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German Pages 642 Year 1828
Das Leben
Friedrich
des
Einzigen.
C. Bon
Schmi
Georg Friedrich Kolb.
UNIVERSITY of CALIFORNIA
Mas ündigeret verkündiget , badarf des Verk micht: Es ist von ihm , gleich den Körpern der Hümmelskab , nachgewiedie fen : hier bewegte sich eine Sonne ; Ruckehr ist nicht zu berechnen . Schorch.
Speyer ,
18 28.
In der I. E. Kolb'schen Buchhandlung.
109014
dt
Der Neid führt stets Label auf, zum Glück für den Getadelten. Die Ohnmacht bewaffnet sich , der Stärke gegenüber , mit Waffen der Lästerung . Aber widerlegte Låsterung ist der größte Triumph der Tugend. ...Cs ist so, und die Geschichte beglaubigt es : große Menschen werden nicht gerne gefuldet. Die Gewohnheit will ihre Ruhe haben , und die größte Armuth hat für die Zukunft die kleinsten Sorgen. Sie mag gar nicht erschüttert und bewegt werden, weil sie sich arm gefällt. Schorch.
COLOMA CO
M. R.
Chu t 6 .192que
DD 404 K8Bl 41-4
Blid auf die Wirkungen der Regierung Friedrich des Einzigen , besonders hinsichtlich der Auff'ärung und der Ausbildung seines Jahrhunderts. (Als Vorrede.)
Unter Finsterniß und Graus begann das Daß das Mittel achtzehnte Jahrhundert. jenes Paradies des Despotismus alter und seiner Folgen , der Unwissenheit , des Wahnes und der Beschränktheit in Bernunft und Denken -- vorüber sey , war in mancher Beziehung kaum zu bemerken. Drückend lastete die Nacht des religiösen und politischen Abers glaubens aufdem ganzen Continente Europa's. Man sah Gespenster , verbrannte Heren , und, um in einem anderen Lebeu die Hölle zu vers meiden , schuf man sich dieselbe in diesem. Frankreich zwar hatte manchen glänzenden Namen aufzuweisen ; aber noch waren Künste und Wissenschaften blos im Besize von Einzelnen , nicht Gemeingut der unterdrückten
น
IV Nation. Zudem wurden jene Männer höchstens geduldet; Voltaire, St. Cremond , die beiden Rousseau, Marmontel , Morellet und Diderot wurden sämmtlich , einige sogar verschiedene Mal , in die Bastille oder nach Vincennes geschleppt, Bayle entging ohne Zweifel nur durch die Entfernung aus seinem Vaterlande einem ähnlichen Schicksal, und wie die Juſtiz noch in späterer Zeit hier verwaltet wurde, beweist das abscheuliche, empörende Verfah ren gegen Calas , der , ein acht und sechszigjähriger Greis , unschuldig , als angeblicher Mörder seines Sohnes , gerådert ward! Die Teutschen , ein Repertorium euro. päischer Kenntnisse , aber der Freyheit zu dens fen beraubt , und daher ungeübt in eigenem Urtheile , begannen bald , ein Nachbild der Fremden zu werden. Bis zu einer allgemei nen Verachtung beynah' war in Teutschland die Gelehrsamkeit herabgesunken. Die Univers sitäten hatten die alte Mönchverfassung , und für Erziehung und Unterricht geschah überaus wenig, und dies Wenige fast immer planlos, daher ohne Erfolg . In den lateiniſchen Schus len hielt man es für die höchste Vollkommens heit , wenn die Auffäße der Zöglinge ohne' grammatikalischen Fehler geliefert wurden ; auf schöne Ideen aber , auf Feinheit und Nets tigkeit des Ausdrucks und der Schreibart, ward keine Rücksicht genommen, wodurch ein Mönchs latein entstand, und woher es kam , daß man ein Gelehrter heißen , und in allen jenen
V Kenntnissen höchst unwissend seyn konnte, welche dem Menschen und dem Staatsbürger nach seinen mannigfaltigen Verhältnissen fast Anstalten zur Bildung unentbehrlich sind. von Künstlern , Geschäftleuten und allen Anderen , welche nicht zu Gelehrten bestimmt waren , fehlte es gänzlich. " Die Gelehrten , " sagt Gebhard *) , ,,lebten von den übrigen Ständen abgeson dert, und da sie beynah' blos in der lateinischen (Mönch ) Sprache schrieben , so blieben ihre Entdeckungen und Einsichten größtentheils den Nichtgelehrten verborgen. Es fehlte noch sehr an populären Schriftstellern und Jour nalen in teutscher Sprache , welche die Erfindungen und Ideen der Gelehrten und der Künstler in einer leichten, angenehmen Schreibart verbreiten halfen. Die Gelehrsamkeit selbst artete oft in oberflächliche Vielwisserey, in leere und -unnüße Spekulationen , oder in Schulgezänke und bittere Streitigkeiten aus, wodurch sich die Universitätlehrer, Schullehrer und Prediger der verschiedenen Religionpars tehen besonders auszeichneten. Der Philosoph dürfte es nicht wagen , theologische Lehrsäge zu bestreiten , sondern mußte seine Philosophie der Theologie anzupassen suchen ; der Philologe *) ,,Ueber den Einfluß Friedrich des Zweyten auf die Aufklärung und Ausbildung feines Jahrhuns derts. Eine gekrönte Preisschrift von Johann Georg Gebhard." -
VI durfte nicht eine Beweisstelle der Schrift anders erklären, als sie in der Theologie erklärt worden war ; selbst der Geschichtschreiber mußte auf das kirchliche , System Rücksicht nehmen. Die Schriften eines Bayle , Vol. taire , und größtentheils auch die eines Leibnih, waren , so wie die Dichter und Redner aus dem Zeitalter Ludwig des XIV. , in frans zösischer Sprache geschrieben , und da dieselbe damals blos an den Höfen und von den Gross sen gesprochen und verstanden wurde , so blieben sie von dem größten Theile der Gelehrten und Nichtgelehrten , wie beynah' alle englis schen Schriften, ungelesen." Thomasius, jener Verehrungwürdige , der so Vieles zur Abschaffung der Herenprozesse , der Folter und anderer schädlicher und schändlicher Mißbräuche that , war der erste teutsche UniversitätGelehrte , welcher seine Muttersprache beh dem gelehrten Vortrag anwendete *) . Aber so Viele standen wider ihn auf, daß er sein Vaterland verlassen mußte , indem seine Feinde schon einen Verhaftbefehl gegen ihn zu Dress den ausgewirkt hatten. - Wolf, jener große Philosophy, mußte sogar,,,bey Strafe des Stranges", seinen Aufenthaltort (Halle) innerhalb 24 Stunden verlassen ; und dies, weil er zu denken gewagt **) ! *) 3um großen Erstaunen seiner Collegen schrieb er 1688 ein teutsches Programm. **) Man s. das gegenwärt. Bändchen, S. 108 u, 109,
VII Die Gesetzgebung und Rechtspflege , sonst eine starke_Triebfeder der Volkbildung , war in einem sehr elenden Zustande. Der Rechts gang, mit so vielen unnüßen Formalitäten überhäuft , war so schwerfällig und langsam, daß ein Rechtstreit oft Jahre lang, und wenn die Sache wichtig und verwickelt war , wol gar ein halbes Jahrhundert danerte , und sich oft damit endigte , daß beide streitende Par Die teyen dadurch arm geworden waren . Gesetze, zum Theil noch die alten römischen oder die alten teutschen , waren auf den ges genwärtigen Zustand der Dinge oft kaum ans wendbar , oder schränkten doch die natürliche Freyheit des Menschen zu sehr ein. Aberglaube, Schwärmerey und Intoleranz , welchen eine zweckmäßige Gesetzgebung entgegen arbeiten muß , würden oft sogar durch die Landesgesehe unterstüßt. Die Großen, der Adel, und, « besonders in katholischen Ländern , auch die Geistlichen , wußten mehr als ein Mittel, sich den Gesezen zu entziehen, oder auch den Rechts gang zu ihrem Vortheil zu leiten, zur Beein trächtigung des Bürgers und des Bauers. Da die Geseze sich bisweilen auf theologische Meis nungen gründeten , z . B. die wider die Gotteslästerung , den Kirchenraub , oder das die Kirchenbuße betreffend ; oder auch auf politische Meinungen , z. B. das wider den Hochverrath in der weiten Ausdehnung , die man ihm damals gab ; oder zum Theil auf Volks vorurtheile , z. B. Chebruch , so waren sie oft
VIII viel zu hart, und also ungerecht. Ueberhaupt aber waren die Strafen eines jeden Verbre chens eher grausam , als mild. Bey einer folchen Beschaffenheit der Gesezgebung mußte das moralische Gefühl des Volks , welches dadurch hätte berichtigt werden føllen , viels mehr verstimmt und mißgeleitet werden. In der protestantischen Kirche wurde, wie in der katholischen, streng auf die alte Lehrform und die festgesezten Lehrmeinungen ges halten, und ein Jeder für einen Kezer erklärt, verfolgt, und , wenn es ein Lehrer war , seis · nes Amtes entseßt , welcher nur im Geringsten davon abwich . Was die Bullen der Päpste und die Concilienschlüsse den Katholiken waren, das waren die Lehrsäße Luther's und Calvin's, die augsburg'sche Confession und die Concors dienformel 2c. den Protestanten , Glaubenvors ſchriften für die Layen und Lehrvorschriften für die Lehrer. Der Glaube wurde von den meisten Theologen jener Zeiten für deſto ſeligmachender gehalten , je blinder er war. Und weil die Vernunft in Glaubensachen , nach dem allgemeinen Urtheil, durchaus nicht ges braucht werden sollte , so råchte sie sich nun auch an ihren Verächtern auf die auffallendste Art durch die sonderbarsten und unbegreiflichsten Lehrmeinungen , welche für Gotteswort und für Christenthum ausgegeben und Jeders mann aufgedrungen wurden *).-
*) Gebhard a. a. D.
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Die Bücher- Censur wachte mit großer Strenge über die alten Meinungen und Lehrs formen , steuerte allen Neuerungen , und strich selbst in philosophischen und wissenschaftlichen Schriften einen jeden Gedanken weg , der ets was abwich. Es gab keinen Hof, wenigstens in Teutsch, land , der nicht voll Hofnarren war ; die Plumpheit ihrer Spässe ergößte die Unwissen, heit der Gäste, und man hörte Aberwih an, weil man selbst nichts Vernünftiges zu sagen wußte *). -Zermalmender, als damals, bedrückten zudem wol uie Despoten im Norden und Süden Europa's gleichzeitig die Menschheit. In Rußland Peter der I. , der erlauchte Barbar, ,,dessen Genius mit Ungestùm Großes und Ungeheueres ohne Auswahl umſchlang , dem zu Erreichung seines Zwecks kein Mittel zu unmo, raliſch, zu niedrig oder zu schrecklich war **)“ , der, das russische Volk aus seiner Wildheit zu reißen, die roheste Art anwendete , und der es endlich, mit einem Worte, durch Barneben ihm barey civilisiren wollte ; in Schweden , Karl der XII , welcher, durch die Schändlichkeit der benachbarten Fürsten anfangs zum Kriege gezwungen , nunmehr, begünstigt durch seinen , nur allzuoft in Tolls * Friedrich der Einzige , in seinen sämmtlichen Werten. **) Posselt.
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tühnheit ausartenden , Muth , sein militari sches Genie , und das wandelbare Glùc, auf einer verzweifelten Bahn , jener des Eroberers, fortzog , welcher keinen andern Zweck mehr kannte, als die Vernichtung seiner Feinde, und welcher die Menschheit eben so wenig achtete, als sein eigenes Leben ; -— im Süden Ludmig der XIV. , zwar weniger roh , als die beiden Herrscher des Nordens , aber dessen un geachtet ein noch weit verabscheuung würdiger Tyrann , als sie , der, feig von Natur, durch seine Kriege ein ganzes Geschlechtalter ver tilgte *), und dessen Verschwendung keine Grånzen kannte, wärend ein Theil der Nation vor Hunger umfam. Diese drey Völkerdränger thaten Alles, was den Menschengeist in seinem Ausflug hems men mußte ; durch sie flammte hier der vierzehn . jährige spanische Erbfolgekrieg , dort der zwey und zwanzigjährige nordische auf. Sie glaube ten, oder handelten doch so, als wäre die Erde durchaus zu keiner andern Absicht da , als der Tummelplaß ihrer Mordlust und Ruhmsucht zu seyn. Es war, buchstäblich genommen, ein eisernes Zeitalter ." (Posselt. ) *) Als Ludwig der XIV. starb, waren Männer von 35 bis 45 Jahren selten ; die Kriege hatten die Blüthe der franzöſiſchen Jugend aufgezehrt ! ( Man sebe meine ,,Kleine Schriften , politischen und ge. schichtlichen Inhalts“ (Speyer, 1826), S. 205 bis 217, worin die angebliche Größe dieses Königs in ihrer Bidse und Abscheulichkeit dargestellt wird.)
XI Blicken wir weiter umber unter den Res genten der damaligen Zeit , so sehen wir auf dem teutschen Kaiserthrone den höchst mittek mäßigen Karl den VI. , in Spanien den wahn sinnigen Philipp den V. , in Dänemark den frömmelnden Christian den V. , in Polen den wollustigen , verschwenderischen August den II., und in Preußen selbst , wenn es je hier in Betracht kommen kann , den prunkliebenden Friedrich den I. ―― Von diesen Fürsten herab, die über das Loos von Millionen entschieden, bis zu dem kleinsten Edelmanne, der in einem elenden Dörfchen gebot, vergeudeten Alle, mit wenigen Ausnahmen , ohne Bedenken Leben, Blut und habe ihrer Völker. Keine Gerech tigkeit gab es für diese Unterdrückten , keine Gerichtstelle , die ihre Klagen gehört , keine Macht, die ihrem unterdrückten Recht Achtung zu verschaffen vermocht hätte ; überall beynab mußte den Vorurtheilen die Vernunft , citeln Erinnerungen die Wahrheit , und Privilegien das Recht weichen. Über das Geschick der Nationen geboten hier die veränderlichen Lau nen von Günſtlingen, und die schreckliche Willfür von Mönchen und Beichtvåtern , dort der furchtbare Eigensinn der Höflinge und die schändliche Rachegier feiler Buhlerinnen. Nicht zufrieden, die Völker aller Früchte ihres Fleißes beraubt zu haben, nöthigte man sie sogar, ihr Blut zu vergießen , ferne von dem heimathlichen Boden, für fremdes Interesse , bald um elende Günstlinge in ihrer Macht zu erhalten,
XII bald um die Cassen schändlicher Menschen zu füllen , die durch Liederlichkeit jeder Art ges leert worden waren *) . In dieser Lage, und unter solchen Vers hältnissen , verflossen die vier ersten Decennien des achtzehnten Jahrhunderts , und wahrlich, wenig genug war von den sechs noch kommenden zu erwarten. Langsam ohnehin verbreitet sich das wohlthätige, edle Licht der Aufklärung, und so schien denn freylich im glücklichsten Falle nicht mehr erwartet werden zu dürfen, als daß der Rest dieses Jahrhunderts dem neunzehnten allenfalls vorarbeiten , und die Menschheit eine höhere Stufe , als die dama lige, zu besteigen fähig machen könne. Doch bald schlug ein Mann die Zweifel der Zagen den nieder , und in kurzer Zeit wurden selbst die fühnsten Erwartungen der für das Besser. werden Eifernden weit übertroffen. Ein Jüngling , schwer geneckt von dem
*) Man erinnere fich, wie durch des elenden Minio sters ouvois Kunst ein furchtbarer Krieg über Frankreich gebracht ward, weil er, wegen der unpassenden Anlegung eines Fensters in einem neuen Gebäude von seinem Könige (Ludwig dem XIV.) rauh angeredet , nur dann in seiner Macht sicher seyn zu können glaubte, wenn er dem Monarchen eine Beschäftigung gåbe, durch Krieg ; - man er innere sich ferner , wie Fürsten ihr Militår nach fernen Gegenden und Erdtheilen verkauften , um auf diese Art wieder Mittel zu neuen Verschwens dungen zu erlangen !
XIII Schicksale, und ist stiller Einsamkeit unter den Denkmalen des Alterthums aufgewachsen, hatte den, als höchst unbedeutend geachteten, preussischen Thron bestiegen. Bey weitem minder groß durch die ihm von dem Zufalle der Ges burt zu Theil gewordene Würde , als durch das mit eigener Kraft in sich zur Ausbildung gebrachte Genie , wußte Friedrich der II., unter Despotismus , Pedanterey und Aber glauben erzogen , sich gerade zu den diesen Fehlern entgegengesetzten Lugenden zu wens den. - Hierdurch, und durch das , zu was ihn eine solche Selbstbildung fähig machte, und was er gleich groß in der Ausführung, wie im Entwurfe auf seinem Thron und an der Spiße seines Heeres vollführte , war er ohne Vergleich der Erste seines Zeitalters, ja der Einzige. Durch angeborene Geistess kraft bey all' jenem begünstigt durch eine Geisteskraft, die außer dem Römer Julius Casar kein Sterblicher , von dem die Ges schichte bis dahin erzählt , in gleichem Grade - übertraf Friedrich in Kurzem ohne besaß Vergleich alle seine, aus dem kräftigen Alters thume gewählten, Muster. ,,Hier steht ein Held vor uns, der zugleich das Wort und die That verwaltet hat , und dessen Erscheinen sich dadurch wesentlich von dem der anderen Hel den unterscheidet. Andere Heroen der Welts geschichte vollführten die That des Weltgeistes, so sehr in ihn versenkt , daß er ihnen nicht Zweck und gewußter Gegenstand wurde , sie 0 Friedrich d. Einz, I.
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handelten nur in der allgemeinen Gewißheit, das Wahrhafte auszuführen. Friedrich aber hat vor den andern großen Völkerfürsten dies voraus , daß er mit höherem Bewußtseyn im Dienste des Weltgeistes schafft , er macht das Wesen und die unsichtbaren Gewalten dieser Schöpfung , die Gedanken , zum Gegenstande seines Nachdenkens , er war der Philosoph So Förster, und wol auf dem Throne." schwerlich könnte in dieser Beziehung selbst Napoleon mit dem großen , dem einzigen Friedrich auch nur entfernt in Vergleich kommen. (Wir behalten uns vor, in dem letz ten Bändchen der gegenwärtigen Schrift, zeigend , was er in dieser Beziehung war , ihn als Philosoph zu schilderu und darzustellen.) Einzeln aufzuzahlen, was Friedrich zur Aufklärung und zur Ausbildung seines Jahre hunderts gethan, würde bey Weitem den ges genwärtigen Raum überschreiten , und wir müssen uns daher darauf beschränken, auf die Wirkungen hinzuweisen , die Er veranlaßt, welche Darstellung dann , verglichen mit der oben gegebenen Schilderung des geistigen Zus standes der Nationen in der ersten Hälfte seis nes Jahrhunderts , den sprechendsten Beweis dessen geben wird, was die Civiliſation ihm verdankt. Sein Einfluß auf die Menschheit , allge mein und unübersehbar , glich dem des uners meßlichen Glanzkörpers , welcher der Erde Licht, Wärme und Leben gibt. - Doch lassen
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wir Gebhard sprechen. ,,Er wirkte durch alle Stände und Klassen auf alle Stände und Klaſſen der Menschen , durch alle Triebfedera und Hilfmittel der Aufklärung und Geistes bildung auf alle Triebfedern und Hilfmittel; nur mußte auch hier das Land , welches der " Sonne näher lag , mehr ihr Licht und ihre Wärme empfinden . ,,Die Landesregenten, Staatsmänner und Großen fingen nach dem Jahre 1740 an , so manche schädlichen Vorurtheile abzulegen und einſichtvoller zu werden . So klein ihre Zahl auch zuerst war , so ward sie doch nach und nach größer. Die Staatwirthschaft ward mehr nach Grundsägen verwaltet, und zu einer Art von Wissenschaft erhoben. Man ward weit vorsichtiger in den Masregeln , welche man zur Beförderung des allgemeinen Wohls, das nun mit dem Wohle des Regenten eins ward, ergriff, um nicht den so wohlthätigen Staat Mechanismus zu stören , und zwar einen ges ringeren Vortheil im Einzelnen , aber einen desto größeren Nachtheil im Ganzen zu stiften. Man ließ das Råderwerk der Staatmaschine mehr seinen gewöhnten Gang gehen, und sorgte nur dafür , daß es leichter und sicherer ging. Ein großer Theil der Landesfürsten ahnete erst dunkel, und überzeugte sich hernach klarer, -daß Denk und Gewissenfreyheit das unverleßbare Eigenthum eines jeden Menschen sey, daß dem Staate dadurch nicht geſchadet , sondern vielmehr sein Wohlstand dadurch blühender , das
XVI Scepter des Regenten allgemein verehrter und mächtiger, und der Thron sicherer werde. Man gab also die verderblichen Grundsäge der Ins toleranz und des Verfolgunggeistes gegen Ans dersdenkende, und von den Lehrsäßen der Landesreligion Abweichende , nach und nach auf, und glaubte am besten zu thun, das, was ein Jeder dachte und glaubte , auf seine Gefahr seinem Gewissen und seiner Verantwortung zut überlassen. Daß Concilien- und Synodens schlüsse , Concordienformeln u. s. w. dadurch ihre Kraft verlieren mußten, ist für sich klar. Man ging aber noch weiter , man ward hier und dort ſogar tolerant gegen alle Arten von Meinungen und Äußerungen (die politischen ausgenommen) in gelehrten und populären Schriften, so auffallend sie auch waren . Das hatte nun zwar die Folge, daß auch die thōrigsten und abgeschmacktesten Behauptungen aus ihrer Verborgenheit hervortraten , welche bisher das Tageslicht gescheuet , und gerade wegen des geheimnißvollen Dunkels , worin' man sie zu hüllen zum Theil gezwungen war, eine große Anzahl Verehrer gefunden hatten. Aber es hatte auch den großen Nußen , daß nun die gewagten Meinungen strenger unters sucht, gehörig in's Licht gestellt und richtiger beurtheilt wurden. ,,Diese rühmliche Toleranz war zwar vorzüglich das Eigenthum protestantischer Fürsten, aber nach und nach verbreitete sich doch auch ein schwacher Schimmer davon über die katholischen.
XVII Der Verfolgungsgeist und der Fanatismus , welcher sonst gegen die Keßer (wie man alle in der Religion auch nur im mindesten Andersdenkende nannte) so grausam gewüthet, und Tausende aus ihrem Vaterlande vertrieben , oder ihnen die Freyheit , oder das Leben, geraubt hatte , ward etwas fålter ; das Bluts gerüste, der Scheiterhaufen und der lebensTangen Einkerkerungen unglücklicher Menschen, welche oft mit aller Mühe, die sie sich gaben, doch nicht glauben konnten , was die Kirche glaubt, wurden weniger. Der Jesuitenorden, diese Leibwache der päpstlichen Hierarchie, diese Stüße des Aberglaubens, dieser Zerstörer der edelsten moralischen Grundsäße, dieser beynah' Alleinherrscher über die Gewissen der katholis -schen Fürsten — ward endlich aufgehoben. Und wenn er gleich heimlich noch fortdauerte, so hatte er doch einen großen Theil seiner Macht und seines Wirkungkreises verloren , oder er war schlau genug , sich der herrschend gewors denen Denkart des Zeitalters anzuschmiegen. ,,Die Büchercensur war bisher streng und drückend für den Schriftsteller gewesen ; die Wahrheit war also oft verborgen , und der Aberglaube und das schädliche Vorurtheil herrschend geblieben. Sie ward nun hier und dort , besonders in proteſtantiſchen Ländern, milder und schonender, und verstattete mehr Freyheit im Denken und Schreiben. Mehre Landesregenten und Großen verachteten nicht mehr, wie zuvor, den Bürger und den Bauer,
XVIII weil sie den Werth , besonders des leßteren, besserschäßen gelernt hatten. Sie erleichterten ihm also manche Last , von den vielen , die ihn drückten , und der Adel folgte bisweilen rühmlich ihrem Beyspiele nach . Das Militär, das den Staat beschüßen, aber keinen drücken, die öffentliche Ruhe und Sicherheit erhalten, aber nicht selbst stören soll, ward in seine GrenDie mancherley Stånde zen zurückgewiesen. und Klassen der Menschen kamen dadurch gewissermaßen einander näher , und es entstand ein Tausch von Kenntnissen , Einsichten und Gefühlen , der überaus nüßlich war. Adels, Bürger , Bauer- und Soldatenstolz , Verachtung und Bedrückung auf der einen, und Unzus friedenheit, Neid und Schmähſucht auf der andern Seite, regten sich weniger , obgleich die lesteren am Ende dieses Jahrhunderts wieder neue Nahrung bekamen . n Eben darum hat nun auch Friedrich der Il. so viel gewirkt. Er hat zwar alles zuvor Erwähnte nicht allein zu Stande gebracht ; er war aber doch die Haupttriebfeder von dem allen. Wer einen prächtigen Tempel bauen will, hat nicht nöthig, eine jede Taglöhnerarbeit selbst zu verrichten. Er darf nur mit Verstand und Geschmack den Grundriß entwerfen , geschickte Arbeiter anstellen , oft nachsehen, wie weit der . Bau ist , und ihn selbst leiten , und das Werk wird glücklich von Statten gehen. Eben so ist es auch mit dem allgemeinen Lempel der Wahrheit, der Tugend und der Glückseligkeit.
XIX ,,Friedrich war der aufgeklärteste , einsichtvollste und dabey angeſchenste Regent ſeiner Zeit. Man kann in den Jahrbüchern der Ger schichte mehre glänzende Namen derselben fin den , aber keinen , der vorurtheilfreier auf das Wohl der Menschen , und besonders seiner Staatsbürger, aufmerksamer gewesen, und darin allen übrigen ein größeres Beyspiel gegeben hätte. Wenn in diesem Jahrhundert die Staatwirthschaft in allen ihren Zweigen nach richti geren Grundsäßen verwaltet wurde, so war er, wo nicht der Einzige und der Erste , doch der Vorzüglichste , der sich dadurch auszeichnete ; oder er trat vielmehr hierin in die Fußtapfen ſeines großen Vaters, der unbemerkt geblieben. war. Wenn sie sogar zur Wissenschaft erhoben, und auch als Wissenschaft bearbeitet wurde , fo daß Laune und Willkür weniger Theil daran hatten, so gab er allein Gelegenheit dazu Seine Beharrlichkeit bey den einmal mit Überlegung getroffenen Masregeln, auch alsdann, wenn sie der Absicht nicht entsprachen, schien Eigensinn zu ſeyn. Sie war es aber nicht, weil die Staatmaschine, auch selbst bey einer etwas fehlerhaften Einrichtung im Einzelnen, doch im Ganzen in ihrem richtigen Gange blieb, und dadurch das .. Fehlerhafte wenig nachtheilig wurde. Wenn die schweren Fesseln, welche Concilienschlüsse, Sys noden und Concordienformeln dem menschlichen. Geiste angelegt hatten, nach und nach zerbros chen wurden, war er nicht der Erste und Angeſehenste, der sie zerbrach? Muß man ihn nicht 2
XX mit Recht als den Schöpfer der vernünftigeren, menschenfreundlicheren Gemüthstimmung , der beynah' allgemeinen Toleranz betrachten, deren wir uns jest erfreuen ? Wenigstens ist es nicht seine Schuld , daß sie noch nicht überall und ganz das ist , was sie seyn sollte. ,,Wer war nachsichtvoller gegen die son derbarsten und gefährlichst scheinenden Meinun gen beynah' aller Art , so lange sie blose Meis nungen waren, als der, welcher bey Erblickung Der Zueignungsschrift des la Metrie, vor der Chartefe l'Homme machine, blos sagte : „ Er hätte mir wol etwas Besseres zueignen können ?" Wer verstattete der Preſſe eine größere Freyheit, selbst alsdann , wenn sie in Zügellosigkeit überging , als der , welcher alle Heterodorien und Paradorien zu drucken erlaubte, fein Vie privée du Roi de Prusse zu verkaufen verbot *), und die in Leidenschaft getauchte Feder eines Cranz blos einer milden Censur unterwarf? ,,Es ist kein gefährlicherer Ukt des Despotismus je gewesen, es ist kein schlüpfrigerer Punkt für jede Regierung, in Despotismus anszuarten , als die Bestrafung derjenigen Beleidigungen , welche die Ebre des Regenten angreifen. Je weniger bier genau die strafbaren Verbrechen definirt werden, desto willkürlicher kann der Despot verfahren ; und je mehr der Zorn des Menschen mit den Gefeßen hierbey übereinzustimmen scheint, je leichter können diese zur Grausamkeit gemißbraucht werden . Daher stellt Tacitus die Ausdehnung oder die Eins fchränkung der Liste der Vergehungen, die von den 1 erſten römiſchen Kaifern unter die MajeſtåtveSS
XXI „Noch im Zeitalter Ludwig des XIV. ward nur der Mann von Familie , und oft nur der Höfling geschätzt. Man verachtete Menschens würde , Menschenrechte und Menschenleben . Eine seiner Beyschläferinnen , die stolz und schnell über den Körper cines Menschen hinfuhr, glaubte mit einigen Goldstücken, welche sie, mit Unwillen über die Verzögerung , hinwarf, das Leben dieses Verunglückten theuer genug bezahlt -zu haben. Jeßt denkt man anders — aber wem gebührt die Ehre, die Fürsten und Großen übers zeugt zu haben , daß sie Menschen sind ? Wie ångstlich besorgt war nicht Preußens großer König, wenn es darauf ankam, das Leben eines Menschen zu erhalten ? Wie bot er nicht in dem verderblichsten seiner Kriege ſeine ganze Erfin dungkraft auf, um nur Menschen zu schonen ? Mit welcher Bewegung der Seele wandte er nicht auf seinen Schlachtfeldern die Augen von dem aufgethürmten Leichenhaufen derer weg, brechen gerechnet wurden , als das Barometer von dem Grade der Freyheit oder dër Knechtſchaft vor, welche jeder Regierung eigen war. -A Es ist also schon ein günstiges Zeichen von dem Geiste d . 8 Res genten, es schneidet die Veranlassung zu den will , kürlichsten Unwendungen der Gewalt, zu den leis denschaftlichsten und also unregelmäßigsten Bestras fungen ab , wenn nur Ungehorsam und thåtliche Wicersehung bestraft, die Unbesonnenheit der Rede und die Ausgelaſſenheit der Zunge übersehen wird.“ (Garve , Fragmente zur Schilderung des Geistes, des Charakters, und der Regierung Friedrich des Zweyten. )
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mit deren Leben er den schweren Sieg hatte er kaufen müssen ? ,,Ein Landesfürst kann sehr leicht verleitet werden , nur bey den Großen , welche seinen Thron umgeben , Talente und Verdienste zu suchen, weil er sie nur, oder leichter bey ihnen, zu bemerken Gelegenheit hat. Er schäßte nicht blos die Großen , sondern den Menschen übers haupt nach seinen Geistesfähigkeiten , Einsich ten und Gesinnungen, er mochte Prinz oder Taglöhner, Edelmann oder Knecht seyn. Sein Adel war ihm , wie er selbst sagte , besonders werth, weil er das vorzüglichste Werkzeug seis ner Siege gewesen war, und die größten Män ner an seiner Spitze hatte. Er wandte Mil lionen an, um ihm , da er durch Krieg und andere Unglückfälle heruntergekommen war, wieder empor zu helfen , räumte ihm in seinem Heere den beynah' ausschließenden Vorzug der Befehlhaberstellen ein , und war der Meinung, daß an der Spize der Landeskollegien der Ades lige dem Bürgerlichen vorgehen müsse. Allein er verschloß doch keinem Bürgerlichen den Weg selbst zu den höchsten Ehrenstellen, zum General undMinister, wenn er sich durch Geistesvorzüge, Kenntnisse und Rechtschaffenheit auszeichnete. ,,Er sah sehr richtig ein , wie unentbehrlich der Landmann und der Ackerbauer dem Staate in Rücksicht auf den Wohlstand desselben , und da sein Heer größtentheils aus Juländern bes stand, auch in Rücksicht auf seine Sicherheit sey. Er suchte also auch den Landmann und Bauer
XXIII gegen alle Arten von Bedrückung zu ſchüßen. Es schien ungerecht zu seyn, wenn er, bey den Streitigkeiten der adeligen Gutbesitzer mit ihren Bauern , ohne jedoch den Rechtgang zu ſtören, insgemein die Partey der leßteren nahm . Aber es war flug ; es machte den Adel vorsich tiger ; der Bauer ward mehr geachtet , oder doch weniger gedrückt ; und wenn die Leibeigen ſchaft gleich nicht überall ganz aufgehoben ward, sondern sich mehr ihrer ursprünglichen Verfass sung und dem Bilde näherte , was uns Moser davon entworfen hat , so war der Bauer doch nun weniger das Lastthier , dessen Leibeskräfte man sich zur Arbeit bedient , und von deſſen Fleische man sich nährt. " Er ließ , wie man weiß , immer nur im Nothfall merken, daß er König sey, und unterredete sich mit einer ihm eigenthümlichen Freundlichkeit, Herablaſſung und Popularität, welche die Herzen an sich zog , nicht blos mit den Großen , dem Adel und den Angesehendsten vom Militär, sondern auch mit dem Gelehrten, dem Künstler, dem Handwerker und dem Bauer ; machte ihn auf die Vorzüge und Mängel seiner Wissenschaft, Kunst, Geschicklichkeit oder seines Gewerbes aufmerksam , und erkundigte sich auch wol nach den Familien - Angelegenheiten des selben. Mußten dadurch nicht die in einer wei. ten Entfernung von einander lebenden Stände und Klassen der Menschen näher an einander rücken , sich ihre Ideen, ihre Bemerkungen mittheilen , und so die richtigen Einsichten.
XXIV und feinen Gefühle allgemeiner werden ? Mußten sie nicht, so groß auch der Unterschied der Geburt und der anderweitigen äußeren Vers hältnisse war, wenn der König Einen wie den Andern sprach, Einen wie den Andern behans delte, und die Bittschrift des Allergeringsten, wie jene des Allervornehmsten, in den nächsten Tagen beantwortete, sich erst einander ertragen und dann schäßen lernen ?” Dies der allgemeine Einfluß Friedrich's auf seine Zeit ; aber in wie vielfacher Beziehung übte er noch außerdem einen bes sonderen ! Die Wissenschaften, vordem verachtet , erhoben sich zu fast allgemeiner Hochs achtung. Die Zahl der wirklichen Gelehrten mehrte sich außerordentlich, der Kastengeist , so schädlich in jeder Beziehung , begann nach und nach zu schwinden ; man fing an, in der Muts tersprache zu schreiben und zu philoſophiren, und die Gelehrsamkeit selbst , mehr inneren Werth bekommend, bestand bald nicht mehr in oberflächlicher Vielwisserey und Pedanterie, sondern in ausgebreitetem, gründlichen Wissen . Nicht mehr brauchten der Philosoph, der Geschichtforscher, der Philolog, ja selbst der Theolog, mit Angstlichkeit auf das kirchliche Syſtem blicken. Lehrmeinungen , Jahrhunderte lang, ungeprüft, in unbestrittenem Ansehen, wurden erschüttert und verschwanden. Die Rechtspflege und Gesetzgebung ånders ten sich. Man erkannte, daß der Bauer, Mensch wie der Vornehmste, die nämliche Gerechtigkeit
XXV anzusprechen habe , wie jener. Adel , Geistlichkeit und die Großen durften sich da nicht mehr den Landesgeseßen entziehen , wo der König erklärt hatte , er selbst sey nur der erste Diener, nicht Herr, des Staats , und sogar der Bettler sey eben so wol ein Mensch , wie die Majestät, und auch ihm müsse alle Gerech tigkeit zu Theil werden. Heren und Zauberer, beide ehmals zum Feuertode verdammt , lebten ungestört und ruhig , Gotteslästerung und Kir chenraub, sonst ebenfalls mit Hinrichtung bes straft, würden mit Milde geahndet. Die Vers brechen des Hochverraths, vordem zu weit und meistens nach Willkür ausgedehnt, wurden blos auf Verrätherey des Staats , auf öffentliche Empórung und auf ein strafbares Unterneh men wider das Leben des Regenten eingeschränkt. Man hatte den Wilddieb in Ketten geschmiedet, und ein jedes gefallenes Mädchen beides ward abgeschafft. öffentlich beschimpft ; Nicht Laune und Willkür, sondern die Gesetze schrieben die Strafen vor ; und diese Geseze waren weise und mild. - " Das Ministerium nicht mit Blut angefangen !" ſchrieb Friedrich neben den Urtheilspruch eines berühmten Gerichthofes , den ihm ein so eben ernannter Justizminister zugeschickt hatte. Welcher Fürst hat je mehr als Friedrich dafür gesorgt, daß dem Lande, welches er res gierte, von seiner natürlichen Armuth aufge holfen, daß es von dem Elende und den Vers wüstungen des Krieges so schnell und gut, als 00 Friedrich d. Eing, I.
XXVI nur möglich, befreyt, Städte und Dörfer, zum Theil in Asche und Schutt liegend , sich aus ihren Trümmern wieder erhoben, und bisweis len wohlhabender wurden, als sie zuvor was ren ? Der geheime Staat und Cabinets minister von Herzberg hat nach dem Tode des Königs berechnet , daß er blos von 1763 bis 1786 zur Unterſtüßung der verſchiedenen preußischen Provinzen weit über 24 Millionen Thaler ) verwendete , ungerechnet die Millionen für Festungsbauten zc. , wodurch die årmere Klaſſe des Volkes ebenfalls Geles genheit zur Ernährung erhielt. Wer hat mehr die Quellen des Reichthums aufgesucht, geöffnet und dahin , wo es nöthig war , ges lettet , als Friedrich ? Wer verstand besser die große Kunst , dieſen Reichthum des Staats so unter die Staatbürger zu vertheilen , daß beynah' einem Jeden etwas zu Theil ward, der seine Kräfte nur gehörig gebrauchen wollte? Um die Landwirthschaft zu verbessern, wandte er Millionen an , ließ ausgetretene Ströme durch Deiche oder Dämme in engere Ufer einzwingen ; große Seen ableiten, Sümpfe und Moråste austrocknen, überflüßige Wälder niederhauen , und Brüche urbar machen. Er befahl, aufseinen Domänenämtern mancherley Versuche mit ausländischen Erdfrüchten und Futterkrauten zu machen, bestimmte Preise für die diejenigen Landleute , welche die Gemeins
*) Eigentlich 24,399,838 Thaler,
XXVII heiten theilen würden ; seßte auf das den Strös men und Sümpfen abgewonnene Land und auf die bisher unangebauten Sandschellen Kos lonisten an , und ließ einſichtvolle Männer nach England reisen , um dort die englische Landwirthschaft zu lernen , und sie da, wo eg die Umstände zulassen wollten, in seinem Lande einzuführen. Um den, nicht durch seine Schuld herunter gekommenen , Forsten wieder aufzus helfen führte er fremde Holzarten ein , und ließ Holzsaamen ausstreuen, und um die Schafs zucht zu veredeln und die Wolle zu verbessern, ließ er Widder aus Spanien kommen . Wenn er, die inländischen Fabriken zu heben , den. Staat mit Zöllen und Mauthen umgab , so handelte er im Geiste jener Zeit , und jeden Falls war seine Absicht redlich und lobens werth. Zwar verfehlt das Bestreben , alles im Lande consumirt Werdende auch darin selbst zu produciren , in der Regel immer den eigents lichen Zweck ; denn gewinnt wol der Staat, wenn er es dahin bringt , daß auf Ländereyen, welche sonst 100,000 Gulden ertrugen , nun, mehr, mit einem bloßen Ertrage von 50,000, die früher von dem Auslande bezogenen Waas ren erzielt werden ? Gewinnt er selbst dann, wenn man, durch Zölle, Privilegien oder Mos nopole,. die Bewohner des Landes nöthigt, die ausfallenden 50,000 fl. weiter zu bezahlen, damit ja Nichts in das Ausland geht ? Kaum glaublich. Aber verschiedene Nebenumstånde waren bey der desfallsigen Entschließung 00
XXVIII Friedrich's mitbestimmend, und sollte er wol über dasjenige so sehr zu tadeln seyn , was noch gegenwärtig fast allgemein leider ! in Anwendung gebracht wird ? Das Unterricht- und Erziehungwesen bes kam eine andere Gestalt. In den Gymnasien und lateinischen Schulen wurden die griechis schen Klassiker fleißiger als sonst gelesen, und, wie die lateinischen, mit einem schärferen Rückblick auf die einzelnen Begebenheiten der Ges schichte und mit mehr Geschmack erklärt Mait machte mehr als sonst auf die Richtigkeit, Schönheit und Eigenthümlichkeit der Ideen und der Schreibart aufmerksam. Die Grammatik ward deshalb nicht vernachläßigt, sondern viels mehr in eine Verstandübung verwandelt, indem man die Schüler die grammatikalischen Regeln aus kurzen lateinischen Sentenzen selbst ableis ten ließ, welche zu diesem Zwecke gesammelt worden waren. Die Rhetorik ward nach Stels len aus den alten Klassikern , und die Geschichte der Philosophie zum Theil nach Stellen aus den alten griechischen und lateinischen Philos sophen und Historikern vorgetragen , welche man zu diesem Zwecke gesammelt hatte. Bey den Alterthümern nahm man mehr auf die verschiedenen Zeiten Rücksicht. Auf Geschichte, Erdbeschreibung und Mathematik wurden Lehrs stunden verwendet , und für Statistik, Naturkunde und Technologie neue Lectionen eröffnet. Man erhob sich also , nach und nach zu dem ~encyklopädischen Unterricht , welcher für die
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Jugend der zweckmäßigste ist. Es entstanden nun auch Erziehunganſtalten für Geſchäftmånner adeligen und bürgerlichen Standes , für Künstler , Kaufleute und Militär:-Personen. Nach dem Zwecke der Anstalt wurden auch die Lebrobjekte bestimmt , doch ward Geschichte, Erdbeschreibung, Mathematik und Naturkunde, nebst den neueren Sprachen , in allen gelehrt. Auch das weibliche Geschlecht wurde nicht wie bisher in gemeinen Schulen vernachläßigt, oder in Penſionanſtalten vereitelt. Es wurden be sondere Institute zur Bildung desselben ers richtet. Die gemeinen Bürger- und Landschulen wurden etwas verbessert, die alten Katechis men und Evangelienbücher zum Theil abges schafft und bessere eingeführt. Ja , der König schrieb sogar eigenhändig die Gegenstände des Unterrichts in den höheren Anstalten vor, und diese merkwürdige Cabinetsordre zeugt deuts lich, wie nahe die Sache dem Monarchen geht, und wie er sucht, auch für die Zukunft Kennt nisse und Wissenschaften zu befördern. Wir schweigen von dem Einflusse , den Friedrich auf die Kriegwissenschaft gehabt. Wer den großen, außerordentlichen Feldherrn in dem nicht erkennt , was offen vor den Aus gen eines Jeden daliegt , der möchte wol im Stande seyn, den Glanz der Sonne in dem Augenblick zu läugnen, in welchem an sie hin zu blicken ihm unmöglich ist. Thaten Miltia des bey Marathon , der große Épaminondas
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bey Leuktra, der sich als Jupiters Sohn brüs stende Alerander bey Arbela , oder der tollkühne Karl der XII. bey Narva , mehr , als Und wodurch Friedrich bey Leuthen? follte wol Napoleon's faum dreymonatlicher Vertheidigungkampf in Frankreich (1814) aus, gezeichneter seyn, als der von unserem Helden während der vollen Dauer von sieben Jahren geführte ? Ja, ohne dem französischen Kaiser im Entferntesten zu nahe treten zu wollen, kann man mit Bestimmtheit behaupten , daß Preußens König nach den entscheidensten Nies derlagen, weit entfernt, eine Unentschlossenheit, wie jener, zu zeigen, erst jeßt seine außerordents lichen Fähigkeiten in ihrem ganzen Umfang ents wickelte , und immer von Neuem die, Preußens Vernichtung schon träumenden, Feinde die Übers legenheit seines Genies auf die auffallendste und bewundernswertheste Weise fühlen machte. Die schönen Künste wurden , besonders durch Friedrich, aus ihrer Dunkelheit her. vorgezogen. Die Fürsten und Großen fingen an , sie zu schäßen und ihnen Beyfall zu ſchens fen, und der gebildetere Theil der Menschen folgte ihnen nach. Man schaffte hier und dort fremde Meisterwerke herbèy, und auch die eins heimischen vermehrten sich. Die teutschen Künst ler ahmten die Werke der Franzosen, Italiener, Niederländer und Engländer nach , arbeiteten leichter und geschmackvoller , und wichen ganz von dem alten steifen Herkommen ab. Sie wurden ideenreicher, und drückten oft dieſe
XXXI Ideen in ihrer Kunst mit einer Feinheit, Annehmlichkeit , Würde und Kraft aus , welche Bewunderung erweckte und verdiente. Die schönen Wissenschaften haben Frieds rich ihre gute Aufnahme unter den Leutschen, Die und auch ihre Ausbreitung zu danken. Liebe zu den alten Klassikern der Griechen und Römer erwachte in ihrer ganzen Stärke, und weckte das feine Gefühl des Schönen und des Erhabenen in den Herzen der Teutschen. Die französische Sprache, sonst nur die Sprache der Höfe und der großen Welt , ward fast Man las die allgemeiner Ton und Sitte. schönen Schriften aus dem Jahrhundert Lud, wig des XIV., und fing an , Geschmack daran zu finden. Das Dichters und Rednergefühl ward dadurch erweckt und gestärkt. Nun be merkte man erst die Schwerfälligkeit und Nachläßigkeit der teutschen Schreibart , nnd die Uns vollkommenheit und Unzulänglichkeit des teuts ſchen Ausdrucks für eine große Zahl feiner und schöner Ideen , die man sich aus den frans zöſiſchen Schriftstellern zu eigen gemacht hatte, und wandte mehr Sorgfalt auf Ausdruck und In dem gemeinen Wendung im Teutschen. Leben und in den prosaischen Schriften half man sich anfänglich damit , daß man die französischen Ausdrücke, auch wol wenn man teutsch sprach und schrieb , bisweilen beybehielt und ihnen eine teutsche Endung gab. In diesem geschmacklofen Gemengsel, welches aus Eitels keit manchmal sogar noch übertrieben würde,
XXXII sind die meiſten teutschen Schriften auch wol berühmter Männer, z . B. eines Puffendorf, bis zur Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts geschrieben; man machte sich aber nach und nach davon los , und fing an , mehr den reis nen , edeln teutschen Ausdruck zu wählen. Der philosophische und wissenschaftliche gewann viel durch Wolf's Schriften , und der gewöhnliche, geschmackvolle, natürliche und schöne durch das Überseßen der alten Klassiker, und der französischen, italienischen und englis schen Dichter und guten Prosaiker. Die Schreibart der Teutschen ward netter, leichter, natürlicher, korrekter, blühender, anziehender, auch selbst in wiſſenſchaftlichen Schriften. Es ward nun auch von den Nichtgelehrten weit mehr, und auch zur eigenen Belehrung und angenehmen Unterhaltung , gelesen, und auch sogar geschrieben. Die Leutschen bekamen ihre klassischen Dichter , Redner und schönen geists vollen Prosaiker. Anfangs ahmten sie den Franzosen, Italienern und Engländern nach, mit der Zeit aber lieferten sie klassische Origi nalwerke. In den Lehrgedichten, Oden, Tras gödien , Heldengedichten u. s. w. , übertrafen fie sogar die Italiener und die Franzosen. Auf den teutschen Theatern , deren nach und nach mehre errichtet wurden, blieben die Haupts und Staatsaktionen weg. Dem Hanswurst, der bisher einen so allgemeinen und lauten Beyfall in den Logen und auf der Gallerie gefunden hatte, zog man , weil man ſich ſeiner
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zu schämen anfing , und ihn doch nicht ganz entbehren konnte oder wollte, anfänglich blos ſein Jäckchen aus , und ließ ihn mit mehr Des cenz einen Bedientenrock anziehen. In der Folge blieb aber auch Hanswurst der Bediente weg, und man wußte doch Mittel, den Zuschauer angenehm zu unterrichten und geistvoll zu unterhalten , zumal , da die Mimik aufs Neue erfunden , und die Deklamation immer vollkommener wurde. Wenn durch das Alles die Leutschen auch nicht moralisch besser wurs den, und Lesesucht und Schauspielsucht zu den Modethorheiten gehörten, so bekamen sie doch mehr Geschmack, und wurden geistreicher, sanf ter und gebildeter. Auch hier wirkte Friedrich. Die Ges lehrten, welche er , wenn er Muse hatte, zu seinen Gesellschaftern wählte, waren gerade die geistvollsten, wißigsten nnd feinsten Köpfe ihrer Zeit. Er schien bey seinen Geistesmahlzeiten den König zu vergessen , wenn Wiz mit Wiz kämpfte, ein glänzender Gedanke den andern, ein treffender Einfall den andern hervorlockte, und die feinste Satyre mit einer noch größeren Feinheit und Stärke vergolten wurde, bis end, lich, wie Voltaire sagte , der König kam. Er unterwarf seine Geistesprodukte der Kritik eines Voltaire und hernach eines d'Argens ; war selbst Dichter, populårer Geschichtschreiber und schöner Schriftsteller , deſſen bey seinem Leben herausgekommenen Werke , wie die nach seinem Lode , allgemein gelesen , und wegen
XXXIV der cigenthümlichen Annehmlichkeit , die er ihnen zu geben wußte , bewundert wurden. Wirklich finden wir in den Schriften des gros, sen Königs der einleuchtenden und vor Leuchten den *) Ideen und Gedanken überaus viele , und gewiß sind Jene in den Geiſt ſeiner Werke wenig eingedrungen , welche sie als kaum mittelmäßig darzustellen sich angeles gen seyn lassen. Welcher Regent vor oder nach Friedrich hat je mit solcher Freymüthigkeit, Offenherzigkeit und Redlichkeit sich über das auss gesprochen, was die Fürsten sind, und was den Völkern gebührt ; welcher hat vordem so den Rechten des dritten Standes gegen die bisher Bevorrechteten , Adel und Geistlichkeit, Achtung verschafft ? Er , der gekrönte Phis losoph , war ein königlicher Revolutios når! ― Doch blicken wir nochmals aufseine Werke. Obschon, in dem Strudel seiner vies len und verschiedenartigen Geschäfte , blos Dilettant, hat er dennoch in jenen Treff= liches und Vorzügliches geleistet. Welcher große Geist aber muß Er gewesen seyn , der, zur Erholung und Erheiterung nach beschwers lichen Arbeiten, zur Tröftung nach erlittenem Unglück , mit solcher Leichtigkeit dichtete und schrieb; Er, der unter den Zurüstungen zu einer nahen Schlacht , wo Leben, Krone und Re ch auf dem Spiele stand , Satyren in Versen *) Worte des trefflichen Herrn geheimen Kirchenraths Paulus in einem Briefe an den Herausgeber.
XXXV und Prosa gab , und über den geweihten Des gen seines Gegners in freundſchaftlichen Brie, fen scherzte ?! Wie , durch ihn vorzüglich , der blinde Glaube, stets Wirkung der Finsterniß oder der Beschränktheit des Verstandes und der Vers nunft , aufhörte, geht schon hinlänglich aus Man lernte Priester dem Gesagten hervor. und Priesterthum von der Religion unterscheis den und trennen ; es schwand der Wahn, daß alles, was Geistliche thaten, göttlicher Natur sey , und das Gebäude des Aberglaubens, bisher in Finsterniß sich hüllend, und unans greifbar , versanken vor einer vernünftigen, aber strengen Prüfung. Mögen auch Mönch. thum, Hierarchie und Pfaffthum über Verbreis tung von Irreligion schreven das Wahre, unerschütterlich und nicht wankend, besteht durch sich selbst , durch innere Kraft ! - unendlich Vieles hat der Freund der Civilisation dem faft in Allem großen Könige auch in dieser Bes Wollten wir ,,das ewig ziehung zu danken. Wahre“ aber auch, dem eulenartigen Geschrey Jener nach, für schwach genug halten , daß esdurch Wiß und Satyre umgestürzt zu werden vermocht hätte, ſo müſſen wir billig fragen, hat dieser Umsturz der Religion" die nämlichen schrecklichen Folgen gehabt , als jener Fanatis mus , welcher, nicht zufrieden, blos den Feuers tod bey seinen Schlachtopfern anzuwenden, auf immer neue Mittel zu ihrer Marter sann ; der, wie Friedrich selbst sagt, den Menschen, dem
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der Himmel Denkkraft gab, strafte, wenn er zu denken gewagt ?! So wirkte Friedrich von seinem nicht großen Throne herab , unvergleichbar mehr durch die Macht seines allumfassenden Geistes, als durch jene der physischen Kräfte. Eine neue Laktik bildete er bey den Heeren, und eine all gemeine Umwälzung der Ideen entstand durch ihn. Aber, so groß, so bewundernswerth auch seine neu gebildeten militärischen Systeme uns erſcheinen müssen , so ist dennoch keineswegs zu läugnen , daß die von ihm veranlaßte Geis ftesrevolution ungleich wichtigere , außerors dentlichere Folgen hervorbrachte ; daß Fried. rich also , der Philosoph auf dem Throne, weit verehrungwürdiger und größer ist , als der königliche Feldherr. - Doch vergessen wir nicht, noch eine Lugend dieſes Einzigen Kö, nigs zu erwähnen, wegen der er nicht minder unsere Hochachtung und Verehrung verdient ; Friedrich nämlich war Vater seines Volks, und dies in der edelsten Bedeutung des oft miß brauchten Wortes. Wir behalten uns vor, im Laufe der Darstellung seiner Geschichte darauf hinzudeuten , was er, selbst in den mißlichsten Lagen , für seine Nation gethan , hier blos bemerkend , daß er während seiner ganzen Regierung nur einmal seiner Geschäfte sich nicht erinnerte, und dies - am lezten Lage seines Lebens.
Einleitender Abriß der Geschichte. Preußens. Friedrich / Wilhelm , der große Churfürft, Friedrich der 1. Friedrich Wilhelm der 1, -
(Von 1640 bis 1740.) Brandenburg, seit dem Jahre 1415 ein Churfürstenthum, erlangte erst durch Friedrich Wilhelm Ansehen und Achtung. Verwüstet und verödet durch den, noch 8 Jahre lang fortwährenden, und ſpåter nachseiner Dayer so benannten, drepßigjährigen, furchtbaren Religionskrieg, lag das ganze Land, als jener wirklich große Regent, ein zwanzigjähriger Jungling, (im Jahre 1640) die lockern Zügel der Regierung ergriff, die er von nun an mit Weisheit und Kraft, auch in den mißlichsten Verhältnissen, lenkte, Nachdem er die Finanzen in Ordnung gebracht , und jene Minister entfernt hatte, welche zum Drucke des Volkes mitgewirkt, glänzte er bald als einer der größten Feldherren seiner Zeit ; denn nach einander gegen Polen, Frankreich und Schweden kämpfend , errang er stets neuen Ruhm . Aber nicht blos Krieger war Friedrich Wilhelm , sondern er verdient auch den schöneren Titel eines Vaters seines Volks , Die Friedrich d. Einz, I.
2 zerstörten Flecken und Dörfer stiegen unter ihm wieder aus ihrer Asche empor ; Wüsten wurden in Saatfel= der, und Heiden und Steppen in Dörfer verwandelt. Der Churfürst unterstüßte die im Kriege verarmten Familien , vervollkommnete die Landwirthschaft in feinen Staaten, und brachte manche Gegenden dadurch in blühenden Zustand , daß er gegen 20,000 durch die Aufhebung des Edicts von Nantes aus ihrem Va= terlande vertriebenen franzöſiſchen Reformirten in ſeinen Låndern mit offenen Armen aufnahm. Auch hinterließ er seinem, im Jahre 1688 zur Regierung gelangenden, Sohne, Friedrich dem III., ein wolgeübtes Heer von 30,000 Streitern. Aber nicht in dem Geiste des großen Vaters vermochte dieser zu handeln . Ein Freund der Pracht, Eitelkeit mit wahrer Größe verwechselnd , und den blendenden Schimmer dem dauernden Nüßlichenvorziehend, genügte ihm nicht der Titel eines Chur fürsten von Brandenburg , sondern er sehnte fich nach der Königskrone. Durch die Anwen dung vieler Mühe , und durch manche große Aufopferung, erlangte er diese eitle, ja dem Lande ans fangs sogar låftige, Würde, und ließ sich den 18ten Januar 1701 zu Königsberg als den ersten König von Preußen krönen *). ) Fast alle Minister des teutschen Kaisers waren dieſem Plane des Churfürsten entgegen geweſen, besonders der Großkanzler von Böhmen , Graf Kinsky , den selbst das Unerbieten von 100,000 Gulden nicht in Versuchung zu bringen verwöchte. Unzufrieden über den schlechten Erfolg seiner Sendung, verlangte endlich der Gefandte Friedrichs
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3 Sein großer Enkel , Friedrich der Einzige, entwirft mit scharfen Zügen folgendes treffende Bild von diesem Fürsten. Er war klein und übel gestaltet ; bey einer Miene voll Stolz hatte er blos eine gemeine Gesichtsbildung. Seine Seele war wie ein Spiegel, der alle sich ihm darbierenden Gegenstände zeigt. Sein Gemüth gab jedem Eindrucke nach. Wer einmal bis zu einem gewissen Grade Gewalt über ihn bekommen hatte , konnte seinen Geist entflammen oder beruhigen , der aus Eigenfinn heftig und aus Sorglosigkeit sanft war. Mehr den blen denden Schein als den wirklichen Nußen liebend, verwechselte er Eitelkeit mit wahrer Größe. Um die Königswürde zu erlangen , opferte er in dea verschiedenen Kriegen des Kaisers und seiner Verbündeten 30,000 seiner Unterthanen (Soldaten) auf, und er strebte nur deßhalb mit so viel Eifer nach jener Würde, um seinen Geschmack am Ceremoniel zu befriedigen , und durch scheinbaren Vorwand die Verschwendung seiner Prunksucht rechtfertigen zu können. „Er war prachtliebend und freygebig ; um welchen Preis aber erkaufte er das Vergnügen, ( diese) feine Leidenschaften zu befriedigen ? Er verhandelte seine Zurückberufung, und erhielt ſie. Da sich der in Wien gelassene Legationssecretår Bertholdi aber aus einer Urt von Mißverständniß mit jener Summe an den kaiserlichen Beichtwater, den Je fuiten Wolf, wendete, so fühlte sich dieser hier: durch so geſchmeichelt, daß er allen ſeinen Einfluß bey dem Kaiser Leopold deßhald verwendete, und diesen zulegt zur Einwilligung vermochte. 1**
4 das Blut feiner Unterthanen an die Engländer und Holländer, wie jene herumziehenden Tartaren, welche ihre Heerden den Schlächtern Podoliens verkaufen, um sie niederzumeßeln. Als er seine Truppen aus Flandern zurückziehen wollte, machte man ihm ein Geschenk mit einem großen Dianianten, und nun mußten 15,000 Mann im Dienste der Verbündeten ihr Blut versprisen (se firent tuer au service des Alliés). ,,Die Vorurtheile der Menge scheinen die Pracht der Fürsten zu begünstigen ; aber ein Unterschied ist zwischen der Freygebigkeit eines Privatmannes , und eines Souverains. Ein Regent ist der erste Diener und der erste Beamte des Staats (un prince est le premier serviteur et le premier magistrat de l'état) ; er ist Rechnung schuldig, über den Ges brauch der Abgaben, die er (nur deßhalb) erhebt, um die zur Vertheidigung des Landes unterhaltenen Trups pen befolden zu können, um die Würde zu behaupten, mit der er bekleidet ist, Verdienste und Talente zu belohnen, die unglücklichen jeder Art zu unterstüßen, um endlich Glanz und Würde in Allem zu beobachten, was den Staatskörper anbetrifft. Wenn der Fürst einen aufgeklärten Verstand und ein redliches Herz besigt, wird er allen Aufwand nach dem allgemeinen Nußen und nach dem größten Vortheile seiner Völker richten. Die von Friedrich dem I. geliebte Pracht war (aber) nicht der Art, sondern vielmehr die Vergeu= dung eines eiteln und verschwenderischen Fürften. Sein Hof bildete einen der glänzendsten Europa's, und seine Gesandtschaften waren so práchtig, als die
5 portugiesischen. Er erdrückte die Armen , um die Reichen zu måsten (ihren Reichthum zu vergrößern). Seine Günstlinge erhielten ungeheuere Pensionen, während das Volk im Elend schmachtete. Seine Gezbåude waren kostbar, seine Feste verschwenderisch und ſeine Dienerschaft und Marschälle bewiesen eher asiatischen Luxus , als europäische Würde. Seine Frengebigkeit schien mehr Wirkung des 7 Zufalls , als der überlegung zu seyn. Die Diener 1 machten ihr Glück, wenn sie die ersten Ausbrüche seiner Heftigkeit erduldet hatten. Einem Jäger , der ihm einen Hirsch mit hohem Geweih hatte schießen laffen, gab er ein Lehen von 40,000 Thalern. Das . Außerordentliche seiner Verschwendung fällt nicht mehr auf, als wenn man die sämmtlichen Ausgaben mit den Einkünften vergleicht, und eine solche Zusam= menstellung von der ganzen Zeit seiner Regierung macht ; man ist alsdann erstaunt, Theile eines riesenmåßigen Körpers neben vertrockneten Gliedern zu erblicken, welche zu Grunde gehen. Dieser Fürst wollte seine Domainen im Fürstenthume Halberstadt den Holländern verpfänden, um den Pit, einen berühmten Diamanten , kaufen zu können , der in der Folge für Ludwig den XV. , während der Regentschaft, erftanden wurde. Er verkaufte den Verbündeten 20,000 Mann , um von sich sagen zu machen , er unterhalte 30,000. ,,Sein Hof glich einem großen Strome, der das Waffer aller kleinen Bäche verschlingt. Gunstlinge genoffen seine Freygebigkeit im übermaße, und seine Verschwendung kostete jeden Tag unermeßliche Sammen, während Preußen und Litthauen ein Raub
6 des Hungers und verheerender Seuchen wurden, ohne daß fie dieser freygebige Monarch einer Unterstüßurg würdigte. Ein geiziger Fürst gleicht einem Arzte, der einen Kranken in seinem Blute ersticken läßt, ein verschwenderischer aber einem solchen, der ihn durch zu vieles Aderlassen tödtet. Friedrich der I. war in seiner Zuneigung nie beständig, sey es, daß ihn seine schlechte Wahl gereute, oder sey es, daß er keine Nachsicht gegen menschliche Schwäche hatte. Vom Baron Dankelmann an , bis zum Grafen von Wartenberg , nahm es mit seinen Günftlingen sämmtlich ein unglückliches Ende. Sein schwacher und abergläubiſcher Geist hatte eine besondere Neigung zum Kalvinismus, mit dem er gerne alle übrigen Religionen vereinigt hätte. Es iſt glaublich , daß er Verfolger derselben geworden wåre, wenn die Geistlichen sich hätten einfallen las= fen, Ceremonien mit den Verfolgungen zu verbinden. Er verfaßte auch ein Gebetbuch, das aber zu ſeinem Glücke nicht gedruckt wurde. „ Wenn Friedrich der I. Lob verdient, ſo iſt es deßhalb, weil er, während in den Nachbarstaaten der Krieg wüthete, in den ſelnigen den Frieden erhielt; weil er ein gutes Herz hatte , und weil er , wenn man will, nie die eheliche Treue verleßte. Er war endlich groß in den kleinen Dingen, und klein in den großen ; fein Unglück ist es, daß er in der Geschichte neben einem Vater und einem Sohne steht , deren größeren Talente ihn verdunkeln." *) *) Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandebourg (par Frédéric bunique) nouvelle
7 Nach dem Tode Friedrich des I. bestieg 1713 dessen Sohn, Friedrich Wilhelm der I. , den preußischen Thron. Obgleich in Lurus, Pracht und Verschwendung erzogen, glänzt dieser Regent dennoch gerade durch seine Sparsamkeit und Einfachheit. Als wahre Größe des Fürsten innere Macht und die Stärke des Staats erkennend , beobachtete er zwey Staatsregeln, die er für die Grundpfeiler jeder Monarchie hielt; nämlich einen friegerischen Geist bey der Nation zu wecken und zu erhalten , und die Fis Er regierte in einer nanzen stets weise zu ordnen. Zeit, wo das höchste Streben des Wissens , wie des Handelns, die Nüßlichkeit war ; und sie ward ein ftrenger Maasstab für einen König, der an dem Hofe seines verschwenderischen Vaters so vieles erfahren, was er als unnúß, als schädlich für Fürft und Volk, erkennen mußte, und der hinlänglich Verstand besaß, das für feinen Zweck wahrhaft Nüßliche von dem Eiteln zu unterscheiden. Kein idyllisches Schäferle= ben durfte und konnnte in dem Staate geführt wer den , der , bey schlechter Verwaltung und drückenden Abgaben , verarmt , bey einer Schuldenmaſſe , ohne Fabriken und Handel , auch auswärts nicht geachtet war. Schon als Kronprinz hatte sich Friedrich Wilhelm mit entschiedenem Wkderwillen gegen den verschwenderischen, weichlichen Hofhalt des Vaters, und gegen die gelehrten Gesellschaften der Mutter erklärt. Nur Waffen und das Kriegswesen liebend, und das Edition. A Berlin et à la Haye.1751 ; pag. 248-253.
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Feldleben frühzeitig als seinen Beruf betrachtend, focht er bald unter Eugen und Marlborough , und der Herzog Leopold von . Dessau ward ihm Freund und Vorbild. Dagegen warf er die französischen Bücher und den brokatnen Schlafrock in's Feuer; Niemand war in seiner ganzen Lebensweise frugaler und einfacher als er ; gegen alles, was Wissenschaft und wissenschaftliche Bildung hieß, hegte er die tiefste Geringschäßung, und die Künste waren in seinen-Augen blos ein Flitterstaat, der zwar ganz herrlich kleiden könne , aber , als völlig überflüffig , vermieden werden müsse , sobald man ſein Geld nur auf etwas Núhliches verwenden könne. -Selbst zur Regierung gelangt, wurde Friedrich Wilhelm der I. bald der Schöpfer vieler glücklichen Einrichtungen. Er gab", fagt Friedrich der Einzige, * ,,dem Staate die vortheilhafteste Form, und bildete das Gouvernement mit der größten Weisheit." Er besaß einen richtigen Verstand, einen seltenen Geist der Ordnung , und eine außerordentliche Festigkeit des Willens , welche leßtere aber nicht sel= ten in Starrköpfigkeit , ja manchmal sogar wol auch in Tyranney , ausartete , was als die Ursache zu be trachten ist, daß dieser, in mehr als einer Beziehung achtungswerthe, Monarch, von seinen Zeitgenossen meistens verkannt , und mehr gefürchtet , als geliebt ward. Er hatte den Fehler, daß er zur Erreichung feiner guten Absichten nur harte Maßregeln anwenDete, daß er die Liebe seines Volks für nichts achtete, *) Du Gouvernement ancien et moderne du Brandebourg
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und die edlere Geistekkultur vernachläßigte , wie sie in ihm selbst vernachläßigt war. Den Finanzzustand zu ordnen , die unter der Regierung des Vaters angehäuften Schulden zu til gen , und dem verarmten Lande wieder aufzuhelfen , waren , neben der Bildung des Heeres , die ersten Sorgen Friedrich Wilhelms. Wie er sich selbst haushälterisch einschränkte , so verlangte er dieselbe Beschränkung im ganzen Staat. Eigenhändig durchstrich er die großen Gehalte der Kammerherren, verabschiedete den so überflüssigen Hofstaat , und feste die Ausgabe an seinem Hofe monatlich auf 4000 Thaler fest. Ihr müßt die Haushaltung wieder in Ordnung bringen“ , schrieb er nach der Anwesenheit des Königs August von Polen an den Hofmarschall, „und wie vorher alle mögliche Menage observiren, und da auf jeden Tag 93 Thaler zur Ausgabe be= ftimint find, so müssen selbige nicht darauf gehen ..... Es wollen auch Seine königliche Majestát, daß fünftighin von Hamburg , oder andern fremden Orten nichts soll verschrieben werden , ohne bis vorher bey Seiner königlichen Majestät angefragt worden , und ſelbige es approbirt haben. Hingegen soll das Marschallamt die Veranstaltung machen, daß jederzeit gut Rindfleisch, gute fette Hühner und dergleichen vorhanden und consumirt werden." Die Königin hatte kontraktmäßig jährlich 80,000 Thaler Einkünfte, sie war aber genöthigt, davon die Kleider und das Leinen für die königliche Familie, und das Pulver und Bley zur Faffanen- und Rebhühner-Jazd , zu kaufen. So gerne der König Seefische, Hummern und
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Austern aß, so selten verschrieb er sich solche Lecke reyen ; er sparte sich vieles am Munde ab , um nur für den Staat desto mehr verwenden zu können , wo $ er jedoch ebenfalls so wirthschaftlich haushielt, daß er an den Rand des Berichts eines Kammerkollegiums schrieb : Der Quarc ist nicht das schöne Papier werth, sollen schlecht Papier nehmen , das ist mir gut genung." Nur für eine Ausgabe scheute der König keinen Aufwand , nämlich für die großen Rekruten vom pote= daminer Leibregiment, von denen mancher fünf bis zehntausend Thaler Handgeld kostete , und hernach auch noch ansehnlichen Gehalt erhielt. Aus allen Ländern wurden große Männer in Gutem und Schlimmen zusammengebracht ; nicht in den Kloster= zellen Italiens, nicht in den Bergschluchten des schot. tischen Hochlandes , waren ſie ſicher genug. Indessen versäumte Friedrich Wilhelm bey dies fer großen Vorliebe für das Leibregiment keineswegs die Sorgfalt für die übrigen Truppen. In allen Provinzen wurden jährlich Musterungen gehalten, und dabey weniger auf äußeren Puß , als auf gute Bewaffnung und übung, Rücksicht genommen . Be= deutende Verbesserungen im Kriegswesen kamen zur Ausführung . Die Bataillons theilte man, um sie bes quemer feuern lassen zu können , in Divisionen und Pelotons ab , und wußte das Heer so gefchickt zu üben, daß die Bewegungen eines Bataillons dem be= ften Uhrwerke glichen. Alles Material war, im Inlande verfertigt, bis zum überflusse vorhanden. Der ganzen Nation einen kriegerischen Geist gleichsam einzuhauchen, ertheilte man dem Militärstand überall den
II Borzug, und ihm erwies man die größte Chre. Cine Einfachheit in Sitten , Lebensweise und Kleidung, verbreitete ſich, vom Hofe ausgehend, über alle Stände. Dem Eurus, der Verschwendung und dem Müßige gange , so wie der Wollust und der Schwelgeren Eins halt zu thun , welche , wie auf den Körper des Einzelnen , so , überhandnehmend , auf das Ganze, den Staat , stets nachtheilige Wirkungen hervorbringen, ja ihn entnerven , fuchte der König , durch neue Auf lagen, den reicheren und verschwenderischen Theil der Einwohner auf måßigere Vermögensumſtånde zu bringen. Nebenbey ergriff man aber auch manchmal, woll ten jene Mittel nicht nüßen, außerordentliche, gewalts fame Maaßregeln. Die Residenzstadt des Königs glich einer großen Kaserne; dabey war das Schloß mit Stückgießereyen, Gewehrfabriken und Pulvermühlen c. gleichsam um zingelt. - Ein Jeder mußte von der untersten Stufe zu dienen anfangen , und konnte sich nur durch eine lange Reihe von Dienstjahren, und viele Erfahrungen, den Weg zu den höheren militärischen Stellen bahnen ; weder Regiment , noch Compagnie, noch Escadron, durften mehr verkauft werden. Die alte, rauhe Art, den Soldaten durch Stockschläge zum Dienfie zu bilden, ward abgeschafft. Die Erfindung des eisernen Ladstocks , statt des bisher gebräuchlichen hölzernen, das Werk des Fürsten Leopold von Dessau, bewirkte, daß der Soldat ungleich schneller laden konnte. Mit gleicher Thätigkeit, wie für das Kriegswefen, war der König für die Verwaltung besorgt. Er. felbft machte sich zum Präsidenten des Kriegs- und Domånen - Directoriums , und hielt die Herren so
12 strenge zur Arbeit an, daß er sie Mittags nicht aufeinandergehen ließ,,,bis sie alle vorliegende Sachen gänzlich abgethan , so daß die Membra des GeneralOber-Finanz-Kriegs- und Domånen - Directoriums, wenn diefelben bis 1 Uhr Nachmittags zusammen blei ben müssen , mit Essen und Trinken aus der Küche und Keller des Hofes versehen werden`ſollten. “ *) Die Bevölkerung zu mehren und dem Ackerbau aufzuhelfen , war Friedrich Wilhelm ebenfalls eifrig bemüht. Er begünstigte die Einwanderung auf alle Weise , und benüßte die Religionsverfolgungen in Schlesien, Böhmen und Salzburg, indem er den Vers triebenen in den verödeten Gegenden seiner Staaten Wohnplätze anwies , welche bald einen Oasenähnlichen Anblick gewährten. Obschon der König für die höhere Bildung wenig Sorge trug, so begünstigte er Dennoch die des Volkes durch Dorfschulen, Gymnasien und Soldaten- Unterricht. Die große Maſſe der Unterthanen konnte weder schreiben noch lesen, und die " ſem abzuhelfen hielt Friedrich Wilhelm für nüßlicher, als mit einigen Schöngeistern die gereifteren Früchte der schönen Literatur für sich zu brechen. Aber auch von diesem Baume gab es in Teutschland noch wenig zu pflücken. - Auf dem Theater ergößte noch der Hanswurst mit seinen Zoten ; der König liebte die Puppeńcomödie, und duldete kein französisches Thea= ter. **) Er war den Franzosen so abgeneigt , daß *) Friedrich's bes Großen Jugendfahre, Bildung und Geist 2C. Nebst einer Uibersicht der Regie rung Friedrich Wilhelm's I .; von Fr. Förster. **) Unter der Regierung Friedrich Wilhelm des 1 , -
13 feiner im Heer Aufnahme fand, wenn er nicht wenigs stens 6. Fuß maß. Zum Ärger der vornehmen Gesellschaft, die sich immer nach dem neuesten Gallakleide des französischen Gesandten trug , und um die , ihm widerlichen , französischen Moden aus seinen Staaten zu verbannen, ließ er eben solche Kleider von seinen Pro. foßen tragen, welche damals— wie die Scharfrich : erFür die Holländer für unehrlich gehalten wurden. hatte der König in Sinnesart und Lebensweise eine entschiedene Neigung ; sie schienen ihm unter den Völfern von teutschem Stamme die echtesten.
erzählt der Verfasser der "1 Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Fried rich des Großen " :"Die Haupt, und Staatsactionen , weiche auf den Bühnen des starken Man. nes und der schönemann'ſchen Geſellſchaft aufce, führt wurden, konnten einem Prinzen ( dem nocha maligen Friedrich dem Einzien ) unmöglich gefal , len, der die Meisterwerke eines Corneille, Racine, Moliere und anderer kannte. Inzwischen mußte er wider Willen öfters den elenden Vorstellungen, auf gedachten Bühnen beywohnen, weil sein Bas ter und der ganze pof sie mit Bergnügen sahen, Der König sah es auch bey solchen Gelegenheiten fehr ungern, daß der Kronprinz keine Miene ver zog, obgleich) alle Anderen aus Leibeskråften lachten, und er äußerte deshalb mehrmals , sein Sohn werde ein Kopfhänger werden. Einst wurde bie erbauliche Haupt- und Staatsaction : Tarquinius und Eukretia , auf der schönemann'schen Schaus bühne gegeben. Der König und der Kronpring waren zugegen, Als Lukretia die damals so bes liebte Krie fang : Spinnt , ihr Mädchen, spinnt , ach spinnt , 2c, lachte der König, so 2 Friedrich d. Einz. I.
14 Die Juftiz war ihm ein Gegenstand von hoher Gleich bey dem Regierungsantrit Wichtigkeit. schrieb er dem Justizministerium : " Die schlimme Juftiz schreit gen Himmel, und wenn ich's nicht remi dire, so lade ich selber die Verantwortung auf mich. “ In den Provinzen , wo mehr Er befahl ferner : als einerley Recht, theils das römische, theils das ſächfische, theils ein Gewohnheitsrecht gilt, wollen wir an richtigen Verfaffungen arbeiten laffen, damit alle, aus einem ungewissen Recht entspringenden Fehler und wie der ganze Hof , und fah sich zugleich nach dem Kronprinzen um, Da er bemerkte, daß dies fer ganz ernsthaft da saß, fragte er ihn : ,,Friß ! Sehr wohl , Ew. wie gefällt Dir das ?'' - „ Aber Majeftåt, antwortete der Kronprinz. — Du lachst ja nicht einmal, " fuhr der König fort, Ich habe heftiges Kopfweh , erwi derte Friedrich. - Der König schüttelte den Kopf, und schwieg. Nun ging das Stück zu Ende, und als das Schlußchor : Hab' Dank , Lukretia ! Deiner Ehr , ihund ersticht sich keine mehr , unter vielen Possen gesungen wurde, brachen die Zuschauer wieder in ein heftiges Ges lächter aus. Indem der König mit dem Krons prinzen aus dem Schauspiele ging , fragte er ihn wieber: ,,Nun Frit, wie hat Dir denn das ges Der Kronpring antwortete : Ganz fallen? wohl , Ew. Majestät , recht schön. ,,Aber auch nicht einmal hab' ich Dich lachen sehen " Der Kronprinz schüßte wieder das Kop weh vor. ,,Poffen", sagte der König mit Unwillen ; ,,wenn Dir nur Seine Franzosen ets was vorgeschnattert håtten , so würdest Du wp01 haben lachen können . “
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Gebrechen abgeschafft werden. Die Constitutiones follen fleißig verfaßt und im Lande publiciret werden." ,,Fiat justitia , pereat mundus !" war das Sprichwort, das der König öfter auf Todesurtheile schrieb, die er befahl. Strenge ließ er die Gesetze an Lornehmen , wie an Geringen , vollziehen . Nicht Reichthum, nicht Adel, vermochten den Bösewicht von derselben Strafe zu befreyen, die, in ähnlichem Falle, der Bettler zu erdulden gehabt hätte. Die ausübende und vollziehende Gewalt, die der König -sich selbst vorbehielt, war jedoch keineswegs weiter herab gestattet, wie wir dies u. a. aus dem Prügel - Mandat vom Jahre 1738 wiffen , worin Wenn aber Seine königliche Majestát es heißt: dergleichen barbarischem Wesen die Unterthanen gottloser Weise mit Prügeln oder Peitschen wie das Vieh anzutreiben, absolute nicht haben, noch ferner gestat tet wissen wollen. Wer dagegen handelt ſoll das erstemal 6 Wochen in der Festung karren, das zweytemal aufgehangen werden." c. Ein großer Fortschritt zur Grundlage einer freyeren Staatsverfaſſung war die Aufhebung des alDurch eine Verordnung ten Lehensverhältnisses. vom 5ten Januar 1717 erklärte der König , alle Länder ohne Unterschied in allen seinen Ländern (Staa ten) für Allodial, oder Erbgüter, erließ ihnen den sogenannten Nexum feudalem und was demselben Herkommens gemäß als Dienstverhältniß anklebte, für alle seine Nachkommen zu ewigen Zeiten." Friedrich Wilhelm ſchüßte den Bürger gegen die Beschrånkungen der Privilegien, den Bauern gegen das durch Verjährung so oft anscheinend zum Rechte gewordene 2
16 Unrecht. Beynahe 5 Millionen Thaler verwendete er zur Wiederaufnahme Litthauens , und 6 Millionen zur Wiederaufbauung vieler Städte, so wie zur Vers schönerung Berling, und zur Gründung Potsdams. Demt teutschen Kaiser und dem Reiche war er stets mit ganzem Herzen zugethan. Abhold dagegen war er Frankreich, wie fast allem , was aus diesem Lande kam , und auch gegen den englischen Hof hegte er keine vortheilhaften Gesinnungen. Von den mühsamen Geſchäften des Tags suchte er theils in seiner Familie, theils im Kreise einer vertraulichen Gesellschaft , Erholung und Aufheiterung. Seine Gemahlin , Sophie Dorothea, Prinzessin von Hannover und Tochter Georg L , Königs von Engs land, war sehr gebildet, aber nicht so folgsam gewöhnt, wie die übrige Umgebung des Königs. In seinen erſten Regierungsjahren hatte sie sogar einen nicht unbe deutenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenhei ten zu erlangen gewußt, den sie aber besonders deßhalb verlor, weil sie sich in die Heiratheangelegenheiten der Kinder, auf eine oft voreilige oder heimliche Weise, mischte, wodurch der König vorzüglich gereizt wurde. Mit gewissenhafter Treue indessen bewahrte Friedrich Wilhelm fein Herz der Gemahlin. Ganz mit ihr auf dem bürgerlichen Fuße lebend , nannte er sie bloß seine Frau , wohnte nahe mit ihr zus fammen, und da sie fast beständig mit ihren Kindern umgeben war, so begab er ſich täglich einigemal in dies fen Familienkreis. Dies waren die Eltern Friedrich des II., der bald als der Große , ja der Einzige, auf Zum besseren Preußens Throne glänzen foute.
17 Verständnisse seiner Geschichte hielten wir, den gegen wärtigen Abriß der Regierung seiner Vorgänger allem übrigen vorauszusenden , für nothwendig , und wir können nunmehr ohne bedeutende Zwischenerklärungen die Jugendjahre des in Bålde vor Europa und den Denkenden aller Erdtheile mit Hochachtung und Bewunderung verehrten Helden , darzustellen persuchen.
Erster
Abschnitt.
Geburt und Erziehung Friedrich's. Mißverhalts nisse zwischen ihm und seinem Vater. - Seine verunglückte Flucht , Gefangenschaft und Wieders aussöhnung mit jenem . --- Der Kronprinz zu 1 Rheinsberg. Tod Friedrich Wilhelm's . (Von 1712 bis 1740.) Karl Friedrich, der dritte Sohn des das maligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm , wurde den 24ten Január 1712 zu Berlin geboren, `und erhielt, da seine beyden älteren Brüder schon früher, in der Kindheit , gestorben waren , als dereinstiger Kronpring, den Titel eines Prinzen von Preußen und Hranien. Bis zu seinem siebenten Jahre leis tete die Oberhofmeisterin Madame Martha du Val, verwittwete de Rocoules * ) , eine alte Franzöſin, die Wittwe eines Obristen, welche schon dem Vater Sie wußte ihm gewartet hatte , seine Erziehung. eine große Achtung gegen ihre Nation und Sprache
*) unrichtig wird Friedrich's Erzieherin von M. I. Klarke, dem Verfasser der übergepriesenen ,,Gee schichtskunde von der Regierung Friedrich des Großen bis auf unsere Zeit" Madame du Bat de Boscoules genannt,
19 einzustoßen, welcher festeren er auch sein ganzes Lebent hindurch vor der, damals noch im höchsten Grade holperichten und unäusgebildeten, keutschen, den Vorzug gab. Sein Vater, im Jahre 1713 König, gewor den, liebte ihn mit zärtlicher Sorgfalt. Er schrieb (unterm 26ten April 1715) aus dem Lager von StralDieweil ich ein Mensch fund an den Staatsrath: und kann sterben, oder todgeschossen werden, so bes fehle ich Sie alle mit einander vor Friß zu sorgen ; da Ihnen Gott vor belohnen wird c." In den Laufgråben vor Stralsund lernte Friedrich Wilhelm den braven Jaques Egide du Han de Jandun kennen, der dorthin den Sohn des Feldmarschalls Grafen von Dohna begleitet hatte. Dem Könige gefiel der Hofmeister, der seinen Zögling in das Feld führte , und er bestimmte ihn zum Lehrer Duhan war mit seinem Vater, des Kronprinzen . durch den Widerruf des Edicts von Nantes hierzu Der Vaterveranlaßt , aus Frankreich geflohen. wurde in Berlin Gesandschafts- und Revisionerath, und sein Sohn hatte Rechtswissenschaft und Philoso phie auf dem Collège François in Berlin , besons ders bey la Croze , studirt. Friedrich selbst hat es immer mit liebens würdigem Bekenntnisse gestanden, wie viel er seinem ersten Lehrer schuldig zu seyn glaubte, obschon Duhan kein ausgezeichnetes Talent besaß und Friedrich's Bils dung erst dann eine ernste und entschiedene Richtung gewann, als ihm in späteren Jahren der Umgang mit andern Gelehrten in Rheinsberg von seinem Vater erlaubt worden war. Duhan unterrichtete den Kronprinzen in der Philosophie, französischen Literatur
* 20 und der Geschichte, und führte ihn bis er das 15te Jahr zurückgelegt hatte ; indem der König seine Bildung jezt als vollendet ansah * ). In den alten Spra chen hatte Friedrich keinen Unterricht, was ihm selbst sehr leid that, **) italienisch aber trieb er mit Lust. Für die Liebe zu dem Lehrer mehr, als für die Fortschritte des Schülers, (der auch in späteren Jahren nie richtig Französisch schreiben lernte, obschon er in dieser Sprache am-ſtärksten war, ) kann folgender jehlerhafte Briefzeugen, den er damals an Duhan schrieb. 99 Mon cher Duhan ,,Je Vous promais que quand j'aurez mon propre argent en main , je Vous donnerez enuellement 1400 ecu par an et je vous aimerais toujour encor un peu plus q'asteure sil me l'est posible . Potsdam le 20. Juin ,,Frédéric Pr . r.“ 1727. *) Friedrich's des Großen Jugendjahre 2c ; von Förster. **) Er erzählte zuweilen , er habe in seiner ersten Jugend einen Fehrer gehabt, der ihn in dem Lateiniſchen habe unterrichten wollen ; da aber sein Bater, einst gegenwärtig, während der Prinz aus der goldenen Bülle überfezte, einige ſchlechten la= teiniſchen Ausdrücke vernommen , so sey er mit der Frage auf den Lehrer zugegangen ,,Was machst Du Schurke da mit meinem Sohn ?" Ihro Majestát , ich explicire dem Prinzen auream bullam, sen die antwort gewesen, worauf der König mit den Worten : ,, Ich will dich Schurte auream bullem" den Stock aufgehoben, und ihn weggejagt habe. Seitdem hörte alles lateinisch fernen auf.
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Religionsunterricht erhielt er von dem Hofprediger Andráe, *) Mathematik und Kriegswissenschaft trug ihm der Major von Schöning vor. Die weitere Ausbildung des Kronprinzen hatte der König im Jahre 1718 von der Frau von Recoules auf den in den Waffen ergrauten General Grafen von Finkenstein, als Oberhofmeister, und den Obristen von Kalkstein, als Unterhofmeister , übertragen . Die pedantische Art , nach welcher dem Kronprinzen die Lehren der Religion eingeprägt wurden, mußten, bey seinen Anlagen, einen Eckel gegen dieselben erregen. Der Eifer des Vaters, wol mehr aber noch der Bigottismus des Lehrers , überstieg jede Gránze. Oft mußte Friedrich, wie seine Brüder, kleine jugendliche Vergebungen mit einer Reihe biblischer Sprüche, oder einer Anzahl Psalmen und Kirchengefange, büßen ; und so kam es, daß alle religiösen Gebräuche das Ansehen der Bestrafung erhielten. **) . *) Nach Förster; andere nennen den Hofprediger Boltenius. Gewiß ist, daß der Religionsuns terricht dem Kronprinzen mit steifer Ultförmigkeit ertheilt , und er unausgesezt mit dogmatiſchen Spisfindigkeiten und theologischem Wortkram gea plagt wurde. **) An den geringen Fortschritten , welche Friede rich in manchen Zweigen des Unterrichts, wenigs ftens anfangs, machte, war vorzüglich die schlechte Methode schuld, deren man sich damals bediente, Alles mußte auswendig gelernt werden , selbst Wissenschaften, die für den Verstand und das Herz gehören Diese Methode begünstigte der Vater des Prinzen ebenfalls, denn er war mit dem Fleiße desselben nur alsdann recht zufrieden, wenn
22 übrigens war die Erziehung des Prinzen mili tärisch und hart. Einen Kriegsfürsten zum Nachfolger zu bilden , war Friedrich Wilhelm vorzüglich bemüht. Frühzeitig ward er in den Waffen unterrichtet , mußte ſich bald nach den Gefeßen jenes Standes richten , auf die Wache ziehen , und -- > wie verfichert wird - sogar vor dem Schloßfe des Vaters Wache stehen. Ja, man behauptet fogar, er sey öfters er fein auswendig hersagen konnte. Beſtand er in dieſer Prüfung nicht so , wie es der König wünschte , so gab ihm dieser Pſalmen zum Auss wendiglernen auf. Friedrich ſcherzte zuweilen noch in seinen männlichen Jahren darüber , und fagte , er verdanke ſein gutes Gedächtniß dem Auswendiglernen der Pſalmen , wozu ihn sein Vater angehalten habe. Aus dem bis jegt Geſagten iſt ſchon ein bes schränkter Geist Friedrich Wilhelm's in mancher Beziehung nicht zu verkennen. Besonders zeigte sich dieser in seinen Religionsbegriffen. Er glaubte, daß, wenn er die Kirchen fleißig besuche, und mit frommen Predigern umgehe , alle seine Sünden dadurch getilat würden. Wie wenig er sich selbst verstand, wenn er von Religion sprach, sieht man aus folgendem Beyspiel : Er börte zu seiner Zeit oft von dem thätigen Christenthum reden, welche Worte einen besonderen Eindruck auf ihn machten , daher er ſie fleißig im Munde führte, aber jedesmal ſtåtig für thåtig ſagte. Einſt predigte ein Kandidat vor ihm , dem er sodann nach der Predigt seinen Beyfall bezeugte , und ihn so anredte : Nun, Ihr habt das Wort Gottes gepredigt, das ist gut ; predigt auch das ſtätige Christenthum. Der Kandidat versprach , daß er sich ernstlich befleißigen wolle , das thätige
23 in Arrest gekommen , zuweilen selbst bey Waffer und Brot *). Mit dem achten Jahre hatte er ein eige nes Eleizes Zeughaus erhalten , worüber ér vollkommen verfügen durfte. Friedrich von Renzel , ein Cadet, wenig ålter als der Kronprinz selbst , brachte ihm die militärischen Handgriffe bey. Später ließ der König für ihn ein Cadettenco : ps ( corps des chdets ) aus adeligen Knaben errichten , die er erereieren und mit denen er manóuveriren und paradiren
Christenthum zu lehren ; allein der König empfahl ihm wiederholentlich das ſtårige Christenthum, und merkte den Irrthum nicht , der Kandidat mochte den Accent auch noch so nachdrücklich auf das mißverstandene Wort legen. - Wenn der König seine kirchlich fromme Stunde (wie es Büsching nennt) hatte , so konnten die Heuchler Alles bey ihm ausrichten , wenn sie in der ihm bekannten , und gewöhnlichen frommen Sprache mit ihm redeten. Vorzüglich fanden die halliſchen Theologen , die im Geruch der Heiligkeit und Orthodoxie standen, Eingang bey ihm, und unter diesen auch der berüchtigte Lange , den er mehr: mals zur Tafel zog , und der ihn , wie bekannt, überredete, den Philosophen Wolf aus dem Lande zu jagen , weil er Religionswahrheiten aus der Vernunft erwies, - Die Philosophie überhaupt, betrachtete er , wie die schönen Wissenschaften nicht minder, als gefährlich für die Religion, und außerdem als zweckwidrig in's Besondere bey der Bestimmung des Kronprinzen. *) Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrich des Großen , 1r Theil, Seite 186. --- Papst, Professor zu Erlangen , Leben Friedrich's II. 1te Hälfte , Seite 20.
24 mußte. In der Folge erhielt er eine Compagnie bey des Königs Leibregiment , den großen Potsdamern, wie man sie zu nennen pflegte. Das Exercierregle ment und die Bibel waren die einzigen Bücher , die der Vater ihm erlaubte , und wie er erzogen wurde, ist unter anderem aus einem Rescripte an die hinter pommern'schen Landſtånde vom Jahre 1779 (27ten August) zu ersehen, worin der damalige König Friedrich der Große selbst, diesen , auf eine Beschwerde wegen der Versteuerung des Kaffees und Weines, antworten läßt : ..., übrigens find Se . königl. Maj. Höchstselbst in der Jugend mit Bierfuppe erzogen, mithin können die Leute dorten eben so gut mit Biersuppe erzogen werden. Das ist viel gesünder wie der Kaffee 2c." Vom Jahre 1718 an erhielt der Kronprinz einen eigenen Hofstaat, für den anfänglich jährlich 360 hernach 600 Thaler bestimmt waren. Die Oberhofmeister mußten stete genaue Rechnungen ablegen, welche der König durchsah und´oft Bemerkungen beyfügte *). * Aber schon frühzeitig regte sich in Friedrich der Geist, dem der in jeder Beziehung bey ihm angewendete militärische Zwang bald unerträglich wurde. In der Königin fand er eine zärtliche Mutter , die, auf die Gefahr des Zornes ihres Gemahls , ihm angenehmere Unterhaltung verschaffte. Er zeigte schon als Knabe Neigung und Talent zur Musik ; die Köni gin ließ ihm heimlich unterricht in der Flöte geben **), *) Wir theilen die Rechnung vom September 1719 der Seltenheit wegen im Anhange mit. **) In seiner ersten Jugend lernte Friedrich das
25 und bald versammelte er eine Anzahl Musiker bey sich, mit denen er entweder in versteckten Gewölben Concerte gab, oder er bestellte die Freunde in den Wald, wo er, statt nach dem Befehle des Vaters Schweine zu hehen, Flöten und Geigen aus den Jagdtaschen nehmen , und im dichten Walde muſiciren ließ. Der berühmte Flötenspieler und Componist Quan; fam 1728 im Gefolge des Königs August von Polen nach Berlin. Er spielte in den kleinen Hofkapellen der Königin ; auf Bitten des Kronprinzen nahm sie ihn mit 800 Thalern in ihren Dienst. Er war jedoch noch immer an den dresdener Hof gebunden, Klavierspielen , und zu gleicher Zeit die ersten Gründe der Harmonie , von Heyne , Organist an der Domkirche zu Berlin. - Auf Befehl des Vaters mußte der Anfang mit den Pſalmen-Melodieen des Tonkünstlers Marrot gemacht werden, in welcher Ubsicht er dem jungen Prinzen ein schön gebundenes Gesangbuch zum Weihnachtsges schenk gegeben hatte. Friedrich Wilhelm verläug nete selbst in der Musik seinen soldatiſch = religiös sen Charakter nicht. Seine Kapelle bestand aus dem ersten Chor der Hautboisten seines großen Regiments , welches der Kapellmeister Pepusch dirigirte. Da er das Feyerliche liebte, so ließ er gewöhnlich nur Arien und Chöre, vornåmlich aus den håndel'ſchen Opern, aber blos auf blaſenden Instrumenten spielen. Daß sein Geschmack übrigens nicht der feinste war, beweiset unter andern die Anekdote von den Musik : Schweinen , welche Pepusch, um ihn zu belustigen, komponirt hatte, und die er mehrmals vor ihm aufführen mußte. Der Prinz unterließ nicht , hiervon Stoff zu beißens den Anmerkungen her zu nehmen. 3 Friedrich d. Einz. I,
26 und erhielt jährlich nur zweymal Erlaubniß nach Berlin zu gehen. In den Frühstunden , wenn man den König beschäftigt , oder Nachmittags , wenn man ihn nicht zu Hause wußte, spielte Quanz mit dem Kronprinzen. Dieser warf dann die enge Uniform von sich, der steife Zopf wurde gelöst , er ließ sich die Saare à la française fråufeln , einen Haarbeutel einbinden und zog einen goldstoffenen Schlafrock an. So gekleidet war der Kronprinz auch eines Tages, da eben Quang mit ihm spielte, als plößlich der Liebling des Prinzen, Herr von Katt, in das Zimmer sprang, und erschrocken berichtete : der König fåme und sey ganz nahe. Dem Könige war des Kronprinzen Lieblingsneigung zu den Büchern und der Musik höchst zuwider , und er wollte also denselben überraschen. Katt ergriff in größter Eile die Kasten mit den Flöten und Musikalien , nahm den höchſterschrockenen Quanz bey der Hand, und sprang mit ihm und den Kasten in ein kleines, zum Einheizen der Öfen bestimmtes, Kabinet. Hier mußten sie über eine Stunde harren, und Quanz zitterte am ganzen Leibe, um so mehr , als er einen rothen Rock an hatte, eine Farbe, welche dem Könige höchst zuwider war. Der Kronprinz hatte zwar in größter Eile die Uniform angezogen ; aber der Haarbeutel war so geschwind nicht wegzubringen, und man kann leicht errathen, wie die Zusammenkunft ge= wesen seyn mag. Der König entdeckte bald die hinter den Tapeten verborgenen Schränke, wo die Bücher und die Schlafröcke befindlich waren. Diese ließ er gleich in das Kamin werfen , die Bücher hingegen befahl er, dem Buchhändler Haude zu verkaufen. Die ser behielt dieseiben zum Dienste des Kronprinzen, der.
27 davon einzeln abholen ließ , was er brauchte, bis ihm die ganze Bibliothek wieder zugestellt werden konnte. Unter Quanz's Anleitung blies Friedrich die Flöte bald meisterhaft. Die herzrührenden Säße in den für ihn verfertigten quanz'schen Konzerten spielte er vorzüglich mit einer Simplizität und inneren Empfindung , welche selbst wenige Virtuoſen haben. Im Allegro hatte er einen brillanten Vortrag ; aber seine Kammermusik verzog ihn, indem sie ihm bestån dig im Takte nachgab. Auch im harmonischen Sage war er nicht ganz unerfahren , und er komponirte mancherley. Seine Singkompositionen hatten weiter nichts Ausgezeich= netes , als fließenden Gesang , den er so sehr liebte. Aber bey seinen Flötensolo's hatte er die Absicht, irgend einen Theil des Vortrage auf der Flöte, den er so eifrig studirte, irgend eine Schwierigkeit der Exekution, irgend eine Genauigkeit in Artikulation der Tone, irgend eine Feinheit im Ausdrucke besonders, sich praktisch vorzustellen, und darüber nachzudenken. So entstand später eine der ersten muſikalischen Merkwürdigkeiten, ein praktischer Kursus über den Vortrag auf der Flöte, und von einem Manne, wie Friedrich der Große! Vergebens suchte der König den Kronprinzen an die Gesellschaft zu gewöhnen, in der er seine Erho lungsstunden feyerte. Während Friedrich Wilhelm und sein sogenanntes Tabakskollegium sich mit den Hofnarren beluftigten, saß Friedrich mit wenigen Freunden bey der stillen Lampe und las Wolf's Me taphysik. Sein weiches Gemüth, und sein schwächlicher Körper, erlaubten ihm nicht, ohne eine Krankheit zu 3*
28 veranlaffen , an den Parforçejagden des Vaters mit Lust Theil zu nehmen. Corneille, Recine und Voltaire, so wie die Meisterwerke der Griechen und Römer (durch französische übersehungen) kennend , und sie tåglich bewundernd , mußten ihn die teutſchen Hanswurst-Comödien mit Eckel erfüllen . --- Geschichte der alten Staaten war sein Lieblingsstudium , er lernte darin ein Leben der Sitte, des Rechts, der Schönheit kennen, gegen welches das Leben, in welches er sich geworfen sah, wie Fraße und Karrikatur erschien. Er erfuhr wol auch das Unrecht und die Schandthaten der Vergangenheit , aber verehrte auch die rächende Nemesis , die der Schuld auf der Ferse folgt. Immer schöner und schöner entfaltete sich mit dem Eintrit des Jünglingalters die Blüthe des Genies, und je weniger die angewiesenen pflichtmäßigen Geschäfte dem schon damals großen Geiste des Kronprinzen Befriedigung gewährten, desto feuriger wurde bey ihm die Liebe zu den Wiſſenſchaften. Sich stets, fo oft es ihm möglich wurde, von dem lächerlichen, aber hart bedrückenden Zwange losreißend, suchte er immer wieder in seinem einsamen Zimmer Erholung, bald bey den kräftigen Werken der Alten, bald bey den Herz und Geist erhebenden der neueren franzöfi= schen Schriftsteller. Zu Unterhaltung mit gelehrten Freunden mußte er, aus Furcht vor dem, bey der ge= ringsten Veranlassung sich stèts als zürnender Gebieter zeigenden , Vater , oft die nächtlichen Stunden wáhen *). *) Man sehe die Correspondance familière et amicale de Frédéric second , roi de Prusse, avec
29 Aus dem Gesagten geht schon hervor , daß die kostbare , für manchen so traurige Liebhaberey Friedrich Wilhelm's für das Soldatenwesen, nicht auf einen großen und edeln Zweck hinzielte. Das Militår war ihm , was dem Kinde die Puppe , dem Knaben der Er war Soldat , ohne Krieger zu seyn, . Ball ist. Herr einer Armee, ohne den Geist eines Feldherrn zu haben - er hatte die Sucht, Riesen zu halten, an der Figur der Soldaten zu künfteln, und sie unaufhörlich in den Handgriffen zu üben : lauter untrügliche Kennzeichen eines Geistes, der für das Große des Krieges nicht geboren ist. Dadurch hatte er sich in Europa Man eher lächerlich, als furchtbar gemacht. nannte Friedrich Wilhelm den Korporal unter den Königen, und dies drückte vollkommen feinen Geschmack an dem kleinen Dienste , und die wenigen großen Ideen aus, die er mit seiner großen Macht verband *)." Aber die Seele des Kronprinzen, nur an schönen und erhabenen Ideen Unterhaltung findend , konnte nur mit Mißvergnügen und Unmuth sich an die kleinlichen Manieren der Kriegübungen und das übertriebene , steife Ceremoniel gefettet sehen , worauf mit äußerster Strenge gehalten wurde. Der Mangel an
U. F. de Suhm , worin Friedrich ( tome premier, pag. 9) schreibt : Je me rapelle toutes nos conversations nocturnes , et je vous assure que je n'ai pas perdu un petit mot de tout ce que Vous m'avez dit etc." *) Lobschrift auf Friedrich den II. vom Grafen v. Guibert, aus dem Franzöſiſchen v. Zöllner, S. 2 und 3.
30 Intereſſe und Eifer, den er für den Dienſt blicken ließ, zeigte diese Unzufriedenheit merklich genug. Auch drückte er sie in feinen Mienen aus, wenn der König auf der Parade öfters die unbedeutendste Kleinigkeit mit Höchsteigener Hand bestrafte. Jeder Hieb, jeder Stoß, den der jähzornige Vater bald mit der Faust, bald mit dem Stock, oft blindlings , den Soldaten versehte, war demKronprinzen ein Schwertstreich, der fein Herz verwundete. Dieses Betragen zog ihm ſets den Unwillen des Vaters zu, der, in banger Besorgniß für das dereinstige Wohl Preußens, nicht seiten aufrief: Der Petitmaitre wird einmal Alles verderben.“ Täglich mehr in diesem Wahne beſtärkt, sowol durch das, was er selbst sah, als auch durch dasjenige, was ihm niedrig denkende Menschen einflüsterten, ging der König mit dem Gedanken um , Friedrich von der Thronfolge auszuschließen, und sie seinem zweyten Sohne, August Wilhelm , *) zuzuwenden, der gern in dem Familienkreise war , und überhaupt in allen Stücken ihm gefällig zu seyn_fich bemühte. Ben jeder Veranlassung drang daher der Vater in Friedrich, der Thronfolge zu entsagen , und sein Erftgeburtrecht dem Bruder abzutreten. Aber mit Bestimmtheit erklärte dieser , er wolle sich eher den Kopf abschlagen lassen , als dem König in seinen ungerechten Forderungen nachgeben. Zuleht schien er sich dennoch bereit dazu finden zu laſſen , jedoch blos unter der Bedingung, wenn sich sein Vater entschließen wollte, in einem
*) Dem Großvater des jezigen Königs, Friedrich Wilhelm des 111,
31 öffentlichen Manifeſte zu erklären, daß er ihn nur aus dem Grunde von der Thronfolge ausschließe, weil er (Friedrich) nicht ſein leiblicher und ehelicher Sohn sey." --- Von diesem Augenblick an hörte jede Zumuthung der Art auf, denn Friedrich Wilhelm, strenge auf eheliche Treue ſehend, wäre zu einem solchen Schritte wol durch nichts auf Erden zu bewe= gen gewesen. übrigens beweist diese Erklärung unstreitig Verstand , und eine vollkommen genaue und richtige Beurtheilung der Dinge. Aber immer neuer Stoff bot sich dar, die Unzufriedenheit des Vaters mit dem Kronprinzen zu unterhalten. Der damalige französische Gesandte zu Berlin , Graf von Rothenburg, erzählt, der König habe einst jenen überrascht, als er sich bey der Tafel eines filbernen Bestecks bediente, und dies so heftig geahndet , daß es zu Thätlichkeiten gekommen sey. Friedrich Wilhelm wollte durchaus von der vorge schriebenen Tafelökonomie des Kronprinzen nicht ab weichen , und zwey Personen besonders nåherten ſtets die zwischen Vater und Sohn herrschende Spannung, indem sie den ersteren unausgeseht entweder ſelbſt, oder durch ihre Kreaturen, unterrichteten, wenn diefer etwas mehr Aufwand machte. Daß man nicht immer bey der Wahrheit blieb, läßt sich leicht errathen. did Jene Leute waren der Minister von Grumbkow , dem sich auch der Fürst Leopold von AnhaltDessau anschloß, beyde um gewisse Plane zu fördern, vorzüglich aber der östreichische Gesandte von Secken dorf, ein schlechter General, aber desto gefährlicherer Staatsmann , dieser jedoch aus anderer Absicht. "So unumschränkt der König seine Wilkür
32 glaubte", fagt Förster,,,so wußten doch Einige, de nen er besonderes Vertrauen schenkte, ihn zu ihrem Vortheil zu beschränken und von sich abhängig zu machen. Von den eigenen Hofleuten wußte der Ge= neral und Minister von Grumbkow am Besten mit dem Könige umzugehen, folgsamer jedoch war er dem Gesandten des wiener Hofes , Grafen Seckendorf, der dadurch den garzen berliner Hof von ſich abhängig zu machen gewußt hatte.“ Die lebendige Schilderung die uns Pólniß von ihm gibt, ist nicht sehr vortheilhaft : Von SeckenDorf affectirte teutsche Redlichkeit , die er doch nicht fannte, und befolgte unter der trügerischen Außenseite der Frömmigkeit, alle Grundsäge des Machiavell. Mit dem schmußigsten Eigennuße verband er ein grobes Betragen. Lügen waren ihm so zur Gewohnheit ge= worden, daß er den Gebrauch der Wahrheit von Kin dekbein an verloren zu haben ſchien ; es war die Seele eines Wucherers, die bald in den Körper eines Kriegsmannes, bald in den eines Kaufmannes fuhr . Falsche Schwüre und die abscheulichsten Niederträchtig= keiten kofteten ihm nichts, sobald er etwas durchseßen wollte. Mit seinem Gut war er geizig , aber verschwenderisch mit dem Gelde seines Herrn, und gab. von beydem täglich die auffallendsten Beweise." Obschon er zudem rauhe und båuerische Sitten besaß, so hatte er dennoch Friedrich Wilhelm von seinen Verbündungen mit Frankreich und England abgezogen, ihn zu dem Vertrage von Wusterhausen beredet, und gegen seinen Schwager Georg den 11. so sehr aufge= bracht, daß er im Begriffe war, die Waffen zu ergrei fen, wenn es nicht noch ehrwürdige Patrioten durch
- 33 ihre Standhaftigkeit und Freymüthigkeit verhindert hätten. - Dessen ungeachtet wußte er , mit Hilfe einiger Generale und Minister , den König so sehr einzunehmen , und sich so ganz seines Geistes zu be mächtigen, daß er ihn völlig nach den Absichten des wiener Hofs lenkte, und in das östreichische StaatsDer einzige Kabinetsminister interesse verwebte. Friedrich Ernst von Knyphausen stemmte sich noch eine Zeitlang mit seinem patriotischen Eifer dem Strome entgegen. Aber bald fühlte er, daß alle seine Gegenbemühungen unfruchtbar blieben, und er zulet mit Ungestum und mit Gefahr seiner Ehre verdrungen werden würde. Er fing an, sich weislich zurückzuzies hen und beklagte in der Stille mit dem Kronprinzen, dem diese politische Lage der Dinge tief in die Seele ging, den traurigen Zustand der Staatsangelegenhei ten. Allein unvermuthet traf ihn der Sturm , und er wurde auf seine Komenthurey verwiesen. „Meine Frau und die ganze Welt“, ſchrieb Friedrich Wilhelm einft,,,ift gegen ihn (Seckendorf), der Fürst von Anhalt und mein Frih hassen ihn wie die Pest, aber er ist doch ein brav Kerl und hat mir lieb... Und hab ich vor ihn gethan, was ich vor keinen Minister in der Welt thun werde." Zwey Freunde hatte damals Friedrich, denen er sein völliges Vertrauen schenkte, von Keith und von Katt. Pólnih gibt uns von ihm eine getreue, lebhafte Schilderung. Keith, damals noch Page des Königs, hatte ein sanftes theilnehmendes Gemüth und bezeugte dem Kronprinzen Mitgefühl bey der Strenge, die er erfuhr. Dieser gab ihm dafür manchen Beweis des Vertrauens, und daß er ihm etwas
34 werth sey, und so mußte in dem Pagen, der von dem künftigen Könige so ausgezeichnet wurde, der Gedanke erwachen, einst eine bedeutende Rolle zu spielen ; er ward jedoch bald nach Weſel als Lieutenant verseßt. Katt war Lieutenant unter den Gardegendarmen. Er hatte dem Kronprinzen sich unentbehrlich gemacht, fein Äußeres empfahl ihn wenig ; er war klein, die Pocken hatten sein Gesicht sehr zerrissen , er war von der Sonne verbrannt , feine starken Augenbraunen hingen wie schwere Wolken über seinen melancholischen Augen. Die Gunst des Prinzen hatte seinen Ehrgeiz gesteigert; auf Alles machte er Anspruch, der Kron prinz versagte ihm Nichts ; er trug beständig ein Miniaturbild der Prinzeß Friederike bey sich, daß er sich von dein Kronprinzen ausgebeten hatte. Er benahm sich in dem Verhältniß zu seinem hohen Freunde, wie ein indiskreter Liebhaber , überall zeigte er feine Briefe vor , erhob ihn zum Himmel und tadelte öfs fentlich Alles, was der König that ; er forderte einen Jeden auf, Parthey mit ihm für den Kronprinzen gegen den Vater zu machen. Seine Lebensart war nicht regelmäßiger als sein Verstand, er war ein Wüftling bis zum übermaaß, affectirte gar keine Religion zu haben , und überließ sich mit einem Worte allen Ausschweisungen." Nicht viel günstiger ist das Bild, das uns die Schwester des Kronprinzen (die nachmalige Markgrá fin von Bayreuth) von dem Lieutenant Katt gibt. ,,Sein Vater , der General von Katt , - so erzählt fie - hatte ihn studiren laffen und bestimmte ihn wegen seines ausgezeichneten Genies zum Civildienst ; 2 Der König befahl es anders, und nahm ihn unter die
35 Gardegendarmen. Der Umgang mit dem franzöſiſchen Gesandten , Graf Rothenburg , Reiſen und Lektüre, hatten seinen Geist und feine Sitten verfeinert ; er war sehr gebildet und besaß einen höchstangenehmen und leichten Gesprächston. Zugleich war er sehr håß. lich von Gesicht, braun und voll Nåthe, die die Pocken zurückgelassen hatten , die dichten schwarzen Augen braunen, die ihm faſt die Augen deckten und über der Nase sich vereinigten , gaben ihm eine unglückselige Physiognomie. Er war ungeheuer ausschweifend und spielte den starken Geist. Bey ihm verlor mein Bruder alles Christenthum und ließ sich zur ausgelassen. ſten Liederlichkeit fortreißen. Ich merkte wol hier und da etwas in meines Bruders Gesprächen , und widerlegte oft sein System von der Prådestination, wodurch er behauptete, man könne sich der Sünde nicht erwehren. ― Ich hatte nicht gedacht, daß er mit dies sem Saß alle Religion umwerfen würde." ― Dem Vater blieb solcher Umgang keineswegs verborgen , und seine Strenge gegen den Kronprinz ward dadurch nun noch mehr gerechtfertigt ; er ließ ihn sogar wieder Fähndrichsdienste thun. Im May 1728 reiste der König allein nach Preußen, der Kronprinz blieb in Potsdam unter der Aufsicht des Obersten von St. Sauveur ; dieser erhielt Befehl den Fechtmeister Panzendorf nach Potsdam kommen zu lassen, damit der Kronprinz Lektion habe." Die Heirathsanträge die der Graf Seckens dorf machte, waren durchaus nicht im Sinne der Kö nigin , die gern eine Verbindung ihrer Kinder mit dem väterlichen Hause in England einleiten wollte. Auch der König war sehr geneigt dazu und die
36 Unterhandlungent wurden ernsthaft angeknüpft. Der Herzog von Glocester (er ſlarb als Prinz von Wales) follte sich mit der åltesten Prinzessin von Preußen, Friederike , und der Kronprinz mit der englischen Prinzessin Amalie , vermählen. Man wollte durch diese Familienbande jenes politische Bündniß noch enger knüpfen , das beyde Höfe gemeinschaftlich mit Frankreich und den Generalstaaten zu Herrenhausen, bey Hannover , geschloffen hatten (3ten September 1725 ). Die Sendung des Grafen Seckendorf hatte vornehmlich die Absicht , die politische Verbindung, und also auch die Familienvereinigung Preußens und Englands, zu hintertreiben. Es glückte ihm, wie wir schon erwähnten , den König zu überreden , daß England ihn mit ungebührlichem Stolze behandle, und so gelang es ihm zuvörderft durch ein politiſches Bünd'niß, das zu Wusterhausen den 12ten October 1726 unterzeichnet wurde, den König ganz auf die Seite des wiener Hofes zu ziehen. Desto hartnäckiger hielt die Königin den einmal gefaßten Plan feft, und selbst als der König wegen gewaltsamer Werbung in Hannover, von Georg dem 11. eine Kriegserklärung erwarten mußte , unterließ sie die Heirathsunterhandlungen nicht, so streng sie auch der König untersagt hatte. Als er die fortgefeßten Verbindungen erfuhr , welche die Königin mit dem englischen Minister Doubourgeai fortfeste , so schickte er ihr durch die Generale Fink, Bork und Grumkow die Erklärung : „ daß er ihrer Intriguen, die sie mit dem englischen Höfe spiele, müde sey, daß er ihr hiermit durchaus verbote , sie weiter fortzusehen , daß er jeßt fordre , daß sie sich entschließe , ihre Tochter entweder dem Markgrafen
37 von Schwedt, oder dem Prinzen von Weißenfels zu geben. Verweigere sie den Antrag , so sey er fest entschlossen , ganz mit ihr zu brechen und sie mit dem Kronprinzen nach Brandenburg zu verbannen, den er nicht weiter für seinen Sohn anerkennen werde, da er gemeinschaftliche Sache mit ihr mache. " Die Königin verweigerte standhat ihre Einwilligung ; der König ging nun selbst zu ihr , mußte fich aber zur Nachsicht bequemen , da die Königin , die eben guter Hoffnung war, mit Bitten , Thränen , Schwüren und Ohnmachten ihn so aus der Fassung brachte, daß er versprach, noch einmal die Anträge zu hören , die der englische Minister Hotham machen würde, den man eben erwartete . Der König håtte wol gern seine Prinzessin an den Erben der englischen Krone vermählt gesehen, aber in sein Haus wollte er keine englische Prinzessin nehmen. Der Ritter Hotham kam mit ausgedehnter Vollmacht an, die Königin durfte ſich ſchon an dem Ziel ihrer Wünsche glauben, als der König das Verhältniß von Neuem dadurch störte , daß er über Tafel nur auf die Gesundheit des Prinzen von Wales und der Prinzeß Friederike trank , und dem Ritter erklärte der Kronprinz sey noch zu jung, auch verlange er, daß man ihm zum Statthalter von Hannover ernenne und dort mit der Neuvermählten residiren lasse. Auch hierzu traf die Einwilligung von dem engliſchen Hofe ein, Hotham überbrachte sie dem Könige, mit der Anforderung, den General Grumkow zu entlassen, der sich, durch einen Briefwechsel nach London , mit dem dortigen Hofe verdächtig gemacht habe. Der König fah recht gut, daß diese Bedingung, durch die 4 Friedrich d. Einz. I.. 109014
38 Intriguen des eigenen Hauses angezettelt war, er warf dem Minister Hotham die Briefe vor die Füße, am wenigsten", rief er im heftigsten Zorne aus, fellt Ihr in meinem Hause mir Gefeße vorschreiben," und machte eine Bewegung mit dem Fuße , von der der Minister glauben mußte , daß sie ihn gegolten habe. Er nahm diese Begegnung als eine Beleidi gung gegen die Krone Englands, und erklärte, ſogleich Berlin zu verlassen . Vergebens fuchte der König am andern Tage den erzürnten Briten zu beruhigen , der dänische Gesandte suchte den Vermittler zu machen, und rieth dem Kronprinzen , an Herrn Hotham zu schreiben; dies ist der Brief: „ Nachdem ich von dem danischen Gesandten, Herrn von Leuenöhr, die neu lichen Äußerungen des Königs , meines Vaters , erfahren habe, so zweifle ich nicht, daß Sie ſich seinen Wünschen fügen werden. Haben Sie die Güte zu bedenken, daß mein und meiner Schwester Glück, so wie die Fortdauer des Bündniſſes und das gute Vernehmen der beyden Häuser von Ihrer Antwort ab hängen. Ich hoffe , daß dieselbe nach meinen Wünschen ausfallen wird, und daß Sie meinen Bitten Gehör geben werden. Ich werde diesen Dienst, den ich mein ganzes Leben hindurch erkennen , und wofür ich ftets die vollkommenste Hochachtung an den Tag legen werde, nie vergessen. Seyen Sie auch versichert, daß ich jederzeit Ihr wohlaffectirter und sehr guter Freund. ſeyn werde. — Friedrich.“ – Hotham antwortete: „ Der Herr von Katt hat mir das Schreiben E. k. H. überbracht. Das Vertrauen, das Sie in mich seßen, fordert meine ganze Erkenntlichkeit. Wäre die Rede blos von meiner eigenen Person , so würde ich im
39 Stande seyn, selbst das Unmögliche zu versuchen, um Ihnen meine Ehrfurcht und Bereitwilligkeit , Ihren Befehlen zu gehorchen, zu zeigen. Da aber der mir angethane Schimpf die geheiligte Person des Königs, meines Herrn, betrifft, ſo bin ich außer Stande, mich dem Wünschen E. f. H. zu fügen. Unterdessen werde ich mich bestreben , dieser Sache die bestmög lichste Wendung zu geben. Ob dieses nun gleich die gegenwärtigen Unterhandlungen auf einige Zeit unterbrechen wird, so hoffe ich doch, daß dies nicht auf immer der Fall seyn wird. ´Ich bin 2c.“ -― So sehr die Königin über diese Antwort betrübt war, so wenig bekümmerte sie den Kronprinzen. Er zuckte die Achseln , und sagte seiner Schwester im Scherz: fie könne nun Äbtissin werden ; im Ernst fügte er aber hinzu, daß er sich bald aus diesen Händeln ziehen werde, sein Entschluß, davon zu gehen, sey der Ausführung nahe, und er wisse, wo man ihn mit offe nen Armen aufnehmen werde. Sie haben mich, sagte er, zu König Arthus Tafelrunde geladen, dort ist der Hafen der Freyheit , und um einer schönen Braut willen ist schon die Ritterfahrt zu wagen. So fehr die Schwester ihn mit Thränen beschwor, den våterlichen Hof nicht zu verlassen, so gab er ihr doch die bestimmte Versicherung, daß er seine Flucht nicht länger verschieben werde. Er fürchtete, daß der König , der ihm kürzlich mit den Worten : ich werde Dir Dein Schreiben anstreichen! verüber gegangen war , Nachricht von einem Briefe habe, den er der Königin von England geschrieben hatte, worin er versicherte, sich nie mit einer anderen Prinzessin , als einer englischen, zu vermählen. —
40 Der Kronprinz , und mehr noch der Lieutenant Katt, der, wie ein indiscreter Liebhaber, die Briefe seines Freundes vorzeigte, hatten so wenig Geschick, ihr Unternehmen zu verbergen , daß bald der ganze Hof und zuerst Grumkow und Seckendorf davon wußten. Als ein Zeichen, wie sehr er mit dem Kronprin= zen verbunden sey, zeigte Katt hier und da das Bildniß der Prinzessin Friederike vor, das ihm von dem Kronprinzen mit einigen Juwelen und Brieffchaften anvertraut worden war. Eben hatte der König, erzúrnt, daß er für den Kronprinzen 7000 Thaler Schulden bezahlen mußte, ein strenges Edikt ( 22ten Juny 1730 ) erlaffen,,,daß, hey Strafe der Kärre und nach Befinden Leib und Lebens, Niemand einem Minderjährigen, auch nicht von der königlichen und markgråflichen Familie, Geld lei= hen sollte." Dennoch hatte Katt einige Summen für den Kronprinzen aufzutreiben gewußt , auch hatte er bey dem königlich polnischen Kabinetsminister von Hoom um einen Paß für den Kronprinzen nachgesucht, da dieser unter einem fremden Namen eine Reise incognito zu machen wünsche. Hoym wußte , was Niemand in Berlin ein Geheimniß war , und be= richtete an den Hof nach Dresden über das Vorhaben des Kronprinzen, den man hier mit dem Könige zu dem Luftlager bey Mühlberg erwartete. - Oft hatte der Vater zu Schlägen und Schimpfworten noch den Spott hinzugefügt, und dem Sohne gesagt: Du bist ein Prinz ohne Ehre, wäre mir so begegnet worden, ich wäre längst zum Teufel gelaufen. Wir haben uns nicht zu bemühen einen
41 einzelnen Grund aufzusuchen, der die Veranlassung zu der Flucht wurde , durch die der Kronprinz sich auf inimer von der strengen Aufsicht des Vaters befreyen wollte, das ganze Verhältniß, in dem er lebte, forderte ihr dazu auf, und nach einem Beyspiel hatte er nicht. weit zu suchen, da Friedrich der I. eben so als Kronprinz von dem Hofe ſeines Vaters heimlich entflohen mar. Der Kronprinz hatte öfter schon gegen den Vater den Wunsch geäußert , auf Reisen zu gehen ; dieser, der mit seinen unruhigen Plänen bekannt war, schlug. es ihm ab; um ihm jedoch in beschränkterer Weise seinen Wunsch zu erfüllen, erlaubte er, daß er ihn auf . einer Reise nach dem füdlichen Teutschland , dem, Rhein und Holland begleiten dürfte. Mit Freuden nahm der Kronprinz diese Erlaubniß an , er war fest entschloffen , sobald ihm die Witterung der Freyheit: günstig die Segel ſchwelle, auf gutes Ritterglück davon zu gehen. Den 15ten July 1730 reiste er mit dem Könige ab. Eine Einladung des Königs August führte sie zuerst nach dem Luftlager bey Mühlberg. Schon hier war der Kronprinz im Begriff, den Vater zu verlas fen, König August aber, der durch seinen Minister in Berlin von dem Vorhaben des Kronprinzen unter richtet war, überredete ihn, das Fest und die Freundschaft nicht auf eine so unangenehme Weise zu stören. Von hier begab sich der König zu dem Markgrafen von Anspach; auch dieser war schon mit den Plánen zur Flucht bekannt, und weil er fürchtete, daß, renn sie bey ihm unternommen werde, er an dem König einen schlimmen Gast haben würde, ſo erlaubte er
42 nicht einmal dem Kronprinzen, Pferde aus dem Marstalle zu reiten . Der Graf Seckendorf erhielt in Anspach Briefe aus Berlin , die ihm meldeten , daß die Flucht Friedrich's dort ſchon das Stadtgeſpräch ſey ; er theilte sie dem Könige mit, der jeßt den Obristen von Rochow und den General Waldow, die er in seiner Begleitung hatte, für die Person des Kronprinzen verantwortlich machte. Die Gesellschaft fuhr weis ter, und wendete sich nach dem Rheine ; långer ge= dachte der Kronprinz sein Unternehmen nicht verschie ben zu dürfen , er schrieb an Katt: "In zwey Tagen bin ich frey , ich habe Geld, Kleider, Pferde, meine Flucht wird unfehlbar gelin= gen, und sollt ich verfolgt werden, fo will ich in einem Kloster mir eine Freistatt ſuchen, wo man unter Skapulier und Kutte den argen Keßer nicht heraus finden foll. Du wirst mir sogleich nachfolgen mit dem, was ich Dir anvertraut habe , und wenn wir uns auch erst jenseits des Meeres wiederfånden ; nimm Deinen Weg über Leipzig und Wesel nach Holland , dort wirst Du von mir hören.“ Durch einen sonderbaren Zufall ward dieser Brief der Verräther des Unternehmens , deſſen Ausführung unfehlbar schien. In aller Eil hatte der Kronprinz den Brief : ,,An den Lieutenant v. Katt über Nürnberg" adrefsirt, in ,,Berlin" aber vergessen. Der Postmeister in Nürnberg vermuthete , daß dieser Brief an einen preußischen Werbe-Officier , Namens Katt, der eben in Nürnberg sich aufhielt, gerichtet (ev, und gab ihn an dieſen. Während dem folgte der Prinz, ohne Ahnung jenerVerwechselung, mit der ihm eigenen Unbefangen
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43 heit sorglos ſeinem Vater bis nahe bey Frankfurt am Main , wo in einem Dürfe Nachtquartier genommen ward. Der König hatte vorgezogen , statt der eingeräucherten Wirthstuben , mit seinem Gefolge einige Scheunen mit bequemer Streu zu beziehen ; bey Friedrich schlief der Herr von Rochow und ein Kammerdiener. Von hier zu entfliehen war fester Enschluß des Kronprinzen ; den jungen Keith , Leibpagen des Königs , Bruder des Lieutenants Keith in Wesel, hatte er überredet , ihm um Mitternacht Pferde zu bringen, um mit ihm auf Abentheuer auszureiten. Sobald er seine beyden Schlafgesellen festeinge schlafen wußte, kleidete der Kronprinz ſich an ; er hatte überrock und Mantel nach französischem Schnitt bey sich, unter diesen hoffte er sicherer zu reiſen, als in der Uniform. Aber das verrätherische Scheunthor knarrte zu laut, der Kämmerdiener erwachte, rief dem Herrn von Rochow zu, der Kronprinz ward vermißt, beyde liefen , ohne sich anzukleiden , nach der andern Scheune, in der die Herren von Buddenbrok , Waldow und Derschow ſchliefen, um hier Lårm zu machen. Alle eilten in das Dorf, wo sie den Kronprinzen an einen Wagen angelehnt fanden , seine Reitpferde er wartend. Sehr bestimmt antwortete er ihnen auf die Frage : was er vorhabe? daß er nicht nöthig habe ihnen Rechenschaft davon zu geben. Die Pferde kamen an, der Kronprinz versuchte aufzufißen , die Officiere hinderten es jedoch, theils mit Gewalt, theils mit Bitten, und mit dem Versprechen, daß der König durchaus nichts von diesem Vorgang erfahren sollte ; nur baten sie ihn , nie anders, als in uniform,
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auêzureiten. Der König erfuhr auch wirklich von diesem Vorgange nichts, und noch einmal war das Ungewitter vorübergegangen, aber nur um am folgenden Tage sich desto heftiger zu entladen. In Frankfurt erhielt der König durch eine Stafette den Brief des Kronprinzen an Katt , der ihm von Nürnberg zugeschickt ward ; er kannte die Hand und auch die Gesinnung des Kronprinzen zu gut, als daß er hier zweifeln konnte. Außer sich vor Zorn, befahl er , den Kronprinzen sogleich auf das Schiff zu bringen, das bereit lag zur Fahrt nach Wesel. Am folgenden Tage erst stieg der König ein, er war noch so zornig, daß er den Kronprinzen bey der Brust faßte und ihm mit dem Stockknopf die Nase blutig stieß. Mit verbisfenem Schmerz rief dieser aus : ,,Jamais un Visage de Brandebourg n'a souffert un affront pareil !" Die Herren von Waldow und Rochow warfen sich zwischen beyde, und erhielten vom erzürnten Vater die Erlaubniß, den Prin· zen auf einer besonderen Jagt nach Wesel zu bringen. Zuvor ließ der König ihm den Degen abnehmen , die Taschen durchsuchen, um zu sehen, ob er nicht Briefe bey sich habe. Man fand nichts, der Kronprinz hatte einige verdächtige Schriften sogleich in das Wasser geworfen. So kam man nach Bonn, wo der König in gegenwärtiger Verfassung dem dortigen Hofe aus zuweichen wünschte , allein er fand den Churfürsten von den Pfalz und deſſen Bruder Theodor am Ufer des Rheins. Er konnte nicht abschlagen, eine Nacht in Bonn zuzubringen ; da er hier öffentlichen Lärm fcheute, war er sehr besorgt , der Prinz möchte von hier noch einmal die Flucht wagen. In zwey Tagen
45 war die Fahrt nach Wesel zurückgelegt , hier wurde der Prinz in ein Zimmer eingeschlossen und erhielt starke Bewachung ; bey Lebensstrefe war verboten mit ihm ein Wort zu reden. Am folgenden Tage befahl der König dem Commandanten der Festung , General von Mosel , den Kronprinzen zu ihm zu führen. Warum, fragte der noch immer erzünte Vater, haſt Du austreten wollen ? Weil Sie, antwortete der Prinz, mich nicht wie Ihren Sohn , sondern wie Ihren Sklaven behandelt haben. - „ Du bist ein infamer Deserteur, der weder Muth, noch Ehre hat.“ - Ich habe so viel als Sie, entgeg= nete der Prinz , ich habe das nur thun wollen , was Sie, wie Sie oft sagten, an meiner Stelle thun würden. Diese heftige Antwort reißte den König zu neuer Wuth, er zog den Degen. Entschloffen faßte der Ge= neral Mosel den Arm des Königs ; „ tödten Sie mich“, rief er, aber schonen Sie das Haupt des Kronprin zen." *) Der König ward dadurch überrascht, und der General benüßte die Gelegenheit , den Kronprinzen wieder auf sein Zimmer zu führen. Auf angelegentliche Vorstellungen der Generale. des Gefolges, vermied der König, den Prinzen wieder zu sehen. Er übergab den Generalen von Dossom und von Waldow und dem Obristen von Rochow die Bewachung des Prinzen, mit dem Befehle : ihn so ge= schwind und heimlich als möglich nach Mittenwalde bey Berlin zu bringen , und daselbst seine weiteren *) Diese Scene ist von Schubert gezeichnet , von Berger gestochen.
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Befehle zu erwarten. Er verbot ihnen das hannóverische Gebiet zu berühren , weil er fürchtete , daß der Kronprinz leicht hier Freunde finden möchte, die ihm gefällig seyn könnten. Fast wåre dem Kronprinzen die Flucht aus Wesel noch geglückt. Von unbekannter Hand waren ihm Bauernkleider und eine Strickleiter zugesteckt worden. Schon hatte er die Leiter befestigt und stieg herab, als das Werda ? der Schildwache ihn zur Rück. fehr bestimmte. Während der Reise nach Brandenburg machte der Kronprinz keinen weiteren Versuch zur Flucht, was wol möglich gewesen wäre, wenn er sich håtte dem Landgrafen Wilhelm von Hessen- Kaffel oder dem Hers zoge Friedrich von Sachsen-Gotha, durch deren Gebiet er geführt wurde, entdecken können. Beyde haben den Herrn von Pólnig versichert , daß sie bereit ge wesen wären , den Kronprinzen nicht zu dem Vater bringen zu lassen. Vielleicht sind dies indessen auch nur gute Versicherungen, die hintenher leicht zu geben waren ; schwerlich würden jene Fürsten eine Einmi. schung in so besondere Familienangelegenheiten des ihnen wolbekannten, eisenfesten Königs gewagt haben. Sobald der König den Kronprinzen in Frankfurt festnehmen ließ, sandte er Befehl nach Berlin, um Den Lieutenant v. Katt, und nach Wesel, um den Lieutenant v. Keith, der früher Page bey ihm war, und in einem nahen Verhältniß zum Kronprinzen stand , zu verhaften. Ein glücklicher Zufall rettete Keith. An dem Tage der Ankunft des Königs ging er unbesorgt auf dem Markt spaßieren , er frug einen Pagen , der mit der Bagage des Königs voraufgefahren war, nach
47 Hofneuigkeiten. Von ihm hörte er von der Gefangennehmung des Kronprinzen , von dem Gerücht über Katt's Verhaftung in Berlin, und von Briefen, die er Keith eilig dem Commandanten übergeben solle. merkte , wem dies gelten möchte , er stieg eiligst zu Pferde und ließ die Stadt hinter sich ; man traf ihn nicht mehr, da man ihn verhaften wollte. Er hatte nur einen Spaßierritt vorgegeben, man fand alle seine Sachen in gewöhnlicher Ordnung, und wartete deßhalb ruhig , aber vergeblich , auf seine Rückkehr. Schon hatte er die holländische Gränze gewonnen , als ihm der Obristlieutenant Dumoulin nachsehen mußte ; die fer verfolgte seine Spur bis in den Haag, und ſtieg in eben dem Wirthshause ab , in dem Keith eingekehrt war, aber sich sogleich in den Schuß des engliſchen Gesandten, Milord Chesterfield, begeben hatte. Von ihm erhielt Keith Påffe nach London, und während Dumoulin von dem Großpensionår die Auslieferung des preu ßischen Officiers, als eines entwichenen Majestäts-Verbrechers, forderte, war dieſer ſchon in ſicherem Port. Keith fand gute Aufnahme in England , jedoch fürchtete man am Hofe zu London, den König Frieds rich Wilhelm zu sehr aufzureißen , wenn man dem Flüchtling öffentlich Schuß gewähre ; er ward mit einer Pension zunächst nach Irland geschickt , von wo er hernach, als Preußen wiederholt die Auslieferung forderte, nach Portugal in die Dienste des Königs Don Juan des V.trat. Friedrich der II. rief ihn fpåter zurück , nahm ihn in sein Gefolge auf, und machte ihn zum Curator der Akademie. Der Page Keith, der dem Kronprinzen in dem Dorfe bey Frankfurt die Pferde gebracht, wurde gefan=
48 gen gefeßt, hernach als Fuselier untergesteckt. Der ents wichene Lieutenant Keith dagegen abwesend von einem Kriegsrecht gerichtet, zuvor aber öffentlich vorgeladen . Nicht so glücklich entging der Lieutenant von Katt der Gefahr, in die ihn die Freundschaft des Kronprinzen, und mehr noch die eigene Unvorsichtigkeit, gezogen hatte. Zeitig genug erfuhr er durch den dánischen Gesandten, von Leuenöhr, was dem Kronprinzen begegnet sen, auch bot ihm dieser Pferde und Geld an zur schnellen Flucht. Katt aber war sorglos genug, ſich zuvor noch einen französischen Curiersattel zu bestellen . Den 15ten August erhielt der Chef der Gendarmen, von Nahmer , den Befehl , Katt zu verhaften . Er hatte ihm kurz vorher Urlaub zu einer Jagdpar = thie nach Friedrichsfelde gegeben, deßhalb gingen mehre Stunden hin, eh' Nahmer Anstalt zum Arreßt machte. Da er aber hörte , daß er noch in der Stadt anwesend sey, begab er sich in seine Wohnung , wo er ihn eben im Begriffe fand, das Pferd zu besteigen , das ihn auf und davon tragen sollte. Nahmer kündigte dem Lieutenant den Befehl des Königs an , worauf jener antwortete : „Ich habe nichts zu fürchten .“ Der Obrist dachte jedoch ernſter über diese Sache nach, und rieth ihm noch freundschaftlich , ſeine Briefe zu ordnen. Kait verbrannte einen Theil davon , das Kästchen aber, das der Kronprinz versiegelt ihm zuge= fendet, übergab er zu treuen Hånden für die Königin . Ein Adjutant führte ihn nun nach der Hauptwache, und hier blieb er bis zur Ankunft des Königs *). *) Dr. F. C. I. Fischer , in seiner ,,Geschichte Friedrich's des Zweyten" , und ohne Zweifel
49 Eine sehr glaubwürdige Erzählung über die Verabredung des Kronprinzen mit Katt und Keith, und über die Schicksale beyder Freunde, befißen wir von der Hand des Freyherrn von Hertefeld , der als Landrath zu Böhelaar bey Xanthen am Rhein lebte. Wir heben davon Folgendes aus : ,,Mein Vater , geboren 1709 , kand im Jahre 1730 bey den Gendarmen als Lieutenant , bey wel= den sein unglücklicher Freund , der Lieutenant von Katt, auch stand . Dieser , der Lieutenant von Keith, und der Lieutenant von Spaen, waren des Kronprins zen Vertraute, welche ſeine Entweichung nach England befördern sollten. ....Keith war in Wesel, als der Kronprinz dorthin gebracht wurde, dieſer fand Mittel, ihm einen Zet= tel zuzusenden, worauf er mit Bley geschrieben hatte: Sauvez vous , tout est decouvert. Keith erkennt die Hand, geht nach seinem Stalle , sattelt selbst sein Pferd, und unter dem Vorwande eines Luftrittes, kömmt er glücklich aus dem bṛüniſchen Thore, von wo er bis Dingden , dem ersten münster'schen Dorfe , eine Meile von Weſel, in einem Gallop reitet ; von da ritt ihm nach auch Klarke (Geschichtskunde 2c.), erzählen ganz fälschlich , Katt habe in Holland ein Fahrzeug in Bereitschaft gehalten ; er sen, nach Entdeckung des Projects, und trog der, von dem Großpensionår gegen die, ihn zu fangen auss gesendeten , preußischen Officiere , ausgestoßenen Drohung , fie bey der geringsten Unternehmung aufknüpfen zu laffen , verhaftet worden , worauf der preußische Gesandte im Haag , Meinershagen, vor Schrecken gestorben sey 2C. Friedrich d. Einz, 1,
50 er, durch's Overyffel'sche, gerade nach dem Haag, wofelbft er zu einem Ambaſſadeur geht, (mir ist entfallen, ob mir mein Vater den engländischen, oder den französischen genannt hat , *) erzählt ihm sein Schicksal, und bittet um Schuß. Dieſen ſagt der Gesandte ihm zu , bringt ihn selbst in eine Dachstube, und befiehlt seinem Kammerdiener , denselben allein zu bedienen, und gegen Niemand zu äußern , daß ein Fremder in seinem Hause sey. Der Gesandte gab Keith den Rath, nach England, und von da nach Portugal, zu gehen, wo fremde Officiere gesucht wurden. ,,Der König war unterdessen äußerst mißvergnügt, daß Keith ihm entkommen war. Sogleich mußte der Obrist, nachmalige Generallieutenant , von Dus moulin, der Spur Keith's nachreifen, und ihm war ein Brief an des Königs Gesandten im Haag mitgege= ben , worin dieser den Auftrag bekam, Dumoulin zu unterstüßen , und Keith's Auslieferung zu besorgen. Dumoulin und Meinerzhagen erführen, daß vor eini gen Tagen ein fremder Officier angekommen , und zų jenem Gesandten gegangen sey, ohne daß man ihn weiter gesehen habe. Ihre Aufpasser meldeten ihnen, daß in einer Dachstube in des Gesandten Hause des Abends spåt Licht brenne , und daß diese Stube sonst nicht bewohnt gewesen wäre. Aus diesem Umstande schlofen fie, Keith sey bey dem Gesandten versteckt, und schickten sich an , die Auslieferung zu fordern. Am nächsten Morgen , in aller Frühe, sagte der Ge fandie zu seinem Schüßling : Keith , Sie sind verrathen, Ihr König läßt Ihnen aufpassen, haiten Sie *) Es war der engliſche Gesandte Chesterfield.
51 fich fertig, noch heute bringe ich Sie nach Scheveningen und Alles ist daselbst zu Ihrer überfahrt nach England bereit." ,,Des Abends brachte er Keith in seiner Kutsche nach Scheveningen, gab ihm Empfehlungsbriefe nach London, und verließ ihn nicht, bis, er ihn in einem Fischerboote hatte abfahren sehen. Keith entkam glücklich nach England, von wo er durch Empfehlung des Hofes in portugisische Dienste ging. Einige Tage darnach, und nur zufälliger Weise, erfuhr Dumoulin, daß Keith entwischt sey. Er war nach Scheveningen gegangen, um die Fischer einlaufen zu sehen , sprach mit einem der Fiſcher , und wunderte ſich , daß sie mit so kleinen Fahrzeugen sich in die offene See wagen dürften. Der Fischer sagte ihm : mit solch einem Boote fahren wir wol nach England, ich komme von da, und habe einen fremden Öfficier übergefahren. Dumoulin verlangte eine Beschreibung des Officiers, und aus dem Unſtande, daß er geſchielt habe, ſchließt er auf Keith. ,,Keith kam 1741 wieder nach Berlin , bekam den Titel als Obristlieutenant und Oberstallmeister, und ward Curator der Akademie der Wiſſenſchaften. Mein Vater war mit dem Herrn von Keith sehr wol bekannt, und wußte von ihm selbst die Art seiner Entweichung. Von Hertefeld." Der König nahm seinen Rückweg bald nach dem Kronprinzen, aber auf einer andern Straße. Zugleich mit dem Verhaftbefehl gegen Katt , hatte er an die erste Hofdame der Königin , Frau von Kameke , die Nachricht von der Verhaftung des Kronprinzen 5*
52 geschrieben, damit sie die Königin auf die unerfreuliche Ankunft vorbereiten sollte. Er schrieb: Meine liebe Frau von Kameke. Friß hat desertiren wollen. Ich habe mich genöthigt gesehen, ihn arretiren zu laſſen, ich bitte S : e, auf eine gute Art meine Frau davon zu unterrichten, damit diese Neuigkeit solche nicht erschrecke. übri gens beklagen Sie einen unglücklichen Vater. Friedrich Wilhelm. Frau von Kameke empfing diese Zeilen in Mon- bijon, am Spieltische, neben der Königin, die mit genohnter Neugier verlangte , den Inhalt zu erfahren ; fie hörte die Nachricht mit Furcht und Besorgniß. Bald hernach fündigte ihr der Feldmarschall Nahmer im Namen des Königs an : daß sie ihren Garten verlaffen, und sich von nun an in ihren Kammern auf dem Schloffe aufhalte follte. Durch vertraute Hånde erhielt sie das Kästchen, das Katt ihr zusendete, und die Prinzessin Friederike war hier schlau genug , um den Vater geschickt zu betrügen ; man nahm heraus , was gefährlich ſchien, und ſiegelte dann wieder zu. Als der König den 27ten August über Magde burg, Halle und Potsdam in Berlin anfam , begab er sich sogleich zu seiner Gemahlin. Hier fand er seine Kinder, die sich auf ihren Befehl ihm sogleich zu Füßen warfen , und um Gnade für den Kronprinzen baten. Der König stieß sie von ſich, und rief der Königin mit schrecklichem Tone zu , daß der Kronprinz schon todt sey. - Wie ! rief die vor Angst bleiche Kö nigin, Sie konnten der Mörder Ihres Sohnes seyn ? Er war nicht mein Sohn , sondern ein Deserteur , der den Tod verdiente , war die harte Antwort. Die
53 Königin fiel in Ohnmacht. Der König ging auf fein Zimmer, beschied den Generallieutenant von Grumkow, den General von Glaſenap, den General- Auditor Mylius , und den General-Fiskal von Gerbert zu sich, und befahl , Katt vorzuführen. Unterdessen ging er noch einmal in das Zimmer der Königin , jest fiel ſein Zorn vornehmlich auf die Prinzessin Friederike ; er stieß sie vor die Brust und warf sie zur Erde ; die Köni gin und die Kammerfrau entriffen sie noch größeren Mißhandlungen , und führten fie nach einem anderen Zimmer. Der König rief ihr drohend nach, daß sie allein alles Unheil über sein Haus gebracht habe, daß sie dafür mit ihrem Leben büßen sollte , daß er sie zugleich mit dem Kronprinzen werde hinrichten lassen. So erfuhr wenigstens die Königin, daß ihr Sohn noch lebe. Die Meldung von Katt's Ankunft rief den Kónig nach seinem Zimmer. Hier kündigte er der verfammelten Generalität und dem General Auditoriat an, daß er sie zum Verhör des Lieutenants Katt berufen habe, um durch dessen Aussagen dem Kronprinzen den Prozeß zu machen, der an ihm und an dem Staat zum Verbrecher geworden sey. Er erzählte ihnen kurz den ganzen Vorgang , und fügte hinzu : daß der Prinz ein undankbarer Sohn, ein Aufrührer und Unmensch sey , der keine Schonung verdiene. Als Katt vor dem Könige erschien , warf er sich auf die Knie ; der König faßte ihn mit wilder Ge behrde, riß ihm , unter Schimpfreden und Fußstößen das Johanniterkreuz ab, und schlug ihn mit dem Rohrstock gewaltig. Hierauf befahl er dem General-Auditor Mylius, das Verhör einzuleiten. Auf jede Frage
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antwortete Katt mit fester Gelassenheit ; er bekannte, um die Flucht des Prinzen gewußt , und die Absicht gehabt zu haben, ihm zu folgen. Auf die Frage : nach welchem Hofe der Prinz habe habe fliehen wollen, antwortete er , daß er davon nicht unterrichtet sey , daß man dies aber durch die Briefe erfahren werde, die er in einem verschlossenen Kästchen der Königin zugesen= det habe. Sogleich wurde darnach geschickt ; der König ließ es mit Gewalt aufschlagen, fand aber nur unbedeutende Briefe und Auffäße , worüber er in neue Wuth gerieth. Katt behauptete, daß weder die Königin, noch die Prinzessin , um die Flucht des Prinzen gewußt hätten ; er allein sey sein Vertrauter gewe sen; am oftesten habe er ihn in Potsdam gesprochen, wenn der Lieutenant von Spaen die Wache gehabt. Dieser Officier wurde sogleich verhaftet . Nach dem Verhör mußte Katt die Uniform mit einem leinenen Kittel vertauschen , und wurde wieder nach der Hauptwache geführt. Die erste flüchtige Durchsicht jener Briefe genügte dem Könige nicht ; er befahl eine zweyte , die aber nicht mehr Ausbeute gab, und Grumkow sagte zu dem Könige: Die Weiber find listiger als die Schlan= gen, die vorzüglichsten Stücke haben sie uns wegge= nommen." Dies veranlaßte den König, von der Königin die Auslieferung der zurückbehaltenen Briefe unter heftigen Drohungen zu fordern ; diese berief fich auf die unverleßten Siegel , die man an dem Kästchen gefunden haben würde , wenn man vor der Eröffnung genau nachgesehen, und versicherte, nichts zurückbehalten zu haben. „ Das wird Euch wenig helfen“, sagte der König,,,Katt hat genug ausgesagt, um Frigen
55 und der faubern Tochter die Köpfe springen zu laffen. Die Friederike soll in drey Tagen an einem Orte stecken, wo sie Zeit haben wird zum Nachdenken . “ Sie erhielt Wache vor die Thüre. Die Königin beschwor ihn vergeblich, doch wieder våterliche Gesinnungen an zunehmen ; sie bat flehentlich, ihr zu sagen, wie und wo " Was kann Euch dafich der Kronprinz befinde. ran gelegen seyn", antwortete der König im Weggehen , zu wissen , was ein Mensch macht, der in drey Tagen nicht mehr seyn wird.“ Nun gab er von Neuem Befehl an den General- Auditor, gegen alle Perfonen Untersuchung zu eröffnen, mit denen der Pring irgend eine Verbindung gehabt habe. Fräulein von Bülow, erstes Hoffräulein der Königin, und ihr Bruder , der königlicher Gesandter in Schweden gewesen war, geborene Hannoveraner, waren dem Könige verdächtig, daß sie die Zwischenträger zwischen der Königin und dem englischen Hofe geme= sen ; beyde wurden nach den Gränzen von Litthauen verwiesen , nur zwey Stunden Zeit waren ihnen zur Vorbereitung gegönnt. Dem Kammerherrn von Montaulieu, der dem Kronprinzen ein Capital geliehen, wurde in seiner Wohnung, so wie dem Barone von Vernezobre, auf seinem Gut Hohenfinow, Wache gegeben. Da ersterer gegen das Edikt vom 22ten Juny 1730 einem Minderjährigen von der königlichen `Familie Geld geliehen hatte , wurde ihm als Strafe der Verlust des geliehenen Capitals zuerkannt , und er mußte ausserdem nach 1000 Species - Dukaten zur Rekrutenkasse zahlen. Er verließ den 13ten April 1731 heimlich Berlin. Den 10ten Juny befahl der König dem General-Fiskal Wagner , dem Baron , der
56 ſchlechthin Montaulieu genannt wurde,,,als einem freveln , muthwilligen und boshaft geflüchteten Bans querutmacher, anderen zum Beyspiele, den Prozeß zu machen , und sein Bildniß an den Galgen heften zu laffen." Den 29ten August erhielt der Staats- und Cabinetsminister Friedrich Ernst Freyherr von Knyphayſen (wie wir oben schon erwähnten,) die Dienstentlasfung , mußte den 10ten mit ſeiner ganzen Familie ſich nach seiner Commende Ließen begeben, und verlor seinen Gehalt. Seiner Wittwe schickte Friedrich der. II. als König 12,000 Thaler Entschädigung. Duhan, der gewesene Lehrer des Kronprinzen, jekt französischer Obergerichtsrath, wurde den 3ten September 1730 nach Memel , an die äußerste Spiße von Ostpreußen , verwiesen . Später verwendete der Kronprinz sich wieder für ihn, und verschaffte ihm eine Als Anstellung bey dem Herzoge von Braunschweig. શાક König rief er ihn wieder nach Berlin, ürd machte ihn zum geheimen Rath und Staatssekretår im auswårtie gen Departement. Auffer dem Lieutenant von Spaen wurden in Potsdam noch zwey Officiere eingezogen, und der Kammerdiener des Kronprinzen, GumbersDiesen bach, geschlossen nach Spandau gebracht. traurigen Gang mußte auch die von dem Kronprinzen_ wegen ihrer Schönheit und ihres Gesanges geliebte Doris (Dorothea Elisabeth) , Tochter des Rectors Ritter zu Potsdam, machen. Zur Zwangsarbeit und Staupenschlag hatte der König, der erführ, daß der Kronprinz ihr Geschenke gemacht, fie verurtheilt. Erst nach drey schweren Jahren erhielt sie die Freyheit wieder, auf Bitte ihres Vaters , der sein Amt verlor.
57 Auch der Goldschmied Lieberkühn in Berlin hatte dem Kronprinzen Geld geliehen ; der König sagte ihm nichts weiter als : „ Auch Ihr habt Euch mit meinem Sohn eingelaſſen, das hått ich von Euch nicht ge dacht." Aber das geliehene Geld erhielt er nicht zu Sein Sohn mußte nach dem siebenjährigen Kriege für Friedrich den II . ein goldenes Tafelfers vice verfertigen, wozu ihm eine Menge alter goldenen Gefäße durch den geheimen Rath und Kriegszahlmei fter Köppen, eingehåndigt wurden. Verschiedene davon waren mit Edelsteinen besett; der Goldschmied brach sie aus, und frug bey dem Könige , wohin er fie abgeben follte. Der König antwortete : Ich erinnere mich, daß ich Euch noch schuldig bin, und ich will, daß davon nicht weiter geredet wird ; Ihr könnt die Steine behalten. Ihr Werth betrug 2500 Thaler, und der Goldschmied war sehr zufrieden. Sobald der König in Berlin angekommen war, hatte er auch Befehl gegeben , die Zimmer des Kronprinzen, seine Bibliothek und Garderobe genau zu durchsuchen. Die Bücherſammlung zählte gegen drev= tausend Bande ; Friedrich hatte sie auswärts , gut geordnet, in 15 Glasschränken , stehen , und Hanau, einen Bedienten des Herrn Lenfant , als Aufseher dabey. Auch dies erfuhr der König , und Hanau wurde nach Memel verwiesen. Der Kronprinz war indeffen in Begleitung von vier Oberofficieren in Mittenwalde angekommen . Der König schickte ihm die Herren von Grumkow und Der schau, so wie den General- Auditor Mylius , und den General-Fiêkal Gerbet , entgegen ; sie sollten ihm das Verhör Katt's und dessen Aussage mit der Frage
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vorlegen, ob er solche anerkenne ; dann hatte der König noch andere Punkte aufgeschrieben, über die er bes fragt werden sollte. Feft und freimüthig antwortete der Prinz. Herr von Grumkow äußerte ihm darüber Verwunderung ; Friedrich sagte ihm : „ Ich glaube aber Alles erhaben zu seyn, was mir begegnen fann ; mein Muth wird größer ſeyn, als mein Unglück.“ Als Grumkom ihm ferner den Willen des Königs bekannt gemacht hatte , daß er nach Kústrin gebracht werden sollte, um da, so lange es dem Könige gefalle, zu bleiben, antwortete er : ,,Gut, ich will dorthin gehen. Wenn aber nur Bitten mir die Freyheit wieder geben fönnen , so werde ich hoffentlich lange dort bleiben." Mit eben so heiterem Muthe wußte der Krons prinz der geliebten Schwester, die ſelbſt verhaftet worden war, diese tröstlichen Zeilen zuzustellen : Geliebte Schwester ! Nach dem Kriegsrecht, das eben gehalten wurde, wird man mich verkeßern, denn um für einen Erzkeßer zu gelten, ist es genug, nicht in allen Stücken der Meiuung desHerrn zu seyn. Du kannst Dir also wol denken, was ein Ding fie aus mir machen werden. Mich kümmern ihre Bannflüche wenig , wenn nur meine geliebte Schwester nicht gegen mich zeugt. Wie freu' ich mich , daß weder Gitter noch Riegel mich hindern, Dir meine ganze Freundschaft zu bezeigen. Ja , geliebte Schwester , es gibt in diesem fast völlig entarteten Jahrhundert noch redliche Menschen, die mir Gelegenheit schaffen, Dich meiner Liebe zu verfichern. Weiß ich nur , daß Du glücklich bist, so foll der Kerker mir ein Aufenthalt des Glücks und der Bufriedenheit werden. Chi a tempo , na vita -
59 dies unser Troft. Wie sehr wünſchte ich, keines Dolkmetschers zwischen uns zu bedürfen ; möchten die glück tichen Stunden bald wiederkehren, wo Dein Principe Laute und Flöte , und meine Principessa in fester Harmonie ſich vereinen , wo ich Dir mündlich fagen kann , daß nichts in der Welt meine Liebe für Dich vermindern wird. Adieu. Der Gefangene." Er mußte denselben Tag abreisen ; als er den 5ten September in Küstrin mit einer Eskorte von 20 Gendarmen angekommen war, führte man ihn auf das Schloß, innerhalb der Festung , wo der Kammerprá sident von Mún chow einige Zimmer räumte. Ohne Geráth war das Zimmer, in welches er eingeschlossen ward ; er mußte anfangs ein Lager auf dem harten Fußboden nehmen, und erhielt Abends kein Licht. Nur eine Bibel und ein Gebetbuch hatte der König ihm zu geben befohlen; nicht über vier Groschen sollte sein täglicher Unterhalt kosten. Dieselben Herren, die das Verhör in Mittenwalde hielten, folgten dem Kronprinzen nach Küßtrin, wo sie es weiter fortseßten. Sie gingen den 15ten September von Berlin ab , und kehrten den 17ten zurück. Der Prinz weigerte sich , diesen königlichen Abgeordneten Antwort zu geben, und sprach mit vieler Heftigkeit gegen den Herrn von Grumkow; drohend ſagte dieser begünstigte Minister : Lassen Sie ab von Ihrem Stolze, oder ich werde Mittel finden, Sie zu beugen. "Ich weiß was Sie thun werden“, antwortete der Prinz, „ aber ich werde mich nimmermehr vor Ihnen demüthigen." - Die Abgeordneten legten ihm die Papiere vor, die in dem Koffer gefunden wa. ren. Flüchtig sah sie der Prinz an, und merkte sogleic,
60 daß die wichtigsten Briefe fehlten. Er sagte, daß er Nichts in dem Kasten vermisse ; man verlangte einen Eid von ihm ; dies verweigerte er, mit dem Vorgeben, daß er bey so vielen Papieren sich nicht auf sein Gedächtniß verlassen könnte. Er läugnete , jemals an den König oder die Königin von England andere, als Höflichkeitsbriefe geschrieben zu haben, und antwortete auf die übrigen Fragen, daß er zu alle dem, was er zu Wesel und Mittenwalde ausgesagt , nichts hinzuzufűgen habe. Die Abgeordneten bemühten sich vergeblich, feinen Sinn milder zu stimmen , er gab weiter feine Antwort. Als der König sah , daß er über den star. ren Eigensinn seines Sohnes nichts vermochte , ließ er sich Katt zum zweytenmale vorführen , und fragte ihn : ob die Prinzessin , oder die Königin , von dem Vorhaben des Prinzen unterrichtet gewesen wären. Dieser wiederholte die frühere Betheuerung , daß sie nie davon gewußt hätten. Der König drohete, ihn peinlich auf der Folter befragen zu lassen. Katt fchwieg. Der Graf von Seckendorf, (ein Verwandter des Feldmarschalls von Wartensleben, der Katt's mütter licher Großvater war) befreite ihn von der Tortur, man führte ihn in das Gefängniß zurück, wo er sich auf heitere Weise beschäftigte , las und schrieb. Der König versammelte ein Kriegsgericht zu Cópenif den 25ten October, es sollte nicht nur über Katt, son dern auch über den Kronprinzen, als einen deſertirten Obristen, sprechen. Nach dem Ausspruche desselben war Katt zu lebenslänglicher Festung verurtheilt. Der König ånderte das Urtheil ab , und ſchrieb : ....Was aber den Lieutenant von Katt und dessen
61 Verbrechen, auch die vom Kriegsrecht deßhalb gefällte Sentenz anlangt, ſo find Se. königl. Maj. zwar nicht gewohnt, die Kriegsrechte zu schärfen , fondern vielmehr, wo es möglich, zu vermindern ; dieser Katt aber iſt nicht nur in meinen Diensten Officier bey der Ar= mee, sondern auch bey den Gardegendarmen , und da bey der ganzen Armee meine Officiers mir getreu und hold ſeyn müſſen, ſo muß solches um ſo viel mehr ge= schehen von den Officiers von solchen Regimentern, indem bey solchen ein großer Unterschied ist , denn sie immediatement Se. fönigl. Maj. und Dero königl. Hause attachirt seyn, Schaden und Nachtheil zu ver hüten , vermöge eines Eides. Da aber dieser Katt mit der fünftigen Sonne tramiret , zur Deſertion mit fremden Ministern und Gesandten allemal durcheinander gesteckt, und er nicht davor geseht worden, mit dem Kronprinzen complottiren ; au contraire es Se. königl. Maj. und dem Herrn General-Feldmarschall von Nahmer håtte angeben sollen, so wüßten Se. königl. Maj. nicht , was vor kahle Raisons das Kriegsrecht genommen und ihm das Leben nicht abe gesprochen hätte. Se. königl. Maj. werden auf die Art sich auf keinen Officier noch Diener , die in Eid und Pflicht stehen, verlassen können. Es würden aber aledann alle Thåter den Pråtert nehmen, wie es Katten wåre ergangen , und weil der so leicht und so gut durchgekommen , wäre ihnen dergleichen geschehen mußte. Se. fönigl. Maj. ſind in Dero Jugend auch durch die Schule geloffen , und haben das lateinische Sprüchwort gelernt : fiat justitia et pereat mundus ! Also wollen Sie hiermit von Recht und Rechtsmegen, daß Katt, ob er schon nach den Rechten verdient 6 Friedrich d. Einz. I.
62 gehabt , wegen des begangenen Crimen laesae Majestatis mit glühenden Zangen gerissen und aufgehenfet zu werden, er dennoch nur , in Consideration feiner Familie, mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode gebracht werden sollte. Wenn das Kriegsrecht dem Katt die Sentenze publiziret , soll ihm gesagt werden, daß es Sr. königl . Maj. leid thåte , es aber besser, daß er bleibe, als daß die Justiz aus der Welt kame. Wusterhausen , den 1ten November 1730.“ Dies Urtheil wurde dem Lieutenant Katt am 2ten November bekannt gemacht ; furchtlos hörte er es an und antwortete : Ich bin gefaßt, der Wille des Kỏnigs mige geschehen . Keiner schlechten Handlung bin ich angeklagt , sterb' ich , ſo ſterb' ich für eine gute Sache. Weit unruhiger waren die Verwandten Katt's, der Vater seiner Mutter war der General-Feldmar schall Wartensleben , sein Vater war Generallieu tenant ; Alles wurde aufgeboten den von allen geach teten , geliebten, Sohn zu retten. Vergeblich war es, daß dieser selbst sich bittend an den König mit einem Briefe wendete ; Friedrich Wilhelm blieb unbeweglich. Auf demWalle, hinter der Canzley, wurde unter den Augen des Kronprinzen das Schaffot errichtet, es war mit schwarzem Tuche behangen. Der Pring blieb in Ungewißheit, ob es nicht ihm gelte, bis der Commandant der Festung, General von Lepel, den 6ten November früh ihm ankündigte, daß er, dem Auftrage des Königs gemäß, der Hinrichtung Katt's zusehen follte. Der Kronprinz verlangte nur noch einen Tag Aufschub, und bat um Erlaubniß, dem Könige für die BegnadigungKatt's die Entsagung auf die Thron-
63 folge anzubieten. Aber schon wurde Katt unter den Fenstern vorübergeführt, in dem braunen armen Sunderkleide. Der Garnisonsprediger von Küftrin ſchrieb. dem Vater Katt's : Ihr Herr Sohn erblickte end, lich, nach langem sehnlichen Umhersehen , seinen gee liebten Jonathan, Ihro königl. Hoheit den Kronprinzen , am Fenster des Schlosses , von selbigem er mit höflichen und verbindlichen Worten Abschied nahm, mit nicht geringer Wehmuth. Der Kronprinz rief ihm zu, wie unglücklich fühle ich mich, an Ihrem T dé Schuld zu seyn ; wollte Gott, ich wär' an Ihrer Stelle. - Nein, gnådigſter Prinz, antwortete Katt , und wenn ich noch tausend Leben håtte, wie freudig wollt ich sie für Sie hingeben !" Muthig bestieg Katt das Schaffot, er gab nicht zu , daß man ihm die Augen verbinde, und ein Schwertstreich des Scharfrichters schlug ihm das Haupt ab. Dieses blütige Schauspiel blieb den Augen des Kronprinzen verborgen. So scheint es nach dem glaubhaften Berichte eines Augend zeugen, nämlich des Majors von Schaacken (von den Gendarmen). *) · Den ganzen Tag über blieb der blutige Leichnam auf dem Schaffot liegen ; erst des Abends wurde er durch zwölf Bürger von der Schür zenzunft in einem Sarge nach dem Kirchhofe getra gen. *) Nach Funke, Fischer und Anderen , wåre Friedrich gezwungen worden , die Hinrichtung von seinem Fenster aus mit anzusehen . Eine Ohnmacht indessen, wird dbeygefügt , habe ihn, in Weintreten , als der den Freund dem Augenblick töötende Hieb geführt worden , von dieſem ents feglichen Anblicke befreyt. 6*
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64 An den Kronprinzen hatte Katt, als lestes Ver= mächtniß , noch folgende Punkte, den 6ten November früh vor seiner Hinrichtung , aufschreiben lassen : 1) Daß der Kronprinz vielleicht gedenken möchte, als daß er die Schuld ſeines Todes auf den Kronprinzen schöbe, und mit einem Widerwillen gegen densel= ben aus der Welt ginge, dieses wäre nicht, sondern er erkennte Gottes heilige Regierung, der diesen rauhen Weg aus gerechten Ursachen über ihn also verhängt hatte. 2) Verspricht er dem Kronprinzen, daß er vor Gottes Thron mit seinem Gebet wolle Dienste thun . 3) Bittet er , der Kronprinz möge wegen feiner Exekution nicht einen Groll gegen Se. königl. Maj. lassen. 4) Der Kronprinz möchte nicht ge denken , als ob er aus Mangel an Klugheit in dieses Unglück gerathen, sondern man müsse die Hand Got tes hierin erkennen. 5 ) Auch nicht glauben, daß er alle Schuld auf ihn geschoben, ob er schon dem Kron prinzen so bewegliche Vorstellungen im sächsischen La=ger, auch in der Nacht , da er bey ihm in Potêram gewesen , gethan , und den Ausgang dieser Sache prophezeiht hätte. 6) Bittet er den Kronprinzen, fich Dero Herrn Vater , Jhro fönigl. Majestát , zu fubmittiren , weil es Dero Herr Vater und Dero Kōnig wäre. 7) Bittet er, der Kronprinz möchte den Willen und Wohlgefallen Gottes zur Regel aller fei= ner Handlungen machen , und darnach allemal feine Actiones prüfen und bedenken die Nichtigkeit aller menschlichen Anschläge. 8) Der Kronprinz möchte gewiß glauben , daß Sie durch diejenigen , die Ihnen in Ihren Passionen flattiren , nur betregen würden, weil solche nicht des Kronprinzen, sondern ihr eignes
65 Interesse zum Zweck hätten ; hingegen möchte er diejenigen , die ihm die Wahrheit sagten und sich feinen Paſſionen widerſeßten , für ſeine kosten Freunde achten. - 9) Bittet er auf das heftigste, der Kronprinz möchte sein Herz Gott ergeben. ― 10) Er michre zuleht ja nicht eine Fatalité glauben , ſon- dern gewiß seyn der Vorsehung und Regierung Got. 1es auch in allen Kleinigkeiten....Es scheint , daß diese Bemerkungen des unglücklichen Freundes nicht ohne Wirkung auf Friedrich waren. Daß der König in den ersten Tagen des aufgeregten Zornes dem Kronprinzen ein gleich strenges Schicksal zugedacht hatte , ist nicht unwahrscheinlich ; das niedergesette Kriegsrecht zögerte jedoch mit dem förmlichen Spruch , indem es die Untersuchung im mer weiter ausdehnte *) . Man behauptet , es sey von dem König mittlerweile bey der leipziger JuristenFacultät ein Gutachten über die Verurtheilung des Kronprinzen eingeholt worden , dieselbe aber habe wird ferner nach mündlicher Überlieferung erzählt — Der König könne dem Kronprinzen geantwortet : aus eigener Macht um deswillen nicht das Leben absprechen , weil leßterer zugleich ein teutscher Churprinz sey, über welchen ohne Einstimmung des Kai*) Nach Funke behauptete der König , nachdem er dem Kriegsgerichte den Fall vorgetragen , fein Sohn habe den Tod verdient. ,,Mehre Anwesende fielen dieser Meinung ben ; aber auch nicht wenige widersprachen derselben , namentlich der Feldmarmarschall von Nahmer , der Generalmajor von Buddenbrock und Fürst Leopold von Deffau. ” — (Förster. )
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sers und der Reichsstände dergleichen Strafe nicht verhängt werden dürfe *) ." Nicht gleichgültig vernahmen auch die auswårtigen Höfe das Schicksal des Kronprinzen , und na= mentlich verwendeten sich mehre protestantischen Fúrften thatig für ihn. Selbst der Kaiser, zufrieden, die Verbindung Preußens mit England aufgelöst zu haben, fühlte sich ernstlich zu freundlicher Vorstellung verpflichtet. Friedrich Wilhelm fühlte sich geschmeichelt , fast alle europäischen Höfe , namentlich den teutschen Kaifer, für den er eine fast abgöttische Verehrung hegte, feine Gnade für den Kronprinzen in Anspruch nehmen , und hierdurch seine unumschränkte Gewalt an= erkennen zu sehen. Sein Zorn ward am ersten durch *) So viele Zweifel man auch gegen dieses Gutach, ten erhoben hat , so ist es dennoch wahrscheinlich, daß der König über diesen Gegenstand ben Rechtsgelehrten angefragt hat. Man sehe z. B. Förs fter's Schrift , S. 110-114. B Ueber so viele Schwierigkeiten noch mehr erzürnt , soll Friedrich Withelm im versammelten Rathe ausgerufen has ben : " Wol! Will man mir in Berlin, als einem Reichsfürsten , Fessel anlegen , so geh' ich mit meinem Sohne nach Königsberg , da hång ' ich doch alleine von Gott ab. " — ,,Und diesem Gott," verschte der Probst Reinbeck, ,,wird Ihro Majestät auch einst für das vergossene Blut Ihres Diese Sohnes Rechenschaft ablegen müſſen ." entschlossene Antwort , von einem Geistlichen ist anders die Sache nicht kommend , verfehlte erdichtet - bey dem religiösen , oder auch from. melnden, Könige ihren Zweck nicht, und truz ohne Zweifel vieles zur Beſånftigung desselben bey.
67 diejenigen abgeleitet , welche ihn von Neuem aufreg= ten , dann aber durch das viele Befragen , Beklagen und Begutachten gemildert. Es fehlt nunmehr blos, daß der Kronprinz selbst durch Unterwürfigkeit Verföhnung suche, jedoch ohne den Anschein , daß es von dem Könige veranlaßt worden sey. Auch dazu fand ſich günstige Einleitung. Grumbkow , der schlaue Höfling , fah in dieser Verwickelung der Familienverhältnisse eine schöne Gelegenheit, seine Dienste beiden Parteyen wichtig zu machen. Er bat den Ki nig, den Kronprinzen in Cüstrin besuchen zu dürfen, um ihn zur Unterwerfung geneigt zu machen ; denn das Wort des Königs war : daß er , nur wenn der Prinz sich vor ihm demüthige und um Gnade bitte, ihm verzeihen werde. Der König genehmigte Grumb kow's Vorschlag , doch sollte er durchaus den Prinzen nicht merken lassen , daß er , der König , um diese Sendung wisse. Auch die Königin fuchte Grumbkor jeht für sich zu gewinnen , von der er wol wußte , wie übel er sich ihr durch seine Wickeleyen empfohlen hatte. Er bat um ein geheimes Gehör , wovon der König nichts erfahren dürfe. Die Königin beschied Grumbkow zu sich. Er sagte ihr , daß er den Ölzweig bringe, den Frieden anzukündigen ; er theilte ihr die Absicht seiner Sendung mit , und bat , die gute Stimmung des Königs ja nicht von Neuent zu stiren. Sie versprach ihm Alles , und dankte ihm, so schwer es ihr auch ward, für die sorgsame Aufmerksamkeit. Grumbkor ging jeßt nach Cúſtrin ; er sagte dem Kronprinzen , daß er ohne Vorwissen des Königs gekommen sey, um ihm von dessen ruhiger Gesinnung
68 eilig Nachricht zu geben , und ihm seine unterthänigen Dienste anzubieten. Er rieth ihm , dem Könige zu schre.ben , wie sehr er seinen Fehler bereue , und daß er demüthig ihn um seine våterliche Huld und Gnade bitte. - Mit dem Antrage war der Kronprinz eher einverstanden , als mit dem Botschafter ; indessen antwortete er , er sey keineswegs geneigt , sich vor dem Vater zu demüthigen , der ihn så behandelt habe, am wenigsten würde er mit Auftrågen dieſer Art den Herrn von Grumbkow beschweren , den eenie Ursache gehabt für seinen Vertrauten zu halten. Grumb kow ließ sich nicht irren , er fuhr fort , dem Kronprinzen die Grüße und Bitten einer betrübten Mutter zu melden , und die traurige Bekümmerniß mit den lebhaftesten Farben zu schildern , die seine Hartnäckigkeit gegen den Vater ihr und der geliebten Schwester zuziehen würde. Dies traf die verwundbare Seite des Prinzen , deſſen Eigenwille durch die Strenge des Königs gebrochen war , und er schrieb dem Vater : Allerdurchlauchtigster 2c. Allergnädigster Vater! Ew. königl. Majestät , meinen Allergnädigsten Vater, habe ich durch meinen Ungehorsam , als Dero Unterthan und Soldat , eben so sehr als durch meine Unfolgsamkeit, als Dero Sohn , Veranlassung zu einem gerechten Zorne und Widerwillen gegen mir gegeben. Mit dem allerunterthänigsten Respekt unterwerfe ich mich ganz der Gnade meines allergnádigsten Vaters , und bitte , mich allergnädigst zu parDonniren , da mich nicht so sehr die Beraubung meiner Freyheit in einem malheureusen Arrest , als meine eigene Gedanken von meinem begangenen
69 Fehltrit zur raison gebracht haben. Der ich mit allerunterthänigstem Respekt und Submiſſion bis an mein Ende verharre 2c. Nachdem der König diesen Brief erhalten hatte, sandte er den 16ten November ( 1730) von der Ge= neralität die Herren von Grumkow , von Röder , von Glasenap , von Billerbeck , von Waldau und von Derschau, und den Minister und Staatssecretár von Thulmeier, nach Cüstrin , um dem Kronprinzen be= kannt zu machen , daß er , als Vater, und durch die Verwendung verschiedener Mächte Europa's , beson ders des Kaisers , ihm die begangenen Vergehungen verzeihen, und ihn aus dem engen Gefängniß befreien wollte , worin er bis jeßt gewesen wäre , doch mit der Bedingung, daß er sich nicht aus Cüßtrin begebe. Er folle in dieser Stadt als Privatmann leben, sich hier mit der Verwaltung der Domainen bekannt machen, täglich auf die Domainenkammer gehen , und dort feine Stelle unter dem jüngsten Rathe nehmen. Vor allem aber verlange er , daß der Kronprinz sich durch einen Eid verbindlich mache , niemals gegen die, von denen er nur vermuthen könne , daß sie gegen ihn gehandelt, sich etwas Strafendes zu erlauben ; daß er fich dem Gehorsam nie entziehen , den er dem König schuldig ; nie ohne deſſen Erlaubniß eine Reise unters nehmen ; daß er in der Furcht Gottes leben und die Pflichten der Religion ausüben , und daß er endlich keine andere Prinzessin heirathen wolle , als die ihm der Vater bestimmen werde. Der Prinz verlangte die Eidesformel zu sehen , die er schwören sollte , um sie vorher zu prüfen ; Herr von' Thulmeier übergab fie ihm , worauf sich die Commission entfernte.
70 Am folgenden Morgen, den 17ten November, begaben sich jene Herren wieder zu dem Kronprinzen, und führten ihn aus seinem Zimmer zu dem Práſtdenten von Münchow. Der Generalmajor und Gouverneur von Lepell gab ihm den Degen wieder, worauf Herr von Thulmeier den Eid vorlas , den der Krone prinz mit lauter Stimme wiederholte , und ihn hiers auf mit eigener Hand unterzeichnete. Er ging nun in die Kirche, hörte eine Predigt , und nahm das Abendmahl. Nachdem er wieder zurück zu dem Herrn von Münchow gegangen , ſendete er dem König ein zweytes Schreiben , worin er ihm für die wiederges fchenkte Freyheit dankte. Nachmittags führte die Commission den Prinzen in ein für ihn eingerichtetes Haus , stellte ihm: den vom König ihm bestimmten Hofmarschall , Herrn von Wolden , seine künftigen Kammerjunker , die Herren von Nahmer und von Rohwedel , und seine Bedienung vor, die aus einem Kammerdiener , zwey Pagen und vier Lakayen bestand , von denen er keinen früher gekannt hatte. Sie machten ihm ferner den beſchrånf. ten Sah seiner Ausgaben bekannt ; doch der Krons prinz war während seiner Gefangenschaft an Entbeh rung gewöhnt. Auch jezt noch hatte der König Alles gestrichen, was zum Vergnügen oder zur Erho lung des Kronprinzen ausgesetzt worden war. Er befähl ihm , Nichts zu lesen und Nichts zu ſchreiben, als Kammersachen ; streng untersagt war ihm, frans zösisch zu sprechen. Er durfte keine Uniform tragen ; ein graues Kleid mit schmalen silbernen Trefs Während fen machte seine ganze Garderobe aus. der Gefangenschaft hatte der Herr von Münchow dem
71 . Kronprinzen manche Erleichterung zu verschaffen. gewußt , doch ist dies öfters übertrieben worden . Der Kronprinz hatte in der Büsching erzählt : Festung ein schlechtes Wohnzimmer , anfänglich ohne alle Bequemlichkeit. Die erstere verschaffte ihm der damalige Präsident von Münchow , der durch den Boden über seinem Arreftzimmer ein Loch machen. ließ , durch welches er mit dem Kronprinzen sprach, ihm sein Mitleid bezeigte und ihm seine Diensle anbot. Er klagte über schlechtes Essen , Geschirr , Tischzeug ¤. f. w. Der Präsident versprach ihm besseres zu verschaffen , ließ das leßtere ihm auch , ohne daß es die Schildwache bemerkte, in einem neuen Nachtſtuhle bringen." Wie eng sich aber der Kronprinz behelfen mußte, sehen wir aus einem Briefe des Predigers Müller zu Liebenwalde , eines Sohnes des Feldpredigers Müller von den Gendarmen , der Herrn von Katt begleiten mußte ; darin schreibt er : Friedrich war anfänglich in seinem Arreste sehr hart behandelt worden. Er hatte einen schlechten blauen überrod an ohne Stern , und war aller anderen Kleider be- raubt , mußte auf hölzernen Schemeln fizen , und bey'm Essen durfte ihm keine Gabel und kein Meſſer gegeben werden , sondern er bekam die Speisen ge= schnitten; auch ward keiner von seinen Lakayen zur Bedienung zugelassen. „ Als endlich der Tag seiner Erlösung kam, hatte der König befohlen , der Kronprinz sollte an dem gleich darauf folgenden Sonntage aus seinem Arreste in die Kirche zum Gottesdienste gehen. Nach der Predigt beurlaubte mein Vater sich bey dem Prinzen,
72 und fragte, ob Se. königl. Hoheit noch etwas zu be fehlen hätten, bey Ihrem Herrn Vater auszurichten. Antwort : Sagt Ihr , ich wäre sehr gerührt über meines Vaters Grade , und bittet ihn , daß er mir an meinen Degen doch ein Portd'epée zukommen lass sen möge." ,,Der König hatte meinem Vater geschrieben, sobald er meine , den Kronprinzen befestiget zu haben, folle er nach Wusterhausen reisen. Hier empfing ihn der König fehr gnådig , und er mußte ihm sowol von dem Herrn von Katt, als auch vom Kronprinzen, sehr ausführliche Nachricht geben , desgleichen von der Predigt. Zulegt fagte mein Vater , Se. königl. Hoheit hätte noch eine Bitte an Se. Majestät. Der Kronprinz hátté kein Portd'epée an seinen Degen erhalten. Hierauf schrie der König laut auf: Ist denn Frige ein Soldat ? Nun das ist ja gut!" In Cüstrin wurde Friedrich von dem KammerDirektor Hille in Finanz- und Polizeysachen theore= tisch , und von dem Kreis- und Domainenrathe Hüs nicke in der Landwirthschaft und Domainen - Verwal= tung , unterrichtet. Zugleich wohnte er , zur Erlernung des praktischen Kameraldienstes , den Sizungen der neumärkischen Kammer bey, arbeitete bey dersel= ben gleich anderen Råthen , und wurde auch mit Localkommissionen in der Provinz beauftragt. So ſoll er unter andern die Einrichtung des Amthauses zu Himmelstädt besorgt haben , und das Landhaus in Cúfirin ward nach seiner Zeichnung gebaut. Als der General Grumkow dem König einst die von dem Kronprinzen eingegangenen Arbeiten übersendete, und
73 sich zwey von demselben eigenhändig geschriebene, eine aber von ihm blos unterzeichnete , vorfanden, so bemerkte der Vater am Rande : Friß ſoll nicht blos unterschreiben, er soll selbst arbeiten *).“ Einige Monate nach der Freylaffung des Kronprinzen begab sich der König nach Cúftrin ; er ließ den Sohn zu sich rufen. Dieser warf sich dem Vater zu Füßen ; er hob ihn gútig auf, umarmte ihn , und sprach eine Viertelstunde mit ihm , ohne die eigent liche Angelegenheit zu berühren ; auch änderte sich die Lage des Kronprinzen nicht bedeutend , denn über feine Ausgaben mußte noch strenge Rechnung geführt werden. Dies hatte der König dem Herrn v. Wolden aufgetragen, welcher auch später noch Friedrich's Haushofmeister blieb , als derselbe nach Ruppin ver fegt worden war. über ein Jahr (nämlich vom September 1730bis zum November 1731 ) hatte der Kronprinz in Cüstrin zugebracht , als endlich eine Versöhnung ami schen ihm und dem Vater zu Stande kam. In jener Zeit erwarb er sich, bey seinem Eifer und den glück lichen Anlagen , die ihm von der Natur zu Theil geworden , einen Schah von Kenntnissen , welche auf feine Regierung den gesegnetsten Einfluß zeigten. 3 *) Durchaus unwahr ist , was in dem Werke: Vie de Frederic 11., Roi de Prusse " (Strasbourg 1787), tôme I. pag. 13 erzählt wird : Der junge Rath wohnte den Sigungen bey ; aber anstatt die Acten einzusehen oder die Verordnungen zu copiren , las er ent:veder französische Schriften , oder er zeichnete. den Präsidenten und die Råthe als Carrikaturen ab , mit Hörnern, Spielkarten, Bouteillen u. dgl. Friedrich d. Einz. 1. 7
74 Als eine Bedingung der Versöhnung mit dem Kronprinzen hatte der König die Vermählung der s Prinzessin Friederike mit dem Erbprinzen von Bayreuth gefordert , um die Intriguen , welche die Köni gin selbst in der bedrångtesten Zeit nicht aufgegeben hatte, und jede Verbindung mit England , mit einem Male zu durchschneiden. Diese Vermählung , welche die völlige Aussöhnung des Kronprinzen mit dem Könige veranlaßte, ward auf den 20ten November 1731 angeſeht. Der Kronprinz ward dazu eingeladen , verbat ſich aber diese Ehre bey dem Vater schriftlich; erst den 23ten November, traf er in aller Stille in Berlin ein. An diesem Abende war großer Ball bey Hof. In bürger- .. licher Kleidung , und unerwartet , mischte sich der.. Kronprinz in die Gesellschaft ; bernah' eine Viertel- ? Kunderstand er hinter dem Spieltische der Königin, eh' sie ihn bemerkte; endlich küßte er ihr die Hand. ¿ Die Freude der Mutteri theilte sich bald der ganzen. Gesellschaft mit. " Der König war sehr zufrieden, daß man seinem Willen ſichy fügte ; er wünſchte nicht nurs den Hof, ſondern die ganze Stadt , von dem glücksi lichen Verhältniß seiner Familie zu unterrichten. Die Festlichkeiten der Vermählung der Prinzeſſin würden verlängert , und er ließ zu einem Hofball am 26tenNovember viele Kriegs- und Hofrathe , mehre Kauf leute und einige andere honette Personen bürgerlichen Standes, nebst Dero Cheliebken, gnädigs invitiren, die sich diesen Abend auf dem Schloffe mit Tanzen vergnügten, und mit Speise und Trank bewirthet wurden. Den 30ten November speiste der König , nebst
75 dem Kronprinzen, und viele der hohen Gäſte, bey dem öftreichischen Feldmarschall von Seckendorf. An diesem Tage erhielt der Kronprinz die Uniform des von gök'schen Regiments , aber nicht die eines Generalmajors , wie man erwartete. Auch mußte er sie ablegen , als er sich den 4ten December , in Be= gleitung der Herren von Wolden , Nazmer und Rohwedel , wieder nach Cüstrin auf die Domainenkammer begab ; hier trug er jegt ein grünes Kleid nach búrgerlichem Schnitt. Eine neue Sorge des Königs war , den Prinzen zu vermählen. Die früheren Entwürfe seiner Gemahlin sollten auch hier keine weitere Gültigkeit haben. Mehr als je war der König dem englischen Hofe abge= neigt , und es war das Interesse Östreichs , ihn durch Seckendorf in dieser Stimmung zu erhalten. Dem Kronprinzen ward daher die Prinzessin Elisabetha Christina von Braunschweig : Bevern , geboren den 8ten September 1715 , zur Braut bestimmt. Friedrich ward den 29ten Februar 1732 zum Obristen ernannt , und am 11ten März führte ihn sein Vater selbst als Präsidenten im General-OberFinanz und Kriegs- Direktorium ein , und hielt dabey eine furze, aber sehr nachdrückliche , Rede. Zugleich ward daselbst der Hauptmann von Haake als Hofjägermeiſter mit Sig und Stimme in Pflicht genommen. Im Juny 1733 reiste der Kronprinz mit seinem Vater zum Hochzeitfeste ; den 10 : en d. M. trafen fie in Salzdahlen ein , und den 1ten July kam der leg tere nach Potsdam zurück. Hier war große Heerschau; der Kronprinz hatte ein eigenes Regiment erhalten. Die kurmärkischen Stände bezeugten ihm 7*
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ihren Glückwunsch zur Vermählung durch ein Geschenk von 20.000 Thalern , obgleich Friedrich Wilhelm, durch einen Befehl vom 16ten May d. J. , die sonst übliche Fräuleinsteuèr bey der Hochzeit des Kronprinsen verbeten hatte. Für die Kronprinzessin bestellte der König einen eigenen Hofstaat ; für Stall , Küche und Keller wur den die Bedienten ernannt. Sie erhielt zugleich als Witthum das Amt Ruppin , wo ihr später gehuldigt wurde. Den 25ten July kam dieſe Prinzeſſin , von ihren Ältern begleitet , in Potsdam an ; zum feiers lichen Empfang hatte der König drey Bataillons der größten Grenadiere aufgestellt. Nachmittags ging Friedrich Wilhelm nach Berlin , und am folgenden Tage trafen auch die fremden Herrschaften in Char lottenburg ein. Von hier begaben sie sich des Morgens um 5 uhr , in Begleitung von 59 mit 6 Pferden bespannten Kutschen , und vielen Cavalieren zu Pferd, nach dem Exercierplage bey Tempelhof , wo zwanzig Bataillone und eben so viele Schwadronen große Bes wegungen ausführten. Um 1 Uhr erfolgte der Einmarsch der Truppen , er währte bis 4 Uhr ; hernach ward im Pfeilersaal auf dem Schlosse gespeist , von wo die Prinzessin von allen Anwesenden nach dem neuen Palais des Kronprinzen (zu Berlin) begleitet wurde. Hier empfing fie den 28ten die Glückwünsche sämmtlicher geistlichen und weltlichen Collegien. Bald sollte nun Friedrich , später der größte Heerführer seiner Zeit, zum ersten Mal in einem Feldzug erscheinen. Preußen hatte zu dem Kriege gegen Frankreich 10,000 Mann stoßen lassen , welche , mit den übrigen Reichstruppen , unter dem Prinzen Eugen,
77 die von den Franzosen belagerte Festung Philippsburg zu entseßen suchen sollten. Den 29ten Juny 1734 war der Kronprinz von Berlin abgereist , und zeigte darauf bey allen Vorfällen eine bewundernswürdige Ruhe und Entschlossenheit. Man sah ihn , wie er, mitten im Kugelregen , unerschrocken ſich mit den ihn begleitenden Generalen unterhielt , und fütblütig an den gefährlichsten Stellen vorüber ritt. Dieser Feldzug war für die militärische Bildung Friedrich's ſehr wichtig , wenn auch die Waffen der Verbündeten gegen die Franzosen nicht glücklich ma= ren. Er lernte das Feldlager und den Umgang mit den Soldaten zur Kriegzeit kennen ; der König er=" laubte ihm nicht anders , als immer im freien Felde mit seinem Regimente zu campiren ; zu jedem Kriegsrath , den der alte Prinz Eugen berief, ward auch Friedrich eingeladen , und er lernte hier die öftreichische Kriegskunst und ihre Mångel an der besten Quelle kennen. Nachdem derselbe die Truppen am Rhein in die Winterquartiere geführt , fehrte er nach Preußen zurück ― denn das Leben des Vaters wär durch eine gefährliche Krankheit bedroht und traf den 12ten Oktober in Potsdam ein. Heitrere Tage begannen jest. Im Auguft 1736 begab sich die Kronprinzessin nebst ihrem Gefolge nach Rheinsberg , einem Schlosse bey Ruppin , das der Vater dem Kronprinzen gekauft hatte, und bewirthete hier zum ersten Male den König und seine Gemahlin. Dies geschah den 4ten September, an welchem Tag eine große Jagd gehalten ward. Friedrich, der sich angelegentlicher als zuvor mit dem Soldatenwesen beschäftigte , und bey seinem
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Regimente gute Ordnung hielt , gewann das Vertrauen und die Liebe seines Vaters immer mehr. Von der Schönheit des Regiments des Kronprinzen erzählte man sich eben so viel , wie von seinen Versen, und selbst Voltaire wundert sich nicht wenig, daß der junge Metaphysiker so firm auf dem Paradeplaß ist. Friedrich beantwortet ihm seine Anfrage in einem Briefe vom 7ten April 1737 : ,,Wodurch hat mein Regiment Jhre Neugier erregen fönnen ? Ich wünschte, es wäre durch seine Tapferkeit bekannt, und nicht durch seine Schönheit. Ein Regiment muß sich nicht durch eiteln Aufzug , Puß und äußeren Ganz andere Krieger führte Flitter auszeichnen. Alexander, da er Griechenland unterwarf und Asien eroberte. Ihr Schmuck war das Schwert , lange Gewohnheit hatte sie zu schwerer Arbeit gehärtet, Fie wußten Hunger und Durst und jedes übel zu er- [ tragen , das ein langer Krieg mit fich führt. Strenge Zucht hielt sie zusammen , um rasch denselben Zweck, und die größten Unternehmungen des Feldherrn ge= schwind und glücklich auszuführen." So werth Homer , Horaz , Virgil und Voltaire dem Kronprinzen waren , so viele Nächte er bey Wolf's Metaphysik durchwachte, so versäumte er sich nicht in der Kriegwissenschaft. Die Feldzüge der alten und neuen Feldherren waren ihm bekannt, auch über das Kriegwefen unterhielt er einen Briefwechsel. mit unterrichteten Männern , besonders mit dem Obristen Camas. -Nahe bey Ruppin , wo das Regiment des Fron= prinzen stand, liegt das Städtchen Rheinsberg . Hier ward ihm von dem König ein schöner Rittersiz auf
79 dem Land angewiesen , und erlaubt , nach seiner Angabe sich das Schloß aufzubauen und die Anlagen des Parks zu erweitern. Rheinsberg gehört zu den Oasen der Mark Brandenburg ; wenn man auf tiefen Sand - wegen , zwischen Feldern , deren dürftige Saaten den unfruchtbaren Boden ankündigen , zwischen Dörfern, deren verfallene Hütten die Armuth des Landmannes nicht verbergen , von Berlin nördlich nach der Ab. dachung hinabgeht , die gegen die Nordsee sich verflacht , und überall die Aufschwemmungen von Sandhügeln sieht, die hier das Meer zurückgelassen hat, auf denen nur trauriges Nadelholz Wurzel schlagen konnte, so werden wir angenehm überrascht , wenn Das wir die Feldflur von Rheinsberg betreten. Rhynflüßchen gießt Lebenskraft in die ausgetrockneten Adern des Bodens , und Landseen versorgen mit ers quicklichem überfluß Feld und Wiesen. Hier begeg= nen uns Pferde von edlerem Wuchse, und auf den Triften treiben fich wolgenährte, glatte Rinder und feinwollige Schafe munter umher. Zwischen das starre Nadelholz hat sich die Birke mit beweglicherem Blatt bereingestellt , die Landschaft wird lebendiger durch die gemischten Schattirungen des Laubholzes , und am Wege ladet den müden Wanderer der Schatten der duftenden Linde und des rauschenden Buchwaldes zur Ruhe. Wo die Natur schon von selbst so freygebig ist, gelang es dem Fleiße und der Geſchicklichfeit , von ihr noch schönere Gaben zu gewinnen. Ein Blüthenschnee bedeckt im Frühjahre die Übitpflanzun gen , edlere Gartenfrüchte zieht der erfahrene Gårtner , und selbst den Mandelbaum und den Weinstock hat er am Spalier gezogen und an den nordischen
80 Himmel gewöhnt. Suchen wir aber nach der Zerstreuung und der Theilnahme , die das Nüßliche anregt , einen gefälligen Ort , wo die Natur es erlaubt, uns ungestört den Gedanken , dem Gefühle , zu überlaſſen , die wir aus dem lårmenden Gedränge der Gesellschaft mit uns hinaustragen in die hohen Buchen gange , so wählen wir den Park von Rheinsberg zu. unserem ftillen Aufenthalt. Das Schloß war geräumig und bequem , die luftigen Freunde wohnten neben den ernſten , ohne einander zu stören , die Frauen erfuhren wenig von ihrer Unruhe. Die Tafel und der Keller waren nicht überfüllt, die Gesellschaft geistreich genug ohne Rauſch. Friedrich lernte in strenger Entbehrung den. Werth des freien Lebens kennen ; er hatte nur an edleren Freuden Gefallen , Rohheit war aus seinem Kreise verbannt. Vielleicht war die schwerste Aufgabe für ihn , dies beides zu vereinigen , daß er mit allem Diensteifer und kindlichem Gehorsam den Befehl des Vaters erfüllte , und zugleich auch mit voller Neigung der Wissenschaft mit den Freunden lebte. Die Ordnung feines Regiments haben wir erwähnt ; wie groß die Besorgniß war , dem König in Allem fich versöhnt , gehorsam gefällig zu erweisen , zeigen uns die Briefe, die er dem Vater schreibt. Wie schwer es ihm auch ward, die Poesie und Philofophie zu verfäumen , um die Montirungstücke nachzusehen und die Rekruten zu meſſen , so sah er den Dienst immer als feine Pflicht an , nach deren Erfüllung er erst sich zu der weit größeren Anstrengung wissenschaftlicher Be= schäftigung wendete. Nicht aber mit ſtrenger Befor= gung des geforderten Dienstes allein suchte er dem
81 Vater zu genügen , er wußte auch durch andere Ge fälligkeiten sich ihm zu empfehlen und sich in seiner Gunst immer mehr zu befestigen. Er schaffte von dem ersparten oder mühsam aufgeborgten Geld große Rekruten an, die er öfter mit 6000 Thaler bezahlte, und dann dem Vater für einen mäßigen Preis überließ; er suchte eben so aus seinem Reviere große Hirsche dem Könige zur Parforce- Jagd nach Potsdam zu bringen ; mit fetten Hühnern , kalten Pasteten, Austern und Seefischen , die der Vater gern aß , vers forgte er seine Tafel. Dafür war dieser wiederum gefällig genug , sich , wenn er das Regiment gut in Ordnung fand , nicht mehr um die Flöte und die fran zöfifchen Verse des Sohnes zu bekümmern , und ihn dem vertrauten Kreiſe ſeiner Philosophen und Poeten zu überlassen. Suchen wir einmal die frohe Gesellschaft in Rheinsberg auf. Es ist schon Abend, im Park ist es ruhig ; wir fahren , von Schwanen , wie von Delphis nen , begleitet , über den mit Hügeln begränzten See, -an den anmuthigen Inseln vorüber ; die Worte über dem großen Portal : ,, Friderico tranquillitatem colenti fagen uns , welchen Göttern hier geopfert wird. Aus dem Schloffe tönt uns die Harmonie einiger Instrumente entgegen , wir unterscheiden bald, daß es nicht lärmende Tanzmusik ist. Die Flöte übernimmt das Solo ; der Kronprinz gibt ein Concert von eigener Composition. Doch nicht den ganzen Abend wird muſicirt, wie es leider in unſeren Geſellschaften gewöhnlich ist , wo selbst die angenehmste Mu fik oft langweilt , weil man Niemand zum Wort kommen läßt , das doch gegen den Ton auch seinen
82 In Rheinsberg gilt die gültigen Anspruch hat. Musik eben nicht mehr , als das Geläute der Kirche; theils ruft sie die Gesellschaft, theils soll sie eine gleiche , beruhigte Stimmung der Gemüther verbreis ten, und auch in der Aufregung ihnen Maas und Harmonie erhalten. Die Musikstücke werden zusammengelegt , man unterhält sich französisch , einige Gefänge der Henriade werden vorgelesen . Die Rollen zum Cåſar ſind auch schon vertheilt , man hat ſich eingeübt , Jeder wählte den Charakter , der ihm am meisten zuſagte , man liest mit Gefühl und Ausdruck. So vergegenwärtigt man sich das alte Heldenthum , um die an Thaten dürftige Gegenwart zu schmücken , und zu gleichem Ruhme ſich su begeistern. Ein Paquet wird von der Poſt gebracht ; an dem Siegel, der Hand, erkennt man sogleich, daß es von Suhm , dem geliebten Diaphanes , ist ; er schickt die Fortseßung von Wolf's Metaphysik. Seyd unbe forgt , tröstet der Kronprinz die poetische Gesell= schaft ,,,ich will Euch nicht mit in die dunkle Kam mer der Philoſophie nehmen , zumal heute, da Allgarotti bey uns ist , den wir mit andern Früchten , als mis teutscher Metaphysik , unterhalten müſſen ! Der heitere Cafarion Kaiserling ist am ſchnellsten damit einverstanden ; er zerstreut die Unterhaltung , die schon ernst zu werden beginnt , durch einige lustigen Abentheuer , die er an fremden Höfen erlebt , und weiß sich gegen die Zweifel , die man an seiner Nitter schaft hat, troß seines Podagra's, geirandt zu wehren. Der Hauptmann, Faumeister und Maler v. KnobelsDorf breitet jest seine Mappen aus , und führt die
83 Gesellschaft in ferne Lande, die er gesehen , und in flüchtigen Umrissen baut er schon Schlösser und Opern= häuſer für künftige Zeiten auf. Auch das Ordenshaus wird gezeichnet , wo sich die Ritter ohne Furcht und Tadel vom Bayard Orden , den der Kronprinz gestiftet , einst versammeln sollen. Zu dem Baumei. fter hat der Maler Pesne sich gesellt , dessen be= rühmter Pinsel die Plafonds der Såle verziert hat. Ein neuer Gast tritt ein ; 99 Vive Jordan et sa bonne humeur !" ruft ihm der Kronprinz ent= gegen. Wirklich, es ist Jordan, der aus dem Bücherftaube seiner Bibliothek sich aufgemacht hat in die hei tere Welt von Rheinsberg. Eine neue Ausgabe des Horaz, mein Prinz ! auf holländischem Papier, mit filbernen Lettern gedruckt, in pariſer Maroquin gebunden , mit Noten von Bentlei , Hamsterhustus, den beiden Burmånnern , Valkenar , Daniel Heinfius und vielen andern Heroen der klassischen Literatur ; auch bring ich Briefe". Briefe von Voltaire !” unterbricht ihn der Kronprinz , verstecke sie nicht hinter Deine schweinsledernen Notenmacher ; gib uns die Briefe, die Schriften." Wirklich ist Voltaire so gefällig , die beiden ersten Akte des Mahomet , wie fie aus der Feder geflossen sind , seinem Federico nach Remusberg zu schicken. Da werden die Champagner geister aus dem Keller herauf beschworen , um dem fernen Landsmann einen feuerigen Gruß zuzurufen ; der Wein und der Wig schäumt in goldenen Perlen, und so buntfarbig das Kleid ist, das die Gesellschaft trägt , so it's doch Ein Geist , der sie belebt , der Geist der Bildung , der Humanität , und die man für die Getrenntesten halten könnte, findet man hier eng
84 verbündet ; ein Jeder wird in diesem Kreise ein Anderer , als er draußen war. Der Prediger Achard vergißt seine Amtsminè , und weiß scherzhaftem Angriff mit gleicher Waffe zu begegnen ; der Mylord. Marschall hat den ganzen Abend nur einmal 99 God dam !" geflucht, ohne sich dabey auf Porter und Roastbeef zu berufen ; der Obrist Fouqué drang Nie mand die Geschichte seiner Feldzüge und Pferde auf; der italienische Graf beklagte sich nicht , keine Oran genwälder zu finden ; der französische Marquis schwieg von dem Stammbaume ſeines alten Hauſes , und der Kronprinz las seine eigenen Gedichte nicht vor --wenn man eben Racine und Voltaire vor sich liegen hatte. ---- Indem so ein Jeder sich zu bescheiden wußte, und ſichnicht mit origineller Anmaßung geltend machen. wollte, gewann die Gesellschaft die heiterste Harmonie. Fröhlich, wie man sich versammelt hatte , ging man auseinander , Jeder suchte ungestört im stillen Kámmerlein die Ruhe und was ihm sonst die freygebigen Götter bereitet hatten. Hier glaubte Friedrich die glücklichen Inseln der Hesperiden gefunden zu haben , mit feinem Dorfe bey Rom wollt' er tauschen ; er unterhielt sich gerne mit den entfernten Freunden des Auslandes von dem milden Himmel, den schönen Umgebungen und der. frohen Beschäftigung , und was er nur sonst von Rheinsberg zu rühmen weiß. Hören wir darüber ihn selbst. An Suhm ſchreibt er ( 15. August 1736) : „Ich kehre nun in meine Einsamkeit zurück , wo ichn mich ganz dem Studium überlassen werde. Wolf, wie Sie leicht denken können , nimmt eine Stelle , auf meinem Schreibtisch ein ; dann kömmt auch die
85 Reihe an Sieur Rollin , die übrige Zeit weih' ich den Göttern der Ruhe und den Musen. Greffet, ein Dichter, von dem Sie Manches gehört, vielleicht gelesen haben , wird zu mir kommen , mit ihm der Abbé Jordan, Kaiſerling , Fouqué und der Major Still. Was für ein widriges Schicksal trennt uns, geliebter Diaphan , und warum können wir nicht in Rheinsberg unsere Tage neben einander verleben , im Schooße der Wahrheit und Unschuld ? Dort , unter dichtbelaubten Buchen, Lehrt Wolf im milden Frühlingschein Den irren Geist die Wahrheit ſuchen, und mögen auch die Pfaffen schrei❜n und unserm freien Streben fluchen. Die Charis und die Scherze wohnen Auf diesem anmuthreichen Land ; Dochsind , wo jene Holden thronen, Die andern Götter nicht verbannt. Minerva wird und Mars gegrüßt Mit unsrer Lyra Seierklange, Bacchus mit festlichem Gesange, Wenn seine Schale überfließt ; Und schweigsam opfern wir in killen Nächten, Cythere , deinen Zaubermächten *)! *) Wir laſſen dieſe Verse im Original hier ebenfalls folgen : Là sous un ciel serein , assis au pied des hêtres, Nous étudions Wolffen dépit de nos prêtres. Les grâces et les ris ont accès en ces lieux, Sans pourtant excepter aucun des autres Dieux. Friedrich d. Eing. I.
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,,Das ist die Beichte, die ich Ihnen über das Leben ablege , welches wir in jenem glücklichen Aufent halte führen , wo uns der Himmel noch lange Herberge geben möge." über die Art und Weise der Beschäftigung gibt er dem Freunde in einem folgenden Briefe (23ten Oktober 1736 ) Bericht : „Ich glaube , Sie werden es nicht ungerne sehen , wenn ich Ihnen ein Paar Worte von unseren ländlichen Zeitvertreiben schreibe ; denn mit denen , die uns theuer ſind , spricht man gerne recht ausführlich, und wenn's auch nur Kleinigkeiten sind. Wir haben unsere Beschäftigungen. in zwey Claffen getheilt ; die erste umfaßt die nüßlichen , die andere die angenehmen in sich. Zu den nüßlichen zähle ich das Studium der Philosophie , der Geschichte , der Sprachen ; zu den angenehmen die Musik, die Trauerspiele, Lustspiele , die wir auffüh ren , die Redouten und Feste die wir geben. Immer aber gewinnen die ersteren Beschäftigungen den Vorrang vor den übrigen, und ich darf schon sagen, daß wir die Vergnügen sinnig in das Leben streuen , um dem Geist Erholung zu geben , und das múrrische Wesen und den Ernst der Philosophie durch die Gra= zien aufzuheitern.“ Tantôt , quand nous sentons bouillonner notre verve, Nous chantons en l'honneur de Mars et de Minerve ; Tantôt, le verre en main , nous célébrons Bachus, Et la nuit nous payons nos tributs à Venus.
87 In Rheinsberg schrieb Friedrich viele histo= rische und philoſophiſche Abhandlungen , unter denen fich die Betrachtungen über das europäische Staa= tensystem und die Prüfung des Principe von Macchiavelli*) beſonders auszeichnen, auch beſitzen *) ,,Ich wage es," sagt er in der Vorrede,,,die Vers theidigung der Menschlichkeit gegen ein Ungeheuer zu unternehmen , das dieselte ausrotten will ; ich wage es, Bernunft und Gerechtigkeit Sophismen und Lastern entgegen zu stellen. - Ich habe den Fürsten des Machiavel immer für eines der ge: fährlichsten Bücher angesehen, die der Welt bekannt geworden sind. Es ist ein Werk , das natürlicher Weise in die Hände der Fürsten und Staatskundigen fallen muß ; und nichts ist leichter, als daß ein ehrs geiziger junger Mann , dessen Herz und Urtheils: fraft noch nicht Festigkeit und Bildung genug ha: ben, um das Gute vom Bösen richtig zu unte:ſcheiz den , durch Marimen verdorben werde , die feinen Grundsägen und Leidenschaften schmeicheln. ,,Wenn es Unrecht ist, die Unschuld einer Privats person zu Grunde zu richten, die nur geringen Eins fluß auf das Ganze hat, so ist es um so schädlicher, Fürften zu verderben , welche Völker beherrschen, Recht und Gerechtigkeit handhaben , Beyspiele davon ihren Unterthanen aufstellen , und durch ihre Güte , Seelengröße und Miidthätigkeit lebendige Ehrenbilder der Gottheit seyn sollen . Die Plagen des Himmels dauern nur eine Zeitlang , verwüsten nur einige Gegenden , und dieſe Unfälle lassen sich wieder gut machen ; aber die Berbrechen der Könige bringen weit långere Leiden, und zwar ganzen VôlWie bebauernswürdig ist die Lage terschaften. der Nationen, die von dem Mißbrauche der höchsten Gewalt Alles zu befürchten haben, wenn ihre Güter 8*
88 wir noch manches Gedicht und eine Menge Briefe von ihm aus jener Zeit ; an Voltaire allein find 69 von
der Habsucht des Fürsten , ihre Ruhe seinem Ehrs geiz , ihre Sicherheit seiner Treulosigkeit , und ihr Leben seiner Grausamkeit, ausgelegt find. - Man follte in der Geſchichte nur die Namen der guten Regenten aufbewahren , und die anderen, ſammt ihrer Unthätigkeit , ihren Lastern und Ungerechtig= keit, auf immer ersterben lassen. Die Anzahl der Geschichtsbücher würde dadurch freylich verringert werden ; aber der Menschheit würde daraus Nugen erwachsen, und die Ehre, in der Geſchichte zu leben, und seinen Namen künftigen Jahrhunderteu und der Ewigkeit zu übergeben , würde nur der Lohn der Tugend senn ." Man sieht aus diesen Gedanken , wie rein die Quelle war , aus welcher des Prinzen Unwille über das System des Macchiavelli herfloß. Statt daß jeder Undere in seiner Lage und in seinen Jahren von den ſophiſtiſchen Schlingen dieses Polikers wåre gefangen worden , erkannte er sie auf den ersten Blick , und hütete ſich nicht nur selbst vor ihnen, fondern, was noch rühmlicher ist, warnte auch Uns dere davor. Er folgte diesem Schriftsteller Punkt für Punkt , damit man , wie er selbst sagt , gleich neben dem Gifte das Gegengift fånde. Der Untis Machiavel wird immer ein schönes Denkmal von dem Verstande, den Kenntniſſen , der Menschenliebe und dem edeln Herzen eines Fürsten bleiben , der hier in früheren Jahren gleichsam den Weg angab, den er als Vater ſeines Volks , als Monarch im Verhältniß gegen andere, und als Krieger, in ſpås teren Jahren zu betreten Willens war. Kein Wuns der also, wenn man dieſem Buche , als es erfchien, mit allgemeinen Benfall entgegen kam , und es in kurzer Zeit in fünf Sprachen • übersegte.
89 Rheinsberg oder Remusberg geschrieben , wie er es ſcherzhaft zu nennen pflegte , und auch er wird mit dem glücklichen Aufenthalte bekannt gemacht. llns fehlt," schreibt ihm Friedrich (v. 9ten November 1738) ,,,in Rheinsberg , um vollkommen glücklich zu feyn , nur ein Voltaire. Wenn Sie aber gleich fern von uns leben , so find Sie dennoch mitten unter uns. Ihr Bild schmückt meine Bibliothek, es hångt über dem Schranke , der unser goldenes Vließ bewahrt, unmittelbar über Ihren Werken , und dem Ort gegen= über , wo ich gewöhnlich ſiße , daß ich Sie immer vor Augen habe. Fast möcht' ich sagen , Ihr Bild fen. mir die Memnonsfäule , die , wenn die Sonnenstrah= len fie berührten , harmonisch ertönte , und wer sie Erinnern Sie anschaute, dessen Geist ward belebt. sich immer der kleinen Colonie in Remukberg , und zwar, um Hirtenbriefe nach Ihrer Art an sie zu rią)-ten. Dieser Troft ist in Ihrer Abwesenheit nöthig, und Sie sind ihn Ihren Freunden schuldig." Der König besuchte den Kronprinzen öfters in Rheinsberg ; dann zogen die lustigen Tischgenossen sich zurück, und einige alten Stabsofficiere nahmen über Tisch ihren Plaß ein. Der Feldmarschall Grumkow fand es nun auch gerathen, sich dem Kronprinzen wieder zu nähern. Er benüßte einst die gute Tiſchlaune des Königs , ihn zu bereden , die Schulden des Kronprinzen zu bezahlen ; dieser gab sie auf 40,000 Thaler an , und der Vater ließ sich willig finden. Mit Seckendorf hatte der Kronprinz sich auch versöhnt , er machte durch ihn Geldgeschäfte mit der. Kaiserin in Wien , doch scheint ihm diese Hilfe nicht
go genügt zu haben ; er wendet sich sehr dringend an Suhm in Petersburg , und bittet ihn in allegorischen Ausdrücken , die sie früher verabredet hatten , um 12,000 Thaler. Er schreibt ihm von Rheinsberg 1737 : ,,Da Sie nun einmal mein Commiſſionår in Rußland ſeyn wollen , ſo bitte ich, mir die neue Ausgabe vom Leben des Prinzen Eugen zu verschaffen , die man bey Ihnen druckt ; das wird das Kürzeste ſeyn. Die Absendung an mich wird leichter , der Accord mit dem Buchhändler viel ſicherer ſeyn , und ich werde dabey meine Rechnung viel beffer finden , als bey den wiener Buchhändlern , die langſam drucken , den Subſcribenten keinen Credit geben , und die , mit einem Worte, mir nicht anstehen. Man verlangt zwölf Exemplare (12,000 Rthlr.) von mir ; die sie bestellt haben , verfolgen mich bey Tag und Nacht , als ob ich eine Druckerey in meinem Hauſe håtte, und nach meis nem Belieben sie befriedigen könnte. Ich werde Antiken machen lernen und das Handwerk derer treiben, die neue Münzen nachprågen , um mich aus der Verlegenheit zu ziehen. Kurz , eilf oder zwölf Personen bestehen steif und fest auf das Leben Eugen's , fie fordern es , was es auch kosten mag. Denken Sie sich meine Lage ! Ich thue Gelübde an alle Heilige , und ohne Sie würde es ſchlimm mit mir ßtehen. Schließen Sie daher mit dem Buchhändler den Accord , ich gebe Ihnen dazu günzliche Vollmacht, meine Sache kann sich nicht in besseren Hånden befinden , als in den Ihrigen. Ihre Klugheit und Wolf *) stehen mir für den günstigen Erfolg Ihres Unternehmens." *) Suhm hatte dem Kronprinzen Wolf's Metaphysik
91 Im März 1737 erhielt er zur besseren Einrichtung seines Hofstaats eine jährliche Zulage von 12,000 Thalern ; indessen erfuhr er bald wieder einen starfen Abzug *). Im July 1738 trat der König , begleitet von dem Kronprinzen , eine Reise nach Cleve und Holland an , und auf der Rückkehr wurde die braunschweiger Messe besucht. Hierher hatte der Graf von der Lippe Freymaurer aus Hamburg und anderen großen Logen eingeladen , und der Kronprinz wurde in der Mitternacht vom 14ten auf den 15ten August feyerlich, nach allen Prüfungen , in die Brüderschaft aufgenommen, eben so der Graf von Wartensleben , der seiner vorzüglichen Zuneigung genoß. Indessen ward dies Alles so geheim gehalten , daß weder der König , noch seine Vertrauten , etwas davon erfuhren. Der Prinz ward ein eifriger Maurer , und in den ersten Tagen seiner Regierung erklärte er sich öffentlich für einen folchen; ja , er hielt zu Charlottenburg eine Loge , in welcher er , als Meister vom Stuhl , den Prinzen Wilhelm , den Markgrafen Karl von Schwedt , und den Herzog von Holstein , aufnahm. Nach der Zeit besuchte er die Logen zwar seltener , und in ſpåteren "Jahren gar nicht mehr ; indessen gab er der Freymaurerey immerfort Beweise feiner Achtung und Zunei gung , und nahm sie öffentlich in seinen Schuß. Zu Rheinsberg bildete sich jener schöne, große
in das Französische überseht, da er dieselbe in dieſer Sprache zu lesen wünschte. *) Bey der Darstellung der Jugendjahre Friedrich's diente meiſteng Förster's Schrift als Grundlage.
92 und erhabene Geist aus , den wir zu bewundern so oft Ursache finden werden. Besonders anziehend find die Briefe , welche er mit dem biederen von Suhm, dem damaligen fächſiſchen Gesandten zu St. Petersburg, wechselte , und welche uns mehr als einen Blick in seine Denkungsweise geftatten. Die ruhigen Bewohner von Remusberg," schreibt er ihm unter'm 12ten September 1737,,,ſind nicht ſo kriegeriſch ; es ist mir eine größere Angelegenheit , die Ländereyen urbar zu machen , als Menschen niederzumeheln, und ich schäße mich tausendmal glücklicher , eine Bürger frone zu verdienen, als einen Triumph." Ferner, anter❜m 26ten November des nämlichen Jahres : ...Ich bitte Sie , mein Lieber , streichen Sie allen meinen Heroismus , bis auf die Freundschaft allen falls , die ich für Sie hege. Wenn die Eigenschaften des Herzens zu der Bildung eines Helden gehören ; wenn die Treue und die Menschlichkeit so viel gelten, as diese rohe und oft barbarische Wuth der Eroberer ; wenn die Unterscheidung und Auswahl achtbarer Leute dem ausgedehnten Genie derer vorgezogen werden kann , welche die größten Plane entwerfen ; wenn endlich der gute Wille und die Sanftheit mehr werth find, als die Thätigkeit dieser Unruhigen , welche geboren scheinen , die Welt umzukehren , dann , unter diesen Voraussetzungen , kann ich mit ihnen in Vergleich kommen. Aber da alle diese Eigenschaften , die Güte, die Sanftmuth u. s. w. nur einen guten Bürger, und nicht einen großen Mann , zu bilden vermögen , bin ich nicht mit dem eiteln Wahne befangen , diesen Titel zu begehren, und ich versichere Sie, daß ich beständig den eines treuen Freundes , eines an dem menschlichen
93 Elend Antheil nehmenden Mannes , und endlich eines Menschen vorziehen werde , der dieſes nur zu seyn glaubt , um den übrigen Menschen Gutes zu thun, in welcher Lage er sich auch befinden möge." In einem Briefe an Voltaire , vom 18ten May 1740 , da er den Tod des Vaters herannahen sah, spricht er sich folgendermaaßen aus : „ Ich wünschte sehr, daß ich mich in der ruhigen und stillen Lage befande, in der Sie mich glauben , und ich ver fichere Sie, daß die Philosophie in meinen Augen reis zender und anziehender ist , als der Thron. Sie hat ben Vorzug , daß ihre Freuden dauerhaft find ; sie überwiegt die Täuschung und Irrthümer der Men schen , und wer ihr in das Gebiet der Tugend und Wahrheit nachfolgen kann , ist sehr strafbar , wenn er es für das Land der Lafter und Gauke eyen verläßt." Es dürfte hier wol nicht an dem unrechten Orte seyn , einige der Freunde Friedrich's aus dieser Beit näher zu schildern ; die von Bielefeld gemachte Zeichnung derselben möge uns hierbey meistens als Quelle dienen. Der Ritter Chasot war dem Prinzen in dem französischen Lager bekannt geworden , das er bey Ge egenheit des rheinischen Feld , uges von 1734 zu befehen die Erlaubniß erhalten hatte. Sein vollſtändiger Name war Franz Isaak Graf von Chaſot , ſein Vaterland die Normandie. Er besaß einen hellen Verstand , viel Wiß und Lebhaftigkeit , und einen entschiedenen Geschmack für die Kriegskunst. Als der Prinz zur Regierung fam , gab er ihm ein Jägercorps , an deſſen Spiße er in dem Kriege von 1740 bis 1742 viel Ruhm erwarb , den er in dem darauf
94 folgenden neuen Kriege bis zur höchsten Stufe hinauftrieb , als er mit dem Dragoner-Regiment Bayreuth, unter welchem er als Major diente, in der Schlacht bey Hohenfriedberg 66 feindliche Fahnen erbeutete, und überhaupt durch seine unerschütterliche Tapferkeit und Geistesgegenwart nicht wenig zu dem glücklichen Ausgange dieses Treffens wirkte. Im Jahre 1752 nahm er seinen Abschied , und ward von dem Könige von Dånemärk mit dem Titel eines Generallieutenants zum Commandanten von Lübeck ernannt. Ein zweyter Liebling des Prinzen und sein vertrautefter Gesellschafter war der Earon Dietrich von Kaiserling, ein kurischer Edelmann. Die Natur hatte ihn mit den glänzendsten Talenten ausgestattet, die sie sonst nur einzeln ihren Lieblingen zutheilt. Er hatte einen Kopf, der die wichtigsten und schwersten Gegenstände mit gleichem Feuer umfaßte , und das, was ihm an Gründlichkeit abging , mit einem unerschöpflichen Wise , mit einer fiegenden Beredsamkeit und einem nie unterliegenden Muth, ersehte. Er konnte , was er wollte , that aber nicht immer , was er konnte , und zeigte überhaupt in ſeinem Charakter so viel Gesehtheit und Flatterhaftigkeit , so viel Be= harrlichkeit und Leichtsinn , so viel Edles und Großes, und wiederum so viel Renomisterey und Bizarrerie, daß man oft zweifelhaft war , ob man ihn für den stärksten oder schwächsten Sterblichen halten sollte. Als ihn der Freyherr von Bielefeld das erste Mal zu Rheinsberg sah ; fuhr er wie ein Sturmwind in den Saal. Er war auf der Jagd gewesen , hatte einen Schlafrock an und eine Flinte auf der Schulter. Er redere den Freyherrn von Bielefeld so munter und *
95 ungezwungen an , als ob er schon seit langer Zeit sein vertrauteler Freund gewesen wäre, ergriff ihn bey'm Arm und trug ihn beynah' in sein Zunmer. Hier def amirte er , während er sich ankleiden ließ, bald Stellen aus der Henriade , bald aus teutschen Dichtern , sprach bald von Pferden und von Jagd, bald von Gelehrsamkeit und Kunſt , ſprang und tanzte, und sprach dann wieder von Politik , Mathematik, von Malerey, von den schönen Wiſſenſchaften und von der Kriegkunst. Charak.ere dieser Art sind noch immer , wenn das erste jugendliche Feuer gedämpft ist , die brauchbarsten und wohlthätigsten für die Menschheit geworden , weil bey ihnen , mitten unter dem Brausen der ungebåndigten Leidenschaften , die Züge eines guten und fühlenden Herzens , wie Sonnenblicke durch Gewitterwolfen , herdurch zu schimmern pflegen. Kaiserling, den der Prinz nur immer Caſarion nannte , wåre in der Folge einer der besten Feldherrn Er war geworden , wenn er långer gelebt hätte. Dorist und Generaladjutant des Königs , als er im Jahre 1745 in der Blüthe des männlichen Alters starb. Nicht minder lebhaft , aber weit ſteter und fester, war der Charakter des geheimen Raths Jordan , den der Prinz vorzüglich schäßte. Er hatte Theologie studirt, begab sich aber derselben , weil er von sehr schwacher Gesundheit und deshalb schon nicht im Stande war , seine Stelle auf der Kanzel mit Nachdruck zu behaupten. Er that eine gelehrte Reise nach Holland, England und Frankreich, und ward nach seiner Zurückkunft dem Prinzen bekannt. Dieser
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nahm ihn in seine Dienste , und hatte ihn von dieser Zeit an beständig um sich. Jordan war klein von Perſon , aber nicht unre: gelmäßig gewachsen. Er hatte viel Einnehmendes in feinem äußern , und einen vorzüglich lebhaften und Seine Gesichtsfarbe war braun, feuerigen Blick. und seine starken Augenbraunen waren schwarz, wie fein Bart. Er besaß viel Verstand , und eben so viel Geschmack und Gelehrsamkeit , die er auf seinen Reifen ungemein ausgebildet und erweitert hatte. Er ist auch durch einige Schriften in der Literatur be, fannt geworden , die jedoch von der unerschöpflichen Ader von Wig nicht so viel Spuren zeigten, welche ihm die Natur verliehen hatte , als seine mündlichen Unterhaltungen. Das schärfßte Salz war nicht so beiß send , wie der Wih , von dem sein Mund , wie eine lebendige Quelle , immerfort überströmte. Doch ehr. würdiger, als alles dieses , machte ihn sein Herz, welches der Sih der Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit und der unbedingtesten Ergebenheit für den Prinzen, war. Selbst die Hofleute gestanden ihm diese Vor zúge ein , und schäßten ihn darum . Als der Prinz zur Regierung kam ; machte er ihn zum geheimen Rath und darauf zum Vicepräsiden ten seiner Akademie , als welcher er 1745 , im 45ten Jahre seines Alters , starb. Die Vorzüge des Freyherrn von Knobels dorf waren weniger für gesellschaftlichen Umgang, als für ernsthaftes Wissen. Sein Äußeres hatte nicht das Geschmeidige , Quecksilberne und Lachende der rorhin geschilderten drey Freunde des Prinzen ; er war immer ernsthaft und finster , und mit seinem Studiren
97 beschäftigt. Sein Umgang war ungemein lehrreich, wenn man ihn auf seine Lieblingswissenschaften, Baukunst , Zeichenkunst und Maleréy , zu lenken wußte. Um seine Kenntnisse in diesen Fächern zu erweis tern , nahm ihn der Prinz aus den Kriegdiensten und ließ ihn eine Reise nach Italien machen. Von daher brachte er einen Schaz theoretischer Kenntniſſe zurück, die er in der Folge praktiſch zu zeigen immerfort Ge= legenheit hatte. Was man in Rheinsberg Schönes in der Architektur und den damit verwandten Kúnften sah, hatte Knobelsdorf, nach der Angabe des Prinzen, mit großer Einsicht und im feinsten. Ge schmack, ausgeführt. Er malte die reizendsten Landschaften und zeichnete die Bildnisse feiner Freunde zum Sprechen ähnlich nach der Natur. Dabey war er ein Mann von bewährter Treue und Redlichkeit. Er starb 1753 zu Berlin , als geheimer Finanzrath, Aufseher fämmtlicher königl. Schlösser und Gärten, und Oberlandbau-Direktor , im 54ten Jahre. Das Schloß von Sans-souci , welches unter seiner Aufsicht erbauet wurde , und eine Menge anderer königlichen. Gebäude, sind die schönsten Denkmåler feiner Kenntnisse in der Architektur. Von Suhm haben wir oben schon gesprochen. --- Seit dem Jahre 1737 stand Friedrich auch mit Voltaire in einem , in mancher Beziehung sehr interessanten , Briefwechsel. Die Aussöhnung zwischen dem König und dem Kronprinzen war wirklich vollkommen gewesen. Bey der strengen und lieblosen Behandlung , die der Leztere von seinem Vater zu erdulden gehabt , ist es wirklich bewundernswerth , wie er bey allen Gelegen= heiten dessen stärkster Lobredner ward. Wir laſſen 9 Friedrich d. Einz. I. ,
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unerwähnt , wie vortheilhaft er von seiner Regierung ſpricht , indem wir uns auf folgende Stelle aus seinen Memoiren beschränken , die gewiß zur Genüge das Gesagte beweisen werden : Wir haben mit Stillschweigen den häuslichen Verdruß dieses großen Fürften übergangen ," find seine Worte. Man muß einige Nachsicht mit dem Fehler der Kinder haben, zu Gunsten der Tugenden eines solchen Vaters *).!! Doch ist es nur allzu gewiß , daß Friedrich ungleich zufriedener mit dem König , als dieser mit seinem Benehmen war. Es gefiel ihm zwar , daß ſich der Kronprinz das Kriegwesen angelegen seyn ließ, dabey bedauerte er jedoch immer , daß ihm derselbe nicht alle seine Kräfte widmen wollte. Daher waren die meisten Gesellschafter seines Sohnes blos geduldet (tolerirt) und kaum durfte sich einer vor ihm sehen laffen. Öfters drohte er auch — wie versichert wird besonders in den lehten Jahren seines Lebens , wo die, durch die Krankheit zum Theil verursachte , biſe Laune des Königs dem Kronprinzen häufig zur Laſt fiel, die schönen Geiſter, die Philoſophen, Freygeiſter, Irrlehrer und Verführer feines Sohnes aufheben, und sämmtlich auf die Festung Spandau ſehen zu laſſen. Ganz Rheinsberg soll hierdurch nicht selten einige Tage lang in Schrecken gerathen seyn , und der Prinz seine ganze Beredsamkeit nöthig gehabt haben , die *) Die ehrenvollste Rechtfertigung hat Friedrich der Große indessen - wie Förster ganz richtig bes merkt seinem Vater durch die Unerkennung seiner Regierungsweise , und durch die Thaten gegeben, die er mit dem Schah und dem Heere desselben ausführte.
90 ångstlichen Freunde zu beruhigen , und von einer So schreibt er auch förmlichen Flucht abzuhalten. (den 22ten Juny 1737) an Suhm., seinen geliebten Diaphan : "Vor einigen Tagen sind neue boshafte Streiche gespielt worden. Alles kömmt von einer Eifersucht her, welche Bredow gegen Wolden hat *). : Der Erstere hat Mittel gefunden , dem Könige die Meinung beyzubringen , ich sey ein Mensch ohne Re . ligion ; Manteuffel **) und Sie ( Suhm) hätten viel dazu beygetragen , mich zu verderben , und Wolden fey ein Narr, der bey uns den Poffenreißer mache Sie wissen , daß die und mein Günſtling wåre. Beschuldigung der Irreligion die lehte Zuflucht der Verläumder ist , und daß , sie einmal beygebracht, nichts mehr gesagt werden kann. Der König gerieth in Hise; ich nahm mich zusammen ; mein Regiment that Wunder , und die geschickte Führung der Waffen, ein wenig Mehl auf den Köpfen der Soldaten gestreut, Leute von mehr als 6 Fuß , und viele Rekruten , was ren stärkere Argumente , als die meiner Verläumder. Alles ist gegenwärtig ruhig , und man spricht nicht mehr von der Religion , von Wolden , von meinen Verfolgern, noch von meinem Regimente. " Die Gesundheit des Königs war gegen Ende des Jahres 1738 sehr bedroht. Es wurde Alles aufge boten , um den Mißmuth zu vertreiben , der ihn oft befiel, und was er wünschte, suchte man auszuführen.
*) Bredow war Gouverneur und Wolden Haushofmeister des Kronprinzen. **) Beheimer Rath und erster Miniſter am sächsischen Hofe. 9*
100 Den 22ten May 1739 speiste Friedrich bey dem Könige , der über Tafel gegen ihn äußerst gnädig war, und versicherte, er sey mit seiner Aufführung völlig zufrieden , wolle auch deshalb alles bisher zwi= schen ihnen obgewaltete Mißverständniß , welches von gewissen bösen Leuten (Grumkom und Seckendorf*) waren in diesem Jahre gestorben) gestiftet worden, abstellen und völlig vergessen. Er versprach dem Kronprinzer 100 000 Thaler zur Bezahlung seiner Schulden, und sagte ihm , daß er sich nun um ſeine Lebensweise gar nicht mehr kümmern werde. Den 9ten Juny passirte der Kronprinz mit ſeinem Regimente die lehte Revue vor seinem Vater. Das Wetter war schlecht , und der König sehr schwach ; er wurde aber heiter, da der Kronprinz ihm 150 auss erlesene Rekruten vorführte , von denen er dem Vater sechs Stück für 10.000 Thaler für die Leibgarde ab÷ trat. Mittags speiste dieser bey dem Kronprinzen. Er schenkte ihm im Auguſt die Stuterey in Preußen, worüber der Kronprinz allen seinen Freunden , selbst Voltaire , sein Erstaunen und ſeine Freude mittheilte. Kleine Mishelligkeiten fanden noch öfter statt , doch war's nicht von langer Dauer. Mit Ende dieses und zu Anfang des folgenden Jahres (1740) verschlim merten sich die Gesundheitsumstände Friedrich Wil helm's sehr. Man suchte ihm so viel als möglich *) Beide Günstlinge haben nicht glücklich geendet : Seckendorf zog sich die Ungnade des östreichischen Hof's zu, daß er verwiesen ward , und gegen Grum: kow war Friedrich Wilhelm in den legten Jahren sehr kalt; der Tod befreite ihn von einer strengen Untersuchung.
ΙΟΙ Unterhaltung zu verschaffen , weshalb auch der Kronprinz den 4ten Januar ein prächtiges Gastmahl und Ball gab; doch war der König nicht gegenwärtig, obwol er es früher versprochen. Er war unwillig, als er erfuhr , daß der Prinz zu dieſem Feste Geld geborgt, und befahl ihm , den 18ten Januar zu seinem Regimente nach Ruppin abzugehen. Diese Ungnade dauerte aber nicht lange ; Podagra und Waſſerſucht machten ihm große Schmerzen , und er verlangte nach dem Kronprinzen ; er ließ ihn durch eine Estaffette den 17ten Januar nach Berlin rufen. Den 21ten Mårs glaubte der König gewiß zu sterben , und hielt nochmals eine feierliche Versöhnung mit dem Prinzen. Erst den 31ten May ging es wirklich mit dem König zum Tode. Er übergab noch früh um 11 Uhr dem Kronprinzen Krone , Scepter und die Schlüffel zum Schaß, und ertheilte ihm seinen Segen. Der ge heime Rath Vockerodt nahm ein eigenes Protokoll darüber auf. FriedrichWilhelm zeigte sich bis zu seinem letzten Athemzug als einen strengen Herrn über Leben und Tod, wie sonst gegen Andere , ſo jest , da es ihm selber galt. Er ließ sich den Sarg hereinbringen, in dem er bald liegen sollte , und gab in Gegenwart der Generalität und anderer Hofchargen für seine Beerdigung dem Kronprinzen Befehle. ----- Noch um 11 Uhr ließ er sich in feinen Stuhlwagen ſehen, und auf der Gallerie des Schlosses herumfahren , um die im Hofe paradirende Garde noch einmal zu sehen. Zwey Stunden spåter , um 1 Uhr , war er schon nicht mehr.
3 weyter
Abschnitt.
Kurzer Uiberblick des Zuſtandes der europäiſchen Staaten . - Friedrich der 11. besteigt den preußischenSiege bey Thron. --- Krieg mit Oestreich. Das von dem Mollwig und Chodu ſiz . König eroberte Schlesien wird ihm durch den breslauer Frieden förmlich überlassen. (Vom May 1740 bis zum July 1742.)
Bey dem Tode Friedrich Wilhelm's zählte PreufDie Einkünfte des fen 2.240,000 Bewohner *). Staats betrugen zwar nur 7,400,000 Thaler , dennoch aber hatte der König einen Schaß von wenigftens acht und einer halben Million hinterlassen **). *) Nach Friedrich des Einzigen Angabe ungefähr drep Millionen. ** Friedrich , in der „ Geſchichte meiner Zeit “, gibt den Schat zu 8,700,000 Thaler an. - 3 immers mann (Fragmente über Friedrich den Grof= fen; 1. Band, S. 17) indeſſen hält diese Angabe, nach der ihm von einem preußischen Minister ges machten Versicherung , für einen Fehler des Abschreibers oder Segers , und glaubt bestimmt , die aufgesparten Summen seyen ungleich bedeutender gewesen,
103 Die Staatseinkünfte waren in guter Verwaltung ; indeſſen fehlte es an inneren Hilfêquellen , und die jährliche Einfuhr überſtieg die Ausfuhr um 2,200,000 Thaler. ― Das Heer bestand aus nicht weniger als 76,000 Mann , was , ohne die so streng ökonomische Haushaltung in allen Zweigen der Verwaltung , die Kräfte des Landes weit überstiegen haben würde. Noch befanden sich aber fast alle übrigen Staa ten Europa's in Entkräftung und Schwäche ; noch bluteten bey vielen die Wunden , welche der dreißig jährige Krieg, und die verschiedenen durch Karl den XII., Peter den I. (der Große genannt), und Ludwig den XIV. veranlaßten Kämpfe , geschlagen hatten. Östreich, durch die Talente des Prinzen Eugen von Savoyen wieder zu der Macht erhoben , welche es in den früheren Zeiten seines Glanzes erlangt, war, unter der Leitung schlechter Minister, und von einem schwachen Kaiſer (Karl dem VI.) regiert, wies der ausnehmend gesunken. Zwar übte es noch über einige Staaten Italiens feinen Eirfluß aus , und ein großer Theil von Teutschland war seinen Befehlen gehorsam ; aber, obschon so reich an Hilfsquellen, mangelte es dennoch dem Gouvernement dieses Landes faft überall an Mitteln. Ein einziger kluger und kraftvoller Mann hårte in jener Epoche diese Monarchie wol zu nie gesehener Größe zu erheben vermocht ; statt dessen schien sie aber immer tiefer herabzusinken. Bedauernswerth war im Algemeinen die Lage Teutschlands. In nicht weniger als 300 , fast nach eben so viel Systemen beherrschte , Staaten getheilt, besaß dasselbe --- unter anderen Verhältn ssen ohne Zweifel nicht nur stets Achtung gebietend, sondern
104 wahrscheinlich das erste, mächtigste Land Europa'sweder Einigkeit , noch Macht. Die Kaiser, feit Jahrhunderten immer aus dem öftreichischen Hause erwählt , konnten einen ungemessenen Einfluß beynah❜ über das gesammte Reich ausüben. Die ganze Verfassung , schon långst zum Gespötte der Fremden ge= worden, glich einem großen , alten Gebäude, dessen gefunkenen Fundamente und von einander getrennten Unter Mauern einen gewiffen Einsturz verkündeten. den einzelnen Staaten erblicken wir Brandenburg, oder vielmehr Preußen , in der Epoche seiner Entwickelung , und Braunschweig , feit Georg der I. den britischen Thron bestiegen , an Englands Intereffe gefeffelt. Sachsen , welches , wie Friedrich sagt, von seinen Spionen zwar gut , aber von seinen Ministern desto schlechter bedient wurde , und das Pfaffen ind Günſtlinge regierten , verdient im Grunde blos Teshalb einige Aufmerksamkeit , weil sein Churfürst zugleich die Königkrone von Polen auf dem Haupte trug. - Bey diesen Verhältniſſen laſtete ein despotischer Druck auf dem Volke , und Unwiſſenheit , und die ihn Begleitenden , Fanatikmus und Aberglauben, schwangen in ganz Germanien ihre Geifel. Es stehe hier der eine Zug , den Friedrich erwähnt : „ Der Churfürst von Cölln hielt bis 10 000 Mann , womit er ein Gewerbe trieb , wie ein Ochſenhirt mit ſeinem Vieh. Damals hatte er sich an das Haus Öftreich verkauft."/ Frankreich, wenn gleich durch die unglückbringende Eroberungfucht Ludwig des XIV., und die enormen Verschwendungen des Hofes , vor wenigen Jahren noch tief herabgekommen , war , bey seiner
105 vortheilhaften Lage und dem Charakter seiner Bewoh ner, schnell wieder empor gestiegen. Es übte Einfluß aufItalien aus , und auf das durch Inquisition und Mönchthum in Ohnmacht gekommene Spanien. Schon damals besaß das , zwar von der Natur nicht besonders begünstigte, nicht sehr ausgedehnte, aber durch eine freye Verfassung die Keime seiner dereinstigen Größe in sich tragende, England eine bedeutende Macht , besonders zur See. Einige Theile von Nordteutschland, Dänemark, Holland und Por tugal folgten , mehr oder weniger , feiner Leitung. Unermeßliche Besißungen in Amerika , eine vortreffs liche See- und nicht unbedeutende Landmacht , so wie außerordentlich große Reichthümer , wußten dem eng lischen Namen überall Achtung zu verschaffen. In Schwäche, oder doch wenigstens ohne völlige Selbstständigkeit , erblicken wir Schweden , Dänemark, Polen , Holland , die Schweiz , Portugal und die Túrkey. Dagegen hatte sich , auf den Trümmern aller seiner Nachbarstaäten , schon damals Rußland zu einer Macht ersten Ranges erhoben , und den Be fehlen seines Gouvernements gehorchte eine Ländermasse, bey Weitem größer als Europa. - Als der Vater todt war , begab sich Friedrich sogleich nach Charlottenburg. Rheinsberg, das einſame Rheinsberg , wo er seine besten Jahre, bald den Musen , bald den theoretischen Kriegwiffenschaften, bald der Regierungskunst , gewidmet hatte, mußte er nun mit diesem , der königlichen Residenz nåher gelegenen Luftschloffe , vertauschen. Charlot tenburg war einer der Orte , welche der vorige König nie liebte, weil Friedrich der 1. seine Vorliebe zu
106 demselben in zu vieler Pracht an den Gebäuden und Gärten gezeigt hatte. Hier hielt er sich etliche Tage lang in seinen Zimmern , und unterrichtete sich im Stillen genau von der gegenwärtigen Verfassung des Staats und deffen Angelegenheiten ; indeſſen ånderte er vor der Hand nichts Wichtiges in den Einrichtun= gen des Vaters. Die ersten Worte an feine Miniſter waren : Unsere erste Sorge muß das Wohl unserer Staaten und das Glück eines jeden unserer Unterthanen seyn. Wir wollen nicht , daß Ihr dieselben· unterdrücket , um Euch zu bereichern , sondern viel mehr, daß Ihr die Wohlfahrt des Landes zu gleicher Zeit , wie Euer Intereffe , vor Augen habt , denn beyde dürfen nicht unter einander kommen *).“ Seine Empfindungen in dieser Lage zeigt ein Brief, welchen er sechs Tage nach dem Antrit der Regierung (den 6ten Juny) an Voltaire schrieb : ,,Theurer Freund , mein Look hat sich geändert , und ich bin bey den leßten Stunden, bey dem Todeskampf und dem Sterben eines Königs zugegen gewesen. In der That brauchte ich bey meinem Regierungsan trit diese Lektion nicht , um Ekel vor der Eitelkeit und der menschlichen Größe zu bekommen . ...Aber, mein lieber Voltaire, wir sind nicht Herren über unfer Schicksal , der Wirbel der Ereignisse reißt uns fort , und wir können uns ihm nicht widerseßen. Halten Sie mich, ich bitte Sie darum, für weiter nichts, als für einen eifrigen Bürger (Patrioten) und einen etwas sceptischen Philosophen , aber für einen wahr=
*) Vie de Frederic II . , Roi de Prusse, bourg, 1787.)
(Stras-
107 haft treuen Freund. Um's Himmels willen ! Schreiben Sie an mich, wie an einen Menschen , und verachten Sie mit mir Titel , Namen und außeren Glanz. Bis jet bleibt mir kaum so viel Zeit übrig , daß ich zu mir selber kommen kann. Ich habe unendlich viele Geschäfte , und mache mir noch mehr dazu u . s. m.“ Gegen Ende des ersten Monats seiner Regierung , nämlich unterm 27ten Juny , gibt er diesem Freunde auch einen kurzen Bericht von seiner Lebensweise: Die unzählige Arbeit , welche mir nach dem Tode meines Vaters zugefallen ist , hat mir Taum erlaubt, mich meinem gerechten Schmerze zu über laſſen. Seit seinem Tode glaub' ich ganz meinem Lande zu gehören ; und bey dieser Gesinnung hab' ich nach allen meinen Kräften gearbeitet , um so schleunig als möglich Anstalten zum allgemeinen Besten zu tref fen. Für's Erske habe ich die Macht des Staats mit 15 Bataillonen , 5 Schwadronen Huſaren und einer Schwadron Gardes du corps vermehrt , und den Grund zu unserer neuen Akademie gelegt. Wolf, Maupertuis, Vaucanson und Algarotti habe ich schon; von ' Gravesand und Euler erwarte ich Antwort. Ich habe ein neues Handlungs- und Manufaktur. Departement etablirt , engagire jezt Maler und Bildhauer, und reise nach Preußen , um mir da, ohne das heilige Ölfläschchen und ohne die unnüßen und nich. tigen Ceremonien huldigen zu laffen , welche Ignoranz eingeführt hat , und die nun von der hergebrachten Gewohnheit begünstigt werden... Meine Art zu leben ist für jeht noch nicht recht im Gange ; deun die Fakultät hat es für gut gefunden , mir ex officio pyrmonter Waffer zu
108 verordnen. Ich stehe um 4 Uhr auf, trinke bis um 8 Uhr den Brunnen , ſchreibe bis 10 , laſſe bis Mittags Regimenter ercerziren , schreibe bis 5 Uhr , und erhole mich des Abends in guter Gesellschaft. Wenn die Reifen geendigt find , foll meine Lebensart ruhiger und planmäßiger werden. Für jeßt aber habe ich die gewöhnlichen fortlaufenden Geschäfte , und überdies noch neue Einrichtungen ; bey dem allem muß ich auch viele unnüße Complimente machen und Cirkulare ergehen lassen. Die meiste Mühe habe ich bey der Anlage neuer Magazine in allen Provinzen, die so beträchtlich seyn sollen , daß sie auf anderthalb Jahre Getreide für das ganze Land erhalten.“ Eine der ersten Regierungshandlungen Friedrich's war also die Zurückbringung Wolf's in seine Staaten. Dieser große Philosoph hatte auf der Unis versität zu Halle , unter der Regierung Friedrich Wilhelm's , mit vielem Beyfall feine Vorlesungen gehalten. Seine Schriften gewannen eine außerordentliche Verbreitung , weil darin dem gesunden Menschenverstande , der jeßt seine Flügel zu verſuchen anfing , ein willkommenes Element zur freyen Bewes gung geboten wurde. Vergebens erhoben sich die Pietisten von Halle und anderwärts gegen Wolf; in einem Federkriege, den sie veranlaßten , wollte es ihnen nicht gelingen , den Zweck zu erreichen. Da wußte der berüchtigte Professor Lange (f. S. 23) dem König auf heimlichem Wege diese Lehre dadurch verdächtig zu machen , daß er ihm schrieb : „ Wolf suche zu beweisen , daß der König keinen Soldaten beſtrafen könne , der davon laufe , weil davon die Harmonia praestabilita Schuld ſey.“ Wenn nun
109 auch nicht zu fürchten war , daß die potsdamer Garde Wolf's Metaphyſik ſtudiren werde , so schienen doch solche Gemeinsprüche verfänglich , und Wolf erhielt einen Cabinetsbefehl , worin ihm ,,,bèy Strafe des Stranges", befohlen ward , Halle binnen 24 Stunden zu verlaſſen. Unverholen äußerte sich die Theilnahme an seinem Schicksal, und sie konnte dem Könige nicht uns bekannt bleiben. Daher trug er, besonders durch den Kronprinzen hierzu veranlaßt , dem Probst Reinbeck in Berlin auf, ihm über Wolf's Schriften Bericht zu erstatten. Da dieser sehr bündig für den Philosophen sprach, rief ihn Friedrich Wilhelm zurück. Wolf indessen , neue Händel fürchtend , erwartete eine günstigere Zeit. - Als Friedrich der II . den Thron bestiegen hatte , gab er sich, durch den Probst ReinEin beck, alle Mühe , ihn wieder zu gewinnen. Mann, der die Wahrheit sucht und verehrt, schrieb er an jenen (Reinbeck),,,muß dem ganzen Menschengeschlechte werth seyn, und mir, dunkt , im Reiche der Wahrheit eine Eroberung gemacht zu haben, wenn ich Wolf zur Rückkehr bewege." Ihm selbst aber fagte er in einem Briefe vom 23ten May : „ Die Philosophen müssen die Volkslehrer und die Vorsteher der Fürsten seyn. Ihre Pflicht ist es, zu denken, und die unserige, ihren Vorschriften gemäß zu handeln ." „So`oft Ihr den. Nuhen meiner Unterthanen mit meinem Vortheil im Widerspruch findet ,“ befahl Friedrich seinen Ministern , dürft Ihr Euch nicht bedenken , jenen diesem vorzuziehen.“ Schon lange vor dem Tode Friedrich Wilhelm's hatte man allen den Veränderungen nachgegrübelt, 10 Friedrich d. Einz, I,
110 die man mit Friedrich's Thronbesteigung unzertrennlich verbunden zu seyn glaubte , weil die Neigungen des Sohnes von denen des Vaters so sehr verfchieden waren. Jeder Stand , jedes Alter , jede Religionspartey glaubte fürchten oder hoffen zu múffen , und die meisten betrogen sich in ihrer Furcht und Hoffnung. Der Soldatenstand vermuthete zwar keine ganz liche Vernachläßigung , aber doch Zurückseßung ; und betrog fich. Der neue König vermehrte ihn mit einigen Regimentern , und ließ ihm seine Grundverfafsung. Nur das potsdamer Riesenregiment , das er mehr für seltsam , als für nüßlich hielt , ward zer= riffen und unter andere Regimenter vertheilt , bis auf ein Bataillon, welches zum Andenken ungetrennt blieb. Der Bürger- und Bauernstand blieb in der vorigen Verfassung. Die Gesellschafter und Freunde des Königs, die in Rheinsberg beständig um ihn gewesen waren, fahen dem Antrit feiner Regierung mit hohen , und zum Theil überspannten, Erwartungen entgegen. Die júngeren unter ihnen, und die sich am meisten geschäßt glaubten, erwarteten ein Favoriten Leben ; aber fie wurden in diesen Erwartungen getäuscht. Der König hatte als König keine Günftlinge ; aber als wißiger Kopf, Gelehrter , und bey der Tafel , zeichnete er einen , zwey oder drey als solche aus. Diese Unters fcheidungsart schien man an ihm nicht bemerkt zu haben ; und daher manche betrogene Erwartung, mancher gescheiterte Plan ! Der Sprudelkopf Kaiferling betrug fich, wie man es nach der oben von ihm gegebenen Schilderung
erwarten wird. Charlottenburg wimmelte von Men-> schen aller Stände , Arten und Alter , die der lebhaftesten Freude lauten Ausbruch verstatteten. Kaiſerling war an ihrer Spiße. Seine Zimmer wurden nie leer ; an allen feinen Thüren stand Cåfarion ger schrieben , ein Name , den ihm der König gegeben hatte , und den er , wie man wußte , gerne hörte. Glückwünschungs- und Geschäftsbriefe drängten sich zu ihm, und erforderten zu ihrer Beantwortung einige Schreiber. Er machte so viel Verse , als er nie ge macht hatte, sprang mit einem Pfeifchen von Bernstein umher , raffelte auf seiner Baßgeige , spielte, fang , lachte , und war so ausgelassen , daß man für seinen Verstand in Sorgen nar. Man kieht aus diesen Zügen, was Kaiſerling und Andere mit ihm vermutheten. Aber hat man je ge hört , daß Kaiſerling dem König das war , war Rošny (nachmals Sully) Heinrich dem IV. , und Brühl August dem II. ? Sehr richtig ist das , was der Freyherr von Bielefeld bey dieser Gelegenheit , nicht ohne einen sichtbaren kleinen Zwang , an einen seiner Freunde schrieb: Ich hatte einen sehr vortheilhaften Begriff von den Herzen derer , die jeßt ihre Freude und Er gebenheit für ihren neuen Gebieter so lebhaft äußern ; aber der Verstand jener wird mir verdächtig , welche glauben können , der König werde nun seine Schäße öffnen und Geld auf sie regnen lassen , während sie fich nur bücken dürfen , um es aufzulesen. Die gehofft haben , der Prinz werde ihnen ein glänzendes Glück machen , betrügen sich eben so sehr , als die, welchefürchten, daß ihnen ein Leid von ihm widerfahren 10 *
112 möchte und furz, der Tag , wo dieser weise Fürst die Regierung antrat , kann seinem ganzen Land ein Tag der fehlgeschlagenen Vermuthung heißen." Indessen nahm der König dennoch viele Standeserhöhungen vor , die seine bisherigen Freunde und andere verdienstvolle Månner betrafen , die er als solche kennen gelernt hatte. Jordan ward geheimer Nath ; aber nicht etwa um ein starkes Jahrgeld ruhig zu verzehren , sondern seine Besoldung unter einem Wirbel von Geschäften zu verdienen. Kaiser= ling ward Obrist und Adjutant des Königs , und mußte sich der Kriegkunst strenge befleißigen ; Cha= fot bekam ein Jågercorps , - und so wurden alle übrigen an ihre rechte Stelle versetzt ; ein Beweis, daß der König als Prinz sie alle studirt , und ihre Talente und Fähigkeiten geprüft hatte. Den Meisten war das , was er für sie that , zu wenig , undes galt von ihnen genau , was Bielefeld , den er zum Legations-Secretår ernannte , von sich selbst sagte : Ich gestehe aufrichtig , das heißt einen etwas fleinen Anfang machen. Diesem Grundsaße , nach welchem der König damals schon handelte , ist er während seiner ganzen Regierung getreu geblieben. Man hat kein Beyspiel, daß er blos aus Gunſt einen ſeiner Diener empor ge= hoben hätte ; sie wußten sich ihre Stellen alle sehr fauer verdienen . Daher kömmt es aber auch , daß kein Monarch so thåtige und brauchbare Diener hatte, als er , und daß fünfzig Hånde in Preußen mehr tha ten , als hundert in jeder andern Monarchie. Fleiß und Geduld waren die einzigen Mittel , von dem ›
113 Monarchen bemerkt zu werden. Geburt , glänzende Talente , Reichthum , Nepotismus , verhalfen zu nichts ; der König bediente ſich der Subjekte , welche folche Vorzüge befaßen zu Berloquen an der politi fchen lihr, und selbst varauf konnten sie noch nicht ficher rechnen. Am schmerzlichsten sahen sich die Abentheuerer getauscht , die, besonders aus Frankreich , nach Berlin strömten , und dort ihr Canaan zu finden hoffien . Die Vorliebe des Königs für Alles , was franzöſiſch war , hatte sie glauben gemacht , daß man nur franzöfifch dürfe sprechen können , um bey diesem Roi du Nord ein ſchimmerndes Glück zu machen. Die -brauchbaren unter ihnen nahm er freylich auf ; aber die anderen ſandte er ohne Ansehn der Person fort. Das französische Verdienst mußte sich bey dieser Gelegenheit nicht selten quer durch Teutschland nach Berlin , und von da nach Frankreich zurückbetteln. Die Personen , welche in der zu seiner Verurtheilung niedergefeßten Kriegs- Commiſſion gegen ihn gesprochen hatten , kannte er ; allein er ließ sie nie empfinden, daß er es wußte. Zu ihnen gehörte unter andern der Obrist von Derſchau , den er nachher zum Generalmajor beförderte , und dessen Sohn im Jahre 1769 Staats- und Finanzminister ward. –Bey dem Militär fiel die übertriebene Sorgfalt für Pug nach und nach von selbst weg , da sie keine Aufmunterung mehr fand. Hiermit war es unter der vorigen Regierung so weit gekommen , daß , wie Friedrich selbst in seinen Beyträgen zur brandenburg’ſchen Geſchichte ſagt , man nah' daran war , ſichy zu schminken und Schönpfästerchen aufzulegen. Beo.
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der Cavallerie wurden schon die Hufe der Pferde geschwärzt und die Mähnen mit Band durchflochten, und der Infanterist brachte seine Zeit mit Firnissen, Poliren und Anstreichen zu . Dergleichen Tändeleien unterblieben nun ; dagegen erhielt Friedrich die vortreffliche innere Disciplin der Armee und die Taktif im Einzelnen , wodurch Preußens Krieger sich da= mals vor allen europäischen Truppen auszeichneten . Er verdoppelte die Artillerie und den Vorrath in den Zeughausern , og fremde Officiere von Verdiensten an sich , und sehte durch diesen ausnehmenden Eifer für das Kriegwefen die Welt in Erstaunen , die in ihm bisher blos einen müßigen Gelehrten und schönen Geist zu sehen geglaubt hatte. unter folchen Anstalten , und Reisen , verflossen die ersten Monate seiner Regierung. Als er sich nach Westphalen begab, um die Huldigung einzunehmen, besuchte er auch Straßburg unter dem Namen eines Grafen von Dufour. Ein preußischer Deserteur érkannte ihn aber dort , und breitete die Nachricht von feiner Ankunft aus. Sobald der Köniz Beweise von dieser Entdeckung erhielt , kehrte er über Landau, Limburg und Coblenz in feine Staaten zurück , ohne Paris (wie er Willens gewesen seyn soll) gesehen zu haben. Eine ihm interessante Bekanntschaft machte er noch auf dieser Reise in Wesel , wohin er Voltaire beschieden hatte , den er hier zum erstenmale sprach. Durch eben denselben ließ er auch ein Manifest für sich gegen den Bischof von Lüttich auffeßen , mit dem über die Baronie Herstall Streit entstanden war. Die Sache wurde so beygelegt, daß der König sein Recht auf diese Baronie um 150,000 Rthlr. abtrat,
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Friedrich erkannte die Nothwendigkeit, gleich bey'm Antritte seiner Regierung , durch Beweise von Stärke und Entschlossenheit , der preußischen Nation Achtung in Europa zu verschaffen. Recht absichtlich hatte man , besonders streich, den vorigen König verächtlich und beleidigend behandelt , zuerst Verträge mit ihm geschloffen , dann gegen dieselben gehandelt, ohne ihn auch nur einmal der geringsten Nachricht hierüber zu würdigen. Er spanne immer die Waffe, spottete man , aber drücke nie los. Und Georg der II. von England pflegte ihn seinen Bruder , den Unterofficier, den König der Landstraßen , und des heiligen römischen Reiche Erz- Sandstreuer zu nennen. Die preußischen Wer bofficiere waren allen Beschimpfun gen ausgesetzt ; ein armseliger Bischof suchte eine Ehre darin , dem Könige von Preußen Kränkungen anzuthun , und weigerte sich , die Gesandten desselben anzunehmen . Friedrich, ohnehin ein feueris ger , talentvoller König , dabey in der Blüthe seiner Jahre, erkannte sogleich , daß , feinem Reiche Ach tung zu verschaffen , es nöthiger sey , Proben der Entschlossenheit , als der Sanftmuth zu geben. Der König war Willens , den Rest des Jahres 1740 in Rheinsberg zuzubringen, theils seinen Lieb lings -Beschäftigungen desto ruhiger zu leben , theils seine Gesundheit wieder herzustellen , die durch ein heftiges viertägiges Fieber zerrüttet wurde. Aver ein merkwürdiges Ereigniß , welches auf das ganze politische System von Teutschland und von ganz Europa wirkte , fehte ihn plöglich wieder in Bewegung . *) Man sehe die " Geschichte meiner Zeit."
116 Dies war der Tod des Kaisers Karl VI. , der den 20ten October 1740 an einer Unverdaulichkeit zu Wien starb. Die Nachricht davon kam gerade zu einer Zeit nach Rheinsberg , als der König den Anfällen des Fiebers erlag. Die Ärzte, bethört durch alte Vorurtheile , hatten sich geweigert , ihm Chinarinde zu geben ; er nahmi fie wider ihren Willen , denn Wichtigeres beschäftigte ihn jeßt , als das Abwarten seines Fiebers und Genesung war die Folge. Eine günstige Epoche zeigte sich für die EntEr hatte gegründete Anwürfe unseres Helden. fprüche auf die erledigten Herzogthümer Jülich und Berg. Waren fie indessen gleich dem vorigen Könige von Seiten des teutschen Kaifers versichert worden, fo ist dabey zu bemerken , daß die nämliche Macht die felben Versprechungen auch dem Churfürsten von Sachsen, und spåser dem Prinzen von Sulzbach, dem muthmaßlichen Erben der Churpfalz , ebenfalls ge= macht hatte; ferner , daß man , wollte Friedrich seine Ansprüche verwirklichen , große Schwierigkeiten zu besiegen , und namentlich gegen das Partey nehmende mächtige Frankreich auf den Kampfplah treten mußte. Bedenkt man endlich , von diesen Hindernissen absehend , daß die Erwerbung der gedachten. Herzogthümer nur wenig das Haus Brandenburg vergrößert , sein Ansehen aber wol gar nicht vermehrt haben würde , so ist nicht zu verwundern , daß sich Friedrich entſchloß , die andere, ihm durch den Tod Karl des VI. dargebotene, Gelegenheit zur Vergrößerung der preußischen Macht zu bentten , indem er Ansprüche auf einen Theil von Schlesien machte,
117 Churfürst Joachim Friedrich von Brandenburg hatte nämlich seinem zweyten Prinzen Johann Georg das Fürstenthum Jägerndorf als Apanage überlassen, jedoch mit dem Vorbehalt , daß dasselbe nach seinem Tod an die churfürstliche Linie von Brandenburg zurückfallen und auf immer damit verbunden bleiben sollte. ---- Als in Böhmen , im Anfange des dreißigjährigen Krieges , jene Empórung ausbrach, durch welche der Churfürst von der Pfalz , Friedrich, die Königkrone dieses Landes erhielt , trat auch Markgraf Johann Georg auf seine Seite. Dies verans laßte Kaiser Ferdinand den II. , ihn in die Reichs. acht zu erklären , und sein Land mit Waffengewalt Brandenburg , nachdem der hinweg zu nehmen. Markgraf und sein Sohn , dieser ebenfalls so des våterlichen Erbes beraubt , in den dürftigsten Umstånden gestorben waren , machte , obschon vergebens, Ansprüche auf das ihm rechtlicher Weise nun anerfallene Fürstenthum Jägerndorf *). Aber , durch die vielen Kriege und Verheerungen fast gänzlich niedergedrückt , vermochte Brandenburg nicht , seine Forderung mit Geralt geltend zu machen. Endlich bot man dem Churfürsten Friedrich Wilhelm dem Großen *) Man wußte , von Seiten des kaiserlichen Hofes, allerley Auswege und Scheingründe. Man gab unter andern vor , es sey nicht erlaubt , in einem Lande, das man zum katholischen Bekenntniß u bekehren suche , Besigungen eines protestantischen Fürsten zu dulden ; aber man sehte nicht hinzu, wer, welches Zeitalter und welche Gründe folch ' ein felts fames Recht erdenken , bewähren und beſtåtigen konnten.
118 ein Äquivalent an , aber nicht an Ländern, sondern Da der Churfürst dies nicht annehmen an Geld. fonnte, ohne die Grundverfaffung seines Hauses umzustoßen , so zerschlugen sich diese Unterhandlungen nach einer Dauer von mehr als vierzig Jahren. Unter diesen Umständen erlosch im Jahre 1675 der männliche Stamm der Herzoge von Liegniß, Brieg und Wohlau, in Georg Wilhelm . Nach einem Vertrag vom Jahre 1537, den der wiener Hof zwar, wiewol unter ganz nichtigen Vorwänden , mit Machtfprüchen, als aufgelöst erklärt , und wogegen Bran denburg fortwährend proteßirt hatte, fielen nunmehr auch jene Herzogthümer an diesen Staat, Der Kaifer indessen zeigte sich eben so wenig gene gt , Liegniß, als Jägerndorf, an den rechtmäßigen Erben gelangen zu lassen, und durch leere Versprechungen wußte man den Churfürsten (Friedrich Wilhelm), in den für Dftreich gefahrvollen Zeiten , hinzuhalten. Endlich bot man ihm wieder Geld , und als er es verwarf, das Gebiet von Schwiebus in Schlesien an. Dies war nicht zur Hälfte Erfaß für Liegniß, Brieg , Wohlau und Jagerndorf, und doch war der Churfürst , ohne Falsch und Tücke , damit zufrieden. Beide Höfe schlossen also im Jahre 1686 einen Traktat , worin der Churfürst allen seinen Ansprüchen auf die schlesischen Fürstenthümer entfagt , und dafür von dem Kaiſer für sich und seine männlichen Erben Das Gebiet von Schwiebus, und die Garantie auf die Bezahlung einer Geldsumme erhielt , die das Haus Lichtenstein auf den Herrschaften Esens und Witmend in Ostfriesland ausstehen hatte. Diesen geringen Erwerb vertauschte Churfürft
119 Friedrich Wilhelm nur darum gegen einen rechtmäßie gen größeren , weil er sich mit dem kaiserlichen Hofe. genauer vereinigen wollte , um der Verfassung von Europa neue Conſiſtenz zu geben . Aber der kaiſerliche Hof war nicht fähig , sich ihm in dieser Uneigen nügigkeit nur von weitem zu nähern ; er hinterging ihn vielmehr, während er jenen für ihn gewiß nicht vortheilhaften Vergleich schloß , in der Stille dadurch, daß er durch seinen Miniſter mit dem Sohne des großen Churfürsten , nachmaligem Friedrich dem I., einen heimlichen Vertrag schließen ließ , den dieser weder schließen konnte , noch durfte , und worin er versprach, gleich nach dem Antrit seiner Regierung den schwiebuser Kreis an den Kaiser zurückzugeben. Der Prinz ward durch die rånkevollen Verhandlun gen so sehr umstrickt , daß er von der ganzen Sache gegen Niemand etwas merken ließ , und ihre Schlüpfs rigkeit erst einsehen lernte , als er die Regierung antrat. Nun entdeckte er sie mit allen vorhergegange= nen Umständen feinen Ministern , und dieſe erklärten das ihm abgedrungene Versprechen für nichtig , weil es den Grundfäßen seines Hauses gerade entgegen war., Friedrich der I. that dem kaiserlichen Hofe wiederholte Vorstellung über diesen Traktat, und erflårte die darin gemachte Versprechung für ungültig , weil man ihn überrascht und mit falschen Vorspiegelungen hintergangen hätte. Er erhielt keine andere Ants wort darauf, als die Drohung , daß man sich mit Gewalt in den Besiß von Schwiebus fehen würde . Er gab es also gegen eine Geldsumme zurück , die kaum hinreichte , die darauf verwendeten Meliorationen zu ersetzen.
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So verlor Chur-Brandenburg auch den einzigen geringen Vortheil , den der Traktat von 1686 mit sich führte ; und für seine rechtmäßigen Ansprüche auf die schlesischen Fürstenthümer hatte es Nichts ; denn auch die lichtenstein'sche Schuldforderung, deren Auszahlung der kaiserliche Hof damals garantirt hatte, schmolz durch dessen geheime Künste bis auf das Zehntheil zusammen. Es ist sichtbar, daß der kaiserliche Hof durch dieses Betragen jenen Traktat völlig brach. Bran= denburg ward um Schwiebus gebracht , dessen Besit allein es bewog , seinen Ansprüchen auf die ſchleſiſchen Fürstenthümer zu entsagen ; es konnte also seiner Seits diese Renuntiation rechtmäßiger Weise aufheben. - Dies waren die Verhältnisse , unter denen Friedrich Anspruch auf einen Theil von Schlesien machte. Ein Unrecht, dauert es auch während Jahrhunderten fort, wird deshalb dennoch nie Recht ! Vergeblich war es , daß man dem wiener Hof eine übereinkunft auf dem Wege der Güte vorſchlug. Gewiß, daß dieselbe nicht angenommen werde, und wol einsehend, jeder unnüt verstrichene Tag sey für ihn verloren , und die günstige Zeit schwinde, faßte Friedrich den Entschluß, rasch, mit Waffengewalt, feine Rechte geltend zu machen. Weder des greifen Fürsten von Anhalt zaghaftes oder mißgünstiges Be nehmen , weder die , freylich blos unter Furcht hervorblickende , Prahlerey des kaiserlichen Gesandten zu Berlin , noch der ziemlich verbreitete Wahn , seine Eroberungfucht werde ihn von Krieg zu Krieg , von Schlachten zu Schlachten hinreißen , und Preußens Volk und Land verderben , vermochten Friedrich
121 auch nur im Entferntesten wankend zu machen *). Entschlossen redete er zu den Officieren : „ Mes= ſieurs! Ich unternehme einen Krieg , in dem ich keine *) „ Friedrich," sagt Funke,,,fing weder leichtsinnig , noch aus eitler Ruhmsucht Kriege an ; er wußte den hohen Werth von Menschenblut zu schäzs zen. Allein die böse Politik fremder Höfe zwang ihn, als König Manches zu thun, was er als Mensch und Philosoph mißbilligte." Friedrich war außerordentlich geſchickt , ein Geheimniß zu bewahren , selbst gegen Personen,, welche , es mitgetheilt zu bekommen , ein Recht zu haben glaubten. Während der Unterhandlungen, vor dem Beginne des gegenwärtigen Kriegs , wo Jedermann auf die kommenden Ereignisse höchst ges spannt war , konnte sich unter andern der General Feldmarschall von Kalkstein nicht enthalten, feine Verwunderung über das Schweigen des Könias gegen ihn bemerkbar zu machen. Er war, wie wir erwähnten , Gouverneur Friedrich's gewesen , und genoß stets ben ihm viele Gnade und Achtung . Fra gend sagte er daher einst : ,,Ew. Majestät, ich vers muthe , es wird Krieg geben . ' Der König ants wortete ganz eutschlossen : ,, Es kann seyn, es kann auch nicht seyn " Die Deichsel scheint nach Schlesien gerichtet," fuhr Kalkstein fort. Kaum hatte er dies gesagt, so nahm Friedrich den Gene: ral geheimnisvoll bey der Hand, und sagté : ,,Kann Dieser, nun ficher Er fáhweigen, "Kalkstein ?" glaubend , den Augenblick erlebt zu haben , in dem er Alles erfahren würde, was er ſo ſehnlich zu wiſſen " wünschte, erwiederte : ,,O ja, Ew. Majeſtåt. ' ,,Nun," sagte der König , indem er seine Hand so schnell fahren ließ , als er sie ergriffen hatte ,,,ich aud)." Und damit verließ er ihn. 11 Friedrich d. Einz. I.
122 andere Bundesgenossen habe , als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen . Meine Sache ist gerecht , und meinen Beystand suche ich bey dem Glück. Erinnern Sie sich stets des Ruhms , den Ihre Vorfahren sich erwarben auf den Schlachtfeldern von Warschau , von Fehrbellin und bey der Unternehmung nach Preußen. Ihr Schicksal ist in Ihren eigenen Hånden ; Ehrenzeichen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie durch glänzende Thaten dieselben verdienen. Aber ich habe nicht erst nöthig , Sie zur Ehre anzufeuern, nur sie steht Ihnen vor Augen , nur sie ist ein wúrdiger Gegenstand für Ihre Bemühungen. Wir wer den Truppen angreifen , die unter dem Prinzen Eugen den größten Ruf hatten. Zwar ist dieser Prinz nicht mehr ; aber unser Ruhm wird bey'm Siegen desto größer seyn , da wir uns gegen brave Soldaten werden zu messen haben. Adieu ! Reisen Sie ab ! Ich werde Ihnen ohne Verzug zu dem Sammelplaß der Ehre folgen, die uns erwartet." Den 13ten December reiste der König , nach einem großen Maskenballe, von Berlin ab , und zehn Tage fpåter (den 23ten) überschritt das preußische Heer , 24 -- 28,000 Man .: stark , die schlesische Gränze. Man verbreitete eine Schrift , in welcher Friedrich's Ansprüche auf dieſes Land rechtlich außeinander geseht waren , und zugleich ein Manifeft , in welchem der König erklärte, die Besetzung Schlesiens geschehe, um das Land gegen die Angriffe einer antdern Macht zu sichern. -- Die Schlesier, größtentheils Protestanten, und als solche bisher gedrückt, empfingen die Preußen als ihre Retter. Der General Graf Browne, von dem wiener
123. Hofe zur Rettung der öftreichischen Lande abgeschickt, vermochte kaum 3000 Mann zuſammen zu bringen, und daher nur schwachen Widerstand zu leisten. / In kurzer Zeit waren Glogau , Brieg und Neisse blokirt Der belagert, Liegniß, Schweidniß, Breslau selbst, die Hauptstadt des Landes, und Ohlau, in preußischer Gewalt , ja ſogar aus Jågerndorf und Troppau ward Browne vertrieben ; er mußte ganz Schlesien räumen, und der brave preußische Feldmarschall Schwerin. breitete sich bis nach Jablunka , an die Gränzen von Ungarn , aus. Nachdem die Truppen (Ende Januar 1741 ) die Winterquartiere bezogen hatten , verließ der Möuig Schlesien , und kam nach Berlin zurück , um für den nächsten Feldzug die nöthigen Anordnungen zu treffen. Überall , wo er durchkam, besonders aber in der Hauptstadt , empfing man ihn mit der ausgezeichnetsten Freude. Alles drängte sich, diesen König zu sehen , der , feinen Unterthanen kaum gegeben , fie verlassen hatte, um , den Gefahren des Krieges ſich, an der Spike des Heeres , aussehend , den seit Jahrhunderten verhöhnten Rechten feines Vaterlandes Achtung zu verschaffen ; der nun, vor wenigen Wochen erst in den Kampf gezogen , schon als Eroberer einer großen und bevölkerten Provinz zurückkehrte. Jeht entwickelte sich Friedrich's Thätigkeit in feinem Cabinette. Das Benehmen Sachsens und Hannovers zweydeutig findend, beschloß er, ein bedeutendes Corps unter dem Fürsten von Anhalt (Deſſau) bey Brandenburg zusammenzuziehen , um nicht unvors bereitet den Anfällen der benachbarten Staaten ausgeſeßt ¡y ſeyn. Gleichzeitig, während Polen jund 11 *
124 England wegen eines Offensiv-Vertrags übereinkamen, worin sie zum Voraus die preuß. Provinzen theilten, wurde von Seite Friedrich's eine Verbindung mit Frankreich angeknüpft. ,,Dieſen Augenblick indeſſen,“ ſagt Friedrich selbst, hätte der wiener Hof bes nüßen sollen , um sich mit dem Könige zu vergleichen. Hätte derselbe ihm damals das Fürstenthum Glogau abgetreten, so wäre der König zufrieden geweſen, und hätte ihm gegen alle seine Feinde beygestanden. Allein nur sehr selten wissen die Menschen gerade zur rechten Zeit nachzugeben. überall ward leise angefragt, überall unterhandelt , überall heimlich gearbeitet, um fich in Ordnung zu sehen und sich Bündnisse zu verschaffen. Aber die Truppen von keiner Macht waren in bewegbarem Zustande ; keine hatte die Zeit gehabt, Getreidevorräthe aufzuhäufen ; und der König benüßet diesen entscheidenden Zeitpunkt, um feine großen Absichten in's Werk zu richten." Der Hof hatte gehofft , den König den Winter über in seiner Mitte behalten zu können ; aber schon nach einem dreywöchentlichen Aufenthalt eilte er ( den 19ten Februar) nach Schlesien zurück. Die Verstärkungen zur dortigen Armee langten im Monat Februar zu Schweidniß an. Auch rüsteten sich ihrer Seits die Öftreicher zum Kriege ; der Feldmarschall Neuperg ward aus der brunner Festung ges holt (wo er seit dem belgrader Frieden gefangen ge= sessen hatte), um den Oberbefehl über das Heer zu. erhalten , welches Schlesien wieder erobern follte….Dieser Feldmarschall zog seine Truppen in der Gegend von Olmüß zusammen , und schickte den General
125 Lentulus mit einem Corps ab , um die Påffe in der Grafschaft Glaz zu beſeßen ; eine Stellung , wodurch Lentulus Böhmen decken konnte , und im Stande war, fich mit Neuperg's Armee zu den Unternehmungen au verbinden , welche dieser auf Neisse vor hatte." Die öftreichischen Huſaren fingen schon das Vorspiel des Krieges an; sie schlichen sich zwischen die preußischen Posten, suchte kleine ausgeschickte Corps aufzuheben, und Zuführen abzuschneiden ; es fielen kleine Gefechte vor, die sämmtlich so zum Vortheile der Infanterie des Königs , als zum Nachtheile ſeiner Cavallerie aus fælugen . ,,Als dieser Fürst in Schlesien ankam, erzählt er selbst ,,,nahm er sich vor , die Quartiere feiner Truppen zu bereisen , um sich Kenntniß von dem ihm noch neuen Lande zu verschaffen. Er ging in dieser Absicht von Schweidniß ab , und kam nach Frankenstein. General Derschau , der in dieser Ge gend befehligte, harte zwey Posten vorgerückt ; der eine stand zu Silberberg , der andere zu Wartha, beide in den Päſſen der Gebirge. Der König wollte fie besichtigen ; die Feinde erhielten Nachricht davon, und suchten ihn aufzuheben. Aus Versehen stießen fie auf eine Bedeckung von Dragonern , die zur Ablófung bey dem Dorfe Baumgarten , zwischen Silberberg und Frankenstein , stand. Obrist Ditfort , der Befehlshaber dieser Bedeckung , verstand viel zu wenig vom Krieg, als daß er mit Vortheil gegen leichte Truppen hatte agiren können ; er ward geschlagen, und verlor 40 Reiter. Man hörte das Schießen zu Wartha ; hier war damals der König ; er sammelte in der Geschwindigkeit einige Truppen , um den Dragonern zu Hilfe zu eilen , die eine Meile von dort
126 standen ; allein er kam zu spåt. Es war eine Unbesonnenheit von einem Fürsten, sich in so gerin ger Begleitung zu wagen. Wäre der König bey dieser Gelegenheit gefangen genommen worden , so war der Krieg geendigt , die Öftreicher hätten ohne Schwertschlag gefiegt; das gute preußische Fußvolk wäre vergeblich gewesen, und vergeblich alle Vergröße= rungsplane , welche der König auszuführen sich vorgelegt hatte." Da die Jahrzeit nicht günstig zu einer förmlichen Belagerung war , so entschloß sich der König , den Vorschlag des Fürsten von Anhalt ausführen , und Glogau mit stürmender Hand nehmen zu lassen . Um Mitternacht vom Sten auf den 9ten März ward der Plan, mit eben so viel Geschick als Schnelligkeit, vollführt; in weniger als einer Stunde war die . Feste erobert , und die ganze Besaßung , über 1000 Manu stark, gefangen. Kaum 30 Soldaten hatten die Preußen an Todten verloren , gegen 100 ihre Diese , ihre erste wichtige Unternehmung, Gegner. so glücklich aufgeführt , war von großer Wirkung auf die Truppen und das Volk ; abgesehen von dem, was man an Materiellem gewann , brachte sie einen günftigen Eindruck, beſonders auf das Heer, hervor. In Wirklichkeit indessen war mit Glogau's Erz oberung noch nicht besonders viel 9 gewonnen , denn bad drang Neuperg, der Öftreicher Obergeneral, mit beträchtlicher Macht , und nicht ohne Verlust voit Seiten der Preußen , aus Mähren in Schlesien ein. -Der König selbst , der zur Unterſtüßung Schwerin's nach Oberſchlesien gekommen war , ¡og ſich , in beſter Ordnung jedoch, gegen Ohlau zurück, um die dortigen
127 großen Vorräthe jeder Art zu retten. Bald mußte man sich zu einer förmlichen Schlacht entschließen, penn schon gingen die Lebensmittel der preußischen Truppen zur. Neige , und Ohlan's Rettung durfte nicht mehr verschoben werden. Da kam es, den 10ten April, bey Mollwig, unweit Brieg, zum entschei denden Kampfe. Ein zwey Fuß tiefer Schnee deckte die Erde. Das preußische Heer , dem östreichischen entgegenrüfa kend , gelangte in die Nähe von Mollwig , wo sich Neuperg's Hauptquartier befand , der keinen Angriff erwartet hatte. Unter dem mörderischen Feuer Friedrich's wolbedienter Artillerie mußten sich 】. 3 kaiserlichen Truppen in Schlachtordnung bilden. Um 2 Uhr Nachmittags begann der Angriff. Dreißig Schwadronen der östreichischen Reiterey , geführt von dem Generale Römer , stürzten sich, die, der Zahl fowol, als der moralischen Kraft nach, weit schwächere preußische Cavallerie zersprengend, auf den vom Grafen Schulenburg befehligten rechten Flügel . Aber unerschütterlich stand des Königs Infanterie , und die feindliche Reiterey mußte, ihren Führer verlierend, vor dem furchtbaren Feuer derselben weichen. — Der König, unzufrieden mit dem geringen Widerstand, den feine Cavallerie geleistet , fammelte selbst wieder einige Schwadronen, und führt sie zum Angriffe. Schulenburg wird dabey getödtet, und bald löst sich: Diese Reiteren von Neuem auf, das Fußvolk den feindlichen Anfällen blosstellend. Aber diese Infanterie , nur drey- Bataillone stark, und bey'm Bilden Der Schlachtordnung blos wegen Mangel an Raum hier aufgestellt war es, welche nunmehr allein
128 bewirkte , daß die Truppen Neuperg's nicht einen vollständigen Sieg errangen . Gleich einer Grani fåule widerstand sie unerschütterlich allen Angriffen der öftreichischen Cavallerie. Dreymal von diesen bisher siegreichen Truppen wüthend angegriffen , leis frete sie immer den nåmlichen Widerstand , und blieb dreymal, wo nicht Sieger , doch unbesiegt. Mit Bajonnetstößen warf sie ihre Gegner aus dem Sattel, bis sich diese, nach großem Verlust , zum Rückzuge genöthigt fahen. Jeht führte der öftreichische Gene ral sein Fußvolk gegen jene Braven ; einen Knåul bildend , aus dem nicht weniger als 20 Fahnen her. worragten , drang es heran. Aber auch gegen dieses wichen fie nicht, seiner Übermacht ungeachtet. Furcht bar durch ihr schnelles Feuer , bestanden ſie nun schon fast seit fünf Stunden den ungleichen Kampf. Da begann ihnen die Munition zu mangeln , und nür mit den Patronen der Gefallenen schoffen sie; in wenigen Augenblicken schien Alles verloren. Jeht entschied Schwerin , wenn gleich verwundet , die Schlacht mit dem linken Flügel. Er hatte sich hinter einem Morast aufgestellt , und bey dem ersten Angriff News perg's Reiter geſchlagen. Nun , als er die Bedrångniß des rechten Flügels gewahrte , schwenkte er den feinigen rasch gegen die rechte Seite der Östreicher. Eine solche fühne Bewegung hatten diese nicht erwar tet. Dem Angriff der Dragoner des Obristen Posas Domsky folgte der Sieg Die ganze preußische Linie rückte vor ; Neuperg's Schaaren lösten sich auf, eil ten in hastiger Flucht davon , und nur die einbrechende Nacht sicherte sie vor Verfolgung. 7000 Todteund Vers wundete , 1200 Gefangene, ſieden Kanenen und drey
129 Standarten hatten die Östreicher , 2500 Todte die Preußen verloren , unter ihnen Markgraf Friedrich, des Königs Vetter ; ferner hatten ſie 3000 Verwundete. Das erste Bataillon Garde , auf welches der Hauptangriff gefallen war , hatte dabey die Hälfte seiner Officiere eingebüßt , und von den 800 Mann, woraus es bestand , blieben nur 180 in dienstfähigem Zustand übrig. ,,Diese Schlacht," fagt Friedrich, ward eine der merkwürdigsten dieses Jahrhunderts , weil in derselben zwey kleine Armeen das Schicksal von Schlesien entschieden , und weil die Truppen ( die Infanterie) des Königs darin ſich einen Ruhm erwarben, welche weder Zeit , noch Neid , ihnen werden entreißen fönnen *) !" Der Leser wird ohne Zweifel bey der Erzählung von der Eröffnung dieses Feldzuges bemerkt haben, fährt Friedrich fort,,, daß es gleichsam um die Wette ging, wer die meisten Fehler begehen würde, der König oder der Feldmarschall Neuperg. Wenn der östreichische Feldherr in seinen Entwürfen den Vorzug hatte, so thaten es die Preußen in der Ausführung zuvor." - übrigens bedenke man, daß dies die erste Schlacht war, welche Friedrich lieferte **).. *) Man behauptete , der König habe sich durch die Flucht seiner Reiteren mit fortreißen lassen. In wie fern dies zu berichtigen ist, sehe man in Niko, lai's Anekdoten von Friedrich dem II . , 2, Heft, €. 180-195. **) Den 11ten April theilte der König eine Schilderung der vorgefallenen Ereignisse dem Fürsten von An: halt in einem Briefe mit, den Bülow in seinem
130
Neuperg, nur schwach verfolgt, rettete sich nach Neiffe, und verschanzte sich bey dieser Festung ; doch bald mußte er ganz Schlesien verlaſſen. Friedrich rückte nach der Schlacht von Mollwig vor Brieg, dessen Belagerung man , unter Kalf stein's Führung , begann. Sie zu decken bezog das Hauptheer ein Lager bey Mollwig. Der König übte feine Reiterey , und ließ , als ihm Brieg übergeben mar, dessen Werke ausbessern und es mit Lebensmitteln versehen. Dabey glich sein Lager , wie er selbst bemerkt , einem Congreſſe. Friedrich, von mehr als einer Seite drohende Minen gewahrend , eilte , das ihm von Frankreich vorgeschlagene Schuß- und Trüßbündniß anzunehmen. In demselben versprach diese Macht , die Königin von Ungarn (Maria Theresia) mit zwey Heeren anzugreifen , wowon das eine zur Unterstützung des ebenfalls auf einen Theil der östreichischen Monarchie Anspruch machenden Bayern herbeveilen sollte ; ferner erhielt Preißen den Besiß von Schlesien zugesichert, wogegen es auf Berg und Jülich verzichtete , und dem Churfürsten von Bayern feine Stimme zur Kaiſermahl versprach, mit welchem in Kurzem ebenfalls ein Vers trag abgeschloffen ward. Hierauf bezog der König ein anderes Lager auf Annalen des Krieges und der Staatss kunde (3. Band , Seite 85 ff. ) aufbewahrt hat, and worin er denselben ersucht , ihn sein ,, aufrichs tiges Sentiment“ hierüber wiſſen zu laſſen . Jo einer Nachschrift bemerkt er : „ Ich werde Ew. Liebs den auf Ihr Schreiben morgen antworten ; in zwey Tagen habe weder geschlafen , noch gegeſſen. “
131 - den Höhen von Strehlen , von wo aus er Brieg und Schweidnih gleich nahe war , und ganz Unterſchleſiea deckte. Acht Wochen lang blieb man in dieser Stel lung, in welcher Zeit das Heer mit dem besten Erfolg ergänzt ward *). Gleichzeitig drangen die Bayern und Franzosen in das Herz Östreichs ein ; sie näherten ſich Linz , und in Wien bereitete man sich schon zur Flucht vor. Verschiedene Mittel hatte man jeßt, ohne. Erfolg, angewendet , den König von Preußen zum Frieden zu vermögen ; er schüßte ſeine Verträge mit Frankreich und Bayern vor. Endlich , überzeugt, daß man es , besonders die erstere Macht , nicht redlich mit ihm meine , daß man ihn blos als Werkzeug zur Erniedrigung Östreichs und zur Vergrößerung der Macht Frankreichs gebrauchen wolle , welches nach einem Supremate über Teutschland ſtrebte , ließ er sich zu einer Art Waffenstillstand bewegen , wozu der englische Gesandte am preußischen Hofe , Lord Hin fort , vorzüglich mitwirkte. „ ...Die Verführung war groß," erzählt Friedrich ; der König wollte we nigstens versuchen , was aus dieser Verabredung
*) Fomini in feiner ,,Histoire critique et militaire des guerres de Frederic II , comparées au système moderne," tadelt den König , so lange in dieſem Lager unthåti, geblieben zu seyn. Friedrich hatte aber einen besonderen Zweck. Es war ihm genug , Schlesien erobert zu haben , und er wollte nicht sein Heer für ein fremdes Interesse aufs opfern, um so mehr, als Frankreichs Benehmen im höchsten Grade zweydeutig war, und es sogar Desta reich, gegen Abtretung von Brabant und Surenburg , den Frieden angeboten hatte.
132 *entspringen könne. Er begab sich in's Geheim , blos vom Obristen Golz begleitet , nach Oberschnellendorf, wo er den Feldmarschall Neuperg , General Lentulus und Lord Hinfort antraf. Nicht ohne Überlegung that dieser Fürst den Schritt. Zwar hatte er einige Ursache, sich über Frankreich zu beklagen ; doch ging diese Unzufriedenheit nicht so weit , um mit dieser Krone zu brechen. Er kannte aus eigener Erfahrung die Gesinnungen des wiener Hofes ; es ließ sich von demselben nichts Freundschaftliches erwarten. Offenbar verstand sich die Königin von Ungarn nur zu diefer Verabredung , um hernach durch deren Verbreitung Mißtrauen unter die Verbündeten zu bringen ; man mußte also als Grundbedingung von den Öftreichern fordern , daß , wenn sie das Allergeringste von den Vergleichpunkten bekannt machten, die man eingehen würde, der König dadurch berechtigt wäre, die Verabredung zu brechen. Der König war sehr ficher , daß dies unfehlbar erfolgen würde. Lord Hinfort führte das Protokoll im Namen ſeines Herrn . Man kam überein , daß Neisse nur zum Scheine befagert werden folle; daß die preußischen Truppen in ihren Quartieren , die sie sowol in Böhmen , als in Schlesien beziehen würden , nicht sollten beunruhigt. werden ; und vorzüglich , daß ohne die allerftrengste Verschwiegenheit Aues , was man jeßt verabredete, ganz unb gar null und nichtig seyn solle. Man muß gestehen, daß , wenn es ein Verhängniß gibt , sich casselbe über Herrn von Neuperg deutlich gezeigt hat ; er schien bestimmt zu seyn , die allerdemüthigendsten Verträge für seinen Fürsten zu schließen . ~ Kurz darauf ließ Herr von Neuperg seine Armee nach
133 Mähren marschiren. Alsbald ward die Belagerung von Neisse angefangen ; die Stadt hjelt sich nur 12 Tage lang ; die östreichische Besaßung war noch nicht ausgezogen , als die preußischen Ingenieurs schon in derselben die neuen Festungswerke zeichneten , welche die Stadt in der Folge zu einem der guten Pläße in Europa gemacht haben. Nach der Einnahme von Neiffe trennte sich die Armee ; ein Theil rückte , unter dem Oberbefehl des Prinzen Leopold von Anhalt, ^ in Böhmen ein ; einige Regimenter wurden zur Blo= fade von Glaz gebraucht ; die übrigen Truppen lager ten sich , unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Schwerin , in Oberschlesien. Der Herzog von Lothringen , der sich zu Preßburg aufhielt, hatte sich geschmeichelt, daß der König Unterredungen für Friedens- Traktate halten würde, und schrieb ihm , ihn um seine Stimme zur Kaiserwahl bittend. Die Antwort war höflich , aber in fo dunkelem und verworrenem Style abgefaßt , daß der Verfasser des Briefs ihn selbst nicht verstand. — Go endigte sich der Feldzug , 11 Monate nach dem Einrücken in Schlesien ; der König nahm die Huldigung seiner neuen Unterthanen zu Breslau an , von wo er nach Berlin zurückkehrte. Er fing an , durch seine Fehler den Krieg zu lernen ; aber die Schwierigkei ten , die er überwunden hatte , waren nur ein Theil von dem , was ihm noch zu bestreiten bevorstand, um das große Werk zu vollenden , welches er sich vorgenommen , in vollkommenen Stand zu sehen..... Die. Erlangung Schlesiens schaffte ihm eine Vermehrung feiner Einkünfte von 3,600,000 Thirn. Der größte Theil dieses Geldes ward zur Verstärkung des Heeres 12 Friedrich d. Einz, I,
134 angewandt ; es bestand damals aus 106 Bataillonen und 191 Schwadronen, unter welchen 60 Escadronen Husaren waren.“ Große und glückliche Unternehmungen , wie fie der König dieses Jahr hindurch ausgeführt hatte, mußten natürlich Neid und Besorgniß in gleichem Maaße erwecken. Wåre er durch die damalige poli tische Lage von Teutſchland und ganz Europa nicht so sehr begünstigt worden , so würden bald verschiedene Feinde gegen ihn aufgestanden seyn ; die Tapferkeit ſeiner Truppen, seine eigene Kenntniß derKriegkunst, und die Erfahrung seiner Generale , wurden allen ſeine¤ Nachbarn fürchterlich , und einige unter denen , die nothgedrungen seine Freunde waren , arbeiteten sogar in aller Stille daran , ihm Feinde zu erwecken , da sie es selbst nicht seyn konnten. Man legte ihm eine unwiderstehliche Vergrößerungſucht zu Last , und suchte dadurch seine nächsten Nachbarn , z. B. Polen und einige Reichfürsten , mißtrauisch zu machen. Man gab ihm Schuld , er suchte als Protestant das katholische Bekenntniß zu unterdrücken , und man schilderte die Gefahren , die dem römischen Glauben dadurch erwachsen würden , wenn er im Besih eines Landes bliebe, worin bis daher dieser Glaube der herrschende gewesen sey, als unausbleiblich und schrecklich. Er mußte also durch Staatsschriften ausdrücklich erklären laffen , daß weder die Freyheit Polens, noch der Glaube des katholischen Schlesien von ihm Das Mindeste zu besorgen hätten. Eben so mußte er die Gerüchte widerlegen , als ob er auf Bamberg, Würzburg und die Laufig Ansprüche zu machen Willens wäre.
135 Alle diese Beschuldigungen sollten sein Ansehen und seinen Einfluß bey seinen Nachbarn und Reichsmitstånden schwächen ; aber es gelang ihren Urhebern nicht. Viele Reichstände freuten sich, in ihm einen Beschüßer ihrer Rechte und des Reichs auftreten zu sehen, und gingen engere Verbindungen mit ihm ein. Einige überließen ihm sogar ihre Soldaten. So sehr der König durch dieses Gewirre von kriegerischen und politischen Angelegenheiten fast Tag und Nacht beschäftigt ward , vergaß er doch das Wohl seiner Erbftaaten keinen Augenblick. Alles ging dort, von treuen und wachsamen Dienern geleitet, den alten festen Gang. Einige Hundert Colonisten aus den pfälzischen und zweybrückischen Ländern wurden auf feinen Befehl aufgenommen , und mit vielen Frey heiten begnadigt. Die Privilegien der vorigen Konige wurden erneuert, und die Ausfuhr der Lebensmittel nach Sachsen ward wieder frengegeben. Für Gelehrsamkeit und schöne Künste verwandte er sich troß den kriegerischen Stürmen nicht weniger wirksam. Wolf, wie erwähnt , war schon seit dem 6ten Tage feiner Regierung wieder in Halle. Euler, in seiner Art nicht minder groß, ward aus Peters burg nach Berlin berufen. Eine Commission , deren Glieder die beyden Staatsminister Cocceji und Marschall, der Vicekanzler Wolf und der geheime Rath Jordan waren , beseßte von nun an alle Stek len an den Universitäten in seinem Namen. Die schönen Künste , Malerey , Bildhauerkunft, Baukunst und Musik blieben mitten im Geräusche des Krieges unaufhörlich beschäftigt. Die Schlöf= ser zu Potsdam , Schönhausen und Charlottenburg 12
136 wurden verschönert , und in Berlin ward ein neues Opernhaus erbaut , wozu der Prinz Heinrich in des Königs Namen den Grundstein legte ; dieses geschah den 5ten September 1741. Tonkünstler, Sångerinnen und Tänzer würden eben so angelegentlich zum Anbau der schönen Künste , als Rekruten zur Forte fegung des Krieges , angeworben.
Weil der König Schlesien, sobald er es in Besit genommen hatte , ganz als fein Land ansah, so machte. er auch auf der Stelle fehr mannigfache und vortheilhafte Veränderungen in deffen innerer und aufferer Die Erzählung derselben sparen wir Verfassung. bis zu dem Zeitpunkte auf, wo ihm noch eine glüc liche Schlacht den Frieden , und dieser ihm förmlich den Besit von Schlesien verschaffte. Zu Berlin drängten sich nun Unterhandlun gen aller Art , aber Friedrich , gewöhnt , seinen eigenen Gang zu machen, vermochte nicht auf Abwege gebracht zu werden. Östreich hatte, wie der König von Preußen gleich anfangs überzeugt war , daß diese Macht so handeln würde , die Verhandlungen von Oberschnellendorf *) recht absichtlich verbreitet. Hierdurch, und durch den Lauf der übrigen Ereig denn die Bayern und Franzosen, nisse bewogen , von dem Plane des Königs abweichend , nämlich ungesäumt, wie Napoleon später mit so ausnehmendem Erfolge gegen seine Seinde , namentlich amenmal gegen Östreich , gethan , in die Hauptstadt des Geg= ners zu eilen , und so die Römer in Rom" zu Einige nennen es Kleinschnellendorf.
137 überwinden *), waren , wie die Sachsen, sämmtlich nach Böhmen gezogen , während das Heer der Köni gin von Ungarn nun seiner Seits, die schwachen Besahungen der Bayern vor sich her treibend , in die Erblande des Churfürsten eindrang - entschloß sich Friedrich zur Fortsehung des Kriegs. ,,ES war nicht mehr Zeit , auf der gemäßigten Mittelfraße fortzugehen. Entweder mußte man sich an die mündliche Verabredung des Waffenstillstandes halten, welche nichts sicher versprach, und welche die Öftreicher so offenbar gebrochen hatten , oder man mußte durch eine in die Augen fallende Unternehmung die preußischen Bundesgenossen aus ihrem irrigen Ver dachte reißen. Der Einmarsch in Mähren war das Einzige, was die Umstände erlaubten , weil dadurch der König sich nothwendiger machte und sich in die Lage seßte , von beiden Parteyen gleich dringend gesucht zu werden. Daher entschloß er sich zu dieſer Unternehmung , wobey er sich zugleich vorſeßte , doch nur so wenig , als möglich, seine eigenen Truppen, und so viel, als seine Alliirten ihm von den ihrigen geben wollten, dazu anzuwenden." Mit 15,000 Preußen , welche Friedrich aus Oberschlesien zog , vereinigte er sich bey Trebitsch mit Sachsen und Franzosen , und brach , an ihrer Spize, in rauher Jahrzeit , Anfangs Februar 1742 , nach *) Dieser Plan Friedrich's (man sehe denselben in dem 1. Bande, 5. Kapitel, der Histoire de mon temps) beweist , daß schon damals jener große König den Plan entwarf, durch dessen Ausführung der über ungleich größere Mittel gebietende Na= poleon eine Seitlang Beherrscher Europa's war,
138 Mähren auf. Ölmüß war , auf seine Unordnung, schon zu Ende des vorigen Jahrs durch Schwerin befest worden. Der kühne Plan , den der König gefaßt, bestand darin, sich ganz Mähren zu unterwerfen, und dann seine Waffen in das Erzherzogthum Östreich, vielleicht gar nach Wien selbst , zu tragen. Mit Schnelle, die nur durch die nicht zu überwindende Langsamkeit der Sachsen manchmal gelähmt ward , rückte das von dem König befehligte Haupt. heer , mit vielem Geſchüße , nach Iglau , und von da nach Znaim vor. Kaum vermochten die öftreichischen Generale ihre Magazine zu retten. Ein Streif corps von 5000 Preußen brach jest in Oberöstreich ein , and verbreitete Schrecken bis vor die Thore von Wien. Augenblicklich rief der Hof, diese Hauptſtadt zu retten oder zu sichern , 10,000 Mann von der Armee aus Bayern zurück. 15,000 regulaire Truppen wurden um diese Zeit für Maria Theresia in Ungarn geworben , und außerdem der erste Heerbann aufgeboten , welcher ge gen 40,000 Mann liefern konnte. Aber gleichzeitig, während er auf der Seite von Böhmen in Mähren eindrang, hatte der König durch ein besonderes Corps auch die Seite von Ungarn besezen laſſen. Es rückte nun der junge Prinz (Dietrich) von Anhalt mit einigen tausend Soldaten über die Gränze dieſes Königreichs , und zerstreute den sich eben bildenden Heerbann. Im Anfange des Monats März wurde Brúnn, Mährens Hauptstadt , enger eingeschlossen , und Friedrich nahm sein Hauptquartier zu Selowig. Von hier, aus schrieb er , unterm 23ten Mårz , an
139 Voltaire! Ich fürchte mich, an Sie zu schreiben, Da ich Ihnen keine anderen Neuigkeiten melden kann, als solche , um die Sie sich eben nicht viel kümmern, oder die Sie verabscheuen. ,,Wenn ich Ihnen z . B. sagte, daß Völker aus swey Gegenden von Teutschland ihre Wohnungen verlassen haben , um sich mit andern Völkern zu schla gen , deren Namen sie nicht einmal kannten , und die fe in einem sehr weit entlegenen Lande aufsuchen mußten , und das blos deshalb , weil ihr Herr mit einem anderen Fürßen einen Traktat geschlossen hat, in Verbindung mit einander einen Dritten zu ermors den , so würden Sie mir antworten : Diese Leute find thōricht und wahnsinnig , daß sie sich dem Eigen finn und der Barbarey ihrer Herren so aufopfern. Sagte ich Ihnen : wir treffen mit großer Mühe Anstalten, einige mit vielen Kosten erbaute Mauern zu zerstören , årnten , wo wir nicht gefået haben , und spielen da den Herrn , wo Niemand stark genug ist, uns Widerstand zu leisten ; so würden Sie ausrufen : Ha, Barbaren! Ha , Räuber! Ihr Unmenschen ! Die Ungerechten werden das Reich Gottes nicht ererben ! Matth. 12, V. 34. Da ich Alles voraussehe , was Sie mir hierüber sagen würden , so will ich nicht davon reden, und Ihnen blos die Nachricht geben : Ein ziemlich nårriſcher Kopf , von dem Sie unter dem Namen der König von Preußen werden reden gehört haben, ist auf die Nachricht , daß die Staaten seines Bun desgenossen, des Kaisers *) , von der Königin von *) Der Churfürst von Bayern war nämlich, als Karl
140 Ungarn verwüstet würden , ihm zu Hilfe geeilt , hat seine Truppen zu denen des Königs von Poien stoßen laffen , um eine Diversion in Niederöstreich zu machen , und es ist ihm so gut gelungen , daß er darauf rechnet, in Kurzem die Hauptmacht der Königin von Ungarn zu schlagen, um seinen Allirten einen Dienst zu leisten. ,,Das ist Edelmuth, das ist Heroismus ," wer den Sie sagen. Indeß, lieber Voltaire , ist das erstere Gemälde und dieſes einerley. ' Eben jenes Frauenzimmer , das man vorher in der Nachthaube fah , sieht man nun geſchminkt und in Pompons. ,,Auf wie viel verschiedene Arten betrachtet man die Gegenstände nicht ! Wie sehr weichen die Urtheile nicht von einander ab! Die Menschen verwerfen am Abend das , was sie am Morgen gebilligt haben. Eben die Sonne , die ihnen bey dem Aufgang gefiel, ist ihnen bey dem Untergehen beschwerlich. Daher kömmt es , daß Ruf entsteht , verschwindet und wie der entsteht. Und wir sind so thöricht , daß wir uns das ganze Leben hindurch quålen , um Ruf zu erlangen ! Ist es möglich , daß man sich noch immer durch diese falsche Münze hintergehen läßt , da man ſie doch fennt ?"
Aber bald trafen wichtige Umstände zusammen, welche den König bewogen , seinen Rückzug aus dem beynah' ganz eroberten Mähren anzutreten. Mangel der VII. , zum teutschen Kaiser erwählt worden ; aber an dem nåmlichen Tage , da er sich zu Frank, furt kronen ließ, eroberten die Oestreicher München, die Hauptstadt seiner Erblande.
141 an Lebensmittel zeigte sich , wo Friedrich nicht per fönlich die gehörigen Anordnungen getroffen ; die Witterung war fast unerträglich, und es rissen Krank heiten unter den Truppen ein. Zudem war das öftreichische Heer ansehnlich verstärkt worden ; und die Bundesgenossen, namentlich Sachsen, für welches das Markgrafthum Mähren bestimmt war , leisteten. Friedrich führte daher , nur fast gar nichts. schwach von seinen Gegnern beunruhigt , die preußischen Truppen nach Böhmen, und ließ sie bey Chru dim , wo er den 17ten April anlangte , CantonirungKurze Zeit darauf ergab fich quartiere beziehen. Glaß den Preußen. Den Frieden sehnlich wünschend, ließ der König durch Lord Hinfort dem wiener Hofe Vergleichsvor Aber derselbe war nicht mehr so schläge machen. nachgiebig , als früher ; der Vorfall mit Linz , die Räumung Mährens und die Trennung der Sachsen hatten ihm seinen ehmaligen Stolz wiedergegeben ; feine geheimen Unterhandlungen am Hofe zu Verfail . les machten sogar , daß seine Blicke sich noch weiter erhoben. Man hat immer bemerkt, daß die Gemüthstimmung des öftreichischen Hofes den rohen Eindrüf fen der Natur folgte ; aufgeblasen im Glück, kriechend bey widerwärtigem Schicksal ; nie wußte er die weise Máßigung zu treffen , welche die Menschen mit Gleich gültigkeit gegen die vom Zufall beschiedenen Glücksgüter oder Unfälle waffnet. Jeht gewannen sein Der Stolz und seine List wieder die Oberhand. schlechte Sortgang dieses Versuches des Lord Hinfort bestärkte den König mehr wie jemals in der überzeugung , die er schon hatte, daß , um eine Friedens-
142 Unterhandlung mit den Östreichern zu Stande zu bringen , man sie vorher erst recht tüchtig müsse ge. schlagen haben. Eine treffliche und ausgeruhte Ar mee reizte ihn, das Glück der Waffen zu versuchen ; fie bestand aus 34 Bataillonen und 60 Schwadronen, welches ungefähr die Zahl von 33,000 Mann ausmachte *)." Der Prinz Karl von Lothringen , Obergeneral der öftreichischen Truppen, war, dem vom Hoffrieg rathe zu Wien erhaltenen Befehle nachzukommen, dem König eine Schlacht zu liefern, ihm, durch Mäh. ren nach Böhmen eilend, nachgefolgt , und so fam es den 17ten May bey Chotusig zum Kampfe. Die Stärke der Preußen wird von Jomini zu 23 bis 24,000 , die der Öftreicher zu 30,000 angegeben ; nach Anderen wäre sie ungefähr auf beiden Seiten gleich gewesen. Die Reiteren des linken Flrgels der Preußen, unter Buddenbrock, stürzte sich muthig auf die gegen fie heranrückende Cavallerie ihrer Gegner , und er schütterte , file werfend , selbst das Fußvolk derselben. Aber , sich allzusehr dem Ausbruche des wilden Muthes überlassend , wurde sie von den herbeyeilenden Verstärkungen der Öftreicher wieder zurückgeworfen. Mit ähnlichem Erfolge ward auf dem entgegengeseßten Flügel gestritten ; weder die Reiterey des einen, noch des anderen Heeres unterlag , und das Kriegglück schwebte wechselweise, bald auf die Seite der preußis fchen, bald auf jene der östreichischen Carallerie. Entscheidender kämpfte das Fußvolk. Das öst
*) Histoire de mon temps,
143 reichische griff an , bringte einige feindlichen Batail lons durch Chotusiß , und steckte diesen Flecken in Brand. Einige ihrer Balaillone , welche schon zwie schen die preußischen Linien eingedrungen waren , zv gen sich durch diesen Ort zurück, weil ihnen Hilfe fehlte, seßten sich aber sogleich wieder hinter Zäunen und Hohlwegen fest , gerade im Rücken der Regimen ter Leopold und La Motte. Plöglich schwenkten sich Diese, feuerten einigemal , fließen, da der Feind nicht wich, die Bajonnette auf, und drangen mit wildem Ungeſtúm auf ihn ein , zerrissen seine Reihen , und trieben ihn in äußerster Unordnung aus dem Flecken heraus. Aber ihr Muth vermochte nichts gegen die übermacht des Feindes . Sie wurden durch ein mór derisches Feuer bedrängt, und standen in Gefahr, ben errungenen Vortheil zu verlieren. Dies be merkte der König , und im Nu ließ er seinen rechten. Flügel gegen Chotusih_schwenken *). Dies entschied den Sieg. Der linke Flügel der Feinde stürzte sich auf seinen rechten , wo Alles zuſammengedrängt ward. In diesem Terrain eingeschlossen , und durch dasselbe verhindert , ordentlich zu fechten , entstand eine all gemeine Verwirrung. Das ganze Feld war in Kur sem mit Flüchtlingen bedeckt ; bis jenseits Czaslau wurden die Geschlagenen verfolgt , und erst 3 Meilen von dem Wahlplaß entfernt machten ſie Halt. Die Öftreicher verloren in diesem dreistündigen Kampf 2000 Todte, 3000 Verwundete und 950 Gefangene,
*) ,,Das allsehende Auge des Königs gewann (hiers durch) vorzüglich diese Schlacht." (Die Feldzüge Friedrich des II. von O Cahill,)
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ne *); die Preußen ferner 17 Kanonen und 1 dagegen 3600 Todte und Verwundete, ebenfalls viele Gefangene und 11 Standarten. Dieses Treffen, obschon nur wenig bedeutend an fich, führte endlich den Frieden zwischen Preußen und Östreich herbey. Friedrich hatte seinen Zweck erreicht. Die Unredlichkeit der Krone Frankreich, welche feit einiger Zeit in einem geheimen Briefwechsel mit dem wiener Hofe stand , und bereit war , ihn , sobald fie ihre eigenen Absichten erreicht hätte, sinken zu ´laſſen **), die ſchlechte Unterſtüßung von Seite seiner *) Sie würden deren ungleich mehr verloren haben, wenn sie die Fahnen nicht , noch vor der Schlacht, unter starker Bedeckung hinter die Linie gebracht håtten. Friedrich selbst gibt den gegenseitigen Verlust so an : a) östreichischer : 7000 Lodte , Gefangene (námlich 1200 Mann) , Verwundete und Uibers läufer ; 18 Kanonen und 2 Fahnen ; b) preußis scher: 1600 Todte (worunter 900 Reiter), 2000 , Verwundete und 11 Standarten. **) ,, So viel geheime Unterhandlungen der Dests reicher mit dem Cardinal Fleury", sagt Fried rich selbst in seinen Werken,,,und einige Unek doten , welche dessen Zweyzüngigkeit verriethen, hatten das Zutrauen des Königs zu ihm vernichtet. Man wußte . daß der französische Gesandte , la Chetardie, zur Kaiſerin von Rußland gesagt hatte, dac sicherste Mittel , sie mit Schweden auszusöh nen, sey, diese lettere Macht durch Pommern auf Koften des Königs von Preußen zu entschädigen. Die Kaiferin verwarf diesen Ausweg, und theilte das Geheimniß dem an ihrem Hose befindlichen preußischen Minister mit. 3u gleicher Seit erklärte
145 Bundesgenossen, besonders der Sachsen, und die Unficherheit des Kriegsglückes, welches bereits den Östreichern ein übergewicht über die Franzosen und
der Cardinal Tincin im Namen seines Hofes dem Papste: über das Wachsthum der preußischen Macht dürfe er nicht in Verlegenheit gerathen; an Zeit und Ort würde Frankreich ihr wol Gråns zen zu sehen , und diese Keher eben so zu erniedrigen wissen , wie sie selbige zu vergrößern ges wußt hätte. Das größte Mißtrauen verdiente Cardinal Fleury durch sein immer in's Dunkel gehülltes Betragen ; er hielt einen gewiſſen Düs fergis zu Wien , welcher sein Kundschafter und Unterhändlerwar. " (Histoire de mon temps , par Frédéric 11 , Tom. I. chap. 6. p 261. seq.) Ans deren Nachrichten zufolge soll Friedrich be= sonders durch folgenden Umstand zur Schließung des Friedens bewogen worden seyn . Ein zu Czaslau verwundeter dstreichischer Offizier von hohem Range (der General Pollandt ) soll noch vor ſeinem Tode dem Könige das Geheimniß entdeckt haben , daß er Gefahr liefe , von seinen Buns desgenossen hintergangen zu werden , die nur ers warten wollten, wie es mit ihm ablaufen würde. (Geständnisse eines öftreichischen Vete rans, Theil 11. Seite 93.) Friedrich selbst sagt nichts davon. Gesezt aber , mit dieser Ents deckung hätte es seine Richtigkeit gehabt, so håtte dadurch der sterbende Offizier dem Könige wol nichts Neues gesagt. Aus dem Betragen Franks reichs und der Sachsen hätte er wol Alles dieſes leicht , und schon långstens selbst abstrahiren köns nen. Zudem war sein Entschluß, als Sieger Fries den zu machen, schon vor dem Treffen zu Czaslau gefaßt (Schmidt, Geschichte der Teutschens forts gesezt von Milbiller. ) 13 Friedrich d. Einz. I.
146 Bayern gegeben, hatten in ihm die gerechte Besorgniß . erweckt, daß er die mit so viel Anstrengung und Glück errungenen Vortheile bey längerer Fortseßung des Krieges wol auch wieder verlieren könnte. Die durch den Lord Hinfort neuerdings angeknüpften Unterhandlungen hatte zwar der wiener Hof in der stolzen Zuversicht auf seine über die Franzosen und Bayern erhaltene übermacht zurückgewiesen. Aber jezt war Friedrich Sieger ; die Hoffnung, die Oberhand über ihn zu erhalten, war, wenigstens für eine geraume Zeit rerschwunden. Der Königin von Ungarn lag daran, den Bund ihrer Feinde zu trennen , und dadurch die Zahl derselben zu vermindern . Hatte ſie ſich nur eins mal mit Preußen verglichen , so konnte sie mit gutem Grund hoffen, daß sie auch mit den vereinigten Fran zosen und Bayern bald fertig seyn dürfte. Das Treffen bey Ezaklau hatte man ohnehin öftreichischer Seits nur in der Absicht gewagt, damit es über Frieden oder Fortsetzung des Krieges ent scheide. Der Entschluß war daselbst bereits gefaßt, daß man den König im schlimmsten Falle, wenn man ihn durch eine Niederlage nicht außer Stand seßen könnte , die gegen den Marschall von Broglio entworfenen Unternehmungen zu-hindern , dieses wenigstens durch eine Trennung von dem Bündnisse bewirken, und in dieser Absicht ihm Schlesien Preis geben wollte *). Das Treffen hatte sich für ihn entschie den; er glaubte daher, daß es Zeit wäre , Frieden zu machen, besonders da seine Finanzen bereits durch diesen Krieg ziemlich erschöpft waren , und sich in *) Geſtåndniſſe eines öſtr. Veterans dafelbst, S. 74.
147 dem Schahe kaum noch 1,500,000 Thaler vorråthig fanden *). Durch die Betrachtung aller dieser Umstände in seinem Vorhaben bestärkt, ließ Friedrich dem Grø fen Podewils , der sich damals zu Breslau befand, die nöthige Vollmacht ausfertigen , und ertheilte ihm den Auftrag , den Frieden mit dem Lord Hinfort zu schließen. Dieser war auch von dem wiener Hofe zu demselben Geschäfte bevollmächtigt. Ein geheimes Gerücht von dem Vorhaben des Königs, sich mit der Königin von Ungarn zu verglei chen , flog bald umher , und kam auch zu den Ohren des französischen Marschalls von Belleisle. Dadurch wurde dieser bewogen , sich selbst in das Lager des Königs zu begeben , um zu erfahren , ob es gegründet sey oder nicht. Bey seiner Ankunft verheimlichte er ihm nicht, welchen Verdacht man gegen ihn habe. Zugleich wollte er mit dem König über die Mittel zu Nath gehen, durch welche man die Sachſen aus ihrer Unthätigkeit bringen könnte. Allein der Marschall hatte seine Zeit nicht wol gewählt. Mit derselben Freymüthigkeit antwortete ihm der König : Er glaube, der Friedenstraktat würde wol schon geschloffen seyn ; Niemand würde es unbillig finden können , daß er einen Frieden auf Bedingnisse einginge , die er selbst vorgeschrieben; er halte dafür, daß jeder Andere an seiner Stelle dasselbe thun würde. Indem er der Allianz mit dem Kaiser entfage , vernachläßige er da rum dessen Vortheile nicht ; da aber die Könige von Ungarn ihm alle seine Forderungen zugestanden , fo *) Histoire de mon temps , loc. cit. p. 162. 13 *
148 habe er weiter keinen Vorwand , den Krieg gegen sie fortzuſeßen *). In der That waren damals die Unterhandlungen schon ziemlich weit gediehen. Der Sieg des Königs bey Czaslau gab der Beredsamkeit des Lord Hinfort, welcher nach der Ehre geizte , ein schon einmal ange= fangenes Geschäft zu vollenden , einen großen Nachdruck, und die östreichischen Minister bezeigten sich jeht viel nachgiebiger, als sie vor der Schlacht gewe fen waren. Besonders gute Dienste leistete bey diefer Angelegenheit der König von England durch seine Vermittelung, und er hatte das Vergnügen, zu sehen, daß sie diesmal beiden Theilen willkommen waren, der Königin und ihrem bisherigen Gegner, dem Könige von Preußen. Schon am 11ten Juny 1742 kamen beide zu Breslau über die Pråliminår-Artikel überein. Vermöge derselben trat Maria Theresia dem Könige von Preußen und seinen männlichen und weiblichen Erben Ober- und Niederschlesien , ingleichen den vormals zu Mähren gehörigen Distrikt Katscher, so wie die Grafſchaft Glah, mit vollkommener Land . Shoheit und Unabhängigkeit von der Krone Böhmen ab ; doch behielt sie sich das Fürstenthum Teschen , die Städte Troppau und Jägerndorf, den jenseits der Oppa und in deh hohen Gebirgen gelegenen Theil von Oberschlesien, die Herrschaft Hennersdorf und die anderen zu Mahren gehörigen, wiewol in Oberschlesien eingeschloffe= nen , Distrikte vor. Dafür that Friedrich auf alle
*) Mémoires pour servir à l'histoire de l'Europe etc. Tom. I. p. 209 seq.
149
1
Ansprüche an das Haus Östreich Verzicht , versprach, in Schlesien die katholische Religion in dem gegen= wärtigen Zustande zu lassen , und machte sich verbindlich, die auf Schlesien haftenden Schulden (betragend 1,700,000 Thlr. ) an die Gläubiger in Holland und England zurück zu bezahlen. Das Recht , den Titel eines souveränen Herzogs von Schlesien zu führen, ward zwar hiermit dem Könige von Preußen und seinen Erben vollkommen eingeräumt ; doch bedung sich Maria Theresia dasselbe Recht für sich und ihre Er ben. Der König von Großbritannien und Churfürft von Hannover , die Kaiſerin von Rußland , der König von Dänemark , die Generalstaaten der vereinig ten Niederlande , das Haus Braunschweig Wolfen= büttel und der König von Polen , als Churfürst von Sachsen, wurden in diesen Frieden eingeschloffen *). In menigen Wochen , nämlich am 28ten July, wurden diese Pråliminarien zu Berlin in einen förm lichen Definitivfrieden verwandelt , ohne daß sie wefentliche Änderungen erlitten oder wichtige Zusäge erhielten **). *) Wenk , Cod, jur. gent. recontiss . T. 1. p . 739 et seq. ** Schmidt, Geschichte der Deutschen , fortgefegt von Milbiller.
150
Anhang zum
ersten
Båndchen.
1. Ausgaben vom September 1719 für den Kronprinzen , nachs maligen König Friedrich den Einzigen.
(Zu Seite 24.) Rthl. Gr. Pf. --- 16 2
8 8
16 4 802202¬
1
16 12 6
11
1 1
1441
9999
Den 3. In den Klingbeutel An den Jäger vor den Hund Den 6. Un Ihre Hoheit den Kron= prinzen Den 10. In den Klingbeutel Den 17. In den Klingbeutel In das Becken 1 Den 21. Dem Jåger, so die Globen nach Berlin gebracht Den 24. In den Klingbeutel Den 25, Un Hammfing , der das grüne Kleid gemacht Den 27. Bey der Abreise aus Wusterhaus fen an die Bettmågdchen Wor die Pfeiffe zurecht zu machen An die beiden Laquaien von Sr. Maj. dem Könige und der Königin , so auf: gewartet haben Vor zwey Farbenschachteln Vor 6 Pfund Puder Vor Stibelettenknöpfe Vor 12 Ellen Haarband In Mittenwalde In die Armenbuchse
151
2
Rthl. Gr. Pf. An den Bothen, welcher die Hunde von 12 Berlin gebracht 2 Vor den Hirschfänger zu scheifen Vor weiß Rundschnur zu Klatschén Dem Menschen , welcher sie bestellt und heraus gebracht An einen Jungen auf dem Felde, welchen die Hunde gebissen Un einen Mousquetier vom 2. Bataillon, 2 fo Se. Hoheit zu Gevatter gebeten Vor eine lebendige Schneppe An einen Hirtenjungen , so den todten Hund weggetragen Vor Pulver und Trinkgeld an den Kanos 1 8 nier, welcher zu Schüßendorf gefeuert Vor die Königliche Knechte zu Bier in 3 Schüßendorf Vor ein Rothkehligen 11 Vor Nagel und Löschpapier, die Globos einzupacken 1 Die Schuh auf'm Leisten zu schlagen Un einen Armen 2n einen Reitknecht , welcher die Muns 2 dirung heraus gebracht 16 An die alte Castellaninu Wusterhausen Summe Rthlr. 23 11 Gr. Graf v. Finkenstein . C. W. v . Kalkstein. 3
1
Der König schickte diese Rechnung , nachdem er sie durchgesehen , mit folgender Note zurück : " Mit diese Rechnungen bin zufrieden und soll hiemit quittiret seyn , aber zukünftig , wenn meine Las quaien, Kutscher und Knechte Frih aufwarten, sollen sie nichts davor bekommen , denn ich sie davor bezahle, denn Frik und ich ist einerley , sonsten bin mit allen . zufrieden vor die guhte Haushaltung. Friedrich Wilhelm, "
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2. Nichtigkeit des Tadels Aber das Benehmen Friedrich's in den ersten schlesischen Kriegen. (Aus Guibert's Denkschrift auf Friedrich den Großen ; überseht von Bischoff.)
(3u Seite 122.) ,,Der Neid , der alles entstellt , und die Flüch figkeit, die nichts ergründet, haben Friedrich's Ruhm in diesem Kriege dadurch schmälern wollen , daß er das bey eine wankelmüthige und täuschende Politik gezeigt ; daß er immer gegen Treu und Glauben die Waffen ers griffen , niedergelegt , wieder ergriffen , wieder nieders gelegt habe. Man hat ihm vorgeworfen , daß er die Königin von Ungarn ohne Kriegserklärung angegrifs fen ; daß er ohne Rücksicht auf Frankreich, seinen Bundesfreund , den breslauer Frieden geschlossen ; daß er diesen Frieden ohne Ursache wieder gebrochen und Frank: reich durch einer zweyten besonderen Frieden noch ein mal getäuscht habe. ,,Der König that in diesen verschiedenen Lagen nichts, als was ihm Talent, Vorsicht und Nothwendig, keit befahlen. Sein Einbruch in Schlesien geschah, wie alle großen Kriegunternehmungen geschehen müſſen, heimlich und schnell. Im Besige von Schlesien , und durch zwey Schlachten in seinen Eroberungen befestigt, nahm er den Frieden an , den man ihm durch den Ab, trit dieser Provinz darbot. Wäre es nicht unübers legt gewesen , wenn er weiter håtte fechten wollen, nachdem er seinen Zweck erreicht hatte ; und was war er Frankreich schuldig , ohne welches er zu den Waffen gegriffen , das nur gelegentlich sein Bundesfreund ges worden war ? "1 Als er den breslauer Frieden brach, befolgte er
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ebenfalls den Rath der Vernunft und Klugheit. Wien hatte sich so eben mit Polen vereinigt ; Holland und England fochten für dasselbe. Bayern war von Feins den beset , nicht ein Franzose mehr im Reich , und 70,000 Destreicher waren in Elsaß eingedrungen. Es war augenscheinlich, daß, wenn er nicht durch eine mäch, tige Diversion Maria Theresien's Glück wieder in das Gleichgewicht bråchte , ihre ſiegreichen Waffen bald über ihn herfallen würden, um ihm Schlesien , das ihm so vielen Kampf gekostet , wieder zu entreißen. Als er den zweyten Frieden zu Dresden schloß, hatte er abermals Eine Ursache , den Krieg fortzusehen. Er hatte Böhmen verheert , war Meister von Sachsen , hatte durch drey Siege den Stolz und die Entwürfe des wiener Hofes vereitelt ; Frankreichs Vortheile in Flandern hatten ebenfalls das Gleichgewicht wieder hergestellt, Bayern that auf seine Ansprüche Berzicht , der Großherzog war Kaiser , alle Theile waren erschöpft und seufzten nach dem Frieden. Von einer anderen Seite trieb ihn Rußland , sich mit dem Könige von Polen auszuföhnen , und er verschaffte sich durch Nies derlegung seiner Baffen den Ruhm eines edeln und gemäßigten Verhaltens . Was aber Frankreich betrifft, das sich zum zweytenmal über ihn beklagte , und wo man ohne Ueberlegung von der preußischen Treue, wie , von der punischen sprach, hatte er ihm nicht durch seine Diversionen einen ziemlich großen Dienst gethan , dadurch das Elsaß befreit und in Flandern die Oberhand verschafft, und zu unsern Eroberungen verholfen ? Und welchen Gefahren stellten wir ihn im Gegentheil nicht blos , indem wir ben Prinzen Karl ruhig über den Rhein zurückgehen ließen, uns mit der Belagerung von Freyburg begnügten , anstatt den Prinzen mit Nachdruck zu verfolgen, und so den König von Preußen die ganze Last der östreichischen und fächſiſchen Waffen tra gen ließen ? Aber in diesem ganzen Kriege , wo die Politik weit thåtiger und verwickelter war , als je,
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dußerte sich in Europa ganz Ungewöhnliches , etwas, das wieder an die schönen Zeiten des Alterthums erinnert, wo die Geschichte keine Mittelpersonen zwischen den Kds nigen und Völkern aufstellt. Man war bisher gewöhnt gewesen, die Regenten nur durch Dollmetscher ſprechen, durch Sekretäre schreiben und durch Minister unters handeln zu sehen. Jeht sieht man einen jungen Prins zen selbst unterbandeln , sprechen , schreiben , und dies mit einer Deutlichkeit, einer Würde, einer Bestimmts beit , die in unseren diplomatischen Werkstuben unbes kannt sind. Denn hier macht man sich es fast immer zum Gefeß , nicht gerade zu gehen , den Verstand in weitläufigen Phrasen zu ertränken , sich in Dunkelheit gu hüllen, um Ausflüchte zu haben und von der freys müthigen Wahrheit keinen Gebrauch zu machen , wodurch man sich doch weit seltener oder wenigstens auf edere Weise schadet, als durch Trug und Spißfindig, keiten. ,,In der Sündfluth politischer Schriften , womit die Tagebücher jener Zeit überschwemmt sind , in dem unnügen Wirrwarr , wovon die alte Geschichte kein Beyspiel hat, schwimmen stets die Schriften des Königs von Preußen oben auf. Sie sind fast alle aus seinen Lagern datirt , und mitten im Geräusche der Waffen aufgefeßt , sie haben alle den nachdrücklichen und edela Ton, der einem Heltenkönige so gut ansteht , aber auch zugleich eine erhabene Denkungsart und einen trefflichen Kopf erfordert. "Seine Manifeste , Erklärungen , Darstellungen, sind nie von ihm unterzeichnet, noch in seinem Namen geschrieben , weil er sie als Formalitäten ansah , wo man wo eine Behauptung wagen , bemånteln , kurz, zu überreden oder zu blenden suchen darf. Aber in seinen Depeschen, in seinen unmittelbaren Verhand: lungen, wo sein Name unterzeichnet ist, glaubt er ohne Zweifel seine Ehre für seine Worte verantwortlich zu
155 halten, zeigt er sich stets entschlossen und wahrhaftig. Hat er mit dem wiener Hofe zu thun , so geht er leicht über die Rechtmåßigkeit ſeiner Anſprüche auf Schlesien hinweg, stügt sich aber dagegen geradezu auf die Staatsnothwendigkeit, welche die Besisergreifung dieser Pro. vinz für seine Sicherheit unentbehrlich machte.
" Während der Unterhandlungen des dresdener Friedens schrieb er an den englischen Gesandten, Hrn. Villiers , welcher mit daran arbeitete: ,, Dies sind meine Bedingungen. Eher will ich mit meiner Urmee auf der Stelle bleiben , als eine davon nachlassen. Nimmt sie die Kaiserin nicht an , so erhdhe ich meine "/ Forderungen. Er antwortet Rußland, das ihn von dem Einfall in Sachsen abhalten wollte : ,,Ich will nur den König von Polen in ſeinem Churfürstenthum zůchtigen, und ihn in einer Hauptstadt eine redevolle Abs bitte unterzeichnen lassen." Dem König von Polen schrieb er selbst verschiedene Briefe , worin er ihn vor dem Ungewitter warnt , das gegen ihn im Unzug ist, ihm zeigt , wie sehr es Sachſens Vortheil erfordere, sich eher mit Brandenburg , als mit Deſtreich , zu verbinden , die bösen Rathschläge des Grafen Brühl, ſeines Günſtlings , die Schwäche seines Charakters aufdeckt , die ihn in einer Zeit , wo er von alles Kriegmacht entblöst ist , in einen gefährlichen Handel verwickelt. In der That , ein sonderbarer Briefs wechsel , der selbst bey dem Ueberfall vom Jahre 1756 wieder anfing , und woben man sieht , daß die persönlichen Eigenschaften noch weit größeren Abstand unter den Königen machen , als unter Privatpersomen. Ais endlich vor dem breslauer Frieden der Marschall Belle Isle von Prag in ſein Lager kam, seinen Entschluß zu hören , braucht er abermals keine Umschweife , ihm die Wenderung seiner Politik zu entdecken : " Mein Herr Marschall ," redete er ihn an , indem er auf ihn zuging ,,, denken Sie an sich,
156 mein Spiel ist gewonnen , und ich mache meiner Seits Frieden." - Man vergleiche einmal dieſen geistreichen und zugleich heldenmüthigen Zug von Biederfinn mit dem Betragen so vieler Minister, die fich erlaubt haben , ausgemachte Wahrheiten nieder: trächtig zu läugnen , und durch offenbare und im Angesichte von Europa " gesagte Lügen den Namen ihrer Herren zu schånden .'
Berichtigungen. Seite 5, Zeile 10 v. o. lies erduldet statt erdultét. 13, in der Note , sehe man nach den Worten : ",Anekdoten ic. aus dem Leben Friedrich des Großen", existirte noch kein regels må ßiges Schauspiel. 43, 3eite 19 v. o. lies No chow statt Rach ow.
Das Leben
Friedrich
des
Einzigen.
Bon
Georg Friedrich Kolb.
Zweytes
Bändchen.
„Wahrlich ,“ sagte Napoleon , von dem trefflichen Rudzuge Friedrich des Einzigen nach dem Ueberfalle von Hochlirch sprechend ,,,wahrlich, er war ein großer Mann ; aber doch verdankt er die Hälfte seines Ruhms dem schiefen Benehmen seiner Feinde." 3a," fügte er nach einer kleinen Pause hinzu, einen Finger meiner Hand würde ich für eine Unterhaltung von zehn Minuten mit ihm gebeen. Sah Napoleon gleich in dem großen , philosophischen Könige blos den Krieger, so hatte er dennoch sich nicht schöner und erhabener - gleich rühmlich für Friedrich, wie für Napoleon ausdrücken können. selbst
Speyer , 18 28. In der 3. C. Kolb'schen Buchhandlung.
Ainsi, dans ces jours pleins d'alarmes , La constance et la fermeté Sont le bouclier et les armes Que j'oppose à l'adversité . Que le destin me persécute , Qu'il prépare ou hâte ma chûte , Le danger ne peut m'épranler. Quand le vulgaire est plein de crainte, Que l'espérance semple èteinte, L'homme fort doit se signaler. Oeuvres mêlées du Philosophe de Sanssouci. (Berlin 1760. ) Tôme I. pag. 18 .
Dritter
Abschnitt.
Des Königs edles Bemühen zum Wohle der preußischen Wiederausbruch des Kampfs ; der zweyte Lånder. schlesische Krieg. Verschiedene militári che Bewes gungen der Heere. Der Preußen Siege bey Hohen. friedberg (Striegau), Sorr und Kesselsdorf. --- Friede zu Dresden.
(Vom July 1742 bis zum
plouber 1745.)
Ohne alles Geprånge langte Friedrich, nachdem er auf die im vorigen Abschnitt erzählte Weise Schlesien mit der preußischen Monarchie vereinigt, den 12ten July 1742 wieder zu Berlin an . Zum Aufblühen des Landes alles Mögliche zu thun , dabey, so viel es mit diesem in Einklang zu bringen fen , die strengste Sparsamkeit in allen Zweigen zu beobachten, und endlich das , wie er , der Scharfblickende , ganz richtig voraussah, so nöthige Heer der Zahi ſowel, als auch , und zwar hauptsächlich , der inneren , myralischen Kraft nạch , zu verstärken, machte er sich· zum rengen Gesez. Schlesien besonders , der Tummelplaß der verschiedenen Heere während des Kriegs , und dabey an den Wunden leidend, welche ihm die bisherige.
160
unordentliche und in mehr als einer Hinsicht bedrükfende Verwaltung verursacht , bedurfte zu feinem Emporblühen der weisen und wohlthätigen Leitung eines solchen Fürsten. ― Unter den vorigen Regenten war es üblich geworden , daß ihnen die Stånde bey der Huldigung ein Geschenk von 100,000 Thirn. machten. Friedrich aber , edelmüthig dieſe ihm ebenfalls angebotene Summe ablehnend , erklärte : ,,das Land sey zu sehr durch Unglückfälle erschöpft, als daß er von den Ständen dieses Geschenk annehmen fönne; er vielmehr wolle trachten, dem Volke wieder aufzuhelfen , damit es Ursache haben möge, sich seiner Regierung zu freuen . " Und bald bewies er in der That, daß nicht blos schöne Worte auszusprechen Mit weiser Mäßigung und einer feine Sache sey. behutsamen Rücksicht auf die Vorrechte des bisher herrschenden Bekenntnisses und seiner niederen und höheren Vorgesetzten www— also nicht durch das unbe wurde eine allgedingte Machtwort des Königs meine Toleranz der verschiedenen kirchlichen Confef= ſionen eingeführt , und alle erhielten gleiche Rechte. Die Protestanten , wenigstens die Hälfte der Bevölke rung des ganzen Landes , hatten vordem vielfache Bedrückungen zu erleiden gehabt , und daß man sie duldete, geschah nur in Folge eines Vertrags , den Karl der Xil. von Schweden im Jahre 1707 dem Kaiſer abgedi ungen hatte. Ihre Bedrångniſſe hörten auf; die Huffiten, Herrenhuter und Schwenkfelder , unter der streichischen Regierung aus Schlesien vertrieben, kehrten in Schaaren dahin zurück , und dabey wurden die Katholiken, obschon man ihren Mönchen und Prie= Fern keine Einmischung in weltliche Angelenheiten.
161 gestattete, so weise und vernünftig behandelt , daß selbst der Papst , gerührt über des Königs Benehmen, ihm seinen schriftlichen Dank gesagt haben würde, wenn die politischen Verhältnisse ihn nicht abgehalten håtten *). Bald zeigte sich auch hier in Wirklichkeit, was Friedrich in seiner Schrift de la réligion du Brandebourg fagt : Der falsche Eifer ist ein Tyrann , der die Provinzen entvölkert , die Duldung aber eine zärtliche Mutter , welche sie pflegt und blú hend macht." Die Abgaben der Schlesier, waren vordem stark, und dabey unbestimmt , wodurch nur allzuhäufig Eingriffe der Steuerbeamten entstanden. Diese hörten auf, da das preußische Erhebungsystem eingeführt ward. Die ganze Administration bekam eine andere Gestalt. Der König feßte zwey Oberamt -Regierungen, die eine zu Breslau , die andere zu Glogau , nieder ; jeder Kreis erhielt einen Physikus , und zur Leitung der kirchlichen Angelegenheiten der Protestanten ließ er zwey Oberkonsistorien errichten. Handel, Gewerbe , Manufakturen und Fabrifen unterstüßte der König in Schlesien auf das tha tigste. Breslau ward zur dritten Hauptstadt seiner Lånder erhoben , die Einwohner wurden von Rekrutirungen freygesprochen ; zwey große Messen wurden errichtet, die in kurzer Zeit besonders dadurch in Flor kamen , daß die Einkäufer von jeder Abgabe frey waren , und daß eine eigene Handlungkommission *) Man sehe das Nähere hierüber in der Schrift : Friedrich der Große ; Versuch eines historischen Gemäldes." (Weimar 1787) , 3. eft, S. 128.
162
niedergesezt wurde , die über alle merkantilischen Streitigkeiten ohne Zeitverlust entschied. Künstler und Manufakturisten aller Art wurden in das Land gezogen , und durch ansehnliche Freyhei ten und Belohnungen aufgemuntert. Da viele solcher Leute aus Furcht , gewaltsam zu Soldaten geworben zu werden , nicht wagten , das preußische Gebiet zu betreten, so nahm ihnen der König diese Furcht durch geschärfte Edikte wider gewaltthätige Werbungen, die unter der Regierung seines Vaters freylich sehr gewöhnlich waren. In eben dieser Absicht befreyte er auch das ganze Fürstenthum Jauer und zwey Kreiſe \ des Fürstenthums Schweidniß von den Rekrutirungen. Einigen anderen schlesischen Städten erlaubte er Vieh , Woll- und Pferdmårkte. Er legte neue Posten zum Behufe der reisenden Kaufleute an , und ließ bey Croffen einen ganzen Berg abtragen , um die Ab und Zufuhr der Waaren zu erleichtern. Selbst bis auf das physische Wohl seiner neuen Unterthanen erstreckte sich seine Sorgfalt. Man braute fast überall in Schlesien ein, trübes , schweres Bier. Um diesem Fehler abzuhelfen , sendere er Braumeister aus Berlin und Potsdam , die das Brauwesen auf einen vollkommeneren Fuß sehen mußten. Aber nicht minder thårig zeigte sich des Königs Sorgfalt für seine älteren Staaten. Gelehrsamkeit, Kunste und Gewerbe aller Art blüheten daselbst auf; der Handel breitete sich aus, und die Kriegmacht wuchs immer furchtbarer heran. Noch mitten im Gewühle des Kampfes gab der König Verordnungen , die auf das Wohl seiner aften Unterthanen abzweckten ; z. B. ein Trauerpatent,
163 um den Aufwand bey Begräbnissen einzuschränken, und eine neue Depoſitalordnung , zur Sicherheit der gerichtlich niedergelegten Gelder , die , wenigstens damals , ein Muster in ihrer Art war. Gleich nach dem Frieden richtete er seine Auf merksamkeit auf inländischen Kunstfleiß. Sein groffer Plan war, feine Staaten in Absicht ihrer Bedürf niffe , sowol derer , die zur Nothdurft , ale jener, die zum Lurus gehören , von den benachbarten Staaten völlig unabhängig zu machen , und dadurch das › Geld im Lande zu erhalten. Zu diesem Zweck wirkten alle feine Verordnungen , welche die inländische Industrie betrafen. Er suchte dem Seidenbau emporzuhelfen ; that den Unterthanen Vorschüsse zu Maulbeerpflanzungen ; theilte unentgeldlich Seidenwurmeyer aus , und sehte Belohnungen auf gewisse Quantitäten im Lande erzeugter Seide. Den Umtrieb des inländischen Handels zu erleichtern , ließ er auch mit großen Kosten bey Plauen in der Mark einen Ka al graben , der nach zwey Jahren glücklich zu Stande fam. Auch fieng er gleich nach dem Frieden an , sein Heer zu verstärken , und wies zum Festungsbaue in Er erkannte , daß Schlesien große Summen an. Wehlstand , Macht und Ruhe ſeines Landes auf dem Muth einer furchtbaren , geübten Armee beruhte, und dus diefen Gründen blieb er, und sein Heer mitten im Frieden nicht müßig. Der Soldat ward geübt, gemustert; der Offizier zum Dienste streng angehalten ; die Regeln der Mannszucht wurden verschärft , und alles dies geschah um so pünktlicher , als der Königſelbſt den Kriegstand nie aus den Augen ließ. Die
164 nåher liegenden Truppen mußterte er jährlich zweymal ; über die entfernteren hielt er alljährlich eine Heerschau. Bey dieser Gelegenheit sah er alle seine Provinzen, forschte nach ihrem Wohlstande und nach ihrer Verfassung , und lernte sie dadurch von Grund aus kennen. Während aller dieſer Geschäfte blieb seine Liebe zu den Wissenschaften und schönen Künsten so lebhaft, als vorher. Er hatte jeht seinen Aufenthalt zu Potsdam genommen , und die Musen waren ihm aus Rheinsberg dahin gefolgt. Leßteres hatte er nur Darum verlassen , weil es von der Hauptstadt ſeines Landes zu entlegen war. “ Potêdam lag so ziemlich im Mittelpunkte seiner Provinzen , und war der engsten Gemeinschaft mit der Hauptstadt fähig. Tort errichtete er eine kleine Gesellschaft , die jener zu Rheinsberg nicht unähnlich war , und welche jest den Philosophen' Voltaire eine Zeitlang in ihrer Mitte hatte. Im Jahre 1743 kam auf des Königs Befehl eine gelehrte Gesellschaft in Königsberg zu Stande, deren Hauptgeschäft die Kultur und Verbesserung ders teutschen Sprache seyn sollte , und in eben diesem Jahre lebte auch die Akademie der Wiſſenſchaften unter seinem Schuhe in Berlin wieder auf. Zwey würdige Männer , der Minister von Bork und der General Graf von Schmettau, beide von der nằmlichen Liebe für Literatur , wie Friedrich , beseelt, vereinigten sich, eine gelehrte Privatgesellschaft zur Kultur gemeinnüßiger Wissenschaften zu bilden. Ihr Plan fand allgemeinen Beyfall , und in Kurzem war eine Gesellschaft von Gelehrten aus allen Fächern
165 errichtet. Der König erklärte sich zu ihrem Protektor , und räumte ihr ein schönes Zimmer in seinem Schloffe zu ihren Versammlungen ein ; durch sie ward er auf den Gedanken zurückgebracht , die alte Akade mie der Wissenschaften wieder herzustellen , und fie mit dieser neuen Privatgesellschaft zusammenzuſchmel, zen. Er seßte noch in eben diesem Jahre eine Com miſſion nieder , die den Zustand der alten Akademie in Hinsicht ihres Fonds und ihrer Einkünfte unter suchen, und für die neue Geseße entwerfen mußte. Sie führte dieses Geschäft nach dem Willen undPlane des Königs aus ; er unterzeichnete die Statuten, und legte ihr den Titel einer königlichen Akademie der Wissenschaften bey. Interdessen wurde der Bau des prächtigen Opernhauses zu Berlin (mit einem Gesammt-Kostenaufwande von anderthalb Millionen Thalern) , und einiger Lust schlösser, unermüdet fortgefeßt. Dies diente zur Verschönerung, und gab der årmeren Klaſſe des Volfs Gelegenheit , sich nähren zu können. Um Künste und Wissenschaften in Teutschland mehr aufzumüntern, und sich selbst dabey ein unschuldiges Vergnügen ju verschaffen, zeg der König geschickte Ausländer an seis nen Hof. Aber nicht leicht überschritt er die so nöthige Mäßigung bey ihrer Belohnung . Er erklärte einer französischen Schauspielerin , die von ihm Schäße zu erbeuten hoffte , unter den verbindlichsten Loverhebungen ihrer Talente, daß er als Regent nicht mehr so ungebunden zahlen könne, wie ehdem. Als Prinz gab ich von dem Meinigen ; als König aber bin ich weiter nichts , als der Schahmeister meines Volks!“ -Eine Feuerbrunft auf dem königlichen Marstalle
166 . zu Berlin hatte eine Menge Alterthümer, Zeichnungen und Gemäldezerstört ; Friedrich ersehte den Sca den durch den Ankauf der wichtigen Alterthümers fammlung des Kardinals Polignac (um 95,000 Livres) ; die Bibliothek und das Münzkabinet wurden vermehrt , und die Ritterakademie oder das Cadettenhaus in Aufnahme gebracht. Friedrich schaffte die Tortur ab ; hob die mit dem Staupenschlag verbundene Landesverweisung auf, und dehnte den Genuß der Privilegien der Religionvertriebenen auf die einwandernden evangelischen Franzosen aus ; auch müßten alle Glückspiele auf den Meſſen und Jahr=´ märkten aufhören. Während der König auf diese Weise unabläſſig für das Wohl seiner Völker wirkte , verlor er dabey dennoch den Vortheil des Staats nie aus den Augen. Im Anfange des Jahres 1744 war der Stamm der Fürsten von Ostfriesland ausgestorben. Preußen hatte 1694 die Anwartschaft auf dieses Fürstenthum vomKaiser Leopold erhalten , da aber jeht auch von verschiedenen anderen Seiten Ansprüche darauf gemacht wurden, so ließ Friedrich durch seine Truppen das. Land beſehen , und erweiterte so seine Staaten mit einer zwar kleinen , aber fruchtbaren und eintråg lichen Provinz. Seit dem breßlauer Frieden beobachtete der König eine strenge Parteylosigkeit gegen alle Mächte, ließ aber keinen Weg unversucht , Ruhe und Frieden wieder herzustellen , den teutschen Kaiser in seiner Würde zu erhalten und ihm Achtung zu verschaffen. Eine geraume Zeit hatte er zweifelhaft zugesehen, was endlich aus dieser Sache noch werden würde. Der
167 zu Worms mit dem Könige von Sardinien geſchloſſeneVertrag des Königs von Großbritannien und der Kö nigin von Ungarn hatte ihm endlich das Räthsel ge= löst. Wenn er schon zuvor einige geheime Nachrichten hatte , daß Georg der II und Maria Theresia den König von Frankreich zu einem Frieden zwingen wollten , worin von der Gewährleistung wegen Schlesien keine Erwähnung geschehen sollte , und daß sie damit umgingen , ihm dieses Land wieder abzuneh men, so beruhten sie doch nur auf Äußerungen , die, wenn sie auch an einem oder dem anderen Hofe ges than wurden , doch vielleicht nur die Wirkungen augenblicklicher Einfälle waren, welche manchmal eben so geschwind, als sie entstanden , auch wieder vergessen werden , theils auch auf Sagen , deren Wahrheit doch durch nichts anders verbürgt war , als durch die Versicherung desjenigen , der sie mittheilte. Aber feitdem der König aus dem Haag eine Abschrift des wormser Vertrags erhalten hatte *), waren die Sagen durch urkundliche Weise bestätiget . In dem zweyten Artikel dieses Trafiats hatten tie kontrahirenden Mächte der Königin Maria Theresia nicht nur alle diejenigen Länder und Domånen garantirt , die sie damals wirklich besaß, ſondern auch diejenigen, welche fie vermöge der zu Turin , Utrecht und Baden geschlossenen Vertråge , ferner vermöge der QuadrupelAllianz , vermöge der von dem Reiche und von den Seemächten übernommenen Garantie der pragmatischen Sanction , dann des wiener Definitiv- Traktats, und vermöge der am 3ten Februar 1739 zu Verſailles
*) Histoire de mon temps.
168 unterzeichneten Beytritakte zu diesem Vertrage → besigen sollte *) . Der Friede von Breslau , worin Maria Theresia Schlesien abgetreten hatte , war hier nicht genannt ; hingegen befand sich unter denjenigen Staaten, welche sie nach den oben angeführten Verträgen besigen sollte, unstreitig auch dieses Land. Was war also natürlicher , als der Schluß , den Friedrich der II . machte, daß die kontrahirenden Mächte ihr durch den Traktat von Worms im Stillen auch Schlesien garantirt haben ? In den Augen des Königs hieß dieses nichts anders, als eine Offensiv Allianz gegen ihn vorbereiten. Allen Zweifel , der hierüber noch statt finden konnte , schien der 13te Artikel desselben Vertrags vollends auf die Seite zu räumen . Darin hatte man der Königin Maria Theresia die Freyheit eingeräumt, ihre Truppen, sobald Italien von den Feinden gereis nigt seyn würde , aus diesem Lande herauszuziehen, und ihre Lombardey durch die sardinischen Truppen vertheidigen zu lassen , damit sie eine um so stärkere Kriegmacht in Teutschland aufstellen könne. Dem bereits gänzlich unterdrückten Kaiser konnte dies eben fo wenig gelten, als einem der übrigen unbedeuten den Reichstände ; Preußen mußte Alles dies als Drohung gegen sich betrachten. Hierdurch wurde der König besonders aufmerksam gemacht , auf seine Sicherheit bedacht zu feyn , die ihm der breslauer Zu Friedenschluß nun nicht mehr gewährte **). *) Wenk , Cod. jur. recent. T. 1. p. 582 seq. **) ,,... Ein neuer Auftrit, " sagt 3immermann in feinen Fragmenten über Friedrich den Großen ( 1. Band, S. 129 ff.),,,80g ihn aber
169 eben dieser Zeit erschien , von dem Kaiser gesendet, der Graf von Seckendorf am Hofe zu Berlin , um des Königs Beystand gegen Östreich anzurufen . Wollte gleich Friedrich keinen übereilten Schritt thun, fo hätte dennoch Karl derVII. kaum einen günstigeren gleich wieder auf die Seite Karl des VII , da er noch kaum Zeit gehabt hatte, sich in Schlesien ein wenig festzusehen. England machte den Traktat zu Worms , und Friedrich erfuhr desselben geheim men Artikel durch einen bisher öffentlich nicht des kannten Zufall. Wilhelm der VIII. , Landgraf von Hessenkassel, war theils aus Staatsgründen, theils aus persönlicher Neigung der eifrigste Anhänger des Hauses Bayern . König Georg der II . von Große britannien hatte große Achtung für diesen Fürsten, und als sein Schwiegervater hielt er sich seiner vols lich versichert. Der Landgraf besuchte den König in Herrnhausen, und war geſchickt genug , die geheims ften Artikel des wormſer Traktats von ihm heraus zulocken. Sobald er das Geheimniß besaß, eilte er, dasselbe an Friedrich zu entdecken , und diese wichtige Nachricht beschleunigte dessen Einbruch in Böhmen. - Friedrich's und Frankreichs Ernies drigung war der Zweck des Traktats von Worms.3 Håtte er also nunmehr Oestreich das völlige Uebers gewicht gelassen , so håtte ihn auch nichts mehr ges rettet. Also verweilte er keinen Augenblick. Er ers griff die Waffen, dem Scheine nach für das Obers haupt des Reichs , in der That aber zu ſeiner eiges nen Erhaltung. Frankreich war äußerst bedrängts die Oestreicher standen im Elsaß , und Friedrich Bettete Frankreich. Aber treulos handelte dieses an ihm , da es, der heiligsten Versprechungen ungeach tet, die ganze dstreichische Macht nach Böhmen zies hen ließ, ohne ihr zu folgen zc," 2 Friedrich d. Einz. H.
170 Zeitpunkt treffen können , ale den gegenwärtigen, und wirklich gab der König von Preußen seine Bereitwilligkeit unter gewiffen Bedingungen zu erkennen. Vorläufig indessen wollte er erst ein Bündniß mit Rußland und Schweden zu Stande bringen . Leßtere Macht sollte dem Könige von Großbritannien eine Diversion durch einen Einfall in Bremen machen , zu gleicher Zeit aber eine französische Armee in die hannover'schen Lande einbrechen. Er selbst wollte einen Einfall in Böhmen unternehmen , und während die Östreicher. dadurch genöthigt seyn würden , sich vom Rhein in dieses Königreich zu ziehen , sollten die Franzosen an. griffweise verfahren , und sie lebhaft verfolgen. Daß der König dabey seinen eigenen Vortheil nicht vergaß , versteht sich von selbst ; indem wol von, keinem Hofe jemals eine Allianz geschlossen wurde , wozu. nicht die Beförderung seines Interesse der Beweg grund gewesen war. Zur Entschädigung oder Ers kenntlichkeit verlangte Friedrich von dem Königreiche Böhmen, weiches von den Staaten der Köni gin von Ungarn getrennt werden sollte , die drey zunächst an Schlesien liegenden Kreise. Eine andere vorläufige Bedingung war , daß von den Bundes, genossen keiner für sich allein einen Frieden zu schlief . fen , sondern alle unzertrenniich beysammen bleiben follten , bis das Hous Östreich gedemüthigt seyn würde. Um fünftigen Zwist zu vermeiden , verlangte er auch, daß die Verbündeten sich schon zum Voraus über eine Theilung jener Eroberungen vergleichen follten , die sie etwa machen würden *) . *) Histoire de mon temps etc. T. II.
171 Da dem Könige, wenigstens um sich im Besiße von Schlesien zu erhalten , daran lag , daß dieses Projekt zu Stande kam , so schickte er einen besonderen Gesandten in der Perſon des Grafen v. Rothen. burg nach Versailles , um durch ihn über diesen Ge genstand unterhandeln zu laffen. Allein so sehr auch der eigene Vortheil des Königs von Frankreich eine folche Allianz , und die fräftige Mitwirkung zur Ausführung des derselben zum Grunde liegenden Planes, anrieth , so hatte doch dieser Minister eine geraume Zeit genug zu thun, um die Indolenz des ganz neuen französischen Ministeriums zu überwinden . Zur Grundlage bey den Unterhandlungen dienten die Bedingnisse, welche dem Feldmarschall von Seckendorf waren vorgelegt worden. Vor allem bestand der Graf von Rothenburg darauf, daß die französische Armee, sobald fein König in Böhmen eingefallen seyn würde , den Östreichern aus dem Elsaß nachrücken, und ihnen Bayern wieder entreißen , ein anderes französisches Heer aber in Westphalen und von da in die hannover'ſchen Lande eindringen sollte. Dieser Vorschlag fand endlich, nachdem der Graf den Nugen desselben auseinander gesezt hatte , den verdienten Beyfall, worauf die Unterhandlungen ihrem Ziele nåher kamen. Sobald der König von Preußen den französischen Hof seinen Absichten geneigt sah, gewannen auch die Unterhandlungen zu Frankfurt , die immer neben jenen gepflogen wurden , einen lebhafieren Fortgang, und der Kaiſer hatte endlich , den 22ten May 1744, das Vergnügen, seinen Zweck vollkommen zu erreichen. Der unter dem Namen der frankfurter Union 2
172 berühmte Vertrag zwischen dem Kaiser , dem Könige von Preußen , dem Churfürsten von der Pfalz und dem Könige von Schweden, als Landgraf von Hessen= Faſſel , kam den 22ten May 1744 zu Stande. Darin verbanden sich die kontrahirenden Mächte, die Verfassung des teutschen Reichs , nach dem Sinne des westphälischen Friedens und anderer Reichgrundgeseße, aufrecht zu erhalten , die Ruhe in Teutschland wieder herbeyzuführen , die Würde und Macht des Kaisers zu handhaben , den wiener Hof durch alle erdenklichen Mittel zur Anerkennung des Kaiſers , zur Ausliefe= rung des noch immer vorenthaltenen Reicharchivs, und zur vorläufigen Zurückgabe der bayerischen Erblande , zu bewegen , und sich zu bestreben , daß die bisherigen Streitigkeiten über die östreichische Erbfolge entweder durch die Vermittelung der gesammten Reichstånde gütlich verglichen oder durch einen richterlichen Spruch entschieden werden , bis dahin aber ein allgemeiner Waffenstilstand in Teutſchland erfolgen solle. Die gesammten Churfürsten , Fürsten und Stände des Reichs wurden darin eingeladen, dieser Union beyzutreten *). Maria Theresia war die Zeit her in ihren Unternehmungen zu glücklich gewesen , als daß sie das Verlangen des vierfachen Bündnisses hätte erfüllen sollen. Der Gesandte des Königs vermochte mit seis nen Vorstellungen immer noch so wenig, als vorher, und deshalb erklärte er endlich im Namen seines Herrn den Bruch. Dies geschah in den ersten Tagen *) Wenk , Cod. jur. gent, recentiss. p. 163 seqq.
Tom . 11.
173 des Augusts 1744 , und in der Mitte dieses Monats brach des Königs Heer schon nach Böhmen auf. Den 10ten August reiste Friedrich nach Böhmen ab; in 3 Colonnen , zusammen gegen 100,000 Mann stark, ging der Zug der Armee. Die erste, geführt von dem Könige selbst, marschirte, troß des Widerstrebens der Regierung des Landes , durch Sachsen ; die zweyte , unter Prinz Leopold von Dess fau, durch die Laufiß ; die dritte , unter Schwerin, langte aus Schlesien an. Zur Deckung des König reichs blieben 17,000 Mann unter dem Fürfen von Deſſau in Brandenburg , und 20,000 unter dem Generale Marwig in Oberschlesien . Jene drey Abtheilungen stießen den 2ten September im Lager bey Prag zusammen , dessen Eroberung den Feldzug eröff nen sollte. Den 10ten wurden die Laufgråben eröff net , und zwey Tage darauf die Verschanzungen der Östreicher auf dem Ziekaberg erobert. Der König, der während des Angriffs persönlich in großer Gefahr geſchwebt hatte, und an deſſen Seite der tapfere Prinz Wilhelm getödtet worden war, lobte und belohnte die Braven. Im Angesichte des Heeres umarmie er einen von ihnen , der sich besonders ausgezeichnet, erhob ihn , unter dem Namen Kraul von Ziskaberg, in den Adelstand , und machte ihn zum Lieutenant. Die preußischen Generale überhäuften ihn hierauf mit Geschenken und Liebkofungen *) . -- Auf das Thätigste ward die Belagerung der Stadt fortgeseßt, und dies mit solchem Erfolge , daß der Graf von
*) In einem folchen Benehmen ist mit ein Grund der vielen Siege Friedrich's zu suchen,
174 Harsch, Commandant von Prag , schon den 16ten September diese Festung übergab. Die ganze Be faßung , 12,000 Mann stark , war , zufolge der Ge dingungen der Capitulation , krieggefangen. Furcht und Schrecken verbreiteten sich zu Wien bey der Nachricht von dem Einfalle der Preußen in Böhmen. Noch hatte man nicht vergessen , wie vor zwey Jahren Friedrich ſelbſt die Hauptstadt bedroht hatte , und Alles mußte daher jest schleunigst gerhan werden , einem ähnlichen oder noch ungünstigeren Ereignisse zuvorzukommen. Der Prinz Karl von Loths ringen , der die Macht der Franzosen bis in das Unterelsaß siegreich vor sich hergetrieben, ward, wie der General Bathiany aus Bayern, zur Deckung Bihmens zurückgerufen. Noch einmal , wie in jener uns glücklichen Lage nach Karl des VI . Tod, wendete sich Maria Theresia an ihre getreuen Ungarn. Ihr mit Gut und Blut beyzustehen , verhießen die Abgeord neten dieser Nation. Vierzigtausend reguláre Truppen wurden sogleich der Königin verwilligt , und ein Aufgebot für 30,000 unregulåre erlassen. Von allen Seiten griff das Volk freywillig zu den Waffen , und bald standen der östreichischen Regierung 100,000 Ungarn zu Gebot. Noch mehr geschah. England und Sachsen verhießen dem wiener Cabinette thätige Unterstügung ; das erstere verdoppelte seine Subjic dien , und das leßtere stellte 22,000 Streiter. Nur schwach durch die in Unthätigkeit verfunkenen Frans zofen verfolgt , zog sich Prinz Karl in Bålde gegen die Preußen heran , denen jezt von allen Seiten Gefahren und Untergang droheten. ,,Durch die Eroberung Prags," fagt Friedrich,
175 war der Feldzug auf eine glänzende Art eröffnet worden; die Wahl zwischen zwey Unternehmungen zeigte sich jeßt für das preußische Heer. Die eine, welche der König vorzog , bestand darin : über die Beraun zu gehen , Herrn von Bathiany aus Böhmen zu vertreiben , sich der Stadt Pilsen und des daselbst für des Prinzen von Lothringen Kriegheer aufgehäuf ten ansehnlichen Kornvorraths zu bemächtigen , und dann bis zu den Påssen bey Cham und Fürt vorzudringen, wo den Östreichern von der Oberpfalz her der Eintrit in Böhmen offen stand. Freylich hätte der Prinz von Lothringen auf Eger gehen können, wo die Sachsen zu ihm gestoßen seyn würden , und er fonnte dann, den Egerfluß entlang , den Weg nehmen, den (1742) der Marschall von Belleisle bey seinem Rückzuge von Prag einschlug. Aber wo wåren denn die Lebensmittel für diese Armee hergekommen ? Das Fürstenthum Bayreuth war zu unfruchtbar, um etwas Refern zu können. und überdem , wer würde als. dann Östreich vertheidigt haben , welches Herr von. Marwih ganz allein , da er keinen Widerßand vor fich fand, håtte erobern können ? Ohne Widerrede war dies also der Plan , den man hätte ausführen müffen. Allein der Kaiser, der König von Frank reich , und vorzüglich der Marschall von Belleisle, bestanden darauf, daß die Preußen ihren Weg nach der Seite von Tabor , Budweis und Neuhaus rich ten müßten, um dadurch eine Verbindung mit Bayern zu erhalten , und dem Prinzen von Lothringen Beforgnisse in Ansehung Östreichs zu erregen. Der Marschall von Belleisle behauptete : daß einzig und allein, weil man unterlassen, diese Posten zu besehen,
176 alles unglück entsprungen sey , welches die Franzosen und Bayern im Jahre 1741 betroffen habe. Aber, was bey gewiſſen Umſtånden gut ist, ist das bey an= deren eben so vortheilhaft ? Ohne Zweifel waren dieſe Poften im Jahre 1741 den Verbündeten nothwendig, weil dieselben damals noch Bayern und selbst Oberöftreich besaßen ; allein jeßt , im Jahre 1744 , befan= den sich in diesen Låndern blos Öftreicher. Außerdem verschaffte man dem Feinde leichtes Spiel, indem man eine Spise so weit hinausrückte, wodurch die Armee des preußischen Königs von ihren Gränzen entfernt ward, so daß die Sachsen sich ungehindert entweder mit dem Prinzen von Lothringen vereinigen oder gar selbst etwas gegen Prag unternehmen konn ten. Die klugfte Masregel wäre gewesen , sich nicht zu weit von Prag zu entfernen ; in dieser Hauptstadt fowol , als in Pardubiz und anderen Städten , Le= bensmittel für die Truppen zusammen zu bringen, und dann des Feindes Ankunft ruhig entgegen zu sehen. Der König zeigte in diesem Augenblick zu viel Schwäche ; aus Nachgiebigkeit gegen seine Bundesgenossen bequemte er sich zu ſehr nach ihren Meinungen ; auch fürchtete er den Vorwurf, wenn er sein Heer in Prag unbeweglich halte , als ob er auf nichts anderes bedacht sey , als sich der drey ihm versproche nen Kreiſe zu versichern. Er unternahm alſo dieſen unglücklichen Kriegzug , bey deffen Ausführung nicht weniger Fehler begangen wurden." Nachdem in Prag Karl dem VII. der Eid der Treue geleistet worden , rückten die Preußen , mit Zurücklaffung von nur 6 Bataillonen in jener Feste, weiter in Böhmen vor. Der ihren Vortrab führende
177 General Naffaut nahm , ohne bedeutenden Widerstand zu finden , Tabor , Budweis und Frauenberg , und das Hauptheer verschanzte sich nun bey der ersteren Stadt nach altrömischer Weise. Doch bald zeigte es sich, in welche ungünstige Lage man gekommen war. Ungestört hatten die Franzosen den Prinzen Karl nach Teutschland zurückkehren lassen, und ihrem Plane schien es zu entsprechen , alle Mühseligkeiten und Gefahren des Kriegs allein auf den König von Preußen zu wälzen. So war es denn gekommen, daß die östreichische Armee in Böhmen der des Königs zuerst der Zahl nach gleich , dann ihr sogar überlegen war , besonders an leichten Truppen. Diese leg. teren," sagt Friedrich, hielten dergestalt die Zugänge beseßt , daß sie alle Lieferungen auffingen, welche das platte Land machen wollte, und alle Verbindungen abschnitten , welche die preußische Armee unterhalten wollte , so daß dieselbe vier ganze Wochen lang keine Nachricht erhielt , weder wie es in Prag stand , noch was in dem übrigen Europa vorging. 3wen für den König bestimmte Felleisen wur den aufgehoben ; und er erfuhr daher nichts , weder von dem Marsche der Sachsen , noch auch von dem Orte, wo sich die Armee des Prinzen von Lothringen aufhalten mochte. Es muß befremdend scheinen, daß ein so starkes Heer, wie das preußische, nicht das platte Land in Unterwürfigkeit zu erhalten , und es zu den nöthigen Lieferungen zu zwingen vermochte, auch überhaupt sich mit Lebensmitteln nicht versehen , und nicht Spione in Menge halten konnte, um von der geringsten Bewegung der Feinde unterrichtet zu seyn. Allein man muß bedenken , daß in Böhmen der hohe
178 Adel, die Geistlichkeit , und die Beamten dem Hause Streich sehr zugethan sind ; daß der Unterschied der Religion in diesem eben so dummen, als abergläub schen Volk eine unüberwindliche Abneigung gegen die Preuß sen einflößte, und daß endlich der Hofden Bauern , die alle Leibeigene sind , befohlen hatte, ihre Hütten bey Annäherung der Preußen zu verlassen , ihr Getreide zu vergraben , und sich in die benachbarten Waldungen zu flüchten , wobey ihnen eine Ersehung alles Schadens war versprochen worden, den sie von preuffischer Seite erleiden möchten. Daher fand die Armee auf ihren Wegen nichts als Wüsteneyen und leere Dörfer ; Niemand brachte Lebensmittel zum Verkauf in's Lager , und der gemeine Mann , der die äusserst strengen Strafen der Östreicher fürchtete, ließ sich durch kein Geld bewegen, Nachrichten mit. zutheilen, die man in Ansehung der Feinde von ihm begehrte. Diese mißliche Lage vermehrte sich noch durch ein Corps von 10,000 Husaren, welches die Östreicher aus Ungarn hatten kommen lassen , und welches der Armee völlig alle Verbindung abschnitt, zumal in einem Reiche, daß nur aus Moråsten , Waldern , Felsen , und aus allen in einem Lande nur möglichen Defileen, besteht. Diese überlegenheit an leichten Truppen gewährte dem Feinde den Vortheil, Alles zu erfahren , was im Lager des Königs vorging ; indeß die Preußen es nicht wagten, Reuter auf Kundschaft auszuschicken , wenn sie anders , wegen der Stärke der feindlichen Rekognofcirer , sie nicht selbst für verloren geben wollten. So war demnach die Ars mee des Königs, die stets nach römischer Art verschanzť stand, aufden Umkreis ihres Lagers eingeschränkt."
179 Ben all' dem riſſen nun noch Mangel an Lebens, mitteln und Krankheiten unter den Truppen ein, und um nicht Schlesien der Gefahr auszuſeßen , von den Feinden überschwemmt zu werden , entschloß sich Friedrich zum Rückzug aus Böhmen , den er auch, immer verfolgt von den Östreichern , und unter ab wechselnden Gefechten , über Königsgråß , Jaromirs und Trautenau , vollführte. Zwey Corps aber, von dem Hauptheere getrennt, schienen ohne Rettung verlore ; jenes des Grafen von Nassau , und die prager Bejaßung. Die leßtere, unter dem ungeschickten Einsiedel , dankte ihre Ret tung bios der eigenen Tapferkeit und dem Talente der Unterbefehlhaber. Gegen Klima, Mangel, Vep rath der Wegweiser und seindliche übermacht zugleich fåmpfend , gelangte dennoch das heldenmüthige Häuf lein , nach einem Marsche von 20 Tagen voll Müh. seligkeiten und Gefahren , zum preußischen Hauptheer. Auch Nassau rettete sich. Mit großer Geschick. lichkeit bewirkte er, hinter des Feindes Flügel her, und begünstigt durch die schönen Bewegungen des Königs ) , feinen Rückzug , welcher , das Meisterhafte desselben erkennend und sein Verdienst beloh. nend , dem braven Generale den von ihm selbst ge tragenen Adlerorden umhängte. So hatte sich der Feldzug mit der gänzlichen Wiedereroberung Böhmens durch die Östreicher geendigt.
* ,,Friedrich zog das abgeschnittene nassau❜fche Corps durch die kühne und geschickte Bewegung an sich , welche er gegen Chlumeh machte , wo er dicht an der feindlichen Armee Posto faßte." (ô Cahill.)
180 Urtheilen wir aber nicht nach dem Erfolge. ,,Nichts war beffer entworfen ," sagt 6 Cahill , als der Operationplan Friedrich's zu diesem Feldzuge.... Wegen allen diesen Thaten , welche ganz klar die große Thätigkeit und Gegenwart des Geistes zeigen, verdient der König , troß des Mißlingens seines Plans, um so mehr ein gerechtes Lob , welches ihm auch die späteste Nachwelt gewiß nicht versagen wird, noch kann , als der Feind ihn von Schlesien ganz ab= zuschneiden vormocht, wenn Palfy beffer manduvrirt, und Prinz Karl den schönen Plan des großen Traun des ausgezeichneßten damaligen Generals - beffer befolgt hatte." Friedrich selbst sagt : Kein General beging wol mehr Fehler , als der König in diesem Feldzuge.” Ferner , nachdem er , streng urtheilend , dieselben hergezählt: Der ganze Vortheil dieses Feldzugs war auf Seiten Östreichs. Herr von Traun spielte in demselben die Rolle des Sertorius , der König die des Pompejus. Des Herrn von Traun Benehmen ist ein vollkommenes Muster , welches jeder Krieger, der seine Kunst liebt , studiren muß , um es nachzuahmen , wenn er dazu die Fähigkeiten besißt. Der König hat selbst gestanden , daß er diesen Feldzug für seine Schule in Absicht der Kriegkunſt , und Herrn von Traun für ſeinen Lehrer angesehen habe. Das Glück hat oft für Fürsten weit traurigere Folgen, als die Widerwärtigkeit ; das erstere macht sie trunken von Eigendünfel , die lehtere ſchafft ihnen Vorsicht und Bescheidenheit.“ . Unter abwechselnden Kämpfen verflossen die nächsten Monate. Die auf verschiedenen Seiten in
181 Schlesien eingedrungenen Östreicher wurden überall von den Preußen mit bedeutendem Verlusie zurúď. getrieben. Der König , den Regierunggeschäfte måh rend des Winters nach Berlin gerufen hatten , langte in der zweyten Hälfte des Monats März wieder in Schlesien bey dem Heere an. In allen Richtungen rückten jezt die Truppen Maria Thereſia's und ihrer Verbündeten heran. Oberschlesien ward bald `von ihnen überschwemmt , und die Festung Kosel mittelft Berrath genommen. Ein mächtiges Heer von Östreichern und Sachsen bildete sich, unter dem Prinzen von Lothringen und dem Herzoge von Sachsen ፡ Weif fenfels , bey Königgråß , während man durch ManiFeste und Aufrufe das schlesische Volk für die Königin von Ungarn zu gewinnen und zu empören suchte. Noch mehr geschah. Sachsen , von dessen Truppen nunmehr sogar ein Einfall in Brandenburg zu bes fürchten stand , erneuerte den Vertrag mit Östreich, und schloß auch , den 18ten May 1745 , zu Leipzig mit demselben den sogenannten eventuellen Par tagetraftat , dessen Zweck fein anderer war , als Genugthuung für das Vergangene und Sicherheit . für die Zukunft sich zu verschaffen , und endlich dem Könige von Preußen nicht blos Schlesien , sondern auch das Herzogthum Magdeburg , den Saalkreis, feine Besitzungen in der Lausiß und verschiedene an. dere Theile seines Staats zu entreißen . Die Ges fahr Friedrich's vergrößernd , wurden die Franzo. fen und Bayern von ihren Gegnern wieder zurückgedrångt , und der Churfürst der leßteren Sohn des mittlerweile verstorbenen Kaisers Karl des VII . schloß mit Maria Theresia Frieden. 3 Friedrich d. Einz. 1.
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Doch, was dem Könige an materieller Macht abging , das erseßte ihm in desto höherem Maße sein. großes Genie. Dieser Feldzug war es , in welchem er dasselbe eigentlich zu entwickeln begann , und bald werden wir, seine glänzenden Thaten zu bewundern, vielfache Ursache haben. Durch die kleinen Kämpfe war das preußische Heer geübt worden. Alle Theile desselben hatten + sich bey dem Feinde selbst mehr Achtung verschafft. Sogar die Cavallerie , sonst keinen einzigen kräftigen Angriff der östreichischen Reiterey auszuhalten ver mögend , trieb jetzt nicht selten eine doppelt so starke Zahl Ungarn vor sich her. Erkennend , daß er, troß der Trefflichkeit seiner Armee, nicht vermöge , Schlesien vertheidigungweiſe zu behaupten , entschloß sich Friedrich , eine Haupt. schlacht zu wagen , und sich so an der Spise aller seiner Truppen unvermuthet auf der Feinde vereinigtes Heer zu stürzen . In den ersten Tagen des Juny näherten sich die beiderseitigen Armeen der Gegend von Schweidnią . Die Zahl der vereinigten Östreicher und Sachsen wird ·zu 90 - 92,000 , jene der Preußen nur zu 70,000 berechnet . Mit Klugheit wußte der König , besonders durch die einem auf beiden Seiten dienenden Spione gegebenen falschen Nachrichten , seine Feinde in dem Wahne zu beſtårkén , er denke nicht auf einen entscheidenden Kampf, sondern blos auf den Rückzug . Daher kam es denn , daß, während die Preußen sich in Stille thätigst zum Kampfe rüsteten , eine sträfliche Ruhe in dem Lager ihrer Feinde herrschte. Auf den Vorposten beobachtete der König die
183 Bewegungen seiner Gegner (den 3ten Juny). Er fah, wie sie, in 8 großen, sich schlängelnden Colonnen, von den Höhen in die Ebene herabkamen. Der Bo= den ve barg ihnen die Stellung und Stärke der an= scheinend auf dem Rückzuge sich befindenden Preußen. Aber schnell entwickelte sich in dem Könige der Plan zur Schlacht. Sogleich erhielten die Truppen Be= fehl, vorzurücken ; um 8 Uhr des Abends seßten sie sich in Marsch, und nach Mitternacht langten sie an den Brücken bey Striegau an , wo Friedrich die Schlachtlinie nach den feindlichen Wachtfeuern bildete. Den 4ten Juny , um 2 Uhr des Morgens , verfammelt er die Generale und Staboffiziere um sich, und ertheilt ihnen seine Befehle zur Schlacht. Den nåmlichen Zweck hatte er, wie 50 Jahre später Napo= leon bey Millesimo - die Trennung, und einzelne Vernichtung der feindlichen Massen . Die Armee sent sich sogleich in Marsch rechts ," verordnete er , in zwey Treffen ; sie geht über das Striegauer Waffer. Die Reiterey stellt sich in Schlachtordnung , dem linfen Flügel der Feinde gerade gegenüber, an der Seite von Pilgrimshain ; Du Moulin's Corps deckt ihren rechten Flügel ; der rechte Flügel der Infanterie stellt sich an den linken der Reiterey, gerade den Ge. büschen bey Ronstock gegenüber ; die Reiteren des lin= fen Flügels lehnt sich an den Bach bey Striegau und behält in der Ferne diese Stadt im Rücken. Zehn Dragoner und zwanzig Husarenfchwadronen machen. die Reserve , und stellen sich hinter die Mitte des zweyten Treffens, um dort , wo man sie nöthig haben wird , gebraucht zu werden ; hinter jeden Flügel der Reiterey stellt sich ein Regiment Husaren im dritten 3*
184 Treffen , um da , wo das Terrain ſich ausbreitet, den Rücken und die Seiten der Cavallerie zu decken, oder um bey'm Nachseßen zu dienen. Die Reiterey fällt den Feind ungestüm mit dem Degen in der Faust an ; sie macht in der Hiße des Gefechts keine Gefangene, und richtet ihre Hiebe alle nach dem Gesicht; nachdem fie die Cavallerie, gegen welche sie ihren Angriff ge= richtet , geworfen und zerstreut hat , kehret sie dann gegen das feindliche Fußvolk zurück , und nimmt es entweder in die Seite oder den Rücken , nachdem die Gelegenheit seyn wird. Die preußische Infanterie rückt mit großen Schritten gegen den Feind an ; wenn die Umstände es nur einigermaßen erlauben , dringt fie mit aufgepflanztem Bajonnet auf denselben ein ; muß gefeuert werden , so thut he dies nur in einer Entfernung von 150 Schritten. Wenn die Generale auf den Flügeln oder vor der Fronte des Feindes ir= gend ein Dorf- finden , welches derselbe nicht besetzt haben sollte, so nehmen sie es ein, und umstellen es von außen mit Infanterie , um sich desselben , wenn die Umſtånde es gestatten , zu bedienen , dem Feinde in die Seite zu fallen ; aber sie müssen keine Truppen weder in die Häuser , noch in die Gärten legen , damit nichts sie aufhalte oder hindere, den überwundenen nachzusehen. “ Jeder eilt auf seinen Posten zurück , und gegen 3 Uhr (des Morgens) seht sich das Heer wieder in Marsch. Der General Du Moulin war der erste, welcher auf den Feind stieß ; es war der Vortrab der Sachsen , die Striegau nehmen sollten. Rasch schwenkte sich der preuß. General rechts , und sogleich ließ der König auf einer diese Gegend beherrschenden
185 Anhöhe , dem Topasberge , eine Batterie von sechs Vierundzwanzigpfündern errichten. Du Moulin, der durch seine Schwenkung die Feinde überflügelte, hatte dieselben, sobald er sie ansichtig geworden , mit Kanonenfeuer begrüßt. Erschrocken , in seiner Erwartung , die Preußen blos verfolgen zu dürfen , sich getäuscht zu sehen , rief der Sachsen Vortrab die úbrigen Corps zu schleuniger Hilfe. Aber so groß war die Nachläßigkeit der Verbündeten gewesen , daß sie nicht einmal das Terrain untersucht hatten, welches Nur mit Mühe passirten sie durchziehen sollten. fie eine Schlucht , und ein Theil ihres Geſchüßes blieb im Moraste stecken. Während sie sich nun unter dem mörderischen Feuer der Batterie vom Topa berge mußt es geschehen - zu ordnen suchten , stürzt sich die preußische Cavallerie dieses Flügels auf die sichsische , und wirft sie. Auf das jest entblöste Fußvolk des Herzogs von Weißenfels hauen nun die mit Nationalhaß und Wuth gegen die Sachsen erfüllten Preußen ein ; ein großer Theil von ihnen wird nie. dergehauen. Vergebens segten sich ihre Regimenter noch verschiedene Male von Neuem ; bald von der Infanterie, bald von der Cavallerie , in der Fronte und von der Seite abwechselnd angefallen , weichen ſie, hier dem Bajonnet , dort dem Säbel ihrer Gegner. Sie ergreifen endlich die Flucht, und lassen all' ihre Regimentstücke zurück. Schen waren die Sachsen völlig geschlagen, und noch ruhete gänzlich der Kampf mit den ÖstreiZu Hausdorf, feinem Hauptquartiere , hörte ver Prinz Karl den Donner des Geſchüßes aus der Gegend von Striegau herüber tonen . Sorglos
186 äußerte er sich es würden die Sachsen seyn , die jenen Ort nähmen. Doch bald erhielt er die unerwartete Nachricht , diese befanden sich schon auf der Flucht. Jeht erst kleidete er sich an , und ertheilte Befehl zum Aufbruch. In Kurzem begann das Gefecht. Sonne und Wind waren den Östreichern ents gegen. Mit aufgepflanztem Bajonnet griff die preus fische Garde die Grenadiere ihrer Gegner an . Mörderisch war der Kampf ; doch die Östreicher mußten weichen. Mit Tapferkeit und Klugheit indessen vertheidigten sie sich auf dem durchschnittenen , ihnen günstigen Boden, und wichen nur Schritt vor Schritt. Da machte der König eine Wendung mit dem rechten Flügel, ähnlich jener , durch welche er den Sieg bey Chotusih entschieden hatte. über Moräfte und Grá ben sehten die Preußen , die feindliche Flanke zu erreichen. Unterstüßt durch die, von der Verfolgung der Sachsen zurückkommende Reiteren des äußersten rechten Flügels , bringen sie endlich die Östreicher, nach sechs wiederholten , blutigen Angriffen , zum Weichen. - Nur die eine Brigade des Generals Thúngen , aus den besten feindlichen Regimentern bestehend , leistet noch unerschütterlich Widerstand, während rechts und links die übrigen Divisionen weichen. Mörderisch müthet ihr Feuer in den Reihen der Preußen , und schon bemerkt man , daß nicht mehr mit dem gewöhnlichen Muth ihre Bataillone Jest sprengen die 10 Schwa zum Angriff eilen. dronen der bayreuth'schen Dragoner aus den sich offnenden Reihen des Fußvolks hervor. Vergebens versuchen die 7 Regimenter (21 Batallione) des Genes rals Thungen , der Kern des östreichischen Heeres,
187 Widerstand zu leisten ; sie werden umringt , und ent weder niedergehauen , oder gefangen genommen . Gegen 2000 Gefangene , alle Kanonen der Bri gade, und 66 Fahnen , waren so die Trophäen des einzigen bayreuth'schen Dragoner-Regiments . ThinGeßler, gen selbst befand sich unter den Todten. Schwerin und Chasot führten die Helden an , welche diese Helden, nicht besiegen , sondern vernichteten. Eben so glücklich focht der preußische linke Flú gel. Zwar war im Anfange des Treffens , als erst 10 Schwadronen , unter General Kiau , über die Brücke des ftriegauer Baches gesezt , diese Brücke gebrochen. Aber die Entschloffenheit des preußischen Befehlhabers , die Tapferkeit seiner Truppen , und endlich das ſpåte und unordentliche Heranrücken der öftreichischen Reiterey *) , verschaffte den übrigen Regimentern Zeit , über das Wasser zu sehen , und fich jenseits zu ordnen . In der Flanke durch das Fußvolk unter Polenz beschoffen , und sechsmal nach einander durch den diesen Flügel befehligenden General
*) Nach den Geſtåndnissen eines dftreich is schen Veteran's hatte das Treffen schon zwey Stunden lang gedauert , als die Cavallerie des Prinzen Karl erst den Befehl zum Aufbruch ers hielt. Auf dem Heranzuge verhinderten die nicht beachteten und noch weniger untersuchten Moråſte und Gråben das schnelle Vorrücken . Viele Schwa: dronen blieben schon auf dem Hinmarsche stecken ; andere konnten nur einzeln und auf Nebenwegen an den Ort ihrer Bestimmung gelangen ; übers haupt aber kam die Reiterey viel zu spåt , und nicht in der besten Ordnung an den Feind.
188 Naſſau mit Cavallerie angegriffen , wurden auch hier Die Truppen Maria Theresia's bestegt. Auf allen Seiten wich jetzt der Feind. Es war 9 Uhr des Morgens (4ten Juny) ; 5 Stunden lang hatte der Kampf gedauert. In drey Haufen eilten die Verbündeten dem Gebirge zu , gedeckt durch die zu ihrem Glück erschienenen Generale Nadaldy und Wallis, begünstigt durch das durchschnittene Terrain, und nicht lebhaft verfolgt durch die zu sehr ermüdeten Truppen des Königs. Diese Schlacht ," sagt Friedrich, war die dritte, welche geliefert ward, um zu entscheiden, wem Schlesien angehöre ; und es war nicht die lehte." „ Wenn die Fürsten um Provinzen ſpielen ;" fährt er, nur allzuwahr , fort , so find die Unterthanen die Spielmarken , welche sie bezahlen. " Der Verlust der Verbündeten (Östreicher und Sachsen) betrug gegen 4000 Todte , 7136 Gefangene *) (worunter 4 Generale und faſt 200 Offiziere) , 60 Kanonen , 76 Fahnen und 7 Standarten ; jener der Preußen blos 968 und 3775 Verwundete **) .. Von den 64 Bataillonen der lehteren waren nur 27 in das Feuer gekommen , und kein Corps war zum Weichen gebracht worden. Die Combinationen Friedrich's zur Schlacht bey Hohenfriedberg oder Striegau waren ohne Widerrede sehr geschickt. Er verdient das größte Lob
*) Nach der Histoire de mon temps, Cate ó Cahill gibt die Zahl der Todten , Veißten und Vers wundeten zu 9000 an. **) Friedrich , in der Geschichte seiner Zeit , ſpricht blos von kaum 1800 Todten und Verwundeten.
189 wegen der Wahl seiner Stellung , um die feindliche Armee bey'm Ausgang aus den engen Gebirgpåſſen zu erwarten *). Nirgends zeigt uns die Verwendung der Truppen eine genauere Befolgung der Prinzipien. Wäre das System der großen militári schen Operationen auf gleicher Höhe mit dem Schlacht, systeme Friedrich's gewesen der Kampf bey Friedberg gehört zu seinen schönsten kriegerischen Thas ten - so war das östreichische Heer gänzlich vernich tet. In jener Zeit aber kannte man noch nicht eine folche Benützung des Siegs , wie die war , welche Napoleon in Anwendung brachte , und noch verfannte man den unermeßlichen Vortheil, welche die lebhafte Verfolgung einer geschlagenen Armee bringt **) . Doch ist auch zu bemerken , daß Friedrich's Truppen sowol durch den Marsch während der ganzen Dauer der Nacht, als auch durch den, zwar nicht besonders lange dauernden , aber , wie der König selbst fagt, aus einer ununterbrochenen Folge von Anstrengungen *) Wie hier Friedrich , so lockte Napoleon, ebenfalls unter dem Scheine eines Rückzugs, die verbündeten Oestreicher und Ruſſen von den Ana höhen Pragens berab in die Fläche bey Austeri lig , und wie wichtig dies war , ist unter andern aus einem Artikel des Moniteur von jener Zeit zu ersehen, der aus dem franzöſiſchen Hauptquar= tiere Braunau (28ten März 1806) datixt iſt , und angeblich, van einem franzöſiſchen Offizier (wahr. scheinlich auf Befehl des Kaiſers verfaßt) herrüh› ren soll. **) HISTOIRE critique et militaire des guerres de FREDERIC II , comparées au système moderne, etc. par le Lieutenant - général Jomini.
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diesmal bestandenen Kampf, ermüdet, und dadurch wahrscheinlich nicht im Stande waren , ein neues Treffen mit den eben frisch anlangenden Truppen von Nadasdy und Wallis zu eröffnen , und dann , nachdem zuvor noch Batterien auf den Anhöhen hätten erstürmt werden müſſen , die zwar besiegten , aber nicht aufgelösten, Corps der Gegner auf befchwerlichen Wegen , über Gebirge , zu verfolgen. Dabey endlich ist wol zu berücksichtigen , daß die Munition erschöpft war , und überdies die Lebensmittel von Schweidniß zum Heere gebracht werden mußten. Als der König , feine Feinde verfolgend , zu Landshut eintraf, ward er von einem Haufen von 2000 Bauern umringt , die ihn um Erlaubniß baten, alles , was in dieser Gegend von Katholiken sey, er morden zu dürfen. Diese Erbitterung entsprang aus den harten Verfolgungen , welche die Protestanten von den Geistlichen während der östreichischen Herr schaft hatten erdulden müssen , wo man den Luthera nern die Kirchen genommen hatte , um sie den fgthoDer König war weit lischen Priestern zu geben. davon entfernt, ihnen eine so grausame Erlaubniß au gestatten. Er sagte ihnen im Gegentheile , fie müßten sich vielmehr nach den Geboten der heiligen Schrift richten , müßten ihre Beleidiger segnen und für ihre Verfolger beten , um das Himmelreich zu ererben. Die Bauern antworteten , er habe Recht, und standen von ihrem grausamen Gesuche ab. Noch schwärmten die ungarischen leichten Truppen in Oberschlesien herum , und spielten dort den Meister. Da dem Könige von Preußen daran lag, auch diesen Theit von dem Feinde zu reinigen , so ließ
191 er den General Naſſau mit einem Corps von 12,000 Mann dahin abgehen. Dieser geſchichte und rapfere Krieger eroberte am 6ten September die Festung Cosel wieder , und trieb den ganzen Haufen von Ungarn, Croaten und Sklavoniern nach Mähren zurück. über Friedland rückte nunmehr der König in Böhmen ein , und nahm ein Lager bey Kralowelhota. Prinz Karl hatte das feinige hinter Königsgråß , an dem Ufer der Adler , genommen , und zwar so vortheilhaft , daß er jene Stadt im Angesicht , und im Rücken und auf den Seiten Gehölze , Moråßte und So standen sich beide Feldherren Berge behielt. eine Zeitlang gegenüber, ohne daß etwas merkwür diges vorfiel. Die Friedenunterhandlungen , welche um diese Zeit Großbritannien zwischen Östreich und Preußen zu betreiben anfing , scheinen mit Ursache dieses ruhigen Benehmens beider Heere gewesen zu seyn. In der letten Hälfte des July 1745 verließ der König sein Lager, seßte über die Elbe , und lagerte ſich von Neuem bey Chlom , ſo daß er nur 2 Stunden von seinem Gegner entfernt war. Dieſer Nähe ungeachtet kam es dennoch zu keiner Schlacht. Prinz Karl befolgte seinen alten Plan ; er ließ den König durch seine leichten Völker beunruhigen , die er in großer Anzahl besaß , und ihm die Zufuhr erschweren. Dadurch hoffte er ihn ohne Schwertstreich abermals aus Böhmen zu vertreiben. Nachdem er ansehnliche Verstärkungen an sich gezogen hatte , fezte er über die Adler, und nahm bey Aujest ein vortheilhaftes Lager. Der König that ein Gleiches bey Jaromirs. Lehterer hatte, weil er zur Beschügung seiner
192 Länder nach allen Seiten Truppen senden mußte, sein Heer in Böhmien so sehr vermindert , daß es kaum noch 20,000 Köpfe ſtark war. › In Schleſien ſtand der General von Nassau , und an den Gränzen von Sachsen der Fürst von Anhalt-Dessau , mit ansehn lichen Corps. Auch mußte er , um den Rücken der böhmischen Armee und die für sie bestimmte Zufuhr zu decken , beständig starke Detaschements bereit halten. Dadurch schmolz seine Armee sehr zusammen. Zwar hatten die Sachsen das Heer des Prinzen ver lassen , um ihr Vaterland zu schüßen ; aber ersteres Blieb darum doch um mehr als die Hälfte dem preußi, schen überlegen. Der König blieb bis zur lezten Hälfte des Sep. tember in dem Lager bey Jaromirs ; da aber ein allgemeiner Mangel an Lebensmitteln einriß , die schlecht zu werden anfingen , und fein haltbarer Ort in seinen Hånden war , so brach er auf, und ging nach Studeneß , wo er von Neuem ein Lager bezog. Prinz Karl folgte ihm , und lagerte sich , kaum einen. Marsch von ihm , bey Königshof. Er hatte einen Anschlag auf das Heer des Königs , den er ſchleunigst auszuführen suchte, und von dem ihm alle Umstände einen glücklichen Ausgang versprachen. Die Armee des Königs hatte bey ihrer Schwäche noch eine un. bequeme Stellung hinter Anhöhen und Wäldern, die den Gegner vor ihr verbargen ; fie mußte um jedes Mittagsmahl mit ihm kämpfen , und deshalb ihre Macht in kleine Haufen vertheilen ; ein Gewimmel von leichten Truppen , die bald hier , bald dort die Vorpoften neckten und angriffen , schwärmte beständig um ſie her, forschte sie aus ; hielt sie aber ab, den Gegner
193 Alle diese Umstände brachten den auszuforschen. Prinzen auf den Entschluß , die widrige Lage des Kö nigs zu benüßen, und ihn ohne Auſſchub anzugreifen. Er brach also den 29ten September auf, und ließ sein Lager ſammt seinem ganzen Gepäcke ſiehen. Unter Begünstigung der vor ihm liegenden Wälder und Anhöhen , und der hereinb.echenden Nahr , zog er gegen das preußische Lager heran , beseßte die Anhöhen, welche es beherrschten , dehnte seinen linken Flügel bie hinter Burkersdorf, und seinen rechten bis an Teutsch-Prausnih aus , deckte beide mit starken Batterien von Kanonen und Haubißen , und pflanzte långs feiner ganzen Fronte eine große Menge von Feldstücken auf. Eine furchtbare Stellung für das preußische Heer ! Es mußte , wenn es sich vertheidigen wollte , unter des Feindes Kanonen und unter dem Feuer feines linken Flügels , das ein Theil feines Mittelpunkts noch verheerender machte , here vortreten und sich in Ordnung stellen. Zudem waren Nadasdy und Trenk beordert , dem König in den Rücken zu fallen ; Desoffy sollte ihn in der Seite an greifen , und Frankini war abgesandt , den Weg nach Schazlar zu verhauen , und den Preußen dadurch Unterstützung und Rückzug abzuschneiden . Der König erfuhr schon den 29ten früh durch einen Überläufer , daß Prinz Karl sein Heer in Bewegung fehte. Er schickte einen Haufen Reiter und Fußvolk ab , um ihn zu beobachten ; aber die leichten. Truppen des Feindes hielten alle Aus- und Zugånge stark beseßt, und es war fonach unmöglich, seinen Plan zu erforschen. Gefangene sagten aus , Prinz Karl fey Willens, nach Arnau zu marschiren. Sogleich Friedrich d. Einz, I.
194 ließ der König das Lager abbrechen , um die Folgen dieses Zuges , der ihm den Weg nach Schazlar abge= schnitten , und ihn in eine enge Gegend eingeschlossen hatte , mit Nachdruck abzuwenden. Schon war den 30ten früh Morgens der Befehl zum Abzuge nach Trautenau an alle Befehlhaber ausgetheilt , als die Vorposten dem Könige berichteten , sie sähen öftreichische Reiter und Fußsoldaten auf den Anhöhen vor Teutsch-Prausnig heranrücken. Diese Nachricht be stätigte sich bald darauf, und ward von der zweyten, daß das ganze östreichische Heer in vielen Colonnen herb enziehe , unmittelbar begleitet. Es war 4 Uhr des Morgens. - Der König, eben beschäftigt , die Anordnungen für den Rückzug au diktiren , ließ beym Empfange dieser Nachricht die ganze Armee augenblicklich zu den Waffen greifen, und eilte selbst zu den Vorposter, um sich von der wirklichen Lage der Dinge zu überzeugen. Er sah, wie sich die Streicher in Schlachtordnung zu stellen begannen , und urtheilte , daß es weit gefährlicher seyn würde , sich in Gegenwart einer so nahe vor ihm stehenden Armee durch die Defileen zurückzuziehen, als jenes Heer, ungeachtet seiner eigenen , fo ganz unglaublich geringeren Stärke, anzugreifen. Der Prinz von Lothringen hatte ganz sicher auf den Rüc zug des Königs gerechnet, und nur darnach seine Maaßregeln genommen ; er wollte alsdann mit dem Nachtrupp ein Treffen beginnen , und ohne Zweifel würde ihm dies sehr wol gelungen seyn. Aber der König entschloß sich ohne Bedenken zum Angriff ; denn es war bey weitem ehrenvoller, gänzlich zu Grunde gerichtet zu werden , indem man sein Leben theuer
195 verkaufte , als auf einem Rückzug umzukommen , der ficherlich in eine schimpfliche Flucht ausgeartet wåre. Die Trommeln wirbelten und die Trompeten schmetterten also durch des Königs Lager , und Fußfoldat und Reiter drängten sich , von den feindlichen Haubigen umbrüllt , zur Schlacht. Der rechte Flúgel der Reiterey war der erste zu Pferd , und zog sich rechts. An sie schloß sich der Fußsoldat , und bildete mit ihr einen halben Zirkel , dessen äußerste Rundung gegen den Feind gerichtet war, um ihm die Seite nicht. blos zu geben. Sobald sie den Ort, der zum Angriff der gelegenste war , erreicht hatte, seßte sich die Reiterey. 15 Schwadronen prellten hervor , über. wanden die Schwierigkeiten des unebenen , durch schnittenen Bodens, sprengten die Anhöhe hinan , die der feindliche Reiter befeht hielt , und warfen ſich auf ihn mit einer Geschwindigkeit und Wuth , daß er, der 25 *) Schwadronen in drey Linien stark war, wankie und wich. Seine erstle Linie ward beym ersten Anfall zerrissen und geworfen. Der preußische Reiter verfolgte sie, und jagte sie in die zweyte Linie ; diefe ward dadurch in Unordnung gebracht und mit fortge riffen , die dritte ebenmäßig , und so sprengte das Ganze in höchster Verwirrung davon. Einige Schra dronen wurden sogar mitten unter das Fußvolk ge trieben , und verursachten dadurch unter demselben eine Verwirrung , die zum glücklichen Ausgange der Schlacht nicht wenig beytrug. Der Heldenmuth der Reiter feuerte die preußi
Nach der Histoire de mon temps 50 Schwaz dronen.
196 schen Fußfoldaten zur Nacheiferung an . Drey Ba taillone Grenadiere bestürmten die große Batterie, die von einem vierfach ſtärkeren Feind beſchüßt wurde, und ein fürchterliches Feuer aus ihren 28 Geſchüß³ ſtücken unterhielt. Sie stürzten heran ; aber ein Hagel von Kartatschen und Flintenkugeln schlug fie zurück ; sie stürzten zum zweytenmal heran , und wur- den abermals zurückgetrieben. Ganze Rotten wurden von den feindlichen Kugem zu Boden geriffen . Unters dessen eilte eine Verstärkung herzu. Plöglich thaten sie den dritten Angriff, und die Batterie war erobert. Nun fielen ſie der ersten Linie des Feindes in die Seite, und jagten seinen ganzen linken -Flügel von der Anhöhe heṛab. Aues dieses that der rechte Flügel des Königs. Den Mittelzug und den linken Flügel feines Heeres hatte er forgfältig geschont , und für den Fall , wenn der rechte Flügel geschlagen würde , haushälterisch aufgespart. Da dies nicht mehr zu besorgen war , fo fehte er auch diese nach und nach in Bewegung. Aber fie fanden einen gefaßten Feind vor sich , der mit ihnen um jede Spanne Erdreich kämpfte. Jedes Gehölz, jede Anhöhe war mit einem doppelt stärkeren Haufen besetzt, und hatten sie diesen vertrieben , so waren sie mitten unter dem Feuer eines frischen Haufens. Doch dies fachte den Muth des Brandenburgers, fart ihn zu unterdrücken , nur desto stärker an. Er reinigte mitten in dem gráßlichsten Ungewitter von Kartätschen und Flintenkugeln jedes Gehölz , jede Anhöhe vom Feinde, stellte sich an seine Statt , und stürzte endlich mit aufgepflanztem Bajonnet in seine Reihen. Sie wurden zerriffen und zum Weigen gebracht.
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um endlich dem Gefechte den Ausschlag zu geben, fprengte der König den linken Flügel seiner Reiterey, nachdem er ihn mit einigen Schwadronen des rech ten verstärkt hatte , gegen den feindlichen Reiter. Aber dieser , der die Seinigen auf allen Seiten ge= schlagen sah, und einen Widerstand nicht für möglich oder für nüßlich hielt, nahm die Flucht , und suchte feine Sicherheit. Statt seiner fand die preußische Reiterey zwey östreichische Infanterie- Regimenter, die im Begriff waren , fich regelmäßig zurückzuziehen. Auf diese stürzte sie sich, warf sie über den Haufen, und nahm ihnen 8 Fahnen und 300 Gefangene ab. Mittlerweile hatten Nadasdy, Desoffy , Trenk und Frankini, statt dem König in den Rücken zu fallen , das Gepack der Preußen geplündert. Als man dem Monarchen meldete , daß auch seine Equipage von ihnen genommen werde , sagte er lächelnd : ,,Da werden sie keine große Meinung von meinem Staate und meiner Pracht bekommen !// Doch ward General Lehwald gegen diese Ungarn abgesendet , die, mit ihrer Beute beladen , schnellen Zuges , wie sie gekommen waren , jeßt entflohen. Somit endigte sich die Schlacht. Der öftreichi sche rechte Flügel war dem linken haufenweise nach gefolgt, welcher schon lange vorher entflohen war ; die preußische Reiterey seßte dem Feind bis zum Dorfe Sorr nach von welchem diese merkwürdige Schlacht den Namen in der Geschichte führt. Die Geißteegegenwart des Königs , die bey der plöhlichen überraschung im Angesicht und unter dem Feuer eines Doppelt stärkeren Feindes , der zur Unternehmung gefaßt war, die kraftigsten und passendsten Maaßregeln
198 su nehmen wußte , und die unerschütterliche Standhaftigkeit des Soldaten , der seine Entwürfe mit Gehorsam und unerschrockenheit unterſtüßte , gewannen diese Schlacht. Der Zufall , welcher oft in dem Kriege Alles entscheidet , hatte bey diesem Siege nichts gethan , und deshalb ist er um so rühmlicher.Gegen 3000 Todte , worunter ungefähr 1000 Preußsen , bedeckten die Wahlstatt. Die Öftreicher hatten außerdem 22 Kanonen , 12 Fahnen und Standarten, und 2000 Gefangene verloren, und zählten über 3000 Verwundete. - Die Preußen hatten den Sieg , anfs fer jenen Todten , mit 2000 Verwundeten , 6 Kanonen und 1 Standarte erkauft. Nebstdem war mit einem Theil ihres Lagers die Kriegkaffe verloren gegangen , welche 80,000 Dukaten enthielt. -- Die Stärke des bey Sorr kämpfenden preußischen Heeres betrug, nach 6 Cahill, ohne die Arrieregarde 19,323 Mann; die Zahl der Östreicher dagegen wird zu ungefähr 40,000 angegeben. Der König außert sich in seiner Geschichte jener Zeit: Der Plan dieser Schlacht , er mag nun vom Prinzen von Lothringen, oder von Frankini , welchem Andere ihn zuschreiben , entworfen seyn , war schön. und richtig gedacht. Die Stellung der Preußen war, ohne Widerrede , schlecht ; und sie sind nicht zu ent» fchuldigen, daß sie nur auf ihre Fronte bedacht waren, und ihren rechten Flügel vernachläßigten, der in einer Ebene ftand, welche von einer nur 1000 Schritte Davon entfernten Anhöhe beherrscht ward. Aber wenn die Öftreicher einen Plan zu entwerfen wußten , fo besaßen sie hingegen nicht die Geschicklichkeit, ihn auszuführen.
199 Diese Schlacht ist ohne Widerrede eine der ruhmvollsten für Friedrich. Blickt man auf den Plan, so wird man sehen , daß die Anordnungen zur Schlacht ungefähr dieselbe ſchråge Richtung bestimm-ten , wie bey Leuthen , und für den rechten Flügel, wie bey Hohenfriedberg , eine Anstellung en échelons (d. i. in kleinen , gleich weit von einander ents fernten Abtheilungen , so daß der rechte Flügel der zweyten, den linken der ersten berührt 2c. , wornach das vordere Treffen sich in das Gefecht einläßt , und, nach Ort und Umſtånden, von den anderen unterſtüßt wird). Er führte seinen verstärkten rechten Flügel gegen den äußersten linken der Gegner , während der eigene linke, ihm vorenthalten , den Rest des feindlichen Heeres im Schach hielt. Die öftreichische Linie, bey ihrer äußersten Seitenspiße angegriffen , wurde nach und nach ganz geschlagen , wie bey Liffa , und der Ort Burkersdorf hatte verhältnißmäßig die nämliche Wichtigkeit , wie Leuthen * ." Wenn gleich Sieger , so zog sich dennoch Friedrich, nach einem fünftägigen Aufenthalt auf dem Schlachtfelde, sowol um sich den Neckereyen der ungarischen Truppen zu entziehen, als auch des Mangels an Lebensmitteln wegen , aus Böhmen nach Schlesien zurück. Der eintretende Winter seßte den Unternehmungen im Feld ein Ziel , und ein tiefer Schnee, der in den Gebirgen gefallen war , hatte die Wege schon längst beschwerlich gemacht. In der Mitte des October kam das preußische Heer nach Schlesien, und ward solchergestalt verlegt, daß die Reiterey in der Ebene von Striegau und Schweid*) Jomini a, a. D.
200 nig , und die Infanterie am Fuße des schlesischen Gebirges das Quartier bezog. Nach vier Wochen verließ der König Schlesien , und ging nach Berlin, wo seine Gegenwart nothwendig geworden war, sowol um die in Stockung gekommenen Unterhandlungen wieder zu beleben , als auch , um für den nächsten Feldzug, falls der Friede nicht zu Stande komme, die nöthigen Gelder auszumitteln . Der Prinz Karl gab sich nun den Schein , als wolle er im Innern von Böhmen und Mähren die Winterquartiere beziehen. Aber er ließ diese Nacricht zu laut und zu geftisfentlich ausstreuen , als daß nicht in Friedrich der Verdacht entstanden seyn ſollte, er ſuche ihn dadurch nur sicher zu machen . Und in der That , das Vorrücken eines beträchtlichen öftreichischen Corps gegen Böhmisch 3 Friesland , das Nachrücken ver Hauptarmee theils auf eben diesem Wege , theils über Zittau ; die Errichtung einiger Magazine in ter Ober- und Niederlausit , und , was vollends am auffallendsten war , das Erscheinen eines öftreichischen Heeres von 10,000 Mann , welches vom alle Rhein her über das Voigtland hereinrückte, diese Umstände lehrten bald, daß es dem Prinzen L Karl um etwas anderes zu thun sen , als um Winterquartiere. Der Plan war, den König von Preußen mit Anfang des Winters auf vier Seiten zugleich anzugreifen. Der Prinz von Lothringen wollte daher mit der Hauptarmee durch die Laufiß nach Sagan und Crossen gehen ; der General Grün war beſtimmt, in Vereinigung mit einem Corps Sachſen in die Churmark einzudringen , und gerade auf die Hauptstadt Berlin loszugehen ; die sächsische Hauptarmee sollte
201 das Heer des Fürsten von Dessau , welches bey Halle stand , entweder einzeln in feinen Quartieren über. fallen , oder zu einem Treffen nöthigen , und die Generale Hohenembs und Keul fellten zu gleicher Zeit aus Böhmen und Mähren in Schlesien einbrechen.In Wahrheit, ein schöner Plan , dem nichts fehlte, als daß er nicht geheim genug gehalten , und nicht schnell genug ausgeführt wurde ! Der schwedische Minister am Hofe zu Dresden, Herr Wolfenstierna , der bey dem sächsischen Minister, Grafen von Brühl , beliebt , und eines von den Mite gliedern der Spielpartie desselben war , entdeckte ben. dieser Gelegenheit bald , was man vorhabe , und theilte seine Entdeckung dem schwediſchen Miniſter am berliner Hofe , Herrn von Rudenskiöld , mit. Beide waren dem Könige von Preußen persönlich ers geben , so wie damals der schwedische Hof überhaupt fest wolwollende Gefinnungen für Preußen hatte. Rudenskiöld trug also kein Bedenken, den König insgeheim von dem Plane zu unterrichten *) , und dieser traf sos gleich die nöthigen Anstalten , um zuvorzukommen. Hierauf eilte der König , den 14ten November, nach Schlesien , Berlin in Bestürzung und die Sach fen voll Hoffnung laffend , während ganz Europa mit Aufmerksamkeit die Entwickelung dieses Winterfeldzugs erwartete , der einen bisher glücklichen Erobe rer retten , oder , was fast wahrscheinlicher schien, ihn vernichten sollte. Mit seiner gewöhnlichen , be wundernswerthen Ruhe und Heiterkeit. speiste unser Held am Abende vor seiner Abreise nochmals mit
* Histoire de mon temps,
202 seiner Mutter , Gemahlin und den übrigen Gliedern der königlichen Familie. Seinen Minister Podewils umarmte er beym Abschied mit den Worten : „ Adieu, wein lieber Graf! Nehme Er Alles wol in Acht, und wenn mir ein Unglück begegnen sollte, so gedenk Er, Die dro daß Er einen guten Freund verliert.“ hende Miene der Russen war es vorzüglich , was Viele eben so muthlos machte, als das , Berlin ſelbſt bedrohende , östreichisch - sächsische Heer. - Um dieſe Hauptstadt zu sichern , war zwar Alles geschehen , was die zu Gebote stehenden Mittel erlaubten ; aber ihre Unbedeutenheit machte , daß man nicht vor dem Unglücke sicher seyn konnte. Daher wurden zugleich Maasregeln ergriffen, um nöthigen Falls die Archive, die öffentlichen Kaffen , die königliche Familie und die Landeskollegien , nach Stettin zu retten. Nachdem Friedrich die Postirungen zur Ar mee gezogen , und die Gebirge, durch die aus Ober schlesien beorderten Truppen des Generals Nassau, hatte besehen lassen , ging er in der größten Geschwindigkeit , eh' es die Gegner im Geringsten vermuthet hatten , den 23ten November 1745 , bey Naumburg über die Queiß , und drang in die Ober Laufig ein , wo die Östreicher bereits drey Tage zuvor eingerückt waren , und sich hierauf in die Cantonirungsquartiere vertheilt hatten. Das erste Gefecht erfolgte bey Hennersdorf , wo die Preußen 4 sächs fische Regimenter über den Haufen warfen , und auf serdem, daß sie eine beträchtliche Zahl von Mannschaft (gegen 1000 ) gefangen nahmen , einen Theil ihrer Kanonen , Fahnen und Standarten eroberten . Die preußische Hauptarmee rückte hierauf ohne allen
203 Aufenthalt gegen Görlig vor ; und nun erfolgte, *was Niemand sich jemals würde vorgestellt haben , die öftreichische Armee, anstatt dem ungleich schwächeren Feinde die Spise zu bieten , gab , nachdem sie sich susammengezogen hatten , Görlig nebst der darin be findlichen sächsischen Garnison von 300 Mann denſelben preis , und zog sich in der größten Eile und Unordnung über Zittau und Gabel in die bihmischen Gebirge zurück. Die Folge war , daß die ganze Lau fig , nebst zwey beträchtlichen Magazinen , in die Hånde der Preußen fiel. Von der Lausig richtete Friedrich feinen Marſch nach Sachsen. Gegen den Churfürften dieses Landes war er, wegen dessen Verbindung mit dem wiener Hofe , besonders heftig erbittert , und er hatte den selben bereits im Auguft den Krieg förmlich erklärt. Nur die bald hierauf geschloffene hannover'sche Convention , und die Hoffnung , der Churfürst werde derselben beytreten , hatten seinen bewaffneten Arm noch zurückgehalten. Noch jest machte er den Verfuch, ihm durch den zu Dresden befindlichen engli schen Gesandten Vielliers einen Frieden auf den Fuß dieser Convention anbieten zu lassen. Allein der über seinen Herrn Alles vermögende Graf von Brühl war zu sehr von dem Schwindel eitler Hoffnungen ergrif fen , als daß ein solcher Antrag Eingang bey ihm håtte finden können . Im Ton einer damals wirklich lächerlichen Zuversicht that er zülcßt die Erklärung, sein Herr, der König von Polen und Churfürst von Sachsen , erwarte ein beträchtliches Hilfcorps , und werde sich den Schaden , den die Preußen in Sachsen anrichteten , wol im Brandenburg'schen zu vergüten
204 wissen. Friedrich sah sich daher genöthigt , den Frieden mit den Waffen in der Hand zu erkämpfen. Der Fürst von Dessau , der bereits den 29ten November in Sachſen eingerückt war , Leipzig beſeßt, und Torgau nebst einem beträchtlichen Mazazin wegs genommen hatte , rückte auf Befehl des Königs bis Meissen herauf, und bemächtigte sich am 12ten Des cember dieser Stadt , wie auch der dort befindlichen Brücke über die Elbe, wodurch er sich die Communikation mit der königlichen Armee verschaffte. Friedrich näherte sich über Königsbrück gleichfalls der Elbe, und der General Lehwald hatte Befehl , mit feinem Corps , welches gleichsam den Vortrab des Königs ausmachte , zu dem Fürsten von Dessau zu stoken. Dadurch suchte man sich gegen einen Angriff von Seite des Prinzen Karl und der Sachſen in hin, längliche Verfassung zu sehen. Nachdem die Vereis nigung glücklich bewirkt war; rückte der Fürst den, zwischen Kesselsdorf und Bennerich verstanzten, Sachsen entgegen , mit dem festen Vorsaße , sie anzugreifen. Auf dem Marsche wurde er zwar von den Sachsen in den engen Wegen vor dem Dorfe Zehren unvermuthet überfallen , und büßte einige Manns schaft nebst einem beträchtlichen Theile des Gepäckes der Offiziere ein . Auch fand er die Feinde bey Kefselsdorf in einer ungemein vortheilhaften , beynah' unbezwinglichen Stellung. Deffen ungeachtet griff er den 15ten December 1745 , Nachmittags gegen 2 Uhr, den linken Flügel , obwol derselbe, wegen der. Vortheile des Terrains und wegen der Menge des Geschüßes , am schwersten zu besiegen war , mit unerschüttertem Muth an. Dieses that er, um sich des
205 Dorfes Kesselsdorf zu bemächtigen , und eben dadurch Meister von der feindlichen Flanke zu werden. Ein mörderisches Feuer von 30 Kanonen und 7 Grena³ \ dier-Bataillons trieb anfänglich die Preußen zweymal zurück. Aber eben dieser glückliche Anfang gereichte dem Feinde zum Verderben. Zu sicher gemacht durch diese Vortheile, rückten die sächsischen und öftreichi, schen Grenadier-Bataillons aus ihrem vortheilhaften Posten hervor , um die Preußen noch weiter zurückzutreiben , vielleicht auch , um ihre Feldstücke zu erbeuten ; diesen Umstand benüßte der Fürst von Deſſau augenblicklich , und seine Dragoner mußten mit verhängtem Zügel auf fie einhauen . Die Sachsen wurden im Rücken überfallen , und die Preußen drangen, mit ihnen untermengt , in das Dorf Kesselsdorf ein, deffen sie sich nach einem entsehlichen Blutbade be mächtigten. Als der linke Flügel der Sachſen in den Rücken und in die Flanken genommen, und völlig ge flagen war , geriethen auch das Centrum und der rechte Flügel , auf welche nun die Preußen ihre An griffe richteten , bald in völlige Unordnung. Auch die Östreicher , von denen außer den in Keffelsdorf postirten Grenadieren feiner in's Treffen gekommen war, zogen sich nun gleichfalls zurück. Auffallend ist es , daß der Prinz von Lothringen an eben demselben Tage mit einem Theile feiner Armee bey Dresden ankam , und nicht einen einzigen Mann abſandte, um die sächsische Armee, in Beziehung auf ein so wich tiges Unternehmen , zu verstärken. Er stellte sich in dem plauischen Grund in Schlachtordnung , und sah dem Treffen von weitem zu. Am folgenden Tage ging er nach der Gränze von Böhmen zurück. 5 Friedrich d. Ging, II.
206 Der Sieg hatte nicht nur den Sachsen , sondern auch dem Könige von Preußen sehr viele Mannschaft gefoftet; aber er verschaffte auch diesem lehteren den Frieden , oder zog ihn wenigstens schneller herbey. Der englische Miniſter Villiers hatte es indeſſen doch dahin gebracht, daß der König von Polen ſich endlich zur Schließung eines Friedens geneigt finden ließ, und seinen Ministern zu Dresden die nöthigen In struktionen und Vollmachten zu senden versprach. Auch Maria Theresia hatte sich inzwischen bereitwillig erklärt , die hannover'ſche Convention unter gewiſſen Einschränkungen anzunehmen. Der preußische Staatminister, Graf von Podewils , mußte ſich daher nach Dresden begeben , um dieses Geschäft zu besorgen. Wirklich langten auch die Vollmachten,für die fächsi ſchen Minister , von Bülow und von Stubenberg , in kurzer Zeit an , worauf sich auch der Graf von Har: rach, als Friedengesandter von Seite Öüreichs , zu Dresden einfand. Mittlerweile war der König in Dresden , an der Spize seines Heeres , eingerückt. Er besuchte die in Furcht schwebende königliche Familie , und erwies ihr alle , ihrem Stande angemessene , Ehre. Sogar die Schloßwache unterwarf er ihren Befehlen. Dem entfernten Churfürsten aber , dem er es nicht verzeihen konnte, daß er Dresden verlassen hatte, ließ er durch den englischen Gesandten erklären : Zum leztenmale biete ich dem Könige von Polen meine Freundschaft an. Ich bin nicht durch mein Glück verblendet , und bleibe bey dem Entſchluſſe, den Frieden dem Kriege vorzuziehen. Aber eher werd' ich mit meiner Armee untergehen , als ich von
207 der hannover'schen Convention abgehe. Nach dieser will ich auch den Frieden mit der Königin von Ungarn unterzeichnen. Wo nicht , ſo werd' ich berechtigt seyn, meine Forderungen zu erhöhen." Die sächsische Nation , wenn gleich von Nationalhaß gegen die Preußen erfüllt , mußte dieselben den noch gewissermaßen als seine Retter betrachten. Denn die Freunde hatten dem Lande mehr Leid zugefügt, als ihm jeßt seine Feinde veranlaßten . Während noch Die von den Östreichern in der Oberlausitz ange;ún= deten Flammen rauchten, und die Bewohner der Ebe nen und Thåler ber Dresden den Verlust ihrer Hab. feligkeiten beweinten , deren sie durch die Truppen des Prinzen Karl beraubt worden waren , befahl der König , den Armen in der eroberten feindlichen Hauptstadt 18 000 Brode auszutheilen , und den gefange= nen Offizieren ließ er einen zweymonatlichen Sold auszahlen, und schenkte ihnen später die Freyheit *). Der König hatte im Auguft mit Großbritan nien die hannover'sche Convention geschlossen, welche die Grundlage des fünftigen Friedens werden sollte. *) FolgenderZug scheint zur Charakteristik jener Zeit zu gehören. Als Churfurst August der UI. in seine Hauptstadt zurückgekehrt war , beklagte er , nicht des Landes Bedrängniß und Noth , sondern den Verlust eines Hirsches von 10 Enden , den ein preußischer Hauptmann erlegt hatte. Da der bes trübte Monarch des Thåters Bestrafung verlangte, so ließ ihn Friedrich vor ein Krieggericht stellen, welches denselben, da er keinen Kriegartikel übertreten , zur Bezahlung des Hirsches verurs theilte. — Sachſen nahm diese Genugthuung an.
208 Die Hauptbedingungen derselben waren folgende : Der König sollte Schlesien nebst Glah auf den Fuß des breslauer Friedens behalten , und dagegen dem Erzherzog Franz , Gemahl der Maria Theresia , bey der bevorstehenden Kaiserwahl seine Stimme geben. Sachsen sollte allen Ansprüchen auf Schlesien entſagen. Großbritannien , als Churfürst von BraunschweigLüneburg , Polen, als Churfürst von Sachsen, Hessenkaffel und Churpfalz , follten in den Frieden mit ein geschlossen seyn . -- Als Maria Theresia sich weigerte, dieser Convention beyzutreten , hörte Großbritannien auf, feine Hilfgelder zu bezahlen , aber dieses hatte so wenig Eindruck auf sie gemacht , daß ſie den Krieg um so eifriger fortseßte, und um so fester sich vornahm , Schlesien zu erobern , und dann dem Könige Geseze vorzuschreiben. Als aber dieser die Schlacht bey Sorr, die ihn ganz aufreiben sollte, so unbezwei= felt gewann; als er das öftreichische Hauptheer , das ihn in seinen eigenen Provinzen aufreiben sollte , mit Verlust zurücktrieb, als er bey Kesselsdorf einen neuen, blutigen Sieg errang , und Dresden in Beſih nahm, so entschloß sich Maria Theresia endlich zum Frieden, und in kurzer Zeit kam er , auf die hannoversche Convention gebaut , den 25ten December 1745 zu Stande. -- Die Beytretung der Königin von Ungarn zu dem hannöver'schen Vertrage war weiter nichts , als eine bloße Erneuerung des breslauer Friedenschlusses. Die Sachsen versprachen , niemals den Feinden des Königs , unter welchem Vorwande es auch seyn möchte , den Durchmarsch durch ihr Land zu gestatten. Der fürstenberger Zoll follte gegen einiges Land pon gleichem Werthe vertauscht
209 werden. Der König von Polen verbürgte die Bezah lung einer Million Kriegsteuer, zu welcher das Churfürstenthum sich anheischig gemacht hatte, und entsagte in dem nämlichen Artikel aller Schadloshaltung der Kriegkosten. Dagegen versprach der König von Preuffen, vom Tage der Unterzeichnung an , alle Kriegs schahungen einzustellen , und seine Truppen ohne Verzug aus Sachsen abzuführen ; Meissen allein ausge. nommen , wo das preußische Feldlazareth war, was auch, bis zur Heilung der Verwundeten , bewilligt wurde. " Auf diese Art endigte fich also dieser zweyte Krieg , welcher in allem 16 Monate gedauert hatte; der von beiden Seiten mit der äußersten Erbitterung geführt ward, in welchem die Sachsen ihren ganzen Haß gegen die Preußen , und ihren Neid über die Vergrößerung dieses benachbarten Staates , blicken ließen ; in welchem die Öftreicher für das Reich und für ihr übergewicht bey den Reichangelegenheiten foch ten, bey welchen sie den zu großen Einfluß der Ruſſen befürchteten, und wo Preußen allen drohenden Ge fahren, denen es ausgeseßt war , durch die Krieg zucht und den Heldenmuth seiner Truppen befiegte. Dieser Krieg bewirkte keine jener großen Staatumwälzungen, welche das Schicksal der Reiche umåndern, sondern er hinderte vielmehr dergleichen Erschütterungen, indem er den Prinzen von Lothringen awang, Elsaß zu verlassen. Der Tod Karl des VII. war eine von den Begebenheiten , welche man nicht voraussehen kann. Er vereitelte den Entwurf, dem neuen Haus Östreich die Kaiſerwürde auf immer zu entreißen. Schäßt man demnach die Sachen, nach
210 ihrem wahren Werthe , so muß man gestehen , daß dieser Krieg in gewiffer Rücksicht ein unnüges Blutvergießen verursachte , und daß eine Reihe von Siegen zu weiter nichts diente , als Preußen in dem Besige von Schlesien zu bestätigen. Betrachten wir aber diesen Krieg in Rücksicht auf die Vergrößerung oder Verminderung der Macht der kriegführenden Fürsten, fo finden wir, daß er den Preußen acht Millionen Thaler fostete, und daß bey Unterzeichnung des Friedens 15,000 Thaler ihre einzige Hilfquelle zur Fort fehung des Krieges waren. Die Preußen nahmen in diesen beiden Feldzugen ihren Feinden 45,666 Ge fangene ab, wogegen sie nur 4440 verloren. Oberfchlesien , und einige an Böhmen grånzende Gegenden Niederschlesiens , als der hirschberger , der striegauer und der landshuter Kreis , litten am meisten in diefem Kriege; aber dies find Schäden , die eine gute Staatverwaltung leicht wieder erseht. Böhmen und Sachsen empfanden gleichen Nachtheit von dem Aufenthalt großer Armeen ; doch war in diesen Lándern nichts gänzlich zu Grunde gerichtet. Die Kōnigin von Ungarn mußte ihren ganzen Kredit aufbieten , um sich Hilfsmittel zur Fortseßung des Kriegs zu verschaffen. Von England erhielt sie zwar Subfidien ; aber diese waren nicht hinreichend , fie für die Summen schadlos zu halten, welche die Operationen . ihrer Armeen in Flandern , am Rhein , in Italien, in Böhmen und Sachsen ihr kosteren. Dem Könige von Pelen kostete der Krieg über 5 Mill. Thlr. Er bezahlte feine Schulden mit Papier, und machte noch neues Papiergeld dazu ; denn Brühl verstand sich recht darauf, feinen Herrn nach der Kunft zu Grund zu richten."
Vierter
Abschnitt.
Des Königs Regierung während des Friedens. ❤dime Er wendet Alles an, feine Staaten blühend zu machen.— Justizreform. Veränderungen im Kriegweſen 2c. 20. (Vom Januar 1746 bis zum Auguſt 1756.)
Der König, in Berlin wieder anlangend , traf Alles in Freude, und mit den Zurüstungen zur Frie denfeyer beschäftigt. Überall leuchtete Zufriedenheit und Vergnügen hervor, und der Monarch nahm daran großen Antheil. Aber dieses Vergnügen wurde durch die Nachricht gestört , daß ſein ehmaliger Lehrer , der alte geheime Rath du Han de Jandun , sterben wolle, und er war darüber äußerst betrübt. An eben dem Tage war Berlin aufs Prächtigste erleuchtet , als der König beschloß, seinem geliebten du Han, den er stets hochgeschäßt hatte, das lehte Lebewohl zu sagen. -Dieser Mann wohnte auf dem Werder in einer engen Gaffe , welche ganz erleuchtet , und durch die Menge brennender Lampen so voll Dunst war , daß der Ster: bende in Gefahr kam , zu ersticken. Der König fuhr gegen Abend , in Geſellſchaft des Herzogs von Braune schweig und seiner Brüder , dahin , traf du Han sehr `ſchwach an , und sagte zu ihm : „ Mein lieber du Han,
212 mein Schmerz ist sehr groß, Sie in dieser Lage zu sehen. Wollte Gott , ich könnte etwas zu Ihrer Wiederherstellung und zur Linderung Ihrer Krank beit beytragen. Sie würden sehen , wie viel Ihnen meine Dankbarkeit mit Freuden aufopfern würde.“ Du Han antwortete mit schwacher Stimme : „Es ift der größte Troft für mich , Ew. Majestät noch ein. mal gesehen zu haben. Ich hoffe nun , leichter sterben zu können ; denn es ist aus mit mir." Hierauf griff er nach einer von des Königs Hånden , um sie zu küssen. Aber Friedrich riß sich los , warf du Han einen Kuß zu , und eilte mit den Worten aus dem Zimmer: Mein Gott , das kann ich nicht länger Der Tod dieses redlichen Freundes ertragen !" mußte dem König um so nåher gehen , als ihm seit Kurzem auch Kaiserling und Jordan durch den Tod entrissen worden waren . --- Bald darauf ward auch der von Friedrich geliebte Graf von Rothenburg (Generallieutenant) von einer tödtlichen Krankheit ergriffen. Oft faß der König Stunden lang vor sei nem Bette , und als er die Nachricht von seinem Hinscheiden erhielt , lief er aus dem Schloffe , uns eingedenf, daß er nur halb angekleidet sey , über die Straße nach des Generals Wohnung , und ließ ihm eine Ader öffnen , wozu er selbst den Teller hielt. Als er sah, daß Alles vergeblich war , begab er sich weis nend und traurig hinweg , und man behauptet fogar, er sey einige Tage lang allein in seinen Zimmern geblieben. Gleich die ersten Monate dés Friedens benüßte Friedrich, um in feinen Staaten so viele Wohls thaten zu verbreiten , als ihm die durch den Krieg
213 beschränkten Mittel erlaubten. ---- Der Staatminiſter Graf von Münchow mußte den ganzen Schaden in Schlesien aufnehmen , und schon im May ( 1746 ) erhielten die Unterthanen aus den königlichen Kassen die baare Vergütung für die bezahlten Brandschahungen , Kriegsteuern und alle sonstigen Verluste an Pferden , Getreide sc. Zum Aufbaue der abgebrannten Stadt Schmiedeberg wurden Gelder angewiesen, und der Bau der Vorstädte von Neiffe eifrig betrieben. Der Theuerung im schlesischen Gebirge abzuhelfen, ließ der König Getreide aus anderen Gegenden her. beyschaffen , und hier zu den niedrigsten Preisen ver kaufen. In Berlin ward ein großes Invalidenhaus erbaut; man schaffte die so verabscheuungwürdige Kirchenbuße ab *) , und da der König die allzuftrenge Bestrafung und damit verbundene Beschimpfung der fleischlichen Vergehen als Ursache des häufigen Kins dermords betrachtete , so milderte er die erstere , und hob die lettere ganz auf.
*) Wahrlich ! Nicht nach Verdienst ist Friedrich wegen seiner Beschränkung, oder vielmehr Zernich tung, des Pfaffendespotismus geschäßt worden. "J Gehört wol Kirchenbuße 2c. zu ......Der freundlichen, ,,Der milden , gütigen Religion, " Die uns Europa preist ? (Friedrich's Worte in der Epistel über die Freyheit ; an den Lord Baltimore.) Wenn wir Kirchenbuße als mit den Lehren des Christenthums (leider nur allzuoft mit Pfaff= thum verwechselt ! ) für übereinstimmend halten, so können wir ſelbſt der Spanier fürchterliche Auto
214 -Doch, was Friedrich während der auf den dresdener Friedenschluß folgenden zehnjährigen Wa fenruhe zum Besten seines Landes that , bezeichnet er in einem kurzen Abrisse , den er ſeiner Geschichte des siebenjährigen Kriegs voraussendete. ― Unserem Plane getreu , den großen König da ſelbſt redend anzuführen , wo es die Sache erlaubt, um unseren Lesern zugleich Gelegenheit zu geben , ihn als Denker und Schriftsteller zu beurtheilen , laffen wir hier diese übersicht seiner wohlthätigen Regierung in den Jahren 1746 bis 1756 wörtlich folgen , unſere Bemerkungen in den Noten beyfügend. Der Friede, welchen Europa genoß , gestattete allen Mächten, ihre Aufmerksamkeit auf das Innere ihrer Staaten zu wenden. Der König machte den Anfang mit der Verbeſſerung der Mißbräuche , welche fich in die allgemeine Staatordnung eingeschlichen hatten. Vermittelst neuer Anlagen arbeitete er an der Vermehrung seiner Staateinkünfte ; er bemühte sich, die Kriegzucht wieder auf festen Fuß einzurichten, die Feftungen zu vervollkommnen , und für sein Heer Vorräthe von allen den Arten Waffen und nöthigen Kriegbedürfnissen anzuschaffen , welche im Krieg in ſo ungeheuerer Menge verbraucht werden. Die unter der vorigen Regierung schlecht verda Fe's nur als Schårfung einer an sich gerechs ten Strafe, nicht als Barbarey, betrachten. Ist das erstere zugestanten , so werden die geiſt: lichen Tribunale ( !!) , furchtbar um ſich grei. fend wie immer , schneller , als man es ahner , eine ungemessene und schreckliche Macht sich zu verschaf. fen wiſſen !
215 waltete Rechtpflege , welche sehr ungerecht geworden war , verdiente eine vorzügliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Man hatte sich angewöhnt, den Ge. ſeßen mit Liſt auszuweichen . Die Sachwalter tries ben ein schändliches Gewerbe mit Treu und Glauben ; man brauchte nur reich zu seyn , um seine Rechtsache zu gewinnen , und arm , um sie zu verlieren . Diese Mißbräuche wurden von Tag zu Tag drückender, und erforderten deshalb nothwendig eine Verbesserung, sowol hinsichtlich der Richter, Anwälte und Sachwalter , als auch der Gefeße selbst , welche man deutlich machen , und hauptsächlich von jenen Förmlichkei ten reinigen mußte, die eigentlich nichts zur Sache thun , und nur den Gang der Prozesse verlängern. Diese Arbeit übertrug der König seinem Großkanzler von Cocceji , einen Manne von unbescholtenem und biederem Charakter , dessen Tugend und Rechtschaf= fenheit der schönen Tage des römischen Freystaats würdig waren ; seiner Gelehrsamkeit und Aufklärung nach schien er zur Gefeßgebung , wie ein zweyter Tribonian , und zum Glücke der Menschen, geboren zu feyn. Dieser einſichtvolle Rechtgelehrte unterzog ſich mit solchem Eifer dieſem mühsamen und schwierigen Geschäfte , daß , nach einem Jahre unabläßiger Arbeit, die obersten Gerichthöfe von allen Personen gereinigt waren , welche sie entehṛt harten , und mit tugendhaften Magistratgliedern befeht wurden. Das neue Gesezbuch für alle Lande der preußischen Herrschaft war vollendet , und nachdem die Landstände dasselbe genehmigt hatten , wurden diese Geseze bekannt gemacht. Man erstreckte seine Vorsorge auch bis auf die Zukunft; und , da die Erfahrung in allen
216 menschlichen Dingen lehrt , daß die besten Einrich tungen von ihrem Werthe verlieren oder ganz unnúg werden , wenn man die Augen davon abwender , und wenn man nicht diejenigen , welche sie beobachten sollen , zu den ersten Grundsäßen zurückbringt , auf welchen jene Einrichtungen gegründet wurden , fo ward festgeseht, daß alle drey Jahre eine allgemeine Untersuchung der oberen Gerichthöfe angestellt werde, um die Beobachtung der neuen Gefeße aufrecht zu erhalten, und diejenigen Justizbeamten zu bestrafen, welche sich Ungerechtigkeiten würden haben zu Schulden kommen lassen. Diese bey der Rechtpflege ein: geführte neue Ordnung befestigte das Glück der Bürger , indem es das Vermögen eines jeden Hausstandes sicherte; forthin konnte Jeder unter dem Schuße der Gefeße in Frieden leben, welche allein herrschten *). *) ,,Gleich nach seinem Regierungantrit übernahm Friedrich alle Pflichten und Geschäfte eines grof. sen Regenten, und ſeine durchdringenden Einsichten gaben auch gleich allen ſehenden Beobachtern zu erkennen, daß er etwas mehr sey, als ein bloßer Soldat. Eifrig und weit hatte man unter der Regierung seines Vaters die fiskaliſchen Ansprüche getrieben ; er tingegen gab sogleich das bekannte Possessionsedikt. Nach diesem Edikt war Feder, der von dem Augenblicke seines Regierungantritts, also nur von 1740, bewies , er sey im Befih der Gerechtigkeiten und Regalien eines Grundstücks gewesen , gegen alle Ansprüche des Fiscus , der Kriegs und Domånenkammern , Steuerråthe und dergl. gesichert. Ein größeres und beſſer ausge dachtes Geschenk håtte dieser große Regent , nach der damaligen Lage der Dinge, seinem Volte nicht machen können.
217 So sehr auch der verstorbene König sich bemüht hatte, die Staateinkünfte zu ordnen und wol ein. zurichten , so hatte er doch nicht Ales thun können. Er hatte weder die Zeit , noch die Mittel , ein so großes Werk zu vollenden ; und es blieb, um dasselbe ,,Friedrich dachte sodann auf die Verbeſſerung der Justiz. Was er zuerst angriff, war der intes ressanteste Theil für die Menschheit , die Criminal, gefeße. Er verbot gleich alle Tortur. Die alten Rechtgelehrten erschracken über diese Neuerung , und glaubten, nach Abschaffung der Daumschraube seven alle Wege zur Wahrheit verschlossen. Man unterließ keine Art von Vorstellung gegen dieſe, den preußischen Juristen an Herz und Eingeweiden wühlende, Reuerung. Man schrie, daß gewiß alle Diebbanden aus ganz Teutſchland sich nach den preußischen Staaten ziehen werden , sobald allge= mein bekannt sey, daß man in dieſen Staaten die Tortur abgeschafft habe, denn die Tortur fürchteten die Diebe mehr, als den Tod. Soviel verwilligte • der König doch hierauf, daß die Tortur nicht durch ein ordentliches Edikt und Proclama abgeschafft werden solle , aber alle hohen und niedern Gerichte erhielten die strengsten Befehle , sich niemals der Tortur zu bedienen. Nimmer wollte der König zugeben, daß man diejenigen, welche einen rechts lichen Verdacht gegen sich haben, und dennoch die That läugnen , durch die Tortur zum Bekenntnis bringe. Über fürchterlich groß blieb dennoch bey einigen preußischen Richtern der Hang für die alte Gewohnheit und die liebe Tortur. Dieses schönen Hilfmittels zur Entdeckung der Wahrheit konnten fich diese eingeschränkten Köpfe nicht enthalten z denn sie liehen aus der Militärprocedur die alte russische Methode, etwas hart beschuldigte Delin6 Friedrich d. Einz, II,
218 zur Vollkommenheit zu erheben , noch unermeßlich . viel übrig ; viel in Absicht der Urbarmachung von Låndereyen , viel zur Errichtung von Manufakturen, viel zur Ausbreitung des Handels , viel zur Aufmun-
quenten mit kleinen Stöcken bis auf's Blut zu prügeln. Friedrich ertheilte über das ſchårfſte Verbot auch gegen diese Barbaren eingeschränkter Juristenköpfe. Niemand wird einen Fall angeħen können, in welchem nach dem Jahre 1743 , auch schon zuvor, ein einziger Menſch in den preußischen Staaten die ordentliche Tortur erlitten habe. ” (Zimmermann.) Der König zeichnet mit eben der Hand , mit welcher er Schlachten gewonnen hatte, den ersten Plan zur Verbesserung des Juſtizweſens vor, nach welchem alle Rechtstreite in einem Jahre durch drey Instanzen ohne große Kosten abgethan werden foll, ten. Es wurden die Eigenſchaften und Pflichten der Präsidenten, Räthe und Advokaten auseinander gefeßt, die Prokuratoren `abgeschafft , die Fiskal: prozesse unter huldreicher Bestimmunz der Rechte der Oterherrschafft und Unterthanſchaft einges schränkt ; welches in einem besonderen Befehl an's Generaldirektorium noch mehr eingeſchärft wurde, und dahin ging , daß die Privatpersonen , und be sonders der Udel, auf keine Weise mit fiskaliſchen Prozessen gequålt, und auf den Fall sie sich in dem Besihe von Gütern und Gerechtigkeiten befånden, von den Kammern auf keine Weise darin geftört, noch in Anspruch genommen werden ſollten." Man stellt übrigens dem neuen Justizplane den Nugen der Vergleichversuche vor , ſihi den Sachwalters Gebühren Grenzen , und erkennt die Nothwendig teit einer Sportelkasse , macht einen Unterschied zwischen den mündlichen Vörtrågen zur Inſtruktion des Prozesses und den Memorialen, gibt die beste
219 terung der Betriebsamkeit. Die ersten Regierung. jahre des Königs wurden dem Kriege gewidmet, und er konnte seine Aufmerksamkeit nicht eher auf das Innere seiner Staaten wenden , als nachdem er die Methode zum Dekretiren und zur Canzeyausfertigung : verstattet die Rechtmittel ohne Apellation, eide und andere Förmlichkeiten , erneuert das Ver, bot der Aktenversendung zum auswärtigen Spruch, und segt unabånderlich die Vollendung des Pro, zesses in drev Instanzen fest , ordnet Justizvisitas tionen an, und gibt über einzelne Theile des recht: lichen Beifahrens Vorschriften. Man war bemüht, die wirksamsten Mitte: anzuwenden , der Rechts. pflege eine gehörige Richtung zu geben , ihr Ge. wißheit, Einförmigkeit und Fertigkeit zu verschaffen , Nebensachen und überflüßige Förmlichkeiten abzuschneiden , der Chikane ihre Schlupfwinkel zu versperren , Unwissenheit und Gewinnsucht mit ih ren schädlichen Folgen zu verbannen , überhaupt eine zweckmäßige Verfahrungart nach zuverläßigen Regeln zu bestimmen. Indessen wurde das Juftizs geschäft besonders lebhaft durch eine Privatfaktion betrieben und befördert , die aus Unzufriedenheit gegen die arnim'sche Partey entstanden war. Der Hof Revisionrath von Jarriges stand mit dem Cabinetrath Eichel, der Alles bey'm Könige vers mochte, in großem Verständnisse , und ward durch die häufigen Spöttereyen an der arnim’ſchen Tafel über den ehmals verunglückten cocceji'schen Justizs verbesserungplan , und durch andere zrendeutigen Anmerkungen über seine Geschicklichkeit , gereizt wo: den, welches verursachte, daß Cocceji mit feis nen Vorstellungen , daß alle Justizbeamten und Collegien nichts taugten, uns durch eine gånzliche Veränderung verbeſſert werden müßten, beom Kds nige großen Eingang fand . Der König ertheilte 6 .
220 Ruhe von außen gesichert hatte. Längst der Oder, von Swinemünde an bis nach Cúſtrin , waren große Moräfte, die vielleicht von jeher unangebaut gewesen ihm eine unumschränkte Gewalt, das Justizwesen nach Gutdunken einzurichten, und verbot, in derley Angelegenheiten sich an ihn in's Cabinet zu wens den. Man befahl, binnen 6 Monaten alle alten Prozesse und Akten zu beendigen und zu schließen. Nun arbeiteten Präsidenten und Räthe, Gerichts Personen und Advokaten ganz unermüdet auf Hoff. nung größer Beförderungen , Versorgungen und Geldbelohnungen, die ihnen unter der Hand zuge, sichert waren, und dem Justizminister Georg Dets ley von Arnim , der dem Strome sich noch etwas entgegen stemmte , wußte man durch wiederholte Hofrescripte, daß er die Prozesse beschleunigen und die neuen Justizverordnungen in Erfüllung bringen sollte, allen Berdruß zu machen. Die neue Einrichtung konnte um so mehr ihren Fortgang ges winnen , als die Tribunal- und Kammergericht= Råthe, die ehmals nur bis 400 Thlr. Besoldung hatten , nunmehr 800 bis 1000 Thlr. erhielten. Allein das Land war daben wenig gebessert und erleichtert. Denn, um die Besoldungerhöhung herauszubringen, hatte man eine neue Steuer, unter dem Namen der Justizgelder, eingeführt, die Spors teln erhöht, und durch die schriftliche Behandlung und den stärkeren Gebrauch des Stempelpapiers die Prozesse vertheuert. Auf Befehl des Königs fing man an dem friedrich'schen Cader zu arbeiten an, worin über das Rechtverfahren die uns geheuere Menge der ohne Wahl und Ordnung gesammelten und in vielen Bånden zerstreuten Ges sege, die Richter und Sachwalter oft nicht kannten, und noch häufiger nicht kennen wollten, în kurze
221 waren. Man entwarf den Plan , diese Gegend ur bar zu machen. Von Cüstrin bis Wriezen ward ein Kanal gezogen , der das Waſſer aus diesen fumpfigen Ländereyen ableitete , in welchen nun 2000 Familien Såge verfaßt , in einen vernünftigen Zusammen. hang und in gewisse Ordnung gebracht werden follten , um die Stelle eines neuen Corpus juris zu vertreten , das sich auf Vernunft und Landesgefeße gründen sollte. Pommern war die Provinz, wo man den Unfang mit der Justizverbesserung und mit Verfertigung des neuen Gesezbuchs machte. Der Großkanzler ging im Januar 1747 dahin, um die nöthigen Anstalten zu treffen , und ste eine Commission nieder , die aus einzelnen Räthen von den fåinmtlichen Oberlandes - Juſtizkollegien bestand, und durch seine eifrige Betriebsamkeit in kurzer Zeit 2400 alten, und alle in den ersten 3 Monaten anhängig gemachten, neuen Rechthändel fchlichtete. Zugleich ward ein neues Pupillenkols legium angeordnet. Der König ließ mit dieſer neuen Einrichtung beym Oberappellationgericht zu Berlin und in der Churmark fortfahren, Das Hof und Kammergericht wurde in zwey Senate, einer für die erste und der andere für die übrigen Instanzen, abgetheilt, und dadurch in 3 Monaten So die Hälfte der alten Prozesse abgethan. " F. E. I. Fischer. Gewiß ist, daß, wenn auch nach dieser Justizwesen : Veränderung noch unendlich Bieles zu wünschen blieb, dennoch dadurch ein großer Schritt vorwärts gethan wurde. Friedrich's edles Bestreben ist nicht zu verken : nen ; und vergeſſen darf nicht werden , daß, was im neunzehnten Jahrhundert in diefer Beziehung das Beste ist, dies in der ersten Hälfte des acht zehnten wol keinen Falls gewesen seyn würde.
222 Wohnplähe erhielten. Mit diesen Anlagen fuhr man von Schwedt bis jenseits Stettin fort, und 1200 Familien fanden daselbst ein gemächliches und reichliches Auskommen ; so entstand eine neue , fleine Provinz, welche die Betriebsamkeit der Unwiffenheit und der Faulheit abzwang. Die Wollenmanufakturen waren schon ziemlich beträchtlich, doch fehlte es ihnen noch an Spinnern ; man ließ deren aus fremden Låndern femmen, und errichtete verschiedene Dörfer von solchen Spinnern , deren jedes aus 200 Familien bestand. Im Herzogthum Magdeburg war es eine Gewohnheit von undenklichen Zeiten her , daß die Bewohner des sächsischen Voigtlandes dorthin famen, um bey der Ärnte zu helfen, worauf sie wieder in ihre Heimath zurückkehrten. Der König gab diesen Voigtländern Wohnpläge in dem Herzogthum , und fehte auf diese Art eine große Menge dieser Auslån, der in seinen Staaten an. Durch die verschiedenen, eben erzählten Verfügungen erhielt das Land wihrend diefes Friedens einen Zuwachs von 280 neuen Dörfern. Die Sorgfalt für das platte Land ver minderte nicht die Aufmerksamkeit auf die Städie. Der König baute eine neue Stadt an der Swine, von welcher sie ihren Namen hat , und legte hier zu gleicher Zeit einen Hafen an , Namens Swinemünde, am Ausfluß der Oder , indem der Kanal tiefer ausgegraben, und das Becken des Hafens gereinigt ward. Die Stadt Stettin gewann dabey den Zoll , welchen ſie vordem den Schweden bey der Durchſahrt durch die Peene bey Wolgast bezahlen mußte ; welches viel beytrug, ihren Handel blühender zu machen , und welches Ausländer dahin zog. In allen Städten
223 wurden neue Manufakturen errichtet ; die von reichen Stoffen und Sammet fanden ihren Plaß in Berlin, welches ihnen am angemessensten war ; die leichten Sammete und glatten Zeuge wurden ´in Potsdam gearbeitet; Splittgerber lieferte allen Provinzen den Zucker, den er in Berlin ſieden ließ. Eine Manufaktur von Barchent brachte die Stadt Brandenburg in Flor. Zu Frankfurt an der Oder ward russisches Leder (Juchten) gearbeitet ; in Berlin , Magdeburg und Poredam seidene Strümpfe und feidene Tücher. Die wegel'sche Manufaktur (von leichten wollenen Zeugen) vermehrte sich um das Doppelte. Zur Anpflanzung der Maulbeerbäume wurden alle Provin zen ermuntert; die bey dem Kirchendienst angestellten Personen gaben den Pflanzern das Beyspiel , und lehrten dieses schäßbare Insekt erziehen , welches ursprünglich aus Indien kömmt , und deſſen Geſpinft die Seide ift. In den Gegenden , wo sich Holz im überfluß fand , welches die Entfernung von Flüssen abzusehen hinderte, legte man Eisenhütten an , welde in Kurzem für die Festungen und für die Bedürfnisse der Armee eiserne Kanonen , Kugeln und Bomben lieferten. Im Fürstenthum Minden und in der Grafschaft Mark entdeckte man neue Salzquellen, Das halle'sche Salzwerk welche gefotten wurden. verbesserte man durch Anlegung von Gebäuden, wodurch bey dem Gradiren der Sohle Holz erspart wird. Kurz, in der Hauptstadt und in den Provinzen ward Der König stellte die Betriebsamkeit ermuntert. Das Stapelrecht wieder her , welches die Sachsen der Stadt Magdeburg streitig gemacht hatten ; und vermittelst einiger auf den Grenzen angelegten Zölle
224 hob sich der Handel der preußischen Provinzen beynah zum Gleichgewicht mit dem sächsischen. Die emdener Handiunggeſellſchaft errichtete einen beträctlichen Handel nach China. Durch Verminderung der Abgaben von den ausgeführten Gütern in Stettin, Königsberg und Colberg stiegen die Einkünfte von den Zöllen doppelt so hoch. Die Folge dieser verschiedenen Finanzunternehmungen war : daß , die Einkünfte von Schlesien und von Ostfriesland ungerechnet , und ohne daß der König seinen Unterthanen einen Heller neuer Abgaben auflegte , die Einkünfte der Krene im Jahre 1756 um 1,200,000 Thaler mehr betrugen , und daß die Menge der Einwohner in allen Provinzen , einer vorgenommenen Zählung zufolge, sich auf 5 Millionen belief. Da es aufge= macht ist , daß in der Anzahl der Unterthanen der Reichthum der Staaten besteht , so konnte sich damals , Preußen für doppelt so mächtig halten , als es ruter den lezten Jahren Friedrich Wilheim's , des Königs Vater, gewesen war *). ") ,,Den Scharfblick und das durchdringende Xuge des jungen Königs in Finanzsachen beweisen auf eine auffallende Art zwer , gleich nach seinem Res gierungantrit ertheilten, Inſtruktionen. Die erste hielt man im Anfang sehr geheim , und es ward den Ministern, Pråſidenten und Nåthen auf ihren Eid verboten, dieselbe bekannt zu machen ; Kenner geben ihr das Lob der höchsten Vortrefflichkeit. Nur zwey Punkte habe ich davon in Erfahrung bringen können. Erstlich erklärte der König , daß er alle mit Ungerechtigkeit verbundene Vermehrung feiner Einnahme verfluche, und darum ben feiner größten Ungnade verbiete, dergleichen jemals vorzuschlagen.
225 ,,Die Finanzen und die Justiz erschöpften nicht die ganze Aufmerksamkeit des Königs ; das Kriegwesen , dieses Werkzeug zur Ehre und zur Erhaltung der Staaten , ward nicht verabsäumt. Der König richtete auf dasselbe ein wachsames Auge , damit die Mannzucht und der Gehorsam in jeder Provinz streng aufrecht erhalten würden. Die Truppen versammel ten sich regelmäßig alle Jahre in Friedenlagern , wo man sie zu großen Evolutionen und Manduvern abrichtete. Das Fußvolk übte sich in verschiedenen Auf wickelungen, Stellungen , Angriffen in der Ebene, Angriffen von Standörtern , Vertheidigung von Dór fern und Verschanzungen , Übergängen über Flüsse, verstellten Márfchen mit umgekehrten Colonnen, Rück zügen , und , mit einem Wort, in allen den Bewegungen und Schwenkungen , welche man vor dem Feinde zu machen hat. Die Reiterey übte sich in den verschiedenen Arten geschlossener und getrennter An= griffe, im Kundschaften und Besichtigen, im trockenen und grünen Fouragiren , in mancherley Stellungen,
Zweytens hat er verordnet, daß wenn sich zwischen dem Fiscus und einer jeden Privatperson ein Pros zeß erbebe , worin die Forderung zweifelhaften Rechts erscheine , so sollen allemal die Kammern nachgeben und der Klage entfagen, weil der Gegens ftand oft für einen Privatmann groß genug sey, um ſeine Glückumſtånde zu verändern , und dies hinges gen bey den königl . Kaffen keinen großen Unterschied mache. Die zweyte Instruktion war für das Genes raldirektorium des Krieg und Finanzwesens. Kens ner halten auch diese für ein Meiſterſtück. ” (3immermann.)
226 und im Faffen der Gesichtpunkte nach vorgeschriebe nen Richtungen. Man erhöhte bey einigen Regis mentern, deren Cantone sehr volkreich waren , die Anzahl der überzähligen auf 36 oder wenigstens auf 24 Mann in jeder Compagnie ; ungeachtet keine neue Werbung angestellt ward , so schaffte doch die Menge diefer überzähligen eine Vermehrung von 10,000 Streitern. Alle Bataillone und alle Cavallerie - Regimenter hatten an ihrer Spize alte Berehlhaber, versuchte Offiziere , voll Tapferkeit und Verdienst *). Hier *) ,,Alte Befehlhaber, versuchte Offiziere" irrt sich Friedrich . Nicht Alter , nicht Vers suchtheit , machen den Feldherrn. Es ist im Gegentheile zu beweisen , daß die größten militás rischen Thaten durch junge Männer , voll Kraft und Kühnheit, vollführt wurden. Gelduguet kann nicht werden, daß hier die jugendliche Thätigkeit meistens mehr vermag, als das ångstliche Festhalten an den, fast immer nur bedingungweiſe richtigen, Regeln. Alexander , Hannibal , Scipio , Cåſar ; dann die Neueren , Friedrich selbst , und die Menge von Generalen aus den Zeiten der fran, zösischen Revolution , erwarben sich unstreitig ents weder blos in den jüngeren Jahren, oder doch wes nigstens hauptsächlich in denselben , ihren großen Feldherrnruhm . „ Wir werden auch einmal auf, hören uns zu schlagen, " antwortete Napoleon dem verwundeten Generale Rapp, wenn wir achts zig Jahre alt seyn werden . " Hierdurch gibt der französische Kaiſer deutlich genug zu verstehen, daß auch der lebhaftefte, feurisßte Geist, verbunden mit dem kräftigſten Willen , dennoch von den Bestim mungen der phyſiſchen Natur niedergebeugt werde. Epaminondas war vielleicht der Einzige, von
227 Das Corps der Capitaine bestand aus erfahrenen, gefeßten und braven Männern. Die Subaltern= Offiziere waren ausgesucht ; mehre derselben besaßen viel Fähigkeit , und verdienten zu höheren Stellen erhoben zu werden. Mit einem Wort , die Thätigkeit und der Wetteifer , welche diese Armee beseelten, waren bewundern würdig. Nicht ganz so gut war sie in Rücksicht der Generale , obgleich einige dersel: ben Männer von wahren Verdiensten waren . Der größte Theil aber hatte, bey vieler Herzhaftigkeit, zugleich viele Trägheit *) . Beym Avancement folgte man der Rangordnung , so daß nicht die Geschicklich feit, sondern das Dienstalter , das Glück bestimmten. Dieser Mißbrauch war alt , und bey den vorigen Kriegen hatte er keine nachtheiligen Folgen geäußert, weil der König, der nur mit einer Armee agirte, wenig Detaſchemente zu machen brauchte , und weil dem die Geschichte erzählt, der erft mit 40 Jahren sich an der Spike des Heeres auszeichnete. Aber es hatte ihm früher an Gelegenheit dazu gefehlt, und wol schwerlich dürfte man es glaublich finden, daß sich, im entgegeng festen Falle , fein Genie nicht früher schon eben so glänzend entwickelt hätte, als in diesem Alter ben Leuktra und Mantinea. Hannibal, in einem Alter von 42 Jahren, ward von dem nicht einmal 26jährigen Scipio besiegt. Und was Friedrich während des zweyten schles sischen und des siebenjährigen Kriegs that, übertrifft wahrlich seine späteren, so künstlichen Mas nouvres. - Gewiß können auch Napoleon's ersten Feldzüge in Italien durch keinen einzigen feiner folgenden verdunkelt werden. Eine Folge des Ulters !
228 die östreichischen Truppen und Generale , die er wider sich hatte, nur mittelmäßig waren , und die Taktik gänzlich vernachläßigt hatten. Eine gute Erwerbung machte der König , als er den Marschall Keith aus Rußland in seine Dienste zog. Dieser Mann war fanft im Umgang , tugendhaft und vom sitisamken Betragen , geschickt in seiner Kunst, und verband mit der feinsten Lebensart eine heldenmüthige Tapferkeit am Tage der Schlacht. Das Artilleriecorps war verstärkt worden. Der König vermehrte es bis auf drey Bataillone , von welchen das lehte für die Be fahungen bestimmt war. Es war wolgeübt und im guten Stande ; aber nicht zahlreich genug zu der ungeheueren Menge von Geschütz und Feuerschlünden, welche eine neue Sitte bald bey den Kriegheeren einführte. Man håtte dasselbe verdoppeln müssen ; da dies aber in den vorhergehenden Kriegen nicht gebräuchlich gewesen war , und da jene zwey Bataillone dem Dienste Genüge geleistet hatten , den man von ihnen verlangte , so dachte man anfangs an keine Vermehrung. Während des Friedens wurden die Festungwerke von Schweidniß aufgeführt , und die Werke von Neiffe , Kosel, Glaz und Glogau vollkommen gemacht. Schweidniß sollte der Armee zur Niederlage dienen , im Falle der Krieg auf dieser Grenzseite nach Böhmen geführt würde ; und da die Ößreicher im leßten Kriege wenig Geschicklichkeit in Bezug aufBelagerung und Vertheidigung von Festun gen gezeigt hatten , so ließ man es dabey bewenden, diese Werke ganz leicht anzulegen , welches eigentlich sehr übel geurtheilt war ; denn Festungen baut man nicht auf eine Zeitlang , ſondern für immer ; und wer
229 konnte denn die Gewähr dafür leisten , daß die Kaiferin Königin nicht einmal irgend einen geschickten Ingenieur in ihre Dienste ziehen würde , der diese dem öftreichischen Heere mangelnde Kunst mitbrachte, ſie daselbst lehrte und einführte ? Beging man indeß Fehler, so bekam man in der Folge Gelegenheiten genug , sie zu bereuen , und richtiger urtheilen zu lernen. ,,Auf der anderen Seite sah man auch ein , daß eine Armee , die sich in noch so gutem Stand befindet und gut unterhalten wird , doch zum Kriegführen noch nicht hinreichend ist, sondern daß man großer Vorråthe auf den Nothfall bedarf, um dieselbe zu bewaffnen , zu kleiden , und , ſo zu sagen , wieder neu herzustellen. Darum würden von allen Arten der Ausrüstungen Vorrathsammlungen angelegt , als von Satteln, Steigbügeln , Bäumen , Stiefeln , Patron taschen, Degengehängen u. f. w. Im Zeughause wurden 50,000 Flinten , 20,000 Sábel , 12,000 Degen, eben so viele Pistolen , Carabiner und Bar deliere aufbewahrt ; kurz , alles das , was man sters neu anschaffen muß , und was die Zeit nicht immer gestattet , im Nothfall schnell genug zu bekommen. Man hatte grobes Geschüß gießen lassen , welches aus achtzig Batteriestücken und zwanzig Mörsern bestand, und in der Festung Neisse niedergelegt ward. Der angeschaffte Pulvervorrath belief sich auf 56,000 Centner, die in den verschiedenen Festungen des Kónigreichs vertheilt waren. Die Fruchtmagazine waren mit 36,000 Wispel Mehl und 12,000 Wiſpel Hafer angefüllt ; so , daß durch alle diese vorläufigen Maaßregeln und Einrichtungen Alles zu dem Kriege 7 Friedrich d. Einz, II,
230 vorbereitet war , den man vorher ſah, und der nicht sehr entfernt schien * ) . Im Jahre 1755 machte der König fogar eine Vermehrung in seinen GarnisonRegimentern. Die schlesischen wurden auf 8 Ba= taillone , die preußischen auf 3 , und die furmárfiſchen auf 2 gefeßt, welches im Ganzen 13 Bataillone betrug **). In einem armen Lande finder der Regent feine Hilfquellen in der Kaffe seiner Untertha nen ihm liegt daher ob , durch seine Klugheit und gute Wirthschaft für die außerordentlichen Ausgaben zu sorgen , die nicht vermieden werden können. Die Ameisen sammeln im Sommer ein , was sie im Winter verzehren , und ein Fürst muß während des Frie dens die Summen zuſammen sparen , welche er im
*) Friedrich mußte, nach dem Benehmen der Kaiserin, sowol den breslauer, als auch den dresdener Frieden , im Grunde blog als Waffenstilstand betrachten. Beide Theile , besonders aber Oest= reich , suchten nur neue Kräfte zu sammeln , um mit erneuerter Macht den Kampf wieder zu bez ginnen, in deffen Entscheidung das Gefchick Schle fiens lag. **) ,,Der König von Preußen wandte seine erste Sorgfalt auf die Wiederherstellung seiner Urmee, und ergänzte dieselbe größtentheils durch die dft: reichischen und sächsischen Gefangene, unter welchen er das Auslesen hatte. Auf diese Wit wurden feine Truppen auf Kosten des Auslandes vollzäh lig gemacht, und die Ersehung eines durch so viele Mutige Schlachten verursachten Verlustes kostete dem Staate nicht mehr als 7000 Mann. Seitdem in Europa die Kriegkunst zur Vollkommenheit ges diehen ist, und die Staatkunft ein gewisses Gleichs gewicht unter den Mächten zu errichten gewußt
231 Krieg aufzuwenden hat. Dieser , leider so wichtige, Pankt war auch nicht vergessen worden , und Preuf sen war in der Verfassung , einige Feldzüge mit eige nem Gelde zu machen ; kurz , es war bereit , beym ersten Zeichen auf dem Kampfpłaß zu erscheinen, und sich mit seinen Feinden zu messen. In der Folge zeigte es sich, wie nüßlich diese Vorsicht gewesen war, und wie nothwendig es für einen König von Preußen, vermöge der fonderbaren Lage seiner Staaten , ist, auf jeden Fall gerüstet und vorbereitet zu feyn , um nicht der Spott seiner Nachbarn und Feinde zu werden. Im Gegentheil wäre es nöthig gewesen , noch mehr zu thun , wenn die Kräfte des Staats es erlaubt hätten ; denn der Köniz hatte an der Kaiserin hat, bringt das gewöhnliche Loos der größten Uns ternehmungen nur selten die erwarteten Folgen hervor. Gleiche Stärke von beiden Seiten , und abwechselnder Gewinn und Verlust , machen , daß selbst am Ende des blutigsten Krieges sich die Feinde bennah' in eben her Lage gegen einander # befinden, in welcher sie vor dessen Unternehmung waren. Die Erschöpfung der Finanzen bringt endlich einen Frieden hervor , welcher eigentlich das Werk der Menschenliebe, und nicht der Nothwen : digkeit hätte seyn sollen. Kurz , wenn Unsehen, wenn Ruhm der Waffen es verdienen, daß man, um sie zu erlangen, seine Kräfte aufbiete, so find die Preußen dadurch für die Unternehmung dieſes zweyten Krieges belohnt worden . Aber dies war auch Alles , was sie dadurch erhielten , und selbst dieser vergångliche Dunst erweckte ihnen noch Neider. (Schlußworte Friedrich's in der Gez schichte des zweyten schlesischen Kriegs. Histoire de mon temps.)
232 Königin eine ehrgeizige und rachsüchtige Feindin , und zwar eine um so gefährlichere , als sie ein Frauenzimmer, und eigensinnig und unverföhnlich wär.“ So weit Friedrich . Der König verbesserte. in seinen Staaten während des Friedens die Polizey, beschränkte das Schuldenmachen und Güterveräußern des Adels , schaffte das zweckloſe Reiſen ſeiner Vaſals, len in das Ausland ab , und ſehte hier dem verderbenden Lurus, dort dem ſträßlichen Wucher, Grenzen. Während er mit Strenge abergläubischen Muthwillen ahndete, schüßte er jede stille , ruhig lebende Sefte in allen , ihren Gliedern als Menschen und Staat= bürgern gebührenden , Rechten *). Er sorgte für *) Wir können nicht umhin, bey dieser Gelegenheit anzumerken , wie sehr es dem Geiste des reinen Protestantismus ( der nur einzig und allein das zu glauben verlangt, was der denkende Mensch, nach seiner Ueberzeugung , als wahr und gewiß erkennt) geradezu entgegen gewirkt ist , wenn Lehrer dieser Kirche wider das Abweichen von dies sem oder jenem Dogma eifern, und dies nicht auf dem Wege einer vernünftigen Ueberführung zum Beſſern, sondern weit mehr auf jenem der Gewalt, verhindern, oder doch verhindert wiſſen möchten. Friedrich begann die Ausübung seiner tolerans ten Gesinnungen gleich in den ersten Wochen seiner Regierung. " Unter m 22ten Juny 1740 berich= teten ihm der Staatminister von Brand und der Consistorialpräsident von Reichenbach, daß wegen der römisch-katholischen Soldatenkinder, insonders heit zu Berlin, römisch-katholische Schuten anges legt wåren , die aber zu allerhand Inkonvenienzien, vernehmlich dazu Gelegenheit gegeben hätten, daß, wider des verstorbenen Königs ausdrücklichen
233 Verbesserung des Unterrichts auf Schulen und uni versitäten , und eben so für gründliche Unterweisung der Hebammen . Auch die allzugroße Zahl der Feyertage ward beschränkt , welche stets Trägheit und Unwissenheit zu Begleitern haben . Nach dem dresdener Frieden lebte Friedrich mit seinen Brüdern und einigen Freunden meistens Befehl vom 16ten November 1732, aus Protestanten römisch - katholische Glaubengenossen gemacht wåren. Dieses habe der Generalfiskat Uhden am 12ten d. M. berichtet. Sie fragten also an, ob die römisch-katholischen Schulen bleiben , oder welche andere Untwort sie dem uhden geben sollten. Der König schrieb an den Rand : ,,Die Religionen Müsen alle Tollerivet wer ,,den , und Mus der Fiscal nuhr das Auge ,,darauf haben , das keine der andern abrug „ Tube, den hier mus ein jeder nach Seiner „ Faßon Selich werden." (Die Religionen müſſen alle toleriret werden, und muß der Fiscal nur das Auge darauf has ben, daß keine der andern Abbruch thue ; denn hier muß ein Jeder nach seiner Façon selig werden.) Der König rechnete es also nicht zum Abbruch, den eine Religionpartey der andern thue , wenn sie Mitglieder derfelben zu der ihrigen ziehe, und zwar aus dem Grunde, weil in ſeinen Lånbern ein Jeder nach seiner Art und Weiſe ſelig werden müſſe. Dice fer leste Ausdruck ist ungewöhnlich, aber nicht unschicklich, sondern paſſend und vielfagend. Denn es find gewiß nicht zwey Menschen auf ganz gleiche Art und Weise gottesfürchtig , sondern ein Jeder ift une nach seiner Erkenntnis und Wahl. (Büsching's Charakter Friedrich) des 11.)
234 bey Potsdam , wo sie das einfache , ländliche Schloß Sanssouci (Sorgenfrey) bewohnten , deffen Bau im Jahre 1746 beendigt worden war , und von dem wir eine in der neueren Zeit entworfene Schilderung hier folgen lassen. Von Potsdam führt ein hoher Baumgang nach den Gärten von Sans- souci , wie man ausschließlich die Anlagen nennt , die Friedrich der Große , wie durch ein Wunder , hier hervorgerufen, so daß jezt Hügel und Kunst- Terrassen sich erheben , wo früher nur Sumpfmoor das Land bedeckte, und traurige Kiefern ihre Wipfel regten. -Zur Sommerwohnung des Königs , die über der Orangerie Terrasse liegt , steigt man einen sanften Hügel hinan , und trit durch eine offene Säulenftellung in die Vorhalle des einfachen Pallaßies , worin der Philosoph von Sans - fouci lebte , wenn er, den lästigen Purpur abgelegt , sich nur mit sich selbst und den Musen beschäftigte. Die Aussicht , sowol über den Gartenpark und die umgebenden Havel= ſeen , als auch zum Ruinenhügel , den Mühl- und Brauhausbergen , ist schön , und es konnte nicht ans ders seyn , daß der Monarch — der einmal in der Nähe Berlins sich firiren wollte - lediglich hier feinen Aufenthalt nahm , da der Höhesinn , der ihm einwohnte, sich wol so wenig zur Erde bequemt , als der Adler feinen Felkforst ließe, um sich in Sumpfwüsten anzubauen. Die wenigen Gemächer , welche Friedrich be wohnte, obschon sie nicht mehr ganz Bie alten sind, verrathen noch immer Simplizität, und keines die entfernteste Prachtverschwendung. Eine Handbibliothek, welche die Wände eines mit Cedernholz verzierten
235 Cabinets bekleidet, einige Uhren, Seffel und Schränke, tragen noch immer altes Gepräge ; nur Schade, daß fast kein Stück mehr vorhanden , von dem man mit Gewißheit behaupten könnte , daß es die Hände des Unsterblichen berührt , ich nehme die in rothen Maroquin gebundenen französischen Klassiker aus, die er bekanntlich täglich benügte. Selbst der Sterbe ſtuhl, von dem er den lehten Blick zur Sonne erhob, und ihr verheißen , ihr bald nah' zu kommen, findet sich nicht mehr, und ist, wie erzählt wird , als Reliquie des Verklärten einer Prinzessin vom Hause zugefallen. Überraschend war mir im Schlaf- und Sterbezimmer das Bildniß Gustav Adolph's von Schweden, deffen frommen, orthodoxen Sinn ich mit Friedrich's Geist wenig übereinstimmend glaubte. Wie auf ein eigenes Zufallspiel ~ fast im Geschmack unserer neueren Tragödien machte man uns auf eine in demselben Zimmer befindliche , auf 2 Uhr 20 Minuten zeigende , Wanduhr aufmerksam , die angeblich mit dem lehten Pulsschlag ihres Besizers auch ihren leßten Pendelschwung that , und seitdem nicht mehr aus der Stelle rückte. Wie man fagt, ward sie von ihrem Herrn selbst während der Kranf heit noch besorgt, und nur am letzten seiner Lebentage aufzuziehen vergeffen , so , daß sie mit ihm in einem Moment auch still gestanden , und nun seine Todesstunde bewacht. Im Concertsaale hat Friedrich oft die Flöte geblasen, und sich mit französischen Dichtern ergöht. Voltaire's Cabinet, auf dem rechten Flügel des Haufes, genoß einer erfreulichen Gartenansicht. Noch zeigt man seinen Arbeittisch , und Spuren seiner
236 gelstvollen Feder , die , wie der Griffel eines Propheten , die Zeit im eigentlichen Sinn anticipirt , und Blize feines Geistes der Welt hinterlassen. Die hie und da in den königlichen . Zimmern bewahrten Ges målde , worunter auch ein Portrait des Marschall's von Sachsen , erbleichen jedoch vor den Schäßen der Gallerie, die jede Erwartung beschämen muß, in fo fern sie sich nicht auf das Höchste bereitete , und anfänglich weiß man nicht , ob man mehr der Pracht. Des Lokals (einem 250 Fuß langen, verhältnißmäßig breiten, Saale , mit überreicher Goldſtukatur) oder den Gemälden huldigen soll , die , aus allen bekann ten Schulen hier vereint , den Kunstsinn des könig lichen Sammlers außer Zweifel feßen." Der ide Berg war in sechs künstliche Abſäge getheilt , jeder hatte zwölf Stufen , und auf jedem lagen herrliche Weinreben unter Glasthüren an die Mauer geheftet. Auf dem Gipfel des Berges erhebt sich das Schloß , klein und niedrig, nur ein Stoc werk hoch, aber regelmäßig , zierlich und anmuthig durch die Aussicht über die Stadt und ihre reizenden Gefilde. Alles, was die Bildhaueren , Maleren und anderen Künste Vortreffliches liefern, findet man hier bey seiner Auszierung vereinigt. Vorzüglich prangen die alten Bildsäulen aus dem Cabinette Polignac's Mitten enthält es einen runden Eaal mit Marmor befleidet , und dessen Fußboden nach muſivischer Art mit seinernem Blumenwerk ausgelegt ist. Aufprächtigen Säulen ruht die kostbar bemalte Kuppel , und empfängt, gleich der Maria maggiore, ihr Licht aus einer Öffnung in der Mitte des Gewölbes , die den ganzen Eaal vortrefflich erleuchtet. Unter dem
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237 Bimmern zeigt sich eines mit Cedernholz getåfelt und mit goldenem Laubwerk verziert , das in seinem Bus fen einen literarischen Schaß verwahrt , und an den Rücken dieses Zauberschlosses lehnt sich im Halbzirkel ein marmorner Säulengang , der seine Arme in das freye Feld ausbreitet , indeß auf drey anderen Seie ten das Gebäude mit Luftgärten und mit einem Park umgeben ist , dessen Grotte die Meisterhand eines Knobelsdorf verräth. Friedrich, der Ruhe und Einsamkeit über. alles liebte, konnte, zumal in feinen späteren Leben. zeiten , nicht mehr leiden , daß ein Fremder , den er nicht verlangte, sich seiner stillen Wohnung nähere, und ihn jezt auch nur von ferne sehe. Unten an die Terrasse von Klein - Sanssouci durfte man deswegen in feinen legteren Lebensjahren nicht mehr kommen. In besseren Zeiten ging Friedrich da oft allein, und mochte auch schon damals nicht, daß man ihn fehe. Er ließ vor die Brücke ,, wo man in den Garten zu dem Baffin und an die Terraffe von KleinSanssouci kömmt , auf einer 6 Fuß hohen Säule von rothem ägyptischem Porphyr , das Brußtbild des Herzogs von Alba seßen , ein ganz abscheuliches Ges ficht ; damit , wie er einst im Scherze dem Marquis von Lucchesini fagte ,,,Fremde, welche Luft ha ben , in meinen Bezirk zu kommen , vor dem Gesicht des Herzogs von Alba erschrecken , und gleich wieder 14 umkehren." An manchen schönen und edeln, charakteristischen, Zug Friedrich's erinnert Sanssouci. Ganz etwas anders , ſagt Nicolaï , als die Bildſäule Des Antonius , wie man gewöhnlich glaubte, hatre
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dieser außerordentliche Mann , gerade feinem Fenster gegenüber , ſelbſt ſehen lassen , so daß er es ganz frey sehen konnte, ja ſehen mußte , so oft er ſeinen Blick dahin_warf. Dies war Sein Grab! Nämlich auf dem offenen Plate, gerade dem Fenster *) feines Studierzimmers gegenüber, vor einer halben Rundung , ließ er schon im Jahre 1744 , gleich als die Terrassen angelegt wurden , und eh' noch der Grund des Schlosses gelegt war , in der Stille eine Gruft graben , das Gewölbe mit Marmor bekleiden, und auf demselben nachher eine liegende Bildſäule der Flora ſehen. Der König wollte in diese Gruft begraben werden. Er sagte es d'Argens mehrmals , und dieser bat sich aus , selbst unter der schönen marmornen` Vase von Ebenhecht , im Garten von Sans- souci, fein Grab zu finden. Der König versprach es ihm, und würde es gewiß gehalten haben , wenn d'Argens in Potsdam gestorben wäre. Noch mehr ! Diese Gruft, deren Existenz fo wenige Personen wußten , war wahrscheinlich die eigentliche Veranlassung , diesem Orte die Benennung Sans Souci zu geben. Der König gab dieselbe dem Hause noch nicht, als es gebaut ward. Er nannte es sein Lusthaus , sein Weinberg - Lusthaus. ~ Als er, noch im Anfange der Erbauung des Schlosses , einst mit d'Argens auf diesem Playe spazierte, sagte er *) Da alle Fenster des Schlosses bis zur Erde herab gingen , so werden sie manchmal auch Thüren genannt,
239 ihm: Da er den Entschluß gefaßt , auf diesem ange. nehmen Flecke sich einen Sommeraufenthalt zu bauen, ſo ſen auch gleich seine Idee gewesen , sein Grab daselbst einzurichten. ,,Quand je serai là ," fagte er, indem er auf die verborgene Gruft zeigte,,,je serai sans souci!" Nicht also so sehr auf das Schloß und den Garten ging die so berühmt gewordene Benennung : Sans-souci. Ob der König gleich an die Façade des Hauses dieſe Worte sehen ließ , so wußte er doch allzuwol , daß ihm auch dahin die wichtigen Sorgen -der Regierung , und der Kummer über manche öf • fentliche und häusliche Widerwärtigkeiten folgen würden . Auf die Gruft spielte diese Benennung an, welche dieser große Mann sich , von Jedermann unbemerkt , im Angesichte des Zimmers, wo er feine beste Zeit zubrachte , bereiten ließ , und in welcher er einst nach aller Arbeit zu ruhen gedachte. Es war dem Könige verdrießlich , daß die Allee zum Haupteingange von Sans- fouci bey der Anlage nicht anders konnte geführt werden , als daß sie einen Winkel macht. Es wurden bey der Tafel des Königs von seinen Günstlingen verschiedene Vorschläge gethan, wie solchem abzuhelfen wäre. Die Schwierigkeit lag vorzüglich in der unüberwindlichen Liebe einer armen Frau zu ihrem kleinen Haufe, einem Erbstücke , welches sie um keinen Preis dem Könige verkaufen wollte. Der General Rothenburg behaup= tete, der König könne sie zwingen, einen dreyfachen Ersatz des Werths , oder ein viel besseres Haus auf einer andern Stelle , dafür anzunehmen. D'Argens ward hierüber aufgebracht, und behauptete mit der
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ihm eigenen provenzalischen Lebhaftigkeit : Die Kö. nige dürften Niemand das Seinige , auch gegen bes feren Erfa , mit Gewalt nehmen ; denn sonst könnte man es auch bald von einem Hause auf die Frau und Tochter eines Mannes anwenden , wo offenbar der mehr Werth an Geld nicht das Verlorne erfeßte. Der König sagte : d'Argens hat Recht." Und die Allee macht noch jezt einen Winkel. Bekannter zwar, aber weniger verbürgt als diese , ist die folgende Anekdote : Als der König fein Sans-ſouci anlegte, war ihm eine Mühle im Wege, die ihrer Lage nach dem entworfenen Plane seines Gartens zuwider war. Der König ließ den Müller zu sich kommen , und trug ihm an , die Mühle zu verkaufen. Der Müller hatte sie vom Vater geerbt, und wollte sie auch auf seine Kinder bringen. Der König versprach ihm , eine beſſere Mühle anderwärts zu bauen , ihm Wasserlauf und Alles frey zu geben, auch noch die Summe , die er für seine Mühle for dern würde, baar auszahlen zu lassen. Der Müller bestand hartnäckig auf seinem Kopf. Nun ward der König verdrießlich. ,Weißt Du wol, daß ich Dir Deine Mühle nehmen kann , ohne einen Groschen ,,Ja, Er. dafür zu geben ?" sagte er auffahrend. Majestát , wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre," antwortete der Müller. Dem Könige gefiel die rasche Antwort ; sein Eifer legte sich. Der Müller blieb ungestört im Besize seiner Mühle , und der König war so groß , daß er den Plan seines Gartens Anderte. Wir können nicht umhin , hier noch folgenden, hierher gehörigen , Charakterzug mitzutheilen : In
241 dem großen Marmorsaale , im oberen Geschosse des neuen Schloſſez von Sans-ſouci , malte Vanloo, auf Befehl des Königs , zum Deckenstück eine Versammlung der Götter. Dieser Maler ließ sich einfallen, ein Paar Famen vorzustellen , welche den Namenzug des Königs, mit Lorbeern umkränzt , den versam melten Göttern darbringen. Der König besah die. ses Deckenstück nicht eher , als bis der Saal schon beynah' fertig war. Dem Könige gefiel überhaupt das Gemälde wegen der Hårte des Colorits nicht ; als er aber seinen Namenzug erblickte , ward er äußerst entrüstet. Er befahl, daß augenblicklich alles sich dahin Beziehende sollte aufgelöscht werden. Es mußte dazu abermals ein besonderes Gerüst aufgebauet werden , das mit allen Umständen ein Paar Vanloo konnte sich nicht hundert Thaler Euftete. anders helfen , als eine grüne Decke über den Namenzug zu malen ; denn die ganzen Figuren die Fa men fonnte er nicht auslöschen. Wer dieses Deckenfuck betrachtet , und die Umstände nicht weiß , wird nicht begreifen können , warum die Famen den Göt tern etwas Verdecktes darbringen. Es ist ein Denke mal der Bescheidenheit Friedrich des Großen. Wie vormals Rheinsberg , ſo wård dem großen Könige nunmehr Sons = fouci der Ort, wo er am ruhigsten und vergnügtesien seine Tage durchlebte. Die Stunden , welche ihm die Regierungforgen frepließen , wurden der Erheiterung und den Mufen geweiht. Komm, träger Marquis," schrieb er an d'Argens ,,,nach Sans - ſpuci. Hier ist man Gebieter über sich selbst. Hier ist man sein eigener König, sein Selbstherrscher. Die ländliche Wohnung 8 Friedrich d. Ginz. II.
242 ladet durch ihre Stille zum Genuß der Freyheit ein. Wenn Du diese einsame Landlust kennen willst , den Ort, wo Dein Freund diesen Gesang dichtete , wo die Parze für ihn die schönsten Tage feines Lebens frann ; o so wiffe, daß auf dem Gipfel eines Hügels, von welchem sich des Auge frey in die Entfernung vertiefen kann , das Haus seines Gebieters empor fteigt. Hier wird der Fleiß einer vollendeten Arbeit belohnt. Der bearbeitete Stein , von Menschenhånden geschnitten und in mancherley Formen gebildet, schmückt das Gebäude , ohne es zu belästigen. Des Morgens vergolden den Pallast die ersten Strahlen des Morgenroths , die gerade auf ihn zuströmen. Auf sechs abgesonderten Absätzen kannst Du hier sechs liebliche Anhöhen heruntergleiten , und in's Gebüsch entschlüpfen , das mit hundertfachem Grün schattiret ist. Unter dem dichten Laubwerke laſſen jugendliche Nymphen von gehauenem Marmor , den Meisterwer ken des Phidias ähnlich , ihre filbernen Tropfen zum Äther aufsprudeln. Hier gehen einförmig vorüber meine Tage. Hier herrscht keine Thorheit von langen quálenden Gastmahlen, welche die Gewohnheit tyrannisch anordnet, wo sich der gähnende Ekel mit der Versendung des Midas raaret, we frostige Scherze die ungleichheit der Gesellschaft , die Hofordnung und as wilde Gerlusch verläugnen. Eine sparsam besetzte Mittagtafel, die nägliche Gespräche würzen , und wobey zuweilen glänzende Funken eines lebhaften Wiges auf Kosten der Narren belustigen , befriedigt. hier das Lebensbedürfniß ohne Ausschweisung. Hier wird der muntere Sher; finnreicher Einfälle der gefräßigen Unmäßigkeit eines Apizius und ähnlicher
243 Helden vorgezogen. Hier erscheint weder die nieders trächtige Falschheit in der Ekstase ewiger Umarmun gen auf der Bühne , noch der unversöhnliche Haß, deffen treulofer Mund seinen ganzen Complimenten=" vorrath mühsam herspricht. Nicht finden sich hier jene Sterblichen , welche die Eigenliebe mit, den schönsten Farben malt, und die da glauben in allen Sachen Vorbild und Muster zu seyn ; denn ihr Gespräch ist wie ein Spiegel, worin sich die Narrheit bewundert und zur Schau ausßtellt. Hier sind keine vornehme Maulaffen , keine erhißten Scheinheilige, keine alten Vetteln , die truppweise über nichts und abermal nichts unter sich streiten ; ja man kennt hier, Gott sey Dank, auch keine weitschweifige , methodis schen Schwazer , keine metaphysischen Schlußkråmer, feine getauften Esel in i - u - s. Noch wohnt hier die Kritik mit dem boshaften Lächeln und der håmischen Mine , noch ein gallsüchtiger Argus mit vergif= teten Klauen und bluttriefenden Zähnen , der seinen Satyr an dem Bache der Hölle getränkt hat , noch auch der lästige Plauderer und die widrigen Schme roger. Diese friedliche Einsamkeit schüßt uns , wie ein festes Bollwerk, wider die Anfälle des brausenden Geräusches , das der Pöbel gewöhnlich auf die weifen Verehrer der Künste und, Wissenschaften zu machen pflegt." Jeden Tag verwendete der König einige Stun den auf das Studium der besten Schriften . Unter den Werken der Alten , deren Nachleſung er fast jedes Jahr wiederholte , nennt man Herodot , Thuk dides, Xenophon , Plutarch, Tacitus , Cicero , Sallust, Livius, Curtius, Nepos, Sueton, Valerius Maximus, 8 3
244 Polyp , Vegez und Cåsar. (Sämmtliche in franzöſischen übersehungen .) Daher war sein Charafter gleichsam das Resultat aller der Eindrücke , melde die Helden der Griechen und Römer , und ihre Tha, ten, auf seine lebhafte Einbildungkraft hervorgebracht hatten. Er redete mit Begeisterung von ihnen , und bezeigte seine Hochachtung für sie durch ähnliche Thaten. In den preußischen Luft :agern wurden die griechischen , römischen und karthaginensischen Kriegübungen nachgeahmt, und ansatt der Fahnen erhielt des Königs Leibwache römische Adler von Silber. Außer der Dichtkunst , die ihm in dieſen Jahren manche schönen Auffähe zu verdanken hat , und die zum Theil in den Werken des Philoſophen von Sans- souci aufbewährt sind , beschäftigte er sich auch anhaltend mit der Geſchichte. Meistens nach Originalquellen bearbeitete er die Denkwürdig feiten des Hauses Brandenburg ( Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandeburg), ein Werk , das , wie C. P. Funke sagt, feinen Namen als Schriftsteller auf die Nachwelt gebracht haben würde, wenn er auch sonst nichts ge= schrieben hätte. Außer dem historischen Werth, den Dasselbe behauptet , enthält auch die Zueignung an den Kronprinzen sölche treffliche Stellen , daß man nicht weiß , ob man das zärtliche Herz des Königs gegen diesen Bruder , oder dessen Freymüthigkeit, mehr bewundern foll *). *) Friedrich der Große , der mit Schwert und Scepter die Geſchichte ſeines Reichs in die Welt. geschichte einzeichnete , war auch der Erste , der
245 Unter den Freunden Friedrich's zu Sans-souci muß vor allen Voltaire genannt werden , den der König so oft bewundert hatte *). - Aber es zeigte sich. dem Vaterlande mit würdigem Griffel eine Ges schichte schrieb. - Er beschränkt sich auf das Haus der Hohenzollern, geht die älteste Geschichte flüch tig durch ,,,da der Strom für ihn erst Werth hat , wo er schiffbar wird. " Die erste Ausgabe erſchien 1750 , und schloß mit der Geschichte des großen Churfürsten ; spätere Ausgaben endigen mit jener des Königs Friedrich des 1. ( Förfter.) ,,Ich habe nichts entstellt ," sagt Friedrich in der Zueignung an den Kronprinzen,,,ich habe die Fürsten Ihres Hauses so dargestellt , wie sie waren. Der nåmliche Pinsel, der die bürgerlichen und militärischen Tugenden des großen Chur. fürsten malte , zeichnete die Fehler des ersten Königs von Preußen , und jene Leidenschaften , welche in der Folge der Zeit dieses Haus zu dem Punkte des Ruhms erhoben, auf den es gelangt ist. Ich habe Fürsten, Verwandte, wie gewöhn liche Menschen betrachtet. Weit entfernt , durch das Herrschen verführt zu werden , oder meine Uhren zu vergöttern, habe ich das Lafter an ihnen mit Strenge getadelt, weil es kein Asal auf dem Throne finden soll. Ich habe die Tugend überall, wo ich fie fand, gelobt , von mir aber selbst den Enthusiasmus abgewiesen, den sie einflößt, damit die Wahrheit einfach und rein in dieſer Geschichte herrsche." Es stehe hier noch folgende Stelle aus Geb. hard's Preisschrift ,,über den Einfluß Frieds rich des II. auf die Aufklärung und Ausbildung feines Jahrhunderts. " Man hat behaupten wol Len, daß Teutschland seine Aufklärung mehl Vol. taire , als Locke , Bayle, und allen Denkern der
246 leider nur allzubald , daß Voltaire als Schriftstel ler , und als Mensch, ein anderer war. - Der König hatte ihn mit Geschenken und Auszeichnungen überhäuft , ihm den Verdienstorden , den Kammerherrnſchlüſſel und eine Pension von 20,000 Livres ertheilt, eben so freye Tafel Equipage. „ Wir has ben unter den Freunden Friedrich's einen Mann nicht genannt," sagt Förster , der vor allen an deren wegen der überlegenheit seines Genies von ihm geachtet wurde , den er aber allen andern nachsezte, wo es das Gemüth des Freundes galt. Vola taire's Ruhm leidet gewiß dadurch keinen Abbruch, Britten und Franzosen zu danken hat, well jener durch seinen glänzenden Wig allgemeiner ges fiel; es überhaupt leichter ist , das Alberne und Abgeschmackte eines Vorurtheils dunkel zu fühlen, als das Widersprechende und Schädliche deutlich einzusehen , und er in seinen Schriften , wie in seinen Unterredungen , nicht blos etwas zu lachen, fondern auch etwas zu denken gab. Es iſt ſchirer, hierüber zu entscheiden . Locke und Bayle hatten ihren Werth, und Voltaire auch ; jene hatten ite Publikum , die ernſten Denker ; ~ und dieſer auch), die Männer von Geist und Wig, und die Lacher, an welche sich denn der große Haufe derer anschloß, die weder denken , noch lachen , sondern ſich"klog die Zeit verkürzen , oder doch auch sagen wollten, daß sie ihn gelesen hätten . Doch , man räume Voltaire den ersten Plag ein ; man halte ihn, mit seinem erhabenen Berehrer , für das allges minste, glänzendste Genie , vor dem sich Ules beugen muß für die aufgehende Sonne feines Jahrhunderts, welche in dem dicken Dunket Teuſchtands trahite ; - wer hat die Teutschen mit Vol-
247daß er sich nicht immer gegen Friedrich so betrug, . wie dessen zuvorkommende Achtung gegen ihn es verdiente ; gewiß aber würde Voltaire noch gewinnen, wenn wir diesen Flecken in seinem Leben nicht wüßFriedrich eröffnere den Briefwechsel mit ten. Voltaire 1736 ; er sah ihn zuerst in Cleve , wohin Voltaire 1740 kam ; noch in demselben Jahr besuchte er den König. in . Berlin auf einige Tage . Er kam 1743 wiederum auf kurze Zeit nach Potsdam , und taire bekannt gemacht ; wer hat mehr zu seinem fo allgemeinen , so großen und ſo gegründeten Ruhme, und zur Verbreitung seiner Schriften an alle Höfe, in alle Provinzen und Gegenden, bengetragen, als der König ? Würde der von seinen Landsleuten verfolgte, von der Geistlichkeit vers dammte , und aus seinem Vaterlande mehr als einmal flüchtig gewordene Voltaire wel jemats in Teutschland, wo er anfänglich gehaßt und verab scheuet wurde, ein so allgemeines Aufsehen erregt haben, so allgemein gelesen , bewundert und ges priefen worden seyn, wenn ihn Friedrich nicht an leinen Hof gerufen, zu ſeinem gelehrten Ges fellschafter gewählt , und auf eine so ausgezeichnete Weise sich um seine Freundschaft beworben håtte? Voltaire war bey Weitem noch nicht Voltaire, als er nach Teutschland an diesen Hof kam, aber hier ward er es. Der Funke des wahren Genies lag freylich in ihm ; aber es gehörten die reine Luft der Geistesfreyheit , die sanfte Barme einer beneidenswerthen Freundschaft und Bewuns derung , das Reiben des feinſten Wiges , des Widerspruchs die Abendgesellschaften des Königs bazu , um ihn hervorzulocken, und bis zur hellsten Flamme anzufachen.
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.erst nach dem Tode der Marquise du Chatelet nahm er die oft an ihn gerichtete Einladung des Königs auf långere Zeit an. Er lebte mehre Jahre , 1750 bis 1753 , in Potsdam und Berlin bey dem Könige, den er auf vielfache Weise beleidigte und beunruhigte, den Juden auf Pfänder lieh , mit fächsischen Steuerscheinen spekulirte , und in alle diese unangenehmen Håndel den König zu verwickeln suchte, der ihn erst freundlich, dann ernsthaft zurechtwies. Er schrieb ihm (Potsdam , 24ten Febrnar 1752) , da sich Voltaire noch bey ihm befand : „Ich. nahm Sie mit Vergnügen bey mir auf, ich schäßte Ihren Geist, Ihre Talente, Ihre Kenntnisse , und mußte glauben, ein Mann von Ihrem Alter sey müde , mit den Schriftstellern Federkriege zu führen , er komme also hierher, um , wie in einem sicheren Hafen , eine Zuflucht zu suchen. Aber gleich anfangs verlangten Sie auf eine ziemlich sonderbare Art, ich möchte Freron nicht zu meinem literarischen Correspondenten wäh len. Ich war so schwach oder so gefällig , es Ihnen su bewilligen, ob es gleich nicht Ihre Sache war, zu bestimmen , wen ich in meinen Dienst nehmen follte. Sie sind bey dem ruſſiſchen Gesandten gewesen , um mit ihm über Angelegenheiten zu reden , die Sie gar nichts angehen ; und man hat geglaubt , ich hätte es Ihnen aufgetragen. Sie hatten die hiß.. lichste Sache von der Welt mit dem Juden , und erregten in der ganzen Stadt ein schreckliches Aufsehen. Die Geschichte mit den sächsischen Steuerscheinen ist in Sachsen so bekannt , daß man sich sehr hart bey mir beklagt hat. Ich für meinen Theil habe bis zu Ihrer Ankunft in meinem Hause mir den Frieden
249 erhalten , und sage Ihnen , daß, wenn Sie Cabalen und Intriguen lieben, Sie sehr an den unrechten Mann gekommen sind. Ich liebe sanfte und friedliche Leute, welche die heftigen Leidenschaften des Trauerspiels aus ihrem Betragen verbannen. Können Sie sich entschließen , als Philosoph zu leben , so werde ich Sie mit Vergnügen sehen ; überlassen Sie sich aber Ihren ungestümen Leidenschaften , und suchen Sie an Jedermann Händel , so wird mir Ihr Besuch gar nicht angenehm ſeyn.“ -- Voltaire gewann den Prozeß gegen den Juden , und schrieb darüber dem Könige; diefer antwortete ihm : „ Ich höre hier gar nichts von Prozessen , auch von den Ihrigen nichts. Ich hoffe , Sie werden künftig weder mit dem alten, noch mit dem neuen Testamente Händel haben. Der: gleichen unanständige Streitigkeiten entehren immer, und Sie würden mit den Talenten des ersten schönen Geistes in Frankreich doch die Flecken nicht verbergen, die ein solches Betragen Ihrem Ruf am Ende zuzöge. Ein Buchhändler Goffe , ein Violonist aus der Oper, und ein jüdischer Juwelenhåndler , sind in der That Leute , deren Namen in gar keinem Fall neben dem Ihrigen stehen müßten. Ich schreibe Ihnen diesen Brief mit dem hausbackenen Verstande eines Teutschen, der das fagt , was er denkt , ohne sich uneigentlicher Worte und entkräftender Milderungen zu bedienen , durch welche die Wahrheit nur entstellt wird. Es ist nun Ihre Sache , ihn zu nügen .” Wir sehen, wie Friedrich, so sehr er dem Genie huldigte , vor allem darauf hielt , daß Der schuldige Anstand nicht verlèzt werde. Wie er selbst in Allem Maas hielt , so verlangte er dies von seinen
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Umgebungen; auch blieben die anderen Freunde in ihren Grenzen , nur Voltaire nicht. Er schrieb eine Satyre gegen Maupertuis , den Präsidenten der berliner Akademie ; der König lachte darüber , aber verbot, fie bekannt zu machen. Voltaire ließ sie den noch drucken ; worauf der König ihm die harten Worte schrieb : „Ich erstaune über Ihre Unverschämtheit. Nach allem , was Sie gethan haben , und was so klar ist, wie die Sonne , läugnen Sie noch ; ans flatt zu gestehen , daß Sie strafbar sind ! Bilden Sie sich nicht ein , die Leute würden sich von Ihnen überreden lassen, schwarz sey weiß. Man sieht nicht immer , weil man nicht immer sehen will. Aber wenn Sie die Sache auf's Äußerste treiben , so lasse ich Alles, drucken , und es wird sich zeigen, daß wenn Sie für Ihre Werke Ehrensäulen vers dienten , für Ihr Betragen Ketten werth wären." Voltaire mußte sich auch diesesmal den König mieder zu verföhnen, und unterzeichnete folgende Versicherung: "Ich verspreche Seiner Majestät, daß ich, so lange dieſelben die Gnade haben , mir Wohnung im Schlosse zu geben , gegen Niemand schreiben will , weder gegen die französische Regie rung und gegen die Minister , noch gegen andere Souveräne, oder gegen angesehene Gelehrte, sondern daß ich diesen immer die Achtung erweisen werde, die ihnen gebührt. Ich werde Sr. Majestät Briefe nicht mißbrauchen , und mich so betragen , wie es sich für einen Gelehrten schickt , der die Ehre hat, Sr. Majestät Kammerherr zu seyn , und der mit rechts lichen Leuten lebt. Potsdam , den 27ten November 17524 も
251 Das Verhältniß konnte aber nicht wieder ausgeglichen werden ; Voltaire reiste zurück, der König ließ ihm in Frankfurt den Kammerherrnschlüffel, und Briefe und Gedichte , die er ihm zur Durchsicht anvertraut hatte , abnehmen. Während des siebenjährigen Krieges richtete Voltaire öfters Gedichte an den König , und als er ihm schrieb : ,, Sie vergaßen , daß ich ein Mensch war , hatte er Friedrich so mit sich versöhnt , daß ihm dieser nun wieder den ganzen Krieg hindurch ununterbrochen bis an seinen Tod schrieb. „Hätten Sie mir das," antwortete Friedrich,,,womit Sie Ihren Brief schließen , vor zehn Jahren gesagt , so Ohne Zweifel haben die måren Sie noch hier. Menschen ihre Schwachheiten , und Vollkommenheit gehört nicht zu ihrem Erbtheil ; auch ich empfinde das, und bin überzeugt , wie unbillig man ist , wenn man von Andern etwas- fordert , was man ſelbſt nicht er füllen und erreichen kann. Damit hätten Sie an fangen follen, so wäre alles andere überflüßig genes fen, und ich hätte Sie , troß Ihren Fehlern , ge= liebt , da Ihre Talente groß genug find , um einige Schwachheiten zu bedecken." Erinnerte der König auch zuweilen noch an die Mißverhältnisse, so sprach er dabey doch aus , daß Alles vergeben und vergeſſen Ich für mein Theil (schreibt er 1759 ) versey. zeihe Ihnen wegen Ihres Genies alle die Intriguen und Caba´en , die Sie mir in Berlin spielten , alle Libelle aus Leipzig , und Alles , was Sie gegen mich sagten oder drucken ließen. Es war stark, hart und viel ; indessen habe ich nicht den , geringsten Groll mehr."
252 Das schönste Zeugniß , wie sehr er das Vergangene vergessen , legt der König in der Antwort ab, die er den Mitgliedern der Akademie 1770 zu Paris ertheilte , auf die Einladung zur Theilnahme an dem Denkmal, das man Voltaire noch bey seinem Leben errichtete. Indem auch wir jene Mißverhältnisse vergessen wollen , und in Voltaire nur den großen Geist ehren , der den Lorbeerkranz , den er im Thea ter erhielt , nicht so hoch achtete , als den Zuruf eines Fischwebes , die ihn ,,den Vertheidiger des unglücklichen Calas nannte , so mag hier die ers wähnte Antwort Friedrich's stehen : " Voltaire's schönstes Ehrendenkmal ist dasjenige , welches er ſich selbst errichtet hat ·--- seine Schriften *). Sie werden *) Sehr wahr ! - Sollte Teutschland aber dem großen Friedrich nicht ebenfalls ein solches schönes Ehrendenkmal ( wie er ſelbſt ſagt) durch eine getreue und vollſtåndige Ausgabe feiner sämmtlichen Schriften , oder doch wenigstens durch einen zweckmäßigen und geiſtigen Auszug aus den= ſelben, zu gründen endlich gegen die Maven jeñes Königs für Pflicht halten, dem dasselbe so Bieles zu verdanken hat ?! y Bekanntlich sind alle Edis tionen, welche wir hie von besißen, unvollständig, und gerade die intereſſanteſten Theile fehlen. Zwas ſollen die dazu herausgekommenen Nachträge jene Lücken ergänzen , aber abgeſeten davon , daß ſie blos überaus wenig des Fehlenden liefern , ist noch besonders zu berückſichtigen, daß meistens die Hälfte des Inhalts nicht im Entferntesten von Fried. rich herrührt, und alſo dadurch nur falsche Uns sichten über ihn verbreitet werden, indem man ihn Gedanken aussprechen läßt, welche ſeinen Grundfågen oft geradezu widersprechen.
253 langer dauern, als die St. Peterskirche in Rom, als das Louvre , und als alle Gebäude , welche die Eitelkeit der Menschen für die Ewigkeit aufführt. Man wird nicht mehr französisch reden , wenn Voltaire noch in die dem Französischen folgende . Sprache wird überſezt werden. Indeſſen könnte ich , voll des Vergnügens , welches mir seine so mannigfaltigen Geisteswerke , wovon jedes in seiner Art so vollkommen ist, Es stehe hier noch folgende Stelle aus dem 7. Bande (5, Heft) des Sophronizon : ,, Durch gang England erblickt man wenigstens ein wol kennbares Thonbild von Shakespeare , wie einen Nationalheiligen, in jeder Dorfschenke, besser noch auf jedem Gemeindehaus u . bgl . Aber zugleich find seine Worte , wie Gottessprüche, in jedem Munde , weil die Ubdrücke feiner Werke sich um wenige Schillinge verbreiten. Solche stereotypis fchen Ausgaben sind die Denkmale der Klas= siker eines Volks. Solche Thonbilder bes. weisen am meisten , daß ein Volk seiner Edeln überall eingebenk ist Friedrich des Einzigen Gestalt, in wie viel tausend Gypsfiguren begegnete fie uns vor Jahren, in Zeiten, wo jeder Zug von Ihm seine Preußen stolz machte. Nur daß das mals nicht eine ächte Ausgabe seiner Geistesdenkmale zum allgemeinen Nationalgut gemacht wurde, war gewiß die Veste Vorbedeutung nicht. (Möchte fie nach dem Plane von Förster endlich doch ers folgen , da gewiß die durch Ekstasen mißleitete Teutschheit jest wol begreift , wie wenig fie in Ihm den Franzosen zu hassen Ursache hatte !!! Da der Herausgeber der gegenwärtigen Schrift schon früher das Bedürfniß einer getreuen Edition der Geistesdenkmale Friedrich's erkannte , Fo erlaubte sich derselbe , hierauf den Herausgeber 9 Friedrich d. Einz. II,
254 verschafft haben , fönnte ich nur als ein Undankbarer mich Ihrem Antrag entziehen , etwas zu dem Denkmale beyzutragen , welches die öffentliche Dankbarkeit ihm errichtet. Sie dürfen mich nur wissen las sen , was man von mir fordert ; ich werde nichts zu dieser Statue verweigern, die den Gelehrten, welche sie ihm weihen , mehr zur Ehre gereichen wird , als Voltaire selbst. Man wird sagen , daß in dieſem
des Sophronizon , feinen erhabenen Gönner und Freund (den geheimen Kirchenrath Herrn Dr. und Prof. Paulus), um Erklärung zu bitten , wie er glaube , daß eine Ausgabe dieser Werke am zweckmäßigsten geliefert werden könne. Hier Die Schrift von Förster über die Antwort : Friedrich's Jugend u. s. w . sollten Sie allerdings erst betrachten. Sie zeigt , wie nöthig es wäre, erst das Original der Werke Friedrich's zu Mir scheint , das blos Berlin zu vergleichen . Historische der Werke (z . B. das Meiste von dem fiebenjährigen Krieg ) erhält gegenwärtig wenig Aufmerkiamkeit. Aber die Gedanken . Ich würde also zu einem ,,Geist der Werke Friedrich des II." rathen, wo man alles aufnehmen könnte, was sta: tistisch, historisch und philoſophisch sich einleuchtend und verleuchtend zeigte ; sonst wird durch die Quans tirät die Wahre Frucht erstickt. Wer Friedrich als velle studiren will, liest doch das Original im Zusammenhang. Aber ein geistiger Auszug (auch aus der Correspondenz) , wenn jedem Artis kel eine Ueberschrift gegeben und an iprem Ente, wo sie im Original zu finden seyen, angezeigt wird, kann sehr interessant werden. Oft könnte man Brief und Antwort zugleich ( aber wörtlich, was den Punkt betrifft) excerpiren, "
255 achtzehnten Jahrhundert, wo sich so viele Gelehrten aus Neid auf's bitterste verunglimpfen , man auch noch Gelehrte fand , die edel und großmüthig genug dachten , einem Namen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen , den sein Geist und seine Talente über alle Jahrhunderte erheben ; daß wir es werth waren, Voltaire zu befigen , und die fernste Nachwelt wird uns noch diesen Vorzug beneiden . Fahren Siz also fort, meine Herren , diejenigen zu ſchätzen und zu ehren , die sich denselben widmen , und die in Frankreich das Glück haben , Beyfall zu verdienen. Dies wird für Ihre Nation das Ruhmvollste seyn . was Sie thun können , und was derselben vom künf tigen Jahrhunderte Verzeihung erwerben wird für einige gothische und welsche Handlungen , welche leicht Ihrem Vaterlande Schande bringen könnten."/ (Die Schlußworte des Königs beziehen sich auf die Behandlung , die Voltaire von den Doktoren der Theologie und den Priestern in Paris , auf deren Seite der Hof war , erfuhr. Während ihm die Ber-. ehrer Bildsäulen errichteten , verbrannten jene feire Schriften, verweigerten ihm sogar nach seinem Tede, ob er gleich einem katholischen Geistlichen gebeichtet hatte , ein Grab in Paris ; ja fie erlaubten nicht einmal , daß seine Freunde der Akademie ihm eine Messe lesen lassen durften. Diese wendeten sich nun mit ihrer Bitte an den Schußherrn der freyen Geis ſter , und sie mußten , daß Friedrich Macht hatte, das zu gewähren , was der Papst und der Erzbischof von Paris verwehrten. Der König sagte ihnen fo gleich zu , die verlangte Meſſe , in der katholischen Kirche in Berlin lesen zu laſſen. Wirklich ließ 9
256 Friedrich ein feyerliches Hochamt für Voltaire in Berlin halten, und stattet darüber scherzhaften BeWas Voltaire betrifft , fo richt nach Paris ab : stehe ich Ihnen dafür , daß er nicht mehr im Fegfeuer ist ; nach dem öffentlichen Todtenamt , das für die Ruhe seiner Seele feyerlichst in der katholischen Kirche zu Berlin begangen worden ist , muß Frankreichs Virgil jezt in Glorie ftrahlen. Der Haß der Theologen kann ihn nicht hindern , in den elysäisten. Gefi'den , in der Gesellschaft des Sokrates , Homer, Virgil, Lufrez 7 zu lustwandeln ; dort geht er , mit einer Hand auf Bayle's Schulter geftüßt und mit der andern auf Montaigne; er wirft einen Blick in die Ferne, er sieht dort die Päpste , die Cardinåle, die Schwärmer , die Strafen eines Irion , eines. Tantalus , eines Prometheus und aller berüchtigten, Verbrecher des Alterthums im Tartarus erleiden. Wären die Schlüſſel zum Fegefeuer bloß in den Hånden Ihrer französischen Bischöfe, so wäre für Voltaire alle Hoffnung verloren gewesen ; allein durch Hilfe des Diedrichs , den uns die Messen für die Ruhe der Seelen verschafft haben , hat sich das Schloß geöffnet , und er ist glücklich herausgekommen; zum Troße der Beaumont , der Pompignon und ihres ganzen Anhangs. " — Auch in der Cathe drale von Breslau wurde für Voltaire ein feyerliches Todtenamt gehalten.) *)
*) Wir hielten es um so mehr für nothwendig , die Verhältnisse zwischen Friedrich und Voltaire in ihrem Zusammenhange hier mitzutheilen , als nicht blos die Anhänger des legteren, sondern auch
257 Ein Seelenfreund des Königs war der Marquis d'Argens, ein gelehrter Franzose , der früher französischer Offizier war , hernach in Berlin lebte. Jhm theilte der König am offenherzigsten seine Noth mit, und zugleich suchte er bey ihm wissenschaftliche Erholung , die ihm immer desto größeres Bedürfniß war, je mehr die harten Schläge des Schicksals ihn trafen. und bey keinem der Gelehrten , die Friedrich in den ersten 15 Jahren seiner Regierung um sich hatte, und die er mit Wohlthaten überhäufte, fand er die herzliche Freundschaft , die ermunternden , bescheidenen Scherze, und dadurch den großen Ersatz für das jenige , was er ihnen geben konnte , als bey d'Argens, Dieser wußte immer zur rechten Zeit gegen den Wih des Königs seinen Wig spielen zu lassen , aber auch wieder zurückzuhalten , wenn derselbe nicht in der Laune war, sich Repartien sagen zu lassen. Der französische Philosoph schmollte auch wol öfters einige Tage, und stellte sich dann krank, wenn Friedrich aufKosten seiner Schwachheiten sich zu sehr beluftigt hatte; er konnte aber dem einladenden Könige , der ihm immer wieder mit offenen Armen entgegen kam, und seiner auffahrenden provenzalischen Lebhaftigkeit treuherzig verzieh, nie lange widerstreben. Wenn fich ehrliche Männer mit einander aussöhnen , dann gewinnt meistentheils die Freundschaft. Jenes war nicht der Fall mit Voltaire, der , wie d'Argens sich
jene Menschen, welche Alles zu sich, in die eigene Niedrigkeit , herabzuziehen suchen , gerne durch diesen Punkt dem großen Könige gern einen Flecken aufbürden möchten.
258 ausdrückte, falsch war , wie ein alter Affe, deffen Liebe zwar der König sich aus allen Kräften zu verz fichern suchte , aber im Grunde doch nie besak. D'Argens aber lebte 30 Jahre um den König , und machte ihm nie das geringste Mißvergnügen , als zuleht dadurch , daß er ihn verließ und nach Frank. reich zurückkehrte. -- Während des siebenjährigen Kriegs erhielt er fast mit jedem Posttage , zuweilen sehr lange , Briefe vom Könige. Diese mußten dem ehrlichen d'Argens das wichtigste Unterpfand von dem Vertrauen seines gefrönten Freundes seyn , da sie nicht nur in der Sprache des Herzens die jedesmalige Lage und Denkart desselben bey Glück und Unglück enthielten, sondern auch in einem Zeitpunkte geschrie ben waren , wo Friedrich mit halb Europa für die Aufrechthaltung seiner Staaten rang. D'Argens vergalt diese hohe Werthschäßung durch die strengste Verschwiegenheit dessen , was er ihm vertrauet hatte, und schrieb ihm tröstende und warnende Antworten, welche die wärmste Liebe und innigste Theilnahme an Friedrich's Schicksalen verrathen. Er verwahrtë dessen Briefe so sorgfältig , wie der Priester Reliquien im Altare ; ja , man hat bemerkt, daß er sie oft bey verschlossenen Thüren , aber dann mit ent blöstem Haupte , las, und nur von den freudigen Schicksalen des Monarchen , beym ersten Ausbruch des Entzückens , seinen Busenfreunden etwas ent= deckte. Dies war die einzige Schadloshaltung bey fiebenjähriger Abwesenheit des Königs , der ihm indessen sein Sans souci wie sein Eigenthum zu bes wohnen befohlen hatte. Er war der einzige Fran= sofe unter allen, die um Friedrich waren , Der
259 sich um teutsche Literatur und Kunst bekümmerte, auf ihre vortheilhafte Nevolution denselben aufmerk, sam machte , und am Ende , wegen seines langen Aufenthalts in Teutschland , sogar die Ehre haben wollte , ein Teutscher zu heißen. Es war Hauptzug in seinem Charakter , als Philoſoph Alles zu bezweifeln , als Mensch aber im gesellschaftlichen Leben Alles zu glauben. Dieser verträgliche Philofoph am. Throne fällte auch die richtigsten Urtheile über die übrigen gelehrten Gesellschafter seines gekrönten D'Arget, Sekretär des Königs, war Freundes. J ein ehrlicher Mann , dem aber der Aufenthalt am Hoe zur Last fiel , und der sich nach Frankreich zu rücksehnte; er ſchäßte den König hoch, aber liebte ihn nicht. De id Mettrie, der seine lebhafte Phantasie durch den Trunk verwirrte , bezeigte sich am unwürdigsten gegen den Monarchen ; er plauderte nicht nur in der Stadt aus , was an des Königs Tafel war geredet worden , sondern entstellte auch solche Nachrichten durch allerley hämische Zufäße. Er verdiente also die Achtung nicht , welche ihm der König in einer nach seinem Tode verfers tigten Lobschrift beweist. - Weit mehr Werth hatte jedoch, selbst in Friedrich's Augen, Alga= otti, der sich in der Geſellſchäft eines Monarchen von so viel Geist sehr wolgefiel. Allein auch dieser feine Politiker sah mehr auf das Ansehen , welches ihm des Königs Freundschaft gab, als auf dankbare Gegenliebe, welches der Monarch am Ende auch merkte. Es wäre ihm daher allerdings eine redlichere, herzliche Erwiederung seiner Freundschaft zu wünschen gewesen , indem außer d'Argens wool nur
260 der früh verstorbene Suhm unter allen Bekannten und Gesellschaftern des Königs eine , der feinigen gieichkommende, Gemüthlichkeit besaß. Was er aber bey jenen Fremden fo selten fand , uneigennúð sige Liebe und gefälliges Nachgeben , wenn sich je suweilen seine Laune oder , bey den großen Regie rung aften , sein Mißmuth etwas gegen sie übernahm, das fand er reichlicher bey seinen Unterthanen, nicht nar in den Residenzen , sondern auch in den Provin sen, die er in der Friedensperiode fo vielfältig be suchte. In diesen reiste er mit bewundernswürdiger Geschwindigkeit umher , und achtete weder Hiße, noch Frost. Allenthalben nahm er die Bittschriften seiner Unterthanen gnådig an , untersuchte ihre Be schwerden , ihren Wohlfand und übelstand , ſammt den Ursachen von beiden; ferner das Betragen der Rentbeamten und Richter ; dann musterte er in wo nig Augenblicken etliche Regimenter , und flog , wenn kaum das Geschäft in dieser und jener Stadt abgethan war , mit gleicher Schnelligkeit weiter. Keine zeitverderbende Feyerlichkeit , keine schmeichle rischen Mai: reffen , feine mörderischen Parforcejagden , hielten ihn auf. Er schien nur gekommen zu feyn , um den Unterthanen zu zeigen , daß sie noch einen theilnehmenden Vater - und den Beamten , daß sie noch einen Richter haben. Und so belebte Friedrich's Anwesenheit, forol in den nächsten, als entferntesten Gegenden , Alles, wie Strahlen der wohlthätigen Sonne. Bald war er in Schlesien gegenwärtig, bald in Pommern, bald im Magdeburgschen, bald in den westphälischen Ländern , baid in Oftfriesland , bald in irgend einer 1 anderen Gegend,
261. die, ob sie ihn gleich weniger , als Schlesien , anlachen mochte , doch immer Intereffe genug für den sorgsamen Landesvater hatte , um dieselbe nie hintan zu sehen. Auf einer solchen Reise in seine Staaten machre er auch einen Besuch zu Amsterdam ( 1752) , nur von einem Offizier und einem Pagen begleitet. Es gefiel ihm daselbst vorzüglich die Gemäldesammlung des Kaufmanns Bramkamp. Als er in das Haus desselben kam , der gerade abwesend war , so wollte ihn dessen Frau nur unter der Bedingung , daß er seine Schuhe vor der Thüre ausgezogen siehen ließe, in einem Zimmer auf ihren Mann warten lassen. Bramkamp erschrack bey seiner Ankunft über diese unhöfliche Zunöthigung , und bat um Gnade. „ Warum gaben sich Ew. Majestät nicht zu erkennen ?" Ich mich zu erkennen geben ! O dafür habe ich mich wol gehütet, weil mich der König von Preußen vor dem kleinen Zeremoniel gewiß nicht geschüßt hätte." Nun mußte die Frau kommen , und sollte ihre Thorheit abbitten. Allein dazu hatte sie keinen Sinn. Was, bey meiner Treu !" rief sie aus,,,ich kann. nicht helfen. Es müssen Könige und Königinnen Daran. Ziehe ich ja selbst die Schuhe ab, ungeachtet Das Zimmer mein Eigenthum ist." - ,,Vollkommen recht," antwortete der König, und wendete sich zum Kaufmanne. Sehen Sie da , mein Herr , ich wußte es wol , daß nur die unerkanntheit und Folgsamkeit dem Könige von Preußen eine Demüthigung ersparen würde !// Wir nahen uns nunmehr jener wichtigen Epoche, in der Friedrich's Geschicklichkeit und Muth auf
262 eine harte Probe gestellt ward ; in welcher aber sein bewundernswerthes Genie , unerschütterlich und unbeugsam bey allen Schläzen des Schicksals , sich zu einem so außerordentlichen Glanze erhob, und immer, je höher die Noth und Gefahr stieg , desto größer und erhabener sich entfaltete. Im Jahre 1754 zählte das preußische Heer 213 Schwadronen oder 31,496 Mann Cavallerie , und 140 Bataillone oder 119 834 Infanterie und Artillerie, zusammen also über 152,300. Soldaten. Der König selbst schrieb einen Unterricht in der Kriegkunft für ſeine Generale , welche Schrift. nicht allein die für die besten gehaltenen Regeln und Vecbachtungen , sondern auch manche lehrreiche Be= merkungen über die lehten Kriege jener Zeit enthält. „Ich will ſelbſt meinen Feldzug von 1744 aufopfern, “ fagt Friedrich,,,und bekennen, daß ich bey verschiedenen Fehlern einige gute Sachen gemacht habe, wie die Belagerung von Prag , den Rückzug und die Vertheidigung von Collin , und endlich den Rückzug nach Schlesien. Ich verlange davon nicht weiter zu reden, fadern nur von den unglücklichen Ereignissen, gegen die weder die menschliche Vorsicht, noch eine reife überlegung etwas ausrichten können. Und da ich allein für meine Generale ſchreibe , so will ich keine anderen Beyspiele anführen , als die, welche mir be gegnet find.". ...Indem ich," fährt der Monarch fort, gewiffe Regeln von den Schlachten gegeben . habe, fann ich nicht vergessen , daß ich sie aus Unvor fichtigkeit oft übertrat. Meine Offiziere müssen sich vor meinen Fehlern hüten, und wiffen, daß ich bedachtbin , sie abzulegen .“
Fünfter
Abschnitt.
Wiederausbruch des Kriegs. - Preußens großer König bleibt in einem sieben Jahre lang von mehr denn halb Europa mit Erbitterung gegen ihn geführten Kampfe unbesiegt. Durch Feldherrntalent , Genie, treffliche Anwendung jedes ihm zu Gebote stehenden Mittels, und Standhaftigkeit, bietet er allen feinen Feinden : dem übermächtigen Oestreich , dem ungeheueren Rußland, ferner Frankreich, Schweden, Sachsen und fast dem gesammten Reiche, die Spige. Der Friede von Hubertsburg endigt den sieben; jabrigen Krieg. (Vom August 1756 bis zum Februar 1763.)
Den Verlust eines so schönen Landes , als das Herzogthum Schlesien war , konnte Maria Theresia unmöglich mit Gleichgültigkeit ertragen. Sie hatte den Frieden zu Dresden geschlossen , weil fie , verfaffen von dem Kriegglück, und in mancher Beziehung auch von ihrem wichtigsten Bundesgenossen , dem Könige von Großbritannien , gewissermaßen dazu ge= nöthiget war. Allein sie hatte dadurch der süßen Hoffnung nicht entsagt , sich dieses schöne Land bey der ersten günstigen Gelegenheit wieder zu erwerben.
264 Noch war kein halbes Jahr nach dem Schluſſe des Friedens verflossen , als sie , den 22ten May 1746, ein Vertheidigung-Bündniß mit der Kaiſerin Elisabeth von Rußland schloß. Diesem Bündnisse waren 6 geheime Separatartikel angehängt , wovon der 4te ein förmliches , wiewol freylich nur auf bestimmte Falle eingeschränktes , Offensiv - Bündniß gegen den König von Preußen enthielt. Darin sagte zwar die Kaiserin Königin auf's Neue die unverbrüchliche Becbachtung des dresdener Friedens zu , erklärte aber zugleich, daß sie sich nicht nur für den Fall , wenn der König von Preußen sie selbst , sondern auch alsdann , wenn er Polen oder Rußland feindlich angrei fen würde , ihrer Pflicht für entledigt halte , in welchen Fällen dann ihre Rechte auf Schleßen und Glaß, folglich auch die von russischer Seite erneuerten Garantien, zu ihrer vorigen Kraft und Wirkung gelangen würden. Beide kontrahirenden Theile vereinigten sich daher , daß sie in diesem unerwarteten Falle die gedachte Garantie ohne Verzug nach ihrem ganzen Inhalt erfüllen, und zur Abwendung eines solchen Angriffs , und um die im Frieden zu Dresden abge= tretenen Provinzen wieder zu erlangen , gegenseitig 60,000 Mann stellen wollten. Es wurde auch ſogleich der Plan entworfen , nach welchem die kontra= hirenden Mächte zu Werke gehen wollten. Zuerst ſollte jeder Theil auf der Seite seiner eigenen Staaten in das Land des Königs von Preußen einfallen, und auf diese Art dessen Macht theilen und schwächen ; hierauf sollten die Armeen beider Mächte sich vereinigen, und die Operationen gemeinſchaftlich mit einander fortsegen.
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So geheim man auch diese Artikel hielt, fo konnte man doch nicht hindern , daß sie nicht endlich dem Könige von Preußen bekannt wurden. Das Geld, dieses allmächtige Zaubermittel , welchem ei serne Schlösser und Thore sich öffnen , schloß auch dieses Geheimniß auf. Ein von seinem Gläubiger gedrängter fursächsischer geheimer Canzellist Menzel. theilte dem preußischen Gesandten zu Dresden, gegen ungefähr 3000 Thaler , die er nach und nach erhielt, Abschriften von allen jenen Depeschen mit , welche der kursächsische Hof von Wien und Petersburg erhielt. Aus diesen Papieren entdeckte Friedrich den Plan, der gegen ihn entworfen war. Auch den König von Polen und Kurfürsten von Sachsen hatte man schon zu Anfang des Jahres 1747 zum Beytrit eingeladen, und er zeigte sich nicht abgeneigt, auch Theil an der Verbindung zu nehmen ; nur wünschte er , daß man zu seiner Sicherheit bessere Maasregeln nehmen, und ihm von den Eroberungen, welche man machen würde, etwas mehr zugestehen möchte , als man ihm ehmals im leipziger Bündniß vom 18ten May 1745 zuge dacht hatte. überhaupt schien er nur den Zeitpunkt erwarten zu wollen , wo er mit weniger Gefahr mitwirken könnte. Noch eh' das Daseyn dieses Planes zur Kennt niß des Königs von Preußen gelangt war , hatte sich indessen das politische System der europäischen Mächte auf eine äußerst unerwartete Weise geändert. Maria Theresia hatte durch die legten zwey Friedenschlüsse zu Dresden und Aachen nicht nur Schlesien zum zweytenmale , sondern auch in Statien Parma und Piacenza verloren ; und sie legte diese schmerzliche 10 Friedrich d. Einz, II.
266 Verminderung ihrer Macht nicht mit Unrecht nie mand anderem zur Last , als dem Könige von Großbritannien , der zuleht ihren Vortheil dem seinigen aufgeopfert hatte. Dieses erzeugte in ihr eine ge= wiffe Kälte gegen den Hof zu London , und den Wunsch, mit irgend einer anderen Macht in Verbindung zu treten , durch welche sie ihren Vortheil beffer finden dürfte. Ihr Minister , der Graf von Kaunis Ritiberg , verfiel zuerst auf den Gedanken, die Anknüpfung eines guten Verständnisses mit der Krone Frankreich zu versuchen , und eben dadurch diese Macht von ihrer bisherigen Verbindung mit Preußen abzuziehen. Schon bey dem Congreffe zu Aachen soll er sich gegen den französischen Gesandten, Grafen von St. Severin , geäußert haben , daß, wenn Frankreich sich mit dem Hause Östreich verstehen wolke , zwischen beiden Höfen wol eine vortheilhafte Verbindung statt finden könnte , und dem Könige von Frankreich Flandern und Brabant ganz abgetreten werden dürfte , wenn er der Kaiserin Königin zur Wiedererlangung Schlesiens beförderlich sepn würde. Eine Verbindung Frankreichs und Östreichs, welche bisher gleichsam geschworene Erbseinde gegen einander gewesen waren , schien damals nicht nur dem Grafen von St. Severin und allen Franzosen, fondern auch allen Politikern in Europa, eine Chimåre zu seyn. Allein Kaunis , der bald hierauf, als Gesandter der Kaiserin Königin , an den Hof von Versailles kam , hörte nicht auf, diesen seinen Lieb lingsplan zu verfolgen , und er hatte endlich das Vergnügen, wahrzunehmen, wie weit man es durch
267 unausgesezte , unrerdroffene Vorstellungen bringen könne. Zu Versailles fing man allmålig an , eine Allianz mit Östreich nicht für unmöglich zu halten, und gegen den Hof zu Berlin kålter zu werden. Was Kaunis glücklich angefangen hatte , vollen dete der Nachfolger desselben , der Graf von Starem berg , eben fo glücklich. In geheimen Zusammen fünften mit der Alles vermögenden Maitresse des Königs von Frankreich (der Marquise de Pomp adour), welche schon Kauniß zu gewinnen gewußt hatte, und mit dem Abbé Bernis , der eigentlich durch sie an die Spihe der Staatgeschäfte war gesent worden , wurde der Plan einer näheren Verbindung beider Höfe entworfen , und die Ausführung vorbe reitet. Doch den völligen Schluß einer Allianz bes förderte die indessen vorgegangene Veränderung der Verhältnisse zwischen den beiden Königen von Großbritannien und Preußen. So viel Grund Maria Theresia zu haben glaubte , sich über den König von Großbritannien zu beklagen , eben so viel Ursache hatte Friedrich, mit der Krone Frankreich unzufrieden zu seyn , die ihn oft gegen die klare Vorschrift der Verträge in den bedenklichsten Umständen ohne Unterstügung gelassen hatte. Wie wenig man ein gegründetes Zutrauen in die Aufrichtigkeit ihrer Gesinnun= gen sehen könne, zeigte eben jest die gegenseitige Annäherung der beiden Höfe zu Versailles und Wien, welche dem Könige von Preußen nicht verborgen blieb, so geheim sie auch gehalten wurde. Es war daher sehr natürlich , daß in ihm der Wunsch aufstieg , ſich durch irgend eine andere Allianz gegen seine Feinde in Vertheidigung zu setzen , befenders da Östreich 10 *
268 sich auch an Rußland immer enger anschloß , und sein anversöhnlicher Feind , der ruſſiſche Großkanzler Bestuschew , nichts unterließ , ihn bey der Kaiserin Elisabeth recht verhaßt zu machen . Friedrich's Augenmerk fiel auf den König von Großbritannien, und zum Glück fühlte dieser ein eben so großes Bedürfniß einer neuen Allianz , da ihm eben ein Krieg mit Frankreich bevorstand. Der Zwist mit Frankreich betraf ursprünglich die Gränzen von Acadien oder Neu - Schottland in Nordamerika. Im Frieden zu Utrecht hatte Frankreich dieses Land an Großbritannien abgetreten , und zwar nach seinen alten Gränzen. Allein zum Unglück wurde nicht zugleich angegeben , wie weit sich die alten Gränzen erstreckten. Im Frieden zu Aachen blieb diese Frage eben so unbestimmt ; die Irrung wurde vielmehr noch durch den Beysaß vergrößert, daß Alles wieder auf den Fuß gefeßt werden sollte, auf dem es vor dem Kriege gewesen wäre , oder håtte seyn sollen. Kein Wunder alſo , daß die Engländer sich in dieser Gegend immer weiter auš¡ubreiten suchten . Sie legten in Acadien eine neue Stadt (Hallifar) an , und versahen sie mit Colonisten . Im Gegentheile suchten die Franzosen sich dieser Ausdehnung der Gränzen zu widersehen , und legten an der Landenge von Neu - Schottland einige Horts ám. Auch am Ohiofluffe waren die Engländer , nachdem fie eine Ohiogesellschaft gestiftet hatten , im Begriff, neue Anlagen zu errichten ; allein auch hier waren Die Franzosen , welche nicht zugeben wollten , daß ihr Louisiana und Canada dadurch getrennt werde , bes müht, ihnen durch Anlegung vieler neuen Forts,
269 neben und zwischen den britischen , entgegen zu arbeiten. Kurz , die Irrungen vergrößerten sich immer mehr , obwol von beiden Seiten Grånzkommissäre abgeordnet waren , um sie zu heben , und im July 1745 fam es zuerst zwischen beiden Theilen zu Thatlichkeiten. Die Folge derselben war endlich ein förm= licher Krieg. Der König von Großbritannien hatte bald erfahren, daß man in Frankreich damit umgehe , den Strieg auch nach seinem teutschen Lande , Hannover, zu spielen. Das beste Mittel , ein solches Ungewit ter von seinem Kurfürstenthum abzuwenden , war in feinen Augen eine Allianz mit dem Könige von Preußen. Er bot ihm daher selbst ein Bündniß an. Friedrich blieb nicht lange unentschloffen, be sonders nachdem er Nachrichten erhalten hatte, daß die Kaiserin Elisabeth von Rußland das gute Verſtändniß mit Großbritannien beybehalten werde. Da er hoffte, daß ein Bündniß mit dieser Krone nicht nur die Franzosen vom teutschen Boden zurückhalten, sondern auch das Haus Östreich zur ferneren Beob achtung des Friedens nöthigen werde , so trat er in Unterhandlung mit dem Könige von Großbritannien, die sich mit dem Schlusse eines am 16ten Januar 1756 zu Westmünster unterzeichneten Neutralitar Vertrages endigten. In demselben versprachen sich heide Theile, daß sie ihre ganze Macht vereinigen wollten, um den allgemeinen Frieden in Teutschland zu erhalten , und sich dem Ein- und Durchmarsche fremder Truppen in und durch die teutschen Provinzen zu widersehen. Welche außerordentliche Sensation die Nachcht
270 von dem Schluffe dieser Allianz am Hofe zu Versail les herporgebracht habe , ist schwer zu beschreiben. Eher hätte man sich alles in der Welt vorgestellt, als daß der König von Preußen , welchen man bisher als den jederzeit bereitwilligen Diener der Krone Frankreich, betrachtet hatte , es wagen würde , einen solchen Schritt zu thun. Doch, da er nun einmal unwiders ruflich gethan war , so forderte die Klugheit , zur Sicherheit entgegengeseßte Maasregeln zu ergreifen. Maria Theresia säumte nicht, die längst gewünschte Allianz mit Frankreich förmlich in Antrag zu bringen ; und hatte man zwar am Hofe zu Versailles in Ansehung dieses Gegenstandes noch immer unschlüßig hin und her geschwankt, so verzögerte man jeßt eine bes stimmte Entschließung nach dem Wunſche des HauſeßÖftreich keinen Augenblick weiter. Am 1ten May 1756 wurde zu Versailles ein Neutralitäts- Vertrag unterzeichnet , worin sowol die Kaiserin Königin sich verpflichtete, während des ganzen Krieges wegen der amerikanischen Gränsstreitigkeiten eine vollkommene Neutralität zu beobachten , als auch der König Ludwig der XV. von Frankreich ihr dagegen zusegre, daß er keinen ihrer Staaten angreifen wolle. Diefem Vertrage folgte an demselben Tage ein Freundfcaft und Bertheidigung-Bündniß , worin sich beide Theile zu einer gegenseitigen Garanție und Vertheidigung ihrer gesammten europäischen Staaten , und zwar mit einem Beyſiande von 24,000 Mann , verpflichteten , doch mit Ausnahme des gegenwärtigen französisch-englischen Kriegs wegen der amerikaniſchen Besihungen. Diese neue, dem bisherigen politiſchen System
271 der europäischen Mächte so ganz entgegen laufende Allianz zwischen Frankreich und Östreich gewährte, wenn man zugleich die großen , zur Wiederoberung Schlesiens angelegten , Plane des lehteren Hauses in Betrachtung jog , feine erfreuliche Aussichten für die Erhaltung der Ruhe in Teutschland. Ein neuer, unvermutheter Schlag vergrößerte noch die Besorg. niß. Die Kaiserin von Rußland , auf deren Anhäng lichkeit an Großbritannien man so zuversichtlich ges rechnet hatte , trennte sich aus Haß gegen den König von Preußen förmlich von jener Krone, und ging zur französisch-östreichischen Partey über. Anstalten sum Kriege folgten sogleich nach; in Liefland steckte man Lager ab, und eine ruſſiſche Armee von 50,000 Mann sette sich gegen die preußischen Gränzen in Bewegung. Schon machte auch der wiener Hof ähnliche Vor. bereitungen . Man schaffte Zugpferde herbey ; errichtete große Magazine , und zwey zahlreiche Heere sammelten sich in Böhmen, wovon sich eines , unter Piccolomini, bey Königsgräß , das andere, unter dem Commando des Feldmarschalls Brown , bey Prag lagerte. Um vor den Augen des Publikums nicht selbst als angreifender Theil zu erscheinen , benügte man eine Klage des Herzogs von Mecklenburg gegen den König von Preußen , welcher ein von seinem Vors fahren seit langer Zeit ausgeübtes , von dem Herzog aber neuerlich verweigertes , Recht der Werbung in Den mecklenburg'schen Landen endlich mit Gewalt geltend gemacht hatte. Diese Handlung ſellte man als eine Verlegung des westphälischen Friedens vor, und fuchte alle Garants desselben gegen ihn aufzubringen.
272 Da dieser Plan mißlang , ging man damit um , den König zu einem Bruche mit Rußland oder mit dem Könige von Polen zu reizen , und sich dadurch eine Veranlassung zu gegenseitigen Feindseligkeiten nach dem Inhalte der in dem Bündnisse mit Rußland verabredeten geheimen Artikel zu verschaffen. Kură, alle diese Umstände ſchienen anzuzeigen , daß man einen großen Plan gegen Preußen vor habe. Friedrich hielt es daher für nöthig , durch seinen Minister am wiener Hofe anzufragen , was dieſe Kriegrüßtungen zu bedeuten hätten ; und da , wie man leicht vermuthen fonnte, nur eine zweydeutige Antwort erfolgte, fo glaubte er , der ihm drohenden Gefahr zuvorkommen zu müſſen , und griff zuerst zu den Waffen, feinem Grundsaße getreu : ,,Es ist beffer, zuvorzukommen, als sich zuvorkommen zu laffen Die Verbündeten hatten damals ihre Zurüſtungen faum angefangen ; es fehlte an Geld, und die sum Kriege bestimmten Truppen lagen noch größtentheils ruhig in ihren Standquartieren , von den Pyrenden bis zum fafpischen Meere , als der König von Preußen im Monat Auguſt 1756 sich wie ein Rieſe von seinem Lager erhob, und mit 60,000 Mann in Sachsen einfiel. Die Besißnehmung dieses Landes war ihm zum Eindringen in Böhmen durchaus noth wendig ; auch wurde er dadurch Meister der Elbe, ein Umstand, der ihm große Bortheile gewährte. Alle bewaffneten Haufen zogen sich in größter Eile zurück, und die wichtigen Städte Wittenberg , Torgau und Leipzig wurden ohne Widersand eingenommen *).
*) Unsere Quellen bey Darstellung der Geschichte des
273 Dieser große Schritt war begleitet von einem Manifeste zu seiner Rechtfertigung , abgefaßt von Friedrich's eigener Hand , und von einer nicht feindseligen Erklärung seines Gesandten am sächsischen fiebenjährigen Kriegs ſind vorzüglich : 1) die Oruvres posthumes de Fredéric II. Die von dem Könige darin gegebene Erzählung der Ereigniſſe von 1756 63 kann jedoch nicht als Hauptquelle von Geschichtschreibern betrachtet werden . ,,Mehr aus der Erinnerung ," sagt Förster,,,als aus geführten Tagebüchern , wie man glaubt , schrieb Friedrich die Geschichte dieses Krieges. Das erste Manuscript soll durch die unvorsichtigkeit eines Bedienten zum großen Theil verbrannt seyn ; der König schrieb das Buch zum zweytenmal in brey Monaten fertig. So erzählt der Verfasser . von , Vie de Frédéric II. Roi de Prusse, à Strasburg. T. VII. p. 357. “ .-- Archenholz bes merkt, im Allgemeinen sehr richtig : " Man weiß den Unfall, der das ursprüngliche Manuscript des Monarchen betraf, der daher diese seiner Feder so würdige Geschichte zwar nochmals schrieb , allein, wahrscheinlich in seinem damaligen Alter nicht . mehr aufgelegt zum Nachforschen und Nachsuchen, großentheils aus dem Gedächtniß , und mit sichts barer Nachläßigkeit. Viele große Begebenheiten sind von ihm nur obenhin berührt , andere ganz übergangen worden ; an deren Stelle treten Nach richten von unbedeutenden Vorfällen , die allen Kriegen gemein sind. Auch findet man hier wes der die Charakterschilderung seiner politischen Geg ner, sowol der Fürsten, als ihrer Minister , noch der feindlichen Heerführer , noch seiner eigenen Feldherren , die auf dem Kriegtheater erschienen, und die Niemand beſſer kannte , wie er ; hier ist
274 Hofe über die Nothwendigkeit seines Durchzugs nach Böhmen. Er hatte keinen Alliirten , als den König von England , Georg den II. , von welcher Verbindung die Vortheile ſich aber noch sehr in der Ferne zeigten. Die Rettung des preußischen Monarchen hing also ganz allein von der Geschwindigkeit und dem Nachdruck seiner Kriegoperationen ab. Der Eine marsch in Sachsen , meisterhaft sowol wegen der dabey beobachteten Disciplin und Ordnung , als der auch kein Detail von seinen Cabinetoperationen, von seinen geglückten oder mißlungenen Entwür fen , und von seinen Hilfmitteln. Dieser Theil seiner Geschichte erfüllt daher auf keine Weise die große , durch alle seine anderen Schriften berech tigte Erwartung , ist als unvollendet , und folga lich, bey den vielen Berichtigungen , die sie gibt, doch nicht als die erste Hauptquelle zu betrachten." 2) Geschichte des ſiebenjährigen Krieges in Teutsch land von 1755 - 63, durch J. B. von Er ch'ens hols , 2 Bånde, Berlin ; de trog aller dem Vers fasser gemachten Vorwürfe ein treffliches Werk. 3) Histoire critique et militaire des guerres de Frédéric II, comparées au système moderne, avec un recueil des principes les plus importans de l'art de la guerre. Par le Lieutenantgénéral Jomini, Aide-de-camp général de S. M. l'Empereur de Russie etc. Troisième édition, 3 tômes; Paris 1818. -- Sehr wichtig . 4) Die Feldzüge Friedrich des 11. , beschrieben von Baron Cahill , Obrist in königl. ſardiniſchen Diensten. 2 Theile. Frankenthal 1788. G Hie und da mit brauchbaren Notizen. - Die übrigen benügten Schriften werden in den Anmerkungen genannt.
275 weisen Richtung der Heerzüge , geschah in drep Colonnen , deren Anführer der König , der Herzog Ferdinand von Braunschweig , und der Herzog von Bevern waren , sämmtlich bestimmt, sich in der Nähe von Dresden zu versammeln. Sobald man hier die erste Nachricht von Friedrich's Aufbruch erhielt, war die Bestürzung des Hofes außerordentlich. Man hielt geheime Raths. versammlungen , bey denen der Graf Brühl prás dirte; ein Minister , dessen Größe nicht in einer tiefen Staa kunst, sondern in dem Ta'ent bestand, einen königlichen Aufwand zu machen, und seinen tragen Monarchen unumschränkt zu beherrschen. Er befaß diese Kunst in einem so hohen Grade , daß er als Günstling zweyer Könige , Vater und Sohn , beide von sehr verschiedenem Charakter und entgegen= gefeßten Gesinnungen , vielleicht das einzige Beyspiel in der Geschichte ist; auch führte er den vielbedeutenden Titel eines Premier - Ministers . Er haßte den König von Preußen , der sich gleich nach dem Antrit seiner Regierung vergebens herabgelassen hatte, ihn zu gewinnen. Friedrich wollte ihm vom Kai, fer Kart dem VII. den Fürstentitel verschaffen , den der Minister sehr wünschte , allein ohne Preußens Vermittelung. So wuchs dieser gegenseitige Haß, gepaart von der einen Seite mit Unmacht und Ranken , von der anderen mit Macht, Klugheit und einem anrückenden , sieggewöhnten Heere. Man war in Sachsen so wenig zum Kriege vorbereitet, daß Brühl nicht einmal daran gedacht hatte, die in Polen befindlichen Regimenter kommen zu lafsen; vielmehr hatte er, um seinen Lurus zu befrie
276 digen, kurz zuvor die Armee im Lande vermindert ; auch hatte man keine Magazine angelegt , und zahi. lose Feltbedürfnisse fehlten gänzlich. Es wurde also in dieser gefährlichen Lage unter allen Maasregeln die unweiseste genommen . Man zog in größter Eile die sächsischen Truppen zusammen , die eine Armee von 17.000 Mann ausmachten , und schlug an den böhmischen Gränzen , unweit Pirna , ein Lager auf. Es war an die Elbe geftüßt , die sich hier zwischen Fel. fen brausend durchschlängelt und einen Bogen macht, in der Nähe sowol von der Festung Königstein , als von dem Fort Sonnenstein , und größtentheils von Bergen und einer Kette schreffer Felsen umgeben ; überhaupt war dessen Lage von Natur außerordent. lich fest , und die Kunst that nun das übrige , um es unbezwinglich zu machen. Dies Lager wäre sehr wol gewählt gewesen , wenn man den Östreichern den Eingang in Sachsen hätte verwehren wollen ; allein fein solcher Zweck fand gegen die Preußen statt , denen mán Dresden und das ganze Kurfürstenthum preis gab. Der Umfang des Lagers war jedoch für die sächsische Armee zu groß, daher man sich begnügte, nur die ohnehin schweren Zugänge durch Verhacke, Redouten und Pallisaden , wozu die mit Waldungen bedeckten Berge im Bezirk des Lagers das Holz lie ferten, noch mehr zu besestigen . Man dachte aber blos , sich gegen das Schwert der Preußen in Sicher heit zu setzen , und vergaß darüber einen weit fürch terlicheren Feind von dem Lager zu entfernen ; einen Feind, der seit Jahrtausenden so viele Heere besiegt, so viele große Feldherren zur Flucht gebracht , oft die größten Siege vereitelt , und die langwierigsten
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Kriege auf einmal geendigt hat. Das Wort Hunger und deffen schreckliche Wirkung mußten einem Minister unbekannt seyn , der , in asiatischem überfluffe zu leben gewöhnt , an keinen Mangel dachte, der folglich die unbedeutendſcar Anstalten zum Unter halte seiner braven, muthigen Truppen machte , und selbst in dieser fummervollen Lage bestandig eine prachtvolle Tafel hielt. Indessen hatte die Armee nur auf 15 Tage Lebensmittel im Lager . Man vers sah fich mit Palisaden , aber nicht mit Brot , und verließ sich auf die kaiserlichen Truppen , die unter dem Commando des Feldmarschalls Grafen Brown in Böhmen eilig zusammengezogen wurden. Indeß war Friedrich in Sachsen eingetroffen, und hatte mit dem Könige von Polen einen Brief wechsel angefangen. August, der sich mit seinen beiden ältesten Prinzen , Xavier und Karl , und von seinem Minister Brühl begleitet , in's Lager bey Pirna geflüchtet hatte , sprach immer in diesen Brie fen von Neutralität , und Friedrich von überzeu genden Beweisen , die zu geben jedoch August und Brühl sehr weit entfernt waren. Der preußische Monarch , der den Werth dieſes neutralen Aherbietenë fannte , machte indeffen alle Anstalten , sich in Sachsen zu behaupten , unter der Versicherung , daß er es nur in Depot nehmen wolle ; eine Erfindung der neueren Saatkunst , um der Besißnehmung eines benachbarten Landes das Ansehen eines feindlichen Einfalls zu benehmen , die aber von den Gegnern gewöhnlich mit dem wahren Namen bezeichnet wird. Es wurden , zur Verpflegung der preußischen Trupe pen , große Lieferungen an Getreide , Vieh und 11 Friedrich d. Einz. II.
278 Fourage ausgeschrieben ; die Stadt Torgau wurde befestigt , und mit Kanonen beſeßt , die man in verschiedenen sächsischen Städten gefunden hatte. In diese Stadt wurde sodann daš preußische GeneralKriegkommissariat und die Feldkriegkasse verlegt, wohin auch alle Contributionen des Landes geliefert werden mußten. Der König von Preußen ſelbſt rückte den 10ten September ohne Widerstand in das von allen Trup. pen entblöste Dreiden ein , und beseßte die Stadt und das königliche Schloß. Sein und seiner Soldaten Betragen bey dieser Gelegenheit charakteriſirte den Geist des Zeitalters , wo man sich bemüht , ſelbſt im Kriege , mitten unter harten Demüthigungen, unter höchst frånkenden , ja ſchrecklichen Scenen, verfeinerte Sitten , Empfindsamkeit und Höflichkeit anzubringen. Friedrich nahm sein Hauptquartier in einem Garten in der Vorstadt , in deren Nähe seine Armee campirte. Alle Maasregein wurden genommen , um das scheußliche Bild des Krieges in den Augen der beräubten Sachſen weniger schrecklich zu machen , und den neuen Gebieter in einer liebens würdigen Gestalt zu zeigen. Er wollte als Freund, als funfiiger Bundesgenoffe und als Gast angesehen seyn. Nichts ging daher seinem liebreichen Betragen ab. Den auswärtigen Gesandten wurde Audienz ertheilt, wobey man ſcherzte und aufgeräumt war. Fat allé Standespersonen , die sich in Dresden befanden, machten ihre Aufwartung ; ein Gleiches that der Stadtmagifirat ; alle wurden wol aufgenommen. Der König hielt öffentliche Tafel , wobey die Sachſen in zahlreichen Haufen als Zuschauer erschienen ; auch
279 ließ er durch den Feldmarschall Keith die Königin und die übrige königliche Familie bekomplimentiren, die dafür nichts schuldig blieben , ihn zur Tafel ein lud , und ihm Kammerherren zur Aufwartung an bot , welches beides jedoch nicht angenommen ward. Dieser Höflichkeiten ungeachtet aber wurden in Dreg_ den die Canzeleyen versiegelt , die Collegiensale ver schlossen, das Münzdepartement aufgeh ben , einige der vornehmsten Civilbeamten ihrer Dienste entlassen, Die ganze Artillerie nebst der Munition aus dem Arfenal der Residenz nach Magdeburg gebracht , die zur Schloßwache bestimmte fächſiſche Schweizergarde ent waffnet , und im ganzen Lande die furfürstlichen Kaffen in Beschlag genommen ; dabey wurde alle Communikation zwiſchen Dresden und dem fächsischen Lager abgeschnitten , so daß der Weg dahin blos den mit Victualien für des Königs von Polen eigene Tafel . beladenen Wagen , den Courieren der beiden Könige, und den abgesandten Trompetern offen blieb . Das Lager bey Pirna ſelbst war von 32,000 Preußen ein geschlossen , während eine andere , ungefähr eben fo starke, preußische Armee , unter Anführung des Feldmarschalls Keith , mit der Fronte gegen Böhmen poftirt war , um die etwa ankommenden Hilftruppen zu beobachten. Der Herzog Ferdinand von Braunschweig årndete indeffen die ersten Lorbeern in dieſem Kriege ; er drang mit der Avantgarde in Böhmen ein , und vertrieb den öftreichischen General Wied, der sich mit 8000 Mann bey Nollendorf postirt hatte. Obgleich das zum Untergang des Königs von Preußen entworfene Bündniß diesem Monarchen verrathen worden war , und er auch Abſchriften vieler 11 *
280 dazu gehörigen wichtigen Papiere hatte, so war doch noch Manches dunkel geblieben. Die genaue Kennt= niß der gemachten Entwürfe war ihm aber zu seiner Selbsterhaltung außerst nöthig ; hiezu kam die politische Pflicht , seinen Einfall in Sachsen , der alle europäischen Höfe in Erstaunen sehte , durch unver, werfliche Dokumente zu rechtfertigen. Er sah sich daher in die Nothwendigkeit gesezt , ſich des ſächſiſchen Archivs zu bemächtigen , welches bereits gepackt war, und eben nach Polen geschickt werden sollte. Die Königin , benachrichtigt , daß Friedrich befoh= len hatte , das Archiv wegzunehmen , wollte sich wi= ´derſeßen. Man hatte viele Mühe , ihr begreiflich zu machen , daß sie beſſer thun würde , aus Gefälligkeit für den König von Preußen hierin nachzugeben , und sich nicht gegen einen Schritt zu ſträuben, der zwar etwas hårter nåre , als man es ſelbſt gewünſcht hätte, den aber eine unvermeidliche Nothwendigkeit erheiſche. Der erste Gebrauch, den man von dieſem Archiv machte , bestand darin , den Auszug davon zu liefern, welcher unter dem Titel : " Gründliche Nachricht von den gefährlichen Absichten der Höfe zu Wien und Dresden , mit Belegen und Urkunden , “ dem Publikum bekannt ist. Es wurde jedoch immer noch mit großem Eifer gearbeitet , zwischen den Königen von Preußen und von Polen einen Frieden zu Stande zu bringen . Die Gesandten von England und Helland , Graf Stormont und Herr Calfeen , widmeten besonders alle iore Kräfte diesem so wohlthätigen Geschäfte. Friedrich verlangte vom Könige von Polen , zum Beweise der strengsten Neutralitat, daß die sächsischen Truppen
281 auseinander gehen , und ihre Quartiere beziehen follten. August versprach neutral zu bleiben ; allein er schlug es ab, seine Zusicherung durch Handlungen zu bestätigen. Eald nach August's Ankunft im Lager. forderte er seine Truppen durch eine pathetische Rede auf, sich mit ihm , troß der Macht des Feindes, durchzuschlagen , um Böhmen zu erreichen. Er sagte, er sey selbst entschloffen, sein Leben dabey aufzuopfern ; es gehöre seinen Unterthanen , und der Himmel würde das übrige thun. Man zeigte ihm aber die Unmög lichkeit, diesen Entwurf auszuführen , worauf er sich mit seinen Prinzen und dem Minister nach der Festung Königstein begab. Von hier aus fandte er eine neue Aufforderung an seine Armee ; er bat fie , die Ehre ihres Königs zu retten , und sich bis auf den leßten Bluttropfen zu vertheidigen. Die getreuen Sachsen, zu deren Charakteristik es gehört, ihre Herrscher, wie sie auch immer beschaffen seyn mögen, leidenschaft: lich zu lieben , zeigten ihre Bereitwilligkeit , August's große Erwartungen zu erfüllen. Der Mangel aber herrschte in ihrem Lager bald so sehr, daß Menschen und Pferden ihr bestimmter Unterhalt um ein Drit theil vermindert wurde. Ihr Muth wuchs jedoch, als sie von der Annäherung der öftreichischen Armee hörten, die damale, obwol in zerstreuten Corps, schon über 70,000 Mann in Böhmen stark war. Die Thätigkeit und der Eifer des wiener Hofs, den Krieg anzufangen , war außerordentich. Ein großer Theil der Cavallerie in Böhmen war jedoch noch unberitten , und erhielt erst die Pferde am Ende des Augusts, im Lager bey Collin , zu einer Zeit, wo Die Preußen sich schon im Königreich befanden ; ja
282 man war noch so wenig vorbereitet zum Kriege , daß es fogar an Pferden fehlte , die Artillerie und MuTheresia öffnete nition nach Böhmen zu schaffen . nun ihre Marställe , und gab ihre eigenen Pferde hir, um die Kanonen fortzubringen. Der öftreichische und böhmische Adei beeiferte ſich um die Wette , dies große Beyspiel nachzuahmen. Man drångte sich von allen Seiten herbey , die Pferde zu wechsein , und so geschah der Transport mit ganz unberechneter Ge fchwindigkeit. Dieſe Umstände, und der Verlust einer kostbaren Beit, die ihn zum Herrn von Böhmen gemacht hätz ten , ånderten das System Friedrich's , der jest nicht mehr mit der Neutralität der Sachſen zufrieden seyn konnte , um keine Feinde im Rücken zu behalten ; er bestand daher auf einem förmlichen Bündniß mit August, wenn er seine Truppen befreyen wollte , wos bep er ihm verſprach , daß , wenn das Glück die preußischen Waffen begünstigte , er den Schritt nicht bereuen würde ; måre Preußen aber unglücklich , ſo dürfte Sachsen ein gleiches Schicksal haben. August aber wollte von keiner Verbindung hören. Diese Standhaftigkeit eines von Natur trågen Monarchen war unerwartet. Friedrich machte noch einen Versuch ; er schickte seinen Liebling, den General Winterfeld , einen so vortrefflichen Krieger, als feinen Hofmann , an August , um durch seine Beredsamkeit den schriftlichen Vorstellungen Fried rich's das nöthige Gewicht zu geben. Noch wünschte dieser Monarch sehnlich eine Verbindung mit Sachfen , zwischen zwey benachbarten Staaten ,“ wie er sich in seinem Brief an August ausdrückte,,,bie
283 einander nicht entbehren können, und deren wahrer Vortheil es erfordert , ewig verbunden zu bleiben." Da aber auch diese Vorstellungen ohne Wirkung blieben, und man sich auf Ehre und Gewissen berief, so hieß es in Friedrich's Brief vom 15ten September : Es thut mir leid, daß ich meine Willfährigkeit nicht weiter trei. ben kann. Dennoch wurde Winterfeld noch einmal zum Könige von Polen geschickt ; allein feine wiederholten Vorstellungen und neuen Vorschläge waren ebenfalls fruchtlos. August , dessen große Verlegen. heit noch durch die Annäherung des polnischen Reich tags vermehrt wurde, der den 4ten October ange feht war , bat nun um Páſſe zu seiner Reise nach Warschau. Friedrich aber wollte vor Entscheidung des Schicksals von Sachsen diese Reise nicht bewil ligen. Die Bitten August's wurden immer dringender ; der Großkanzler von Polen , Malachowëfy, begab sich selbst in's preußische Lager , das Einsuchen durch die Drohung zu unterſtüßen , daß die Polen das gewaltsame Aufhalten ihres Königs nicht gleichgültig ansehen würden . Friedrich aber blieb unbeweglich. Der östreichische General Brown hatte indeffen von seinem Hofe die gemessensien Befehle erhalten, Alles zu wagen , um die Sachsen zu entsegen. Die Vereinigung beider Heere unter einem so erfahrenea Feldherrn, den Östreich seinen größten Männern an die Seite sezte, håtte dem Kriege sodann eine andere Gestalt gegeben. Friedrich nar davon überzeugt, und verdoppelte daher seine Unstalten , das ſächſiſche Lager einzuschließen, und den darin befindlichen Truppen alle Hilfe abzuschneiden. Um diesen Endzweck
284 desto besser zu erreichen , mußte der Feldmarschall Keith mit einem starken Corps in Böhmen vorrücken, und die Bewegungen der Östreicher beobachten. Der preußische Feldmarschall Graf Schwerin war schon von Schlesien aus mit einer Armee von 35,000 Mann in Böhmen eingedrungen , und hatte sich unweit Königegråß gelagert. Diese beiden preußischen Armeen sollten , nach Friedrich's Entwurf, die Feinde in ihrem eigenen Lande so beschäftigen , daß sie an die Sachsen nicht denken könnten. Er selbst harrte tåglich auf die übergabe der eingeschlossenen Armee, weil er bedenklich fand , vorher nach Böhmen zu ges hen , wo er keine Magazine hatte; auch wären die fächsischen Truppen durch diese preußische Operation Meister von der Elbe geworden , und dem König im Rücken geblieben. Es fehlte ihm überdem für jeßt an einer hinreichenden Anzahl von Fuhrwerken und Fahrzeugen zum Transporte der Lebensmittel , und die fürchterlichen Defileen , welche die Zugänge dies. ses Königreichs von allen Seiten decken, machten auch noch mancherley Vorkehrungen nothwendig. Brown mußte , um die Safen zu entseßen, über die Eger gehen ; allein er hatte noch keine Pontons. Diese , nebst der nöthigen Artillerie , kamen erst den 30ten September in seinem Lager an , da er sich denn sogleich in Bewegung feste. Fried rich's Absicht war nun , durch eine Schlacht ihn zum Rückzuge zu nöthigen ; er übergab daher das Com> mando der Blokirungsarmee dem Markgraf Karl, ging allein zu seinen bey Außig stehenden Truppen, und brach mit ihnen den 30ten September auf , an eben dem Tage, da Brown wirklich die Eger pasßrte.
285 Am folgenden Morgen , gleich nach Tagesanbruch, trafen beide Armeen auf einander, unweit Lowosit, einem böhmischen Städtchen. Die öftreichische war 52 Bataillone und 72 Schwadronen stark, dabey hatte sie 98 Kanonen ; die preußische bestand aus 24 Bataillonen und 60 Schadronen , sie führte 102 Kanonen. Es war ein so starker Nebel , daß man nur wenige Schritte vor sich sehen kannte. Die Anhöhen von Lobosch und Radostih , von welchen die Stellung der Öftreicher beschoffen werden konnte, waren von Brown unbeseßt gebieben. Dieser Umfrand verleitete Friedrich , zu glauben , daß die Östreicher über die Elbe gegangen wåren , und er blos auf die Arriergarde gestoßen sey. Einige tausend Mann Croaren und ungarische Infanterie , die am Fuße des lobofcher Berges in Weingart: n postirt waren , und ein verlorenes Feuer auf die anrückenden Preußen machten , bestätigten diese Meinung , da mit solchen leichten Truppen gewöhnlich ein Abzug gedeckt wird Die kaiserliche Cavallerie , die sich dem Kanonenfeuer der Preußen ausseß e , und Stand hielt, als wenn sie dadurch andere Absichten bewirken wollte , vollendete diesen Irrthm . Man kämpfte im Nebei , ohne einander zu sehen. Indessen hätte der König doch die Anhöhen in Besit nehmen lassen. Da Brown's Stellung gegen die Mitte seiner Linie und auf dem linken Flügel durch Sümpfe und andere undurchdringliche Zugänge gegen allen Angriff gesichert war , so hatte er feine ganze Aufme: ksamkeit auf die Stadt Lomusig gerichtet , die feinen Flügel deckte, und in diese be seine beste Jofan erie, nebst einer großen Menge Geschüß , geworfen, auch vor
286 derselben war eine ftarfe Batterie und Redouten. Gegen Mittag verfor sich der Nebél , und man bekam fich einander in's Auge. Die preußische Cavallerie that nun einen regelmäßigen , ſehr lebhaften Angriff, feste über einen sehr breiten Graben , und warf die öfreichische über den Haufen , verfolgte sie aber mit überedter Hiße bis unter die Kanonen von Lowoſiz . Das heftige Seuer der hier aufgepflanzten zahlreichen Artillerie trieb sie jedoch mit großem Verluft- wieder surück. In die feindliche Infanterie des vor sich has benden linken Flügels konnte sie jedoch nicht eindrin gen , da diese am Rand eines tiefen Grabens postirt ſland. Die nächste Unternehmung der Preußen war nun , die Croaten aus den Weingärten zu jagen, de ren Zäune und Mauern diesen Truppen zu Bollwers Es geschah auch , obwool mit großer fen dienen. Mühe. Jest ließ Brown durch seine beste auf dem rechien Flügel stehende , Infanterie die Anhöhen ana greifen ; doch wie Löwen wehrten sich die darauf poftirten Preußen , und da einige Regimenter alle ihre Patronen verschoffen hatten , gingen sie mit gefälltem Bajonner auf die ftürmenden Seinde los , und schlugen mit den Kolben, wie mit Keulen, um sich herum, Dies entsezliche Handgemeng dauerte , bis die Öst reicher den Berg herunter und nach Lowofih hineins getrieben waren. Die Preußen benüßten die Unord, nung der Östreicher , um die Stadt in Brand zu stecken, und in dieser Verwirrung alle feindlichen Truppen herauszujagen , wodurch das Schicksal des Tages endlich entschieden wurde . Brown machte einen meisterhaften Rückzug , gedeckt durch die Ins fanterie des linken Flügels , die gar nicht gefochten
287 hatte, und allein noch in Ordnung war. Er ließ die Elbbrücke bey Leutmerit , und alle Brücken über die Eger, abwerfen , um feinen Abzug zu sichern ; und so überließ er dem Könige das Schlachtfeld , ohne jedoch seine Ansprüche auf den Sieg ganz aufzugeben. Dieser mar indeß nicht zweifelhaft , wie die Folgen bewiesen, obgleich das preußische Heer einen größeren Verlust an Soldaten erlitten hatte, und beide Theile Gefangene zählten. So waren die Begebenheiten der ersten Schlacht in diesem denkwürdigen Kriege , die von 7 Uhr des Morgens bis um 3 1hr Nachmittags dauerte , und den Völkern der Erde gleichsam das Unterpfand der preußischen Thaten für die folgenden Schlachten - gab. Der König war von diesem Muth so hingeriſſen, daß er in seinem Briefe an den Feldmarschall Schwerin, worin er ihm die Schlacht beſchreibt , die Worte gebraucht : Nie haben meine Truppen folche Wun. der der Tapferfeit gethan , seitdem ich die Ehre habe, sie zu befehligen. Diese Tapferfeit war auch wegen des kraftvollen Widerkandes durchaus erforderlich; ein Widerstand, der Friedrich's Krieger veranlaßte , auszurufen : ,,Dies sind nicht mehr die alten Östreicher." Der Verlust der Sieger an Todten und Verwundeten war 3300 Mann ; die Anzahl der gemachten Gefangenen betrug 700, wo bey die Öftreicher einige hundert Soldaten weniger, als die Preußen , auf dem Wahlplaß ließen . Brown war frank ; dennoch aber gab er sich der rauhen Witterung in dieser übeln Jahrzeit preis, folief unter freyem Himmel , weil er seine Zelte weggeschicht hatte, und setzte sich Tag und Nacht
288 allen Unbequemlichkeiten des Krieges ſo ſehr aus, daß er eines Tages im Angesichte seines ihn lieben. den Heeres ans Entkråfrung zu Boden ſank. Dieser Feldherr war nun genöthigt , sich über die Eger zurückzuziehen , und mußte seine Entwürfe , die Sachſen zu befreyen , ganz abåndern. Es wurde beſchloß-fen, daß die so gedrängten Bundesgenossen in der Nacht vom 11ten October bey Königstein über die Elbe sehen sollten , sodann wollte man die Preußen auf beiren Seiten angreifen . Ein außerordentlich regnigtes und stürmisches Werter aber , der Trans port der schweren kupfernen Pontons zu Land mit ausgehungerten Pferden , und andere Unfälle , ver. zögerten diesen Übergang , der nun zwey Tage später festgefeßt wurde. Diese kostbare Zen benüßte Fried rich , die Posten an der Elbe zu verstärken , und sie durch Verschanzungen und Verhackezu beſeſtigen. Der Boden auf der rechten Seite dieses Flusses, ben Pirna und Königstein , ist voller hohen Berge , die mit dickem Gehölze bedeckt sind. Die tiefen Gründe welche sie von einander absondern , zeigen nichts als unwegsame Gegenden , die am wenigsten zum Marsch eines Kriegheers gemacht sind , besonders wenn ein mächtiger Feind in der Nähe ist , und die Anhihen besezt hat. Dies war der Prospekt der Sachsen ; sie hofften , als sie über die Elbe gekommen waren , etwas von der Annäherung der Öftreicher zu hören ; allein sie fanden keine Spur von ihren Bundesgenossen, die theils durch ein preußischen Corps, unter dem Generale Leftwiß , theils durch die großen Hindernisse des Erdreichs , von weiteren Vorrücken abgehalten wurden ; dagegen fahen sie die Preußen
289 Meister von den fürchterlichen Hohlwegen , die man paſſiren mußte , um Böhmen zu erreichen . Sie versuchten indeſſen , ſich am Fuße des Liliensteins zu formiren , welches aber der enge Raum nicht gestat» tete; daher sie sich ohne Ordnung und muthlos lagerten , voll banger Erwartung ihres traurigen Schick fals. Diese nunmehr verſchlimmerte Lage hatte blos darin ihren Grund , daß weder die Östreicher, noch selbst die Sachsen , das Terrain kannten , und daher auf gut Glück Entwürfe machten . Hiezu kam , daß ein Brief des Feldmarschalls Brown an den Feldmarschall Rutowsky verloren gegangen war. Ein anhaltender Plazregen hatte überdies die Wege so verdorben , daß das Vorrücken nur mit der größten Mühe geschehen war , wobey die Sachsen aber allo ihre Kanonen auf der anderen Seite des Flusses hat ten zurücklassen müssen. Das verlassene fächsische Lager bey Pivna wurde. sogleich von den Preußen besest, die dabey auf die Arriergarde der Sachsen Gießen. Ein entseßlicher Sturm erstickte den Donner der bey diefer Gelegen heit gemachten heitigen Kanonade , so, daß die Öf reicher in der Ferne nichts davon hörten. Alle Elemente, Götter und Menschen , schienen gegen die Sachsen zu kämpfen. Nach einem vierstündigen tapfern Widerstande nahm man dies Bedeckungscorps gefangen, und bemächtigte sich des größten Theils der Bagage, und der Artillerie. Dies war ein wichtiger Transport , der nicht zu der Armee hatte stoßen kön nen , weil die Brücke abgebrochen war. Der König von Polen war kein Augenzeuge aller dieser gehäuften Unfälle ; er hatte sich einige Tage zuvor , mit seinen 12 Friedrich d. Einz. II.
290 Prinzen und seinem Günstlinge Brühl , aus dem bisherigen Hauptquartiere Struppen in die Feftung Königstein begeben , und von hieraus schickte er fei nem Feldmarschall Rutowsky wiederholte Befehle zum unmöglichen Angriff, dèr , selbst wenn er glücklich gewesen wäre , doch nie den Sachsen einen freyen Weg bis zum öftreichischen Heere hätte bahnen fönnen. Nie befand sich eine woldisciplinirte Armee eines tapfe en Volks in einer traurigeren Lage. EI war ganz die Geschichte von Caudinum , und wenn die sammitischen Gabeln nicht zum Vorschein_kamen, so hatte man es van ſo ſehr verschiedenen Grundſäßen und Begriffen zu verdanken , die sich feit zwey und arsanzig Jahrhunderten auf unserer Erde so sehr geåndert haben . Der Hunger wüthete bey den fächſischen Truppen ; hiezu kam die Kälte in der rauhen Jahrzeit , und der Verlust ihrer Bagage . Drey Tage und drey Nächte hinter einander waren sie unter dem Gewehr, ohne Speise zu sich zu nehmen ; ſelbſt an Pulver und Munition hatten sie Mangel. Nun lagen fie unter freyem Himmel , im Prospekt hohe Verge und feile Felsen , allenthalben von wachsamen Seinden umgeben , aller Rettungsmittel , ja aller Heffnung beraubt. Shr Schicksal hing jegt ganz von der Gnade des Siegers ab , dem sie mit August's Berviligung endlich den 14ten Dctober, nach einer vier und dreißigtägigen Blokade , eine Capitulation ontrugen. Die Bedingungen , unter welchen fie gefchissen wurde , waren hart , sowol für die fächsischen Truppen , als für ihren König. Die ganze Armee , jezt noch 14000 Mann slark, mit
291 mehr als 80 Kanonen , mußte sich ergeben. Die Offiziere wurden entlassen; den Unteroffizieren und Gemeinen aber ließ man keine Wahl ; sie waren ge zwungen , dem Könige von Preußen den Eid der Treue zu ſchwören. Es war ein großes , rührendes Schauſpiel; 14.000 Krieger streckten die Waffen, und flehten um Brot. Der Hunger und die Verzweiflung bey Hohen und Niederen erzeugten in dem Jammerihal bey Lilienflein auffallende Scenen , die' August von dem Gipfel ſeiner Selſenburg mit eigenen Augen sehen konnte. Die Noth war auf's Höchste gestiegen ; auch war die Hilfe schleunig. Die durch Mangel an Nahrung und Strapagen ganz entkräftes ten Soldaten erhielten segleich das nöthigße aller Bedürfnisse ; es wurden jeder Compagnie 20 sechspfündige Brote gegeben ; die gefangenen Generale aber halten die Ehre , im Hauptquartier zu Etruppen an die Tafel des Königs von Preußen gezogen zu werden. Das Unglück der Sachsen brachte ihnen keine Schande ; vielmehr war es eine glorreiche Epoche in ihren Jahrbüchern. Sie hatten so lange mit ihrer Fleinen Kriegschaar der preußischen Macht widerstan den , hatten muthvoll mit unaussprechlichen Widerwärtigkeiten gekämpft, und waren nur den Gesezen der Natur und einem höheren Verhängniß unterlegen. Dieser Widerstand rettete das noch schlecht vorbereitete kaiserliche Heer in Böhmen , und alle teutsche Provinzen Theresien's , wo die erstreuten Truppen nach einander leicht aufgerieben worden wären ; überhaupt hatte er die wichtigsten Folgen für Önreich; es war der größte Dien , welcher dieser 12 *
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Monarchie, feit der Befreyung Wiens durch den tapferen König Sobiečky , von einem fremden Volke geleistet worden war. Diese Wolthat wurde jedoch von den kaiserlichen Kriegern , so wie vom Hofe, nur sehr unvollkommen erkannt. Die Soldaten bey Brown's Heer gaben der Armee bey Pirna den Sport= namen des sächsischen Piquets , und in der Kaiserburg wurde , dem alten hier herrschenden Grundfaß zufolge , diese Aufopferung eines großen Fürsten und seines schönen Landes als Pflicht bes } trachtet. Der König von Polen erlitt nun eine.Demüthis gung, die seit Jahrhunderten nicht das Loos eines europäischen Monarchen gewesen war." Er verlor auf einmal ſeine ganze sächsische Armee , die voll Treue gegen ihn war , und kaum blieben ihm einige Gardefoldaten übrig , die sich , nebst einem sehr kleinen Gefolge, bey ihm in Königstein beṭanden. AU' sein Bestreben, günstigere Bedingungen von dem Sieger zu erlangen , war fruchtlok. Friedrich diftirte selbst die Antworten auf die vierzehn Capitulationê= Artikel dieses so merkwürdigen Ergebung Trafiats. Einige dieser Antworten , die sich auf die großen Bedürfnisse der gefangenen Truppen bezogen , waren ganz lakonisch und nur durch das einzige Work Gut! bezeichnet ; alle aber verrathen den entscheidenden Ton des überwinders , der da glaubte, mehr zu bewilligen , als man ein Recht hatte zu erwarten. August bat dringend , ihm wenigflens seine Garde, ein vortreffliches Corps Soldaten zu lassen. Friedrich's Antwort aber war äußerst demüthigend , und zeigte das Recht des Stärkern auf eine auffallende.
293 Weise. Es hieß, se müßten mit den anderen Truppen gleiches Schicksal haben, weil man sich nicht die Mühe geben wollte , sie zum zweytenmal gefangen zu nehmen . Die Fahnen , Standarten und Pauken Ser sächsischen Truppen wurden jedoch dem Könige von Polen überliefert , und um ihm unter seinen vielen Bitten wenigstens eine zu bewilligen , wurde die Je= stung Königstein während des ganzen Krieges für neutral erflårt. Behn fächsische Infanterie- Regimenter blieben ganz beysammen , nur mit dem Unterschiede , daß sie preußische Uniformen , Fahnen und Befehlhuber be= famen ; die übrigen aber , nebe der sämmtlichen Cavallërie, wurden unter preußische Regimenter geleckt. Hierzu famen 9284 Rekruten , die Sachien gleich in den ersten Monaten liefern mußten , womit man die Regimenter ergänzte. Die Difiziere wurden auf ihr Ehrenwort, in diesem Kriege nicht wider den König von Preußen zu dienen , frengetaffen. So groß war jedoch Theresien's und August's Haß gegen Fried rich, daß dieses Ehrenwort verspottet wurde. Man sagte die fachlichen Offiziere von dessen Haltung gắng lich los , und schändere dadurch den Militärstand. Diese Handlung Friedrich's , ein ganzes Heer eines fremden Fürsten zu zwingen , dem Eroberer in geschlossenen Kriegschaaren zu dienen , ist in der Weltgeschichte ohne Beyspiel. Man verließ sich zu sehr sowol auf das damalige unvermögen August's , eine Armee zu unterhalten , als auf die Bedürfnisse der Truppen , die jest keinen Herrn hatten , und achtete nicht auf die den Sachſen angellommte Liebe zu ihrem Vaterlande und zu ihrem Fürsten. Diese zeigte sich
294 jedoch bald zu Friedrich's Verwunderung. Man hatte mol auf Deſerteure- gerechnet ; allein daß ganze Lataillone mit Entschlossenheit und Ordnung davon gehen würden , dies war unerwartet. Die meisten zogen regelmäßig ab , mit allen militärischen Ehrenzeigen , nachdem sie ihre Befehlhaber verjagt oder erschossen hatten ; sie nahmen die Brot und Munitionwagen , die Regimentkaffen , fur; alles zum Troß Gehörige mit, und marſchirten entweder nach Polen, oder stießen zur französischen Armee. Der König von Preußen hatte viele sächsischen Unteroffiziere zu Offi= zieren ernannt , um ihnen seinen Dienst angenehm zu machen. Diese Maasregel war jedoch unzureichend; Denn diese Patrioten waren selbst die Anführer bep der Deſertion , die anderen Offiziere aber , die nicht mitwollten , wurden gezwungen , sich zu entfernen. Man fegte die noch übrigen als Besagung in Städie; allein auch dieses Mittel schlug fehl. In Leipzig. öffnete sich ein Theil der Garnison mit Gewalt die Thore , und ging am hellen Tage davon. In Wittenberg, in Pirna und in anderen Städten , zwangen die fächsischen Soldaten die preußischen Commandeure, sich dem Feinde zu ergeben ; ja bey manchen Gefechten gingen ganze Compagnien Sachsen selbst auf dem Kampfplahe zu den Östreichern über , und richteten sogleich ihre Waffen gegen die Preußen. August, der auf dem Felsen Königstein sein Schicksal erwartete , erhielt nun für sich und ſein Gefolge Paffe , um sicher nach Warschau zu reisen , woMan bezeigte hin er auch unverzüglich abreiste. dem abreifenden Könige die größte Ehrfurcht ; fogar wurden alle Truppen von seinem Weg entfernt, um
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den Augen des unglücklichen Monarchen unangenehme Gegenstände zu entziehen *). Der Feldzug war nun zu Ende. Die öftreichis sche Armee zog sich tiefer in Böhmen , welches auch jezt die preußischen , unter den Feldmarschällen Keith und Schwerin stehenden , Armeen verließen , um die Winterquartiere in Sachsen und Schlesien zu beziehen. Friedrich blieb den Winter über in Dresden , und behandelte nun sein Depot als eine förmlich eroberte Provinz. Er gab den sächsiscen Ministern fleißig Audienz , ertheilte feine Befehle über alle Gegenstände der Landekadministration, und 7 forderte von den Landständen Kriegsteuern und neue Refruten. Kein Ereigniß wol, mit alleiniger Ausnahme der französischen Revolution , erregte im vorigen Jahrhundert eine so lebhafte und große Sensation in ganz Europa , als Friedrich's Einfall in Sachsen. Alle Höfe , von Versailles bis Petersburg , von den Ufern des atlantischen bis zu den Ufern des Eismeers, wollten, theils durch Entstellungen und Verdrehungen der Sache von Seiten der dresdener und wiener Minister , theils durch besondere Nückſichten, geleitet , in dem Könige von Preußen im Grunde nur einen gefährlichen königlichen Revolutio når erblicken , dessen Benehmen strenge zu ahnden,
*) Wie sehr erinnert die Gefangennehmung der såchſiſchen Armee an jene der östreichiſchen (unter Mack) durch Napoleon , welche , ein halbes Jahrhundert später , faſt an demselben Tage statt fand.
296 und ihm zugleich die Mittel zu ferneren Entwürfen der Art zu entziehen , die eigene Sicherheit erfor dere. Selbst Friedrich's einziger Verbündete, Georg der II. von England , erklärte laut , daß er deffen Verfahren gegen Sachfen keineswegs billige. Eine Menge von Schriften , durch einen tödtlichen Haß diftirt, und voll übermuth, Stolz und Ge. meinheit , verbreiteten sich von Wien aus gegen Preußens König. Ter niedrigsten Künste ward er beschuldigt , welche vielleicht durch die eigene Er bärmlichkeit den Veranlaſſern solcher Libelle in ihrer eigenen Laufbahn bekannt worden waren ; er sey der Urheber der kürzlich in Schweden entdeckten Verschwörung gegen den Senat , behauptete man ; der Zorn seines Vaters , seine Gefangenschaft in Küßrin, und die kaiserliche Vermittelung, schämte man sich nicht , ihm vorzusersen , beyfügend , der lezteren allein habe er es zu verdanken , daß er nicht , wie ein Verbrecher , hingerichtet worden sey. Vergeblich ließ der König , voll Unwillen über ein solches Verfahren , der Kaiserin zu verstehen geben , wie sehr es unter der Würde der Fürsten sey, ihre Streis tigkeiten durch Schmähungen , und in der Sprache der Obstmärkte, entscheiden zu wollen ; lange Zeit waren diese Borstellungen vergeblich, und nur erſt nach einigen gewonnenen Schlachten erhielten ſie Gewicht. Nirgends zeigte man sich aber wol gefchäftiger, als im Reiche. Mit Eifer arbeitete das wiener Ministerium auf dem Reichtage au Regensburg gegen feinen , öffentlich so verachteten , Gegner. Sugleich sehten ihrer Seits die Franzosen die regens
297 burger Versammlung in folche Furcht, daß dieselbe blindlings dem öftreichischen Cabinette gehorchte. Der seit vielen Generationen verroßete Staats-Donnerkeil , wie Archenholß sagt , wurde nunmehr ebenfalls auf den König von Preußen geschleudert ; der Beschluß ward gefaßt, das heilige römische Reich folle eine Executionarmee errichten , die gerade in da Churfürstenthum Brandenburg einzudringen hatte. Der Reichsfiscal trat auf, behauptend , die Könige von Preußen und England müßten nunmehr in die Reichsacht erklärt werden. Einige Fürten wendeten ein , man habe zwar ehmais den Churfürsten von Bayern zu dieſer Acht verurtheilt , doch sey es nicht cher geschehen, als nach seiner Niederlage ; sobald daher die faiserlichen (oder Reichs ) Heere wieder eine Schlacht , wie die bey Hödstadt , gewonnen hätten , möge es einem Jeden frey stehen , wider die beiden Könige zu verfahren....Den kreisausschrei benden Fürsten wurde indeß aufgegeben , zu verhin= dern , daß der König keine Art von Unterstüßung aus den Kreisländern erhielte ; auch wurden alle in Friedrich's Heeren befindliche Reichsvasallen von dem preußischen Dienst abgerufen ; ferner erging eine kaiserliche Verordnung , daß alle mit preußischen Staatschriften handelnde Buchführer und Buchdrucker eingezogen und bestraft werden sollten. Die Unpare teyiſchen sagten , daß dder seiner Sami, rg'schwegen enbuKaiſer piele. 9 , ' der curbranim Reich den Despoten spiele. lienangelegenheiten Gesandte bey der Reichsversammlung , beantwortete jedoch alle antipreußischen Staatschriften sowol , als die pedantischen Abhandlungen über die Heiligkeit der Archive, mit
298 Ernst und Würde , und da er wegen des Drucks in ganz Südteutschland unübersteigliche Schwierigkei ten fand, legte er eine eigene Druckerey in Regens burg an. ,,Man wollte nun förmlich zum Reichsbann ſchreiten. Der kaiserliche Reichsfitcal Helm trug aus wirklich darauf an , und vermochte ten kaiserliche Notarius, Doctor April , sich in Begleitung zweyer Zeugen mit einer Citation zu dem Gesandten, Baron lotho , zu begeben. Diese Vorladung betraf die Erscheinung des Gesandten vor der Reichsversammlung, wo er sich: innerhalb 2 Monaten , vom 22ten August 1757 an gerechnet , stellen sollte , um anzuzeigen , was er der Anklage auf die Reichsacht ents gegenzusehen habe. Plothe , sich seiner Rechte bes wußt, bezeigte die größte Verachtung gegen dieſe Vorladung , zwang den Überbringer , fie wieder zu, rufzunehmen , scheb ihn selbst zur Thüre hinaus, und ließ ihn sedann durch seine Bedienten zum Hauſe Herauswerfen. Zu dieser Entschloffenheit des Mi> nisters , die sich mit Klugheit gepaart in allen seinen Handlungen zeigte , und feine Seinde in Furcht sehte, kamen die Vorstellungen von Franfreich . Man bat den wiener Hof, den Entwurf der Reichlacht aufzu geben , weil dadurch für jeßt nichts gewonnen würde, wol aber die Könige von Preußen und England, nebst anderen teutschen Fürsten, vermocht werden könnten, ſich vom germanischen Bunde loszusagen. Es wurde also beschlossen , auch ohne Reichsucht gegen Friedrich , als einen Feind des Reichs , zu verfahren, und nicht auf seine Behauptungen zu achten , daß er nicht als Churfürst von Brandenburg , sondern als
299 fouverainer König von Preußen , feindselig gegen *) Sachsen gehandelt habe *)." Frankreich war früher schon gegen Friedrich gänzlich gewonnen worden . Kein Mittel hatte man, Diesen Zweck zu erreichen , gespart. Maria Theresia, sonst stets ihren Slang auch dem Äußeren nach aufrecht zu erhalten bemüht , sie , des stolzen Karl des VI Tochter , und die Enkelin Leopold's, des stolzesten aller Kaiser , der feinen und Wiens, ja der ganzen öftreichischen Monarchie , Retter , den Köniz Sobiesky , blos um das Ceremoniell niật verlezen zu müssen, zu sehen ausschlug , diese Kai serin ließ sich bis zu dem Grade herab , der Buh Terin Ludwig des XV, zu ſchmeicheln , und ihr den Titel Cousine zu geben , den der König von Frank reich damals den Herzoginnen feines Reichs beylegte. Ein Briefwechsel zwischen der Marquiſin von P o m padour und der Beherrscherin der öftreichischen Monarchie ward fengefest, deffen Einleitung das mit Diamanten besetzte Bildniß der Kaiseriu war; und so sehr durfte die aufgeblafene Französin ihren Stand vergessen , daß sie sich nicht selten in ihren Schreiben des vertraulichen Titels bediente : Meine liebe Königin ! Dies geschah zu eben der Zeit , als Friedrich der königlichen Maitreise wiederholte Beweise seiner Verachtung gegeben hatte. Kein Wunder also , daß der Hof von Versailles der Preußen Einfall in Sachsen als eine Verlegung des ron ihm garantirten westphälischen Friedens erflärte, die Waffen ergriff, und , obschon er der öftreichischen
*) Archenholg .
300 Monarchin, nach dem bestehenden Vertrage, nur 24.000 Mann Hilftruppen zu stellen verpflichtet war, deren im Frühjahre von 1757 nicht weniger als 100,000 Mann über die teutſche Gränze ſendete.
Einer schlechten Sache sich bewußt, und ohne Zweifel auch das Talent ihres großen Gegners fürch tend, ſuchten die Cabinette von Wien und Paris ganz Europa gegen den verachteten Friedrich zu Rußland , gegenwärtig so furcht bewaffnen. bar für die übrigen Lånder unseres Erdtheils,. ward gewonnen , und zum Kriege veranlaßt , und obichon der König von Preußen durch seine Klugheit Schweden zu der Erklärung strenger Neutralität brachte, so siegren dennoch auch hier endlich die Kånke und das Cold seiner Seinde , und auch dieser Staat trat gegen ihn auf den Kampfplaß *) !
*) Es stehe hier eine vergleichende Uebersicht der mas teriellen Kräfte Friedrich's , und der seiner Feinde, aus welcher allein schon die Größe dieſes außerordentlichen Mannes, gegen solche überleges nen Gegner während eines siebenjährigen Kampfes unbesiegt geblieben zu seyn, hervorleuchtet : A. Preußen und feine Verbündeten . Namen Zahldes Größe Bevölkerung . Militärs. Meil. der Staaten. in 1. Preußen 2,900- 5,000,000-200,000 700 16,000 750,000 2. Hannover 160,000 - 12,000 90 3. Braunschweig 425,000- 12,000 4. Hessen-Casset 260 Zusammen : 3,950 - 6,335,000-240,000
301 Schon hatte man den Plan entworfen , wie die preußische Monarchie zertrümmert , und die Staaten derfelben unter die kriegführenden Mächte vertheilt werden sollten. So wie Schlesien für Önreich, war Pommern für Schweden , das Königreich Preußen für Rußland , das Herzogthum Magdeburg neb Halberstadt für Sachsen , und die westphälischen Provinzen für Frankreich , beſtimmt. Nur allein das Churfürstenthum Brandenburg follte dem entthrenten König, als eine Gnade, gelaffen werden , wenn er sich noch zu rechter Zeit unterwürfe ; wo nicht, so war der Entschluß der Mächtigen , das verheerte B. Destreich und seine Verbündeten. Namen Größe Zahl des der Staaten. in Meil. Bevölkerung. Smilitars. 11,200-20,000,000-300,000 " 1. Deftreich 4,600-12,500,000 - 120,000 2. Das Reich (nebst Sachsen) 3. Frankreich 10,000-24,000,000 — 290,000 4. Rußland 330,000 - 20,000,000 — 162,000 50,000 3,050,000 5. Schweden 13,000 Zusammen : 368,800 - 79,500,000 - 922,000 Von dieser Truppentahl müſſen indessen 60,000 Reichtruppen, 190,000 Franzosen , 60,000 Ruf, fen und ungefähr 30,000 Schweden , zufammen alfo 340,000, oder vi lleicht 400,000 Mann, " ab= gezogen werden , welche den Kampfplas nicht bes traten. Nach diefem 2 zog cser elgibt sich dens noch eine Zahl von wenigstens einer halben Million Krieger , denen Friedrich wel nicht die Hälfte entgegen zu sehen hatte. Europa ents hielt damals, auf 150 CRIS ·160,000 Quadratmeilen, 13 Friedrich d. Ein¡, U.
302 Dieser Land dem nächsten Erben zu überliefern. Entwurf, von allen Seiten durch Kraft und Erbitterung unterstügt, schien bey dem ungleichen Kampf mit sehr eingeschränkter Macht zu seiner vollständigen Ausführung nicht einmal des Glückes zu bedürfen, das zwar die Vollendung durch Zufälle beschleunigen, oder verzögern fennte, allein bey der Hauptsache für entbehrlich gehalten wurde. gegen 140 Millionen Menschen. Rechnen wir von der materiellen Macht der gegen Preußen verbůns deten Staaten ganz den Flächenraum des asiatis schen Rußlands hinweg , so bleiben dennoch über 100,000 Quadratmeilen und 78 - 80 Millionen Menschen , also weit über halb Europa. Nicht der fünfzigste Theil des Flågenraums unseres Erdtheile , richt der zwanzigste seis ner Bewohner , waren dagegen auf der Seite des großen Königs ; denn ganz England , zu ſehr mit dem Seekriege beschäftigt , kannte im Grunde Feinen anderen Zweck bey dem Kampf in Teutsch, land, als die Rettung Hannovers, seiner eigenen Besißung, und kann daher billiger Weise hier nicht mitberechnet werden. (Die Fortsegung im nächsten Bändchen.)
Berbesserungen. Seite 3, 8te Zeile v. oben, l. bis zum December, statt September. statt „ iſt - 233, 2te J v. unten, 1 . ,,ist es uns."
303
Anhang zum
zweyten
Bändchen.
Regentenlehre , von Friedrich dem Einzigen dem Herzog Eugen von Württemberg ertheilt. (Der minderjährige Herzog Eugen von Württemberg lebte während den Jahren 1742 und 43 in Berlin, unter den Augen des Königs . Im Januar 1744 ward er , Dbgleich erst 16 Jahre alt , auf das Verwenden Friedrich's für ihn , als volljährig erklärt. Bey dem Abschied ertheilte ihm derselbe die nachfolgenden Regentenlehren.) ,,Ich habe Antheil an Ihrer Majoritāts - Erklä, rung gehabt, ich interesfire mich um so mehr für das Glück Ihrer Regierung, da ich mir einbilde, das Gute und Böse derselben werde gewissermaßen auch auf meine Rechnung kommen In dieser Rücksicht halte ich mich für verpflichtet, Ihnen meine Gedanken über den neuen Stand , in welchen Sie nun kommen wer den , freundschaftlich und offenherzig zu sagen. Ich gehöre nicht zu den Leuten , die aus Dinkel und Ei teleit, anstatt Rath , nur Befehle zu geben wissen, ihre Meinungen für untrüglich halten , und immer vers langen, daß ihre Freunde nur durch sie denken , hanSo lächerlich diese Anmaas deln und athmen sollen. sung auch auf der einen Seite wäre, so strafbar würde ich auf der anderen seyn , wenn ich Ihnen sagte, was ge wiß keiner von Ihren Dienern und Unterthanen Ihnen zu äußern Dreistigkeit genug hat , oder auch aus perſôn: Es ist gewiß, daß lichem Eigennuß nicht sagen will . man die Augen allgemein auf die Rolle eines Mannes richtet , der den öffentlichen Schauplah ketrit ; und gewöhnlich bestimmen die ersten Handlungen das Urtheil des Publikums. Wenn Sie Ihren Ruf sogleich 13 *
304 gründen, so erwerben Sie sich das Vertrauen desselben, das, meines Erachtens , für einen Souverain höchst wünschenswerth ist. Sie werden allenthalben Pers fonen finden, die Ihnen schmeicheln, und nur darauf ausgehen, Ihr Vertrauen zu gewinnen, um dann Ihre Gunst zu mißbrauchen, und Sie zu regieren ; ferner noch eine andere Art von Leuten, besonders unter den Råthen, welche sich sorgfältig bemühen werden , Ihnen die Kenntniß Ihrer Angelegenheiten zu verbergen, um diese nach ihrer Willkür zu leiten. Man wird Ihnen die Leichtesten Sachen schwer vorstellen , um Sie von der Arbeit abzuschrecken , und Sie werden finden , daß Alle den Plan gemacht haben , Sie unter der Vormund. schaft zu behalten, und zwar unter dem schönsten åuss seren Schein, und auf eine für Sie sehr schmeichelhafte Weise. Sie fragen mich, was hierbey zu thun sey ? Sie müssen sich Kenntnisse von allen Finanzangelegen, heiten erwerben ; irgend einen Sekretär wählen , der als Subaltern darin gearbeitet hat, und ihm eine gute Belohnung versprechen , damit Sie von Allem , was Sie selbst betrifft, unterrichtet werden. Die Finanzen find die Seele eines Landes ; wenn Sie dieses Fach gut verstehen, so wird das Uebrige immer in Ihrer Gewalt seyn. Ich habe an vielen teutschen Höfen den Miß, brauch bemerkt, daß die Minister der Fürsten den Lis tellaiserliche Minister " hatten , wodurch sie sich denn vor Bestrafungen sicherten. Sie sehen selbst ein, wie nachtheilig es für Sie wäre, wenn Sie dies litten. ---- Seyen Sie fest in Ihren Entschlüssen. Wågen Sie, eh' Sie einen faffen, das Für und das Wider; aber wenn Sie einmal Ihren Willen erklärt haben, so gehen Sie um alles in der Welt willen nicht davon ab ; sonst wird Jeder Ihres Ansehens spotten, und Sie für einen Mann halten , auf den man nicht bauen kann. Nach einer vormundschaftlichen Regierung muß es an ihrem Hofe nothwendig Intriguen geben. Strafen Sie sogleich die Anstifter der ersten streng ;
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305 dann wird sich Jeder hüten , dem Beyspiele derselben zu folgen. Güte am unrechten Ort ist Schwäche , so wie Strenge ohne Noth ein Berbrechen. Man muß beide vermeiden, obgleich nur ein edles Herz in den Fehler einer übertriebenen Güte fållt. - Denken Sie nicht, das Land Württemberg sex für Sie geſchaffen ; fondern glauben Sie, daß die Vorsehung Sie hat ge. boren werden lassen , um das Volk darin glücklich zu machen. Ziehen Sie immer den Wohlstand desselben Ihren Vergnügungen vor . Wenn Sie schon in Ihrem zarten Alter Ihre Wünsche dem Wohl Ihrer Unters thanen aufzuopfern wissen , so werden Sie nicht nur der Liebling Ihres Volks seyn, sondern auch die Be. wunderung der Nachwelt erlangen. Sie sind das Oberhaupt der bürgerlichen Religion in Ihrem Lande, die in Rechtschaffenheit und allen sittlichen Tus genden besteht. Es ist Ihre Pflicht , die Ausübung derselben, besonders der Menschlichkeit , zu beför dern, welche die Haupttugend jedes denkenden Geschöpfs ift. Die geistliche Religion überlassen Sie dem höchsten Wesen. In diesem Stück sind wir alle blind, und frren auf verschiedenen Wegen. Wer unter uns wäre ſo kühn, daß er den rechten bestimmen wollte ? — Hüten Sie sich also vor dem Fanatismus in der Re ligion , der Verfolgungen bewirkt. Können elende Sterbliche dem höchsten Wesen gefallen , so thuen ſie es nur durch Wolthaten, die sie den Menschen erweisen, nicht aber durch Gewaltthätigkeiten , die sie an harts nåckigen Köpfen ausüben Ja, wenn auch die wahre Religion , d . h . die Menschlichkeit , Sie nicht zu diesem Verfahren verbånde , so muß es doch die Politik thun , da alle Ihre Unterthanen Protestanten find. Toleranz wird machen, daß Sie angebetet Nügen Verfolgung, daß Sie verabscheuet werden. Sie Ihre Jugend, ohne sie zu mißbrauchen. Lassen Sie einige Jahre für das Vergnügen hingehen ; dann denken Sie darauf, sich zu vermählen. Das erste Feuer der
306 Jugend ist nicht gefchickt zur Ehe, und man glaubt schon Außerst lange treu geweſen zu seyn , wenn man es drey Jahre gewesen ist. — Nehmen Sie eine Prinzessin aus einem zu großen Hause, so wird sie Ihnen durch ihre Hand eine Gnade zu erzeigen glauben . Dies velanlaßte für Sie einen verderblichen Aufwand , und Sie håtten keinen anderen Vortheil dabon , als daß Sie der Sklav Ihres Schwiegervaters wären . Wenn Sie eine Gemahlin wählen , die mit Ihnen ungefähr von gleichem Rang ist , so werden Sie glücklicher leben ; denn Sie sind dann ruhiger , und die Eifersucht , zu welcher große Fürſten ihren Ehehälften immer Geles Verehren genheit geben, fållt Ihnen nicht zur Last. Sie Ihre Mutter als die Urheberin Ihres Lebens. Je größere Achtung Sie ihr beweisen, desto größere Achtung wird man gegen Sie selbst haben. Geben Sie immer nach , wenn etwa ein Zwist unter Ihnen ents stehen sollte. Dankbarkeit gegen Weltern hat keine Gränzen. Man kann getadelt werden , daß man zu wenig , aber nie , daß man zu viel äußert. Wuf gleichgültige , und folglich willkürliche, Dinge laſſe ich mich nicht weitläufiger ein. Aus zärtlicher Zuneigung zu Ihnen werde ich immer aufrichtigen Antheil an Ih rer Zufriedenheit nehmen, und es mit unausſprechlicher Freude hören, wenn Ihre Unterthanen Sie loben und fegnen ; auch werde ich Gelegenheiten , Ihnen müßlich fen zu können , mit der äußersten Begierde ergreifen. Mit einem Wort , es gibt kein Glück , mein lies ber Herzog , das ich Ihnen wicht wünsche , und eben fo feines , dessen Sie nicht würdig wären. „Friedrich.“
Das Leben
Friedrich
des
Einzigen.
Von
Georg Friedrich Kolb.
Drittes
Bändchen.
Schnell und himmelauf, Orkanengeleitet, rauscht, In der Kralle den Bliz , Blik in dem Kriegerang', Der gefiederte König , Lacht des krächzenden Krähenvolks, Friedr. Jos. Emerich.
Speyer , 1828. In der I. E, Kolb'schen Buchhandlung.
Oui, finissons sans trouble, et mourons sans regrêts, En laissant l'Univers comblé de nos bienfaits. Ainsi l'Astre du jour , au bout de sa carrière, Repand sur l'horizon une douce lumière, Et les derniers rayons qu'il darde dans les airs, Sont ses derniers soupirs qu'il donne à l'Univers.
FREDERIC II.
Fünfter
Abschnitt.
(Fortsegun g.)
Von allen Seiten ertönte der Ruf zu den Waffen. An den herrlichen Ufern der Seine, des Rhone und des Po , wie an jenen der Donau , der Wolga, des Ob, der Lena und der eisbedeckten Jenisei ; von den lieblichen Gegenden Frankreichs und Italiens, bis zum schrecklichen Shibirien und dem abscheulichen Kamtschatka. Franzosen und Schweden , Teutsche aus allen Provinzen Germaniens, Engländer und Bergschotten , Ungarn und Siebenbürger , Mailân= der, Wallonen , Croaten , Russen , Cosaken und Calmufen, sehten sich in Bewegung . Es war ein Gedränge von Völkern , die zum Theil aus sehr entle= genen Ländern kamen , nicht sowol zu erobern , als zu plündern , zu morden und zu verwüsten. Diese Heerzüge erforderten ungeheuere Summen ; da es nun fast allen Höfen bey dem besten Willen an Geld fehlte , so wurden alle Künste angewandt, theils baare Anleihen zu machen , theils Capitalisten zu vermögen , Lieferungen vorschußweise zu übernehmen. Der König von Preußen hatte jedoch vor allen 1
310 1 feinen Gegnern den Vortheil voraus , dieser Hilfmittel entbehren zu können. Seine gefüllte SchaßFammer und sein reichhaltiges Depot bewirkten, daß die preußischen Truppen , mit Allem überflüßig versehen , diesen Feldzug eröffnen konnten. Friedrich, um den Mangel an leichten Truppen zu erſeßen , errichtete sieben Freybataillone , und vermehrte überdem bey seinen Heeren sowol die Infanterie , als die Cavallerie , mit 40.000 Mann. Die Sachsen aller Volksklassen , die wegen Ähnlichkeit der Sprache, derSitten und der Sinnesart , den Preußen weit mehr, als den Östreichern geneigt waren , wünschten , da doch Krieg seyn mußte , daß ihr Beherrscher sich mit den ersteren verbinden möchte. Noch wurden sie mit keiner Härte behandelt. Lieferurgen an die Armee, die jedoch nicht unterdrückten , wöchentliche Mahl= zeiten an die einquartierten Soldaten, mäßige Krieg Steuern, Rekrutenstellungen und andere verhältnißmäßig fleinen Unannehmlichkeiten , waren zur Zeit noch die einzigen Krieglasten , die Sachsens Bewohner kannten. Sie lebten übrigens mit den Preußen ganz freundschaftlich. In Dresden wurden Schauspiele, Conzerte, Bälle und Maskeraden gegeben , die der Adel, so wie die Bürger und Landschönen , fleißig besuchten. Der König selbst gab selbst fast täglich Conzerte, wobey er , der so mächtig bedrohte Monarch, mit seiner Flöte einstimmte. Diese Gemüthruhe, die seine philosophische Denkungsart und die Kenntniß seiner Kräfte erzeugte, wurde jedoch auf mannigfaltige Weise unterbrochen. Es ereignete sich in diesem Winter unter andern ein Bor all, dessen näheren Umstände nur sehr Wenigen
3Ir bekannt sind. Friedrich sollte vergiftet werden. Ein Kammerlakay , Namens Glasau , der bey dem König in großer Gunst stand , so daß er oft in seinem Bettzimmer schlafen mußte, wurde gedungen , den Monarchen aus der Welt zu schaffen. Den Entwurf wußten nur einige Personen , und von diesen war feine Entdeckung zu besorgen. Ein Zufall aber verrieth dem König in der Stunde der Ausführung, daß ein Anschlag wider sein Leben gefaßt sey. Glasa¤ umfaßte die Füße des Monarchen, und flehete um Gnade, die ihm jedoch nicht gewährt werden konnte. Er wurde festgenommen , in des Monarchen Gegen= wart gerichtlich verhört , und sodann den nächstfol genden Tag in Ketten nach Spandau geführt , wo er in einem Kerker , abgesondert von allen Menschen, in kurzer Zeit sein Leben endigte. Es schien dem Könige so sehr daran gelegen , das Geheimniß, wegen der im Verbrechen verwickelten Personen, zu bewahren, daß er nicht einmal einem Arzt erlauben wollte, diesem Unglücklichen in seinen lezten Stunden beyzustehen. Die Mäßigung, welche der König von Preußen noch zur Zeit in Sachsen beobachtete , hatte ihren Grund in der noch nicht ganz aufgegebenen Hoffnung, August zum Frieden und zu einem Bündniß zu vermögen , wozu er beide Hände bot ; allein die Wunde war zu tief geschlagen, die Verbindung dieses Königs mit Östreich und Rußland zu eng, und seine Erwartungen einer schleunigen, glücklichen Veränderung zu groß, als daß er den preußischen Vorschlägen Gehör geben sollte. Dagegen waren die Klagen seiner Gesandten, von seinen mächtigen Bundesgenossen
312 unterstüßt , in Regensburg und an allen europäischen: Höfen ohne Gränzen. Der Endzweck wurde auch vollkommen erreicht. Alle verbündeten Höfe verdop= pelten ihren Eifer bey den gewaltigen Zurüstungen . Frankreich selbst zeigte so sehr seinen Ernst , daß, um den Untergang des Königs von Preußen zu beschleunigen , der Hof von Versailles dem englischen die Neutralität für das Churfürstenthum Hannover unter den Bedingungen antrug , wenn Georg der II.. seine teutschen Truppen weder vermehren , noch versammeln , den Franzosen seine Festungen einräumen, und ihnen den freyen Durchzug in die preußischen: Staaten gestatten wollte. Der König von England. aber, obgleich ihm Hannover alles galt , verwarf den Antrag. Friedrich , dem jeßt nichts übrig blieb , als durch den wirksamsten Gebrauch seiner Waffen dem: Krieggewitter allenthalben die Stirne zu bieten, ging nun in seinen sächsischen Finanzoperationen nachdrücklicher zu Werke. Er sah jezt ein , daß das von ihm. so sehr gewünschte Bündniß mit Sachsen für ihn of= fenbar nachtheilig gewesen wäre, und daß der unein.. geschränkte Befih eines großen , schönen Landes ihm unendlich mehr Vortheile verſchäffte. Keine Provinz konnte so , wie Sachsen , allen seinen Operationen. einen Centralpunkt geben , und ihm Nücken und Flan= Een decken. Die Lage dieses Landes zwischen zwey großen , durch die Politik immerfort getrennten, Machten, war und ist ein Nationalunglück für die Sachsen. Friedrich konnte nur von hier auf bey seinen Unternehmungen in Böhmen Zufuhren erhal= ten , und war überdem genöthigt , sich bey einem
313 Angriff auf Östreich gegen die Sachſen in Sicherheit `. zu sehen. Es blieb also, den lehteren gleich im Anfange des Kriegs keine andere Wahl übrig , als entweder Bundesgenoffen des Königs von Preußen, oder seine Krieggefangene zu seyn . Friedrich entsagte nun der bisher beobachteten Mäßigung , und ånderte ganz seinen vorigen Plan. Die Besoldungen aller churfürstlichen Diener wurden verringert , oder gar eingezogen. Zum Unterhalt der Landeskollegien und Canzleyen in Dresden waren bisher 190,000 Rthlr. erforderlich ; diese Summe wurde bis auf 30 000 herabgesezt , und so ging man weiter. Die Königin von Polen bat um Geld. Friedrich , der wol wußte , welchen Gebrauch sie davon zu seinem Nachtheil machte , ließ ihr nur 7800 Rthlr. , den Rest einer Caffe , überliefern ; fie erneuerte ihre Bitte, und bestimmte die gegenwärtigen Bedürfnisse für sich und ihre Familie monatlich auf 174,000 Reichthaler. Die Antwort war : Sie möchte sich an ihren Gemahl wenden. Diese Finanzreform erstreckte sich über Alles . Die Operisten und Tänzer wurden zwar nicht förmlich verabschiedet, allein man gab ihnen keine Besoldung mehr , und nun reisten sie nach Italien zurück. Ein Paar wichtige Personen am sächsischen Hofe waren der Beichtvater der Königin und der Öberdirektor der Opern . Ersterer hatte einen Gehalt von 12,000 , und legterer von 15,000 Rthlr ; jeßt aber mußten sie sich mit 2000 Rthlr. begnügen. Die Kaiserin Elisabeth kam in dieser Noth der Königin von Polen zu Hilfe, und schenkte ihr 100,000 Rubel. Der ungeheuere Vorrath von Porcellain , den man theils in Dresden, theils in Meissen fand,
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wurde jeht für preußische Rechnung , als ein erben tetes Eigenthum , verkauft. Schimmelmann , ein fächsischer Kaufmann , erstand es für 200.000 Rthlr., und legte dadurch den Grund zu seinem unermeßlichen Reichthum , womit er sich anfangs nach Berlin, hernach nach Hamburg , und endlich nach Copenhagen begab. Er stieg bis zur Höhe eines allvermogenden dänischen Staatministers , und starb als der reichste Mann , der noch je in den nordischen Körig, reichen gelebt hatte. Friedrich ließ jedoch das königliche Schloß in Dresden unberührt. Er besuchte oft die vortreffliche Bildergallerie, allein ohne sich etwas davon zu³ zueignen ; vielmehr beschenkte er die Aufseher reich lich. Diese Mäßigung aber verließ ihn gänzlich in Ansehung des Grafen von Brühl , den er als den Urheber des Bündnisses betrachtete, das Sachsen mit seinen Feinden geſchloſſen hätte. Er ließ deſſen Eigenthum gänzlich zerstören , und erlaubte sich also eine Rache , die man von dem gekrönten Weltweisen nicht erwartet hätte. Die sächsischen Rekruten zum Dienſt der Preufsen mußten nun herbeygeschafft werden. Der Churprinz von Sachsen that dagegen dringende Vorstel=\ lungen , und berief sich auf seinen Vater , der dazu erst seine Einwilligung geben müßte ; in ' Friedrich's Antwort aber wurde er höflich ersucht , ſich nicht um solche Sachen zu bekümmern. Die Landſtånde waren mit ihren Vorstellungen nicht glücklicher, und da sie sich auf den Gehorsam gegen ihren Souverain bezogen , antwortete Friedrich : „I✪. bin Euer Landesherr, so lange ich Sachsen in.
315 Befit habe ; folglich seyd Ihr mir auch Gehorsam schuldig." Friedrich wußte nur zu wol , daß er von der Republik Polen keine Hilfe erwarten konnte ; er wollte jedoch nicht die Staatformalität vernachläßigen , und verlangte daher , kraft des wehlauer Traktats , jur Beschüßung der brandenburg'schen Staaten, Die festgesezten 4000 Mann Hilftruppen ; dabey bat er die Republik , daß sie den Russen keinen Durchmarsch durch ihr Gebiet verstatten möchte , weil sonst Der Krieg auch nach Polen gezogen werden würde. Dies Ansuchen wurde jedoch in Warschau gar nicht geachtet, da selbst diejenigen Großen , welche es auch nicht mit ihrem Könige hielten , dennoch vor den Ruffen zitterten. Die Kaiserin Elisabeth unterhielt diese Furcht durch Drohungen , und durch die Besių, nehmung von Elbing und Thorn , wobey ſie erklärte, daß sie durch ihre Armeen den König gewiß abhalten würde , die Nuhe von Polen zu stören. In allen Provinzen Teutschlands herrschte nun eine kriegerische Thätigkeit , die seit vielen Jahrhunderten nicht so allgemein gewesen war. Bey allen Kriegen der neueren Zeit, selbst da unter Karl dem V. und unter Gustav Adolph die Teutschen aus Religionseifer gegen einander wütheten , waren keine so gewaltigen Zurüstungen geschehen, als jezt, wo alle Völkerschaften Germaniens , groß und klein , zu den Waffen griffen , um für den doppelten oder für den einfachen Adler zu kämpfen, Die Furcht vor dem Anzuge mächtiger Heere verringerte jedoch die preus fische Partey immer mehr und mehr. Selbst der Herzog von Braunschweig, Friedrich's Schwager,
316 wollte , um sein Land zu retten , es den Franzosen übergeben ; auch der Landgraf von Hessen : Caffel wankte , und schien mit Preußens Freundschaft und dem bisherigen Schuß auch alle empfangenen englischen Subfidien zu vergessen. In Südteutschland war nur der einzige Markgraf von Bayreuth , der lieber fein Land preisgeben , als gegen seinen königlichen Schwager Truppen senden wollte. Friedrich war durch diese Großmuth gerührt , und da er nun überdem die Staaten des Markgrafen als das Erbtheil seines Hauses betrachtete , so untersagte er die uit Verheerung verknüpfte Aufopferang , und be willigte selbst den Beytrit des bayreuth'schen Krieg= Contingents zu den wider ihn versammelten Heerfchaaren . So wurde nun die Reicharmee zusammengebracht, die das durch Alter, so wie durch innere Macht, ehrwürdige germanische Bündniß in einem lächerlichen Licht darstellte. Diese Truppen waren vielleicht den Kreuzfahrern nicht ganz unähnlich. Die Contingente, oder die reichpflichtmäßigen Beyträge an Soldaten, der Bayern, der Pfälzer, der Württemberger und einiger anderen Reichſtånde ausgenommen , war der Rest der Armee ein Zusammenfluß undisciplinirter Horden , in Schaaren vertheilt , die ein buntscheffiges Ganzes bildeten. In Schwaben und Franken maren Neichstände , die nur einige Mann stellten. Auf manchen fiel allein die Lieferung eines Lieutenants ohne Soldaten , der oft ein vom Pfluge weggenom= mener Bauernkerl war ; andere lieferten bloß einen Tambour , und gaben ihm eine Trommel aus ihren alten Rüstkammern. Viele Klosternonnen lègten ihre
317 Rosenkränze beyseite, und stickten Fahnen , die, durch Priesterfegen geweiht , gegen Kezer wehen sollten, Die Schweintreiber avancirten zu Querpfeifern , und abgelebte Karrengåule wurden bestimmt , Dragoner zu tragen. Die Reichprälaten , welche sich brüsteten, Bundesgenossen so großer Monarchen zu seyn, ließen ihre Klosterknechte die Kittel ablegen , und schickten fie zur Armee. Waffen, Kleidung , Bagage, furz Alles war bey diesen Menschen verschieden , die man mit dem Namen Soldaten belegte, und von denen man große Dinge erwartete. Indessen wurden von Seite der Preußen die wirksamsten Maasregeln genommen , den Feldzug früh zu eröffnen , um den feindlichen Bundesgenossen zu vorzukommen. Die furchtbarsten dieser Alliirten waren die Östreicher. Auf diese mit vereinigten Kräften lokzugehen , beschloß daher Friedrich, um, wo möglich, einen großen Streich auszuführen , bevor sich die Heere der anderen Völkerschaften nähern könnten. Der kaiserliche Hof nahm ein entgegen gefeßtes System an , und wollte sich blos auf Vertheidigung einschränken , bis man, mit sämmtlichen Bundesgenossen vereinigt , auf einmal den König von Preußen von allen Seiten anfallen und vernichten könnte, Brown theilte deshalb seine ganze Macht in vier große Corps , um Böhmen zu decken. Den: noch drang Friedrich zu Ende des Aprils mit fünf großen Krieghaufen in dies Königreich ein , nachdem er zuvor , um die Feinde zu hintergehen , durch mannigfaltige Anstalten Miene gemacht hatte, auch seiner. feits vertheidigungsweise zu verfahren , und in der Nähe von Dresden durch feste Lager Sachsen zu decken.
318 So wol waren die Befehle berechnet, die auch mit großer Ordnung pünktlich befolgt wurden , daß alle diese von so verschiedenen Seiten anrückenden Armeen am nåmlichen Tage den böhmischen Boden betraten. Man bemächtigte sich sogleich einiger sehr Die Armee beträchtlichen kaiserlichen Magazine. unter dem Herzog von Bevern , 16,000 Mann ſtark, traf bald auf eine feindliche von 28,000 Mann , die sich , unter Anführung des Grafen von Königsegg, bey Reichenberg verschanzt hatte. Sein Lager war zwischen zwey waldigen Bergen , und seine Schlacht. ordnung glich einer Festung. Die Östreicher wurden fogleich angegriffen , und nach einem fünfstündigen Gefechte, mit einem Verluste von 1800 Mann an Todten , Verwundeten und Gefangenen , aus dem Felde geschlagen . Die Preußen verloren dabey 300 Mann. Nach diesem Treffen rückte der Herzeg vor. warts, und vereinigte sich bald darauf mit der Armee des Feldmarschalls Schwerin , der in fünf Colonnen über die schlesischen Gebirge in Böhmen eingedrüngen war , und die kaiserliche Arriergarde bey Alṭbunzlau geschlagen hatte. Sie bestand aus 1500 Mann, die größtentheils niedergemacht oder gefangen wurden, wobey aber der Anführer der Preußen , Wartenberg, ein sehr würdiger General , ſein Leben verlor. → Der König von Preußen marschirte über den hohen böhmischen Berg Pastopol ohne allen Widerstand , und ging über die Moldau im Angesicht des Feindes , der seine ganze Macht beysammen ha te, und jezt den kostbaren Augenblick versäumte, Friedrich's kleines, abgeson. tertes Heer mit überwiegendem Vortheil anzugreifen. Unter den obersten Befehlhabern der kaiserl. Truppen
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herrschte eine Eifersucht , die sich auf mancherley Art sehr auffallend zeigte ; denn Brown war jetzt dem Prinzen Karl von Lothringen untergeordnet , der als oberster Feldherr kommandirie. Diese Heerführer ahneten keinen feindlichen Einfall in Böhmen ; sie glaub en, Friedrich würde sich in Sachsen zu ver theidigen suchen , daher auch Brown unter dem 9ien April bey Keith um die Rücksendung der im vorigen Jahr aus Böhmen mitgenommenen Geifeln anhielt, weil, wie er sagte , die Preußen dieses Jahr wol nicht wiederkommen würden. Auf Friedrich's Befehl schrieb Keith zurück , daß Brown Recht hätte , und daß die Geiseln nächstens nach Böhmen transportirt werden sollten . Am 6ten May früh Morgens waren alle preus fischen Armeen , über 100 000 Mann stark, in der Gegend von Prag versammelt. Sie vereinigten sich auch in der Nähe dieser Hauptstadt bis auf die von Keith and von Prinz Morig kommandirten Truppen, die auf der anderen Seite der Moldau blieben , und einige Stunden darauf nahm eine der denkwürdigsten Echlachten ihren Anfang , die in den Jahrbüchern. ter Kriege aufgezeichnet sind. Das preußische Heer, das wirklich zum Treffen kam , mar 64,000, das östreichisce 76 000 Mann ftark. Das lehtere stand auf verschanzten Bergen. Die Zugänge waren zum Theil sumpfige Wiesen , abgelassene Teiche , deren Böden voller Schlamm und mit Gras bewachſen war ; ferner schmale Dämme, ja Stege, worauf die Soldaten nur einzeln übergehen konnten. Die öftreichische Infanterie stand ruhig in diesem festen Lager, und war eben mit Kochen beschäftigt , und 2. Friedrich d. Einz. III.
320 die Cavallerie war aufgeschickt , Futter zu holen , als Friedrich anrückte ; denn man hatte , ungeachtet aller von den Vorposten eingebrachten Nachrichten, seinen Anmarsch nicht glauben wollen . Der Prinz Karl ließ nun in größter Eile die Fouragirer zurückkommen , die auch zum Theil in ihren Kitteln mit den Preußen fochten. Ungeachtet des fo sehr übeln Terrains geschah dennoch der Angriff von der preus kischen Infanterie mit einem bewundernswürdigen Muthe. Sie konnten nur rottenweise über die schmalen Damme gehen , und diejenigen , welche durch die Wiesen wadeten , blieben bey jedem Tritt im Schlamme stecken ; ja die Regimenter Meierrinc und Treskow sanken bis an die Knie in Moraſt , und nur mit großer Mühe gelang es ihnen , sich herauszuarbeiten. Einer half dem Anderen , und Alle sprachen sich einander Muth ein. Mehre Bataillone mußten bey diesen Umständen ihre Kanonen zurücklassen, so nöthig sie solche auch brauchten. Um 1 Uhr Nachmittags waren die Hindernisse bekämpft, und die Preußen fingen an , fich in Schlachtordnung zu stellen. Ohne sich erst von den schrecklichen Beschwerden zu erholen , gingen fie ungestům auf den Feind los , der sie mit einem entfehlichen Artilleriefeuer empfing. Die Preußen stürzten immer rottenweise zu Boden. Das Regiment Winterfeldt griff dennoch eine Batterie an , faud aber großentheils vor Derselben sein Grab. Dies hinderte jedoch nicht das Anrücken des Grenadier - Bataillons Wreden , das einmüthig schrie : Kameraden ! Laßt uns heran, Ihr habt Ehre genug !" Der König hatte Befehl gegeben , ohne mit Musketen zu schießen , gleich mit
321 gefälltem Bajonnet einzudringen ; allein das Kartát schenfeuer der Östreicher war so mörderisch , daß die menschliche Natur bey einem augenscheinlich gewissen Tod endlich der Tapferkeit ein Ziel seßte. Mehre Regimenter der Preußen wichen zurück. Indeffen war die Cavallerie beider Heere auch in's Handgemenge gerathen ; der Prinz von Schöneich, welcher die preußische kommandirte , griff mit einem Theil derselben die ganze öftreichiſche an , und warf die erste Einie über den Haufen. Er verlor aber durch überflügelung feine beiden Flanken, und wurde durch die zweyte Linie des Feindes zurückgefchlagen. Die preußische Reiterey formirte sich jedoch wieder , erhielt Verstärkung , und ging von Neuem auf den Feind los , und nun war der Angriff entschei dend. Die öftreichische Reiterey wurde ganz auseinander gesprengt, und auf ihre eigene Infanterie geworfen , die sie in Unordnung brachte. Die preuffischen Husaren benüßten diese Gelegenheit , um eins zuhauen , und die Verwirrung zu vermehren. Der Feldmarschall Schwerin war zu eben der Zeit eifrig bemüht , die durch den entseßlichen Eisenhagel zurückgewichene Infanterie wieder zu formiren, und ließ sie gegen den Feind anrücken . Er stellte fich selbst an die Spiße seines Regiments , stieg vom Pferde, und ergriff mit den Worten : Heran meine Kinder!" eine Fahne, die in seiner Hand den Weg des Sieges bezeichnen sollte. Die Preußen fanden auch diesen Weg , allein der edle Wegweiser fiel, durch vier Kartäiſchenkugeln zu Boden gestreckt. Das Panier seines Monarchen deckte ihn , und verhüllte feine Todelzúge, Mehre preußischen Generale folgten 2*
322 diesem Beyspiel , und führten ihre Brigaden zu Fuß an ; auch der Prinz Heinrich sprang vom Pferd, und erstieg an der Spiße der Seinigen eine feindliche Batterie. Nun stürzte das ganze zweyte Treffen der Preußen auf die Öftreicher , die bis zu ihren Zelten getrieben wurden. Man hatte sie stehen lassen, um keine Zeit zu verlieren. Der Herzog Ferdinand von Braunschweig , Friedrich's größte Stüße an diesem blutigen Tage , so wie überhaupt in dem ganzen Kriege , bemerkte indessen den fortdauernden Muth des Feindes , deffen linker Flügel seine Stellung immer noch behauptete. Er båt den König um Erlaubniß, vom Schlachtplan abzuweichen , weil er einen Versuch auf die feindliche Flanke machen wollte. Die Antwort war , er möchte thun , was er am rathsamsten fånde. Ferdinand nahm sofort einige Regi menter vom rechten Flügel , fiel dem Feind in die Flanke und in den Rücken , und so wurde er von Berg getrieben, und sieben mit östreichischen Grenadieren , dem Kern der kaiserlichen Soldaten , beſeßte Schanzen wurden erobert. Die Feinde befanden sich in großer Unordnung , so daß ihre Flügel von einan der getrennt waren. Schnell benüßte Friedrich diesen Vortheil. Er rückte in den offenen Raum, und nun war die Trennung vollkommen. Unglücklicherweise für die Preußen war ihre leichte Cavallerie entfernt , weil sonst der gänzliche Untergang des feind lichen, Heeres unvermeidlich gewesen wäre. Das geschlagene Heer formirte jest zwey Armeen , von welchen die kleinste ſich auf die Flucht in's weite Feld begab, und die andere sich in Prag warf. Diesen Zufluchtort wählte man in Eile , ohne die Folgen zu
323 überlegen. Man sah jedoch das Schreckliche dieser Lage schon in den ersten Stunden ein. Es wurden auch noch den nämlichen Tag einige, obwol schwache, Versuche gemacht , sich wieder herauszuziehen ; allein die Preußen hatten , so viel die Dunkelheit der Nacht es nur zuließ , alle Ausgänge der Stadt befeht, und zwangen die Öfireicher, wieder in ihr Krieggefängniß zurückzukehren. So war die Geschichte dieser denkwürdigen Schlacht, die von Morgens 9 bis Abends um 8 ühr gedauert hatte ; eine Schlacht, die in Ansehung der großen Streitenden Heere , des vielen vergoffenen Bluts , der dabey begangenen großen Fehler von Seiten der überwundenen , des Todes eines erfahre nen Heerführers in den Augenblicken der höchsten Unordnung , der von beiden Theilen bewiesenen Tapferkeit , der überstiegenen großen Schwierigkeiten, und der durch die Niederlage erzeugten Bestürzung, der Schlacht von Cannå nicht unähnlich war , wo Hannibal die Römer, wie noch keiner vor ihm, be fiegte. Die römische Schlacht entschied das Schicksal von ganz Italien , Kom allein aufgenommen ; und die teutsche hätte den ganzen Krieg entschieden , und den politischen Zustand von Teutschland umgestaltet, wenn nicht ein sehr unbedeutender Gegenstand , ein Paar elende Pontons , das Loes so vieler Nationen bestimmt hätte. Die Armee des Prinzen Moriß von Deffau befand sich oberhalb Prag bey Branick, an der anderen Seite der Moldau , über die man eine Brücke schlagen wollte , um dem Feind in den Rücken zu kommen. Dieser Fluß aber war angeschwollen ; man hatte nicht darauf gerechnet , und einige Pontens
324 fehlten , um die Schiffbrücke zu vollenden. Diese muthigen Preußen blieben also in der Ferne bloße Zuschauer der Schlacht. Ein Paar Pontons mehr, und die gänzliche Vernichtung des großen öftreichis schen Heers , von dem jest das Schicksal einer mach tigen Monarchie abhing , war nicht einen Augenblick weifelhaft. Dieser Tag wåre in der Weltgeschichte unsterblich geworden ; fodann keine Schlacht bey Col fin, Feine Schlacht bey Hochkirch , furz eine ganz andere Geschichte , als wie man sie jezt in den Jahrs büchern des achtzehnten Jahrhunderts liest. Alles, was Morih in dieser für einen Helden höchſt traurigen Lage thun konnte , war , diejenigen geschlagenen Östreicher zu kanoniren , welche sich vor seinen Augen in großer Unordnung zur daun’ſchen Armee zogen. Der Verlust der Preußen an diesem Tage war 16,500 Mann an Todten und Verwundeten ; 1550 waren gefangen worden. Viele ihrer vornehmsten Befehlhaber waren geblieben : außer dem Feldmarschall Schwerin , die Generale Prinz von Holstein, Prinz von Anhalt, Golf , Hautcharmoy und Andere, Fouquet und Winterfeld aber wären gefährlich verwundet *). Die Östreicher zählten 19,000 Todte *) Friedrich ehrt das Andenken der Gefallenen burch folgende schöne Stelle in seiner Geschichte bes siebenjährigen Kriegs : ,,Der Verlust dev Preußen belief sich auf 18,000 Streiter, ohne den Feldmarschall Schwerin zu rechnen, der allein mehr als 10,000 Mann werth war. Sein Tob machte . die Lorbeern des Siegs verwelfen ; denn der Sieg war durch ein zu kostbares Blut erkauft! An dies fem Tage fielen die Säulen der preußischen
325 und Verwundete, dabey büßren fie 5000 Gefangene ein, die nebst 60 Kanonen , einer Anzahl Fahnen und Standarten, der Kriegkasse und vieler Bagage , den Siegern in die Hånde fielen. Noch vom Wahlplah schrieb der König an seine Mutter : "Ich bin mit meinen Brüdern gesund ; der Feldzug ist für die Östb ,,reicher verloren , und ich habe mit 150,000 Mank freye Hånde. Wir sind Meister von einem König
Infanterie , die Herren von Fouquet und von Winterfeldt wurden gefährlich verwundet ; and ihr Leben verloren Herr von Hautcharmon , die Herren von Golz , der Prinz von Holſtein , Herr von Mannstein , von Unhalt , und eine Menge tapferer Offiziere und alter Soldaten, welche_zu erfegen ein blutiger und grausamer Krieg nicht Seit gewährte." Q Es stehe hier noch eine Stelle aus dem ôftes erwähnten Werke von Jomini : ,,Was die Uc, tion selbst betrifft, so hatte man keine Wahl beym Angriff; er konnte nirgends anders , als auf des linken Seite geschehen. Über den entſcheidenden Uup genblick, den Brown durch Trennung der Truppen herbenführte, fehen, und sich seiner bemächtigen, is einer jener Züge des Genies , deren sehr wenige Generale fähig sind , und welcher dem Könige große Ehre macht . Sein Verhalten während der Schlacht verdient gleichfalls das größte Lob. Das, was in den vor ihr statt gefunde en Manövren verwegen scheint, muß ohne Zweifel der Lage den Dinge bengemessen werden , und der Kenntniß, die er von den feindlichen Generalen hatte (felp ner genauen Beurtheilung derselben,; Friedrich war ein zu großer Feldberr , um einen gewöhrə -lichen Fehler zu begehen."
326 ,,reich, das uns Geld und Mannschaft geben wird . Ich werde einen Theil meiner Truppen absenden. ,,den Franzosen ein Compliment zu machen, mit den übrigen will ich die Östreicher verfolgen" So blutig indeß auch dieſe Schlacht war, und so. große Erwartungen auch ganz Europa jeht hatte, so ging doch alles ganz anders ; denn diese schreckliche Niederlage ist desto merkwürdiger wegen der Folgen, die sie nicht hatte. Alle Welt glaubte, daß die flüchtige öftreichische Armee würde verfolgt und aufgerieben, die eingeschlossene aber durch Feuer und Hunger zur Übergabe gezwungen werden ; allein das Kriegsglück vereitelte sehr geschwind die Hoffnungen der Preußen, und flöste ihren Feinden neuen Muth ein. Durch die Schlacht bey Prag verlor jedes Heer einen vortrefflichen Feldherrn ; denn auch der Feldmarschall Brown starb an seinen im Gefecht erhaltenen Wunden. Friedrich betrauerte den Tod Schwerin's , seines Lehrers in der Kriegkunst, von dem er zu sagen pfleg te: ,,Er würde ein vollkommener Feldherr seyn, wenn er nur Jemand neben sich leiden könnte." Nach geendigtem Kriege ließ ihm der König in Berlin auf dem Wilhelmsplay eine marmorne Bildſäule errichten. Prag, diese ungeheuere Stadt, hatte nun innerhalb ihrer Mauern ein ganzes Kriegheer. Nebst der Besaßung waren hier über 50,000 Mann beyſammen, worunter sich alle vornehmen Befehlhaber , die sächſt= schen Prinzen, der Prinz Friedrich von Zweybrücken, Der Erbprinz von Modena , ja selbst der Prinz Carl von Lothringen befanden. Eine so große Kriege macht war seit Casar's Belagerung von Alexia in keiner Stadt unseres Erdtheils eingeschloffen gewesen. Alle
327 Nationen in Europa, verbündete und neutrale, erwarteten nun ganz außerordentliche Scenen. Friedrich ließ die Stadt, die beynahe zwey teutsche Meilen im Umfang hat, unverzüglich berennen, und alle Ausgånge mit Batterien besezen. Er ließ durch den Obristen Krokom die feindlichen Heerführer auffordern, sich zu ergeben. Die Antwort war , man würde sich bis aufs Äußerste vertheidigen. Anfangs glaubte man in Wien, daß eine so gewaltige Armee, wie die eingeschlossene kaiserliche, die Riegel ihres Kerkers bald zersprengen. würde; allein die nachdrücklichsten , oft wiederholten Versuche, mit Verzweiflung ausgeführt, waren alle fruchtlos , und die durch zahlreiche Batterien zurüc gewiesenen Östreicher mußten immer wieder zu ihrer Quarantaine von Pferdefleisch zurückkehren. Dieses war die Nahrung der ganzen eingeschlossenen Armee schon in den ersten Wochen ; die Pferde der Cavallerie und Artillerie wurden geschlachtet, und das Pfund von ihrem Fleische anfangs für zwey , hernach für vier Kreuzer verkauft. Da man einen so außerordentlichen Vorfall nie vermuthet hatte, so war man darauf gar nicht vorbereitet ; die Magazine in der Stadt waren daher schlecht gefüllt , die Truppen litten an allem Mangel, und die 80,000 Einwohner standen in Ge fahr, Hungers zu sterben. Prag , ein Ort , als Festung unbedeutend, aber afs Brustwehr von 50,000 Mann ein furchtbarer Ge. genstand, wurde nun, nachdem das Geſchüß aus Dresden angelangt war, förmlich belagert, und enger ein geschlossen. Da man den Endzweck hatte, die Maga zine dieser Hauptstadt zu verbrennen, und die dort herrschende große Unruhe zu vermehren, so warf man
328 Bomben und glühende Kugeln in die Stadt, die viele Häuser in Brand steckten , und eine fortdauernde Fenerbrunft unterhielten. Die Preußen konnten des Nachts das Geschrey und Wehklagen der Einwohner deutlich hören. Zwölftausend derselben wurden aus der Stadt gejagt, um die Hungersnoth zu vermindern ; allein die Kanonenkugeln der Belagerer trieben fie in ihr Elend wieder zurück. Nach einer dreywöchentlichen Belagerung lag die ganze Neustadt und Judenstadt in der Asche ; auch einige Vorrathhäuser mit Proviant waren dabey in Rauch aufgegangen. Viele unschuldige wehrlose Menschen, Greise, Weiber und Kinder, wurden durch die Bomben getödtet , oder in den Haufern zerschmettert. Die Unruhe in dieſer unglücklichen Stadt war daher unaufſprechlich. Alle Straßen waren mit Wagen und Pferden bedeckt, die Kirchen lagen voller Verwundeten und Kranken, und der Tod räumte unter Menschen und Vieh wie bey der Pest auf. Die Geistlichkeit , der Magistrat, die Bürgerschaft , alles flchete den Prinzen Carl um Erbarmen, daß er zwar hatte, jedoch hier nicht werkthätig zeigen konnte. Er versuchte zu capituliren, und verlangte einen freyen Abzug. Friedrich wollte von diesem nichts hören, und schlug seinerseits Bedingungen vor, die man nicht glaubte annehmen zu können. Die Preußen hatten indessen außer den Feinden auch die Elemente zu bekämpfen. Ein graufamer Sturm, mit entseßlichen Regengüssen vergesellschaftet, riß ihre Zelte in Stücken , und überschwemmte das Lager. Wolkenbrüche ergoßen sich, und schwollen die Moldau so heftig an, daß ſie auf hundert Schritte weit aus ihren Ufern trat, wodurch die bey Branick geschla=
329 gene preußische Schiffbrücke zertrümmert , und die Pontons vom Strom fortgerissen wurden . Der Zustand der Belagerten verschlimmerte sich aber täglich, ja ſtündlich, und die vielen Feldherren in Prag, die unaufhörlich Kriegrath hielten , mußten keinen Rath mehr. Die Hoffnung dieser Truppen, sich mit Gewalt den Weg aus der Stadt zu bahnen, war verschwunden, und das Vertrauen auf die daun’ſche Armee , die bey Collin stand , nur sehr gering. Ein großer durch Kriegruth geleiteter Ausfall , der in der Nacht vom ersten Jung , unter Anführung ihrer besten Generale, von der ha’ben Beſaßung geschahe, das heißt von einer Armee, womit man beyde Halbinseln von Indien håtte erobern können, war so fruchties, wie alle auderen. Nichts blieb also den Eingeschloffenen übrig, als sich dem Schicksal zu überlaſſen. So war die kritische Lage der Kaiferin Maria Theresia. Alle Pässe des Königreichs Böhmen und der Lauſih , nach dém Voigtlande , nach Sachsen und nach Schlesien, im Befih der Preußen ; der Kern ihrer Kriegmacht und ihre vornehmsten Befchihaber in Prag eingesperrt, ihre übrigen Truppen geschlagen, muthlos, und in kleine Haufen zerstreut, denen es fo = gar auf ihrem eigenen Boden an Unterhalt fehlte ; die Hauptstadt von Böhmen durch Hunger und Feuer auf's Außerste gebracht , das darin eingeschlossene Heer auf dem Punkt , sich zu Krieggefangenen zu ergeben , und das ganze Königreich nebst den daranfteßenden öftreifchen Provinzen dem Schicksal nahe , dem Sieger unbedingt unterworfen zu werden. Von Sachsen her rar alle Hilfe ganz abgeschnitten, alle kaiserlichen Erblande offen , und dem Feinde blosgestellt ; ja Wien
330 selbst nicht gegen eine Belagerung gesichert. Man Hielt die Preußen , die seit 1741 im acht Schlachten gefiegt , und noch keine einzige verloren hatten , jezť für unüberwindlich , und ihrem Könige Alles zu thun. möglich. Die Bestürzung in dieſer Kaiſerſtadt war daher unaussprechlich ; man glaubte den Sieger bereits vor den Thoren dieser Residenz zu sehen , und schon dachte man auf Mittel, ihm mit großen Aufopfe rungen den Frieden anzutragen. Långer aber , als Friedrich vermuthet hatte, hielt sich das Heer der Östreicher in Prag. Die ein zige Hoffnung desselben beruhte jezt wol noch auf dem Feldmarschall Daun , der, anfangs bestimmt, zu der großen kaiserlichen Armee zu stoßen, die von dem prazer Schlachtfeld entkommenen Flüchtlinge an sich gezogen hatte, und nunmehr, verstärkt durch einige bisher noch in den östreichischen Landen gestandenen Corps fogar die Besatzung von Wien hatte nach Böhmen eilen müssen, die Berachung der Kaiserburg, sonst der Sg des Stolzes und übermuths, einigen Invaliden überlassend - mit einemHeere von 60 000 Gerüstet erMann verschanzt bey Collin stand.blickte man schon Russen , Franzosen , Schweden und Reichtruppen an ihren Gränzen. Noch aber durfte Friedrich hoffen, nach der Vernichtung von Daun's Armee, und der Gefangennehmung der prager Befazzung, vielleicht in Wien selbst, Östreich in Kurzem zum Frieden zu zwingen, dessen natürliche Folge dann ohne Bweifel gewesen seyn würde, daß alle übrigen Staaten den schon angekündigten Krieg in Wirklichkeit nicht begonnen, und neuerdings überall Waffenruhe ge herrscht hätte. Doch kostbar war jeder Augenblick.
331 Hatten jene Mächte auch nur einen Schritt über den Rubicon gethan, ſo lagen die Loose. -- Den hohen Werth der Zeit fast besser als Jemand kennend , und daher immer rasch zu handein gewöhnt , entschloß sich der König , mit allen bey der Belagerung Prags entbehrlichen Truppen , und jenen , welche unter dem Herzoge von Bevern dem östreichischen Marschall schon entgegen standen, sich auf diesen, ihn vernichtend, zu stürzen, und so dem eingeschloffenen Heere jeden Stral von Hoffnung zu entreifen. Die schnelle Gefangen . nehmung desselben war, nach glücklicher Vollführung jenes Planes , gewiß, und der Preußen Kanonendon ner vor den Thoren des erschrockenen und betäubten Wien hätte sicherlich einen glorreichen Frieden dictirt. Den 18ten Juny kam es, in der Nähe von Col, lin, zur furchtbar entscheidenden Schlacht. Mit nur 32,000 Mann begann Friedrich gegen den bey= nah, noch einmal so viel zählenden Daun den Angriff. Auf dem Abhang und dem Gipfel der Berge stehend, durchsenkrechte Anhöhen, zum Theil unerſteiglich, und eine zahlreiche Artillerie geschüßt , erblickten ihn die Preußen. Ihren eigenen Vortrapp führte General Hülsen; er begann den Kampf. Mörderisch wüthete das Geschüßfeuer der Östreicher in den ohnehin dünnen Reihen ihrer Gegner; aber nicht wankend, sowol gegen die Hindernisse der Natur, als jene der Kunst und der übermacht ringend, drangen die Truppen des Königs immer weiter vor. Doch, nicht Tapferkeit, nicht Kriegkunst sollten entscheiden, und die Stürmenden werden zurückgeworfen. Noch fünf Mal greifen fie von Neuem an, und noch fünf Mal müssen sie weichen. Doch rasch ordnen sie sich wieder, einen sieben3 Friedrich d. Einz. III.
332 ten Sturm beginnend. Was Tapferkeit, was Kriegs kunst und die Erinnerung an alle Schlachten seit 16 Jahren, vermögen, geschieht von Seiten der Preußen. über die Leichenhügel der Gefallenen hinweg stürzen fie sich, rutherfüllt, auf die dichten Schäaren der Öftreicher. Dieſe wanken jezt, und werden zum Weichen gebracht ; ihr rechter Flügel ist geschlagen . Gleichzeitig hat Ziehen mit der Reiterey des Königs daß von Nadani befehligte öftreichiſche Cavallerie- Corps angegriffen, und es über den Haufen geworfen . Der blutige Kampf scheint der Entscheidung nahe ; schon wird das Geſchüß der kaiserlichen Armee abgeführt, und der von Daun's eigener Hand mit Bleyſtift an seine Generale geschriebene geheime Befehl autet : „ Die Re Ta wendet sich plög, traite ist nach Suchdol.“ lich die Lage der Dinge, im höchsten Grade schrecklich für den König. Nie wurden Friedrich's weise Anordnungen so schlecht vollführt , als während des mörderischen Kampfes bey Collin. Nicht durfte sich der rechte Flúgel, nach den getroffenen Difpofitionen, mit den ihm gegenüber stehenden Feinden in den Streit einlaſſen. Die ganze Arwee, in ſchieſer Richtung geordnet, ſollte nur auf dem linken Flügel kämpfen , wo Friedrich Diese Anordnung , den Sieg entscheiden wollte. dhnlich jener, durch welche der König einige Monate spåter den glorreichen Sieg bey Leuthen errang, war vortrefflich, *) dagegen trifft das Benehmen der preuß-
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*) ,,...Bir urtheilen jedoch nicht nach dem Erfolg, und der Umstand , daß die Schlacht tey Collin von Kriégkundigen die schönste in der
333 ſiſchen Generale aller Ta‘el. Der Prinz Morih von Dessau ließ sich durch die Unbesonnenheit des Generals Manſtein verführen, der in den koßibarsten Augenblicken eine Croaten-Jagd vornahm . Moriß brach die Linie, durch friegerische Hise verleitet, und hielt mit seinen Fampfdürstenden Schaaren still , um Manstein zu un terſtüßen, zu eben der Zeit, da er sich, ohne zu fechten, in unzertrennlicher Verbindung mit der zusammenhängenden ungeheuern Schlachtmaschine ruhig for be wegen follte. Die ganze preußische Armee bekam da durch eine falsche Richtung. Hieraus entstanden Unordnungen aller Art. Man griff da an, wo kein Aus griff geschehen sollte. Die Östreicher bezeigten sich überaus tapfer. Das ungarische Infanterie-Regiment Haller hatte alle Munition verschoffen. Es fehlte an Anstalten, in der Geschwindigkeit damit versorgt zu werden. In dieser Lage nahmen die braven Ungarn, die sich nicht zurücziehen wollten, ihre Zuflucht, nicht zum Bajonet, son, dern zu dem mehrgewöhnten Säbel, wobey sie das Gewehr über die Schultern warfen. So drangen sie mit hellem Haufen in die Preußen, und richteten ein großes Blutbad an, das jedoch einen schrecklichen Ausgang für sie hatte ; denn der größte Theil dieses Ne giments fiel unter den Schwerdtfireichen der Cavallerie des Königs. Die durch den Kugelhagel ſehr verdünnten preufAnlage genannt wird , ist allein schon hinreiz chens , unsere Unparterlichkeit zu rechtfertigen." (Annalen des Kriegs und der Staatskunde [von Búlow) , 2, Band.) 3*
334 fischen Bataillone formirten kleine Haufen mit großen Öffnungen, deren sich ihre Cavallerie-Regimenter bedienten , um in den Feind einzuhauen . Die normann'schen Dragoner , eine in allen preußischen Feldzügen durch die feltenste Tapferkeit ausgezeichnete Kriegschaar, thaten dies mit vielem Glück, zerfreuten den Feind, sowol Fußvolk als Reiterey, und eroberten Fahnen. Ein preußisches Cüraffier-Regiment folgte diesem Beyspiel, gerieth aber unter eine Batterie, die™ mit Kartätschen die geharnischten Reiter , Mann und Rok, so haufenweise zu Boden streckte, daß alles zurückftürzte. Dies verursachte eine erstaunliche Unordnung, wodurch die hintenstehenden Infanterie-Regimenter, Henrich und von Bevern, über den Haufen geworfen wurden. Die durch mannigfaltige Fehler verlehte Schlacht-Divission vermehrte jeht die Verwirrung, die auf dieſem rechten Flügel der Preußen immer weiter um sich griff. Einige sächsische Regimenter Cavallerie, die sich bey Daun's Heere befanden, und vor Begierde brannten, sich mit den Preußen zu messen, brachen nun ohne erhaltene Ordre los, und stürzten auf den Feind. Der Obristlieutenant Benkendorf, Befehlhaber des Dragoner-Regiments von Sachsen , gab eigenmächtig diesen für den ganzen Krieg entscheidenden Befehl. "IWenn es der Reiterey glückt , in Infanterie. einzuhauen, so bleibt der festern nichts übrig, als zu fliehen, widrigenfalls ist ihr Loos Tod oder Gefangenschaft." Dies war ein natürlicher Grundſaß bey allen im Kriege berühmten Nationen bis auf die Schlacht von Collin , wo die hohe Discliplin der Preußen mit ihrer Tapferkeit in gleichem Schritte ging. Man ließ ganze Schwadronen Reiter eindringen, und mitten
335 unter diesem Gewühl von Menschen und Pferden, die den Tod droheren, formirte die Leibwache des Königs, die Regimenter Bevern, Heinrich und Hülſen, mit der fettensten Gegenwart des Geistes , geschlossene Vierecke, und feuerte auf den Feind pelotonweise nach dem Reglement , und mit einer so bewunderungwürdigen Ordnung , als ob sie bey einer Musterung gewesen wåre. In diesen lebendigen Mauern, die Vernichtung sprüheren, eingesperrt, stürzten Roß und Mann übereinander, und formten Leichenhügel im innern, dem Tode geweiheten , Bezirk. Diese muthigen Reiter hatten sich selbst in diesen magischen Kreis gleichsam gebannt, und fahen keine Möglichkeit, zu entrinnen. Es kam aber mehr Cavallerie den Sachsen zu Hilfe, und fiel die Preußen von vorne und im Rücken zugleich an, ſo daß diese endlich dem ungleichen Kampf unterliegen mußten. Die sächsischen Dragoner schnaubten nach Rache. Die zwölf Jahr zuvor in Schlesien in Verbindung mit den Östreichern erlittene Niederlage, wo das Loos der Sachfen traurig war, schwebte noch in dieser Krieger Andenken, daher man jeßt viele bey ihren alles zerflei fchenden Säbelhiében ausrufen hörte : „ Dies ist für „ Striegau ! " Alles, was diese Reiterey nur erreichen konnte, wurde niedergemeßelt, oder gefangen genom men. Das erste Schicksal hatte Friedrich's Leibgarde, die aus tauſend der ſchönsten Menschen bestand, größtentheils Ausländer, allein in der potsdam'schen Kriegschule gebildet , und mit militärischem Ehrgeiz gepanzert. Diese trat hier an die Stelle der Vaterlandliebe. Sie fochten, da ſchon Alles um sie her das Feld geräumt hatte, bis sie den Geist aufgaben ; sodann
336 deckten sie mit ihren schönen Leibern, in Reihen und Gliedern gestreckt, ihren blutigen Schlachtplaß. So wie Pyrrhus, da er zum erstenmal Noms Legionen befámpfte, die erschlagenen Römer mit Erstaunen be trachtete, so blickten Theresiens Feldherren auf die mit dem Gesicht gegen den Feind gewandten Leichname der erlegten preußischen Leibtrabanten , von denen nur sweyhundert und fünfzig diesen Tag überlebten. Die Preußen überließen den Östreichern das Schlachtfeld. Es war neun Uhr des Abends, und der nichts davon ahnende linke Flügel der preußischen Armee, der gestegt hatte, unter Commando des Generals Hülsen, machte sich fertig, ein Lager zu beziehen und Victoria zu schießen ; ja einige Cavallerie Regimenter wollten bereits absatteln, als die schreckvolle Nachricht bey ihnen anlangte, daß die Schlacht verloren sey, und man sich zurückziehen solle. Der Prinz Moris sprengte in Person herbey, den so unerwarteten Befehl zu ers theilen. Dieser sleghafte Theil der Armee formirte eine Linie, und troßte gleichsam dem Feinde. Der öftreichische Soldat aber schien es selbst zu fühlen, daß man nicht auf halbem Wege stehen bleiben müſſe, daher stiegen die Truppen ihres rechten Flügels aus eigener Bewegung von den Anhöhen herab, um die Preußen anzugreifen ; sie wurden aber durch ein Sets. tergeschrey Halt ! Halt ! zurückgerufen. Die feinolichen Anführer , denen ein preußischer Abzug vom Schlachtfelde einen ganz neuen Anblick gewährie, ſahen Diefem unerwarteten Schauſpiel ruhig zu , so daß Friedrich mit diesem Theil seines Heeres , das bis in die Nacht den Wahlplay behauptet hatte, ungestört abmarschiren konnte ; ein Rückzug , der mit so viel
337 militärischer Klugheit und Ordnung geschah , daß die großen Thaten des Tages dadurch gefront wurden. Sein Verlust an diesem Tage war 8, nach Einigen fogar 13,000 Mann seiner besten Infanterie, an Kaz nonen büßte er nur sechszehn ein, die man wegen der todtgeschossenen Pferde nicht fortbringen fonnte. Die Östreicher zählten 9000 Tote und Verwundete. Die Sachsen hatten auch viel verloren ; ihnen war auch die Ehre des Tage vorzüglich zuzuschreiben, dieser Nation, die innerhalb Jahresfrist, bey Pirna und Collin , zweymal die östreichische Monarchie reitete. Dieses, noch nie erlebte, Unglück, erschien den Preußen als der Vorbote einer traurigen Zukunft. Auf Karl den XII. deutete man hin, erinnernd, wie er neun Jahre lang unabläffig von Sieg zu Sieg ge eilt war, bis die blinde Göttin des Glücks ihn an einem Tage verließ, um ihm auf ewig den Rücken zu kehren. Durch diese furchtbare Erinnerung nies dergebeugt, riefen die Offiziere , trauererfüllt , aus : „Dies ist unser Pultawa ! Wirklich hatte der Sieg, den Daun bey Collin erfocht, die ungeheuere Folge , den großen König für die ganze übrige Dauer des Kampfes unfähig zu machen, einen festen Pfan, einen felbstständigen Gedans fen zu verfolgen. Der größte Monarch und Feldherr feiner Zeit schwamm von jezt an blos noch auf dem Strome der Begebenheiten , den seine Riesenkraft swar, in neuen, den äußersten, Anstrengungen brechen, aber nicht mehr ableiten konnte. Nach Nimburg ging der Rückzug. Lebendiger, als Jemand , hatte Friedrich die Wichtigkeit des Verlustes jener Schlacht, noch während derselben,
338 gefühlt. Er selbst hatte sich, dem Tode troßend, den größten Gefahren ausgesezt, und den Kampf bis zu einer gänzlichen Ermattung seines Heeres fortgeführt, um durch Ausdauer und Geschicklichkeit dem Schickfale selbst gewissermaßen den Sieg zu entreißen. Blbs Gefühle der Ver Doch , Alles vergeblich! zweiflung begleiteten den Helden auf dem Rückzug. Als die abgematteren Pferde getränkt werden mußten, empfand er zuerst das Bedürfniß nach einer Erfris schung. Nur wohlthätig auf sein bewegliches Gemuth einwirkend , fonnte die redliche Treuherzigkeit jenes gemeinen Reiters seyn , der, seine Nicdergeschla= genheit bemerkend , ihm aus seinem Pferd- Eimer mit den Worten iu trinken gab : „ Laß Bataille. Bataille seyn ; es ist nur gut, daß Sie leben ; unser Herrgott, der gewiß lebt , kann schon wieder Sieg schenken. Indeß dauerte die Betäubung des Monarchen fort, und nachseiner Ankunft in Nimburg ſah man ihn einen Ruheplay suchen , wo er ungestört seinem Schicksal. nachdenken konnte. Er fand ihn auf einer Brunnenröhre, und in seinen Gedanken versunken, zirkelte er mit seinem Stock Figuren in den Sand ; schreckbare, fürchterliche Bilder , zeigte ihm die Zukunft. Die Trümmer feines Heeres kamen heran, und der kleine 3 Rest der königlich en Leibwache umgab ihn . Alle Soldaten dieser außerlesenen Schaar waren ihm persönlich bekannt ; er wußte ihre Namen, ihr Alter, ihr Vaters land, ihre Schicksale. Viele hatte er mit seiner Zuneigung beehrt, und ihr Glück zu machen beschloffen. Alle diese Bekannten, die täglichen Gegenstände seines Anblicks und huldreicher Gespräche, waren nicht mehr. In wenig Stunden hatte sie der Todesengel gewürgt ;
339 fie hatten wie Helden gefochten, und für ihn waren fie gestorben. Nie, bey keinem Unglück seines Lebens, wurden Friedrich's Augen naß ; diese Betrachtun gen aber preßten ihm Thränen auê. - Doch, was falt jeden Andern vernichtet hätte , gab ihm neue Kraft. Wie durch einen electrischen Strahl entflammt, sprang er auf, bey dem Gedanken, das geschlagene Heer be dürfe seiner jeht mehr als je. Mit tiefgebeugtem Herzen, aber jener innern Nuhe, welche der wahre Heid auch bey den fürchterlichsten Schlägen des Schicksals in dem Busen bewahrt, mustert' er die kleine Zahl sei, Ihr ner Leibwache. „ Kinder !“ — rief er aus habt heute einen schlimmen Tag gehabt ; aber nur Ge duld, ich werde Alles wieder gur machen.“ Mit vol» ler Gegenwart des Geistes und heite :er Miene ertheilte er nunmehr die angemessenßten Befehle für den weite ren Rückzug, dessen nächstes Ziel die Mauern von Prag feyn sollten. Er selbst flog dahin voran, um mit ſei» nen Vertrauten , den Generalen Winterfeldt und Rehow, das Weitere zu besprechen. Bald nach dieser Schlacht schrieb Friedrich einen merkwürdigen Brief an seinen Freund, den Lord Marshal, in welchem er seine damaligen Empfindun gen bezeichnet. Das Glück", fagt er unter anderem, flöst uns, mein lieber Lord ! oft ein schädliches Selbst,,vertrauen ein. Drey und zwanzig Bataillene waren ,,nicht hinreichend , sechszigtausend Mann aus einem vortheilhaften Posten zu vertreiben. Ein andermal ,,wollen wir unsere Sache besser machen. Das Glúď „hát mir diesen Tag den Rücken zugekehrt. Ich hätte ,,es vermuthen sollen ; es ist ein Frauenzimmer, und ich bin nicht galant. Es erklärt sich für die Damen,
340 die mit mir Krieg führen... Was fagen Sie von diesem Bündniß wider den Markgrafen von Bran= „denburg ? Wie sehr würde der große Friedrich Wil„helm erstaunen, wenn er seinen Enkel mit den Ruffen, den Öfireichern, fast ganz Teutschland und hunderttausend Franzosen, im Handgemenge sehen sollte? „Ich weiß nicht, ob es mir eine Schande seyn wird, zu "unterliegen ; aber das weiß ich , daß es keine Ehre „feyn wird , mich zu überwinden.“ Diese philosophische Denkart bey einem so verånderten Glück entkräftete die Tadler, verminderte ſeine unbewaffneten Feinde, und vermehrte seine Bewunderer. Friedrich's Lage war durch diesen einzigen Tag schrecklich geworden ; seine glücklichen Aussichten wa ren auf einmal verschwunden , und sein Untergang schien nun unvermeidlich. Ja , als wenn ihn das Un: glück auf alle Art verfolgen wollte, ſo erhielt er wenig Tage nac der Schlacht die traurige Nachricht von dem Loče seiner zärtlich geliebten Mütter , die aus Gram wegen der Zukunft sich seit dem Anfang des Kriegs abgehärmt hatte, und jezt durch die Niederlage der Preußen den Todesstreich empfing *). Die Schlacht von Collin entschied das Schicksal *) Zwey Eigenschaften, heißt es irgendwo, von wela chen die eine seinem Geiste , die andere seinem Körper angehörte , verhinderten Friedrich an jeder anhaltenden Verzweiflung. Die Lebendigs keit seiner Einbildungkraft gestattete nicht , daß ein vereinzelter Gedanke sich seines ganzen Wesens bemächtigen konnte , und die hohe Brust , welche ihn auszeichnete , bewahrte seinem Herzen eine regelmäßigere Zusammenziehung und Ausdehnung.
341 van Prag, und von dem hier eingefchloffenen Heere, dem durch diesen Sieg gleichsam der Stein vom Grabe gemålzt wurde, so daß es wieder auferstehen konnte. Die Belagerung wurde nun sogleich aufgehoben , und der Rückzug aus Böhmen mit Geschicklichkeit , jedoch nicht ganz ohne Verlust , durch den König vollführt. Sein Blick war nunmehr auf die eigenen Provinzen gerichtet, die gedeckt werden mußten ; denn Collin war die Losung für Franzosen , Russen , Schweden und Reichtruppen , die preußischen Staaten jeht mit allem Eifer anzufallen ; auch der Reichshofrath erklärte nun förmlich den König für einen Reichsfeind . Die Russen drangen über 100,000 Mann stark in's Königreich Preußen ein , daß der Feldmarschall Lehwald mit 30,000 Mann zu vertheidigen versuchte. Die Haupt-Armee der Franzosen hatte fast ganz Westphalen in Besitz genommen . Eine andere französische Armee vereinigte sich mit den Reichvölkern , um in Sachsen einzudringen, und die Schweden ſchifften über's baltis sche Meer, Pommern anzufallen. Die preußischen Unterthanen , die bey allen diesen schrecklichen Aussichten an ihres Königs Glüc nicht verzweifelten, die an dem Ruhm seiner großen Thaten Theil nahmen, und seinen Ruin als den ihris gen betrachteten , beschlossen , ihn mit Nachdruck zu unterßtüßen. Friedrich hatte sie lisher mit Milde beherrscht, ihnen viele weisen Gesetze gegeben, und ans Dere nicht gewöhnliche königliche Wohlthaten erzeigt; denn damals dachte man in den preußischen Staaten noch an kein französisches Zinanzsystem. Diese Liebe zu ihrem Könige, so wie ihren Patriotismus, wollten fie der Welt vor Augen legen. Die Landstände in
342 Pommern versammelten sich eigenmächtig, und beschloßſen, 5000 Mann Landmiliß auf ihre Koſten zu errichten und zu unterhalten. Diesem Beyspiel folgten die Landstände der Mark Brandenburg, die auch 5000 Mann, und die Landstände von Magdeburg und Halberstadt, die auch 2000 lieferten ; sämmtlich Soldaten,* die nicht zu den Militär- Cantons gehörten. Alle dieſe Provinjen warben auch eine Anzahl Husaren an , die den Namen Provinzial-Huſaren führten, den ganzen Krieg durch dienten , und sich unter den Generalen Werner und Belling sehr auszeichneten. Eine große Schwierigkeit aber schien diesen mannigfaltigen Truppen-Formirungen im Wege zu stehen. Es fehlte nám: lich allen diesen verschiedenen Corps an Offizieren; ein Mangel, der jedoch bald erseßt wurde. Edelleute, die in den Waffen grau geworden, und auf ihren Gú tern in Ruhe lebten, eilten herbey, um in höhern oder nietern Graden zu dienen. In Stettin wurde eine kleine Marine errichtet , die aus zwey Fregatten von swanzig, drey Galeeren von zehn, und neun anderen Fahrzeugen von sechs Kanonen bestand. Dieser Patriotismus zeigte sich in der ganzen Monarchie. Um die königlichen Stutereyen in Preusfen zu retten , wurden die Pferde unter den Bauern vertheilt. In den westphälischen Provinzen Minden und Ravensberg , die sich in feindlichen Hånden befanden, war die Thätigkeit der Einwohner zwar durch – die Lage begränzt , allein sie zeigten doch ihre Gesinnungen dadurch hinreichend, daß sie, wo sie nur immer konnten, die königlichen Einkünfte dem Feinde verbargen, um sie ihrem Monarchen zuzusenden. Nach der Schlacht bey Collin fehlte es der preußischen
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Cavallerie an Pferden . Der Präsident Blumenthal vermochte die Einwohner von Magdeburg und Halberstadt, dem König ihre Pferde zu liefern . Der Adel, die Domherren, die Bürger, die Bauern, alle beeiferten sich um die Wette, ihrem Monarchen dies Opfer zu bringen ; man entspannte Wagen und Caroffen, *entfagte auf eine Zeitlang dieser Bequemlichkeit, und fandte die Pferde, viertausend an der Zahl, zum Dienst Der Reiterey. Der Feldmarschall Brown war nun todt, und die öftreichischen Heere standen jeht unter den Befehlen des Prinzen Karl und Daun's. Diese Feldherren hatten nun nach dem Abzug Friedrich's aus Böhmen wieder Kräfte gesammelt, und wollten seine Entfernung benügen; fie drangen in die Laufis, die der Prinz von Preußen, der älteste Bruder des Königs, an den böhmischen Gränzen mit einem starken Corps deckte; es wurden aber preußischer Seits bey demselben in Märschen und Stellungen einige große Fehler gemacht, wodurch der Paß von Gabel verloren ging. Der Ge neral Puttkammer vertheidigte ihn mit vier Batail. lons gegen 20,000 Östreicher drey Tage lang auf's Hartnäckigste, mußte aber endlich der Menge unterliegen, da er keine Unterstüßung erhielt. Nach diesem Unfall verließen die Preußen Böhmen gänzlich, und zogen nach der Laufig, nicht ohne Verlust ihrer Bagage und Pontons, die in den Hohlwegen und zwischen den steilen und felsigen Gebirgen in Stücken brachen. Bey Baußen stieß der König endlich zu diesem Corps, auf serst unzufrieden mit dem Vorgefallenen. Er empfing die unter seinem Brnder commandirenden Generale sehr übel, und bediente sich des Ausdrucks, sie hätten Friedrich d. Einz, III,
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verdient die Köpfe zu verlieren, wobey er nur allein den General Winterfeldt ausnahma ; dem Prinzen aber, deffen Fetter Unentschlossenheit gewesen war , zeigte er ein so ernsthaftes Gesicht, daß sich dieser sogleich von der Armee entfernte, und nach Berlin ging, wo er im folgenden Jahre starb *). *) Unter den Handſchriften der ( esmatigen) manns heimer Stuliothek befand sich ein Brief des Prins zen Angus Wilhelm) an seinen Bruder , den Köni , einen Tag nach ihrer Zuſammenkunft ge: schrieben , und die Antwort desselben hierauf. Wir beschränken uns, die testere allein hier mit: zutheilen. Das Ganze scheint in französischer Sprache geschrieben , in der damaligen Zeit aber überfest worden zu seyn . — ,, Ihr habt durch Euere üble Aufführung meine Sachen in verzwei= felte Umstände gefeht. Es ist nicht der Feind, sondern Euere üble Maßregeln, welche mir allen Schaden zufügen. Meine Generals ſind gar nicht zu entschuldigen, entweder weil sie Euch übel ge, rathen haben , oder doch zugegeben , daß Ihr so üble Entschließungen genommen. Euere Ohren find nur gewohnt die Rede der Schmeichler zu hören. Daun hat Euch nicht geſchmeichelt , und Ihr seht die Folgen hievon. Vor mir bleibt in dieſer traurigen Situation nichts übrig , als die äußersten und legten Mittel zu ergreifen. Ich werte schlagen, und wenn wir nicht werden über: winden können , so werden wir uns alle nieder. machen lassen. Ich beschwere mich nicht über Euer Berk, wol acer über Euere Unfähigkeit und Man : gel der Beurtheilung , um die besten Mittel zu Wer erwäblen. Ich rede mit Euch aufrichtig, nur noc einige Tage zu leben hat, darf sich nicht " verstellen . Ich wünsche Euch mehr Glück als ich
345 Die Daun'sche Armee belagerte indeffen Zittau, eine der blühendßten Manufafturstädte in Teutschland, worinsich ein preußisches Magazin befand. Die Wuth der Feinte ging so weit , daß sie , um diesen offenen, mit einigen Bataillons befesten, und einem Bundesgenossen gehörigen Ort zu haben , Bomben und glúhende Kugeln in großer Menge in die Stadt warfen, ſo daß dieſe zierliche, reiche, mit arbeitsamen Menschen vollgepropfte Stadt, in menig Stunden einen bloßen Aftenhausen darstellte ; eine Barbarey, wozu ſie dyr den anwesenden Prinzen Xavier von Sachsen, der die Einwohner der östreichischen Sache nicht geneigt z feyn glaubte , selbst aufgemuntert wurden. Über Dreyhundert Bürger wurden unter den Ruinen der Häuser begraben, von denen nur sechszig stehen blieben. Der Verlust des ſo muthwillig verheerten Eigenthum-3 war ungeheuer; er betrug an zehn Millionen ReichsDie preußische Bejagung schlug sich durch Die fie umringenden Seinde, und nur ein kleiner Theil derfelben , der wegen der wüthenden Flammen nicht zu den andern floßen konnte, wurde gefangen . Alle gehabt habe, und daß Ihr nach allen ben üblen und nachtheiligen Begebenheiten , so Euch begeg= net sind , künftig lernen möget , wichtige Sachen mit mehrerem Ernste, Vernunft und Resolution u tractiren. Das Unglück, welches ich vorausz sehe, ist größtentheils durch Euch verursacht wor den. Ihr und Euere Kinder werden die Saft dar von mehr tragen als ich . Seyd unterdeſſen versichert, daß ich Euch allemal geliebt habe , und daß ich auch in der felbigen Gesinnung sterben werde. " F.
346 diese Unfälle riefen den König zur äußersten Thätigkeit auf. Er wollte den ungleich stärkern sehr verschanzten Feind duraus angreifen, und rückte daher ganz nahe an deffen Lager bey Ostrih. Einige Generale aber, deren Gutachten er wider seine Gewohnheit verlangte, stellten ihm die Gefahr und das Fruchtloſe dieſer wahrhaft verwegenen Unternehmung so ernstlich vor , daßer seinen Vorsatz aufgab. Daun blieb unbeweglich in seinem festen Lager. So sehr der König eine Schlacht wünschte, so sorgfäl tig vermied fie der kaiserliche Feldherr, der nie geneigt war, sich mit den Preußen im freyen Felde zu ſchlagen ; am wenigsten jeßt , da verbündete Armeen aus allen Himmelgegenden im Anzuge waren. Ein franzöſiſches Corps war schon bis Erfurt gekommen , und andere Armeen diefes Volks folgten aus Westen nach ; die Reichtruppen rückten aus Süden, die Russen aus Often, und die Schweden , die schon in Pommern ans gelangt waren, aus Norden heran. Um diese Zeit machten sich zuerst zwey, spåter großen Ruhm erlangenden, Generale bemerkbar; ka us don an der Spiße von östreichischen , Werner an jener von preußischen leichten Truppen. Das Ernennungpatent des ersteren zum General fiel den preußischen Husaren in die Hånde ; der König aber schickte es durch einen Trompeter an Laudon, und ließ ihm zu seiner Erhebung Glück wünschen. Gegen die Franzosen hatte sich im Frühling dieses Jahrs (1757) eine Observationarmee gebildet , bestehend aus Hannoveranern, Hessen, Braunschweigern und einigen Bataillons gothaer und bückeburger Truppen, wozu noch einige Tausend Preußen gestoßen
347 waren. Dieses vereinigte, zudem von einem schlechterr Generale, dem Herzog von Cumberland, befehligte Heer, zählte nur 40,000 Streiter, und war also zu schwach, den 100 000 Franzosen unter dem erfahre nen Marschall Etrées die Spiße zu bieten. In dem unbedeutenden Gefechte bey Hastenbeeck gewissermaßen durch seine eigene Feigheit besiegt, *) verlor der briti fche Heerführer jeden Stral von Hoffnung , und ließ fich allmählig in eine Lage versehen, wo ihm nichts als eine Capitulation übrig blieb. Diese wurde, vermittelt durch den dänischen Gesandten Lynar, den 8ten September bey Klosterzeven unter sonderbaren Bedingungen abgeschlossen ; die hannover'schen Truppen nám= lich sollten nach derselben bey Stade versammelt blei• ben , die übrigen Bundesgenossen der Briten aber in ihre Heimath zurückgeschickt werden. Die westlich gelegenen Staaten des Königs von Preußen, eben so Hessen, Braunschweig und Hanno ver , wurden nunmehr durch die Franzosen überschwemmt, welche auf empörende Art in diesen Gegen= den geboten, besonders ſeit der Herzog von Richelieu an der Stelle des Marschalls Etrées den Oberbefehl des Heeres führte. Unausgefeßt erfolgten immer neue Expreffungen , und die Geschichte dieser Zeit weist Gråuel auf, begangen durch die Truppen der aller*) Der Sieg neiate ſich ganz auf die Seite der Ver båndeten , als der feige Cumberland , erschreckt durch einen Angriff der Franzosen, die Flucht er: griff. Der Verlust der auf diese Art Besiegten bestand nur in 327 Todten , 900 Verwundeten, und 220 Gefangenen . Das Treffen fiel den 26ten July vor.
348 christlichsten Majestät, welche denen der Barbaren aus dem Innern des ruſſiſchen Reichs an die Seite geſeßt zu werden verdienen. Friedrich, hart bedrückt durch die Folgen des unglücklichen Tages von Collin, ſah Preußen von den siegreichen Russen, Pommern von den Schweden, und Schlesien von den Östreichern fast ganz erobert, wäh rend seine sämmtlichen westlich gelegenen Provinzen in die Gewalt der Franzosen fielen. Zwar nicht niedergebeugt, aber tief ergriffen durch eine solche Lage der Dinge, schrieb er an den König von England, ihm bittere Vorwürfe über seine vorhabende NeutralitåtErklärung machend. Nie würde ich die Allianz mit Frankreich aufgegeben haben ," heißt es in diesem Briefe, wenn mich die vielen schönen Versprechungen Ew.Majestät nicht dazu vermocht hätten. Ich bereue den geschlossenen Traktat nicht, aber Sire! überlaſſen Sie mich nicht aus Kleinmuth der Gnade meiner Feinde, nachdem Sie ganz Europa wider mich aufgebracht ha= ben. Dieses Schreiben blieb ohne Antwort. Georg der II. ließ dem Könige von Preußen Subsidien antragen ; er verwarf aber das Geld, und verlangte Truppen, welche das britische Gouvernement nicht liefern wollte. Vergeblich bot Friedrich den Franzosen den . Frieden an ; man beantwortete seinen Antrag gar nicht einmal, und er erkannte, daß er sich einzig und allein. durch die Waffen Achtung zu verschaffen vermöge . Ein Jahr lang hatte nunmehr der Kampf gedauert, und die Lage des Königs war schrecklich. In der Nähe und in der Ferne Feinde, die sich beständig mehrten. Vergebens waren seine Siege, und verge bens floß das Blut feiner tapfern Krieger. Die gigan
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tische Macht der Gegner wuchs beständig, und troßte den Niederlagen. Es war das Haupt der Hydra. Hatte er eine Armee geschlagen , so rückten ihm zwey entgegen. Ein Reichsschluß hatte ihn als einen Feind des germanischen Reichs, den man vernichten müßte, ausgezeichnet. Der Vorsaß und die Macht , ihn zu Boden zu drücken , war stärker als jemals , und ſeine Hoffnung vielleicht nie schwächer. Dennoch war die Heiterkeit in eben diesem Zeitpunkt so groß , daß er fein Testament in französischen Versen machen konnte. So gerecht aber auch seine Besorgniß war, der Menge zu unterliegen, so nahm er doch alle Maaßregeln, ſie zu überwinden. Seine durch so viele Treffen geschwächte Armee war nur 22,000 , die jeht vor sich habenden Feinde ( die vereinigten Franzosen und Reichtruppen) aber 60,000 Mann ſtark. Sie hatten schon in der Mitte des Septembers eine Probe der preußiſchen Thätigkeit bey Gotha erfahren. Die ganze Ge, neralität der Franzosen, ihren Heerführer Soubise an der Spize, hatten mit 8000 Mann diese Stadt zu ihrem Recreationort auserſehen , um sich von den Strapazen des Kriegs etwas zu erholen. Es war bey’m herzoglichen Hofe große Cour, und auf dem Schloffe hatte man gewaltige Zubereitungen gemacht, die be waffneten hohen Gäste wol zu bewirthen. Es war eben Mittagzeit , die Tafeln waren gedeckt , und die Franzosen zeigten den besten Appetit, als der preußische General Seydlig mit 1500 Reitern vor den Thoren von Gotha erschien. Die 8000 Franzosen dachten an keinen Widerstand ; fie verließen Die rauchenden Schüffeln und blinkenden Schenktiſche, und eilten aus der Stadt. Seydlig, der an die Verfolgung der Feinde
350 wegen seiner außerst ermüdeten Truppen nicht denken konnte, nahm nun mit seinen Offizieren die Plåße an der herzoglichen Tafel ein ; eine sonderbare, vielleicht einzige Begebenheit, daß ein großes Hof-Gastmahl von Kriegbefehlhabern der einen Partey angefangen, und von denen der anderen geendiget ward. Nur wenige, Soldaten wurden zu Gefangenen gemacht, aber desto mehr Kammerdiener, Lakeyen, Köche, Friseurs, Maitreffen, Feldraters und Comödianten, die damals von einer französischen Armee unzertrennlich waren. Die Equipage vieler Generale fiel den Preußen in die Hånde, worunter man ganze Kisten von wolriechenden Wassern und Pomaden , desgleichen eine Menge Pudermäntel , Haarbeutel , Sonnenschirme, Schlafröcke und Papagoyen. Seydtih überließ seinen Hufaren diese Toilettenbeute, den galanten Troß aber schickte er ohne Lösegeld zurück. Die Franzosen waren so zufrieden, als ob sie ein Treffen gewonnen hätten, da sie sich wieder in dem Befit ihrer verlorenen dringenden Bedürfnisse befanden. Der Prinz Soubise brannte vor Begierde , sich zu råchen ; besonders nachdem er erfahren , daß Seydlig diese Unternehmung blos mit zwey Regimentern ge= wagt hatte. Der Prinz von Hildburghausen, der als Reich Feldmarschall eben zu den Franzosen gestoßen war, schlug sogleich vor , die Preußen wieder' aus Gotha zu vertreiben. Man wählte zu dieser Expedition den Kern beider Armeen, alle Grenadiere und alle leichten Truppen , wozu noch die öftreichische Cavallerie und Laudon mit seinen Croaten, stießen . Diese anrückende Armee aber sah, zu ihrem großen Befremden , daß Seydlig in Schlachtordnung ßland ; dabey war seine
351 Stellung fo fünftlich , daß die Feinde glaubten , die ganze preußische Armee vor sich zu haben , daher fie sich, ohne zu schlagen , zurückzogen. Wurde je in einem Kriege der mit Frohlocken verbundene Name Hilfvölker entehrt, so war es in diesen blutigen Feldzügen, wo man nicht die geringste Rücksicht auf Bundesgenossen nahm, vielmehr, sie verspottend, ihr Elend vermehrte. Die Franzosen behandelten Sachsen wie ein feindliches Land. Fourage, Proviant, Mahlzeiten für Soldaten, mit überfluß- verbunden , ja selbst Geld an die Befehlhaber , wurden von diesen Alliirten mit Gewalt erpreßt, roobey man drohete, im Weigerungfall Städte und Dörfer zu verheeren. Es geschah ohnehin. Ganze Gegenden wurden rein ausgeplündert , und was man nicht fortzu schleppen vermochte , ward zerstört. Mit canibalischer Raseren hausten Franzosen und Reichtruppen in diesem Lande (Sachſen), daß mit ihnen im Bunde war, und so ward auch diesmal wahr, daß die Feinde dem Volk weniger Schaden zufügten, als seine Freunde, Von allen Seiten bedrängt , mußte der König, kost' es auch was es wolle, den vereinigten Franzosen und Reichtruppen eine entscheidende Schlacht liefern. Das Interesse dieser Verbündeten dagegen hätte eis gentlich erfordert, die Preußen bloß in Unthätigkeit zu erhalten, wo dann, während Friedrich ihnen entge= gen stand, der Rest von Schlesien, Preußen, Pommern, und vielleicht selbst Brandenburg , zur Beute seiner übrigen Feinde geworden måre, und man ihn dadurch fast aller Hilfmittel beraubt hätte. Aber nur von Sie, gen und Ruhm träumend, dachte Soubise , der frans zösische Marschall , und der Prinz von Hildburg-
352 haufen , Öbergeneral der Reicharmee blos an die Eroberung Sachiens, die Aufhebung der preußischen Wactparade (wie man spottweise die Armee des Könige nannte), und die Gelangennehmung Friedric's fethit. Obschen die Verwegenheit ihrer Gegner, deren Huſaren nicht selten mitten in ihr Lager drangen, Pierde herausholten, oder Soldaten aus ihren Zelten rissen , und sie mit fortschleppten , die Verbündeten genugsam hätten überzeugen sollen , welchem Feind ſie gegenüber standen, so war dennoch ihre einzige Bes forguiß, der König möchte ihnen entrinnen. Wirk lich schienen einige feiner Marsche und Manouvres tiese ihre Besorgniß zu bestättigen. In der Nähe des, damals sächsischen, nunmehr preußischen, Dorfes Roßbach , eine Meile von Lügen, wo einst Gustav Adolph für Teutschlands Freyheit blus tere und starb, flanden den 5ten November die beyden Heere. 60.000 Mann zählten die Franzosen und Reichtruppen, nur 22 000 die Preußen. Durch eine anscheinend zurückziehende Bewegung , als woul' er ihnen entrinnen, lodhte Friedrich seine Gegner aus ihrer vortheilhaften Stellung. Die Bemühungen derselben waren daher hauptsächlich dahin gerichtet, ihm den Rückzug abzuschneiden ; fiegmäßig ertönte ihre Musik auf dem Marsche. Der König, sich auf die Schnelligkeit seiner Truppen verlassend, blieb, wåhrend ihn seine Gegner fast umringten , völlig ruhig. Es war Mittag, und die Soldaten beschäftigten sich mit ihrer Mahlzeit ; auch Friedrich saß, von einigen Generalen umgeben , an der Tafel. Mit Staunen be merkien jenes die legtrunkenen Franzosen ; sie hielten es für die Folge der höchften Verzweistung, in der man,
353 jeiner Machtlosigkeit sich bewußt, fogar auf jede Vertheidigung verzichtet *). Plözlich aber, gegen 2 Uhr, z0zen schlachtfertig ihnen die Preußen entzegen ; Seydlih mit der Reiterey , von ihnen indessen un bemerkt, eilte voran ; er begann den Kampf. Segúnftigt durch eine auf Anordnung des Königs weise errichtete Batterie, stürzt sich, wie mit Gewittermacht, der preußische General auf die , zum Schlagen noch nicht formirten fiegtrunkenen Feinde. Dem hohen Muth und der Kriegkunft der leichten preußischen Covallerie muß die schwere französische weichen ; ja , fie wird von ihr sogar wie Spreu zersteut. Vergebens rufft jeht die Referpe vor ; faum gegen den Feind ge-führt , flieht sie. Mit fürchterlichem Kanonenfeuer greift nunmehr auch die preußische Infanterie die fendliche an . Von ihrer Reiterey verlassen und zugleich in der Flanke angefallen, ist sie in wenigen Augenblicken zum Weichen gebracht, und wirft ſich mit Ungeſtúm auf ihren linken Flügel, der dadurch ebenfalls in grånzenlose Verwirrung gebracht wird. Einige CavallerieRegimenter des Königs stürzen sich, Schrecken und Tod verbreitend , auf dieses Chaos ; die Flucht der Franzosen ist allgemein. Eine wolthätige Finsterniß
*) ,,Die auf's Höchste gespannte Erwartung der Franzosen, die so schnell und für sie unbegreifich vereitelt wurde , war die eigentliche Ursache des so geringen Widerstandes, und des paniſchen Schref= kens, das diesen Tag so denkwürdig macht. " (Are chenholz ) , Es ist daben noch zu bemerken , daß unter 100 Flinten der Reichtruppen kaum 20 waren , welche Feuer gaben.
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rettet den Rest dieser, sonst dem Untergang geweiheten, großen Menschenmasse. Es 6 Uhr Abends, und nicht länger als anderthalb Stunden hatte das Treffen gewährt. Blos 7 Bataillone von der Armee des Königs waren im Feuer gewesen; gleich bey den ersten Kanonenschüssen hatten die Reichtruppen ſåmmtlich die Flucht ergriffen. Nur 91 Todte und 274 Verwundete zählten die Preußen, 3500 Todte und Verwundete, 6500 Gefangene (worunter 11 Generale und 250-300 Offiziere) die Franzosen ; sie verloren ferner 63 Kanonen -und 22 Fahnen. ― Nur durch kleine Detaſchements. konnte Friedrich, der Dunkelheit wegen , die Feinde verfolgen lassen; alle aber kehrten mit ganzen Haufen von Gefangenen zurück *). Die fliehende Cavallerie warf ihre Cuirasse und großen Reiterstiefel von sich , so daß man damit die Straße nach Erfurt wie beſået fand, auf welcher man ihnen noch 800 Gefangene abnahm. Auffallender aber, als alles übrige, war die Art, mit welcher der franzöſiſche Hof das Verdienſt ſeine: Feldherren auszeichnete. Dem Marschall Etrées was nach seinem Siege bey Hastenbeck das Commando ab. genommen worden, der Prinz Soubise aber erhielt für feine Niederlage bey Roßbach den Marschallstab. Edel war das Benehmen des Königs gegen die gefangenen Franzosen. Er ging auf dem Schlachtfelde umher, und tröstete die verwundeten feindlichen Offiziere. Er sagte unter den schmeichelhaftesten Lobreden *) ,,In Reichartswerben nahmen zwey Dragoner über hundert Mann gefangen , die sich in einem Garten verborgen hatten." (Archenholk.)
355 auf ihre Nation : „ Ich kann mich nicht daran gewöh,,nen, die Franzosen als meine Feinde zu betrachten." Mehr bedurfte es nicht , den Edelmuth der unglücklichen Krieger zu beleben, die, gerührt durch diese Her. ablaffung , ihn als den vollkommensten Eroberer be grüßten, der nicht zufrieden ihre Körper bezwungen zu haben , nun auch ihre Herzen erobert hätte. Als der König durch Leipzig zog, besuchte er den ſchwer verwundeten General Cüſtine, den Vater des in der fran= zösischen Revolution berühmt gewordenen Generals. Auf rührende Art gab er ihm sein Mitleiden zu erken= nen, worauf der halb todte Cúſtine, auf seinem Lager fich empor richtend , ausrief: Ach Sire ! Sie sind größer als Alexander ; er quålte seine Gefangenen *), Sie aber gießen Öl in ihre Wunden.“ Von einer bókartigen , nunmehr aber machtlosen Feindin half die Roßbacher Schlacht den preußischen Monarchen noch befreyen. Die Königin von Polen, durch diesen unerwarteten Schlag niedergebeugt, ſtarb plöglich. Durch falsche Religionbegriffe und persönliche Feindschaft verleitet, hatte sie viele Schuld an diefem großen, unseligen Kriege. *) Hierin irrte sich bekanntlich Cüstine. Wol aber war es nicht blose Schmeicheley , wenn er sagte, Friedrich sen größer , als einst Alexander gewesen. Während der macedonische Herrscher, sich als Jupiters Sohn brüstenb , blos wilder und roher Eroberer war , dem das Wehe von Millionen noch weniger galt , als das Leben seis nes treuesten Freundes , kannte Preußens König kein höheres Ziel, als das Wohl seines Staates und Volkes ! 5 Friedrich d. Einz. III.
356 Von den geschlagenen französischen und Reichtruppen , von denen die thüringer Bauern noch eine Menge Gefangene einbrachten , war jeht auch keine Spur mehr in Sachsen und den angränzenden Provinzen zu sehen. Sie zerstörten alle Brücken, um nicht verfolgt zu werden, und zerstreuten sich dabey so aufferordentlich, daß viele Haufen von ihnen nicht eher, als am Rhein. Halt machten. Sie glaubten immer den König hinter sich zu haben. Dieser aber wurde durch die glücklichen Fortschritte der Östreicher nach Schlesien gerufen, wohin er mir neunzehn durch so viele Schlachten geschwächten Bataillons und acht und zwanzig Schwadronen eilte. Er ließ zwar die franzöſiſche Armee unter dem Marschall Richelieu an den Gránzen seiner Staaten zurück ; allein in der Heffnung, den französischen Operationen bald durch eine Armee Einhalt zu thun, die sich auf eine unerwartete Art anfing zu formiren. Pitt, einer der außerordentlichsten Menschen, die je das Ruder eines mächtigen Staats führten , war jeßt in's britiſche Ministerium getreten , das er durch seinen Alles umfassenden Geist eben so, wie das Unterparlament, ganz nach seinem Willen tenkte. Er hielt die Convention bey Klosterſeven für einen Schandpeck der englischen Nation, der vernichtet werden müßte. Er rieth dem Könige Georg, seine Verbindungen mit den teutschen Fürsten genau zu erfüllen , eine britiſche Armee nach Teutſchland zu schicken, sich von Friedrich einen Heerführer auszubitten, und diesen Monarchen auch durch Subsidien zu unterstügen. Alles dies ga schah. ` Die Convention von Klosterseven, weder von dem engliſchen, noch von dem franzöſiſchen Monarchen
357 genehmigt, und durch die Franzosen selbst vielfach verleht, ward nunmehr, 10 Wochen nach ihrem Abschluß, förmlich für nichtig erklärt. Georg der II. hatte sich von dem preußischen Könige den Prinzen Ferdinand von Braunschweig als Heerführer, statt des Her= zogs von Cumberlands erbetten . Friedrich, obschon dadurch sich einen treff ichen General entziehend, willigte in dieses Begehren. Ein Corps von 30 000 Mann fand Prinz Ferdinand, aber fast an Allem Mangel leidend, und niedergebeugt durch Muthlosigkeit. Doch nichts vermochte ihn zu schrecken. Rasch führte er die Truppen gegen den Feind. Einige errungenen kleinen Vortheile flößten diesen Soldaten frischen Muth ein; und in der besten Hoffnung bezogen file, durch die Strenge der Jahrzeit dazu genöthigt , die Winterquartiere. Eigentlich verschaffte die Schlacht bey Roßbach dem Könige blos die Freyheit, nach Schlesien zu gehen, und neue Gefahren aufzusuchen," sagt er selbst. Er war, wie erwähnt, sogleich nach dem Sieg gegen die Franzesen dorthin geeilt. Eh' er indessen anlangte, hatten die Öftreicher Schweidniß ercbert , und die ganze Besatzung von 5800 Mann gefangen genommen. Früher schon war der brave General Winterfeld gefallen. Gegen Breslau zog nun das große kaiserliche Heer , ungefähr 80,000 Mann zählend. Ihm entgegen ftand der Herzog von Bevern mit 25.000 Preußen, in vortheilhafter Position . Mit großer Ant firengung ward den 22ten November gekämpft ; der zaghafte Bevern aber wollte kein kühnes Unternehmen magen, und zog sich in der Nacht durch Breslau zuruck. Die Östreicher waren also Herren des Schlacht5*
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felbes geblieben ; sie hatten 18,000 (?) Todte und Verwundete verloren, ihre Gegner nur 6200, außer dem aber 3600 Gefangene und 80 Kanonen. Der preußische Heerführer selbst ward zwey Tage nach der Schlacht bey'm Recognofciren gefangen genommen, und sogar des Landes Hauptstadt, das fefle Breslau, Der ergab sich fast ohne Widerstand den Siegern. General Kyau führte den Rest der geschlagenen Trups pen dem König entgegen. Schlesien schien jeßt für Friedrich so gut wie verloren zu seyn. Nie, in allen preußischen Feldzügen, hatte Östreichs Glück aufsolcher Höhe gestanden. Die. Kaiserlichen glaubten sich jezt zu den größten Erwar tungen berechtigt ; sie hatten eine Schlacht gewonnen, zwey Festungen erobert, die Hauptstadt des Landes im Besih, eine ungeheuere Armee , um das Eroberte zu behaupten, und daher die besten Aussichten, den Krieg in furzer Zeit nach Wunsch zu endigen. So war die Glückslage der Östreicher am Ende des November. Der eingebrochene Winter schien allen ferneren Ope= rationen der Preußen ein Ziel zu sehen, und man dachte schon ernstlich auf Winterquartiere, als sich die ganze Scene auf einmal , zum Erstaunen von ganz Europa, veränderte. Das Anrücken Friedrich's wurde von den Kaiserlichen als der lehte ohnmächtige Versuch eines Verzweiflungsvollen betrachtet , und seine kleine Armee von ihnen mit dem Namen der berliner Wachtparade bezeichnet. Die preußischgesinnten Schlesier waren ganz ohne alle Hoffnung, und die öftreichisch gesinnten ohne alle Besorgniß. Die immer zunehmenden Kälte im Anfang des December zeigte die schleunige Nothwendigkeit, in die
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Winterquartiere zu gehen. Ein anderer Feldherr, als der Sieger von Roßbach, hätte sich bey dieser rauhen Jahrzeit in Erwaftung des künftigen Feldzuges be gnügt, das rechte Ufer der Oder zu behaupten , Glogau zu beſchüßen, und Sachsen zu decken. Friedrich's Entwürfe aber waren ganz anders. Er wollte durch aus ohne Verzug Schlesien befreyen. In zwölf Tagen war er von Leipzig bis an die Oder marſchirt, und hatte hier die geflohene bevern'sche Armee auf dem Marsch an sich gezogem Man kam dem Feinde immer näher, dersich bey Breslau verschanzt hatte. Entschlossen, ihn anzugreifen, wenn er auch auf dem Gipfel der höchsten Berge gelagert seyn sollte, rief der König nun die Generale und Staboffiziere zusammen, und hielt eine. furze, aber sehr nachdrückliche Rede. Er stellte ihnen feine unglückliche Lage vor, erinnerte sie an die Tap. ferfeit ihrer Vorfahren , an das Blut der gefallenen Krieger ihres Volks , das sie rächen müßten , und an den Ruhm des preußischen Namens ; dabey äußerte er sein festes Vertrauen auf ihren Muth, ihren Dienfe eifer, und ihre Vaterlandliebe, da er den Feind jeht : angreisen, und ihm seine erhaltene Vortheile wieder 9 entreißen wollte. Durch diese feyerliche Rede flammte : er den Geist seiner Krieger bis zum Enthusiasmus an ; einigen fürzten die Thränen aus den Augen ; alle wurden gerührt. Die vornehmsten Generale ant worteten im Namen des heroischen Haufens, und ver- . sprachen dem König, mit kurzen aber viel bedeutenden Worten, zu siegen oder zu sterben. Diese Stimmung des Geistes verbreitete sich bald durch die ganze preus : fische Armee ; und da man nun überdem hörte, daß die Östreicher ihre höchst vortheilhafte Stellung ver-
360 laffen hätten , deren Angriff nur Verzweiflung rechts fertigen konnte , und daß sie den Preußen entgegen kåmen , ſo hielten diese den Feind schon so gut als besiegt. Dies Entgegenrücken wurde von den öftreichischen Feldherren in einem großen Kriegrath beschlossen. Daun und Serbelloni hielten ein behutsames Verfahren, um die vielen wirklich erlangten Vortheile zu be haupten, jeßt für nöthiger als jemals. Die Sicherheit, die ein überaus festes Lager an der Seite einer reichlich versehenen Feftung gegen eine sehr geschwächte barbende Armee gewährte , ſtand mit dem ungewiſſen Ausgang einer Schlacht im freyen Felte in keinem Verhältniß. Es war kein Kampf erforderlich, das Erlangte, wenigstens diesen Winter über, zu behaup ten. Nichts nöthigte zu einer Schlacht. Der Stolz. der anderen Generale aber überstimmte diese Klugheit. Sie sagten: ,,Es ist unter der Würde unserer sieg reichen Waffen, frehen zu bleiben." zu ihnen ges fellten sich die Schmeichler, die dem Prinzen von Lothe ringen vorstellten, daß es nur von ihm abhienge, durch eine Schlacht, deren glücklicher Erfolg gar nicht be zweifelt werden könnte, den Krieg auf einmal zu endis gen. Diese Meynung, die besonders Luchesi vertheiDigte , einer der vornehmsten Generale , behielt die Oberhand , und so groß war die Sicherheit des Pringen und der anderen erfahrenen Feldherren, daß man die Feldbåckeren nicht, wie gewöhnlich, im Rücken der Armee, sondern vorwärts, nach der Stadt Neumark verlegte, und sie also dem König im eigentlichen Vers stand entgegen schickte. Friedrich , der schon bey Parchwig das kleine Corps des kaiserlichen Generals
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Gersdorf angegriffen und zerstreut hatte, war bey seis ner Ankunft in Neumark über diese Avantgarde von Bäckerey erstaunt. Um keine Zeit zu verlieren , mußten` Die vorherziehenden Dragoner und Husaren absigen, und die Stadt bestürmen , deren man sich auch bald be mächtigte, und 800 Gefangene machte, und nun rückte Friedrich vorwärts . Durchdrungen von dem Gedanken , daß er jeßt fiegen müsse, oder zum Spott seiner Feinde werde, war der König fest entschlossen , als Held zu sterben, wenn Das Schicksal, wie bey Collin, entscheiden sollte. Alles, was Tapferkeit, was fein Genie vermöge, mußte aufs geboten werden. Mit ungefähr 33,000 Preußen, gegen 80 000, bisher siegreiche und an Nichts Man gel leidende Östreicher zu besiegen, war Friedrich's schwere und außerordentliche Aufgabe ; - wie treff lich er sie löste , werden wir sogleich sehen. *) Den 5ten December, noch vor Anbruch des Tages, *) Nach Urchenholz, so wie nach des Königs eige. ner Angabe zählten die Preußen am Tage der Schlacht 33,000 Kämpfer ; nach Klarke (Bes schichtskunde 2c.) 28,200 , und nach O Cahill ge. gen 36,000. - Die beyden legteren Angaben sind wahrscheinlich gleich sehr unrichtig , und die von Friedrich (und Urchenbolg ) ist unstreitig die Richtigste -- Die Stärke der Destreicher wird Tempelhof bes meistens zu 90,000 angegeben rechnet sie zu 87,400 , Friedrich ſelbſt nur zu ungefähr 60,000. Es ist beynah' gewiß, daß die lettere Unnahme viel zu gering ist ; jeden Falls . aber bleibt sie ein schöner Beweis von der Wahr heitliebe , welche der König aucht in feinen Schrif» ten zeigt.
362 fehte sich die Armee des Königs in Marsch; er selbst. an der Spitze des Vortrabe. Das feuchte und trübe. Wetter verhinderte die Öftreicher noch, ihre heranziehenden Gegner zu bemerken. So kam es denn, daß. die preußische Avantgarde auf ein feindliches Corps,: befehligt durch den sächsischen General Notih , stieß, es mit Wuth angriff, und bis vor die Fronte der großen Armee verfolgte. Über 500 Gefangene waren das Refultat dieses, bey dem ganzen Heere Eindruck machen-| den, Reitergefechts. Von der Anhöhe herab, die man auf diese Art erobert , betrachtete nun mit Aufmerk. samkeit der König die Stellung der Östreicher. Die. ganze , Meilen lange, Ebene war von ihnen bedeckt. Rasch entwarfder preußische Monarch seinen Schlachte plan ; auf dem linken Flügel der Feinde mußte der Hauptangriff gefchehen. über einen mit Fichten. be wachsenen Hügel breitete sich derselbe aus ; hatte man ſich dieses Postens bemächtigt, so gewann man den Vortheil des Bodens für den übrigen Theil der Schlacht. In schiefer Ordnung , echelonweise (Leitersprof senartig), beschloß der König sein Heer zu ordnen, den `rechten Fügel voran, jedes Bataillon 50 Schritte ge» gen das neben stehende rechte zurück, so, daß die auf ferfte Spiße dieser Seite um 1000 Schritte gegen die sußerste Linke vorragie. Hierdurch ward bezweckt, daß der schwächere Theil nicht wol durch anscheinend günstige Umstände, wie bey Collin, angelockt, und auf diese Weise, gegen die Bestimmung des Feldherrn, in den Kampf verwickelt werden konnte. Den Feind über den wahren Angriffpunkt so lange als möglich, nämlich bis zu dem Augenblick, in Zweifel zu erhalten, wo der erfte große Schlag schon geschehen ; mit aller Macht
363 plöglich, ihn vernichtend, sich auf den linken öftreichis schen Flügel zu stürzen, dann die zur Hilfe heraneilenden Corps, eh' sie sich noch zu ordnen vermocht, aufzu reiben, und hierauf nach Umständen den nicht mehr zweifelhaften Sieg zu entscheiden, war der Hauptplan des Königs, und weise hatte er alle Anordnung getrof fen, feinen großen Zweck zu erreichen. Der Ruhm, eine solche Schlachtordnung erdacht zu haben, gebührt ohne Zweifel einzig und allein dem König . Zwar glaubt man fast allgemein, Friedrich habe die ersten Ideen hiezu in den Classikern der Alten gefunden, das Gelesene mehr durchdacht, verbun den und ausgebildet. Mögen aber auch Spuren ähne licher Ideen in den Geschichten der Schlachten bey Leuftra , Mantinea , Iſſus und Arbela anzutreffen seyn, so fehlte dennoch ohne Zweifel viel daran , daß Diese zerstreuten Ideen von Epaminondas und Alexander zusammen genommen schon das ganze System Friedrich's enthalten , oder gar ausgemacht hätten. Zudem scheint uns dasselbe mit der damaligen Art Krieg zu führen nicht einmal im Einklang. --- Turenne zwar gab bey Sinzheim seinem rechten Flügel eine schiefe Richtung, aber dá dieſes Manouvre, im Angefichte des Feindes, langsam und blos von einer Division vollführt ward, so blieb es ohne Erfolg, und das Ganze hätte daher einen blinden Nachbeter eher abschrecken, als ermuthigen müssen. Zwischen seinen beyden Linien hatte Friedrich Långst bey jedem Treffen Seitenkolonnen gebildet, um die Flanten zu decken. Auch dies geschah nicht aus Nachahmung Casars, wie Guibert behauptet, fondern ein Zufall bey Mollwig leitetere des Königs Aufmerk=
364 famkeit darauf hin *). - Ein Newton gehörte da zu , um durch den Fall eines Apfels die Geseße der Bewegung zu erfinden, und ein Friedrich, uni aus einigen zerstreuten Ideen der Alten ein neues Syßim Der Kriegwissenschaft zu bilden. 1. Als der König diese Anordnung getroffen hatte, forderte er eine kleire Abtheilung Huſaren zu sich, und sprach zu dem sie befchtigenden Lieutenant : „ Er bleibt bey mir, we cht mir keine vierzig Schritte vom Leib? und gibt wol Acht auf Alles, was geschieht. Wenn ich bleibe, so wickelt er mich in meinen Mantel, holt meis nen Wagen, den er dort hinter jenem Bataillon ſieht, legt mich hinein und führt mich, ohne ein Wort zu sprechen, vom Schlachtfelde. ”— „ Aber die Schlacht ?!! fragte besorgt der Offizier. Die geht Ihn nichts an,“ erwiederte trocken der König,,,die wird gewonnen."So griff Friedrich den linken Flügel der Öste reicher an, und zwart zu eben der Zeit, wo die mit den preußischen Evolutionen unbekannten kaiserlichen Feld. herren die Bewegungen der Preußen für einen Rückzug ansahen, daher auch Daun zum Prinzen von Lothringen sagte : „ Sie: marschiren'fort; wir wollen fje abziehen lassen.“ Mehre Regimenter trugen sicher. heitvoll ihr kleines Feldgerathe, ihre Brotfäcke, ja selbst die mit Habſeligkeiten angefüllten Tornißter hins ter die Fronte, und legten sie in Haufen zuſammen, um sich, nach ihrer Meynung, auf einige Stunden, vOR einer unnüßen Kastizu befreyen . Die Täuschung aber verschwand bald, und man fah mit Schrecken die kunst volle Annäherung der Preußen , die beyde feindlichen *) * Män sehe das erste Båndchen , S. 127,
365 Flügel zugleich bedroheten. Luchesi , der auf dem rechten die faiſerliche Cavallerie commandirte , uneingedenk seiner Prahlereyen im Kriegrath, verlor den Muth; er glaubte, daß hier der Hauptangriff gesche, hen würde, und bat dringend um Unterstügung. Daun wollte diese nicht vor der Zeit ertheilen, und erst nachdem Lucheſi ſich von aller Verantwortung bey einem unglücklichen Ausgang der Schlacht lossagte, wurde ihm ein großer Theil Cavallerie vom linken Flügel in vollem Trabe zu Hilfe gesandt , und Daun selbst eilte mit dem Reserve-Corps dahin. Nadasti, der erfahrenste Feldherr des Heeres , der den linken Flügel commandirte , war bald überzeugt , daß sein Flügel das Ziel des preußischen Angriffs war , und daß die Bewegungen gegen den rechten nur militárische Fechterkünfte wären. Mehr als zehn hinter einander abgeschickte Offiziere mußten dem Prinzen Carl die augenscheinliche Gefahr melden. Karl befand sich in der größten Verlegenheit, da die Berichte von zwey feiner vornehmsten Feldherren einander gerade entge ge.gefeßt waren. Er entschied jedoch für Luchesi, der bald seinen Tod auf dem Schlachtfelde fand, und Nodaſti wurde erst gehört , da es zu ſvåt war. Indessen geschah der Angriff der Preußen mit folcher Kriegwuth, daß Alles auf dem linken Flügel über den Haufen geworfen wurde. Frische Regimen ter kamen den geworfenen zu Hilfe, allein man ließ ſte nicht einmal forniren ; kaum zeigten ſie ſich , ſo wurden sie auch zurückgeschlagen. Ein ÿßtreichiſches Re- ~ giment fiel auf's andere, die Linie wurde auseinander gesprengt, und die Unordnung war unausfprechlich. Die kaiserlichen Türassiere stellten sich in Schlachtord=
366 nung , allein die preußische Hauptbatterie brachte fie bald auseinander , da denn die preußische Cavallerie auf sie fiel, und sie gänzlich aus dem Felde schlug. Viele tausend von den kaiserlichen Truppen konnten zu keinem Schuß kommen, fie mußten mit dem Strom fort. Der stärkste Widerstand geſchah in dem Dorfe Leuthen, das mit vielen kaiserlichen Truppen und Artillerie beseßt war. Hiezu kamen große Haufen Flüchtlinge, die alle Häuser , alle Gårten , und alle Winkel des Orts anfüllten, und sich verzweifelt wehrten. Endlich aber mußten sie doch weichen. So erschrecklich aber auch die Unordnung der geſchlagenen Armee war, so versuchten dennoch ihre besten Truppen noch einmal unter Begünstigung des Terrains Stand zu halten ; allein die preußische Artillerie schlug sie bald in die Flucht, und die preußische Cavallerie , die auf allen Flügeln einhieb, machte immer Gefangene zu Tauſen= den. Das Dragoner-Regiment von Bayreuth nahm auf einmal zwey ganze Infanterie-Regimenter mit allen Offizieren , Fahnen und Kanonen gefangen. Die östreichische Infanterie machte noch einen lezten Verſuch , ſich auf einer Anhöhe zu formiren ; allein der preußische General Wedel griff ſie in der Flanke und im Rücken zugleich-an, und nun hatte alle Vertheidigung ein Ende. Nur die einbrechende Nacht, und die guten Unſtalten des Nadaſti, der den Rückzug des linken Flügels deckte, und die Preußen abhielt, sich, eh' es dunkel ward, der Brücken über das schweidnißer Wasser zu bemächtigen, rettete den Rest des Heeres vom gänzlichen Untergang. Bey Collin waren es nicht Kriegkunst noch Tapferkeit, sondern die eifenspeyenden Maschinen , auf unzugangbaren Höhen gestellt , die
367 großentheile das Schicksal des Tages beflimmten ; bey Leuthen aber entschied Taktik und Tapferkeit allein den Sieg . Man machte auf dem Schlachtfelde 21 500 Gefangene, worunter 307 Offiziere waren , und er, oberte 134 Kanonen nebst 59 Fahnen . Von den Ößtreichern waren 6500 todt und verwundet, und 6000 De ferteure gingen nach der Schlacht zu den Siegern über. Der preußische Verlust war nur 2660 Todte und Ver. wundere. Um 1 Uhr des Nachmittags hatte die Schlacht begonnen, und schon gegen 6 Uhr war sie entschieden. 3u der Geschichte dieses Tags gehören einige Züge, welche die Stimmung der Preußen bezeichnen, und dem von allen Völkern und Zungen bewunderten Heldengeist der Grieten und Römer nichts rachgeben. Der bayerische General , Graf Kreit , damals Volontår bey der kaiserlichen Armee, fieß auf einen preußiſchen Grenadier, dem beyde Füße abgeſchoffen waren, und so in seinem Blute schwimmend ganz gelaffen Tabaf rauchte. Der erstaunte General rief ihm zu : ,,Kriegkamerad ! Wie ist es möglich , daß Ihr in Eu'rem schrecklichen Zustande noch ruhig Tabak rauen könnt ? Der Tod ist Euch ja nahe.“ Der Grenadier nahm seine Pfeiffe aus dem Munde , und erwiederte faltblütig : Was ist daran gelegen ! sterb ,,ich doch für meinen König!“ Einem anderen preuffischen Grenadier wurde bey'm Aufmarsch ein Bein abgeschaffen. Er rafft sich von der Erce auf, fügt sich auf ſein Gewehr wie auf eine Krücke, und ſo ſchleppt er sich zu einem Standplaß, wo die Colonnen vorbey mußten, von wo er mit lauter Stimme den Soldaten Brüder ! fechtet wie brave Preußen ! Siegt zurief: ,,oder ſterbt für Euern König!“ 6 Friedridy d. Einz. III,
368 Besorgt, der Feind möchte sich hinter dem schweid= niger Wasser von Neuem sezen , wodurch eine zweyte Schlacht gegen die, der Zahl nach noch immer bey Weitem den Preußen überlegenen Öftreicher, nöthig würbe, eilte der König noch denselben Abend, anfangs sur mit einem kleinen Detaschement begleitet, dem indessen die ganze Armee folgte, gegen Liffä. Nicht ohne fein Leben der größten Gefahr auszusehen, langte er daselbst an. Die furchtbarste Verwirrung herrschte hier. Die Feinde und das kleine Gefolge des Königs schossen in der Dunkelheit unaufhörlich. Alles ſchrie und commandirte durch einander. Aber der König sagte ganz gelassen : Meffieurs , folgen Sie mir, ich weiß hier Bescheid !” . Sogleich ritt er links über die Zugbrücke, welche nach dem Schlosse führt, wohin im seine meisten Adjutanten folgten . Er war faum dicht vor der Schloßthüre angekommen, als verſchiedene öftreichische Offiziere, mit Lichtern in den Händen, aus den untern Zimmern und von den Treppen herabgestürzt kamen, um in der finstern Nacht ihre auf dem Schloßplah haltenden Reitpferde zu finden , und wegen des Schießens davon zu jagen. Der König stieg mit seinen Adjutanten ganz ruhig vom Pferde, und sagte zu den östreichischen Offizieren: ,, Bon soir, Messieurs ! Gewiß vermuthen Sie mich hier nicht. Kann man hier auch noch mit unterkommen ?" Schwer war es zu sagen, welcher Theil des andern Gefangener håtte seyn sollen ; denn der Östreicher maren viele. Aber die vornehmsten östreichischen Generale und Staboffiziere , erstaunt , nahmen den niedeen Offizieren und Reitfuechten die Lichter aus den Händen , und leuchteten so dem Könige die Treppe
369 hinauf, in eine der besten Zimmer. So wie sie da ankamen , pråſentirte einer die andern dem Könige, der alle nach ihren Namen und Charaktern fragte, und ſich mit ihnen in Unterredung einließ. Während defsen fanden sich immer mehr Adjutanten und andere preußischen Offiziere auf dem Schloffe ein ; und nunmehr beurlaubte der König die öftreichischen Offiziere, welche andere Zimmer auf dem weitläufigen und wolgebauten Schlosse einnahmen. Es kam nach und nach eine große Menge preußischer Generale , und da der König verwundernd fragte: wo sie alle herkämen ? so ward ihm gesagt : daß die ganze Armee auf dem Dame me nach Liſſa im Marsch wäre. Dieser Mißverkand, daß man seine Ordre für zwey Grenadier. Vataillone auf die ganze Armee ausgedehnt hatte , war ihm sehr lieb. Er schickte die Regiment : Adjutanten zurück, mit der Ordre: "/ Daß jeder so gut unterzukommen suchen müsse , wie er könne ;" und beschied die noch. nicht angekommenen Generale zu ſich auf das Schloß zur Parole. Er dankte den Anlangenden in den gnådigsten Ausdrücken für den neuen Beweis ihres Eifers und Muths, und zog sich dann mit den Worten zurück : ,,Nach einer fo gethanen Arbeit ist gut ruhen.“ Dies war die Parole. Die unmittelbare Folge dieser Schlacht war die Belagerung von Breslau , daš , von der geschlagenen Armee stark besezt , jeßt ſeinem Schicksal überlassen rou: de. Man errichtete hier Galgen für diejenigen, die von Übergabe ſprechen würden ; allein dieser überspannte Muth verlor sich bald ; denn in vierzehn Tagen ging auch diese Stadt über, da die Preu en schon alle Anstalten zum Sturm gemacht hatten, u d die Be az6 *
370 zung von dreyzehn Generalen , 700 Offizieren , und 17,600 Mann , mußte vor 14,000 Preußen das Gewehr strecken. Hier wurden ein ansehnliches Magazin, und außer der zur Festung gehörigen preußischen Artillerie noch 81 in die Stadt gebrachte ößtreichische Kanonen und Mörser erbeutet. Die Generale Ziethen und Fouquet, welche die Feinde bis nach Böhmen verfolgten, hatten außerdem noch 2000 Gefangene ge= macht, und über 3000 Wagen erbeutet, ſo daß die Öftreicher in dem so kurzen Zeitraum von zwey Wochen (nach des Königs Berechnung) über 41,000 Mann verloren , und die Reßte ihrer kurz zuvor ungeheueren Armee nur ein Corps Flüchtlinge darſtellten, die ohne Kanonen , Fahnen und Bagage , ven Mangel gedrückt und von Kälte erstarrt, über die böhmischen Gebirge nach Hause zogen. Nach genauen Berichten brachte man, als hier die Geschlagenen wieder gesammelt wurden, nur 9000 Mann regulåre Infanterie und 28,000 Cavallerie und leichte Truppen , im Ganzen demnach 37,000 Soldaten zusammen . Zählt man dazu die von den Kaiserlichen eben verlorenen 41,000 , so ergibt sich , daß, die Deſerteure ungerechnet , deren wenigs stens 6000 waren , die Stärke dieser Armee bey❜m Beginnen des Kampfes gegen den König jedenfalls über 78,000 betrug. Friedrich erfuhr bald den Wiß der Öftreicher über die Ankunft der berliner Wachtparade. Er lås chelte und sagte: „ Ich verzeihe ihnen fehr gern die kleine Sottiſe, die sie gesagt, wegen der großen, die fie gemacht haben.“ Er war selbst über die Größe feines Sieges verwundert, und fragte den kaiserlic en General Beck, den er ſehr ſchaßte, und der bald nach-
371 her gefangen wurde , wie es zugegangen sey , das die Öftreicher so total geschlagen worden wåren ? Beck erwiederte : „ Sire , es war unſere Sündenſchuld , weil ,,wir uns einkommen ließen, Ew. Majeſtät in Ihrem ,,eigenen Lande die Winterquartiere zu verweigern ." Als der König im Ernst die rechte Ursache wissen wollte, fo fagte der General : ,,man habe den Haupt,,angriff auf den rechten Flügel erwartet, und darnach die Anstalten getroffen." ,,Wie war es möglich ?‹• erwiederte der König ; eine Patrolle gegen meinen ,,linken Flüzel würde Ihnen sehr bald meine Absichten entdeckt haben . Auch waren diese Nadasti nicht verborgen geblieben , der von allen kaiserlichen Gene ralen sich an dieſem Tag allein als ein erfahrener Feldherrzeigte und den Rest des Heeres rette e, aber durch die niedrige Eiferſucht des Prinzen Karl von Hofe mit so großem Undank belohnt wurde, daß man nicht eine mal seinen, selbst den Feinden ehrwürdigen, Namen im Hofbericht von dieser Schlacht erwähnte. Dagegen wollte man, wo möglich,. die Ehre des Prinzen in den Augen derWelt retten . Man zeichnete falsche Schlacht-, plane, leate ſie der Kaiſerin vor, und verbreitete fie unters Volk. Der Kaiser holte seinen Bruder se bat ein , als er sich Wien näherre; dabey wurde in ter ganzen Stadt bekannt gemacht, daß ich Niemand, bey harter Androhung, unterstehen sollte, von dem Prinzen unanständig zu reden. Ungeachter dieses Verbors aber wierden wigige und unwißige Kupferstiche, Gemälde und Satyren auf dieſen Heerführer an den Stadtth:= ren, an der Stephansfirate, ja ſelbſt an der kaiserlichen Burg, angeschlagen. Diese Stimme des Voifs drang jedoch nicht bis zu der nachsichtvetten, ganz falfo be.
372 richteten Thereffa , die das Heil ihres Staats , die Oberbefehlhaber-Würde aller Heere , selbst wider den Willen ihres Gemahls, von Neuem dieſem Prinzen anvertrauen wollte. Er selbst aber, dem der Haß und die Verachtung des Volks nicht unbekannt blieben, war gerechter gegen sich, als seine Monarchin, und reište nach Brüffel. Eben so gerecht war auch Nadaßti gegen fich; er, dieser erfahrene Feldherr, den Theresia jetzt am wenigsten entbehren konnte, verließ auf immer das Kriegheer, das ihn liebre, und den Hof, der ihn haßte, und begab sich nach Ungarn. Das größte Kriegtalent des Königs von Preußen war, begangene Fehler wieder gut zu machen, und erlangte Vortheile auf's Möglichste zu benutzen. Die Eroberung des fast verlorenen Schlesient, und mehr als 40,000 Mann Krieggefangene , hätten daher dem raftlosen Feldherrn nicht genügt , und ihn im Laufe feiner Siege aufgehalten, wenn nicht der so weit vorgerückte Winter und der tiefe Schnee seinen ferneren Unternehmungen durchaus ein Ziel geseht hätten ; selbst die Belagerung von Schweidnih mußte bis zum Frühling verschoben werden. Indessen wurde diese Festung doch blokirt. Die lehte Operation in dieſem Feldzug war die Wiedereroberung von Liegnit , einer der größten und schönsten Städte Schlesiend. Die Übergabe geschah den 29ten.December, und krönte alfo in den lehten Tagen des Jahres diesen so thatenvel len Feldzug. Wir müssen nunmehr auf einige Begebenheiten hinblicken , welche sich in anderen Gegenden während des Jahres 1757 zutrugen. In der ersten Hälfte desselben war noch ein Feind gegen Preußen aufgetre
373 ten, der, an sich zwar nicht besonders wichtig, dennoch dem König nicht gleichgültig feyn konnte ; es war der Herzog von Württemberg, Beherrscher eines schönen, und von einem friegeriſchen Volk bewohnten Landes. Friedrich, jede vortheilhafte Gelegenheit benüßend, hatte sogleich nach der prager Schlacht den Obristen Mayer mit 2000 Mann nach Frankeu gesendet, um fowol die Reichstände in Furcht zu ſehen, als auch die Vereinigung der aus allen Gegenden Südteutschlands fich zusammenziehenden Reichtruppen zu verzögern, und den in Regensburg tebenden Reichtag Männern den unternehmenden Geist der Preußen zu zeigen. Mayer fiel in das Bisthum Bamberg ein , sammelte Contributionen, durchstrich den fränkischen Kreis, und Drang in die Oberpfalz: Diese unerwartete rasche Operation wirke auf die Reichversammlung so sehr,' daß viele der Abgeordneten, die sich wider Preußen am heftigsten erklärt hatten , sich jest in größter Eile za retten suchten. Auch der Churfürst von Bayern nebst anderen Reichfürsten, welche jeht die Preußen zu Allem fähig hielten, geriethen in Unruhe , behaupteten , sie hätten keinen Krieg mit dem König, und wünschten mit Friedrich in Unterhandlung zu treten. Der Zeits punkt war nahe, wo man ernsthaft daran dachte, das mit Theresia gemachte Reichbündniß zu vernichten ; allein die Niederlage von Collin veränderte Alles. Mayer bedrohte indeß Nürnberg. Die bedrängte Stadi wa die sich in der Angst, um Schuß bittend, an Die Kreisversammlung. Der fränkische Areopagus zeigte seine Weisheit bey diesem Vorfall. Man ver langte von dem Krieg-Obristen Mayer , er solle sich
374 wegen des Einfalls in Franken, legitimiren, und allen Schaden ersehen. Der preußische Befehlhaber war nicht mit Pergamenten, wol aber mit Pulver und Ku geln versehen, und von beuredürstenden Kriegern be gleitet. Er wies daher lachend den Abgeordneten seine bewaffneten Selda: en, und fragte , ob sie noch eine bessere Legitimation wünschten ? Mayer vers langte die Neutralität der Stadt, die auch zugestanden wurde ; ja der ganze Kreis hätte sich neutra! erflårt, wenn das preußische Corps nur etwas ſtå : fer geweſen wäre. Die Schwäche desselben reizte zu Vertheidigungsanstalten , und zu dem Entwurf, den Preußen den Rückweg abzuschneiden. Man zog von allen Seiten Truppen zusammen , die Mayer nicht abwarten wollte. Nacden er alfo ten vorgesezten Endanef erreicht hatte, marschirte er zurück, ließ die Brücken hinter sich abbrechen , schlug sich durch ein Corps würzburger und bamberger Truppen , die ihn aufhalten wollten, und so kam er endlich nach Böhmen. Er hatte bey seinem Abzuge aus Franken Geifel mitgenommen , worunter sich auch zwey nürnberger Patricier befanden. Der wiener Hof bediente sich sehr geschickt diefer Gelegenheit, um den Reichſiänden die Beſchleunigung ihrer Kriegmaatregeln zu emp´chlen . Die kaiserliche Ermahnung war auch nicht fruchtles. Mager wurde darin für einen Bösewicht, und seine Truppen für Landſtreicher erklärt, die man zu haſchenſuchen müßte , um se ais Mordbienner zu bestrafen. “ Die Kaiserlichen benüßten indeß (im Anfange des Feldzugs von 1757) die Zerfi enung der preußischen Armeen, und der General Haddick nagte sich mit 4000 Mann bis an die Thure pon Berlin. Diese
375 Residenz , ohne Wall , zum Theil ohne Mauern, und nur mit Palliſaden versehen , war damals mit 2000 Mann Landmiliz beseßt, wozu einige hundert Rekru ten und andere von den Feldtruppen zurückgelassene Soldaten kamen. Die königliche Familie hatte sich gleich nach eingegangener Nachricht von der Annähe rung der Feinde nach Spandau begeben. Man hatte also in dieser Lage nichts von einem fliegenden Corps zu befürchten, daß aller Mittel beraubt war, die Kōnigstadt zu angstigen, und in steter Sorge stand, abge. schnitten zu werden. Haddick ließ die Stadt auffordern, und griff fast zu gleicher Zeit das schlesische und cottbusser Thor an. Die Pallifaden am ersten wur den niedergeschoffen , und nun drangen die Östreicher mit hellem Haufen in die dort befindliche Vorstadt ein. Die Einwohner zeigten fich des brandenburgischen Na mens würdig. Ganze Gewerke wollten sich vereinigen, und erboten sich, die Feinde zu verjagen ; allein die geringe Kriegerfahrung, und der Kleinmuth des Com mandanten, General Rochau, der auch deshalb von den Weibern und Gaffenbuben verspottet wurde, wollte keine Versuche dieſer Art gestatten. Es kam blok in der cöpenicker Vorstadt zwischen einem Commando preußischer Soldaten und den Ößreichern zu einem unbedeutenden Scharmüßel , wodurch nichts entſchieden wurde. Die Nachricht von der Annäherung des Fürsten Morih von Anhalt Defau beunruhigte jedoch die Feinde bey Berlin außerordentlich. Haddick, der die Gefahr des Verzugs kannte, war måßig in ſeinen For. derungen, und diese wurden endlich zugestanden, nicht sowol aus Furcht, als um der Unruhe geschwind ein
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Ende zu machen. Die anfangs geforderten 600,000 Reichthaler, wurden auf 200,000 herabgefeßt. Had. -dick erhielt dabey für ſich ein Geschenk von 12,000, und sein Adjutant, der Obrist Ried, ein anderes von 3000 Reichthalern an Geld , nebst allerhand Kleinodien ; dafür bekam die Stadt einen von Haddick unterzeichneten Revers , daß die öftreichischen Truppen nie wieder Berlin auf diese Weise heimsuchen sollten. Nachdem alles verabredet war, bat ſich Haddick vom Magistrat zwey Duhend , mit dem Stadtwappen geftenpelte, Damen-Handschuhe aus, womit er feiner Kaiserin ein Geschenk machen wollte. Man brachte ihm die Gelder und die Handschuhe , und nun marſhirte er in größter Eile ab. Er hatte auch keinen Augenblick zu verlieren ; denn wenig Stunden nachher traf der General Seydliß mit 3000 Mann in Berlin ein, dem am folgenden Tag das ganze Corps des Prinzen Moriß von Deffau folgte. Auch der König hatte sich in Bewegung gefeßt , um dem verwegenen Haddick den Rückzug abzuschneiden, der aber das Glück zum Führer hatte , von der Landstraße entfernt, auf Abwegen mit forcirten Mårschen davon floh , und so feinen Feinden entging. Jm Königreich Preußen war indessen auch die Kriegscene von den Russen auf eine schreckliche Weise eröffnet worden. Das Ministerium in Petersburg war zwar dem englischen Hofe ergeben, befenders hing der im Cabinet alles vermögende Großkanzler Bestu chef. durch Guineen gewonnen, ganz von den Brite:i ab ; allein die bestimmteste Willenemeinung der Kais serin Elisabeth, die als Weib beleidigt war, und sich als Monarchin råchen wollte, vereitelte alle Bemühun-
377 gen der Engländer und den guten Willen des Großfanzlers, Rußland von Östreich zu trennen. Fried. rich's Demüthigung und die Eroberung des Königreichs Preußen , waren die Grundsäulen des jeßigen russischen Systems, dessen standhafte Befolgung im Ca= binet zu Petersburg unwiderruflich beschlossen wurde. Die Ruſſen kamen daher im Monat Juny, unter Anführung des Feldmarschalls Apraxin, über 100.000 Mann stark, in Preußen an. Nur 24,000 hatte ihnen der hierbefehligende Feldmarschall Lehwald entgegen zu, stellen. Das Land wo möglich von den empörenden Barbareyen dieser Feinde zu befreyen, griff fie der preußische General den 30ten August bey Groß- Já. gersdorf an. Anfangs siegreich , unterlagen den. noch zuleht, nach zehnstündigem blutigen Kampfe, die Truppen des Königs der feindlichen übermacht ; 1400 Mann, nebst 13 Kanonen hatten ſie, 7000 ihre Gegner verloren . Doch ohne allen Erfolg war dieſer Sieg. Der viel vermögende ruſſiſche Großkanzler Bestuchef, durch die englischen Guineen hauptsäch lich dazu vermocht, *) ertheilte nämlich an Aprarin
*) Bestuchef hatte jedoch zu dem Rückzug der ruſſi» fchen Armee außer dem englischen Solde noch eis nen andern Grund. Friedrich hatte einen mächtigen Freund in Petersburg. Dies war der Großfürst Peter, der Thronfolger des Reichs, der den Krieg höchst ungern sah, der den König von Preußen verehrte , und die Dänen haßte. Er . fürchtete , daß der bedrängte Held ſich mit dieſen feinen Feinden verbinden möchte , und versprach ihm alle nur möglicherweise zu leiſtende Hilfe, wenn er kein Bündniß dieser Art machen wollte.
378 den Befehl, Preußen zu räumen. Nur 10,000 Mann blieben als Besaßung des eroberten Memel zurück; die ganze übrige Armee marschirte davon. Dieser Rückzug war ganz einer Flucht ähnlich, und geschah so übereilt, daß 15,000 Verwundete und Kranke, achte sig Kanonen, und sehr viel Krieggeråthſchaften zurückbleiben mußten. Der Zug ging in zwey Colonnen, und beyde Marſchröuten wurden durch Feuer, Plúnderung, und alle nur erfinnliche Grausamkeiten be zeichnet. Alle Städte, Flecken und Dörfer, wo dieſe höllischen Schwärme hinkamen, gingen in Rauch auf, und die Landstraßen waren mit Leichnamen von Men. schen und Pferden bedeckt. Die zur äußersten Ver. sweiflung getriebenen preußischen Bauern wehrten fich, und machten dadurch ihr Unglück noch größer.. Die geschlagenen, aber nicht überwundenen Preußen, verfolgten die Russen bis an die Gränze von Fried rich's Staaten. Die Schweden waren untèrdeſſen in Pommern eingedrungen. „ Der kriegeriſche Muth dieses Volks Friedrich fagte es zu, und nun gewann Peter den Großkanzler Befuchef , welcher , um sich den künftigen Herrscher zu verbinden, der ihu haßte, für den Feldmarschall Apraxin den Operations: plan entwarf. Das Räthsel des Rückzugs der Russen aus Preußen wurde dadurch aufgelöst. Die in Petersburg befindlichen Gesandten von Frankreich und Oestreich aber entdeckten die um ftånde dieser Partyeylichkeit des Großkanglers, der von der erzinten Eliſabeth sogleich aller feiner Würden entsegt wurde ; auch Apraxin verlor seis nen Posten als Befehlbaber der Armee, und wurde als ein Gefangener nach Narva gebracht.
369 drohete den Preußen einen fürchterlichen Feind. Al lein nie wurde wol die Ehre einer Krone und der Ruhm braver Truppen so vorfeßlich auf's Spiel gefeßt , als bey dieser Gelegenheit. Die Ausrüstung der schwedis schen Armee in allen ihren Theilen, so wie sie damals in Teutschland anlangte, war eine wahre Satyre auf die neuere Kriegkunst. Soldaten, in Reih und Glied gestellt, wolgeübt und voll Begierde zu fechten, waren da, allein sonst fehlte auch Alles . Hiezu kamen Anfüh. rer, die nicht unerfahren in der Kriegkunst, denen aber jeder Schritt vom schwedischen Reichrath genau vors geschrieben war; Generale, die unter einander nicht harmonirten, und denen man bey jeder Unternehmung mit Verantwortung der Folgen drohete. Auf diese Weise ist es erkårbar , wie die Krieger eines Volks, das mehr als einmal das Schicksal von Teutschland mit dem Schwert entschied, und das im westphälischen Frieden Europa Geseze gab , ohne ihre kriegerische Tugenden verloren zu haben , nach fünf Feldzugen, ruhmlos und verspottet wieder nach ihrer Heimath jogen. Der Mangel an leichten Truppen war Ursache, daß die Schweden oft die besten Entwürfe aufgeben mußten ; denn die Preußen neckten sie mit einer Hand voll Leuten auf allen Seiten , und schnitten ihnen bes ständig die Zufuhren ab. Lief in die preußischen Staaten konnten sie wegen fehlender Magazine und Pontons nicht eindringen, und ihrer Vereinigung mit Den französischen, ruſſiſchen und östreichischen Armeen, woran immerfort gearbeitet wurde , standen so man cherley Hindernisse im Wege, daß sie auch nicht ein einziges Mal versucht wurde. Das schwedische Kriegs 7 Friedrich d. Einz. III.
370 theater war daher in einen kleinen Winkel von Nordteutschland eingeschränkt. Diese Truppen tummelten sich in Pommern und einem Theil der Ma : k herum, ohne irgend etwas großes zu unternehmen, und hiebey blieb es den ganzen Krieg durch, worin sie eigentlich nur figurirten." *) Gegen diese Seinde zu marſchiren erhielt jest lehwald Befehl, da Friedrich die Ruſſen für immer entfernt glaubte. Mit leichter Mühe rour. den die Schweden bis unter die Kanonen von Stralfund zurückgetrieben aber selbit hier sich nicht sicher genug glaubend, flohen sie nach der Insel Rügen. Blos die durch sein Alter veranlaßte Zaghaftigkeit hieſt den (achtzigjährigen) Lehwald ab, sie über den zugefrorenen Meerarm auch dorthin zu verfolgen ; er begnügte sich mit den erlangten Vortheilen und 3000 Gefangenen, welche während wenigen Wochen in seine Hånde gefals len waren. Schwedisch-Pommern war nun ebenfalls in der Gewalt der Preußen, welche auch Mecklenburg in Befih nahmen. So hatte Friedrich die Zufrieden beit, gegen das Ende des Jahres 1757 fast alle ſeine Erblande von den Feinden geräumt zu sehen. Noch immer waren ungleich mehr und wichtigere Gegenden der Verbündeten in feiner, als von den preußischen Auf diese Provinzen in der Gewalt ihrer Gegner. Art," sagt Archenhof , endigte sich ein Feldzug, der in der Weltgeschichte ohne Beyspiel ist. In diesem einzigen Jahre wurden, ohne die Menge wichtiger Gefechte, Kanonaden, und Scharmüzet zu rechnen, sieben Hauptschlachten geliefert , und zahlreiche Treffen gefochten, von denen viele in den vorigen Jahrhunderten *) Archenholę.
371 als Schlachten betrachtet worden måren. über 700,000 Krieger waren in Waffen gewesen. Und von welchen Völkern ! Es waren nicht weichliche Asiaten , die von jeher mit zahllosen Heeren die Felder bedeckten , und den Griechen , Römern und Briten Anlaß zu auffallenden Triumphen gaben. Es waren keine zusammengeraffte Kreuzfahrer , die in ungeheueren Schwärmen wie die Heuschrecken ganze Provinzen überschwemmten, sich ohne alle Kriegkunst herumschlu gen, und aus fanatischem Eifer Menschen mordeten . Nein ! es waren alles kriegerische Nationen, die hier auf teutschem Boden kämpften ; keine der hohen Cultur des achtzehnten Jahrhunderts unwürdig, und eis nige derselben den tapfersten Völkern der Vorweit gleich; mehr als eine einzeln fähig durch's Schwert einem Welttheil Gefeße zu geben." ... Die Briten hatten bisher nichts von einem Landkrieg hören wollen ; allein das für Britanniens Sache verheerte Hannover , und die Thaten Friedrich's , die nirgends mehr als von diesem großmüthis gen Volke gewürdiget wurden, veränderten ganz defsen vorige Cesinnungen. Der König von Preußen nurde der Abgott der Engländer ; sie feyerten seinen Geburtstag in London und in den Provinzen , so wie die Geburtstage ihrer eigenen beliebtesten Könige ; Das Parlament bewilligte ihm jährlich 670 000 Pfund Sterling Subsidien ; man beschloß, englische Truppen. nach Teutschland zu schicken, und der große Pitt, der jeht als Minister das Staatruder in die Hånde nahm, und durch die Macht ſeines Genie's das britische Reich als Dictator beherrschte, feßte nun den Grundlag fest, daß Amerika in Teutschland erobert werden müßte." 7"
372 Ungeheuere Anstrengungen wurden nunmehr während des Winters von beyden Theilen zur Fort= fehung des Kriegs im beginnenden 1758er Jahre ge= macht. Die Eroberung von Schweidnih durch die Preußen eröffnete auf dieser Seite den Feldzug, und beraubte die Öftreicher des lehten Punktes in Schlefien. Der König , welcher dem Anſcheine nach nunmehr Böhmen bedrohte , fiel , seine Feinde täuschend, plöglich in Mähren ein , und belagerte Olmüş. *) Aber tapferen Widerstand leistete diese Feste, und mit bisher völlig ungewöhnter Schnelle rückte ein neues bstreichisches Heer, unter Daun, zum Entsage heran. Ein großer preußischer Transport, von mehr als 3000 Wagen , mit Munition und Lebensmitteln beladen, ward fast gänzlich von den Kaiserlichen genommen oder vernichtet, und Friedrich sah sich endlich, nach fünfwöchentlicher Belagerung, genöthigt, dieselbe den 2ten July wieder aufzuheben . Daun suchte nun den Preußen den Rückzug abzuschneiden, und ſie, mit dem König, gefangen zu nehmen. Aber dieser Cáfar bey❜m Angriff, und Fabius bey❜m Rückzug , vollführte den lehteren mit eben so außerordentlicher Geschicklichkeit, als feltenem Glück. Alle Päffe nach Schlesien hatte *) Archenholz und Einige tadeln diese Unters nehmungen sehr , ja , der genannte Schriftsteller behauptet sogar, die Belagerung von Dimük ſev die unerklärbarste Handlung Friedrich's geive fen. --- Andere Männer von Sachkenntniß , nas mentlich der nichts weniger als brindlings Lobende Jo mini (eben so O Cahill) halten dagegen das Ganze für ein geschicktes , nichts weniger als Tadel verdienendes , 1Unternehmen.
373 der öftreichische Feldherr beseßt, allein der König, ſich plößlich wendend, marſchirte ( an der Seite des Feindes , durch eine Kerte von Hohlwegen und über hohe Gebirge , nach Böhmen Nicht nur die ganze Armee, auch alle zum Kriege nothwendigen Geräthschaften der Preußen, wurden gerettet. Selbst von der gesammten Artillerie und 4000 Wagen, ging auch nicht ein Stück verloren ; im Gegentheil eroberte der König sogar feindliche Magazine. über Königsgräß und Glah führte derselbe seine Truppen , nach Schlesien ju rück. Die Russen waren unterdessen , unter Fermor's Anführung, nach Preußen zurückgekehrt, dieses völlig unvertheidigte Königreich, als ihr Eigenthum, in Besig zu nehmen. Alle Collegien mußten der Kaiserin Eli. sabeth den Eid der Treue leisten ; dabey ward jedoch . das Land mit einer , bey den Russen wenigstens bey.. spiellofen , Schonung behandelt. Fermor's Heer zog nachdieser leichten Eroberung gegen die teutschen Provinzen des Königs. Sobald die Armee Preußen verlaffen, bezeichneten Mord und Brand die Wege dieser. Barbaren. Sie drangen, 80,000 Mann zählend, in Brandenburg und Pommern ein, und die Belagerung von Cüftrin ( den 15ten August) war ihre erste milită rische Unternehmung. Aber auch hier schienen fie mehr auf Verheerung, als auf Eroberung, zu denfen, denn zwey Tage zuvor, eh' ſie die Festungswerke beschossen, warfen sie eine solche Menge glühender Kugeln und Bomben in die unglückliche Stadt, daß diefelbe schon in den ersten 24 Stunden in einen Uschenhaufen? verwandelt ward . Die meisten Bewohner Cüstrin's flohen, von Eatsehen und Noth gedrängt, mit ihren
374 Säuglingen und Kranken unter lautem Jammer und Wehklagen über die Oder, während die Flammen ihrer brennenden Habseligkeiten ihnen auf der schmerzlichen Flucht den Weg erhellten. Viele Menschen jedoch kamen bey dem Brande um ; Andere wurden unter den Trümmern der einstürzenden Gebäude begraben, oder erstickten in den Gewölben und Kellern , wo sie, von Furcht getrieben , Schuß gesucht hatten. Der König , tief ergriffen von dem Unglück der so barbarisch verwüßteten Gegenden, ließ den größten Theil seines Heeres bey Landshut in Schlesien , zur Deckung dieser Provinz, unter Feldmarschall Keith, gurück, und eilte mit 14,000 erlesenen Truppen zur Rettung Custrin's herbey. Den 21ten August langte er bey dieser Stadt an, und vereinigte sich sogleich mit dem Corps, welches der General Dohna in dieser Gegeud befehligte, und das anfangs gegen die Schweden gefämpft, und Stralsund belagert hatte. Die Russen hoben jeßt die Belagerung von Cüstrin auf, und fo gleich rüstete man sich zur Schlacht. Friedrich, tief bewegt bey dem Anblick der verwüsteten Fluren , der noch rauchenden Aſchenhügel und der im grånzenloses ften Elend herumirrenden Flüchtlinge, schien jede Lehre der Philosophie zu vergessen ; keinem dieser Barbaren Pardon zu geben befahl er ; alle Anstalten wurden getroffen, ihnen den Rückzug abzuschneiden, sie nach den Moráßten der Oder zu drången, und dort zu vernichten. Fermor's Truppen erfuhren , vor beginnender Schlacht, die Wuth der Preußen . Durch die ganze Linie lief der Zuruf : „ Sie geben kein Quartier !// Und wir auch nicht !" war das furchtbar wiederhallende Geſchrey der Ruffen. Mit seinem gewöhnlichen,
375 außerordentlichen , Feldherrntalent , entwarf Friede rich die Anordnungen zu diesem blutigen Kampfe, welcher den 25ten August bey Zorndorf statt fand. Wenigstens aus 50 000 Streitern bestand die Armee Fermors , blos 30 000 *) zählten die Preußen. Um 8 Uhr des Morgens (den 25ten August 1758) · begann der Kanonendonner. Ein ungeheueres Viereck bildend ; standen die Ruſſen, während in schiefer Richtung, wie bey Leuthen , ihre Gegner heranrückten. Furchtbar wüthete der Preußen grobes Geschüßfeuer in der dichten unbehilflichen Masse der Barbaren ; ganze Glieder von ihnen riß oft eine Kugel nieder. Der linke Flügel des Königs rückt , jedoch mit allzugroßer Hiße, vor. Die russische Cavallerie wirft ihn mit Macht zurück, und schon glaubt Fermor den Sieg errungen zu haben. Den Feind zu verfolgen, läßt er von allen Seiten das Carree öffnen , und mit lautem Sieggeschren dringen seine Truppen vor. Da bricht der brave Seydliß mit der Caval lerie hervor. Die russische Reiterey wird gänzlich geworfen , und auf das ebenfalls angegriffene Fußvolk zurückgestürzt. Eine große Verwirrung entsteht. Das Hintertreffen der Russen, vor Staub und Dampf Die feinigen nicht mehr erkennend , feuert auf seine eigenen vorderen Glieder. Aber , wenn gleich zudem ohne Gnade der Preußen Schwert niederwürgt, was es zu erreichen vermag , so stehen dennoch Fermor's Truppen wie Mauern, ſelbſt da fie alle Munition vers schossen hatten. Es war jedoch nicht jene bemunderungwerthe Tapferkeit , aus Ruhmbegier oder Va
*) Nach O Cahill 37,000.
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terlandliebe ihren Poften bis auf den leßten Augenblick zu behaupten ; denn sie wehrten sich fast nicht in dieser Lage ; vielmehr war es ein Stumpffinn, ſich da, wo sie standen, erwürgen zu laſſen. Waren nun ganze Reihen zu Boden gestreckt, so zeigten sich immer neue Schaaren, die auf eine ähnliche Abfertigung in❜s Reich der Schatten zu warten ſchienen . Es war leichter, fie gu tödten , als in die Flucht zu schlagen ; selbst ein Schuß mitten durch den Leib war oft nicht hinreichend, fie auf die Erde zu werfen. Nichts blieb daher den Preußen übrig, at s niederzumeheln, was nicht weichen wollte. Der ganze russische rechte Flügel wurde also theils niedergehauen , theils in Moråste getrieben. Eine Menge der Flüchtlinge gerieth unter die Bagage; die Marketenderwagen wurden geplündert , und der Vergebens fchlugen Branntwein viehisch gesoffen. die russischen Offiziere die Fäffer in Stücken, die Sols daten warfen sich die Långe lang auf den Boden, um . den so geliebten Trank noch im Staube zu lecken. Viele hauchten besoffen die Seele aus, andere massal. rirten ihre Offiziere, und ganze Haufen liefen wie rasend auf dem Felde herum, ohne auf das Zurufen ihrer Befehlhaber zu achten. *) So war gegen Mittag der rechte Flügel der Ruf¸ fen fast gänzlich vernichtet; wenig noch hatte der linke geftritten. Der König ließ auch ihn attaquiren . Allein feig flohen sogleich die angreifenden Regimenter. Da ftürzt auch hierhin Seidlig's treffliche Reiterep ; an ihre Fahnen scheint der Sieg gefesselt. Tapfer un terstüht durch das Fußvolk, welches der König aus
*) Archenholę.
377 Schlesien herben geführt , dringt sie , unter mörderischem Kampf, immer weiter vor, und überall weichen die Ruffen. Zwölf Stunden lang hatte das Morden, gedauert, und erst die einbrechende Nacht , und die gänzliche Ermattung beyder Theile, machten dem Nie derwürgen ein Ende. — Den Kampf am folgenden Tag förmlich zu erneuern, und die Russen vollends zu vernichten , wie auch der König wünschte , war , des Mangels an Munition bey der Infanterie , und der gänzlichen Ermattung der Reiteren wegen, nicht mehr möglich; doch war der Sieg unzweifelhaft , und Fer= mor zog sich über Landsberg an der Warthe zurück. — Der König verlor in dieser Schlacht 3500 Todte, 6000 Verwundete, 1400 Gefangene und 26 Kanonen ; Die Feinde dagegen 19,000 Todte und Verwundete, 2800 Gefangene , 103 Kanonen und 27 Fahnen. Mit edler Freymüthigkeit geftand Friedrich, daß nicht er, sondern Seydlig den Sieg errungen habe *). Der König selbst hatte sich jedoch den größren Gefahren ausgesetzt, und neben ihm waren seine Adjus tanten und Pagen getödtet und verwundet worden. Der britische Gesandte wich nicht von der Seite des Monarchen. ,,Mein lieber Mitchel ! dies ist nicht Ihr Plaz,"/ fagte Friedrich. „ Sire , ist es der Shrige? erwiederte der Miniser. Ich bin zu Ihrer Person gesandt , und mein Plaz ist allenthalben , wo fich Ew. Majestát befinden."
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*) Nach der Schlacht sagte der englische Gesandte Mitchel: ,,Der Himmel hat Ew . Majestät wies der einen schönen Tag gegeben. ” — „ Ohne Sey de lig ," antwortete der König ,,,würde es schlecht aussehen !''
378 Die Erinnerung an die von von den Ruſſen verübten Greuel erstickten bey den Preußen alle Empfin Unter den gefangenen dungen der Menschlichkeit, Russen befanden sich die Generale Czernitchef, Solti, kow, Fürst Sulkowsky , und andere, die dem König nach der Schlacht vorgestellt wurden. Friedrich konnte die grausame Verheerung feines Landes nicht vergessen. Er warf daher verächtliche Blicke auf die vorgeführten Befehlhaber , und sagte , indem er sich von ihnen wegwandte : „ Ich habe kein Sibirien, wo„hin ich Euch ſchicken könnte. Ihr sollt in die Caſe= matten von Cüstrin gesteckt werden ; habt Ihr Euch gate Quartiere zubereitet, so mögt Ihr folche nun „auch beziehen.“ Dieser Befehl wurde vollzogen, so sehr auch der General Czernitchef dem Commandanten Darüber seinen großen Unwillen zeigte. Er fragte, ob Cafematten eine Wohnung für Feldherren wären ? Die Antwort des Commandanten war : „ Sie, meine Her ,,ren, haben ja in der Stadt kein Haus übrig gelaf fen, wo Sie einquartiert werden könnten. Nehmen „ Sie also dieemal nur so verlieb. Man achtete nicht auf ihren Zorn, und so müßten die gefangenen Gene rale in die unter dem Festungwall gewölbten Keller friechen. Sie blieben jedoch nur einige Tage hier; denn der König erlaubte ihnen gleich darauf, sich in der nicht abgebrannten Vorstadt von Cüstrin einzu miethen. unterdessen hatten die Öftreicher, welche Sach. fen eine leichtere Eroberung hoffen ließ, als Schlesien, sich dorthin gewendet ; eben so die Reichtruppen un ter dem Herzoge von Zweybrücken. Der Prinz Heins rich, Bruder des Königs , und ebenfalls ein treffli-
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cher General, befehligte hier die Preußen ; zu feiner Unterstützung war auch Keith aus Schlesien mit ſeis nem Corps he beggeeilt. Mit großer Geschicklichkeit vertheidigte sich Heinrich , bis der König , nach der zorndorfer Schlacht , sich mit ihm vereinigte. Jest bezog. Daun bey Baußen ein befestigtes Lager, die Bis Preußen dagegen ein anderes bey Hochkirch. der Schnee fällt," ſchrieb Friedrich an den Lord Marshall, werde ich auf dem Seil tanzen müssen. Wie oft gåbe ich gern, die Hälfte des Nuhms , von ,,dem Sie mir schreiben , für ein wenig Ruhe hin.“ Die Sicherheit des preußischen Lagers hing von dem Besiße der so genannten Steinberge ab , welche jedoch von den Östreichern besezt worden waren , eh ein Corps der königlichen Truppen daselbk anlangte. Den Ort mit Gewalt wegzunehmen , schien dem An führer jenes Detafchements unmöglich. Friedrich entschloß sich demnach, sobald die Armee auf's Neue mit Proviant versehen ſeyn würde , daß Lager zu veråndern. Die Nacht vom 14ten zum 15ten October war zum Aufbruch, und zugleich zum Angriff auf das Corps des Prinzen von Durlach festgesetzt , wodurch der König auch den Anschein eines Rückzugs vermeiden Doch, um 24 Stunden kamen diesmal die wollte. Öfireicher den Preußen zuvor. Daun, v. • üglich durch Laudon dazu veran, laßt, entschloß sich zu dem Bagniß, den König in der Nacht vom 15ten zum 14ten zu überfallen. Um 5 Uhr des Morgens waren die Kaiserlichen bey dem preußischen Lazer angelangt, und ohne große Anstrengungen wurden nun die Vorposten überwältigt und die große Batterie weggenommen. Der nahe Donner der
380 Kanonen weckte rasch die Truppen des Königs aus dem Schlafe, und rief sie zum Kampf. Sie springen von ihrem Lager auf, haschen nach den ersten Waffen, welche fie in der schrecklichen Dunkelheit zu finden vermögen, und eilen, in furchtbarer Verwirrung, den Feind aufzusuchen. Die Flammen des brennenden Hochkirch erleuchteten bald furchtbar das grauſe Mordſpiel. Dort lag die Entscheidung. Nach verzweifelter Ge genwehr von 600 Preußen war das Dorf durch die Feinde erobert worden. Neue Regimenter, unter den Flammen sich in Linie formirend, erneuern den mörderischen Kampf. Der König selbst führt friſche Bataillone heran. Hier fallen der Prinz Karl von Braunschweig und der brave Feldmarschall Keith ; viele Anführer von beyden Seiten stürzen getödtet öder verwundet. Bald hierhin , bald dorthin ſchwankt der Sieg. Doch die übermacht der Östreicher und die furchtbar wüthenden Flammen, nöthigen endlich, nach fünfftündigem Kampf, die Preußen zum Rückzug . Sie find zwar zum Weichen gebracht , aber deßhalb dennoch nicht besiegt. Fast ohne allen weitern Verlust führt Friedrich den Rest der Seinigen nach den so genannten Spißbergen, in der Nähe von Peidlih, kaum eine halbe Meile vom Schlachtfeld. Ein Meisterstück der Taktik ist dieser Rückzug zu nennen , eben so des Königs Berhalten nach diesen unfeligen Stunden. „ Mein lieber Golz, man hat uns nicht gut geweckt !" fagte Friedrich- zu diesem Generale. Man pflegt gewöhnlich diejenigen im Schlaf zu stören, die man am Tage nicht sprechen karn, “ war seine Antwort,,,Er hat Recht, erwiederte Friedrich,,,aber wir wollen den Herren am Tag ihre Unhöflichkeit verweiſen, die
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- Durch solche Gespräche uns so geweckt haben." suchte er den Muth seiner Truppen neu zu beleben, die auch in Wirklichkeit vor Begierde brannten , die erlittene Schmach zu tilgen. Acht bis neun Tausend Todte, Verwundete und Gefangene, ferner 30 Fahnen und 101 Kanone verioren die Preußen , 5300 Todte und Verwundete und 800 Gefangene ihre Gegner.. Fast alle Generale der ersteren , welche den Tag überlebten , waren verwundet. Selbst der König hätte eine obmol leichte Wunde. Er hatte sich in's stärkste Feuer gewagt ; ein Pferd wurde ihm unterm Leibe erschossen, und zwey Pagen stürzten todt an seiner Seite nieder. Er war in der größesten Gefahr, gefangen zu werden. Schon hatten ihn die Feinde bey'm Dorfe Hochkirch umringt ; er entkam aber durch die Tapferkeit der ihn begleitenden Husaren. Allenthalben gegenwärtig , wo der Kampf am blutigsten war, schien er sein Leben für Nichts zu achten *). Nie zeigten sich sein Geist und seine großen Fähigkeiten in einem fo glänzenden Lichte, als in die fer Nacht , die , statt seinen Ruhm zu schwächen , ihn
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*) Als der Markgraf Karl starb, vergoß der König Thränen, die er, wie er sagte, ihm schuldig wåre. Er liebte diesen vortrefflichen Prinzen überhaupt sehr. Die Ursache davon schreibt sich vom Uiber. falle bey Hochkirch her. Der König wagte sich ben dieser Gelegenheit , ohne alle Schonung , in das heftigste Feuer , und würde ohne den Mark grafen , gewiß sein Ende gefunden haben ; allein dieser redete ihm mit besonderer Standhaftigkeit zu , das mörderische Gewühl zu verlassen , indem feine Person so großen Gefahren ausgefeht war. 8 Friedrich d. Eing. III.
382 Die Wichtigs vielmehr außerordentlich erhöhte. keit und die Früchte eines Sieges hången von dem Um stande ab, wie man denselben zu benüßen versteht; der Kampf bey Hochkirch aber hatte fast keinen andern Erfolg, als daß Friedrich einigermaßen in ſeinen Opérationen gelähmt ward , weil in dem Mordgewühl einige Hundert der Seinigen mehr geblieben waren, als von den Feinden, während er weit weniger zu verlieren hatte, als diese. Durch sein wol berechnetes Benehmen imponirte der König den feindlichen Feldcherrn so sehr , daß derselbe nicht einmal auf dem Schlachtfeld zu lagern wagte, sondern, mit Zurückflafs fung eines Corps Carabiniers, in sein bisheriges Lager Unter den Geschenken, welche dem zurückkehrte *). Marschall Daun wegen des Sieges von Hochkirch zu Theil wurden, verdienen besonders der geweihte Hut und Degen angeführt zu werden, welche ihm der Papst Clemens der XIII. zu nachdrücklicherer Bekampfung der preußischen Kezer übersendete. An dem Unglückstage von Hochkirch starb auch die Markgráfin von Bayreuth, Friedrich's zärtlich ge= liebte älteste Schwester. Eine gleiche Erziehung und Da sich der Monarch anfänglich nicht zureden Lassen wollte , es zu thun , so drohete ihm der Markgraf , daß er ihn mit Gewalt würde forts bringen lassen, und dieses wirkte so viel, daß der König anfing , auf seine Sicherheit Bedacht zu nehmen. Er dankte ihm aber solches in der Folge, oft mit den zärtlichſten Ausdrücken , und versichete, ihm viel schuldig zu seyn. (Nicolai's Anekdoten von Friedrich dem 1 ) *) Jomini , 2. tôme , pag. 185,
1 383 Denkart hatten ihre Freundſchaft feft geknüpft , noch mehr aber die ähnlichen Schicksale während ihrer J gend. Friedrich hatte die Tode fast bis zur Anbetung geliebt, und mehre Tage hindurch sprach er jeßt. bey seinen Vertrauten nur einzig und allein von ihr, der er stets das zårtlichste Andenken weihte. Nach Bekämpfung großer Schwierigkeiten eilte der geschlagene König, wie wenn Er Sieger wäre, das von den Östreichern belagerte Neiße zu entfeßen. Geschickt jeden Fehler seiner Feinde benüßend, langte er in Schlesien an, und erreichte nicht nur schon den 5ten November diesen, feinen ersten Zweck, sondern sogleich ward auch ganz Schlesien von den Kaiserlichen verlass fen. Mittlerweile hatte zwar Daun einige Versuché zur Eroberung Sachsens unternommen , der dort befehligenden preußischen Generale Geschicklichkeit vers mittelte indeffen alle seine Plane , und ohne auch nur einen Fuß breit Land erobert zu haben, bezog endlich dieser Feldmarschall die Winterquartiere. Durch Friedrich's Marsch gegen Daun hatten die Ruffen wieder einige Freyheit erlangt. Sie belas gerten, wiewol vergeblich , Kolberg. Auf die Nachricht von dem Heranzug eines preußischen Corps räumten sie schleunig Brandenburg und Pommern, und bezogen in Palen und Preußen ebenfalls Winterquartiere. unbedeutend war auch in diesem Jahre der Kampf mit den Schweden gewesen ; nicht so jener mit den Franzosen , welche jeßt der Graf von Clermont, ein Geistlicher, der noch nie eine Armee geſehen, befeh Mit ausnehmender Geschicklichkeit trieb Prinz ligte. Ferdinand von Braunschweig seine Feinde vor sich her. 8.
384 Von der Weser bis zum Rheine flohen die Franzöfen. Auch diesen legtern Strom überschritt Ferdinand, und errarg den 23ten Juny einen sehr bedeutenden Sieg bey Crefeldt. Schon zitterte halb“ Frankreich , namentlich das zagende Paris ; Alles ward´aufgeboten, das immer näher herandonnernde Gewitter zu entfer nen, und es gelang endlich, wenigstens einigermaßen. Eine zweyte Armee der Franzosen, bestimmt eine Diversión zu bewirken, drang in Heſſen ein, und errang nicht unwichtige Vortheile. Der erfahrene Marschall Contades erhielt, an Clermont's Stelle , den Oberbe fehl über das Heer am Rhein. Zu all’' dem hatten die Preußen bald Mangel an Lebensmitteln. Durch diese verschiedenen Umstände ward Ferdinand gend thigt, sich über den Rhein zurückzuziehen. Er that es ohne allen Verlust, und nahm eine Stellung ein, durch welche er die Feinde von jedem weiteren Vordringen abhielt. Nünmehr hatte allenthalben der Feldzug ein Ende. Schlesien, Sachsen, Brandenburg und Pom mern eben so Hessen und der größte Theil von Westphalen , waren gänglich von Feinden befreyt. In Preuß fen allein geboten die Ruſſen , mogegen indeß Sachfen eine mehr als hinreichende Entschädigung gewährte. Das britiſche Cabinet zeigte nunmehr eine außer ordentliche Thätigkeit bey dem Landkrieg. 18.000 Soldaten, worunter beſonders treffliche Reiterey, naren in Teutschland gelander, und zu dem Heere des Prinzen Ferdinand gestoßen . Ein neuer Traktat mit dieser Macht verhieß überdies dem Könige von Preuss ſen jährlich vier Millionen Neichthaler Subsidien. Mit verschiedenen glücklichen Unternehmungen
385 eröffnete Prinz Heinrich den Feldzug von 1759; doch waren dieselben natürlicher Weise nicht wichtig genug, um entscheidend auf den gesammten Krieg einzumirfen. Die Ruffen, in diesem Jahre durch den Felde marschall Soltikom befehligt , drangen wieder gegen die Oder vor. Ihnen stellte Friedrich den General Wedel entgegen , welcher die Feinde bey dem Dorf Kai angriff, aber vollständig geschlagen wurde. Durch diesen Sieg der Ruffen wurde es dem ist reichischen General Laudon möglich, sich mit jenen zu vereinigen, wodurch das verbündete Heer auf wenige ftens 80.000 Mann gebracht ward. Wie ein Waldfrom überschwemmte diese Armee nunmehr die östlich gelegenen Provinzen des Königs, und er mußte selbst aus Schlesien herbey eilen, um diese Feinde wo möglich zu vernichten. Mit blos 40.000 Streitern griff er fie, die mindestens 60,000 zählten , den 12ten August bey Kunersdorf an. Wie verzweifelt fürmten Die Preußen die Verschanzungen der Russen ; nach furchtbarem Kampf weichen die Truppen Soltikow's ; der ganze linke Flügel flieht und baid hört aller Wi derstand auf. Um Mittag hatte der Kampf begonnen, and um 6 lhr des Abends waren 7 Redouten , 180. Kanonen und einige Tausend Gefangene in den Hánden der Preußen . Der Sieg schien völlig entschieden, und schon eilten Couriere mit dieser angenehmen Nachricht nach Berlin und Schlesien. Die preußische Infanterie hatte nun Alles gethan, allein der Sieg konnte nicht benüßt werden ; denn die Cavallerie befand sich auf dem anderen Flügel, wo sie die Öftreicher im Zaum hielt, und die Kanonen hatten nicht so geschwind folgen können. Dieser mißliche
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Umstand war desto nachtheiliger , da das Terrain fo febr die Wirkung des Geſchüßes begünſtigte , als die Bewegungen des Fußvolks einschränkte. Endlich fa= men einige Kanonen auf den Anhöhen an, allein in zu geringer Anzahl, um das angefangene große Werk zu vollenden. Unterdeſſen rückte der König mit dem ans dern Flügel auch auf die Ruffen los ; ein gleiches that das fink'iche Corps. Dieses Vorrücken aber war wes gen des Erdreichs mit vielem Verzug verbunden ; bald mußten die Truppen sich zwischen den ausgedehnten Teichen durchziehen, bald über schmale Brücken paſſis ren. Die Russen benüßten diese Zwischenzeit, sich zu sammeln, und ihr Geſchüß nech Möglichkeit zu brauchen; und Laudon, der mit den Östreichern bis daher noch keinen Antheil an der Schlacht genommen hatte, segte sich jetzt auch in Bewegung, nachdem Friedrich den General Seydlig von seinem Beobachtungsposten abgerufen hatte, den dieser Feldherr, weil er das Unglück voraus sah, nach vergeblichen Vorstellungen höchst ungern, und nur auf wiederholte königliche Befehle, verließ. Seine Reiterey mußte nun vorrücken, die fich zwischen den Teichen durchzog, ſich unter dem ruffischen Kanonenfeuer formirte , und dem Feinde näherte ; allein die schrecklichen Kartätschenlagen, die ganze Züge Manwund Roß zu Boden streckten, brachten diese muthige Reiterey in Unordnung, und zwangen ſie zum Rückzug. Judessen war noch Nichts für die Preußen ver. foren, vielmehr waren ihre Vortheile entschieden. Die Ruffen , 80 bis 100 Mann hoch zusammengedrängt, formirten auf einer Anhöhe ein Chaos ; allein dieses Chave war durch fünfzig Kanonen gecedt, die einen
387 Die Preußen: Kartatschenhagel herabschleuderten. waren durch einen Marsch von fünfzehn Stunden, durch die entsegliche Blutarbeit, und durch die Hiße eines sehr schwülen Sommertages, so abgemattet, daß fie kaum Athem schöpfen konnten. Dennoch war die Schlacht für sie gewonnen, und die größte Wahrschein lichkeit vorhanden, daß die Nuſſen, deren Verlust auf serordentlich war, sich in der Nacht zurückziehen wür. den. Sie hätten jezt gerne dem Sieger die Ehre des Tages unbedingt überlassen , allein sie hielten sich in in ihrer leßten Verschanzung sicherer, als auf derFlucht am hellen Tage. Friedrich glaubte aber Nichts ge than zu haben, so lange noch etwas zu thun übrig blieb. Es war der Meinung, die er bey dieser Gelegenheit auch öffentlich außerte, daß man die russische Armés nicht allein besiegen, sondern vernichten müsse, weil fie immer wieder käme, ihre Verheerungen zu erneuern. Die preußischen Generale seßten diesen Argumenten nichts als den gegenwärtigen kraftlosen Zustand der Truppen entgegen. Seydlig stellte selbst dieses drin gend vor. Die Vorstellungen dieses großen Feldherrn, von dessen Muth Friedrich so sehr überzeugt war, schienen der Sache den Ausschlag zu geben, und schon wankte der König , als der General Wedel , dem Friedrich, ungeachtet seines schlechten Kriegglücks, beständig gewogen blieb, ſich eben nåherte, und von iha mit der Frage beehrt wurde : „ Wedel, was meint Er !// Dieser, ein Hofmann, stimmte ganz für die Meinung des Königs , und nun hieß es : Marsch! Die Ruffen hatten eine große Batterie auf dem Judenkirchhof, die den ganzen Kampfplay bestrich, die fie aber aus Schrecken bey einem von dem Prinzen von
388 Wirttemberg angeführten Cavallerie Angriff, verließen. Die preußische Infanterie war nur achthundert Schritte von dieser verlassenen Batterie entfernt, die fie jezt in Besiß zu nehmen eilte. Nichts schien dieſe Einnahme zu verhindern, und das Ziel war nur noch ungefähr hundert und fünfzig Schritte, als Laudon in diesem kritischen Augenblick ankam, seine Infanterie in die Batterie warf, und die Laufbahn der Preußen mit einem Kartätſchenhagel aufhielt. Ihre Bemühungen, ſich ju nähern, halfen nichts ; sie vermehrten nur ihre Unordnung, die Laudon benüßte. Er ließ rechts und links feine Cavallerie auf fie losbrechen, die entschlich unter die Preußen wüthete. Der Sieg hing nun von der Eroberung des soge nannten Spißberges ab, den Laudon's beste Truppen beseßt hielten. Die Preußen stürzten sich hinein, und bemühten sich, den entgegengeseßten steilen Rand zu erklettern, allein aller dieſer Muth war fruchtlos ; denn wem es glückte, mit der größten Anstrengung ſich dieſe jahe Höhe herauf zu arbeiten, fand entweder gleich seinen Tod, oder wurde in den Abgrund zurückgestürzt. Die Natur behauptete endlich ihre Rechte. Aller Muth kennte die fehlenden Kräfte der Preußen nicht erseßen. Der Epißberg wurde wiederholt angegrif fen, aber nicht erstiegen. Das entſegliche, unaufhöra liche Feuer der Russen und Östreicher aus grobem Ge schuß und Musketen, fiel wie ein Todesregen auf die Preußen, und schmetterte Alles zu Boden. Fink, der mit feinem Corpe andere Anhöhen zu stürmen versuchte, ftrengre auch vergebens alle Kräfte an. Friedrich selbst sezte sich der größten Gefahr aus ; seine Uni form wurde von Kugeln durchlöchert, zwey Pferde
389 ihm unterm Leibe erſchoffen, und er ſelbſt, jedoch leicht, verwundet. Ein goldenes Etui, das er in der Tasche hatte, rettete sein Leben, und hielt die Kugel auf, die das Gold zusammendrückte, und sodann ermattet das bey liegen blieb. Eben so nahe war er der Todesgefahr , da sein verwundetes, Pferd im Begriff war zu fürzen. Der Flügel- Adjutant Gög rettete noch den König , indem er ſchnell hinzu ſprang , und ihm sein eigenes gab. Man bat den König auf's dringendste, diesen so höchst gefährlichen Ort zu verlassen. Er antwortete: ,,Wir müssen alles perfuchen , um die „Schlacht zu gewinnen, und ich müß hier so gut meine Schuldigkeit thun , wie Ihr. Die Ruffen fochten mit der größten Erbitterung ; ſie warfen ſich_reihen. weise wie todt zur Erde, ließen die Preußen über sich wegmarfchiren , sodann sprangen sie auf, und feuer en ihnen im Rücken. Alle Versuche, die Russen und Öft. reicher vom Berge zu treiben, waren jedoch fruchtlos. Nun wagte es die preußiſche Cavallerie, die Ans höhen anzugreifen, allein alle Reiter Taktik des Septe lih vermochte hier Nichts. Diese Cavallerie, gewöhnt, `unter seiner Anführung, feindliche Cavallerie, wenn gleich doppelt und dreyfach so kark, über'n Haufen zu werfen, Infanterie in allen Stellungen in die Flucht zu schlagen, sogar Batterien zu erobern, und die größe ten Schwierigkeiten des Terraine zu besiegen , erlag hier im unmöglichen Kampf unter den hoch gestellten Kanonen der Ruffen. Er selbst , dieser tapfere Bei fehihaber, wurde verwundet. Ein gleiches Schicksal hatte der Prinz Eugen von Wirremberg, ter einen zweyten Angriff versuchte; ihr folgte der General Puttkammer, der mit den weißen Husaren auf den
3go Feind zuftürzte, allein todtgeschoffen wurde ; auch die übrigen vornehmsten Befehlhaber der preußischen Armee, die Generale Fink und Hülſen, wurden verwun» det. Alle Truppen der Preußen, zu Pferd und Fuß, geriethen nun in große Unordnung. In diesem ge fährlichen Augenblick brach Laudon hinter dem rechten Flügel mit frischen Truppen hervor, und fiel die ganz abgematteten Preußen auf der Seite pan. Dieser Feldherr, der so oft im Kriege den glücklichen Zeits punkt zu treffen wußte, führte hier Cavallerie an, die in der Entfernung vom Schlachtgetümmel gehörig formirt, in beſter Ordnung in die zerrütteten Haufen der Preußen drang. Die Schlacht war nun bald entschieden. Ein panisches Schrecken schien die ganze preußische Armee zu ergreifen. Die Truppen flohen in den Wald , und nach den Brücken. Alle wollten zugleich herüber. Hieraus entstand ein entseßliches Gedränge, und eine unaussprechliche Verwirrung, die eigentlich den Verlust der großen Menge Artillerie ver anlaßte. Man ließ außer allen bereits eroberten Kanonen noch 165 preußische zurück. Der König selbst war dem Augenblick nahe, gefangen zu werden, da er fich unter den lehten auf dem Schlachtfelde befand, und einen Hohlweg zu paſſiren hatte. Nur allein der außerordentliche Muth und die seltene Geißtekgegenwart des Rittmeisters Prittwiß rettete ihn von dieſem großen Unglück. Friedrich hielt es schon für un vermeidlich, daher er auch wiederholt ausrief: „ Pritt wig, ich bin verloren." Dieser heldenmüthige Of fizier aber , der nur hundert Husaren hatte, um den Laufenden ihn umringen der Feinde die Spise zu bie ten, antwortete : Nein, Ihro Majestát ! das soll nicht
3gr geschehen, so lange noch ein Athem in uns ist." Un statt sich blos zu vertheidigen, griff er immer selbst an, fcharmuzirte, und hielt dadurch die Feinde ab , einen regelmäßigen Angriff zu wagen . In dieser Zeit rúc ten die streitenden Husaren immer vorwärts . Fried. rich gelangte endlich sicher zu den übrigen Truppen, und belohnte feinen Retter durch königliche Geschenke, und hohe Kriegwurden . Nie war die Standhaftigkeit dieses Monarchen fo außerordentlich erschüttert worden , als an dieſem unglücklichen Tage. In wenig Stunden hatte ihn das Kriegglück von der Höhe eines unbezweifelten Sieges in die Tiefe einer vollkommenen Niederlage herabge fürzt. Er verſuchte Alles, um seine fliehende Infan terie zum Stehen zu bringen ; allein Vorstellungen und dringendes Bitten, sonst von den Lippen eines Königs und zwar dieses Königs so wirksam, nichts wollte hier helfen. Man sagte, daß er in dieser verzweiflung. vollen Lage sich laut den Tod wünschte. Seine lebhafte Einbildungkraft stellte ihm in den ersten Augenblicken die Folgen dieser verlorenen Schlacht als schrecklich dar, so daß er von eben dem . Schlachtfelde, wo er we nig Stunden zuvor Siegek - Couriere abgefertigt hatte, jeht Befehle nachBerlin sandte, die Sicherheits - Maas, regeln und schleunige Rettung zum Gegenstand hat ten. Er glaubte den Feind schon in seiner Residenz, und diese geplündert und verwüstet zu sehen ; dabey hielt er sich für unvermögend, ihn daran zu hindern. Seine Truppen waren so zerstreut , daß er am Tage nach der Schlacht kaum 5000 Mann beysammen hatte. Der Befehl des Königs zur Rettung von Berlin war indessen abgesandt worden. Seine eigenen Worte
392 waren : er wåre jeßt außer Stand, die Stadt zu ſchúz zen, daher alle die vornehmsten und reichsten Einwohner sich nach Möglichkeit mit ihrem Vermögen entfer nen möchten. Der Jäger, überbringer dieses Befehle, wurde durch einen glücklichen Zufall von den Coſaken gejagt , und traf erst nach vier Tagen in Berlin ein. In dieser Zeit hatten sich die Sachen bereits fehr geåndert. Man war hier von dem ersten Schrecken zurückgekommen. Es geschahen daher Gegenvorstellun gen von Seiten des Magiſtrats bey'm Könige, mit de nen er jest auch gerne zufrieden war. Die königliche Familie mußte sich jedoch aus Berlin entfernen , und ihre Residenz in Magdeburg nehmen , wohin auch die Archives gebracht wurden . Diese Schlacht war ein wahres Mordfest. Noch war keine in diesem Kriege so blutig gewesen. Die Preußen hatten 8000 Todte und 15,000 Verwundett, und 3000 von ihnen waren gefangen worden . Faft alle preußischen Generale und Offiziere vom Range waren verwundet. Die Ruffen und Öftreicher hatten 24 000 Mann Todte und Verwundete , nach Soltis fon's eigenem Geständniß. Friedrich ſchlief die Nacht nach der Schlacht angekleidet auf dem Stroh in dem Dorfe Ötscher in einer durch die Coſaken zerstörten, allen Winden offen ſtehenden Bavernhütte ; um ihn her lagen seine Adju» tanten auf der bloſen Erde, und einige Grenadiere bewachten dieſe Gruppe. Am folgenden Tag ging Friedrich über die Oder, zog die Flüchtlinge an sich, vereis nigte sich mit Wunsch, rief den General Kleist mit 5000 Mann aus Pommern zurück , und ließ auf's fchleunigste Geschüß aus seinen Arsenålen kommen,
393 und so war er, der am Abend der Schlacht nur 5000 Mann beysammen hatte, in einigen Tagen wieder an der Spige von 28 v00 Mann . Die Russen, die ihn unerachtet seiner Niederlage fürchteten , verschanzten sich. Friedrich flöste abermals durch eine Rede sei= nen Truppen Muth ein ; und in wenig Wochen war Berlin gesichert , seine Armee mit Allem versehen, und so verstärkt, daß sie nicht allein im Stande war das Churfürstenthum Brandenburg zu decken, sondern daß auch Wunsch sich mit seinem Corps entfernen, und nach Eachsen marschiren konnte *). Die Russen ließen diese kostbaren Augenblicke, den Krieg zu endigen, jest unbenüßt. Nachdrückliche Operationen gleich nach der Schlacht hätten dies unfehlbar bewirkt. Friedrich selbst erstaunte über thre Unthätigkeit, und Daun machte deshalb Soltikom bittere Vorwürfe, die dieser eben so bitter beantwortete. „ Ich habe,“ ſchrieb er, „ zwey Schlachten gewonnen, ,,und warte jezt nur noch, um weitere Bewegungen 77zu machen, auf die Nachricht zweyer Siege von Jh,,nen ; denn es ist nicht billig, daß die Truppen meiner ,,Kaiserin ganz allein agiren follen." Der Marquis Montalembert stellte ihm vor, daß, wenn er jeßt nicht vorwärts marschirte , er den Östreichern die Früchte seiner Siege überlassen würde. Der russische Feldherr antwortete : „ Darauf bin ich gar nicht eifersüch-
*) Unter den Preußen , die in der Schlacht bey Kunersdorf als Opfer des Krieg: Dämons fielen, befand sich auch der Major Kleist , ein edler Teutscher , verehrungwürdig durch seinen Charakter, unsterblich durch seine Gefänge. 9. Friedrich d. Eing, III.
394 tig. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen noch ,,mehr Glück, als ich gehabt ; ich habe für meinen Theil "genug gethan.“ *) ww Wirklich zog Soltikow , we nige Wochen nach dem Siege von Kunersdorf nach Polen zurück! Unterdessen waren die Öftreicher in Schlesien eingedrungen. Das kluge Benehmen des hier commandiren Generals Fouquet indeſſen nöthigte sie schnell und mit bedeutendem Verluste zum Rückzuz. — Schle: fien also war für deu Augenblick gerettet. Mehr Fortschritte machten die Kaiserlichen und Reichtruppen in dem fait ganz unvertheidigten Sachsen. Leipzig, das trefflich vertheidigte Torgau, und Wittenberg, fielen nach einander in ihre Hände. Ja, selbst der heldenmúthige General Schmettau sah sich genötigt, fogar Dresben zu übergeben. Da fendete Friedrich den General Wunsch mit 7000 Soldaten. Überall ſchlug dieſes schwache Corps die weit zahlreicheren Feinde. Ganz Sachsen, mit Ausnahme von Dresden, ward auf dieſe Art wieder erobert. Vergebens versuchte Daun einige Unternehmungen ; dieſen öftreichiſchen General gånglich nachBöhmen zurück zu treiben, sendete der Konig den General Fink mit 11,000 Mann nach Maxen, im Gebirge. Dort aber ward er, in ein enges Thal eingeschlossen, durch die Östreicher und Reichtruppen leb= haft angegriffen. In seiner Mitte lag das DorfMaren, welches die Feinde in Brand ſeßten. Eine große Verwirrung entstand hierdurch ; dennoch kämpften die Preußen, bis es ihnen endlich an Munition zu fehlen begann. Jest wurden sie genöthigt, sämmtlich die Waf-
*) Archenholz.
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fen zu strecken. 11,000 Soldaten , 71 Kanonen und 120 Fahnen und Standarten fielen auf diese Art den Feinden in die Hände. Ein kleineres Corps von 1400Mann hatte unmittelbar darauf das nämliche Schickfal. Troß diefer wiederholten großen Unfälle, wich dennoch nicht der König. *) Die besten Hilfquellen Friedrich's waren immer die Fehler seiner Feinde. Auch jetzt wurden die Erwartungen der Menschen be trogen. Daun, ansatt seine großen Vortheile zu nüßen und vorwärts zu dringen, bezog, wie ein Besiegter, das feste Lager hinter dem plauen'schen Grunde. Friedrich hingegen, der fast die Hälfte seiner Armee, und zwar am Ende des Feldzugs, verloren hatte, wo alle Regimenter ohnehin sehr geschwächt waren, und der jeht wenig mehr als 20,000 Mann beyſammen hatte, ånderte seine Stellung dennoch nicht, sondern behavptete , außer dem kleinen Bezirk um Dresden , ganz Sachsen. Indessen ließ er, um der großen Ungleichheit der beyderseitigen Armeen einigermaßen abzuhelfen,
*) ,,In diesem schrecklichen, sieben Jahre dauernden Kriege, der mit grånzenloser Erbitterung gefühit wurde , zeigte Friedrich eine Größe des Geis stes, welche selbst seine Feinde in Erstaunen ſeßte. Er glich einem Löwen , den eine Menae wüthiger Hunde anfällt, und der von ihnen zerkragt , zers biffen, und endlich niedergerissen, doch auch liegend noch sie durch seine furchtbaren Blicke in Respekt hålt , von Zeit zu Zeit wieder aufspringt , mit gesammelten Kräften hier einige zu Boden ſchlågt, dort andere ergreift und zerreißt, und die bellende (Fumke ) Schaar vor sich her treibt, " 9.
396 12,000 Mann von den alliirten Truppen kommen. Diese, unter Anführung des Erbprinzen von Braunschweig, stießen am Ende des December bey Freyberg zum Könige. Kaum war diese Verstärkung angelangt, so rückte Friedrich , ohne die rauhe Jahrzeit zu achten, vorwärts, und verjagte alle voran poſtirte feindlichen Truppen.. Nun folgte eine sonderbare Winter-Campagne, die eine sehr große Menge Menschen wegraffte. Die Armee des Königs wurde in der Nachbarschaft_von Dresden in die kleinen Städte und Dörfer verlegt, und zwar so gedrängt, daß nur ein geringer Theil der Soldaten unter Dach kommen könnte. Ganze Regimenter lagen die Hälfte des Winters in kleinen Dörfern, die sie nachher mit größern vertauſchten . Die Offiziere bewohnten die Stuben oder Kammern, und die Soldaten bauten sich Brandhütten, worin fie Tag und Nacht wie die Tartaren sich um das Feuer lagerten. Der Winter war dieses Jahr ungewöhnlich frenge, und der Schnee lag viele Wochen lang Kuie tief. Tas Holz wurde von den Soldaten selbst herbey geſchleppt, oft aus einem entlegenen Walde. Die Spanier fuch'ten in dem neu entdeckten Amerika nicht eifriger nach Gold, als jeßt die Preußen nach Holz. Die Lebensmittel waren dabey gar nicht im Überfluß, und der Soldat auf fein Commiɛbrot eingeschränkt, womit er unaufhörlich bey Tage und selbst des Nachts Wasser= suppen machte. Die Wachen und Commando's kamen wegen der vielen Kranken sehr oft herum, und hatte der Soldat diese überstanden, so konnte er doch in dem Furzen Zwischenraum der Ruhe nicht pflegen. Die Östreiter waren durch dies Beyspiel gezwungen, ein
397 gleiches zu thun. Beyde Heere also zeigten der Welt eine noch nie in den Jahrbüchern nordischer Kriege aufgezeichnete Handlung ; in einer sehr geringen Entfer nung von einander, in einem sehr harten Winter, troßten sie dem kalten Clima und den Seuchen, und hielten unter leinenen Dächern das Feld, bis eine beſſere Jahrzeit ihren Leiden ein Ende machte. Da keine Vollkommenheit den Sterblichen eigen ſagt Archenholz- und es der Geschichte unwürdig ist, bey jedem Fehler, bey jedem Eigensinn, ben jeder Laune eines großen Mannes, reiflich erwogene Plane und Weisheitgründe vorauszusehen, so mag es erlaubt seyn , durch die Natur der Dinge gerechtfer: tigt, an der Nußbarkeit dieses Eislagers zu zweifeln, dessen Fortdauer wahrscheinlich mehr durch Laune, als durch Absichten, bestimmt wurde, weil man damit nicht das Geringste gewann, noch je gewinnen konnte, da die menschlichen Kräfte in diesem Lager wie todt waren. *) Die Franzosen hatten den Krieg im Jahr 1759 mit Überrumplung der f. g. freyen Reichstadt Franf furt begonnen , obschon dieselbe ihr Contigent zur Friedrich verstand die Kunst, sich an Alles zu gewöhnen. Eine elende Hütte zu Schlertau mar fein Aufenthalt im Winter von 1759 bis 1760. Er ließ sich da einen kleinen Kamin machen, und that im Stillen bey diesem kleinen Kamin, in der größten Ausbreitung die größten Dinge. mangelte ihm an allen Bequemlichkeiten. Cr hatte nur ein Paar Oosen , und war genöthigt, im Bette zu bleiben , während das man seine Hosen flickte ; und hierzu mußte man einen Baweini schneider aufsuchen.“ (3immermann. )
398 Reicharmee gesendet hatte, und also gewiſſermaßen im Bunde mit Frankreich war. Sie von hier zu vertreiben, lieferte ihnen Prinz Ferdinand ein Treffen, (bey Bergen) das indeffen verloren ging, worauf die Feinde weiter vordrangen , und namentlich Caffel eroberten. Es kam neuerdings, bey Minden , zur Schlacht. Ferdinand errang einen herrlichen Sieg ; völlig wurden die Franzosen gefchlagen, und den ganzen Feldzug hindurch waren sie von nun an gegen die Verbündeten (Preußen, Hannoveraner zc.) immer in Nachtheil. Friedrich wünſchte sehnlich den Frieden. Britannien zwar hatte wichtige Eroberungen jenseits des Meeres gemacht, und alle Verlufte des preußischen Kónigs in dem eben beendigten Feldzug waren ohne bedeurende Folgen geblieben. Dennoch bot er, vereint mit England, Frieden an. Aber die Alliirten hörten keinen Vorschlag an, und nochmals mußte alſo zu den Waffen gegriffen werden. Während des Winters hatte Friedrich seine Armee fast vollständig wieder ergänzt, und nach vier Feldzügen ſtand er unbeſiegt. Doch, auch mit dem beginnenden Kampfe von 1760 war die Reihe der Unglückfälle noch nicht geſchloſſen, die seit einem Jahre auf Friedrich unablässig losftürzten. Das Corps des braven Generals Fouquet wurde in Schlesien fast gänzlich von Laudon aufgerie= ben ; was nicht fiel, wurde, mit Ausnahme der Reiterey und weniger Infanterie, gefangen. Die Folge diefes Siegs war die Eroberung des festen Glaß , und die Belagerung von Breslau . Der König selbst hatte Dresden belagert, mußte nunmehr aber zur Rettung Schlesiens herbey eilen. Er zog also von Sachſens Hauptstadt weg, in diesem Churfürstenthum ein Corps
1
!
399 unter Hülfen zurücktoffend, und langte schon nach einem fünftägigen Marsch, immer umringt von 100,000 Öst reichern, in Schlesien an . Ungefähr 30 000 zählte die Armee des Königs. Breklau zwar war durch den Prinzen Heinrich noch vor Friedrich's Ankunft- entſeßt worden ; da dieser aber die Ruffen zu beobachten hatte , und die Östreicher den König von Schweidnig und der schlesischen Hauptstadt abgeschnitten hielten, bey Friedrich's Heer überdies in wenigen Tagen Mangel an Lebenêmitteln eintreten mußte, so kam er in eine verzweifelte Lage. Die Östreicher hatten den Entwurfgemacht, ihre Gegner in der Nacht vom 14ten zum 15ten August zu überfallen, und wo möglich ein Seitenstück zu dem Tage von Hochkirch zu liefern. Sowol aus ihren Bewegungen, als auch durch sonstige Umstände entdeckte dies der fluge Friedrich. Sein Lager war wirklich kei neswegs gesichert, und er zog sich daher mit beginnen: der Nacht aufdie Anhöhe von Liegniß, ließ indessen, se ne Feinde zu täuschen, sorgsam die Wachtfeuer in dem alten Lager durch Bauern unterhalten. Ähnlich verfuhren in derselben Nacht die Östreicher, um auch ihren Aufbruch zu verbergen. Der König, berechnend, daß Laydon an dieser Gegend vorbeyziehen werde; um zu dem projektirten überfall des preußischen Lagers mitzuwirken, stellte in der Stille ſein kleines Heer in Schlachtordnung. Es war eine ungemein schöne Some mernacht. Der geftirnte Himmet harte kein Woikchen, und kein Lüftchen wehete. Niemand ſchlief. Die Soldaten hatten sich, mit ihren Gewehre im Arm, ge=` lagert, allein fie waren munter, und da sie nicht ſingen durften, so unterhielten sie sich mit Erzählungen. Die
400 Offiziere gingen ſpazieren, und die Generale ritten umher, um alles Nöthige zu beobachten. Der König faß auf einer Trommel, ganz nach dem erhabenen Bilde eines großen Dichters, der in den preußischen Kriegliedern singt : ,,Auf einer Trommel faß der Held ", und dachte seine Schlacht, ,,den Himmel über sich zum "Zelt, ,,und um sich her die Nacht." atriba masih ( Urchen holk. ) In der Absicht, einige Freybataillone in der Nähe vorerst aufzuheben, die er Tags zuvor bey Pfaffendorf bemerkt hatte, zog Laudon ohne Vortrab bey eben beginnender Dämmerung gegen das alte Lager der Preußen. Nur 800 Schritte waren seine Truppen von den Anhöhen entfernt, welche diese gegenwärtig bes fest hielten. Da ließ der König aus der großen Batterie eine volle Ladung gegen die Feinde richten, welche eine fürchterliche Verheerung in ihren dichten Reihen verursachten. Sogleich bemerkt Laudon seinen Jrra thum. Schnell ordnet er seine Truppen ; doch kaum ist eine Linie gebildet, als sie auch schon durch Friedrich vernichtet wird . Die östreichiſche Cavallerie bricht hervor ; ſie hat daß nåmliche Schicksal, und nach fünf wiederholten Angriffen sind Laudon's Truppen gänzlich geschlagen , und retten sich fliehend vom Schlachtfeld. Daun, immer zögernd und zagend, hatte es, nach spåt erhaltener Nachricht, nicht sogleich gewagt, zur Unterstüßnng Laudon's herbey zu eilen, wovon ihn wahrscheinlich auch ein Corps, das Fried, rich zu seiner Beobachtung zurückgelaſſen, abgehalten haven würde. Der kaiserliche Oberfeldherr konnte sich
401 bey seiner Ankunft in dem verlaffenen Lager der Preufsen anfangs nicht erklären, wohin die schon für vernich tet geachtete kleine Armee entkommen ſey ; erst als-ſich der Wind drehte, vernahm er den Kanonendonner von den liegniger Anhöhen.' – 4000 todte oder verwun dete Östreicher bedeckten das Schlachtfeld, 6000 Ge= fangene fielen außerdem den Siegern in die Hände, ebenso 82 Kanonen und 23 Fahnen ; nur 500 Todte und 1200 Verwundete zählten die Preußen. Als der schöne Morgen des 15ten August anbrach, war die blutige Arbeit schon vollendet ; denn nur zwey Stunden lang währte der Kampf. — Um Nuşen von diesem Siege zu ziehen, war indeffen nöthig, die Betäubung der Feinde benüßend, sogleich vorzubringen ; Alles mußte sich daher ungesäumt in Marsch setzen, - sagt Archenholz - der durchaus ein Marsch -einzig in seiner Art und erstaunenwürdig war; der Aufzeichnung so sehr werth, wie irgend eine große Be= gebenheit des gegenwärtigen Kriegs ; denn diese von der Blutarbeit abgemattete und von zahlreichen Hee ren umringte Armee mußte ohne Nast und ohne allen Zeitverlust fortrücken, und dabey alles eroberte Ge= schüß, alle Gefangene, und auch alle Verwundete mitnehmen . Man packte die legtern auf Mehl- und Brot´wagen ; auch andere Wagen und Chaisen nahm man dazu, sie mochten gehören wem sie wollten ; selbst der König gab die feinigen her. Auch die Handpferde des Monarchen und der vornehmen Befehlhaber wurden hergegeben, um die Verwundeten, die noch reiten konns ten, fortzubringen. Die ledigen Mehlmagen schlug man in Stücke, und spannte die Pferde vor die erbeuteten Kanonen. Von den feindlichen Gewehren mußte
402 ein jeder Reiter und Packknecht eins mitnehmen. Nichts wurde zurückgelaſſen oder vergessen, erheblich oder unerheblich; es war Beute. Auch nicht ein einziger Verwundeter blieb zurück, weder von den Preufsen, noch von den Östreichern, so daß um 9 Uhr, vier Stunden nach geendigter Schlacht, dies ſo unvorbereitet new belastete Heer , mit dem ganzen ungeheuern. Troß, schon im vollen Marsch war. *) Der Zug der so außerordentlich belasteten Armee ging den nåmlichen Tag noch drey Meilen, und zwar nach Parchwig zu , in deſſen Nähe Czernitchef wit 20,000 Ruſſen die Oder decîte. Der König befand sich * Hierher gehört folgender Zug, Der König rift mit der Avantgarde nahe bey einem Walde vor, ber. Ein Oestreicher , dem eine Kanonenkugel den Bauch aufgerissen hatte , so daß das Einge= weide ganz beschädigt heraushing, ſtand an einen Baum gelehnt, und hielt es mit beiden Hånden feft. Einige vorbenmarschirende Preußen bezeigs ten ihr Mitleiden mit diesem Unglücklichen ; viele hatten aber auch die Unmenſchlichkeit, ſeines Elen, des zu spotten. Dies nahm der König ſehr ungnådig auf, und er sagte mit ernſtem Unwillen : "„Pfui ! ſchämt Euch ! wist Ihr nicht , daß , was ,,dieser bedauernswürdige Mensch heute leidet, „ mich oder einen andern morgen auch treffen kann ?”’ Sogleich befahl er , daß ein Pferd abgesattelt werden mußte, damit der arme Verwundete in die Pferdedecke gelegt werden konnte. Vier Mann mußten ihn in's nächste Dorf tragen , und es wurden Feldscherer zu seiner Pflege beordert. Als der Blessirte in einem Bauernhauſe auf's Bett ge= legt war, fragte er mit schwacher Stimme : fagen Sie mir doch, wie hieß der General ?”
403 jedoch, ungeachiet feines Sieges, in einer schrecklichen Lage. Die Proviantwagen waren leer. Er hatte den 16ten August nur noch auf einen Tag Brot , außer dem kleinen Vorrath, den die Soldaren auf ihrem Rücken trugen. Wenn die Russen ihren Posten behaupteten, so konnte er nichte aus seinen Magazinen in Breslau ziehen ; und um nach Schweidniß zu marſchiren, mußte er sich zuvor mit allen vereinigten öftreis chischen Armeen schlagen. Wollte er auch dies mit feiner so sehr ungleichen Truppenzahl wagen, so war ein glücklicher Erfolg doch kaum denkbar, wegen des Transports ven 6000 Gefangenen, von den erbeuteten Kanonen, und von einigen tausend Verwundeten, die man während der Schlacht bedecken mußte. Die Ruſſen machten jedoch dieser Unruhe bald ein Ende. Die Hauptarmee dieser Nation zog sich über die Oder zurück, wobey die Befeh! haber zu ihrer Rechtfertigung fagten, daß, da sie in fünf Tagen keine Nachricht von den Östreichern erhalten hätten , sie entweder eine gänzliche Niederlage , oder eine völlig abgeschnittene Communication vermuthen müßten ; jeßt also war der Weg nach Breslau den Preußen völlig offen. Der ruffische General Czernitschefstand aber noch mit einem Corps diesseits der Oder. Um auch seinen Rückzug zu beschleunigen, bediente ſich der König folgender Liſt :
Als er vernahm , es sey der König felbft gewesen, ſagte er: " Nun , so segne ihn Gott ! daß er mir Elenden noch vor meinem Ende hat Gutes thun lassen, das belohne ihm Gott ! " Nach einis gen Minuten starb er. (Anekdoten und Charak terzüge aus dem Leben Friedrich des Großen,)
404 Er schrieb an den Prinzen Heinrich, meldete ihm ſeinen Sieg über die Östreicher, und seinen Entschluß, die Oder zu paffiren, um auch die Ruffen anzugreifen, wobey er seinen Bruder erinnerte, deshalb die verab redeten Bewegungen zu machen. Dieses Schreiben wurde einem Bauer gegeben, mit dem nöthigen Unterricht, wie er von den Roſſen aufgefangen werden könnte. Die List hatte den besten Erfolg, und kaum hatte Czernitchef den Brief gelesen, ſo eilte er, über den Fluß zu kommen . Nun hatte des Königs bedenkliche Lage ein Ende, die nie , selbst nicht vor der Schlacht bey Leuthen, so gefährlich gewesen war, als jeht vor der Schlacht bey Liegnis. Unterdessen hatte eine russische Armee unterstüt durch ihre und die schwedische Flotte, Kolberg belagert. Tapfer vertheidigte sich die Besaßung, ihr zu Hilfe eilte der brave General Werner. Mit einem überaus schwachen Corps * ) griff er die Feinde an , die , von Erstaunen und Schrecken erfüllt, ohne an Widerstand zu denken, mit Zurücklaffung ihrer Artillerie und des Proviante, entflohen. Auch die Schweden wurden von ihm zurückgedrångt . Der General Hülsen das gegen, der in Sachsen befehligte, mußte, troß seiner Geschicklichkeit, der feindlichen übermacht weichen, und dieses ganze Churfürstenthum fiel allmählig den Östreichern und Reichtruppen in die Hände. In Schlesien hatte der König manchen kleinen Vortheil errungen, und zuleht ganz nahe neben Daun, in den Gebirgen, ein Lager bezogen. Der kaiserliche *) Werner zählte nur 5000 Soldaten, die Belage: rer aber über 20,000,
405 Feldherr fühlte sich dadurch in eine sehr ungünstige Lage versezt , und es wärd ein Plan entworfen , ihn (gewiſſermaßen) zu befreyen ; 20,000 Ruſſen und 15,000 Östreicher zogen nach Berlin, der preußischen Hauptstadt selbst. Dieſelbe leistete zwar anfangs lebhaften Widerstand, ſah ſich endlich aber zur Capitu = lation genöthigt. Furchtbar wurden diese Königstadt und ihre Umgebungen verheert, besonders alle könig. lichen Gebäude und Anstalten. Überall wurden Contributionen erhoben , und der öftreichische General Lafcy war es vorzüzlich, der faßt gar keine Rücksicht auf die Bedingungen der Capitulation nahm . Außer ordentlich vieles luglück wußte ein biederer berliner Kaufmann, Namens Gorkowsky, von der Stadt und seinen Mitbürgern abzuwenden. Er hatte die in der zorndorfer Schlacht gefangenen und verwundeten Raffen thatig unterfügt, und vermochte daher gegenwártig sehr vieles bey ihnen. Der König zog zur Rettung seiner Hauptstadt herbey. Sogleich verließen die Russen und Östreicher Berlin ; alle Orte und Gegenden, durch die sie kamen, wurden aber gebrandschaßt , verwüstet und verheert. Als Friedrich von diesen Umständen unterrichtet wurde, hatte er die sächsische Gränze erreicht. Be sonders schmerzlich war ihm die Wuth, mit welcher die Sachsen die herrlichen Kunstwerke von Charlottenburg nicht blos beschädigt, sondern fast gänzlich vernichtet hatten. Im ganzen Laufe des Kriegs war von den Preußen kein königlicher Pallast in Sachsen berührt, sondern alle waren im Gegentheil sorgfältig geschüßt worden. Nun aber befaht Friedrich, das Jagd= schloß Hubertsburg zu plündern , was auch in wenig 10 Friedrich d. Eing, H.
406 , Den Gegenden, welche am Stunden geschehen war. meisten gelitten, schenkte der König 300,000 Thaler, die, mit Ausschließung des Adelk, an das Volk vertheilt wurden. Über den Besitz von Sachſen mußte aber nunmehr eine Schlacht entscheiden ; denn Friedrich fowol, als Daun, waren fest entschlossen, dieses Churfürstenthum nicht freywillig zu verlassen.. Der König schrieb um diese Zeit an d'Argens : Sie schäzen das Leben als ein Sybarit, und ich betrachte den Tod als ein Stei,,fer. Nie werde ich den Augenblick sehen , wo ich gezwungen werden könnte, einen unrühmlichen Frie „den zu schließen . Kein Beweggrund , keine Be„ redsamkeit würde mich dahin bringen, meine Schande ,,zu unterschreiben. Entweder will ich mich unter den Ruinen meines Vaterlandes begraben, öder ich werde ,,meinem Unglück, wenn ich es nicht mehr zu ertragen ,,vermag, ein Ende zu machen wissen. Ich bin fest ,,entschlossen, Aues noch in diesem Feldzuge zu wazen; denn ich will ſiegen oder sterben.“ Mit diesen Gesinnungen bereitete sich der König zur Schlacht, welche den 3ten November (1760) bey Torgau geliefert wurde. Das Lager der Öftreicher war höchst vortheilhaft ; die Anhöhen, worauf es sich befand, deckten Zeiche, Gråben, Verhaue, Waldungen und Moråfte ; zudem zeigten über 400 Feuerschünce, die es umgürteten, je dem Angreifenden Verderben und Tod. Dennoch begann der König den Kampf, und fein Plan, dessen Aus führung allerdings inermeßliche Schwierigkeiten ents gegen standen, zielte auf nichts Geringeres , als die gänzliche Vernichtung der Östreicher.
407 Auf dem Marsch nach dem Schlachtfeld theilte Friedrich sein Heer in zwey Corps von fast gleicher Stärke. Mit dem einen wollte er den Hauptangriff machen, mit dem anderen sollte Ziethen den Feinden in den Rücken und die Flanke fallen, und sie von der Elbe abschneiden, wodurch unfehlbar, konnte alles so vollzogen werden, die vollständige Vernichtung von Daun's Armee bewirkt werden mußte. Bey seinem Marsch durch den torgauer Wald stießen die Preußen auf ein einzeln marſchirendes õita reichistes Dragoner Regiment ; es wird umringt, lebhaft angegriffen, und sieht sich bald zur Streckung der Waffen genöthigt. Stafch zogen, troh dieser Affaire, die Truppen des Königs vorwärts, er selbst an der Epiße des Vortrabs . Es war 2 Uhr des Nachmittags und noch hatte er das Ende des Waldes nicht erreicht, als man ein Kanonenfeuer vernahm , das von einem Createngefecht herrührte, welches man aber für ein. Zeichen des Angriffs von Ziethen hielt. Augenblicklich, ohne das Haupicorps zu erwarten, stürzt sich Fried, rich mit seiner, aus 10 Grenadier Fataillonen be stehenden, Avantgarde , auf die feindlichen Messen. Furchtbar wüthet der Kampf. Doch die schrecklichen Eisenmassen der Ößreicher machen der Preußen außers ordentliche Tapferkeit unnug. In einer halben Stunde bedeckten 5500 preußische Grenadiere todt oder verwundet die Wahlstatt; von der ganzen Avartgarde waren am folgenden Tage nur noch 600 dienstesfahig. Der König schien über diese schreckliche Niederlage feiner Grenadiere beſtürzt, und da einer ihrer Anführer, der Graf Anhalt, den er sehr liebte, auch dahinfank, wandte sich Friedrich zu deffen Bruder, feinem 10 *
408 Flügel- Adjutanten, und sagte : ,,Alles geht heute übel. Meine Freunde verlassen mich. Eben meldet man mir den Tod Ihres Bruders.“ Es regnete stark; allein der Donner des Geſchüßes , und noch mehr der Eisenhagel, der so gewaltsam und ununterbrochen die Luft zerriß , schien die Wolken in der Region des Kampfplages zu zertheilen, und der Himmel wurde heiter. Mittlerweile rückte die Haupt Colonne aus dem Walde an. Noch eh' diese Preußen den Feind in's Auge fassen konnten, fielen die Wipfel der Bäume, von den Kugeln zerschmettert , auf ihre Häupter. Der Donner der Kanonen wiederhallte gråßlich durch den Wald. Die krachenden, alles betäubenden, Schüffe waren gleichsam Posaunen des Todes. Und nun bey'm Ausgang fahen die anrückenden Preußen, die sich wie Wasserwogen durch den Pulverdampf fortschlängelten, keine fiegversprechende Scenen, ſondern eine WahƐſtatt voller Todten und scheußlich verstümmelter Körper, die sich keuchend in ihrem Blute wälzten. Die preußfische Artillerie versuchte ihre Kanonen vorwärtê zu bringen ; allein dieſe, besonders das ſchwere Geſchüß, konnten wegen des Verhacks und des ſchleunigen Marfches der Infanterie nicht gleich nachfolgen ; dabey wurden die vorgespannten Pferde von den Kugeln todt zu Boten gestreckt, oder verstümmelt'; auch ihre Füh rer, die nicht entflohen, wurden niedergeschoffen, und fowol Råder als Lavetten zertrümmert. Dennoch geshah ein neuer Angriff von der Jufanterie mit dem Muth und der Ordnung, wodurch sich die Preußen im Schlachtfelde so sehr anszeichneten. Die Öfreicher, Durch die Niederlage der Grenadiere angetrieben, wa:
409 ren vorgedrungen ; nunmehr aber, mußten sie wie er zurück. Die Kartåtschen wütheten schrecklich unter den Preußen . Ganze Rotten wurden weggerafft. Man rückte immer zusammen, um die Lücken auszufüllen. Alte Offiziere stürzten zu Boden ; junge traten an ihre Stelle, flößten den Veteranen durch ihr Beyspiel Muth ein, und ſo ging es immer vorwärts , Anhöhen wur, den erstiegen , Batterien erobert. Bald aber veränderte sich die Scene. Fast die ganze preußische Cavallerie war noch zurück, und konnte daher die ſiegende Infanterie nicht unterſtüßen , fo wenig als die Artillere, deren Kanonen entweder im " Walde geblieben waren, oder vor desfen Ausgang mit zertrümmerten Jufgestellen unbrauchbar lagen. Daun benüßte dies , und führte frische Truppen auf den Kampiplay. Seine Curassiere hieben auf die preußi fche Infanterie ein, richteten ein entfehliches Blutbad an, und trieben sie in den Wald zurück. Die preußiſche Cavallerie kam endlich ihrem Fußvolk zu Hilfe, allein auch sie wurde durch die herrschende Verwir rung, und durch einen Graben, der alles Formiren hinderte, in Unordnung gebracht und zurückgeschlagen. Ein neuer Angriff von der Reiterey war glücklicher, wobey das von dem Obrißen Talnig, einem großen Manovrisien , angeführte Cúraffer Regiment Eraen eine bewunderungwürdige Tapfer feit bewies, sich alleis der ganzen Cavallerie des Scindes entgegen warf, ſie zurücktrieb , und sodann mit dem Würgerschwert auf die öftreichische Infanterie eindrang; sie wurde aus einander gesprengt , und man machte einige tausend Gefangene. Unter diesen nar auch das Regiment des Kaisers. Ihre ganze Linie war in Gefahr.. Allein
410 nun stürzte von allen Seiten die öftreichische Reiterey herben , und die Preußen mußten weichen. Auch Friedrich griff mit seiner Infanterie von Neuem an, jedoch ohne Erfolg. Die Nacht brach ein ; die Kräfte waren erschöpft , der König selbst verwundet, und die Schlacht ſchien für ihn völlig verloren. Daun fertigte Couriere mit dieser Nachricht nach Wien ab, die, von vielen blasenden Poftillionen umringt, unter dem lauten Jubel des Volks, in der Kaiserstadt ihren Einzug hielten, und einen vollkommenen Sieg verfündigten. Im Buche des Schicksals aber war nicht There fen's, sondern Friedrich's Triumph geschrieben. Biethen war mit seiner Armee nicht unthätig gewesen. Sein Schlachtplan mußte jet wegen der Unfälle bey der königlichen Armee abgeändert werden ; zudem hatte er das große, aus 20,000 Mann bestehende Corps von Laſcy gegen sich. Endlich war es ihm doch gelungen, alle Schwierigkeiten zu übersteigen, um dem Kö nig zu Hilfe zu kommen. Der General Saldern sah, Daß hier alles von dem Besitz der ſiptißer Anhöhen abhing ; er verlor ſie daher nicht aus den Augen, und näherte sich dem Dorfe Siptiß, das in Flammen ſtand. Der Obristlieutenant Möllendorf von der Garde, ſpåter Gouverneur der königlichen Residenz , rieth hier zu einem Manovre, das die glücklichsten Folgen hatte. Einige Bataillone marschirten durch das Dorf, und bestürmten die dabey befindlichen Anhöhen, und eine große Batterie. In kurzer Zeit waren sie davon Meifer. Andere Truppen , die ihre Kanonen mit den Händen zogen, von der Cavallerie gedeckt, folgten die ser Siegesbahn. Nun fing auf diesen Anhöhen eine
411 ganz unerwartete heftige Kanonade an , die in der Dunkelheit die ohnehin große Verwirrung unter den Östreichern sehr vermehrte. Mittlerweile näherten sich einige Truppen des 3 preußischen linken Flügels, die sich formirt hatten, fo gut wie sie fonnten, wobey ihre Trommelschläger den A preußischen Marsch schlugen , um in der großen Dunfelheit ihre siegenden Kriegkameraden nicht irre zu machen. Der General Hülsen führte diese Verstär fung herben. Dieser Feldherr, zu dessen Charakter zügen ein unbezwinglicher Muth und ein großer Po triotismus gehörten, hatte durch die Kugeln alle seine Pferde verloren ; da ihn nun sein Alter und seine Wun den hinderten zu Fuß zu marschiren, so seste er sich auf eine Kanone, und ließ sich so bis in's feindliche Feuer schleppen. Lascy, im Felde der unglücklichste Krieg · Befehlhaber des 18ten Jahrhunderts, machte nun noch einen großen Versuch, die Anhöhen wieder zu erobern, wurde aber zweymal nach einem schrecklichen Blutbade von Saldern und seinen Veteranen zurückgeschlagen. Die Preußen behaupteten standhaft den errungenen Posten. Dieser glückliche Erfolg entschied die Schlacht, die bis um halb zehn in der Nacht gedauert hatte. Die Sonne war den Preußen mit Blut untergegangen, allein der Abendstern, so oft der Vertraute großer und glücklicher Unternehmungen, war ihnen günstig gewe fen. Die Öftreicher dachten jezt auf nichts, als auf einen Rückzug , den drey auf der Elbe geschlagene Schiffbrücken begünstigten. Dieser Fluß war durch sein Rauschen gleichsam der Compaß der Östreicher in der dunkelsten Nacht, wo der Himmel dicht mit Wolken überzogen war, und man
412 keine Hand vor den Augen sehen konnte.”~Die Preußen hatten keinen solchen Wegweiser. Sie irrten in groß fen und kleinen Schaaren theils im Walde, theils auf der Wahlstatt im freyen Felde umher , wo der Blig der Kanonen zu Leichenfackeln diente, die gråßlichen Gegenstände des Mordes auf einen Augenblick zu er hellen. Ungewiß, wo sich der Feind befand, waren fie bey jedem Schritt aufmerksam und voller Besorgniß. So wie Furchtsame in der Mitternachtſtunde in ihrer Einbildung lauter Gespenster sehen, ſo ſahen die nicht furchtsamen Preußen jeßt lauter Feinde. Haufen, die sich einander näherten , wurden sogleich wechselweiſe beschoffen, und dieses währte, bis ein Theil den Jrrthum merkte, und sich zu erkennen gab. Auf diese Weise fiel eine Anzahl Preußen durch die Kugeln ihrer eigenen Landeleute. Die Öftreicher thaten ein gleiches. Alle Augenblicke wurden durch die herumziehenden Schaaren beyden Theilen Offiziere gefangen, die ſich ´verirrt hatten ; allein eben so geschwind kamen andere Trupps von der Gegenpartey, und befreyeten sie wieder. Der kaiserliche General Migazzi glaubte seine Brigade zu rangiren , allein es waren Preußen , die ihn an seinem Dialect erkannten, und gleich gefangen nahmen. Eben so ging es dem kaiserlichen Obristen Croß, dem preußischen Obrißilieutenant Möllendorf, und vielen andern östreichischen und preußischen Offi. zieren. Selbst der König stieß mit seiner Bedeckung auf eine umherziehende Schaar. Auf den gewöhnlichen Zuruf: Wer da ? war die Antwort : Öftreicher. Die Begleiter Friedrich's ftürzten nún zu, und nahmen ein ganzes Bataillon Crcaten gefangen.. Bald darauf geschah ein gleiches mit einem großen
413 Trupp kaiserlicher Carabinier, die in der Finsterniß herumtrabten . Einige hundert Warasdiner hielten sich zusammen, und suchten den Weg nach Torgau, sie verfehlten ihn aber , und geriethen unter die preußis ſche Cavallerie, die abgeſeſſen war, und sich jezt genōthiget sahe, zu Fuß zu fechten, da denn die Warasdiner bald ihre Waffen streckten. Keine Befehle konnten in dieser Finsterniß er theilt keine konnten befolgt werden . Die Befehlhaber waren todt, verwundet, oder irrten selbst umher, ihre zerstreuten Haufen zu suchen ; sie tappten herum wie Blinde, und stürzten baid über Leichen, bald über Gegenstände, womit das Schlachtfeld bedeckt war. Die vierzehn Stunden lange Winternacht war entfeßlich kalt. Einigen Kriegschaaren glückte es, Holz zufammen zu tragen und Feuer zu machen , andere aber mußten dies so nöthige Bedürfniß entbehren, und liefen wie die Unsinnigen im Finstern herum, um durch Bewegung ihre Leiber zu erwärmen, wobey sie alle Augenblicke über die Leichname der Erschlagenen fielen. Der Regen hatte den Boden ganz moraftig gemacht; dennoch versuchten viele mitten in diesem Koth aušzųruhen, bis die Feuchtigkeit durch alle Kleidungstücke drang , und alle Glieder erſtarrten. Die Soldaten hatten den ganzen Tag nichts gegessen, und waren durch die Blutarbeit entkräftet. Wer seinen Brotsack noch besaß, oder ihn nicht leer fand, wußte doch nicht, wo er einen Trunk Wasser bekommen sollte. Vom Hunger, Durst, Müdigkeit und Kälte gequält, erwartete man sehnlich den Tag, und mit ihm neue Blutscenen. So hart indeſſen die Lage der herumirrenden, entfräfteten, Soldaten auch war, so gab es doch in
414 dieser Nacht noch eine weit grausamere. Die Ver. wundeten, deren Zustand es nur einigermaßen erlaubte, suchten die nächsten Dörfer zu erreichen ; die andern aber wurden durch ihr trauriges Loos an den Boden des Schlachtfeldes gefeffelt. Hier vor Kälte erstarrt, mit zerschmetterten Gliedern , abgerissenen Knochen, in ihrem Blute schwimmend und aller Hilfe beraubt, wünschten sich diese Unglücklichen einen schleunigen Tod. Vielen Hunderten aber waren noch vorher größere Martern vorbehalten . Eine Menge verworfener Menschen, Soldaten, Troßknechte, und Weiber, schwärmten in dieser Blutnacht auf dem Wahlplag herum, und beraubten die Lebendigen und die Todten. Nicht das Hemd wurde den hilflosen Verwundeten gelaffen. Vergebens ließen diese laute Klagen erschal len ; sie verloren sich im allgemeinen schauervollen Getöse, das tausendstimmig in die Wolken drang . MancerVerwundete wurde von diesen Unmenschen ermordet, aus Furcht vor Entdeckung. Viele waren an den Leinen verwundet , und zwar nicht gefährlich , nur fonnten sie nicht gehen . Durch diese grausame Ent blößung aber, in einer November-Nacht, nackend auf der theils moraftigen, theils beeisten Erde sich frümmend , wurden sie Opfer des Todes. Diese so denkwürdige Nacht zeigte auch ein viel leicht noch nie gesehenes Schauspiel. Nach völlig ge-endigten Gefechten befanden sich die Truppen beyder Heere vermischt unter einander. Man sah zahllose Feuer im torgauer Walde, bey denen sich Preußen und Öst reicher gemeinschaftlich wärmien, und zwar nicht Sies ger oder Gefangene , sondern beyde Theile bes waffnet und frey. Das große Bedürfniß der
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Wärme Fatte sie zufällig vereinigt , und blutgierige Krieger in gelassene Menschen verwandelt, die unter sich einen Waffenstillstand auf einige Stunden gemacht, um ruhig den Tag und das fernere Kriegglück zu erwarten. Da. Niemand wußte, wie das Schlachtloos ausgefallen, so waren beyde Theile übereingekommen, sich nach Anbruch des Tages der Macht, die das Feld behauptet hatte , gefangen zu geben. Der König hatte sich in das nahe bey der Wahlstatt liegende Dorf Elsnig begeben. Hier waren alle Bauernhäuser, Hütten, Ställe und Scheunen voll sol, cer Verwundeten, die so glücklich gewesen waren, theils durch Beyhilfe anderer, theils auch durch AnFrengung ihrer eigenen Kräfte, diesen Zufluchtort zu erreichen. Hier jammerten sie aufihrem blutigen Lager unter den Händen der Wundärzte, oder auch noch unverbunden. Friedrich wollte sie nicht stören , sondern ließ die Kirche des Dorfes öffnen, und hier seine eigene schmerzhafte Wunde, einen Streifschuß an der Brust, verbinden, da er sodann Raporte annahm , Befehle ertheilte , und einen Courier abfertigte. Er schrieb deffen Depeschen bey einem schwachscheinenden Lichte, wobey ihm die untern Stufen des Altars zum Sit, so wie die obern zum Tiffe dienten . Zwar betrachtete er sich als Herre des Wahlplages, und über. haupt als Sieger ; da ihm aber der Rückzug des Feindes noch unbekannt war, so fann er auf die Erneuerung der Schlacht. Er gab die da u erforderlichen Befehle, noch eh' der Tag anbrach, und zwar follte die Infanterie nicht feuern , sondern mit gefälltem Bajonet auf den Feind losgehen. Nur die Dämmerung wurde erwartet, um die zerfreuten Haufen zu sammeln, und in Schlacht
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Ordnung zu stellen. Kaum aber fing die aufgehende Sonne an, das Leichenfeld zu erleuchten, so wurde Friedrich gewahr, daß keine Östreicher hier mehr zu bekämpfen waren. Er sah sich im Besiz des ganzen Schlachtfeldes ; der Sieg war völlig entschieden, und Sachsen behauptet. DieÖstreicher gingen über dieElbe, und zogen sich längs den Ufern dieſes Fluſſes nach Dress den, und die Preußen gingen in die Winterquartiere. Daun war in diefer Schlacht schwer verwundet worden. Er hatte sich entfernt, und das Commando dem General Buccow übergeben, und da dieſem gleich darauf durch eine Kugel der Arm zerschmettert wurde, fo fiel die Oberbefehlhaberschaft dem Grafen O'Donnel zu. Dieser eilte nun, Dresden zu decken, und das feste Lager bey Plauen zu beziehen. Ziethen und der Pring von Württemberg verfolgten ihn auf diesem Rückzug unablüffig, und machten noch viele hundert Gefangene. Beyde Heere naren durch diese blutige Schlacht aufferordentlich geschwächt worden. Die Östreicher zähl= ten über 12.000 Tödte und Verwundete, und 8000 Mann waren allein auf dem Wahlplaß gefangen worden ; sie verloren ferner fünfzig Kanonen, ſieben und zwanzig Fahnen, und zwanzig Pontons. Der Verlust der Preußen an Todten und Verwundeten war 10,000 Mann ; dabey waren 4000 Mann von ihnen als Gefangene in die Hände der Feinde gerathen. *) Der König zeigte während des Mordkampfs die größte Ruhe. Man erzählt sich, kurz vor dieser Schlacht fey ein gefangener französischer General vor ihn ges
*) Bis hieher Archenholt , der als Augenzeuge spricht.
14171 bracht worden, mit dem er sich lange unterhielt. Da Friedrich Verstand und Kenntnisse an ihm merkte, so schlug er ihm vor, der Schlacht in seiner Nähe beysuwohnen. Dies durfte der General seiner Ehre wezen nicht ausschlagen, und er folgte dem Könige. Mitten im heftigsten Kanonenfeuer mußte er dem König nach, eilen, der, zum Erstaunen des Generals, stets mit der größten Kaltblütigkeit fragte : wie dies oder jenes bey'm Militär in der französischen Armee wäre , und noch andere unbedeutende Dinge mehr. Der König ritt dann immer an die gefährlichsten Orte, und es scheint, als ob er mit Versaß seinem Tod entgegen ges gangen sey. Denn da von der Entscheidung dieser Schlacht sein Glück oder sein gänzlicher Untergang ab hing, und da Friedrich ſah, daß, eh' Ziethen den Angriff machte, Alles mißlang, so wollte er wahrscheinlich einen General von einer fremden Nation bey ſich haben, der die Gleichgültigkeit bezeugen und bekannt machen sollte, mit der er in den Tod ging. über die Verwundung des Monarchen gibt Ni colai folgende Notizen : ... Der König war durch den Schuß betäubt worden ; er sank, ohne daß er ein Wort gesagt hatte, um, und in demselben Augenblick eilten zwey seiner gegenwärtigen Flügeladjutanten her. bey, ihn aufzurichten, und den Schuß zu untersuchen. Sie risen seine Kleider schnell auf, und sahen sogleich, daß die Kugel zwar durch alle Kleidungstücke hindurch gegangen, aber nicht bis in den Körper gedrungen war. In diesem Augenblick kam der König wieder zu sich, und sagte ganz faltblutig : ,, Ce n'est rien !" (ES iſt Nichts !)/ *)
*) Etwas abweichend lspricht hierüber die nachfol 11 Friedrich d. Einz, III.
418 Die Folgen dieses Sieges waren überaus wichtig. Ganz Sachsen, Dresden ausgenommen, rear nun wieder in den Hånden der Preußen , und ihre Winterquartiere gesichert. Friedrich war im Stande, Truppen nach Schlesien, nach der Mark, und nach Pommern zu schicken, und die Feinde aus allen diesen Provinzen zu vertreiben, ja ſelbſt ein Corps von 8000 gende Erzählung , die indeſſen weniger Glauben vertient, als die obige : ,, Erst gegen Mitternacht, die Kanonade nach der Schlacht bey Torgau , erfuhr der König batte bis 10 Uhr gedauert den glücklichen Erfolg, den Ziethen gehabt hatte ; und nun war er sogleich darauf bedacht, sein Heer wieder zu sammeln und in Schlachtordnung zu stellen. Nicht ichnell genug konnte die Nacht ihm verstreichen. Mit Tages Anbruch ritt er um Dorfe hinaus. Hier beaegnete ihm Zlethen, der, im Tone cines berichterstattenden Offiziers , ihm fagte : " ,,Ew. Majeſtät , der Feind ist geschlagen Gleichzeitig sprangen und zieht sich zurüc Bezbe von den Pferden, Friedrich warf sich in Sietsen's Arme, und dieser, von seinen Gefühlen überwältigt, meinte laut, ohne ein Wort hervors bringen zu rönnen. Dann sprengte er zu seinen Kriegern zurück, und rief; ,,Bursche ! unser König hat die Schlacht gewonnen , es lebe unser großer König !" Die Krieger nahmen diese Aufforderung an; doch indem sie riefen : Es lebe unſer grofs fer König !" schien es ihnen unbillig, den verdiens ten General auszuschließen. Sie fügten also hine zu : aber auch unser Vater Ziethen, unser Hup faren König !!! „ Der König ritt vom linken Flügel gegen den rechten hinhuf. Wis er bey'm Regiment Garde angelangt way, stieg er vom Pferde , und stellte
419 Mann zu Herzog Ferdinand stoßen zu lassen . Mecklenburg wurde wieder in Besitz genommen. Laudon, nach dem vergeblichen Versuch auf Cosel, zog sich nach Glaß. Die Schweden wurden vom General Werner nach Stralsund getrieben, und die bisher noch auf der Lauer geftandenen Ruffen gingen nun in ihre alten sich an ein noch loder des Wachtfeuer, um welches mehre Grenadiere sich gelagert hatten. Diese drångten sich , als er leutselig zu ihnen ſprach, immer nåber und näher um seine Person ; und einer von hnen , Namens Rebiak, dem er öfters Geld geschenkt hatte , war dreift genua , ihn zu fragen : ,, wo er denn während der Bataille ge : wesen wäre ; denn , ſonſt gewohnt , ihn an ibrer Spike zu sehen, und von ihm in's Feuer geführt =zu werden, hätten sie ihn diesmal gar nicht wahrges nommen.'" Mit der herablassendsten Güte sagte hierauf der König dem Grenadier , er habe sich auf dem linken Flügel befunden und ebin değmes gen nicht bey seinem Regimente feyn können. Mitten in dieser Unterhaltung Endufte er den Uiterrock auf , als ob die Hize des Wachtfeuers ihm låſtig würde. Jegt bemerkten die Grenadiere, baß eine Kugel zur Erde fiel, und daß er, långs der Brust , einen Streifschuß bekommen hatte, dessen unverdächtiges Merkmal , die von einer Kugel bewirkte Seffnung am Úiberrock und an der Uniform war. Begierig raffte Rebiak die Kugel auf. Sie ward bald der Gegenstand der Bewunderung ; und diese löste sich schnell in Bes geisterung auf. Bie aus einem Munde riefen die Grenadiere : ,,Du bist doch noch der alte Frig! Du theilst jede Gefahr mit uns ! Für Dich ster. ben wir gern ! Es lebe der König ! Es lebe der König !" 11 *
420° Winterquartiere nach Polen. Im Krieg gegen die Franzosen kam es sowol in diesem, als auch in dem folgenden Jahre, zu keinem entscheidenden Schlag. Mit großer Geschicklichkeit wußte zwar der Prinz Ferdis nand verschiedene kleine Siege zu erkämpfen, die feind liche übermacht war indeffen zu bedeuteud, als daß es ihm möglich gewesen wäre, sie besonders zu benüßen. *) Alle Völker wünschten den Frieden, aber auf fer dem preußischen kein einziges Gouvernement ; denn noch träumten alle von Eroberungen. Nur um zu täuschen, und sich in den Augen der Nationen scheinbar ju rechtfertigen, geschah es daher, daß von einigen Seiten Vorschläge zu Waffenstillstand und Frieden ge= macht wurden. Da die Entschädigungen des so hart mitgenommenen Churfürstenthums Sachsen den vers bündeten Mächten immer zum Hauptwort diente , so glaubte Friedrich, diesen Punkt durch einen sonder baren Vorschlag zu berichtigen. Ein Låndertausch schien ihm hiezu das beste Mittel zu seyn ; er wollte das Königreich Preußen und seine westphälischen Provinzen für den Besiß von Sachſen hingeben, wobey der Familie des August auch der Königtitel als erblich verbleiben sollte. Friedrich wollte dagegen den Titel, König der Wenden, annehmen . Die Einkünfte der beyderseitigen hier vorgeschlagenen Staaten standen im Gleichgewicht ; auch versprach die Nachbarschaft von Polen der neuen Monarchie den wirksamsten Einflußzur fortwährenden Behauptung dieser Krone. Der Antrag wurde jedoch gleich zurückgenommen, da August
*) Die Stärke der Verbündeten wird zu 70,000, jene der Franzosen zu 130,000 berechnet.
421 ihn als eine Beleidigung anſah, und von der Entsagung seines geliebten Landes unter keinerley Bedingungen etwas hören wollte. Ohne die große Revolution in Rußland im folgenden Jahre wåre jedoch dieser Ent wurf zur Wirklichkeit gekommen. Der Sieger hátte Gesetze vorgeschrieben , die man gern oder ungern hätte annehmen müssen, und Sachsen wäre das Eigen thum des Eroberers geblieben . Einen schweren Verlust hatte indeß Friedrich erlitten. Georg der 11. von England war gestorben, und der Günfiling Georg des III., Lord Bute, wollte fast unter jeder Bedingung den Frieden erkaufen. Um den König von Preußen seinerseits ebenfalls dazu zu nöthigen, bewirkte er, daß demselben, wider den Wik len der gesammten britischen Nation , die bisherigen Subsidien nicht mehr gesendet wurden. Um so empfind licher mußte dieser Verlust dem Könige seyn , als er ohnehin schon bey seinen so überaus beschränkten Mitteln die ungeheuern Ausgaben während der vergange. nen 5 Jahre kaum zu bestreiten vermocht hatte. Eines feiner Hilfmittel war die Herabsehung des bisherigen Münzfüßes. Durch die Noth gedrängt, sah man sich gezwungen, das Geld immer in geringerem Gehalt auszuprågen. Dieser, mit Schlauheit von dem König entworfene, und mit Vortheil ausgeführte Plan, veranlaßte verschiedene Regenten zur Nachahmung, und so kam es, daß am Ende des Kriegs halb Europa mit schlechten Münzen überschüttet war. Der Geldmangel rerhinderte, den König in dem Feldzug von 1761 an der Ausführung manches großen Entwurfs. Angemerkt muß aber werden, daß dessen un geachtet, da die Armuth in Berlin jest außerordentlich
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zunahm, Friedrich gerade in dieser Zeit, troß seiner großen Bedrängniß, anfing, bey der damaligen Theue rung Brod in der Hauptstadt austheilen zu lassen. An 30 000 Menschen genossen wöchentlich diese Wohlthat. Die russische Armee unter Butturlin, 60,000 Mann stark und die zweyte öftreichische unter Laudon, 72,000 zählend , hatten ihre Vereinigung bewirkt. Ihnen vermochte der König blos 50 000 entgegen zu stellen. Jezt eine Schlacht zu liefern, wåre von ihm höchst unklug gewesen ; denn Alles konnte verloren, nicht besonders viel gewonnen werden. Friedrich bezog daher, in der Nähe der feindlichen Heere, bey Lunzelwitz (in Schlesien, nicht ferne von Schweidniß) ein Lager, zu dessen Befestigung die Kunst noch ungleich mehr beytrug, als die Natur gethan hatte. Von den mit Kanone numgürteten Bergen blickten furchtbar die Preußen herab, und selbst der kühne Laudon wagte, tros feiner großen überlegenheit an Mannschaft, keinen Angriff. Bey den Ruffen begann endlich Mangel an Lebensmitteln fühlbar zu werden, und Butturlin zog, mit Zurücklaffung von 20,000 Streitern unter Czers nitschef, nach Eilen. Der nämliche Umstand bewog hierauf den König, fich Neiße zu nähern. Kaum war er aber einige Tage von Schweidnig entfernt, als diese überaus wichtige Feste von Laudon & berrumpelt wurde. Des Ereigniß zerrüttete alle Entwürfe Friedrich's, und nur die Unentschloffenheit des öftreichischen Feld. herrn verhütete größeres Unglück. Die Preußen be zogen endlich bey Strehlen Winterquartiere. Hier war es , wo der König in großer Gefahr schwebte, ermordet, oder lebend seinen Feinden überliefert zu werden ; nur ein Ungefähr reitete ihn,
423 und mit ihm den preußischen Saat. Der Baron Warkotsch, en reisher schlesischer Edelmann, dem der König oftmals Beweise seiner besonderen Gunst ertheilte, war es, welcher den Plan des abscheulichen Unternehmens entwarf, und ihn selbst auch ausführen wollte. Diese schwarze That ſollte schon einige Monate zuvor ausgeführt werden , als Friedrich den 15ten August in Schönbrunn, einem dem Verräther ge hörigen Dorfe, übernachtete. Er schlief hier in einem, mit einer verborgenen Thür und Treppe versehenen, Zimmer, aus welchem die Östreicher ihn in der Nacht abholen sollten. Schon war sein Untergang gewiß ; denn das Motto des Warkotsch war : Lebendig oder todt ; allein ein Zufall rettete auch hier den nichts arges ahnenden Helden. Das zicthen'sche Corps, das der Bösewicht nicht erwartet hatte , veränderte seine Stellung , traf Abends zuvor bey Schönbrunn ein , und umgab das Dorf. Nun wollte man die schwarze That nicht versuchen , da die Ausführung, wenn gleich nicht in Rücksicht auf das geweihte Opfer, Doch auf das glückliche Entkommen der Unternehmer mißlich war. Der Plan wurde daher bis zu einer bequemeren Zeit verschoben. Warkotse , der immerfort mit den Östreichern Briefe wechselte, und beständig diese That im Sinne führte, erneuerte jetzt in Strehlen seinen bösen Anschlag, den die Sorglosigkeit Friedrich's in Rücksicht auf seine persönliche Sicherheit abermals erzeugte. Nichts war leichter, als ihn hier in der Nacht aufzuhe, ben. Sein Quartier war in dem Dorf Woiseln iş ganz nahe bey der Stadt Strehlen gelegen, und sein Haut nur vierhundert Schritt von den Stadtmauern ;
424 feine ganze Bedeckung daselbst war eine Compagnie Grenadiere, von denen nur dreißig Mann die Wache hatten. In der Stadt ſelbſt lagen 6000 Mann seiner besten Truppen, allein auf ihren Beystand war bey einer raschen Ausführung , zumal in der Dunkelheit der Nacht, gar nicht zu rechnen. Ein nahe gelegener Wald begünstigte die Unternehmung außerordentlich . Es war dazu nur ein Trupp wolberittener Huſaren und ein entschlossener Anführer erforderlich. Noch ch' man in der Stadt zu den Waffen hätte greifen können, wäre der König gefangen und entfernt gewesen. Der Wald, der zu Laudon's Heer führte, hätte allen Versuchen der Preußen, ihren Monarchen zu befreyen, ein Ziel gesetzt. Warkotsch sah dieses vollkommen ein ; er schmiedete daher einen Entwurf, und theilte ihn dem bey Münsterberg stehenden Obristen, Grafen Wallis, mit. Dieser Offizier war Befehlhaber des laudon'schen Regiments, und genehmigte alles. Unter andern war der Rath des Warkotsch, zehn um Strehlen gelegene Dörfer in Brand zu stecken, um die Aufmerksamkeit der Preußen vom Hauptquartier abzuleiten. Man versprach dem Verräther eine Belohnung von 100,000 Gulden, eine Summe, die bey einem so reichen Mann nicht in Anschlag gekommen wäre, wenn er nicht den Krieg durch seine That als geendigt, und die Kaiserin Theresia überdem schon jest , bey . Friedrich's so gehäuftem Unglück, so gut ate Beherrscherin von Schlefien betrachtet hätte. Ein Priester in Siebenhuben, Namens Schmidt, war die Mittelperson, und auch an ihn wurden die Briefe bestellt. Der Fanatismus hatte jedoch keinen Antheil an diesem Verbrechen ; denn Warkotsch war lutherischer Religion . Ein Jäger,
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Namens Kappel, in feinem Dienst stehend, und sein Vertrauter , war hiebey immer der Bote. Dieser Mensch wußte um Alles ; denn er versiegelte die Briefe, nachdem sein Herr. ihm solche zuvor, um ſein Gutachten zu hören, vorgelesen hatte. Als Beiher eines Geheimnisses von so großer Wichtigkeit pflegte er seinem Herrn zu troßen, und that nicht mehr Dienste, als er fe bst wollte. Dieser Umstand rettete die preußische Monarchie. Die Nacht vom 30ten November war zur Ausführung des Plans beſtimmt, und noch am 29ten November beritt Warkotsch die Gegend als Begleiter des Margrafen Karl und des königlichen General- Adju, tanten Kruſemark. Erst ſpåt kam er nach Hause. Das Wetter war rauh. Der mit herum getrabte Kappel war müde, und bey sehr übler Laune ; er hatte den ganzen Tag nichts gegessen, und nun ging er murrend zu Bette. Der dies Betragen gewöhnte Warkotsch achtete nicht darauf, sondern schrieb noch in der Nacht einen Brief an Wallis, weckte den Jäger auf, und be fahl ihm, ohne auf sein Fluchen zu hören, sich sogleich bamit auf den Weg zu machen. *) Der aufgebrachte
*) Hier diefer Brief nach einer genauen Abschrift des Originals : ,,Den 29ten November 1761. ,,Es ist nichts veränderliches vorgefallen. Der Wagen oder die viersihige Kutsche steht vor der Thür und mag damals wegen dem vielen Regen seyn weggebracht worden. Es ist nirgends ein Piquet , auch keine Hauptwache , auch kein Mar. quetender. Es ist das Hauptquartier nicht so pompos wie bey ihnen ; ich heut drinnen gewes
426 Kappel schien zu gehorchen , nahm den Brief, den er diesmal nicht gelesen hatte , und brachte ihn , nicht nach Siebenhuben zu Schmidt, sondern zum lutherischen Pfarrer des von Warkotsch bewohnten Dorfes Schönbrunn. Dieser Mann, Namens Gerlach, hatte durch die Vortrefflichkeit seines Charakters ſich die Liebe und Hochachtung nicht allein seiner Gemeinde, sondern auch der dort herum wohnenden Katholiken erworben. Auch Kappel hatte Hochachtung für ihn, daher er in dieser Stunde des Unwillens, und auch vielleicht des Nachdenkenk, zu diesem Pfarrer ging. Er sen. Ich sah bey Tage eine Schildwacht auf der Basse und bey der Nacht wurde ich keine gewahr, daß also auf's höchſte 2 Schildwachten vorn rozm Bimmer stehen , welches gar sehr klein ist , und etwa eine bey der Thüre. Fürchten sie sich vor gar nichts. Sie machen das größte Glück , und soll, ten Sie wider alles Vermuthen nicht reußiren, ſo kann ihnen nichts widerfahren, als etwa gefangen zu werden. Soviel dient auch zur Nachricht, daß jest zu Pagert Jåger zu Fuß etwa 20 bis 30 Mann / wegen der Lesertion ſind. Also , da sie Wegweiser haben , so ist gar att nöthig über Pagert zu gehen, sondern jie laffen solches linter Hand liegen. Morgen geht die Kriegkasse weg, und soll heute die Artillerie weggegangen seyn ; also wår es am besten Montags in der Nacht ; denn ich kann nicht gut dafür seyn , daß nicht etwa der Vogel Dienſtag in der Nacht ausfliegt. "I v. Warkotsch " Wiieu ! Der Monarch, nach Lesung dieses Briefs, brach in die merkwürdigen Worte aus: ,,Warkotsch ,,ist sehr frank; man möchte ihm rathen, auf Reisen zu gehen." .
427 weckte ihn aus dem Schlaf, sagte ihm , was er wußte, und gab ihm den Brief, den Gerlach öffnete. Der erschrockene Pfarrer zeigte ihm die dringende Noth wendigkeit, sogleich in's Hauptquartier zum König zu reiten, ließ dazu ſein bestes Pferd ſatteln, und band ihm die schleunigste überlieferung des Briefes in Friedrich's eizene Hånde auf seine Seele. Und so geschah die Entdeckung. Auf diese Weise entging der König der größten Gefahr, die noch je über seinem Haupt geschwebt hatte. Warkotsch fand Mittel zu entkommen , da ein abgeschickter Offizier eben im Begriff war , ihn gefangen megzuführen ; er rettete sich durch die verborgene Treppe ; auch der Prieſter Schmidt, sein Spießgesell, entkam glücklich. Die Güter des Verräthers wurden eingezogen, und er nebst dem Priester im Bildniß ge viertheilt. Als dem König das Urtheil zur Vollziehung vorgelegt wurde , sazte er scherzend : „ Das mag ge. schehen ; denn die Portraits werden vermuthlich eben fo wenig taugen, als die Originale selbst." Der Pfar rer Gerlach blieb unbelohnt, und starb in Armuth. Der Jiger Kappel aber erhielt eine Forstbedienung bey Oranienburg. Die Ruffen, welche nach einer merkwürdigen Belagerung Kolberg erobert hatten, machten nun zum erstenmal Winterquartiere in Pommern und in der Neumark, so wie die Östreicher in Schlesien. Der Verlust von Kolberg und von Schweidniß in einem so Furzen Zeitraum war daher für den König ein unab sehbar großes Unglück. Alle Kriegbedürfnisse und Le bensmittel für die ruſſiſchen Heere in Pommern konnten jest leicht zur See herbey geführt werden , und
428 die Streicher hatten nun in Schlesien festen Fuß. Die Feinde aus diesen Provinzen zu vertreiben, erforderte viel Blut, viel Zeit, viel Geld, und noch mehr Glück. Es waren hiezu mehr Kräfte als jemals vonnöthen. Wo aber sollten diese gefunden werden ? Die erfah, rensten Feldberren waren gefallen ; die alten Soldaten lagen auf den Schlachtfeldern eingescharrt. Die Einkünfte aus dem größten Theil der preußischen Staaten blieben entweder ganz aus , oder waren doch sehr geschwächt ; die noch übrigen sächsischen Quellen fingen auch an zu versiegen ; die englischen Hilfgelder wurden nicht mehr bezahlt ; Dresden und ein Theil von Sachsen war in öftreichischen Hånden , und alle feindlichen Heere in der besten Verfaffung, weiter um sich zu greifen. Der König befand sich also in einer úbleren Lage als je am Schluß eines Feldzugs, ohne ein mal eine Schlacht verloren zu haben. Der fortdauernde Muth seiner Truppen, der ungeschwächte Eifer, und die raftlose Thätigkeit so mancher seiner Generale, eine noch nicht erschöpfte Schahkammer, und ein Geiſt voller Hilfquellen, machten jedoch diese Unfälle ertråglich. Man hatte viel gewonnen, da man die Hoffnung nob nicht verloren hatte. War aber diese gleich bey Fried rich nicht aufgegeben, so dachten doch seine Bundesge nossen und seine Anhänger in und außerhalb Teutſch land ganz anders. Man zitterte vor dem Fall des Mächtigsten unter den teutschen proteſtantiſchen Fürften, des bicher so furchtbar geweſenen Rivals der östreichischen Monarchie ; so entschloffen als fähig , die Rechte minder mächtiger Reichstände gegen die unbe fugte Ausdehnung der kaiserlichen Gewalt zu behaupten, die protestantische Religion im Reiche gegen den
429 Fanatismus zu beschüßen, und die Staatsverfassung Germaniens aufrecht zu erhalten. In dieser verzweifelten Lage, wo fogar England allen Klagen taub blieb, ſuchte Friedrich das osmanische Reich zum Kriege gegen Önreich zu bewegen. Der französische Hof, und die Furchtsamkeit oder Ge mächlichkeit des alten Großveziers , vereitelten indeß hier alle Bemühungen des Königs . Der Chan der Tartaren schien sich eher zu einem Einfall in Rußland bewegen zu lassen ; und auf solche ungewissen Pfeiler mußte jest Friedrich fast seine ganze Hoffnung gründen. -- Standhaft sah' er seinem Untergang entgegen, der ganz gewiß schien. Schon seit dem Beginne des Kriegs trug er Gift bey sich, um, wie Hannibal, durch einen freywillig gewählten Tod den legten Schlägen des Schicksals zu entgehen ; man hat dieses Gift nach Friedrich's Tode noch ganz so eingepackt gefunden, wie es der Held in den Zeiten der Gefahr aufbewahrt hatte. *) Seinen Vorsag äußerte er unverholen in verschiedenen Gedichten und Briefen , namentlich in dem oben erwähnten ( Seite 406) an d'Argens, der mit folgenden Worten schließt : Man endet ein un glückliches Leben nicht aus Schwachheit , sondern aus überdachter Klugheit, die uns überzeugt, daß der Zustand, in welchem und Niemand schaden und nichts unsere Ruhe stören kann, der glücklichste für uns ist. Wie viele Gründe hat man nicht in einem Alter von fünfzig Jahren, das Leben zu verachten ! Mir bleibt keine Aussicht übrig, als daß ich ein kraftloses, schmerz *) Nach der Versicherung von Nicolai ; eben, fo Funke. 12 Friedrich d. Einz. III. '
430 baftes Alter, Kummer, Betrübniß über ehmaliges Glück , Schande und Beschimpfungen haben werde. In der That, wenn Sie sich in meine Lage hinein denken, so werden Sie meinen Vorfaß weniger tadeln, als jezt. ` Ich habe alle meine Freunde, meine geliebtesten Verwandten perloren ; mich trifft jede nur mögliche Art von Unglück; mir bleibt gar keine Hoffnung übrig ; ich sehe mich von meinen Feinden verspottet, und ihr Stolz trifft Anstalten , mich unter die Füße zu treten. Ach ! Marquis, Wenn Ulles uns verläßt , die Hoffaung selbst uns flieht ; Dann wird das Leben Schmach) , und eine Pflicht der Tod." Einige Tage nach diesem Schreiben wurde die blutige Schlacht bey Torgau gewonnen. So wichtig dieser Sieg auch für den König in seiner damaligen Lage war , so wenig fand er sich dadurch gebeſſert. „Wir haben die Öfireicher geschlagen (frieb er an eben denselben) ; von ihnen und von uns find außerordentlich viele Leute geblieben. Dieser Sieg ver ſchafft uns vielleicht den Winter hindurch einige Ruhe ; aber das ist auch Alles. Mit dem künftigen Jahre wird - übrigens bleibt meine es von Neuem angehen. Art zu denken so, wie ich sie Ihnen vor acht Tagen (in dem eben angeführten Briefe) zu erkennen gab. Wie ich es auch anfangen mag , ich erliege unter der Menge meiner Feinde. Darin besteht mein Unglück, und das ist die eigentliche Ursache von so vielen Un glückfällen und Widerwärtigkeiten , die ich nicht habe vermeiden können . Durch die Schlacht am sien (November, bey Torgau) haben wir unsere Ehre ge
431 rettet ; indeß glauben Sie nicht, unsere Feinde wären dadurch so sehr zu Boden geschlagen , daß sie Frieden machen müßten. -- Leben Sie wohl lieber Mar. quis ; schreiben Sie mir bisweilen , und vergeſſen Sie einen armen Teufel nicht, der täglich zehnmal ſein un glückliches Daseyn verflucht, und schon in den Gegen den zu seyn wünſcht , aus denen Niemand mit Nachrichten zurück kömmt." /* In dieser Stimmung ging er dem folgenden Feld zug entgegen, in welchem noch hårtere Schläge des Schicksals seiner warteten ; aber immer hielt er sich aufrecht, ja, ſein natürlicher Frohsinn zeigt sich in den Gedichten und Briefen von diesem Jahre wieder hầufiger, als zuvor. *) Er las während dieses Feldzuges zu seiner Erholung ein weitläufiges philofophisches Werk **), und correspondirte mit d'Argens über fpefulative Philosophie. Nach dem Verlust von Schweid nig der alle seine Plane zerrüttete , schrieb er eine
**) Hierher gehört auch folgende Strophe aus einem Brief an d'Argens vom 5ten Januar 1769 : - lorsque l'orage gronde, Le sage dans son coeur garde une paix profonde, Et sans s'inquieter d'un funeste avenir, Il l'attend sans le prevenir. Il s'arme contre l'infortune , Quel qu'en soit le décret cruel, Puisque sans se soustraire à cette loi commune, Mortel, il doit subir le destin d'un mortel. **) Des Bernier abregé de la philosophie de Gassendi , welches aus acht Bånden besteht. 12 *
432 poetische Epistel an d'Argens *), worin er die Empfin dungen seines Herzens eben so rührend als erhaben schildert. ,,Verloren sind so theü're Stunden oft Mit manchem eitlen Plan. Kaum athmet noch Mein Muth, indéß die Last mich niederbeugt. Und ungelehrig , ftrebt mein Sinn auch jest Rech , Hilfe zu verleih'n. 20ch ! wie so fest die stärkste Seel' auch sey Ein Strom von Unglück reißt zuleht sie fort. Wenn keine Hoffnung bleibt, dann stirbt cer Muth; Die Fesseln trägt der Geift , ob traubend auch. Die Unglückmacht des Schicksals, das mich drückt, Beraiftet meinen Geist mit Menschenhaß Du kennst mein Herz ; Du weißt, daß es den Prunk Gekrönter Despotie verschmäht ; du ſah'ſt, Wie oftmals ich , von dieser eitlen Pracht Umringt, weit minder Fürst , als Bürger , mar. Doch trägt mein Gleichmuth , meine Weisheit nicht Gewalt der fest verschwor'nen Könige, Die, ungerecht, und nie zurückgeschreckt, Com Thron mich ſtürzen will, der schon erbebt. ✔ Beleidigung erträgt, Mein theurer Freund , die seige Seele nur. Dem Falle nah , steig ich von diesem Thron, Der Reid mir weckt , ganz ohne Schmerz hinab ; Doch niemals stürzt von ihm mich fremde Kraft. In den folgenden Versen wirft er die Frage auf: was ihn noch an dies mühselige Leben kette, und na rum er es nicht lieber jegt endige; beantwortet fie aber sogleich selbst: Gewissenhaft bin ich ein Sklav der Pflicht, Die mich gefesselt hat ; ein stolzes Joch Es lastet! - knüpft mich an mein Vaterland.
*) Den Sten November 1761.
433 Vernichtet seh' ich seinen Ruhm mit Schmerzz Von raubbegier'gen Feinden überströmt So manches Land ; auf's new' eröffnet ſtets Die Quelle der Gefahr , die ewig rinnt ; Der Feinde Sieg ; das Volk ganz rettungslos ; Verwüstung und Verderben rings umher. theu'rer Name : Vaterland ! Mein Herz, Mein trau'rend Herz gelobt und opfert dir In deiner Noth den matten Uiberrest Von meinem unglückvollen Leben gern. Vergeb'ne Sorge zehre mich nicht auf! Ich breche zu dem Felde der Gefahr Nun schnell hervor. Die Tugend gibt mir Kraft; Mir glångt ein neues Licht ; ich gebe bald Dem Staate Rache , Lind’rung seiner Noth. Hinweg die Sorg ' ! ich denke nichts als ihn, Und dieses Armes Kraft gewähr' ihm Schuß ! Ich folge , weil ich muß , dem Strome , ob er Von Felsen stürzt : ich sterbe für mein Volk, Vermag ich nicht , das , was es hofft , zu thun. So hielt also der Gedanke an seine Pflicht , die Liebe zum Vaterlande den edlen Dulder von dem fühnen Schrift zu den Pforten des Todes zurück. Im mer war es nur das Äußerste, das Leßte, wozu er seine Zuflucht nehmen wollte. Diese äußerte Gränzlinie, über welche hinaus er die Bürde des Lebens nicht mehr tragen zu dürfen glaubte, blieb ihm aber so unbestimmt oder so weit entfernt, daß er sie nie berührte. Mit einem Wort : er philosophirte blos über die Zulässig= feit des Selbstmordes in gewissen gegebenen Fällen. Aus diesem Gesichtpunkte muß man auch die beyden poetischen Stücke, die er in dem trúben December d. J. auffeßte, betrachten. Das erste ist eine Anrede des Kaisers Otho an seine Freunde vor seinem Tod, das Andere des zum Tode entschlossenen Cato von
434 Utica an feinen Sohn und seine Freunde. Man sieht wol, daß seine damalige Situation ihn auf die Wahl dieser Gegenstände geführt hat, und es find_Stellen in diesen Auffäßen, die auf feinen Zustand vollkommen passen. Auch brachte er den December und Januar in Breslau traurig und einsam zu ; er ging nicht mehr, wie gewöhnlich, auf die Parade ; die Flöte ruhete, und alles um ihn her war in banger Erwartung . Den noch verließen ihn im Grunde nie ſein philoſophiſcher Geist und seine Heiterkeit. Man sieht dies äus zweg Gedichten von ganz verschiedener Art, die Seyde vom 28ten December 1761 datirt sind ; eine ernsthafts Epitre à M. Mitchel sur l'origine du mal, treff lich, ob ſie freylich gleich den Stempel der beſonderen Meinungen des Königs trägt ; und ein faunigter Conte du Violon , von einem Violinspieler, der auf vier Saiten vortrefflich ſpielte, dem man eine, hernach zwey, endlich drey Saiten abspannte, und der immér noch, obgleich etwas weniger gut, ſpielte, bis man ihm endlich die vierte Saite abriß ; und doch wollte man, Daß er noch spielen sollte ! Die Anwendung macht er auf sich selbst. Par ce conte, s'il peut vous plaire, Apprénez, chers concitoyens, Que malgré tout le savoir faire L'art reste court sans les moiens . Gewiß war der Geist heiter , der zu dieſer trus Ben Zeit seine eigenen widrigen Umstände in eine so drollige Allegorie einkleiden konnte ! Dies war aber auch die äußerste Epoche seiner Widerwärtigkeiten. Der Tod einer alten, seit Jahren frånkelnden, Frau, sollte den preußischen Staat gewissermaßen vom
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Untergang erretten ; die russische Kaiferin Elisabeth starb nämlich den 25ten December 1761 , und ihr Neffe und Thronfolger, Peter der lli. , schäßte, wis fchon erwähnt, den preußischen König fehr. Troß aller Einwendungen der übrigen Höfe kam in wenigen Wochen ein förmlicher Friede zwischen beyden Mächten zu Stande. Mit seltener Großmuth verzichtete Peter auf alle in den preußischen Staaten gemachte Erobe rungen ; ja, ganze Distrikte in Pommern erhielten aus Den russischen Magazinen das benöthigte Saatkorn als Geschenk. Nicht, wie es bey Regenten nur allzuge wöhnlich ist, unterhandelten die beyden Monarchen, fondern gewissermaßen als Freunde. Daher kam es, Daß in so kurzer Zeit der Friede, und unmittelbar dar auf ein Bündniß zu Stande kam, in Folge deffen das noch bey den Östreichern stehende russische Armee Corps unter Czernitschef (20,000 Mann stark) , Befehl er hielt, sich mit den Preußen zu vereinigen, und gemein fam mit ihnen zu operiren. *) Das wiener Cabinet, welches zuvor ſchon, durch den glücklichen Gang des Kriegs dazu veranlaßt, 20,000 Mann seiner eigenen Truppen verabschiedet hatte , wollte dessen ungeachtet nur unter ganz unannehmbaren Bedingungen den Frie den bewilligen. Frankreich und die meisten teutschen Staaten hegten gleiche Gesinnung ; Schweden dagegen fah sich jest zu Endigung des Kriegs genöthigt , und schon den 22ten May 1762 kam der Friede zu Stande, Die Königin von Schweden , Friedrich's ſehr ges liebte Schwester , war dabey Vermittlerin ; auch ers *) Diese Vereinigung fand indeß erst im Monat Juny (1762) statt.
436 klärte ihr Bruder dem Senat in Stockholm ausdrücklich, daß er blos um ihretwillen die Sachen auf dem alten Fuß ließe. Er pflegte oft über dieſen Krieg zu scherzen, und da der Friedensantrag auf's Tapet . Fam ſagte er lächelnd : er wüßte von keinem Krieg mit Schweden ; zwar håtte er von Håndeln gehört , die Belling mit ihnen habe , dieser General aber würde fich wol wieder vergleichen. “ Der Krieg bekam nun eine andere Gestalt. Alle Staaten Friedrich'è, von Breslau bis an die äußer ften preußischen Grünzen, waren jeht von den Feinden befreyt, und keine verheerenden Einfälle mehr zu be sorgen. Nun sah man wieder die Heiterkeit im Ges ficht des Monarchen. Er scherzte wie gewöhnlich, ließ seine französischen Köche wieder kommen, und suchte seine Flöte wieder hervor. Peter hatte auf sein Verlangen von Friedrich das syburgische Infanterie- Regiment erhalten , und ihm dafür das schuwalow'sche Dragoner Regiment ge= geben , das sich der König dagegen ausgebeten hatte; auch verlangte der Kaiser den schwarzen Adlerorden, Den er fast täglich anlegte. Dieser mächtige Monarch, der nun preußische Uniform trug, des Königs Bildniß vor den Augen der Russen küßte, und ihn gleichsam als feinen Oberherrn betrachtete , wollte in Person mit einem großen Heer zu ihm stoßen , und man war bes rechtigt, außerordentliche Dinge zu erwarten. t Mit diesen glänzenden Hoffnungen eröffnete Friedrich den Feldzug vom Jahr 1762, dem auch der Kronprinz Friedrich Wilhelm beywohnte. Die preufsische Armee war sehr bedeutend verstärkt worden, und viele Östreicher und Franzosen traten jegt in die Dienste
437 des Königs über, da sie die Sache der Kaiserin für sehr gefährdet hielten, und überdies der von den Truppen falt angebetete Laudon das Commando des Heeres dem Feldmarschall Daun übergeben mußte. Schweidnig wieder zu erobern, war nun der erste Plan des Königs. Die große östreichiſche Armee hatte sich in der Nähe dieser Stadt verschanzt, und um die Feste mit Gewalt zu nehmen, war es durchaus nöthig, die Feinde vorerst von den benachbarten Bergen zu vertreiben, auf denen ihr ganz außerordentlich befestigtes Lager sich befand. Friedrich traf die Anordnung zur Erstürmung des feiben, als er eine Nachricht aus Rußland erhielt, die wirklich schrecklich war. Peter der III. hatte durch Seine Neuerungen, vorzüglich durch einige Beschrán Eungen des Adels und der Geistlichkeit , einen Theil Der Nation gegen ſich aufgebracht. Zwischen ihm und feiner Gemahlin (einer Prinzessin von Anhalt Zerbst) herrschte Zwietracht, und die Leztere, angeblich ihrer eigenen Sicherheit willen , leitete eine Verschwörung gegen den Kaiser ein , deren Folge seine Entthronung und (ohne Zweifel gewaltsamer) Tod war, worauf fie als Kaiserin Catharina die II . den Thron der alten Csaare bestieg ! *) Sie hielt Friedrich für ihren persönlichen Feind, und schon wären Befehle an die russischen Truppen ergangen , von Neuem gegen den König zu marſchiren, als man glücklicher Weise unter
*) Die Revolution kam in der Nacht vom Sten den 9ten July 1762 zum Ausbruch ; Peter 11. entfagte ben folgenden Tag der Krone, starb den 14ten July ( des nåmlichen Jahrs) Gefängnisse. -
auf der und im
438 den Privatbriefen des todten Kaisers die des preußi schen Monarchen fand, in denen er seinem Freunde fort während Mäßigung seiner Leidenschaften anrieth, ihm weise Rathschläge ertheilte, und ihn beschwor, feine Gemahlin, wenigstens vor der Welt, mit Hochachtung zu behandeln . Bis zu Thränen ward hierdurch Catha rina gerührt; ihr Haß hörte auf, dieBefehle zum Krieg wurden widerrufen , und der Friede beståttigt , wenn gleich Czernitschef's Corps nach -Rußland zurückgerufen wurde. *) Dieser Rückmarsch konnte nicht augenblicklich aufgeführt werden, indem man zur Verpflegung der Truppen verschiedene Anstalten treffen mußte , woju einige Tage erforderlich wurden. Friedrich , um den Truppen der Czaarin noch einen in die Augen fallenden Beweis von dem Muth und der Geschicklichkeit der Preußen zu geben, benügte diese Zwischenzeit, den 1 Es verdient hier angemerkt zu werden, wie durch Peter's Entthronung Dånemark von einer gross sen Gefahr befreut ward. Seine Anherren sor wol , als auch er persönlich , waren vielfach von thm beleidigt worden , namentlich als Beherrscher Rache dafür an. diesem Staate von Holstein. zu nehmen , war fein fester Entschluß. 60,000 Ruffen , mit denen sich 6000 Preußen vereinigen follten , waren bestimmt , unter persönlicher Ans führung des Raisers , Holstein und Schleswig, wahrscheinlich auch noch andere Theile Dänemarks, zu erobern, Eine zahlreiche Flotte würde die Unternehmungen des Landheers unterstügt haben, Schon hatte sich Ulles in Marsch gesett, als Pes ters persönliches Unglück der ganzen Sache eine andere Gestalt gab.
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Sturm der östreichischen Verschanzungen einzuleiten. Es war am 24ten July , als er ausgeführt ward . Furchtbar wüthete der Kampf. Weder die faß ſenk» rechten Höhen mit ihren aufgeworfenen Erdhaufen und Wolfgruben, noch die Pallisaden und Feuerschlünde der Öftreicher vermochten die Preußen aufzuhalten. Mit den Händen schleppten sie Kanonen über steile Ab hanze, jedem Pferde unzugänglich, und in wenigen Stunden waren ſie Herren dieser so mühevoll von ih ren Gegnern errichteten Verschanzungen . 1400 Feinde lagen todt auf dem Wahlpaß, 2000 wurden ge fangen. Daun, mit dem Hauptheere, blieb in einiger Entfernung ruhiger Zuschauer des Kampfes. Den folgenden Tag verließen die Russen diejenis gen, deren Verbündeten sie während wenigen Wochen gewesen waren. Die Belagerung von Schweidniß begann nunmehr. Diese Stadt zu entsehen , wagte Daun einen Angriff auf ein abgesondertes preußisches Corps unter dem Herzoge von Bevern. Tapfer indeß vertheidigte sich dieser, und die Feinde sahen ſich endlich mit ansehnlichem Verluste zum Rückzug gezwun gen. Schweidnih selbst ergab sich den 9ren October nach einer merkwürdigen 631ågigen Belagerung, die 9000 Mann ftarke Besahung wurde rieggefangen. Mittlerweile errang der Prinz Heinrich in Sache fen ebenfalls verschiedene Vortheile. Verstärkt durch Truppen , welche disher den Krieg gezen die Schwe den geführt, schlug er in einigen kleinen Treffen sowol Die Reichtruppen, als auch die Östreicher, welche an fangs durch Serbelloni, nachher durch Haddick, befehligt wurden. Der lettere erlitt befonders den 29ren October bey Freyberg eine Niederlage, wo er 3000
440 Todte und Verwundete, und 4400 Gefangene, nebst 28 Kanonen verlor. Der Feldzug endigte sich in Sachfen und Schlesien mit einem Waffenstillstand für den künftigen Winter. Mit ziemlichem Glück kämpfte auch in diesem Feldzuge der Prinz Ferdinand von Braunschweig . Die Wiedereroberung Cassels durch die Alliirten beendigte auf diesem Punkte den Krieg ; denn zwey Tage nachs her (3ten November 1762) wurden zwischen Frankreich und England die Friedenpráliminarien unters zeichnet, worauf Ferdinand seine Truppen mit einer Das sonst so mächtige rührenden Rede entließ. Frankreich war durch diesen Krieg auf das Äußerste herabgekommen. Während seine zahlreichen Heere durch die wenigen Truppen der Verbündeten so manche Niederlage erlitten hatten , waren nicht bloß seine Flotten durch die Briten zerstört worden, ſondern dieselben hatten auch fast alle auswärtigen Befihungen Frankreichs erobert. Eine schlechte Verwaltung, eine gránzenlose Verschwendung bey Hofe, bereiteten immer mehr jene furchtbare Umwälzung vor, welche, untér Blut und Ruinen, ganz Europa umgestaltete, und eine Geistes-Revolution bewirkte , die unendlich mich, tigere Folgen hervorbrachte, als selbst die vielfachen Kriege, Staatveränderungen und sonstigen Ereignisse jeder Art, deren Förtdauer endlich, so lange die Mensch. heit exiflirt, unvertilgbar seyn wird. Frankreich war durch seine Verbindung mit Öftreich in sechs Jahren mehr an Geld und Menschen erschöpft worden, als durch alle Kriege gegen dasselbe in einem Zeitraum von zwey Jahrhunderten, " fagt sehr richtig Vol: taire.
441 Durch ben eben geschlossenen Frieden, dessen Urs heber der Lord Bute war, wurde der preußische König ganz seinen Feinden überlaſſen ; und als wenn man dem von ganz Europa bewunderten Helden geflisfentlich Hindernisse in den Weg legen wollte, so wurde im Kraftat ausdrücklich festgeseßt, daß Hannover, Heffen, Braunschweig, und andere Provinzen der Aliirten, von den Franzosen geräumt und zurück gegeben werden sollten; in Ansehung der preußischen Provins zen in franzöfifchen Händen aber, Eleve, Geldern, und anderer in Westphalen gelegenen, hieß es blos daß sie geräumt werden sollten. Der zwischen England und Preußen geschlossene Traktat , dessen vierter Artikel ausdrücklich besagte, daß kein Theil weder einen Sepa rat-Frieden , noch einen Waffenſillßand ohne des an dern Beystimmung machen solle , kam bey den neuen britischen Ministern in gar keine Betrachtung. Das Fönigliche und National Intereffe, die National-Ehre, und die Gesinnungen des Volks, wurden dabey ganz lich aus den Augen gesezt ; daher auch der Tag der Friedens Proklamation in ganz Großbritannien ein Trauertag war. Der preußische Gesandte in London protestirte förmlich gegen diesen traktakwidrigen treulofen Frie den, in so weit er seinen Herrn betraf; allein verge. bens. Dies Verfahren machte auf Friedrich den tiefsten Eindruck, und erzeugte bey ihm eine Abneigung, nicht gegen den schuldigen Hof, sondern gegen die un fchuldige ihn anbetende englische Nation , die nie ein stimmiger als zu seiner Rettung gewesen war, und alle feine Siege mit ausschweifenden Freudenbezeugungen gefevert hatte. Nie wurde ein ausländischer Fürst 13 Friedrich d. Eing, III.
442 von den Briten so vergöttert , als Friedrich. Die größten Redner des Parlaments von allen. Faktionen wurden nicht müde, ihn bis zum Himmel zu erheben; die englischen Dichter besangen seine Triumphe ; und ter Pöbel verbrannte die Bildnisse seiner gekrönten Feinde auf den öffentlichen Pläßen. Diese Nationalftimmung eines freyen und sehr kultivirten Völkő, die so viel auf der Waagschale des Ehrgeizes wiegen sollte, fonnte jedoch die politischen Sünden des Cabinets zu St. James nicht in Friedrich's Gemüthe aussöhnen. Die ganze britische Nation , die er nie recht kannte, mußte es entgelten. Ihr edler Enthuſiasmus für ihn, und ihre so bereitwillig für eine fremde Sache gegebe nen Subſidien wurden sehr geschwind vergessen. An die Stelle der Dankbarkeit trat eine Abneigung , die Friedrich auf mannigfaltige Art äußerte, und die auch nicht eher, als mit seinem Leben , erlosch. *) Der König von Preußen benüßte mittlerweile den geschlossenen Waffenstilstand, der sich aber nur auf Sachsen und Schlesien, und überhaupt blos auf die preußischen und öftreichischen Provinzen erstreckte, um ein Corps von 10,000 Mann in's Reich zu schicken. Er wollte die feindlichen Reichſtände mit Gewalt zur Neutralität bringen. Der Husaren General -Kleist erhielt den Auftrag, den er auch mit so viel Geſchwindigkeit, alsKlugheit, ausführte. Er erschien in FranBen, das fast ganz wider Friedrich verbünder war. Bamberg, Nürnberg, und eine Menge anderer Städte fielen in seine Hände, und mußten mit starken Brandschahungen die Plünderung abkaufen. Furcht und
(*) Archenholz.
443 Schrecken verbreiteten sich in ganzen Reich. Fast bis vor die Thore von Regensburg . streiften die preußischen Husaren, und die teutschen Amphiktionen zitters ten. Blos auf wiederholtë Bitten bey dem preußischen Gesandten Plotho ertheilte dieser , mit großer Vollmacht versehen, jener Stadt den erflehten Schuß. Zu den Merkwürdigkeiten dieser Zeit gehört es, wie Kleist's Truppen eine Menge von Reichstädten in FranEen mit leichter Mühe eroberten ; es wird dadurch auch flar , bis zu welchem Grad die teutschen Miniatur. Republiken herabgefunken waren . Fünf und zwanzig Husaren, welche mit einem Sturm gedroht hatten, er hielten die Thore von Rothenburg (an der Tauber) ge, öffnet. Die bewaffneten Bürger kamen von den WålTen herab, und bezahlten 100,000 Reichthaler Brandschahung; so ward auch die Reichstadt Windsheim durch Husaren mit Sturm erobert, und faſt allgemein sagte man sich endlich in Teutschland von dem Bunde mit der Kaiserin los. - Kleist's Zug beendigte den Krieg von 1762. Die Franzosen, nur verpflichtet, die westlichen Provinzen zu räumen , nicht aber an Preußen zurück zu geben, wollten diese den Östreichern überliefern. Einige Truppen, die Friedrich indeß in jene Gegenden sandte, vereistelten den Entwurf, und schon im Monat December des nämlichen Jahrs, das ihm bey seinem Beginnen so bestimmt den gånglichen Untergang zu weisagen schien, ſah er ſelbſt die fast während des ganzen Kriegs von den Feinden eroberten Provinzen , Preußen und Westphalen, wieder vellständig von allen Gegnern befreyt. Den folgenden Feldzug von 1763 so entscheidend als möglich zu machen, woute der König denselben mit 13 .
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200,000 Mann gegen Östreich eröffnen , während 25,000 Andere jene Reichstände zur Neutralität zwingen follten , welche ihre Contingente von der ReichSchon be armee noch nicht zurückberufen hatten. fürchtete man den König wieder mitten in Böhmen øder Mähren zu erblicken, und die Zerrüttung der östreichischen Finanzen verhinderte dieſen Staat an jedem Fräftigen Unternehmen. Doch, dessen ungeachtet wünschte auch Friedrich sehnlich den Frieden, denn schrecklich verwüstet und verheert lagen die preußischen Provinzen. Fast eine Million Menschen hatten Teutſch, land und die benachbarten Lånder verloren , und grånzenlos war allenthalben das Elend. Diesem fo ausgebreiteten, Jammer machte der 15te Februar 1763 ein Ende . An diesem Tage wurde Der Friede auf dem Schlosse Hubertsburg in Sachsengeschlossen, nachdem einige Tage zuvor der Reichtag in Regensburg sich förmlich neutral erklärt hatte., Nur ein Paar Wochen waren zu diesem so wichtigen Fries Densgeschäft erforderlich, weil man es jetzt ernstlich meinte, und daher die zweckmäßighten Maasregein ers griff, ef abzukürzen. Die Frieden Bråthe waren feine Staatsminister und außerordentliche Botschafter, die, fich gewöhnlich mehr durch Gepränge. Gaßmähler und Ceremonien als durch Arbeit auszeichnen, sondern drey wegen ihrer Klugheit und Thätigkeit, bekannte Månner, die mehr mit Verdiensten als mit Titeln prangten. Es war der öftreichische Hofrath Kollenbach, der preußischeLegationerath Herzberg, ſpåterer Staatsminister, und der sächsische geheime Nath Fritsch, Dieſe, mit großer Vollmacht versehen, entwarfen die Friedens Artikel, deren Inhalt vorzüglich die Räumung der im
445 Kriege eroberten oder befeßten Länder und Örter be traf; wobey von jeder Seite auf Entschädigung Vers sicht gethan wurde. Dies war die von Friedrich vorgeschlagene Grundlage der Unterhandlung. Der wiener Hof machte zwar Versuche, Glaß zu behalten, und erbot ſich dafür Ländereyen und Geld zu geben ; Friedrich aber wollte diesen wichtigen Ort für feinen Preis verlieren. Die Östreicher bequemten sich daher zur Zurückgabe desselben , wobey sie nichts von den neuen Festungwerken einrissen , sondern Alles ließen, wie es war, und dies mit der großmüthigen Erklärung, Die Kollenbach that, daß sein Hof sich kein Verdienst daraus zu machen gedächte. Der König befahl dage= gen , da die Räumung des Orts wegen mangelnder Pferde am bestimmten Tage nichtwol geschehen konnte, die Östreicher nicht zu übereilen. Sachsen wurde nun von den Preußen geräumt, nachdem sie noch zuvor mehr als jemals beschäftigt ge= wesen waren, die rückständigen Contributionen einzutreiben Noch nie hatte man deshalb so harte Maaßregeln ergriffen. Die sächsischen Einwohner, in Rücks sicht des nahen Friedens, wollten sich mit ferneren Lieferungen und Zahlungen nicht übereilen. Nun wurden reiche Leute in Verhaft genommen , Jünglinge aus wolhabenden Familien mit dem Soldatenstande , und ganze Städte mit der Plünderung bedroht. Durch Diese gewaltsamen Mittel, die selbst die gutmüthigsten Befehlhaber, durch königliche Befehle gedrängt, befol gen mußten, wurde der Zweck zum Theil erreicht, und große Summen, die man nie zu zahlen gedachte, zu , fammen gebracht. Diese preußischen Civil Operatio= nen in Sachsen wurden endlich noch mit einer fonder-
446 baren befchloffen . Friedrich, um in feinen Stags ten den großen Verluß an Menschen zu ersehen , bes fahl, die Soldaten zum Heirathen zu nöthigen. Eine große Menge Weiber zogen nun mit den Preußen aus dem Lande fort, und fast eben so viel Mädchen folgten ihnen nach. Sie trugen das ihrige bey, die verheerten Provinzen wieder zu bevölkern. So endigte sich dieser siebenjährige Krieg , eine der denkwürdigsten Weltbegebenheiten , die in den Jahrbüchern irgend eines Reichs verewigt find ; den erstaunenswürdigsten der Vorwelt gleich ; ein Krieg, der, reichan außerordentlichen mannigfaltigen Scenen, Die Erwartungen aller Menschen täuschte, und für die Feldherren , Staatmånner , und Philoſophen , jeden Volks und jeden Zeitalters , lehrreich seyn wird.
Anhang sum
dritten Bändchen.
a. Schlußbemerkung über den fiebenjå h rigen Krieg. (Nach Friedrich's Geschichte desselben. ) Wir ir können nicht umhin , einigeerzählten Betrachtungen Bege. der von uns hinzuzufügen benheiten aber die so große Scheint es nicht erstaunenswürdig, daß so oft die verschlagenſte menschliche Kluge heit, selbst wenn sie mit Macht vereinigt ist, das Spiel unerwarteter Ereignisse oder ungefährer Zufälle wird ? Ist es nicht offenbar , daß bey'm Unfange dieser uns ruben jeder vernünftige Mensch sich in dem Urtheil Erren mußte , welches er von der Entwickelung dieses
447. Krieges fallen konnte ? Wer vermochte vorherzusehen, oder auch nur sich einzubilden , daß Preußen, von den Macht Oestreichs, Rußlands, Frankreichs, Schwedens, und des ganzen heil . römischen Reichs angegriffen, dies sem furchtbaren Bünde widerstehen, und einen Krieg, wo Alles sein Verderben ankündigte, beendigen würde, ohne eine feiner Besigungen zu verlieren ? Wer konnte vermuthen, daß Frankreich mit seiner innern Stärke, mit seinen großen Bündnissen, mit so vielen Hilfquete len, seine ansehnlichsten Besigungen in Westindien ve lieren , und das Schlachtopfer dieses Kriegs perden würde ? Alle diese Thatsachen mußten im Jahre 1757 unglaublich scheinen. Wenn wir aber, nach geschehener Sache, die Ursachen prüfen , welche die Begebenheiten auf so unerwartete Weise umwandelten , so werden wir finden , daß folgende Umstände das Verderben Preußens hinderten. Nämlich) 1 ) der Fehler der Ei, nigkeit, der Manget der Uibereinstimmung zwischen den Mächten des großen Bundes. 2) Die überfeine und fublimirte Staatskunst des wiener Hofes, deren Grunds Tåge ihn veranlaßten , seinen Bundyenossen die schwers ften und gefahrvollsten Unternehmungen aufzubůrden, um bey'm Ende des Krieges seine Armee in besseres Verfassung und vollzähliger zu haben , als es die Ar meen der andern Mächte waren. Hieraus erfolgte vers schiedene Male , daß die dßtreichischen Generale durch eine übertriebene Vorsicht versäumten , den Preußen den Gnadenstoß zu geben, wenn deren Lage sich in vols lig hoffnunglosem Zustande befand, 3) Der Tod der russischen Kaiferin , mit welcher das mit Oestreich ge schlossene Bündniß zugleich begraben ward ; der Abgang der Russen, das Bündniß Peter des Ill. mit dem Kö nige von Preußen, und endlich die Hilfe, welche' dieser Kaiser nach Schlesien schickte, Ats die kriegführenden Mächte von dem Kampf. plas, worauf fie mit so vielem Haß und so vieler Erbitterung gekämpft hatten, abtraten, fingen sie an, ihre
448 Wunden zu fühlen , so wie das Bedürfniß , diefelben zu heilen alle litten , allein an verschiedenen Uibeln, Wir wollen sie hier gleichsam in einer Musterung vor, beyführen, um ein richtiges Gemålde von ihrem Vers luft und ihrer damaligen Lage zu entwerfen. Preußens Heere hatten in 16 Hauptſchlachten ges fochten, außerdem waren ihm 3 Corps von den Feins den fast gånglich zu Grunde gerichtet worden , und 5 Befaßungen waren verloren gegangen ; Gesammt:Vers luft (mit Inbegriff aller Gefechte 20.) 180,000 Ferner waren darch die Verheerungen der Russen umgekommen : 20,000 im Königreiche Preußen in Pommern 6,000 in der Neumark 4.000 im Churfürstenthum Brandenburg 3,000 Zusammen 213,000 Der Verlust der Alliirten ( Briten 2c. ) 160,000 Der ganze Verluſt der Preußen und ihrer Berbündeten war also 373,000 Ihre Gegner hatten verloren : a. Die Oestreicher , welche in 10 Schlachten gekämpft und 3 Befagungen verloren hatten 140,000 b. Die Ruffen , welche sich in 4 grof120,000 fen Schlochten befanden *) c. Die Franzosen 200,000 d. ". Schweden 25,000 e. " Reichtruppen 28,000 Busammen 513,000 Dazu die Verluste der Preußen zc. 373,000 Total 886,000
*) Die Verluste an Rekruten mitgerechnet , welche auf dem Marsche (zum Theil aus den entlegenſten Provinzen des Reichs) umkamen.
449 Ohne Zweifel wird die Nachwelt zu wissen wüns fchen , wie ein Fürst von so geringer Macht , als der König von Preußen, einen so verderblichen Krieg, sie ben Feldzüge hindurch , wider die größten Monarchen Europa's, hat aushalten können ? Benn der Verlust so vieler Provinzen ihn in Berlegenheit fehte , weng er beständig übermäßige Ausgaben zu bestreiten hatte, so bleiben dennoch einige . Quellen , welche die Sache möglich machten. Aus den Provinzen, die dem Könige verblieben, zog er 4 Millionen. Die Kriegsteuern von Sachsen betrugen zwischen 6 und 7 Millionen ; die Hilfgelder von England, weiche 4 Millionen ausmach ten, wurden in 8 verwandelt; die Münze , die man verpachtet hatte, brachte 7 Mill. ein, indem man den Berth des Geldes um die Hälfte verringerce ; རྞ་ überdies hatte man die Bezahlung der Civilgehalte aufgeschoben, um alle Gelder auf die Kriegausgaben wenden zu können .
2. Cato's von Utica legten Worte. (Aus dem Französischen ; zu Seite 433.) Tag des Fluch's , o Tag des graufen Weh! Dich, o mein stolzes Rom , fel ich verhöhnen , Es fant zu Staub von seiner freyen Höh Der Bau von deinen Göttergleichen Söhnenz Den Sieg erkauftest Du mit Heldenblut, Und Memphe musten Könige fröhnen, Gin Welt geirann Dein kühner Muth, Um einen frechen Räuber nun zu Eronen. Treulos , entartet ist Dein eig’ner Sohn, Das Schwert, das Du ihm gabst zum Truß der Feinde, Schwingt Cafar mit Gelüst zum Kaiferthron Und ratermörderisch trifft er die Freunde. In Rom Tyrann , der held in Gallien war, Empört er sich , die Freiheit zu verderben, Der Staat, wo jeder Bürger König war, Muß unter seinen Streichen stürzen , sterben.
450
Wir leben noch wir schau'n mit trübem Blick Die Schmach, die wir vergebens nur beſchworen ; Für Gåsar focht der Götter blindes Glück, Für uns das heil'ge Recht , und wir verloren. Mit Knechten schmück er seinen Siegeszuz, und schlage das entehrte Volk in Ketten, Wer aber nie gemeine Fessel trug, Ein edles Månnerherz , weiß sich zu retten. Ihr Helden vom pharſaliſchen Gefild, Der legten Römer ruhmbekränzte Manen, Aus Eu'rem Giabe hör ich , Zorneswild, Die Geister mich mit diesen Worten mahnen : ,,Auf Cato ! fliehe von dem wilden Ort, Die Schandthat tödtet hier der Freyheit Schimmer, und suchst Du Ruhe vor dem Bürgermord , Dann such' uns auf und unſ're ſtillen Trümmer.““ Ja edlen Råcher unsers freyen Rechte, Nicht weigert Cato sich der treuen Stimme, Er theilt die Schande nicht entarieten Geschlechts, Und rettet, fern von des Tyrannen Grimme, Fern von dem Ufer , wo Carthago stand, Fern von den Ketten , die die Feinde schmieden, Sich fren hinab zu Eu'rem stillen Land ; Dort darf ich über mein Geschick gebieten. Dann schwing ich mich mit heit'rer Stirn empor Und lasse hinter mir der Erde Mühen, Ich trete zu der Götter hohem Chor, Dahin darf Ruhm und Recht und Freyheit fliehen. Bu Euch , die Rom als seine Retter prieß, Zu Euch will ich mich heut , ihr Helden , wenden, Du , Cafar, neidest meinen Tod gewiß, Eich'st Du mich so als freyen Römer enden. Genug davon , Ihr Freunde , mir das Schwert! Ich führt? es nie , die Bürger zu verderben, Ich trug es für des Vaterlandes Herd, Nun will ich's mit dem eig'nen Blute fårben. Was zaudert Ihx, und haltet noch zurück ?
451 Meint Ihr, ich follte nicht die That vollführen ?! In meinem Willen ruht nur mein Geſchick ; Es führen zu dem Tode tauſend Thüren . Der Euch ein treuer Freund , ein Vater war, Den wollt Ihr lebend zu dem Feinde fickenz Ein freper Bürger unter feiger Schoar, Soll Cato , wie ein Sklav , Triumphe ſchmücken ? Besinnung Freunde ! daß wir uns verfteh'n ! Ein Beiser nimmt den Tod aus freyen Hånden ; Seh'n wir das Vaterland in Schmach verget’u, Der Feige lebt , es weiß ein Held zn enden. Beytrag zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Wir theilen hier , so weit es der Raum erlaubt, einige Stellen aus dem Ernennungs- Patent dre Gras fen von Stein zum Bicepräsidenten der berliner Ac cademie mit (vom 19. Jan. 1732) , woraus zu ersehen ist, welche außerordentlicher. Fortschritte die Civiliſation und die Wissenschaften in Preußen zu machen hatten, um zu dem Prunkte zu gelangen , auf welchem sie bey dem Lode Friedrichs sich befanden. Zuerst wird von der ,,Gelehrsamkeit und den .Mes riten des Hrn . v. Stein gesprochen , namentlich ,,in der Caballa, und Prüfung und Erkenntniß der guten und bösen Geister, deren Nugen, Gebrauch und Miß. brauch 2c." ; dann von seinem ,, an Fertilität und Frucht, barkeit dem besten Klee., oder Waizenacker gleichkoms menden Ingenium." Hierauf folgen einige Unweisungen wegen des Kalenderweſens ; u. a.:,,Dafern auch der Vicepräsident befondre Veränderungen anmerken sollte, e. g. daß der Mars einen feindlichen Blick auf die Sonne geworfen habe, oder, daß er mit dem Saturno, Venere und Merkurio im Qudrat ftünde , oder auch, daß der Zodiakus, wie bereits zu des Campanellä Zeiten anges merkt worden, sich noch weiter aus dem Geleise geben und rorrücken, oder auch, daß ein Wirbel des Himmels den andern , nach des Cartesii Principiis , abſchleifen
452 und verſchlingen ſollte, und daher eine unmåßige Un. zahl von Cometen oder Schwanzfternen zu vermuthen wäre, so hat der Vicepråſident ohne den geringsten Zelt: verlust mit den übrigen Sociis daraus zu konf.cieren, auch nicht allein auf die Ergründung ſolcher Unordnuns gen, sondern auch auf die Mittel und Wege, wie den, selben auch am besten abzuhelfen , bedacht zu seyn. ,,Und ob es zwar durch den Unglauben der Mens fchen dabin gedichen , daß die Kobolte und Gespenstér und Nächtgeiſter dergestalt aus der Mode gekommen, daß sie sich kaum mehr sehen laſſen dürfen , ſo iſt dem Vicepråficenten doch aus dem Praetorio bekannt, wie es an Nachtmehren , Bergmännlein , Drachenkindern, Jerwi chen, Nixen , Währwölfen, verwünschten Leuten und anderer dergleichen Satansgesellschaft nicht ermans gele , fondern deren Dinge eine große Anzahl in den Seen, Pfüten, Moräften, Haiden, Gruben und Hdhlen , auch beilicen Bäumen verborgen liegen , welche nichts als Schaden und Unheil anrichten, und wird er also nicht ermangeln , sein Aeußerstes zu thun , um diefelben, so gut er kann , ausjurotten, und soll ihm ein jedes von dieſen Unthieren, welches er lebendig oder todt liefern wird , mit 6 Thalern bezah:t werden. „ Aldieweil auch eine beständige Tradition iſt, daß allhier in der Churmak, fonderlich in der Gegend von Lennin, Wilsnek und Lebus konsiderable Schåhe vergra ben sind, zu deren Besichtigung, und um zu wiſſen, ob ſie noch vorhanden, gewisse Ordensleute, Jesuiten und and der dergleichen Geschmeiße und Ungeziefer von Rom tome men, so muß der Vicepräsident diesem Pfaffenpack fleißig auf den Dienst paſſen u. s. w., auch keinen Fleiß sparen, daß er vermittelst der Wünschelruthe, durch Segenſpres den, Alrunken, oder auf andre Art, wo folche Schize vergraben, ausfindig machen möge, und sollen tým zu jois chem Ente auf sein Verlangen die Zauberbücher, so in unſërm geheimën Aichiv vorhanden, nebst dem Speculo Salomonis verabfolgt werden u. ſ. w.“
Das Leben
Friedrich
des
Einzigen.
Von Georg Friedrich Kolb.
Viertes Bändchen.
Blicket hin auf die Chruſe , die Alexander , Cons stantine, Peter und Ludwige ! Alle waren groß, jeder nach seiner Art. Welcher von dieſen Herrſchern aber glänzte, im Frieden wie im Krieg, in jeder Beziehung, wie Er , der Einzige Friedrich; ― hier als Feldherr , dort als Philosoph , als Gesetzgeber und Dichter , vor Allem indeß als Vater des Volks ? - Wer von jenen, welche sämmtlich die (mit Lon oft nur allzu frengebige) Geschichte preist, hat, vor Ihm, so kräftig von den Rechten der Völker und den Pflichten der Könige gesprochen ?
Speyer und Leipzig. Bey Jakob Christ. Kolb und Friedrich Fleischer. 18 28.
Last Pius selig sprechen , wen er will ; ( Mein Heiliger ist Er ! Warum er's ist ?! Fremdling in Europa , der du fragst, und Friedrich, Ihn , den Einzigen , nicht kennst ! Weil er Gedanken dacht' in seinem Geist, So viel und groß , als noch von Unbeginn Bis diesen Tag in keines Königs Geist Zusammen kamen : weil sein füblend Herz Sein Glück in seines Volkes Freude fand, Und einen duldete , der zwischen ihm Und seinen Kindern eine Scheidewand, Vom Landesvater sie zu trennen , zogi Beil im Gefühl der angebornen Kraft, und ohne vor dem Lichte bang zu seyn, Er Licht , und Recht , und freye Thätigkeit Mit starkem Urm beschüßte ; weil sein . Reich Die Zuflucht des verfolgten Denkers wars Weil er, gleich groß im Frieden und im Krieg, Wohin der Bit ihm folgt , im ersten Rang Der Helden und der Friedenfürsten glänzt, 2c. 20. G. N. Fischer.
Sechster
Abschnitt.
(Von Februar 1763 bis zum Auguſt 1786,) Des Königs unausgefeßte Bemühungen zum Wohle seiner Staaten werden mit dem besten Erfolge gekrönt. Erfte Theilung von Polen.- Des bayerische Erbfolgekrieg und teschener Frieden.. Der Fürstenbund. Friedrich's legte Krankheit und Tod. Aus den Briefen von d'Argens hatte Friedrich ersehen, daß die Berliner ſeinen Wiedereinzug in die Hauptstadt wie ein Nationalfest zu feyern gedachten. Er verbat sich dieses auf das Bestimmteste , und als er am Abend des 30ten März ( 1763 ) , nachdem er nochmals das kunersdorfer Schlachtfeld betrachtet und lange darauf verweilt hatte, in seine Residenz zurück. kehrte, eilte er auf Nebenwegen zum Schloffe , wo er seine Freunde, aber nur wenige von jenen alten Lieb. lingen wieder fand , die einst die Bedürfniſſe ſeines Geistes und Herzens ſo glücklich befriedigt hatten. Da haben es mir meine guten Berliner übel ge nommen," ſagte er einſt in ſpåtern Jahren, als von dem Ende des siebenjährigen Krieges die Rede war,,, daß ich bey meiner Wiederkunft ihren Ehrenbogen, Illu minationen und Einholen auswich, und dachten, daßi 1.
456 ich ungehalten darüber geworden sey ; allein ich weiß es besser, warum es geschah ; sie sollten meine Thränen nicht sehen, die ich diesen Abend weinte , weil ich fie so lange, wiewol ohne mein Verschulden , dem Ungemach und dem Schrecken des Krieges hatte aus sehen müssen." - Ein Krieg, sieben Jahre lang unausgefeßt mit Erbitterung und Wuth, ja nicht selten auf die barbarischste Art geführt , hatte Leutschlands Gefilde mit Blut und Verwüftung erfüllt, und ſeine gesegneten Fluren in Einöden verwandelt. Eine Reihe von Dörfern fonnte oft der Reisende durchziehen , bis er nur einen Bewohner zu finden vermochte. *) überall fehlte es an Menschen, besonders an jungen Männern. Weiber mußten die Felder besorgen , und in vielen Provinzen mangelten auch fie. Unter allen Staaten hatte Preußen unstreitig am Meisten gelitten. Dennoch hatte es am Ende des Kriegs nicht blos keine Staatſchulden , ſondern die Kassen und Magazinen waren gefüllt , ohne daß die Steuern auch nur einmal während aller dieser Felds züge erhöht worden wåren. England , trop seiner vies len wichtigen Eroberungen, schien durch die Schuldens last niedergedrückt zu werden . Frankreich und Schwe den sahen einem Staat : Bankerot entgegen , und das reiche Ößtreich hatte jeßt 100 Mill . Thaler Schulden. Laffen wir nunmehr über das, was Friedrich* ,,Ein Officier schrieb , daß er ſieben Dörfer in Hessen durchritten , und darin nur einen einzigen Menschen gefunden habe. Dies war ein Prediger, der: ſich Bohnen kochte.''´* (Archenhol§.)
457 während des Friedens zum Wohle Preußend that, ihn Die Fürsten müſſen dem Speere des selbst reden. Achilles gleichen ," ſagt er ,,,welcher die Wunden selbst wieder heilte, die er verursachte; wenn sie den Völkern Unheil bereiten , so ist es auch ihre Pflicht, es wieder gut zu machen. Ein fiebenjähriger Krieg beinah' gegen alle Mächte Europa's hatte die Finanzen des Staats fast gänzlich erschöpft ; Preußen, die Pro vinzen am Rhein, und Westphalen sowol als Offries= land , die man nicht vertheidigen konnte , waren den JIhr Verlust Feinden in die Hånde gefallen. machte einen Ausfall von 3,400,000 Thaler in den königlichen Kaffen ; während Pommern , das Churfürstenthum und die Gränzen von Schlesien einen Theil des Feldzuges hindurch von den Russen , den Östreichern und den Schweden beseßt waren, wodurch fie außer Stand kamen , ihre Abgaben zu entrichten. Diese fümmerliche Lage nöthigte den König , während dieses Krieges seine Zuflucht zu der allergenauesten Haushaltung und zu dem zu nehmen , was der ents schiedendste Much eingiebt, um einen glücklichen Ausgang zu erringen. Die dringendsten Bedürfnisse wurden von den Contributionen der Sachsen, von den Hilfgeldern der Engländer , und dem veränderten Münzfuß bestritten , dies leßtere war ein gewaltsames und vielen Schaden verursachendes Mittel , aber es war unter dieſen Umſtänden das einzige zur Erhaltung des Staates. Diese Hilfquellen lieferten, bey einer ge hörigen Sparsamkeit, alle Jahre im voraus die Kosten des Feldzugs und den Sold: der Armee in die königlichen Kaffen. Dies war der Zustand der Finanzen, als im Jahr 1763 der hubertêburger Friede geſchloffen
458 ward. Die Kaſſen waren mit baarem Geldé versehen, die zum Feldzuge angelegten Magazine waren voll, und die Pferde für die Armee , die Artillerie, und das Proviantfuhrwesen, alles war vollständig und in guter Verfassung. Diese Hilfquellen , die zur Fortsehung. des Kriegs bestimmt waren , wurden noch nüßlicher angemandt den Provinzen wieder aufzuhelfen. Um sich eineVorstellung von der allgemeinen Zerrúttung des Landes , und von dem Kommer und der Muthlosigkeit der Unterthanen zu machen, deufe man sich ganze durchaus verheerte Landstriche, wo man kaum noch die Spuren ehmaliger Wohnungen entdeckte, von Grund aus zerstörte, oder zur Hälfte in Aſche gelegte: Städte, dreyzehntausend Häuser , von denen keine Trümmer mehr zu sehen waren , unbestellte Äcker, Einwohner , denen es an Brotkorn mangelte, Ackersleute, denen es an ſechzigtauſend Pferden zum Landbau fehlte, und in den Provinzen eine Verminderung ven 500 000 Seelen , gegen das Jahr 1756 gerechnet, welches bey einer Bevölkerung von 4,500,000 Men fchen sehr beträchtlich ist. Der Adel und der Bauer waren von so vielen verschiedenen Armeen ausgeplündert, und durch Contributionen und Fütterlieferungen ausgefogen worden ; der Feind hatte ihnen nichts als Das Leben und elende Lumpen zur Bedeckung ihrer Blöße gelaffen; da war kein Credit, um nur die tågs lichen Bedürfnisse der Natur zu befriedigen ; keine Polizey in den Städten ; an die Stelle der Billigkeit: and Ordnung war niedriger Eigennuh und anarchiſche Regellosigkeit getreten ; die Gerichthöfe und die Fis nanzbedienten waren durch so viele feindliche Über- fälle in Unthätigkeit gefeßt worden ; das Schweigen:
459 der Gefeße hatte bey dem Volke den Geschmack an Liederlichkeiten hervorgebracht, und daraus entstand. eine ungezähmte Begierde nach Gewinn ; der Edels mann , der Kaufmann , der Pächter , der Landmann, der Handwerker, alle erhöhten nach Belieben den Preis ihrer Lebensmittel und ihrer Waaren, und ſchienen an nichts als ihrem gegenseitigen Untergange zu arbeiten. Dies war das traurige Schauspiel, welches so viele vor Kurzem noch blühenden, Provinzen, nach dem Kriege darboten. So rührend man auch die Schilderung davon entwerfen möchte, sie würde nie den erschütternden und jammervollen Eindruck erreichen, den der Anblick selbst machte. *) * ,, .... Preußen hatte am meisten gelitten. Defte reicher, Franzosen, Russen, Schweden, Kreistrups pen , sogar der Herzog von Württemberg , alle hatten Verbeerungen im Lande angerichtet; auch hatte der Staat einen Aufwand von 125 Millionen Thaler zur Unterhaltung der Armee, und zu am dern Kriegausgaben gemacht. Pommern, Schle. fien und die Neumark , waren großer Summen benöthiget , um wieder in Stand gesezt zu wer den. Andere Provinzen , als das Herzogthum Krossen, das Fürstenthum Halberfladt , das Für. ftenthum Hohenstein , erforderten gleichfalls eine 8. beträchtliche Unterstützung ; und es bedurfte gross fer Anstrengung , und der Hilfe ungemeiner Bes triebsamkeit , um diese tånder wieder in den Zus stand zu bringen, in welchem sie sich vor den Uns ruhen befanden. Denn der größte Theil der Fels der lag unbebauet, weil es an Saatkorn und Bieh mangelte ; eben so fehlte es an Ullem , was zum. Unterhalt eines Volkes dient. Um so vielen Bedürfniſſen zu Hilfe zu kommen,
460 In einer fo fläglichen Lage war es nöthig, dem Unglück Muth entgegen zu ſeßen, den Staat nicht für verloren zu halten, ſondern den Vorsatz zu faſſen, ihn mehr zu verbessern , als nur wieder herzustel ten ; es war dies eine neue Schöpfung, die man unternehmen mußte. Man fand in den Kassen die Summen zum Wiederaufbau der Städte und Dörfer ; man zog aus den überflüssigen Magazinen das Korn, deſſen man zum Unterhalt des Volks und zur Beſäung des Ackers benöthigt war; die für die Artillerie, den Troß und das Proviantwesen bestimmten Pferde wurden zum Ackerbau angewandt. In Schlesien ward die Contribution auf sechs Monate, in Pommern und der Neu- · mark auf zwey Jahr erlassen. Eine Summe von ward, nach einer richtigen Eintheilung , in dieſem Provinzen vertheilt: 25,000 Maas Korn und Mehl, 17,000 Maas Haber , 35,000 Pferde fos wol von den Regimentern als von der Artillerie ; und den Edelleuten und Bauern gab man Le bensmittel. Außer diesen Unterstüßungen gab ber König drey Millionen an Schlesien, zur Wie, beraufhelfung dieser Provinz ; 1,400,000 Thale an Pommern und die Neumark, 700,000 Thaler an die Churmark, und 100,000 dem Herzogthum Cleve ; außer 800.000 , welche das Königreich Preußen erhielt. Die Steuern des Herzogthums Kroffen, des hohenſtein'ſchen und des balberstådts fchen, wurden auf die Hälfte herabgefeßt. Kurz, das Volk gewann wieder hinlänglichen Muth, um nicht über seine Lage zu verzweifeln , um zu ars beiten , und um durch Thätigkeit und Fleiß die Unglückfälle, welche der Staat erlitten hatte, mies der gut zu machen. " (Geschichte des siebenjährigem Kriegs von Friedrich II,)
461 2,339,000 Thaler half den Provinzen auf, und tilgte die Schulden , die sie hatten machen müssen , um die von den Feinden eingetriebenen Contributionen zu ber zahlen. So groß diese Ausgabe war, so war sie doch nöthig, oder vielmehr unvermeidlich. Die Lage die fer Provinzen nach dem hubertsburger Frieden erins nerte an diejenige, worin sich Brandenburg nach dem berühmten dreißigjährigen Kriege befand. Der Staat fonnte damals feine Unterstüßung erhalten, weil der große Churfürst nicht vermögend war ,, seinem Volfe beyzustehen ; und was war die Folge davon ? Daß ein ganzes Jahrhundert verſtrich, eh' es ſeinen Nachfolgern gelang, die verheerten Städte und Feider wieder here` zustellen. Ein fo in die Augen springendes Beyspiel bestimmte den König, bey so widrigen Umständen auch nicht einen Augenblick zu verlieren, und durch schleuni gen und hinlänglichen Berstand dem allgemeinen Elende abzuhelfen. Die vielfältigen Schenkungen flößten den armen Einwohnern, die über ihr Schicksal zu verzwei. feln anfingen, wieder Muth ein ; mit den Hilfquellen, womit man sie verſah, ermachte die Hoffnung wieder ; die Bürgerfühlten ein neues Leben ; die Ermunterung zur Arbeit erzeugte Thätigkeit ; die Liebe zum Vater, lande fing wieder an zu glühen, und bald waren alle Ländereyen wieder auf'e Neue angebaut, die Gewerbe wurden wieder lebhaft, und die Wiederherstellung der Polizey steuerte allmählig der Regellosigkeit , die sich während der Anarchie eingewurzelt hatte. „ Während dieſes Kriegs waren die ältesten Räthe und alle Miniſter vom General- Direktorium nach und nach gestorben, und während den Unruhen war es unmöglich gewesen, ihre Stellen zu ersehen. Die große
462 Verlegenheit war › ‹Männer wieder zu finden , die im Stande waren, jene mannigfachen Geschäfte zu füh ren; man ſuchte in den Provinzen nach.no aber die tüchtigen Leute eben so selten waren, als in der Haupt ftadt; endlich wurden Herr von Blumenthal , Herr von Massow , Herr von Hagen und der General von Wedel ausgewählt, diese wichtigen Posten zu bekleiden, und einige Zeit nachher bekam Herr von Horft das fünfte Departement. In der ersten Zeit war die Staatverwaltung hart und unangenehm ; alle Einkünfte hatten Ausfälle, und doch mußten die Staatausgaben pünktlich bestrit ten werden. Ungeachter die Armee durch die Neduktion, während des Friedens, auf 150,000 Mann herabgeſeht worden war, so sah man sich doch in Verlegenheit, den Sold derselben aufzubringen. Den Krieg hindurch hatte man alle, die nicht zum Kriegstande gehörten, mit Papier bezahlt; dies war noch eine Schuld, die getilgt nerden mußte, und die außer den übrigen nöthigen Zahlungen sehr beschwerlich wärd. Dennoch brachte der König es gleich im ersten Jahre nach dem Frieden dahin , alle Gläubiger des Staats zu bezahlen , und keinen Pfennig von dem ſchuldig zu seyn, was ihn der Krieg gekostet hatte. Man hätte ſagen ſollen, die durch den Krieg verursachten Verheerungen wåren noch nicht binlänglich gewesen, den Staat zu Grunde zu richten ; denn kaum war de selbe geendigt, als häufige Feuer brünste beynah' eben so viel Schaden anrichteten, als es vorher der Feind gethan hatte. Die Stadt Königss berg ward (von 1765 bis 1769 zweymal in Asche gelegt , in Schlesien zerstörte dasselbe Schicksal die Städte Freistädtel, Öberglogau, Parchwig, Hainau,
463 Naumburg am Queis und Goldberg, in der Churmart Nauen , in der Neumark Calies und einen Theil von Landsberg, in Pommern Belgard und Tempelburg . Diese Unglückfalle erforderten unaufhörlich neue Aus gaben, sie wieder gut zu machen . Unt so vielen außerordentlichen Bedürfnissen Genüge zu leisten, mußte man auf neue Hilfquellen denken ; denn außer dem, was die Herstellung des Flors der Provinzen ters forderte, verzehrten die neuen Festungwerke und das Umgießen der Kanonen beträchtliche Summen. Man war betriebsam. Die Einkünfte aus den Zöllen und der Acciſe waren nicht genau verwaltet worden , weil es den Unterbedienten an. Aufsehern, fehlte ; diesen wichtigen Theil der Kroneinkünfte auf einen sicheren Fuß zu stellen, sah sich der König genöthigt, da diejenigen , die an der Spige dieses Zweiges der Staatverwaltung gestanden hatten, während des Kriegs gestors. ben waren, seine Zuflucht zu Ausländern zu nehmen, und zog einige Fanzosen in ſeine Dienste, die in dieſem Geschäfte eine lange übung befaßen. Man führte feine Pachtung für eine gewisse Summe, sondern eine Regie ein , weil dies der bequemßte Ausweg war , wodurch man die Acciſebedienten verhindern konnte, das Voll zu drücken , wie man dergleichen Mißbräuche in Frank reich allzuhäufig sieht. *) Die Auflagen aufdas Korn Dies geschah; man verschrieb Regisseurs aus Frankreich ; die General:Acciſes Adminiſtration wurde eingeführt, von allen Landeskollegien un abhängig gemacht, und diese erhob von dem ero ften Juny 1766 an die Einkünfte , welche bisher durch die Kammern mittelst Zoll und Ucciſe ſex hoben worden w -ten. Obgleich dieſe Ginrichtung
464 wurden herabgefeßt , und der Preis des Biers ward um ein Weniges erhöhet, um jene zu erfeßen . Durch diese neue Einrichtung wuchsen die öffentlichen Ein fünfte, sonderlich von den Zöllen, durch welche fremdes Geld in das Land kam ; aber der größte Vortheil, der daraus entstand, war die Verminderung der Conter bande, die für ein Land, das Manufakturen hat, ſo ver‹ derblich ist. < Wenn ein Land wenig Produkte hat, und seine Zuflucht zum Kunstfleiße seiner Nachbarn nehmen muß, so muß die Handlungěbilanz ihm nachtheilig seyn ; es bezahlt mehr an Geld an die Fremden, als es von ihnen einnimmt ; und wenn dies ſo fortgeht, so muß es sich nach einer gewissen Reihe von Jahren von baarem Gelde entblöst sehen. Man nehme jeden Tag Geld aus einem Beutel , und lege nichts hinein ; er wird bald leer seyn. Hiervon kann Schweden ein Beyspiel geben. Um diesem übel zn begegnen, gibt es fein an deres Mittel, als die Vermehrung der Manufakturen; dadurch gewinnt man an feinen eigenen Produkten manches Gute hatte, so war sie doch auch für das Land sehr drückend , welches aber nicht dem Kös niqe , sondern dem Despotismus der Provinzial. Direktoren und Unterbedienten zuzuschreiben ist. Indeß erreichte der König seine Absicht ; die Ein. künfte wurden seit der Zeit jährlich um ein Be, trächtliches vermehrt , und befrugen gegen das Ende der Regierung beinah' doppelt so viel, als fie im Jahr 1765 betragen hatten. Dabey blů. heten Manufakturen und Fabriken, und das Land nahm an Wohlstand und an Bevdikerung sichtbar zu ; ein Beweis von der Güte der Staatverwal tung und der achten und zugleich menschenfreunds lichen Politik des Regenten," (Funte.)
465 alles , und an den ausländischen wenigstens den Ar. beitlohn. Diese Såße, die eben so wahr als handgreif= lich sind, dienten der Regierung zur Nichtſchnur ; nach ihnen wurden alle Handlung Einrichtungen abgemes fen. In der That gab es 1773 schon 264 neue Fabris ken in den Provinzen. Unter anderen legte man in *Berlin eine Porzellanfabrik an, die 500 Personen ers nährte, und in Kurzem die sächsische übertraf. Man legte Tabakfabriken an, welches eine Gesellschaft von Privatpersonen unternahm . Diese hatte in allen Provinzen Niederlagen, aus denen die Provinzen versorgt wurden, und gewann an der Ausfuhr für die Fremden fo viel als der Einkauf der virginischen Blätter kostete. Die Einkünfte der Krone wurden dadurch vermehrt, und die Inhaber der Actien zogen zehn Prozent von ihren Capitalien; der Krieg hatte gemacht , daß die Preußen an dem Wechselhandel verloren , ungeachtet gleich nach dem Frieden das schlechte Geld eingeschmol= zen und nach dem alten Fuß ausgeprägt ward ; diesem Übel vorzubeugen, gab es kein anderes Mittel, als die Errichtung einer Bank. Um dieselbe zu gründen, gab derHof800,000 Thlr. zu einem anfänglichen Fonds für ihre Geschäfte her. Anfange machte die Bank einigen Verlust, und litt entweder durch die Unwiſſenzeit, oder durch die Untreuë derer, die sie verwalteten. Seite dem aber Herr von Hagen darüber die Aufsicht übernahm , ward Pünktlichkeit und Ordnung dabey einges führt. Man gab nicht mehr Papiere aus , als wozu der Fonds hinreichte, ſie zu bezahlen. Außer dem Vortheil, den dieſes Institut zur Erleichterung des Han> dels varbot, entstand dadurch noch ein Gewinn für das Publikum. In vorigen, Zeiten war es der Gebrauch, 2 Friedrich d. Einz. IV.
$466 daß die Pupillengelder bey den Gerichthöfen niedergelegt wurden, und die Pupillen , die während der Dauer der Prozeſſe von ihren Capitalien nicht die ge ringsten Zinsen zogen, mußten noch jährlich ein Prozent bezahlen ; seit der Zeit aber wurden dieſe Truppen bey der Bank belegt, und diese gab den Pupillen drey Prozent, so daß sie, wenn man rechnet, was sie sonst an die Gerichthöfe bezahlen mußten, im Grunde vier Prozent gewannen. ,,Die Fürsten find, gleich dem Privatmann, gend thigt, von der einen Seite Geld zuſammen zu bringen, wenn sie von der andern Aufgaben haben. Die guten Landwirthe suchen die Bäche zu leiten und bedienen sich Derselben, das trockene Erdreich zu bewässern, welches aus Mangel der Befeuchtung nichts tragen würde ; eben diesem Grundfaße zu Folge vermehrte die Regie, rung ihre Einkünfte, um sie zu dem Aufwande verwen dén zu können , den das allgemeine Beste erforderte. Sie begnügte sich nicht , blos das wieder herzustellen, was der Krieg verwüstet hatte ; sie wollte Alles verbes fern, was einer Verbesserung fähig war. Sie beschloß daher, von allen Arten des Bodens Vortheil zu ziehen ; fie machte Moråſte urbar, brachte Ländereyen durch Vermehrung des Viehſtandes in größere Aufnahme, und machte selbst die Sandschollen durch angepflanzte Holzungen nugbar. Ungeachtet wir uns auf kleine ein= zelne Gegenstände einlaſſen, ſo ſchmeicheln wir uns doch, daß sie der Nachwelt angenehm seyn werden. Die erste Unternehmung dieser Zeit betraf die Neße und Warte, deren Ufer man'urbar machte , nachdem man tie stehenden Gewäſſer durch mehre Kanäle an verschie denen Orten in die Oder geleitet hatte ; die dadurch
467 verursachten Kosten betrugen 750 000 Thaler , und 3500 Familien wurden in diesen Gegenden angefeßt. Der Adel und die Städte in der Nachbarschaft dieſer Flüffe vermehrten ihre Einkünfte beträchtlich. Das Werk war 1773 geendigt , und seit der Zeit stieg die Bevölkerung daselbst auf 15 000 Seelen. Man trock nete nochmals die Moråste aus, die sich bis Friedberg erstreckten , und sehte dort 400 ausländische Familien an. In Pommern zapfte man viel von dem Madujeſee und der Leba ab, wodurch der Ade! dreytausend Morgen Wiesen gewann. Ähnliche Vorkehrungen wurden auch in der Gegend von Stargard , von Kammin, Treptow, Regenwalde und Kolberg getroffen. In der Mark trocknete man die Moråste der Havel, des Rhin nach Fehrbellin zu, und der Finow, zwischen Ratenau und Ziefar, aus ; ohne das Geld zu rechnen, was dem Adel zur Verbesserung der Landgüter gegeben wurde, und welches ansehnliche Summen betrug. Zu gleicher Zeit führte man in Ostfriesland, im Dollart, Deiche auf, vermittelst deren man fußweise das Erdreich wieder gemann , welches 1724 vom Meere überschwemmt worden war. Man baute im magdeburge schen 2000 neue Familien an. Ihre Hände waren dort um ſo nöthiger , da sonst die Bauern aus Thüringen hinkamen, um bey der Erndte zu helfen ; seit der Zeit konnte man sie entbehren. So viel Sorgfalt der verstorbene König auch angewandt hatte, Preußen, welches durch die Peſt 1709 verheert worden war, wieder zu bevölkern, so war es ihm doch gelungen, es wieder in den blühenden Zustand zu sehen, worin es sich bes funden hatte, eh' es von dieser Landplage heimgesucht ward. Aber der König wollte nicht, daß diese Provinz 2 .
468 ben übrigen nachstehen sollte, vnd seit dem Tode feis nes Vaters hatte er 13,000 neue Familien dort angefeßt. Schlesien verdiente nicht weniger Aufmerksam = feit und Sorgfalt , als die übrigen Provinzen , um es wieder empor zu bringen . Man begnügte sich nicht, alles wieder auf den alten Fuß herzustellen, man wollte Verbesserungen bewirken ; man machte die Priester nüßlich, indem man alle reichen Äbte anhielt, Manufakturen anzulegen ; hier sah man Weber, die leinenez Tischzeug verfertigten, dort Ölmühlen, dort Lohgerber, oder Kupferschmiede und Mesfingarbeiter, je nachdem es für die Örter, oder nach Beschaffenheit der Landesprodukte, thunlich war. Hiernächst vermehrte man die Zahl der Landbauer in Niederschlesien mit 4000 Familien. Es wird ohne Zweifel befremdend ſcheinen, daß man die Menschenzahl, die vom Ackerbau lebt, so sehr in einem Lande habe vermehren können, wo kein einziger Acker unbebaut liegen bleibt. Die Ursache davon war, daß viele Gutbesißer, um ihre Landereyen zu ver mehren, sich unmerklich die Äcker ihrer Unterthanen zugeeignet hatten ; håtte man dieſen Mißbrauch geduldet, so würden mit der Zeit mehre Vorwerke leer gestanden haben, und der Boden, zu dessen Bearbeitung es an Händen gefehlt hätte, würde weniger getragen haben. Mit der Zeit würde jedes Dorf seinen Eigens thümer und seine Lehnleute gehabt haben ; nun flößt aber Landeigenthum den Bürgern Anhänglichkeit an ihr Vaterland ein ; diejenigen, die nichts Eis genes besigen, können sich nicht an ein Land hången, wo sie nichts zu verlieren haben . *) Da dies "). Eine sehr wahre und richtige Bemerkung.
Leis
469 alles den Gutbesitzern vorgestellt ward', so bewog ihr eigener Vortheil ſie, dare n zu willigen, daß die Bauern wieder auf den alten Fuß geſeßt wurden. Zur Vergel tung unterstüßte der König den Adel mit ansehnlichen Summen, um seinem gänzlich gesunkenen Credit wie der aufzuhelfen. *) Die Regierung bezahlte für dender gibt es nur so Biele, namentlich auch Fürſten, welche durch die Bereicherung von Wenigen , auf Kosten der gesammten Nation , die Throne und Regierungen fester zu stügen vermeinen, uneinges denk , oder nicht einsehend , daß die Liebe des Volkes die festeſte, unerſchütterlichſte Stüße jeder Regierung ist. Nach diesem weiſen, ſo natürlichen, Grundfag, handelte Friedrich ; nach einem ente gegen gefeßten Systeme herrscht der türkische Sultan ; darum läuft dieſer jeden Tag Gefahr , er: drosselt zu werden , während in den furchtbaren Krieven des ersteren die treue Anhänglichkeit der preußischen Nation an ihn, die edle Selbstaufopfe rung derselben, ungleich mehr noch den König in jenen Zeiten der höchsten Gefahr, aufrecht erhielt, als selbst seine außerordentlichen Talente. *) Der große Friedrich zeigte nicht selten eine fchädliche Vorliebe für den Adet. Als erblicher König , als erster Udeliger seines Staats , der feine eigenen Vorrechte selbst dem Zufalle der Ges burt verdankte , sprach und handelte er anders, wie als Philoſoph und Mensch . In einem Auffaße, worin Friedrich die Ver. besserungen aufzählt , welche nach dem 7jährigen Krieg bey'm preußischen Miticårwefen vorgenom men wurden , fagt er u. a .: man habe die bůr, \ gerlichen Offiziere möglichst von den Befehlhabers stellen entfernt, und diese , zur Ergänzung felb mit fremden, Adeligen beſezt ; denn im Allgemei«
470 felben 500,000 Thaler Schulden, und fügte noch ans dere 500,000 hinzu , um ſeine Güter in Stand zu feßen. Die Städte, welche am meisten gelitten hatten, erhielten gleichfalls Unterstügung ; Landshut bekam 200,000, Striegau 40 000, Halle 40,000, Kroſſen 24,000, Reppen 6000, Halberstadt 40,000, Minden nen habe der Adel Ehre, obschon man bisweilen Talente und Verdienste auch bey Personen aus treffe , die nicht von Geburt seyen. Ein andermal indessen sagte er : Wie viele Feldherren, wie viele Staatminister und Kanzler find nicht von bürgerlicher Abkunft ! Europa ist boll von solchen Männern , und dadurch nur um desto glücklicher; denn so sind dieſe Stellen dem Verdienste ertheilt. --- Ich sage dics nicht , um das Blut der Wittekinde , der Carle , der Ottone zu verachten ; im Gegentheile muß ich, aus mehr als einem Grunde , das Blut der Helden lieben : noch mehr aber liebe ich das Verdienst." Funke bemerkt bey diesen bezden Gelegens heiten Folgendes : ,,Große Månner fehlen auch. Hiervon haben wir in dieser Stelle ein auffallendes Beyspiel. Wie ? "Verdienst und Talent wird nur bisweilen unter Personen, die nicht von Geburt find, angetroffen ? und diese Fålle sollen selten senn ? Wie kann man doch der Erfahrung ſo gerade hin in's Angesicht widersprechen ? Auch behauptet die Wahrheit ihr Kecht wieder in der gleich darauf folgenden Stelle: "I Wie viele Feld= herren 2c." Das Benigste, was man sagen kann, ist dieses , daß Verdienst und Talent eben fo wol unter Bürgerlichen , als unter Udeligen ges funden werde : man würde aber auch der Wahrbeit nicht zu nahe treten, wenn man noch etwas mehr sagte. Es ist natürlich , daß sich derjenige
471 20,000 , Bilefeld 15,000 , und die Städte in der Grafstadt Hohenstein 13,000 Thaler. Alle diese Ausgaben waren nothwendig ; man mußte eilen , Geld in die Provinzen zu verbreiten, um ihnen desto schneller weniger um Verdienst bemüht), welchen schon Geburt und Stand in den Genuß der Früchte desselben segen, " Das Vorurtheil, daß nur der Udel zu den höhern Posten bey dem Militär tüchtig sey, vec. leitete den sonst so unpartheischen und Gerechtize keit liebenden König zu manchen Ungerechtigkeiten, wovon er selbst hier eine erzählt. Warum wurden die bürgerlichen Officiere, die doch im Kriege gute Dienste gethan hatten , nach Endigung desselben unter die Garnison - Regimenter gesteckt ? Doch wol nicht zur Belohnung und zur Aufmunterung ? Und welcher bittere Spott liegt in den Worten : ,,wo sie wenigstens eben den Werth hatten , als die, an deren Stelle sie kamen zc." Was kann man von einem Officiere weiter verlangen , als die zum Dienste nöthige Geschicklichkeit, Erfahrung, Klugheit und Tapferkeit ? Hatten sie diese Eigen. schaften nicht; warum machte man sie zu Offi: cieren ? Besaßen sie dieselben aber, warum licß man ihnen nicht ihre Stellen ? Der Grund , den der König angiebt , ist in der That ein wenig seltsam ? ,, Im Allgemeinen hat der Adel Ehre." Also der Bürgerſtand nicht ? Und was heißt das : der Adel hat Ehre ? vermuthlich doch: er hált auf Ehre , er liebt die Ehre . - Nun ja , wenn Ehre ausschließlich sich auf die Geschicklichkeit, Menschen nach den Regeln der Kunst zu tödten, gründet ; so muß man dem Adel eine vorzügliche Liebe zur Ehre einräumen, indem er jener Kunst seinen ersten Ursprung verdankt , und zum Theil
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wieder aufzuhelfen . Wen man unter dieſen Umſtånden eine strenge Haukhaltung håtte anwenden wollen , so wåre vielleicht ein Jahrhundert verstoffen , eh' tas Land wieder blühend geworden wåre; aber durchdie noch jest kein anderes Mittel, sich zu nåhren und ſich empor zu schwingen, kennt, daher Friedrich ganz recht sagt : dem Edelmann bleibt keine andre Hilfquell übrig , als sich mit dem Degen hervor zu thun. - Wir wissen aber auch, daß noch vor etlichen hundert Jahren der Adel seine Ehre in Räubereyen suchte , und daß der Bürger , wenn er sein Gewerbe dieser Ehre vorzieht , deshalb nicht zu verachten ist. Kömmt es darauf an, nicht der leidigen Ehre wegen , sondern aus wahrer Liebe zum Vaterlande zu streiten, so giebt der Bürgerſtand dem Adel weder an Tapferkeit , noch an Geschicklichkeit in der Kriegkunst nach, wie in den neuern Seiten Amerika und Frankreich gezeigt hat." Wol hat Funke recht , wenn er auf Amerika und Frankreich hindeutet. Wie würde dieser König erstaunt ſenn, wenn er gesehen håtte, auf welche Art von dem Tage von Valmy an, bis zu jenem von Ligny , seine adeligen Officiere , trok ihrer oft so ganz aufferordentlichen (materiellen) Uebers legenheit, den ganz unverhältnißmåßig höheren Lalenten ihrer Gegner , die beynah' alle bürs gerlicher Abkunft waren , weichen mußten ?! www. Hierher gehört auch folgende Anekdote. Guichard , der Sohn eines Töpfers (von frans zösischen Ausgewanderten abstammend , und in Magdeburg geboren) , hatte zu Halle ſtudirt, we er sich besonders auf alte Sprachen legte , und war hierouf in preußische Militärdienste getreten. Er kam zu Anfange des Jahres 1758 in Breslau
473 Eile, mit welcher man zu Werke ging, famen mehr als hundert tausend Menschen wieder in ihr Vater= Land. Auch hatte ſich von dem Jahr 1773 an die Be= völkerung , wenn man sie mit der im Jahr 1756 vergleicht, um mehr als 200 000 Seelen vermehrt. Man begnügte sich damit nicht ; in Erwägung, daß die Zahl an , und machte den Feldzug dieses Jahrs als Hauptmann von der Armee im Gefolge des Königs. Friedrich unterhielt sich mit ihm oft über Gegenstände aus der alten Kriegkunft. Einst wurde von der pharsalischen Schlacht gesprochen, und der König erwähnte einer rühmlichen That des Quintus Cacilius , der Centurio ben der zehnten Legion war. Guichard sagte , er heiße Icilius. Der König widersprach. Man holte das Buch , und es fand sich , daß Guichard Recht hatte. - Nun , - fagte der Monarch, - so soll er auch Zeitlebens Quintus Icilius heißen ! Nach dem Kriege , in dem er bis zum Obristlieutenant und Commandanten eines Freibataillons stieg , zog ihn der König in feinen näheren Umgang, und gab ihm eine Wohnung im Schloß. Der Monarch wünschte , daß Guichard sich mit einer reichen jungen Wittwe von bürgerlicher Abkunft aus Berlin verheirathe ; dieser aber liebte ein adeliges Fräulein ohne Vers mögen , und bat den König in einem Schreiben um ſeine Einwilligung zur Verbindung mit dieser Dame. Bey der Tafel, wo Friedrich oft gern Pfeile des Wiges auf seine Umgebung abschoß, aber auch ohne Verdruß annahm , wenn ihm solche erwiedert wurden, sagte er zu dem Obrist= lieutenant : Hören Sie doch, Guichard ! Ein Töpferfohn bittet mich um die Einwilligung zu seiner Heirath mit einem Fräulein von altem
474 der Einwohner den Reichthum des Regenten ausmacht, fand man Mittel , in Oberschlesien 213 neue Dörfer anzulegen, deren Einwohner sich auf 23,000 beliefen, Adel. Ist dies nicht eine große Verwegens heit ?" -- ,,Warum , Eire ? antwortete Guis chard; wir sind alle aus einem Thon gemacht.“ Mit diesen Worten stand er empfindlich auf, und entfernte sich Der König schien es nicht zu bemerken Erst bey dem Kaffee fragte er : ,,Wo ist Guichard ?" Man sagte ihm , er sey auf fein Zimmer gegangen. Friedrich fändte einen Abbé , der von der Gesellschaft war , um ihn zum Kaffee abzuholen. Dieser. stellte dem Obristlieutenant vergebens vor, wie er sich durch seinen Troß die Ungnade des Monarchen zuziehen werde. "„Nein ! versezte Guichard ; ich komme nicht. Sagen Sie dem König , wenn er einen Narren haben "wollte , so sollte er ihn auch beffer bes zahlen Der Abbé hinterbrachte , traulich die Antwort. Friedrich lachte herzlich, und sagte: ,,Nun, nun ! Er wird schon wieder gut werden.“ Über Guichard , ließ sich auch die folgender Lage nicht sehen . Nach einigen Wochen erbielt der König antike Statuen aus Italien , die er im Garten zu Sanfouci aufstellen lassen wollte. Er ließ Guichard , als Kenner , mit ter deßs B fallsigen Unordnung beauftragen. Dieser gehorchte sogleich dem Befehle, verfügte sich in den Schloßs gasten , und leitete die Aufstellung der Kunsts werke. Friedrich erſchien , und bezeigte ihm auf die wolwollendste Art seine Zufriedenheit. Als Guichard nach Hause kas , lag auf seinem Tisch ein versiegeltes Paquet Er öffnete es, und fand darin die königliche Erlaubniß zu seiner Vermählung mit dem gedachten Fräulein. -
475 und man machte den Plan, die Landbauer in Pommern mit 50,000 und in der Churmark mit 12 000 zu vermehren, welches auch gegen das Jahr 1780 in's Werk gerichtet war. Um den Erfolg aller dieser Veranstal tungen zu beurtheilen, darf man nur eine Vergleichung zwischen der Volkmenge im Jahre 1740 anstellen. Das Verhålniß ist folgendes. • 1740 370 000 Einw. Preußen . 1779 780 000 1740 480,000 das Churfüstenthum 1779 -710,000 220,000 Magdeb. u. Halberst. 1740 1779 280,000 1740 1 100,000 Schlesien . 1779 - 1,520.000
Vermehrung
1,120,000
Man würde glauben , daß so erstaunliche Aus gaben die Fonds und die Einkünfte der Krone erschöpft haben müßten ; indeſſen muß man noch den Aufwand, den die Festungen , sow I die Verbesserung der alten als die Anlegung der neuen, verursachten, ſammt dem Gelde hinzufügen, welches zur Wiederherstellung der Artillerie erfordert ward ; diese ganze Summe stieg bis auf 5,900,000 Reichthaler. Die Regierung richtete ihr Augenmerk ununterbrochen auf alles. Des König machte diesen Aufwand keineswegs, wie es bey großen Höfen gewöhnlich geschieht , um Aufsehen zu erregen er lebte wie ein Privatmann , um nicht seine vornehmsten Pflichten zu verabsäumen . Mittelst einer strengen Haushaltung ward der große und fleine Schaß angefüllt ; jener um die Kosten eines Kriegs
476 herzugeben, und dieser um Pferde und alles was nöthig ift, eine Armee in Bewegung zu sehen , anschaffen zu können. Überdieß wurden 900,000 Rthl. in Magdeburg und 4,200 000 Rthl. in Brešlau zum Ankauf des Futters nieder gelegt. Dies Geld war baar vore handens als der Krieg zwiſchen der Kaiserin Catharina und Muſtafa auɛbrach. ( 1769 ) Nach den gemachten Vertragen mußte der König jährlich 500,000 Rthl. Subſidien an die Ruſſen bezahlen , so lange die Unruhen in Polen und der Türkey fortdauerten. Das Wohl des Staats und das gegebene Wort machten diese Aufgabe nothwendig, die übrigens ſehr zur Unjeit fam, zumal wegen der großen Finanzanstalten, womit man beschäftigt war , und die allein schon be trächtliche Summen verzehrten. Es war daher Pflicht der Staatkunst, das Land für die nach Rußland geſandren Summen zu entschädigen, die, wenn nicht die gegenwärtigen Umstände obgewaltet, für die Provin zen der preußischen Monarchie viel vortheilhafter hätten angelegt werden können. Im folgenden Jahre (1770) kam ein allgemeiner Mißwachs im ganzen nördlichen Europa hinzu. Späte Frößte verdarben alle Gewächse : hieraus entstand die Besorgniß eines neuen Unglücks für das Valk , und eine neue Pflicht, demselben beyzustehen. Man gab den Armen Korn umsonst. Da aber die Konsumtion der Lebenmittel geringer ward, fo fand sich in dem Ertrage der Accise ein Ausfall von 500,000 Rthl. Der König hatte große Magazine sowol in Schlesien als in seinen Erbländern angelegt: 76,000 Wispel waren aufgeschüttet um die Armee ein Jahr lang zu unterhalten , und 9000 Wispel waren blos zum Bedürfniß der Hauptstadt
477 bestimmt. (1771. ) Diese vorsichtigen Anstalten : ret teten das Volk von der Hungersnoth, wovones bedroht ward. Das Kriegheer ward, aus den Magazinen gespeist ; und außer dem unter das Volk vertheilten Korne ward noch zur Saat aus denselben geliefert. Auch das Jahr darauf (1772) war die Erndte schlecht; aber wenn der Scheffel Roggen in den Staaten des Königs zwey Rthlr. und etliche Groschen galt, ſo war das Elend in den benachbarten Ländern noch ungleich größer. In Sachsen und Böhmen galt der Scheffel fünf Rthlr. Sachſen verlor mehr als 100 000 Einwohner, die theils vom Hunger hingerafft wurden, theile auswanderten. Böhmen verlor auf's Wenigste 180,000 Seelen ;: mehr als 20 000 Bauern aus Böhmen und eben so viele aus Sachſen ſuchten ihre Zuflucht gegen das Verderben in den Staaten des Königs. Sie wurden mit offenen Armen aufgenommen , und angewandt, die neu gemachten Anlagen zu bevölkern. .... Die Regierung , die den Entschluß gefaßt hatte, Alles zu verbessern, was in den alten Gebräuchen fehlerhaft gewesen war , fand. bey einer aufmerkſamen Untersuchung der verschiedenen Zweige der Landwirths schaft, daß überhaupt Alles, was man Gemeinheiten nennt, dem gemeinen Besten nachtheilig sey. Erst nach der Aufhebung der Gemeinheiten fing der Ackerbau in England an, Fortschritte zu machen. Eine monarchiſche Regierung, welche die in Republiken eingeführten Ge wohnheiten nachahmt, verdient nicht des Despotismus beschuldigt zu werden. Man folgte daher einem fo lobenswürdigen Beyspiel ; man schickte Justiz und Ökonomie Commissarien, um sowol die Weiden als die Äcker von einander zu sondern , die untereinander, 3 Friedrich d. Einz, IV.
478 oder in der Gemeinheit lagen. Anfangs fanden sich große Schwierigkeiten dabey , denn die Gewohnheit, Die Königin der Welt, herrscht unerbittlich über -eingeschränkte Geister ; aber einige Beyspiele von dergleichen Auseinandersehungen , die zur Zufriedenheit der Eigenthümer ausgefallen waren , machten einen vortheilhaften Eindruck auf das Publikum , und in Kurzem war die Sache allgemein in allen Provinzen eingeführt. In einigen Gegenden von Brandenburg und Pommern gibt es hochliegende Felder , die von Flüssen und Bächen entfernt find, denen es folglich an Weide und dem zum Anbau der Äcker nöthigen Dünger mangelt. Dieser Fehler rührt mehr von der Natur des Bodens, als von einem Mangel der Betrieb: samkeit bey den Eigenthümern her ; und ungeachtet es nicht in der Macht der Menschen steht , die Natur der Dinge umzuschaffen, so wollte man doch einen Versuch wagen, um aus der Erfahrung zu lernen, wie weit die Sache thunlich oder unausführbar wäre. In die ser Absicht bediente man sich eines engliſchen Landwirths, mit deſſen Hilfe man den Verſuch auf einem Seine Methode bestand Königlichen Amt machte. darin, daß er auf sandigen Feldern eine Art Rüben pflanzte, die man in England Turnips nennt ; er ließ fie faulen, und darauf ſåte er Klee und andere Futterkråuter auf diese Felder , welche dadurch in künftliche Wiesen verwandelt wurden , vermöge derer man den Viehstand auf jedem Gute um ein Drittheil vermehrte. Da die Probe so gut ausgefallen war , ſorgte man das für, eine so vortheilhafte Wirthschaft in den Provinzen allgemein einzuführen. Die Regierung darfsich nicht auf einen einzelnen
479 Gegenstand einschränken ; das Intereſſe darf nicht die einzige Triebfeder ihrer Unternehmungen seyn ; das allgemeine Wohl, welches so viele verschiedene Zweige hat, bietet ihr eine Menge von Gegenständen dar, womit sie sich beschäftigen kann, und die Erziehung der Jugend muß als einer der hauptsächlichsten angesehen werden; sie hat Einfluß auf Alles, sie ist freylich keine Schöpferin, aber sie kann Fehler verbessern . Dieser fo interesante Theil der öffentlichen Angelegenheiten war vielleicht vormals allzusehr vernachläßigt worden, vornehmlich auf dem platten Lande und in den Provin= zen. Die Fehler , die man verbessern mußte , waren folgende. Auf den Dörfern der Edelleute gaben Schneider Schulmeiſter ab, und auf den Gütern der Krone wählten die Beamten dieselbe ohne Beurthei lung. Um einen so verderblichen Mißbrauch zu hemmen, ließ der König gute Schulhalter aus Sachsen kommen ; er vermehrte die Gehalte derselben , und man hielt darauf, daß die Bauern ihnen die Kinder in den Unterricht schicken mußten . Zu gleicher Zeit machte man eine Verordnung bekannt , wodurch den Geistlichen aufgegeben ward , die jungen Leute nicht zur Communion zuzulassen , wofern sie nicht in den Schulen in ihrer Religion unterrichtet worden wären ; von dergleichen Einrichtungen genießt man den Vortheil nicht augenblicklich ; die Zeit allein kann die Früchte derselben zur Reife bringen. Man nahm dieselbe Verbesserung auch mit allen größern Schulen und Gymnasien vor. Die Erzieher ließen sichs blos angelegen seyn , das Gedächtniß ihrer Zöglinge vollzupropfen, und arbeiteten im geringsten nicht an der Bildung und Schärfung ihrer Beurthei 3. *
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JuneEraft. Diese Gewohnheit, die eine Fortsetzung der atteutschen * ) Pedanterey war , ward eingestellt, und ohneɛ das zu vernachläßigen , was in das Gebiet .י des Gedächtnisses gehört , gab man den Lehrern auf, die ihnen anvertraute Jugend mit der Logik vertrautzu machen, damit fie raiſonniren lernte , und geübt würde, richtige Folgen aus vorangeschickten und erwiesenen Grundfäßen zu ziehen.“ Es scheint hier an seinem Orte zu feyn , einiges über die Art mitzutheilen, nach welcher Friedrich den preußischen Staat regierte. Ein Tag ward. jedes Jahr angefeßet, an welchem zuerst die. Minister vom Generaldirektoriumdie Rechnungsabschlüſſe ihrerDepartements, und zugleich die Etats auf das zukünf-tige Jahr übergaben. Dieser Tag war mehrentheils der sechzehnte Juny , auch wol der sæbenzehnte oder achtzehnte. Man nannte diesen Tag die Miniſtèrrevue,aber er verdiente einen größern Namen. Sehr gnädig wurden die Miniſter gewöhnlich an diesem Tage empfangen, und ſie ſpeisten dann alle den . Mittag mit dem Könige:. Vorerst beſah er ihre Rech.. nungen und ihre Etats , und vergab auch insgemein einen Theil der erledigten Penſionen. Dann fagte der Monarch: Meine Herren; sie „haben mir ihre Rechnungen vom vorigen Jahre ab=, gelegt , und mir gezeigt, was ich vom nächſten Jahre zu erwarten habe. Es ist billig, daß ich ih nen nun auch Rechenschaft gebe von dem
*) Nicht der altteutschen , sondern der mittel: alterlichen.
481 ,,überschuß, den ich das vorige Jahr aus ihren Händen erhielt." Nun ging er in sein Cabinet, und holte seine Rechnung über die im lehten Jahre von ihm zum Besten ſeiner Unterthanen verwendeten Summen. Gewöhnlich betrugen diese Summen drey bis vier Millionen Thaler. Es hieß, zum Beyspiel : zur Beyhülfe des Brandſchadens der Stadt Königsberg, fiebenhundert tausend Thaler. Den Unterthanen in der Neumark für Getreide, weil sie eine üble Erndte und Mißwachs gehabt, hundert tausend Thaler. Zur Reparation der Dämme an der Ober, und zur Ersetzung des durch die Überschwemmung geschehenen Schadens, Frarhundert und dreißig tauſend Thaler. Zur Wiederaufbauung der abgebrannten Stadt Calies mit freinernen Häusern, drey und neunzigtausend Thaler. Zür Verbesserung der adeligen Güter in Hinterpommern, dreyhundert tausend Thaler ; und so ferner. Noch interessanter und seltsamer ist Friedrich's Rechnung mit sich selbst, das ist , die Festseßung der Ausgaben für seine Person auf eine jährliche Summe, die er niemals überschritt. Hiervon enthält ein Brief des Grafen von Herzberg an den Ritter v. Zimmermann u. a. folg. Stelle Wiesehr wünsche ich, daß der König die Befanntmachung von Friedrich's Testament erlau ,,ben wollte. Dieses Testament wåre allein sein ,,dauerhafteftes Denkmal. Friedrich sagt in dem ,,felben : er habe jährlich von den Einkünften des ,,Staates nicht mehr als zweyhundert und zwan= ig tausend Thaler genommen ; dies habe er als feine Competenz betrachtet, alles übrige aber als Ei-
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genthum des Staates. Wahr ist dies wört,,lich, und groß von einem Monarchen, der vier und zwanzig Millionen Thaler jährlich zu seinen Diensten ,,hatte, und dabey einen jährlichen überschuß von fünf bis sechs Millionen, die er blos zur Vermehrung der Wohlfahrt aller seiner Unterthanen verwendete, und zur Vermehrung der innern Stärke seines Staats ; aber nicht zur Befriedigung der Habsucht einzelner Perfonen. Friedrich der Große wollte also , bemerkt Zimmermann , daß von seinem unermeßlichen Reich. thum ihm für seine Person jährlich nicht mehr zukommen müſſe , als zweyhundert und zwanzig tausend Thaler. Was Ludwig der Fünfzehnte , die Frau von Pompadour, die Madame Dubarry mit ihrem ganzen ehrenfesten Gefolge, sich jährlich zukommen ließen, weiß man. *) *) Wie richtig und wahr Zimmermanns Bez merkung ist, läßt sich nicht verkennen. Er , der große, von allen Nationen des Erdkreises bewun derte König, verwendete für sich nicht mehr, als Wie sehr sticht diese wirk £20,000 Athle e, Größe bend Progegen die , das ganze Reich verders liche t und Verschwendung der franzöſiſchen Könige vor Ludwig dem XVI. ab ! Die Frau von Averne , eine der Maitressen des Herzoga von Orleans (des Regenten) zog einst jährlich 3,600,000, Livres Tafelgelder, und man hat be rechnet , daß die berüchtigte Dubarry während 5 Jahren nicht weniger als 180 Millionen kostete. Aus einer Uebersicht der Einkünfte und Aus: gaben Frankreichs von 1740 geht hervor, daß die Eönigliche Tafel 7,300,000 , die Stallungen und
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Zehn Jahre lang hatte nun Friedrich in der Stille wieder an dem innern Flor feiner Staaten gear= beitet, als der böse Dámon der ehrfüchtigen Politik eines fremden Hofs ihn zu beunruhigen ansing. Sein einziger Zweck war : in Frieden zu leben und Frieden um sich her zu behaupten." Zu diesem Endte mußte er seine Macht in dem Verhältnisse gegen seine Nachbarn erhalten, bis zu welchem er sich capor geschwungen ; wenn diese sich nicht vergrößerten , fo bedurfte auch er keinen Zuwachs ; wollten sie sich aber aufbreiten, so mußte er sich ihnen widersehen, oder sich gleich falls in eben dem Maaße vergrößern ; sein Auge war daher beständig offen, und wachte über ihre Bewegun gen. So überlegen und furchtbar, wie er sich in aller Absicht gemacht hatte, war er sicher, daß man es nicht wagen würde, irgend etwas mit Gewalt auszuführen, oder auch nur einen Plan zu machen, ohne ihn zu Rathe zu ziehen, oder zu fürchten. Die Kaiferin von Ruß land schaltete über den polnischen Thron ; unter dem Vorwande, den König , den sie auf denselben gesezt hatte , darauf zu behaupten , und die Unruhen zu dampfen , richtete fie diese unglückliche Nation zu Grunde , und würdigte sie herab; und nun wollte fie fich mit eigener Hand für das bezahlt machen , was fie gleichsam zum Spott ihren Schuh und ihre Freundschaftdienste nannte ; fie forderte verschiedene Provin zen an ihrer Gränze, aber sie sah wol, daß Östreich und Preußen diese Vergrößerung nicht zugeben würden, und that ihnen den Vorschlag, Theil an der Beute der Pferde 1,890,000 und die fönigliche Garderobe 1,900,000 Livres kofteten !
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unglücklichen Republik zu nehmen . Der wiener Hof vergaß, daß Polen, ein Jahrhundert zuvor, Wien und das Reich gerettet hatte ; er überließ ſich der Begierde nach einem vortrefflichen und aufgedehnten Lande jenseits des karpathischen Gebirges , welches ihm zum Antheil bestimmt war. Warum sollte Friedric, dem die Polen keine Hauptstadt gerettet haben , und der gegen einen König, welcher nicht sein Geschöpf war. keine Verpflichtung zur Schonung hatte, warum follte er ſich mehr Bedenklichkeiten machen , als die beyden Kaiserinnen ? Was er für seinen Theil forderte, war ihm noch weit erheblicher , als was seine Nachbarn gemannen ; es war ein vor Alters von Preußen abge= rissenes Stück, eine von den reichfien und bevölkertsien Provinzen. Polens und zugleich der Schlüſſel von der Weichsel und von Tanzig, welches früh oder fpåt ihm in die Hånde fallen mußte ; und dieser Zuwachs gibt ihm von dieser Seite eine unschäßbare Festigkeit und Ründung. Sobald die drey Höfe unter ſi einig waren, bewiesen sie ihre Ansprüche, erfanden Rechte, ließen Manifefte ausgehen, brachten die Theilung zu Siande, und ganz Europa, summ vor Erstaunen und Ohnmacht, mußte im Stillen froh seyn, daß sie da sie doch alle Vorurtheile bey Seite geseht, und alles verfchlingen konnten, nicht alles getheilt hatten. In der Thar läßt sich dies auch nicht anders erklären, als daß die Menschen überhaupt, und selbst die Regenten, fast immer bey den Ungerechtigkeiten, die sie begehen, noch eine Regung von Scham fühlen ; vielleicht fanden es auch die drey Höfe ihrem gegenseitigen Vortheil ge= maß, zwischen ihren Gränzen ein großes Land zu lassen, welches sie von einander fondert, und über welches sie
485 immer schalten und walten könnten, ohne daß sie jemals etwas davon zu befürchten hätten.“ So Guibert in seiner Lobschrift auf Fried-Wahr ist es, daß diese Gegenden vor Jahrrich. hunderten von Preußen losgerissen wurden , wahr ist es: ferner , daß die Polen keinem der Vorfahrer Friedrich's Hauptstadt und Reich von irgend einem Feinde retteten , nur allzuwahr ist es endlich auch, Daß sich die Politik leider von der Moral entbunden glaubt, welche zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung unumgänglich nothwendig ist. Täuſchen wir uns nicht. Nur dem Systeme der Eroberer huldigend, handelten hier Catharina , Joseph der. II ,, und Friedrich. Ein Schandfleck ist diese Handlung in der Geschichte von allen dreven. Oder wer vermöchte sie zu entschuldigen, daß sie, wie der Wolf über seine zur Vertheidigung unfähige Beute, über einen Staat herstürzten , worauf fie gemeinsam ihren Raub theilten ? Allerdings war es stråflicher von Rußland und Östreich gehandelt, als von Preußen, allerdings dierfie Friedrich der Vergrößerung seiner Nachbarn nicht mit Gleichgültigkeit zusehen, aber, wo bleibt das Recht ?!! Dech, etwas ausführlicher verdient die Geschichte. der (ersten Theilung Polens mitgetheilt zu werden, von der es eine Zeit lang scheinen mußte, als sen sie, gleich einer Fackel des Todes, vor der Leiche mehr als eines Königthums . vorgegangen. ~ Catharina von Rußland, in Polen gebietend , hatte nicht blos ihren Liebling Poniatowěky (Stanislaus August) auf den Thron dieses Königreichs erhoben , sondern auch ihre Agenten herrschten in diesem Staate mit despotischer
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Willkür. Eine Empörung der unterdrückten polně schen Nation war die Folge, und auch das osmanische Reich erklärte an Rußland den Krieg. Doch, wie in reißender Wildbach, der, von dem Gebirge sich herabstürzend, die ganze Ebene überschwemmt, so eilten die ruffischen Heere in der Türkey von Ecoberung zu Eroberung. Mit Eifersucht blickten Östreich und Preußfen auf die immer wachsende Macht des ungeheuern nordischen Reichs. Zwey Zusammenkünfte zwischen Friedrich und Joseph dem II . fanden slatt. Das wiener Cabinet wünschte-um jeden Preis, daß Catharina sich nicht mit türkischen Provinzen vergrößere, wodurch dieselbe unmittelbar Östreichs Nachbarin geworden wäre. Selbst die Waffen schien man nöthigen Falls deßhalb zu ergreifen bereit. Die schlaue Politik des öftreichischen Staatministers Kaunis leitete endlich das petersburger, dieses das berliner Cabinet, auf den Plan der Theilung Polens. So ward also, durch die Zersplitterung dieſes Reiches, diesmal die Türkey gerettet. Fast 4000 Quadratmeilen eigneten sich die drey Theiler zu (1772), der unglückliche Staat erhielt eine Verfassung aufgedrungen, die ihn zum Sklaven Ruß: lands machte, und der König fowol, als die Republik, mußten ( 1773) den Theilungtraktat förmlich billigen. Preußen erhielt von diesem Raube 631 Quadratmeilen, mit einer halben Million Bewohner, es bekam nämlich : Pomerellen, die Woiwodschaft Culm und Marienburg, das Bisthum Ermeland, die Stadt Elbing, und Theile von Kujavinnen und Posen. Der Hauptvortheil," sagt der König,,,den Diese neue Besihung gewährte, bestand darin, daß Poms mern dadurch mit dem Königreich Preußen verbunden,
487 folglich die Regierung Herr von der Weichsel upd damit von dem polnischen Handel ward. Hierzu kam , daß in Rücksicht auf die Menge Getreide, welche jenes Königreich ausführt, die preußischen Staaten in Zukunft nicht mehr weder Theuerung noch Hune gernoth zu befürchten hatten. ,,Diese neue Besizung war also núßlich, und konnte durch weise Vorkehrungen wichtig werden . Aber zu der Zeit, als diese Provinz unter preußische Hoheit kam , hatte alles daselbst das Gepräge der Anarchie, der Verwirrung und der Unordnung , welche unausbleiblich bey einem barbariſchen, in Unwiſſenheit und Dummheit verfunkenen Volke herrschen müssen. Man wachte den Anfang mit einem Steuerregister, um die Abgaben verhältnißmäßig zu vertheilen. Die Contri bution ward auf eben den Fuß gefeht , wie im Königreiche Preußen. Die Geistlichen bezahlten mit den schlesischen Bischöffen und Übten nach einerley Maasstab. Die Staroſteien wurden in Krongüter verwandelt; es waren dies sonst Lehen auf Lebenszeit, wie die Lehen der Timarioten in der Túrkey. Der König entschädigte die Besizer durch eine Sirrme von 500 000 Thaler, die ihnen ein für allemal ausgezahlt ward. Man legte in diesem ungeſitteten und barbarisschen Lande Posten, vor allen Dingen aber Gerichthöfe an, deren Namen man in diesen Gegenden kaum gekannt hatte. Man schaffte eine Menge eben so widerfinniger, als undienlicher Geseze ab ; und die Appellation gegen die Urtheilsprüche der dortigen Collegien gingen in der letzten Instanz an das Tribunal zu Berlin. Der König ließ im Jahr 1773 durch einen Kanal, der 700,000 Thaler kostete , die Neße , zwischen Nackel
488 und Bromberg , mit der Weichsel verbinden, wodurch Dieser große Fluß einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Öder, der Havel und der Elbe bekam. Dieſer ›Kanal hatte einen doppelten Nußen ; denn er leitete zugleich die stehenden Gewässer aus einem beträchtlichen Landstriche ab , wo man ausländische Coloniſten nanbauen konnte. Alle Wirthschaftgebäude waren verfallen ; es erforderte mehr als 300.000 Thaler , um # sie wieder herzußtellen . Die Städte waren in dem allertraurigſten Zustande. Cylm katte gute Mauern und große Kirchen , aber ſtatt der Gaſſen ſah man nichts, als die Keller von den Häusern, die ehmals da geftanden hatten ; von 40 Häusern , die den großen Marktplah einschlossen, hatten 28, denen-es an Thủ ren, Dächern und Fenßtern fehlte, keine Eigenthümer. ·Bromberg war in eben der Verfassung . Ihr Verfall schrieb sich noch von 1709 her , wo die Pest diese Proving verwüßtet hatte ; denn den Polen fiel-es nicht ein, daß man ein Unglück wieder gut machen müſſe. Man wird es faum glauben, daß ein Schneider, ein seltener Mensch in diesen unglücklichen Gegenden war ; man : mußte in Alen Städten Schneider , desgleichen Apo:thefer, Stellmacher , Tischler und Mauerer. anfeßen. Diefe Städte wurden wieder aufgebaut und bevölkert. In Culm ward ein Haus angelegt, wo 50 junge Edelleute von Lehrern, die sich blos ihrem Unterrichte wid= men, erzogen werden . Überdies wurden 150 protes stantische und katholische Schulhalter an verschiedenen Örtern angefeßt und von der Regierung bezahlt. Man wußte in diesen unglücklichen Ländern nicht , was Erziehung heiße, auch waren die Einwohner eben so sehr ohne Sitten, als ohne Kenntnisse. Endlich ſchickte
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man mehr als 4000 Juden nach Polen zurück, welche bettelten, oder die Bauern bestahlen . Da der Handel den vornehmsten 3reig des Ertrages in Westpreußen ausmachte fo fuchte man forgfältig Alles auf, wodurch derfelbe erweitert werden könnte. Die Stadt Elbing gewann am méißten, indem sie den Handel nach sich zog, der sonst über Danzig gegangen war. Man stiftete zum Vertriebe des Salzes eine Gefeilschaft , welche jährlich 70 000 Thaler an den König von Polen ers legte, und dafür den ausschließenden Handel mit dies fem Bedürfnisse im ganzen Königreiche erhielt , wodurch diese Geſellſchaft blühend ward , weil nun die Öftreicher gezwungen waren, ihr Salz aus Wiliczka an fie zu verkaufen. Die Einkünfte aus Westpreußen wurden überhaupt auf zwey Millionen Thaler gebracht, welche Summe, nebst dem, was die Bank, die Accife und der Tabak einbrachten, für den Staat eine Vermehrung der Einkünfte von mehr als fünf Millionen betrug. ,,So fann ein Finanzsystem, welches immer verbesfert, und von dem Sohn , wie vom Vater , befolgt wird , ein Reich umschaffen , und es , wenn es sonst arm war, reich genug machen, um. gleichfalls sein Gewicht in die Wagschale der ersten Monarchien Europa's zu legen." *) So sehr Friedrich auch seit dem hubertêbur-
*) Wir übergehen , was Friedrich über die bin dem Heere vorgenommenen Veränderungen sagt, hier blos bemerkend, daß die Stärke desselben im Frieden auf 186,000, und im Kriege auf 218,000 Mann festgelegt ward. Friedrich d. Einz, IV.
490 ger Frieden jede Veranlassung zum Krieg zu vermeiden ſuchte, so zeigte er sich dennoch immer auf gleiche Weise, allen Staaten Achtung einflößend . Er trat jener bewaffneten Neutralität bey , die , während des nordamerikanischen Befreyungkriegs , zwischen Rußfand und andern neutralén Seemächten in der Absicht geschlossen wurde , damit von den friegführenden Staaten die Flaggen ihrer Kauffartheyschiffe respec tirt würden. Auf gleiche Weise war er der Erſte, welcher (in einem Handel-Vertrag mit den Amerika nern) den schönen Grundſaß aufstellte, daß einer frieg führenten Macht alle Feindseligkeiten gegen die unbewaffneten Unterthanen der andern , gegen Käuffahrer und Landleute verboten, und dieselben nur gegen Bewaffnete erlaubt ſeyn sollten. Im Jahre 1776 verfiel der König in eine gefährliche Krankheit, die Jedermann für sein Leben bes forgt machte. ,,Diesmal , mein lieber d'Alembert," ſchrieb er,,,habe ich von Glück zu sagen, und wenn Sie mich lieben , dürfen Sie ſich immer ein wenig freuen, daß ich so glücklich dem. Tode entgangen bin. Das Podragra wagte vierzehn sehr starke Angriffe auf mich, und es war viel Standhaftigkeit und Naturstärke nöthig, so vielen schmerzhaften Angriffen auszuweichen ; nun lebe ich wieder für mich, für mein Volk, für meine Freunde und noch ein Bißchen für die Wissenschaften ; denn ich kann wol ſagen, daß mir so vielschlechtes Zeug, tas Sie mir aus Frankreich schicken, den Geschmack am Lesen verdorben hat. Ich bin ein alter Mann, und es würde sich für mich sehr wenig schicken, mit solchen Gecken zu faseln. Ich liebe das Grundfiche, und wenn ich wieder jung werden
491 könnte, so würde ich ganz gewiß von den Franzosen ein Apostat werden, und mich auf die Seite der Engländer und Teutfchen følagen. Ich habe sehr viel erlebt , mein lieber d'Alembert, habe erlebt, daß påpfliche Soldaten meine Uniform tragen, daß die Jeſuiten mich zu ihrem General erwählt haben, und daß Voltaire wie ein altes Weib schreibt. Neues kann ich Ihnen wol wenig schreiben, um's Politische bekümmert sich ein Philos feph, wie Sie, nicht, und meine Akademie altert zu fehr, als Ihnen etwas Beträchtliches liefern zu können. Ich bin zum zweytenmal wider die Prozesse zu Felde gezogen, und würde stolzer als Perseus seyn, wenn ich die Kabale dieses vielköpfigen Drachen noch am Endé meiner Laufbahn tödten könnte." --Friedrich , durch seine vielen Arbeiten, durch die langjährigen Feldzügen, ertragenen Mühseligkeiten und durch die Schwäche des Alters entkräftet, glaubte, wie er in seinen hinterlassenen Werken erzählt , die Theilung Polens werde das legte bemerkenswerthe Ereigniß seiner Regierung feyn . Aber es kam anders. Der Umstand, den Friedrich's Klugheit schon seit längerer Zeit vorhergesehen und entdeckt hatte , trat ein. Maximilian Joseph der III . von Bayern starb, und obschon dieſes Churfürstenthum nach allen bestehenden Verträgen an Churpfalz kommen sollte, so machte nichts desto weniger Östreich Ansprüche auf den größten Theil seines Landes , und ließ denselben fogleich durch seine Truppen besehen. Karl Theodor, der Beherrscher der Pfalz, überrascht, und ohnehin cin ſchwacher, entnervter Mensch, unterzeichnete einen Traktat, wodurch er, feine übrige Erbstaft zu sicherne
492 Niederbayern, zwey Drittheile des ganzen Staats, an die Kaiserin abtrat. Dieser Gewaltfreich empörte alle Reichfürsten, vor Allen aber Friedrich, sowol wegen der Vergröß ferung, die Östreich erlangte , als auch wegen der Anmaßung des wiener Kabinets , herrisch über erledigte Erbfolgen zu schalten. Da indeß der zunächst Bevortheilte, rer Churfürst von der Pfalz, feine Klage erhob, so gab der König dem Herzoge von Zweybrücken, Karl August, dem práfumptiven Nachfolger des Churfürsten, den Rath, in Dinge, welche der Reichverfaffung und dem westphälischen Frieden so offenbar widersprächen, ohne Benehmen mit andern Reichfürsten , durchaus nicht einzugehen. Der Herzog legte sofort eine feyerliche Protestation gegen die geschlossene Convention bey dem Reichtage ein, und suchte Hilfe bey Preußen. Ihm folgten die Beherrscher von Sachsen und Meckfenburg, welche ebenfalls einige Ansprüche auf Bayern hatten. Anfangs wurden Schriften gewechselt zwis schen den Höfen von Berlin und Wien ; der Herzog von Zweybrücken legte die fideicommissarischen Rechte feines Hauses allen Mächten Europa's vor. Nach fruchtlosen , schriftlichen Unterhandlungen kam es zu den Waffen. Mit einem ungeheueren Aufwande von Kraft rückten die Heere von Preußen und Bstreicher einander entgegen in Schlesien und an den Gränzen von Böhmen, im July des Jahrs 1778. In Schlesien standen 81 Bata llone und 123 Eskadrons Preußen, mit mehr als 800 Kanonen ; in Böhmen Die Öftreicher, gezen 250,000 Mann stark, und mit einer noch einmal so zahlreichen Artillerie , als die preußische war. Friedrich rückte nach Böhmen.
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Obschon es bey dieſem Feldzuge zu keiner Hauptschlacht kam, so war doch derselbe eine lehrreiche Kriegschule ; Friedrich und Lascy, Heinrich und Laudon, ent wickelten die Früchte langer und immerwährender Reflexionen und übungen. Der König suchte sein Heer zu fchonen, ohne jedoch den Gegnern eine Blöße zu geben. Ein großes Schauspiel war es, den feuerigen Kaiser Joseph den 1k. , mit dem schönsten Heere in der Welt, mit vortrefflicher Artillerie und Bewaffnung , wider den in Siegen grau gewordenen Helden in Gefechte zu sehen. Die Kaiserin (Maria Theresia), zagend wegen ihrer beyden Söhnen und ihres Schwie gersehns, die sich bey der Armee befanden, veranlaßte durch ihr Schreiben an den König wol am meisten, daß es zu keinem bedeutenden Treffen kam. Rußland erklärte endlich , es werde , falls Östreich auf seinen Forderungen beharre , ebenfalls gegen dasselbe die Waffen ergreifen. Dies wirkte. Den 13: en May 1779 ward zu Tesſchen der Friede abgefchloffen. Die Kaiserin behielt den burghauser Kreis , Sachsen be kam 6 Millionen Gulden und das übrige Bayern fiel an Karl Theodor. Preußen verzichtete aufalle Krieg So endigte kosten , die 13 Millionea betrugen. sich dieser Krieg, der Teutschland bey seinem Begin nen neuerdings mit Blut zu überschütten gedroht hatte. *)
*) 3 schokte , in seiner Vergleichung zwischen Friedrich und Napoleon, fagt u. a.: ,, .... Mit Recht ist ihm die Anmaßung des ſpaz nischen Thrones , gleichwie dem Weltweisen von Sanssouci die Theilung Polens , zum Borwurfe
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Friedrich fuhr nunmehr wieder ungestört fort, für Preußens Wohl und Macht , zu wirken. Beson ders bemerkenswerth ist sein Bemühen zur Verbesse rung der Justiz. Hauptsächlich war es die Klage eines Müllers , Namens Arnold , über Bedrückung von Seiten der Gerichthöfe, die ihn tief ergriff, und zu» einem Schritt verleitete , aus welchem zu ersehen ist, wie die Liebe zur strengßten Gerechtigkeit ihn fetbit zu einer großen ungerechtigkeit zu verleiten mochte, (1780). Dem Müller war nämlich einiges Waffer durch einen Graben von dem Grundherrn abge eitet worden, wodurch er in einigen Nachtheil verseht seyn mochte ; dennoch sollte er die nämlichen Mühlabgaben.
gemacht worden. Beyde bemåntelten ihrë gewalts thätige Zertretung alles Völkerrechtas vergeblich mit Scheingründen der Nothwendigkeit. Es gibt weder in der Moral noch in der Politik eine Unz . gerechtigkeit, die sich rechtfertigen läßt , und in der e nen wie in der andern hat die Sünde früher oder spåter ihre Nachwehen. Der große Frieds rich schien späterhin den Himmel und die Welt Durch den großmüthigen Fried n zu Teschen vers föhnen zu wollen, worin er, mit eigener Aufopfes sung, Bayerne Selbstständigkeit gegen Destreichs Vergrößerungfucht rettete. Napoleon konnte fishnie solcher Großthat rühmen. Doch hat felbft Friedrich's Bewunderer, der Prinz de Ligne, nicht unbemerkt gelaffen , daß der no dische Sas Lomo nachher nicht ganz mit seiner Großthat von 1778 zufrieden gewesen zu feyn ſchien, und ungern von dem Prozeſſe , wie der König den Feldzug nannte, reden mochte,,, pour lequel il étoit venu en hussier, faire une exécution.
495 entrichten, wie bisher. Arnold entschloßsich, den König felbst um Hilfe anzurufen , obschon , genau genommen, feine Sache von der Art war, daß er vielleicht bey keinem Gerichthofe seinen Rechtstreit gewinnen, wol nirgends wenigstens vollkommen gewinnen konnte. Er war dem Könige aus der Zeit der zorndorfer Schlacht persönlich bekannt , wo er als Wegweiser ge dient , und ihm auch fonkt Nachrichten von der rufftfchen Armee hinterbracht hatte. Friedrich befahl fchleunigt der neumárkischen Regierung , die Sate zu untersuchen , und , der Aussage des Müllers nicht vollkommen trauend , verlangte er sowol vvn einem ihm persönlich bekannten Pfarrer aus der Gegend, als auch von einem in der Nähe in Garnison sich befindenden Obristen, gewisse haften Vericht hierüber. Beyder Urtheil war dem Müller günftig ; er verfor indeß den Prozeß in zwey Instanzen. Der König war gerade um die e Zeit durch die Schmerzen des Podagra gepeinigt, emas grámlich, und man hatte ihm heimlich die fa :sche Nachricht beygebracht, der Großkanzler wäre der Arbeit nicht gewachsen, und lasse Alles durch seinen Ste fretår besorgen. Nun entbrannte sein Justizeifer. Er begab sich nach Berlin , und ließ den Großkanzler von Fürst mit den Kammergerichträthen in das Schloß kommen, welche das Urtheil beſchloffen hatten, wo er ihnen wegen dieser vermeinten Ungerechtigkeit die heftigsten Vorwürfe machte. Der Großkanzler wurde abgedankt, die Kammergerichträthe aufdie Hausvogtep gebracht, in Cüftrin der Präsident von Finkenstein ſei nes Dienstes entlassen, und die Regierungråthe auf die Festung geseht. Der König diktirte über den ganzen Vorfall selost das Protokoll , worin schigbare. Denk
496 måfer feiner Gerechtigkeitliebe und feiner landesvåter fichen Zärtlichkeit enthalten sind . Die Justizkolle gien müffen wiffen," heißt es darin,,,daß der gering fte Bauer, ja, was noch mehr ist, der Bettler, eben ſewol ein Mensch ist, wie Se. Majestät, und dem alle Justiz witerfahren muß , indem vor der Justiz alle Leute gleich find, es mag seyn ein Prinz , der wider ,,einen Bauer Eagt , oder auch umgekehrt , so ist der Prinz vor der Justiz dem Bauer gleich, und bey fol ben Gelegenheiten muß nach der Gerechtigkeit verFahren werden, ohne Ansehen der Persön. Darnach migen sich die Justizkollegien in allen Provinzen nur zu richten haben , und wo sie nicht mit der Justiz, ohne alles Ansehen der Person und des Standes, gerade durchgehen, sondern die natürliche Billigfeir ,,bey Seite sehen, fo follen sie es mit Sr. königl. Majestät zu thun friegen. Denn ein Justizkollegium , Das Ungerechtigkeiten ausübt , ist gefährlicher und schlimmer wie eine Diebbande ; vor der kann man fich hüten , aber vor Schelmen , die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre böse Leidenschaften auszus „führen , vor denen kann sich kein Menſch hüten , fie find árger, als die größten Spizbuben , die in der Welt sind, und verdienen eine doppelte Bestrafung." Die Hårte, mit welcher Friedrich bey dieſer Gelegenheit gegen mehre unschuldige und verdiensts volle Männer verfuhr, läßt sich aus verſchiedenen, zum Theil nicht ganz ungegründeten, Meinungen desselben erklären. Es hatte sich bey ihm nach und nach die Dee festgesetzt, daß die Juristen eine Verbefferung der Justiz, worauf er bisher so oft gedrungen hatte, nicht ernfilich wünschten , vielmehr derselben mancherley
497 Hindernisse in den Weg legten ; daß der Adel in Pro® zesse vor dem Bürger und Bauern begünstigt werde ; daß bey Rekursen an höhere Gerichte, diese die niedern nicht fallen ließen, nach dem Sprichwort : eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus, u. d. m. Nun wurde der König zwar in diesem besondern Falle unge recht aus Liebe zur Gerechtigkeit ; aber das große Verdienst der Einführung einer bessern Justizpflege und des darauf sich beziehenden neuen Geſeßbuchs bleibt ihm dennoch, und seht ihn in die Reihe der vers götterten Wohlthäter des Menschengeschlechts. ( unfe.) Manufakturen und Fabriken erhielten einen sokk chen Schwung, daß ſich 1785 nicht weniger als 16,500 (größere oder kleinere) Fabrikanten, mit 165,000 Arbeitern , in den preußischen Staaten befanden, welche für mehr als 30 Millionen Thaler Waaren produ cirten. Doch, es würde uns zu weit führen, wenn wir die einzelnen Verbesserungen alle aufzählen wollten, deren Urheber Friedrich war. Mit jedem Jahre fam Preußen in blühendern Zustand . Gegen 600 neue Städte und Dörfer wurden gegründet, viele Schulen errichtet, Kanále und Landstraßen angelegt , die Ge. Baden der Flüſſe durch Damme vor überschwemmung & gesichert, viele Gewäffer schiffbar gemacht , und mit einem Worte Alles gethan , was man zweckdienlich zur Bildung , Aufklärung und Begründung des Woht ftandes der Nation , erkannte. Der König wollte durchaus nicht , daß man sich vor ihm niederfnice. Er hatte diese Gewohnheit der Landleute auf seiner Reise durch Oberſchleſten (1783)
498 bemerkt, und ließ dies durch das breslau'sche OberConſiſtorium in allen Kirchen verbieten, mit dem Zu fage , nur vor Gott müſſe man das Knie beugen. Voll des (im Allgemeinen freylich durchaus fal= fchen) Gedankens, daß Preußen nur durch sein ſtehen Des Heer furchtbar sey, hatte dies Friedrich mit jeder Vergrößerung, mit jedem Zunehmen seiner Macht, verhältnißmäßig verstärkt. So kam es, daß dasselbe 1784 nicht weniger als 130 Grenadier-, 580 Busketier und 215 Fuselier- Compagnien , und 235 Schwadronen enthielt, welche über 39.000 Mann Reiterey und fast 164 000 Mann Fußvolk zählten. In jedem Theile der Erde ward desKönigs Name genannt, und selbst in den entlegenften Gegenden, nicht nur Europa's, fondern fogar des fernen Indien vers breitete fich der Ruf seiner Thaten , und erma:b. ihm Hochachtung und Verehrung. So erhielt dieser merk nurtige König einst ein Schreiben des Fürsten (Gene ral Capitáns) der Mainotten, der, begeistert durch das. jenige, was er von Friedrich's Tapferkeit , militári scher Geschicklich eit und freyen Gesinnungen vernom men, mit der sonderbaren Bitte sich an ihn we déte: Er möchte doch so gut ſeyn, zu ihm za kommen, und ihm helfen Morea erobern." *) - Wirklich sollen dies fem lakonischen Briefe Bemerkungen beygefügt genes fen seyn, aus welchen der Beweis hervor ging , daß
* Fragmente über Friedrich den Großen , zur Geschichte seines Lebens , seiner Regierung , und feines Charaktersz von dem Ritter von Zims mermann. (3. Band, S. 234 ; Leipzig, 1790, weidmann'sche Buchhandlung.)
499 jener Mainotte große Feldherrntalente besaß ; er foll unter andern gründlich gezeiz : haben, 20 000 Preufsen seyen sehr wol im Stande, den ganzen Peloponnes gegen diegesammte Macht der Osmanen zu behaupten ; auf eine recht geschickte Art foll er ferner die Lage aller Berggegenden und die Beschaffenheit aller engen Påе bemerkt haben, deren man ſich bedienen könne, beyfügend, wie schon die alten ehrwürdigen Hellenen diefe Orte in ihren Kriegen benüßt hatten . > Daß Fried. rich keinen Beruf zur Eroberung Merea's fühlte, läßt sich leicht denken. Auch von Hyder Ali ward um das Jahr 1773 eine zahlreiche Gesandschaft , mit vielen Geschenken versehen, an Friedrich abgesendet. Kaum zu Basfora indeß angelangt, raffte die Pest fast alle diese Ins dianer weg und der Rest des Gefolges, den Gesand. ten selbst für todt haltend, entfloh mit allen Koßtbarkeiten. Dieser aber erholte sich wieder, und eilte, ſich auf seine Briefe und das Beglaubigungschreiben ver lasfend, nach Preußen . Sein Auftrag ging dahin, dem Könige gegen Überlassung einer Anzahl preußi ſcher Unteroffiziere an den indischen Fürsten, und fo vieler Gewehrfabrikanten , als zu haben seyen, einen Hafen in der Nähe von Goa einzuräumen , und ihm zugleich den ausschließlichen Handel auf seiner Küste zu versichern. Das Creditiv war in der Hoffprache des Hyder Ali, das ist in perſiſcher Sprache, geſchrie. ben, und wurde zu Halle überſeßt. - Die Antwort, lateinisch abgefaßt, war überaus höflich, obſchon man Das Anerbieten ablehnte. *) *) Den Ausdruck der hohen Meinung , welche der
500 Noch einmal erschien Friedrich , schon 72 Jahre fühlend , auf der pofitischen Schaubühne. Bftreich, immer darauf bedacht, Bayern an sich zu bringen, war mit dem schwachen Churfürsten dieses Landes in Unterhandlung getreten , um dasselbe, fo wichtig für den Kaiser , gegen die entlegenen Niederfande einzutauschen. Der Herzog von Zwenbrücken, durch nichts zu überraschen oder zu überreden ver mocht , wendete sich, voll Vertrauen , an Preußen, das ihm schon einmal Hülfe gewährt. Friedrich's fraftvollen und ernsten Schritte zu Wien, Petersburg und Paris , brachten Östreich zu der Erklärung, dieser Tausch, den es als für beyde Theile nüglich, betrachtet, müſſe nur von dem freyen Willen beyder Bartheyen abhängen. -- Obschon Kaiser Joseph der II. durch Frankreich , seinen Verbündeten , ere flåren feß, der wiener Hof habe jenen Plan , des Widerspruchs des Herzogs von Zweybrücken wegen völlig aufgegeben, fo weigerte sich das kaiserliche Cabinett dennoch, hierüber eine beſtimmte und befriedigende Erklärung zu erlaffen. Durchdrungen von dem Gedanken wenn man nicht bey Zeiten gute Maßregel ergreift , die alten Einrichtungen Teutschlands bey Kraft zu erhalten, fo wird der Kaiser es benügen , im ganzen Reiche feinen Despotismus zu gründen,“ entwarf FriedKönig von Candy ( auf der Insel Ceylon) von Friedrich hegte , verdient hier eben alls anges führt zu werden. Er sagte nämlich einſt: ,, Wahrlich ! Ich will ihm die Stelle meines ersten Felbs herrn anbieten !
501 rich den wol durchdachten Plan zu einer Verbin. dung teutscher Fürsten , um einen Damm zu segen den Anmaßungen Östreichs. Diese Punkte," sagt der König in dem Entwurfe, müssen alle Fürsten zu dem Bündniß vereinigen , weil sie einerley Jn = teresse haben , und weil , laffen sich einige ihres Gleichen unterdrücken , die Reihe ganz gewiß auch an sie kommen , und ihnen weiter nichts bleiben wird , als das Vorrecht der Grotte Polyphem's ; nämlich zulegt verschlungen zu werden." Dieser Entwurf, ähnlich jenem, welchen 1806 Napoleon durch den rheinischen Bund zur Aufführung brachte , ward fast von sämmtlichen Reichständen mit Begeisterung aufgenommen, und die Folge war · Der so genannte Fürstenbund , zu Berlin, trog aller Gegenbemühungen Östreichs und Rußlands, Den 23tén July 1785, zwischen Brandenburg, Sachfen und Hannover abgeschloffen. Binnen wenigen Monaten zählte der Bund aufferdem noch 11 Theilhaber, nemlich Chur Mainz , Trier , Heffencaffel, Anspach, Baden, Zweybrücken, Braunschweig, Mecklenburg, Weimar, Gotha und Anhalt- Dessau. Der öffentlich ausgesprochene Zweck dieser Allianz war die Aufrechthaltung und Vertheidigung der teutschen Reichverfassung , des westphälischen und der übrigen noch gültigen Friedenschlüsse, der kaiserlichen Wahlcapitulation und der sonstigen Reichgefeße. *)
Kuf diese Weise war eine Verbindung ge schlossen, welche bey der immer mehr erschläffen= den Verfassung des Reichs, ben ten immer wahrs scheinlicheren Gefahren, die von dem Oberhaupte 5 Friedrich d. Einz. IV.
502 So war es denn allmählich dahin gekommen, daß der im Anfange feiner Regierung so sehr verachtete Friedrich nicht nur unter allen euro-s päischen Monarchen vielleicht die erste Stelle einnahm , sondern daß fogar von ihm , der doch nur Preußen regierte, fast gesagt werden konnte, gegen feinen Willen mage man nicht , auch nur einen Kanonenschuß in Europa ertönen zu lassen. (Bekannt ist sein, besonders in Beziehung auf die neuere Zeit, und namentlich aufNapoleon, bedeutsames Wort: ,,Si l'on veut faire un beau rêve , il faut être roi de FRANCE . Contre mon gré on ne tireroit pas alors un coup de canon en EUROPE.) Doch, eh' wir weiter fortfahren , wollen wir auf die Lebensart des merkwürdigen Königs einen
Felbst, den Gliedern drohten, so bald Friedrich nicht mehr sey, auch für die Folge ein Vereinigungs punkt zur Aufrechthalung Teutschlands und der Selbstständigkeit feiner einz Inen Staaten geben sollte. Wenn aber gleichwol die Absicht des Stifters nicht erreicht ward, wenn der Fürstenbund beynah gleich schnell verschwand , als er entstan= den, so ist die Schuld nicht Friedrich's , sie ge= bührt denen , welche durch den alles verpestenden Egoismus, die große Krankheit der Zeit geblens det, nicht mehr für das allgemeine zu fühlen vers mochten , die unbekümmert um das Ganze , nur für ihren besondern Vortheil sorgen zu müssen wähnten , nicht bedenkend , daß sie dadurch am fichersten ihr eigenes Verderben bereiteten, ” (Saalfeld. )
503 Blick werfen. Nicht leicht sagt Funke - hatte wol ein Monarch eine einfachere Art zu leben , als Friedrich *). Wenn er des Morgens erwachte, ¡rg er sich gleich auf dem Bette Beinkleider , Strümpfe und Stiefel selbst an, trat dann vor das Kamin, wechselte das Hemd , und seßte sich , nachdem er sein Kafaquin angezogen , an den Tisch , worauf die in der Nacht angekommenen Briefe lagen. Während er diese ansah, wurde ihm der Haarzopf zu recht gemacht. Briefe von bekannter Hand , und die ihm etwas Ange= nehmes zu enthalten schienen , las er er durch , und behielt sie an sich ; die übrigen schickte er an den Kabis netrath, der einen Auszug daraus machen mußte. Sedann stand er auf, wusch sich, feßte seine Haartour auf, und frisirte fein Haar stehend felbst , wobey ihm ein Spiegel vorgehalten wurde. Nun setzte er den Hut auf, und ging in das Przimmer , um dem Adjutanten denRappot abzunehmen. Hierauf trank er erst faltes Wasser, her". Kaffe, und dann ergriff er die Flöte, und blies auen-erdig gelernte Stücke, aus einem Zimmer in das andere spazierend , meistens aber fantafirte er und dachte dabey über allerley Sensiånde nach. Er sagte einst zu d'Alembert , daß er oft nicht Daran denke, was er spiele , daß ihm aber während des Fantasirens schon mehrmals die glücklichsten Ge tanken , auch über Geschäfte, eingefallen wåren. Um zehn Uhr legte er die Flöte weg, und las den ihm von
*) Benn wir die beyden schwedischen Helden , den edeln Gustav Adolph , und besonders den rits terlichen Karl den XII. , ausnehmen , vielleicht Hein einziger, 5 *
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dem Kabinetrath eingeschickten Auszug aus den Briefen und Bittschriften , gab dem Kommandanten die Parole, und ließ die Kabinetråthe, welche den mündlichen Vortrag bey ihm hatten , einen nach dem andern zu sich kommen, ihnen angebend, was aufjeden Brief geantwortet werden sollé. Nachdem dies geschehen war, zog er sein Kasaquin aus , bestrich die Haare mit Pos made, ließ Puder darauf schütten, wiſchte das Gesicht mit einer Serviette ab , und legte die Uniform an. Nun schrieb er entweder. Briefe , oder las mit laus ter Stimme in einem Buch , oder blies noch etwas auf der Flöte , bis zwölf Uhr , wo er zur Tafel ging. Diese dauerte zuweilen bis vier Uhr und långer ; ge: wöhnlich aber nur bis gegen drey Uhr. Nach Tiſche blies er wieder etwa eine halbe Stunde die Flöte, unterschrieb alsdann die im Kabinet abgefaßten Briefe, und trank Kaffe. Um vier Uhr, wo dies vorbey zu feyn pflegte, las er eine Stunde , dann kam ſein Vorleser, mit dem er sich bis 6 Uhr unterhielt, und nun ging das Concert an. Darnach föräch und diſputirte er noch mit gelehrten Gesellschaftern , gab auch wol ein Abendessen, und ging mehrentheils gegen zehn Uhr zu Bette. Beym Auskleiden und Anlegen der Nachtkleider bedurfte er der Hilfe ſeines Kammerdieners wenig. Im Schlafzimmer blieb, auffer dem Favorithund, der mit ihm im Berte ſchlief, Niemand bey ihm'; auch brannte kein Nachtlicht darin. Nur im Vorzimmer wachten zwey gemeine Bedienten . In den vier Win termonaten stand er zwischen fünf und sechs Uhr auf, aber vom März an alle Wochen etwas früher, und zur Zeit der Musterung wol vor drey Uhr. Von dieser Lebensordnung wis er nur im Noth-
505 fall ab. Die Revúen , die Reifen , die Karnevalluftbarkeiten verursachten einige Änderungen. In den Stunden , die er zum Lesen bestimmt hatte, arbeirete er auch seine Schriften aus. 91 ** Die Simplicität des Königs erstreckte sich auch besonders auf seine Kleidung. Als Prinz liebte er in dieser Hinsicht Bequemlichkeit und Schönheit, und er trug oft bürgerliche Kleidung ; aber nach Antrit der Regierung hatte er weder Schlafrock noch Pantoffel ; feine tägliche Kleidung war die Uniform feines Garde regiments zu Fuß, und nur ben großen Feierlichkeiten zog er die reiche Uniform dieses Règiments” an. Mit dem Alter nahm die Gleichgültigkeit gegen feinen Anzug zu . Er achtete es nicht , wenn der Hut ganz fáhl, die Uniform abgetragen und gefickt , und die Wäsche zerrißen war. Der starke Gebrauch des Schnupftabacks, wovon er beständig zwey Dofen voll in den Taſchen trug , und die wenige Reinlichkeit die er bey Tafel beobachtete, brachten Schmutz und Flecken auf seine Kleider. Die Stiefel ließ ernie schwärzen . Wie schlecht überhaupt feihe Garderobe bestellt war , kann man schon daraus ersehen , daß nach seinem Tode der ganze Vorrath für vierhundert Thaler an einen Juden verkauft wurde, und daß man unter seinen Hemden kein einziges ganzes fand , um seinen Leichnam anständig darin zu kleiden , zu weichem Zweck ſein Kammerdiener eins von den n feinigen hingab. Mit dieser fast eynishen Sorgföfigkeit in Ansehung der Bedeckung und Reinlichkeit des Körpers fontfaftitte sein Geschmack ,an prächtigen Juwelen auf eine feltfame Weise. Große Talente sind nie ohne verhältnißmäßige
506 Stärke der Sinnlichkeit. Die Natur scheint Feinheit und Reigbarkeit des Emfindungvermögens unzertrennlich an Vollkommenheit der geistigen Kräfte zu knüpfen. Auch Friedrich war für den Genuß finnlicher Freuden aller Art äußerst empfindlich. Den Zauberbecher, ben Venuß ihm darreichte, leerte er in seiner Jugend mit vollen Zügen *) ; daher verließ er im männlichen Alter den Dienſt jener Göttin, und suchte noch einige Zeit Erfaß dafür in der griechischplatonischen Liebe. Am längsten blieben ihm die Vers gnügungen der Tafel, die er nicht weniger ſchäßte, und in reicherem Maaße genoß. Zwar klagt er schon um Die Zeit des siebenjährigen Krieges in Briefen an feine Freunde, daß er den reißenden Soupers entfagen müſſe, weil sein Magen nicht mehr so gut verdaue, wie ſonst; aber des Mittags befriedigte er feinen Appetit mit desto weniger Zurückhaltung. Es ist aus der Geschichte feiner legten Krankheit bekannt, wie sehr er durch diese unenthaltsamkeit seine Zufälle verschlimmerte. Nicht von der Menge der Speisen — denn er aß nicht unmäßig , fondern von der Art derfelben und ihrer Zubereitung rührten die Beschwerden her, die er fic durch seine Mahlzeiten öfters zuzog. Schwerverdauliche, fetteund Barkgewürzte Speisen waren seine Lieb - *) Hierzu mag vielleicht die. Strenge feines Vaters mittelbar ſtark beygetragen haben (f. 3im: mermann, Fragmente über Friedrich den Großen, 1. Band S. 44). Bas indeß den folgenden Punkt betrifft fo bat aim mierman n diese fast allgemein als Thatsache angenommene unwahrhet in dem eben erwähnten Werke durchaus wilderlegt, del
507 linggerichte. Den Küchenzettel, der ihm allemal des Abends für den Mittag des folgenden Tages gebracht wurde, ånderte er öfters selbst ab, und wenn Speisen Darauf angezeigt waren , die er gern aß, so besah er ihn des Morgens mehrmals mit geheimem Wolgefallen, und konnte die Malzeit kaum erwarten, indem er als dann wol eine Viertelstunde früher anrichten ließ. Besonders hielt er auch viel auf feines Obst , und wandre beträchtliche Summen an , um es beständig und zur ungewöhnlichen Jahrzeit zu haben. Er tranf bey Tifche viel, gewöhnlich Bergerak mit Wasservermiſcht , zuweilen champagner oder ungarischen Wein. Seine Tischgesellschaft bestand - in der Regel aus fieben bis zehn Personen, die er selbst täglich bestimmte. In diesem Birkel und in diefer Lage war er ungemein aufgeräumt ; er unterhielt die Gesellschaft faßt ganz aftein, erzählte allerleyscherzhafte Anekdoten, und wenn ihn der Wein gegen das Ende in einen eraltirten Zustand gefeht hatte, fo ward fein Wig oft faunenartig, und dann nannte er gewiffe natürliche Dinge auf gut foldatisch bey ihren eigentlichen Namen. Aber nie sah manihn wirklich trunken , auch sprach er stets französ fisch, und hütete fich, seine Gäste zu beleidigen , ob er fich gleich über einen und den andern, der Gelegenheit. dazu gab, gern lustig machte. Als er die Soupers nicht, mehr mit halten konnte und doch den Genuß des damit verbundenen geselligen Vergnügens zu haben wünschte, bat er, vorzüglich im Winter; manchmal eine fleine Gesellschaft zusammen, fezte sich in einiger Entfernung von der Tafel, und zerstreute sich und die Gäste, während diese aßen, mit muntern Gesprächen. Ein Herz, daß jeder Freude so offen stand, konnte
508 unmöglich der Freundschaft verſchloffen seyn. Friedrich hatte das Glück, welches Königen felten zu Theil wird feines liebenswürdigen Charakters wegen aufs richtig geliebt zu werden; aber bey Weitem liebten ihn nicht alle , denen er sein Vertrauen schenkte , und die er in den engern Kreis seiner Bekanntschaft aufnahm. Wen er aber einmal als wahren Freund erkannt hatte, dem war er miteiner Zärtlichkeit zugethan, wie man sie unter Personen gleiches Standes kaum findet. Wir können uns nicht enthalten, hiervon ein Beyſpiet vorzulegens das den Charakter des Königs von einer nicht allgemein bekannten Seite ebèn ſo treu als vorz theilhaft darstellt. Der alte General Fouqué war einer feiner Jugendfreunde, und gehörte zu den wenis gen , die des Prinzen Freunſchaft #4 nicht aus Eigennuß , nicht um ſich dadurch bey andern geltend zu machen, sondern aus inniger Buneigung fuftivirten. Friedrich's Gegenliebe entſprach diesen Gesinnungen vollkonemen, woven sein Briefwechsel mit ihm ein schön nes Denkmal ist. Hier sind ein Paar feiner Briefe. aus den spätern Jahren : pins den 30ren July 1763.6 % Das, was ich Ihnen gefchickt habe *) , ist Ihnen angenehm gewesen ? Nur das wünschte ich ja, und est war meine Absicht , mein Lieber, phal 179 Sie wundern ſich darüber, daß ich Sie liebe ? Das follten Sie vielmehr dann thun, wenn ich einen: Officier, der sich Ruhm erworben hat, einen redlichen Mann, der über dies mein alter Freund ist, niqt liebte. **) Es war eine Porceltan - Servics.
509 Ich wünschte, daß Ihre Gesundheit ganz wieder hergestellt würde, und gestehe Ihnen, daß ich dieHoffnung dazu noch nicht aufgebe. Sie müssen sich pflegen, und sich das Leben bequem machen. Durch Ruhe, China und Kräuter werden Sie Ihre Kräfte- schon wieder erlangen. Sie können in Brandenburg bleiben , so lange Sie wollen ; indeß müssen Sie mich bisweilen besuchen. Es ist ja nicht weit ; und wenn Sie mich nur wiſſen laffen , daß Sie kommen wollen , so werde ich Ihnen meine Pferde auf den halben Weg entgegen schicken. Leben Sie wol mein lieber Freund. Von ganzer Seele der Ihrige. den 1. Juny 1764. Ich schreibe Ihnen deshalb nicht eigenhändig, mein lieber Freund, weil ich die Gicht in der linken Hand habe. Vielleicht sagen Sie: ich fónne ja die Feder recht gut mit der rechten Hand führen ; aber tas 1 Papier würde sich verschieben , und ich will Ihren Augen nicht mit einem Kråhengekrigel beschwerlich feyn. Dieser sehr ungelegene Zufall hat mich verhin dert, die Regimenter in Pommern und der Neumark zu sehen, und mich genöthigt, die Revie über die Maz deburgischen zwey Tage aufzuschieben. Ich werde , wenn ich durch Brandenburg gehe, ohne Umstände als ein alter Freund bey Ihnen einkehren. Den 4ten Mittags bin ich da. Ich bringe nur einen einzigen Freund mit, der Ihrer Freundschaft und Achtung würdig ist; und also werden wir , wenn Sie es für gut finden , nur unsrer drey ſeyn. Um mich fatt zu machen, braucht es nicht viel. Ich verlange nur eine
510 gute Suppe, eine Schüffel Spinat , ein freundliches Gesicht von dem Wirth, und diesen bey guter Geſundheit. Den legten Punkt empfehle ich Ihnen von allen am Meisten. Leben Sie wol, mein theuerer Freund. Ich hoffe Sie bald meiner gänzlichen Achtung versichern au fönnen. „den 22ten December 1768. Hier schicke ich Ihnen ein kleines Andenken, mein lieber Freund. Es ist Gebrauch, daß man in Familien einander zu Weihnachten Geschenke macht; und ich fehe Sie an, als gehörten Sie zu der meinigen, theils weil Sie ein rechtschaffener Mann, ein biederer Ritter ohne Furcht und Makel , theils weif Sie mein alter Fraund find. Sorgen Sie gehörig für Ihre Gefundheit, damit ich meinen guten und alten Freund so lange als möglich erhalte, und noch oft das Vergnügen habe, Sie münd lich versichern zu können , wie sehr ich Sie liebe und achte." Doch,man kömmt in Versuchung, alle dieseBriefe bzuschreiben, wenn man Beweise von seinem zårt lichen, ganz für Freundschaft gestimmten Herzen geben will. Rührend ist es, zu sehen, wie der König mit feinem alten Franken Freunde so zu sagen den legten Bissen theilt. Er schickt ihm ein Stück von einer Perigorder Pastete," die er alle Jahr nur einmal für fich selbst kommen ließ; ,,ein Fläschchen Balsam von Mekka " das ihm der türkische Gesandte Effendi geschenkt hatte; ,,die lehte Flasche ungarischen Wein,“ die man noch von seinem Großvater her in Keller tand ; ,,das Neue vom Jahr einige Vorkost ; „ Trau=
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ben und andere Früchte aus seinem Garten ," und dergleichen mehr. Doch wir schließen hier die kurze Schilderung der Privatverhältnisse des Königs, auf die wir ohnedieß fpåter zurückfommen werden. Sein lehtes bedeutendes Werk wat die Bildung der Fürstenbundes gewesen. Um die Mitte des Jahres 1785 zeigte sich bey ihm eine merkliche Abnahme der Kräfte, und feine körperlichen Schmerzen wurden anhaltender und bedenklicher , als sie je zuvor gewesen waren. Denn gichtische Anfälle und andere Folgen einer vernachläßigten Lebensordnung beschwer. ten ihn bereits seit vielen Jahren ; doch jest zeigten sich Spuren einer tödtlichen Wassersucht. Im August 1785 reifeie er noch zur Revue nach Schlesien , hielt die Musterung bey sehr üblem Wetter, und zog sich Dadurch ein Fieber zu. Er kehrte unter anscheinender Besserung zurück, sah aber diese Provinz nie wieder. Auch hinderte ihn das Podagra , den Kriegübungen bey Potsdam beyzuwohnen . Den 18ten September ward er plöglich von einem Stickfluß befallen , aus dem er nur durch schleunige Hilfe gerettet zu werden vermochte , und von dieser Zeit an begann die eigent=" liche Entwicklung feiner Krankheit. In den ersten Monaten des Jahres 1786 verschlimmerten sich alle Umstände sehr. Die Füße schwollen bey Tage slark an, und er konnte nicht mehr liegen , sondern mußte fast immer vorwärts gebückt sigen. Die Spuren der Waſſersucht waren nicht mehr zu verkennen . Die Kräfte nahmen immer mehr ab , und die Anfälle der Engbrüftigfeit waren mit einem Röcheln, und mit kaltem Schweiße im Gesicht, verbunden .
512 Den 17ten April faßte der König den Entschluß, sich von Poredam nach Sansouci zu begeben , und im Hinfahren einen Umweg von einigen Meilen zu machen, was ihm in Wirklichkeit wenig geſchadet zu haben schien. Auch versuchte er um diese Zeit einigemale zu reiten, welches ihm indeß beschwerlich fiel, und ihn sehr ermüdete. Da sich sein Zustand immer mehr verschlimmerte, beschloß Friedrich, den Hofrath Zimmermann von Hannover zu sich Fmmen zu lassen, der damals in dem Rufe großer Geschicklichkeit stand. Den 24ten Juny hatte derselbe seine erste Unterredung mit dem Könige, der ihm fogleich bemerkte: Sie sehen mich fehr Frank."/ - Den Blick Ew. Majeſtåt , erwiederte Zimmermann, finde ich seit 15 Jahren, da ich die Ehre hatte, Sie hier zu sehen, nicht verändert ; in den Augen Em. Majestát sehe ich keine Veränderung ihres Feuers und ihrer Kraft. - ,,O! ich habe ſehr gealtert, und bin sehr frank," sagte Friedrich. Teutschland und Europa werden nicht gewahr, daß Ew. Maje ftat alt und Frank find. Meine Geschäfte gehen ihren gewöhnlichen Weg." Ew. Majestät lehen des Morgens um 4 Uhr auf, und verlängern und ver doppeln dadurch Ihr Leben. Ich stehe nie auf, denn ich gehe nie zu Bette. In dem Lehnstuhl, wo Sie mich sehen, werden meine Nächte hingebracht. . Man ´kann mich nicht heilen , nicht wahr ?“ — Erleichtern, Sire. Deit Zimmermann erkannte sogleich, daß die des Königs unheilbar fey. Da er Verstopfung der Eins gemeide des Unterleibes als die Grund- und Haupt quelle derfelben betrachtete, so rieth er vorzüglich zum
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anhaltenden Gebrauch des zur Honigdicke eingekochten 1 Safts vom Löwenzahn , den der Monarch auch einige Beit, jedoch ohne Erfolg, gebrauchte. Dies veranlaßte denselben, den Hofrath Zimmermann den 11ten July zu verabschieden, was jedoch auf sehr huldvolle Weife, Hnd namentlich mit den Worten geschah : ,,Vergessen Sie den guten alten Mann nicht, den Sie hier geschen haben.". Zimmermann gibt in seiner Schrift ,,über Friedrich den Großen und meine Unterredung mit ihm," eine Schilderung der damaligen Lebensweise des Moz narchen, die wir nicht umhin können, hier aufzuneh ,,Seitdem seine Krankheit so mächtig und gemen. fahrvoll ward. fagt derfelbe - ging er einige Stunden früher an seine Arbeit. Anstatt daß seine Kabinetsekretåre sonst erst des Morgens um ſechs oder sieben Uhr kamen, verlangte er sie jest immer des Morgens um vier Uhr. „ Mein Zustand “ (dies waren die ewigmerkwürdigen Worte, womit Friedrich feinen Se kretáren diese Neverung ankündigte) ,,nöthigt mich, Ihnen diese Mühe zu machen, die für Sie nicht lange dauern wird. Mein Leben ist auf der Neige ; die Zeit, die ich noch habe, muß ich benüßen. Sie gehört nicht. mir , sondern dem Staate."/ Also jeden Morgen um vier Uhr, nachdem ein Ada jutant zuerst den Rapport abgestattet , brachte ein Kammerhusar dem König alle während der Nacht von Berlin eingekommenen Berichte seiner Minister und Generale, Depeschen seiner Gesandten , und Briefe aus allen seinen Låndern . Dies sämmtlich besah und sonderte der König. Aufdie eine Seite legte er Alles, was er felbft leſen wollte, auf die andere Seite Alles, Friedrich d. Einz. IV. 6
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woraus ihm seine drey Kabinetsekretäre referiren muß ten. Alsdann wurden die Kabinetſefretåre gerufen, die also nunmehr jeden Morgen um vier Uhr von Pots, damm nach Sanssouci kamen. Der König übergab ihnen Alles, was sie leſen ſollten. Sie gingen dann in ein Zimmer außer dem Schloß , laſen dasselbe , und machten aus Allem kurze Auszüge. Judeſſen las auch der König alle seine Briefe. Sodaun wurden die drey geheimen Kabinetsekretäre , einer nach dem andern, verlangt; jeder hatte Papier und Bleystift in der Hand. Zuerst diktirte der König alle Resolutionen, die er auf die von ihm selbst gelesenen Briefe genommen hatte. Dann referirten sie aus den Briefen, die fie gelesen und in der Geschwindigkeit excerpirt hat- a ten, und der König diktirte ihnen seine Resolutionen, Befehle und Briefe , mehrentheils Wort für Wort. So ward gewöhnlich, von vier bis sechs oder sieben Uhr des Morgens, von einem einzigen, tödtlich kranfen , Manne , ein ganzes Königreich regiert , und so wurden zugleich alle seine auswärtigen Geschäfte durch ganz Europa abgethan. Nun verfügten sich die Kabinetsekretäre wieder heim nach Potsdam, und ſchrieben Alles in's Neine , was ihnen der König diftirt hatte, und dies ward ihm des Nachmittags zur Unterfhrift gebracht. Aber auch da geschah wieder nicht, was wol oft bey den Regierungen der Staaten geschieht ; alle diese Briefe und Befehle las der König noch einmal durch, bevor er feinen Namen darunter feßte. Müßig seyn und Langeweile haben, konnte also der König schon um sechs oder sieben Uhr des Morgens, wenn er wollte ; aber dies wollte und konnte er nie, und dies will und kann auch kein König.
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Um diese Zeit war der Küchenzettel für die Mit tagmahlzeit gebracht , denn des Abends aß der König nicht. Alle Produkte seiner Gärten und Treibhauser aus den lehten vier und zwanzig Stunden, brachte man Ihm jeden Morgen , auch um diese Zeit ; ich sah sie immer, in großen Körben, auf den Commoden und Tifchen seines Vorzinrmers liegen, und ſtahl dann auch Daraus bisweilen dem König eine Kirche. Es waren die schönsten und ausgesuchtesten Früchte in großer Menge; Kirschen, Trauben, Melonen, Pfirfchen, Abɩikosen, Feigen, Zwe.schen, und Pisangs ; auch sogar Eeine Kirfche durfte einen Fleck haben. Gewöhnlich aß der König von diesen Früchten. Mehrentheils hatte der König, wenn ich um acht Uhr kam, ein Buch in der Hand; etwa einen französ fisch überfesten Schriftsteller aus dem Alterthum, oder irgend etwas aus der neuern Geschichte. So erbärmlich schwach war die hand des Königs, daß er nicht mehr vermochte , einen mäßigen Octavband in der Hand zu halten ; er ließ deßwegen alle zu dicken und zu schweren Octavbände zerstückeln , und in kleinere Bånde binden. Ich blieb von acht Uhr an bey dem Konig, so lange er es für gut fand, und mehrentheils eine halbe, auch wok eine ganze Stunde. Nach mir kam der Commandant von Potsdam, Die Parole abzuholen ; dies war mehrentheils eine Augenblicksache, denn frühe um vier Uhr ward schon Durch einen Offizier, von Allem was an den . Thoren von Potsdam und in der ganzen Garnison vorgefallen, Der Rapport abgeleget. Zwischen neun und elf uhr. kamen dann Adjutanten und Offiziere, und Andere, die: etwa Der König noch sprechen wollte. 6*
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Nach elf Uhr erschien die Tischgesellschaft des Königs; der Herr Graf Lucchesini ; der Herr General Graf von Görz ; vom Anfange meines Aufenthaltes bis beynah' zum Ende, der Herr Oberstallmeister Graf von Schwerin ; vom Ende meines Aufenthaltes bis zum Tode des Königs, der Herr Miniſter von Herz berg; gewöhnlich auch der Obrist von den Ingenieurs, Herr Graf Pinto , ein Piemonteser ; und zu diefen, bald diese bald jene Generale und Staaboffiziere. Es war sonderbar, daß der König diejenigen Herren, die Jahr aus Jahr ein mit ihm aßen; doch jeden Morgen von Neuem zum Eſſen bitten ließ. Die Mittagmahlzeit dauerte. zuweilen nur eine halbe Stunde, mehrentheils eine, auch wol anderthalb Stunden. Der König aß fast immer mit starkem Uppetit , und immer zu viel. Er trank einen weißen, füßen und etwas prickelnden, französischen Wein von Bergerac in sehr måßiger Quantität. Nach Tafel schlief er mehr und weniger, aber immer nur auf kurze Weile. Dann trank er einige Taf= fen Kaffee, wie res Morgens. Hierauf feßte er sich zuweilen auffeine Terraſſe in die Sonne, oder amuſirte sich mit etwas. So hatte er zum Beyspiel Juwelirer, Steinschleifer, und andere Künstler bey sich. Ein mal, als ich in Potsdam war, besah ich seine Juweien; sanenschäßte den Werth von denen , die er bey in seinem Zimmer hatte, von vier bis fünf Millionen Thaler. Für drey Uhr war ich gewöhnlich bestellt. Wenn aber der König Geſchäfte hatte, oder noch schlief, wetches ein paarmal widerfuhr, so ward ich um halb vier Uhr oder auch später hineingerufen . Die Audienz
517 dauerte eine halbe Stunde, eine ganze Stunde, und bisweilen långer. Die Dann fingen die Geschäfte wieder an. Briefe wurden zur Unterschrift mitgebracht. Einmal sah ich, in den ersten Tagen, den Herrn Minister Gra fen von Finkenstein zum Könige gehen ; um diese Zeit erhielt der ruffische Gesandte , Fürst Dolgorucki , feine Abschiedaudienz. Zuweilen , wenn ich heraufging, kamen Offiziere von dem Ingenieurcorps , mit großen Planen nnd Riffen , zu dem König. Die Gefährten der Abendstunden des Königs erschienen um halb ſechs Uhr, und nur selten etwas ſpåter: Diese Herren waren immer der Kammerherr Graf Lucchesini und der General Graf von Górz. So lange ich in Potëdam war ist auch mehrentheils, und während seines ganzen Aufenthaltes , der Herr Oberſtallmeister Graf von Schwerin von dieser Geſellſchaft des Königs gewesen. Ihm folgte zwey Tage vor mei ner Abreise aus Potsdam , der Herr Minister von Herzberg, der, ebenfalls wie der Graf von Schwerin, bey dem Könige wohnte, und in Sanssouci bis an den Tod des Königs blieb. Mit dieſer Geſellſchaft unterhielt sich der König , mehrentheils heiter und froh, und immer auf eine höchst interessante Art, bis acht Uhr. Dann speisten diese Herren unter sich, und ter König ließ sich durch einen jungen Menschen aus Berlin', bald etwas aus Cicero oder Plutarch , bald aus Voltaire , vorlesen , bis er einschlief, gewöhnlich bis zehn Uhr." NachZimmermanns Verabschiedung ließ Friedrsich den geheimen Rath Selle von Berlin wieder kommen, der ihn zuerst in dieser Krankheit behandelt
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hatte. Es war unmöglich, ihm die Gefahr der Waffer= sucht zu verbergen, und es bieb dem Ärzte weiter nichts übrig, als dem Monarchen die nahe Gefahr des Todes nur als entfernt zu zeigen. Am 4ten August zeigte sich plößlich eine rosex artige Entzündung des linken Schienbeins , welche bald die ganze Wade einnahm, und wobey sich die Oberhaut in Bläschen erhob, die sehr viel Feuchtigkeit von fich gaben. Mit dem Eintritte dieser Entzündung verfor fich die Säure, Appetit und Schlaf würden ſehr gut, und die innern Krämpfe ließen ganz nach. Der heftigen Entzündung und der zu befürchtenden Fäulniß wegen wurden beständig antiseptiſche Fo> mentationen angewendet. Desfenungeachtet verlor der König auf diesem Wege täglich mehr als ein Quart Feuchtigkeit. Obgleich der Geruch der ausfließenden Feuchtigkeit unerträglich ſtinkend war, und Friedrich sichtbar an Kräften abnahm, so war er doch mit seinem Bustande zufrieden , und schien einige Hofnung zur Befferung zu haben , besonders da die Geschwulst zu sehends abnahm, und sich keine Gefahr des Brandes zeigte. Ein fremder Officier , welcher um diese Zeit in der Absicht , den König zu sehen, in den Garten von Sanssouci ging, erblickte ihn durch eine Hecke, einſam figend auf den Stufen vor dem Schloße , in Uniform, halb mit einem Mantel bedeckt, einen großen Federhut auf dem Kopf, an dem einen Fuß einen Stiefel , den andern , woran er zu leiden ſchien , ohne dieſe Bekieidung und ausgestreckt ; er liebföfete einen Hund, und erquickte sich an den Strahlen der Morgensonne. Dieß Es muß hier, war etliche Tage vor seinem Tod . -
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als sehr charakteriſtiſch angeführt werden, wie er, auf Simmermanns Frage, ob derselbe eine Fenstergardine, des Sonnenlichts wegen, zuziehen solle , antwortete: Nein, nein! Ich habe immer das Licht geliebt !" Der vorhin geschilderte Zuſtand dauerte vom Eintritte der Entzündung an nen Tage. Der König aß mit aufferordentlichem Appetit , und man zitterte Für die Folgen davon. In der That bemerkte man schon in der Nacht vom 12ten zum 13ten August fieberhafte Bewegungen und unruhigen Schlaf , und er war den Tag über wenig munter. Nachmittags ließ das Fieber nach ; es erhob sich aber wieder gegen die Nacht , und fo verstrich auch der folgende Tag. Den 15ten schlummerte der König, wider seine Gewohnheit, bis 11 Uhr, Da er dann wie gewöhnlich seine Kabinetgeschäfte, zwar mit schwacher Stimme, aber doch mit ziemlicher Aufmerksamkeit, zum leßtenmale, besorgte, und auffer einer halben Seespinne keine Nahrungmittel mehr zu sich nahm. Allein ſeit dieser Zeit war er sich fast gar nicht bewußt, und in einem anhaltenden , berauDie letzten Bücher, welche benden Schlummrer. er sich vorlesen ließ, waren das Leben Heinrich IV., und der 12 erſten Kaiser. Am 16ten August des Nachmittags hatte zwar der in jeder Rücksicht große Kranke etwas freyeres Bewußtseyn, so daß er die Umſtehenden kannte, aber -noch nicht expedirten Kabidoch erinnerte er ſich ſeiner netgeschäfte zum erstenmale in dem ganzen Verlaufe feiner Regierung nicht, und dies war mehr als hinTänglicher Beweis von dem hohen Grade seines übel, befindens ; nur sterbend konnte er fähig seyn, feine Geschäfte zu vergessen .
520 Beym Verbande des Fußes zeigte der König alles Bewußtseyn und Gefühl, und es war nirgends eine Spur vom Brande zu ſehen, obgleich der Geruch der ausfließenden Feuchtigkeit kadaveris war. Sein Anfehen war mehr roth , als blaß , und feine Augen hatten noch nicht ganz ihr gewohntes Feuer verloren. Als er das Bedürfniß des Stuhlgangs äußerte, konnte er die wenigen Schritte dahin und zurück machen, und gegen 7 Uhr fiel er auf seinem Stuhle , den er nus fchon seit einigen Monaten weder Tag noch Nacht vers laffen hatte, in einen fanften Schlaf und milden, warmen Schweiß. Plöhlich stellte sich um 9 Uhr ein beständiger kurzer Hußten mit karkem Röcheln auf der Bruft ein , der nach und nach das Athemholen erschwerte, und Morgens den 17ten Auguſt um 2.Uhr und 20 Minuten die Maschine dieſes auſſerordentlichen Geistes durch einen Stickfluß zum Stillßland brachte. Der Tod des Königs war wie sein Leben. Furchtlos und gleichmüthig blieb er bis zum legten Zuge feines Acheme. Vor dem Fieber glaubte sich der Monarch in der Besserung ; wenigftens hatte er ſein Ziel noch einige Zeithinausgerückt, und im Fieber war ihm der Kopfzu sehr eingenommen, als daß er ſeine Todesgefahr håtte bemerken können. Auch hatte er zu oft von diesem mit Röcheln verbundenen Husten gelitten , als Daß er ihn hatte befremden follen. Er verfchied also ruhig und sanft, und seine ganz unverstellten Gesichtzüge , sein ruhiger , ernster Blick, zeigte noch im Sarg, daß er mit keineni beängstigenden und quålenden Gedanken aus der Welt gegangen nar, obgleich er nocheinige Minuten vor dem Tode BewußtTeyn hatte.
521 DerKönig war von jeher besonders schamhaft gewesen, und hatte öfters eine Abneigung gegen die Öff. nung und Balsamirung der Leichname bezeigt. Friedrich Wilhelm der Zweite heiligte seinen Willen. So einfach, als er fein Privatleben geführt hatte, ſo kunſtlos ward er beygefeht. Friedrich ist todt ! erschallte der Wehruf der preußischen Völker von den Ufern der Spree zu jenen des Rheing und der Ofljee. Ganz Teutschland, ganz Europa , ja, alle gebildeten Nationen der Erde, alle Freunde der Humanität, trauerten um ihn ; die dem Todten gezollte Hochachtung und Bewunde rung zeigten, daß man wenigstens in ihm nicht blos ben König verehrt habe. Poppe, sagte man, würde , jeßt wieder auflebend , aufrufen : ,,Was ist Der Kopf eines Friedrich, gegen das Herz eines Friedrich!" Lassen wir hier noch einige Stellen aus Dippold's Skizzen der allgemeinen Geschichte über diesen merkwürdigen Mann folgen : // .... Wenn der ñarbs bedeckte, eisgraue Grenadier, der in der Glorie der Lorbeeren von Hohenfriedberg, von Liffa, von Liegnit, in dem Schrecken von Colin , an dem Abend von Kunersdorf mit und unter ihm gestritten, oder auch nur bey friedlicher Musterung als Flügelmann von der Stiefelſpite ſeines vorbeyreitenden Königs gestreift worden war, und nie ein anderes Wort , als : „ Ver. warts!" aus seinem Munde vernommen hatte ; wenn Dieser am Abend seines Lebens, bey'in Namen Friedrich, noch von der Krücke auffuhr, und mit Jünglings gluth alle die Augenblicke schilderte , wo er seinen ge= liebten Frig gesehen und ihn vor Freuten fast ange-
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weint hatte , dann fühlt man, daß Eins in Fried rich's Wesen lag, was nur teutſche Fürsten uno Helden in so reichem Maaße haben können, das Gemüth. Dann begreift man, wie vieles der künftige Geschichtschreiber Friedrich's aufbieten müsse, wenn er ihn so zeigen will , daß Alle, die das große durchdringende Herrscherauge sahen , die die fesselnden Worte feines Mundes hörten, die der Bliß seines Geistes traf und entflammte, erkennen und sagen müſſen : „ Dies ist Dies ist die alles Friedrich ! So war er !4 .feffelnde Kraft des Genius, die Jeden, wider Willen, Aber ergreift, erwärmt, begeistert und beherrscht ! auch die Fehler und Mißgriffe dieses großen Königs dürfen wir nicht übergehen, wenn wir nicht, ſtatt einer wahren Schilderung, ein unfruchtbares Ideal darstellen wollen. - „Friedrich's Regierung war eine Selbstregierung, und die Folgen derselben zeigten ſich am nachtheiligsten in der Civil- Adminiſtration , die immer mehr zur Maschine ward. Sich selbst genug, kannte Friedrich keinen Staatrath, was in einer erblichen Selbstherrschaft unvermeidlich dahin führen kann, daß der Geiſt eines Herrschers ſich ſelbſt überlebt. Die Stärke des Staats, die in der Nation und in der Verwaltung liegt, fah Friedrich blos in seiner Armee, in seinem Schaße. Nirgends konnte daher die Scheidemand zwischen dem Civil- und Militärstande so stark werden, als in der preußischen Monarchie, was nicht zur Stärke des Staatsgebäudes bei tragen konnte. Indeß mag wol gefragt werden : ob es nicht eher ein Glück für teutsche Kunst und Gelehrfamkeit war, daß Friedrich sich ihrer nicht beson Ders annahm , sondern sie vielmehr ihr selbst und dem
523 Volke überließ! Ein Selbstherrscher wird einer Sprache immer schlechten Dienst erweisen, wenn er fich mehr gegen fie erlaubt, als nur den freyen Gang ihrer Ausbileung zu ſchüßen. Friedrich kannte den Geist der Sprache seines Volks nicht, und so mag es ihm zu großem Lobe gereichen, daß er sich weder für befugt, noch für berufen hielt, sich ihr als Herrscher aufzubringen, um in dieser großen Angelegenheit Pave sey und Richter zugleich zu seyn. *) Um so mehr aber
Nach seinem weisen Grundfag : ,,Wer frey dens " ken darf , denkt wohl , ließ er der Entwicklung der Wissenschaften freyen Spielraum. - Saak feld spricht sich sehr wahr über Friedrich in folgender Stelle aus: ,, Er hatte den von seinem Vater ererbten Staat von nicht einmal drittehald Millionen Einwohner an Umfang und Menschen= zahl verdoppelt, das Heer aber beynah' verdrey= facht, wiewol die Einkünfte kaum um das zivey= fache gestiegen waren. Daher mußte, wenn gleich die Monarchie größer geworden , weil die Ver hältnisse im Innern dieselben bleiben , auch die Verwaltung Friedrich's der seines Vaters åhn, lich seyn ; dieselben Grundsäße, die unter Friedrich Wilhelm dem 1. gegolten, galten auch unter seinem größeren Sohne. Dennoch aber, trog der trengsten Dekonomie , troß der unumschränkten Gewalt mit der Friedrich bennah' in allen Provinzen seiner Monarchie regierte , zugleich in derselben Sprech und Preßfreyheit , eine Tolerang aller reliaidsen Meinungen , eine Liberalitåt in der Unterstügung aller nüzlichen Unstalten, welche das drückende der unumschränkten Herr schaft gar sehr verminderten. Nur die Finanze 1 verwaltung, streng nach den Regeln des Merkan-
524 ist anzuerkennen, daß Friedrich im größten und edek ſten Sinne populär, daß er der Mann des Volked war. Er lebte ganz eigentlich in Mitten ſeines Volks ; faft an jedem Heerde fand man sein theueres Bild; Jeder feines Volks rühmte sich Seiner , und trat ihn an, tilſyſtems geordnet, und das Militårſyſtem, legs teres hauptsächlich durch die Trennung der Stände und die dem Adel im Widerspruche mit dem Geiſte der Zeit vorbehaltenen ausschließlichen Vorrechte, schienen låftig und machten die preußische Regies tung im Auslande wenig beliebt. Daß der Scaat, daß das Herr vor allen eine Maschine sey , daß aufleßterem allein nebst einem wolgefüllten Schage, die Kraft der Regierung beruhe , den Irrthum theilte Friedrich mit seinen Zeitgenossen, und wol war er verzeihlich , da er ja mit dem , nach · diesen Grundsäßen geordnetem Heere so Großes ausgerichtet ; Friedrich bedachte nicht, wie vielen Antheil an seinen Siegen der Geist gehabt , den feine Größe dem gesammten Volke , dem Heere vor allen, vom ersten bis zum legten mitgetheilt, Daher ward auf die Formen in der militärischen, wie in der bürgerlichen Verwaltung ein übertrie bener Werth gelegt, ein Mißgriff deſſen verderbs liche Folgen weniger auffielen, so lange des gros Ben Königs alles durchſchauender und alles durchdringender Geist diese Formen belebte , der aber desto greller hervorſpringen mußte , ſobald dieſer Geist fehlte. Friedrich war Selbstherrscher im edelsten Sinne des Worts, allein auch den ganzen Staat batte er so organisirt , daß er unumgångs lich eines Selbstherrschers ´bedurfte , sollte niat die Kraft und das Leben aus demselben entweichen. Wie mochte man aber immer einen solchen auf dem Throne erwarten ? Daher, nach Friedrich's
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denn er fand nirgends Schranken zwischen dem Vater und den Söhnen des Vaterlandes. Und was allen 1 Tadel, allen Fehl und Mangel des großen Mannes überstrahlt: er betrachtete sich, den König, nur als den ersten Diener des Staats, und der große Gedanke seines Lebens war : Als König denken, leben, sterben." Ich will nichts davon fagen, daß er teutſche Kunst und Gelehrsamkeit nicht achtete, oder verkannte. Denn in seiner blühenden Zeit hatten die teutschen Musen eine kümmerliche Gestalt, die teutsche Gelehrsamkeit ein ſo abschreckendes Äußere, daß sich Friedrich's Geist in dieser Armuth unmöglich gefallen konnte ; und als ein höherer Genius über sie kam, war Friedrich in fei nem Kreise schon so einheimisch, daß er nun nicht mehr für sie that, was er früherhin gethan haben würde." Funke fagt hierüber : .... Kein Psychologe Fein Kenner des menschlichen Herzens wird sich hierüber wundern , oder deshalb von dem in anderer Hin= sicht wahrhaft großen und edlen Charakter des Königs des II. Tode, ging zwar anscheinend die Maschine noch einige Zeit lang den gewöhnten Gang fort, die alten Formen, welche dieselben geblieben, täusch. ten noch einige Zeit lang über die Abwesenheit des belebenden Geistes , als aber bald stürmische Beis ten kamen, als diese Stürme auch Preußen tras fen, da ward klar , daß der Geist gewichen und die todte Form allein mochte nicht retten - Das gegen aber, so lange Friedrich herrschte, gelang es ihm allerdings , durch die Kraft und die Eins heit seiner Maasregeln , einen rühmlichen Plak unter den größten Mächten zu behaupten , und trok dis Mißverhältnisses der Kräfte, dem vers bündeten Europa zu widerstehen.“ 7 Friedrich d. Einz, IV.
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526 geringfchäßiger denken. Es liegt dies in der Natur der Sache: wo viel Licht ist , da ist viel Schatten ; Größe des Geistes findet sich nie ohne heftige Leidenschaften, und ohne die davon abhangenden Fehler *) ; wo viel gewirkt werden soll , da muß viel Kraft seyn, und wo diese ist, da wirkt ſie ſtark und mächtig nach allen Seiten hin, und —je nach dem es trifft — hier zum Schaden und dort zum Nußen . Das fanfte Bächlein , das die blumige Wiese bewäſſert, reißt nicht Häuſer um ; aber es treib: auch weder Mühlen, noch trägt es auf seinem Rücken reich beladene Schiffe. ,,...Um Alles zusammen zu faffen : er regierte den Staat meistens durch Kabinetbefehle ; und wie leicht diese zum Despotismus führen , ist bekannt. "Wie läßt sich nun Friedrich hier entſchuldigen ? Etwa mit dem poetischen Einfall des Herrn vonBir09 : kenstock? „Er war ein Despot, Aber auch würdig es zu feyn.“ Oder sollen wir von ihm, wie Herder von Kaiser Jofeph II. , fagen : Er wollte zwar das Gute, aber er wollte ei als Despot ?" Damit würden wir der Wahrheit erwal nåher kommen, jedoch die eigentliche Quelle des übels noch nicht gefunden haben. Auf dieſe deutet Guibert Man muß die preußische hin, indem er spricht : Staaten, die durch Friedrich's Vorfahren an eine weit despotischere Regierung gewöhnt waren, nicht mit *) Versteht sich, der natürlichen Anlage nach ; denn Erziehung (sowol fremde, als die, welche wir uns selbst geben) kann sie modeln und richten. Aber den Fürstensdhnen wird eine solche Erziehung felts nes als andern zu Theit. ( Funke, )
527 den zarten Begriffen von Freyheit und Menschenrechten ansehn, welche die Regenten zu Despoten machen. Diese haben in so fern keine Schuld auf sich, als jeder von uns in ihrer Lage eben so handeln würde - müßte. Die Staatverfassungen sind schuld , daß ein Regent Despot seyn kann , so bald er will; sie sind schuld , daß er es ist, ohne es zu wiffen ; daß er es zuweilen ſeyn muß, wenn er den Ruhm eines Selbstregierers behaupten will. Friedrich machte von der ihm zustehenden Gewalt, im Ganzen genommen, immer noch einen måßigen und rühmlichen Gebrauch. Seine Absicht bey willkürlichen Einrichtungen und Befehlen , wenn sie auch Die Rechte einiger oder mehrer Personen beschränkten, war gewiß allemal gut. Er hatte ein so natürliches Gefühl von Billigkeit, daß er auch nicht selten dergleichen , Befehle wieder zurück nahm, falls es ohne Aufopferung eines höhern Zwecks geschehen durfte. Es war seinen Unterthanen erlaubt, gegen ihn Prozeß zu führen, und er selbst hatte verordnet , daß man wider ihn entſcheiden sollte, wenn er sein Recht nicht ganz unwiderleglich beweisen könnte. Was uns aber vollends alle jene felteneren Anomalien in der Regierungart des Königs vergessen läßt, was ihn selbst ehrwürdig und groß macht, und von seinen vielen Verdiensten eins der vorzügliche 4 sten ist: Er duldete nicht den dreymal schwereren und unerträglichen Despotismus der Minister, der Günft= 7 linge und der Priester. Wehe dem Staatkdiener, den er aufdem Wege der Ungerechtigkeit und der Bedrúk. Fung fand ! Und er überließ die Entdeckung solcher Despotien nicht blos dem Zufall ; er forschte selbst nach, vornehmlich auf seinen Reifen in die Provinzen, und 7 י
528 merkte auf die Klagen des geringſten ſeiner Unterthanen. Über diesen Punkt schreibt er an Voltaire : „Ich für mein Theil ſuche blos in meinem Vaterlande zu verhindern, daß der Mächtige den Schwachen unterdrücke, und bisweilen Sentenzen zu mildern , die mir zu streng scheinen. Dies ist zu Theil meine Befchäftigung, wenn ich die Provinzen durchreise. Je= dermann hat Zutrift zu mir ; alle Kiagen werden entweder von mir selbst, oder von andern untersucht, und ich bin dadurch Personen nüglich, deren Existenz ich nicht einmal kannte, eh' ich ihre Bittschrift erhielt. Diese Revision macht die Richter aufmerksam, und verhütet zu harte und strenge Proceduren."
Kurze Personalschilderung Friedrich's, und Bemerkungen über seine Lebens-, Denk und Handlung weise. Vor Allem glauben wir nunmehr die Geflalt dieses Mannes beſchreiben zu müssen , deſſen Leben wir geschildert, der mehr als Einmal Europa bewegte, eš in Staunen und Bewunderung verseht hat. Friedrich, zwar kaum von mittelmäßiger Größe, war dennoch sehr wol gewachsen. Er hatte eine breite und erhabene Brust. Im Alter neigte sich sein Körper etwas vorn über , und der Kopfhing ein wenig nach der rechten Seite. Sein Gesicht, weder mager, noch voll zu nennen , zeigte starke und fråftige Züge. Der Mund des Königs war in jüngeren Jahren , bis er die vorderen Zähne verlor, sehr angenehm ; die Naafe lang, aber gut gebildet. Seine großen blauen Augen, voll Lebhaftigkeit und nicht selten voll Feuer, kündigten
529 sehr seine Gemüthbewegungen und Leidenschaften an, und fein scharfer durchbringender Blick drückte vor züglich heftigen Zorn auf eine erschreckende Art aus. Ernst und strenge zeigte meistens sein Gesicht ; nie wurde dasselbe mehr beseelt, als wenn er sprach, oder Musik hörte. Wie Cáſar, Gustav Adolph und Napo= leon, fah er wenig in die Entfernung. Seine Ge fichtfarbe, den gegen Hige und Kälte gleich sehr abge= hårteten Soldaten verkündend , wer braunroth. --Im Gespräch war der Ton seiner Stimme der reinste und angenehmste Tenor ; commandirte erdie Truppen, fo sprach er starf, durchdringend und deutlich. Etwas nachlässig war sein Gang, aber schnell und Stolz seine Haltung. Zu Pferde saß er in den jüngeren Jahren gut, im Alter aber gekrümmt und nachläffig, ausgenommen, wenn er geloppirte, was häufig geschah und was er lange auszuhalten vermochte. Er ritt weit lieber, als er sich des Wagens bediente, und während der Feldzüge sah man ihn öfters bey großer Kälte zu Fuße gehen. *) Friedrich's thätiger Geist räumte dem Schlafe nur wenige Zeit ein. Er selbst erzählte, daß er, wáh rend seines ersten Feldzugs (am Rhein) , es mit einigen andern jungen Leuten versucht habe, sich den Schlaf gänzlich abzugewöhnen ; vier Tage lang hielt er dies aus, dann behauptete die Natur ihr Recht. In feinem Punkte war der König so schwach, als
*) Einem General , der ihn einft aufforderte, fich bes Wagens zu bedienen, ſoll er geantwortet haz ben : ‚Herr, wenn ich fahre, so fährt die ganze Armee !
530 meistens in Betreff feiner Tafef , und befonders beklagten sich seine Ärzte oftmals hierüber (zum Theil vielleicht allzufehr). Im Krieg gebrauchte er für seine Person dufferst wenig , im Frieden aber waren für die königliche Küche 12,000 Thaler ausgefeßt , womit man überdieß ſelten ausreichte, was aber jedesmal feinen Unwillen im hohen Grad rege machte. Troß dem , daß er , beſonders an der Tafel , in der Regel Alles mit dem natürlichſten Namen nannte, zeigte er doch hinsichtlich seines Körpers die größt mögliche Schamhaftigkeit. Beym Aus- und Ankleiden durfte kein Diener sein Zimmer betreten , und wenn ihm in den Krankheiten Klyßtieren gegeben werden mußten , so war es ihm immer höchſt unangenehm. Er beobachtete indeß sehr wenig Reinlichkeit, und befonders waren feine Kleider fast immer beschmußt , nichts felten auch zerriffen. Vielleicht fand Friedrich's feuriger Geißt felbft in der Liebe ſeiner Vertrauteſten nicht Wärme genug und nicht den Grad von Enthusiasmus , mit dem Er liebte , und also wieder geliebt ſeyn wollte. So sehr er auch bey seinen Freunden darauf drang , daß sie ohne alle Rücksicht auf seinen Stand ihm begegnen möchten ; so viel Mühe er sich auch gab, ſeiner Seits die Hin derniffe einer solchen Gleichheit aus dem Wege zu ráumen : so scheint doch die Natur die Verhältnisse zwischen Monarchen und Unterthanen die leßtern zu nóthigen , immer in eine gewisse Entfernung zurück zu treten , wenn erstere ſich ihnen auch nähern . Fried: richwandte daher ſeine innigste Zärtlichkeit Geschöpfen einer andern Gattung zu , welche dieselbe lebhafter erwiederten ; die wegen ihrer Treue und Anhänglich
531 feit an unser Geschlecht von jeher unſere Lieblinge waren , die Stand und Rang nicht achten , und dem dürftigen Jrus für sein trockenes Brot eben so dankbar find , als dem reichen Crösus für seine Leckerbissen. Die Liebe, welche der König zu seinen Hunden hatte, | übertrifft alle Vorstellung , und man kann sagen woofern eine Vergleichung hier nicht unschicklich ist daß er wol nie einen Freund so liebte , wie seinen Favorithund. Die Schmeicheleyen und Liebkofungen dieser Gespielen seiner Einsamkeit thaten seinem gefühlvollen Herzen wol , und erfeßten ihm den Mangel der füßen Familienfreuden. Aus einer Pflanzschule von vierzig bis fünfzig Windspielen , welche auf dem Jazerhof unter besonderer Aufsicht gehalten wurden. waren drey oder vier der niedlichsten auserwählt, seine beständigen Gesellschafter zu seyn. Diese harten in seinen Zimmern alle Freyheit und Bequemlichkeit , und der König sorgte für ihr Vergnügen , für ihre Pflege und Gesundheit. Sie lagen nach Gefallen auf den Kas napees und Stühlen , wenn diese gleich dadurch be schmugt und zerriffen wurden ; zu ihrem Zeitvertreibe fanden sie in den Zimmern kleine lederne Ballen, womit fie spielen konnten ; ein Bedienter hatte das Geschäft, fie zur gehörigen Zeit zu füttern , und nach der Mahl= zeit bey gutem Wetter ſpazieren zu führen. Man sagt, daß dieser seine Pflegbefohlenen nicht anders als per Sie angeredet, und wenn sie zur Karnevalzeit in einer ſechsspånnigen . Kutsche nach Berlin gefahren wurden , sich allemul auf den Rückſiß geſeht , und jenen den Vordersiß überlassen habe. Während des Krie ges ließ fie der König gemeiniglich in die Winterquar tiere zu sich kommen. Am Ende des schweren Feldzu=
532 ges 1760 nahm er bekanntlich sein Winterquartier zu Leipzig , wo auch d'Argens auf seinen Befehl ſich eingefunden hatte , mit welchem er durch freundschaftliche Abendgesprächeſich aufzuheitern wünschte. Eines Abends, als d'Argens in'e Zimmer trat , fand er den König auf dem platten Boden ſizen , vor ihm eine Schüffel mit Frikaffee , aus welcher seine Hunde ihr Abendessen hielten. Er hatte ein kleines Stöckchen in derHand, mit dem er unter denselben Ordnung hielt, und dem Favorithunde die besten Biffen zuschob. Der Marquis trat einen Schritt zurück, schlug die Hände voll Verwunderung zusammen , und rief aus : Wie werden sich doch jeht die fünf großen Mächte von Europa , die ſich wider ten Marquis de Brandebourg verschworen haben , den Kopf zerbrechen , was er jeßt thut? Sie werden etwa glauben , er mache einen für fie gefährlichen Plan zum nächsten Feldzuge ; er fammle Fonds , um dazu Geld genug zu haben; oder beforge die Magazine für Mann und Pferd ; oder er entwerfe Negociationen, um seine Feinde zu trennen, und ſich neue Alliirten zu schaffen. Nichts von dem allen! Er fist ruhig in seinem Zimmer , und füttert seine Hunde. Der jedesmalige Favorithund genoß vor den andern viele Vorzüge , und diese schienen ihm nur zur Gesellschaft beigegeben zu feyn. Er lag bey Tage allezeit da , wo der König saß, an der Seite desselben, auf einem befondern Stuhl , den zwey Kiffen bedidten , und des Nachts schlief er bey ihm im Bette , inDeß die andern des Abends weggebracht wurden , und des Morgens wieder zu ihm kamen. Eben so empfing auch jener bey der Tafel meistens sein Essen aus der
533 Hand des Königs selbst , und diese wurden von dem Bedienten besorgt. Einer der Lieblinge , Namens Biche, ist dadurch merkwürdig geworden, daß er 1745 in der Schlacht bey Soor mit des Königs Gepäcke in die Hände der Oestreicher gerieth ; denn der König hatte ihn in den ersten Feldzügen beständig bey sich. Die Generalin Nadaſti nahm ihn zu ſich , und mußte · verschiedenemal darum ersucht werden , ehe sie sich entschließen konnte , ihn wieder heraus zu geben . Der König faß eben und schrieb, als Biche wieder anfam. General Rothenburg ließ sie leise , ohne daß es der König bemerkte, in die Thür hinein, und mit einem mal stand sie auf dem Tische vor dem König , und legte die Vorderpfötchen um ſeinen Hals. Der König freute kich so sehr, daß ihm die Thränen in die Augen traten. Eine andere Favoritin, Alkmene, starb zu Sanssouci, als der König eben in Schlesien war. Es wurde ihm gemeldet , und er befahl , daß man ihren todten Körper in dem Sarge, in welchen fie war gelegt worden, in fein Bibliothekzimmer sehen sollte. Bald nach seiner Zurückkunft begab er sich dahin , betrachtete fie lange mit stiller Wehmuth , und ließ sie sodann in die ause gemauerte Gruft , die er für seinen eigenen Leichnam bestimmt hatte, hinbringen. Dieß war aber auch der einzige von seinen Lieblingen, der hier seine Ruhestätte fand ; für die übrigen hatte er einen beſondern Plaß bey Sanssouci angewiesen, wo sie in Sårgen begraben, und ihre Grabmåler mit Leichensteinen , die den Namen eines jeden anzeigten , bedeckt werden mußten. Wie sehr die Sorge für diese geliebten Thiere dem Kós nige am Herzen lag , sieht man auch daraus , daß er wenige Stunden vor seinem Tode , als ihm alles an-
534 dere schon gleichgültig war , und das Bewußtseyn von Zeit zu Zeit ausblieb, doch noch hierauf seine Aufmerk famkeit richtete. Um Mitternacht bemerkte er , daß sein Hund von dem Stuhle gesprungen war , fragte, wo er sey , und befahl, ihn wieder auf den Stuhlzu sehen und mit Kissen zu bedecken ; nach zwey Uhr verschied er. Bey der Erziehung , die Friedrich genossen hatte , ist es nicht zu verwundern , daß er , selbst nicht in der französischen Sprache , orthographisch zu schreiben wußte. Wir haben im ersten Bändchen (S.20.) eine französische Probe mitgetheilt ; hier noch einige teutschen , die zugleich in mancher Beziehung als Andeutung seiner Denkart dienen können. Als man (im Jahre 1766) anfragte , ob der König dem Profeffor Böhmer in Halle eine Zulage von 100 Thalern bewilligen wolle , und eben so viel dem Profeffor Junker, schrieb er , seiner Gewohnheit nach, an den Nand : „wenn er habil ist guht aber wo es ein Esel ist muß man einen andern Suchen.“ — Als der Professor Klos , ebenfalls in Halle angestellt , um feine Entlassung nachsuchte, war die Antwort : Nein. „ Man muß Im Flatiren mit Einer Zulage." Ferner, ein ander Mal : „ auch wil nicht das man mihr Leute aus dem Land debauchire." Gegen die meisten Geistlichen , vorzüglich gegen. ihren Stand , hegte der König eine tiefe Verachtung; jedoch war der Ausdruck Pfaffé, den er so häufig gebrauchte , nicht schlimmer , als der Begriff, den er mit dem Worte Theologe verband. Hier einige Stel len hierüber ein Theologus ist leicht zu finden, das ,,iſt ein Thier Sonder Vernunft. “ Der Profeſſor und.
535 Diakonus Moldenhauer in Königsberg in Preußen hatte um seine Dimission angehalten , und sie war ihm vom Könige bewilligt worden. Er befann sich aber nach her wieder , und wünschte in seinem Posten zu bleiben. Der König schrieb an den Rand des Rescripts : Der ferfluchte Pfafe weis Selber nicht was er Wií, hohle Ihn der Teufel !// Dergleichen Antworten fie waren aber bey Weitem nicht Alle von der Art ; einige vielmehr sehr gnadigmußten nothwendig dem gemeinen Haufen der Geistlichkeit , der die (wahrlich nicht unreine!) Quelle solcher leidenschaftlichen Ausbrüche nicht kannte, oder nicht kennen wollte , äußerst anstößig seyn. Es ermangelten daher diese Herren nicht , in Schriften, in Predigten und gesellschaftlichen Zirkeln auf den großen Antichrist zu schelten , und alle Waffen, die ihnen zu Gebote standen , wider ihn zu gebrauchen . Die freyere Denkart des Königs in der Religion, feine Spöttereyen über dogmatische und kirchliche Lehrsäge gaben ihnen den besten Stoff dazu. Die Frömmlinge thaten aber wirklich unrecht daran ; sie hatten gar nicht Ursache, sich über ihn zu beschweren, denn er gebrauchte keine Repressalien , wie er wol håtte thun können ; er ließ sie nicht durch Philosophen und so genannte Aufklärer verfolgen oder drücken (wenn auch Verfol gung dem Charakter derselben gemäß wäre , wie sie es nicht ist), obgleich vorher jene von ihnen verfolgt wor den waren. Es ist bekannt , daß er alle Religionparthepen ohne Unterschied tolerirte , und feiner vor der andern einen Vorzug gab , den sie nicht schon nach den Landesgesehen hatte. Eben so wenig begünstigte er durch Anwendung unedler Mittel diejenige Sekte, zu
536 welcher er selbst sich bekannte, und die er in einem Briefe an d'Alembert so schildert : „ Die erste Selte für mich wird die ſeyn , die am mächtigſten auf die Sitten wirkt, und das gesellschaftliche Leben sicherer, fanfter , tugendhafter macht. So denke ich ; und mein einziger Gesichtpunkt ist die Wolfarth der Mensch heit , und der Vortheil der gesellschaftlichen Verbin dungen." Vergleicht man hiermit noch andere Äuße rungen über Religion , die in seinen Schriften häufig vorkommen , vorzüglich aber die herrliche Ode an Gott, die er in seinen früheren Jahren verfertigte , fo dürfte wol daraus ein System gebildet werden kön nen, dessen sich kein ehrlicher Mann zu schämen Ursa= de hätte. Am Wenigsten gab Friedrich dem herrschsüchtigen intoleranten Priestergeist Raum. Er hatte geſe= hen, wie dieser böse Geist während der Regierung ſeines Vaters ſpuckte ; hatte über Tafel mit verbiſſe: + nem Grimm die frommen Verläumdungen gehört, womit der Hallische Theologe den Weltweifen Wolf be fbmißte;"hatte leiden müſſen , daß dieser von ihm ſo hochgeachtete Mann gleich einem Verbrecher durch ei nen Kabinetbefehl des Landes verwiesen wurde. Was Wunder also , daß er in der Folge, als er das Ruder des Staats selbst in die Hånde bekam , in seinem Be tragen gegen Theologen nicht immer die gehörige Máf= figung beobachtete ! Die Priester zur Zeit FriedrichWilhelm des I. mochten sich wol herzlich freuen , daß dem Könige die Macht zustand, willkürliche Kabinets orders auszufertigen , weil sie diese Bannstrahlen nach ihren Absichten gebrauchen und lenken konnten , um burch fie gewiße Zwecke zu erreichen , welche auf ges
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fehlichem Wege nicht zu erreichen waren. Sie dachten wol nicht daran , daß sie bey veränderter Regierung mit eben den Waffen geschlagen werden dürften ; und i als es geschah, da war ihnen Friedrich ein Tyrann, ein Atheist. (Funke.) Seine Gesinnung sprach sich sehr deutlich im folgender Randbeme: fung aus : ,,ins fünftige werden dieHerren Pfafen wohl vernünftiger werden , und nicht gedenken , das Directorium und mihr Nasen anzudrehen. Die Halischen Pfafen müssen Eurz gehalten werden ; Es Seindt Evangelische Jesuiter , und mus Man Sie bey alle Gelegenheiten nicht die Mindefte Autoritet einräumen,"
Gedanken und Ansichten Friedrich des Einzigen. Wenn es mir gelånge , alle meine Unterthanen vollkommen glücklich zu machen , so würde ich nur auf einen sehr kleinen Theil dieſer Erdkugel gewirkt haben, die nur ein unendlich kleiner Theil des Weltalls iſt. Wie könnte ich denn mich unterſtehen , mich dem Wefen zu rergleichen , welches dieſes unermeßliché Weltall regiert und in Ordnung erhält ? (In der Unterredung des Königs mit Sulzer, am 31. Dez. 1777.) Er hält sich über die vielen Schmierer auf, die in Berlin sind ; warum ? steht nur in jeder Broschüre eine Einzige Wahrheit , die beſſert , so ist der Schade reichlich erfest ! Ein wenig Gruſche auf Sandboden, ist 8 Friedrich d. Eing. IV.
538 immer angenehm , und giebt wenigstens gute Hoffnung, daß der ganze Fleck mit der Zeit sich begrafen werde. Ich wünschte jeden Mann von Verdienst zu kennen, es ist der Könige Pflicht , sie hinzustellen , wo` fie hingehören ; es- thut mir aber feid , daß mir die Meisten unbekannt bleiben , und daß ich Manchen erhöhe , der es am Ende nicht verdiente. Es ist traurig, daß die meisten Menschen den Fürſten nur vom Hörenfagen bekannt sind.
Wie könnt ihr das für Pasquill halten ? Ich halt ´es selbst für mahr ; und Alles , was wahr ist , ist nicht Pasquill. Machts nur darnach , daß man ſo was nicht schreibt. (Nachträge zu Nicolai's Anekdoten von Friedrich dem Großen.) Ich habe nie ein größeres Vergnügen , als wenn ich einem armen Manne kann ein Haus bauen laſſen. (Unterredung mit Zimmermann vom 30. Juny 1786. ) Kein Gefühl ist unzertrennlicher von unserem Wesen, als das Gefühl der Freyheit; der Mensch im verfeinertsten Zustande , und der roheßte Natursohn, alle find auf gleiche Weise davon durchdrungen. So wie wir ohne Feffel geboren werden, so verlangen wir auch ohne Zwang zu leben. Dieser Geist der un abhängigkeit und der Troßes hat ſo viele großen Månner in der Welt hervorgebracht ; er hat die Versaffung der Freystaaten veranlaßt , welche eine Art von Gleichheit unter den Menschen festgeseßt , und sie da:
1539 durch dem Naturßlande näher bringt. (Friedrich des II. bey seinen Lebzeiten gedruckten Werke, Thl. 2, S. 52.) Ungeachtet die Stände verschieden sind , sieht man doch ein , daß die Natur uns gleich gemacht hat, daß wir einig und friedlich leben müssen , zu welcher Nation wir auch gehören , und welchen Meinungen wir auch zugethan feyn mögen ; und daß Freundschaft und Mitleid allgemeine Pflichten find. Kurz das Nach Denken beffert in uns alle Fehler des Temperaments. Chinterl. Werke, B.VI. S. 151.) Mich dunkt , wenn von der Geschichte des menschlichen Geistes die Rede ist , verschwindet der Unterschied der Stände und Lebensarten ; die Könige sind nichts weiter, als Menschen, und alle Menschen find einander gleich : denn wir haben hier nur im Allgemeinen die Eindrücke oder Veränderungen zu untersuchen , welche gewisse äußere Ursachen auf den menschlichen Geist bewirkt haben. (Friedrich II. bey seinen Lebzeiten gedruckte Werke , Thl. II. S. 47.)
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Wir haben bemerkt, daß die Bürger einem ihres Gleichen aus keinem andern Grunde den Vorrang eins räumten , als weil sie wichtige Dienste von ihm erwars teten ; diese Dienſte beſtehen darin, daß er die Geſeße aufrecht halte, die Gerechtigkeit genau handhabe, mit aller Macht dem Sittenverderbniß entgegen arbeite, und den Staat gegen seine Feinde vertheidige. Hierzu kommt noch ein tiefes Studium der besondere 8.
540 Verfassung und Lage des Landes , welches dieſe Obrig keit zu regieren hat , und eine genaue Bekanntschaft mit dem Geiste der Nation ; denn wenn der Regent aus Unwissenheit fehlt , ſo macht er sich eben so strafbar, als wenn er es aus Bosheir thäte. Jenes ist ein Fehler der Trägheit , dieses ist Verderbuiß des Herzens; aber das übel, welches für die Geſellſchaft daraus entspringt , bleibt daffelbe. Die Fürsten die Regenten, die Könige, find also nicht mit der höchften Gewalt bekleidet , um sich ungestraft den Ausschweifungen und jeder Art von Luruš ergeben zu können ; sie sind nicht über ihre Mitbürger erhoben , damit ihr Stolz sich auf dem öffentlichen Schauplah brüste,. und mit Hohn die Einfalt der Sitten , die Armuth und daß Elend niedertrete ; ſie ſtehen nicht an der Spiße des Staates , um neben sich einen Haufen Müßiggånger zu halten, deren Nichtsthun und deren Unbrauchbarkeit alle Arten von Laßtern erzeugt. Die schlechte Verwaltung der monarchiſchen Regierungform rührt von mehren verschiedenen Ursachen her , die ihre Quelle im Charakter des Regenten haben. So wird ein Fürst , der den Weibern ergeben ist , ko von Maitreffen und Günftlingen regieren laſſen ; dieſe werden die Gewalt mißbrauchen, die sie über den E, ift des Fürften haben , ſie werden ſich derselben bedienen , um ungerechtigkeiten zu begehen, sittenlose Menschen in Schuß zu nehmen , Ämter und Würden zu verkau= fen, und sich andere Schandthaten dieser Art zu Schuldea kommen laffen . Wenn der Fürſt aus Hang zum Nichtsthun die Regierung des Staats gedungenen Hånden , ich will fagen ſeinen Miniſtern , überläßt , so zieht der eine zur Rechten , der andere zur Linken ; Nie
54 i mand arbeitet nach einem allgemeinen Plane ; jeder Minister stürzt um , was er schon eingeführt findet, ſo gut es auch seyn mag , um etwas Neues zu schaffen, und um seine Phantasieen, oft zum Nachtheile des allgemeinen Besten , durchzusehen . Andere Minister , die an die Stelle von diesen kommen , eilen sosehr als möglich, um auch ihrer Seits die gemachten Einrichtungen niederzureißen , und find zufrieden , wenn fie nur für Erfinder gehalten werden. So verſtattet Diese beständige Reihe von Veränderungen und von Wechsel jenen Entwürfen niemals Zeit , Wurzel zu fchlagen. Daher entstehen Verwirrung , Unordnung und alle Fehler einer schlechten Regierung. (Hinterl. Werke, B. VI. S. 54 - - 56.)
Die weltliche Regierung mit Kraft emporhal• ten , Jedermann Gewissensfreyheit zugestehen , stets König seyn , und nie den Priester machen : dies sind die wahren Mittel , den Staat vor den Stür. men sicher zu erhalten , welche der dogmatisi rende Geist der Theologen beständig zu er regen sucht. (Bey des Königs Lebzeiten gedruckte Werke, Thl. I. S. 382.)
Alle Staaten haben einen gewissen Zirkel von Ereignissen zu durchlaufen , eh' fie bis zu ihrer höchsten Vollkommenheit gelangen. Die Monarchieen sind mit langfameren Schritten zu dieser Stufe gekommen, als die Republiken , und haben sich auch weniger darauf Kann man mit Wahrheit sagen , daß behauptet. eine gut verwaltete monarchische Regierungform die
542 vollkommenste ist , so haben doch , nicht minder gewiß die Republiken den Zweck ihrer Stiftung am ſchnellsten erreicht, und sich am Besten erhalten, weil gute Könige sterben , weiſe Gefeße aber unsterblich ſind. In Königreichen beruhet die Regie rung nur auf dem Despotismus des Sou verains: die Geseße , das Militär , der Handel, die Industrie und alle anderen Theile der Staatrerwaltung sind dem Eigenfinn eines einzigen Menschen un= terworfen ; und dieser hat Nachfolger , die einander nie gleichen. Daher kömmt es denn gewöhnlich , daß unter einem neuen Thronfølger der Staat nach`ganz andern Grundfägen regiert wird ; und gerade das ist der monarchischen Regierungform nachtheilig. In dem Endzwecke, den Republiken sich vorfehen , und in den Mitteln , die sie anwenden , ihn zu erreichen , herrscht Einheit; und daher verfehlen sie ihn niemals. În Mo= narchieen aber folgt ein tråger Fürst einem Ehrfürchtis gen , diesem wieder ein Frömmling , dieſem ein Erie gerischer , diesem ein gelehrter , dieſem ein anderer, der sich der Wolluſt überläßt. Indeß nun der bewegbare Schauplatz des Glückes unaufhörlich neue Scenen darstellt, wird der Geißt der Nation durch die mannig: faltigen Gegenstände zerstreut, und kommt nicht auf einen festen Punkt. In Monarchieen müssen alle die Einrichtungen, welche dem Wechsel der Jahrhunderte trogen follen, so tiefe Wurzeln haben , daß man sie nicht ausreißen kann, ohne zugleich den tiefſten Grund des Thrones zu erschüttern. Doch mit denWerken der Menschenfind Gebrechfichkeit und Unbestand verbunden. Die Revolutionen, welche Monarchieen und Republiken erfahren , haben
543 ihre Ursachen in den unwandelbaren Gesezen der Na= tur. Es ist nothwendig , daß die Leidenschaften der Menschen zu Triebrådern dienen , um ohne Unterlaß neue Decorationen auf dem großen Schauplaße herbey zu führen , und in Bewegung zu sezen ; daß die kühne Wuth des Einen das regnimmt, was die Schwachheit des Andern nicht vertheidigen kann ; ferner, daß ehrfüchtige Freystaaten umftürgen , und daß List bisweilen über Einfalt siegt. Ohne diese großen Revolutionen bliebe, die Welt immer einerley: es gåbe keine neuen Begebenheiten darin; die Schicksale der Nationen hårten keine Gleich= heit : denn einige von ihnen würden : mmer civiliſirt und glücklich, andere aber immer barbarisch und unglücklich seyn. Wir haben gesehen , daß Monarchieen entstanden und untergingen ; daß barbarische Völker ſich polizir= ten und Muster für andere Nationen wurden. Könn ten wir daraus nicht schließen , daß es für diese Völker (wenn ichso sagen darf) einen ähnlichen Umlauf giebt, wie für die Planeten , die , wenn sie in zehntausend Jahren den ganzen Raum des Himmels durchlaufen haben , sich wieder an der ersten Stelle beft::den ? So werden denn auch wir, gleich Anderen, unfere schönen Tage bekommen ; und wir können um so gerechter Anspruch darauf machen , da wir der Barba rey einige Jahrhunderte länger zinkbar geweſen ſind, als die füdlichen Nationen. Solche schäßbaren Jahrhunderte kündigen ſich durch die vielen großen Leute von allen Arten an, die zu gleicher Zeit geboren werden . Glücklich sind die FurBen, 3 die in fo günstigen Konjunkturen zur Welt kom
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men! Tugenden Talent und Genie reißen sie durch eine gemeinschaftliche Bewegung mit sich zu großen und erhabenen Thaten hin. (Bey Friedrich's Lebzeiten gedruckten Werke , Thl. I, S. 382.)
...Die siebenteOde des Königs hat dieſe gleichzeitige Lage der Staatangelegenheiten im Norden zumGe gentiand, und die ältereAusgabe enthält davon folgende Strophen : „O ihr ehrsüchtigenMinister, die ihr nichtë als boshafte Verschörungen ausbrütet. Ihr Geiseln des Menschengeschlechts und der eingeferkerten Sclaven , die eure Ketten verwunden . Eure verderblichen Ranke, eure Kabalen und eure Staatgriffe veröden die Welt. Euer Geißt, mit lauter tyranniſchen Entwürfen schwanger, überläßt sich ganz seinem Eigendünkel. Gewöhnt an Laster , Schandthaten und Meutereyen, hat vor ihm die Gerechtigkeit kein Heiligthum mehr. Das erhabene Vorrecht der Treue eurer Könige , der Staatkredit , kann eure heilloſe Vermeſſenheit nicht mehr bezähmen , noch vermag es dem reiſſenden Strome eurer Ausbrüche Einhalt zu thun. Der Krieg , der sich entzündet , indem er eure Schwüre bricht , schmeicelt eurem übermuthe." (Fischer's Gesch. Friedrich des II., Thl. I, S. 269.) Sehen Sie, das gehört zu dem Guten , welches der Krieg in der Christenheit bewirkt. Dieser Krieg Eoftet unermeßliche Summen: die Fürsten borgen; dann kömmt ein neuer Krieg , und neue Schulden ; man muß fie bezahlen ; aber es fehlt an Geldquellen. Was soll man machen ? Nichts bleibt übrig , als der
545 Geistlichkeit ihre Reichthümer abzunehmen , und die Noth zwingt die Monarchen , dies einzige Mittel, welches ihnen übrig bleibt, zu ergreifen. (In einem Briefe an d'Alembert.) Der Papst und die Mönche werden ohne Zweifel ein Ende nehmen ; aber die Vernuft wird ihren Fall nicht bewirken. Vielmehr werden sie in dem Verhält niffe zu Grunde gehen , wie die Finanzen der großen Fürsten in Unordnung kommen. In Frankreich wird man , wenn alle Mittel Geld zu bekommen erschöpft find, genöthigt seyn , Abtheyen und Klöster zu sákularisiren ; dies Beyspiel wird Nachahmer finden, und die Menge von Cucullatis wird auf eine sehr kleine Anzahl eingeschränkt werden. In Ößtreich wird man Durch eben dies Geldbedürfniß auf den Gedanken ges rathen , seine Zuflucht zu der leichten Eroberung der Staaten des heiligen Stuhls zu nehmen, damit man die außerordentlichen Ausgaben bestreiten könne. Man wird dem heiligen Vater eine große Pension ausfegen. Aber wie wird es dann weiter gehen ? Frankreich, Spanien, Polen, mit einem Wort , alle kaiholischen Mächte werden feinen Statthalter JeſuChriſtianerkennen wollen, der u ter dem kaiserlichen Hauſe ſieht ; jede wird einen Patriarchen in ihrem eigenen Lande ernennen ; man wird National Konzilien zuſammen berufen ; nach und nach wird sich jeder von der Einen Kirche tren nen, und am Ende wird jedes Königreich seine eis gene Religion haben , wie seine eigene Sprache. (In einem Schreiben an Voltaire.)
(Conftitutionen.) Die Conventionen , aufweiche
546 das dortige Volk ( die Einwohner in Neufchatel) feine Freyheit und seine Privilegien gründet , ſind mir ehrwürdig , und ich schließe meine Macht in die Gränzen ein , die es selbst bestimmt hat, als es sich meinem Hause unterwarf. (Hinterl. Wrk., Bd. IX., S.360.)
(Preffreyheit.) Der Herr von Villars , welcher nicht der Marschall von Villars ist, kann in Neufchatel brucken laffen , was ihm beliebt, wenn er nur die Mächte schont , und die Größen der Erde nicht an= greift , wenn das sind kißliche Leute in Absicht ihres Anspruchs auf Untrüglichkeit , und in Absicht ihrer Würden. Priester, wie Sie wissen, nenner jene die Ebenbilder Gottes auf Erden ; und die Narren glauben es im Ernste ; und so müssen freylich die Blät terfchreiber viel Achtung vor ihnen haben , und ihrer granzenlosen Empfindlichkeit mit der ängstlichsten Bes Hutsamkeit schonen. -- Wenn das Ebenbild Gottes in Versailles die Bekanntmachung von Voltaires Wer Een verbietet, so werden die schweizerischen , hollän disten und deutschen Buchhändler durch den Druc ras gewinnen, was die franzifischen hätten gewinnen Fönnen ; und Ihre Prieffer werden doch nicht, so viel Mühe sie sich auch deßhalb geben , am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die gebenedeyete Dummheit des zehnten und elften Jahrhunderts wieder erwecken. (Hinterl. Werke, Bnd. XII. , S. 342.)
Aber der Aberglauben verliert doch allent Fa ben feine Macht durch die Fortschritte der Ver nunft. (Unterredung mit Zimmermann vom Hen
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Das also sagte der große Friedrich July 1786. beynah' sterbend noch ! — Zaget, Finsterlinge! Bald wird die Uhr , die gegenwärtig noch Euer Da feyn anzeigt , sonst aber Eure Triumphe verkündete, zum legten Mal schlagen ! -) Man stellt Mißbräuche nicht eher ab, als bis fie den höchsten Gipfel erreicht haben. (An Voltaire. -Vom Mittelalter an, als man Euer heilloses Treiben zu erkennen anfing, begann Euer Sinken, Euer Fall, Ihr Finsterlinge ! - >
Ich gestehe gern , daß viel Geist , Muth und Geschicklichkeit dazu gehört , um es einem Thefeus , Cyrus, Romulus und Mahomet gleich zu thun ; aber ich weiß nicht, ob man sie tugendhaft nennen darf. Tapfer und verschmigt sind auch die Straßenråuber , wie die Helden ; nur mit dem Unterschied, daß der Eroberer sein großer Räuber ist , der andere aber ein unbedeutender; Jener erhält zum Lohne seiner Gewaltthätig feit Lorbeeren und Weihrauch ; dieser den Strid.
Die Einbildung der Geistlichen von einem unmittelbaren göttlichen Berufe ist eben so ungereimt, als das Vorgeben , womit man den Souverainen schmeichelt, daß sie das Ebenbild Gottes seyen. (Unterredung mit Sulzer. 1777.) Nichts hat mich von jeher betrübt, als wenn Ich die unschuldige Ursache an dem Tode irgend eines
548 Menschen war. (Unterredung mit Zimmermann, Friedrich von seinen Feldzugen sprechend.) Teutschland , fruchtbar an schlechten Originalen, zählt unter den Großen die thörigften und sinnlosesten. Für den französischen Hof eingenom mer, ahmt ihr ofnmächtiger Stolz die ausschweifende Pracht der Ludwige nach. - Fürsten , deren Staat kaum 6000 Morgen enthält , verwandeln die Hälfte ihrer Felder in Gårten, und um ein Mendon, Marly, Versailles im Lande zu haben, bedrücken sie ihre unter Auflagen seufzenden Unterthanen. In ihren weitläuf tigen Pallasten würde man den Fürsten mit seinem ganzen Hofstaat einen Tag lang fuchen, eh' man ihn fance. Zehn Hunde machen ihre Jazd und hundert Bettler bilden ihr Heer. (Epistel Friedrich's an den französ. Gesandten Rothenburg in Berlin.)
Sie wollen wiffen, was ich von dem Betragen der Engländer denke ? Gerade wie das Publikum. Daß fie nämlich wider die Redlichkeit gesündigt haben, indem sie ihren Kolonien den Vertrag nicht so hielten, wie sie ihn mit denselben geschlossen hatten ; daß fte sehr ungeschickt und wider alle Regeln der Klugheit einem Gliede ihres Staatkörpers den Krieg angefün digt haben, der für sie nicht anders als unglücklich ausschlagen konnte ; daß sie sehr einfältig die Stärke dies fer Kolonien nicht kannten, und ſich einbildeten, Ge neral Gage könne fie mit 5 bis 6000 Mann , die er befehligte, bezwingen ; daß sie Truppen in Sold nahmen, ohne an die Schiffe zu denken, die ſie nach Ame-
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rika herüber bringen ſollten ; daß sie auf dem londoner Markt Lebensmittel und Kriegbedürfniſſe für die Armee kauften , die in Pensilvanien fechten sollte. Kurz, nichts als Fehler sind diesen Infulanern vorzuwerfen. (An -d'Alembert.)
In Beziehung auf die Ruffen sagte Friederich ſchon zu den Zeiten des ſiebenjährigen Kriegs (in feiner Schrift über Karl den XII .), was wir vielleicht in wenigen Jahrzehnten nur allzunahr finden werden : Nienrand könnte, fie angreifend, gewinnen, da man #eine Art von Wüßten zu durchziehen hat, um sie zu ers reichen ; ja, selbst wenn man sich, von ihnen angegrif= fen, auf einen Vertheidigungkrieg beschränkte, könate ■ man Alles verlieren. Das , was ihnen vor Allem Andern diesen Vortheil zu gewähren scheint , ist die Menge der Tartaren, Kosaken und Kalmucken, welche sich in ihren Heeren befinden. Diese Horden von Râubern und Brandstiftern sind im Stande , durch ihre Einfälle die blühendßten Provinzen zu verwüsten, ohne daß die eigentliche Armee auch nur einen Fuß in dieſel= ben sehte. --- Um diese Verwüstungen zu vermeiden, gehen alle ihre Nachbarn behutsam mit ihnen um, und die Russen betrachten die Verbindung, welche sie mit andern Völkern abschließen, als einen ihren Clienten bewilligten Schuß ( comme une protection, qu'ils accordent à leurs cliens.) - Es ist unmöglich, Rußland ein gleiches Übel zuzufügen, wenigstens ohne eine bedeutende Flotte zu haben , um das Landheer, das ſeine Operationen auf Petersburg ſelbſt richtete, zu unterſtüßen und ihm Lebensmittel zu verschaffen. Dieses Reich ist von allen Nachbarn Preußens der 9 Friedrich d. Eing, IV.
550 gefährlichste. Der König (Friedrich der Einzige) fürchtete weniger die Zahl seiner Truppen , als diesen Schwarm von Kosaken und Tartaren, welche die Ge genden verwüſten und verbrennen, und ihre Bewohner tädten oder sie in die Sklaverey schleppen ; sie verur ſachen den Ruin der Lånder, welche ſie überschwemmen. Da die Schweden plößlich einen Einfall in die Staa ten des großen Churfürßten gemacht hatten, riethen die Minister diesem Fürsten, den Czaar von Rußland ju Hilfe zu rufen. Aber Friedrich Wilhelm , weiter ſehend, als sie, antwortete ihnen : die Moskowiten feyen wie die Båren, die man nicht lokketten müſſe, aus Furcht, ihnen ihre Ketten nicht mehr anlegen zu fönnen." Großmüthig nahm er die Sorge feiner Ráchung auf sich, und er hatte nicht Ursache, es zu be reuen." Charakterzüge und Anekdoten von Friedrich dem Einzigen. Wol nie wurden von einem Sterblichen fo viele Charakterzüge und Anekdoten erzählt und wieder erzählt, als von Friedrich dem Einzigen. Schade, daß so mancher herrliche Zug von ihm um deßwillen weniger geglaubt wird, weil ſo Vieles — Böses, wie Gutes --- auf ihn erdichtet wurde. Imnierhin aber bleibt die Menge von Anekdoten , welche nicht blos ia dem Munde, sondern auch in dem Herzen aller Völker leben, welche Teutschlands weit ausgedehnten Gaue bewohnen, ein schöner, hocherfreuender Beweis, wiesehr jenem Einzigen Könige die Liebe der Natioder 3wef jenes edlen, hochherzigen Strebens nen
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Nicht b'os , in Wirklichkeit zu Theil wurde. , der narbe..bedeckte, eisgraue Grenadier , der in der Glorie der Lorbeeren von Friedberg, Leuthen, Zorndorf, in dem Schrecken von Cöllin, an dem Abend von Kunersdorf, mit und unter ihm gestritten, . . . . und nie ein anderes Wort als : Vorwärts ! aus seinem Munde vernommen , sondern selbst der fern von Preußen wohnende friedliebende Südteutsche, ja ſogar der stolze Brite , der oft seine Nation allein achtende Franzofe , der Ita'ienier , wie der Schwede und dec freye Nordamerikaner, erzählen mit hoher Begeiste rung jene Züge, die sie selbst vormals mit Enthuſias= mus gehört ; und doch ist schon mehr denn ein halbes Jahrhundert verflossen , seit sie sich ereignet. Wahrlich! Eine solche Begeisterung der Nationen und Völker vermag fein feiger, blödsinniger Despot zu veranlassen ! Es scheint einer der bedeutendsten Mängel, der : Geschichtschreiber und Biographen aus unserer Zeit zu seyn, daß ſie, wo sie es nur für thunlich eeachten, einzelne (fogenannte Privat- ) Handlungen der geschilderten Perfonen übergehen, und sich lieber z. B. darin gefallen, von der Nichts entscheidenden Niedermeßfung einiger Hundert Unglücklichen zu sprechen, die, feineswegs für das Wohl ihres Vaterlandes, sondern ür fremdes Intereffe, in diesem oder jenem Gefechte. zur Schlachtbank geführt wurten ; oder von andern, das menschliche Gefühl empörenden. Schandthaten zu Doch! hiervon schweigen wir ! erzählen . Bey der Schilderung keines Mannes aber möchte wol das Mangelhafte, solche Züge übergangen zu haben, mehr in die Augen fallend seyn , als gerade bey der 9*
552. Bewundern wir zwar die außer unferes Helden. ordentliche Taktik des Siegers von Leuthen, und aller jener Schlachten, welche ſein Andenken mit verherrli chen ; -- bekennen müſſen wir aber , daß ſelbſt der furchtbare Attila, der schreckliche Timur und so viele anderen Weltverwüster eben dadurch ihre Namen der Geschichte einprägten.. Erst aber durch Züge, wie gleich der erste der unten folgenden, lernen wir den Menfchen, sein Herz , seine Denkart kennen . Und sehen wir oft gleichzeitig fast rings um uns den Triumphder über Wahrheit , Recht und Tugend ſiegenden, Schlechtigkeit, so mögen uns Blicke auf solche beſſere Epochen der Vergangenheit wieder aufrichten, uns die feste Hoffaung gewähren , daß die Zukunft sich auch wieder aufhellen werde, denn der Aberglauben (und. mit ihm so vieles Andere ! ) verliert ja doch allent halben seine Macht durch die Fortschritte der Vernunft!!! Durch den Raum beſchränkt, müſſen wir unê, mehr als wir wünschen , enthalten , manches Schöne, Große und Edle von Friedrich mitzutheilen , ung beznügend, eine kleine Anzahl Charakterzüge auszuwählen, die von unserm Helden, wie wir glauben, ein beſonders treutes Bild zu geben im Stande ſind. Daß wir sehr daraufaufmerksam waren, mit Ausschließung alles deffen , was uns erdichtet schien , nur mirkliche Thatsachen aufzunehmen , können wir mit dem besten. Gewiſſen versichern. Der Staatminister von Werder hatte von Fried-. rich dem Großen die Weisung erhalten , zu ihm nach Potsdam zu kommen , um ihm den Vortrag über die
553 Einnahme des verflossenen Etatjahres zu machen, und ihm den. Etat der Ausgabe für das fünftige zur Ges. nehmigung vorzulegen. Der Minister stellte sich zur Bestimmten Stunde ein. Jeder, der öfter Audienz bey dem König hatte, pflegte sich gewöhniglich bey deffen Umgebungen zuvor zu erkundigen, ob der Monarch bey guter oder übler Laune sen ; auch der Minister , als er in das Vorzimmer trat , wollte diese Erkundigung einziehen , als er ein großes Geräusch in dem Zimmer dee Könige ver> nahm ; er hörte deffen zornige Stimme sehr laut, mancherley heftige Drohungen , und die Äußerung : Ihr Spizbuben würdet mich noch zu einem armen Manne machen, wenn man Euch nicht immer auf die Finger fübe! Eine solche Stimme des Königs war dem Minifter sehr unwillkommen ; er zögerte, ſich melden zu laſfen , da trat ein Lakay mit verstörtem Gesicht aus Friedrich's Zimmer. Der Minister wandte sich an ihn mit der Frage: ob er jegt zu einer günstigen Stunde Eåme ? "Gott behúte!" verfeßte der Lakan,,,der König ist ganz außer sich vor Zorn, und ich danke dem Himmel, daß ich mich noch auf eine so gute Manier habe davon machen können." Er fragte den Lafayen : worüber ist denn der König fo entrüftet ? Worüber ? - über eine Lumperey ! -- Einer der Bedienten hatte bey der Tafel eine halb ausge= trunkene Flasche Wein in die Tasche gesteckt, der König hat es in einem ihm gegenüber befindlichen Spiegel bemerkt, und nun macht er darüber so vielen Lårm.“
554 Für den Minister war dies eine böse Nachricht; er kam zu einer sehr ungelegenen Zeit, und fürchtete, auch er möchte ſehr unfreundlich empfangen werden. Gerne wår er umgekehrt , aber dies ging nicht , er mußte sich melden lassen und auch gleich darauf vor dem König erscheinen. Mit ungewöhnlicher Befangenheit und sichtbarer Besorgniß näherte er sich dem Monarchen . Fried rich empfing ihn freundlich , und brachte gleich das Gespräch auf den Zweck seiner Anwesenheit in Potsdam. Der Minister legte dem Könige die übersicht der Einnahme und Ausgabe des verflossenen Etatjahres (von 1ten Juny bis Ende May) und die darin gewonnenen überschüsse vor ; darauf den neuen Etat, und bemerkte dabey , daß er in folchen, theils zu Unterstügungen durch Wafferschäden unglücklich geworde ner Unterthanen aus den überschüssen des verflossenen Jahres 800,000 Thaler zum Anfah gebracht habe. Sein Vortrag wurde immer ångftlicher ; denn er zweifelte keinen Augenblick, daß diese Forderung für Friedrich eine Veranlassung seyn würde, auch gegen ihn seinem Unmuth Luft zu machen. Wider alle Er wartung hatte der König Nichts zu erinnern , geneh migte diese außerordentliche Ausgabe, und vollzog den Etat. Nachdem dies Geschäft beendet war , erkundigte fich Friedrich noch theilnehmend bey dem Minister nach seiner zahlreichen Familie, und nach jedem einzelnen Gliede derselben , und sagte endlich : „ Was fehlt Ihm denn ? Ich hab' Ihn noch nie so ängstlich und verlegen gesehen ?
555 Ew. Majestát, erwiederte der Minister , ich bin nicht gewöhnt , Ihnen eine Unwahrheit zu ſagen ; ich muß daher offen gestehen, daß ich mit Zittern und Za gen zu Ihnen in's Zimmer getreten bin, denn als ich Fam, hörte ich daß Ew. Majestät sehr ungnädig waren, und ich fürchtete, zu einer ungelegenen Zeit gekommen zu seyn." Weiß Er auch den Grund , weßhalb ich ſo aufgebracht war u Ja, Er. Majestát ; ich erfuhr, daß ein Lakay eine Flasche mit BeinHab' ich denn nicht Ursache mich darüber zu årgern unterbrach ihn Friedrich; und dem fpigbubischen Gesindel ein Donnerwetter anf den Kopfzu schicken ? Sieht Er, wenn ich ſie ſchalten und ,,walten ließe, wie sie wollten, so würde mir bald fein Pfennig zur Unterstügung unglücklicher Unterthanen ,,übrig bleiben." Es war in den achtziger Jahren, erzählte der ehmalige preußische Minister Lucchesini , als die ausge tretenen Flüsse den größten Schaden angerichtet , und der König die unangenehmsten Berichte hierüber eines Tages erhalten hatte. Als ich mich , nebst andern Tischgenossen zu Mittag einfand, bemerkte ich bey❜m Eintritt in den Speiſeſaal, an des Königs Gesicht, daß er in hohem Grade mißvergnügt war ; er äußerte sich auch sogleich gegen uns : ,,Da habe ich aus den Provinzen die allertraurigsten Nachrichten von dem Schaden erhalten, welchen die überschwemmungen verursacht, und was das größte übel ist, ich habe gerade kein Geld vorräthig, am zu helfen ; dies macht mich höchst un-
556 glücklich." In der übelſten Laune feßte er sich nachdenkende zu Tische, ohne ein Wort zu sprechen. Auf einmal erheiterten sich alle seine Gesichtzüge, und voll Freude rief er aus : „ So eben fällt mir ein, daß ich noch 95,000 Thaler zu meiner Disposition habe, um ་ den Unglücklichen zu helfen. Ruft mir gleich den — (Kabinetsekretår, deſſen Namen ich vergessen) ; er foll augenblicklich kommen. Er fam; der König stand vom Tische auf, ging in ein Nebenzimmer , und ließ diesen Kabinetsekretär mehre Kabinetbefehle ausferti gen, in welchen er gedachte Summe anwies. Stafet ten gingen deshalb fogleich ab. In der frohesten . Stimmung ging er zum unterbrochenen Mittagmahle: nach einer halben Stunde zurück. Die größte Heiter keit war an die Stelle der größten Mißlaune getreten er ließ Champagner holen, und konnte gar nicht aufhö ren , feine Freude darüber zu bezeugen , Mittel gefunten zu haben, um den Verunglückten zu helfen. Wie Viele, außer Friedrich , hätten ihr Mirtagmahl aus einer solchen unterbrochen ? Aber bey ihm Fren nicht durch den kleinsten follten die Zeitverlust leiden..
Der König forderte geschwind ein Glas Waffer; der Page, der zu schnell war , glischte auf dem ge bohnten Fußboden aus , und fiel mit dem Glase: lang vor dem König hin. Ach nun bin ich ewig.um Dero Gnade gekommen, schrie er erschrocken. ,,Nein, mein Sohn , sprach der König ,,,Waffer thut das nicht !“ In dem gelehrten Zirkel dee Königs warfder Mo= narch einmai ſelbſt dieFrage auf: wer wol der größte
557 Mann der åltern und neuern Zeiten gewesen sey ? Alles schwieg und sah den König an ..— ,,O ich weiß, was Ihr damit sagen wollt - aber dieser stolze Traum sey ' fern von mir ! Der Beste ist der Größte ! — Ob der schon da gewesen sey , jest da ist, oder erst da seyn wird das weiß Gott! (Nachtr. zu Nikol. Anekd. ) Aufdem Wahlplaß einer seiner ersten Schlachten, ben dessen Besichtigung er ( nöch ungewöhnt mit diesen Die Menschheit empörenden Scenen ) die äußerste Rüh sung bewiesen hatte, ließ er seinen gebliebenen Sol daten einen Obelisk mit der selbst verfertigten Inschrift errichten : ,,Ruhetfanft, geliebte Söhne ! Seht! ich weih' euch diese Thräne ! Bab? Ich Schuld an eurem Tod,, Straf"mich der gerechte Gott !! Ist ein anderer Schuld daren , " Ist ein Gott , der's rächen kann.' (Nachtr. zu. Nikol. Anekd. )
I mein Pferd da, fragte einstmal der eilende König; ein neuer Page sprach in seiner Unschuld :: ich glaub , es frißt noch ! — Das wäre nicht gut, mein Sohn; mache das nicht so ; wenn Du bey mir seyn follst, mußt Du dich ja nicht hinseßen und essen ; aber sieh, Du hast dem Pferde unrecht gethan , da steht's ja schon.. Um das Jahr 1754 kam der König auf den GeBanken, bey Sanefouci eine Bildergallerie zu sammeln, und gab deßwegen verschiedenen Personen. Aufträge,
558 von berühmten Meistern zusammenzusuchen. Dieft verlangte er , wie billig, erst zu ſehen , und wenn ſie ihm gefielen , fragte er nach dem Preise. Besonders wollte er gern ein Paar Gemälde von Raphael haben. Der Kaufmann Gottskowsky ; der mehre Aufträge Dieser Art erhielt, hatte ein fölches Gemälde in Rom entdeckt , das zu verkaufen war. Der König befahl ihm, es fo einzurichten, daß das Gemälde auf des Königs Kesten nach Potsdam zum Ansehen geschicht würde, und sich dabey zugleich vorläufig nach dem Preise zu erkundigen. Gottskowsky berichtete dem Könige 1756 : # Sein Korrespondent in Rom melde ihm , daß der Besizer das Gemälde nicht außer Nom zum Ansehen schicken wolle , sondern es falle in Rom Darauf gehandelt werden ; dabey gebe man vor, der König von Polen habe auf dies Gemälde schon.30,000 Dukaten geboten , wofür man es nicht laſſen wolle.“ Darauf bekam Gottkowsky folgendes eigenhändige teutsche Antwortschreiben: Ich habe einen Raphael " im Handel, der nicht so theuer ist, da erwarte ich erftlich Antwort. Dem König von Polen ſtehet_frey, 30 für ein Tableau— m Dukaten zu bezahlen , und in 100 „Sachsen für m Kopfsteuer auszuschreiben, aber das
,,ist meine Methode nicht. Was ich bezahlen kann nach „einem raiſonnablen Preis , kaufe ich; aber was zu theuer ist, lasse ich dem König von Polen über : denn Gold kann ich nicht machen , und Imposten aufzule #gen, ist meine Sache nicht.“ Zum Beweise, daß der König nicht, wie man mei-
559 ftens glaubt, die Bürger den Launen und der Willkür feiner Soldaten überließ, diene Folgendes : . ,,Ein Schußjude in der Provinz hatte oft von einem Offizier, dem er nichts mehr borgen und geben wollte, die größe ten Verfolgungen und Beleidigungen erdulden müſſen, und sich daher vielfältig an den Commandeur gewandt; allein er ward auch von diesem gewöhnlich mit den Worten abgewiesen : Herr, warum gibt Er sich mit Offizieren ab ? Er hat immer Schuld, sonst würden sis Ihn nicht attakiren ; und reise Er Seiner Wege." Der arme Jude ward endlich aller dieser Bemühungen überbrüffig, und wagte es, seiner Sicherheit we gen, gerade an den König zu ſchreiben, und ihm den öftern Unfug vorzustellen. Der König schrieb hierauf an den Commandeur : „ Was hält Er für schlechte Ordnung bey Seinem Regimente ! Seine Offiziere infultiren ja meine treuen Unterthanen , die Ihn und mich ernähren müßen, aller Orten. Das rathe ic Ihm , daß Er das sogleich abstellt , und die jungen Fähnrichs in Zucht hält, oder ich werde Ihn besonders Dafür ansehen. Vorzüglich schaffe Er mir dem Juden Ruhe, denn dieser Unterthan ist mir so werth als ein anderer. Weiß Er das ? Richte Er ich hierunter auf das Genaueste nach meiner Willensmeinung , und Juffe Er sich dieses zur Warnung und Befolgung Dienen." Der Hofmarschall, Graf v. d. S.. , brachte bey dem König das Gesuch an , daß Se. Majestät deſſen Sohn im Militärstande zu befördern geruhen möchten. Der Monarch ließ aber an ihn folgende Kabinatresu= lution ergehen : „Ich habe aus Eurem Schreiben
560 vom 22ten May d. I. Euer Geſuch wegen Eures Sohnes gesehen. Ich muß aber sagen, daß ich schon långt den Befehl gegeben habe, feinen Grafen in » meiner Armee arzunehmen ; denn wenn ſie ein oder zwey Jah: e gedient haben , gehen sie nach Hause. Will Ever Sohn dienen , so gehört die Grafschaft nicht dazu, und er wird nie weiter avanciren, wenn er ſein Metier nicht ordentlich lernt.“-Von de Königs eigener Hand ward darunter geschrieben: Junge Grafen, die nichts lernen, find Ignoranten in allen Ländern. In England ist der Sohn des Kinigs nur Midſchipman auf einem Schiffe , um die Manivres dieses Dienstes zu lernen. Im Fall nun aus einem Grafen was werden, und er der Welt und feinem Vaterlande etwas nüße werden folk, so muß er sich auf Titel und Geburt nichts &nbilden ; denn dieses sind nur Narrenspoffen ; sondern es kommt nur allezeit auf fein Mérite personel.an."
Der Rittmeister v. Kurzhagen vom ehmaligen v. zieten'schen, spåter v. göcking'schen Leibhusaren-Regimente, - der Sohn eines märkischen Landmanns, war einft von Friedrich zur Tafel eingeladen. Von was für einem Hause stammt Er ab? fragte ihn der König, vermuthlich um seine Gesinnungen zu prüfen. ,,Von gar keinem, Ew. Majeſtåt,“ erwies derte der Rittmeister ; blos Landleute sind meine Eltern, und ich möchte sie um keine andere Eltern in Das heißt edel gedacht! der Welt vertauschen. forach der große Monarch, und eine Freudenzähre floß ſeinen Wangen herab.
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Die Öftreicher attaquirten bey einem Marsche im fiebenjährigen Kriege die preußische Armee sehr starf, und fo zu sagen Fuß für Fuß. Die Preußen wa-en linkɛ abmaſchirt, ſo daß der König mit dem General von Bieten den rechten Flügel commandirie, welcher hinterwärts und der größten Ge‘ahr aufgefeßt war. Die Armee mußte durch eine Meierey defi firen, und dadurch ward der Marsch so sehr verzögert, daß die Hinterften zu ganzen Stunden halten mußten, und fo dem anhaltenden Flintenfeuer der Kroaren • und Panduren ausgefeßt waren. Der König befahl, Die Meierey in Brand zn stecken. Sie stand schon in vollen Flammen , und die Garde du Corps, Gendarmes, die zietenschen Huſaren und ein Freybataillon waren ( noch nicht hindurch. Der General von Zieten rief dem Könige zu : ,,Ihro Majestát, es ist die höchste Zeit, daß Sie durchkommen , ſonſt ſehen Sie sich in Lebendgefahr ; der Bettel wird vald einstürzen." , 0, mein fieber Zieten! antwortete König ; ,,wir sind tein Paar Generale , und müssen erst unsere Leute in Sicherheit sehen , dann ist es Zeit , an uns zu denken. Damit uns aber die Zeit hier nicht lang wird, ſo mach' Er mit Seinen Husaren eine Araque auf das Ge= fchmeiß." Zielen ließ die Husaren aufmarsciren, hieb unter die Kroaten ein, und brachte 17 Gefangene und eine Kanone zurück. Der König ſagte lächelnd : „ Der Spaß ist uns doch gelungen." Darauf ließ er die Hufaren und das Freybataillon durchdefiliren, und nun erſt, ais der legte Mann durch war, ließ er Zieten rufen, und sagte zu ihm : „ Nun ist es Zeit, mein ticber Zieten ; nun wollen wir mit bieſen Leuten durch, fonft fallen uns doch wirklich die Ealken auf den Kopf.“ Friedrich d. Einz. IV.,
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562 An einem sehr anmuthigen Frühlingtage war die Armee auf einem Marsch nach Böhmen begriffen. Die Soldaten waren sehr aufgeräumt , und fangen mar cherley Krieg und andere Lieder. Der Lieutenant vok Trotta von der Garde du Corps war sehr unwillig darüber, und jagte bald hier bald dort hin, besonders feinen Garde du Corps daß Singen zu verbieten. Sein Schelten und Drohen half wenig, und die Leute ließen fich in ihrer Fröhlichkeit nicht stören. Indem wa d er den König gewahr ; nun kömmt der König" sagte er, der wird Euch die Mauler schon stopfen. Plög: lich entstand eine allgemeine Stille. Friedric hatte seine Freude an dem guten Muthe der Leute gehabt, und da ihm die plößlich erfolgte Stille auffiel, fo fragte er: warum singt Ihr nicht noch , Kinder? - „ Ihro Majestät, der Lieutenant von Trotta hat es uns verboten war die Antwort. --- Der König wen: dete sich nun zu Trotta, der neben feinem Zuge ritt, und sagte verdrießlich : „Herr , laß Er meine Leutt vergnügt feyn ! Denkt Er, daß Er Sklaven unter ſich hat ? Nein , es sino meine Preußen. Kinder, fingt fort! riefer laut ; -,,ich will Euch nicht stören.“ Friedrich's edles Herz, das ihm die halbe Welt abspricht, zeigte sich bey dem Prozeß des Miniſters von Görne so sehr wie bey vielen tauſend andern Gelegenheiten. Eh man noch die allein durch Görne veranlaßten Ursachen des creditlosen Zustandes der See handlungs- Societåt fannte, gab ihr Friedrich , ju ihrer Erhaltung , einen Vorschuß von mehr als einer Million Thaler. Bey dém Concurs berichtigte die Commission dem Könige , diese Million könne man aus der
563 Mafe dek görne'schen Güter und Effecten erstatten," wenn der König sich seines rechtkräftigen und verfass fungmäßigen Vorzugrechts bedienen wolle: Vermöge dieses Vorzugrechts erhielt der König ibm gestohlene Gelderzuer , und diejenigen Creditoren, diedem Herrn von Görne ohne genugfame Sicherheirihr Geld geliehen hatten , mußten leer ausgehen. Friedrich der Große antwortete der Commiſſion : ,, Nein ! den Schaden muß ich tragen ; denn es ist meine Schuld, daß ich ſo ſchlecht gewählet habe, und einem solchen Menschen, wie Górne, eine solche Sache auftrug. “ ( Zimmermann. ) Da der geheime Rath Hesse , der von dem Lands grafen von Darmstadt zur Zeit derVerlobung der Kronprinzeß nach Berlin gesandt wurde, um einige häusliche Angelegenheiten vor der höchsten Trauung zu arrangis ren, fich schriftlich bey dem König entic uldigte, er fey nicht von Adel, aber ein rechtschaffener Mann, und hoffe, der König werde diesen Umstand bey seinem Auftrage gnädigst übersehen , so schrieb ihm der König wieder: Ein ehrlicher Mann ist in meinen Augen vom besten Adel und vom größ= ten Werth, denn seine Tugend glänzt in feinen Handlungen. Er ist mir willkommen, ich sehe Ihn gern bey mir, und es wird mir ein „Vergnügen seyn, einen Vertrauten von meinem alten: Freunde kennen zu fernen. Eines Tages unterhielt sich der König mit denr Mylord Marschall äußerst vertraut. Das Gespräch hatte die Schicksale der Menschen zum Gegenstand. 10 **
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"Gewiß Mylord ! " fagte der König , das Loos , das mich traf, König zu feyn, ist nicht das angenehmste und beste. Die meisten Menschen lassensich durch das Äußer liche dieſer Würde blenden ; allein , sehen Sie - wat habe ich von meinem ganzen Leben ? muß ich nicht mehr arbeiten , als irgend einer meiner Unterthanen ? muß ich nicht alle meine Handlungen so einrichten, daß ich ihnen stets zu Diensten stehe, und das allgemeine Beste zu erhalten suche ? und bleibt mir mehr übrig, aló daš, ras viele unter ihnen mit weit größerer BequemlichUnd das ist alles nicht hinfeit genießen können ? länglich, fie so zufrieden und glücklich zu machen, als ich wünsche. Unter sich selbst verderben fie oft mehr, als ich Gutes stiften kann ; und die widrigen Folgen, die daraus entstehen , werden größtentheils mir zugefchrieben. Glauben Sie nur, Mylord, könnte ich alle Menschen glücklich machen, ſo würde ich meine Wünſche erreicht haben. Aber , wie viele Hindernisse stellen sich mir immer entgegen, und ich muß zufrieden ſeyn, wenn ich nur hier und da etwas Gutes hervorbringen kann, wo das Böse tas übergewicht zu haben scheint." Bey des Königs lehter Reise nach Preußen (1784) hatte der dortige Präsident , Herr von Maſſov, eine gnådige und rührende Audienz. Der Hauptinhalt der Rede des Königs war folgender: JH habe Ihn zum " Práfidenten gemacht, und ich muß Ihn also auch wol ,,fennen lernen. Ich bin eigentlich der oberste Justiz Eommiffarius in meinem Lande, der über Recht und Gerechtigkeit halten foll; aber ich kann nicht alles ,,bestreiten, und muß daher folche Leute haben, wie Er ift, die andern zu ihren Rechten verhelfen. Ich habe
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eine schwere Verantwortung auf mir ; denn ich muß nicht allein von allem Bösen, was ich thue , sondern „auch von allem Guten, was ich unterlasse, Rechenfchaft geben : so auch Er. Er muß durchaus unpar= tetisch und ohne Ansehen der Person richten , es ſep Prinz, Edelmann oder Bauer. Hort Er, das sage ich Ihm, sonst sind wir geschiedene Leute! - Hat er Nein Jhro Majestát ! Güter ? ,,Will er welche Dazu hab ich kein Geld, Ew. Majeſtät.Eaufen ? Gut, so weiß Er, was Armuth ist, und ſo muß Er sich um so viel mehr der Bedrängten annehmen ! Im Jahre 1783 wendete sich eine junge Bauerin an den König , vorstellend , sie sey von der Herrschaft nicht nur aus dem väterlichen Koffätenhofe rertrieben worden, sondern habe auch Schläge empfangen. Der König befahl dem Justizdepartement hierüber Bericht abzustatten. In diesem Berichte stand, die Schläge hingen mit dem Hofe nicht zusammen , sondern feyen jener Perfon wegen ihres groben Verhaltens gegeben worden, überdieß auch unbedeutend gewesen. Der König schrieb aber an den Rand : Schläge gehören nicht dazu , und ist dieses gar nicht nach meinen Verordnungen, und muß, der die gegen hat, daher gestraft werden. Das ist Justiz. Sonst kann ein jeder arme Leute beleidigen.".
Bey einem schnellen Marsch, wodurch der König Die Verbindung mit der Armee des Prinzen Heinrich, welche ihm die Öftreicher abschneiden wollten , zu be Haupten suchte, fügte es sich, daß sie durch ein Dorf
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defiliren mußten , auf deffen rechter Seite die feinds lichen Hufaren herumschwärmten. Der König hieltsich am Dorf so lange auf, bis die Arrieregarde anfing durchzumaſchiren . Er jagte dann schnell durch das Dorfauf eine Anhöhe, wo die preußischen Flanqueurs vorben mußten. Hier hatten vier öftreichische Hufaren in der Gegend , wo der König den Rücken hinwendete, einen dieſer Flanqueurs auf's Ziel genommen , wollten ihn abschneiden und gefangen nehmen . Dieser gab feinem Pferde die Sporen , und kam gerade am Ende des Dorfs an den König losgesprengt , und feine Ver: folger hinter ihm. Der König wendete ſein Pferd schnell um, und ward gewahr, daß der eine feindliche Husar der ihm sehr nahe war , gerade das Pistol auf dieſen Flanqueur anlegte. Halt Hufar ! rief der König , der an feine eigene Gefahr nicht dachte, Du hast kein Pulver auf der Pfanne. Der Husar , der in der Geschwindig keit seine Pistole betrachten wollte, ward, da ſeine drep Kameraden schon die Flucht ergriffen hattten, von zwep Gensdarmes zum Gefangenen gemacht. Der Eindruck von Friedrich's Größe wirkte auch auf entfernte Nationen, und rohe Menschen fühl ten sich von seiner unglaublichen Unerschrockenheit wehrlos gemacht. In dem siebenjährigen Kriege ritt er einst mit einem ganz kleinen Gefolge refognošziren. In einem Gebüsch lagen einige Panduren verstedt, Die durch einzelne, doch fruchtloſe, Schüſſe nach dem Gefolge des Monarchen zielten. Der Held achtete dies nicht , als ihm plöhlich ein Feldjäger zurief: ,,Jhro Majeftát, retten Sie sich ! Da hinter diesem Baume dicht am Wege legt einer auf Sie an!" — Friedrig
567 behielt seine Fäffung, ſah ſich um, erblickte den zielenden Panduren, hob ſeinen Stock in die Höhe, und rief ihm mit drohender Stimme : Du ! Du ! und der Pandur nahm erschrocken ſein Gewehr vor den Fuß , ents blößte fein Haupt, und blieb in ehrerbietiger Stellung Rehen, bis der König vorübergeritten war. (So wird wenigstens in den „ Anekdoten und Charakterjúgen aus dem Leben Friedrich des Großen" erzählt.) Eine lebendige Darstellung der Seelengröße des Königs, der nie der Menge seiner Feinde , oder dem Drud feiner oft verzweifelten Lage unterlag , findet man in folgendem Briefe von einem preußischen Oiftsier nach der unglücklichen Schlacht bey Kunersdorf. „Es waren nicht 5000 Soldaten bey dem Könige. Die Regimentersahen nicht stärker aus als Compagnien. Ich sah diesen Morgen den König unter ihnen in einem offnen, durch die Kosaken zerstörten Bauernhause in Dischar auf ein wenig Stroh so fest und ruhig schlafen, als ob er sich in völliger Sicherheit befinde. Der Hut lag ihm halb aufdem Gesicht, der Degen bloß zur Seite. Su feinen Füßen schnarchten zwey Adjutanten , aber ohne Stroh. Ein Grenadier wachte vor dem Hause."
Im fiebenjährigen Kriege hatte den König das Fieber so stark angegriffen, daß er sehr hager und blaß aussah, als er in Leipzig fein Winterquartier bezog. Die Frau des Hauses , welcher der König oft Merkmale seiner Gnade gegeben hatte , beklagte ihn , und fagte: Mein Gott, wie ſehen Ew. Majeſtår so kranf Rus !“ — „ Das ist kein Wunder, " antwortete der
568 König ; denn wer zwey Weiber (Maria Thereſia, und Elisabeth von Rußland) und bie Franzosen obendrein am Halle hat, wie kann der gesund aussehen !" Der König wechselte einft auf einer Reise nach Westphalen die Vorspannpferde zu Schauen , wovon das Gebiet eine unmittelbare Reichfreyherrschaft war, die dem Herrn von Grote gehörte. Der damalige Beſißer empfing den König ungefähr mit der Anrede , daß es ihn freue, Se. Majestät auf seinem Territorium zu feben sc. Der König lächelte, und ſagte zu ſeinem Ge folge: Sich da ! hier kommen zwey Souveraine zu fammen ! Einst ritt der König, in Begleitung eine Prinzen, durch eine Straße von Berlin. In einem gewissen Hause lagen verschiedene Frauenzimmer , auf's beste foeffirt, in den Fenstern . Der König hielt sie für Pers fonen von Stande, und nahm ſeinen Hut ſehr gnädig ab. Der Prinz lachte, und sagte : „ Ew. Majestät, das find jaHuren !" -- Der König antwortete blos : ,,So? Em. Liebden kennen sie also ?!" Zum Neujahr übergab ein junger Mensch dem Könige einen Glückwunsch in Versen. Der König ließ ihn vor sich, und fragte, ob er die Verfe selbst gemacht habe. Der verlegene Gratulant sagte Nein. Nu das ist gut: hier will ich Ihm etwas schenken, weil Er die Verse nicht gemacht hat , denn wenn Er die Verſe gemacht hätte, hatteich Ihn in's Tollhaus bringen laffen. Incommodier Er sich aber über's Jahr nicht wieder.
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569 Der König unterhielt sich einmal mit einem Manne, der ihm sehr viel Activität zu haben schien. Die Rede fam auch auf ländlichen Vergnügen , unter andern auf den Vogelheerd. Wofür ist der, fragte der König. Sire , verseßte er , man muß doch auch etwas für die lange Weile haben ! — So ! hat Er auch Lange Weile ? bey diesen Worten wandte sich Frieds rich finster um , und sprach mit dem Manne , der zu weilen lange Weile hatte , kein Wörtchen mehr. Einst ließ sich der König verschiedene Gedichte vorlesen , die man bey Gelegenheit seines Geburttags verfertigt hatte. Er hörte jeden Augenblick das Wort Vater. ,,Viel Wiş find' ich nun wol nicht in diesen Versen," sprach er,,,aber desto mehr Liebe und Zus versicht gegen mich, und damit bin ich vollkommen sufrieden. Meine Unterthanen können mir keinen fchönern Vers machen, als wenn ſle mich ihren g uten Vater nennen, denn in meiner ganzen Regierung hab' ich gestrebt , es zu seyn.
Zu Hirschberg zog die Bürgerwache einmal während Friedrich's Anweſenheit auf, und hielt in feinem Quartiere das Zudringen des Volkes mit Kolbenstößen und Schlägen ab. Der König bemerkte dies aus seinem Zimmer mit vielem Mißfallen . Laßt méine guten Unterthanen mich sehen , so lange fie können und wollen; ich freue mich , daß sie mich lieben und gerne fehen. Bey einer Reise des Königs durch Frankfurt
570 a. d. D. unterhielt er sich einige Augenblicke mit einem Profeffor , der ihm unter andern auch erzählte , daß seine Frau eine gekrönte Poetin gewesen sey.. ;,Hat fie Ihn auch gekrönt, mein guter Profeffor ? fragte der launige König. (Nachtr. zu Nilcol. Anekd.) Als der König 1751 im July eine Reise nach Weftphalen ' machte , ward ohnweit Halberstadt ein Bauer von seinem Vorspanne ohnmächtig, und fiel vom Pferde. Der König schrie, sobald er es fah , aus dem was fehlt dem Kerl ?- Ge Wagen: halt! halt! schwind gebt ihm was zu riechen, und damit zog er fein Flakon aus der Tasche , gab es hin, und befahl, es dem Bauern unter die Naſe zu halten. Es währte nicht lange, so kam dieser wieder zu sich, und sagte in der Betäubung , als er sah, daß der König selbst um ihn bekümmert und daß von diesem die Riechflasche war, die er für ein Schnapsfläschchen anfah : ,,Ach lieber Herr König, dat loone en Gott im Himmel, wenn he sonnen Schnaps hat , davon schon dat Rucken helpt, fo maghe noch woll besser schmecken. Der Königlacte herzlich, und befahl, daß man dem Bauern das Flakon laffen sollte, damit er nur weiter fåme.
Eine adelige Dame hatte verschwenderisch gelebt, und ward Schulden halber verklagt. Sie bat den König unmitteibar : Ihre Prozesse zu fistiren, und ihr ein Moratorium gegen ihre Gläubiger zu geben. Der König forderte nicht allein Bericht von der Justizbehörde, fondern erkundigte sich auch außerdem nach ihrer Verwaltung des Hauswesens, und gab ihr darauf eine
571 abſchlägige Antwort, mit dem Beyfügen , daß Er den Lauf der Justiz um so viel weniger hemmen könne, als Er gewiß wisse , daß sie an Allem schuld sey. Die Dame vermochte ihren Sohn, einen Rittmeister, und verdienten Mann, deßhaib an den König zu schreiben. Der König-antwortete ihm : ,,Er bedauere, ihm diefee abschlagen zu müssen ; die Achtung, die Er für seine findliche Liebe habe, verhindere Jhn, ihm die Urfachen zu melden , warum Er es abschlage. “
In jener dammernden Zeit, als in Preußen und Europa Friedrich der II. wie der Geiſt über den Wassern schwebte, war es , als ein dienste:friger Fisfal zeigen wollte, daß er sein Amt zu verwalten wisse, und einen Prozeß gegen den Verfaffer einer kleinen Flugschrift anfing, die den Titel führte: der gierige Hund , behauptend , der König selbst sey damit ge= me.nt. Der Prozeß ging seinen Gang, und die ersten Richter waren auf dem Punkte , den Verfasser des gierigen Hundes“ als einen Hochverråther zu verurtheilen , als ein alter Büchertrödler kam , und Klage gegen den Autor führte, ihn beschuldigend, daß er die Satyre auf ihn gemacht habe. Der große König belustigte sich sehr über den Mißgriff, und ließ den Herrn Fiefal bitten, nicht alle Albernheiten, die gedruckt würden, auf ihn zu deuten. Ein invalider Feldwebel von der Garde bewarb ſich um einen Versorgungsposten, den man ihm aber abschlug , weil er keine Caution ftellen konnte. Er wandte sich daher an den König , welcher an das Colle=
572 gium , von welchem dieser Posten abhing , schrieb: Der invalide Feldwebel N .... ist mir ſeit so vielen Jahren als ein ehrlicher Mann bekannt, und kann den Posten ohne Caution erhalten. Es ist nicht zu glaw ben, daß er in seinem hohen Alter zum Schelm wer ten wird. Ist aber eine Caution platterdings nöthig, ſo werde ichsie machen. Ich denke Credit zu haben." A Ein Schmiedeknecht aus einem schlesischen Dork nahm zu der Zeit , da im ſiebenjährigen Kriege dit Freybataillons bey der preußischen Armee errichtet wurden, bey demjenigen, welches den Obriſten Quintus zum Chef hatte, als Unteroffizier Dienste, und bewies fich fo brav, daß er zu Ende des Kriegs Major ward, und den Orden pour le Mérite trug. Er ward, als das Bataillon reduzirt wurde , ſeinem Schicksal über laffen , und , da er sich vergeblich hie und dort nach Versorgung umgeſehen , so kehrte er voller Verzweif lung in fein Dorfzurück, wo er den Hammer wieder is die Fauft nahm, und damit ſeinen Unterhalt zu erwer ben fuchte. Dabey unterließ er aber nicht, den Orden pour le Mérite öffentlich zu tragen. Eines Tages, da er vor der Dorfschmiede arbeitete, fügte es ſich, daß der General Seydlig vorbey ritt , und den son derbaren Schmied mit dem Orden für die Verdienste um den Hals erblickte. Er näherte sich demselben, und fragte: was er da mit dem Orden mache ? - Der Schmied erzählte dem General ſein ganzes Schicksal, welches denselben ſo ſehr bewegte, daß er ihm dieHand darreichte, und versprach, sich seiner bey❜m Könige ans zunehmen. Seydlig hielt Wort, und berichtete bald darauf dem Könige Alles , was er geſchen und gehört
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shabe; worüber derselbe Verwunderung außerte, und versicherte dem Mann zu helfen , wenn er vorher mit Quintus gesprochen habe. Es war eben Revŭezeit. Quintus befand sich im Gefolge des Königs, und speiste zu Mittag an def fen Tafel. Als der König und seine Gesellschaft etwas munter geworden waren, fing der erſteke an zu reden; Quintus ! Er hat schön Zeug bey seinem Bataillon zu Offiziers genommen . ----- Da erzählt man mir eben, daß in dem Dorfe, nicht weit von hier, ein Major von ihm schmieder. Wie ist denn der Cyclope zum Orden pour le Mérite gekommen ? — Quintus erwiederte: ich erinnere mich Ah! der brave Kerl ! Ja, ich wünschte, Ew. Majestät hätten viel solcher Schmiede in der Campagne gehabt. Dieser hat gewiß das Seinige gethan , und Er. Majestät sind bey der Gelegen›Heit selbst zugegen gewesen , da er sich bey Ihnen den Orden in Sachsen verdiente. Warum (fragte der König weiter) hat Er mir den Mann nicht bekannt ge Quintus antwortete : Das ist geschehen, macht? aber Ew. Majestät waren damals zu sehr wider die Freybataillons eingenommen , und haben ihn gestrichen. Der König lächelte, und sagte mit Kopfschütteln : Er hat kein Glück gehabt , sonst müßte ich ihm geholfen haben. Nun, hór' Er, ich will dem Mann eine Ponfion geben, weil er es verdient ; aber dann muß er auch den Örden aus der Schmiede bringen , und ſich ſtillehinsehen, bis ich ihn rufen werde. Hierauf erhielt der gewesene Major auch wirk lich eine Pension, die zu feinem Unterhalte völlig hin reichte, mit einem gnädigen Handschreiben des Königs, worin er sich mit großer Güte gegen ihn ausdrückte, 11 Friedrich d. Einz. IV.
574 und beklagte , nicht eher etwas von ihm erfahren zu haben. Der Major, welcher sich nicht hatte träumez lassen , so bald aus der Schmiede erlöst zu werden, war vor Freuden außer sich, als er hörte, daß der König feinen Eriegerischen Verdiensten habe Gerechtig keit wiederfahren laſſen , und genoß die Früchte der selben in Ruhe mit Dank. Der König liebte nicht die Schmeicheley , beson ders nicht in's Gesicht. Es ward bey einer solennes Gelegenheit eine Oper aufgeführt, und dazu ein beson berer Prolog gemacht. Der Poet hatte darin bey einer guten Gelegenheit auch des Königs mit Lobe ge dacht. Der König ließ sich aber den Prolog jur Durchsicht gebe , eh' er komponirt ward ; da strich Er diese Stelle aus und ſchrieb auf den Rand : 11 faut, qu'il ne soit pas question du roi. Ein föniglicher Bedienter wåre wegen einer ge wissen Sache nach Spandau gekommen ; es zeigte sich aber gleich nach seiner Arretirung, daß ihm zuviel ge schehen war. Der König ließ ihn augenblicklich in Freys heit sehen , und nach Potsdam rufen. „Ich danke Ihre Majestät, sprach der Bestrafte,,,für die Gnade, Daß Sie mich meines Arrest's entlassen haben." ,,Nein, guter Mann,“ ſprach der König,,,ich bedanke mich bey Euch, daß Ihr mir eine Gelegenheit gegeben habt, gerecht gegen Euch zu seyn. Ich werde Euch und Eure Kinder nicht vergessen." Einstmal überreichte Jemand dem Könige ein
575 Memorial, worin der Ausdruck stand : ,,Darum bin ,,ich gleich vor die rechte Schmiede gegangen." Der König schickte das Memorial an seine Behörde, mit den Worten : Der gute Mann hat ſich in der Schmiede geirrt; seht doch aber zu, eb sich aus seinem Eisen was schmieden laffe." Auf einer Reise nach Preußen, unterhielt sich der König zu ** stets mit einem Amtmann , der ein sehr starker Mann war. Ohnerachtet er einen Widerwillen gegen ferie Leute hatte, iv konnte er doch diesen wol leiden. Einst stell : sich ein langer hagerer Mann an deffen Stelle. Der König fragte : Wer ist er? Das ist nicht wahr ! der ,,Ich bin der Amtmann.“ Amtmann war ein dicker Mann. -Ew. Majestát halten zu Gnaden , dieser 11- Mann ist gestorben, und ich bin an feiner Stelle." So , fo! Der König fuhr dann weiter. Er fagte hierauf zu dent GeneralLieutenant *** : ,,Dieser Mensch wird mich noch viel kosten, eh' ich ihn so weit bringe, als den vorigen."
Aus der Nasenspinde. (Nasenspinde, so hieß ein kleiner Schrank, in welchem das ehmalige General Direktorium zu Berlin die ihm von seinem großen Könige zugegangenen unangenehmen Verfügungen, in Der Kunstsprache, Nasen, welche es nicht durch die Bureaux verbreiten wollte, verwahren ließ.) Im Jahr 1764 war in Frankfurt a. d . O. durch ein, von Der Kaufmannschaft gegebenes Feuerwerk ein Brand entstanden , wodurch mehre Bürgerhäuser in Aſche ge= Legt wurden. Einer der abgebrannten Bürger war 111
576 genöthigt, fich, Armuth wegen, von dem Wiederaufbau Jozusagen ; ſein Bauplah wurde ihm gewaſtſam ge nommen und verkauft. Drey Jahre hatte er vergeb lich um diesen Rest ſeines eh’maligen Ergenthums prozeſſirt, als der König am 6ten September 1767 nach Frankfurt kam , und der durch die Behörde beraubie Mann, vor den Monarchen tretend, sein Unglück Elagte. Der Köniz ließ sogleich den Bürgerme fter rufen , der aber zitternd seine Schuldlosigkeit bewies: Das Ge neral-Direktorium hatte dieſes Unrecht, auf ſich ; ei erhielt daher am 9ten September , 1767, die hier im Auszug folgende Kabinetordre:: Bey Sr. k. Mojs Durchreise ic: 20. 2c, — welchen Bürgern Allerhöchst dieselben geantwortet, wie Sie zwar wüßten, daß unrer dem Feder vich bey'm General- Direktorio und deren Krieg und Tamainen-Kammern diebiſch Gefin, del genug vorhanden seh, Sich aber niemals vorstellen wollten, daß derselben diebische Proceduren ſich auf das Eigenthum dergleichen armer Bürger so weit er strecken könnten felbigen noch die Überbleibsel ihrer eingeascherten Gebäude und Zubehör mit Gewalt zu. nehmen 2c.------wenn daher der Bürgermeiſter die Leute depoffedirt: hát:e, ſo würden Se. Majs ihn haben ausdem Fenster werfen laſſen, er habe aber nur die Ordre: tes General Direktorii befolgt, xc: Das General Direktorium muß Se. Maj. landesväterliche Gesinnun gen in Ansehung der Poſſeſſionen und wie Sie wollen, daß ein jeder dabey ungefrånkt gelaſſen und geschüßet werde, kennen, und haben , dabey felbiges diefen Ge: Finnungen gemäß handeln , und hierunter keine Ungea rechtigkeiten im Lande zulassen möge , demselben einen Theil, Dero Autorité anvertraut ,, sind aber auch
577 authorisirt , allen Denjenigen , welche davon MißBrauch machen, den Kopf vor die Füße legen zu laffen. Die abgebrannten Bürger find zwar geringe arme Leute, wem aber, wie Sr. königl. Maj . ein Land zu regieren oblieget, dem müſſen alle Menschen gleich ſeyn und dem Armen wie dem Reichen Justice administrirt werden. Allerhöchst dieselben befehlen daher re: re."Übrigens wird das ganze General- Direkto rium ſich diesen Vorfall und die höchſt ungnädigen Äuß ferungen Sr. f Maj. zur endlichen Warnung dienen laffen, wie Sie denn übrigens dem General- Direkto= rium dessen unverantwortliche Negligence, mit wels cher es die Sachen betreibet, und wovon dieser Vorfall, der schon in's dritte Jahr trainiret, zeuger, hiermit ernstlich verweisen. Friedrich. Dieſem Ak‹ enſtück ist der Entwurf einer Verant wortung des General Direktoriums beygefügt, worin es das Sachverhältniß einfach darlegt, und sich einer ftrengen Untersuchung unterwirft. Eben so eine Quit tung des fraglichen Bürgers über 200 Thaler , unter Dem Datum des 10ten September desselben Jahres.
Friedrich spielte das Schach feibenschaftlich, und, wie man leicht vermuthen kann, sehr gut; indef sen mußte er einst die Demüthigung erleben , von sei nen Bauern besiegt zu werden. Im Halberstädt'schen liegt ein Dorf, (Ströbken) welches von den ältesten Zeiten her das Recht hatte, durch das Schach über feine Abgaben zu entscheiden , welche es dem König fchuldig ist. Alle Jahre kam ehdem ein Abgesandter von der königl. Regierung, um ein Spiel mit den Be wohnern des Orts zu wagen . Gewann dieser die ges
578 wisse Zahl von Partien, ſo muß der O* ſeine Abgaben geben ; verlor er ſie , was denn meiſtens der Fall ge: wesen feyn soll, weil das ganze Dorf mit einreden darf, so nahm er einen Becher voll Kupfergeld mit, und da mit, wie ſie ſagten, Gott befohlen ! Friedrich, der nur zu überwinden gewöhnt war , ging einſt, als er dem Ort nahe wor, hin, um den Bauern " die höchste Gnade zu erweisen , sie zu schlagen ; allein der Held hörte, wie seine Emissarien ,,und damit Gott befohlen." De la Motte Fouqué erzählt in den Anmerkungen zu seinem Rittergedicht Bertrand du Gueselin folgendes Beyspiel von geistiger Übergewalt über feindliche Waffen, das Friedrich der Große in dem $ bayerischen Succeffionskriege (1778) gab: Während eines kleinen Vorpostengefechts ritt Friedrich nach einem Gebirgdorfe zu , welches der ihn allein begleitende Adjutant für beſeßt vom Feinde hielt. Er wagte es , den König daran zu erinnern. Der alteHeld, im Gefühl seiner abnehmenden Körper Fräfte während dieses ganzen Feldzugs etwas mürriſch, antwortete kurz und auf eine Weiſe , die dem ehrliebenden Adjutanten keine Erwiederung mehr gönnte. Man ritt dann also schweigend vorwärts. Bey'm Einreiten in das lange, thalbegränzte, Dorf gewahrt man am gegenüberstehenden Ende einen sogenannter Stångelreiter. (Dies Mittelding zwischen Lanzenreiter und Husar hatte Kaiser Joseph damals erschaf fen, um den preußischen Bosniaken zu begegnen.) Der König hält sein Pferd an, und bleibt einen Augenblick finnend still. Nothwendig mußte der Stångelreiter, feiner ganzen Stellung und Haltung, nach, einem hin
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ter ihm lauernden Truppe als Vorposten dienen. Ihn angreifen , (wozu der tapfere Adjutant , Graf Gößen, fich sehr wol geſchickt haben würde) hieß das ganze Bremsenneft aufffören ; flüchtig umkehren , hieß den . Schwarm hinter sich drein locken , und zum wilden Wettjagen taugte der greife König nicht mehr. Da fagte Friedrich nach augenblicklichem Bedenken : Reir' Er zurück, Göhen, und hol' Er Husaren ! Der wack're Adjutant zögerte. So feinen alten König allein zu lassen, war ein entseglicher Gedanke. Aber auch so nur war er zu retten , und ein gebietender Blick des greifenden Helden trieb den jüngern Ritter von hinnen. Er jagt, er fliegt, -- er sieht ein eben zurückgeworfenes Husarengeschwader, und will es aufhalten zu seinem großen Zweck. Die Flüchtigen verRehen ihn nicht , und reiten ihr im wilden Getümmel nieder. Todesangst in der Seele , rafft er sich wieder auf. Endlich gelingt es ihm, einen Zug Husaren zu fassen und im Fluge zurückzuführen nach der bedrohten Stelle. Da hält der alte König ganz allein. Der Stångelreiter ist vor der wundersamen Greifengestalt und dem durchborend strengen Auge still von dannen. geritten." -
Von Seydlig, (gebürtig aus Cleve, im rheinischen Niederlande) der nicht allein der berühmteste Cavallerie General, ſondern vielleicht auch der beste Reiter seines Jahrhunderts war, und der -- wie Archenholz fagt, aus der preußischen Cavallerie eine Art Centauren geschaffen, und mit derselben durch seine geschickten und Kühnen Manövers so wesentlich zu den großen Erfol
580 gen des siebenjährigen Kriegs beygetragen hatte, wird unter andern erzählt : Diefer. Feldherr begleitete einft Friedrich der H. mit einer Abtheilung seiner Cüraſſiere über die Oderbrücke bey Breslau „Bas würden wir thun, Seydliß , fragte der König, wenn der Feind jeht von beyden Seiten der Brücke in zu großer Übermacht auf uns zukăme ?” Ohne zu antworten förengte der General über die Brücke weg in den braufenden Strom. Friedrich erflaunte, und fand dieses Experiment doch zu stark.. Ein andermal hielt Seydlig bey einem großen Manöver gerade auf dem rechten Flügel feiner Caval ferie Linie; der König hatte seinen Stand auf dem Linken genommen. Leßterer fand in den Evolutionen etwas zu tadeln , und schickte seinen Adjutanten , den General herüber zu rufen. In diesem Augenblick fehte sich die Carallerie in Galop. Seydlik fløg långs der vorsprengenden Linie her, und hielt wie ein Werter bey dem Könige, der kaum seinen Augen traute: „Nun, nun !"ſagte er endlich; Er veitet auch ganz verteufelr. Ich habe schon wieder vergeſſen, was ich sagen wollte. die Truppen manövriren recht gut !” Ja, ja, (Charakterzüge, in der Zeitſchrift Charis 1823 mitge theilt von Karl Geib.)
Voltaire schrieb im Jahre 1760 an den italiewischen Dichter Bertinelli (nachdem er sich mündlich gegen denselben geäußert hatte, es thue ihm leið, fich mit Friedrich dem Einzigen entzweyt zu haben:) Haben Sie von den Poeſien des Königs von Preuß sen gehört ? dieser ist kein Heuchler, er spricht von
580 dem Chriften so, wie Julian von ihnen sprach. Es hat Anschein, daßdie lateinische und griechische Kirche, vereinigt unter den Herren von Soltiför und Daun, ihn unten Kanonenfeuer excommunicirem werden z aber er wird sich wie ein Teufél´wehren . Wir, Sie und ich, sind ziemlich sicher, daß er verdammt werden, aber wir sind nicht eben so.sicher, daß er geschlagen reerden wird. Der feine und scharfsinnige. Andrieur drückte sich in seinem Gedichte ,, Le Meunier de Sans:? Souci über Friedrich, den Einzigen fölgender. maßen aus:: Il ( ce trait) est de ce héros , de FRÉDÉRIC second,, Qui tout roi qu'il etoit , fut un penseur profond,. Redouté de l'Autriche , envié dans Versailles ,, Cultivant le beaux arts au sortir des batailles,, D'un royaume nouveau la gloire et le soutien, Grand roi ,. bou philosophe , et fort mauvais chrétien : Was indeß die letterStrophe betrifft , so find Gleim'ễ Worte ſehr zu bemerken :: ,,War wenig nur in Worten Christ;; In Chatene desto mehr.?"
Der geheime Staat und Kabinetminister von Herzberg ha: nach Friedrich's Tode berechnet, wie: viel dieser Konig zur Emporbringung der einzelnen preußischen Provinzen vom Jahre 1763 bis 1786reen endere; hier diese Übersicht:.
582 Schlesien Pommern Neumark Churmark Ost and Westpreußen übrige Provinzen Einzelne Summen
6,350,000 Thaler 5,094,570 3,030 186 3,486 000 " 2,813,800 " 723,526 "1 n2.90 756
Total • • 24,399,838 " In dieser Summe find die Millionen nicht bes griffen, welche der Bau der Festungen erforderte. Die Eroberung Schlesiens hatte gegen 8 , der sieben jährige Krieg nicht weniger als 125 Millionen gekostet (von welcher Summe aber die englischen Subsidien, fo wie die Brandſchczungen zc. abgezogen werden müß fen). Dennoch hinterließ Friedrich der II. einen Schatz von 50-60 Millionen . -- Preußen, das bey feiner Thronbesteigung 2,240 000 Bewohner gezählt hatte, enthielt deren bey seinem Tode gegen 6 MilLionen.
Auf Friedrich den Einzigen. Deinen goldenen Thron uraſchwebte der Genius hoher Kraft, die auf dauernder Bahn, was sie beschlossen, erringt ; Krieg'rischerMuth, der, kühn im Adlerfluge ſich breitend, und mit Weisheit im Bund, terrliche Thaten volls bracht ; Reine Gerechtigkeitttebe, die Bürger, den Staat, das Gemeinwohl Schirmend , wie freundlich ein Baum Wand'rer in Gluten des Tags ;
563 Forschendes Wissen und Kunkt , und heilige Geiſtesers hellung, Die den umnebelnden Zug düsterer Wolken zerfreut. Friedrich, einzig und groß! Es huldigt das Stres ben der Völker Deinem erhates Jeht - nach Leonen auch einst nen Werk : Uber Du weilst nun dort, wo rings im ewigen Lichte Schwindet die Nacht des Wahns, der noch vie .de beschleicht. Karl Geib.
S ch luß worte.. Sans aimer la louage insensible à tout blâme J'ai toujours conservé le repos de mon ame Et que m'abadonnant à la postérité, Elle peut me juger en toute liberté. FREDERIC II. Mit der durch das schöne , erhebende Bewußtſeyn veranlaßten Ruhe, Alles für ſein Baterland (nicht also blos für seinen Thron ! ) gethan zu haben, was die Umstände, die beschränks großer ten Hilfmittel , und fein eigener Geist möglich machten, konnte Friedrich , ohne Bangigkeit, dem Urtheil einer strenge, aber ges recht , richtenden Nachwelt entgegen sehen. Wahrlich, Wenige, die ihm zur Seite gestellt zu werden vermögen, wol schwerlich Einer, der ihn · übertroffen hätte! -
584 Sprechen wir hier nicht von seinen Tugen den; - fast kein Tag feines langen, mühevollen , Lebens, der sie nicht bezeugte; - reden wir nicht davon, wie er Preußen, einen kleinen, verachte ten Staat, zu der Höhe der ersten Monarchieen erhob ; nicht davon , wie er in seinen Feldzügen + eine bewunderungwürdige , außerordentliche, Geschicklichkeit entwickelte , und wie eher der Brandenburger Staat untergehen, als das Andenken an Leuthen erlöschen wird ; nicht von den you niederdrückenden Mühseligkeiten , den unendlichen Beschwerden, und dem Mangel , denen er so häufig standhaft die Spiße bot, noch von seiner persönlichen Kühnheit und seinem hohen Muthe, noch davon, wie so viele seiner Einrich tungen in ganz Europa bewundert, nachgeahmit wurden, übergehen wir, wie sein fühlendes Herz so tiefbewegt ward, bey dem Unglücke seiner Un terthanen , seiner geliebten Kinder; wie sein Rechtlichkeitgefühl sich empörte, wenn er eine Ungerechtigkeit, eine Bedrückung vernahm ; wie er dann sich freute, wenn er unschuldig Leidende gerettet, oder Unglücklichen Hilfe gewährt hattes schweigen wir von der Menge seiner flugen Combinationen (im Cabinet, wie im Felde) ; von seinem philosophischen Geist , ſeinen Talenten als Dichter und Schriftsteller, von seinen kräftis gen , wirksamen Bemühungen zur Vertilgung der Unwissenheit und des Aberglaubens , zur Verbreitung von Licht und Wahrheit; - erwäh nen wir endlich nicht weiter, wie er - ein for niglicher Revolutionär➡ von den Rechten
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der Völker, und den Pflichten der Herrs scher gesprochen ; wie er sogar die leßten Mo-. mente seines Lebens dem Wohle des Vaterlandes weihen zu müssen, für Schuldigkeit erachtete; betrachten wir ihn nunmehr von einer andern Seite. -- Auch Er war nicht ohne Fehler. Summi homines , homines tamen !" fagt Quintilian , von den berühmtesten Männern Griechenlands und Roms sprechend. - Sollte aber wol Friedrich so sehr mißkannt werden, daß man in ihm einen gewöhnlichen Menschen erblicken könnte; in ihm , der doch jeden Fehler mit 10 Tugenden, jede menschliche Schwäche mit 20 Großthaten aufwog !! Gewiß nicht. ,,Quel homme est sans erreur , et quel roi sans foiblesse ?" Die Vorwürfe, welche man Friedrich macht, sind , daß er oftmals als roher Despot regiert, dus Militár und den Adel zum Nachtheile der Bürger begünstigt, teutsche Kunst mißs kannt und verädytet, die Geistlichen gehaßt, daß . er sichendlich jener, durch die späteren Ereignisse furchtbar gerächten, politiſchen-Sünde der Zere trùmmerung Polens theilhaftig gemacht, sich gleich in seinen ersten Regierungjahren als Eroberer gezeigt, und auf diese Art vieles Unglück auf sein Land und Volksgewälzt habe. Wir haben zwar , im Laufe der Erzählung der Ereignisse, welche in Friedrich's Geschichte von Wichtigkeit sind, die meisten dieser Punkte untersucht, und unsere Ansicht darüber mitges theilt; dennoch mag es hier nicht am unrechten 12 Friedrich d. Einz. IV.
586 Orte seyn, sie einzeln nochmals, ſtreng prüfend, zu betrachten. Daß Friedrich im allgemeinen nichts weniger als Tyrann war will man anders diesem Worte seine erste Bedeutung nicht wieder geben, - dies bezeugt seine ganze Geschichte. Daß indeß unter seiner langen Regierung auch Manches den Selbstherrsches beweist, kann nicht geläugnet werden, eben so wenig aber auch, daß Der König in diesem Punkte immer aus Liebe zum Recht , aus innerer Empörung gegen das Unrecht , selbst ungerecht wurde. Wie die preußische Verfaſſung es war , die ihn zum Des spoten machte will man doch diesen Ausdruck beybehalten dies haben wir , nach Funke, S. 526 gezeigt. Troß der barbarischen Behandlung , die Friedrich von Seiten seines Vaters zu erdul den hatte , bildete sich sein philoſophiſcher Geist, theils im Umgange mit seinen Freunden, theils durch vieles Lesen und Nachdenken, und eifriges Studium, so sehr aus, daß er gewiß nicht roh genannt zu werden verdient. Zwar hatte er sich), besonders in seinen Feldzügen , in den häufigen Gesprächen und Unterhaltungen mit Soldaten, manchen Ausdruck angewöhnt , der für unsere verfeinerten Ohren allzuherbe klingt ; aber nicht das Wort , sondern der Sinn desselben, bes weist die Rohheit des Menschen. Die Eroberung Schlesiens läßt sich wol amBesten durch die politischen Verhältnisse rechts fertigen. Preußen hatte Ansprüche auf Theile
587 dieses Landes, die keineswegs grundlos waren ; aber auch ganz abgesehen davon , muß man bes denken , daß damals der Augenblick gekommen war , die , vielleicht Europa , wenigstens ganz Teutschland bedrohende Übermacht Ostreichs zu brechen. Jezt konnte Friedrich seinen Staat, sein Vaterland, bisher immer verachtet, erheben, die Zeit war kostbar, aber der König benüßte sie. -Es mag noch sehr zu bezweifeln seyn , ob die Übel, welche die hieraus entsprungenen Kriege veranlaßten, größer waren, als die gewesen seyn würden, welche das fortwährende, unbeschränks te , Wachsen Östreichs wahrscheinlicher Weise hervor gebracht hätte. - Übrigens darfauch nicht bergeffen werden, daß es keineswegs Friedrich war, der die Fremden zur Verwüstung Leutsch lands herbey rief! Genugsam haben wir uns über die Theilung Polens (S. 485) ausgesprochen ; eben so das rüber (S. 469) , daß der König manchmal den Adel all zu sehr begünstigte ; der nämliche Fall trat auch nicht selten bey dem Militär ein. Wir wollen in dieser Beziehung Friedrich keines wegs rechtfertigen , aber der Wahrheit gemäß muß dennoch bemerkt werden , wie im Ganzen doch nie diese Stände den Bürger und Bauern willkürlich bedrücken durften . — Daß Friedrich über Religion andere, als die gewöhnlichen, Grundsäße sich bildete, wird ihm ebenfalls sehr häufig zum Vorwurfe ges macht. Wer ist , der behaupten könnte , sein Glaube, seine Meinung , seyen die einzig wah 12 *
588 ren ? ,,In diesem Stück,“ ſagte Friedrich selbst,,,sind wir alle blind , und irreu anf vers schiedenen Wegen ; wer unter uns wåre so fühn, daß er den rechten bestimmen wollte ?!" Uud selbst Napoleon äußerte sich noch auf St. Helena: Es ist kein Zweifel, daß meine Art Unglaube, in meiner Eigenschaft als Kaiser , eine Wohlthat für die Volker war ; und wie hätte ich auch anders eine währe Duldung üben können ? Wie wäre es mir möglich gewesen, so entgegens gefeßte Sekten auf gleiche Weise zu begünstigen, hätte eine einzige mich beherrscht? Wie konnte ich die Unabhängigkeit meines Gedankens, meis ner Bewegungen , unter den Einflüsterungen eines Beichtvaters behaupten , der mich durch die Furcht vor der Hölle regierte ? Welche Herrs schaft kann ein böser Mensch , und wäre er noch so dumm, in dieser Stellung über diejenigen ges winnen , welche die Nationen regieren ? Ist es denn nicht der Lichtpußer, der, in den Coulissen , die Bewegungen des Herkules der Oper nach Belieben lenkt ? Wer mag bezweifeln , daß die legten Jahre Ludwig des XIV . mit einem andern Beichtvater ganz anders gewesen wären ? Von diesenWahrheitenfühlte ich michso durchdrungen, daß ich mir fest vornahm, so viel es an mir läge, meinen Sohn in demſelben religiöfen Glauben zu erziehen, zu welchem ich mich bekenne." -Was endlich die Abneigung betrifft , welche Friedrich gegen die Geistlichkeit hegte, so haben wir uns auch hierüber ( S. 536) erklärt. Er ers kannte das, leider nur allzu oft gefährliche, nicht
589 selten sogar heillose Treiben von Gliedern dieſes Standes ; er beschränkte dieselben , ohne jedoch auch nur einmal sich einen Eingriff in kirchliche Gebräuche , oder gar die Denk- und Gewissens freyheit zu erlauben ; er drückte sich, besonders in dieser Beziehung , oft herber aus , als er die Sache in Wirklichkeit beurtheilte , schaffte mit einem Wort ſeinen Ländern ein zuvor in denselben nie in dem Maße gekanntes, unschäßbares, Gut -Gewissenfreyheit- und verdient, wenn schon fast allgemein deßhalb verkannt, dennoch gerade dafür den Dank jedes Freundes der Humanität, der Wahrheit und einer reinen, wirklichen, Freys heit. Friedrich liebte allerdings die französische Sprache vor der teutschen ; aber dieser Umstand, statt einen Vorwurf gegen ihn zu begründen, ist vielmehr Beweis für seinen richtigen und guten Geschmack. Man darf nämlich nicht vergessen, wie unendlich weit die teutsche Sprache und Literatur in jener Zeit noch gegen die englische und italienische, besonders gegen die französische, zus ruck war. (Man sehe die Einleitung zu der ges genwärtigen Schrift, S. VI., XXXL. f. ) ,,Ich liebe unser gemeinschaftliches Vaterland so sehr, wie Sie," schrieb Friedrich an Herzberg, ,,aber eben deswegen hüte ich mich , es zu früh zu loben..... Dies sind die verschiedenen Fessel , die uns hemmten , gleichen Lauf mit den Nachbarn zu halten. Immer haben die, die zus legt kommen, ihre Vorgänger übertroffen ; dies kann bey uns schneller, als man glaubt, gesches
5go hen, wenn die Fürsten Geschmack an den Wise fenschaften gewinnen, wenn ſie die, die ſich damit beschäftigen , ermuntern und diejenigen loben und belohnen , die das Beſſere leisten ; sobald wir Medizeer haben, werden wir Talente sehen. Wir werden unsere klassischen Schriftsteller haben,jeder wird sie lesen, um sich daranzu bilden, unsere Nachbarn werden Leutſch lernen, an den Höfen wird man es sehr gern. ( avec délice) ſpres chen, und es kann geschehen, daß unſere Sprache, wenn sie vollkommen gebildet ist, sich durch die Gunst unserer guten. Schriftsteller von einem: Ende Europa's zu dem andern verbreitet.“ Fassen wir alles Gesagte in wenige: Worte zusammen.. Friedrich's Regierung war die eines unumschränkt herrschenden Monarchen, und deßwegen auch nicht völlig frey von willküre lichen Handlungen. Vermißt man in derselben. aber gleich häufig eine bestimmte, gefeßliche Vers tretung der Nation (Ständeversammlung) ſo iſt es dennoch unläugbar, daß der König das Beste: feines Staats wollte , und Geist und Kraft ges nug besaß, dieses Wollen fast immer zu vollfühs ren. Me forgte ein Monarch eifriger für das Wohl seiner Länder , als dieser König , und ges wiß befand sich Preußen nicht einmal beffer, Während der Staat, dessen als unter ihm. Macht sich unter Friedrich's Regierung fast verbreyfachte , allen übrigen Höfen Achtung. abzwang , entwickelte sich derselbe im Innern: nicht minder. Handel, Manufakturen , Fabris fen, Gewerbe blüheten schnell und ziemlich kräfs
591 tig auf. Neue Städte und Dörfer, leßtere in zahlloser Menge , entstanden.. Ore Pläge vers wandelten sich in fruchtbare Gefilde. Kunst+ Straßen wurden errichtet, Kanåle gegraben, und die Flüsse mit Dämmen umgeben, welche visher aft die Früchte des Fleißes von mehren Laufend Familien durch. Überschwemmung verzehrt hatten. Alle Unglücklichen zu unterstützen, zu retten, war des thätigen Regenten eifriges Bestreben. -Kein Minister durfte es wagen, sich eine willkürliche Handlung zu Schulden kommen zu lass sen. Am Hofe des großen Friedrich erblickte man keine mächtigen Günftlinge;- keineherrschFüchtigen Maitressen , keine giftspeyenden Pries fter lenkten den König. Er war der Vater ſeincs Volks, und keine Scheidewand hielt ihn von seis nen Kindern entfernt, die ihn unermeßlich liebsten , fast anbeteten.. Eben so wenig, als eine ordentliche Auss gabe seiner vielseitig intereſſanten Schriften, Besigenwir eine gute Biographie des großen Friedrich, * ) obschon so unendlich vieles ſeit Fast einem Jahrhundert über ihn geschrieben
*), Ich nehme die „ Geſchichtskunde von der Regies. rung Friedrich's des Großen bis auf unfere ,,Zeit , von M. J. Klarte," keineswegs aus.. Denn wer, wie es in dieser Schrift geschieht, die Schilderung der friedlichen Epoche von 1746bis 1756 auf nicht einmal dem dreißig ſten Theile des Raumes abfertigt , den er zu den beyben. ersten schlesischen Kriegen nöthig hatte,
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ward. Der, alle meine Erwartungen übertref fende Beyfall , welcher meiner Lebensge schichte Napoleon's zu Theil ward , bewog mich, meine Kräfte auch an der des merkwürdis gen preußischen Königs zu versuchen. Zufries den, einem späteren Biographen dieses Helden eine brauchbare Vorarbeit geliefert zu haben, darf ich wol hoffen , meinem Zwecke wenigstens ziemlich nahe gekommen zu seyn. Herrscht gleich über Friedrich nicht mehr die Erbitterung der Parteyen in dem Maße, wie über Napoleon , so entbehrt dagegen der Ges schichtschreiber des ersteren jene Menge trefflicher Materialien, welche in Betreff der Lehteren von Las Cafes, Gourgaud, Montholon, Fleury de Chaboulon, Fain, Segúr, Rapp, und so vielen andern geliefert wurden ; denn die (allerdings äußerst schäßbaren) Werke jenes Königs selbst, können allein unmöglich als hiulängliche Ents schädigung hiefür dienen. Daher nun haupts fächlich kömmt es, daß ohne Zweifel die gegens wärtige Schrift bedeutendere Mängel an sich tras gen wird, als jene über den franzöſiſchen Kaiser; denn ich kann offen erklären, daß ich an der ges genwärtigen beynah' mit größerem Fleiße noch arbeitete, als an der erwähnten vorigen. Ich werde nunmehr versuchen, diese beyden Männer --- die merkwürdigsten des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts — in einer beſonder kann wahrlich kein treues Bild Friedrich's und seiner väterlichen Regierung entwerfen ! -
593 -deren Schrift , einen mit dem andern vergleis chend, darzustellen. Wenige Decennien brachten in der neuern Zeit diese zwey bewundes rungwürdige Menschen hervor , wie ein volles Jahrtausend der Vergangenheit nicht einen aufzuweisen vermag ! Wahrlich, eine auffal lende Erscheinung.
Speyer, im April 1828.
G. F. Kolb..
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(Mit dem Motto :) Sin Raume wirken große Männer selten einträchtig und gemeinschaftlich ; aber in den Zeiten reichen fie sich Alle die Hände aus der hohen Geisterwelt herunter au Einem Baue. Jean Paul. Das Ganze wird einen måßigen Detav - Band füllen , und den Preis von 8 ggr. fächs. oder 36 kr. Thein, nicht übersteigen,
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liche Sorgfalt zu widmen ; auch werden fie nicht blos dasjenige benügen , was , in jeder Beziehung höchst mangelhaft, unter dem Titel der fåmmtlichen oder hinterlassenen Berte Friedrich II. bisher bisher erschienen ist. Hierauf sowol , als auch auf bie folgenden , im nämlichen Verlage bereits erschienenen , Werke, nehmen alle soliden Buchhandlungen Teutſchlands , der Schweiz, Frankreichs und der Niederlande Bestellung as . Lebensgeschichte Napoleon's. Nach den vorzüglichsten gedruckten Werken, so wie aus handschriftlichen Nachrichten dargestellt von Georg Friedrich Kolb. 7 Båndchen in 12 mit dem Portraite des Kaifers, 1 Rthlr. 4 ggr. øder 2 fl. 6 kr.
Wenigen Werken über diesen merkwürdigen Mann , der die balbe Erbe erschütterte , und dann selbst , von zuvor fast nie gesehener Höhe, in des Abgrunds fürch terlichste Tiefe geftügt ward, -- wenigen Werken über denselben, sagen wir, ist der Beyfall zu Theil gewors den, wie dem eben angezeigten. Wir brauchen deßhalb blos auf die gehaltvolle Recension hinzuweisen, welche sich in der Extra- Beylage zur neuen mainzer Zeis tung Nro. 275 von 1827 befindet, und worin es u. a. heißt: Unter der Menge von Biographien, welche über den außerordentlichen Manne , von dem dieses Werk handelt, erschienen find, und wovon manche sogar ihm felbst ihr Daseyn verdanken , haben einige ihn so schwärmerisch gelobt, andere ihn so sehr getadelt, daß man sagen kann : wo die Leidenschaft herrscht, muß die Geschichte schweigen. Die gegenwärtige Schrift hat
› dle Mängel ihrer Vorgänger durth ffrenge Wahrheit, Unpartheylichkeit und Aufſuchung aller Quellen um, gangen. Auf sie ist der Wahlspruch des Polipius: Ut linea, rectitudine, sic , historia veritate definitur in seiner ganzen Ausdehnung anwendbar. Unverdroſſen beleuchtet der Verfasser seine Angaben durch Beweiſe aus den vorhandenen Materialien und gibt sehr oft zwey -auch dreyerlan - Verſionen an. Der angenehme, bündige Styl , verbunden mit Gründlichkeit, macht dieſes Werk zu einer sehr unters haltenden “Lektüre , welche noch dadurch an Intereſſe gewinnt, daß alles, was in dem Mémorial de St. Helene', Lin O'Meara's Napoléon en éxile , in Gourgaud's und Montholon's Mémoiren, in denen ¿ des Generals Rapp und in der militärischen Lebeas: geschichte des Prinzen Eugen, in Bezug auf Napoleon geſagt iſt, ſich hier zuſammen findet. Uußerdem warden bandschriftliche Mittheilungen von Personen , die gut unterrichtet waren, benügt, und der Verfaſſer gibt noch einen Anhang der merkwürdigsten, meistens night bekannten Anekdoten und Charakterzüge Napoleons. ,,Druck und Papier ſind ſchön und zeichnen sich vor andern in kleinem Formate erscheinenden Werken der Art so vortheilhaft aus, daß wir nicht umhin n können hievon eine ehrenvolle Erwähnung zu thun.' Uiber Scott's angebliche Geſchichte Napoleons hat das Publikum ſchon längst entschieden , und daß auch die unter Urnault's Namen gelieferten Nachdrucke einer von Norvins verfaßten Biographie . desselben mit unserem Werke nicht in Vergleich, kommen können, zeigt sich schon bey ihrer erſten flüchtie gen Durchsicht. In diese Schrift ſchließt sich an die der Lebensgefchichte merkwür digsten 3eitgen offen wovon bes reits das erste Bändchen ( U- Bern ) erschienen ist. Preis 18 kr.