete, und das letzte aus den Anfängen um 1970, der „neuen Gründerzeit“.

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„Das Museumsuferquartett“ Hans-Erhard Haverkampf (1. v. r.), Ernst Gerhardt (2. v. r.), Hilmar Hoffmann (4. v. r.), Walter Wallmann (7. v. r.)

„Bauen für Frankfurt 1978–1984“, Ausstellung Airport Gallery Jochen Kirchberg (1. v. l.), Hans-Erhard Haverkampf (2. v. l.), Fred Voigt (3. v. l.), Roland Burgard (4. v. l.)

Das Geheimnis des Erfolgs Hoffmann hat stets darauf hingewiesen, wie wichtig das „Museumsuferquartett“, bestehend aus ihm selbst ­zusammen mit Oberbürgermeister Walter Wallmann, Stadt­kämmerer Ernst Gerhardt und dem Baudezernenten Hans-Erhard Haverkampf, für den Erfolg des Museums­ ufers gewesen ist. Wallmann besaß in der CDU unein­ geschränkte Autorität, Gerhardt stellte bereitwillig ­Haushaltsmittel zur Verfügung und Haverkampf besaß Phan­tasie und Mut, um Projekte auf „Druckknopf“ umzusetzen. Als Baustadtrat war Haverkampf ein Glücksfall. In kürzester Zeit erwarb er sich Ansehen und Respekt, leitete seinen Ämtern eine unglaubliche Fülle interessan-

ter Bauaufgaben zu und gab ihnen, wenn nötig, Flankenschutz. Er stützte sich auf eine über die Jahre gewachsene Infrastruktur; das Hochbauamt übernahm die Projektleitung, diverse freischaffende Architekten die Planung und die Frankfurter Aufbau AG mit Friedrich Schmitt, Erwin Gehlen und Ludger Inholte die Bauleitung. Allein im Kommunalen Hochbau waren bis 1984 Neubauten mit einer Gesamtsumme von nahezu einer Milliarde DM im Bau oder schon fertiggestellt worden, wovon die Kulturbauten nahezu ein Drittel für sich beanspruchten. Dem Hochbauamt bot diese rege Bautätigkeit die Chance, sich mit der Ausstellung „Bauen für Frankfurt 1978–1984” in der Airport Gallery im Frankfurter Flughafen der internationalen Öffentlichkeit bekannt zu machen, was die Fachwelt als Herausforderung gegenüber der gleichzeitig in Berlin stattfindenden Internationalen Bauausstellung IBA 84 verstand. Um das Maß vollzumachen, schickten wir die Ausstellung auch noch um die halbe Welt. Seinen Kollegen im Magistrat las Haverkampf die Wünsche von den Augen ab und klärte aufkommende Fragen in Windeseile. Im Duett mit Hilmar Hoffmann war er besonders erfolgreich. Ihm sprang er immer bei, wenn Not am Mann war. Als die Ankündigung, das Fassbinder-Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod” in der Alten Oper aufführen zu wollen, den Generalmanager um seinen Posten brachte, übernahm Haverkampf die Leitungsposition für ein Jahr parallel zu seiner Tätigkeit als Baudezernent. 1987 fiel die Oper der Städtischen Bühnen einem Brand­ anschlag zum Opfer, wieder war er als Erster zur ­Stelle und organisierte den Wiederaufbau. Nach der Bauphase der Museen wollte er diesen ein wirtschaftliches Umfeld schaffen. Hans Neuendorf, der 1967 die Art Cologne in Köln mitbegründet hatte, und den ­Wiener Galeristen Ernst Hilger, ein Beiratsmitglied der Art Basel, überzeugte er, Dependancen im Frankfurter Westend zu eröffnen, und die Messe Frankfurt motivierte er, eine Kunstmesse, die Art Frankfurt, zu gründen. Als ihre Leiterin hatte er die Geschäftsführerin der Art Basel, Anita Kaegi, abgeworben.

1986 – Das Jahr des Umbruchs Als Walter Wallmann am 6. Juni 1986 in das Kabinett von Helmut Kohl als Umweltminister eintrat, hatte er länger als jeder seiner drei Vorgänger oder seiner drei Nachfolger das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt bekleidet. Seine neunjährige Amtszeit war von großer Kontinuität und prägte das Gesicht Frankfurts langfristig. Mit dem Deutschen Architekturmuseum, dem Deutschen Filmmuseum, dem Museum für Kunsthandwerk waren schon drei Museen und dazu die Schirn Kunsthalle einge-

Die Entstehung des Museumsufers

weiht worden. Die Planungen für das Museum für Vorund Frühgeschichte, das Museum für Moderne Kunst und das Jüdische Museum lagen vor, doch Baubeschlüsse wurden erst in der Amtszeit seines Nachfolgers Wolfram Brück gefasst. Brück hatte mit dem Börneplatzkonflikt alle Hände voll zu tun, denn beim Bau der neuen Verwaltung der Stadtwerke hatte man Reste des jüdischen Ghettos vorgefunden. Am Ende hat man sich darauf geeinigt, im Erdgeschoss das Museum Judengasse als Dependance des im Bau befindlichen Jüdischen Museums am Museumsufer zu gründen. 1989 stand wieder eine Kommunalwahl an. Der Wettbewerb für das Völkerkundemuseum hatte mit dem Entwurf von Meiler, Vural & Partner schon 1987 ein respektables Ergebnis gebracht und lag beschlussreif vor. Haverkampf hat das Ergebnis den Grünen vorgetragen und erntete Lob vor allem auch wegen der Aufgabenstellung des Museums. Doch es kam anders: Kurz vor der Wahl kündigte Tom Koenigs, ein Heroe aus der Gründerzeit der Grünen, an, er werde sich an die Bäume des Museumsparks ketten, sollte jemand diese fällen wollen. Brück rief Hoffmann an, mit der Bitte, die Stadtverordnetenvorlage für das Museum für Völker­ kunde zurückzuziehen; nicht ohne die Zusage, dass das Museum danach realisiert werden würde. Die CDU hat die Wahl 1989 verloren, und der Sozialdemokrat Haverkampf wurde von der neuen rot-grünen Mehrheit abgewählt. Wenn Heinrich Klotz in „Weitergegeben“, seinen posthum erschienenen Erinnerungen, schreibt: „Erwähnen muss ich auch, dass die meisten dieser Unternehmungen die Zustimmung des damaligen Frankfurter Baudezernenten Haverkampf fanden, der das Risiko der Neuerung und des Experiments keinen Augenblick scheute. Wäre er nicht ge­wesen, hätten wir viel Schönes versuchen und vorschla­ gen können, verwirklicht worden wäre wohl kaum eines dieser Bauvorhaben“8, so kann ich das nur bestätigen. Nach der Abwahl von Hans-Erhard Haverkampf übernahm Hanskarl Protzmann das Baudezernat. Wir kannten ihn als Projektleiter des Speer-Plans von 1980. Aber anders als befürchtet, gab er sich als Bewunderer Richard Meiers zu erkennen. Er machte den Bau des Völkerkun­ demuseums zu seiner Sache. Doch als Tribut an den ­grünen Koalitionspartner sollten acht zusätzliche Bäume geschützt werden, wodurch der abgeschlossene Wettbewerb von 1987 obsolet geworden war. Dessen erfolgreich Erst- und Zweitplatzierten und Richard Meier, der schon 1980 im Rahmen des Wettbewerb für das Museum für Kunsthandwerk einen Vorschlag für die Platzierung eines Völkerkundemuseums im Museumspark gemacht hatte, luden wir, direkt nachdem Protzmann das Bau­ dezernat übernommen hatte, zu einem Gutachten ein. Die Jury entschied sich dann für das von Meier entworfene

Erstes Zusammentreffen Richard Meiers mit Oberbürgermeister Andreas von Schoeler im Juni 1991 Roland Burgard, Andreas von Schoeler, Richard Meier, Hanskarl Protzmann (von links nach rechts)

Museums­kontinuum von Museum für Kunsthandwerk und ­Völkerkundemuseum. Zehn Jahre waren seit seinem ersten Frankfurter Museum vergangen. Von seinem kleinen New Yorker Büro in der 57th Street war er in ein großes Loft an der 10th Avenue gezogen. Während er mit der Concorde über den Atlantik jettete, machte er aus Flug­ tickets und Eintrittskarten Collagen. Für den Bau des Getty Museums hatte er eine riesige Modellwerkstatt eingerichtet, in der er seine Überlegungen anhand von zahllosen Modellen überprüfte. Überbleibsel von Architekturmodellen fügte er zu Skulpturen zusammen, die er danach in Eisen gießen ließ. Richard Meier war zum Superstar geworden, doch seine Architektenleistungen erbrachte er perfekt wie eh und je. So konnte im Mai 1992 mit dem Bau des Völkerkundemuseums am Schaumainkai hinter den drei Villen begonnen werden. Der Auftrag an das Bauunternehmen war erteilt. Bauarbeiter stellten an einem Morgen den Bauzaun auf, um ihn mittags wieder abzubauen. Was war am 8. Mai 1992 passiert? Der Versuch, ein Völkerkundemuseum zu bauen, war seit 1960 zum dritten Mal gescheitert. Zwei Jahre nach der Wende zeichnete sich mit dem ­Einbruch der Einnahmen aus Gewerbesteuern in Frankfurt am Main die größte Haushaltskrise der Nachkriegszeit ab. Nun wurde ohne Rücksicht auf kulturelle Verluste gespart. Und es traf auch ein weiteres Museums­projekt: Im Frankfurter Nordend waren die Naxoshallen schon für zehn Jahre angemietet und Max Dudler mit der Planung beauftragt worden. Dort sollte das Industriemuseum auf dem Areal einer stillgelegten Fabrik eine Heimstatt finden, was ebenfalls dem Rotstift zum Opfer fiel.

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Schaumainkai 1854, C. Morgenstern, Ölgemälde

Blick vom Städel Museum über die Sachsenhäuser Gärten und den Main nach Frankfurt, 1885

Das Städelsche Kunstinstitut – die große Konstante in der Frankfurter Museums­ landschaft

rungsbau zum Museumsgarten hin im Süden von den Architekten von Hoven und Heberer eingeweiht worden. 1944 hatten Bomben das Kunstinstitut dann schwer getroffen. Beim Wiederaufbau in den 1950er-Jahren hielt sich Johannes Krahn an die ursprüngliche Anordnung der Galerien, deren Obergeschoss über eine prächtige Treppenanlage vom Hauptfoyer aus erschlossen wird. Selbst die unter Tage liegende Gartenhalle des Jahres 2012, ­realisiert von den Architekten schneider+schumacher, lässt sich von dort aus über das Metzler-Foyer erreichen. Lediglich Gustav Peichls Erweiterungsbau für die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut von 1990 ist über den Westflügel der Erweiterung von Heberer und von Hoven zu erreichen. Die ersten Überlegungen zu dem ersten Neubau nach dem Zweiten Weltkrieg gehen auf das Jahr 1985 zurück. Hermann Josef Abs, Ehrenvorsitzender der Deutschen Bank und Ehrenbürger der Stadt Frankfurt am Main, stand der Administration des Städelschen Kunstinstituts vor. Das Städel sollte, um die Balance zwischen den beiden kulturpolitischen Lagern in Frankfurt zu halten, einen Erweiterungsbau mit Ausstellungsflächen für die zeitgenössische Kunst erhalten. Die Kosten trug die Stadt und das Hochbauamt die Verantwortung für die Umsetzung. Abs hatte über die zukünftige Erweiterung des Städels genaueste Vorstellungen; die Rasenfläche zwischen Städel Museum und Städelschule sollte erhalten bleiben, jedoch langfristig durch jeweils ein flankierendes Ge­ bäude an Holbein- und Dürerstraße zu einem Innenhof umgewandelt werden. Von einem Mitarbeiter der Bau­ firma Holzmann hatte er die Konturen einer anstehenden Erweiterung entlang der Holbeinstraße und für eine spätere entlang der Dürerstraße nach seiner Vorstellung im

Der Frankfurter Kaufmann und Bankier Johann Friedrich Städel hatte um 1800 Überlegungen zu einer öffentlichen Galerie ebenso wie zum Kunstunterricht für Frankfurter Bürgerkinder angestellt. In seinem Testament von 1815 verfügte er, sein Vermögen in eine Stiftung zur Gründung eines Städelschen Kunstinstituts einzubringen. Dessen Leitung wollte er durch die Installierung von fünf Administratoren, die sich aus angesehenen Bürgern rekrutierten, vor politischem Einfluss schützen. Zwei Jahre nach Städels Tod wurde das Städelsche Kunstinstitut 1817 in seinem Wohnhaus am Rossmarkt gegründet, wo es bis zum Umzug 1833 in die Neue Mainzer Straße untergebracht war. Ab 1852 trug man sich mit Erweiterungsplänen im Westen Frankfurts, doch die Kriege der Jahre 1866 und 1870/1871 verhinderten dies. 1878 konnte schließlich das Städelsche Kunstinstitut am Schaumainkai 69 in Sachsenhausen seine von Oskar Sommer entworfenen Neubauten beziehen. Das Museum lag nun weit außerhalb der Stadt, doch der günstige Grundstückspreis sprach für den Standort. Einschneidende Veränderungen brachte die Inflation des Jahres 1921 mit sich, welche die Vermögen der meisten privaten Stiftungen aufgezehrt hatte. Noch heute wird das Städelsche Kunstinstitut in Form einer öffentlichen Stiftung geführt, doch seither wird in Verträgen zwischen Städel und Stadt ein Finanzierungsbeitrag der Stadt Frankfurt vereinbart. Geht man ins Städel, so folgt man auch heute noch der Wegführung zu Ausstellungen, wie sie Oskar Sommer schon 1878 geplant hatte. Dabei hatte sich in der Zwischenzeit einiges getan. 1921 war ein erster Erweite-

Die Entstehung des Museumsufers

Blick vom Main auf das Städel Museum

Maßstab 1:500 auf ein DIN-A4-großes Blatt Papier eintragen lassen. Auch die Anbindung an den Erweiterungsbau von Heberer und von Hoven und die Erschließung des Neubaus hatte er vorgegeben. Alternative Überlegungen zur Lage zukünftiger Erweiterungen anzustellen, wäre damals bei allen Beteiligten im Städel auf völliges Unverständnis gestoßen; ebenso Fragen, wie die Nachbarn an der Holbeinstraße auf eine lange, ungegliederte Gebäudefront reagieren würden, oder ob etwa der Pappelwildwuchs aus der Nachkriegszeit dem Naturschutz unter­ liege. In einer Krisensitzung hat allein die Autorität des Baudezernenten den Naturschützern Einhalt geboten. Danach war der Weg für den Erweiterungsbau frei! 1986 wurde der Wettbewerb durchgeführt, den Gustav Peichl aus Wien für sich entscheiden konnte. Peichl war eine Mehrfachbegabung; als Architekt, als Karikaturist unter dem Pseudonym Ironimus – eine Fähigkeit, mit der er sich bei Baubesprechungen lautlos aber schonungslos auf einem Stück Papier über Kontrahenten lustig machen konnte – und als Kommunikator. Im österreichischen Fernsehen präsentierte er samstags jahrzehntelang den Wochenrückblick. Auch in Deutschland war er gut vernetzt. Als ihm eine Niederlage bei der Auswahl des von ihm präferierten Fassadenmaterials drohte, wandte er sich an den Bundeskanzler Helmut Kohl, der dann bei Abs anrief, um es entsprechend dem Wunsch des Architekten zu regeln. Am 10. Oktober 1990 hat Hermann Josef Abs den Erweiterungsbau für die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut eingeweiht. In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre gab es in der ­Städelschule eine Reihe von Neuberufungen. Vor allem Kaspar König, ab 1988 auch Rektor, wurde schnell zum Gesicht der Städelschule. 1987 hatte er den Portikus,

Die zentrale Treppenanlage im Städel Museum verbindet das Hauptfoyer mit den Galerien.

Hermann Josef Abs, Vorstand der ­Administration des Städelschen Kunst­instituts, bei der Einweihung des Erweiterungsbaus für die Städ­tische Galerie im Städelschen ­Kunstinstitut am 10. Oktober 1990

Blick von der Dürerstraße im Südosten auf die Oberlichter der unterirdischen Gartenhalle von schneider+schumacher, den Erweiterungsbau von Heberer und von Hoven im Norden und die Erweiterung für die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut und die Städelschule von Gustav Peichl im Westen

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Die Mitglieder der Städeladministration 2009: Hilmar Kopper, Prof. Dr. hc. mult. Nikolaus Schweickart, Marija Korsch, Dr. Kersten von Schenck, Bernd Knobloch (von links nach rechts)

Erster Spatenstich Städel Museum, 6. September 2009 Max Hollein, Friedrich von Metzler, Oberbürgermeisterin Dr. hc. mult. Petra Roth, Prof. Dr. hc. mult. Nikolaus Schweickart, Kulturdezernent Felix Semmelroth, Sylvia von Metzler, Emmerich Müller (von links nach rechts)

­ inen Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst an der e Flößerbrücke eröffnet, im Jahr darauf das Institut für Neue Medien im Osthafen. 1991 erhielt die Städelschule ein weiteres Ateliergebäude an der Holbeinstraße, wel­ ches bei Gustav Peichl als Annex zu seinem Erweiterungsbau mit in Auftrag gegeben wurde. Erst durch den kühnen Schwung des Dachs des Ateliergebäudes kommt die Zeichenhaftigkeit Peichl’scher Architektur so recht zum Ausdruck; keine architecture parlante, aber eine Metapher für den neuen Auftrieb. Das Ateliergebäude für die Städelschule wurde 1991 fertiggestellt. 1994 war ein Jahr einschneidender Veränderungen. Herbert Beck folgte auf Klaus Gallwitz, der seit 1974 als ­Direktor dem Städel Museum des Städelschen Kunstinstituts vorgestanden hatte. Ebenfalls 1994 hatte Barbara von Metzler den Vorsitz der Administration von Hermann Josef Abs übernommen. In diese Zeit fielen drastische Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte, was zu Überlegungen zwang, wie die Eigenfinanzierungsquote des Städel Museums verbessert werden könnte. Eine Studie analysierte die Bedürfnisse des Museums und zeigte Lösungswege auf. Die „Gunstsammlung“ unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog erbrachte Spenden in Höhe von 23 Mil­ lionen DM. Dies ermöglichte umfangreiche Baumaß­ nahmen nach den Entwürfen der Architekten Jourdan & ­Müller PAS, wie die Sanierung des Altbaus, deren renovierte Galerieräume im Dezember 1999 gemeinsam durch den Bundespräsidenten Johannes Rau und den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch eröffnet wurden;

ebenso den Ausbau der Buchhandlung und den Anbau des Museumsrestaurants. Dieses hat sich zu einem gastronomischen Fixpunkt des kultivierten Lebens in Sachsenhausen entwickelt. Bis 2006, dem Ende der Amtszeit von Direktor Herbert Beck, vervierfachten sich die Eigen­ einnahmen durch private Spenden und Mieteinnahmen. Hinzu kam die Steigerung der Einnahmen durch Eintrittsgelder, welche die positive Besucherentwicklung durch attraktive Großausstellungen reflektierten. 2006 wurde Max Hollein, der 2001 als Direktor der Schirn Kunsthalle nach Frankfurt kam, von der Administration unter dem Vorsitz von Prof. Dr. hc. mult. Nikolaus Schwei­ ckart zum Direktor des Städel Museums ernannt. Bis zu seinem Wechsel an das Fine Arts Museum of San Francisco im Jahr 2016 stand er der Schirn Kunsthalle und, wie sein Vorgänger Beck, dem Liebieghaus vor. Er war von klein auf mit der Kunst-, Architektur- und Museumsszene vertraut, in welcher sein Vater Hans Hollein viele Jahre weltweit eine herausragende Rolle gespielt hatte. Wohl ahnend, wie sich das Museumswesen zukünftig entwickeln würde, und wie darin neue Merkmale und ­Berufsbilder gefordert sein würden, studierte er sowohl Betriebswirtschaft als auch Kunstgeschichte. Erste ­Sporen hatte er sich am Guggenheim Museum in New York verdient. Schon bald nach seinem Amtsantritt am Städel plante er einen Erweiterungsbau für eine Sammlung der Gegenwartskunst. Als dann bekannt wurde, dass das Städel Museum Werke der zeitgenössischen Kunst aus der Sammlung der Deutschen Bank und die Sammlung von Fotografien der DZ-Bank als Dauerleihgaben e ­ rhalten

Die Entstehung des Museumsufers

sollte, schien, wie schon zwei Jahrzehnte zuvor, ein ­Konflikt offen zutage zu treten, der seit der Gründung des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt ausgetragen wurde. Denn, so fragten sich viele, wer vertritt am Main eigentlich die zeitgenössische Kunst? Nach der Fertig­ stellung des unterirdischen Erweiterungsbaus des Städels 2012 hat sich die Situation b ­ eruhigt. Hollein machte deutlich, sein Haus besäße nämlich nur bestimmte Ausdrucksformen der zeitgenössischen Kunst: Gemälde, Ar­ beiten auf Papier und Fotografien. Anderen Ausprägungen wie der Konzeptkunst, den Performances und multi­me­ dia­len Werken widme es sich jedoch nicht. Dies gelte auch für große Installationen. In der Tat gibt es in der Praxis heute kaum Überschneidungen. Das Städel Museum konzentriert sich auf das Tafelbild, das Museum für Moderne Kunst hingegen versteht sich als Produktionsstätte für zeitgenössische Kunst, die gemeinsam mit Künstlern arbeitet und vor allem Werkgruppen erstellt. Für seine Bauvorhaben und den kontinuierlichen Ausbau der Gegenwartskunst konnte er sich auf den seit 1899 gegründeten Städelschen Museumsverein, das Kuratorium und das Städelkomitee 21. Jahrhundert stützen. Für das Fundraising bediente er sich eines Spezialisten aus den USA, und eine Werbeagentur erfand für eine Bürgerkampagne den Slogan: „Frankfurt baut das neue Städel. Bauen Sie mit!“. Zum erfolgreichen Sympathieträger wur­ den zahlreichen Aktivitäten um die „gelbe Stiefel-Aktion“, einer stadtweiten Kampagne zur Finanzierung des Projekts. Am Ende wurden von Unternehmen, Stiftungen und Bürgern 26 Millionen Euro zur Finanzierung der Gartenhalle und der Renovierung der Altbauten beigetragen. Die andere Hälfte, also weitere 26 Millionen Euro, finanzierte die öffentliche Hand. Hinweise auf Mäzene und Unterstützer finden sich überall im Städel durch die Benennung von Galerien oder Spendertafeln, wie auch im Metzler-Foyer, von dem aus der Besucher über eine Treppe in die Gartenhalle gelangt, die am 22. Februar 2012 eröffnet wurde. Durch seinen Deckenschwung, die Ausleuchtung und die nahezu unbeschränkte Nutzungsflexibilität ist der unterirdische Ausstellungsraum unverwechselbar, und durch die Zurückhaltung im Äußeren unverkennbar.

Am Museumsufer weiterbauen Als die Städeladministration im 19. Jahrhundert das neue Museum nicht im nahen Frankfurter Westend baute, sondern in den entfernten Sachsenhäuser Gärten am Main, entschied der Grundstückspreis. Die weniger gute Lage nahm man damals in Kauf. Für die Stadtentwicklung war dies ein Glück, denn es schuf Anreize, das Sachsenhäuser Ufer zum noblen Wohnviertel zu entwickeln. Ein halbes

Jahrhundert später, die Bevölkerungszahl hatte sich verdoppelt, begann die Umwandlung zur Museumsmeile. Und wieder ein halbes Jahrhundert später, nach der Wende zum dritten Jahrtausend, wachsen die beiden Ufer zu einer großen Museumslandschaft endgültig zusammen. Diese Entwicklung ist so einleuchtend wie zwingend, denn sie lebt von zwei Elementen. Das eine Element ist der Fluss, er trennt, aber zugleich verbindet er auch. Das andere Element ist der visuelle Bezug. In Sichtbeziehung und dennoch räumlich getrennt, fügen sich voneinander völlig unabhängige Institute ganz selbstverständlich zusammen, sodass ein großes Universalmuseum entsteht zwischen dem Eisernen Steg im Osten und dem Holbeinsteg im Westen. In mehreren Schüben hat sich in den letzten 150 Jahren das Museumsufer entwickelt. Meist waren diese wirtschaftlichen Entwicklungen geschuldet. Der letzte Schub begann nach 2000, als man das Deutsche Architekturmuseum, das Deutsche Filmmuseum und Filminstitut und das Museum Angewandte Kunst einer bautechnischen Erneuerung unterzog. 2012 zeugte die Fertigstellung der unterirdischen Ausstellungshalle für das Städel Museum von schneider+schumacher vom Willen, am Museumsufer weiterzubauen. Und mit den Erweiterungen für das Historische Museum (2017) und das Jüdische Museum (2020) hat das Ensemble zwei wichtige neue Anziehungspunkte hinzugewonnen.

Historisches Museum Frankfurt Etwa zeitgleich mit den Überlegungen des Städelschen Kunstinstituts für die Gartenhalle stellte die Stadt Frankfurt Überlegungen an, mit welchen Maßnahmen man das 1972 errichtete Gebäude des Historischen Museums ertüchtigen müsste, damit es den aktuellen Nutzungserfordernissen gerecht werden würde. 1944 waren die Bauten des Historischen Museums bei Luftangriffen zerstört worden, die ausgelagerten Bestände hingegen weitgehend erhalten geblieben. Schon 1957 konnte das Historische Museum in den wiederhergestellten Räumen des Burnitzbaus von 1843 und des Bernusbaus von 1717 eröffnet werden. 1965 waren die Planungen für einen Anbau zurückgestellt worden. Als dann die Frankfurter Sparkasse 1971 anlässlich ihres 150jährigen Jubiläums 5 Millionen DM spendete, wurde der Neubau nach einem anderen Entwurf errichtet und schon 1972 eingeweiht. Der Betonklotz, wie ihn einflussreiche Kommunalpolitiker später nannten, markierte mit seiner Fertigstellung eine Wende, deren Bedeutung erst mit seinem Abriss 39 Jahre später wieder in das Bewusstsein gerückt wurde. Die Einweihung fiel in das letzte Jahr von

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Eröffnungsausstellung des Historischen Museums, Oktober 1972

Hans Martin Kampffmeyers Amtszeit als Planungsde­ zernent, die vom Häuserkampf im Westend gezeichnet war. War es etwa ein Zufall, dass Inhalt und Hülle beim Neubau des Historischen Museums eine nahezu vollkommene Einheit bildeten? Das Äußere weckte Assoziationen mit Universitäts- und Schulbauten, in deren Sichtbeton­ euphorie die Bildungsreform jener Jahre ihr perfektes Abbild fand. Und der Inhalt der Eröffnungsausstellung dokumentierte den Zeitgeist der 68er.

Bei der Eröffnung im Oktober 1972 stand vor allem das inhaltliche Konzept des Museums in der Kritik. Das konservative Lager stieß sich an den Formulierungen, die aus dem linken gesellschaftlichen Spektrum kamen. Für die szenografische Aufbereitung der Inhalte, die der Grafiker Herbert W. Kapitzki im Geist der neuen Sachlichkeit entworfen hatte, hingegen gab es Lob; ebenso für die betonbrutalistische Architektur des Baudirektors Jung aus dem Hochbauamt, auch wenn dies später in Vergessenheit geraten war. Ausgerechnet der Hessische Landeskonservator Gottfried Kiesow bezeichnete den Entwurf Jungs 1972 als einen gelungenen Beitrag zum Wiederaufbau des Frankfurter Römerbergs. Das neugegründete Kommunale Kino zog ein und machte das Haus in den Abendstunden zu einem Anlaufpunkt für Cineasten. Sonntagmorgens trafen sich Jazzfreunde zum Jazz im Museum. Doch der Zeitgeist hatte sich verändert. Jetzt artikulierten nicht länger nur die Studenten ihren Unmut öffentlich, sondern auch die Bürgerlichen; zuerst bei der Stadtzerstörung im Westend, beim Bau der Hochhäuser und auch beim Historischen Museum.  Über den inhaltlichen Streit im Historischen Museum war die anfängliche Wertschätzung seines Äußeren in Vergessenheit geraten. Offenkundig wurde dies spätestens nach der Fertigstellung der Ostzeile des Römerbergs 1984. Das Kommunale Kino war gerade in das neu errichtete Filmmuseum gezogen, und die Betonphobie hatte in der öffentlichen Diskussion ihren Höhepunkt erreicht.

Historisches Museum (links hinten), die Schirn mit Historischem Garten (links Mitte), Technisches Rathaus (rechts). Die Aufnahme von 1988 zeigt bei vielen Bauten einen kompromisslosen Bruch mit der Stadtgeschichte.

Die Entstehung des Museumsufers

Jetzt trat der Konflikt zwischen der modernen Architektur und dem Bewahren des historischen Bestands, der in den 1920er-Jahren zwischen den Architekten um den Stadtbaurat Ernst May und dem Bund tätiger Altstadtfreunde begonnen, und sich durch die gesamte Geschichte des Wiederaufbaus der Altstadt gezogen hatte, wieder unverhüllt zu Tage. Alle Versuche, dem Bau ein freundlicheres Aussehen zu verschaffen, scheiterten. Zwei Architekturbüros entwarfen postmoderne Scheinfassaden, vergeblich. Selbst die Begrünung durch Efeu brachte nicht den gewünschten Effekt. Als nach der Jahrtausendwende ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um stadtgestalterische Schwerpunkte im Bereich der Altstadt wie die Sanierung der Leonhardskirche, das Technische Rathaus oder das Historische Museum in Angriff zu nehmen, arbeiteten Stadtkämmerer Hemzal und Planungsdezernent Schwarz Hand in Hand. Schon lange haderten sie mit dem kompromisslosen Bruch mit der Stadtgeschichte, den die äußere Erscheinung des ­Museums darstellte. In die Jahre gekommen, verlangte das Historische Museum nach der Neugestaltung der Dauerausstellung, einer Sanierung seines technischen Innenlebens, nach zeitgemäßem Brandschutz und Maßnahmen, um Energie einzusparen; endlich ein konkreter Anlass, die ungeliebte Anmutung des Betonklotzes loszuwerden. Gleichzeitig hatte die Diskussion um den Umbau oder Abbruch des etwa dreißig Jahre alten Technischen Rathauses begonnen und damit die Neugestaltung des Bereichs zwischen Dom und ­Römerberg Ostzeile, der Schirn und der Braubachstraße. Sie führte 2009 zu der Gründung der DomRömer GmbH, einer städtischen Projektgesellschaft, die im Mai 2018 die fertiggestellte Neue Altstadt an die Öffentlichkeit übergab. 2005 hatte Jan Gerchow die Museumsdirektion übernommen, und damit bekam das Vorhaben eine neue Dynamik. Schon im Herbst tauschten die drei zuständigen Magistratsmitglieder kontroverse Vorschläge aus. Der konservative Planungsdezernent Edwin Schwarz sprach sich für einen Abbruch und Neubau aus, eventuell auch über dem Historischen Garten direkt vor dem Dom. Für die denkmalgeschützten Bauten wie der Saalhofkapelle, dem Bernusbau und dem Burnitzbau konnte er sich eine Hotelnutzung vorstellen. Dem widersprach der sozialdemokratische Kulturdezernent Nordhoff vehement, der auf dem Standort am Fahrtor, direkt am Main, beharrte, wofür sich auch der liberale Baudezernent Frank Zimmermann aussprach. Schließlich einigte man sich darauf, von sechs Architekten Entwürfe zur Neugestaltung der Fassade und Verbesserung der Erschließung einzuholen. Am Ende gab es eine Präferenz für einen Vorschlag von Braun & Schlockermann, dessen Schauseite sich mit einer Glas-

Postmoderne Saalgassenhäuser um 1990: Saalgasse 18 von Charles Moore, Saalgasse 16 von Berghof/Landes/Rang

Historisches Museum um 1987 Blick in die Saalgasse (links) mit Haus Wertheym (rechts)

fassade zur Nikolaikirche öffnete. Der anschließende Vergleich von Sanierung und Neubau ergab geringe Kostenvorteile für den Erhalt, doch erhebliche Einschränkungen für die Neugestaltung der Ausstellungen und sonstiger Publikumsbereiche gegenüber einem Neubau. Mittlerweile hatte es Veränderungen im Magistrat gegeben: Edwin Schwarz war nun Planungs- und Baudezernent und Felix Semmelroth hatte das Kulturdezernat übernommen. Der war ein vehementer Verfechter des Museumsstandorts am Main und eines Abrisses des 1970er-­ Jahre-Baus. Als sich Oberbürgermeisterin Petra Roth

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Vogelschau, Blick nach Osten auf die rekonstruierte Altstadt, die Schirn und den Neubau des Historischen Museums

hierzu ebenfalls positiv geäußert hatte, war ein auszu­ lobender öffentlicher Wettbewerb unter fünfzig Architekten beschlossene Sache. Im Januar 2008 gewann LRO, Lederer Ragnarsdóttir Oei, vorwiegend wegen der gelungenen Einfügung in den städtebaulichen Kontext, den Wettbewerb. Obwohl damals das endgültige Gesicht der Neuen Altstadt noch nicht erkennbar war, erscheint heute der Museumsentwurf ganz selbstverständlich in das Weichbild der Stadtmitte eingebettet. Er besitzt die architektonische Noblesse und Selbstverständlichkeit, die im Frankfurter Stadtbild so oft vermisst wird. Doch was heute logisch ist, erschien dem Ortsbeirat und einigen Altstadtfreunden damals nicht plausibel. Sie suchten den Schulterschluss mit einem unterlegenen Wettbewerbsteilnehmer, der einen Museumsentwurf im Kleid der im Krieg an dieser Stelle zerstörten Fassaden entworfen hatte. Und sogar eine entsprechende Petition im Hessischen Landtag wurde eingebracht. Zu einem Museumsbau mit historischer Fassade ist es dann nicht gekommen, und der Neubau für das Historische Museum wurde nach den Plänen des erstplatzierten Preisträgers fertiggestellt und am 17. Mai 2017 von Oberbürgermeister Peter Feldmann der Öffentlichkeit übergeben. Anhand der Baugeschichte des Historischen Museums nach dem Zweiten Weltkrieg lässt sich eine langfristige Entwicklungslinie der Planungspolitik am Main nachvollziehen. Von den Neueren der frühen Nachkriegszeit, die oftmals noch aus dem Ernst-May-Kader der 1920er-Jahre stammten, dem Internationalisierungshype und der Stadtzerstörung der 1970er-Jahre, dem Kater danach und schließlich der Rückbesinnung auf den Maßstab der europäischen Stadt nach der Jahrtausendwende.

Das Jüdische Museum

Eröffnung Historisches Museum, Festakt 17. Mai 2017 Personaldezernent Stefan Majer, Baudezernent Jan Schneider, Kulturdezernentin Ina Hartwig, Oberbürgermeister Peter Feldmann, Architektin Jórunn Ragnars­dóttir, Museumsdirektor Jan Gerchow (von links nach rechts)

Am 9. November 1988, dem 50. Jahrestag der Novemberpogrome, hatte Helmut Kohl, der deutsche Bundeskanzler, das Jüdische Museum in Frankfurt am Main eingeweiht. Nach dem Krieg war es damals noch das erste in Deutschland. Dabei kann Frankfurt auf 900 Jahre ­jüdisches Leben verweisen. Schon 1922 wurde im ehemaligen Rothschild’schen Bankhaus in der Fahrgasse 146 das Museum für jüdische Altertümer gegründet. Auch der heutige Standort des Jüdischen Museums im Rothschildpalais ist sowohl historisch wie baukulturell von Bedeutung. 1846 hatte Mayer Carl von Rothschild das Gebäude Untermainkai 15 von der Witwe des Bankiers Joseph Isaak Speyer erworben, für den Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess es 1821 im klassizistischen Baustil errichtet hatte. Zum Gedenken an ihren Vater richtete 1894 Hannah Louise von Rothschild die Freiherrlich Carl

Die Entstehung des Museumsufers

Einweihung des Jüdischen Museums, 9. November 1988 Bundeskanzler Helmut Kohl, Museumsdirektor Georg Heuberger, Oberbürgermeister Wolfram Brück (von links nach rechts)

von Rothschild‘sche öffentliche Bibliothek an diesem Ort ein. 1906 schließlich wurde die Bibliothek um das Nachbargebäude Untermainkai 14 erweitert. Der Eröffnung des Jüdischen Museums auf den geschleiften Wallanlagen im Westen an der Untermain­ anlage gingen in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre heftige Demonstrationen am östlichen Ende der Altstadt voraus. Denn während in den beiden Gebäuden im Westen die Vorbereitungen für die Eröffnung getroffen wurden, stieß man im Osten bei den Bauarbeiten für den Neubau der Stadtwerke auf bauliche Reste der Judengasse, dem ältesten Ghetto Europas neben dem zweitältesten erhaltenen jüdischen Friedhof nördlich der Alpen. Dort hatte die jüdische Bevölkerung seit 1462 im Ghetto vor der staufischen Stadtmauer gesiedelt. Es entspann sich eine große Debatte, wie mit diesen archäolo­gischen Zeugnissen jüdischen Lebens in Frankfurt um­ge­gangen werden sollte; um die Zerstörung der Fundamente durch die Bauarbeiten zu stoppen, besetzten protestierende Bürger am 28. August 1987 den Platz. In die Stadtgeschichte sind die heftigen Auseinandersetzungen als der Börneplatzkonflikt eingegangen. Während die Erkundungen an der Judengasse unter Zeitdruck erfolgten, war das Programm für das im Aufbau befindliche Jüdische Museum in vollem Gange. Für die Lösung des kommu­ nalpolitischen Konflikts bot sich dann die Einrichtung der „Gedenkstätte Neuer Börneplatz Frankfurt am Main“ und des „Museums Judengasse“ im Untergeschoss des ­Neubaus der Stadtwerke an. Der Zeitdruck hat zwangsläufig zu inhaltlichen Überlappungen geführt. Mittlerweile sind mit der „Erinnerungsstätte Großmarkthalle“, welche sich mit der Deportation der jüdischen Bevölkerung befasst, und der Gedenkstätte Synagoge Friedber-

Zeitgenössische Darstellung des Untermainkais 1822

Untermainkai 14 und 15 um 1900

ger Anlage mit einer Dauerausstellung über Jüdisches Leben im Ostend im dortigen Hochbunker noch zwei weitere vom Jüdischen Museum mitbetreute Einrichtungen hinzugekommen.  Nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Museumsarbeit stand nach der Jahrtausendwende eine Erweiterung des Jüdischen Museums an, das zuvor nach den Plänen von Ante Josip von Kostelac in dem Rothschildpalais am ­Untermainkai eingerichtet worden war. Weltweit waren mittlerweile weitere und größere jüdische Museen entstanden. Die Perspektiven haben sich vom Verlust in der Vergangenheit zum Bezug auf jüdische Kulturen der ­Gegenwart gewandelt und mit ihr die Aufgabenstellung eines jüdischen Museumsinstituts. Die Attraktivität des Jüdischen Museums in Frankfurt hatte gegenüber an­ deren jüdischen Museen in Europa nachgelassen. So bestan­­den vor allem Flächendefizite für die Übernahme größerer Wechselausstellungen. Außerdem haben sich

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Haus Untermainkai 14 (heute Teil des Jüdischen Museums), Lesesaal um 1900

Haus Untermainkai 14 (heute Teil des Jüdischen Museums), Empfangssalon um 1880

Rothschildpalais, Untermainkai 15 (heute Teil des Jüdischen Museums), sog. Raucherzimmer 1967

Die Entstehung des Museumsufers

die Schwer­punkte verändert: Das Jüdische Museum in Berlin versteht sich als nationale Einrichtung, während Frankfurt seinen Fokus mehr auf regionale und lokale Aspekte legt. Auch im Stadtgebiet teilt man sich die Aufgaben. 2016 neu aufgestellt, fällt dem „Museum Judengasse“ die Darstellung des jüdischen Lebens in Frankfurt von 1150 bis 1800 zu. Der aus einem Wettbewerb des Jahres 2012 hervorgegangene Erweiterungsbau von Staab Architekten und die umgebauten Häuser am Untermainkai hingegen befassen sich mit dem Zeitraum von 1800 bis zur Gegenwart. In den Altbauten ­standen Brandschutzmaßnahmen an, die eine Generalsanierung erforderlich machten. Fehlende Sicherheitsschleusen des Haupteingangs am Main ließen zur Verlegung des Eingangs zur Wallanlage raten. Der Erweiterungsbau für das Jüdische Museum Frankfurt behebt auch diese Mängel. Eine neue Postanschrift wurde gewählt. Bertha-­Pappenheim-Platz 1 ist nicht nur die Würdigung einer jüdischen Frauenrechtlerin aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, sondern öffnet dem Jüdischen Museum den Weg in die Zukunft. Vom Erweiterungsbau mit Räumen für Bibliothek, Vortragssaal und Wechselausstellungen gelangt man über den Aufzug direkt zu den Ausstellungen im dritten Obergeschoss, die sich mit ­Gegenwart und Geschichte der Frankfurter Juden seit 1800 befassen. Von dort geht es weiter in das dem Thema Religion gewidmete zweite Obergeschoss, wo auch die Museumspädagogik untergebracht ist. Im ersten Obergeschoss befinden sich die Ausstellungen zu den Fami­lien Frank/Elias, Rothschild und Senger.

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Beschrieben werden diese Kontroversen in Hilmar Hoffmann, Erinnerungen: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten“, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003. 2 In: Julian Wékel (Hrsg.), Zeitzeugen: Vom Museumsufer zum Stadtraum Main, Darmstadt: TU Darmstadt, Fachgebiet Entwerfen und Stadtplanung, 2016, S. 24. 3 Helge und Margret Bofinger, Architektur in Deutschland, Sonderheft von das kunstwerk. Zeitschrift für bildende Kunst, 2–3 XXXII, April/Juni 1979. Späterer Nachdruck als Junge Architekten in Europa, Stuttgart: Kohlhammer, 1983. 4 Dom-Römerberg-Bereich: Wettbewerb 1980 (Schriftenreihe des Hochbauamtes zu Bauaufgaben der Stadt Frankfurt am Main), Braunschweig: Vieweg, 1980. 5 Ibid., S. 46. 6 Ibid. 7 Jean-Christophe Ammann, „Auf daß die Architektur die Kunst nicht bedränge und die Kunst sich nicht gegen die Architektur wehren müsse“, in: Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, Dezernat Bau, Hochbauamt (Hrsg.), Hans Hollein – Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (Schriftenreihe des Hochbauamtes zu Bauaufgaben der Stadt Frankfurt am Main, 22), Frankfurt, 1991. 8 Heinrich Klotz, Weitergegeben: Erinnerungen, Köln: DuMont, 1999, S. 99.

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Deutsches Architekturmuseum Warum ein Haus im Haus? Wie kam es dazu, dass Oswald Mathias Ungers, international renommiert wie kaum ein anderer deutscher Architekt im letzten Viertel des 20. Jahr­hunderts, die Hülle eines namenlosen Architekten stehen ließ, um scheinbar bescheiden, im Inneren der bestehenden Doppelhaus-Villa, das Deutsche Architekturmuseum einzurichten. Dabei hat man damals fast gleichzeitig, kaum einen Steinwurf entfernt, für den Neubau des Museums für Kunsthandwerk ein ansehnliches Gebäude abgerissen. Waren es die Auswirkungen des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975, die jahrelanger Abrisswut ein Ende setzten, um am Sachsenhäuser Mainufer längst verschüttet geglaubten Werten wieder zu huldigen? War der Erwerb des Gebäudes am Schaumainkai also ein politisches Signal oder gab es noch andere Argumente? Zunächst suchten Heinrich Klotz, Architekturhistoriker und Gründungsdirektor des DAM, und

Architekt: Oswald Mathias Ungers Fläche (BGF): 1735 m2 Direktvergabe: 1979 Eröffnung: 1984 Schaumainkai 43 60596 Frankfurt am Main

Peter Iden, von 1978 bis 1989 Gründungsdirektor des Museums für Moderne Kunst, ein gemeinsam nutzbares Gebäude für ihr Vorhaben, ein Architekturmuseum und ein Museum für Moderne Kunst zu gründen. Dafür schien sich das Doppelhaus am Schaumainkai 43 gut zu eignen. Am Ende eines langen Entwicklungsprozesses gab es dann gute Gründe, für jedes Projekt einen eigenen Bau zu errichten. 1984 wurde das Deutsche Architekturmuseum am Schaumainkai nach dem Entwurf von Oswald Mathi­as Ungers und 1991 das Museum für Moderne Kunst an der Domstraße von Hans Hollein eingeweiht. Ungers’ Haus-im-Haus stellt den Endpunkt einer langen Projektgenese dar, welche bis zuletzt von der Sorge von Heinrich Klotz getragen wurde, dass sein Vorhaben aus Kostengründen doch noch scheitern könnte. So gab es drei wesentliche Entwurfsphasen, für die jeweils Maximal- und Minimallösungen entwickelt wurden. Schließ-

Die Isometrie zeigt das Ineinander von Bestandsgebäude und dem Haus-im-Haus.

Deutsches Architekturmuseum

Außenansicht nach dem Umbau zum Deutschen Architekturmuseum

lich entstanden im Inneren der denkmalgeschützten Hülle auf sechs Geschossen ein Vortragssaal, Ausstellungsflächen und Räume für die Verwaltung. In das bestehende Gebäude wurde eine weiße Stahlbeton-Kon­ struktion eingestellt, die sich durch alle Geschosse zieht, das erwähnte Haus-im-Haus. Hinzu kam auf Straßenniveau, zwischen Altbau und der umgebenden Grundstücksgrenze, eine große Ausstellungshalle. Mit der ­Umsetzung der Metapher von der Puppe in der Puppe, dem Matrjoschka-Motiv, war nicht nur ein Erlebnisraum mit Blickbezügen geschaffen worden, Oswald Mathias Ungers hat auch ein Theoriegebäude errichtet, welches die Welt der Architekten zu intensiven Diskussionen ermunterte. In einem Interview mit Marie-Louise Blattner

beschrieb er die Herausforderung beim Entwurf des Deutschen Architekturmuseums folgendermaßen: „In allen meinen Arbeiten kommt es mir an auf die geistige Auseinandersetzung mit dem Ort, unabhängig davon, ob dieser Ort bereits ein überhöhter oder ein alltäglicher Ort ist. Beim künstlerisch überhöhten Ort ist mein Hinzutun belanglos. Beim banalen Ort wird meine Arbeit natürlich besonders wichtig, weil ich versuche, ihn zu etwas ­Besonderem zu machen.“ (in „Baukultur“, 2/1984)

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Blick in die Ausstellungshalle

Grundriss Erdgeschoss

Deutsches Architekturmuseum

Blick in das Auditorium

Das Haus-im-Haus

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Labyrinth und Ratio GESPRÄCH MIT OSWALD MATHIAS UNGERS

Oswald Mathias Ungers 2005

Heinrich Klotz zeichnete das erste Planungsgespräch für den Bau des Deutschen Architekturmuseums am 5. Okto­ ber 1979 auf. Eine Transkription fertigte er selbst an, die hier in gekürzter Form wiedergegeben wird. Um die Lesbarkeit zu gewährleisten, wurde der Text redigiert und gestrafft. Die für Oswald Mathias Ungers ungewöhnlich deskriptiven Ausführungen geben dessen Abspannung wieder. Ungers hatte sein erstes Erscheinen im Hoch­ bauamt wohl überlegt inszeniert. Er erschien leicht verspätet – was den immer hypernervösen Heinrich Klotz schon um den Erfolg seines Architekturmuseums bangen ließ – im dunkelgrünen, von leichten Gebrauchspuren an den Ellbogen gekennzeichneten Cashmere-Pullover, und begann mit dem Hinweis, er sei nun 53 Jahre alt und habe zehn Jahre nichts bauen können. Dies veranlasste Heinrich Klotz zu dem Hinweis, die Stadt Frankfurt dürfe sich diese einmalige Chance, einen Bau von Ungers zu erhalten, nicht entgehen lassen. Nach einer kurzen Pause, die Klotz einlegte, wohl um die Wirkung seiner Bemerkung abzuschätzen, fragte er noch, ob er die Besprechung aufzeichnen dürfe.

dieses ganze Gebäude in einen Raum hineingestellt wird, der sich als ganz einfacher Raum darstellt; wenn Sie wollen, als rationaler Raum, und das Gebäude steht als irrationales Element darin. Ich möchte nichts Anderes tun, als auf den vier Grundstücksgrenzen rings um dieses Gebäude eine Mauer ziehen. Eine Mauer in der Höhe des bestehenden Sockelgeschosses und dann das Ganze mit Glas abdecken, sodass das Gebäude aus diesem Glasdach herausragt und in einem neuen, großen Raum drin steht, dadurch wird das Gebäude selber zum Objekt gemacht, und wenn Sie wollen, zu einem Ausstellungsobjekt. Es ist also völlig verfremdet in seiner Umgebung. Es gibt nun zwei Elemente, das eine ist das neu Gemachte, was ganz rational gemacht ist, und das andere ist das alte Gebäude, das ich zum Labyrinth umkehren will, um damit die Antithese zwischen diesen beiden Dingen herzu­ stellen. Das klingt alles wahnsinnig philosophisch, aber lassen Sie mich versuchen, es klarzumachen. Ich will an dem alten Gebäude nichts anderes tun, als durch selektives Wegnehmen ein Labyrinth zu erzeugen, ich nehme also alles raus aus dem Gebäude, was konstruktiv nicht erforderlich ist. Ich behandele das Gebäude wie einen absoluten Zufall, wie Natur, wie etwas, das gewachsen ist, mit dem ich nichts zu tun habe, was ich auch nicht gestalte. Ich nehme nur weg, und es entsteht innen ein

OMU  Zunächst einmal wollen wir Folgendes machen, ich

möchte gerne das alte Gebäude verfremden, das heißt, ich will es in einen anderen Zusammenhang bringen, damit es nicht nur eine alte Villa ist, sondern damit es in dem dialektischen Prozess, der sich hier darstellt zwischen dem Alten und dem Neuen, eine ganz bestimmte Rolle übernimmt. Jetzt haben wir vorgeschlagen, dass

Das Bestandsgebäude Schaumainkai 43: Die Aufnahme von 1952 zeigt die 1912 errichtete Doppelhaus-Villa.

Oswald Mathias Ungers ⁄ GESPR ÄCH

irrsinniges Labyrinth oder ein labyrinthartiges Gebilde mit Durchbrüchen und Höhlen. Und gegenüber dem, was also meinetwegen der Zufall wäre, steht als dialektischer Gegensatz das, was geplant ist. Das ist also nicht nur eine dumme Villa, die da rumsteht, die wir zufällig ausbauen, sondern sie erhält plötzlich eine Bedeutung. Sie vertritt das Prinzip des Irrationalen gegenüber dem Prinzip des Rationalen des umschließenden Raums. Diesen dialektischen Prozess wollte ich da herausholen, wobei natürlich auch die Bäume hinter der Villa erhalten werden.

bau stehen, so ähnlich wie so ein Mies-Pavillon, und man hat dann Durchblicke im Haus. Wo ehemals die Treppen waren, hat man Durchblicke durch das ganze innere Haus, denn oben ist offen. RB   Wie geht es darüber weiter? OMU  Da kommt jetzt das nächste Obergeschoss, wo auch

alle Wände weggenommen werden, die nicht konstruktiv sind. Das müsste man noch genauer untersuchen. RB   Kann man von oben auf das Glasdach schauen? Und

HK  Das heißt, Herr Ungers, die Bäume werden auch mit

Glas umwölbt. OMU   Die Bäume stehen in zwei Glasvitrinen, die das Glasdach mit tragen, aber nach oben offen sind, damit die Wurzeln der Kastanien das nötige Regenwasser abbekommen. Es entsteht ein interessantes Spiel von Gegensätzen, die rationale Säule aus Glas gegenüber dem ­Naturprinzip des Baumstamms der beiden Kastanien. Das wird noch weiter ausgearbeitet. Das ist die Eingangssituation. Von der Straßenseite geht man über eine offene Arkade mit einer Baumpflanzung in das Museum hinein. Die Arkade ist offen und kann begrünt sein, eine richtige Pergola, wenn Sie wollen. Sie treten in die Pergola ein und gehen die Treppe hinunter in das Kellergeschoss, welches mit zur Ausstellung benutzt wird. Das Kellergeschoss ist ebenfalls Objekt. Man läuft also durch dieses Labyrinth durch; es gibt dort ­schöne Situationen, in denen Zufälle überall bestehen bleiben. Es gibt mal Nischen, es gibt mal abgeschlossene Bereiche, mal Wände. Es ist also offen, die Türen kommen ­natürlich alle raus, und es bleibt unten nur ein Scheiben-

Blick auf das verwahrloste Umfeld der Doppelhaus-Villa von Südwesten 1978

was liegt darunter? OMU  Das ist also einmal zum Teil das Untergeschoss und das Kellergeschoss, die liegen unterhalb des Glasdachs. Das Ganze wird umgeben mit einer relativ dicken Mauer, wahrscheinlich aus Naturstein, der auch innen drin sichtbar bleibt, oder eventuell mit einem Zementstein, der ein sehr schöner Stein ist, den man vermauern könnte, aber das muss noch weiter untersucht werden, das sind ja erst die ersten Ansätze. Auch mit der Mauer kann man noch was anstellen. Ich denke an so ein dickes Wandkonzept, mit Nischen oder irgend so etwas. RB   Also wie überwindet man jetzt die Geschosse?

­Welche Treppen wollen Sie erhalten? OMU  Innerhalb des Hauses, das weiß ich noch nicht. Das ist eine weitere Untersuchung. RB  Sie nehmen die Treppen heraus, aber es wird ­Treppen

geben? OMU   Es wird ein oder zwei Treppen innendrin geben. Ich habe zum inneren Grundriss noch nicht gearbeitet. Mir

Erste Skizze Oswald Mathias Ungers zum Architekturmuseum vom 2. September 1979

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Grundriss Eingangsgeschoss, welcher beim ersten Gespräch am 5. Oktober 1979 im Hochbauamt vorlag Grundriss Erdgeschoss vom 5. Oktober 1979

geht’s heute nur um das Konzept, nicht so sehr ums ­Detail. JK   Ich kann also nur sagen: eine großartige Idee. Ich sehe es zunächst einmal nur von der Architektur, nicht von dem, was drin ist. Die Idee ist für sich schon tragend; Sie haben vorhin gesagt, dass das eigentlich eine Plastik, ein Objekt für sich ist. Wenn ich mir also das Glas vorstelle und die Verfremdung, eine totale Verfremdung, wird es natürlich jedes Objekt, das innerhalb dieses Hauses ausgestellt wird, sehr schwer haben. Das ist natürlich jetzt Sache von Herrn Klotz, daraus etwas zu machen. Ich finde die Idee außerordentlich stark, ich weiß nicht, wie es meinem Kollegen Burgard geht. Aber allein eine solche Vorstellung halte ich für eine großartige Sache. Was meinen Sie, Herr Burgard?

RB   Ja, mir gefällt der Grundgedanke auch gut. Mich

würde es interessieren, wie sehr Sie über den Kontrast nachgedacht haben, also das ganze Konzept baut ja auf These und Antithese auf, auf den scharfen Kontrast, Labyrinth und Ratio. Wie stehen Sie zu der Vergangenheit, ja zu der scheinbaren Historie? Also beispielsweise dem historisierenden Ausbau, der ja geringe Qualität hat: wollen Sie jetzt über das Labyrinth hinaus auch noch historische Zitate weiterverwenden oder wollen Sie das untergehen lassen? OMU   Das Haus wird als solches erhalten. Es bleibt auch bestehen in seinen Strukturen. Das was innen ist, ist kulturhistorisch nicht wichtig, man kann es also rausnehmen, das ist alles aus dem Supermarkt. HK   Herr Ungers, könnte man auch, sagen wir mal, die

vorhandene pompeianische Stuckdecke frei hängen lassen? OMU   Unter Umständen so ein Stück, ich meine, dass man mal ein Stück Zitat innen drinlässt, das ist eine andere Sache, das könnte man machen, wenn man glaubt, dass die wertvoll ist. HK  Ich glaube, das ist für mich eine sekundäre Angele-

Perspektive der rückwärtigen Ausstellungshalle vom 5. Oktober 1979

genheit. Das Haus wird als solches erhalten. Das, was ich sehr gut finde, ist die Erweiterung der Ausstellungsfläche in einer Art, die gerade diese These zur Antithese, dieses Labyrinth zu dieser klaren und sichtbaren Glasstruktur in Beziehung setzt. Das ist einmalig.

Oswald Mathias Ungers ⁄ GESPR ÄCH

JK   Ja. Die Wirkung des Hauses wird durch die Glas-

HK   Herr Ungers, ich finde Ihren Vorschlag auch sehr

struktur noch verstärkt. Dadurch, dass Sie diese auf eine Sockelmauer legen, entsteht ein natürlicher Zusammenhang. Wobei vielleicht etwas darauf geachtet werden muss, dass nicht diese unangenehme Geschichte wie beim Wiederaufbau der Hauptwache entsteht. Dort hat man das Gefühl, das Ding schwebt irgendwo auf etwas und hat gar keine Basis. Aber das haben Sie damit getan, dass Sie mit der Umfassungsmauer eine optische Basis erstellt haben. OMU   Die entscheidende Geschichte ist, dass wirklich das Glas durchbrochen wird. Nochmal, man kann nur mit einer Verfremdung mit diesem alten Zeug umgehen. Und hier wird es nun wirklich selber zum Objekt. Und dadurch, dass es so verfremdet wird, indem es ein Glasdach durchbricht, indem es zum Ausstellungsobjekt selber wird, indem es innen nur noch räumliche abstrakte Kompositionen zeigt, durch einen Zufall, den man nie erfinden würde, und außen eine Hülle hat, die absolut historisch bleibt. Was natürlich immer irrsinnige Verfremdungseffekte erzielt, die diesem Haus dann gerecht werden. JK   Ja, wir haben ein wunderbares Gegenbeispiel im ­Moment, eine Erweiterung des Musikmuseums ... Das, was dort vorgeführt ist, zeigt eben auch ...

schön. Museumstechnisch sofort realisierbar. Man hätte genau den Raum, den man braucht, nämlich einen Großraum. Man kann in diesem Großraum alles Mögliche machen und hätte gleichzeitig einen labyrinthischen Raum im Großraum drin, also das wäre sehr, sehr gut. Das müsste man noch einmal durchdenken. Aber das Hauptkonzept bisher sah ja so aus, dass man sagte, in irgendeiner Weise müssen wir uns verbinden mit dem Film­ museum. Dies hier ist jetzt sozusagen die Isolation des Architekturmuseums, das heißt wir sind ganz entschieden darauf aus, aus diesem Bau eine Einheit zu machen und nach außen abzusetzen. Ich finde dies eine Möglichkeit, die trotzdem, und das müsste man jetzt überlegen, die Beziehung zur Nachbarschaft nicht ausschließt. Das wäre jetzt für mich der nächstliegende und wichtigste Gedanke. Das Gespräch zwischen Heinrich Klotz (HK), Oswald Mathias Ungers (OMU), Jochen Kirchberg (JK) und Roland Burgard (RB) wurde am 5. Oktober 1979 im Hochbauamt Frankfurt geführt. Für die freundliche Bereitstellung des ­Originalmitschnitts des Gespräches danke ich Frau Gertrud Klotz und Herrn Oliver Elser.

RB  ... dass man an ein solches Gebäude nicht ungestraft

historisierende Anbauten machen kann, das geht nicht. OMU   Ja. Sie merken selber, dass ich, sehr große Hemmungen gehabt habe … Bis mir dann diese erste kleine Skizze einfiel, mit dem Rationalen und mit dem Labyrinth und so weiter. HK  Donnerwetter! Da steckt ‘ne Möglichkeit drin, die die-

ses Gebäude weit über diesen Ausbau von einer komischen zufälligen Villa hinausbringt. Denn für Sie sind das ja alles Zufälle. OMU   Das war alles reiner Zufall. Es war nichts Rationales daran. RB   Wenn man so einen großen Gedanken realisieren

will, muss man ja auch die Realisierungschancen stark abklopfen. Und da wäre die erste Frage, wie es mit der Überbauung, der hundertprozentigen Überbauung des Grundstücks geht ... JK   Zumindest als Idee, glaube ich, dass die Erweiterung ohne Einschränkung akzeptiert wird. Was Sie, Herr Burgard, jetzt ansprechen, sind baurechtliche Fragen. OMU   Ja, zumindest mal baurechtlich ... kann man das als Bebauung sehen oder kann man sagen, dass es eigentlich nichts anderes als eine überdachte Wiese oder so etwas ist?

Erste Skizze der Umplanung für den realisierten Entwurf vom 15. Dezember 1980

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Museum Angewandte Kunst Mit der Einweihung des großen Neubaus endete 1985 eine Zeit des Notbehelfs und der Improvisation. Richard Meiers Entwurf für das Museum für Kunsthandwerk, wie sich das Museum Angewandte Kunst damals noch nannte, war ein Glücksfall. Er zeigte, wie der Misere einer ­jahrelang fehlgeleiteten Planungspolitik mit gestalterischen Mitteln kurzfristig beizukommen war und welchen Beitrag Architektur zur Außendarstellung einer Stadt zu leisten vermochte. Richard Meier beherrschte ein bemerkenswertes architektonisches Repertoire. Dabei hatte er zuvor noch kein einziges Museum entworfen, andere Gebäude wohl, doch keines davon lag westlich des Mississippis oder östlich der Atlantikküste. In Europa fand er sich schnell zurecht. Am Main überzeugte er durch einen äußerst geschickten Umgang mit dem vorgefundenen Ensemble. Er analysierte den Bestand aus Sicht der Denkmalpflege, bewertete ihn als Städtebauer, erkannte Gemeinsamkeiten, um daraus das architektonische Entwurfskonzept abzuleiten. Er entwickelte Regeln, die er meist konsequent einhielt, aber gelegentlich verstieß er auch absichtsvoll gegen sie. Ausgangspunkt für seinen Entwurf am Schaumainkai war das Grundrissquadrat der klassizistischen Villa Metzler. Dieser Bau war 1802 für den Apotheker Peter Salzwedel erbaut worden und ging 1851 auf die Bankiersfamilie Metzler über, die einige Umbauten vornahm. 1965 wurde die Villa zum ersten Museum für Kunsthandwerk, allerdings waren die Räumlichkeiten von Anfang an beengt, sodass bald der Wunsch nach einem Neubau aufkam. Richard Meier beschäftigte sich intensiv mit dem Formenkanon der Villa, um daraus für Grund- und Aufriss seines Entwurfs eine gleicher­ maßen gültige Maßordnung abzuleiten. Den kleinsten gemeinsamen Nenner fand er in einem Quadrat von 0,55 mal 0,55 Meter Kantenlänge, das im 17,60 mal 17,60 Meter messenden Grundrissquadrat der Villa Metzler enthalten ist. Fenster und Fassadenpaneele des Neubaus basieren auf demselben Modul. Die Fassadenfluchten des klassizistischen Baus verlängerte Meier nach Süden und Westen um das Vierfache, sodass ein neues, größeres Quadratraster entstand. Die freien Ecken füllte er mit Ausstellungsflächen in dreigeschossigen Baukörpern, die an der klassizistischen Villa Maß nahmen; in der Vertikalen, wie auch in der Horizontalen. Vor der Villa Metzler, dort wo die Schifferstraße aus Sachsenhausen kommend

Architekt: Richard Meier Fläche (BGF): 8275 m2 Wettbewerb: 1979 Eröffnung: 1985 Schaumainkai 17 60594 Frankfurt am Main

Ansichten und Schnitt. Von oben nach unten: Ansicht von Osten mit Villa Metzler, Ansicht von Westen, Ansicht von Osten mit Museums­ eingang, Schnitt Nord-Süd durch Rampe

auf den Schaumainkai trifft, erfolgt ein leichter Schwenk des Straßenverlaufs nach Westen. Auch der Museums­ park folgt der Richtungsänderung. Meier leitet daraus seinen viel diskutierten Regelverstoß ab. Das Grundnetz über­lagert er mit einem ebenso großen, nur eben um 3,5 Grad verdrehten Raster, welches die drei Quadranten, die sich an der Villa Metzler orientieren, und die einzelnen Museumsbereiche miteinander verbindet. Sein subtiles Spiel mit der Geometrie überhöht er durch den raffinierten Einsatz architektonischer Mittel. Die Erschließungsflächen macht er zu Erlebnisräumen, öffnet sie zu den Freiflächen und schafft Blickbezüge zur Villa Metzler und dem mit Kastanien bestandenen Innenhof. Und die alle Geschosse verbindende Rampenanlage macht er zur

Museum Angewandte Kunst

Ansicht von der Frankfurter Mainseite im Norden

Lageplan

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Ansicht von Süden mit der Stadtsilhouette 1985

Die Isometrie zeigt die Inneneinrichtung der Sammlungen im ersten Obergeschoss.

­ romenade ­architecturale. Unverkennbar, Richard Meier p nimmt mit Zitaten aus der Villa Savoye Anleihen aus der Gedankenwelt Le Corbusiers. Aus dessen Bewunderung hat er niemals einen Hehl gemacht. Der Entwurf Richard Meiers für das Museum für Kunsthandwerk ist in vielerlei Hinsicht eine glückliche Fügung gewesen. Zuallererst für Frankfurt, weil diese der Kom­ munalpolitik die Sicherheit vermittelte, mit Architektur auf dem richtigen Weg zu sein, der Öffentlichkeit Freude an der Architektur bescherte und vor allem der Archi­ tektenschaft Mut machte, mit qualitätsvollen Bauten an die verheißungsvollen Jahre des Neuen Frankfurts der 1920er-Jahre anknüpfen zu wollen. Schnell wirkte der Bau weit über Frankfurt hinaus. In den 1980er-Jahren, einem Jahrzehnt, dessen Architektur von Vielfalt, der Suche nach Neuem und Unbekanntem ebenso wie nach Werten der Vergangenheit geprägt war, übernahm er die Rolle eines Leitprojekts, wurde Maßstab und I­ mpulsgeber zugleich.

Museum Angewandte Kunst

Ansicht des Eingangshofes von Nordosten

Blick in die Ausstellungsinstallation

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Modern architecture is here to stay

RM  Frank Lloyd Wright und Le Corbusier, aber auch Alvar

Aalto, Ludwig Mies van der Rohe und Louis Kahn. Mit zwei oder drei Kommilitonen habe ich alle Häuser von Philip Johnson in New Canaan besichtigt.

GESPRÄCH MIT RICHARD MEIER

RB   Gab es an Cornell so etwas wie eine Pflichtlektüre? RM  Das waren Sigfried Giedion mit Raum, Zeit, Architek-

tur und John Ruskin. RB   Und nach dem Studium? RM   Da sammelte ich Erfahrungen bei großen Büros wie

SOM, und ich habe drei Jahre bei Marcel Breuer gearbeitet. Der hat mich jedoch nicht beeinflusst. RB   ... aber Le Corbusier, sein Einfluss auf Ihr Werk ist

Richard Meier 1985

unverkennbar. RM   Ich habe mich einmal bei ihm beworben, aber nicht sehr erfolgreich. Er sagte: „No Americans!“ Trotzdem war mir Le Corbusier sehr wichtig, zuerst als Student und dann danach. RB   Die Architekten in Europa waren vom „beton brut“

RB   Sie sind gerade aus Rom zurückgekommen. RM  Der Dekan des Architecture Art Department der Cor-

nell University in Ithaka, New York, hatte mich zu einer Konferenz eingeladen. Ich hielt vor Architekturstudenten des Cornell-in-Rome-Programms einen Vortrag, und es war ein richtig schöner Nachmittag. RB   Dann müssen Sie ein enges Verhältnis zur Cornell

University, vor allem aber auch zur Ewigen Stadt haben. RM  Beides, in Ithaka habe ich 1956 mein Architekturstudium abgeschlossen, 1973 war ich dann als „architect in residence“ an der American Academy in Rome. In Rom habe ich ja auch Bauten errichtet, wie die Chiesa di Dio Padre Misericordioso und das Ara Pacis Museum. In ­Cornell halte ich immer wieder Vorlesungen.

Le Corbusiers fasziniert. Warum findet man diese Elemente in Ihren Bauten nicht wieder? RM   Ich denke, das frühe Werk von Le Corbusier hatte eine räumliche Qualität, war nicht so schwer, viel leichter, räumlich interessanter. Die Unité d´Habitation in Marseille und die Wohnhäuser waren wichtige Gebäude und natürlich Ronchamps. Aber seine Arbeiten vor dem Zweiten Weltkrieg waren einfach subtiler. RB  Als wir 1979 die Short List für die Architekten­auswahl

beim Wettbewerb für das Museum für Kunsthandwerk zusammenstellten, bezeichneten wir Ihre Arbeit als den „Missing Link“ zu den Bauten des Neuen F ­ rankfurt.

RB  Welche Persönlichkeiten der Cornell School of Archi-

tecture haben Ihre Entwicklung am stärksten beeinflusst? RM   Die Professoren der Architekturschule waren gut, doch übten sie nicht unbedingt den größten Einfluss auf mich aus. Das waren eher Leute wie Al Salomon, der das White Art Museum auf dem Campus leitete, und Arch Dotson, der am Government Department lehrte. Mit beiden war ich sehr gut befreundet. Das war das Gute an Cornell, es war frei und offen. Man wurde nicht in irgendeine Richtung gedrängt. RB   Und die architektonischen Idole?

Entwurfsskizze Museum für Kunsthandwerk vom 5. Dezember1979

Richard Meier ⁄ GESPR ÄCH

RM   Vor dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Deutsch-

land ein intellektuelles Klima, das alle Künste befruchtete. Dann kam die kulturelle Zerstörungswut der späten 1930er-Jahre. Umso bedeutungsvoller ist es, dass man danach wieder eine Brücke zur frühen Moderne der 1920er-Jahre bauen konnte, um im Geist so großartiger Architektenpersönlichkeiten wie Ernst May, Erich Mendelsohn und Bruno Taut zu arbeiten. Denn es geht um die Kontinuität, das Wachsen und ein neues Beginnen. Architektur kann man heute nicht mehr isoliert sehen. Sie ist mit der Vergangenheit verbunden und man lernt aus der Vergangenheit. RB   Wie war das in den 1970er-Jahren, wie erfolgte der

Gedankenaustausch der Avantgarde? RM   Sehr informell, wie zum Beispiel in unserer Gruppe

der „New York Five“, der außer mir noch Peter Eisenman, Michael Graves, Charles Gwathmey und John Hejduk ­angehörten. Unsere Kritik galt der Architektur der 1960er-­ ­Jahre. Wir orientierten uns am International Style der 1920er- und 1930er-Jahre. Doch unsere Büros führten wir völlig unabhängig. Auch an den Universitäten for­ mulierten wir unsere Ideen, ich lehrte an der Columbia University in New York. Selbstverständlich spielten auch Ausstellungen eine große Rolle.

MAN transFORMS, Cooper Hewitt Museum, New York, 1976. Der Ausgangspunkt von Richard Meiers Beitrag „Metamorphosis“ war ein dreidimensionales Raumgitter.

RB   Hans Hollein zeigte mir einmal den Katalog der Er-

öffnungsausstellung des Cooper Hewitt Museums in New York mit dem Titel MAN transFORMS, die er 1976 kuratierte. RM   Ich erinnere mich gut daran. Meinen Ausstellungsbeitrag nannte ich „Metamorphosis“. RB   Tragen Sie spezielle Bilder im Kopf? RM  Nein, ich habe immer neue! Wer hat eigentlich außer

MAN transFORMS. Die Besucher bilden neue Wörter und transformieren den Raum.

mir noch teilgenommen? RB   Auf jeden Fall neben Hans Hollein auch Oswald

­ athias Ungers. Beide haben Sie ein paar Jahre später M am Frankfurter Museumsufer wieder getroffen. – Wie entstehen denn Ihre Entwürfe? RM   Indem ich mich mit einem Blatt Papier und einem Bleistift hinsetze und einige Skizzen mache.

RB   Ich erinnere mich an die Modellwerkstatt für das

Getty Center in Los Angeles. Da konnte man auf Augen­ höhe in das Innere der Modelle hineinschauen. RM   Heute nehmen die Leute die Dinge viel zu früh am Computer auf. Dinge auf dem Computer sehen aus, als wären sie durchdacht, aber das ist nicht so.

RB   Sie allein? RM  Ja, natürlich! Dann machen wir im Büro Zeichnungen

RB   In einem Gespräch mit Vladimir Belogolovsky sollen

und bauen Modelle in allen Maßstäben. Und während sich das Projekt entwickelt, werden die Modelle immer größer. Die Modelle sind ein wichtiger Bestandteil des Entwurfsprozesses.

Sie gesagt haben: „Farbe ist nicht das, was ein Gebäude ausmacht.“ RM   Das ist aus dem Zusammenhang gerissen. Ich glaube, dass ich dies einmal im Zusammenhang mit einem

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RB   Was sind denn die wesentlichen Vorteile der Farbe

Weiß? RM  Bei der Architektur geht es um Licht. Weiß reflektiert

das Licht und absorbiert es. Zum einen betont Weiß das Volumen. Weiß gibt die architektonischen Ideen auch am klarsten wieder. Hält man lineare Elemente wie Fensterrahmen oder Handläufe neben flächige Elemente, so sind diese, wenn sie in Weiß gehalten sind, am deutlichsten wahrnehmbar. Zum anderen verändern weiße Ge­ bäude ihre Farbe ständig, denn die umgebende Natur findet sich im Weißton des Baus wieder. Das ist für mich besonders wichtig, denn Weiß gibt es in vielen Abstufungen. Schau doch aus dem Fenster, dieses wundervolle Herbstlaub! Mit architektonischen Mitteln bekommst du das nicht hin! Richard Meier, Entwurf für das Physical Education Building, State University of New York, Fredonia (Projekt), 1968

Bau von Le Corbusier gesagt habe. Schau dir La Tourette an, großartig! Die Organisation des Gebäudes, wie es auf dem Grundstück liegt, phantastisch! Aber die Farbgebung rein zufällig! RB   Mögen Sie die Farben Le Corbusiers wirklich nicht? RM   Nein, ich mochte es noch nie, wie er seine Farben

RB   Es gibt noch andere für Ihre Architektur typische

Elemente wie zum Beispiel das Raster ... RM  ... das eine lange Entwicklungsgeschichte hatte: von einem nicht realisierten Projekt für die State University of New York in Fredonia mit einer weiß gestrichenen ­Metalltafelkonstruktion, über die eloxierten Aluminiumpaneele des Bronx Developmental Center, bis zu den perfekten, weiß emaillierten Stahlplatten des Atheneum in New Harmony. Alle meine Gebäude beruhen auf einem Raster, welches nicht nur ein architektonisches Element, sondern auch ein dreidimensionales Organisationssystem wiedergibt. Abhängig von der örtlichen Situation kann man dieses durchbrechen, wechseln oder abwandeln.

benutzt hat. RB   Ein Beispiel dafür ist die Überlagerung zweier um RB   Charles Jencks zitiert ein Statement, welches Sie

angeblich anlässlich einer Pressekonferenz des Getty Centers abgegeben haben sollen: „Ich bin jetzt fünfzig Jahre alt, mein Leben hat sich verändert, es ist Zeit für einen neuen Stil. Ich werde meine weißen Gebäude und die weiße Abstraktion aufgeben und mit Mauerwerk bauen.“ RM   Ich soll das gesagt haben? Ich habe das nie gesagt. Nein! Ich gebe meine weißen Gebäude auf? Niemals! Ich denke, das war Charles Jencks‘ Idee, nicht meine! Wir haben Gebäude gebaut, die nicht weiß sind, aber wir machen noch immer weiße Gebäude. Ich weiß nicht, ob Sie die drei Wohngebäude am Hudson River in Downtown Manhattan gesehen haben. Sie sind weiß, heben sich nur ein wenig von der Umgebung ab, aber sie haben das ganze Viertel an der Westside und am Greenwich Village zum Positiven verändert. Denn gute Architektur sollte wie mit Armen in die Nachbarschaft ausgreifen und sie formen.

3,5 Grad verschwenkter Grundrissraster beim Museum für Kunsthandwerk. Alle Ansichten des Neubaus, die sich auf die Grundrissquadrate der historischen Villa Metzler beziehen, sind mit weißen Platten verkleidet, während alle Bauteile, die sich auf den Schaumainkai ausrichten, Putzfassaden aufweisen. Zieht sich das Spiel mit Gegensätzen nicht durch Ihr gesamtes Oeuvre? Selbst beim Getty Center in Brentwood finden wir dieses Motiv wieder. RM   Das Grundstück ist sehr groß und liegt auf einem Bergsattel mit einem herrlichen Blick auf den Pazifik im Westen und den San Diego Freeway und dem dahinter liegenden Nobelviertel Brentwood im Osten. Am südlichen Ende des Grundstücks habe ich zwei Gebäuderaster im Winkel von 22,5 Grad überlagert. Das leitet sich aus der Topographie, aber auch der Kurve des Freeways ab, die von den Avenues von Los Angeles im Süden zum ­Sepulveda Pass im Norden überleitet. So ist ein Dialog geglückt zwischen dem Grundrissraster der Gebäude und

Richard Meier ⁄ GESPR ÄCH

dem Zuschnitt des Grundstücks, dem Freeway und dem Straßenraster in Downtown, den großen Erhebungen ebenso wie der hügeligen Umgebung. Das Getty Center ist somit gleichermaßen ein Teil von Los Angeles und den Santa Monica Mountains. RB   Die Überlagerung von zwei Grundrissrastern ist das

eine, das Fassadenmaterial das andere. RM   Ein mit Travertin verkleideter Sockel schafft den Übergang von der Landschaft zu den Bauten des Getty Centers. Das Museum ist ebenfalls mit Travertin verkleidet. Die übrigen, gekurvten Gebäude hingegen sind mit Porzellan-emaillierten Platten verkleidet. Sie sind nicht weiß, sondern sandfarbig, weil die Bauordnung dies so vorschrieb. RB   Sie haben sehr viele Museen gebaut, wohin entwi-

Modellwerkstatt Richard Meier, im Vordergrund das Getty Center in Brentwood, Los Angeles

ckelt sich der Museumsbau? RM   Ich baue wirklich sehr gerne Museen, aber jedes

­ useum ist anders, jede Sammlung ist anders und jeder M Kontext ist anders. Ich hatte das Glück, das Museum in Frankfurt machen zu können, weil ich dadurch das Museum in Atlanta bauen konnte. RB   Der Museumsdirektor des High Museum in Atlanta

hat mich damals angerufen und um einen Erfahrungsbericht gebeten. RM   Das weiß ich. Als ich für das Getty Center interviewt wurde, wollten sie Frankfurt sehen. RB   Ich kannte nur die kleine Getty Villa in Pacific Pali-

sades und war überrascht, dass im Winter 1984 eine dreißigköpfige Delegation des Getty Trusts nach Frankfurt kam, um das Museum für Kunsthandwerk anzuschauen und uns zu befragen. Sie sagten, sie planten auf einem 44 Hektar großen Grundstück einen Komplex mit 88.000 Quadratmetern in Los Angeles. Sie schauten sich dann aus einer Vorschlagsliste von 33 Architekten Bauten von sieben Architekten in Japan, USA und Deutschland an, um danach drei Finalisten zu benennen. Ende 1984 teilten sie uns mit, sie hätten Richard Meier beauftragt, und das Planungskomitee wolle das Museum für Kunsthandwerk Anfang 1985 ein weiteres Mal besichtigen. RM   Und so habe ich das Getty Center und die anderen Museen bekommen. Auch das Getty ist einzigartig, es wird kein weiteres Getty geben. Es gibt nichts wie das Getty! Nicht in unserer Zeit.

Isometrie Getty Center, Brentwood, Los Angeles, 1997

RB   Früher blieben Besucher ein oder zwei Stunden in

einem Museum, jetzt gibt es Museen, in denen man den ganzen Tag verbringen kann.

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RB  Bleiben wir in Europa: Wie kam es dazu, dass Sie sich

Palais Stoclet, Brüssel, Josef Hoffmann, 1911

RM Ja, das stimmt, das ist eine ganz andere Museums-

philosophie, die nach einer anderen Architektur verlangt. Schau dir das Museum of Modern Art an, das war wirklich einmal ein schöner Platz und hatte eine gute Größe. Jetzt wächst es weiter, immer weiter und es wird immer schlimmer. Das Atrium und die Ausstellungen sind gut, aber die Räume sind schrecklich. RB   Was halten Sie vom neuen Whitney? RM  Ich hasse es. Die Lage ist großartig, direkt am ­Hudson

River, am Ende der High Line. Aber wenn du zum Whitney gehst, gerätst du ins Nirgendwo. Es könnte genauso gut dort drüben auf der anderen Straßenseite stehen. Es bezieht sich nicht darauf, wo es ist, was um es herum ist, es ist irgendwo, es ist bedauerlich! RB   Sie legen großen Wert auf den Kontext, was Ihre eu-

ropäischen Bauten auch belegen, aber die amerikanischen sind meist Solitäre. Wie steht es um den Städtebau in den Vereinigten Staaten? RM   Schau aus dem Fenster, fürchterlich! Das, das, das, es geht immer höher, das macht doch keinen Sinn. In Europa gibt es einen Kontext, ein städtischer Raum hat Bezug zu einem anderen städtischen Raum. Die Europäer haben ein Verhältnis zur Dichte einer Stadt und zu ihrer Maßstäblichkeit, das haben wir nicht mehr. Das Empire State Building dort drüben, das ist noch ok. Aber der Wohnturm 56 Leonard Street von Herzog & de Meuron hat nichts mit New York zu tun, es ist kein New Yorker Gebäude, es hat keinen Bezug zum Straßenraster der Stadt, es hat keinen Bezug zum Grundstück, es hat zu überhaupt nichts Bezug! Es ist fehl am Platz, dieses ­Gebäude könnte überall auf der Welt stehen. Die Baugesetze gestalten Manhattan und nicht die Stadtplanung.

mit Europa und der Wiener Architektur so früh und so intensiv auseinandergesetzt haben? RM   Gute Frage, ich weiß nicht mehr, wann ich mich zum ersten Mal damit auseinandergesetzt habe. Auf jeden Fall waren Josef Hoffmann und sein Palais Stoclet in Brüssel, vor allem auch seine Möbel, immer etwas sehr Wichtiges für mich. Nur in Wien und sonst nirgendwo machten ­Architekten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Kunsthandwerk. Ich war sehr glücklich, in Europa arbeiten zu können. Ich bin viel gereist, ich hatte viel Arbeit in Frankfurt, Rom, Paris, Barcelona, und ich hatte fast ein Projekt in Belgien. Was heute nicht der Fall ist; es wird heute schwieriger für einen amerikanischen Architekten. Wir haben eine Menge Arbeit hier und in Asien, aber nichts in Europa. RB   Sie haben nur die prestigeträchtigen öffentlichen Bauten im Auge. Für solche Aufträge gibt es heute in ­Europa klare Regeln. Das war nicht immer so. Als wir 1979 beim Wettbewerb für das Museum für Kunsthandwerk zusätzlich zu vier deutschen Architekten noch den Österreicher Hans Hollein und mit Robert Venturi und Richard Meier die amerikanische Avantgarde einluden, war dies mutig. Politisch, weil dies bisher keine deutsche Stadt gewagt hatte und weil es die ortsansässigen Architekten verärgerte. Organisatorisch, weil jegliche Erfahrung mit Architekten jenseits der Landesgrenzen fehlte. Vielleicht hat Ihr Wettbewerbsentwurf deswegen so eingeschlagen, weil Jane Jacobs Bestseller „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ das Amerikabild der Fachwelt geprägt hatte und niemand von einem amerikanischen Architekten ein so grandioses städtebauliches Konzept erwartet hatte. Anschließend wurden Sie von den deutschen Architekten gefeiert. Es war wie die Heimkehr des verlorenen Sohnes, der die Moderne nach Deutschland zurückgebracht hat. Während Ihres Studiums haben Sie Texte von John Ruskin, dem bedeutenden englischen Kunsthistoriker des 19. Jahrhunderts, gelesen. Von ihm stammen die b ­ eiden Sätze: „Niemand, der kein großer Bildhauer oder Maler ist, kann ein Architekt sein. Wenn er kein Bildhauer oder Maler ist, kann er nur ein Baumeister sein.“ Gibt es ­Bezüge zwischen Ihren Collagen, Skulpturen und I­hrer Architektursprache? RM   Das fragen mich die Leute immer wieder. Vor un­ gefähr 25 Jahren habe ich damit angefangen, Papier­ collagen mit Erinnerungsstücken zu machen, die ich auf Reisen gesammelt habe. Manchmal in Sprachen und Schriften, die ich überhaupt nicht verstehe, auch in kräftigen Farben, die man in meiner Architektur nie finden

Richard Meier ⁄ GESPR ÄCH

Blick in das Richard Meier Model Museum, New Jersey, wo mehr als 400 Modelle von Meier gezeigt werden.

Richard Meier, Esstischgruppe, Knoll International, New York, 1982

Richard Meier, Ore 21, 18. November 1998, Collage, Mixed media, 25,4 × 25,4 × 25,4 cm

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würde. Nach meiner Rückkehr an diesem W ­ ochenende aus Rom sind wieder zwei Collagen entstanden. RB   Nur zum Vergnügen? RM   Ja! Ich habe wahrscheinlich mehr als tausend Col-

lagen. Ich werde auch weiterhin Collagen machen. Bei Sotheby´s wird es in Kürze eine Ausstellung geben. RB  Und dann gibt es auch noch Ihre Skulpturen. Sie sind

nicht weiß, sie sind grau! Sie sind nicht gerade, sie sind krumm! Sie sind abstrakt, aber sie tragen Namen süddeutscher Kleinstädte wie Ottobeuren, das absolute ­Gegenteil Ihrer Architektur! RM   Wenn ich an meinen Skulpturen arbeite, will ich frei sein. Es sind dreidimensionale Collagen aus Überbleibseln von Architekturmodellen, die ich in einer Eisengießerei in Upstate New York mache. Ihre Titel sind ein Memento an die Barockkirchen in Süddeutschland. Als ich 1973 an der American Academy in Rom war, fuhr ich mit Studenten in einem Bus durch das winterliche Süddeutschland. Wir besichtigten Barockkirchen. Vierzehnheiligen im Schnee, das war unglaublich! Niemand war in der Kirche, sie war leer außer einer einzigen Person, die Orgel spielte. Das war ergreifend! Sieh dir diese Kirchen an, vergiss die ­Dekoration! Sieh dir diese Räume an, erstaun­lich! Diese Qualität der Architektur, das ist phantastisch!

RB   Die postmoderne Architektur ist tot, der Dekon­

struktivismus ist tot, was ist die Zukunft der Architektur? Charles Jencks hat Sie einen „late-modernist architect“, einen spätmodernen Architekten genannt. Wenn dem so wäre, wer wäre dann ein „late-late-modernist architect“? RM   Es kann ja für mich spät sein, weil ich so alt bin! Ich glaube nicht, dass es einen Spätmodernismus gibt. „Modern architecture is here to stay!“ Die Moderne hat einen Bezug zur Materialität, zum Kontext und jedwede Architektur hat ihren Bezug zur Funktion, das ist die Vorgabe, um die sich alles dreht. RB   Welchen Weg würden Sie denn als junger Architekt

einschlagen? RM   Das ist eine wirklich schwierige Frage. Wenn ich

mich in der Welt so umschaue und sehe, was gemacht wird, muss ich feststellen, dass heute viel mehr gute Architektur entsteht als vor dreißig Jahren. Es gibt heute viele gute junge Architekten in Südamerika, in Indien, in Japan, in Deutschland und überall. Es gibt eine Menge wohlüberlegter Arbeiten, es ist nicht alles gut, aber es gibt mehr davon als früher. Ich finde das ermutigend und das gibt mir ein gutes Gefühl!

RB   Es sind ja keine große Kirchen ... RM   ... auch nicht wirklich klein. Ich habe den Namen

­einer Dorfkirche vergessen, RB   ... vielleicht Pfullendorf ... oder Ottobeuren ... RM  ...sie steht nicht auf dem freiem Feld, nicht auf einem

Hügel, sie steht mitten im Ort, an einer Straßenecke, und du gehst hinein, sie ist trotzdem großartig! RB   Sie kommen ja richtig ins Schwärmen, das müssen

sehr beeindruckende Bilder gewesen sein. RM   Und trotzdem, es gibt keine Beziehung zu meiner

Architektur, denn Architektur ist eine Sache, Malerei und Skulptur ist etwas ganz anderes. Architektur befasst sich mit Raum, Raum, in dem man sich bewegt, der mit den menschlichen Maßstäben zusammenhängt. Gemälde und Collagen sind Objekte, keine räumlichen Objekte. Du kannst nicht sagen, dass ich mit einer Collage einen Raum schaffen werde. Raum hat eine Funktion, er steht in Beziehung zur menschlichen Funktion, zu einem menschlichen Maßstab. Raum muss etwas sein, das man benutzt. Und Malerei und Skulptur hat keinen praktischen Nutzen, außer dem Auge zu gefallen.

Richard Meier, Ottobeuren 1993, Hommage an eine Barockkirche in Süddeutschland, Skulptur, nichtrostender Stahl, in einen virtuellen Würfel von ca. 100 × 100 × 100 cm Kantenlänge einbeschrieben

Richard Meier ⁄ GESPR ÄCH

Basilika Vierzehnheiligen, Bad Staffelstein, Balthasar Neumann, 1772

Das Gespräch zwischen Richard Meier (RM) und Roland Burgard (RB) wurde am 27. Oktober 2017 im Büro von Richard Meier in New York geführt.

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Schirn Kunsthalle

Architekten: Bangert Jansen Scholz Schultes (BJSS) Fläche (BGF): 10.850 m2 Wettbewerb: 1979 Eröffnung: 1986 Römerberg 60311 Frankfurt am Main

Die Schirn Kunsthalle ging aus dem großen Dom-Römerberg-Wettbewerb hervor, welcher 1980 das nach dem Krieg entstandene, städtebauliche Brachland zwischen Kaiserdom und Römer, Technischem Rathaus und der 1950er-Jahre Bebauung am Main neu ordnen sollte. Mit dem Begriff „Schirn”, auf Mainfränkisch einst die Bezeichnung für einen offenen Metzgerstand, wollte man auf die Volksnähe und Urbanität des neuen Kulturinstituts hinweisen. Mit dem Zusatz Kunsthalle wird deutlich, dass hier Wechselausstellungen gezeigt werden oder Kunstausstellungen, die für den gegenseitigen Austausch mit anderen Institutionen produziert werden. Eigene Sammlungsbestände gibt es nicht. Der realisierte Wettbewerbsentwurf von Bangert Jansen Scholz Schultes hat bewusst nicht den Fußabdruck der im Zweiten Weltkrieg untergegangenen Altstadt ab­ gebildet, auch wenn der Begriff Schirn dies eigentlich vermuten ließe. Ihrem Plan legten die Architekten ein

Ansicht von der Saalgasse

Blick von Osten durch die Bendergasse auf die Rotunde, 2018 nach der Errichtung des Stadthauses (rechts)

Schirn Kunsthalle

Blick von Westen durch die Bendergasse auf die Rotunde, 2006 anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums der Schirn Kunsthalle

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Isometrie (Untersicht)

Achsenkreuz zugrunde, dessen eine Achse sich vom Dom im Osten bis zur Nikolaikirche im Westen spannt und den Verlauf der im Krieg untergegangenen Bendergasse nachzeichnet. Diesen historischen Bezug untermauert das 120 Meter lange, zehn Meter breite, dreigeschossige Langhaus, welches im obersten Stockwerk die Ausstellungsräume aufnimmt; das architektonische Rückgrat der Schirn. Im westlichen Drittelpunkt kreuzt die zweite Achse, wodurch das Gesamtareal des Dom-Römerbergs in vier unterschiedlich nutzbare Quadranten aufgeteilt wird. Dies beschert dem Entwurfskonzept eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit und Flexibilität gegenüber sich verändernden Rahmenbedingungen. Schon beim Wettbewerb hielten die Architekten mit ihren Bau-

ten bewusst Abstand zu den damals vorgegebenen historischen Elementen, wie der Römerberg Ostzeile im Westen und dem Historischen Garten im Norden. Selbst die 2018 fertiggestellte Altstadtbebauung, die städtebaulich und architektonisch an das Bild der 1944 im Flammenmeer untergegangenen Altstadtromantik anknüpfen will, konnte dem Bau der Schirn kaum etwas anhaben. Der Entwurf der Schirn ist ein Spiel mit Archetypen, d ­ eren Ikonographie den Bogen vom Klassizismus zum Rationalismus spannt und das dem Bau seine Autorität verleiht. Aus Achse, Kreuz, Dreieck, Kreis, Tonne und Z ­ y­linder entwickelten die Architekten unterschiedliche Baukörper, die sie zu einer markanten Großform zusammenfügten.

Schirn Kunsthalle

Luftbild des Römerberg-Areals. Der langgestreckte Riegel mit Rotunde der Schirn ist links im Bild zu erkennen.

Blick in das Dach über der Rotunde

Schnitt durch die Rotunde

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Blicke in das Innere der Kunsthalle ohne Exponate

Grundriss Erdgeschoss der Schirn Kunsthalle mit dem Historischen Garten, 1985

Schirn Kunsthalle

Blick in das Innere der Kunsthalle ohne Exponate

Die offene Rotunde im Achsenkreuz fängt aus der Bendergasse kommende Besucher ab und leitet sie in die Kunsthalle um. Nördlich davon markiert ein Baukörper, dessen Grundriss die Form eines Viertelkreises nachzeichnet, die niedrigen, künstlich belichteten Ausstellungsräume. Sein Pendant im Süden ist der rechteckige, tonnenüberdachte Mehrzwecksaal. Er öffnet sich zur Saalgasse, wo zu beiden Seiten die postmodernen Stadthäuser aufgereiht sind. Sieht man vom Abbruch der vordergründig funktionsfreien Skulptur des „Tischs”, der viele Jahre als Austragungsort spannender Aktivitäten der zeitgenössischen Kunst diente, einmal ab – die Architekten hatten diesem schweren Herzens zugestimmt – so hat sich der Schirn-Entwurf

als bemerkenswert robust erwiesen. Es soll sogar Architekturkritiker geben, welche die bedrückende Nähe des neu errichteten Stadthauses zu den Arkaden des Langhauses der Schirn für einem Gewinn halten, erinnere sie doch an die Eingriffe Vasaris bei den Uffizien in das Stadtgefüge von Florenz.

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Wir hatten eine phantastische Aufgabe! GESPRÄCH MIT DIETRICH BANGERT

Potential wie damals in keiner anderen Bauaufgabe in Deutschland. RB   Die Arbeit Ihres Vaters für die Siedlungen Römer­

Dietrich Bangert 2006

stadt, Praunheim und Westhausen ist 2013 mit der Benennung einer Straße am Uni-Campus Riedberg gewürdigt worden. Eine andere ist nach Mart Stam benannt. DB   Es ist schön, dass man Mart Stam und Wolfgang ­Bangert, die in den Projekten von Ernst May gearbeitet haben, noch einmal in dieser Stadt zusammenbringt. RB   Hat Ihr Vater Ihnen von dieser Zeit erzählt neben

RB  Uns verbindet mehr als man glauben möchte: im sel-

ben Jahr geboren und in den Wirtschaftswunderjahren aufgewachsen. Unsere Väter waren Stadtplaner; Ihr ­Vater verantwortete den Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt Kassel, meiner, deutlich jünger, betrieb in den wilden 60er- und 70er-Jahren die Bebauungspläne am Main. Das Architekturstudium in den 60er-Jahren hat uns geprägt; Sie die Technischen Hochschulen in Darmstadt und Westberlin, mich die TH Karlsruhe. Wenn auch in unterschiedlichen Funktionen, haben wir mit dem Wiederaufbau des Dom-Römer-Areals eine der letzten Wunden in der Frankfurter Innenstadt geschlossen. Als Zeitzeugen des Wiederaufstiegs der Stadt Frankfurt und ihrer Metamorphose zu einem europäischen Player beobachten wir nun den Wertewandel in Architektur und Städtebau nach der Jahrtausendwende. DB   Wir hatten eine phantastische Aufgabe! Das Thema unserer Väter war in dieser Stadt in den 1920er-Jahren der Siedlungsbau und die Wohnung für das Existenz­ minimum, ab den 1960er-Jahren die rapide Stadtentwicklung und aufkommende gesellschaftliche Konflikte. Wir hatten den Luxus, den entscheidenden Schlussstein in der dreißigjährigen Geschichte des Wiederaufbaus im Herzen der Stadt zu setzen. Wir konnten die Zeugnisse der Geschichte, die hier wie Einzelstücke ihrer Zeit in ­einem imaginären Museum standen, in harmonischem Zusammenhang inszenieren und die Geschichte als bildhafte Erfahrung zur besonderen Qualität dieses Ortes machen. In der Polarität zwischen Dom und Römer, ­zwischen Ruinenfeld und Rekonstruktion, lag dafür ein

dem, was Sie in Kassel naturgemäß mitbekommen haben? Hat er Sie hingeführt zur Architektur und schließlich zu Ihrer Berufswahl? DB   Ich bin in die Architektur hineingewachsen. Mein Großvater Karl Eduard Bangert war Architekt in Berlin. Er baute Villen und Landhäuser von der Jahrhundertwende an. Zwei seiner drei Söhne, Wolfgang und Walther, wurden Architekten und beide vor allem Städteplaner. Wolfgang Bangert ging zu Ernst May nach Frankfurt. Er promovierte mit dem Thema „Baupolitik und Stadtgestaltung in Frankfurt am Main“. Von 1949 bis 1966 war er Stadtbaurat in Kassel. Walther Bangert arbeitete mit Herrmann Jansen an den Planungen für Ankara als neue Hauptstadt der Türkei. Er wurde Professor für Städtebau an der Technischen Hochschule in Braunschweig. Im Krieg kam es zwischen Walther Bangert und Albert Speer, seinem ehemaligen Studienkollegen, anlässlich der Planungen für Posen zum Zerwürfnis. Speer schickte ihn an die Front, wo er im April 1945 in Süddeutschland gefallen ist. Er war mein leiblicher Vater. Wolfgang Bangert heiratete meine Mutter 1948. Nach ihrem frühen Tod heiratete er deren Schwester. Onkel und Tante waren nun die Eltern für meinen Bruder und mich. Wir wuchsen auf in einer Art Mäzenatentum, großzügig und frei im Geiste auch derer, die nicht mehr am Leben waren. RB   Unglück und Glück lagen in Kriegs- und Nachkriegs-

zeit dicht beisammen. Dennoch gab es in Ihrer Familie auch Kontinuität. In Architektenkreisen nennt man alle, die, genau wie Sie, im Stammbaum auf mehr als nur

Dietrich Bangert ⁄ GESPR ÄCH

­ inen Architekten verweisen können, liebevoll Architeke tensprößlinge. Wie war das bei Ihnen? DB   Das fängt beim Spielzeug an. Neben umfangreichen Steinbaukästen, mit denen mein Vater stadträumliche Szenerien baute und die mich besonders auch durch Fragmenthaftigkeit und Widerspruch zum Gebauten als ­Zeitphänomene faszinierten, war das nachhaltigste eine Stadt aus Fachwerkhäusern, etwa fünfzig bemalte ­Objekte aus Holz, welche die beiden Brüder gebaut hatten. Es war ein sinnliches, anregendes Spielzeug und ließ mich fühlen, dass eine Stadt tatsächlich auch ein Spielzeug ist. Das Konzept der Schirn, die Setzung der Raumkante von der Nikolaikirche zum Dom und die Disposition ihrer ­weiteren Elemente ist allein am Modell entstanden. Die Sequenz der Häuser in der Saalgasse wurde mit ­Rochaden von Modellen am großen Schirnmodell gefunden. In ­unserer Wohnung, in der einst Claus Schenk Graf von Stauffenberg gewohnt hatte, sah Tom Cruise anlässlich der Dreharbeiten zu „Valkyrie“ diese Fachwerkhäuser. Sein Kommentar: „I like Frankfurt!“ RB   Was gab dann endgültig den Ausschlag, Architektur

zu studieren? DB   Der Wiederaufbau der Stadt war allgegenwärtig, auch am Familientisch. Es empörte uns als frühe Erfahrung des Scheiterns der skandalöse Umgang mit einem Architekten: Scharoun wurde von der Landesregierung aus Wiesbaden sein zukunftsweisendes Projekt für das Staatstheater Kassel entzogen. Es inspirierten uns die temporären Environments der Bundesgartenschau und der Documenta, zuvor die Treppenstraße, als Fußgängerstraße ein Lieblingsthema meines Vaters, und später das

Kaufhaus Bilka von Sep Ruf mit dem historischen Portikus des Roten Palais. Dazu kam: Mein Vater hatte mir das Buch „Phantastische Architektur“ von Hans-Günther Sperlich und Ulrich ­Conrads geschenkt. Da hat sich eine Sache aufgetan. Schließlich eine Klassenfahrt nach Rom. Keine Trümmer wie früher in Kassel, sondern mitten im Leben 2000 Jahre Geschichte unter freiem Himmel. Die sichtbare Gleichzeitigkeit von allem in der Stadt. Das war der Römerberg von 1980! RB   Wo zog es Sie zum Studium hin? DB  Nirgends. Darmstadt lag nahe. Die Technische Hoch-

schule war interessant. Aber mit der Stadt konnte ich nichts anfangen. Ich ging nach Berlin. RB   Dort hat 1964 Oswald Mathias Ungers, eine Ihrer

Leitfiguren, seine Professur angetreten. DB   Als ich 1965 nach Berlin kam, hatte er seine legendären Vorlesungen schon gehalten. Seine Wochenwettbewerbe zu einem immer gleichen Programm eines Wohnhauses mit Bindung an eine jeweils andere, extreme Vorgabe sind dann auch Legende geworden. Damit habe ich mein Studium in Berlin begonnen. Die Baulücke folgte, der städtische Kontext als Ausgangspunkt der Arbeit. Ungers sah sich selbst wie seine Studenten als Suchende und ließ große Freiheiten. Die Besprechungen waren auf das Prinzipielle ausgerichtet, auf das thematische Statement, auf Konsequenz. Es folgte ein Intermezzo mit Gastprofessoren, für dessen Teil­nahme man sich mit einem zweiwöchigen Wettbewerb für eine Schule qualifizieren musste. Ich hatte das­große Glück, dass mein Wunsch nach Ludwig Leo in ­Erfüllung ging.

Tom Cruise beim Anblick der Fachwerkmodellhäuschen in Dietrich Bangerts Wohnung in Berlin: „I like Frankfurt!“

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Aufgang zur Schirn Kunsthalle mit dem 2012 abgerissenen „Tisch“ von Osten (Aufnahme 1987)

Der „Tisch“ als Bestandteil des Ausstellungsprojekts „Playing the City“, bei dem internationale Künstler von 2009 bis 2011 die Frankfurter Innenstadt bespielten.

RB   Was war anders in Ludwig Leos Lehre? DB  Er stellte den Menschen ins Verhältnis zu den Dingen,

Berlin in einer gemeinsamen Diplomarbeit diesen Irrwitz in der Verbindung von vielseitigen sozialen und technischen Aspekten in einem Teilbereich von Charlottenburg auf die Spitze zu treiben. Ausgehend von konkreten und sinnvollen Kriterien fand unsere Perfektion akademischen Unsinns als städtebaulicher Versuch selbst die Zustimmung der linksorientierten Studenten und auch internationale Anerkennung. Es brauchte eine Zeit, von diesem Rigorismus wieder herunterzukommen. Als Lehrer verdanke ich Ungers viel. Den von ihm später verwendeten Begriff einer huma­nistischen Architektur verbände ich dagegen lieber mit ­Aalto oder mit dem Raumerlebnis in Scharouns Philharmonie, seiner unvergleichlichen Schöpfung zur Anwesenheitsqualität von Menschen im Raum.

die er sich schafft. Von der Liebe zum Technoiden bis zur Wahrnehmung des Umfelds in der Bewegung – es war äußerst komplex und intensiv. RB   Offensichtlich zwei prägende Erfahrungen. DB   Als Ungers im Dezember 1967 eine achtzehnköpfige

internationale Elite von Architekturtheoretikern zu einem Kongress ins Audimax der TU eingeladen hatte, ließen Studenten von der Galerie ein Spruchband herunter mit der Aufforderung: „Alle Häuser sind schön, hört auf zu bauen!“ Mit Seminaren zum Wohnungsbau in Stahl, Großtafeln und Raumzellen, die Ungers an seine Assistenten delegierte, ging es auf einen eher technokratischen Schematismus zu. Daneben trat die Beziehung von städtischer Verkehrs- und Baustruktur in den Fokus des Interesses. Die Überbauung von Berlin mit einer Megastruktur schließlich war dann der Ausgangspunkt für Bernd Jansen und mich, 1969 als Ungers‘ letzte Diplomanden in

RB   Schwingt da auch etwas Ambivalenz mit in Ihrem

Resümee? DB   Es ist so eine Sache mit dem Schaffen und Besetzen von Begriffen.

Dietrich Bangert ⁄ GESPR ÄCH

Der „Tisch“ als Ort für die „Tape Installation“ des Designkollektivs For Use/Numen, 2010

RB   Wie ging es weiter nach dem Diplom? DB   Ich bekam ein Stipendium am Imperial College und

einen Studienplatz an der AA, sagte aber beides ab – ich wollte Wettbewerbe machen. 1970 ist als Erstes das ­Projekt „Fußgängerbereich Zeil“ in Frankfurt entstanden. Ich habe dafür auf die Hilfe von Studienfreunden aus Darmstadt zurückgegriffen, da ich mit Bernd Jansen, dessen zwischenzeitlichen Urlaub ich nützte, noch an einem anderen Wettbewerb arbeitete. RB   Und zehn Jahre später haben Sie den Römerberg-­

Wettbewerb gewonnen. DB   1973 hatte sich die Partnerschaft Bangert Jansen Scholz Schultes gegründet. Das Römerberg-Projekt von 1962 ist nach dem Bau des Technischen Rathauses nicht weitergeführt worden. Während meiner Arbeit an der Zeil war ich öfters dort im Rathaus und habe mir diesen Ort für den Fall eines neuen Wettbewerbs allmählich an­ geeignet.

Der „Tisch“ als Ort für die Ausstellung „Auf eigene Gefahr“ mit Christoph Büchels „Dummy“, 2003

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RB   Das Juryprotokoll zum sechsten Wettbewerb seit

der Zerstörung der Frankfurter Altstadt am 20.  März 1944, den Sie gewonnen hatten, glich einer Hymne: ­„Dabei stimmten alle Voten bezüglich der Arbeit 83 überein, dass es sich um einen eindeutig Ersten Preis handelt, der auf Vorschlag der Sachpreisrichter sogar durch eine Erhöhung des ausgesetzten Preises eine Hervorhebung verdiene.“ Und weiter: „Der mit dem Ersten Preis ausgezeichnete Entwurf hat das in der Öffentlichkeit und den Fachkreisen engagierte Problem des Wiederaufbaus der alten Zeile in einer überzeugenden Weise gelöst, die vom stadtgestalterischen her den Wunsch des Wiederaufbaus rechtfertigt. Darüber hinaus bietet dieser Entwurf eine langfristig städtebaulich und gestalterische Gültigkeit, indem er die Forderungen der Auslobung in hohem Maße gerecht wird, die heterogenen Elemente aus verschiedenen Epochen, die heute als zusammenhängende Solitärbauten den Römerberg kennzeichnen, zu einer neuen Einheit zusammenfasst und zugleich durch das Angebot offener Freibereiche auch Qualitäten des nach dem Krieg entstandenen Platzbereiches übernimmt.“ DB   Im Spannungsfeld zwischen Dom und Römer ging es um das Gleichgewicht von Stadtkörper und Stadtraum im übergreifenden Maßstab sowie in der Beziehung der ein­ zelnen Teilbereiche und Einzelobjekte. Das Prinzip des Dialogs setzte sich fort in einer aus dem Ort hervorgebrachten Vielschichtigkeit in den unterschiedlichsten Beziehungsebenen. So zum Beispiel in der Transformation des Fachwerks auf steinernem Erdgeschoss in den Curtainwall der Schirngalerie, womit die rigorose städtebauliche Setzung sich in die Kontinuität des Regionalen bindet. Der ganzen Dimension dieses Ortes und der Gleichzeitigkeit von Geschichte unter freiem Himmel Gestalt zu geben, das war unglaublich faszinierend. Mein Vater hatte zu seiner Arbeit am Wiederaufbau in Kassel gesagt, dass es seit dem Dreißigjährigen Krieg eine solche Aufgabe nicht mehr gegeben habe. Hier war ein ­letztes Stück davon. RB   Dieses Gesamterlebnis ist ja nun erheblich gestört.

Wie sehen Sie die im Mai 2018 der Öffentlichkeit übergebene Bebauung der Frankfurter Altstadt, mit welcher man auf den Abbruch des erst 1972 errichteten Technischen Rathauses reagiert hat? DB   Die kreuzförmige Disposition der Schirn bildet vier Quadranten, die städtebaulich unterschiedliche Optionen ermöglichen. Schon 1980 war der Beschluss einer Rekonstruktion von Ostzeile und Schwarzem Stern nicht unumstritten. Deshalb wurde für den Wettbewerb eine optionale Alternative eingefordert. Ich verstand gerade

in der Polarität zum römisch-karolingischen Ruinenfeld vor dem Dom die Wiederherstellung des städtebaulichen Ensembles am Römer als legitime Stabilisierung des ­Erinnerungspotentials. Nicht alle im Büro waren dieser Ansicht und so tauschten wir in diesem Quadranten für die optionale Alternative den historischen Block gegen eine Stadtloggia aus. Die Bürger sollten entscheiden. Diese Grunddisposition der Schirn ermöglichte nicht zuletzt auch eine individuelle Arbeit der verschiedenen Partner im Projekt. Entsprechend könnte man die aktuelle Altstadt­erwei­ terung betrachten. Auf dem alten Grundriss, möchte man meinen, kann man nicht viel falsch machen. Und die ­Mischung von alten und neuen Gebäuden bringt einen dritten, ganz eigenen Charakter hervor, gewissermaßen als Verschnitt von Ostzeile und Saalgasse. Den Erfolg der Mühen der beteiligten Architekten im Einzelnen mögen andere beurteilen. Eine katastrophale Entscheidung ist aber die völlige Überbauung des Historischen Gartens, die Auslöschung dieser geschichtlichen Ebene aus der gleichberechtigten Anwesenheit im Stadtraum. Sie ist ein Zeichen blindwütigen Tuns. Es gab einen Wettbewerbsbeitrag von HG Merz, der den Krönungsweg in Gänze rekonstruierte und zugleich die Raumbeziehung zwischen Dom und Schirn über einen räumlich gefassten Historischen Garten gar überhöhte, wie es auch der ursprüngliche Plan der Stadt vorsah. Er wurde nicht einmal zur Beurteilung zugelassen. Welchen Kräften wäre er gefährlich geworden? RB   Wie beurteilen Sie die gegenwärtige aufgeheizte

Debatte in den Medien um den Populismus in der Architektur? DB   Ich halte es in diesem Zusammenhang nicht für ergiebig, über die treibenden Kräfte des Populismus zu sinnieren. Der Rekonstruktionsbeschluss am Römerberg weiß eine große Mehrheit hinter sich, und die aktuelle Blindheit gegenüber der Komplexität dieses Erlebnisraums hat maßgebliche Vertreter aus der Frankfurter Architektenschaft. Nun liegen die alten Mauern wieder unter der Altstadt. Und auch die Leiche liegt jetzt endlich im Keller. Das Erstaunliche an diesem Streit ist, dass alle nur über die Häuschen reden. Der Verlust der Erinnerungsqualität des Raumkonzepts von 1980, die 35 Jahre nach dem Ende des Krieges noch besonders hervorgehoben wurde, wird ebenso viele Jahre später nicht einmal bemerkt. Dieses gnadenlose Zubauen ist übel. Ist das ein langfristiger Wertewandel oder nur eine temporäre Er­ scheinung? Die Präsenz der ganzen Bandbreite der Geschichte ist bei allem Krampf, der auch bei uns in Berlin abgeht, ein Grund, warum ich gerne in Berlin lebe.

Dietrich Bangert ⁄ GESPR ÄCH

Außenaufnahme Schirn mit Kerzen anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums, 2006

RB  Sie sehen das Konzept des von Ihnen 1980 erdachten

ganzheitlichen Stadterlebnisses ernsthaft beschädigt? DB  Absolut. Nicht nur das Konzept, sondern diesen Ort der Stadt. Das bildhafte Gedächtnis der Stadt ist um Vieles und Wesentliches ärmer. Dabei stand hier so Vieles anschaulich und anregend auf dem Kopf, nicht nur ein Fachwerkhaus in der Fassade eines Hauses in der Saalgasse. Die Archäologen, so sagte Max Bächer seinerzeit bei der Präsentation des Wettbewerbs an der TU in Darmstadt, werden unter der Ostzeile einen Ford Taunus finden und die Erfindung des Automobils auf das 14. Jahrhundert datieren. Und dann sagte er noch bezüglich der dynamischen Flucht der Schirn auf den Dom: „Der Bangert hat in Darmstadt Vordiplom gemacht und Lissitzky hat auch einmal in Darmstadt studiert.“ So kann man die Dinge auch auf den Punkt bringen.

Haus und der veränderten Topographie geschaffen hätte. Im Wettbewerb zur Altstadtbebauung hat nicht ein Einziger den Tisch entfernt, obwohl es als Variante zulässig war. Die Unbelehrbaren brachten mich zu meinem Entschluss: Ich wollte nicht etwa meine Frau oder meine Nachkommen mit der Knarre neben den Tisch stellen müssen. Es ist aber gut, dass es ihn gegeben hat. Die Gespräche zwischen Dietrich Bangert (DB) und Roland Burgard (RB) ­wurden am 3. Juli 2017 in der Schirn Kunsthalle und am 13. Juli 2018 im Büro von Dietrich Bangert in Berlin geführt.

RB   Zum Schluss noch eine Frage: Warum haben Sie den

„Tisch“ geopfert? DB  Ich habe im Auftrag der Stadt eine Lösung erarbeitet,

die ein hervorragendes Zusammengehen mit dem Roten

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Archäologisches Museum Frankfurt

Architekt: Josef Paul Kleihues Fläche (BGF): 2600 m2 Wettbewerb: 1980 Eröffnung: 1989 Karmelitergasse 1 60311 Frankfurt am Main

Nach der Zerstörung seines Domizils im Dominikanerkloster im Jahr 1944 wurde das „Museum für heimische Vor- und Frühgeschichte”, wie die Institution bis 1956 hieß, erst 1952 als Museum wieder ins Leben ge­ rufen und auf sechs Liegenschaften verteilt. Seit 1989 ist es abseits städtischer Geschäftigkeit, innerhalb der ­ehemaligen Staufermauer zwischen Römer und dem Maintor-Areal auf der nördlichen Mainseite gelegen, zu einem Ort der Ruhe und Konzentration geworden. Der Karmeliterklosterkomplex, 1944 zerstört und in den 1950er-Jahren wieder aufgebaut, birgt heute das Institut für Stadtgeschichte. Wie das Kloster, so wurde auch die Karmeliterkirche bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts profaniert. Auch der spätgotische Hallenbau mit südlichem Kreuzarm und St.-Anna-Kapelle von 1494 hatte im März 1944 sein Gewölbe verloren. Bei dem Wiederaufbau des Langhauses für das Museum für Vor- und Frühgeschichte entwarf Josef Paul Kleihues einen feingliedrigen, stählernen Dachstuhl, welcher Assoziationen mit den Konstruktionen von Eugène Viollet-Le-Duc aus dem 19. Jahrhundert weckt. Ansonsten blieb jedoch der spätgotische Raumeindruck des Langhauses erhalten. Auch mit dem Neubau für das Museum nahm Kleihues Rücksicht auf das Weichbild der historischen Stadt. Aus den beiden längsgerichteten Baukörpern des Karmeliter­

klosters leitete er für seinen Entwurf einen dritten, ebenfalls längsgerichteten Museumsflügel ab. Auch hier erkennbar eine Variante eines zentralen Themas seines Oeuvres, die Morphologie des städtischen Blocks. Entlang der Alten Mainzer Gasse im Süden ist er geschlossen, nach Norden zum Kirchenschiff hingegen verglast und offen. Der Bau wirkt introvertiert, obwohl die Schmal­ seiten des Baublocks offen sind; im Westen leicht ab­ gewinkelt der quadratische Vortragssaal an der Seck­ bächer Gasse und im Osten an der Karmelitergasse die aufgeständerte Bibliothek. Dies weckt die Neugier der Passanten, lädt zu direkten Blicken auf das Kirchenschiff ein und erhöht die Spannung zwischen Offen und Geschlossen, Alt und Neu. Auch der in jenen Jahren neu entdeckten Kraft des Zitats bedient sich der Architekt. Die gestreifte Fassade an der Alten Mainzer Gasse bezieht sich auf die alte Frankfurter Börse von Friedrich August Stüler, und mit den sichtbaren Befestigungen der Natursteinplatten verweist er auf die Postsparkasse Otto Wagners in Wien. Doch damit genug der Poesie und des Erzählerischen. Ansonsten herrscht Perfektion bis ins kleinste handwerkliche Detail. Hier entstand kein Tempel der schönen Künste, kein quirliger Aktionsort. Josef Paul Kleihues hat sich im noblen Understatement geübt, und das tut den Exponaten gut.

Isometrie (Aufsicht)

Isometrie (Untersicht)

Archäologisches Museum Frankfurt

Blick auf den Längsriegel des Neubaus neben der Karmeliterkirche

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Blick von der Karmelitergasse im Osten auf den Eingang und den Übergang zum Querschiff der Karmeliterkirche

Schnitt von Süden nach Norden durch den Neubau mit der Eingangshalle im Erdgeschoss, der Verwaltung im Obergeschoss und den Technikräumen im Untergeschoss, sowie der St.-Anna-­ Kapelle und dem Kirchenschiff der Karmeliterkirche

Ansicht des Karmeliterklosters von der Karmelitergasse im Osten aus mit Schnitt durch die Eingangshalle im Erdgeschoss, die Bibliothek und Verwaltung in den Obergeschossen und den Werkstätten im Untergeschoss

Archäologisches Museum Frankfurt

Die Natursteinplatten des Neubaus schließen harmonisch aber gleichzeitig eigenständig an den Bestand an.

Der stählerne Dachstuhl des neuen Langhauses neben der gotischen Deckenkonstruktion

Grundriss Erdgeschoss

Die transparente Fassade erlaubt den Blick in die Ausstellungsräume.

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Poesie und Rationalismus GESPRÄCH MIT JOSEF PAUL KLEIHUES

ganz abwegig ist, wenn man aus dem katholischen Westfalen kommt. JPK   Das habe ich Ihnen erzählt? RB   Ihr Berufswunsch ist offensichtlich in Erfüllung ge-

Josef Paul Kleihues 1980

gangen, denn als IBA-Direktor hingen Ihnen Architekten aus aller Welt an den Rockschößen. In der ehemaligen Viersektorenstadt geben Sie seit einem Vierteljahrhundert in Architektur und Stadtplanung nicht nur den Takt vor, Sie haben ja auch die Partitur geschrieben. Wie ­kamen Sie zur Architektur? JPK  Als Schüler sah ich Architektenpläne im Büro meines Vaters, diese interessierten mich. Dann, 1953, be­sichtigte ich bei einer Englandreise gotische Kathedralen, die faszinierten mich. Nach dem Abitur 1955 erhielt ich einen Studienplatz an der Technischen Hochschule in Stuttgart.

RB   Hätten Sie sich dies einmal träumen lassen: Die

„Bauwelt“ feiert ihr neunzigjähriges Bestehen mit einem Umtrunk in Berlin in der Russischen Botschaft Unter den Linden. JPK   Ich habe immer an die Zukunft Berlins geglaubt. Nach dem Mauerbau 1961 habe ich in Berlin ein Haus gekauft! RB   Sind Sie also Optimist? JPK   Ich bin Rationalist und kunstsinnig.

RB   In der Vorkriegszeit war die konservative „Stuttgar-

ter Schule“ einer der Gegenpole zum Internationalen Stil. Noch in den 1950er-Jahren waren etliche Lehrstühle mit Bonatz- und Schmitthenner-Schülern besetzt. Wie vertrug sich dies mit der Modernen Architektur, nach dem Zweiten Weltkrieg das unumstößliche Synonym für westliches Demokratieverständnis. JPK   Baukonstruktion hörte ich bei Hans Brüllmann und Günter Wilhelm. Die waren grundsolide und undogma-

RB   Bei Ihrem Aufstieg in den Berliner, besser noch, den

deutschen Olymp der Architekten und Städteplaner zeichnen Sie das Bild eines ungewöhnlich begabten Strategen, bisweilen spielerisch, wohl immer überlegt, nie emotional. Wo liegen Ihre Wurzeln, wie kam es zu Ihrem Berufswunsch und schließlich, wie schafften Sie das alles? JPK   Ich entstamme einem westfälischen Akademikerhaushalt, mein Vater hatte ein Bauunternehmen. RB  Gerade kommt mir eine Anekdote in den Sinn, die Sie

einmal gut gelaunt zum Besten gaben. JPK   Die wäre? RB   Im Alter von vier oder fünf Jahren hätte man Sie ge-

fragt: Was willst du einmal werden? Die Antwort des kleinen Gernegroß: Der liebe Gott! Was ja vielleicht nicht

„Das Prinzip Reihung in der Architektur“, Dortmunder Architekturtage 1975 (Dortmunder Architekturhefte)

Josef Paul Kleihues ⁄ GESPR ÄCH

tisch. Richard Döcker, seit 1947 Leiter der Architekturabteilung, hingegen war ein Modernist. Beides hat mich geprägt. RB   Dann der Wechsel nach Berlin. JPK   Hans Scharoun, der 1954 in Stuttgart die Wohn-

hochhäuser Romeo und Julia in Auftrag hatte, holte mich an die TU Berlin. Nach dem Diplom erhielt ich ein Stipendium an der École national supérieure des beaux-arts in Paris, was mich nachhaltig beeinflusste. Meine ersten Berufsjahre verbrachte ich wieder in Berlin. Klingenmuseum und Stadtarchiv Solingen-Gräfrath, 1979, Modell

RB   Lassen Sie mich einen großen Sprung machen: 1973

wurden Sie als Ordinarius für Architekturtheorie an die neu gegründete Technische Universität Dortmund berufen. Und schon von 1975 bis 1981 veranstalteten Sie die Dortmunder Architekturtage, für die jungen Architekten in Westdeutschland ein Fanal des Aufbruchs aus dem Absturz des Internationalen Stils in den Bauwirtschaftsfunktionalismus, das Ende der Politisierung des Architekturstudiums und ein neues, pluralistisches Architekturgeschehen. Manche mutmaßten, Sie wollten sich ein Podium für einen neuen Rationalismus schaffen. JPK  Das lag zwar nahe, war aber nicht so. Die ersten drei Symposien beschäftigten sich mit Konstruktionsprin­ zipien in verschiedenen Kulturepochen. Den Anfang machte 1975 „Das Prinzip Reihung in der Architektur”. Angesichts seiner beherrschenden Bedeutung für das technokratische Planen und Bauen wollte ich andere Möglichkeiten dieses Prinzips in Architektur und Städtebau zur Diskussion stellen. Schon 1976 wurde mit „Raster und Modul in der Architektur” deutlich, dass es mir um die Vielfalt zur Diskussion gestellter Architekturtheorien

ging. Oswald Mathias Ungers und ich vertraten die Bundesrepublik. Die Mehrzahl wie Aldo van Eyck, Hans Hollein, Arata Isozaki, Aldo Rossi, James Stirling, Charles Moore, Robert Venturi und John Rauch kamen aus dem Ausland und waren damals in Deutschland völlig unbekannt. 1977 folgte „Achse und Symmetrie in der Architektur”, das ich als eine Art Wiedergutmachungs- und Entkrampfungsversuch gegenüber einer bis heute noch immer nachwirkenden Vereinnahmung der Architektur durch das Dritte Reich verstand. 1978 folgte „Fünf Architekten des Klassizismus”, wobei die Zeichnungen dieser Architekten großes Vergnügen bereiteten. Dem sich abzeichnenden weltweiten Boom von Museumsneubauten gab ich 1979 mit der Ausstellung „Museumsbauten, Entwürfe und Projekte seit 1945“ wesentliche Impulse. Sie zeigte 55 Werke von 42 Architekten. Die letzten Dortmunder Architekturtage präsentierten 1981 die ersten Wettbewerbsergebnisse der IBA 84/87. RB   Bei den Dortmunder Architekturtagen ebenso wie

Geometrische Grundformen, aus Josef Paul Kleihues, „Die sieben Säulen der Architektur“

den Ausstellungen hatten Sie zwar die Richtung vorgegeben, diese war aber diskussionsfähig und vielfältig interpretierbar. Es würde mich wundern, wenn es Ihnen nicht auch um die Vermittlung der Essenz Ihrer eigenen Architekturtheorie gegangen wäre. Wie gingen Sie vor? JPK   Da sind zunächst die bekannten Mittel Skizze, Zeichnung, Text, Buch und das Bauwerk selbst. Für mein Theoriegebäude aus dem Jahr 1976 hingegen wählte ich die klassische Form eines Manifests. Gedichtform und zentrierter Satz unterstrichen absichtsvoll die Dialektik meines Ersten Manifests, mit welchem ich aufrief, das Poetische mit dem Rationalen zu verknüpfen und das gestalterische Anliegen mit den technischen Erfordernissen in Einklang zu bringen. Das Zweite Manifest, „Die sieben Säulen der Architektur“, ein siebenteiliger Text, ebenfalls

70 ⁄ 71

RB   Die reine Lehre, und deren Umsetzung ... JPK   ... finden Sie schon bei meinen frühen Entwürfen

wie dem Documenta-Pavillon von 1976 und dem Museum Blankenhorn, später bei den Museumsentwürfen für Korn­westheim, Sindelfingen, Groningen, die Umnutzung der ehemaligen Blumenhalle in Hamburg und natürlich der Raumfolge für die Documenta 1987. RB   Es fällt auf, dass Sie bei Ihrer Aufzählung das Muse-

um für Vor- und Frühgeschichte ausgespart haben! JPK   Richtig! RB   Mir gestanden Sie einmal unter der Bedingung Haus mit frakturierter Basis für Georg Baselitz, Projekt, 1979

Landesgalerie Düsseldorf, Wettbewerb, 1975

als Gedicht gefasst, jedoch mit Skizzen illustriert, veröffentlichte ich 1984 im Rahmen der Ausstellung „Das Abenteuer der Ideen“ in der Nationalgalerie in Berlin.

strengster Vertraulichkeit, gegen die ich nach so vielen Jahren jetzt mit größtem Vergnügen verstoße, Sie seien bei den ersten Überlegungen zum Frankfurter Museum am Zeichentisch eingeschlafen. Später, beim Aufwachen, hätten Sie Ihren rechten Arm mit Hand und ab­ gespreiztem Daumen noch auf der Tischplatte liegend wahrgenommen; die Eingebung für das siegreiche Frankfurter Entwurfskonzept, seinem straßenbegleitenden Neubau und der im Ostteil abgewinkelten, aufgesetzten Bibliothek. JPK   Das Anekdotische bereitet Ihnen offensichtlich ­große Freude! Was den Frankfurter Entwurf prägt, ist sein Bezug zu Ort und Zeit, dem sehr speziellen Verhältnis zur ehemaligen Karmeliterkirche, dem Karmeliterkloster, der Frankfurter Innenstadt und seine Referenz zur im Krieg zerstörten Börse von Stüler. Dieses und zwei andere Projekte, die Umwandlung des Gebäudeensembles auf dem Gräfrather Klosterberg in Solingen in ein Klingenmuseum ebenso wie das Museum in Sindelfingen, welches einen Dialog mit dem historischen Rathaus führt, sind Sonderfälle. Von meinem eigentlichen Anliegen, einem inhaltlichen und grundsätzlichen Diskurs mit der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts, lenken sie ab. Mir geht es um die Fortentwicklung des Gestaltungsrepertoires der ­Moderne. RB   Trotzdem möchte ich Sie an Ihre wunderschönen,

RB   Das war also Ihr Theoriegebäude, doch wie entwer-

fen Sie Ihre Häuser? JPK   Die Idee reift beim Nachdenken. Ich trage die Aufgabenstellung überall mit mir herum; sie ist immer präsent. Aus der gedanklichen Auseinandersetzung entsteht in meinem Kopf eine geometrische Figur; vielleicht sogar ein Entwurfsschema. Es geht um geometrische Ordnungen in Verbindung mit Maß und Zahl, ebenso wichtig ist es mir, den Absolutheitsanspruch der geometrischen Form zu relativieren. Danach entstehen Skizzen, welche im Büro in Pläne umgesetzt werden.

auf braunem Packpapier aufgetragenen Architekturzeichnungen erinnern, die ebenso wie die Siebdruckeditionen Ihrer Entwürfe damals zu Ihrem Markenzeichen wurden. Mir fallen hierzu die unrealisierten Entwürfe für das Sprengelmuseum in Hannover oder die Landesgalerie in Düsseldorf ein. Dominieren hier nicht erzählerische und bildhafte Elemente die geometrischen? JPK   Es handelte sich um Arbeiten, bei denen ich seinerzeit die Gemeinsamkeiten, ihre Nähe zueinander, aber auch die Unterschiede von Architektur, Bildhauerei und Malerei ausloten wollte.

Josef Paul Kleihues ⁄ GESPR ÄCH

RB   Ich erinnere mich an einen gemeinsamen Besuch im

Atelier des Malerfürsten Markus Lüppertz, mit dem Sie freundschaftlich verbunden sind; auch an dessen sechs großformatige Bilder in der Eingangshalle des Krankenhauses in Neukölln. JPK   Aus meiner Affinität zu den Werken von Lüppertz und Baselitz habe ich nie einen Hehl gemacht. Die Suche nach einer angemessenen Architektursprache für die Bildwelt von Künstlern schlug sich in den Zeichnungen für das Haus Baselitz, das Haus Lüppertz nieder. Auch der Entwurf für das Sprengelmuseum in Hannover ist Ergebnis eines solchen Experiments. RB   Seit den 1970er-Jahren bedienen Sie sich zur Be­ schrei­bung Ihres architektonischen Werks eines Be­ griffs­paars aus zwei Gegensätzen, die kaum widersprüch­ licher sein können: der Poesie und dem Rationa­lismus. JPK   Mit dem Begriff des poetischen Rationalismus beziehe ich mich auf technische, ökonomische Bindungen, doch nicht in einem funktionalistischen Sinn, wie er aus den 1920er-Jahren in die Nachkriegszeit hinübergetragen wurde, sondern in einer poetischen Art und Weise, die es ermöglicht zu experimentieren, Bilder, örtliche ­Besonderheiten und sogar Gefühle einzubringen.

Masterplan zur Internationalen Bauausstellung Berlin (IBA), zentraler Bereich und die Demonstrationsgebiete Südliches Tiergartenviertel und Südliche Friedrichstadt, 1984

RB   Bei Ihrem Spagat zwischen Ratio, der Vernunft, und

JPK  Der Fensterbauer gab sein Bestes, beschaffte sogar

Narratio, der Erzählung, führt auch bei Ihnen am Bildhaften kein Weg vorbei! JPK   Eine architektonische Gestalt, die allein dem Zufall und der subjektiven Intuition entwächst, lehne ich jedoch ab. Die Lust des Machens bereitet mir Vergnügen, auch das Experiment und das Risiko, doch nicht um jeden Preis. Meine Entwürfe beziehen ihre Individualität aus dem Ort, dem „Genius Loci”, dem Raumprogramm und meinem im Laufe meines Architektenlebens erarbeiteten Gedan­ kengebäude. Alles zusammen verleiht meinen Bauten Charakter.

neue Werkzeuge, um die Fensterprofile nach meinem Entwurf produzieren zu können. RB   Und die von Ihnen gezeichneten Fenstergriffe hat er

Stück für Stück im Sandgussverfahren hergestellt! JPK   Heute ist der Fensterbauer stolz auf sein Werk und

wirbt damit! RB  Die Türklinken in Neukölln sind schwarz l­ ackiert. JPK   ... darunter ein Kern aus Messing; jeder Türgriff ein

wohlig angenehmer Handschmeichler!

RB   Doch verlassen wir den gedanklichen Überbau Ihres

RB   Bei den stählernen Brustwehren des Frankfurter

architektonischen Werks und begeben wir uns in die Niederungen des konkreten Bauens. Verglichen mit man­ chem hochgeschätzten Kollegen … JPK   ... Sie meinen Oswald Mathias Ungers oder Aldo Rossi!

Museum wollten Sie die Dialektik zwischen Handwerk und Natur auf die Spitze treiben: JPK   Jetzt graben Sie wieder eine Anekdote aus! RB   Die Geländeroberflächen aus scharfkantigem Vier-

JPK   Was meinen Sie?

kantstahl sollten mit irischem Ochsenfett eingelassen werden. Solche Dinge bleiben im Gedächtnis hängen. JPK  ... ist auf jeden Fall eleganter als eine Verzinkung als Rostschutz!

RB   Ich denke an die Fensterkonstruktion des Museums

RB   Mit einem intellektuellen Dreisprung kassierte der

für Vor- und Frühgeschichte.

Bauleiter derlei haptisch-optische Raffinements: keine

RB  … optimieren Sie das Detail und loten die Leistungs­

fähigkeit des Bauhandwerks bis an seine Grenzen aus.

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Welche Ziele verfolgten Sie mit diesem Konzept einer „Kritischen Rekonstruktion”? JPK   Das Attribut „kritisch” macht deutlich, dass es mir nicht um eine Rekonstruktion des Zustands vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ging, sondern um den respektvollen Umgang mit Relikten der Stadtgeschichte, aktuellen Gegebenheiten und örtlichen Spezifika. Darüber hinaus steht das Ganze auch im Spannungsfeld kommunalpolitischer Interessen und einer Architektenschaft, die sich ein Podium für die Potentiale ihrer Architektur wünscht. RB   Wie muss man sich das kritische Rekonstruieren

Büro- und Geschäftshaus Kant-Dreieck, Berlin 1984–1995, Ansicht von Osten

Deutsche Industrie Norm, keine Gewährleistung, keine Ausführung! JPK   Trotzdem eine schöne Idee! RB   Von der Baukonstruktion zur Stadtrekonstruktion;

Sie machen große Sprünge, Maßstabssprünge! JPK  Seit den frühen 1960er-Jahren befasse ich mich mit dem Berliner Städtebau und der Auflösung des städtischen Raums in der Nachkriegszeit. Meine Planungen für Berlin-Ruhwald, dann der Block 270 am Vinetaplatz, die erste seit dem Zweiten Weltkrieg in Berlin realisierte Blockrandbebauung und der Berlin-Atlas zu Stadtbild und Stadtraum machten mein Interesse an planungspolitischen Themen deutlich. Gemeinsam mit Wolf Jobst Siedler initiierte ich eine publizistische Kampagne in der „Berliner Morgenpost“ unter dem Titel „Modelle für eine Stadt“. Diese hatte entscheidenden Einfluss auf das IBA-Programm, welches 1978 vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Ab 1979 fungierte ich dann als Planungsdirektor der Neubaugebiete der Internationalen Bauausstellung 84/87. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, habe ich mich ganz auf diese Führungsaufgabe konzentriert. Außerhalb Berlins habe ich zu jener Zeit nur am Museum für Vor- und Frühgeschichte gearbeitet. Wie Sie selbst wissen, war dieses Ergebnis eines öffentlichen Wettbewerbs. RB  Für Ihre Arbeit an der Neubau-IBA haben Sie den Be-

griff „Kritische Rekonstruktion“ eingeführt. Wieder ein Gegensatzpaar, wieder der Widerspruch als Prinzip!

­einer Stadt vorstellen? JPK  Lassen Sie es mich am Beispiel der Südlichen Friedrichstadt erläutern: Hier ergänzen sich drei an und für sich gegensätzliche Vorgehensweisen: Zum einen die Rekonstruktion im Sinn der traditionellen Denkmalpflege. Diese bezieht sich auf die Substanz, die das Inferno der Kriegszerstörungen ­unbeschadet überdauert hat, sei es nun ein Gebäude oder ein noch existierender Stadtgrundriss. Dann die ­„Kritische Rekonstruktion”, die immer dann zum Tragen kommt, wenn aktuelle Erfordernisse von Vergangenem überlagert werden. Und schließlich der „bewusste Bruch“ mit der Vergangenheit. RB   Mit welchen Mitteln fügen Sie die drei Vorgehens-

weisen zusammen? JPK   Drei Elemente liegen einer konkreten Umsetzung zugrunde: Grundriss, Aufriss und Bild der Stadt. RB   Gibt es eine Rangordnung? JPK   In der Hierarchie der Planungsentscheidungen für

die Umsetzung der „Kritischen Rekonstruktion” stehen Grundriss und Aufbau der Stadt an erster Stelle, doch nicht im Sinne einer Werteordnung. In der Tat haben wir in der Südlichen Friedrichstadt den alten Stadtgrundriss reloziert, auch erweitert, Straßen rückgebaut und andere hinzugefügt. Obwohl wir für die Gebäude sehr präzise Vorgaben zur Einordnung in den Stadtkörper gemacht haben, dokumentieren nicht wenige IBA-Bauten trotz kontrollierendem Regelwerk ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Originalität. Ich akzeptierte bewusst ­divergierende Theorieansätze. RB   Seit dem Ende der IBA 84/87 ist mehr als ein Jahr-

zehnt vergangen und so fragt man sich, was von dem Hype, der vor allem durch die Internationalität und die enorm große Zahl von 150 teilnehmenden Architekten angefacht wurde, übrig geblieben ist. Dabei will ich mich

Josef Paul Kleihues ⁄ GESPR ÄCH

nicht auf Berlin beziehen, denn bekanntermaßen stellt vor Ort die Nachfolgegeneration die Arbeit ihrer Vorgänger allzu gern in Frage. Es geht mir mehr um die Strahlkraft Ihres „Abenteuers der Ideen”. JPK   Der Begriff der „Kritischen Rekonstruktion”, so wie ich ihn zu Beginn der IBA eingeführt habe, ist nicht nur zu einem stehenden Begriff, sondern für den Umgang mit der Europäischen Stadt zu einer allgemein anerkannten Strategie geworden. Denken Sie an Barcelona, Groningen oder Santiago de Compostela, die ich persönlich beriet.

RB   Sie meinen, auch hier gilt das Prinzip „Gleich und

Gleich gesellt sich gern”? JPK   Sie sprechen von öffentlichen Wettbewerben für Hochbauten. Die würde ich überhaupt nur dann durchführen, wenn Aufgabenstellung, Baugrundstück und ­Finanzierung gesichert sind. Sonst würde ich zu einer seminaristischen Bearbeitung im Wochentakt raten, an welcher sich Bauherren, Politiker und eine Handvoll Archi­ tekten beteiligen. Danach sollten die Architekten in Einzelklausur gehen, an die sich die Entscheidungsfindung unter den Augen der Öffentlichkeit anschließt.

RB  Das Format Internationale Bauausstellung haben Sie

erfolgreich in alle Welt getragen! JPK   … die IBA Emscher Park im Ruhrgebiet hatte eine völlig andere Aufgabenstellung. Doch von dem Rüstzeug der Internationalen Bauausstellung Berlin hat man sicher einiges gelernt.

RB  Die Entwurfsfindung als ein kontinuierlicher Prozess JPK   … denn ohne „ Chemie“ geht auch dies nicht!

RB  Gibt es ein Erfolgsgeheimnis für solche Großprojekte? JPK  Es benötigt eine Aufbruchstimmung, ein Programm

RB   In der letzten Stunde haben wir den Bogen vom

und nicht zuletzt Persönlichkeiten unterschiedlicher ­Provenienz, aber hervorragender Qualifikation. Vor allem die Chemie muss stimmen! RB   Und wer soll in einer demokratisch verfassten Ge-

sellschaft die Richtung vorgeben? JPK   Die Politiker müssten in der Lage sein, qualifizierte Fachleute zu beauftragen, doch frei sein von der Versuchung, willige Erfüllungsgehilfen um sich zu scharen. RB   Explizit nicht, eher unterschwellig haben wir in der

letzten Stunde Ihr Talent gestreift, situationsbezogen und schnell zu reagieren. Von charmant bis polternd, von vage bis präzise, von selten dogmatisch, doch immer prinzipientreu reicht Ihr Instrumentarium. Eine Fähigkeit, die in Wettbewerbsjuries über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. JPK   Sie sprechen meine Tätigkeit als Wettbewerbs­ preisrichter an.

RB   Sie raten also zu einer Elitenkooption? JPK   Diese ist sicher der Garant für das beste Ergebnis.

„­ Poetischen Rationalismus“ zur „Kritischen Rekonstruktion“ gespannt. Dabei haben wir natürlich nicht ver­ gessen, dass Sie 1980 im Arsenale in Venedig mit einem Beitrag zur „Strada Novissima“ genannten Ausstellungsinstallation Ihr Debut in der internationalen Szene hatten. Die Strada Novissima war der erste große gemein­ same Auftritt der postmodernen Avantgarde auf der Architekturbiennale in Venedig. Was in der Post­moderne Rang und Namen hatte, war vertreten: Graves, Robert A. Stern, Koolhaas (OMA), Ungers, Thomas Gordon Smith, Venturi & Rauch und Scott-Brown, Hollein, Franco Purini und Lauro Thermes, Massimo Scolari, Isozaki und Gehry. Paolo Portoghesi hat die erste Architekturbiennale in ­Venedig damals kuratiert. Der Titel lau­tete „La Presenza del Passato“ – auch wieder ein Gegensatzpaar! JPK   Mit dem postmodernen „Alles ist möglich“ eines Charles Jencks will ich nichts zu tun haben! Es geht mir um die Weiterentwicklung der Moderne und das Prinzip der programmatischen Vielfalt, wie dies durch die Mitwirkung von Architekten unterschiedlicher Architekturtheorien an der IBA deutlich wurde.

RB   Das deutsche Wettbewerbswesen, Goldenes Kalb

der Berufsverbände, Deckmäntelchen der Politiker und rotes Tuch für Bauherren. Welchen Weg zu einem qualifizierten Architektenentwurf würden Sie empfehlen? Landläufig gilt doch, ein sorgfältig ausgearbeitetes Wettbewerbsprogramm ist der Garant für ein gutes Ergebnis. JPK   Wenn keine qualifizierten Architekten teilnehmen, nützt das beste Programm nichts. Wenn beides gut ist, aber die Jury schlecht ist, wird ein schlechter Entwurf prämiert.

RB   Zum Schluss eine ganz persönliche Frage. Ihre Ge-

dankenmodelle bauen auf dem Prinzip des Widerspruchs auf. Konnten Sie bei einem Ihrer realisierten Bauten den „Poetischen Rationalismus“ mit der „Kritischen Rekonstruktion“ in Harmonie vereinen? JPK   Sicher, beim Kant-Dreieck in Berlin. Das erste Gespräch zwischen Josef Paul Kleihues (JPK) und Roland Burgard (RB) wurde im Januar 2000 in der Russischen Botschaft in Berlin bei der Feier zum neunzigjährigen Jubiläum der „Bauwelt“ geführt. Ein weiteres Gespräch fand am 28. Juni 2001 im Hotel Savoy in Berlin anlässlich der Verabschiedung von Peter Rumpf, dem Chefredakteur der „Bauwelt“, statt.

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MMK – Museum für Moderne Kunst Die Vorgeschichte der Bemühungen um einen Ort für eine ständige Sammlung zeitgenössischer Kunst reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. Nach einer längeren konzeptionellen Phase wurde 1981 das Museum für Moderne Kunst gegründet und 1991 der von Hans Hollein entworfene Bau eröffnet. Für Hans Hollein, dem aktiven Künstler, erfolgreichen Ausstellungsmacher, praktizierenden Architekten und kritischen Kunstbetrachter, stand beim Museumsbauen immer das Kunstwerk im Mittelpunkt. Doch sollte die Kunst in stetem Dialog mit seinem Umfeld stehen, einer Umgebung, die sich zurücknimmt, doch ohne ihren Charakter aufzugeben. Er sprach von optimalen Konfronta­ tionen zwischen Architektur und Kunst, zugleich von Annäherung und Zugang und nicht zuletzt von Erlebnishaftigkeit, Funktionalität und Effizienz. Bei dem Entwurf für das Museum für Moderne Kunst hat Hollein seine grundsätzlichen Überlegungen zum Museumsbau durch zwei wesentliche Elemente konsequent weiterentwickelt. Da ist zunächst der Städtebau: Volle vier Jahrzehnte lag das Grundstück, eine spitzwinklige, symmetrisch geformte Triangel, vom tosenden Stadt­ verkehr umgeben, brach. Die Städtebauer forderten, der ­Museumsneubau solle sich dem Maßstab der gegen­ überliegenden Straßenfassaden fügen, auf keinen Fall

Isometrie der Ausstellungsräume: Die Erschließung vom Eingang über die zentrale Halle in das 2. und 3. Obergeschoss

Architekt: Hans Hollein Fläche (BGF): 4050 m2 Wettbewerb: 1982 Eröffnung: 1991 Domstraße 10 60311 Frankfurt am Main

übertrumpfen. So entwarf Hollein einen erratischen, nach außen hermetisch geschlossenen Block, mit verputzten Wänden, durch kleine Einbuchtungen, Sockel und Lisenen aus Mainsandstein sparsam gegliedert. Am östlichen Grundstücksende, wo Berliner Straße und Braubachstraße aufeinandertreffen, entwickelte er einen markanten Gebäudespitz. Abgetreppt und mit von ihm selbst entworfenen Objekten bestückt, gibt sich der Baukörper als skulpturaler Solitär. Den Haupteingang legte er an die Ecke von Dom- und Braubachstraße, dem entgegengesetzten Ende im Südwesten. Durch ein Arkadenmotiv kontextuell in die Nachbarschaft im Westen eingebunden, wendet sich das Museum für Moderne Kunst dem historischen Kern der Stadt zu. Aus dieser funktionellen Annahme leitet Hollein die Asymmetrie der inneren Erschließung ab, dem zweiten Element. Mit ungewöhnlicher Raffinesse inszeniert er aus der Überlagerung zweier konträrer geometrischer Prinzipien – der Symmetrie aus der stadträumlichen Situation und der Asymmetrie der inneren Erschließung – spannungsvolle Raumfolgen, die sich konsequent bis in den letzten Winkel des Baus fortsetzen. Vom bewusst niedrigen Eingang aus dringt der Besucher in das Innere vor; der Raum weitet sich. Über die leicht angehobene Eingangshalle, einer Aktionsfläche für unterschiedlichste Ausdrucksformen

Isometrie der Ausstellungsräume: Eingangsgeschoss

Isometrie der Ausstellungsräume: 3. Obergeschoss

MMK – Museum für Moderne Kunst

Außenansicht in der Nacht

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Blick vom 3. Obergeschoss in die Treppenanlage, welche das 2. Obergeschoss mit der zentralen Halle im Zwischengeschoss verbindet

zeitgenössischer Kunst, gelangt er dann durch eine Abfolge von Erlebnisräumen nach oben. Dem Museums­ besucher bieten sich vielfältige Rundgänge, Einblicke ins Innere ebenso wie Ausblicke in den Stadtraum. Besonderes Augenmerk schenkt Hollein der perfekten Ausleuchtung von Kunstobjekten. So wechseln sich Tageslichtkabinette mit künstlich belichteten Räumen und Oberlichtsälen ab. Im Dachgeschoss macht er sich die Tageslicht-Sheds so zunutze, dass eine Dachlandschaft entsteht, die sich nahtlos in die Morphologie der Stadtlandschaft einfügt. Betrachtet man heute vom Turm des Kaiserdoms das „Holleinsche Tortenstück“, so hat dieses, gerade auch nachdem die Altstadt rund um den Dom neu errichtet worden ist, nichts von seiner architektonischen Kraft eingebüßt. MUSEUM FÜR MODERNE KUNST Frankfurt am Main Dieser Plan basiert auf den Baueingabe-Plänen des Architekturbüros Hollein / Wien aus dem Jahr 1991.

Bei der Umsetzung der handgezeichneten Pläne in CAD wurden Unstimmigkeiten zwischen der Zeichnung und den Massketten festgestellt. Ein Ortsvergleich hat nur in groben Züge statt gefunden, alle Angaben sind daher vor Ort zu überprüfen.

TITEL:

Grundriss Eingangsgeschoss

EINGANGSGESCHOSS MASSTAB DATUM GEZ. INDEX DATUM

1:100 21.07.2008 (Original: 27.02.91) Jüttemann

ÄNDERUNG

NAME

ARCHITEKT PROF. HANS HOLLEIN ARGENTINIERSTRASSE 36 1040 WIEN ÖSTERREICH CAD

DIPL.-ING. JAN JÜTTEMANN FICHTESTRASSE 16 60316 FRANKFURT T. 0163 / 138 68 28

MMK – Museum für Moderne Kunst

Blick vom 3. Obergeschoss durch die Treppenanlage in die Ebene darunter

Zentrale Halle mit Treppenaufgang zu den Obergeschossen

MUSEUM FÜR MODERNE KUNST Frankfurt am Main Dieser Plan basiert auf den Baueingabe-Plänen des Architekturbüros Hollein / Wien aus dem Jahr 1991. Bei der Umsetzung der handgezeichneten Pläne in CAD wurden Unstimmigkeiten zwischen der Zeichnung und den Massketten festgestellt. Ein Ortsvergleich hat nur in groben Züge statt gefunden, alle Angaben sind daher vor Ort zu überprüfen.

TITEL:

SCHNITT S-S SCHNITT Q-Q MASSTAB DATUM GEZ. INDEX DATUM

1:100 21.07.2008 (Original: 27.02.91) Jüttemann ÄNDERUNG

NAME

ARCHITEKT PROF. HANS HOLLEIN ARGENTINIERSTRASSE 36 1040 WIEN ÖSTERREICH CAD

Längsschnitt West-Ost

Querschnitt Nord-Süd

78 ⁄ 79 MUSEUM FÜR MODERNE KUNST Frankfurt am Main Dieser Plan basiert auf den Baueingabe-Plänen des Architekturbüros Hollein / Wien aus dem Jahr 1991. Bei der Umsetzung der handgezeichneten Pläne in CAD wurden Unstimmigkeiten zwischen der Zeichnung und den Massketten festgestellt. Ein Ortsvergleich hat nur in groben Züge statt gefunden,

DIPL.-ING. JAN JÜTTEMANN FICHTESTRASSE 16 60316 FRANKFURT T. 0163 / 138 68 28

Aufbauen und Aushöhlen GESPRÄCH MIT HANS HOLLEIN

HH   Nie, ich bin in Wien aufgewachsen und Wien hat

mich geprägt. Schon als Kind habe ich in den Schloss­ parkterrassen des Oberen Belvederes gespielt. Von unserer Wohnung ging der Blick auf das Schloss. RB   ... das von Johann Lucas von Hildebrandt 1698 für

Hans Hollein 2011

RB   Ganz Wien redet davon … HH  Wovon?

den Prinzen Eugen, den „Retter des Abendlandes vor den Türken”, erbaut worden war. HH  Der Bau hat mich damals sehr beeindruckt, obwohl mir seine Bedeutung nicht bewusst war. Schon früh hat mich meine Mutter in die benachbarte Kinderkunstklasse des Professor Cizek geschickt. Meine kunstsinnige ­Mutter war sehr wichtig. Sie hat mir die Künste nahe gebracht. Vielleicht hat das alles zu meiner Entscheidung, Künstler und Architekt zu werden, beigetragen. RB   Nach der Schulzeit besuchten Sie die Baugewerbe-

schule. RB   Vom letzten Opernball! HH  Ich kann den Wiener Walzer auch links herum. RB   In der Loge mit dem Bundeskanzler wurden Sie ge-

HH   Eine österreichische Spezialität: Dort wurde einem

das bautechnische Handwerkszeug beigebracht, danach, an der Akademie der Künste bei Clemens Holzmeister, stand das künstlerische Projekt im Mittelpunkt.

sehen. Hollein, der Staatsarchitekt! HH  Für den österreichischen Staat habe ich nichts gebaut. RB   Österreich ist schließlich ein kleines Land. HH   ... aber seine nationale Identität bezieht es aus der

Kultur; der Musik, der bildenden Kunst, vor allem auch der Architektur. RB   Nichtsdestotrotz reibt sich die Wiener Kulturszene

noch immer an der Operettenseligkeit. Ist das kein ­Widerspruch? HH  Widersprüche sind typisch wienerisch. RB  In Wien sind Sie der Star, der die internationale Büh-

ne früh erobert hat, international hingegen gelten Sie als der Doyen der Wiener Architektur in der Tradition eines Josef Hoffmanns oder Adolf Loos. HH  Wer in Wien anerkannt werden will, muss zuvor im Ausland erfolgreich sein. RB   Haben Sie je daran gedacht, ein Atelier im Ausland

aufzumachen?

RB   Die Akademie am Schillerplatz war die Kader-

schmiede für die Architekten der Zweiten Republik ab 1945. Was war deren Erfolgsgeheimnis? HH   Bei Clemens Holzmeister genoss man große Frei­ heiten. Er hatte sein Atelier in der Türkei, kam nur zu Semesterbeginn und Semesterende. In den Monaten da­ zwischen verbrachte ich viel Zeit in den Bibliotheken des Amerikahauses und des Institut Français. Dort konnte man die internationalen Architekturströmungen studieren, für die es in Österreich noch keine Beispiele gab. Auch war vieles der Wiener Bautradition verschütt gegangen und musste erst wieder ausgegraben werden. Otto Wagner und Adolf Loos waren in Vergessenheit ­geraten. RB  Dann haben Sie ein Stipendium für die USA erhalten. HH   Von 1958 bis 1960 habe ich am Illinois Institute of

Technology in Chicago und an der University of California in Berkeley studiert. Während meiner amerikanischen Jahre habe ich mich mit grundsätzlichen Überlegungen zur Architektur und der Entwicklung des Bauens befasst.

Hans Hollein ⁄ GESPR ÄCH

Ein damals von mir entwickeltes Denkmodell, das „Digging, Piling up, Forming”, beinhaltet wesentliche Prinzipien meines späteren Werkes. Die ersten von Menschen errichteten Hügel und Gruben, die dann in geometrisch formulierte Körper übergehen. Türme schießen vertikal in die Höhe. Der nächste Schritt ist die Auskragung, die in das schiefe Bauen übergeht. Dieses freie sich Ausbreiten und Auskragen, Schweben hat sein dialektisches Gegenüber in der freien, schwerelosen Ausbreitung, Aushöhlung in der Erde, im Fels, im Lavastrom und der atektonischen, nicht rektilinearen Ausbreitung. Das sind nur einige Aspekte, die aber sehr wesentlich sind. Ich habe das „Digging“-Konzept immer sehr interessant gefunden. Unterirdische Bauten, wie der Entwurf für das Guggenheim Museum in Salzburg oder das Vulcania Museum in der Auvergne sind atektonische Gebäude, deren Räume wie ein Fisch im Wasser schwimmen können, nicht notwendigerweise übereinanderliegen und auch keine Kuben sein müssen. Vielleicht hat diese Vorliebe mit meinen Vorfahren zu tun, die Bergleute waren. RB   Ihre in Chicago 1958 entstandenen Hochhausent-

würfe hatten nichts gemein mit dem „less is more“ von Mies van der Rohe. Sie erscheinen heute geradezu visionär, und nehmen vieles vorweg, was fünfzig Jahre später Allgemeingut ist. HH  Ich war damals wie heute der Meinung, dass Hoch­ häuser nicht nur abgeschnittene Prismen sein sol­len, sondern eine Silhouette schaffen müssen, Sym­bol­werte zu besitzen haben und „memorable“ sein sollten – ihr ­Erscheinungsbild muss lange nachwirken und in Erinnerung bleiben und Assoziationen wecken.

Guggenheim-Museum in Salzburg, Wettbewerbsentwurf 1990, Modellfoto. Das Museum wird in den Mönchsberg in Salzburg eingegraben.

HH  ... den Flugzeugträger, der alle Funktionen, die eine

Stadt zum Funktionieren braucht, besitzt, der sich über die Nulllinie nach oben und unten entwickelt.

RB   Und dann haben Sie ja noch einen hybriden Typus

RB   Als Metapher bot er vielfältige Interpretationsmög-

entwickelt.

lichkeiten. In den 1980er-Jahren haben Sie für Alessi auch ein Teeservice in Flugzeugträgerform entworfen. HH  Doch schon in den 1960er-Jahren habe ich angefangen, über Mikrostrukturen nachzudenken, etwa über die Telefonzelle, einem sehr frühen Kommunikationsmedium, mit dessen Hilfe ich sofort mit der ganzen Welt verbunden bin. Wenn man den Gedanken weiterspinnt, sind auch die Raumkapsel und der Raumanzug perfekte Gebäude. Alle notwendigen Funktionen werden bedient; Architektur dient dem „survival”, dem Überleben, auch die das Bewusstsein erweiternde Pille gehört dazu. Digging, Piling up, Forming – Aufbauen und Aushöhlen. Während seiner amerikanischen Jahre 1958–1960 entwickelte Hollein seine grundsätzliche Definition der Architektur und der Entwicklung des Bauens.

RB  So überrascht es, dass Sie sich auch mit Archäologie

befasst haben. HH  In Amerika habe ich mich mit den architektonischen Archetypen befasst. Die Wohnbauten der Pueblo-Indianer sind rektangulär, die rituellen Gebäude sind zylin-

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Rolls Royce-Kühlergrill in der Wall Street, 1966 (Sammlung Barbara Plumb, New York)

derförmig. Das Runde steht für das Sakrale, das Eckige für das Alltägliche. Es gibt einfach Archetypen, gleichgültig, ob es das Pantheon in Rom ist oder eine Stadtein­ heit wie ein Pueblo.

densreich Hundertwasser sein Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur vortrug.

RB  Behielten Sie von Kalifornien aus noch Österreich im

Kunst und Architektur, die pointierte Aufarbeitung und Darstellung eines Themas und deren theoretische Durcharbeitung. Während meines Studiums in Berkeley hatte ich Manifeste verfasst und von 1965–1970 die Zeitschrift „Bau“ herausgegeben. Mit dem Heft 1/2 1968, in welchem ich mein Manifest „Alles ist Architektur“ veröffentlicht hatte, war ich bekannt geworden.

Auge? HH  Ich habe das Werk des 1914 nach Los Angeles ausgewanderten Rudolph Schindler wiederentdeckt. RB   ... und die aktuelle Wiener Kunstszene? HH  Damals war die Galerie „nächst St. Stephan“ in Wien

unter der Leitung von Monsignore Otto Mauer ein wichtiges Forum für die österreichische Architekturszene. Schon 1958 hatte er die Internationalen Kunstgespräche in Seckau über Malerei–Plastik–Architektur initiiert, an denen auch Ottokar Uhl und ich teilnahmen, und wo Frie-

Aircraft Carrier in the Landscape, 1964 (Sammlung MoMA, New York)

RB   Ging es um Kunst oder Architektur? HH   Es ging um die Besetzung einer Nische zwischen

RB   Liest man das Resümee dieses Manifests – „Eine

echte Architektur unserer Zeit ist daher im Begriffe, sich sowohl als Medium neu zu definieren, als auch den Bereich ihrer Mittel zu erweitern. Viele Bereiche außerhalb

Hans Hollein ⁄ GESPR ÄCH

des Bauens greifen in die ‚Architektur‘ ein, wie ihrerseits Architektur und die ‚Architekten‘ weite Bereiche erfassen“ – so waren Sie Beuys um einiges voraus, der erst 1970 postulierte: „Jeder Mensch ein Künstler.“ HH   1967 stand ein Mann mit Hut vor der Ateliertür. Zuvor hatte ich Joseph Beuys noch nicht persönlich kennen­ gelernt. Er sagte, ich solle doch als Professor an die Kunstakademie nach Düsseldorf kommen. Dann wurde ich zu einem Vortrag eingeladen und bekam auch den Ruf.

­ inen Golfschläger und den Schutzhelm eines Bauarbeie ters, die sie dann als Kriegswerkzeug umdeuten sollten. Doch im Zentrum das Thema Tod; ein Todesbett und ­Blumen, dann eine Brause, sie sollte Assoziationen an Giftgasduschen in den Konzentrationslagern wecken, und im Obergeschoss eine Stufenpyramide aus Kerzen, danach weitere Abfolgen räumlicher Erlebnisse, die von Urerfahrungen, Vergänglichem, Transzendenz und Heiligem handelten. RB   Mit Johannes Cladders habe ich später einmal dar-

RB   Mit der Düsseldorfer Professur hatten Sie einen Fuß

ins Rheinland gesetzt. Doch wie kam es zu Ihrem ersten Museumsbau, dem Museum Abteiberg in Mönchengladbach? HH  Von einem Museumsbau war damals noch nicht die Rede. Johannes Cladders, soeben als Museumsdirektor der Städtischen Galerie in Mönchengladbach berufen, habe ich erst danach in der Galerie „nächst St. Stephan“ kennengelernt, als dieser für seine erste Beuys-Ausstellung ein Objekt suchte. 1968 bot mir Cladders an, in den alten Museumsräumen in der Bismarckstraße eine Ausstellung mit dem Titel „Alles ist Architektur. Eine Aus­ stellung zum Thema Tod“ zu machen. Als das dauerte, haben wir uns grundsätzliche Gedanken zum Museumsbau ­gemacht. RB   ... und das Ergebnis? HH  Für mich gab es in den 1960er-Jahren in Deutschland

über gesprochen, der sagte, die Ausstellung war groß­ artig, denn „Alles ist Architektur!“ HH  Johannes Cladders hatte verstanden, dass ein Museum ein Raumerlebnis sein muss und nicht die chronologische, wissenschaftlich präzis gesteuerte Abfolge von Inhalten in Räumen. Es ging mir darum, wie man Kulturgeschichte anders darstellen kann. RB   Aber wie? HH   Die Uffizien in Florenz, wie das italienische Wort

„­ ufficio“ sagt, waren ursprünglich Büros, bevor die Museumsnutzung kam; sie wurden dann Jahrhunderte lang Vorbild gebend für Museen. Seit der Renaissance wurden in Verwaltungsbauten Büros an langen Fluren aufgereiht, auf denen Akten von Tür zu Tür geschafft wurden. Heute ist diese Architektur nicht mehr zwingend, denn es gibt Telefon und Internet. Das Telefon ist Architektur und das Internet ist Architektur. „Alles ist Architektur!“

nur zwei nennenswerte Beiträge zum Thema Museumsbau. RB   ... und die waren? HH  ... von Philip Johnson die Kunsthalle in Bielefeld  und

das Wilhelm-Lehmbruck-Museum in Duisburg . RB   Sie beziehen sich hier auf die Kunstmuseen. Die

Künstler der Nachkriegszeit hatten mit ihren Werken auf die vorausgegangenen Katastrophen reagiert. Logischer­ weise musste sich dies auch auf die Museumsbauten auswirken. HH  Wir diskutierten über neue Inhalte von Kunstmuseen und mögliche Entwurfskonzeptionen. RB   Von einem Museumsneubau in Mönchengladbach

war damals immer noch nicht die Rede. HH  Doch, 1970 haben wir dann die Ausstellung gemacht. Im Erdgeschoss ein Grabfeld, gleichzeitig ein Grabungsfeld. Für die Besucher hatten wir Münzen versteckt. Wie beabsichtigt, buddelten sie fleißig. Für die Archäologen, die in tausend Jahren folgen würden, versenkten wir

„Alles ist Architektur. Eine Ausstellung zum Thema Tod“, Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach 1970. Besucher können im archäologischen Feld Grabungen durchführen und Funde (Objekte, Geld) machen.

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Ausstellung „MAN transFORMS“, Cooper Hewitt Museum, New York, 1976. Installation Hollein: Der Mensch trans-formiert, verändert, verformt, verfremdet. Wasser als Baumaterial, aus 86 Eimern mit Wasser wird ein Iglu.

Ausstellung „MAN transFORMS“. Installation Hollein: Die Form des Sterns ist eine Erfindung des Menschen, Sternformen wiederum werden zu Organisationssystemen.

RB   Doch welche Auswirkungen hat dies auf das Muse-

Feigen Gallery gebaut hatte, übertrug sie mir die Gesamtverantwortung der Gemeinschaftsausstellung „MAN transFORMS“.

enbauen? HH  In der Renaissance und im Barock hat es ganz wenige bewusst als Museen gebaute Häuser gegeben. Allgemein gab es seit der Renaissance eher die Kunst- und Wunderkammern. Und das war der Ansatz, an den unsere Zeit anknüpfen sollte. RB   Und Johannes Cladders bot Ihnen in Mönchenglad-

bach die Möglichkeit, diese Erkenntnisse in einem Bau umzusetzen? HH   1972 hatte Johannes Cladders den Rat der Stadt Mönchengladbach endlich von der Notwendigkeit, ein Kunstmuseum mit mir zu bauen, überzeugen können. Der erste Spatenstich erfolgte 1977 und die Fertigstellung 1982. RB   Gleichzeitig waren Sie auch in den USA tätig. HH  Das Cooper Hewitt Museum war von der Smith­sonian

Institution übernommen worden und hatte 1974 mit Lisa Taylor eine neue Leiterin bekommen. Für die Eröff­nungs­ ausstellung 1976 hat sie mit Charles und Ray Eames, Richard Saul Wurm und George Nelson die amerikanische Designerelite zur Abgabe eines Konzepts aufgefordert. Aufgrund einer persönlichen Empfehlung hat sie mich zugeladen. Und obwohl ich damals in Amerika nur die

RB  Der offizielle Name des Instituts auf der Fifth Avenue

in New York lautete Smithsonian Institution´s National Museum of Design. Im Deutschen wird der Begriff „Design“ mit „der guten Form“ und der ehemaligen Hochschule für Gestaltung in Ulm gleichgesetzt. Deckte dies sich mit Ihrer Überzeugung? HH  Die Auffassung von Design, wie sie in meinem Konzept niedergelegt war, bedeutete eine völlige und ein­ deutige Abkehr von der üblichen Einstellung zur Prä­ sentation und Werturteilen über „gutes Design“. Das Aufgabengebiet des neuen Museums reichte vom Gebrauchsartikel über die Architektur bis zum Städtebau, und das sollte sich nicht nur in der Themenwahl der Ausstellungseröffnung widerspiegeln, sondern diese selbst sollte eine Aussage dazu machen, was Design ist. Ich entwarf keine inhaltliche Gliederung, aus der sich die Anordnung der Objekte ergeben sollte, sondern ein Mittel, das es den Besuchern ermöglicht, in die Thematik einzudringen. Die menschlichen Eingriffe in die Umwelt machte ich am Beispiel eines Eskimo-Iglus deutlich, dem ich Wasserkübel gefüllt mit der entsprechenden Menge Schmelzwasser gegenüberstellte.

Hans Hollein ⁄ GESPR ÄCH

RB   Sie kuratierten auch Beiträge anderer Autoren. HH   Richard Buckmister Fuller, George Nelson, Ettore

Sottsass, Arata Isozaki, Peter Bode, Ardalan/Schlemminger, Murray Grigor. RB   Und mit Richard Meier und Oswald Mathias Ungers

zwei Architekten, denen Sie am Frankfurter Museumsufer wenig später begegnet sind. HH  Ungers’ Beitrag „City Metaphors“ war das Ergebnis einer Summer School, die er 1976 in New York veranstaltet hatte.

RB   Und wenn der Maler Friedensreich Hundertwasser

in Frankfurt eine Kindertagesstätte baut, und sich die Architekten die Mäuler verreißen? HH  Dann finde ich es gut, dass ein Baudezernent den Mut dazu hat, eine Grenze zu überschreiten. „Trespassing in other boundaries”, also Grenzüberschreitungen, „Alles ist Architektur!” Das Gespräch zwischen Hans Hollein (HH) und Roland Burgard (RB) wurde am 14. Februar 2000 im Atelier Hollein in der Argentinierstraße in Wien geführt.

RB  … und Richard Meier betitelte seinen Beitrag „Meta-

morphosis“. Alle Teilnehmer arbeiteten bei der Ausstellung mit Metaphern, also Bildern. War dies nicht eine frühe Sternstunde der Postmoderne? HH  Wie meinen Sie das? „Sternstunde“, etwa weil ich die Decke des Ausstellungsraums in einen Sternenhimmel verwandelt hatte? Sie machen auf ein Problem des Arbeitens mit Bildern aufmerksam: Zwar sieht man am Himmel nur einen Punkt und trotzdem zeichnet man auf das Papier einen Fünfzack. RB   Zurück zum Begriff der Postmoderne. HH  Die Ausstellung konzipierte ich in den Jahren 1974–

1976. Die Thesen, mit denen Charles Jencks in den 1980er-Jahren die Postmoderne definierte, decken sich mit meinen Positionen in keiner Weise. Mit seinem Begriff der Postmoderne habe ich nichts zu tun. RB   Einer Ihrer geschätzten Wiener Kollegen nannte Sie

einmal einen „Besessenen”. Nicht nur in der Architektur, man erzählt sich, Sie seien auch ein hervorragender Skiläufer. HH  Ich habe mich von den Besten trainieren lassen, habe es dann wegen meines Ateliers aufgegeben. Es ist zu riskant. Dennoch, exzellente Leistung steht im Mittelpunkt meines Schaffens, sie ist nicht abhängig von der Größe, ich habe mit ganz kleinen Projekten begonnen, aber natürlich hängt sie auch von der Qualität der Materialien ab. RB   Zum Schluss noch einmal zum Thema Metaphern,

Allegorien oder Gleichnissen. Bewegt sich ein Architekt, wenn er mit Bildern arbeitet, nicht in einem Grenzbereich? HH  Es gibt im Deutschen Vorurteile: Ein Architekt kann kein Dichter oder Designer sein. Im Englischen ist dies nicht so. Dort ist der Begriff weiter gefasst. Man kennt „architectural design”, aber auch „fashion design“ ebenso wie „urban design” oder „product design”. Ich stand immer für Durchlässigkeit und arbeitete oft in Grenzbereichen.

Retti Kerzenladen, Kohlmarkt, Wien, 1964–1965

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Museum für Kommunikation Frankfurt Im Januar 1958 war das Bundespostmuseum in der umgebauten Villa de Neufville eröffnet worden. Den Grundstock für die Sammlung hatte das 1872 gegründete Reichspostministerium in Berlin geliefert. Nach dem Krieg war dieser Bestand nach Frankfurt gelangt. Günter Behnischs Entwurf für das Bundespostmuseum  – seit 1995 Museum für Kommunikation Frankfurt – überrascht mit einer Zurückhaltung und Disziplin, die er sich sonst nicht immer auferlegt hat. Doch hier ließ das Grundstück keine andere Wahl. Es liegt eingezwängt zwischen der von Franz von Hoven 1893 im Neorenaissance-Stil errichteten, aber nach dem Zweiten Weltkrieg mit bescheidenen Mitteln wieder aufgebauten Villa de Neufville – sie nimmt heute Verwaltung und B ­ ibliothek des Museums auf – und den nichtssa­genden Verwaltungs­ gebäuden aus den 1960er-Jahren. Der Entwurf ­offenbart seine Qualitäten erst auf den ­zweiten Blick; dennoch ist der Bau nicht unscheinbar, im Gegenteil!

Blick vom Schaumainkai auf den Haupteingang

Architekten: Behnisch & Partner Fläche (BGF): 6662 m2 Wettbewerb: 1983 Eröffnung: 1990 Schaumainkai 53 60596 Frankfurt am Main

Über Straßenniveau leicht angehoben, empfängt ein dreigeschossiger, in die Tiefe des Grundstücks weisender, leichter Baukörper die Besucher. Der Bau nimmt den neuen Haupteingang und die oberirdischen Ausstellungs­ flächen auf. Akzentuiert wird er durch technoide Accessoires wie eine Aluminiumverkleidung sowie die großen Antennen auf dem Dach. Die Forderung, das große Raumprogramm auf einem dafür sehr kleinen Grundstück ­unterzubringen, zwang dazu, einen Großteil der Ausstellungsflächen unterirdisch anzuordnen. Ein zweites Unter­geschoss nimmt die Parkplätze und Funktionsräume auf. Einige Bäume wurden gefällt, andere mussten erhalten werden. Um den Wurzelballen auszuweichen, wurden halbkreisförmige Aussparungen in die beiden sonst orthogonalen Untergeschosse eingeschnitten. Aus der Not wird eine Tugend, aus dem Einzelfall die Regel! So findet sich der Kreis in der kreisrunden Öffnung im Vordach, der Rundung des Dachaufbaus und der schrä-

Museum für Kommunikation Frankfurt

Blick von Südosten auf die Museumsbauten

Schnitt durch den Schaumainkai mit Holbeinsteg und Museum für Kommunikation

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Blick in den Luftraum unterhalb des gläsernen Tonnendaches

gen Glastonne, dem herausragenden Entwurfselement, wieder. Dieser großflächige Glaskörper erschließt auch die Cafeteria, den Vortragssaal und die Ausstellungs­ räume. Da Ausstellungsräume grundsätzlich dazu neigen, sich voneinander abzuschotten, müssen sie miteinander verbunden werden. Hier weist die schräge, gläserne Tonne mit ihren Treppen im Inneren nicht nur den Weg, sie bringt auch Licht ins Dunkel der in der Tiefe verborgenen Ausstellungen. Von unten öffnet sie den Blick auf die Baumkronen und in den Himmel. Wo Licht ist, ist auch Schatten, eine Weisheit, die im übertragenen Sinn für Konservatoren und noch viel mehr für Architekten gilt. Günter Behnisch ist dem Konflikt mit den Kuratoren nicht aus dem Weg gegangen. Der Glastonne hat er keinen Sonnenschutz beschert, dem Ausstellungsbesucher ­hingegen ein großartiges Raumerlebnis.

Grundriss Erdgeschoss

Untergeschoss mit Darstellung der Wurzelbereiche

Museum für Kommunikation Frankfurt

Unter dem gläsernen Tonnendach verbindet ein dreigeschossiger Luftraum die Ausstellungsflächen.

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Triff die Entscheidung dann, wenn sie dran ist GESPRÄCH MIT STEFAN BEHNISCH

SB  Für ihn war Architektur nicht auf das Zeitgenössische

Günter Behnisch um 2000

Stefan Behnisch 2018

begrenzt. Alles, was auf dem Weg lag, wurde angesehen. Wenn wir in Europa unterwegs waren, haben wir viel von den „Römerdingern“ – wie wir sie als Kinder genannt haben – in Arles, Orange und so weiter angesehen. Lag Chartres oder Le Corbusier in der Nähe, wurde das angeschaut. 1972 ist die ganze Familie sechs Wochen durch die USA gefahren. Wir haben uns auch von Frank Lloyd Wright das Robie House in Chicago, in Racine das Verwaltungsgebäude von Johnson Wax und Fallingwater bei Pittsburgh angeschaut, dann im Mittelwesten von Roche & Dinkeloo die Hauptverwaltung des Traktorenherstellers John Deere in Moline und The Arch in St. Louis von Eero Saarinen. RB   Fünf Jahre später, 1977, gab es den Eklat um die

RB   Hans Kammerer, in der zweiten Hälfte des letzten

Jahrhunderts einer der Leitwölfe der Stuttgarter Architektur, beschrieb Günter Behnisch einmal so: „Sein Büro ist der eine Teil seines Lebens, die Familie der andere: Neulich, bei einem Besuch musste er frühzeitig aufbrechen, weil er noch Fliegen fangen wollte für den Frosch seines Enkels, den er in Kost und Logis genommen hatte.“1 Was haben Sie zu Hause von der Architektur im ­Allgemeinen, besonders aber von den Umbrüchen in den späten 1960er-, den 1970er- und den frühen 1980er-Jahren mitbekommen? SB  Mein Vater hat beides nie ganz voneinander trennen können, dabei war er immer Architekt. Unsere Kindheit und Jugend war vor allem durch Reisen zur Architektur geprägt. Wenn wir gereist sind, haben wir uns immer Häuser angeschaut. Manchmal auch widerwillig. In ­meinem aufsässigen Alter habe ich mich einmal ge­ weigert, aus dem Auto zu steigen und habe ein Buch gelesen. Unsere Kindheit, ich hatte zwei Geschwister, war geprägt von Architektur und Architekturdiskussionen, schon ­allein dadurch, dass spätere Partner meines Vaters sonntags zum Essen kamen. Am Wochenende war Architektur allgegenwärtig. Über seine Architektur selber, seine Theorien, seine Vorlesungen, hat er nicht viel gesprochen. RB   Welche Architektur hat er seiner Familie auf den

Reisen gezeigt?

­ rweiterung der Stuttgarter Staatsgalerie. Im ersten E Wettbewerb 1974 hatten Günter Behnisch und Hans Kammerer gemeinsam einen Wettbewerbsbeitrag eingereicht und einen von drei Ersten Preisen erhalten. Beim zweiten Wettbewerb 1977 hatte der Engländer James Stirling dann den Ersten Preis gewonnen, die beiden Stuttgarter Günter Behnisch und Hans Kammerer den Dritten. Haben Sie davon etwas mitgekriegt?

Familienurlaub in Schweden 1966, von links nach rechts Johanna Behnisch, Stefan, Charlotte, Sabine

Stefan Behnisch ⁄ GESPR ÄCH

SB  Wir haben gefragt, weil wir es in der Zeitung gelesen

haben. Das war eine echauffierte Zeit. Wir waren schon älter, ich stand kurz vor dem Abitur und wir hatten schon einiges an Architektur gesehen. Rolf Gutbrod und Hans Scharoun hießen die Helden unseres Vaters. Dann kam die Postmoderne in den Fokus einer nach seiner Meinung reaktionären Architekturdebatte. Für ihn war Architektur sehr politisch, untrennbar mit Politik verbunden, nicht so, wie wir das heute vielleicht denken würden, dass Architektur eher ein Ausfluss von Politik wäre. Für ihn war Architektur auch ein prägender Teil der Gesellschaft. Er dachte demokratisch in dem Sinn, wie die 68er sich verstanden. Für unseren Vater war Willy Brandt ein Idol. Sein vielzitiertes „Wir wollen mehr Demokratie wagen” aus der Regierungserklärung des Jahres 1969 und die Olympiade 1972 waren für ihn prägend. RB   Betrachtet man die aktuellen Großprojekte in

Deutschland, so fragt man sich, wie es Günter Behnisch gelingen konnte, die Olympiabauten in München in nur vier Jahren zu realisieren. Und fünf Jahre später ... SB  ... kam die Postmoderne. Sie war für ihn das Böse in der Architektur schlechthin. Da kannte er auch keinen Spaß. So erklärt sich auch die Fehde, die er mit den Berlinern bei der 2005 fertiggestellten Akademie der Künste ausgetragen hat. Sein persönliches Verständnis von Architektur war sehr stark durch Krieg und Nazizeit geprägt. Ihre politische Dimension hatte er verinnerlicht und war sich auch darüber bewusst, was sie bewirken kann. So erklärt sich auch die absolute Humorlosigkeit, mit der er auf James Stirlings Erweiterungsbau für die Stuttgarter Staatsgalerie reagiert hat. Er hat immer gesagt: „Ja, städtebaulich funktioniert das Ding, aber städtebaulich allein genügt nicht.“ Für ihn hat dieser Entwurf etwas dargestellt, was er in unserer Gesellschaft als total falsch empfand.

Olympiapark, München, Entwurfs­skizze zum Wettbewerbsentwurf 1967

RB  Bei der Podiumsdiskussion zum prämierten Wettbe-

werbsentwurf mit James Stirling im Stuttgarter Landespavillon kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen. Natürlich wurde Günter Behnisch als Platzhirsch auch unterstellt, er wolle Auswärtige heraushalten. Ist da nicht doch etwas dran? SB   Das hat keinerlei Rolle gespielt. Ich glaube, mein ­Vater hatte auch kein Problem mit Ausländern, die in Deutschland bauten – im Gegenteil. Den Engländer Norman Foster hat er zum Beispiel sehr geschätzt. Er hat damals auch gemeint, es sei kein schlechter Gedanke, wenn Foster den Deutschen Reichstag umbaue. Er fand es schon ganz in Ordnung, dass ein Ausländer das tut, weil er davon überzeugt war, wir hätten uns dadurch

Olympiapark München nach den Olympischen Spielen

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übel genommen hat, ist, dass sie andere Entwicklungen abgewürgt hat. Der Mainstream der Postmoderne war sehr leicht verdaulich, das hat ihn am meisten geärgert. Wehret den Anfängen, so sein Memento. RB  Anlässlich des 75. Geburtstags von Günter Behnisch

Akademie der Künste, Berlin, 2005, Luftraum über dem Foyer

­ iner Diskussion entzogen, die sonst unweigerlich hätte e geführt werden müssen. Allerdings war er der Auffassung, der Umbau des Reichstags zum Bundeshaus sei generell keine gute Idee, denn es versinnbildliche das falsche Leitbild; auch hier galt seine Vorstellung von der Architektur als politisches Mittel. Es hat ihn natürlich geärgert, wie die Briten ihren Markt abgeschottet haben und als große Seefahrernation und ehemalige Kolonialmacht nach wie vor Architektur sehr expansiv betrieben. Meinem Vater ging es da eher um die Geisteshaltung, die sich dahinter verbarg, als um die Architektur. Aber bei der Stuttgarter Staatsgalerie hatte es damit zu tun, dass er Stirlings Bauten als Mickey-Mouse-Architektur betrachtete. Er war der Meinung, Stuttgart solle nicht auf den billigen Zug der Postmoderne aufspringen. Mit der in Vorbereitung befindlichen Internationalen Bauausstellung 1984 in Berlin hatte er schon damals seine Probleme, vor allem mit Rob und Leon Krier. Er fand den Eklektizismus, der dahintersteckte, falsch. Ich denke, er hatte es schon ein bisschen mit den Theorien des Wiener Architekten Adolf Loos. Nicht, dass er wie dieser das Ornament als Verbrechen angesehen hätte. Seine Überzeugung war jedoch, die Elemente am Bau hätten ihre eigene Würde, ihre eigene Kraft, und sie sollten sich entsprechend darstellen. Er war ein Funktionalist im übertragenen, nicht im technischen Sinne, vielleicht eher wie die Expressionisten. Das Ornamentale hat er schlichtweg für oberflächlich gehalten. Was er der Postmoderne am meisten

beschreibt ihn Hans Kammerer so: „Er beherrscht mit seinen Partnern die Instrumente der beweglichen Kriegsführung, die Rochaden der Improvisation, und das sicher nicht immer zur Freude seiner Bauherren“, und führt dann weiter aus: „Es herrscht geistige Freiheit im Büro, so sie als solche in Übereinstimmung mit den Grund­überzeugungen Behnischs und seiner Mitarbeiter sind“, und schließlich: „Dabei hängt er keiner Ideologie an, noch hält er explizite Theorien für die Weitergabe bereit.“2 Wie kam es zu diesem in der Architektur ungewöhnlichen Prinzipien? Spielt Kammerer, der ja selbst Kriegsteilnehmer war, mit dem Hinweis auf die bewegliche Kriegsführung nicht etwas ironisch auf Günter Behnischs Führungsprinzipien an, die er auf einem U-Boot erworben hat? SB  ... damals war das ja eher ein Verzweiflungs- und kein Führungsprinzip ... RB  Mir jedenfalls erscheinen seine Äußerungen, wie an-

lässlich der Einweihung der Universitätsbibliothek Eichstätt, wie ein Vermächtnis aus prägenden Erfahrungen der frühen Jahre: „Wir sollten nicht vorschnell handeln. Darüber hinaus und weitergehend: Eigentlich stimmt dasjenige, was man formuliert hat, was man in Regeln fasst – nachdem man es erkannt hatte – in diesem ­Moment schon nicht mehr. Nur geringfügig müssen wir unsere Position verändern – und das tun wir fortwährend – und wir sehen den Gegenstand neu …“ 3 SB  Ich glaube schon, dass es ihn geprägt hat, ob ich es so weit zurückführen würde, kann ich nicht beurteilen. Er selber hätte das sicher nicht so weitergegeben und auch nicht darauf zurückgeführt. Er hat darüber auch nicht gesprochen. Trotzdem, verschiedene Punkte waren ganz wichtig für ihn: Er ist nie auf eine einzige Lösung losgegangen. Er hat abgewogen und analysiert. Er hat immer die Dinge von verschiedenen Seiten betrachtet, nie eine Entscheidung getroffen, die noch nicht dran war. RB   Was heißt das konkret? SB  Warum solltest du jetzt einen Treppenbelag festle-

gen, wenn du das später machen kannst. RB   Da steht er aber in einem schweren Konflikt mit

­seinen Auftraggebern. SB   Das war ein Dauerkonflikt, den wir auch haben! Er

Stefan Behnisch ⁄ GESPR ÄCH

Deutscher Bundestag, Bonn, Entwurfsskizze Plenarsaal

Deutscher Bundestag, Bonn, 1992, Treppe zum Foyer des Plenarsaals

Deutscher Bundestag, Bonn, Eingangsgebäude zum Plenarsaal

sagte: „Ein Haus bauen ist ein Lernprozess, ein Arbeitsprozess. Ein Haus steht fünfzig bis einhundert Jahre, und ein Planungsprozess dauert zwei Jahre. Warum sollen wir etwas übereilt festlegen, womit wir hundert Jahre leben müssen.“ Und generell: „Triff im Leben die Entscheidung dann, wenn sie dran ist. Dann hast du gelernt, dann hast du mehr Erfahrung.“ Es gibt ja andere Theorien: Es gibt Leute, die sagen, triff die Entscheidung sofort, dann kannst du sie noch revidieren. Oder: Leg dich nicht fest, wenn du nicht unbedingt musst.

RB  Kein anderer Architekt der Bonner Republik wird mit

dem Begriff des „Demokratischen Bauens” so identifiziert wie Günter Behnisch. Doch keine Staatsform ist in ein so enges, gleichwohl transparentes Regelwerk eingebunden, das darüber hinaus juristisch möglichst wenig Angriffspunkte bieten soll. Verstehe ich Günter Behnisch richtig, dann wollte er sich mit seinen Bauten jeglichen ­Regeln entziehen, ist dies nicht ein Widerspruch? SB  Es gibt drei Aspekte: Zum einen gibt es die Demokratie als gedankliches Leitbild der Gesellschaft allgemein.

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Dann gibt es die Art, wie unsere Demokratie organisiert ist. Und darauf haben Sie sich gerade bezogen. Die Verfahren und Regelwerke, die „checks and balances“, wie die Amerikaner dazu sagen, sind das Äquivalent dazu. Das ist aber nicht das Leitbild unserer Demokratie, sondern deren Organisationsform. Gibt es das Bauen für die Demokratie als Idealbild einer Gesellschaft? Gibt es das Bauen für die Demokratie als demokratischen Prozess – offen, transparent, gläsern? Und kann das etwa so platt wie bei der gläsernen Kuppel über dem Plenarsaal des Reichstags in Berlin verstanden werden? Demokratisch ist, wo jeder reinschauen kann? – Das ist Unfug! Demokratisches Bauen hat mein Vater ein bisschen anders verstanden. Er hat es nicht nur auf die Gesellschaft bezogen, sondern darauf, wie sich die Elemente im Gebäude selber organisieren und wie sie ausgelegt sind.

bracht. Solche Strömungen haben ihn fasziniert. Mein Vater hat auch das 1987 in deutscher Übersetzung erschienene Buch „Die fraktale Geometrie der Natur“ von Benoît Mandelbrot gelesen, das sich mit der Chaostheorie befasste und beschreibt, wie Kräfte auf verschiedene Dinge einwirken. Da gab es eine berühmte Versuchsanordnung: Eine an einem Faden aufgehängte Eisenkugel pendelt über zwei Magneten, zeichnet man diese auf, entsteht eine geordnete Form. Pendelt diese Eisenkugel über drei Magneten, man nennt dies das „Chaospendel“, bleibt dieses je nach Anfangsposition und Geschwindigkeit über einem der Magneten stehen. Zeichnet man diese Bewegungen auf, so entstehen ungeordnete Formen, ähnlich den Paisley-Mustern. Gesetzmäßigkeiten, die sich uns nur nach dem Erfassen komplexer Vorgänge ­erschließen – das hat ihn fasziniert.

RB   Eine Architekturphilosophie oder -ideologie hatte

RB   Bei einem Vortrag in der Stuttgarter Liederhalle

Günter Behnisch aber nicht parat. SB  Er hatte eher Gedankengebäude.

2002 brachte Günter Behnisch den Status quo der Architektur folgendermaßen auf den Punkt: „Ich kann in der Entwicklung der Architektur in unserem Lande den Weg erkennen von der ‚gebundenen Architektur‘ – gebunden zum Beispiel an Gesetze von Material und Konstruktion – zur tendenziell ‚freien Architektur‘; frei insofern, als sie sich von den bis dahin beherrschenden Bindungen gelöst hatte und nun auch anderen Festsetzungen genügen kann, auch schwächeren.“4 Seit der Bürogründung im Jahr 1952 war beinahe ein halbes Jahrhundert vergangen. Der Zeitgeist hatte sich gewandelt und mit ihm die architektonischen Mittel, an denen sich eine Metamorphose von der Werkgerechtigkeit der Stuttgarter Schule noch im Geiste Schmitthenners, dem Einfluss der Konstruktion in den 1960er- und 1970er-Jahren, der Zerstörung der konstruktiven Zusammenhänge der 1980er-Jahre bis zu den offenen, sich überlagernden Systemen in den 1990er-Jahren nachvollziehen lässt. Ist dies nicht auch ein Spiegel der Büropartnerschaften? SB   Seine Partnerschaften, mit Bruno Lambart (1952– 1961), Fritz Auer und Carlo Weber(1966–1979), Winifred Büxel (1966–1992), Erhard Tränkner (1966–1993), Manfred Sabatke (1970–2003), Behnisch, Behnisch & Partner (ab 1997), Stefan Behnisch und Günther Schaller (1997– 2005) hat er immer nach den Notwendigkeiten geordnet. Er hatte immer den Wunsch, die Büros in der letzten ­Konsequenz steuern und kontrollieren zu können.

RB   In seiner Äußerung „Dinge, die verbal formuliert

sind, sind für die Kunst verloren“ kommen ja seine Vorbehalte zum Vorschein. Ich hatte eher den Eindruck, dass er über das fertige Produkt eine Theorie nachvollzog. SB  Ja, solche Überzeugungen hatte er, aber es war eher ein wechselseitiger Vorgang des Nachdenkens über Architektur und des Bauens. Bei anderen Architekten findet man das auch! RB   In der eben zitierten Festrede „Über die Ordnungen

des Formalen in Architektur“ hat uns Günter Behnisch auch noch Einblicke in sein Verständnis kreativer Prozesse gegeben: „Haben Sie schon einmal gesehen, wie die Dinge herumliegen: Bäume, Äste, Tische, Bretter, Eisschränke, Autos und so weiter, nachdem die Flut zurückgegangen ist? Das Zeug liegt einfach so herum, einfach so scheinbar, jedoch durchaus nicht ungeordnet, geordnet vielmehr von anderen und nicht zugänglichen Kräften.“ SB  Da steckt natürliches etwas Weltanschauliches dahinter. Die nicht sichtbaren Kräfte, in diesem Fall muss man präzisieren: die nicht mehr sichtbaren Kräfte. Er hat schon auch geglaubt, dass Kräfte, die sich uns so nicht erschließen, auf Dinge einwirken. Bei meinem Vater darf man eines sicher nicht vergessen: Er verfolgte immer Zeitströmungen. Er hatte immer eine Idee, in die er vernarrt war, und die er dann vertiefte. „Die Ordnungen des Formalen”, das muss die Zeit des frühen Bonn gewesen sein. Andere Ordnungen wurden auch in der Kunst einge-

RB   Ein erfolgreicher Vater, Last oder Lust? SB  Ich hatte nie vor, Architektur zu studieren. Ich wollte

nicht, weil man es von mir erwartete. Ich wollte Journalist werden. Eine Journalistin hat mir einmal gesagt: „Wenn du Journalist werden willst, brauchst du Fach­

Stefan Behnisch ⁄ GESPR ÄCH

wissen, dann darfst du nicht auf der Journalistenschule studieren.“ Und da war für mich Philosophie und Volkswirtschaft die richtige Kombination. Ich hatte meinen Bachelor in Philosophie, da dachte ich, aus Prinzip nicht Architektur zu studieren ist auch blöd – und wozu hast du Lust? Dann habe ich mich an der TU Karlsruhe für Architektur eingeschrieben, und ich glaube nicht, dass mein Vater je eine meiner Studienarbeiten gesehen hat.

nutzbar zu machen und zu lenken und beherrsche das Teamwerk meisterhaft. Ein Gespräch mit Günter Behnisch, der am 12. Juli 2010 verstarb, kam nicht mehr zustande. Das Gespräch ­zwischen seinem Sohn Stefan Behnisch (SB) und Roland Burgard (RB) fand am 27. August 2018 im Büro Behnisch Architekten in der Rotebühlstraße 163 a in Stuttgart statt.

RB   Gibt es ein Behnisch-Prinzip? SB   1987 bin ich in das Büro meines Vaters gekommen.

Doch bald haben wir festgestellt, das funktioniert nicht. Wir haben dann einen Ableger in der Innenstadt aufgemacht und nach einem Jahr abgekoppelt. Dann war ich selbständig. 1997 kam Günther Schaller dazu. Ich hatte immer Partner. Wir haben die Büros aufgebaut, mein Vater seines und ich meines, und wir haben, ähnlich wie mein Vater, die Bürostrukturen durchlässig gehalten und ein Nachrücken möglich gemacht. Und was Entscheidungen angeht: Ich versuche, möglichst viel in der Diskussion auf die Teamebene zu bringen, dann fühlen Mitarbeiter sich für die Projekte auch architektonisch verantwortlich und betrachten sich nicht nur als Exekutive. RB   Wenn Sie dieses Prinzip fortführen, dann befinden

Sie sich doch in der Tradition Ihres Vaters. Ihm sagte man doch nach, er habe den Scharfblick, Fähigkeiten anderer

1 Hans Kammerer, Laudatio zur Verleihung des Hans-Molfenter-Preises, 3. September 1992, Archiv Behnisch. 2 Hans Kammerer, „Einige Anmerkungen zu Günter Behnisch“, in: ­Städtische Kunstsammlungen Chemnitz, 1997, S. 24–27. 3 Günter Behnisch, „Über die Ordnungen des Formalen in Architektur“, Festrede anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Bibliothek der Universität ­Eichstätt, 1998. 4 Günter Behnisch, „Der zweite Aufbruch in die Moderne“, Vortrag ­anlässlich des UIA-Vorkongresses im Kongresszentrum Liederhalle, Stuttgart, 19. Juli 2002, Archiv Behnisch.

Katholische Universität Eichstätt, Zentralbibliothek, 1987, Ansicht von Westen

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Erweiterung Liebieg­ haus – Museum alter Plastik Ende des 19. Jahrhunderts errichtete der böhmische ­Textilfabrikant Baron Heinrich von Liebieg am Sachsenhäuser Mainufer eine noble Villa im historistischen Stil mit sorgsam entworfenem Park. 1906 wurde sie mit der Auflage, für „ewige Zeiten” ein Museum einzurichten, der Stadt übereignet. Schon im darauffolgenden Jahr wurde ein Museum alter Plastik gegründet, das 1909 um einen neobarocken Galerieanbau erweitert wurde. Zweiflüglig geplant, doch aus finanziellen Gründen nur einflüglig ausgeführt, blieb der Anbau acht Jahrzehnte als Torso liegen. Mitte der 1980er-Jahre wurde das ursprüngliche Planungskonzept wieder aufgegriffen; nicht als Kopie sondern mit den Mitteln der Gegenwart. Für den neuerlichen Anbau entstand ein Regelwerk, das seinen Duktus aus dem Vorhandenen ableitete und in den Neubau übertrug. Altbau und Neubau sollten sich verzahnen. Der 1990 ­entstandene Galerieflügel nimmt im Erdgeschoss die ­Antikensammlung auf, während im Untergeschoss der Vortragsraum samt zugehöriger Garderobe, die ­Museums-­­ pädagogik, Werkstätten und Magazine untergebracht sind.

Isometrie

Architekt: Scheffler & Warschauer Fläche (BGF): 718 m2 Direktvergabe: 1986 Eröffnung: 1990 Schaumainkai 71 60596 Frankfurt am Main

Anders als noch im Jahrzehnt zuvor, war jetzt ein architektonischer Rückgriff auf die Historie kein Tabubruch mehr, im Gegenteil. Doch Vorsicht war geboten, hatte nicht Robert Venturi in unmittelbarer Nachbarschaft bei der Architektenkonkurrenz um den Neubau für das ­Museum für Kunsthandwerk wenige Jahre zuvor eine krachende Niederlage erlebt? Scheffler & Warschauer entschieden sich für einen eigenen Weg; nicht das ­„Revolutionäre”, auch nicht das „Schickliche“ suchten sie, sondern das „Angemessene“. Doch was war angemessen? Bilder waren wieder erlaubt; aus der Vergangenheit ebenso wie für die Zukunft, Zitate auch! Aus dem neo­barocken Torso wurde der dreischiffige Grundriss übernommen ebenso wie die klassische Ausleuchtung der Skulpturen über Oberlichter. Und außen? Das dekorative Palladio-Motiv mit Stützen und halbkreisförmigem Bogen an der Längsfassade des Altbaus aus Stein fand am Neubau sein zeitgemäßes Pendant in einem nicht minder dekorativen stählernen Tragwerk mit dem klassischen Aufbau aus Basis, Säule, Kapitell und Architrav. Für die Athena des Myron, einem Juwel der Sammlung des Liebieghauses, fügten die Architekten am westlichen

Erweiterung Liebieghaus – Museum alter Plastik

Blick vom Museumsgarten auf die Nordfassade

Grundriss Erdgeschoss

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Blick vom Museumsgarten im Norden auf den historischen Galerieflügel (links) und den Anbau (rechts), Farbstudie

Blick vom Museumsgarten auf den Athena-Turm und den Haupteingang

Erweiterung Liebieghaus – Museum alter Plastik

Ende des Neubaus ein Oktogon mit spitzem Dach hinzu; als architektonische Antithese zum Eklektizismus des Architekten Leonhard Romeis, der 1898 die Villa mit ihrem Türmchen entworfen hatte, oder eher als Dokument der Seelenverwandtschaft mit Aldo Rossi und dessen schwimmendem Teatro del Mondo anlässlich der Architekturbiennale 1980 in Venedig? Am Ende ist mit Scheffler & Warschauers Liebieghaus ein Werk entstanden, bei dem kaum ein Besucher auf die Idee kommen würde, es habe einmal einen Eingriff in eine in Jahrzehnten gewachsene Idylle gegeben.

Westlicher Seitengang

Athena-Raum

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Wir können nicht mehr so weiterbauen wie bisher GESPRÄCH MIT BRIGITTE SCHEFFLER, ERNST ULRICH SCHEFFLER UND THOMAS WARSCHAUER

BS: Ich finde mein Modell gut, es sei denn, die Männer übernehmen künftig mehr Familienarbeit. RB   Wie sind Sie denn zur Architektur gekommen? BS   Ich entstamme einer badischen Beamtenfamilie,

Ernst Ulrich Scheffler, Brigitte Scheffler, Thomas Warschauer (von links nach rechts) 2018

RB   Mittlerweile gehört es ja in den Architekturschulen

schon zum gewohnten Bild: junge Frauen und Männer bevölkern die Übungssäle zu gleichen Teilen, die Männer sind oft sogar in Unterzahl; so spiegelt die Ausbildungssituation die gesellschaftlichen Umbrüche der letzten Jahrzehnte präzise wieder. Doch bis sie im Architektenberuf erkennbare Früchte trägt, dauert es besonders lange. Schon früher schaffte kaum ein Architekt den großen Durchbruch vor dem fünften Lebensjahrzehnt. So wundert es kaum, dass bei den Museumsentwürfen am Main nur zwei Frauen als Verfasserinnen aufgeführt sind. Beide sind Partnerschaften eingegangen: Beim 2017 fertiggestellten Historischen Museum ist dies Jórunn Ragnarsdóttir vom Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei und Sie beim 1990 eingeweihten Liebieghaus. Kennen Sie die Gründe?  BS  Da gibt es zuerst einen biologischen Grund, die Kinder kriegen nun mal die Frauen. In der Regel übernehmen die Frauen auch die Versorgung in den ersten Jahren. Ich habe drei Kinder geboren. Als diese ohne ständige Betreuung leben konnten, kam für mich eine Rückkehr in ein Angestelltenverhältnis nicht mehr in Frage. Selbständigkeit konnte ich mir dagegen in einer Partnerschaft gut vorstellen. RB   Wie wird das künftig sein?

mein Vater war Leiter des Karlsruher Stadtplanungsamtes. Zuerst habe ich in Freiburg Kunstgeschichte, Französisch und Russisch studiert. Ich wollte aber mein Leben nicht in Bibliotheken verbringen und habe mich deshalb in Karlsruhe für Architektur eingeschrieben. Zwischendurch habe ich bei Maxwell Fry und Jane Drew in London gearbeitet. Das war sehr spannend. Die beiden hatten mit Pierre Jeanneret in den 1950er-Jahren Chandigarh geplant. Ich habe an Hatfield Garden City gezeichnet. 1971 habe ich in Karlsruhe Diplom gemacht und Ulli geheiratet. Danach sind wir beide an die Architectural Association nach London gegangen. US  Mein Vater war Elektroingenieur und hat Nachrichtenkabel entwickelt. Während der Schulzeit in Hannover hatte ich Zeichenkurse an der Werkkunstschule belegt. Zum Studieren bin ich nach Karlsruhe gegangen. Prägende Lehrer waren Karlhans Hirschmann und Rolf Lederbogen. Bei Gunnar Martinsson habe ich gelernt, wie man Bäume zeichnet. Mein Praktikum habe ich bei Michael Scott in Dublin gemacht. Michael Scott kannte Le Corbusier und er war der Erste, der die Weiße Moderne in Irland eingeführt hat. Für mich war das eine sehr spannende Zeit. Die Pläne haben wir noch in Inch und Fuß vermaßt. 1971 habe ich in Karlsruhe mein Studium abgeschlossen und Brigitte geheiratet.  RB   Und dann ... US  ... und dann war das Interesse an England schon vor-

gegeben. Wir sind an die Graduate School der Architectural Association nach London gegangen, die damals von Paul Oliver geleitet wurde. Unser Kurs hieß „Responsive Environments”. Er wurde von Ron Herron und Dennis Crompton geleitet, die man als Mitglieder von Archigram kannte. Als Abschlussarbeit haben wir an dem Casabella-­ Wettbewerb „The City as a Significant Environment“ teilgenommen. RB   Nun zum Dritten im Bunde. TW  Mein Vater war Radio- und Elektrotechniker. Wegen

Brigitte Scheffler, Ernst Ulrich Scheffler und Thomas Warschauer ⁄ GESPR ÄCH

Spionage für die Amerikaner hat er bis 1956 in russischer Gefangenschaft gesessen. Meine Mutter war Modistin. Nach einer Bauzeichnerlehre studierte ich zuerst an der Werkkunstschule in Offenbach, dann von 1967 bis 1970 an der Städelschule in Frankfurt. RB   Hat dort nicht Johannes Krahn, der das Bienenkorb-

hochhaus an der Konstablerwache entworfen hat, unterrichtet? TW  Er war sogar Rektor, bis 1969. Dann übernahm ­Gereon Pfeil die Architekturklasse. Alois Giefer hat ihn dabei unterstützt. Bei ihm habe ich meine Diplomarbeit gemacht. Thema war „Die Überbauung des Westends“ in Frankfurt. Danach bin ich in die „Planungsgemeinschaft für neue Formen der Umwelt“, die Hermann Göpfert und Johannes Peter Hölzinger 1965 gegründet hatten, gewechselt. Beide waren ebenfalls Städelschulabsolventen. RB  Ihr Start ins Berufsleben fällt in die Ära des von 1956

bis 1972 amtierenden Planungs- und Baudezernenten Hans Martin Kampffmeyer. Ihm wird der wirtschaftliche Aufschwung Frankfurts ebenso wie die Zerstörung des Westends zugeschrieben. Das war die eine Seite der Medaille. Gab es nicht auch eine andere Seite? TW   Ja, da gab es Jochen Kirchberg vom Hochbauamt, einen engagierten Architekten, der auch die Kunst am Bau sehr gefördert hat.

Brigitte Scheffler und Ernst Ulrich Scheffler, Diplomarbeit Architectural Association, London, „The City as a Significant Environment“, Wachsendes Haus

RB   Während Spekulanten die Frankfurter Innenstadt

zerstörten, betraute Kirchberg Künstlerarchitekten mit kommunalen Bauaufgaben in den Stadtteilen. Rolf Schmidt, der im Werkbund sehr engagiert war, baute in Niederrad und Sindlingen. Günter Bock erregte viel Aufsehen mit der Trauerhalle Westhausen und dem Bürgerhaus in Sindlingen. US   Günter Bock war ein Architekt, der auf mehreren Ebenen arbeitete. Einerseits hat er sich als Architekt intensiv mit der Ausführung, besonders mit Sichtbeton beschäftigt. Das lag in der Zeit: Als er beim Bürgerhaus Sindlingen angefeindet wurde, weil der Beton angeblich zu trist aussähe, entgegnete er, ein tristes Haus sei ihm allemal lieber „als ein Haus, das immer grinst“. Andererseits entwarf er utopische Projekte, wie beispielsweise die „Zweite Ebene“ im Westend oder, zu Zeiten der großen U-Bahnbaustellen in der Innenstadt, die „Wasserzeil“. Er schlug vor, die Zeil zu fluten. Die Passanten sollten mit Gondeln von Kaufhaus zu Kaufhaus fahren. RB   Seit 1970 unterrichtete Bock an der Städelschule.

Sie war damals ziemlich klein. Vielleicht fünf bis sieben Studenten, heute sind es siebzig oder achtzig. Wie kam es dazu? US   Die Schweizer ohne Abitur kamen gern an die ­Stä­delschule, wie zum Beispiel Max Dudler, Thomas ­Schregenberger oder Harry Roos. Das Aufbaustudium

Brigitte Scheffler und Ernst Ulrich Scheffler, Diplomarbeit Architectural Association, London, „The City as a Significant Environment“, Straßenansicht

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Ernst Ulrich Scheffler, erste Entwurfsskizzen zum Liebieghaus, 1985

„Kon­textuelles Entwerfen“ war auch für andere engagierte Studenten interessant. Einmal im Monat lud Günter Bock bekannte Architekten zu Gastvorträgen ein. 1978 veranstaltete er die ARTE TEKTA, bei der so ziemlich alles, was Rang und Namen hatte, eingeladen war. Aus Italien kam Adolfo Natalini, aus England Peter Cook, aus Luxemburg Leon Krier, aus Holland Rem Koolhaas, aus Österreich Hans Hollein und aus Deutschland Josef Paul Kleihues und Oswald Mathias Ungers. Ungers saß im Lichthof unter einer Leselampe und las mittelalterliche Mystiker vor. Das war unglaublich! RB   Ja, das war unglaublich! Und das war Krankfurts

Ernst Ulrich Scheffler, Entwurfsskizzen zur Erschließung des Westflügels des Liebieghauses, 1986

Ende! US  Günter Bock hatte sich zum Ziel gesetzt, die Städelschule in das Netzwerk internationaler Architekturschulen einzugliedern. Er veranstaltete Kooperationsseminare, unter anderem mit der Architectural Association und Peter Cook in England.

Brigitte Scheffler, Ernst Ulrich Scheffler und Thomas Warschauer ⁄ GESPR ÄCH

RB   Und da ist er auf Sie gestoßen. BS   Der Soziologe Jochen Rahe, der Günter Bock gut

kannte, hatte uns mal in London besucht ... US  ... und uns später, als wir nach Frankfurt kamen, mit Günter Bock zusammengebracht. Ich hatte drei Jahre lang einen Lehrauftrag an der Städelschule. RB   Doch wie sind Sie drei schließlich zu einer Büropart-

nerschaft zusammengekommen? US  Ich war damals im Hochbauamt, weil ich dachte, da

könnte man arbeiten wie Karljosef Schattner in Eichstätt. Ganz so war es nicht. 1984 hatte ich eine Studie für das Museum für Völkerkunde gemacht, danach noch einmal das Gleiche für die Erweiterung des Liebieghauses. 1985 übernahm ich eine Professur an der Fachhochschule in Detmold. Als ich gefragt wurde, ob ich Lust hätte, weiterhin freiberuflich am Liebieghaus zu arbeiten, habe ich natürlich zugestimmt. Ich glaube, dem Dezernenten gefiel meine Herangehensweise, vielleicht gefielen ihm auch meine Zeichnungen. Außerdem waren wir als junge Architekten noch biegsam genug für die schwierige Bauaufgabe, die viele Kompromisse erforderte. So wurde aus der Studie allmählich ein Auftrag. Brigitte musste mitmachen, weil es so viel Arbeit gab und ich die halbe Woche über in Detmold war. Kurze Zeit danach ist Thomas Warschauer zu uns gestoßen. Ich kannte ihn bereits aus einem früheren Büro und aus der Zeit im Hochbauamt.

Ernst Ulrich Scheffler, Skizzen zur Fassadenkonstruktion des Liebieghauses, 1986

RB   Welche neuen Erfahrungen haben Sie mit dem Büro

gemacht? US  Der Entwurf des Liebieghauses fiel in die Hochzeit der

Postmoderne. In den ersten Skizzen gab es viele rosa Wän­ de und türkise Dächer, auch gestreiftes Mauerwerk. Der Nutzer hat uns immer wieder auf den Boden des Mach­­ baren zurückgeholt. Er wollte gut proportionierte, rechtwinklige Räume mit Oberlicht und dunklem Terrazzoboden. BS  Anfangs haben wir gelitten. Heute sind wir ihm dankbar dafür, dass er uns vor Vielem bewahrt hat, was wir später vielleicht bereut hätten. US   Nachhaltig geprägt hat uns die außerordentliche Sorgfalt, mit der der Bau geplant wurde. Die Nutzer wollten jeden Punkt sehen. Wir haben fast alles gezeichnet und unzählige Modelle gebaut. Auf Initiative der Stadt haben wir in einer alten Fabrikhalle die Ecke eines Ausstellungsraums mit allen Oberflächen im Maßstab 1:1 gebaut. Die Staubdecke war mit zwölf verschiedenen Gläsern ausgestattet, weil wir die beste Wirkung des Tageslichts auf die Marmorskulpturen herausfinden wollten. RB   Ich habe die Halle anmieten lassen und nebenein­

ander 1 : 1-Musterräume für das Museum für Moderne

Kunst, den Erweiterungsbau für die Städtische Kunstsammlung im Städel und das Liebieghaus bauen lassen. Die Probleme glichen sich, aber die Lösungsansätze waren verschieden. Es war sehr spannend zu sehen, wenn Hans Hollein, Gustav Peichl und Ulli Scheffler mit ihrer Entourage die Vorschläge der anderen inspizierten. TW  Wir hatten das Glück, dass wir uns lange Zeit nur auf dieses eine Projekt konzentrieren konnten. US   Mit der Eröffnung des Liebieghauses im Sommer 1990 war unser Büro bekannter geworden, und es kamen neue Aufträge. 1992 durften wir als „Vor-Ort-Architekten“ mit Toyo Ito die Kita in Eckenheim bauen. Die Zusammenarbeit mit ihm war für uns ein besonderes Erlebnis. Ito dachte in Bildern. Die Kita betrat man wie „Alice im Wunderland“ durch den Einschnitt in einem Erdwall. Im ersten Entwurf standen die Kindertoiletten wie „Blumen auf der Wiese“. Leider gab es da Probleme mit der Wärmeschutzverordnung, weil die Außenwände nur aus drei Millimeter dickem Aluminiumblech bestanden. Über den

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Umgang mit Materialien und Farben konnte man sehr viel von ihm lernen. BS   Als nächstes Museumsprojekt haben wir in Bielefeld die denkmalgeschützte Direktorenvilla im Ravensberger Park für die Kunstgewerbesammlung/Stiftung Huelsmann umgebaut. Dabei ist sehr viel von der im Liebieghaus gesammelten Erfahrung eingeflossen. Bei diesem Projekt haben wir auch die gesamte Ausstellung um die Exponate herum entworfen. RB   Und wie ging es weiter mit dem Büro? US  Im Grunde haben wir immer so gearbeitet, wie wir stu-

diert haben. Wir waren neugierig auf alles und haben uns gern in neue Themen hineingearbeitet. Nur eine Panzerwaschanlage hätten wir nicht gemacht. Aber danach hat uns auch keiner gefragt. Wohnungsbau ist bis heute einer unserer Schwerpunkte geblieben. Viele unserer Projekte haben einen starken denkmalpflegerischen Bezug, wie zum Beispiel die Kuranlage in Wilhelmsbad, das Stadttheater in Aschaffenburg oder das ehemalige Karmeliterkloster und das Haus des Buches in Frankfurt. Aufträge haben wir oft über gewonnene Wettbewerbe erhalten.

BS  Ja, etwa die Deutsche Schule in Budapest, wegen der

ich so oft nach Ungarn fahren musste, dass ich angefangen habe, Ungarisch zu lernen. US   Der Museumsbau blieb ein Thema, das uns immer wieder beschäftigt hat. Am Frankfurter Museumsufer haben wir noch die ehemalige denkmalgeschützte Holzmann-Villa zum Museum für regionale Kunst, das jetzige Museum Giersch, umgebaut. Unser vorerst letztes Projekt in dieser Reihe ist das Kunstforum Ingelheim. Hier haben wir ein Ensemble aus drei unter Denkmalschutz stehenden Häusern zu einem Ausstellungshaus zusammengefügt und um ein neues Foyer sowie einen großen unterirdischen Ausstellungsraum erweitert. Auch die große Eröffnungsausstellung über Skulptur der klassischen Moderne konnten wir gestalten. RB   Zum Schluss, wo läuft die Architektur hin? US  Also sicher ist, dass wir nicht mehr so weiterbauen

können wie bisher. Stein auf Stein wie die alten Ägypter, das wird schon aus Gründen der Nachhaltigkeit irgendwann zu Ende sein. In Zukunft werden wir viel mehr mit Holz bauen und die Fertigung werden wir computerbasiert organisieren. Und ich glaube, Museen haben wir demnächst auch genug. Die Fragen, wie wir künftig wohnen wollen oder auch, wo wir unsere Kinder auf das Leben vorbereiten, scheinen mir die interessanteren zu sein. Das Gespräch zwischen Brigitte Scheffler (BS), Ernst ­Ulrich Scheffler (US), Thomas Warschauer (TW) und R ­ oland Burgard (RB) wurde am 29. Oktober 2018 in der Oberlindau 15 in Frankfurt am Main geführt.

Ernst Ulrich Scheffler, Kunstforum Ingelheim, 2016, Skizze zu Ausführungsdetails des Haupttreppenhauses

Brigitte Scheffler, Ernst Ulrich Scheffler und Thomas Warschauer ⁄ GESPR ÄCH

Ernst Ulrich Scheffler, erste Entwurfsskizzen zur Erweiterung des Museum Huelsmann, Bielefeld, 1992

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Erweiterung Städtische Galerie im Städel Museum und Städelschule Der Bankier Johann Friedrich Städel (1728–1816) hatte um 1800 Überlegungen zu einer öffentlich zugänglichen Galerie und zum Kunstunterricht für Frankfurter Bürgerkinder angestellt. In seinem Testament stiftete er dann das „Städelsche Kunstinstitut“ und bedachte es mit seinem Vermögen. Nachdem die Erbschaftsstreitigkeiten überwunden waren, erhielt die Kunstsammlung 1833 ihr erstes Ausstellungsgebäude. Nach und nach entwickelten sich in den vergangenen 200 Jahren zwei selbstständige, wenn auch räumlich benachbarte Institute, das Städel Museum und die Städelschule. Bei beiden standen in den 1990er-Jahren Vergrößerungen ins Haus. Für eine Erweiterung der Städtischen Galerie im Städel Museum hatten die Administratoren präzise Vorstellungen. Die Lage an der Holbeinstraße im Westen war ebenso vorgegeben wie die direkte Anbindung an den Altbau und die Nutzung für zeitgenössische Kunst und Sonderausstellungen. Gustav Peichls architektonische Antwort darauf war ebenso schnörkellos wie kunstvoll. Gegenüber der historisierenden Schauseite am Main hielt er sich gestalterisch zurück, nahm Maß an den puristischen Ergänzungen des Wiederaufbaus, doch setzte er auch eigene Zeichen; mit dem leicht gemaserten grau-weißen Kalkstein der Außenwand, die nur ein Fugenschnitt gliedert, oder am Auftritt des Eingangsportals. Mit Strenge fräst Peichl aus dem vollen Quader präzise Öffnungen für den Eingang und kleine Fenster heraus. Gegenüber seinen historistischen Nachbarn mit ihren Säulen, Risaliten und Tympanon verleiht dies dem Bau Würde und Autorität. Raffiniert inszeniert er die Eingangshalle mit Durchblicken von oben und Einblicken von der seitlich gelegenen Treppenanlage aus. Diese verbindet die neugewonnenen Flächen für Ausstellungen und Bibliothek mit den Altbauten. An den feinen Aperçus der Treppenanlage lässt sich die Provenienz des Peichl’schen Entwurfsrepertoires erkennen; ebenso zeugen das elegante Finish der hochglänzenden Handläufe oder das Schwarz-Weiß des gewürfel-

Architekt: Gustav Peichl Fläche (BGF): 3319 m2 (Städel Museum), 1682 m2 (Städelschule) Wettbewerb: 1987 (Städel Museum) 1989 (Städelschule) Eröffnung: 1990 (Städel Museum), 1991 (Städelschule) Holbeinstraße 1 60596 Frankfurt am Main

Explosionsisometrie der Museumserweiterung

ten Natursteinboden davon. Gustav Peichl schöpft aus dem Zeitgeist Wiens des frühen 20. Jahrhunderts, was, als der Erweiterungsbau entstand, eine durchaus erlaubte Praktik war. Im scharfen Kontrast hierzu stehen die beiden Ausstellungsgeschosse. Hier herrscht der „White Cube”, vier Wände, der Fußboden, ein Oberlicht und kein Bild an der Wand, so wie es Baselitz einst für Ausstellungsräume forderte. Auch die Städelschule profitierte von der Entwicklung. Kurzerhand bescherte man ihr ein neues Ateliergebäude, welches Gustav Peichl als Annex zu seinem Erweiterungsbau entwarf. Kein Musentempel, sondern ein Produktionsort für Kunst. Nicht nobler Naturstein, sondern bescheidenes Weiß für die verputzte Fassade. Erst durch den kühnen Schwung des Atelierdachs kommt die Zeichenhaftigkeit Peichl’scher Architektur wieder zum Ausdruck. Eine Metapher für den Aufschwung der Städelschule in jenen Jahren.

Erweiterung Städtische Galerie im Städel Museum und Städelschule

Blick von Nordwesten auf die Erweiterung des Städel Museum an der Holbeinstraße

Grundriss Erdgeschoss der Museumserweiterung und der Städelschule

Grundriss Obergeschoss der Museumserweiterung und der Städelschule

Isometrie der Erweiterungsbauten

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Atelier im 1. Obergeschoss der Städelschule

Erweiterung Städtische Galerie im Städel Museum und Städelschule

Die Eingangshalle an der Holbeinstraße mit den Zitaten der Wiener Moderne des frühen 20. Jahrhunderts

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Ich bin Frühaufsteher, fleißig, aber nicht fanatisch GESPRÄCH MIT GUSTAV PEICHL

GP   Ich lebe mit der Zeichnung, seitdem ich zehn Jahre

alt war. In der Schule habe ich schon immer gezeichnet. Zur Matura habe ich eine Zeitung gemacht. Da hat meine ehrgeizige Mutter gesagt, wenn alle sagen, er zeichnet so gut, dann lassen wir ihn Baumeister werden. Sie hat gedacht, da verdient man viel, und ich habe gesagt, ich will nicht Baumeister werden, weil ich Architekt werden will. Und ich bin auf die Gewerbeschule gegangen. Das war alles noch in der Nazizeit. Später bin ich dann an die Akademie zu Clemens Holzmeister. Gustav Peichl 2017

RB   Peter Blake beschrieb Ihren Lebensstil einmal be-

wundernd als Doppelleben. Einmal in der Woche als ­Karikaturist in der Wiener Tagespresse, die meiste Zeit als Professor an der Akademie der Bildenden Künste am Schillerplatz, doch schon morgens in aller Herrgottsfrühe im Architekturatelier am Opernring. Zumindest in Wien besitzen Sie zwei öffentliche Identitäten, die des „Ironimus“ und die des Professors. Wie wurden Sie zum Doppelgänger?

Gustav Peichl, Die Puppe in der Puppe, Hommage à Oswald Mathias Ungers

RB   Wie aber kam es denn zu den Karikaturen? GP   Dann war der Kriegsschluss, und die vier Besat-

zungsmächte haben in Wien geherrscht. Weil ich kein Geld hatte, habe ich gezeichnet, die dicken Russen mit den dicken Orden. Und das hat denen gefallen. Mein erstes Geld hab ich mit Schleichhandeln verdient, denn die schlechten Zigaretten von den Russen hab ich immer gegen irgendetwas eingetauscht. Und so habe ich während meines Studiums ganz gut gelebt. RB   Und wie kamen die Karikaturen in die Zeitung? GP   In jeder Besatzungszone gab es eine eigene Zeitung,

auch eine in der amerikanischen: Das war der „Neue

Gustav Peichl, Das Tortenstück, Hommage à Hans Hollein

Gustav Peichl ⁄ GESPR ÄCH

­ reisky hier. Da haben wir erst geglaubt, da pflanzt uns K einer, der Schmäh macht. Dann hat er angefangen: Wo ist der Professor, hat mich zum Telefonat geholt und hat gesagt: Die Karikatur ist großartig, meine Locken, meine Nase, meine Augen – wirklich sehr gut, eine herrliche ­Karikatur, aber grundfalsch politisch. Er war der beste Kanzler, mit einer durchtriebenen Intelligenz. Er war so trickreich. Er war ein Politprofi. Ich habe das einmal gesagt, und da waren sie mir alle bös: Er hat als Politiker so gelogen, dass nicht einmal das Gegenteil wahr war. Aber natürlich sehr gescheit. Gustav Peichl, Uuraaaah, 1955

­ urier“. Ich habe mit Peichl signiert, Pei mit einem großen K I- Punkt. Ich habe Russen und die Rote Armee gezeichnet. Der Chefredakteur, ein Amerikaner, hat gesagt, sehr gut, wir drucken das, aber wo wohnen Sie denn? Im 2. Bezirk in Wien. Hoppla, hat er gesagt, das ist ein Russenbezirk. Die Russen haben alles vertragen, waren humorvoll und nett, bloß keine Karikaturen über die Rote Armee. Der Stalin und die Rote Armee waren heilig. Damals wurden meine Karikaturen schon von den Schülern an den Klassentafeln nachgezeichnet.

RB  Es gibt ja einige Architekten, die mit Karikaturen po-

pulär geworden sind: Bruno Paul im „Simplizissimus“, Ernst Maria Lang in der „Süddeutschen Zeitung“ und Saul Steinberg im „New Yorker“. GP   Mein Stil war linear, wie Saul Steinberg und Paul ­Flora. Das waren meine Vorbilder. RB   Von 1949 bis 1953 haben Sie in der Meisterschule

von Clemens Holzmeister an der Akademie der Bildenden Künste in Wien Architektur studiert. Hufnagel, Peichl, Achleitner, Holzbauer, Hollein sind aus ihr hervorgegangen und haben den Nukleus für das architektonische Renommee der ersten Nachkriegsjahrzehnte in Österreich gebildet.

RB   Und wie entstand das Pseudonym Ironimus? GP   Der Chefredakteur hat gesagt, die Russen kennen

keinen Spaß, wenn du im 2. Bezirk wohnst, ist das viel zu gefährlich. Du musst dir in einer Viertelstunde ein neues Pseudonym ausdenken. Da ist mir Ironimus eingefallen. Der Chefredakteur war begeistert und die Redakteure auch. Da hab ich gedacht, da mach ich halt ein Pseudonym, das wird dauern acht Tage, eine Woche oder es wird einen Monat halten oder so, jetzt hat‘s gedauert über sechzig Jahre. So ist der Ironimus entstanden. RB   1955 sind die Besatzungsmächte aus Österreich ab-

gezogen. GP   Natürlich hab ich für die österreichischen Zeitungen gezeichnet, auch die Bundeskanzler karikiert, den Julius Raab und den Leopold Fiegl. Und dann habe ich einen Freund gehabt, der wurde 1967 Generalintendant des ORF, der Gerd Bacher. Den habe ich zu seiner Inthronisierung karikiert als Tiger. Und das ist ihm geblieben. Dann wurde ich überall populär, als Schöpfer des Tigers. Ich war ja auch der Kreisky-Karikaturist. Ich habe ihn sehr mögen. Er hat mich öfters in der Früh angerufen. Meine Zeichner und meine Sekretärin sind einmal dagesessen, und es läutet das Telefon. Jemand ruft an und sagt

Gustav Peichl, IBA-Architekt

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Erdfunkstelle Aflenz, Steiermark, 1980

GP   Stimmt schon. Während dem Studium habe ich auch noch bei Roland Rainer gearbeitet. Auch er hat mich beeinflusst. RB  Ihr architektonisches Werk entwickelte sich über die

Jahre sukzessive weiter. Zu Beginn Ihrer Karriere arbeiteten Sie mit ganz einfachen geometrischen Formen; die Schule an der Krim und das Rehazentrum in Meidling, beide in Wien. GP   In den späten 1960er-Jahren habe ich den Wettbewerb für die vier Bundesländerstudios in Salzburg, Innsbruck, Dornbirn und Linz gewonnen. Später kam noch ein fünftes in Graz hinzu. Das wurde überall publiziert und da war ich plötzlich auch bei Architekten und Fachleuten populär.

allerlei nautischem Drum und Dran, scheint bei der schwierigen Aufgabe, den Tegeler See zu entsalzen, auf Grund gelaufen zu sein. Auch die drei Lichttürme der Bundeskunsthalle in Bonn lassen Deutungen zu: Sind es die Bleistiftspitzen eines gewieften Zeichners oder ironisch zugespitzten Zipfelmützen, dem Erkennungszeichen des Deutschen Michels? Alles Metaphern, Allegorien und Assoziationen! GP   Im nächsten Jahr werde ich neunzig, da machen wir in Krems eine große Ausstellung über mich mit dem Titel „Metamorphosen“. RB   Was habe ich gesagt, es geht um Bilder! GP  Da haben Sie jemanden, der Sie versteht! Aber ich bin

kein Postmoderner!

RB   Der große Durchbruch mit sachlichen Gehäusen,

RB   Gibt es nicht eine amerikanische Postmoderne und

­ eren Ästhetik von Organisation, Funktion und Technik d bestimmt wurde. GP   Das war mein Opus Magnum. Dafür habe ich den Reynolds Memorial Award bekommen.

eine europäische? Robert Venturi entlehnte Bilder aus der Baugeschichte, zum Beispiel die dorische Säule beim Oberlin College in Ohio. GP   Die Amerikaner waren ja Plakatkünstler!

RB   Auch die Erdfunkstelle in Aflenz spricht diese bild-

RB  Bei der Phosphateliminationsanlage bedienten auch

liche Sprache. Eine geheimnisvolle Mischung aus einfachen geometrischen Formen GP   … und der Poesie der Konstruktion.

Sie sich der Bilder, aber es war kein Rückgriff auf die Geschichte, es war ein Zitat aus der Gegenwart. GP   Ja, es ist ein technisches Bild.

RB   In den 1980er-Jahren veränderten sich Ihre Aus-

RB   Die Personalumkleiden in Tegel erinnern an Wasch-

drucksmittel. GP  Meinen Sie die Phosphateliminationsanlage in Berlin-­ Tegel?

kauen aus den Bergbauzechen, bei denen die Arbeitskleidung mit Ketten an die Decke hochgezogen wird. Ich denke schon, dass Sie in 1980er-Jahre passen. Auf j­ eden Fall arbeiten Sie mit Assoziationen. GP   Ein bisschen.

RB  Da haben Sie ein Bild, ganz architecture parlante, im

Kopf. Ein Dampfer, erkennbar an Kommandobrücke und

Gustav Peichl ⁄ GESPR ÄCH

RB   Die Moderne ist von Rationalität bestimmt. In den

GP  Ich bin ein Frühaufsteher, bin fleißig, aber nicht fana-

1970er-Jahren wurde das Rationale durch das Bildhafte ersetzt. GP   Stimmt.

tisch. Letzte Woche ist im Standard ein Artikel über mich erschienen: „Ich bin pflegeleicht aber schwierig!“ RB   Wenn man beides macht, Karikaturen und Archi­

RB   Auch in Ihrem Werk hat sich der Wandel vollzogen. GP   Na ja, das ist sehr gut, dass Sie die Sache so aufzie-

hen! RB  Nach dieser Phase bekamen Sie die großen Aufträge,

wie den Millennium Tower oder die Wiener Messe. GP   Sie stehen auf demselben architektonischen Fundament. Als ich die vielen Preise bekommen habe, ich besitze ja auch das deutsche Bundesverdienstkreuz, da war ich gescheit, da hab ich mir gesagt, ich will kein großes Architekturbüro, sondern ich bleib klein und brav. RB   Sie waren gut organisiert, und man erzählte sich, dass Sie vor Wettbewerbsabgaben die Nächte nicht durchgearbeitet haben.

tektur, dann muss man ganz unterschiedliche Zielgruppen im Auge haben. Wie bekommt man das unter einen Hut? GP   Ich kann Ihnen sagen, die Karikatur und die Architektur haben etwas Gemeinsames: Es muss stimmig sein, muss eine bestimmte Intelligenz haben, muss sparsam sein und auf einen einfachen Nenner gebracht werden. Die Grundrisse zeichnen sich aus durch Einfachheit, und die Karikaturen zeichnen sich aus durch Einfachheit. Das ist eine Verbindung. Ich wurde ja oft gefragt: Also stimmig, intelligent und einfach! So einfach. Glauben Sie mir das!  RB   Und wie verbindet man den Beruf eines Architekten

mit der Tätigkeit als Karikaturist?

Phosphateliminationsanlage, Berlin, 1985

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GP   Der Beruf als Architekt macht fast siebzig Prozent

der Zeit aus, dann kommen zwanzig Prozent als Karikaturist. Der Rest ist Vergnügen, Flirten, Spazierengehen  – kein Sport, aber sonst alles, was Bewegung ausmacht und heiter stimmt. RB  Bleibt die Frage, wie die Zeichnungen entstehen. Mit

der Hand beim Zeichnen oder mit einer Idee im Kopf? GP   Auch das werde ich immer wieder gefragt, ich kann nicht seriös antworten. Zeichnung, Bleistift und Papier sind eins, deswegen bin ich so ein Gegner des digitalen Entwerfens. Denn so praktisch und notwendig der Computer ist, er ist die größte Diktatur, die wir heute haben. Die Studenten von heute zeichnen nicht mehr, sie machen alles am Handy oder Computer. Digital ist nicht die Antwort. In meinem Buch steht´s: Die Zeichnung ist die Sprache des Architekten. RB   Mit Ihrer langjährigen Lehrtätigkeit und dem Rek­

torat an der Akademie für Bildende Künste, die ganze ­Generationen von erfolgreichen Architekten geprägt hat, den großen nationalen und internationalen Bauaufträgen und nicht zuletzt ihrer Medienpräsenz sind Sie in Wien nicht nur ein Architektenstar, sondern auch ein österreichischer Machtfaktor. GP  Mächtig nicht, aber populär. Vor kurzem erst habe ich auf der Kärntner Straße eine Frau getroffen, die hat gesagt: „Jesses na, Herr Ironimus, dass ich Sie seh, ich freu mich schon auf die Silvestersendung“. Aber die habe ich schon zehn Jahr nicht mehr gemacht. Das war eine ältere Dame, das war lustig, da war ich wirklich populär. RB   Sie waren auch regelmäßig im Fernsehen. GP   Da habe ich ab 1958 vor laufender Kamera in der

­ endung „Guten Abend am Samstag“ die Karikatur der S Woche produziert. Alles habe ich gemacht, geredet, gezeichnet und sogar den Kreisky interviewt. Schon lange mach ich das nicht mehr, weil ich das nicht mehr kann.

ten; natürlich alles ohne Honorar. Er hat sehr viel von mir gehalten, weil ich originell war, und weil ich ihm die Wahrheit gesagt habe, auch das Negative. Das ist so weit gegangen, dass mich seine Minister angerufen haben. Pass auf, sagten sie, kannst du ihm nicht das sagen, wir trauen uns nicht. Ich habe mich mit ihm gut verstanden, weil er sehr gebildet war. Einmal habe ich ihn in Wien herumgeführt. Bei dem großen Denkmal mit der Maria Theresia, er war vorher nie dort, da sagte er, na Peichl, wer sind die Leute da, die um die Maria Theresia herumstehen? Ich habe drei gewusst, und er hat alle zwölf gewusst. Er war Historiker, viel gescheiter, als er sich dargestellt hat. Im Fernsehen hat er sich als Dolm dargestellt. Und wie er sich gekleidet hat, zu seinem Nachteil, aber er war toll. Er war ein Staatsmann. RB   Wir hatten schon einmal ein Gespräch geführt, das

war zur Jahrtausendwende. Da hatte ich Sie gefragt, wie sich das Aufblühen Österreichs nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf den Baumarkt und die Architektur­ qualität ausgewirkt hat. GP   Heute ist die Architektur anders geworden. Jetzt geht es nach Geschäft und Geld. Damals war es noch die Aufgabe, Künstler zu sein oder Sachen zu machen, die dem Land dienen. RB   Wien wächst. Bald werden wieder zwei Millionen

Menschen in Wien wohnen, wie vor dem Ersten Weltkrieg. Seit zwanzig Jahren sorgt der Wiener Wohnungsbau für Aufsehen. Was halten Sie denn von der Seestadt Aspern, der größten Stadterweiterung, die momentan fertiggestellt wird? GP   Das ist eine Fehlplanung. Die Häuser haben etwa die gleiche Höhe wie die Ringstraßenbauten. Das ist überdimensioniert. Man braucht auch Häuser, in denen nur zwei Familien wohnen. Nicht nur diese Häuser im Maßstab der Ringstraße. Es ist ja keine Seestadt, es ist eine Teichstadt. RB   Was sind denn die Höhepunkte österreichischer

RB   Ihr Ruf ist Ihnen auch nach Deutschland vorausge-

eilt. GP   Bei der ersten Wahl von Helmut Kohl habe ich eine

Karikaturensammlung gemacht mit dem Titel „Der schwarze Riese“. Im Bahnhof Rolandseck in Bad Godesberg habe ich sie vorgestellt, ein bisschen erzählt, und da war er so begeistert, dass er sich sofort mit mir unterhalten hat. Herr Professor hat er gesagt, Sie sind der teuer­ ste Gastarbeiter in Deutschland. Damals hab ich ja schon die Bundeskunsthalle in Bonn gebaut. Dann war ich sechs Jahre lang zu Ostern auf Kur mit ihm in Hofgastein. Beim Bau des Bundeskanzleramtes in Berlin habe ich ihn bera-

­Architektur in den letzten 100 Jahren? GP   In den 1920er- und 1930er-Jahren Adolf Loos und Josef Hoffmann. Das waren ja die Größten überhaupt. Hervorragende Architekten, sehr intelligent, alle links natürlich und haben sehr gute Sachen gemacht. Die ­besten Bauten waren das Rote Wien. Die Wohnbauten, die waren ja weltberühmt. RB  An diese Tradition knüpft Wien seit vielen Jahren an

und plant eine Internationale Bauausstellung. Was halten Sie davon? GP   Sehr viel, wenn sie es gut machen!

Gustav Peichl ⁄ GESPR ÄCH

ORF-Landesstudio Vorarlberg, Dornbirn, 1972

ORF-Landesstudio Steiermark, Graz, 1980

Das Gespräch zwischen Gustav Peichl (GP) und Roland Burgard (RB) wurde am 29. Februar 2000 im Atelier Peichl am Kärntner Ring in Wien sowie am 29. Juni 2017 in der Himmelgasse in Wien geführt.

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Museumsrestaurant im Städel Ist ein Museumsrestaurant ein Ort der Muße, zur Nachlese des Gesehenen oder der Geselligkeit? Die Anforderungen an die Gastronomie eines Ausstellungshauses sind ebenso vielfältig wie widersprüchlich: Schulklassen besuchen ein Museum genauso wie kulturelle Eliten. Das eine Publikum zieht es in Blockbuster-Ausstellungen, das andere Publikum geht zu Performances. Welche Gastronomie ist die Richtige? Crossover-Küche oder Haute ­Cuisine? Kurz vor der Jahrtausendwende wurde das Städel Museum eingehend saniert, und dabei wurde eine äußerst praktikable Lösung für diesen schwierigen Spagat gefunden: Im Altbau neben dem Buchladen liegt das Tagescafé, und außerhalb in einem neuen Bau das Museumsrestaurant als gastronomisches Highlight für die Stadtgesellschaft. Bei der ersten Erweiterung des Städels zu Beginn des 20. Jahrhunderts ordnete man zwischen den beiden Westflügeln einen Hof an, der zur Holbeinstraße offen blieb. Die Architekten Jourdan & Müller PAS, die schon zuvor die Altbauten saniert hatten, nutzten diese Lücke, um für das Museumsrestaurant einen leichten Würfel aus Glas und Stahl einzufügen, dessen Dach auf acht schlan-

Schnitt Ost-West

Architekt: Jourdan & Müller PAS mit Felix Jourdan Fläche (BGF): 630 m2 Wettbewerb: 1998 Eröffnung: 1999 Holbeinstraße 1 60596 Frankfurt am Main

ken Stahlstützen ruht. Oben reicht er bis zur Attika der Altbauten, sodass darunter ein großzügiger Luftraum entsteht, der zur Holbeinstraße durch eine Glasfassade abgetrennt wird. Zu den historischen Fassaden der bei­ orden den Altbauten hält er respektvollen Abstand; im N und Osten von der in gelblichem Mainsandstein gehal­ tenen Fassade des nach dem Krieg von Johannes Krahn wieder aufgebauten Altbaus von 1878, und im Süden von der Putzfassade des Anbaus aus dem Jahr 1921. Für die neue Architektur bilden sie die Kulissen, doch gleichzeitig schaffen sie eine Bühne für die Gastronomie. Losgelöst von der Historie, entwickelt sich, gleichauf mit der Eingangsebene des Museums, das Restaurant mit seinen Einbauten für den gastronomischen Service. So ist die Anbindung nach innen ins Museum gewährleistet. Ebenso nach außen. Vom Gastraum geht der Blick durch die offene Glasfassade zum Main, den man über eine ­breite, vorgelagerte Treppe erreichen kann, und wonach man über den Holbeinsteg in die Innenstadt kommt. Das Restaurant im Städel Museum ist ein Glücksfall, der ein Stimulus nicht nur für das Museum, sondern für die ganze Stadt ist.

Museumsrestaurant im Städel

Blick auf das Museumsrestaurant aus Nordwesten von der Holbeinstraße

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Blick auf den Übergang zwischen dem Städel-Altbau von 1878 und dem Museumsrestaurant von Südosten

Museumsrestaurant im Städel

Einbindung des Museumsrestaurants in den Altbaukomplex, Modellaufnahme

Grundriss Gastraum

Blick in den Gastraum mit der Fassade des Erweiterungsbaus von 1921 im Hintergrund

Blick vom Altbau im Norden über die Verbindungsbrücke auf die Bar des Museumsrestaurants

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Im Grunde genommen muss jede Zeit ihre Stadt neu erfinden GESPRÄCH MIT JOCHEM JOURDAN

RB   1979 sind Sie mit Ihrem Büro von Darmstadt nach

Frankfurt umgezogen. Und im Jahr darauf waren Sie gleich bei zwei großen Wettbewerben am Main erfolgreich: beim Dom-Römer-Bereich mit dem Zweiten Preis und bei der Landeszentralbank waren Sie in der ersten Preisgruppe.  JJ   Das Auswahlverfahren bei der Landeszentralbank war langwierig. RB   Was einfach zu erklären ist, denn dieses Projekt Jochem Jourdan 2019

RB   Mein erster Besuch bei Heinrich Klotz in Marburg be-

gann mit einer Überraschung. Klotz, der spätere Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums, saß an einer Publikation der Entwürfe von Charles Moore, Oswald Mathias Ungers und James Stirling zur Marburger Altstadt. Diese sahen eine komplette Überformung der historischen Bausubstanz des Quartiers vor. Dabei wohnte er genau dort in einem spätgotischen Fachwerkhaus. Als wir vom Keller bis zum Dachboden durch alle Räume gingen, erklärte er mir, wie er das Haus mit Ihnen zusammen geplant, umgebaut und saniert hat. Wie kam es dazu? JJ  Unsere Projektgruppe haben wir 1969 in Darmstadt gegründet und bald danach mit der Stadterneuerungsplanung für die Stadt Grebenstein großes Aufsehen erregt. Dadurch ist der Leiter des Marburger Stadtplanungsamtes Diethelm Fichtner auf uns aufmerksam geworden. Als Folge des Städtebauförderungsgesetzes hatte die „Freie Planungsgruppe Berlin” damals vorgeschlagen, die ganze Marburger Altstadt abzureißen. Man wollte alles mit dem Bagger plattmachen. 1970 stand eine Oberbürgermeisterwahl an, die zunächst der Christdemokrat Walter Wallmann gewann. Doch die Wahl ­wurde für ungültig erklärt, und bei der neuerlichen Wahl hat sich der Sozialdemokrat Hanno Drechsler mit dem Wahlschlager „Die Altstadt wird nicht abgerissen” durchgesetzt. Damit begann plötzlich ein ganz anderes K ­ onzept von Altstadterneuerung, und zwar die Mosaiksanierung. So kamen wir zur Stadterneuerung in Marburg und zu Diethelm Fichtners Empfehlung bei Heinrich Klotz.

wurde auf dem Gipfel der Hochhausphobie in Frankfurt entwickelt, und das Raumprogramm war in einem „umgelegten Hochhaus“ unterzubringen. Und Sie bekamen den Auftrag. Wurde dieser Entwurf nicht schon bald von vielen als Inkarnation einer deutschen Postmoderne verstanden? JJ  Nicht nur der deutschen. Als der berühmte Architekturkritiker Charles Jencks unsere Arbeit sah, war er so begeistert, dass er den Bau sofort in sein Veröffentlichungsprogramm aufnahm. Doch will ich noch etwas zur

Haus Klotz in Marburg

Jochem Jourdan ⁄ GESPR ÄCH

Landeszentralbank Frankfurt am Main, 1980, Eckdetail

Landeszentralbank Frankfurt am Main, Detail des Übergangs zwischen Fassade und Dach, Aquarell

Postmoderne sagen: Für mich ist die Postmoderne in eine Strömung eingebettet, die schon in der Nachkriegszeit und nicht erst um 1980 begonnen hat und eine andere Vorstellung von Architektur vertrat. Wenn man die Proto­ kolle der CIAM nach 1945 liest, kann man das feststellen; die jungen Architekten, die später das Team X bildeten, interessierte das Bildhafte, das Vernacular, die banale Alltagskultur. Von dort nahmen sie ihre Anregungen. Es gibt viele solcher Bezüge, beispielsweise das Waisenhaus von Aldo van Eyck mit seinen Kuppeln, die zwar modern elementiert sind, aber orientalische Elemente aufweisen. Und daher beinhaltet für mich der Begriff Postmoderne immer die Suche nach einer Antwort auf die Frage: Warum ohne Ornament? Er ist auch eine Frage nach der Bedeutung von Architektur, und das heißt natürlich, dass es ganz unterschiedliche Wege gibt. 

Architektur 1960–1980“ vertreten war, sich später noch zur Postmoderne bekannte. Im Gegenteil, nicht wenige haben dies vehement abgestritten. Liegt es an der Tri­ via­li­sierung des Bildes? Liegt es etwa daran, dass es ­manchen Architekten leichter fällt, zu zeichnen als nachzudenken? Ist nicht die Wiederentdeckung der Architekturzeichnung in der Postmoderne verbunden mit der Wiederentdeckung des zeichnerischen Talents? Es gab ja Zeiten, da wurde nicht gezeichnet. JJ   Ich glaube, es wurde immer gezeichnet: Scarpa war ein ganz hervorragender Zeichner, Frank Lloyd Wright war ein hervorragender Zeichner, auch von Ernst Neufert kenne ich wunderbare Handzeichnungen in ­Bleistift.

RB   Trotzdem wundere ich mich darüber, dass kaum

Exkursionen in der Studienzeit nach Spanien oder nach Griechenland. Ich habe sowohl städtebauliche Situa­ tionen, Stadtgrundrisse, als auch Gebäude, Blicke und

­ iner, der seinerzeit in den Katalogen von Heinrich Klotz e wie beispielsweise „Revision der Moderne. Postmoderne

RB   Wie steht es bei Ihnen mit dem Zeichnen? JJ   Ich habe noch heute meine Skizzenbücher von den

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Jochem Jourdan, Reiseskizze Barcelona, 1992

Jochem Jourdan, Reiseskizze Griechenland, 1983

­ etails gezeichnet. Es hat mich dann eben interessiert, D wie zum Beispiel jemand wie Carlo Scarpa mit dem ­Nebeneinander von Historischem und Gegenwärtigem umgeht, oder wie er in seinen eigenen Bauten die Kunst des 20. Jahrhunderts verarbeitet.

JJ   Die Entwicklung der Raumgitter in der Architektur

RB   Von Ernst May kenne ich keine einzige Zeichnung. JJ  Stimmt.

hängt sicher mit der Kristallographie zusammen, und Frei Otto wäre ohne ein vertieftes Studium der Natur nicht denkbar. Aber ich bleibe dabei: Durch die Relativitätstheorie und die Quantentheorie entsteht ein Weg, welcher in der Architektur zu Strömungen wie der Form ohne Ornament führt.  RB   Stellt eine Form ohne Ornamente nicht höhere An-

RB   Waren nicht die 1920er-Jahre die Hochzeit der axo-

nometrischen Darstellung, der sogenannten Militärperspektive? Gab es beim Neuen Frankfurt etwa Architektenskizzen? Ist nicht mit der Geburt des Internationalen Stils in den 1920er-Jahren, seinem sozialen Impetus, dem Seriellen des Industriezeitalters, der Charme des Bildhaften abhandengekommen? JJ  Ich glaube, das ist ein anderes Element. Wir haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Epochenbruch durch die Entstehung oder Entdeckung der Relativitätstheorie und der Quantenphysik erlebt. Und beides ist der Weg in die Unanschaulichkeit. Es entsteht eine Ebene, wo du denkst, mit dem „gesunden Menschenverstand“ kannst du das nicht erfassen. Du kannst keine Atome sehen. RB   Da muss ich dagegenhalten: Wo die Wahrnehmung

durch die Sinne endet, wird das Vorstellungsvermögen gefordert. Ich denke an das Atomium auf der Brüsseler Weltausstellung von 1958, welches eine 165-milliardenfache Vergrößerung einer Zelle des Kristallmodells des Ferrits darstellte. Seit der Entdeckung der Moleküle bestimmen räumliche Modelle die Vorstellungswelt der Chemiker.

sprüche an einen Betrachter als eine Form mit Ornamenten, die Emotionen weckt und dem Betrachter abnimmt, das Gesehene zu hinterfragen? JJ  Jetzt diskutieren wir über etwas, was eines der wichtigsten Themen ist, die mich interessieren. RB   Ich denke an die Vorliebe vieler Menschen für histo-

rische Bauten und ihr distanziertes Verhältnis zum zeitgenössischen Bauen. Ist dies nur ein Problem der subjektiven Wahrnehmung? JJ  Das ist ein Problem der Wahrnehmung, aber auch der Bildung. Wenn ich kein Englisch gelernt habe, kann ich mich mit einem Engländer nicht unterhalten. Genauso ist es, wenn ich die Sprache der Architektur nicht lerne oder die Sprache der Kunst, dann kann ich mich nicht darüber unterhalten, sondern allenfalls emotional reagieren. Im Grunde genommen muss man die Sprache der Architektur lernen und sich damit auseinandersetzen. RB   Sie sprachen von der Unanschaulichkeit, gleichzei-

tig auch von der Vielfalt der Architektur. Bei einer Recherche stieß ich auf ehemalige Studenten aus Ihrer Assistentenzeit an der TU Darmstadt, die berichten, Sie

Jochem Jourdan ⁄ GESPR ÄCH

hätten damals vom visionären Konzept der Architektengruppe Candilis-Josic-Woods für den Römerbergwettbewerb des Jahres 1964 geradezu geschwärmt. JJ  Das stimmt! RB   Doch schon 1979–1980, bei dem nächsten Dom-­

Römerberg-Wettbewerb, baute Ihr Beitrag auf dem Fußabdruck der untergegangenen Altstadt auf. Damals erhielten Sie den Zweiten Preis. Und jetzt rekonstruieren Sie sogar das Renaissancehaus zur Goldenen Waage, die prächtigste Rekonstruktion in der Frankfurter Altstadt. Hat sich Ihr Verständnis von Architektur gewandelt? JJ   Das ist keine Wandlung. Es sind ja unterschiedliche Themen. Der 1964 nicht prämierte Wettbewerbsbeitrag von Candilis, Josic und Woods wollte die Idee der Altstadt in ein neues, dreidimensionales Gitter übertragen. Es war eine großartige Idee, aber wurde nicht realisiert, doch für die FU Berlin übernommen und dort in Gestalt der Philologischen Fakultät 1967–1973 gebaut. Wir hatten mehr als ein Jahrzehnt später einen anderen Zugang. Die Anre­ gungen kamen aus meiner Darmstädter Zeit. Als ich bei Professor Romero 1966 als Assistent anfing, gab es eine Tagung in Bordeaux, die vom Vorläufer von ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) veranstaltet worden war. Bei dieser Tagung ging es um den Erhalt historischer Städte in der Dordogne. In der Folge der Auseinandersetzung um das Marais-Viertel in Paris, das auch abgerissen werden sollte, hatte André Malraux, damals Kultusminister in Frankreich, eine Gesetzgebung für die Erhaltung eines historischen Stadtteils durchgesetzt. In der Denkmalpflege in Frankreich sprach man nun nicht nur von den „monuments“, sondern auch von den „sites“, also dem Gebäude in der Landschaft, in der Umgebung, im Freiraum, im Straßenbild und im Platzbild. RB   Und diese Überlegungen wollten Sie auf Frankfurt

übertragen? JJ  Ja, das war eine der wichtigsten Anregungen, weshalb wir dann bei dem Wettbewerb 1979 einen Vorschlag gemacht haben, das alte Stadtbild nachzubauen, die Parzellen nachzubilden, die Flucht des Krönungswegs, die Gassen und das Fünf-Finger-Plätzchen aufzunehmen. Mittlerweile hatten wir auch Erfahrung bei Stadterneuerungsprojekten gesammelt, und daher war dies in unserem Büro ein logisches Weiterdenken.

Haus Saalgasse 24 im Dom-Römer-Bereich Frankfurt am Main, 1990

RB   2004–2005 gab es dann wieder einen Wettbewerb

auf dem Dom-Römer-Areal. JJ   Damals sollte über dem Archäologischen Garten noch eine Stadtbibliothek hinzukommen. Wieder haben wir das historische Straßenbild und wieder die Parzellen

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Goldene Waage, das prächtigste Handelshaus aus der Spä­t­renais­ sance der Frankfurter Altstadt, zwischen 1618 und 1619 errichtet und im Zweiten Weltkrieg zerstört (Aufnahme um 1900)

Goldene Waage, Detail der Dachgaupe

zugrunde gelegt, was sich im Grunde genommen aus der Kontinuität unserer Arbeit erklärt. Und wir haben wieder den Zweiten Preis erhalten. RB  Beim Wettbewerb für das Tagungszentrum Haus am

Dom bekamen Sie dann den Ersten Preis. JJ   Wir hatten allerdings bei dem Haus am Dom ein Wettbewerbsprojekt eingereicht mit Flachdach, und das fand keine Anerkennung. Wir haben das umgearbeitet und 2007 diese hohen Steildächer realisiert. RB  Jetzt haben wir einige Male über Kontinuität gespro-

Goldene Waage, Rekonstruktion im Rahmen des Wiederaufbaus der Frankfurter Altstadt, 2018

chen. Sie haben in den 1990er-Jahren ein Haus in der Saalgasse gebaut. Jetzt rekonstruieren Sie die Goldene Waage. Kommt das wirklich aus einer Hand? JJ  Also, beide Häuser sind eindeutig von mir entworfen. Bei der Goldenen Waage ging es um zwei Themen: einerseits der Rekonstruktion aus Quellen aus dem 19. und 20. Jahrhundert, andererseits dem Schließen weißer Flecken, die aus Lücken in der Dokumentation, aber auch notwendigen Eingriffen durch die Umwandlung eines Fachwerkhauses aus dem 16. oder 17. Jahrhundert in ein High-Tech-Haus des 21. Jahrhunderts entstanden. Gab es textliche Hinweise, aber keinen Befund, so baten wir zum Beispiel den Frankfurter Künstler Udo Koch, an den Decken des Belvederchens und im Erdgeschoss eine moderne Spur zu legen, wodurch ein Bezug zur Gegenwart hergestellt wird.

Jochem Jourdan ⁄ GESPR ÄCH

RB   Natürlich bin ich vorbelastet, ich habe ja in den

1980er-Jahren das Dom-Römerberg-Areal begleitet. Mir gefallen alle Saalgassenhäuser besser als die rekonstruierte Altstadt, weil sie impulsiver sind, weil sie zeigen, dass die Architekten ihr Bestes geben wollten, ihr Innerstes offenlegten und ein Bekenntnis zu ihrem Verständnis von Architektur abgaben. JJ  Das liegt natürlich an zwei Dingen: zum einen, dass man glaubte, sich für das neue Altstadtareal eine relativ eng gefasste Gestaltungssatzung geben zu müssen. Und man hat zum anderen Wettbewerbe gemacht und hat dabei Leute eingeladen, die eben nur der Jury genehm waren. Die gab es bei der Saalgasse nicht. Das heißt also, es gab eine begrenzte Auswahl. Was dem Altstadtviertel fehlt, ich nenne das mal nur mit einem Wort, das ist der Begriff Raumzeit. Raumzeit im Sinne von Einstein. Also das heißt, die allerweit fortgeschrittenste Gegenwart. RB   Dabei gibt es viele Stimmen, auch in der Fachwelt,

die meinen, bei der Suche nach allem Städtischen müsse man sich nur an der Vergangenheit orientieren, dann würde es schon gut. Stimmt das? JJ   Nein, ich glaube das nicht. Im Grunde genommen muss jede Zeit ihre Stadt neu erfinden und selbst erfinden. Und wir haben einerseits das Problem, dass wir ja einen großen Bestand haben. Wir müssen mit dem Bestand arbeiten und den Bestand in die Zukunft führen und ihn aber nicht zerstören, weil er gleichzeitig unsere Vergangenheit darstellt. Und jede Gesellschaft braucht ihre Vergangenheit, aber sie braucht auch die Zukunft. Und die Zukunft kristallisiert sich in der Gegenwart. Du musst aus dem Denken, so wie du dir das Morgen vorstellst, so musst du die Gegenwart bestimmen. Und das ist eine komplexe, schwierige Aufgabe. Das Gespräch zwischen Jochem Jourdan (JJ) und Roland Burgard (RB) wurde am 5. Oktober 2018 in der Brönnerstraße in Frankfurt am Main geführt.

Goldene Waage, hintere Halle mit der Deckengestaltung von Udo Koch

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Erweiterung Städel Museum

Architekt: schneider + schumacher Fläche (BGF): 3000 m2 Wettbewerb: 2008 Eröffnung: 2012 Schaumainkai 63 60596 Frankfurt am Main

Innerhalb von nur wenigen Jahren hatten sich die Bestände der Gegenwartskunst im Städel durch Schen­ kungen, Zugaben aus Unternehmenssammlungen und Ankäufen erheblich vergrößert. Dies machte die dritte Erweiterung seit dem ersten Städelbau am Sachsenhäuser Mainufer von Oskar Sommer aus dem Jahr 1878 erforderlich. Die Frankfurter Architekten Till Schneider und Michael Schumacher entwarfen hierzu eine tiefliegende Halle mit 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Dies verdoppelt nicht nur das Raumangebot des Städels nahe­ zu, sondern macht auch den radikalen Wandel in der Sammlungspräsentation zu Beginn des 21. Jahrhunderts deutlich. In den Altbauten folgen die Besucher noch der Enfilade der klassischen Museumskabinette. Die neuen Ausstellungsräume erreichen die Besucher vom Eingangsbereich aus über eine imposante, repräsentative einläufige Treppe, welche sie in eine variable Ausstellungshalle von 76 Metern Länge und 53 Metern Breite führt. Sie bietet ein einzigartiges Raumerlebnis, dessen Wirkung vor allem von der doppelt gekrümmten Decke ausgeht. Diese wird von zwölf schlanken ­Stützen getra-

2012

GARTENHALLEN schneider+schumacher

1990 WESTFLÜGEL Gustav Peichl

Museumsgarten mit den Oberlichtern der Gartenhallen von Südosten

1921

GARTENFLÜGEL Hermann von Hoven Franz Heberer

1878

HAUPTGEBÄUDE Oskar Sommer

Isometrie des Gesamtkomplexes mit den vier Teilen

Erweiterung Städel Museum

Blick von Süden auf den Museumsgarten und die Oberlichter der unterirdischen Gartenhallen

Lageplan mit den vier Teilen Städelschule (1878), Gartenflügel (1921), Gartenhallen (2012) und Westflügel (1990)

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Metzler-Foyer mit Abgang zu den unterirdischen Gartenhallen

Westflügel

Grundriss der unterirdischen Gartenhallen, des Gartenflügels und des Mainflügels

Städlschule

Längsschnitt

Gartenhallen

Gartenflügel

Mainflügel

Erweiterung Städel Museum

Blick in die unterirdischen Gartenhallen mit Oberlichtern und Ausstellungseinbauten

gen, und ihre Unterseite weitet sich im Zentrum der Hal­ le bis zu einer Höhe von 8,20 Meter auf. Die Oberseite der Decke formt den ehemaligen Museums­ garten zu einer grünen, begehbaren Gartenlandschaft um. Die 195 runden, unterschiedlich großen Oberlichter, deren Größe vom Mittelpunkt des Ausstellungsraums zu den Außenseiten abnimmt, perforieren die Decke. Man fühlt sich an Prinzipien der Op Art erinnert, dabei leiten sich die Gestaltungsprinzipien aus der ersten Erweiterung des Städels von Hermann von Hoven und Franz ­Heberer aus den Jahren 1915–1920 ab. Deren Fassadenöffnungen geben das Achsmaß und die Medaillons unterhalb der

Attika die Form der Oberlichter vor. Durch sie dringt das Tageslicht von oben so fein moduliert ein, dass der Be­ sucher die Lichtstimmung am Tag erahnt, es ­jedoch den Kunstwerken nicht schaden kann. Obwohl die Ausstel­ lungshalle unter Straßenniveau liegt, ist sie frei von der beklemmenden Enge der „White Cubes“, der verblichenen Doktrin des Museumsbaus der letzten Hälfte des 20. Jahr­ hunderts.

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Was uns eint, ist das Bestreben heraus­zufinden, warum etwas wie richtig ist GESPRÄCH MIT TILL SCHNEIDER UND MICHAEL SCHUMACHER

Till Schneider (links) und Michael Schumacher (rechts) 2018

RB   1988 gründeten Sie das Architekturbüro schneider

+ schumacher in Frankfurt am Main. Seither blüht und gedeiht es in Deutschland, Österreich und sogar in C ­ hina. Architektenpartnerschaften sind bisweilen sehr fragile Interessensgemeinschaften, andere wiederum können sehr stabil sein, quasi Lebensgemeinschaften, die über Jahrzehnte halten und Höhen und T ­ iefen gemeinschaft­ lich bewältigen. Gibt es ein Erfolgsgeheimnis? Gleiche Wellenlänge, Gegenpole, die sich anziehen, oder stimmt einfach die Chemie? Hat es am Ende mit irgendeiner Vor­ prägung zu tun? TS  Mein Vater war Schauspieler und meine Mutter Reli­ gionslehrerin. MS  Die Schauspielerei braucht man in unserem Beruf ganz dringend! TS  Michael sagt ja, dies würde mir helfen. Aber alle Leute durchschauen mich, wenn ich so ein bisschen zu flunkern anfange! Von zu Hause aus gab es weder technische noch architektonische Einflüsse. MS  Ich wollte einmal Maschinenbau studieren. Während meiner Schulzeit habe ich Modellautos gebaut und im Gymnasium dann einen anspruchsvollen Mathematik­ leistungskurs gewählt. Aber mein Vater war Architekt, sein Büro kannte ich, die Atmosphäre und so. Ich habe da ja auch ein bisschen gearbeitet. In den letzten Schul­jahren drehte sich das dann um, da kam ich auf die Idee, Archi­ tektur zu studieren. Insofern ist das schon eine P ­ rägung. TS   Ich hatte sogar einmal ein Semester Bauingenieur­ wesen studiert in Karlsruhe. Ich hatte keinen Matheleis­

tungskurs besucht, war auch erstaunt, wie man mit so einem vertieften Grundverständnis weiterkommen kann. Aber vom humanistischen Gymnasium kommend, dach­ te ich, da kann ich nichts werden. Wie das Bauingenieur­ wesen damals gelehrt wurde: Also ihr macht nur das, was sich die Architekten ausdenken, das müsst ihr dann hinrechnen, das ist eure Aufgabe. Das fand ich doch ein bisschen einengend! Da habe ich mir gedacht: Die Archi­ tektur ist es. Das hat mich ein Jahr gekostet, sonst wären Michael und ich im selben Semester gewesen. RB   Wie seid ihr beiden denn zusammengekommen? MS  Wir haben beide an der Uni Kaiserlautern angefangen.

Dort haben wir nach den Angeboten, die es in Darmstadt gab, gelechzt. Regelmäßig sind wir zu den Mittwoch­ abendvorträgen nach Darmstadt gefahren. TS   Trotzdem haben wir beide von dieser grundsoliden und technisch fundierten Ausbildung in Kaiserlautern profitiert. Auch wenn man von Juristerei, Baubetrieb oder Bauphysik unter Umständen nicht allzu viel behalten hat, kann man immer einmal wieder in diese Themenfelder hineingrätschen. Es hat uns gesprächsfähig gehalten. Nach dem Vordiplom hatte ich genug. Ich bin nach Darm­ stadt gegangen. Damals waren in Darmstadt die drei „B“: Bächer, Belz und Behnisch. Und da bin ich nicht so richtig nett aufgenommen worden. Es hieß: Also, wenn Sie von woanders herkommen, dann fangen Sie am besten noch einmal mit dem Grundstudium an. MS  Das hat man mir in Darmstadt auch gesagt. Es war ja nicht so, dass in Kaiserslautern die Welt zu Ende war, weswegen ich mein Studium in Kaiserslautern zu Ende gebracht habe, und danach beschloss, ein Post-Graduate-­ Studium an der Städelschule in Frankfurt aufzunehmen. Da habe ich Till wieder getroffen. TS  Beide hatten wir das Gefühl, dass nach den fünf oder sechs Jahren Studium es jetzt – das Handwerkszeug ist da – zum Eigentlichen kommen müsste. RB   Wann war das? MS  Ich schloss 1986 ab und Till 1987. RB  Da war die Postmoderne längst abgearbeitet und die

Avantgarde weitergezogen. Warum zog es euch an die Städelschule?

Till Schneider und Michael Schumacher ⁄ GESPR ÄCH

MS  Ich sagte mir: Jetzt suche ich mir einen Platz, wo ich

hoffe, über Architektur grundsätzlich nachdenken zu können. In Stuttgart hörte ich einen Vortrag von Peter Cook. Ich kann nicht besonders gut Englisch, aber was Peter Cook von sich gab, fand ich interessant. Und als Cook von roten und grünen Gartenschläuchen erzählte, da dachte ich, das macht Spaß, da kann man noch ein bisschen experimentieren. RB   Ihr seid wegen Peter Cook an die Städelschule

­gegangen. MS  Natürlich, das war der Schlüssel. Er hatte die inter­ nationalen Kontakte zur AA, der Architectural Association School of Architecture in London, zur Cooper Union in New York und der SCI-Arc, dem Southern California Ins­ titute of Architecture in Los Angeles. TS  Für uns ging die Welt auf. MS  Die Städelschule hatte damals ja keine Struktur, da hat jeder so vor sich hingearbeitet, da gab es minimale Anregungen. Du hast dein Thema selber suchen müssen und dann vor einer Jury den Entwurf präsentiert, und zwar auf Englisch, das war total hart.

Michael Schumacher: Badeanstalt in Kassel am Weinberg, Perspektive einer Studienarbeit an der Städelschule

RB   Und die Jury? MS   Peter Cook lud auch seine Vorgänger, Günter Bock

und Karlfried Mutschler ein, sonst die Archigram-Leute aus London wie Cedric Price, aber auch durchaus gegen­ sätzliche Architekten wie Christoph Langhoff oder Hans Kollhoff. Peter Cook zog nie eine Grenze, und die Juroren hatten sich vorher nicht abgesprochen. Du merkst, das ist alles nicht so objektiv, das ist von die­ sem Juror oder von jenem Jurymitglied abhängig. Das eine Urteil trifft dich ins Mark, ist konzeptionell wichtig, das andere passt ja überhaupt nicht zusammen. Trotz­ dem, die Urteile waren gnadenlos, aber hilfreich. TS  Die Kritiken haben getroffen, gingen an die Substanz und saßen. Du konntest das nicht so einfach wegwischen. Und dennoch, das Juryverfahren war eine inspirierende Erfahrung. Ein unschätzbarer Vorteil des Jurysystems: Du konntest dir aussuchen, ob du dir die harsche Kritik anziehst oder lieber die weiche. Am Ende warst du ent­ weder der Local Hero oder total zerstört. MS  Auf jeden Fall war es eine Zeit von großem Staunen, großem Aufnehmen neuer Einflüsse und großen Erkennt­ nissen. Jetzt wussten wir beide, wie wir es machen woll­ ten. Noch immer fußt unsere Architekturphilosophie ­eines „poetischen Pragmatismus“ auf zwei Entwürfen, die wir am Städel gemacht haben: Wie kann Poesie aus dem Machen entstehen? TS  Bei beiden Entwürfen stand die unmittelbare Reali­ sierung nicht im Mittelpunkt, dennoch zeigten sie Aspekte

Michael Schumacher: Badeanstalt in Kassel am Weinberg, Isometrien des Baggers

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auf, wie man bauen könnte. Michael hatte eine Maschine entworfen, die zuerst buddelt und sich anschließend in ein unterirdisches Schwimmbad umformt. Werkzeug und Entwurf wurden eins. MS  Die Anmutung von Tills Hochhausentwurf rührte von der Eleganz und aus den Wechselwirkungen von Reflek­ tion und Transparenz des freigeformten Baukörper her, dem Spiel mit der Geometrie; Mitte der 1980er-Jahre ein Vorgriff auf das parametrischen Entwerfen der Gegen­ wart. In beiden Arbeiten stecken zahlreiche Aspekte, die man in unserem gemeinsamen Oeuvre wiederfinden kann. Das mischt sich natürlich alles kreuz und quer ­zwischen uns beiden. RB   Poesie und Pragmatismus; wie vereinen Sie denn

Till Schneider: Perspektive des Hochhauses

diesen offensichtlichen Widerspruch? TS  Wir verfolgen nicht eine verschrobene Idee, die wir auf Teufel komm raus durchsetzen wollen, und es ist auch nicht so, dass wir sagen, wenn wir einfach alles richtig machen, dann ist das ok. Wir wollen die beiden Welten verbinden und daraus eine Architektur zu ma­ chen. Das ist unsere Botschaft ... MS  ... und darauf waren wir gut vorbereitet, weil wir das normale Handwerkszeug beherrschen ... TS  ... und weil wir in dem Wechsel aus Darmstadt und Kaiserslautern zum Städel keinen Bruch sahen, sondern eher ein Weiterspinnen. RB   Das bringt mich auf eine andere Idee: Gibt es für Sie

Leitprojekte von anderen Architekten? MS  Ich habe einmal bei Norman Foster gearbeitet. Ein

Wahnsinnserlebnis. Die Strukturierung eines Großbüros, besonders interessant war der technoide Ansatz der High-­ Tech-Architektur und die Bedeutung des Maschinenbaus. RB  Stimmt, Gordon Graham, Norman Fosters Projektlei­

Till Schneider: Hochhaus, Grundrisse einer Studienarbeit an der Städelschule

ter bei der Frankfurter Leichtathletikhalle war Maschi­ nenbauer! MS  Am meisten fasziniert hat mich das Verwaltungsge­ bäude für Willis Faber and Dumas in Ipswich. Von außen erscheint es amöbenhaft. Die Glasfassade folgt dem Schwung des Straßenverlaufs. Perfektion, Raster, Modul, Technik im Inneren. Diese Inkonsequenz der architekto­ nischen ­Kom­ponenten entspricht unserer Vorstellung von einem poetischen Pragmatismus. MS  Wir wollten nicht wie Richard Meier sein, der nur ein einziges Repertoire beherrscht ... TS  ... denn wir sind zwei! Der eine ist eine so geartete Künstlerpersönlichkeit und der andere eine anders gearte­ te Künstlerpersönlichkeit! Es ist auch falsch, dass die Ar­ chitektur immer gleich sein muss. Sie ist abhängig vom Ort,

Till Schneider und Michael Schumacher ⁄ GESPR ÄCH

Infobox, Berlin Potsdamer Platz, 1995

von der Kultur und anderen Klimata. Was uns eint, ist das Bestreben herauszufinden, warum etwas wie richtig ist. MS  Es ging uns von vornherein um Entwurfsstrategien und nicht um Formalismen. Der roten Info-Box in Berlin zum Beispiel lag eine klare Entwurfsstrategie zugrunde. Es ging darum, einen markanten Baukörper für Ausstel­ lungen zu entwerfen und nicht ein komplexes Haus, weil in der Nachbarschaft ohnehin viele komplexe Häuser ­herumstanden. Auch sollte sich seine Form von einem normalen Gebäude abheben. Zu Beginn stand er auf e ­ iner leeren Ebene und beherrschte seine Umgebung. Am Ende war er immer noch dominant, obwohl er dann das ­kleinste Haus war. Und dies erreichten wir durch das ­Abheben des Baukörpers vom Umgebungsniveau und eine ab­strakte Anordnung der Fensteröffnungen. So entwickeln wir bei­ de auch andere Gebäude, danach steht es dem Mitarbei­ ter frei, diese Strategie zu vervollkommnen.

Arbeitsinstrument Skizzenbuch für Zeichnungen und Notizen

RB   Kollidiert diese Strategie nicht mit dem deutschen

Wettbewerbswesen, das in aller Regel weder Strategien noch exzeptionelle Ideen, sondern ein Einbinden in den Kontext honoriert? MS  Stimmt, doch die Infobox war zwar auch ein Wettbe­ werb, aber ein Sonderbau.

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RB  Wie treffen zwei ausgeprägte Architektenper­sön­

lichkeiten Entscheidungen, zum Beispiel beim Entwerfen? TS  Mit Hilfe von Jurys. Aber wir holen niemanden von außerhalb, wir holen nur Leute aus unserem Büro, die nicht an dem Projekt beteiligt sind, und unvoreingenom­ men sind. Da fällt dann die ganze Entwicklungsgeschich­ te weg. Das ist wichtig. MS  Einmal kommt die Jury aus meiner Gruppe zu Tills Entwurfsgruppe oder umgekehrt. Das war das letzte Mal ganz erfolgreich, weil wir dann alles umgestoßen haben! RB  Das klingt nach „die Konkurrenz belebt das Ge­

schäft“! Unter Wettbewerbsstress entstehen angeblich die besten Entwürfe! Doch Bauen ohne Bauherrn geht nicht, wie setzt man anspruchsvolle Architektur um? MS   Am besten erzielt man architektonische Qualität, wenn ein ambitionierter Architekt mit einem ambitio­ nierten Bauherrn zusammentrifft, und die sich mögen. Vielleicht ist das Modulationspotential bei einem Wett­ bewerb zu starr, weil man anschließend nichts mehr än­ dern kann. Trotzdem würde ich nicht sagen, nieder mit den Wettbewerben. Unsere Ikonen sind neben der Erweiterung des Städels Di­ rektaufträge wie KPMG, Erco, Thompson, Hager und Braun. Die haben sich entwickelt nicht in dem Sinne, dass einer reingeschneit ist, und gesagt hat „macht das“, s­ ondern in einer Art von Spiel zwischen Bauherr und ­Architekt. Verwaltungsgebäude KPMG, Leipzig, 1998

RB  Die Welt tickt ja nicht so, dass jedem Bauwerk ein

RB  Damit sind wir beim Entwerfen: Skizzieren Sie beim

Entwerfen, oder entstehen Ihre Entwürfe im Kopf? MS  Wir beide können ja ganz ordentlich zeichnen. TS  Wir können auch ganz gut denken. Ich glaube, wir

machen das eine nach dem anderen. MS  Das Zeichnen ist ein Hilfsmittel. Früher hast du ja gezeichnet, um etwas aufzuzeigen. Wir haben wunder­ schöne Perspektiven gemacht, weil es nichts anderes gab. Heute gibt es Animationen, mit denen du die Inhalte den Laien viel leichter vermitteln kannst. TS  Die Handzeichnungen spielen für uns eine große ­Rolle. Eine ungenaue Zeichnung lässt ja auch viel mehr Spielraum für Interpretationen. Es gibt bei uns Skizzen­ bücher. Jeder, der bei uns anfängt, bekommt ein Skiz­ zenbuch. Und das ist bei uns nicht nur dazu da, ­schöne Skizzen zu machen, sondern auch für Notizen, Gedächt­ nisskizzen oder Besprechungen mit ausführenden Fir­ men. Das kommt da alles rein. Alles, was wir so finden, kleben wir da rein, wie in einem Poesiealbum.

hoher kultureller Wert zugemessen wird. Stoßen Sie da­ mit nicht bisweilen bei Bauherrn an Grenzen? TS  Wir bemühen uns zu erklären, warum wir etwas ­machen, und wir haben auch ganz gute Gründe dafür, warum unsere Dinge so ausschauen wie sie ausschauen. Wir reden nicht von Architektur als Kunst, sondern diese entsteht dabei, aber nicht vordergründig. MS  Und wir haben natürlich unsere Strategie im Sinn, die wir umsetzen wollen, ohne dass uns da jemand reinredet. TS  Die Architektengeneration vor uns, die den Künst­ler­ architekten so hochgehalten hat, hat es uns sehr schwer gemacht, weil sie die Projektsteuerer ins Geschäft ge­ bracht hat. Zweifellos ist die Präzisierung der Aufgaben­ stellung und der Anspruch an die Kostensicherheit viel höher als früher. Hinzu kommt die Digitalisierung und Spezialisierung der Berufsbilder ... MS   ... doch wenn zu uns jemand kommt und ein Haus will, dann können wir das entwerfen, aber er bekommt es auch gebaut. Wir haben zwei Büros aufgebaut, das eine plant, das andere baut und wir sind die beiden Ge­ schäftsführer. Und obwohl die Mitarbeiter ganz unter­ schiedliche Qualifikationen haben, sitzen sie in einem

Till Schneider und Michael Schumacher ⁄ GESPR ÄCH

Verwaltungsgebäude J. Walter Thompson, Frankfurt am Main, 1995

großen Raum kreuz und quer den verschiedenen Projek­ ten zugeordnet, weil wir der Überzeugung sind, dass sich die Rolle des Architekten als Generalist grundsätzlich nicht verändert hat. RB   Zum Schluss noch eine Frage: Wo geht die Reise hin,

wie sieht die Architektur in den nächsten Jahren aus – etwa wie die neue Frankfurter Altstadt des Jahres 2018? TS  Die ist prima! Die Parzellen kleiner zu halten als das bei dem abgebrochenen Technischen Rathaus war, sehe ich positiv. Die Körnigkeit der mittelalterlichen Stadt­ struktur wiederzugewinnen, ist ebenfalls positiv. MS  Nach dem Wettbewerb für den Dom-Römerberg im Jahr 1980 hat die Stadtplanung mit dem Bau der Schirn, der Römerberg-Ostzeile und den Saalgassenhäusern eine neue Richtung eingeschlagen. Danach hatte das Technische Rathaus, das an und für sich kein schlechter Bau war, seine Berechtigung verloren. Wenn noch eine ganze Reihe solcher Gebäude wie das Technische Rat­ haus in den 1970er-Jahren zwischen Dom und Römer entstanden wären, so wäre das in Ordnung gewesen. ­Zuletzt stand es da wie ein Monster. Wir waren mit der Gesamtkoordination der neuen Altstadt betraut und ha­ ben dies mit Überzeugung getan. An den Wettbewerben um einzelne Altstadthäuser hatten wir uns beteiligt, aber keinen gewonnen. Trotzdem, wenn die Altstadthäuser erst Patina angesetzt haben, wird auch die letzte Kritik verstummen.

Hochregallager Erco, Lüdenscheid, 2001

Das Gespräch zwischen Roland Burgard (RB), Till Schneider (TS) und Michael Schumacher (MS) wurde am 23. 11. 2017 im Büro von schneider + schumacher in der Poststraße in Frankfurt am Main geführt.

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Neubau Historisches Museum Frankfurt Nach der Jahrtausendwende wurde die Frage, wie mit dem Historischen Museum Frankfurt umzugehen sei, von Jahr zu Jahr drängender. Vor allem ging es um den Erhaltungszustand des im Krieg zerstörten und in den 1950er-Jahren mit geringen Mitteln wiederhergestell­ ten historischen Ensembles aus sieben Jahrhunderten. Beim Neubau aus den frühen 1970er-Jahren kamen noch Vorbehalte gegen einen Zeitzeugen aus der Epoche des Betonbrutalismus hinzu. Die Probleme wurden umfas­ send diskutiert, und schließlich beschloss man, den ge­ samten Komplex des Historischen Museums in zwei Schritten neu zu entwickeln. So sollte sichergestellt wer­ den, dass während des Bauvorgangs immer ein Museums­ teil geöffnet bleibt. Die fünf historischen Bauten mit Ren­ tenturm, Bernusbau, Burnitzbau, Saalhof und Fahrtor wurden dann nach den Entwürfen von Diezinger & Kramer Architekten saniert und 2012 der Öffentlichkeit überge­ ben. Zwischenzeitlich sollte der 1970er-Jahre-Bau abge­ rissen und nach einem Architektenwettbewerb ein Neu­ bau errichtet werden.  Die Preisträger LRO, Lederer Ragnarsdóttir Oei, nennen ihre Arbeitsweise „die Stadt ohne Bruch weiterbauen”. Betrachtet man ihren Entwurf nach der Fertigstellung der neuen Altstadt Frankfurts, so überrascht die Tragfä­ higkeit ihrer Doktrin um so mehr, als der Wettbewerbs­ entscheid für das Historische Museum Anfang 2008, also vor dem Beschluss, die neue Altstadt zu errichten,

Blick auf das Historische Museum mit Museumsplatz von Westen

Architekten: Lederer Ragnarsdóttir Oei Fläche (BGF): 10.180 m² Wettbewerb: 2008 Eröffnung: 2017 Saalhof 1  60311 Frankfurt am Main

getroffen wurde. Wie setzten sie ihr Konzept in Szene? Die Figur ihres Entwurfs leiteten sie aus der Morphologie der Stadtmitte ab, so wie sie diese zum Zeitpunkt der Wettbewerbsauslobung vorgefunden haben. Bei der Analyse der Raumkanten, die durch das Implantat der Dom-Römerberg-Bebauung aus den 1980er-Jahren in das unfertige Gefüge des frühen Wiederaufbaus entstan­ den sind, stoßen sie auf Gemeinsamkeiten. Im gesamten Areal finden sich lange, meist schmale, keilförmige Stadträume. Aus diesem Motiv entwickeln die Architek­ ten ihre Entwurfsidee und lösen den Museumskomplex in zwei unterirdisch miteinander verbundene Bauteile auf. Auch kaum mehr sichtbare Spuren der Stadtge­ schichte erkennen sie an, doch schätzen sie auch die jün­ gere Vergangenheit, was daran deutlich wird, wie sie auf den Straßenverlauf der Saalgasse und deren postmoder­ ne Bebauung eingehen. Mit ihrem eigenen langgestreck­ ten Ausstellungsbau setzten sie ein starkes Zeichen ge­ genüber der Schirn Kunsthalle der 1980er-Jahren. Die Stadtgeschichte gibt die Richtung vor, die Neuzeit liefer­ te den Maßstab; das ganze Museum ist ein virtuoses Spiel mit Gegensätzen. Zwischen der neuen Ausstellungshal­ le im Norden und dem Saalhofkomplex im Süden weitet sich der Eingangshof, um den Blick auf die Saalhofkapel­ le, das älteste Bauwerk der Stadt zu öffnen. Und tief im Boden des engen Innenhofes, zwischen den historischen Altbauten gelegen, erkennt man Reste der ersten Hafen­

Blick vom Museumsplatz auf das Haus Wertheym im Westen

Neubau Historisches Museum Frankfurt

Ansicht von Norden mit Blick auf den mittelalterlichen „Schwarzen Stern“, die Nikolaikirche, den Neubau des Historischen Museums und den Rententurm (von links nach rechts).

Schnittperspektive Nord-Süd

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Lageplan des Dom-Römerberg-Bereichs mit der Überlagerung verschiedener Bauzustände, aus denen die Architekten das städtebauliche Konzept ableiteten: vor 1944 (hellbraun), Wieder­aufbau 1945–1990 (hellblau), typische keilförmige Restflächen, die aus dem Wiederaufbau resultieren (türkis), Historisches Museum Frankfurt 2017 (dunkelbraun)

Blick vom Saalhof im Süden auf den Ausstellungsbau des Historischen Museums

Neubau Historisches Museum Frankfurt

anlagen aus der Zeit der Staufer. Die modernen Aus­ stellungshallen wiederum geben sich nach außen wie mittelalterliche Speicher. Und obwohl alles Neue scharfkantig, perfekt und rational ist, fügt es sich dem lokalen Comment der Altstadt. Mit der Materialität des mainfränkischen Buntsandsteins wird der Neubau dem Anspruch der historischen Landmarken vor Ort gerecht. Bei so viel gestalterischem Raffinement wundert es nicht, dass sich der neue Museumsbereich auch nach Fertigstellung der neuen Altstadt seinen eigenen Charakter bewahrt hat, sich behauptet und dennoch nicht fremd wirkt.

Grundriss Erdgeschoss

Blick vom Römerberg im Norden auf den Neubau des Historischen Museums und den Rententurm am Main

GrundrissErdgeschoss

Schnitt Ost-West durch das Untergeschoss, welches den südlichen Bauteil mit den im Norden gelegenen Ausstellungsräumen verbindet

Ansicht von Westen mit Blick auf die Nikolaikirche (links), den Neubau des Historischen Museums (Mitte) und den historischen Rententurm (rechts)

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Über das Benehmen von Häusern GESPRÄCH MIT ARNO LEDERER

AL   1968 begann ich mit dem Studium. Ein klassischer

Arno Lederer 2010

Unterricht fand damals in der TH Stuttgart nicht statt. Stattdessen wurde Tag und Nacht über Gott und die Welt diskutiert. Die Lehrstühle wurden besetzt und die Profes­ soren verließen die Hochschule. Von den Wortführern der Linken wurde behauptet, es würde zukünftig überhaupt keine klassischen Architekturbüros mehr geben. Des­ wegen überlegte ich mir, ob ich nicht Denkmalpflege stu­ dieren sollte, war ans Institut für Baugeschichte gegan­ gen und machte Bauaufnahmen. Dann erhielt ich ein einjähriges Stipendium für die TU Wien. Ähnlich wie in Deutschland befand sich auch Österreich im Umbruch, hier Willy Brandt, dort Bruno Kreisky. Umstürze auch in der Wiener Kunstszene mit Persönlichkeiten wie Frie­ densreich Hundertwasser und Ernst Fuchs.

RB   Bei einem Ihrer Vorträge raunte ein Zuhörer einem

anderen zu: Der Arno Lederer, spannend, ein Hohepries­ ter der Architektur, er spricht ex cathedra, sein Vortrag eher Predigt, ein Aufmerker zu Beginn, die Klimax in der Mitte und am Ende die Quintessenz. Selbst sein süddeut­ sches Idiom setzte er mit Bedacht ein. Lieber Herr Lede­ rer, nur wenige Architekten werden ob ihrer rhetorischen Fähigkeiten so gelobt, haben in jungen Jahren, um ihre Gedanken in die Öffentlichkeit zu tragen, ein Architektur­ magazin herausgegeben und können auch noch hervorra­ gend freihandzeichnen. Wie geht dies alles zusammen? AL  Ich bin ein altmodischer Architekt. RB   Was heißt das, woher kommt das und wie wurden

Sie Architekt? AL  Ganz einfach: Mein Vater war ein verhinderter Archi­ tekt, studierte in den 1930er-Jahren, wurde im Zweiten Weltkrieg eingezogen, danach drei Kinder und Beamter. Schließlich landete er im Innenministerium und war weit weg von der Architektur. Mein Großvater hat auch Archi­ tektur studiert, ein ähnliches Schicksal wie mein Vater, jedoch Erster Weltkrieg, dann Wirtschaftskrise, wurde dann Gewerbeschullehrer. Ich bin Architekt in der dritten Generation und derjenige, der ein Architekturbüro aufge­ macht hat ... RB   ... und eine beachtliche Karriere hingelegt hat, was

umso bemerkenswerter ist, als oftmals die dritte Gene­ ration einer Architektendynastie den Elan verliert.

RB   Hat das Stipendium Sie weitergebracht? AL   Ich studierte beim Baugeschichtsprofessor Hans

Köpf. Roland Schachl, einer seiner Studenten, hatte zu­ sammen mit Burkhardt Rukschcio das Buch „Adolf Loos, Leben und Werk“ geschrieben. Schachl war Loos-Exper­ te, hat Exkursionen zu fast allen Loos-Häusern veranstal­ tet. Aufgrund seines tollen Unterrichts wurde ich zum Loosianer. Damals war Hans Holleins großartige Inter­ pretation von Adolf Loos Herrenausstattungsgeschäfts Kniže, der Kerzenladen Retti am Kohlmarkt, fertig gewor­ den. Wien war eine kurze Episode, aber sehr beeindru­ ckend. Und nach diesem Jahr war mir klar, dass ich lieber Architektur studieren würde. RB   Und dann sind Sie wieder nach Stuttgart zurück ... AL  ... und habe bei Hans Kammerer studiert und Diplom

gemacht. Kammerer war ein guter Lehrer, allerdings sehr kurz angebunden. Er sagte nur: Etwas kürzer, etwas länger, schlecht, gut, dann war es vorbei, eine Fünfminu­ tenkorrektur. RB   Und danach? AL  In einer Publikation hatte ich die kleine Rigi-Kapelle

von Ernst Gisel gesehen, dann ein gutes Jahr in seinem Büro gearbeitet und dabei soviel gelernt, wie sonst nur in zehn oder fünfzehn Semestern. Und so schwierig der ­Gisel war, ich bin ihm dankbar, dass er mir gezeigt hat, wo es langgeht. Ein toller Architekt, wortkarg, er hatte eine

Arno Lederer ⁄ GESPR ÄCH

Arno Lederer, Charakter 1976

Arno Lederer, Charakter 1976

Sprechgeschwindigkeit von zwei Silben pro Minute, und eigensinnig, eine harte Schale, aber weicher Kern. Alvar Aalto war das große Vorbild, weil der kein schreibender Theoretiker war. Le Corbusier stand bei den Schweizern ohne­hin hoch im Kurs.

RB   Loos konnte nicht zeichnen. AL   Nein, das stimmt so nicht. Loos war kein künstleri­

RB   Ihr Buch „Charakterköpfe“ legt Ihr zeichnerisches

Talent offen, deswegen zwei Fragen: Für wie wichtig hal­ ten Sie eine zeichnerische Begabung für die Berufswahl, und ist sie Voraussetzung für den Architektenberuf? AL   Ich habe da ganz unterschiedliche Beobachtungen gemacht. Es gibt vier Ebenen: Die erste ist, dass Archi­ tekten nicht zeichnen können, und trotzdem Architekten werden, was mich sehr verwundert. Walter Gropius ist das berühmteste Beispiel. Gropius schreibt schon im Stu­ dium an seine Mutter, er habe so eine schwere Hand. RB   Und die zweite Ebene? AL  Es ist bezeichnend, dass es Architekten gibt, die so­

zusagen im Heimlichen ihre Kunst machen. Das hängt wahrscheinlich auch mit dem 20. Jahrhundert zusam­ men. Das Verweigern des Künstlerischen in der Architek­ tur. Das sagt ja auch Adolf Loos: Architektur ist keine Kunst.

scher Zeichner, aber er konnte die Dinge klar auftragen, übrigens ähnlich wie der späte Corbusier, wo die Zeich­ nungen so rudimentär werden, nicht mehr so eindeutig wie im 19. Jahrhundert. Egon Eiermann ist ein tolles Bei­ spiel. Manchmal sagte er: Architektur hat nichts mit Kunst zu tun und manchmal dezidiert, Architektur ist Kunst. Auch Eiermann konnte zeichnen ... RB   ... und zwar beidhändig. Unter großem Hallo seiner

Studenten hat er, sowohl Rechtshänder als Linkshänder, gleichzeitig mit der Rechten seine Unterschrift und mit der Linken diese in Spiegelschrift an die Wandtafel gemalt. – Und die dritte Ebene? AL   Das sind die Architekten, die können toll zeichnen, unabhängig davon, ob sie nun zeichnerisch ein architek­ tonisches Problem lösen, oder freihandzeichnen aus künstlerischem Antrieb oder zur Freizeitbeschäftigung; in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Le Corbusier, danach Hans Hollein, der Künstlerarchitekt par excel­ lence, und Gustav Peichl, eine Ausnahmeerscheinung, als Architekt und Karikaturist gleichermaßen erfolgreich. Schließlich gibt es noch das reine Problem­

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Arno Lederer, Charakter 1976

Arno Lederer, Charakter 1978

zeichnen, welches man zur Informationsvermittlung er­ lernen kann.

mir um Baukörper, Proportion und Anmutung. Wenn ich einen Menschen zeichne, dann geht es mir um Persön­ lichkeit, Charakter und Seele. Bei Emilia Galotti von Gott­ hold Ephraim Lessing gibt es eine sehr schöne Stelle. Da diskutiert der Prinz mit dem Maler Conti. Und der Maler Conti sagt zu dem Prinzen: Meinen Sie, Prinz, Raffael wäre ein besserer oder schlechterer Maler geworden ohne Arme? Das heißt, dieses Problem wurde schon sehr früh diskutiert. Von William Turner gibt es den Ausspruch, als ihm ein Kollege den Rat gibt, er müsse den Kopf so und den Hals so machen: Dummes Geschwätz, ich werfe den Schwamm an die Wand und ich sehe die Landschaft da­ rin. Bis zu Beuys, der sagt: Ich denke sowieso mit dem Knie. Das bezieht sich alles auf das Denken mit der Hand und auf das Entwerfen mit dem Bleistift auf dem Papier. Und Sie gucken den Bleistift an, und der macht auf ein­ mal etwas ganz anderes als das, was Sie eigentlich woll­ ten. Und auf einmal sehen Sie, wie es gehen soll. Die Hand sagt Ihnen, vielleicht durch eine Ungeschicklichkeit oder einen Zufall, wie es geht, weil sie es besser weiß, oder Sie entdecken es darin. Und das macht die Hand, den Zufall erzeugt nicht der Computer, der führt nur ganz be­ stimmte Dinge in einer beschränkten Art und Weise aus. Er zeigt Ihnen immer ein präzises Abbild von einem Ob­

RB   Und als krasses Gegenteil, kann nicht ein überbor­

dendes Zeichentalent einen Mangel an Inhalten camou­ flieren? AL  Sie schneiden ein interessantes Thema an, nämlich den drohenden Verlust von Kopf und Hand. Ein Prozess, welcher durch das Vordringen moderner Techniken die Architektur verändern wird. RB   Denken Sie dabei an die Computertastatur, welche

die Feinmotorik der Hand verkümmern lässt, und die vir­ tuelle Realität, welche die menschliche Kreativität auf die Probe stellt? AL  Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass das Verb „begreifen“ seine Wurzeln im Bild des Greif­ werkzeugs hat ... RB   ... und das deutsche Verb „kapieren“ vom lateini­

schen capere = erfassen stammt. AL   Es geht um das Zusammenspiel von Kopf und Zei­ chenhand, das Gespann von Gehirn und Entwurfshand. Wenn ich Architekturzeichnungen mache, dann geht es

Arno Lederer ⁄ GESPR ÄCH

jekt. Jetzt kann das gut sein oder schlecht sein, ich möchte dies nicht bewerten. Ich jedenfalls gehöre zu dieser Generation, die an den Zufall glaubt, die daran glaubt, dass einem etwas zufällt, weil die Hand das bes­ ser weiß. Aber ich habe im Büro ja zwei Partner, die sehen es vielleicht ganz anders. Das Architekturmachen ge­ schieht im Büro, natürlich auch durch das Gespräch und die Diskussion und die Vorstellung, wie die Welt geht. RB   Und wie tickt die Welt, seitdem Computer Render­

ings produzieren, gleichgültig, ob ein Architekt zeichnen kann oder nicht? Was halten Sie von Visualisierungen in der Architektur? AL  Überhaupt nichts, denn auf Grundlage von Entwurfs­ plänen werden Bilder erzeugt, welche die Realität über­ treffen. Sie kennen doch sicher die Make-Up-Tipps in den Frauenzeitschriften mit dem Vergleich von „Davor“ und „Danach“. Da sehen die Frauen nachher immer schöner aus als vorher. In der Architektur ist es immer umgekehrt! RB  Gerade bei Wettbewerben wird für Visualisierungen

ein immenser Aufwand getrieben. Halten Sie diesen für gerechtfertigt? AL  Spätestens nach dem Juryentscheid schaut die Öf­ fentlichkeit nur noch auf die Visualisierungen. Das ist gefährlich, denn sie lenken von den Grundrissen und Schnitten ab. Modelle und Handzeichnungen besitzen einen wesentlich höheren Abstraktionsgrad und eröffnen Entwicklungsmöglichkeiten im Planungsprozess. Ich würde von Visualisierungen abraten.

AL   Um es klar zu sagen, ich bevorzuge das Modell, die

mitteleuropäische Stadt weiterzubauen, mit ihrer Stadt­ kultur, mit ihren Straßen und Plätzen, die wir jahrhunder­ telang entwickelt haben. Wenn ich in Paris, Wien oder Berlin bin, dann erlebe ich die „Europäische Stadt“. Als Erstes muss der Stadtraum stimmen, das einzelne Haus ist egal. Zuerst die Stadt, dann das Haus! Um den Stadt­ raum zu erspüren, bedarf es keiner Städtebauer, die schlechte Entwerfer sind, sondern guter Architekten, denn es ist ein Privileg, an der Stadt bauen zu dürfen. Die Architektur des Hauses hat eine Verbindung zu Ort und Stadt herzustellen und muss sich im Sinne eines ausge­ wogenen Ensembles in die Umgebung einfügen. Eine wichtige Frage lautet also: Wie benimmt sich das Haus in der Stadt im Verhältnis zu seinem Nachbarn? RB   Was heißt benehmen? AL   Das klingt altmodisch, nach bürgerlichen Tischma­

nieren und nach Schicklichkeit, alles Werte, die bei den 68ern einen „gôut“ hatten. Dieser Gedanke stammt je­ doch nicht von mir, sondern von Georg Franck. Wenn das Haus sich schlecht benimmt, so ist es ja nicht etwa so, dass sich das Haus schlecht benimmt, sondern umge­ kehrt, dass sich das Haus nicht gut benimmt. Und wenn das Haus, gleichgültig wo es nun steht, zum Beispiel in einer schlechten Umgebung, jedoch gut ist, dann übt das Haus einen guten Einfluss auf die schlechte Umgebung aus. Wenn die Umgebung gut ist, dann benimmt das gute Haus sich eben so wie die anderen Häuser.

RB  Bisher haben wir von Bildern gesprochen, doch wen­

den wir uns nun dem Stadtbild zu. Ihre Vorliebe für das Städtische ist unverkennbar. Besonders überrascht mich die Vielfalt Ihres Oeuvres; eine Vielfalt undoktrinärer Antworten auf örtliche Situationen und Aufgabenstel­ lungen. Dennoch eine grundsätzliche Frage, weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen, weil diese Men­ schen den öffentlichen Raum immer intensiver nutzen, und das Stadtbild immer deutlicher wahrgenommen wird. Welche grundsätzlichen Konzepte bieten heute Architektur und Städtebau für die mitteleuropäische Stadt an? AL  Es gibt drei unterschiedliche Möglichkeiten: Entwe­ der man ahmt die alten Häuser nach, wie zum Beispiel in Dresden, aber mit ganz anderen Inhalten. Oder man setzt – in der Haltung der Moderne – mit dem Neuen einen ­klaren Kontrast zum Bestand. Oder aber man nutzt die Möglichkeit, die Stadt weiterzubauen. RB   Zu welchem der drei Modelle neigen Sie?

MIK Museum Information Kunst Ludwigsburg, 2013

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RB   Gilt dieser Städtebau-Knigge auch für die Nach­

AL  Einmal muss ich sagen, Behnisch war ein wunderba­

kriegsmoderne, die nicht im Bürgertum des 19. Jahrhun­ derts verwurzelt war, sondern die Umsetzung sozialer und hygienischer Standards, alles Errungenschaften der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Auge hatte? AL  Auf jeden Fall. In Brasilia würde ich nie ein Satteldach mit fünfzig Grad Neigung und Schieferdeckung bauen. Dort würde ich es genau umgekehrt wie hier machen, sodass es in diesen wunderbaren Kontext passt. Ich glau­ be, dass der Ruf dieser Stadt, es sei ein Hirngespinst der Moderne, nicht stimmt. Es ist eine schöne Stadt. Es gibt dort schöne Orte, vor allem die erste Generation Häuser von Lucio Costa und Oscar Niemeyer ist großartig, und es gibt dort schlechte Architektur, die vor allem später da­ zugekommen ist ...

rer, ein toller Architekt, dies ist ja unzweifelhaft; das Olympiastadion in München ist großartig. Aber ich kann nichts mit dem von ihm verwendeten Begriff einer „de­ mokratischen Architektur“ anfangen, der seinen Entwurf des Plenarsaals in Bonn adeln sollte, weil er auf Thesen aufbaute, die einer Überprüfung nicht standhalten. Wenn jemand ein Parlament baut und dabei behauptet, es sei ein Ausdruck von Demokratie, wenn der Kapitän eines Rheinschleppers von der Brücke aus den Bundeskanzler im Plenum sehen kann, dann ist das völliger Unsinn! Oft genug haben wir im Fernsehen verfolgt, wie das älteste Parlament der Welt in Westminster tagt. Da sitzen die Abgeordneten auf grünen Acella-Sitzen. Hat man da je­ mals ein Fenster gesehen, durch welches Passanten ih­ ren Volksvertretern hätten zuschauen können? Ist das denn undemokratisch? Nein, das hat mit Demokratie nichts zu tun. Dies ist die politische Vorstellung einer Nachkriegsgeneration, die ihr Erbe aus der Vergangenheit nicht bewältigen kann. Trotzdem ist das Olym­piastadion in München unbestritten eines der wundervollsten Bau­ werke, die es gibt.

RB   ... und die sich schlecht benimmt! Und in Mittel­

europa? AL   Für die Nachkriegsgeneration hatte Geschichtliches keinen Wert, sonst hätte sie sich ja zu den Ereignissen der letzten zehn oder zwanzig Jahre zuvor bekennen müssen. Das Ergebnis war die Zweitzerstörung der Städte und da­ mit die Zerstörung der Baugeschichte der alten Städte. RB  Ich habe schon ganz anderes gehört: Das Trauma der

deutschen Architekten sei die Vertreibung ihrer Avant­ garde durch die Nazis, und die sogenannte Klassische Moderne sei eine nie zum Abschluss gekommene Wie­ dergutmachung an dem Projekt der Moderne. Deswegen folge die Nachkriegsgeneration beim Wiederaufbau kon­ sequent den Leitbildern der Klassischen Moderne ... AL  ... die einer kulturellen Revolution gleichkamen, wie Ludwig Hilberseimers berühmtem Plan für den Gendar­ menmarkt in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. ­Hilberseimer lässt nur die beiden Kirchen und das Theater von Schinkel stehen und baut dahinter Zeilen; eine Ab­ sage an alles was vorher war, in einer Konsequenz, die unbeschreiblich ist. Unsere alten Städte leiden immer noch unter dem Handeln einer Nachkriegsgeneration, deren Gedankenwelt von einer streng ideologisch ausge­ richteten Modernen Architektur geprägt war; einem Kos­ mos, den wir noch immer nicht distanziert genug wahr­ nehmen. RB   Fand nicht gerade die Bonner Republik im Internati­

onalen Stil ihre politisch korrekte Ausdrucksform, man denke nur an den Kanzlerbungalow von Sep Ruf für Lud­ wig Erhard. Und Günter Behnisch reklamierte für seine Architektur sogar die Metapher „demokratisch“. Sie hin­ gegen machen diese Architektur für die Zweitzerstörung der deutschen Städte verantwortlich.

RB  Haben Sie ein Leitbild für das 21. Jahrhundert parat? AL   Es geht nicht darum, Gegner oder Befürworter der

Moderne oder umgekehrt der Entwicklungen vor dem frühen 20. Jahrhundert zu sein, denn ich glaube, es gibt einen dritten Weg. RB  Wie soll der aussehen? Denken Sie an die Einbindung

des „Internationalen Stils“ an die Kontinuität der abend­ ländischen Baugeschichte, ein kontextueller Internatio­ nal Style? AL   Ich gehe weiter und glaube, dass man hierzu die ­Architekturgeschichte sehr gut nutzen kann, nicht in der zeitlichen Abfolge historischer Ereignisse, sondern phä­ no­­­menologisch im systematischen Sammeln von Er­ scheinungen in Architektur und Städtebau. Wenn ich so arbeite, dann ist es nicht wichtig, wann etwas entstanden ist, um 1800, um 1700 oder um 400 vor Christus: Denn es gibt ein paar Dinge, die haben Konstanz. Sie w ­ er­den nie­ mals behaupten können, Mozart sei fort­schritt­licher als Bach, oder Beethoven fortschrittlicher als ­Mozart. Ich glaube, dass auch die Architektur solche Kons­tanten hat. Nehmen Sie die Stadtplanung: Hippo­damos von Milet, die Blockbebauung mit den Quadraten in Griechenland 400 vor Christus, das setzt sich fort in der Renaissance und in New York und die wird es immer geben. RB  Denken Sie etwa an „A Pattern Language“ von Chris­

topher Alexander?

Arno Lederer ⁄ GESPR ÄCH

Bischöfliches Ordinariat Rottenburg, Halle, 2013, Aquarell von Arno Lederer

AL  Ein ganz wichtiges Buch, denn er hat mit phänome­

nologischen Dingen gearbeitet und auf dieser Methode aufbauend, grundsätzliche Überlegungen zu Funktion, Gestalt und Dimension von Straßen, Plätzen und Häusern und ihren Elementen angestellt. Es ist erstaunlich, wie er auf so einfache Art und Weise die Frage der Assoziation und der räumlichen Prinzipien erklärt, die zu einer Spra­ che führen. Was man daraus macht, ist dann etwas ganz anderes. Leider sind nicht viele seiner eigenen Architek­ turstücke spannend.

Sie sehen etwas, Sie riechen es, Sie spüren es, Sie hören es und so weiter; die Verschränkung der Sinne, die Gleich­ zeitigkeit. Es sind die synästhetischen Erfahrungen, die für unser Vorstellungsvermögen eine große Rolle spielen: Du siehst da das Glas, und du weißt, es riecht nicht, aber du fasst es an und es ist kühl. Das Gespräch zwischen Arno Lederer (AL) und Roland Burgard (RB) wurde am 23. Juli. 2017 in der Braubachstraße 18 in Frankfurt am Main geführt.

RB   Wir sind uns einig darüber, dass der Rückgriff auf

Bilder wichtig ist. AL  Sie müssen auch nicht eins zu eins umgesetzt werden. RB  Der allzu platte Gebrauch von Metaphern, Allegorien

und Bildern hat die Postmoderne in den Tod getrieben. Vielfach behaupten Architekten, sie hätten eine Art Bi­ bliothek im Kopf, aus der sie ihre Bilder abriefen. Wie sehen Sie Verarbeitung von Bildern in der Architektur? AL  Bild ist vielleicht das falsche Wort, weil man denkt, das ist Flachware. Es sind die sinnlichen Eindrücke, die einem Raum Form geben, die man im Gedächtnis behält, und vielleicht erst sehr viel später aus der Erinnerung zurückholt. Man müsste nicht von Bildern reden oder ei­ nem Film, sondern von einer Verknüpfung der fünf Sinne.

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Erweiterung und Sanierung Jüdisches Museum Frankfurt Bei der Gründung des Jüdischen Museums 1988 war nicht zufällig die Wahl auf zwei klassizistische Wohnhäuser am Untermainkai gefallen, denn schon 1894 war die Carl von Rothschild’sche öffentliche Bibliothek in dem Wohnhaus Untermainkai 15 mit seinen Neo-Rokoko- und Neo-Renaissance-Räumen eingerichtet worden. 1906 kam das Nachbargebäude dazu. Der Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess, Vertreter eines strengen Klassizismus, hatte beide Gebäude zwischen 1819 und 1823 auf dem unsicheren Baugrund der geschleiften Wallanlagen errichtet. So war der Genius Loci nicht nur denkmalpflegerisch eine Herausforderung, auch baukonstruktiv forderte die Umwandlung der 150 Jahre alten Wohnhäuser in öffentliche Gebäude in den 1980er-Jahren vom Architekten Ante Josip von Kostelac die Balance zwischen Denkmalpflege und konstruktiven Eingriffen, aber auch architektonische Zurückhaltung. Nach drei Jahrzehnten hat sich die Aufgabenstellung des Jüdischen Museums in Frankfurt gewandelt. Jetzt werden

Lageplan

Architekt: Staab Architekten Fläche (BGF): 3700 m2 (Altbau), 4500 m2 (Neubau) Wettbewerb: 2012 Eröffnung: 2020 Bertha-Pappenheim-Platz 1 60311 Frankfurt am Main

größere Räume für Wechselausstellungen, für Vorträge und Symposien, eine Fachbibliothek, ein Café, Werkstätten und Verwaltungsräume benötigt. So wurde für einen Erweiterungsbau ein Wettbewerb ausgelobt, den Staab Architekten 2013 für sich entscheiden konnte. Der Bauplatz ist an drei Seiten gefasst. Im Süden liegt das Rothschildpalais mit seiner klassizistischen Schauseite zum Fluss. Seine schmucklose Rückseite hingegen deutet auf die verkehrsreiche Hofstraße, welche das Grundstück im Norden begrenzt, während im Osten ein belangloses ­Verwaltungsgebäude anschließt. Die vierte Seite öffnet sich zu den Wallanlagen im Westen, denen sich der ornamentierte Westgiebel samt Balkon des Rothschildpalais zuwendet; ein deutlicher Wink für die Dramaturgie des Entwurfs von Volker Staab. Er richtet den Haupteingang für die Erweiterung des Jüdischen Museums auf die Wall­ anlagen und gleichzeitig zur Stadt aus. Geschickt lockt er so von dort aus die Besucher über einen sich öffnenden Vorhof ins Museum. Die Geometrie des Baukörpers leitet

Erweiterung und Sanierung Jüdisches Museum Frankfurt

Blick vom Dach des Erweiterungsbaus für das Jüdische Museum auf die Hochhäuser des Stadtzentrums

Blick vom Bertha-Pappenheim-Platz auf den Eingang des Jüdischen Museums

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Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Schnitt durch das Rothschildpalais (links) und den Erweiterungsbau (rechts)

Erweiterung und Sanierung Jüdisches Museum Frankfurt

Oberlicht über der zentralen Halle des Erweiterungsbaus

er aus den Fixpunkten des Umfelds ab, doch verstärkt er sie noch mit dem Mittel der Perspektive. Das Äußere des monolithischen Vielkants ist gekennzeichnet durch deli­ kate Materialwechsel von großen, feinen Putzflächen hin zu perfekt verarbeiteten Sichtbetonflächen im rustifizier­ ten Sockelbereich oder planeben als Wandflächen. Staab zelebriert Gegensätze. Im Inneren schneidet er, als wäre es ein voller Block aus Sichtbeton, ein Volumen für die großzügige zentrale Halle heraus. Er schafft Raumein­ drücke; eine beeindruckende Rauminszenierung. Von oben fällt Licht ein, von oben kann man durch Fenster aus der Bibliothek und dem Café schauen und von oben erkennt man den Weg zur Wechselausstellung im Untergeschoss und zu den Dauerausstellungen in den vollständig erneu­ erten Altbauten am Untermainkai.

Zentrale Halle mit Blick auf den Übergang zum Rothschildpalais

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Die Skizze ist eine Art Denken mit dem Stift GESPRÄCH MIT VOLKER STAAB

Volker Staab 2015

das wir bei Bernhard Hoesli gelernt haben, hat mich im Nachhinein stark beeinflusst. Ich bin so oft auf Themen gestoßen, die wir dort als Übungen erarbeitet haben, dass ich heute denke: Dies war das Eindrücklichste, das mir an der ETH begegnet ist. In den höheren Semestern stand das dialogische Stadtmodell mit der Dialektik von bebau­ tem Raum und öffentlichem Zwischenraum im Zentrum seiner Lehre. Sie stellte anders als in den 1960er-Jahren weniger das Objekt, sondern vielmehr den Stadtraum in den Vordergrund. Wenn man unsere Arbeiten heute an­ sieht, erkennt man, dass es auch hier primär um die Fra­ ge des Raums geht, um die stadträumliche Situation ebenso wie um das Innenräumliche. RB  Rückblickend ist Hoesli also ein wichtiger Lehrer für

RB  Manche Architekten behaupten, in ihrer DNA befän­

de sich ein spezielles Gen, und verweisen nicht ohne Stolz darauf, einer Architektendynastie anzugehören, die vier Generationen weit zurückzuverfolgen ist. Ande­ re wiederum sind ganz neu im Club. VS   Ich gehöre zu den Letzteren. Meine Eltern sind beide Naturwissenschaftler, allerdings mit einer gewissen Nei­ gung zur Kunst. Zu Hause war das Kulturelle immer ein Thema. Daher auch mein Interesse an der Kunst. Archi­ tektur hingegen wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Ich fing an Kunst zu studieren, und wie das so üblich ist, frag­ ten die Eltern: „Willst du das wirklich studieren?“ Irgend­ wie entstand daraus die Idee, Architektur zu studieren – vielleicht lag es auch an meiner Begabung, die zwischen den rationalen Fächern, wie der Mathematik, und dem künstlerischen Interesse lag. RB   Wo haben Sie dann studiert? VS   Ich bin ziemlich naiv und ohne große Vorbildung in

Architektur an der ETH in Zürich angekommen und stell­ te mir natürlich vor, dass man jetzt lernt, wie man Häuser entwirft. Aber nichts davon passierte. Bernhard Hoesli machte den Grundkurs für das erste Jahr an der ETH Zürich. Wir mussten räumliche und komposi­ torische Übungen machen oder bauten abstrakte Model­ le, beispielsweise mit Raumübergängen. Damals fand ich, das sei eigentlich nicht das, was ich im Architektur­ studium wollte. Ich habe eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich das verdaut hatte. Aber dieses räumliche Repertoire,

Sie gewesen. Gehörte er nicht in den 1950er-Jahren den „Texas Rangers” an, die an der School of Architecture in Austin, Texas, theoretische Grundlagen für eine moderne Entwurfslehre erarbeiteten und später Berühmtheit ­er­langten, wie Colin Rowe, Werner Seligman, Robert Slutzky und John Hejduk? VS  An der ETH war er nicht der große Architektenstar, so wie etwa Aldo Rossi oder Dolf Schnebli und die Tessiner Schule. Sie bezogen ihren Ruf über ihre Bauten, er hinge­ gen beschränkte sich ganz auf seine Lehre. RB   Doch nun der Sprung in die Praxis: Oft bestimmt

nicht nur die Ausbildung, sondern eine Vorliebe oder eine spezielle Begabung die Arbeitsweise eines Architekten. Wie ist das bei Ihnen? VS   Früher habe ich viel gezeichnet. Ich bin jedoch nicht einer, der ständig irgendwelche Portraits zeichnet, wie Gustav Peichl etwa. Das war nie mein Thema, weil ich eher von den zeitgenössischen Künstlern inspiriert war, bei denen das Zeichnen nicht mehr diese Rolle spielt. Wir zeichnen und skizzieren jedoch im Büro sehr viel. Die Skizze ist eine Art Denken mit dem Stift. Diese wird dann vernichtet, wird nicht an die Wand gehängt und kommt auch nicht ins Architekturmuseum. Deswegen bin ich auch kein Freund der Serviettenskizze als Zeitdokument einer Sternstunde der Architektur. Dies ist nicht meine Art zu denken, so arbeite ich nicht. RB   Wie arbeiten Sie?

Volker Staab ⁄ GESPR ÄCH

VS   Wir sitzen im Team zusammen, es wird viel skizziert

und es werden Modelle gebaut. Für mich ist der Ent­ wurfsprozess immer etwas, das aus dem Dialog der un­ terschiedlichen Mittel hervortritt. Das Modell sagt einem bestimmte Dinge, die Zeichnung, die Skizze vielleicht etwas anderes, und natürlich ist heute auch das dreidi­ mensionale Modell auf dem Computer ein Teil dieses Pro­ zesses. Jedes dieser Medien bringt eine gewisse Inspira­ tion, bringt Anregungen und Erkenntnisse und ist in diesem Prozess relativ gleichberechtigt. Allerdings wird die Bedeutung des Computers immer stärker. RB  Computerprogramme können ganz unterschiedliche

Dinge. VS   Früher war der Computer eher eine erweiterte Reiß­ schiene, da hat man zweidimensional gezeichnet. Später konnte man am Computer dreidimensionale Objekte bau­ en. Seit einiger Zeit gibt es Programme für das parame­ trische Entwerfen. Das probieren wir momentan verstärkt aus. Ich war erst skeptisch gegenüber dieser Entwick­ lung, die man vor zehn oder fünfzehn Jahren vor allem mit freien Formen, den sogenannten Blobs, in Verbindung brachte. Aus meiner Sicht waren sie wenig sinnfällig, sondern entstanden einfach aus der Möglichkeit heraus, mit dem Computer solche Formen herzustellen. Für mich war das nicht wirklich interessant. Richtig spannend fin­ de ich allerdings, dass der Parameter überhaupt nichts mit der Form zu tun hat. Bei unserem Entwurf für das Bauhaus-Archiv in Berlin geht es zum Beispiel um die ­Optimierung von Stützenstellungen und nicht darum, Formen zu produzieren, die besonders krumm und schief sind. Einem Computer kann man bestimmte Randbedin­ gungen geben, mit denen er dann dreißig Varianten ­errechnet. Dadurch entsteht auf einmal etwas sehr Be­ friedigendes: Man kann analog entscheiden und sagen: „Aus dem Grund machen wir es so, und aus diesem Grund so, dies ist vielleicht zu kurz und jenes formal zu wenig befriedigend.“ RB   Das Wichtigste sind die Entscheidungskriterien! VS   Genau! RB   Völlig sine ira et studio! Besteht nicht die Gefahr,

dass sich die Sache verselbstständigt? VS   Nein, wir betrachten immer nur Einzelaspekte. Beim Bauhaus-Archiv geht es darum, dass die Stützen tanzen und so wenig wie möglich schräg stehen. Dann sollen sie so ungleich sein, wie es nur irgend geht, in eine Schräg­ stellung kommen und natürlich auch eine statische ­Stabilität besitzen, wofür wir dem Tragwerksplaner Op­ timierungskriterien gegeben haben. Wir könnten auch

Wettbewerb Bauhaus-Archiv, Berlin, Erster Preis, 2015

Zeichner daransetzen und dreißig Varianten untersuchen lassen, wie es am Schönsten aussieht. Der Computer hilft jedoch, das Problem in einer größeren Tiefe auszuloten und die Arbeit zu rationalisieren. RB   Jetzt sind wir beinahe schon bei der Detailplanung.

Wie kommen Sie denn zu den Entwürfen? Von den Kol­ legen werden Sie wegen der Wettbewerbserfolge be­ neidet. VS   Ich werde natürlich öfters gefragt, warum wir Wett­ bewerbe gewinnen. Was ist das Geheimnis? Ich kann es selber nicht genau sagen. Natürlich gibt es Preisgerichts­ konstellationen, bei denen wir erst gar nicht mitmachen. Ich glaube, das geht jedem so. Wenn man auf der anderen Seite als Preisrichter sitzt, merkt man zudem, dass sich bestimmte Arbeiten in einer großen Runde mit dreißig, vierzig Leuten besonders gut kommunizieren. Wir versu­ chen jedenfalls oft, die Entwürfe auf eine möglichst brei­ te Basis zu stellen, damit sie von verschiedenen Sicht­ weisen aus Sinn ergeben; sei es funktional, also praktisch, sei es durch irgendeine Art von räumlicher Kommunika­ tion oder in Bezug auf eine Bestandssituation. Die Dinge erklären sich dann nicht so sehr über ein extremes Bild, sondern bieten vielfältige Anknüpfungspunkte für die Jury. So hat ein Projekt die Chance, von mehreren Seiten gemocht zu werden. Das ist vielleicht ein Grund, weshalb es im Wettbewerb so gut funktioniert. RB   Das heißt, Sie können keine extreme Architektur­

ideologie vertreten VS   Das ganz radikal Andere oder Zeichenhafte ist tat­ sächlich nicht meine Stärke.

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VS   Es gibt nicht das eine Museum, es, gibt viele unter­

Kunstmuseum Ahrenshoop, Wettbewerbsgewinn 2008, Realisierung 2013

schiedliche Museumsarten. Unsere Aufgabe ist es her­ auszufinden, worin das Spezifische liegt. Einmal wünscht man sich ein Zeichen, ein andermal soll es so aussehen, als sei es immer schon dagewesen. Das Museum in der Stadt hat auch eine Relevanz in Bezug auf Raum und Platz. Es kann ebenso Markthalle, ein populärer Ort für einen öffentlichen Diskurs sein, wie ein Tempel, also ein auratisches Objekt. Museen zu bauen, bewegt sich zudem zwischen Extremen: Eine Art der Idealisierung der Rezep­ tion von Kunst ist der „White Cube“, der neutrale weiße Museumsraum. Die andere baut auf den historischen Zu­ sammenhang. Seit 1991, als ich meinen ersten Museums­ bau plante, hat sich die Situation völlig verändert: Lucius Grisebach, mit dem wir das Neue Museum Nürnberg in den 1990er-Jahren planten, war ein vehementer Ver­ fechter des Primats der Kunst; Architektur solle dienen, so seine Meinung. Hierzu lieferte Rémy Zaugg mit seinen Büchern „Das Kunstmuseum, das ich mir erträume“ und „Der Ort des Werkes und des Menschen“ die theoreti­ schen Grundlagen. Zauggs Verständnis vom Verhältnis zwischen Kunst und Architektur war von demselben Pu­ rismus bestimmt, der auch sein Werk prägt. RB  Vier Wände, Fußboden, eine Decke und sonst nichts,

lautete das Postulat von Baselitz, welches wir in den Auslobungstext für den Erweiterungsbau des Städels in den späten 1980er-Jahren aufgenommen hatten. VS   Die Gegenposition hat frühzeitig Hollein mit seinem Museum in Frankfurt bezogen. LWL – Museum für Kunst und Kultur, Münster, Wettbewerbsgewinn 2005, Realisierung 2014

RB  Gibt es eigentlich den perfekten Ausstellungsraum? VS  Je länger ich mich mit Ausstellungsräumen beschäf­

tige, desto weniger glaube ich an den perfekten Ausstel­ lungsraum. Ich will spezifische Räume schaffen und Partner des Museums sein. Mich interessiert so eine behutsame Radikalität. Unser Dresden-Depot-Projekt ist schon extrem radikal – ein­ fach das Haus oben in den Giebel hineinzuplanen. Aber es ist natürlich auf eine besondere Art sehr behutsam, weil es den Raum unten offen lässt. Das ist tatsächlich etwas, das mich interessiert. Auch das Nürnberger Mu­ seum hat auf eine besondere Art eine Radikalität. Diese hundert Meter lange, gebogene Glasfassade in der Alt­ stadt, die trotzdem vertraut, beinahe selbstverständlich wirkt. RB  Vermutlich sind Sie derzeit einer der erfolgreichsten

Museumsbauer Deutschlands. Kein Standort gleicht dem anderen. Wie gehen Sie bei einem neuen Projekt vor?

RB   Das alles sind Programmfragen. Ist der Standort

nicht mindestens ebenso bedeutsam? VS   Wichtig für uns ist der Kontext. Dies beinhaltet nicht nur das räumliche, sondern auch das kulturelle Umfeld. Wo finden wir die Themen, die den Häusern eine Verbind­ lichkeit geben? Man muss sich bei jedem Museum diese Frage nach der räumlichen Zeichenhaftigkeit stellen. Das Neue Museum in Nürnberg ist ein zeichenhafter städti­ scher Raum in einem Hinterhof. Schweinfurt hingegen ist als Sammlermuseum für die Malerei des 19.  Jahrhun­ derts eine herausgehobene Schatzkammer. RB   Stehen nicht die traditionellen Aufgaben des Sam­

meln, Vermittelns und Bewahrens auf dem Prüfstand;

Volker Staab ⁄ GESPR ÄCH

Kunstmuseum Ahrenshoop, Ausstellungsraum

Bildungsanstalt oder Freizeitspaß, wo geht die Reise hin? VS   Es ist spannend herauszufinden, worin das Selbst­ verständnis eines Museums liegt. Die Idee der Institution muss benannt sein, ein Urgedanke vorhanden sein. Bei­ des sind wichtige Hinweise für das räumliche Potential. Dokumentarisch arbeitende Museen besitzen zum Bei­ spiel oft Objekte ohne Objektwert und setzen deshalb auf Hilfsmittel wie Digitalisierung, um eine Geschichte zu erzählen. Bei anderen sprechen die Kunstwerke einer Sammlung für sich. RB   Wenn eine Stadt mit Architektur in kürzester Zeit

Umbau Albertinum Dresden, 2006–2010. Das Depot wurde als Brückenkonstruktion über den Innenhof gebaut und ist vom Hof aus nur als Lichtdecke sichtbar.

einen Imagewandel herbeiführt, so nennt man das Phä­ nomen heute Bilbao-Effekt. Sein Krankfurt-Image hatte Frankfurt mit dem Museumsufer schon zwei Jahrzehnte zuvor abgelegt! Trägt dieser Gedanke nach wie vor? VS   Stadtväter und Museumsleute haben erkannt, dass Architektur eine Unterstützung für die eigenen Ziele sein kann.

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Neues Museum Nürnberg, 2000

RB   Ist das nicht eine wunderbare Entwicklung für die

Architekten, wenn sich kritische Distanz der Museums­ szene zur Architektur, deren Bangen um die Aufmerk­ samkeit verbunden mit der Deutungshoheit über den Erfolg, vor allem aber ihre Konkurrenzangst in Zuneigung wandelt? VS   Vielleicht nicht gerade in Zuneigung, aber die Viel­ zahl der bestehenden und neu errichteten Museen in Mit­ teleuropa erzeugt einen gewaltigen Erfolgsdruck. RB   Demnach sind hohe Besucherzahlen Erfolgsgarant

für eine Museumsinstitution. Glauben Sie, dass Archi­ tektur einen entscheidenden Anteil daran haben kann? VS   Auf jeden Fall! Unabhängig davon, ob die Architektur ein Zeichen setzt oder einfach stadtbildprägend ist – sie trägt auf viele Jahre zur Attraktivität des Hauses bei. RB  Die innere Logik Ihrer Gebäude, die Stärke der Räum­

lichkeiten, vor allem die Materialstimmung und nicht zuletzt die Präzision der Ausführungsqualität erinnert mich sehr an die Bauten Louis Kahns. VS   In der Tat habe ich ihn intensiv studiert und viel von ihm gelernt. RB  Wir haben nun über die Entwurfsfindung gesprochen

und auch darüber, dass Ihre Bauaufträge meist aus Wettbewerbserfolgen hervorgehen. Wie aber setzen Sie

die innere Logik, welche nach Ihrem Verständnis beim Kontext beginnt und erst beim Türknauf endet, durch. Die prämierten Pläne lassen sich doch bei der Durch­ arbeitung ganz unterschiedlich ausgestalten. VS   Das Wettbewerbsergebnis ist die vereinbarte Basis. RB   Und wie werden die Zielkonflikte ausgeräumt oder

verhindert, sodass diese gar nicht erst entstehen? VS   Wir übernehmen so oft wie möglich auch die Bau­ leitung unserer Entwürfe. Dann können wir bis zuletzt Einfluss auf die Bauausführung nehmen und dieses ­Wissen auf die nächsten Projekte anwenden. RB   Anders könnte ich mir das scharfkantige Finish des

Sichtbetons im Georg-Schäfer-Museum in Schweinfurt nicht vorstellen. VS   Schon beim Neuen Museum in Nürnberg haben wir mit dem ortsansässigen Betonbauer zusammengesessen und die großformatige Schalungstechnik für die Sicht­ betonwände entwickelt. Er hat sich mittlerweile mit ­großem Erfolg darauf spezialisiert. RB   Ist eine hochwertige Bauausführung nicht auch ein

Beitrag zur Nachhaltigkeit? Doch was ist die Halbwerts­ zeit von Museumsbauten? VS   Wir planen die Museen so, dass sie eine Erneuerung der Ausstellungskonzeption zulassen. Wenn ein Museum

Volker Staab ⁄ GESPR ÄCH

Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, 2000

stadträumlich Sinn ergibt, kann es durchaus mehrere ­Generationen überdauern. RB  Die Einbauten im Altbau des Jüdischen Museums von

Kostelac aus den 1980er-Jahren hatten den höchstmög­ lichen Qualitätsstandard. Warum mussten sie weichen? VS  Ich denke, die damaligen Eingriffe folgten einem zeit­ typischen, eher kunsthandwerklichen Ansatz und ent­ sprangen keiner Auseinandersetzung mit der Dramatur­ gie des vorhandenen Raums. RB   Wo geht die Architektur hin? VS   Wenn ich das wüsste, wäre ich ein weiser Mann. Es

gibt im Moment einen gigantischen Umbruch durch die Digitalisierung. Sie beeinflusst ja nicht nur den Entwurfs­ prozess, sondern den ganzen Bauproduktionsprozess, und ich glaube, das wird in den nächsten dreißig Jahren extreme Auswirkungen haben. Man könnte jetzt Hor­ rorszenarien an die Wand malen, aber es wird sehr von der Rolle der Architekten abhängen, wie die Zukunft des Bauens aussieht. Wenn die Architekten sich davon ver­ abschieden, Akteure in diesem Bauprozess zu sein, und nur noch als kleine Designer am Rand stehen wollen – dann sehe ich schwarz für die Architektur. Die Gespräche zwischen Volker Staab (VS) und Roland Burgard (RB) wurden am 9. Juni 2017 in Frankfurt und am 20. August 2018 im Büro von Staab Ar­ chitekten in Berlin geführt.

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Weitere Museen

Der Begriff „Museumsufer“ entstand in den 1970er-Jah­ ren, um die nach dem Zweiten Weltkrieg am südlichen Mainufer angesiedelten Museumsprovisorien an die schon bestehenden Museen – Städelsches Kunstinstitut, Liebieghaus und Bundespostmuseum – anzubinden. Mit Hilfe eines einprägsamen Namens wurden Synergien er­ zeugt und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung eröffnet. Nach einem halben Jahrhundert des Museumsbauens in Frankfurt ist der Begriff „Museumsufer“ zu einer erfolg­ reichen Marke geworden. Er umfasst alle städtischen Museen, die in Sichtbeziehung zum Main, an dessen Ufer oder fußläufig von ihm aus erreichbar sind. Einige Muse­ en wurden erneuert oder am selben Ort erweitert, ande­ re wiederum erhielten außerhalb ihres Hauptgebäudes Dependancen. Während zunächst in diesem Buch zwölf Frankfurter Museumsbauten, die aus Wettbewerben ­hervorgingen oder Signalcharakter für die Entwicklung der Architektur hatten, anhand von Fotos, Plänen und Gesprächen mit ihren Architekten präsentiert werden, ergänzen im Folgenden die kleineren, oftmals unschein­ baren Institute, Museumserweiterungen oder Dependan­ cen, die nicht minder sensibel in ihr Umfeld eingebunden sind, den Überblick über den Museumsbau in Frankfurt am Main. Sie sind geographisch geordnet und laden so zu einem Entdeckungsspaziergang ein, zunächst durch die Frankfurter Innenstadt (Postleitzahlen 60310 und 60311) und dann durch Sachsenhausen (Postleitzahlen 60594 und 60596).

Weitere Museen

Tower MMK

Zollamt MMK

Architekten: Gruber + Kleine-Kraneburg Architekten Fläche (BGF): 1400 m2 Eröffnung: 2014

Architekten: Jourdan & Müller Steinhauser Fläche (BGF): 400 m2 Eröffnung: 2008

Taunustor 1 60310 Frankfurt am Main

Domstraße 3 60311 Frankfurt am Main

Der 170 Meter hohe Taunusturm in den westlichen Wallanlagen ist ein multifunktionales Gebäude. In seinen vierzig Etagen nimmt es nicht nur Büros auf, sondern bietet auch fünfzig Woh­ nungen Platz, und darüber hinaus noch in einem Mezzaninge­ schoss Ausstellungsflächen für die Tower MMK genannte De­ pendance des Museums für Moderne Kunst. Diese sind sowohl über eine Treppenanlage wie auch einen großen Aufzug bequem vom Straßenniveau erreichbar.

Das 1928 nach den Plänen von Werner Hebebrand errichtete Hauptzollamt wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und danach wiederaufgebaut. Nach einem Wettbewerb im Jahr 2004 wurde das Anwesen zum „Haus am Dom“, einem katho­ lischen Kulturzentrum mit Veranstaltungsräumen und Büro­ flächen, umgebaut. Der dreischiffige Zollamtssaal, der archi­ tektonisch bedeutsamste Teil aus den 1920er-Jahren, wird vom schräg gegenüberliegenden Museum für Moderne Kunst als Dependance genutzt.

Blick auf das Haus am Dom mit dem Eingang zum Zollamt MMK an der Braubachstraße vom Eingang des Museum MMK an der schräg gegen­ überliegenden Straßenecke Blick auf den Taunusturm von den westlichen Wallanlagen aus

Blick in die neutralen Ausstellungsflächen des Tower MMK

Blick in den dreischiffigen Ausstellungsraum des Zollamt MMK

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Struwwelpeter-Museum

Stoltze-Museum

Architekt Hinter dem Lämmchen 2: Denkmalkonzept GmbH Architekt Hinter dem Lämmchen 4: dreysse•architekten Fläche (BGF): 1471 m2 Eröffnung: 2019

Architekt: Helmut Riemann Architekten GmbH Fläche (BGF): 400 m2 Eröffnung: 2018

Hinter dem Lämmchen 2–4 60311 Frankfurt am Main

Das Struwwelpeter-Museum präsentiert sich in zwei neuen, jedoch nach alten Unterlagen rekonstruierten Häusern, genannt „Alter und Junger Esslinger”, in dem Bereich der neuen Frank­ furter Altstadt, welcher von dem 1972 errichteten und 2010 abgerissenen Technischen Rathaus in Anspruch genommen worden war. Die Rekonstruktion des Hauses „Alter Esslinger” orientiert sich an einem dreigeschossigen Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert, das traufständig war, jedoch ein großes, verschiefertes Zwerchhaus aufwies. Das Haus „Junger Esslin­ ger” ist ebenfalls traufständig, verfügt über ein stattliches Zwerchhaus und orientiert sich am Spätbarock. Beide Häuser besitzen drei Geschosse, auf die sich der gesamte Struwwelpe­ terkosmos verteilt, einschließlich einer Präsentation des Lebens des Frankfurter Arztes Dr. Heinrich Hoffmann, der den Struw­ welpeter 1844 verfasste, einem Theaterzimmer zum Verkleiden und einer Bühne mit Veranstaltungsräumen. 

Haus Weißer Bock, Markt 7 60311 Frankfurt am Main

Für den 1816 in Frankfurt geborenen Mundartdichter Friedrich Stoltze, der wegen den letzten beiden Zeilen seines 1880 er­ schienen Frankfurt-Gedichts „un es will merr net in mein Kopp enei: wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“ bei seinem Tod 1891 neben Johann Wolfgang von Goethe der bekannteste Frankfurter war, wurde 2018 unweit seines Geburtshauses in der neuen Frankfurter Altstadt das Stoltze-Museum im neu er­ richteten Haus „Weißer Bock“ eingeweiht. Die streng ge­gliederte Fassade aus leicht profilierten Mainsandstein­platten kontras­ tiert mit der bewusst inszenierten Treppenanlage im Inneren mit Exponaten aus dem Leben Friedrich Stoltzes. Von dieser aus gelangt der Besucher zu den Ausstellungen, die auch in drei Räumen der ­benachbarten „Goldenen Waage“, einem aufwän­ dig rekonstruierten Fachwerkhaus, am Hühnermarkt gezeigt werden. Dort steht auch das 1895 geschaffene Stoltze-­Denkmal auf seinem angestammten Platz wie vor der Kriegszerstörung der Altstadt.

Blick vom Hühnermarkt im Osten auf die Rekonstruktionen der Häuser „Junger Esslinger“ (links) und „Alter Esslinger“ (rechts)

Blick in das Foyer

Straßenfassade mit Durchblick auf die Treppenanlage im Inneren

Treppenaufgang zu den Ausstel­ lungsgeschossen

Weitere Museen

Kaiserpfalz franconofurd Architekten: Meurer Generalplaner GmbH – cba, Luxembourg Fläche (BGF) 365 m2 Eröffnung: 2018

Stadthaus am Markt Architekten: Meurer Generalplaner GmbH Fläche (BGF): 4020 m2 Eröffnung: 2016 Markt 1 60311 Frankfurt am Main

Markt 1 60311 Frankfurt am Main

Beim Bau der U-Bahn in den 1960er-Jahren wurden bauliche Reste offengelegt, welche auf eine Besiedlung des Domhügels bis in die Bronzezeit, selbst in die Jung- und Mittelsteinzeit schließen lassen. Ab 1972 wurden die sich überlagernden Gra­ bungsfunde in Form eines archäologischen Denkmals unter freiem Himmel konserviert. Im Laufe der Jahre litt dieser soge­ nannte Historische Garten unter Witterungseinflüssen, sodass man sich zu dessen Schutz bei den Überlegungen zur neuen Altstadt in den 2000er-Jahren für eine Überbauung mit einem Veranstaltungsgebäude, dem „Stadthaus am Markt“, entschied. In dessen Erdgeschoss gelegen trägt der Ort jetzt die Bezeich­ nung Kaiserpfalz franconofurd. Kaiserpfalz weil hier Karl der Große im Juni 794 eine Synode hochrangiger Kirchenvertreter des Frankenreiches abhielt, franconofurd, weil im selben Jahr dieser Namen zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird. Die ­Kaiserpfalz franconofurd präsentiert als Außenstelle des Ar­ chäologischen Museums museologisch aufbereitet Reste einer römischen Niederlassung, eines merowingischen Königshofes, der karolingisch-ottonischen Königspfalz und spätmittelalter­ liche Keller.

Das Stadthaus am Markt, als zeitgenössisches Verbindungsglied zwischen dem gotischen Kaiserdom St. Bartholomäus, der Schirn Kunsthalle aus den 1980er-Jahren und den Rekonstruktionen der neuen Altstadt der 2000er-Jahre, greift den historischen Maßstab auf. Vom Straßenniveau aus ist die Kaiserpfalz fran­ conofurd – eine Außenstelle des Archäologischen Museums – direkt zu erreichen. Sie nimmt mit ihren Exponaten das Erdge­ schoss und die tiefer liegenden Flächen des Stadthauses ein. Darüber schwebt stützenfrei der Versammlungssaal des Stadt­ hauses und bietet so Schutz vor Wind und Wetter. Mit seiner Grundrisskontur zeichnet dieser die „Aula regia“, den ehemaligen Kaisersaal der Kaiserpfalz, nach. In den weiteren Obergeschos­ sen befinden sich die zugehörigen Seminar- und Konferenzräu­ me. Am nördlichen Ende des Eingangsplateaus der Schirn Kunst­ halle ersetzt ein separates Bauteil mit zwei Wohnungen den „Tisch“ aus den 1980er-Jahren. Von dem östlichen Ende des Eingangs der Schirn durch die Bendergasse in Richtung Kaiser­ dom erhält die lange Arkadenreihe der Kunsthalle durch die neue Front des Stadthauses, welche die Ausstellungsflächen vor der Kaiserpfalz franconofurd abschließt, ein attraktives Vis-à-vis.

Blick von der Bendergasse auf das Stadthaus am Markt mit dem Zugang zur Kaiserpfalz franconofurd, auf den Kaiserdom und die Arkaden der Schirn Kunsthalle

Ausstellung überlagerter Grabungsfunde: ein römisches Bad, die Mauern des karolingischen Königshofes und spätmittelalterliche Keller

Modell der Kaiserpfalz franconofurd, Rekonstruktion des Zustands um 794 n. Chr.

Blick in den Ausstellungsraum der „Kaiserpfalz franconofurd“. Über diesen ältesten erhaltenen Grabungsresten Frankfurts schwebt der mit goldfarbenen Schindeln verkleidete Veranstaltungsraum des Stadthauses am Markt.

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Altbauten Historisches Museum Frankfurt (Saalhof) Architekten: Diezinger Architekten Fläche (BGF): 5043 m2 Eröffnung: 2012

Caricatura Museum Frankfurt Architekten: Diezinger & Kramer Architekten Fläche (BGF): 1277 m2 Eröffnung: 2008 Weckmarkt 17 60311 Frankfurt am Main

Saalhof 1 60311 Frankfurt am Main

Das Historische Museum Frankfurt besteht aus zwei Bauteilen, dem von Lederer Ragnarsdóttir Oei errichteten Neubau und den Planungen für das historische Saalhof-Ensemble von Diezinger Architekten. Die fünf Altbauten des Saalhofes entstanden zwi­ schen dem 12. und 19. Jahrhundert. Allein der östliche Teil der Gesamtanlage überstand den Zweiten Weltkrieg mit geringen Schäden und ist heute das älteste aufrecht stehende Gebäude der Stadt. Beim Wiederaufbau wurden die Gebäude zu einer Einheit verschmolzen. Bei der 2008 begonnenen, technischen Sanierung und architektonisch-museografischen Bearbeitung hingegen wurde auf die historische Identität der einzelnen Ge­ bäude geachtet. Im Stauferbau (12. Jahrhundert) und Burnitzbau (1842/1843) befindet sich die Dauerausstellung „Frankfurter Sammler und Stifter“, im Bernusbau (1715–1717) ist das Kinder­ museum. Der Rententurm (1455/1456), einst Torturm der Stadt­ befestigung und Sitz des Rentmeisters, inszeniert sich selbst.

Blick auf den Aufgang zum Rententurm nach der Sanierung des Altbaus

Blick vom Mainkai im Osten auf den Saalhof mit Kapelle, Burnitzbau, Bernusbau und dem Rententurm (von rechts nach links)

Das Leinwandhaus, eine gotische Tuchhalle aus dem ausgehen­ den 14. Jahrhundert, diente dem Historischen Museum ab 1893 als Ausstellungshalle. 1944 zerstört, wurde es 1984 als Galerie­ haus nach den Plänen von Alois Giefer, einem wichtigen Frank­ furter Architekten der 1950er-Jahre im Äußeren weitgehend historisch wiederaufgebaut. An der Südfassade jedoch hatte er das Gebäude mit einem zeitgenössisch ausgeformten Auf­ zugsturm versehen. Das Innere wurde 2008 für das Caricatura Museum – Museum für Komische Kunst von Diezinger & Kramer umgebaut und mit museografischen Einbauten versehen.

Stele am Eingang zum Caricatura Museum

Blick von der Empore auf die museografischen Einbauten

Weitere Museen

Museum Judengasse

Ikonen-Museum Frankfurt

Architekten: dirschl.federle architekten Fläche (BGF): 1753 m2 Eröffnung: 2016

Architekt: Oswald Mathias Ungers Fläche (BGF): 422 m2 Eröffnung: 1990

Battonstraße 47 60311 Frankfurt am Main

Brückenstraße 3–7 60594 Frankfurt am Main

Bei den Bauarbeiten für ein neues Kundenzentrum der Stadtwer­ ke wurden 1987 Fundamente von neunzehn Häusern der ehe­ma­ ligen Judengasse entdeckt, die 1462 als erstes jüdisches Ghetto in Europa eingerichtet worden war. Aus der lokalen Aus­ein­an­ der­setzung entspann sich eine bundesweite Debatte, wie nach dem Holocaust mit den Zeugnissen jüdischer Ge­schich­te umge­ gangen werden solle. Als Börneplatzkonflikt ist diese in die Ge­ schichte der Bundesrepublik eingegangen. Schließ­lich wurde ein Kompromiss gefunden. Fünf Hausfun­da­mente und zwei Mikwen wurden abgetragen und im Tiefgeschoss des Neubaus an origina­ ler Stelle wieder aufgebaut. Sie bilden den Mittelpunkt des Mu­ seums, welches sich mit dem jüdischen Leben in Frankfurt von 1150–1800 befasst. Von der Battonstraße aus erreicht man den Eingang, der die Gedenkstätte „Neuer Börneplatz“, den angren­ zenden alten jüdischen Friedhof und das Museum Judengasse zu einem erinnerungspolitischen Ensemble zusammenfügt.

Das Deutschordenshaus wurde ab 1709 von Daniel Kayser als barocke Dreiflügelanlage erbaut. 1943 brannte das Gebäude völlig aus, und wurde 1963–1965 von Oswald Mathias Ungers wieder aufgebaut. Ungers rekonstruierte die Straßenfront, die Hoffassaden und das Innere jedoch errichtete er in moderner Form. Seit 1964 dient das Deutschordenshaus als Priorat des Deutschen Ordens. Ab 1987 wurde das ehemalige Refektorium im Westflügel als Ausstellungsraum nach den Plänen wiederum von Oswald Mathias Ungers umgebaut und 1990 dem Ikonen-­ Museum übergeben. Dieses Institut gehört zu den in Westeuro­ pa kaum vertretenen Museen, die ausschließlich Ikonen präsen­ tieren. So lässt die Sammlung keine wesentliche Thematik der Ikonenmalerei aus und erlaubt ein breites Studium der Ikono­ graphie der orthodoxen Kunst.

Blick auf den Eingang Museum Judengasse von der Battonstraße im Norden aus

Blick auf das Deutschordenshaus von der Brückenstraße im Westen mit dem 1710 von Maximilian von Welsch entworfenen Eingangsportal zum Ikonen-Museum

Blick in die Fundamente der Judengasse

Drachenkampf des Heiligen Georg, Russische Vita-Ikone, 18. Jahrhundert, Eitempera auf Holz

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Weltkulturen Museum Architekten: Alfram Edler von Hoessle Architekten Fläche (BGF): 600 m2 Eröffnung: 1989 Schaumainkai 29, 35, 37 60594 Frankfurt am Main

DFF Deutsches Film­ institut & Film­museum Architekt: Blocher Partners Fläche (BGF): 4890 m2 Eröffnung: 2011 Schaumainkai 41 60596 Frankfurt am Main

Drei Gründerzeitvillen am Sachsenhäuser Mainufer bilden die derzeitige Heimstatt des Weltkulturen Museums. In der östli­ch­ sten Villa, 1904 in neobarockem Stil errichtet, mit symmetri­ scher Mainfassade und einem Risalit-flankierten Rund­erker, begann 1973 der ethnologische Ausstellungsbetrieb in Frankfurt wieder. Auch heute wird das ursprünglich für großbürgerliches Wohnen gedachte Gebäude noch als Ausstellungshaus ge­ nutzt. 1987 kam die mittlere Villa, 1903 von A. Günter für eine Bankiersfamilie im Stil der Neorenaissance entworfen, hinzu. Sie imponiert durch einen zur Mainfront plastisch durchgebil­ deten Baukörper aus Naturstein mit Axialrisalit und Eckerker. Hier residiert heute die Verwaltung. Im Westen schließlich ist 1989 das Labor des Weltkulturen Museums hinzugekommen. Dieses dient sowohl der Präsentation von Ausstellungen als auch der interdisziplinären Zusammenarbeit. Die großbürgerli­ che Villa, die es aufnimmt, wurde im Jahr 1888 errichtet und bezieht ihre architektonischen ­Elemente aus der Renaissance und dem Barock.

Mit seiner monumentalen Mainfront, die durch eine ionische Säulenstellung noch überhöht wird, markiert das 1912 an der Ecke von Schaumainkai und Schweizer Straße errichtete ­neoklassizistische Mietshaus den Zugang nach Sachsenhau-­ sen. Das Gebäude hatte den Zweiten Weltkrieg unbehelligt überstanden. Außen denkmalgeschützt, war das Innere von ­1980–1984 nach dem Entwurf von Helge Bofinger für das Deut­ sche Filmmuseum entkernt und umgebaut worden. Von 2009– 2011 wurde das Gebäude im laufenden Betrieb erneut umge­ baut, um nach der Fusion von Deutschem Filminstitut und Deutschem Filmmuseum im Jahre 2006 den veränderten An­ forderungen gerecht zu werden.

Blick auf die Villa Schaumainkai 29

Blick vom Schaumainkai auf das Eingangsportal bei Nacht

Blick von Westen auf die Gebäude des Weltkulturen Museums: Ausstellungen, Bibliothek und Labor (von links nach rechts)

Blick in die Dauerausstellung

Weitere Museen

Museum Giersch der Goethe-Universität Architekten: Scheffler Warschauer+ Partner Fläche (BGF): 700 m2 Eröffnung: 2000 Schaumainkai 83 60596 Frankfurt am Main

Die 1910 für die Frankfurter Unternehmerfamilie Holzmann am Schaumainkai 83 im Stil des Neoklassizismus mit Pilaster­ gliederung und reliefiertem Fries errichtete Villa wurde unter Berücksichtigung strengster denkmalpflegerischer Auflagen in ein Museumsgebäude für die Erforschung und Vermittlung re­ gionaler Kunst und für Wechselausstellungen umgebaut. Das Museum Giersch der Goethe-Universität nimmt in der Frank­ furter Museumslandschaft eine Sonderstellung ein. Einerseits Museum, andererseits Schauplatz von Ausstellungsprojekten, die das wissenschaftlich-intellektuelle Leben der Goethe-Uni­ versität darstellen, wird es als einziges ausschließlich privat finanziertes Museum in der Region von der Stiftung Giersch betrieben.

Blick in das Erkerzimmer

Blick von Osten auf den Eingang vom Schaumainkai

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Ausblick

Über viele Jahre sind am Main mehr als ein Dutzend ­neuer Museumsbauten entstanden. Das Museumsufer hat sich zu einer ebenso bekannten Marke entwickelt wie die Museumsinsel in Berlin, das Museumsquartier in Wien oder die National Mall in Washington. Die Muse­ umsbesucher kommen nicht mehr nur aus der Region, sondern aus der ganzen Welt. Dadurch hat sich auch die Verweildauer verändert und manche Besucher verbrin­ gen den ganzen Tag im Museum. Museen als Orte prägen nicht länger nur das lokale Kulturgeschehen, sondern haben sich zu globalen Marken entwickelt. Insbesondere im Nahen und Fernen Osten entstehen ­derzeit in kurzer Folge immer neue Museumsgroßpro­ jekte. Denn auch dort hat man erkannt, welche Anerken­ nung man aus attraktiven Museen ziehen kann; vom finanziellen Zugewinn ganz zu schweigen. Vor allem ar­ chitektonisch setzen diese Bauten Zeichen; an Neuem und Überraschendem sind sie kaum zu überbieten. Doch oftmals fehlt es an Inhalten, sodass man Anleihen oder ganze Sammlungen aus den klassischen Museumslän­ dern nehmen muss. In Abu Dhabi plant man auf der Insel Saadiyat ein Kultur­ viertel. Das Guggenheim Museum in New York will hier

neben seinen Dependancen in Venedig und Bilbao das Guggenheim Abu Dhabi nach den Plänen von Frank Gehry errichten. Die Konzeption des Zayed Nationalmuseum, für das schon Planungen von Sir Norman Foster vorlie­ gen, sieht eine Kooperation mit dem British Museum vor. Und für das 2017 nach den Plänen von Jean Nouvel fertiggestellte Louvre Abu Dhabi ist eine auf zunächst dreißig Jahre geplante enge Zusammenarbeit zwischen Paris und Abu Dhabi vereinbart. Selbst in China baut man auf europäische Museumsexpertise. Für das von David Chipperfield entworfene West Bund Art Museum in Schanghai erhält man Unterstützung durch das Centre Pompidou. Blickt man nach Frankfurt, so ist man überrascht, denn hier ist es umgekehrt. Seit Jahrzehnten sucht eine große ethnologische Sammlung noch immer ihre Bühne. Her­ vorgegangen ist das Weltkulturen Museum (bis 2001 Museum für Völkerkunde, 2001–2013 Museum der Welt­ kulturen) aus dem von Frankfurter Bürgern 1904 ge­ gründeten Völkermuseum. Zunächst war es im Palais Thurn und Taxis in der Innenstadt untergebracht, das jedoch im Krieg zerstört wurde. Die geretteten Exponate

Nicht realisierte Entwürfe und Projektstudien für das Weltkulturen Museum von 1968 bis 2019

Eingeschossiges Depot für das Museum für Völkerkunde im Garten der Villa Schaumainkai 29, Entwurf Hochbauamt, 1968

Zweigeschossige Ausstellungshalle für das Museum für Völkerkunde im Garten der Villa Schaumaikai 29, Entwurf Hochbauamt, 1970

Ausblick

werden teilweise seit 1973 in einer Villa am Schaumain­ kai 29 präsentiert, wozu in den 1980er-Jahren zwei wei­ tere Ge­bäu­de hinzukamen. Es fehlt jedoch seit langem ein Neubau, der auf etwa 5000 Quadratmetern F ­ läche eine umfassendere Präsentation ermöglichen würde, denn aufgrund des beschränkten Platzangebots sind ­viele Bestände eingelagert. Ein eigener Ort für diese be­ deutende Sammlung ist heute für Frankfurt aktueller denn je. Vermutlich waren es politische, nicht sachliche Gründe, weswegen man sich in den 1970er-Jahren zu Museums­ neugründungen entschloss, für die erst noch Samm­ lungen aufgebaut werden mussten, obwohl das Welt­ kulturen Museum von Anfang an auf einen beachtlichen Sammlungsbestand verweisen konnte.  Allerdings gab es für diesen Neubau seit 1968 immer wieder neue Entwür­

fe und Planungen. Würde man alle Architekten benen­ nen, die sich an den vier großen Wettbewerben und wei­ teren Initiativen beteiligten, so würde dies die Zahl 200 wohl übersteigen. Dem mag man entgegenhalten, eine gründliche Vorarbeit sei noch kein Garant für den politi­ schen Erfolg eines Vorhabens. In Zeiten knapper Kassen hat man das Völkerkundemu­ seumsprojekt von Richard Meier 1992 zuerst gestoppt, und im Jahr 2000 das dazugehörige Grundstück an der Metzlerstraße auch noch verkauft. Danach wurde 2010 ein Wettbewerb mit einem größeren Raumprogramm auf einem kleineren Grundstück im Museums­park ausgelobt, die Architekten Kühn Malvezzi A ­ ssociates als Preisträger gekürt und kurz darauf auch dieses Projekt aufgegeben. An den Finanzen kann es dieses Mal nicht gelegen haben, denn in der Zwischenzeit sind mit dem Historischen

Entwurf von Richard Meier für ein Völkerkundemuseum im Rahmen des Wettbewerbs für das Museum für Kunsthandwerk, 1980

Entwurf des Künstlers Claus Bury für eine Ausstellungshalle hinter den Villen des Völkerkundemuseums am Schaumainkai, 1995

Projektstudie von Werner Pfaff WPV für ein Parkhaus unter dem Main mit Ausstellungsräumen für das Weltkulturen Museum, 2004

Projektstudie von B&V Braun Canton Architekten für ein Museum der Weltkulturen in Form einer Brücke über den Main, 2017, Visualisierung

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Erster Preis von Meiler, Vural & Partner/ Becker Grossmann Meiler im Wettbewerb für das Völkerkundemuseum am Schaumainkai, 1987

Hilmar Hoffmann nannte seine Entscheidung, 1987 die Planung zum Bau eines Völkerkundemuseum zurückzu­ ziehen „ ... einen meiner größten Fehler, die ich je hier in Frankfurt begangen habe“. 1 Nicht nur in Frankfurt ist die Realisierung eines ethnolo­ gischen Museums eine wahre Sisyphusarbeit, denn seit den 1970er-Jahren geraten die ethnologischen Museen Europas in immer neue Krisen. Wurde zunächst die Deu­ tungshoheit der Ethnologen in Frage gestellt, kamen ­danach Zweifel an der Gültigkeit westlicher Theorien auf. Das Augenmerk lag nun darauf, Abgrenzung und Exoti­ sierung zu vermeiden.

Erster Preis von Richard Meier im Gutachterverfahren für das Völker­ kundemuseum an der Metzlerstraße hinter dem Museumspark, 1990

­ useum und dem Jüdischen Museum zwei Museums­ M neubauten am Main entstanden. Und eben folgt noch das Deutsche Romantikmuseum, das neben dem Goethehaus entsteht. Grüner Furor und schwar­zer Kleinmut der spä­ ten 1980er-Jahre zogen den Erhalt zweier verwilderter Hausgärten am Schaumainkai einem Museumsbau vor und bereiteten so dem prämierten Wettbewerbsentwurf von Meiler, Vural & Partner von 1987 ein abruptes Ende.

Weltweites Aufsehen in Politik und Öffentlichkeit erreg­ te der französische Staatspräsident Emmanuel Macron mit einer Rede zum Umgang mit dem kulturellen Erbe aus den französischen Kolonien in Ouagadougou in Burkina Faso am 28. November 2017, welche mit dem Verspre­ chen endete, die Bedingungen für eine Rückgabe des af­ rikanischen Erbes innerhalb von fünf Jahren zu erfüllen. Heute steht vor allem die Erwerbsbiographie der Objekte im Fokus. Jetzt geht es um Kolonialismus und Postkolo­ nialismus, Raubkunst und Restitution, vor allem aber um Provenienzforschung im weitesten Sinne. So wundert es kaum, dass weder das 2006 in Paris eröffnete Musée du Quai Branly noch das Humboldtforum in Berlin, das 2020 eröffnet werden soll, in ihrem Namen keinen Hinweis auf

Ausblick

Erster Preis von Kühn Malvezzi Associates im Wettbewerb für das Weltkulturen Museum, 2010, Ansicht vom Museum für Angewandte Kunst im Osten auf den oberirdischen Ausstellungspavillon des unterirdischen Museums, Visualisierung

die ethnologische Sammlung, dem eigentlichen Kern ih­ rer Institution, geben. Auch das Weltkulturen Museum in Frankfurt weist durch seine Umbenennung im Jahr 2001 (bis dahin trug es den Namen Museum für Völkerkunde) darauf hin, dass jetzt die kulturellen Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen und nicht mehr der Blick auf das Fremde. Wie soll man in postkolonialer Zeit Objekte mit kolonia­ lem Hintergrund ausstellen? Wieder sind es die beiden Antipoden, das Musée du Quai Branly und das Humboldt­ forum, an denen sich zeitgenössische Ethnologiever­ mittlung in Europa messen lässt. Nicht nur, weil die Ko­ lonialgeschichte Frankreichs mit der Deutschlands wenig gemein hat, verfolgen die beiden nationalen Flaggschiffe konträre Lösungswege. Der französischen Vorgabe „musée sans équivalent“ steht das deutsche „mehr als ein Muse­ um“ gegenüber. In Paris sollen die Exponate durch die Aura des authentischen Kunstwerks den Besucher zum Staunen anregen, in Berlin hingegen entsteht eine Be­ gegnungsstätte, eine kulturelle Erlebniswelt, ein multi­ mediales ethnologisches Museum, das den Dialog mit dem Außereuropäischen in den Mittelpunkt stellen will. Mit der Eröffnung des Humboldtforums in Berlin werden auch in Frankfurt wieder Fragen laut werden, wann denn endlich die Sammlung des Weltkulturen Museums in ­einem größeren Umfang als bislang der Öffentlichkeit

zugänglich gemacht werden wird. In einem Gespräch mit dem Autor2 erläuterte die Kulturdezernentin Dr. Ina Hart­ wig ihre Pläne: „Die Museen insgesamt haben sich nicht nur weiterentwickelt, sondern müssen heute ganz neue Aufgaben erfüllen. Dazu zählen die großen gesellschaft­ lichen und ethischen Debatten, die an diesen Orten ge­ führt werden müssen.“ Für das Weltkulturen Museum be­deutet dies jedoch: „Um alle Fragen zur Restitutions­ problematik und des kolonialen Erbes befriedigend be­ antworten zu können, sind die Museen weder personell noch finanziell vorbereitet.“ Auf die Frage, wie die Konzeption eines ethnologisches Museums in Frankfurt am Main heute aussehen könnte, etwa wie ein zum Staunen anregendes Kunstmuseum oder ein multimedialer Ort des Lernens, hat sie eine klare Antwort: „Ich bin der Meinung, dass man unbedingt an der Ethnologie festhalten sollte, also an der wissen­ schaftlichen Expertise. Ich bin skeptisch, was eine An­ eignung etwa durch die Kunst betrifft. Ich glaube zwar, dass man spielerisch und kreativ mit den Objekten um­ gehen sollte, aber ich bin dagegen, sie komplett zu ver­ einnahmen für Diskurse der Kunst. Die ethnologische, wissenschaftliche Expertise muss weiterhin der Maßstab sein.“ Ebenso präzise Vorstellungen hat die Kulturde­zer­ nentin zur Entwicklungsperspektive des Weltkulturen Museums: „Wir haben eine Sammlung, die im Depot liegt. Wir haben eine sehr komplizierte, unbefriedigende Vor­

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geschichte mit verschiedensten Entwürfen für Erweite­ rungsbauten. Ich selbst präferiere eine Dependance, etwa in einem der entstehenden Hochhäuser. Vorbild ist das Museum MMK für Moderne Kunst. Seit 2014 hat das Haus einen Standort im TaunusTurm, den TowerMMK, der im urbanen Zentrum, unweit des Bahnhofsviertels und des Hauptgebäudes des Museums erbaut wurde. Für mich ist dies ein sehr reizvolles Modell, schließlich sind wir eine Stadt, die in die Höhe wächst. Zudem hat sich das Museumsufer auf der Nordseite des Mains in den letzten Jahren erweitert, eine Dependance des Weltkul­ turen Museums würde diese Entwicklung in Richtung der Innenstadt konsequent fortsetzen.“ Denn für den Stand­ ort Innenstadt sprechen nach ihrer Meinung gute Argu­ mente. „Gerade für das Weltkulturen Museum ist die In­ nenstadt höchst geeignet. Das passt zu Frankfurt und der Internationalität dieser Stadt.“ Und gerade, weil Hoch­ häuser das Gesicht Frankfurts prägen, will sie dieses ­Alleinstellungsmerkmal ­nutzen: „Ich finde es zukunfts­ weisend, dass man bei der Entwicklung von Hochhäu-­ sern mehr in Richtung Multifunktionalität und Misch­ nutzung denkt und dabei auch kulturelle Aufgaben berücksichtigt.“ Maske, Diablada, La Paz, Bolivien, Sammlung Weltkulturen Museum

Ahnenfiguren der Sawos, Yamök, ­Neuguinea, Sammlung Weltkulturen Museum

Die Sammlung des Weltkulturen Museums befindet sich in einem konservatorisch sehr guten Zustand, eine her­ vorragende Voraussetzung für zukünftige Entwicklun­ gen, wie sie von der Kulturdezernentin Ina Hartwig ver­ folgt werden. „Ein weiteres Thema ist die Digitalisierung, und zwar gleich auf zwei Ebenen: Zum einen findet die Ansprache der Besucher heute schon im Vorfeld des Mu­ seumsbesuchs über digitale Kanäle statt. Die junge Ge­ neration erwartet, dass sie alle Angebote auch digital rezipieren kann. Die zweite Ebene betrifft die Samm­ lungserfassung. In Zeiten massenhafter Nutzung digita­ ler Medien darf das kulturelle Erbe der Stadt Frankfurt nicht ausschließlich der analogen Erfahrungswelt vorbe­ halten bleiben. Sammlungen, als Rückgrat eines jeden Museums, müssen digital verfügbar sein, sollen die Häu­ ser auch zukünftig ihren traditionellen Kernaufgaben gerecht werden. Hier liegt die Aufgabe der Museen für die Zukunft.“ Das Konzept der Kulturdezernentin ist so inte­ ressant wie ambitioniert. Interessant, weil sich die drei Villen am Schaumainkai mit Depot und Ausstellungs­ flächen digital verknüpfen lassen. Ambitioniert, weil man für jeden Quadratmeter Ausstellungsfläche noch einmal dieselbe Fläche für Nebenflächen benötigt. Au­ ßerdem sollten alle Flächen von der Straße aus leicht erreichbar sein, beides Anforderungen, die in der Innen­ stadt nicht einfach zu erreichen sein werden. Doch Lin­ derung ­könnte das ins Auge gefasste Zentraldepot mit

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Werkstätten verschaffen. Ob man die sieben Ausleger­ boote mit ihren hohen Masten in einem Hochhaus in der Innenstadt unterbringen könnte, bliebe abzuwarten. ­Vielleicht sollte doch noch den Sachsenhäusern der Platz für das Kula-Auslegerboot aus Südneuguinea mit dem zehn Meter hohen Mast abgerungen werden. Dieses Ex­ ponat ist in keinem Museum der westlichen Welt zu se­ hen, und würde zum Highlight des Museumsufers. Denn wo, wenn nicht am Mainufer, zwischen Eisernem Steg im Osten und Holbeinsteg im Westen, sollte das Weltkultu­ ren Museum mit seiner Adresse verankert bleiben? Wo, wenn nicht am Fluss, muss nicht nur ein bauliches Zei­ chen, sondern auch ein unübersehbarer Hinweis und ein Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt gesetzt werden? Würde dies alles gelingen, so wäre die nach der Jahrtau­ sendwende begonnene, dritte Ausbaustufe des Museums­ ­ufers noch rechtzeitig vor dem 150-jährigen Jubiläum der Einweihung des Städelschen Kunstinstituts am Main 2028 zu einem glücklichen Ende gekommen.

Thron, Königtum Kom, Kamerun, Ankauf von Reinhold Rhode 1904, Sammlung Weltkulturen Museum

1

Julian Wékel (Hrsg.), Zeitzeugen: Vom Museumsufer zum Stadtraum Main, Darmstadt: TU Darmstadt, Fachgebiet Entwerfen und Stadtpla­ nung, 2016, S. 41. 2 Das Gespräch zwischen der Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig und ­Roland Burgard wurde am 2. Juli 2019 im Büro der Dezernentin in der Brückenstraße 7 in Frankfurt am Main geführt.

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Über den Autor

Roland Burgard, geboren 1942, studierte an der Techni­ schen Universität Karlsruhe bei Egon Eiermann Archi­ tektur. Von 1971 bis 1973 war er Projektleiter bei Ross­ mann und Partner in Karlsruhe. 1975 legte er die Große Staatsprüfung bei der Staatlichen Bauverwaltung in Baden-­Würt­temberg ab, um 1977 in den Dienst des Hoch­ bauamts der Stadt Frankfurt am Main einzutreten. In verschiedenen Positionen, ab 1990 bis 1998 als dessen Amtsleiter, befasste er sich vor allem mit den Museums­ bauten am Frankfurter Museumsufer. Er initiierte Vor­ tragsreihen zu Museumsbauten und kuratierte Architek­ turausstellungen, die in Europa, Nordamerika und im Nahen Osten gezeigt wurden. 1990 veranstaltete er den Frankfurter Architektursommer 90, die erste derartige Veranstaltung in Deutschland, gab 1992 das Architektur­ magazin „Archigrad – Planen und Bauen am 50. Breiten­ grad“ heraus. Die architektonischen Maßstäbe des Frank­ furter Museumsbaus übertrug er auf ein Bauprogramm mit sechzig Kindertagesstätten, welches als „Museums­ ufer für Kinder“ weit über die Grenzen Frankfurts hinaus bekannt wurde. Neben dem realen Bauen betrieb er Bau­ forschung mit dem Ziel, den ökologischen Fußabdruck beim Bauen zu minimieren; ein Konzept welches als ­Niedrigentropiehaus bekannt wurde. 1998 folgte er ei­ nem Ruf an die Universität für Angewandte Kunst in Wien wo er bis 2008 lehrte. In diese Zeit fallen zahlreiche ­Publikationen in Fachzeitschriften und Feuilletons von überregionalen Tageszeitungen. 2003 gab er bei Springer Wien „Kunststoffe und freie Formen – ein Werkbuch“ ­heraus. Ebenfalls bei Springer Wien erschien 2008 „Stan­ ­dards der Zukunft – Wohnbau neu gedacht“. Diesem folg­ te 2011 im Jovis Verlag „Summer in the City – Frankfurt im Architektursommer Rhein Main 2011“. Schließlich ­veröffentlichte er als Autor 2017 die Monographie „Lan­ des-­­Metaphern bauen“ im Niggli Verlag.

Über den Autor ⁄ Register

Register

A Aalto, Alvar 46, 62, 141 Abs, Hermann Josef 24–26 Achleitner, Friedrich 111 Administratoren des Städelschen ­Kunstinstituts 24 Akademie der Künste, Berlin 91, 92 Albertinum, Dresden 153 Alexander, Christopher 144 Alfram Edler von Hoessle Architekten 162 Alte Nikolaikirche, Frankfurt am Main 56, 61, 137, 139 Alte Oper, Frankfurt am Main 8, 9, 22 Alte Pinakothek, München 9 Ammann, Jean-Christophe 19, 20 Ara Pacis Museum, Rom 46 Archäologisches Museum Frankfurt 17, 66–69, 70–75 Archigram 100, 131 Architectural Association School of ­Architecture (AA), London 12 Ardalan / Schlemminger 85 Arndt, Rudi 8 ARTE TEKTA 12, 102 Atheneum, New Harmony 48 Atomium, Brüssel 122 Auer, Fritz 94 B B&V Braun Canton Architekten 165 Bach, Johann Sebastian 144 Bacher, Gerd 111 Bächer, Max 17, 65, 130 Badeanstalt in Kassel am Weinberg 131 Balser, Frolinde 11 Bangert Jansen Scholz und Schultes, BJSS 17, 54–59, 63 Bangert, Dietrich 17, 60–65 Bangert, Karl Eduard 60 Bangert, Walther 60 Bangert, Wolfgang 60 Bartsch Thürwächter Weber 17 Baselitz, Georg 72, 73, 106, 152 Basilika Vierzehnheiligen, Bad Staffel­ stein 52, 53 Bauen für Frankfurt 1978–1984 22 Bauhaus-Archiv, Berlin 151 Beck, Herbert 26

Beethoven, Ludwig van 144 Behnisch & Partner 86–89 Behnisch, Behnisch & Partner 94 Behnisch, Günter 7, 21, 86, 90­–95, 130, 144 Behnisch, Stefan 7, 90–95 Belogolovsky, Vladimir 47 Belz, Walter 21 Berghof / Landes / Rang 29 Berkemeier, Charly 11 Bernusbau, Frankfurt am Main 27, 160 Beuys, Eva 20 Beuys, Joseph 20, 83, 113, 142 Bienenkorbhochhaus, Frankfurt am Main 101 Biermann, Alfons 10 Bischöfliches Ordinariat Rottenburg, Halle 145 Blake, Peter 110 Blattner, Marie-Louise 35 Blocher Partners Architekten 14, 162  Bock, Günter 12, 101–103, 131 Bode, Peter 85 Bofinger, Helge 14, 15, 162 Bonatz, Paul 70 Börneplatzkonflikt 23, 31, 161 Brandt, Willy 91, 140 Braun und Schlockermann 8, 29 Breuer, Marcel 46 Bronx Developmental Center, New York 48 Brück, Wolfram 17, 23 Brüllmann, Hans 70 Büchel, Christoph 63 Bundeskanzleramt, Berlin 114 Bundeskunsthalle, Bonn 112, 114 Bundespostmuseum, Frankfurt am Main 10, 20, 21 Burgard, Roland 22, 23, 40, 41 Bürgerhaus Sindlingen 101 Burnitzbau, Frankfurt am Main 27, 136, 158, 160 Bury, Claus 165 Büxel, Winifred 94 C Candilis-Josic-Woods 123 caricatura Museum Frankfurt 160

Centre Pompidou, Paris 9 Chiesa di Dio Padre Misericordioso, Rom 46 Chipperfield, David 164 Cizek, Professor 80 Cladders, Johannes 83, 84 Conrads, Ulrich 61 Cook, Sir Peter 12, 102, 131 Cooper Hewitt, Smithsonian Design ­Museum, New York 9, 47, 84 Costa, Lucio 144 Crompton, Dennis 100 Cruise, Tom 61 D Denkmalkonzept GmbH 158 Deutscher Bundestag, Bonn 93 Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main 7, 12–15, 18, 22, 27, 34–37, 38–41 Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main 12–15, 22, 41  Deutsches Filmmuseum & Filminstitut, Frankfurt am Main 27, 162 Deutsches Romantikmuseum, Frankfurt am Main 166 Deutschordenshaus, Frankfurt am Main 11, 161 Diezinger & Kramer Architekten 136, 160 Diezinger Architekten 160 dirschl.federle architekten 161 Döcker, Richard 71 Dom-Römerberg-Bereich, Frankfurt am Main 15–18, 60, 120, 123–125, 135, 136, 138 Dortmunder Architekturausstellung 10 Drawing Center, New York 9 Drechsler, Hanno 120 Drew, Jane 100 dreysse•architekten 158 Dudler, Max 101 E Eames, Charles 84 Eames, Ray 84 Ehrlich, Wilfried 17 Eiermann, Egon 141 Eisenman, Peter 47

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Elsässer, Martin 13 Empire State Building, New York 50 Erdfunkstelle Aflenz 112 Erhard, Ludwig 144 Erinnerungsstätte Großmarkthalle, Frankfurt am Main 31 Eugen von Savoyen 80 Europäische Zentralbank, Frankfurt am Main 7 Eyck, Aldo van 71, 121 F Fallingwater 90 Feigen Gallery 84 Feldmann, Peter 30 Fichtner, Diethelm 120 Fiegl, Leopold 111 Flora, Paul 111 Förg, Günther 20 Foster, Sir Norman 91, 132, 164 Frankfurter Architektursommer 1990 21 Frankfurter Börse 66 Fry, Maxwell 100 Fuchs, Ernst 140 Fuller, Richard Buckminster 85 G Gallwitz, Klaus 26 Gehlen, Erwin 22 Gehry, Frank 75, 164 Geldermann 13 Gerchow, Jan 29, 30 Gerhardt, Ernst 22 Getty Center, Los Angeles 47, 48, 49 Getty Museum, Los Angeles 23 Giedion, Sigfried 46 Giefer, Alois 17, 101, 160 Gisel, Ernst 140 Goethe, von, Johann Wolfgang 158 Goldene Waage 123–125, 158 Göpfert, Hermann 101 Graham, Gordon 132 Graves, Michael 47, 75 Grisebach, Lucius 152 Grigor, Murray 85 Gropius, Walter 141 Gruber + Kleine-Kraneburg Architekten 157 Guggenheim Abu Dhabi 164 Guggenheim Museum, New York 164 Guggenheim Museum, Salzburg 81 Günter, A. 162 Gutbrod, Rolf 91 Gwathmey, Charles 47

H Hartwig, Ina 30, 167 Hauff, Volker 18 Hauptwache, Frankfurt am Main 41 Haus am Dom, Frankfurt am Main 124, 157 Haus des Buches, Frankfurt am Main 104 Haus Klotz, Marburg 120 Haus Saalgasse, Frankfurt am Main 24, 123, 124 Haus Wertheym, Frankfurt am Main 136 Haverkampf, Hans-Erhard 9, 13, 15–17, 22, 23  Hebebrand, Werner 157 Heberer, Franz 24, 25, 126, 129 Hejduk, John 47, 150 Helberger, Georg 31 Hellwig, Hans-Jürgen 16 Helmut Riemann Architekten GmbH 158 Herron, Ron 100 Herzog & de Meuron 50 Herzog, Roman 26 Hess, Johann Friedrich Christian 30, 146 High Museum, Atlanta 49 Hilberseimer, Ludiwig 144 Hildebrandt, Johann Lucas von 80 Hilger, Ernst 22 Hippodamos von Milet 144 Hirschmann, Karlhans 100 Historisches Museum Frankfurt 7, 10, 27, 100, 136–139, 140–145, 160, 165 Hochbauamt der Stadt Frankfurt am Main 7, 12, 13, 24, 38, 40, 101, 164  Hochregallager Erco, Lüdenscheid 135 Hoesli, Bernhard 150 Hoessle Architekten, Edler von, Alfram 162 Hoffmann, Heinrich 158 Hoffmann, Hilmar 8, 12, 13, 16, 21, 22, 166 Hoffmann, Josef 50, 80, 114 Hollein, Hans 7, 9, 12, 13, 15, 19–21, 26, 34, 47, 50, 71, 75, 76, 78, 80–85, 102, 103, 110, 111, 140, 141, 152 Hollein, Max 26 Holzbauer, Wilhelm 111 Hölzinger, Johannes Peter 101 Holzmeister, Clemens 80, 110, 111 Hoven, von, Franz 10, 24, 25, 86, 126, 129 Humboldtforum, Berlin 166, 167 Hundertwasser, Friedensreich 82, 85, 140 I Iden, Peter 19, 34 Ikonen-Museum Frankfurt 161 Industriemuseum 23

Infobox, Potsdamer Platz, Berlin 133 Inholte, Ludger 22 Internationale Bauausstellung Berlin IBA 18, 22, 70, 71, 73–75, 111 Ironimus 25, 111, 114 Isozaki, Arata 71, 75, 85 Ito, Toyo 103 J Jacobs, Jane 50 Jansen, Bernd 62, 63 Jansen, Herrmann 60 Jeanneret, Pierre 100 Jencks, Charles 48, 52, 85, 120 John Deere-Hauptverwaltung, Moline 90 Johnson Wax-Verwaltungsgebäude, Racine 90 Johnson, Philip 46, 83 Jourdan & Müller PAS 26, 116–119, 120–125 Jourdan & Müller Steinhauser 157 Jourdan, Felix 116 Jourdan, Jochem 120–125 Jüdisches Museum, Frankfurt am Main 23, 27, 31, 146–149, 150–155, 166 K Kaegi, Anita 22 Kahn, Louis I. 46 Kaiserdom, Frankfurt am Main 56, 61, 78, 159 Kaiserpfalz franconofurd, Frankfurt am Main 159 Kammerer, Hans 21, 90, 92, 140 Kampffmeyer, Hans Martin 28, 91, 101 Kant-Dreieck, Berlin 74, 75 Kapitzki, Herbert W. 28 Karl der Große 159 Karmeliterkirche, Frankfurt am Main 67, 68, 72 Karmeliterkloster, Frankfurt am Main 18, 66, 72, 104 Katholische Universität Eichstätt, ­Zentralbibliothek 92, 95 Kayser, Daniel 161 Kiesow, Gottfried 16, 28 Kirchberg, Hans-Joachim 12, 13, 15, 22, 41, 101 Kita Eckenheim, Frankfurt am Main 103 Kleihues, Josef Paul 7, 12, 14, 15, 18, 20, 21, 66, 70–75, 102 Klingenmuseum und Stadtarchiv ­Solingen-Gräfrath 71, 72 Klotz, Heinrich 13–15, 17, 21, 23, 34, 38–41, 120, 121

Register

Knobloch, Bernd 26 Koch, Roland 26 Koch, Udo 124 Koenigs, Tom 23  Kohl, Helmut 22, 25, 30, 31, 114 Kollhoff, Hans 131 König, Kaspar 25 Koolhaas, Rem 75, 102 Köpf, Hans 140 Kopper, Hilmar 26 Korsch, Marija 26 Kostelac, von, Ante Josip 15, 31, 146, 155 Krahn, Johannes 24, 101, 116 Kreisky, Bruno 111, 114, 140 Krier, Leon 92, 102 Krier, Rob 92 Krollmann, Hans 16 Kühn Malvezzi Associates 165, 167 Kunstforum Ingelheim 104 Kunstgewerbesammlung / Stiftung Huelsmann, Bielefeld 104, 105 Kunsthalle, Bielefeld 83 Kunsthandwerksmuseum, Berlin 10 Kunstmuseum Ahrenshoop 152, 153 Kuranlage, Wilhelmsbad 104 L Lambart, Bruno 94 Landesgalerie Düsseldorf 72 Landeszentralbank Frankfurt am Main 120, 121 Lang, Ernst Maria 111 Langhoff, Christoph 131 Le Corbusier 44, 46, 48, 90, 100, 141 Lederbogen, Rolf 100 Lederer Ragnarsdóttir Oei 30, 100, 136–139, 140–145, 160 Lederer, Arno 7, 136–139, 140–145 Lessing, Gotthold Ephraim 142 Liebieg, von, Heinrich 10, 96 Liebieghaus – Museum alter Plastik, Frankfurt am Main 7, 10, 21, 96–99, 100–105 Lissitzky, El 65 Loos, Adolf 80, 92, 114, 140, 141 Ludwig, Leo 61, 62 Lüppertz, Markus 73 LWL – Museum für Kunst und Kultur, Münster 152 M Macron, Emmanuel 166 Majer, Stefan 30 Malraux, André 123 MAN transFORMS 47, 84 Mandelbrot, Benoît 94

Martinsson, Gunnar 100 Mauer, Otto 82 May, Ernst 13, 29, 47, 60, 122 Meier, Richard 15, 16, 21, 23, 42, 44, 46–53, 85, 132, 164–166 Meiler Vural & Partner /  Becker Grossmann Meiler 166 Mendelsohn, Erich 47 Merz, HG 64 Messe, Wien 113 Metzler, von, Barbara 26 Metzler, von, Friedrich 26 Metzler, von, Sylvia 26 Meurer Generalplaner GmbH 159 Mies van der Rohe, Ludwig 39, 46, 81 Millennium Tower, Wien 113 Moore, Charles 71, 120 Mozart, Wolfgang Amadeus 144 Müller, Emmerich 26 Mumm zu Schwarzenstein, Mette 17 Musée du Quai Branly, Paris 166, 167 Museum Abteiberg, Mönchengladbach 9, 19, 83 Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main 15, 27, 42–45, 167 Museum Blankenhorn 72 Museum für Kommunikation Frankfurt 20, 86–89, 90–95 Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt am Main 10–12, 15, 16, 22, 34, 42–45, 46–53, 96 Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main 12–14, 18–21, 23, 34, 76–79, 80–85, 103, 157, 168 Museum für Vor- und Frühgeschichte, Frankfurt am Main 11–13, 17, 23, 66, 72–74 Museum Georg Schäfer, Schweinfurt 153–155 Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt am Main 104, 163 Museum Information Kunst, Ludwigsburg 143 Museum Judengasse, Frankfurt am Main 23, 31, 161 Museum Ludwig, Köln 10 Museum of Modern Art, New York 50 Museumsrestaurant im Städel, Frankfurt am Main 116–119 Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Frankfurt am Main 21 Musikmuseum, Frankfurt am Main 11, 12, 13, 41 Mutschler, Karlfried 131 Myron 96

N Natalini, Adolfo 102 National Gallery of Art, Washington, D. C. 9 Nelson, George 84, 85 Neue Frankfurt, das 13 Neue Pinakothek, München 10 Neuendorf, Hans 22 Neues Museum, Nürnberg 152, 154 Neufert, Ernst 121 Neumann, Balthasar 53 New Museum, New York 9 Niemeyer, Oscar 144 Nordhoff, Hans-Bernhard 29 Nouvel, Jean 164 O Oberes Belvedere, Wien 80 Oberlin College, Ohio 112 Ohm, Anneliese 15, 16 Oliver, Paul 100 Olympiapark, München 91, 144 Ostertag, Roland 21 Otto, Frei 122 P Palais Stoclet, Brüssel 50 Palais Thurn und Taxis 10, 164 Palladio, Andrea 96 Pantheon, Rom 82 Paul, Bruno 111 Pei, I. M. 9 Peichl, Gustav 7, 24–26, 103, 106, 110–115, 126, 141, 150 Pfeil, Gereon 101 Philharmonie, Berlin 62 Phosphateliminationsanlage, Berlin 112, 113 Physical Education Building, State ­University of New York, Fredonia 48 Piano und Rogers 9 Portoghesi, Paolo 75 Postsparkasse, Wien 66 Price, Cedric 131 Protzmann, Hanskarl 23 Public Art Fund, New York 9 Purini, Franco 75 R Raab, Julius 111 Raffael 142 Ragnarsdóttir, Jórunn 30, 100, 136–139 Rahe, Jochen 103 Rainer, Roland 112 Ratgeb, Jörg 18 Rau, Johannes 26

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Rauch, John 71, 75 Rehazentrum, Meidling, Wien 112 Reichspostmuseum, Frankfurt am Main 20 Rententurm, Frankfurt am Main 138, 139, 160 Retti Kerzenladen, Kohlmarkt, Wien 85, 140 Richard Meier Model Museum, New ­Jersey 51 Rigi-Kapelle 140 Robie House, Chicago 90 Roche Dinkeloo 90 Romeis, Leonhard 10, 99 Romeo und Julia, Stuttgart 71 Römerberg, Frankfurt am Main 9, 17, 63, 64, 123 Romero, Rolf 123 Roos, Harry 101 Rossi, Aldo 71, 73, 99, 150 Rotermund, Günter 17 Rotes Haus, Frankfurt am Main 65 Roth, Petra 26, 29 Rothschild von, Mayer Carl 30 Rothschild, Hannah Louise 30 Rothschildpalais, Frankfurt am Main 32, 146, 148, 149 Rowe, Colin 150 Ruf, Sep 61, 144 Ruskin, John 46, 50 S Saalhof – Historisches Museum, Frank­ furt am Main 136, 138, 160 Saalhofkapelle, Frankfurt am Main 136 Saarinen, Eero 90 Sabatke, Manfred 94 Sackenheim, Friedrich Franz von 11 Salzwedel, Peter 42 Sammlung Nord-Westfalen, Düsseldorf 10 Scarpa, Carlo 121, 122 Schachl, Roland 140 Schaller, Günther 94, 95 Scharoun, Hans 61, 62, 71, 91 Schattner, Karljosef 103 Scheffler & Warschauer 21, 96–99 Scheffler Warschauer + Partner 163 Scheffler, Brigitte 100–105 Scheffler, Ernst Ulrich 100–105 Schenck, von, Kersten 26 Schindler, Rudolph 82 Schinkel, Karl Friedrich 144 Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main 9, 12, 17, 23, 54–59, 60–65, 135, 136, 159

Schmidt, Rolf 101 Schmitt, Friedrich 22 Schmitthenner, Paul 70, 94 Schnebli, Dolf 150 Schneider, Jan 30 schneider+schumacher 24, 27, 126–129, 130–135 Schneider, Till 7, 24, 27, 126–129, 130–135 Schobert, Walter 13 Schoeler, Andreas von 20, 23 Schregenberger, Thomas 101 Schule an der Krim, Wien 112 Schumacher, Michael 7, 24, 27, 126–129, 130–135  Schwarz, Edwin 28 Schweickart, Nikolaus 26 Scolari, Massimo 75 Scott-Brown, Denise 15, 75 Scott, Michael 100 Seligman, Werner 150 Semmelroth, Felix 26, 29 Siedler, Wolf Jobst 74 Slutzky, Robert 150 Smithsonian Institution´s National ­Museum of Design, New York 84 Smith, Thomas Gordon 75 SOM 46 Sommer, Oskar 10, 24, 126 Sottsass, Ettore 85 Speer, Albert 60 Speer, Albert ( junior) 16 Speer-Plan Gmbh 16, 23 Sperlich, Hans-Günther 61 Sprengelmuseum, Hannover 10, 72, 73 Speyer, Joseph Isaak 30 Staab Architekten 146–149, 150–155 Staab, Volker 7, 33, 146–149, 150–155 Staatsgalerie, Stuttgart 9, 90, 91, 92 St.-Anna-Kapelle, Frankfurt am Main 66, 68 Stadthaus am Markt, Frankfurt am Main 54, 59, 159 Stadttheater, Aschaffenburg 104 Städel, Johann Friedrich 24, 106 Städel Museum, Frankfurt am Main 18, 24, 103, 106–109, 110–115, 116–119, 120–125, 126–129, 130–135  Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main 7, 10, 27, 106–109, 126–129, 169 Städelschule, Frankfurt am Main 12, 24, 106–109 Städtische Galerie im Liebieghaus, ­Frankfurt am Main 20 Städtische Galerie im Städel Museum, Frankfurt am Main 21, 27, 106–109

Städelscher Museumsverein 27 Städelkomitee 27  Stam, Mart 60 Standke, Gunter 15 Stauffenberg, Claus Schenk Graf von 61 Steinberg, Saul 111 Stern, Robert A. 75 Stirling, James 9, 21, 71, 90–92, 120 Stoltze, Friedrich 158 Stoltze-Museum 158 Struwwelpeter-Museum 158 Studio-in-a-School, New York 9 Stüler, Friedrich August 66, 72 Szeemann, Harald 20 T Taut, Bruno 47 Taylor, Lisa 84 Teatro del Mondo, Architekturbiennale Venedig 99 Technisches Rathaus, Frankfurt am Main 17, 54, 63, 64, 135 The Arch, St. Louis 90 Thermes, Lauro 75 Tower MMK, Frankfurt am Main 20, 157, 168 Tränkner, Erhard 94 Trauerhalle Westhausen 101 Turner, William 142 U Uffizien, Florenz 83 Uhl, Ottokar 82 Ungers, Oswald Mathias 7, 12–15, 21, 34, 35, 38–41, 47, 61, 62, 71, 73, 75, 85, 102, 110, 120, 161 Unité d´Habitation, Marseille 46 Universität für Angewandte Kunst Wien 7 V Vasari, Giorgio 59 Verkehrsbüro, Wien 13 Verwaltungsgebäude J. Walter ­Thompson, Frankfurt am Main 135 Verwaltungsgebäude KPMG, Leipzig 134 Villa Andreae, Frankfurt am Main 10 Villa Savoye, Poissy 44 Viollet-Le-Duc, Eugène 66 Voigt, Fred 22 Vulcania Museum 81 Villa de Neufville, Frankfurt am Main 10, 86 Villa Metzler, Frankfurt am Main 10, 15, 42

Register

Völkerkundemuseum, Frankfurt am Main 10–12, 15, 23, 165, 166 Venturi, Robert 15, 50, 71, 75, 96, 112 W Wagner, Otto 66, 80 Wallraf-Richartz-Museum, Köln 10 Warschauer, Thomas 100–105 Weber, Carlo 94 Weizsäcker, Richard von 16 Welsch, Maximilian von 161 Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main 162, 164–169 West Bund Art Museum, Shanghai 164 Whitney Museum of American Art, New York 50 Wilhelm, Günter 70 Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg 83 Willis Faber and Dumas Verwaltungs­ gebäude, Ipswich 132 WPV Werner Pfaff 165 Wurm, Richard Saul 84 Wright, Frank Lloyd 46, 90, 121 Wallmann, Walter 9, 16, 17, 22, 120 Z Zaugg, Rémy 152 ZERO 12 Zimmermann, Frank 29 Zollamt MMK, Frankfurt am Main 20, 157

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Bildnachweis

S. 8–10, 11, 16, 22 oben, 24, 25 Mitte, 31, 32, 38 unten, 39 links, 62 links, 107 oben, 124 oben © Archiv Institut für Stadtgeschichte S. 14 oben, 15, 18, 21, 41 © Archiv Burgard S. 14 Mitte, 34, 36 unten © DAM S. 35, 36 oben, 37 © DAM, Foto: Tomas Riehle S. 43 © DAM, Foto: Uwe Dettmar: S. 17, 19 oben rechts, 22 unten, 23, 40 unten, 164 © Hoch­bauamt S. 18 Mitte rechts © MMK, Foto: Schneider S. 20 Mitte, 87 unten, 88 rechts, 90 un­ ten, 91 oben, 93 oben © Archiv Beh­ nisch & Partner S. 87 oben, 88, 89, 90 links, 91 unten, 92, 93 Mitte, 95 © Archiv Behnisch, Foto: Christian Kandzia S. 90 rechts © Behnisch Architekten, Foto: S. Christoph Soeder S. 20 unten, 86 © Presse Museum für Kommunikation Frankfurt S. 25 oben und unten, 127 oben, © Presse Städel Museum S. 26 © Fotografin Gaby Gerster S. 28 oben, 30, 160 © HMF S. 136, 137 oben, 138 unten, 139 oben rechts © HMF, Foto: Roland Halbe S. 28 unten, 29, 43 oben, 44 oben, 61 links, 97, 98 oben, 99 unten, 119 unten © Bildarchiv Foto Marburg S. 38 oben links, © Archiv Ungers, Foto: Etienne van Sloun S. 39 rechts © Archiv Ungers S. 40 © Archiv Gertrud Klotz S. 42, 44 unten, 46 unten, 47–52, 165 Mitte links, 166 ­Mitte © Archiv Richard Meier S. 45 © Presse MAK, Foto: Anja Jahn S. 46, 155 © Fotograf Ivan Nemec S. 53 Reinhold Möller, commons.wikime­ dia.org S. 54 oben, 55, 58 oben, 59, 62 oben rechts, 65 © Presse Schirn S. 57 oben, 63 unten © Presse Schirn, Foto: Norbert Miguletz

S. 63 oben © Presse Schirn, Foto: Frank Rumpenhorn S. 54 unten, 56, 57 unten rechts, 58 ­unten, 60, 61 © Archiv Bangert S. 66, 68 unten, 69 oben links, unten rechts, 70–73 © Archiv Kleihues S. 67 © Archäologisches Museum S. 68 oben, 69 oben, unten rechts, 74 © Archiv Kleihues + Kleihues, Foto: ­Helène Binet S. 76, 78 unten, 79 unten, 80–85 © Archiv Hollein S. 77, 78 oben, 79 oben, 157 © MMK, Foto: Schneider S. 96, 97 unten, 98 oben, 99 oben, 101–105 © Archiv Institut für Stadtge­ schichte, Scheffler & Warschauer S. 100 © Fotograf Uli Exner S. 106 oben, 107 unten, 110, 111 © Archiv Ironimus S. 112, 115 unten © ORF S. 113 © Fotograf Christoph Rau S. 115 oben © Fotograf Bruno Klomfar S. 116, 117, 118 oben, 121, 122 © Archiv Jourdan & Müller Steinhauser S. 120 unten, 121 © Jourdan & Müller GbR S. 120 oben, 123, 124 oben rechts, 125 © Archiv Jourdan & Müller Stein­ hauser, Foto: Horst Krassa S. 124 unten © Archiv Jourdan & Müller Steinhauser, Foto: Benjamin Jourdan S. 126 oben, 128 oben, 129, 134 © Foto­ grafin Kirsten Bucher S. 126 unten, 127 unten, 128 Mitte und unten, 131, 132, 133 unten © schneider + schumacher S. 130 © schneider + schumacher, Foto: Kirsten Bucher S. 133 oben, 135 © Fotograf Jörg Hempel S. 136, 137 oben, 138 unten, 139 oben rechts © Historisches Museum ­Frankfurt, Foto: Roland Halbe S. 137 unten, 138 oben, 139 oben links, 139 unten © Archiv LRO S. 140 © Archiv LRO, Foto: Boris Miklautsch S. 141–143, 145 © Arno Lederer

S. 146, 147 unten, 148, 151 © Archiv Staab Architekten S. 147 oben, 149, 152 unten, 153 unten © Fotograf Marcus Ebener S. 150 © Staab Architekten, Foto: ­Zuzanna Kałużna S. 152 oben, 153 oben © Fotograf Stefan Müller S. 154 © Fotografin Margherita Spiluttini S. 158 links © Struwwelpeter Museum, Foto: Walter Kutz S. 158 rechts oben © Point Architekten Darmstadt S. 158 rechts unten © Stoltze-Museum, Foto: Uwe Dettmar S. 159 © Archäologisches Museum Frankfurt, Foto: Uwe Dettmar S. 160 rechts © Caricatura Museum Frankfurt, Foto: Britta Franz S. 161 links © Museum Judengasse, Foto: Norbert Miguletz S. 161 rechts © Ikonen-Museum ­Frankfurt S. 162 links, 168, 169 © Presse Weltkultu­ ren Museum, Foto: ­Wolfgang Günzel S. 162 rechts © Presse DFF, Foto: Uwe Dettmar S. 163 © Presse Museum Giersch S. 165 Mitte rechts © Claus Bury S. 165 unten links © WPV Werner Pfaff S. 165 unten rechts © B&V Braun Canton Architekten S. 166 oben © Meiler, Vural & Partner/ Becker Grossmann Meiler S. 167 © Kühn Malvezzi Associates S. 176 © Archiv Weltkulturen Museum Der Autor hat sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Herkunft aller Abbildungen zu recherchieren. Falls es ­unabsichtlich dabei zu Fehlern oder Aus­ lassungen gekommen sein sollte, bitten wir um Nachricht. Die Fehler werden in der nächsten Auflage der Publikation kor­ rigiert.